Selbststigmatisierung und Charisma christlicher Heiliger der Spätantike 3161491149, 9783161491146, 9783161586583

Götz Hartmann untersucht christliche Asketen der Spätantike, die bereits zu Lebzeiten als 'Heilige' galten. Na

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German Pages 171 [175] Year 2006

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
Einleitung
1. Das Charisma der Heiligen: der Fall Martin von Tours
1.1 Das Charismaverständnis der Sozialwissenschaften
1.2 »Stärker als die ärztliche Kunst«
1.3 Charisma und Stigmatisierung
1.4 »Von allem Übel gereinigt«
1.5 Institutionalisierung über Texte: Charisma und Hagiografie
2. Die charismatisch begründete Gemeinschaft: das Beispiel der Juraklöster
2.1 Die Vita der Juraväter
2.2 Das monasterium in Erinnerung und Gegenwart
2.3 In der ›Wüste‹
2.4 Flucht aus der ›Welt‹
2.5 Krisen charismatischer Autorität
3. Askese, Heiligkeit und Wundermacht: die Bilderwelt der Zeitgenossen
3.1 Von ›drinnen‹ nach ›draußen‹
3.2 Ordnen und heilen
3.3 Zur Rationalität des Asketencharismas
4. Heiligkeit als gesellschaftliche Rolle
4.1 Eine Tunika aus Ziegenhaar
4.2 »Wie es die Mönche tun«
4.3 Soziale Rolle und kollektives Wissen
4.4 Das Charisma des lebenden Heiligen der Spätantike: historischer Ort und soziale Funktionalisierung (Fazit)
Quellen und Literatur
Register
1. Stellen
2. Moderne Autoren
3. Personen und Sachen
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Selbststigmatisierung und Charisma christlicher Heiliger der Spätantike
 3161491149, 9783161491146, 9783161586583

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Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editor:

CHRISTOPH MARKSCHIES

Beirat/Advisory Board (Berlin) • G I O V A N N I C A S A D I O (Salerno) (Berkeley) • J O H A N N E S H A H N (Münster) J Ö R G R Ü P K E (Erfurt)

HUBERT CANCIK SUSANNA ELM

(Berlin)

38

Götz Hartmann

Selbststigmatisierung und Charisma christlicher Heiliger der Spätantike

Mohr Siebeck

geboren 1 9 7 0 ; Studium der Germanistik, Geschichte und Erziehungswissenschaften in Frankfurt am Main und Bonn; 2 0 0 5 Promotion an der Universität Jena; wiss. Mitarbeiter am Seminar für Alte Geschichte der Universität Münster. G Ö T Z HARTMANN,

978-3-16-158658-3 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

ISBN 3-16-149114-9 ISBN-13 978-3-16-149114-6 ISSN 1436-3003 (Studien und Texte zu Antike und Christentum)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2006 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Held in Rottenburg gebunden.

Vorwort Dieses Buch ist aus einer Untersuchung hervorgegangen, die im Sommersemester 2005 von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-SchillerUniversität Jena unter dem Titel »Askese und Heiligkeit. Voraussetzungen und Wirkmöglichkeiten charismatischer Autorität bei lebenden christlichen Heiligen der Spätantike« als Dissertation angenommen wurde. Für die Drucklegung habe ich das Manuskript erweitert und an einigen Stellen überarbeitet. Entstanden ist die Untersuchung im Jenaer Graduiertenkolleg »Leitbilder der Spätantike«. Mein erster Dank gilt den Dozentinnen und Dozenten des Kollegs für die Aufnahme als Doktorand sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Freistaat Thüringen für die dreijährige Unterstützung durch ein Promotionsstipendium. Herzlich danken möchte ich sodann dem Betreuer der Arbeit, Herrn Professor Dr. Walter Ameling, für seine freundliche Offenheit gegenüber meinen Interessen und die immer verlässliche Bereitschaft, meine Gedankengänge auch auf ihren Umwegen mit Rat und Kritik zu begleiten. In ebenfalls herzlicher Dankbarkeit verbunden bin ich Herrn Professor Dr. Meinolf Vielberg, der das Korreferat übernommen hat, für vielfältige Förderung und anspornendes Lob sowie Herrn Professor Dr. Johannes Hahn (Münster) als Drittgutachter, dessen anerkennende und engagierte Kritik mir bei der Überarbeitung des Manuskripts zugute kam; ihm gilt zudem, ebenso wie Herrn Professor Dr. Christoph Markschies (Berlin), mein besonderer Dank für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe »Studien und Texte zu Antike und Christentum«. Weiterhin danke ich Herrn Professor Dr. Jürgen Dummer (Jena), Herrn Professor Dr. Jürgen Hammerstaedt (Köln), Frau Professorin Dr. Gerlinde Huber-Rebenich (Jena) und Herrn Professor Dr. Wolfgang Speyer (Salzburg), die einzelne Gedanken mit mir diskutiert und mich bei ihrer Ausarbeitung beraten haben. Dank schulde ich ferner Herrn Dr. Markus Sehlmeyer (Rostock), der mir zu Beginn der Untersuchung entscheidende Hinweise gab, Herrn Dr. Torsten Krannich (Heilbronn), von dessen kirchenhistorischer Sachkenntnis ich bei der Abfassung der Schlusspassagen profitieren durfte, sowie schließlich den Mitarbeitern des Verlags Mohr Siebeck, Frau Marie-Ev Holland-Moritz, Herrn Matthias Spitzner und Herrn Dr. Henning Ziebritzki, mit deren kompetenter und freundlicher Un-

VI

Vorwort

terstützung die Drucklegung der Arbeit zügig auf den Weg gebracht werden konnte. Meinen Freunden bin ich dankbar für alle Inspiration und Aufmunterung, die ich in den Jenaer Jahren durch sie erfahren habe. Stellvertretend für sie alle seien Bettina Lienhard, Isabella Schwaderer und Valentina Toneatto genannt. Von Bonn und Sonthofen aus half Markus Bodler dabei, die Freude am Schreiben nicht zu verlieren. Gewidmet ist das Buch meinen lieben Eltern. Ohne ihr Vertrauen und ihre Geduld, ihren Zuspruch und ihre Großzügigkeit hätte die Arbeit an ihm weder begonnen noch beendet werden können. Münster/Westf., im September 2006

Götz Hartmann

Inhalt Abkürzungen

IX

Einleitung

1

1. Das Charisma der Heiligen: der Fall Martin von Tours ... 13 1.1 Das Charismaverständnis der Sozialwissenschaften

14

1.2 »Stärker als die ärztliche Kunst«

20

1.3 Charisma und Stigmatisierung

22

1.4 »Von allem Übel gereinigt«

28

1.5 Institutionalisierung über Texte: Charisma und Hagiografie ...

35

2. Die charismatisch begründete Gemeinschaft: das Beispiel der Juraklöster

51

2.1 Die Vita der Juraväter

51

2.2 Das monasterium

57

in Erinnerung und Gegenwart

2.3 In der >Wüste
Welt
drinnen< nach >draußen
Heilige< galten. Nach der Überzeugung ihrer Zeitgenossen hatten sie durch selbst auferlegte Entbehrungen und Leiden die Gabe erworben, Wunder zu tun, konnten also mit der Zustimmung Gottes Ereignisse eintreten lassen, »die den gewohnten Ablauf der Dinge in spektakulärer, wenn auch unbegreiflich erscheinender Weise durchbrachen« 1 . In zahlreichen Notlagen Hilfe leistend, verkörperten sie eine Macht, die aus der Abkehr von der >Welt< die Kraft zu ihrer Verwandlung gewann. Für das Vertrauen in ihre übernatürlichen Fähigkeiten gab es gute Gründe. Zunächst entsprach es den Vorstellungen, die von den Märtyrern existierten. Wie man wusste, waren diese klassischen christlichen Heiligen zum Lohn für ihren Opfertod in den Himmel aufgenommen worden, wo sie für die Lebenden Fürsprache halten und Gott dazu bewegen konnten, mit 1 Definition eines >Wunders< nach B. KOLLMANN, Neutestamentliche Wundergeschichten. Biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis, Stuttgart/Berlin/Köln 2002, 9. Zum Wunder und seiner Repräsentation in spätantiken und mittelalterlichen Schriftquellen siehe M. VAN UYTFANGHE, La controverse biblique et patristique autour du miracle, et ses répercussions sur l'hagiographie dans l'Antiquité tardive et le haut Moyen Âge latin, in: Hagiographie, culture et sociétés IV e -XII = siècles. Actes du colloque organisé à Nanterre et à Paris ( 2 - 5 mai 1979), Paris 1981, 2 0 5 - 2 3 1 ; M. HEINZELMANN/ K. HERBERS/D.R. BAUER (Hg.), Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, Beiträge zur Hagiographie 3, Stuttgart 2002, darin bes. A. ANGENENDT, Das Wunder - religionsgeschichtlich und christlich, 9 5 - 1 1 3 ; H.CH. BRENNECKE, Die Wunder und ihre theologische Reflexion im Commemoratorium vitae S. Severini des Eugipp von Lucullanum mit einem Seitenblick auf die Vita sancti Martini des Sulpicius Severus, 6 2 - 7 6 ; G. DE NIE, Eine Poetik des Wunders: bildhaftes Bewußtsein und Verwandlungsdynamik in den Wundererzählungen des späten sechsten Jahrhunderts, 135— 150. Zu den Heiligen siehe zunächst A. ANGENENDT, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 1994; P. DINZELBACHER/D.R. BAUER (Hg.), Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart. Wissenschaftliche Studientagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 8 . - 1 2 . April 1987 in Weingarten, Ostfildern 1990, darin bes. P. DINZELBACHER, Heiligkeit als historische Variable, 10-17; W. SPEYER, Die Verehrung des Heroen, des göttlichen Menschen und des christlichen Heiligen. Analogien und Kontinuitäten, 4 8 - 6 6 . Siehe ferner W. KERBER (Hg.), Personenkult und Heiligenverehrung, Fragen einer neuen Weltkultur 14, München 1997, darin bes. H.-P. HASENFRATZ, Erscheinungsformen und Gestalten des >HeiligenMartyriumssucht< in der Alten Kirche? Studien zur Darstellung und Deutung frühchristlicher Martyrien, BHTh 87, Tübingen 1995.

Einleitung

3

Die Quellen, die in dieser Untersuchung interpretiert werden, sind überwiegend hagiografische Texte 6 . Für ihre Verfasser lag der Ursprung der außergewöhnlichen Qualitäten, die sie an den Heiligen wahrnahmen, bei Gott und damit jenseits menschlicher Verfügbarkeit. Als wirksam und wirklich erlebt wurden diese Qualitäten indessen stets auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen; in selbst gewählter Einsamkeit wurzelnd, stiftete der Ruf der Heiligkeit Gemeinschaft. Ließ ein berühmter Asket sich irgendwo nieder, dauerte es selten lange, bis sich ein Zirkel von Verehrern um ihn scharte, die unter seiner Anleitung ein neues Leben beginnen wollten, und die Wundergeschichten, die über ihn erzählt wurden, ließen sein Ansehen und seine Anziehungskraft auf Hilfsbedürftige mitunter selbst ins Wunderbare wachsen: Um bei Symeon dem Säulensteher, »dem großen Staunen des Erdkreises«, Heilung, Schutz und Beistand zu finden, kamen die Pilger noch aus Britannien und vom Kaukasus auf seinen syrischen Berg. Dort trafen sie Äthiopier und solche, die in Spanien von ihm gehört hatten. Zu Füßen der Säule sah man Beduinen, die sich um seinen Segen prügelten, und selbst die Frau des Perserkönigs, so hieß es, kannte kein kostbareres Geschenk als etwas Öl, über dem er mit eigener Hand das Kreuz geschlagen hatte 7 . Als Junge hatte Symeon noch Schafe gehütet. Theodoras von Sykeon (gest. 613) war das Kind einer Prostituierten; ein durchreisender Freier zeugte ihn im Gasthaus ihres anatolischen Dorfes. Als Asket lebte Theodoras jahrelang in einem Eisenkäfig unter freiem Himmel, am ganzen Körper mit schweren Gewichten behangen; im Ruf der Heiligkeit wirkte er zahllose Wunder. Scharenweise flohen die Dämonen vor ihm, in ohnmächtiger Wut den Makel seiner Herkunft herausschreiend. Denn dies blieb er immer, TrjQ rröpvnc uiög, »der Sohn einer Hure« - aber der Patriarch von Konstantinopel warf sich vor ihm zu Boden, und der Kaiser selbst besuchte ihn und nannte ihn »Vater« 8 : Was die Zeitgenossen am Phänomen asketisch

6

Die Begriffe >Hagiografiehagiografische Literatur< oder >hagiografischer Diskurse werden hier nicht im Sinne von Gattungsbezeichnungen verstanden. Ich folge K. Herbers, der >Hagiografie< als »äußerst uneinheitliches Corpus verschiedener, allein durch den Themenbereich verbundener Textsorten« definiert, dem sämtliche Texte zuzurechnen seien, die die »mémoire historique« eines Heiligen konstituierten: DERS., Rez. zu G. PHILIPPART (Hg.), Hagiographies. Histoire internationale de la littérature hagiographique, latin et vernaculaire, de l'Occident des origines à 1550, Turnhout 1994ff., Francia 25, 1998, 291-294. Ausfuhrlich zur gattungsgeschichtlichen Komplexität der antiken hagiografischen Traditionen M. VAN UYTFANGHE, Art. Heiligenverehrung II (Hagiographie), RAC 14, 1988, 150-183; DERS., Art. Biographie II (spirituelle), RAC Suppl. 1, 2001, 1088-1364, bes. 1090f., 1153f., 1336-1364. Siehe auch unten S. 36f. ; Anm. 72. 7

T h d t . , h . r e l . 2 6 ( S C 2 3 4 / 2 5 7 , 1 5 8 - 2 1 4 CANIVET/LEROY-MOLINGHEN B d . 2 ) .

8

Gr. Syc., v.Thdr. Syc. 3; 27-30; 84; 136; 166 (SHG 48.1, 7; 2 7 - 3 0 ; 70f.; 108f.;

1 5 3 f. FESTUGIÈRE).

4

Einleitung

begründeter Heiligkeit faszinierte (und so manchen von ihnen beunruhigte), war nicht zuletzt dessen Qualität als erworbene Macht. Die herkömmlichen Quellen legitimer Macht in der spätantiken Welt waren ungleich verteilt und nur wenigen zugänglich: Landbesitz, Herkunft und Bildung, einflussreiche Gönner oder eine hohe Stellung als Beamter oder in der Armee. Der Weg der Entsagung hingegen stand jedermann offen. Dass es trotzdem eine vergleichsweise seltene Auszeichnung blieb, bereits zu Lebzeiten in den Ruf wundermächtiger Heiligkeit zu gelangen, war zunächst den außerordentlichen Unbequemlichkeiten geschuldet, die eine entsprechend strenge Askese mit sich brachte. Nicht jedem war es gegeben, sich in der Wildnis zu Hause zu fühlen, wie es der Brite Patricius von sich sagen konnte, der als junger Mann an die hundert Gebete am Tag gesprochen hatte und nachts beinahe noch einmal so viele und der doch vor dem ersten Morgenlicht schon wieder betend im Freien stand, »im Schnee, bei Frost, im Regen« 9 , oder sein Leben wie Symeon hinzubringen, der sich beim Beten auf seiner Säule in einem fort vor Gott verbeugte, jedes einzelne Mal so tief, dass seine Stirn die Zehen berührte! Zudem pflegte die Öffentlichkeit eine gewisse Skepsis gegenüber dem Wunderbaren. Gerade weil sie grundsätzlich damit rechnete, dass ein Mensch übernatürliche Fähigkeiten erlangen konnte, musste sie im Einzelfall sehr genau darauf achten, ob jemand, der als Heiliger in oft verzweifelten Situationen würde Hilfe leisten müssen, die Voraussetzungen dafür auch wirklich erfüllte. So wollte zum Beispiel mit Bedacht beurteilt sein, ob das, was auf Symeons Säule vor sich ging, tatsächlich seinen außergewöhnlichen Willen zur Entsagung bewies, ihn also als Heiligen empfahl, oder bloß ein Schauspiel absonderlicher Eitelkeit war. Die Entscheidung lag unausweichlich bei denen, die unten standen und hinaufsahen, denn was Gott wirklich von den Verbeugungen hielt, wusste keiner mit Gewissheit zu sagen, und nicht einmal die erhofften Oaupara selbst - so sie sich ereigneten - boten ein sicheres Kriterium: Das Evangelium warnte ausdrücklich davor, dass auch die falschen Propheten der Endzeit »Zeichen und Wunder« tun würden, um noch kurz vor dem Gericht die Auserwählten irrezuführen 10 . Letzten Endes war das Einzige, was man tun konnte, den Mann auf der Säule gut im Auge zu behalten, während er sich seine weltweite Bewunderung erarbeitete. Wohl auch daher rührte der Eifer, mit dem die Pilger bei Symeons Verbeugungen mitzählten; einer kam auf zwölfhundertvierundvierzig an einem Stück, bevor er endlich den Faden verlor". Auch wenn also die Christen der Spätantike davon überzeugt waren, dass sich im Leben und in den Taten der Heiligen der Wille und die Kraft 9 10 11

Conf. 16 (SC 2 4 9 , 86 HANSON/BLANC). Mt 2 4 , 2 4 par. Thdt., h.rel. 2 6 , 2 2 ( 2 0 4 - 2 0 6 C./L.-M. Bd. 2).

Einleitung

5

Gottes manifestierten, wirkten sie selbst durch ihr Verhalten gegenüber einem Asketen entscheidend daran mit, Heiligkeit als eine Form von Autorität unter den Menschen erst hervorzubringen. Charakteristisch für die Macht der Asketen war nicht nur, dass sie erworben war, sondern auch, dass sie in besonderem Maße von der Zustimmung anderer abhing. Bezeichnend ist der Fall der Jungfrau Genovefa, der späteren Stadtpatronin von Paris: Nur knapp der Steinigung als pseudopropheta entronnen, stieg sie, ohne jemals irgendein kirchliches oder sonstiges Amt zu bekleiden, zur eigentlichen Herrin ihrer civitas auf. An ihrer asketischen Lebensweise änderte sich nichts: Was die fidelissima famula Dei von der »Lügenprophetin« unterschied, die sie einmal gewesen war, war allein, dass ihre Mitbürger inzwischen eine andere Meinung von ihr hatten 12 . Das beredtste Zeugnis der starken Position, die die Gesellschaft in der Beziehung zu ihren Heiligen innehatte, ist jedoch vielleicht auf einer anderen Ebene der Überlieferung zu suchen: in der bloßen Existenz eines hagiografischen Diskurses nämlich, der die Spannung zwischen dem Anspruch der »Vielen«, von der Wunderkraft der Asketen zu profitieren, und deren Wunsch, in Demut mit Gott allein zu sein, in jeder Mirakelerzählung aufs Neue zum Nachteil Letzterer auflöste. Näher besehen war es somit oft eine zwiespältige Ehre, den Ruf eines Wundertäters erlangt zu haben. Andauernd der Beobachtung ausgesetzt wie Symeon und selbst auf dem Krankenbett noch von Hilfesuchenden regelrecht belagert13, schien der lebende Heilige manchmal geradezu ein Gefangener seiner Verehrer zu sein, wie schon die Zeitgenossen registrierten 14 . In der Historia religiosa Theodorets von Kyrrhos ist eine Geschichte überliefert, die die buchstäblich besitzergreifende

12

V.Genov.Paris.

13

Constantius, v . G e r m . 16 ( 1 5 4 B . ) .

1 2 - 1 3 ( M G H S R M III, 2 1 9 f . K R U S C H ) .

14 S o e t w a v . p a t r . Iur. 4 9 - 5 0 ( S C 142, 2 9 2 - 2 9 4 M A R T I N E ) : Igitur, cum repertum percontatione cautissima, quasi per oportunitatem comitaturi, caritatis vinculis nexuissent, praecurrens repente unus nuntiat urbi; ceteri vero ita eum sermocinatione sancta conligant ut suspicione careret, doñee obvio pontifici etpopulis ultra moenia deveniret in manibus ... Ducitur ergo, immo rapitur Christi servusprimitus a sanctopontífice; dehinc a clero omni et civibus, a popularibus quoque, utriusque sexus enormitate permixta, pro

salutis remediis

magna

ambitione

constringitur.

Vgl. damit z.B. Ath., v.Anton. 4 9 - 5 0

( S C 4 0 0 , 2 6 6 - 2 7 2 BARTELINK), mit d e m M o t i v der - letztlich e r f o l g l o s e n - F l u c h t d e s H e i l i g e n vor s e i n e n B e s u c h e r n : 'Clq ÖE EIÖEV Éauióv óxXoúnevov Ü7iö 7ioXXíov Kai ní| A(J)IÉ|ievov K a r a YVÚ>|ipv ÄVAXOOPEIV ú g ß o u X s T a i , EÜXAßNÖEI? M1! ¿ 5

ó K ú p i o q 7TOIET 5I"

aÜToC, n aÜTÓg eirapöfi n aXXog xig újrép ö éaxi XoYÍarr|Tai JTEP'i aúxoú, eaKéi(>aT0 Kai &pHHCEV ÓCVEX0ETV EÍC xrjv avio © n ß a i ö a 7ipö? roí)? ä y v o o u v T a c a ü r ó v ... P a l l a d i u s v o n H e l l e n o p o l i s allerdings w u s s t e v o n einer b e s o n d e r s h e i l i g e n ä g y p t i s c h e n N o n n e z u erzählen, der e i n m a l die Flucht v o r der V e r e h r u n g g e g l ü c k t war: h. L a u s . 3 4 ( T a S V I . 2 , 1 0 0 BUTLER B d . 2 ) : K a i JIEB' f i u é p a i ; ö X i y a i ; (ir) EVEYKOUAA EKEÍVII rr|v 5 ó 5 a v

Kai r p v t i ) j r | v TCOV

ÖÖEXIJJCÖV, Kai ... É¡;fíX0E T °Ö Movaarripiou- Kai 7io0 á7rf¡X0EV, N "OÖ KaréSi), Í] 7tíoc; ETEXEÚxr|a£v, Eyvw oü5EÍg.

6

Einleitung

Wertschätzung der spätrömischen >Welt< für den asketischen Außenseiter an ihrem Rand besonders augenfällig in Szene setzt. Nicht weniger deutlich bringt sie zugleich die spirituelle Dimension eines asketischen Lebens zum Ausdruck: In einem Dorf am Euphrat hat sich ein Mann namens Salamanes in eine Hütte eingeschlossen, die weder Tür noch Fenster hat. Einmal im Jahr kommt er heraus und gräbt ein Stück Boden um, um sich etwas zu essen zu verschaffen, spricht dabei aber mit niemand. In Einsamkeit, Finsternis und schlechter Luft sein Dasein fristend, verwirklicht er, in Theodorets Worten, das Ideal des noüxiog ßiog. Das Adjektiv ließ alle Eigenschaften anklingen, die der gewöhnliche Gläubige außer der Wunderkraft bei einem Heiligen noch zu finden hoffte: Schweigend und regungslos sollte er dem Treiben >dieser Welt< zusehen, unberührt von Leidenschaften wie ein Engel, friedfertig, getrost und gelassen. So auch hier: Selbst der Bischof, der Salamanes für seine äpsrti die Priesterweihe aufdrängt und ihm in einer langen Ansprache erklärt, welche Gnade ihm zuteil geworden sei, kann ihm kein einziges Wort entlocken. Eines Nachts kommen Leute aus dem Nachbardorf, Salamanes' Geburtsort, stemmen die Wand seiner Zelle auf, »packen ihn« (Xaßövxeg aöröv) und tragen ihn mit sich fort; zu Hause angekommen, bauen sie eine ähnliche Hütte und schließen ihn wieder ein. Der Asket hat weder protestiert noch zugestimmt, und dabei bleibt er auch, als es wenige Nächte später die Bewohner des ersten Dorfes sind, die nun ihrerseits die neue Hütte aufbrechen und ihn »zu sich zurückschaffen« (irpöc ecturoug ct7rijYOv). Ein Wunder geschieht nicht und wird auch nicht verlangt. Die Funktion der Hauptfigur ist hier nicht die eines patronus, der aktiv Schutz und Hilfe bietet, sondern erinnert eher an die eines apotropäischen Objekts, das man für alle Fälle bei sich haben möchte. Einem modernen Leser mag die Geschichte schwankhaft erscheinen; wie Theodoret sie verstanden wissen wollte, zeigt sein Resümee. Mit einem Zitat aus dem Galaterbrief erinnerte er daran, was das höchste Ziel der christlichen Askese war und worauf sie in all ihren wechselnden Ausdrucksformen immer von neuem verwies: »So hatte er sich dem Leben gegenüber ganz und gar zu einem Toten gemacht und konnte in Wahrheit jene apostolischen Worte sprechen: >Mit Christus bin ich gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und der sich für mich hingegeben hat.ioví)v üXn0£ÚIÚV £(|>06YYETO" » X p i a T ñ auvEaraúpconai, ÍFFI 8é OÚKÉTI éyú, Sé vOv ¡¡D év aapKÍ, év TTÍOTEI

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SóvTog

éauróv Ú7rép énoC.« Vgl. Joh.Cass., inst. coen. 1,4 (SC 109, 44 GUY), der berichtet, die ägyptischen Mönche trügen kurzärmelige Leinentuniken, ut amputatos habere eos actus et opera mundi huius suggerat abscisio manicarum et ab omni conversatione

Einleitung

7

Nach dieser ersten Annäherung an die lebenden Heiligen der Spätantike lässt sich zusammenfassen, wie die Eigenschaft, >heilig< zu sein, sich auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen darstellte — denn dieser Aspekt des Phänomens ist es, an dem meine Untersuchung ansetzen wird: Asketen, die im Ruf standen, Wunder wirken zu können, verfügten über eine erworbene, an ihre Person gebundene Autorität. Weder eine privilegierte soziale Herkunft noch Bildung, Besitz oder gute Beziehungen waren unabdingbare Voraussetzungen dieser Autorität; ebenso wenig ging sie zwangsläufig von einem kirchlichen oder anderen Amt auf dessen Träger über. Sie stand und fiel indessen mit der Zustimmung und dem Vertrauen eines Umfelds von Hilfsbedürftigen, Anhängern und Unterstützern. Zu ihren besonderen Merkmalen zählte, dass sie bei vielen, die mit ihr in Berührung kamen, den Wunsch weckte, in enger Bindung an ein verehrtes Vorbild ein neues, ebenfalls asketisches Leben zu beginnen. Ferner ist uns aufgefallen, dass die spätantike Gesellschaft bestrebt war, die Wunderkraft zu nutzen, die sie den Asketen zuschrieb, und die Hilfe, die sie von ihnen erwartete, notfalls unter Zwang auch einforderte. Eine Autorität, wie sie die zeitgenössischen Quellen als typisch für die heiligen Männer und Frauen der Spätantike schildern, wird in den Sozialwissenschaften seit Max Weber als >Charisma< bestimmt. In Weiterführung der Weberschen Ansätze ist die soziologische Charismaforschung vor allem in den letzten drei Jahrzehnten zu einer Reihe bemerkenswerter Einsichten gelangt. Sie betreffen insbesondere den Zusammenhang zwischen der Entstehung charismatischer Autorität und jenem breiten Spektrum von Enthaltungs- und Verweigerungshandlungen gegenüber den Werten, Normen und Bindungen einer Gesellschaft, in dem nicht allein der christliche Kulturkreis die Idee des >Der-Welt-Absterbens< wiedererkennt. Damit lassen sie unter anderem auch das in unseren Quellen immer wieder herausgestellte und dort mit dem Willen Gottes, den Asketen für seine Leiden zu belohnen, erklärte Ursache-Folge-Verhältnis von Askese und Wundermacht in einem neuen Licht erscheinen. In ihrer theoretischen Ausrichtung diesen jüngeren sozialwissenschaftlichen Perspektiven verpflichtet, beschreibt und analysiert meine Arbeit das Phänomen asketisch begründeter terrena mortificatos eos velaminis linei doceat indumentum audiantque per hoc Apostolum cotidie sibi dicentem: »Mortificate membra vestra quae sunt super terram« [Kol 3,5] - illud quoque ipso habitu protestante: »Mortui enim estis, et vita vestra abscondita est cum Christo in Deo« [Kol 3,3], et: »vivo autem iam non ego, vivit vero in me Christus [s. o.], mihique hie mundus crucifixus est et ego mundo« [Gal 6,14]. Zum hier berührten Problemkreis so genannter s o z i a l e r Totstellung< siehe HASENFRATZ, Erscheinungsformen, bes. 17-20; ausführlich DERS., Die toten Lebenden. Eine religionsphänomenologische Studie zum sozialen Tod in archaischen Gesellschaften, BZRGG 24, Leiden 1982 (Kurzfassung in: Saeculum 34, 1983, 1 2 6 137).

8

Einleitung

Heiligkeit in der Spätantike als spezifisch christliche Spielart charismatischer Autorität. Ein typologischer Ansatz, wie er hier gewählt wird, bringt es mit sich, verallgemeinern zu müssen. Der Umfang, in dem dies in den folgenden Kapiteln geschehen wird, mag in einer historischen Untersuchung zunächst befremden, zumal die intensive, vielfach sozialanthropologisch inspirierte Forschung zur spätantiken Heiligenverehrung seit den 1970er Jahren - zu nennen sind hier vor allem die Arbeiten Peter Browns 16 - deutlich genug gezeigt hat, dass sowohl die Erscheinungsformen der Askese als auch die Verbindungen, die zwischen ihr und der Autorität der Heiligen wahrgenommen wurden, unter verschiedenen Gesichtspunkten (Region, Sozialstatus, Geschlecht, Bildungshintergrund u.a.) differierten und sich zudem wie auch kaum anders zu erwarten - über die Zeit hinweg veränderten 17 . 16 The Rise and Function of the Holy Man in Late Antiquity, JRS 61, 1971, 80-101; The Cult of the Saints. Its Rise and Function in Latin Christianity, The Haskell Lectures on History of Religions N.S. 2, Chicago 1981; Society and the Holy in Late Antiquity, Berkeley/Los Angeles 1982, darin bes. 153-165 (»Town, Village and Holy Man: The Case of Syria«); 166-195 (»Eastern and Western Christendom in Late Antiquity: A Parting of the Ways«). Siehe ferner: The Saint as Exemplar in Late Antiquity, Representations 2, 1983, 1-25; The Body and Society. Men, Women and Sexual Renunciation in Early Christianity, The Haskell Lectures on History of Religions N.S. 13, New York 1988; Authority and the Sacred. Aspects of the Christianisation of the Roman World, Cambridge 1995, darin bes. 55-78 (»Arbiters of the Holy. The Christian Holy Man in Late Antiquity«); Arbiters of Ambiguity. A Role of the Late Antique Holy Man, Cassiodorus 2, 1996, 123-143; The Rise and Function of the Holy Man in Late Antiquity,

1 9 7 1 - 1 9 9 7 , J E C S 6 , 1 9 9 8 , 3 4 3 - 5 3 9 ; H o l y M e n , C A H 14, 2 0 0 0 , 7 8 1 - 8 1 0 . -

Auseinan-

dersetzung mit den Thesen Browns v. a. bei J. FONTAINE, Le culte des saints et ses implications sociologiques. Réflexions sur un récent essai de Peter Brown, AB 100, 1982, 1741; A. MURRAY, Peter Brown and the Shadow of Constantine, JRS 73, 1983, 191-203; M. VAN UYTFANGHE, L'origine, l'essor et les fonctions du culte des saints. Quelques repères pour un débat rouvert, Cassiodorus 2, 1996, 143-196. Siehe ferner die Beiträge in J. How ARD-JOHNSTON/P. A. HAYWARD (Hg.), The Cult of Saints in Late Antiquity and the Middle Ages. Essays on the Contribution of Peter Brown, Oxford 1999, bes. A. CAMERON, On Defining the Holy Man (27-43); PH. ROUSSEAU, Ascetics as Mediators and as Teachers (45-59); C. RAPP, »For next to God, you are my salvation«. Reflections on the Rise of the Holy Man in Late Antiquity (63-81); P.A. HAYWARD, Demystifying the Role of Sanctity in Western Christendom (115-142). Eine hervorragend informierte Diskussion des Brownschen Œuvres und seiner Rezeption in der Geschichtswissenschaft bietet H. INGLEBERT, Peter Brown, in: S. AUDOIN-ROUZEAU u.a., Les historiens, Paris 2003, 336-350. 17 Von den einschlägigen neueren Arbeiten siehe v.a. die folgenden: A. ROUSSELLE, Du sanctuaire au thaumaturge: la guérison en Gaule au IV5 siècle, Annales E.S.C. 31, 1976, 1085-1107; M. HEINZELMANN, Sanctitas und >TugendadelHeiligkeit< im 5. und 10. Jahrhundert. Zugleich Rez. zu J.-C. POULIN, L'idéal de sainteté dans l'Aquitaine carolingienne d'après les sources hagiographiques (750-950), Travaux du Laboratoire d'histoire religieuse de l'Université de Laval 1, Québec 1975, in:

Einleitung

9

Einer dieser Unterschiede muss uns besonders interessieren, da unsere Untersuchung sich hauptsächlich auf gallische Quellen stützen wird: der Umstand nämlich, dass die Bereitschaft der etablierten sozialen Autoritäten, das Auftreten asketisch lebender Charismatiker zu begrüßen oder doch wenigstens zu tolerieren, im Westen des (einstigen) Römischen Reiches deutlich schwächer ausgeprägt war als in seinem Osten: »In the West the Holy Man was predominantly a dead Holy Man«18 - was heißen soll: Vor allem Francia 5, 1977, 741-752; P. Cox, Biography in Late Antiquity. A Quest for the Holy Man, The Transformation of the Classical Heritage 5, Berkeley/Los Angeles/London 1983; W.D. MCCREADY, Signs of Sanctity. Miracles in the Thought of Gregory the Great, STPIMS 91, Toronto 1989; C. LEONARDI, Modelli di santità tra secolo V e VII, in: Santi e demoni nell'alto medioevo. Bd. 1, Settimane di studio del Centro italiano di studi sull'alto medioevo 36, Spoleto 1989, 261-283; S.A. HARVEY, Asceticism and Society in Crisis. John of Ephesus and the >Lives of the Eastern SaintsLetzteArmeNiedrigeGekreuzigte< und >für diese Welt Gestorbene< jene charismatische Autorität gewannen, die sie in den Augen ihrer Zeitgenossen wie ein übernatürlicher Glanz men< unter die Autorität der Bischöfe sei er eingetreten, sondern für eine präzisere Unterscheidung zwischen >wahrer< und >angemaßter< Heiligkeit: C. LEYSER, »Divine power flowed from this book«: Ascetic Language and Episcopal Authority in Gregory of Tours' Life of the Fathers, in: K. MITCHELL/I. WOOD (Hg.), The World of Gregory of Tours, Cultures, Beliefs and Traditions 8, Leiden/Boston/Köln 2002, 2 8 1 - 2 9 4 , bes. 2 8 3 - 2 8 5 , 291-294. 19

Zu diesem Begriff B. STEIDLE, »Homo Dei Antonius«. Zum Bild des »Mannes Gottes« im alten Mönchtum, in: Antonius Magnus Eremita, StAns 38, Rom 1956, 148-200. 20 So in Greg. Tur., vit.patr. 1,5 (MGH S RM I, 667 KRUSCH): dominicae oves für >MöncheWunderkraft< gedanklich handhabbar machten: dass Einzelne, die zunächst durch Abkehr und Rückzug, Verzicht und Verweigerung auffielen, daraus bisweilen tatsächlich die Fähigkeit schöpften, »den gewohnten Ablauf der Dinge zu durchbrechen«, wie die eingangs angeführte Definition eines >Wunders< lautete - und zwar durchaus (und buchstäblich) in »spektakulärer«, wenn auch nicht in restlos unbegreiflicher Weise.

Kapitel 1

Das Charisma der Heiligen: der Fall Martin von Tours Im Jahr 371 suchten die Christen im gallischen Tours einen Nachfolger für ihren verstorbenen Bischof. Der Wunschkandidat der Mehrheit war ein Mann in den Fünfzigern, der aus dem Rahmen ihres kleinstädtischen Gemeindelebens sichtlich herausfiel. In Pannonien geboren und von Beruf ursprünglich Soldat, hatte er sich bei der Armee taufen lassen und war später in Gallien Exorzist geworden. Nach einer Zeit als Einsiedler und Wanderprediger lebte er inzwischen mit einigen Gefährten in der Nähe von Poitiers, wo ihnen ein alter Gutshof als monasterium diente. Bekannt war er vor allem als Heiler; wie es hieß, konnte er sogar Tote wieder lebendig machen. An seiner Persönlichkeit schieden sich die Geister. Sein Vater hatte ihm nach dem Kriegsgott Mars den Namen Martinus gegeben, und tatsächlich ließ sich nicht behaupten, dass er es vorzog, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Die einen verehrten ihn, rühmten seine Standhaftigkeit im Glauben und die Strenge seiner Askese und lauschten mit Hingabe den Geschichten, die über seine Wundertaten umliefen. Andere stieß er ab. Schon allein in der Art, wie er sein Äußeres vernachlässigte, lag etwas, das sie provozierte. Dass ihm jetzt auch noch ein hohes Kirchenamt anvertraut werden sollte, brachte sie vollends gegen ihn auf. Entsprechend stürmisch verlief der Tag seiner Bischofsweihe. Sie fiel in die Zuständigkeit der Bischöfe aus den Nachbarstädten, von denen jedoch etliche zu seinen Gegnern gehörten. Vor der Gemeinde von Tours kam es zu Wortgefechten; von »schmutziger Kleidung« war die Rede und von »ungepflegtem Haar« und davon, dass einer wie er nicht würdig sei, Bischof zu werden 1 . Am Ende war es das Protestgeschrei der Menge, das die widerstrebenden Würdenträger zwang, seine Amtseinsetzung zu vollziehen. Wenn die Bürger von Tours gemeint hatten, ihr neuer Bischof werde sich mit ganzer Kraft den Alltagsgeschäften seines Amtes widmen, wurden sie bald eines Besseren belehrt. Zu sehr zog es ihn auf die Landstraßen 1

Sulp. Sev., v.Mart. 9,3 (SC 133, 2 7 0 - 2 7 2 FONTAINE): ... dicentes scilicet contemptibilem esse personam, indignum esse episcopatu hominem vultu despicabilem, veste sordidum, crine deformem.

14

1. Das Charisma

der

Heiligen

hinaus. Auf wochenlangen Reisen durchwanderte er Gallien, steckte Tempel in Brand, gründete Kirchen und trieb Dämonen aus, und überall heilte er Kranke. Sein Biograf Sulpicius Severus hat ein Dutzend Geschichten überliefert, die mehr oder minder ausführlich von solchen Heilungen erzählen. Bisweilen sind es nur kurze Notizen wie die folgende aus dem 18. Kapitel der Martinsvita: »[Martinus] kam nach Paris, und eine große Menschenmenge zog mit ihm. Am Stadttor aber küsste und segnete er einen Aussätzigen, dessen erbarmungswürdiges Gesicht jedermann schaudern ließ. Sofort war [der Kranke] von allem Übel gereinigt. Am nächsten Tag kam er zur Kirche, und mit strahlend reiner Haut dankte er für die Gesundheit, die er wiedererlangt hatte.« 2

1.1 Das Charismaverständnis der Sozialwissenschaften Nicht zufallig beginnt diese Untersuchung mit dem ehemaligen Soldaten Martinus und seinem Aufstieg zum Bischof von Tours, gefolgt von einer Wundernachricht aus seiner Vita, die ihn einen Aussätzigen heilen lässt: Wie kaum eine andere steht Martins Lebensgeschichte für die charismatische Karriere eines spätrömischen heiligen Mannes, und es ist das Wunder von Paris, das uns in seltener Deutlichkeit erkennen lassen wird, in welcher Weise Voraussetzungen und Wirkmöglichkeiten christlicher >Heiligkeit< einander entsprachen. Zunächst jedoch müssen wir uns Klarheit über die Grundzüge des sozialwissenschaftlichen Verständnisses charismatischer Autorität verschaffen, um uns sodann mit jener neueren Theorie ihrer Entstehung vertraut zu machen, von der unsere eigenen Überlegungen zum Thema ihren Ausgang nehmen werden. Der Terminus >Charisma< stammt aus dem Neuen Testament; wird er, wie hier, in einem anderen wissenschaftlichen Diskurs als dem theologischen verwendet, so üblicherweise in einem Sinn, der auf Max Weber zurückgeht. Weber selbst hat den Begriff aus den dogmatisch-kirchenrechtlichen Arbeiten des Juristen Rudolph Sohm sowie aus den Studien des protestantischen Kirchenhistorikers Karl Holl zum griechischen Mönchtum übernommen 3 und ihn in seinen herrschafts- und religionssoziologischen 2 V. Mart. 18,3-4 (292 F.): Apud Parisios vero, dum portam civitatis illius magnis secum turbis euntibus introiret, leprosum miserabili facie horrentibus cunctis osculatus est atque benedixit. Statimque ab omni malo emundatus, postero die ad ecclesiam veniens nitenti cute gratias pro sanitate, quam receperat, agebat. 3 M. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, rev. v. J. WINCKELMANN, Tübingen 5 1972 ('1922), 124. Vgl. R. SOHM, Kirchenrecht. Bd. 1: Die geschichtlichen Grundlagen, Berlin 1892; DERS., Wesen und Ursprung des Katholizismus, in: Abh. d. Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 27, Leipzig 1909, 3 3 5 - 3 3 9 ( 2 1912, darin auch Sohms Replik auf die Kritik durch A. v. HARNACK, Entstehung und

1.1 Das Charismaverständnis

der

Sozialwissenschaften

15

Schriften zum typologischen Konzept einer in emotionalen Bindungen wurzelnden Autorität weiterentwickelt, das eine Vielzahl historisch-empirischer Einzelphänomene als Varianten ein und desselben Grundmusters sozialer Interaktion erfasst 4 . Nach diesem - heute allerdings nicht mehr in Entwickelung der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts in den zwei ersten Jahrhunderten nebst einer Kritik der Abhandlung R. Sohms: >Wesen und Ursprung des Katholizismus< und Untersuchungen über >EvangeliumWort Gottes< und das trinitarische Bekenntnis, Leipzig 1910); DERS., Das altkatholische Kirchenrecht und das Dekret Gratians, in: FS Adolf Wach zum 16. November 1915, München/Leipzig 1918, 1 - 6 7 4 ; K. HOLL, Enthusiasmus und Bußgewalt beim griechischen Mönchtum. Eine Studie zu Symeon dem neuen Theologen, Leipzig 1898. Zusammenfassung der Thesen Sohms bei W. NIPPEL, Charisma und Herrschaft, in: DERS. (Hg.), Virtuosen der Macht. Herrschaft und Charisma von Perikles bis Mao, München 2000, 7 - 2 2 , hier 8 - 1 0 . Ausführlich zur Rezeption Sohms, Holls und der Sohm-Harnack-Kontroverse durch Weber M . N . EBERTZ, Das Charisma des Gekreuzigten. Zur Soziologie der Jesusbewegung, W U N T 45, Tübingen 1987, 15-29. - Zum Begriff: X a p i a n a x a (von xàpiç >Gunst, Freude, GnadeFührerstaat< Adolf Hitlers, in: DERS., Demokratie in Deutschland. Soziologisch-historische Konstellationsanalysen, Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 100, Göttingen 1993, 95-118; H.-G. SOEFFNER, Geborgtes Charisma. Populistische Inszenierungen, in: GEBHARDT/ZINGERLE/EBERTZ (1993), 201-220; M. N. EBERTZ, Gesellschaftliche Bedingungen für prophetisch-charismatische Aufbrüche, JBTh 14, 1999, 237-255; L. HERBST, Der Fall Hitler. Inszenierungskunst und Charismapolitik, in: NIPPEL, Virtuosen, 171-181; R. KANY, Art. Jünger, RAC 19, 2001, 258-346, hier 2 6 2 - 2 6 4 . Siehe auch P. WORSLEY, The Trumpet Shall Sound. A Study of >Cargo< Cults in Melanesia, London 2 1968 ('1957), bes. 288, 293: Nach Worsley - d.h. vom Standpunkt eines marxistisch inspirierten Ethnologen aus - ist der wichtigste Faktor in einer charismatischen Situation nicht die Person des Anfuhrers, sondern das Interesse seiner Anhänger an bestimmten Werten, die er verkörpere und um derentwillen sie ihm folgten; dazu THEOBALD, Role of Charisma, 83 f.; EBERTZ, Charisma, 43 f. mit weiterer Literatur; DERS., Bedingungen, 246f. 12 Etwa aus der Dynamik reziproker psychischer Abhängigkeiten: Ein »mirror-hungry individual« - der Charismatiker - diene einem Kollektiv von »ideal-hungry individuals«, seinen Anhängern, als Ankerpunkt ihres Bedürfnisses, sich in der Bindung an eine bewunderte Person fortwährend ihres eigenen Wertes zu versichern, und erfahre im Gegenzug von ihnen die anhaltende Verehrung, ohne die er den auch bei ihm tief verwurzelten Mangel an Selbstwertgefühl nicht auszugleichen vermöge: J.M.POST, Charisma, in: R.A. LANDES (Hg.), Encyclopedia of Millenialism and Millennial Movements, New York/London 2000, 65-69; siehe auch B. GROM, Religionspsychologie, München/Göttingen 1992, 53-75 (»Die religiöse Intensivgruppe und ihr charismatischer Führer«). Post betont die potenziell destruktiven Aspekte charismatischer Beziehungen; zu den psychotherapeutisch funktionalisierbaren siehe V. D. VOLKAN, Narcisstic Personality Organization and >Reparative< Leadership, IntJGrPsychother 30, 1980, 131-152; DERS., Immortal

1.1 Das Charismaverständnis

der

Sozialwissenschaften

19

Fähigkeit oder enttäuscht der Charismatiker seine Anhänger, erlischt das Charisma über kurz oder lang13. Doch auch das, was eine charismatische Beziehung anfangs attraktiv macht - ihre Spontaneität, ihre nach vorn drängende Dynamik und die Leidenschaft für eine bestimmte Person oder Sache - , kann sich auf längere Sicht in eine Bedrohung für ihren Bestand verwandeln, wenn nämlich die Anhänger nicht nur emotionale und spirituelle, sondern auch materielle Erwartungen hegen und irgendwann in neu geordnete Verhältnisse geführt zu werden wünschen, wo sie versorgt sind und ihr Leben wieder über den Tag hinaus planen können, oder wenn der Charismatiker stirbt, ohne dass eine andere Person oder wenigstens eine Idee bereitsteht, auf die das zuvor von ihm gebundene Bedürfnis nach Hingabe umgelenkt werden könnte. Auch dann, wenn das Krisenempfinden, das einen Charismatisierungsprozess ursprünglich vorangetrieben hat, zurückgeht, etwa weil sich die Lage dank der aus »Not oder Begeisterung« angestoßenen Veränderungen tatsächlich bessert, kann es geschehen, dass die historische Mission der charismatischen Mittelpunktfigur als erfüllt betrachtet wird und die Gefolgschaft sich zerstreut. Aber selbst dann, wenn eine charismatische Beziehung ihre Entstehungsphase überdauert und für längere Zeit etabliert wird, kann sie die Aufbruchstimmung, die sie anfangs kennzeichnete, nicht bewahren: In Institutionen gefasst, verbindet sie sich mit nicht-charismatischen Strukturen, und es setzt jener Prozess ein, dem als >Veralltäglichung< des Charismas Webers besonderes Interesse gegolten hat14. Wohl kaum mehr eigens betont zu werden braucht, dass sich das sozialwissenschaftliche Verständnis des Charisma-Phänomens grundsätzlich jegAtatürk. Narcissm and Creativity in a Revolutionary Leader, in: W. MUENSTERBERGER/ L.B. BOYER (Hg.), Psychoanalytic Study of Society. Bd. 9, New York 1981, 2 2 1 - 2 5 5 . 13 WEBER, 'Wirtschaft und Gesellschaft, 140; DERS., 'Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 482. Allerdings kann das Charisma auch bei Misserfolg weiterbestehen - wenigstens so lange, wie dessen Ursachen in der Wahrnehmung der Anhänger aus der Verantwortung des Charismatikers gelöst werden; dazu LEPSIUS, Modell, 98, 118 am Beispiel Hitlers. Siehe auch L. FESTINGER/H.W. RJECKEN/ST. SCHACHTER, When Prophecy Fails. A Social and Psychological Study of a Modern Group That Predicted the Destruction of the World, Harper Torchbooks 1132, New York u.a. 1964 ('1956). 14 WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, 1 4 2 - 1 4 8 , 6 6 1 - 6 8 1 (speziell zum Nachfolgeproblem 143 f., 6 6 3 - 6 6 5 ) u. pass; DERS., 'Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 485-488. Aus der neueren Literatur siehe v. a. ROTH, Model; SCHLUCHTER, Umbildung; W. GEBHARDT, Charisma und Ordnung, in: DERS./ZINGERLE/EBERTZ, Charisma, 47-70; ZINGERLE, Institution, 190-193; EBERTZ, Bedingungen, 238. Siehe auch W. GEBHARDT, Charisma als Lebensform. Zur Soziologie alternativen Lebens, Schriften zur Kultursoziologie 14, Berlin 1994; M.N. EBERTZ, Die Institutionalisierung von Charisma und Stigma. Herrschaftsbegründung und Herrschaftskritik im frühen Christentum, in: M. KRÜGGELER/K. GABRIEL/ W. GEBHARDT (Hg.), Institution, Organisation, Bewegung. Sozialformen der Religion im Wandel, Opladen 1999, 133-150.

20

1. Das Charisma der

Heiligen

licher Wertung zu enthalten bemüht 15 . Es bezieht alle Formen von Autorität, Führung oder Herrschaft, die auf emotionalen Bindungen zwischen einem Einzelnen und einer unterstützenden Gruppe beruhen, in die Kategorie >Charisma< ein - und damit ausdrücklich auch solche, die, gleich aus welchen Gründen, von einer Mehrheit von Beobachtern negativ beurteilt werden. Nicht (oder zumindest nicht sofort) von jedermann geschätzt zu werden, ist ohnehin eine Erfahrung, die Charismatiker üblicherweise machen, und nicht immer beschränken sich die Sanktionen, die ihre Widersacher gegen sie aufbieten, auf den noch vergleichsweise harmlosen Versuch einiger gallischer Bischöfe, ihren designierten Amtsbruder Martin wegen seines Äußeren verächtlich zu machen16.

1.2 »Stärker als die ärztliche Kunst« Was die heiligen Asketen der Spätantike als Charismatiker im Sinne der sozialwissenschaftlichen Definition des Begriffs erweist, ist zunächst und ganz unübersehbar der Umstand, dass ihre Umgebung ihnen übernatürliche Eigenschaften zuschrieb, zweitens ihre zwar indirekt, aber häufig - durch die Entstehung von Schüler- und Jüngerzirkeln unter ihrer Leitung - bezeugte Fähigkeit, anderen den Wunsch zu vermitteln, mit ihrem bisherigen Leben zu brechen und als Asketen ein neues zu beginnen. Drittens sind es die oft zuerst feindseligen Reaktionen auf ihr Auftreten, sei es der etablierten Autoritäten wie bei Martin von Tours, sei es der Öffentlichkeit wie im weiter oben angeführten Beispiel der Genovefa von Paris. Viertens und fünftens schließlich sind es die Nähe ihres Charismas zur Krise - Webers Moment der »Not« - und der Charakter ihrer thaumaturgischen Hilfeleistung als einzig noch wirksame Alternative zum Hergebrachten: Die Stunde, in der sie sich bewähren mussten, kam, wenn ein Übel, ein Missstand oder eine Notlage die Kräfte der Institutionen, die normalerweise für ihre Bewältigung zuständig waren, überforderte - etwa wenn eine Frau im syrischen Antiochia an einer rätselhaften Augenkrankheit litt, die allen gängigen Therapien widerstand: 15 So bereits dezidiert WEBER, 'Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 483: »Der manische Wutanfall des nordischen >BerserkersCharisma< wie die Qualitäten eines Napoleon, Jesus, Perikles. Denn für uns entscheidend ist nur, ob sie als Charisma galten und wirkten, d.h. Anerkennung fanden«; vgl. DERS., 5 Wirtschaft und Gesellschaft, 140, 654. 16 Kontercharismatische Prozesse: EBERTZ, Charisma, 2 5 5 - 2 6 2 ; DERS. Macht aus Ohnmacht. Die stigmatischen Züge der charismatischen Bewegung um Jesus von Nazareth, in: GEBHARDT/ZINGERLE/EBERTZ, Charisma, 7 1 - 9 0 , hier 86; DERS., Bedingungen,

238.

1.2 »Stärker als die ärztliche

Kunst«

21

»[Ihr Leiden] schien stärker zu sein als die ärztliche Kunst. Denn es gab nichts, was nicht dagegen angewandt worden wäre, ob es nun die Alten aufgezeichnet oder die Späteren entdeckt hatten.«17 Die hagiografische Literatur ist voll von Nachrichten dieser Art: Dieselbe Frau, vom Augenleiden inzwischen durch einen Eremiten geheilt, stirbt einige Jahre später beinahe im Wochenbett, und wieder stehen die Ärzte hilflos daneben 18 . An der Donau kommen Barbaren über den Fluss und plündern ungehindert die Bevölkerung aus, denn die Grenzsoldaten haben Angst davor, mit ihnen zu kämpfen 19 . Auf dem Ärmelkanal fürchten Reisende um ihr Leben, während ihr Schiff steuerlos im Sturm treibt; statt auf ihren Posten zu bleiben, sind die Seeleute unter Deck geflohen 20 . Ägyptische Bauern rücken bewaffnet gegeneinander aus, weil zwei Dörfer um ihren Anteil am Nilhochwasser streiten, und ihre Priester wissen nicht, wie sie das drohende Blutvergießen noch abwenden sollen21. Eine Stadt hungert, denn Feinde sperren die Zufahrtswege; früher haben die Magistrate Lebensmittel verteilt, doch das Reich ist zerfallen, und die Verwaltung arbeitet nicht mehr22. Heuschrecken und Hagel bedrohen die Ernte 23 , ein Mann behandelt seine Frau schlecht, weil er eine andere liebt24, und in einer Ortschaft in Gallien hat ein böser Geist Besitz von einem Mädchen ergriffen, der sich von keiner noch so altbewährten Beschwörungsformel wieder vertreiben lässt25. In solchen Situationen, wenn die Betroffenen empfinden, dass Mächte ihr Leben bestimmen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, sind es die Wundertäter, auf die sich die letzte Hoffnung richtet: Dann sollen sie mit ihren Mitteln, die ebenfalls stärker sind »als die ärztliche Kunst«, geschehen lassen, was aller gewöhnlichen Erfahrung widerspricht, und das rettende Eingreifen Gottes vermitteln, das als dramatischer Augenblick der Verwandlung erwartet wird, als der erlösende Moment, wenn das Übel für jedermann sichtbar in sein Gegenteil umschlägt: wenn Böses gut, Krankes gesund, Unreines rein und Totes lebendig wird, wenn Mangel sich in Fülle umkehrt, Gewalt in Versöhnung mündet und aus Chaos Ordnung entsteht. Gelingt es ihnen, diese Erwartung zu erfüllen, 17

Thdt., h. rel. 9,5 (414 C./L.-M. Bd. 1): ... KPEITTOV £(j>avr| rfjg iatpiKijq Ema-rpunc y«p rjv n TOIin OrdnungPublikum< aus (selbst-)kritischen oder auch nur leicht zu verunsichernden Nichtstigmatisierten wird zum Sympathisieren gebracht: Beeindruckt vom Kampf der Selbststigmatisierer um Würde und gesellschaftliche Teilhabe, beginnt es die Werte, die ihnen beides verwehren, fragwürdig zu finden, rückt von bisher widerspruchslos akzeptierten Normen ab und entwirft ein neues Bild von der Welt: Wie sähe sie wohl aus, wenn die >Letzten< in ihr auf einmal die >Ersten< wären? Die entscheidende Schwelle im Prozess der Charismatisierung ist überschritten, wenn zahlenmäßig oder hinsichtlich ihrer Durchsetzungsfahigkeit relevante Gruppen in diesem Bild ihre Vorstellungen von einem >besseren Leben< wiedererkennen - was auch immer sie im jeweiligen historischen Einzelfall darunter verstehen. Die jetzt mehr und mehr als Wegbereiter und Vorkämpfer wünschenswerten sozialen Wandels angesehenen Selbststigmatisierer steigen von Geächteten zu Bezugspersonen allgemeiner Verehrung auf, und unter Umständen verändern sich in der Fernwirkung ihres Auftretens die Wert- und Unwertvorstellungen der Gesellschaft insgesamt. Aus >Letzten< können dann tatsächlich >Erste< werden, was zuvor als Stigma

36

Vgl. oben S. 15, Anm. 4 die Charisma-Definition (1.) durch Weber; siehe auch LIPP, Social Deviation, 74: »To put it pointedly, self-stigmatization can be regarded as a code of conduct that is encumbered with great existential risk which in its intense form is in the normal case avoided. It presumes deep-rooted and vigorous motivational tensions, and thus, in a way, in social routines is rather unlikely. We here envisage behavioural structures that may be deduced in a sense psychologically, but which pass in general beyond sociological analysis. Weber's definition, that charismatics are individuals of an unusual kind, people who, seen from the perspective of everyday social life, claim supernatural abilities, appears in the end to be justified.«

26

1. Das Charisma der Heiligen

galt, begründet j e t z t Charisma, und a u c h w e r d u n k l e r e W ü n s c h e h e g t , erlebt v i e l l e i c h t ihre Erfüllung: »Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.« 37 Lipp u n t e r s c h e i d e t , e b e n f a l l s Idealtypen b i l d e n d , v i e r H a u p t f o r m e n der S e l b s t s t i g m a t i s i e r u n g : Erstens d e n >ExhibitionismusProvokationEkstaseMartyrium< g e w e r t e t e B e k e n n t n i s z u s c h w e r e n , d i e p h y s i s c h e V e r n i c h tung d e s O p f e r s i n t e n d i e r e n d e n Stigmatisierungen 3 8 - s o w i e v i e r t e n s d i e 37

Lk 6,24-25. - Lipps Modell der Charismagenese ist auf die potenziell emanzipatorischen Aspekte von Charismatisierungsprozessen ausgerichtet. In der historischen Realität jedoch drohen charismatische Aufbruchsbewegungen - insbesondere dort, wo sie zu politischer Herrschaft gelangen - stets in terroristisch-exzessive und bald auch gegenüber der eigenen Gefolgschaft ausgesprochen anti-emanzipatorische Regimes zu münden, deren Führungspersonal sich den Vergeltungswünschen für seinen zuvor marginalen Sozialstatus überlässt. Kritik an einem aus der Identifikation mit gesellschaftlichen Ausschlusskriterien hervorgehenden Charisma muss daher nicht zwangsläufig eine Delegitimierungsstrategie der Privilegierten darstellen, sondern kann ihrerseits ebenfalls den Wunsch ausdrücken, eine bedrohte persönliche Würde zu verteidigen; siehe etwa - anlässlich seines Vergleichs der Täuferherrschaft von 1534/35 in Münster mit der NS-Diktatur - F. RECK (= F. P. Reck-Malleczewen), Tagebuch eines Verzweifelten, Frankfurt/M. 1994, 19f. (Eintrag vom 11. August 1936): »Wie bei uns, so ist auch dort ein Mißratener, ein sozusagen im Rinnstein gezeugter Bastard der große Prophet, wie bei uns kapituliert vor ihm, unbegreiflich für die staunende Umwelt, jeder Widerstand, wie bei uns (denn jüngst erst haben in Berchtesgaden verzückte Weiber den Kies verschluckt, auf den er, unser allergnädigster Zigeunerprimas, soeben seinen Fuß gesetzt hatte!) ... wie bei uns also sind hysterische Weiber, stigmatisierte Volksschulmeister, fortgelaufene Pfaffen, arrivierte Kuppler und Outsider aller Berufe die Hauptstützen dieses Regimes. ... Ein Mäntelchen von Ideologie verhüllt in Münster just wie bei uns einen Kern von Geilheit, Habgier, Sadismus und bodenlosem Geltungsbedürfnis, und wer an der neuen Lehre zweifelt oder sie gar bekrittelt, ist dem Henker verfallen. ... Aufgerichtet auf den Fundamenten der Lüge reckt sich da ... für kurze Zeit ein Banditenstaat, der ... im Grunde nur den Zweck hat, die Herrschergelüste von ein paar Banditen zu stillen ...« Zur modernen sozialhistorischen Perspektive auf die Ereignisse von 1534/35 siehe R. KLÖTZER, Die Täuferherrschaft von Münster. Stadtreformation und Welterneuerung, RST 131, Münster 1992; siehe ferner A. ARTHUR, The Tailor-King. The Rise and Fall of the Anabaptist Kingdom of Münster, New York 1999, bes. 67-69, 197 zu den charismatischen Zügen der Täuferherrschaft. 38 >ExhibitionismusProvokationEkstaseAskeseAussteigen und >Verweigeren, die - wie der Pannonier Martin, der als Reiter in der kaiserlichen Garde diente - von Stigmatisierungen oft ursprünglich überhaupt nicht oder wenigstens nicht an erster Stelle betroffen sind, sondern im Gegenteil nicht selten aus privilegierten Schichten stammen40 wie Francesco, ein Beispiel aus einer anderen Zeit, Sohn, aber nicht Erbe des Tuchhändlers Bernardone aus Assisi. Die ungleiche Verteilung von Macht und Chancen in der Gesellschaft, von der sie zunächst vielleicht sogar profitiert haben, empfinden sie jetzt als Unrecht, und die moralische Diskriminierung von sozial Benachteiligten, die das Wesen der Stigmatisierung ausmacht, verwerfen sie als Verkehrung einer wahren Werteordnung in ihr Gegenteil. Indem sie als Stigmatisierte leben, ohne dass jemand sie dazu zwingen könnte, bezwecken sie, sich als soziales Gewissen zu etablieren. Sie diskreditieren die Gesellschaft nicht unmittelbar-aktivistisch wie die Provokateure, sondern auf eine »elastischere« Weise, die die Kontroll- und Sanktionsinstanzen matt setzt. Auf den ersten Blick scheinen sie sich lediglich dem allgemeinen Streben nach Glück und Vermeidung von Leid zu entziehen. Hierbei allerdings kehren sie die Stigmata, die sie annehmen - arm und verlassen zu sein etwa, keine Ehe eingehen zu können, Hunger zu haben und demütig sein zu müssen in ihrem Sinn so um, 4 2 f . ; DERS., S t i g m a u n d C h a r i s m a , 1 5 9 - 1 6 6 ; v g l . MÖDRITZER, U r c h r i s t e n t u m , 2 5 f . V g l .

ferner LIPP, Stigma und Charisma, 166-189; kurze Übersicht: DERS., Schuld und Gnade, 24. 39 Zum Folgenden vgl. LIPP, Selbststigmatisierung, 38f.; DERS., Stigma und Charism a , 1 4 9 - 1 5 8 , 1 7 1 f . , 1 7 6 - 1 7 8 , 1 8 3 f.; DERS., S c h u l d u n d G n a d e , 2 4 . Z u r r e l i g i ö s e n A s k e s e

als »Askese im engeren Sinn« DERS., Stigma und Charisma, 156f.; siehe ferner ebd., 253-256. 40

V g l . LIPP, S e l b s t s t i g m a t i s i e r u n g , 3 8 , 4 7 .

28

1. Das Charisma der Heiligen

dass sie nicht mehr individuelle Mängel bezeichnen, sondern kollektive Verfehlungen: Nicht der Asket lebt verkehrt, lautet die Botschaft, sondern alle, die nicht leben wie er. Sein Rückzug an die soziale Peripherie hat gerade als Akt der Abkehr eine kommunikative Funktion; nicht ohne Grund schließt sich Salamanes vor den Augen eines Dorfs in seine Hütte ein. Die Gesellschaft als Ganzes, so will der Asket verstanden werden, hat sich verirrt; auf den >rechten Weg< wird sie nur zurückfinden, wenn sie ihm folgt, der >gegen den Strom schwimmtumkehrtdieser Welt< bezieht.

1.4 »Von allem Übel gereinigt« Revolutionäre Energien wurden auch entbunden, wenn die Heiligen der Spätantike thaumaturgisch agierten, doch wirkten diese Energien revolutionär nur in einer besonderen, limitierten Weise. Die spätrömische Gesellschaft wurde zwar christlich, >kehrte< in ihrer Gesamtheit aber keineswegs >umWunderÜbel< beseitigen sollten, die die Kräfte der normalerweise für ihre Bewältigung zuständigen Institutionen überforderten. Betrachtet aus der Perspektive des kultursoziologischen Konzepts der Selbststigmatisierung, das asketisches Handeln im Kontext sozialmoralischer Etikettierungsprozesse als »reflexive«42 Strategie des Widerstands gegen Unwertzuschreibungen und das Asketencharisma als erfolgreich ins Positive gewendete Stigmatisierung auffasst, ist es kein Widerspruch mehr, dass eine Aufgabe von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung stets an Vertreter eines gegenkulturellen Milieus »schmutziger Kleider« und »ungepflegten Haars« übertragen wurde: War es einem Asketen gelungen, durch die freiwillige Übernahme von Stigmata kollektive Wert- und Unwertvorstellungen zunächst hinsichtlich der Wahrnehmung seiner eigenen Person umzudeuten, und fand er damit 41

Vgl. LIPP, Stigma und Charisma, 157. DERS., Selbststigmatisierung, 47; DERS., Social Deviation, 70-72; DERS., Stigma und Charisma, 120-124, 191-193; DERS., Schuld und Gnade, 21 f. 42

1.4 »Von allem Übel gereinigt
Wert< und >Unwertgut< und >böserein< und >unreinSchuld< und >Gnade< auch im Interesse anderer neu zu definieren vermochte 43 - wobei er dies umso eher zu leisten imstande war, je leichter seine Askese als stellvertretend ertragene sozialmoralische Disqualifikation - als Opfer44 - erkannt werden konnte45. Auf diesem Vermögen, durch individuelles Handeln das kollektive Wertesystem zumindest punktuell und für den Moment neu zu justieren, beruhte die im weitesten Sinne therapeutische Funktion, die seine Gesellschaft ihm zuwies: Wenn ein >Übel< irgendwo so stark geworden war, dass es sich auf herkömmlichen Wegen nicht mehr aus der Welt schaffen ließ, blieb als letzte Möglichkeit seiner Beseitigung, ihm glaubwürdig eine positive Bedeutung zu geben - und das Einzige, was die >erkrankte< Ordnung der Gesellschaft auf diese Weise >heilen< konnte, war eine Autorität, an der sich die Gewalt der sozialen Schuld- und Defizienzzuschreibungen brach. Die Autoren der hagiografischen Literatur haben ihren Lesern diesen Zusammenhang in der Symbolsprache der Wundererzählung unzählige Male vor Augen geführt, und manchmal lassen ihre Texte zudem noch erkennen, welche grundsätzliche Eigenschaft kultureller Zeichen die Umdeutung eines >Übels< in sein Gegenteil überhaupt erst möglich macht. Die eingangs zitierte Passage aus der Martinsvita ist ein solcher Fall. Eingebettet in ein religiös bestimmtes Weltbild und erzählerisch aufs Äußerste verdichtet, bringt die Szene am Stadttor von Paris eine ganze moderne Charismatheorie in wenigen Zeilen auf den Punkt - wobei sie allerdings erst durch dieselbe Theorie wieder in allen Facetten ihrer Bedeutung reflektierbar wird. Alle wichtigen Akteure in einem typischen charismatischen Milieu treten auf und sind am Handlungsablauf in ebenfalls typischer Weise beteiligt: ein Charismatiker, der sich als Asket selbst stigmatisiert, ein Stigmaträger, der in der Begegnung mit dem Charismatiker die entstigmatisierende Wirkung des Charismas erfahrt, und ein Publikum (die

43

Vgl. LIPP, Schuld und Gnade, 22 mit Verweis auf WEBER, 5 Wirtschaft und Gesellschaft, 146 zur >Bußgewalt< im Christentum; siehe auch HOLL, Enthusiasmus. Vgl. ferner Lk 7 , 3 6 - 5 0 , bes. 48f.: »Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben. Da dachten die anderen Gäste: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?« 44 Zur Opferthematik siehe jetzt bes. P. STROHSCHNEIDER, Inzest-Heiligkeit. Krise und Aufhebung der Unterschiede in Hartmanns >GregoriusHeiligkeit< und >SchuldAussatz< identifiziert wurde, der bekanntermaßen ein Strafmittel Gottes war, suchte m a n ihre U r s a c h e auf S e i t e n d e s Erkrankten in einer Schuld, deren S c h w e r e der Grausamkeit s e i n e s L e i d e n s entsprach 4 9 . Inspiriert v o n den R e i n h e i t s v o r s c h r i f t e n des 46 Das Einverständnis des Publikums wird in der Nachricht zwar nicht ausdrücklich erwähnt, kann aber vom Leser vorausgesetzt werden, denn der Hinweis auf die begleitende Menschenmenge impliziert bereits deren Zustimmung zu Martins Auftreten als charismatischer Heiler. 47 Siehe dazu zunächst C. STANCLIFFE, St. Martin and His Hagiographer. History and Miracle in Sulpicius Severus, Oxford 1983, 160-173; BRUNERT, Wüstenaskese, 149-151. Ausführlich unten S. 44-49. 48 Wenn in spätantiken Quellen von leprafkinpa die Rede ist, dürfte in den meisten Fällen bereits die heute noch so (oder fachsprachlich >Morbus HansenAussatz< wiedergegebene hebräische Wort ist >sarä'ätGeschlagensein, Schlag«. In Lev 13-14 dient es als Oberbegriff für diverse detailliert beschriebene Arten des Auftretens von Flecken auf menschlicher Haut sowie auf Textilien, Leder und Hauswänden, die den Betroffenen oder das betroffene Objekt im kultischen Sinn unrein machen. In der Septuaginta wird >sarä'ät< mit \ i n p a übersetzt (zu Aeneiv >[ab-]schälenrauSchuppe, RindeAufrauungen< von Schleimhäuten. Wann die antike Medizin den Morbus Hansen kennen lernte und seit wann diese ursprünglich ¿XsavTiaotocg (lat. elephantiasis Graecorum) genannte Krankheit auch (und schließlich überwiegend) als

1.4 »Von allem Übel gereinigt«

31

Alten Testaments und durch die Säftelehre der hippokratischen Medizin bestätigt, kreisten die in die patristische Literatur eingegangenen Vorstellungen von den Ursachen der lepra vorzugsweise um die Themen Sexualität, Tabubruch und Verunreinigung. Aussätzige, meinte man, seien während der Menstruation ihrer Mütter gezeugt worden (ein biologisch wenig wahrscheinliches Ereignis), büßten also für ihre Eltern, die Blut und Samenflüssigkeit vermengt und damit nicht nur gegen ein biblisches Gebot 50 verstoßen hätten, sondern auch die Verantwortung für jene fatale öuotcpaaia der Körpersäfte trügen, die, an ihre Kinder vererbt, bei diesen später zur Erkrankung geführt habe51. Oder: Der Aussätzige sollte sich die lepra durch Geschlechtsverkehr mit einem Tier, ebenfalls biblisch tabuisiert, selbst zugezogen haben52. Einen verwandten Gedankengang verrät die allerdings erst im 6. Jahrhundert belegte Auffassung, dass die sonntags oder an kirchlichen Festtagen - gegen eine einschlägige Enthaltsamkeitsforderung - gezeugten Kinder später aussätzig (wenn nicht epileptici oder daemoniosi) würden 53 . Auf jeden Fall fürchtete man auch die Übertragung der Krankheit durch die Luft und durch Wasser, suchte die Erkrankten vom Kontakt mit Gesunden auszuschließen und verwehrte ihnen nach Möglichkeit den Zugang zu Brunnen und Flüssen, Plätzen und öffentlichen Versammlungsorten 54 : Nicht von ungefähr spielt das Heilungswunder von Paris außerhalb der Stadt. So schwer das Leprösen-Stigma auf den Kranken jedoch auch lastete, in seinem Hintergrund schimmerte stets schon der Glanz möglicher Erhöhung. An Körper und Antlitz entstellt und anderen Menschen ein Gräuel zu sein, mochte bedeuten, eine Strafe Gottes ertragen zu müssen; es konnte aber auch heißen, von Gott ausgezeichnet, weil zur Prüfung ausersehen zu sein. Es konnte bedeuten, bereits in >dieser Welt< ein unausweichliches Leid durchzustehen, das auf die anderen dann viel schlimmer in >jener< zukam, und vielleicht hieß es sogar, zur Rettung der scheinbar Glücklicheren im Elend zu sein. Als Modelle für diese Deutungen standen Hiob Xercpa bezeichnet werden konnte, ist unklar: O. BETZ, Der Aussatz in der Bibel, in: WOLF, Aussatz, 45-62; im selben Band: F. KUDLIEN, Lepra in der Antike, 39-43. Noch Isidor von Sevilla unterschied begrifflich lepra und elefantiacus morbus: etym. 4,8,11/12 (LINDSAY Bd. 1). - Aussatz als Strafmittel: Num 12; 2Reg 5, 20-27; 2Reg 15,5. 50 Lev 18,19. 51 GLÄSER, Lepra, 22-30. Belege bis zur 1. Hälfte des 5. Jhs.: Hier., in Ezech. 6,18,59 (CCHR.SL 75, 235 GLORIE); Isid.Pel., ep. 1251 (SC 422, 244-248 EVIEUX); ep. 2,81; 4,117 (MIGNE PG 78, 521C-524B; 1192). Anders jedoch Epiphanius von Salamis, der notiert, es heiße (aoi), die Xtoßqoig KeXecjnac werde durch den Biss der Spitzmaus hervorgerufen: haer. 55,16 (GCS Epiphanius II, 337 HOLL/DUMMER). 52

L e v 1 8 , 2 3 ; S y n o d e v o n A n k y r a , c a n . 1 7 ( 5 2 0 MANSI I I ) .

53

Caes.Arel., serm. 44,7 (SC 175/243/330, 338-340 DELAGE Bd. 2). Greg.Naz., or. 14,12 (MIGNE PG 35, 872 B-C) (iepä VÖCTOC); Joh.Chrys., Stag. 3,13

54

(MIGNE P G 4 7 , 4 9 0 ) .

32

1. Das Charisma

der

Heiligen

bereit, der arme Lazarus des Lukasevangeliums 55 und der >leidende Gottesknecht< Jesajas: »Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine W u n d e n sind wir geheilt. ... Der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen.« 5 6

Als hoch suggestives Sinnbild von Unwert und Schuld war Abscheu erregendes Kranksein mithin eine >enantiodromische< Größe57: Seine Bedeutung lag nicht fest, sondern oszillierte zwischen einem negativen und einem positiven Pol. »Fair is foul, and foul is fair«, raunen die Hexen in Shakespeares Macbeth; die Alltagssprache behilft sich mit dem Ausdruck >schillerndGute< kann eine >böse< Seite haben, das >Böse< aber auch etwas >Gutes< bewirken; eine >Schuld< kann eine >Gnade< sein, der Gott der Kaufleute beschützt auch die Diebe, und der Ausgestoßene ist vielleicht der Erwählte. Die Bedeutungsextreme enantiodromischer Symbole tauschen jedoch nicht von allein miteinander die Plätze; es bedarf des Beispiels leitbildhaft wirkender Persönlichkeiten, die das Schillern des Symbolgehalts zwischen >Stigma< und >Charisma< an sich selbst sichtbar werden lassen, durch ihr Bekenntnis zum >Stigma< die bisher im Hintergrund stehende Sinnmöglichkeit in den Vordergrund rücken und die semantische Umpolung in der charismatischen Interaktion mit ihrem Publikum gesellschaftsfähig machen 58 . 55

LK 1 6 , 1 9 - 3 1 ; d a z u B E T Z , A u s s a t z , 6 0 ; ROBERTS/MANCHESTER, A r c h a e o l o g y ,

147.

56

Jes 5 2 , 1 3 - 5 3 , 1 2 , Zit. 5 3 , 5 - 6 ; dazu BETZ, Aussatz, 5 6 f . 57 >Enantiodromie< meint in der Charismatheorie Lipps die latente Verkehrbarkeit kultureller Werte bzw. Unwerte, hier als symbolische Repräsentationen sozialer N o r m e n verstanden, ins Gegenteil ihrer Bedeutung; dazu ausfuhrlich LIPP, Stigma und Charisma, 4 0 - 4 5 ; ferner DERS., Social Deviation, 6 9 f . ; DERS., Schuld und G n a d e , 17f. D e r B e g r i f f , von Lipp aus der Psychoanalyse Carl Gustav Jungs ü b e r n o m m e n , erscheint zum ersten Mal im 1. Jh. n. Chr. in den Placita des D o x o g r a f e n Aetios, wo er einen Leitgedanken der heraklitischen Philosophie ausdrückt: das wechselseitige Ineinander-Umschlagen (und dabei manifest w e r d e n d e Eins-Sein) der Gegensätze als » S c h ö p f e r k r a f t aller Dinge«: plac. I 7,22, in: Joh. Stob., ecl. I 1,29 b (35 WACHSMUTH Bd. 1): 'HpäKXeixog r ö TrepioötKdv jrup äiöiov, Ei|iap|ievr|v ÖE Xöyov EK rrj? svavnoöponiac önMi°uPYÖv tffiv ÖVTOJV. Z u m >Umschlagen< vgl. Heraclit., frag. B 88 ( 1 7 0 f . DIELS/KRANZ Bd. 1): T a ü r ö T' evi t ö v K ai T£0vr|KÖI; Kai [TÖ] EYPRIYOPÖC Kai KOSEOSOV Kai v s o v Kai y p p a i ö v T&ÖE Y«P ¡JETANEAÖVTA EKEIVOC Eon KctKEiva naXw (JETaireoövra t a u T a ; dazu K . HELD, Heraklit, P a r m e n i d e s und der A n f a n g von Philosophie und Wissenschaft. Eine p h ä n o m e n o l o g i s c h e Besinnung, Berlin/New York 1980, 2 7 3 - 3 4 1 ; R. HÜLSEWIESCHE, Art. Umschlag, H W B 11, 2 0 0 1 , 9 1 - 9 4 . Bei Jung, der irrtümlich nicht nur den Gedanken, sondern auch den Begriff selbst auf Heraklit zurückfuhrt, bezeichnet >Enantiodromie< - »das wunderbarste aller psychologischen Gesetze« - als zentrales Prinzip seiner Lehre das unausweichliche Hervortreten der unbewussten Gegensätze in der menschlichen Psyche: C . G . JUNG, G e s a m m e l t e Werke. Bd. 6: Psychologische Typen, Olten/Freiburg/Brsg. " 1 9 9 4 , 4 5 8 f . ; Zit. Bd. 7: Zwei Schriften über analytische Psychologie, O l t e n / F r e i b u r g / B r s g . 4 1 9 8 9 , 79. 58

V g l . LIPP, S o c i a l D e v i a t i o n , 6 7 - 6 9 ; DERS., S t i g m a u n d C h a r i s m a , 2 3 2 - 2 3 4 ; DERS.,

Schuld und Gnade, 22, 2 6 - 3 0 .

1.4 » Von allem Übel

gereinigt«

33

Genau dies setzt das Wunder von Paris ins Bild. Dem Stigmatisierten begegnet der Charismatiker. Von seiner Familie getrennt zu sein, außerhalb der Stadtmauer zu leben, schmutzig und abgerissen auszusehen, auf dem Boden zu schlafen und wie ein Tier nicht Gekochtes, sondern zum Beispiel Wurzeln zu essen - all dies hätte, als typische Lebensumstände eines Aussätzigen geschildert 59 , Sulpicius' Leser vielleicht bekümmert, doch wohl kaum überrascht. Indessen, es ist Martins Askese, die sich durch diese Züge auszeichnet und die er zum Teil noch als Bischof durchhält 60 . Für sich selbst hat er die Stigmata schon lange charismatisch verwandelt; noch in abgelegenen Gegenden sprechen ihn Leute an und bitten um Beistand: »Wir wissen, dass du ein Freund Gottes bist. Gib mir meinen Sohn wieder, denn er ist mein einziger«, hat die Mutter eines toten Jungen zu ihm gesagt, irgendwo auf einer Landstraße in Gallien, wie Sulpicius zu berichten weiß 6 '. Am Stadttor von Paris erweist der »Gottesfreund« dem am weitesten Ausgestoßenen seiner Gesellschaft, indem er ihn küsst, eine unmissverständliche Ehrfurchtsbezeugung 62 und kehrt damit die Rangfolge der allgemeinen Wertschätzung um. Der Akt des Segnens, der die charismatische Therapie abschließt, stellt zugleich ihr prätendiertes Ergebnis dar: Die religiös bestimmte Schuld wird, ist und bleibt getilgt. Sulpicius' R e s ü m e e statimque ab omni malo emundatus, »und sofort war er von allem Übel gereinigt«, - lässt keinen Zweifel daran, dass es sich hier allenfalls in zweiter Linie um eine medizinische Angelegenheit handelt; von >GesundheitÜbel< und die >Reinigung< von ihm; was Martin in Wahrheit vornimmt, ist ein Eingriff ins moralische Herz der Gesellschaft. Die Knappheit der Sprache unterstreicht die Dramatik der Situation: Für einen Augenblick wird das Wissen um die enantiodromische Beschaffenheit des Leprösen-Stigmas in aller Öffentlichkeit aus den tieferen Schichten des kulturellen Gedächtnisses hervorgeholt, und die Bedeutungspole des Schuldsymbols schlagen ineinander um. Denn die Krankheit bessert sich nicht langsam, bis der Genesende wieder äußerlich unauffällig ist, sondern seine Haut wird »sofort« »strahlend rein«, bleibt also weiterhin un-normal, nur jetzt mit positiver Konnotation. Vom Rand seiner Gesellschaft, bezeichnet durch das Stadttor, wechselt der so Geheilte in ihre Mitte über, wo die Kirche steht, in der er seinen Dank abstattet. 59

V g l . G r e g . N a z . , or. 1 4 , 1 0 - 1 7 ( 8 6 9 - 8 8 0 MIGNE).

60

V.Mart. 7,1; 10,3-9 (266; 274 F.: lebt außerhalb von Poitiers bzw. Tours); ep. 1,10; 3,14 (322; 340 F.: schläft auf dem Boden bzw. auf Asche, über die ein cilicium gebreitet ist); v.Mart. 6,5 (266 F.: isst Wurzeln). 61 Dial. II 4,6 (185 H.): Seimus, quia amicus Dei es. Restitue mihifilium meum, quia unicus mihi est. Zu Begriff und Problem der amicitia Dei: K. TREU, Art. Gottesfreund, RAC 11, 1981, 1043-1060, bes. 1051-1057. 62

V g l . G . BINDER, A r t . K u ß , D N P 6 , 1 9 9 9 ,

939-947.

34

1. Das Charisma der

Heiligen

Ziehen wir ein Resümee: Wir haben angenommen, die Nachricht von Martins Aussätzigenheilung sei als symbolische Vergegenwärtigung einer soziokulturellen Grenz- und Übergangssituation zu lesen, und haben versucht, sie in die Begriffssprache einer kultursoziologischen Theorie zu übersetzen. Dies ist, wie wir sehen konnten, möglich; dass sich die Wundergeschichte dabei in eine nach unserem Verständnis rationalere Erzählung verwandelt, die einen Sinn ergibt, ohne mit dem Wirken einer übernatürlichen Kraft rechnen zu müssen, mag uns vor allem deswegen nicht unwillkommen sein, weil sie in dieser Gestalt unser eigenes Weltbild nicht länger irritiert63. Wir hätten die Geschichte und das, was den Wunsch begründete, sie einem gebildeten Leserkreis zugänglich zu machen, jedoch noch nicht richtig verstanden, wenn wir übergehen würden, dass unser Gewährsmann Sulpicius die Übersetzung des >Wunders< in einen rationaleren Diskurs weder selbst verlangte noch der Meinung war, sie seinem Publikum zu schulden. Er wünschte, dass seine Darstellung des Geschehenen als wahr akzeptiert wurde, und zwar Wort für Wort als wahr, nicht bloß in einem übertragenen Sinn. Die Frage, die damit im Raum steht (buchstäblich die Gretchenfrage in einer historischen Untersuchung, die hagiografische Quellen benutzt), ob nämlich ein Ereignis wie die Heilung des leprosus in Martins Leben jemals genau so vorgekommen sein könnte, wie es in seiner Biografie zu lesen ist, lässt sich indessen eindeutig mit Nein beantworten. Ein Mensch, der an der Lepra im modernen medizinischen Sinn erkrankt ist - und deren Krankheitsbild hatte Sulpicius, wie wir annehmen müssen, primär vor Augen, als er die Geschichte niederschrieb 64 , nicht vielleicht ein Ekzem mit besseren Heilungschancen, das nach Lev 13-14 als lepra zu verstehen sein mochte - , kann durch Kuss und Segen allein nicht von den Schäden geheilt werden, die sein Organismus durch die Infektion mit dem Mycobacterium leprae erlitten hat. Welche Begebenheit in Martins Leben hier auch immer nachklingt - so, wie sie nachklingt, kann sie sich nicht abgespielt haben. Der historische Zeugniswert einer Wundernachricht bemisst sich jedoch nicht allein nach der Faktizität des Dargestellten oder nach ihrer medizinischen Plausibilität. Sulpicius' Geschichte mag keines der beiden Kriterien erfüllen, doch erfasst sie intuitiv, worin die Macht einer Person besteht, deren Autorität aus der freiwilligen Identifikation mit stigmatisierenden Merkmalen erwächst, und ist damit für unsere Untersuchung eine Quelle 63 Vgl. dazu auch H.TYRELL, Religionssoziologie, GeGe 22, 1996, 428^157, hier 436: »Die Religionssoziologie hat eine eigene klassische Tradition, die die >extramundane< Ambition des religiösen Kerngeschehens >einklammert< und es definitiv im Sozialen selbst ansiedelt - allerdings in der Außeralltäglichkeit, in den >Ausnahmezuständen< des gesellschaftlichen Lebens.« 64 Siehe oben S. 30f., Anm. 48 und 49.

1.5 Institutionalisierung

über Texte: Charisma und H agiografie

35

von höchstem Rang. Außerdem zwingt uns gerade ihre vordergründige Irrealität dazu, noch einmal zu präzisieren, welche Art von Wirklichkeit im symbolisch therapeutischen Handeln eines als Wundertäter geltenden Asketen tatsächlich »durchbrochen« werden konnte: nicht die Wirklichkeit der Naturgesetze, sondern die der kulturellen Zeichen; was das >Wunder< charismatisch zu überwinden und neu zu begründen vermochte, waren die (oft allerdings ebenso unwandelbar wie die Naturgesetze erscheinenden) Gewohnheiten, nach denen eine Gesellschaft die Welt wahrnimmt und gestaltet, die Ordnung, die sie den Dingen gibt, und die Regeln, die das Leben ihrer Angehörigen im Alltag lenken65.

1.5 Institutionalisierung über Texte: Charisma und Hagiografie Die Erfahrung eines Übersetzungsbedarfs, die wir bei der Interpretation des Wunders von Paris gemacht haben, dürften die meisten Historiker teilen, die mit hagiografischen Quellen und dabei besonders mit spirituellen Biografíen wie der Martinsvita arbeiten. Ein Erkenntnisinteresse, das auf die verstehende Rekonstruktion einer vergangenen Lebenswirklichkeit zielt, trifft auf Erzählungen, deren Verhältnis zu den historischen Tatsachen, die sie dem Anschein nach in irgendeiner Weise widerspiegeln, nur schwer angemessen einzuschätzen ist. Mit ihren oft redundanten Inhalten, der fantastischen Anmutung ihrer Wundergeschichten und den enkomiastischen Intentionen ihrer Verfasser enttäuschen hagiografische Texte nur zu leicht die Erwartungen, die im Bild der >Quelle< ihren Ausdruck gefunden haben66; hinzu kommt, dass zu ihren Darstellungen fast nie eine nichthagiografische Parallelüberlieferung existiert, mit der sie verglichen werden könnten 67 . Besonders die positivistisch orientierte Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts tat sich schwer mit diesen Eigentümlichkeiten des hagiografischen Diskurses und seinen bevorzugten Themen. Historiker, die ihre Methoden am Vorbild der Naturwissenschaften maßen, vertieften sich in das Studium von Heiligenviten, weil diese einen Großteil der Über65

Für dieses Potenzial zur Verschiebung der Grenzen des kulturell Vorstellbaren und sozial Angängigen, das der Askese selbst in einer noch nicht >thaumatologisch< gedeuteten Form innewohnt, bewies Sulpicius an einer anderen Stelle der Martinsvita noch einmal sein Gespür. Auf seinen Freund Paulinus verweisend, führte er aus, worin er die Vorbildwirkung von dessen conversio erkannte; vgl. v. Mart.25,5(310 F.):... cum, secundum sententiam Domini, dives et possidens multa, vendendo omnia et dando pauperibus, quod erat factu inpossibilepossibile fecisset exemplo. Zu Paulinus siehe unten S. 38—40. 66

Siehe dazu M. ZIMMERMANN, Quelle als Metapher. Überlegungen zur Historisierung einer historiographischen Selbstverständlichkeit, HistAnthr 5, 1997, 2 6 8 - 2 8 7 . 67 Als Beispiel für eine Ausnahme vgl. Constantius, v.Germ. 12 (144 B.) mit Prosp., chron. ( M G H A A I X , 4 7 2 MOMMSEN).

36

1. Das Charisma der

Heiligen

lieferung aus dem spätantiken und frühmittelalterlichen Europa ausmachen, und fanden sich in eine märchenhafte Welt versetzt, in der die schlagartige Heilung eines Leprakranken schon zu den realistischeren Vorkommnissen gehörte. Hier konnten noch ganz andere Dinge geschehen: Ein Bär unterbrach seinen Winterschlaf, um einer Schar im Schnee verirrter Christen zu Hilfe zu kommen 68 , eine Kerze entzündete sich von selbst, kaum dass die heilige Genovefa nach ihr griff 69 , und ein Bischof, der einmal Offizier gewesen war, verhandelte mit einem Gespenst, das nachts durch eine Ruine spukte70. Das Befremden, das die Gelehrten angesichts solcher und noch vieler ähnlicher Nachrichten aus den Biografíen von Personen verspürten, die, wie ja immerhin feststand, tatsächlich einmal gelebt hatten, verschaffte sich Luft in Hyperkritik wie den Fälschungstheorien des renommierten Bruno Krusch, der etwa die merowingischen Heiligenviten Burgunds als historische Zeugnisse geradezu verdammte: »... leur but n'est que de tromper, et c'est pour cela que leurs auteurs se prétendent témoins oculaires. Ils veulent tromper, falsifier l'histoire en l'honneur des saints, et tous ont atteint leur but. Toutes ces vies de saints ont été utilisées par les historiens les plus estimés des temps modernes comme des sources antiques et authentiques, et, si quelqu'une a soulevé un soupçon, l'on ne s'en est point laissé impressioner.« 71

Heutige Forscher würden wohl nicht mehr zu einem solchen Urteil kommen, sondern eher einer Auffassung zustimmen, wie sie etwa von Lynda Coon formuliert worden ist: »Hagiographical discourse is notorious for its fallacious biographical details and fantastic phenomena. ... To concentrate mainly on the historical >facts< of these texts ... is to ignore their role as sacred fictions, as documents providing spiritual directions for ancient and diverse audiences. Hagiography is a very treacherous source, wherein the historian is tempted to treat the vitae as transparent windows on the past rather than as fictional narratives driven by biblical topoi, literary invention, and moral imperative.« 72

68

Eugipp., v.Sev. 29,2-4 (254 R.). V.Genov. Paris. 22 (224 f. K.). 70 Siehe unten S. 109 f. 71 B. KRUSCH, La falsification des vies de saints burgondes, in: Mélanges Julien Havet. Recueil de travaux d'érudition dédiés à la mémoire de Julien Havet, Paris 1895, 3 5 56, hier 40. Siehe G. WEILANDT, Ansichten über das Mittelalter. Zur Bewertung hagiographischer Texte in der neuzeitlichen Geschichtsforschung, in: G. KERSCHER (Hg.), Hagiographie und Kunst. Der Heiligenkult in Schrift, Bild und Architektur, Berlin 1993, 32-40. Siehe ferner den forschungsgeschichtlichen Überblick bei F. LOTTER, Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen, HZ 229, 1979, 298-356, hier 298-307, darin zu Krusch und seiner Neigung, einen Großteil der Viten der Merowingerzeit für Fälschungen späterer Jahrhunderte zu halten: 305 f., 3 4 5 347 m.Anm. 202. 69

72

L.L. COON, Sacred Fictions. Holy Women and Hagiography in Late Antiquity, Philadelphia 1997, 5, 143. Coon fasst Hagiografie als literarische Gattung auf, für die be-

1.5 Institutionalisierung

über Texte: Charisma und

Hagiografie

37

Dass Heiligenbiografien keine Fenster in die Vergangenheit sind, durch die sich ohne Anstrengung hindurchsehen ließe, haben wir durch Sulpicius' Wundergeschichte zur Genüge bestätigt gefunden. Dasselbe Beispiel zeigt aber auch, dass der Fiktionalitätsbegriff im Zusammenhang mit hagiografischer Literatur nicht ganz oder zumindest nicht immer am Platz ist. Um zu Recht von >Fiktionalität< sprechen zu können, genügt es nicht, dass ein Text fiktiv ist (oder es zu sein scheint): sein Autor muss sich dessen gleichfalls bewusst gewesen, der fiktive Charakter muss gewollt sein73 - doch gerade dies lässt sich, wie vielleicht in Ansätzen schon deutlich geworden ist, bei Sulpicius' Schriften (und denen vieler anderer Hagiografen) nicht voraussetzen. Martins Biograf gab wieder, was ihm Gewährsleute erzählten, weil er Grund hatte, ihnen zu glauben; er mochte straffen, glätten, stilisieren und auch das eine oder andere weglassen, was das Bild, das er von seinem Heiligen zeichnen wollte, vielleicht störte74, aber zu erfinden brauchte er nichts. Wenn wir also den un-realen Charakter der Nachricht von der Heilung des Aussätzigen, aus deren Interpretation wir eine Theorie christlicher Heiligkeit in der Spätantike zu entwickeln begonnen haben, nicht auf Sulpicius' Erfindungskraft zurückführen können, müssen wir uns frastimmte Merkmale generell charakteristisch seien. Ihre Untersuchung behandelt die Viten der >harlot-saints< Pelagia von Antiochia und Maria von Ägypten, der Kaiserin Helena, der Paula des Hieronymus, der jüngeren Melania und der fränkischen Heiligen Monegunde, Radegunde und Balthilde. Vgl. jedoch auch F. LIFSHITZ, Beyond Positivism and Genre. >Hagiographical< Texts as Historical Narrative, Viator 25, 1994, 9 5 - 1 1 3 , die der Einschätzung der Hagiografie als eigenständiger Gattung widerspricht und - auf der Quellenbasis von Viten aus der Francia des 9. bis 11. Jhs. - insbesondere die strikte Unterscheidung von hagiografischen und historiografischen Texten infrage stellt. Einen Überblick über Tendenzen, Probleme und Perspektiven der Hagiografieforschung seit den 1960er Jahren bietet P.J. GEARY, Saints, Scholars, and Society: The Elusive Goal, in: S. STICCA (Hg.), Saints. Studies in Hagiography, MRTS 141, Binghampton 1996, 1 - 2 2 (mit weiterer Literatur). Siehe ferner H. KECH, Hagiographie als christliche Unterhaltungsliteratur. Studien zum Phänomen des Erbaulichen anhand der Mönchsviten des hl. Hieronymus, Göppinger Arbeiten zur Germanistik 225, Göppingen 1977; außerdem H.-U. GUMBRECHT, Faszinationstyp Hagiographie. Ein historisches Experiment zur Gestaltungstheorie, in: CH. CORMEAU (Hg.), Deutsche Literatur im Mittelalter. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken, Stuttgart 1979, 39-84; W. BERSCHIN, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter. Bd. 1: Von der Passio Perpetuae zu den Dialogi Gregors des Großen, Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters VIII, Stuttgart 1986, darin 195-211 zu Sulpicius' Martinsschriften; BRUNERT, Wüstenaskese, 1 - 1 6 zur Geschichte des >ToposSenderseite< dieser Interaktionen befasst haben nämlich mit den Asketen selbst und den für ihren Lebensstil charakteristischen Handlungs- und Verhaltensmustern autostigmativer Art wenden wir uns nunmehr der anderen Seite zu: den verständigen Adressaten der asketischen Selbststigmatisierung, die als Multiplikatoren ihres Sinns aktiv wurden - all jenen also, die gerade am »ungepflegten« Äußeren des ausländischen Exsoldaten Martinus den »Freund Gottes« erkannten, dessen Wunder sie kaum weniger sehnsüchtig erwarteten als eine Gelegenheit, sie zu bezeugen. Sulpicius war eine Schlüsselfigur in diesem Milieu. Um 363 im Südwesten Galliens als Kind begüterter Eltern geboren, absolvierte Martins späterer Biograf - wahrscheinlich an der berühmten Hochschule von Bordeaux - das obligatorische Rhetorikstudium und war danach als Anwalt tätig. Ob er zu dieser Zeit schon Christ war, ist nicht bekannt. Seine Ehe mit der Tochter einer konsularischen Familie verschaffte ihm, der selbst nicht dem Senatorenstand angehörte, Zutritt zu den vornehmsten Kreisen der Reichsaristokratie. Die Frau scheint früh gestorben zu sein, doch Sulpicius, der nicht wieder heiratete, blieb in engem Kontakt mit seiner Schwiegermutter. Ihr Name - Bassula - ist überliefert, der ihrer Tochter nicht 75 . Sulpicius verband eine Freundschaft mit dem etwa zehn Jahre älteren Meropius Pontius Paulinus, der wie er aus dem Südwesten Galliens stammte, jedoch in weit exklusiveren Verhältnissen zur Welt gekommen war. Die Pontii waren von senatorischem Rang und besaßen ausgedehnte Ländereien in Gallien, Italien und Spanien. Auch Paulinus hatte in Bordeaux die Rhetorik studiert und war danach mit der Protektion seines Lehrers Decimus Magnus Ausonius, des Prinzenerziehers am Trierer Kaiserhof, in den Staatsdienst eingetreten. Seine Laufbahn begann vielversprechend: Nachdem er 378 consul suffectus gewesen war, wurde er 380 zum Statthalter der unteritalischen Provinz Kampanien ernannt. Nach einem Jahr in diesem Amt jedoch geriet seine Karriere ins Stocken, und Paulinus zog 75 Vgl. STANCLIFFE, St. Martin, 15-17; K.H. SCHWARTE, Art. Sulpicius Severus, LACL, 2002, 659 f. An Bassula adressiert ist Sulpicius' dritter Brief über Martin ( 3 3 4 344 F.).

3

1.5 Institutionalisierung

über Texte: Charisma und

Hagiografie

39

sich auf die aquitanischen Güter seiner Familie zurück. In seiner wachsenden Frömmigkeit durch seine Frau Therasia bestärkt, ließ er sich Ende der 380er Jahre taufen; bald darauf begann das Paar, das in dieser Zeit schwere Schicksalsschläge hinnehmen musste, seine Besitzungen zu verkaufen. 395 siedelten sie ins kampanische Nola über, um am Grab des Märtyrers Felix ein asketisches Leben zu führen. In Nola fand der noch kurz zuvor zum Priester geweihte Paulinus seine neue Lebensaufgabe. Als Dichter, Bauherr und (spätestens seit 415) Bischof der Stadt förderte er bis zu seinem Tod im Jahre 431 Felix' Verehrung, pflegte eine ausgedehnte Korrespondenz und betreute die zahlreichen Pilger, die das Heiligengrab besuchten 76 . Paulinus spielte in Sulpicius' Leben nicht nur deswegen eine wichtige Rolle, weil er ihm ein Vorbild dafür bot, wie man sich in standesgemäßer Weise von der >Welt< zurückzog; er war es auch, der ihn auf Martin aufmerksam machte. Der gewesene Konsul und Statthalter hatte den heiligen Mann 385 in Vienne getroffen und war durch ihn - sei es bei dieser Gelegenheit, sei es bei einer späteren Begegnung - von einem schmerzhaften Augenleiden befreit worden 77 . Ohnehin bemüht, Sulpicius von der Notwendigkeit einer asketischen conversio zu überzeugen, suchte der von Martins Persönlichkeit tief beeindruckte Paulinus seine Argumente offenbar mit Erzählungen über das Leben, die Glaubenskraft und die Wundermacht des Heiligen zu verstärken. Sein jüngerer Freund zeigte sich dafür sehr empfänglich; bald »brannte« er »vor Sehnsucht«, Martin ebenfalls kennen zu lernen, und beschloss, ihm eine Biografie zu widmen 78 . 393 oder 394 reiste Sulpicius zum ersten Mal nach Tours. Aus der Begegnung des damals etwa 30-jährigen Witwers mit Martin entsprang eine tiefe emotionale Bindung an den rund 50 Jahre älteren heiligen Mann 79 , 76 Vgl. STANCLIFFE, St. Martin, 17 f.; D.E. TROUT, Paulinus of Nola. Life, Letters, and Poems, The Transformation of the Classical Heritage 27, Berkeley/Los Angeles/London 1999; M. SKEB, Art. Paulinus von Nola, 3 LACL, 2002, 5 4 9 - 5 5 2 . Siehe ferner S. MRATSCHEK, Der Briefwechsel des Paulinus von Nola. Kommunikation und soziale Kontakte zwischen christlichen Intellektuellen, Hypomnemata 134, Göttingen 2002. 77 Vgl. v.Mart. 19,3 ( 2 9 2 - 2 9 4 F.): Paulinus magni vir postmodum futurus exempli, cum oculum graviter dolere coepisset et iam pupillam eius crassior nubes superducta texisset, oculum ei Martinus penicillo contigit pristinamque ei sanitatem, sublato omni dolore, restituit. Siehe dazu STANCLIFFE, St. Martin, 18; TROUT, Paulinus of Nola, 62; ferner ROUSSELLE, Sanctuaire, 1095 f. 78 Vgl. v. Mart. 25,1 ( 3 0 8 - 3 1 0 F.): Nam cum olim, audita fide eius, vita atque virtute, desiderio illius aestuaremus, gratam nobis ad eum videndum peregrinationem suscepimus; simul, quia iam ardebat animus vitam illius scribere, partim ab ipso, in quantum ille interrogari potuit, sciscitati sumus, partim ab his qui interfuerant vel sciebant cognovimus. Vgl. STANCLIFFE, St. Martin, 17 f.; TROUT, Paulinus of Nola, 61 f. 79 Vgl. Sulpicius' Schilderung des Treffens in v.Mart. 2 5 , 2 - 3 (310 F.). Datum nach STANCLIFFE, St. Martin, 18. Zu Martins Alter siehe unten S. 41, Anm. 85.

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1. Das Charisma der

Heiligen

die, um noch einmal Max Webers Beschreibung einer idealtypischen charismatischen Beziehung zu zitieren, bei Sulpicius »eine Wandlung der zentralen Gesinnungs- und Tatenrichtung unter völliger Neuorientierung aller Einstellungen zu allen Lebensformen und zur >Welt< überhaupt« 80 wenn nicht auslöste (den Anstoß hierzu hatte wohl schon Paulinus gegeben), so doch katalytisch weiter vorantrieb - auch dies indessen nur bis zu einem bestimmten Punkt und keineswegs so weit wie bei anderen, die den Heiligen ebenfalls kennen gelernt hatten: Nun auch von Martin dazu gedrängt, »die irdischen Reize und Lasten zurückzulassen, um frei und ungehindert dem Herrn Jesus folgen zu können« 81 , und darüber hinaus vielleicht schon zu dieser Zeit von der Erwartung erfüllt, das Ende der Welt stehe bevor (denn Martin erklärte, der Antichrist sei bereits geboren und lebe irgendwo, noch unerkannt, als Kind unter den Menschen) 82 , gab Sulpicius 394 oder 395 seine Anwaltstätigkeit auf, verzichtete auf das väterliche Erbe und verkaufte alles, was zur Mitgift seiner Frau gehört hatte; den Erlös widmete er karitativen Zwecken. Für sich behielt er allein das Gut Primuliacum in der Nähe von Toulouse, wo er fortan lebte, doch auch hier übertrug er die Eigentumsrechte auf die örtliche Kirche. Seine conversio vollzog sich gegen den Widerstand des Vaters, aber mit Unterstützung der Schwiegermutter; Beifall kam von Paulinus und sicher auch von Martin 83 . In Primuliacum entstanden Sulpicius' Martinschriften: die Vita, drei Briefe, die Dialogi. Für das Bild, das sie von ihrem Helden überliefern, dürfte der Umstand nicht ohne Bedeutung gewesen sein, dass ihr Verfasser und »sein Martinus« 84 auch schon vor dessen Tod keinen täglichen Kontakt miteinander hatten. So scheint Sulpicius nicht gewusst zu haben, wie alt Martin eigentlich war: Den auf Julians Alamannenfeldzug von 356 seinen Dienst quittierenden Soldaten stellte er sich als 20-Jährigen vor, während er einige Jahre später, als er in den Dialogi eine Begegnung Martins mit 80

Siehe oben S. 17. Vgl. v. Mart. 25,4 (310 F.): Sermo autem illius non alius apud nos fuit quam mundi inlecebras et saeculi onera relinquenda, ut Dominum lesum liberi expeditique sequeremur ... 82 Vgl. dial. II 14,1-4 (197 H.). Durch den Schlusssatz (quod autem haec ab ilio audivimus, annus octavus est) lässt sich die hier zitierte Äußerung Martins, setzt man die Abfassung der Dialogi in die Jahre 403/04 (siehe unten S. 42, Anm. 92), auf 395/96 datieren; damit könnte sie Sulpicius' Entscheidung durchaus noch beeinflusst haben. 83 Vgl. STANCLIFFE, St. Martin, 30 f. (zum Konflikt mit dem Vater auch 78 f., Anm. 31); MRATSCHEK, Briefwechsel, 141-143. Eine genaue Lokalisierung von Primuliacum ist 81

nicht m ö g l i c h : FONTAINE, Introduction, 3 2 - 3 8 ; STANCLIFFE, St. Martin, 3 0 , A n m . 3. 84 Vgl. dial. I 2 2 , 6 - 2 3 , 1 (175 H.), wo Sulpicius seine emotionale Bindung an den damals bereits verstorbenen Martin einmal verhalten ironisiert: ...tu modo ... debitum faenus exsolve, ut te de Martino tuo, ut es solitus, plura referentem, iam pridem in hoc desideriis meis aestuantibus, audiamus. Quid? inquam, tibi de Martino meo liber ille non sufficit, quem ipse tu nosti me de illius vita adque virtutibus edidisse?

1.5 Institutionalisierung

über Texte: Charisma und

Hagiografie

41

der Frau des Usurpators Magnus Maximus um das Jahr 385 herum schilderte, für diese Zeit bereits einen septuagenarius vor Augen hatte 85 . Überhaupt ist bemerkenswert, dass Sulpicius zwar eine conversio auf sich nahm, aber nicht der etwa 80 Köpfe zählenden 86 Schülergemeinschaft beitrat, die Martin vor den Toren von Tours um sich gesammelt hatte. Während man dort in Holzhütten und selbst gegrabenen Höhlen hauste und das Privateigentum abgeschafft hatte - wobei auch hier viele Mitglieder der Gruppe von vornehmer Herkunft waren, wie Sulpicius ausdrücklich vermerkte 87 - , lebte er als sein eigener Herr, vielleicht zusammen mit seiner Schwiegermutter, auf einem offenbar nicht allzu unkomfortablen Landgut, von Dienern und Sklaven umsorgt, die wie Mönche frisiert und gekleidet waren 88 . Kam man Martins Ermahnung zur Nachfolge Christi auf diese Weise nach, fiel das Asketendasein in der Tat »rather more easy-going and gentlemanly« 89 aus als dort, wo der Heilige selbst das Sagen hatte: Sulpicius verlangte von sich keine Askese, die an die Lebensumstände eines Aussätzigen erinnerte; nach dem oben Gesagten überrascht es deshalb nicht, dass dem Hausherrn auf Primuliacum auch niemand zugetraut zu haben scheint, einen Aussätzigen heilen zu können.

85 Vgl. v. Mart. 3 , 5 - 5 , 1 ( 2 5 8 - 2 6 2 F.) zu Martins Alter bei seinem Austritt aus der Armee; zur Begegnung mit Maximus' Frau siehe dial. II 6 - 7 ( 1 8 7 - 1 8 9 H., die Altersangabe 7,4, 189 H.). Siehe STANCLIFFE, St. Martin, 119-133 (mit weiterer Literatur) zu den Schwierigkeiten, Martins Lebensdaten aus Sulpicius' Schriften zu rekonstruieren. Stancliffe setzt (132f.) als Geburtsjahr des Heiligen 336 an, womit er 356 tatsächlich erst 20 Jahre alt, 385 aber kein septuagenarius gewesen wäre; ich folge der von ihr abgelehnten »long chronology«, die mit Martins Geburt im Jahr 316 rechnet: M. HEINZELMANN, Gallische Prosopographie 2 6 0 - 5 2 7 , Francia 10, 1982, 5 3 1 - 7 1 8 , hier 647. 86 V . M a r t . 10,5 (274 F.): Discipuli fere octoginta erant, qui ad exemplum beati magistri instituebantur. Kritisch zu Fontaines Kommentierung der Zahlenangabe: D. VON DER NAHMER, Martin von Tours: sein Mönchtum - seine Wirkung, Francia 15, 1987, 1 41, hier 12, Anm. 40. 87 V.Mart. 10,4-8 (274 F.). 88 Zu Sulpicius' Leben auf Primuliacum siehe STANCLIFFE, St. Martin, 3 0 - 3 8 ; zum kulturgeschichtlichen Hintergrund der gemäßigt asketischen conversiones gebildeter und vermögender Römer aus dem Westen des Reichs im 4. Jh. ebd., 2 6 - 2 9 ; siehe dazu ferner (unter dem Schlagwort secessus in villam) M. HEINZELMANN, Bischofsherrschaft in Gallien. Zur Kontinuität römischer Führungsschichten vom 4. bis zum 7. Jahrhundert, Beihefte der Francia 5, Zürich/München 1976, 204f. Siehe weiterhin J. FONTAINE, Valeurs antiques et valeurs chrétiennes dans la spiritualité des grands propriétaires terriens à la fin du IV e siècle occidental, in: DERS./CH. KANNENGIESSER (Hg.), Epektasis. Mélanges patristiques offerts au cardinal Jean Daniélou, Paris 1972, 5 7 1 - 5 9 4 ; MRATSCHEK, Briefwechsel, 140-182. 89 STANCLIFFE, St. Martin, 33. Schwer nachzuvollziehen ist daher Stancliffes an anderer Stelle geäußerte Auffassung, Sulpicius habe versucht, »to model his whole way of life upon Martin's« (ebd., 79).

1. Das Charisma der

42

Heiligen

Als >Jünger< Martins im engeren Sinn90 lässt sein Biograf sich mithin nicht bezeichnen. Auch nach der conversio blieb seine Rolle die eines wenn auch glühenden - Sympathisanten, der den Heiligen zwar verehrte und bisweilen besuchte, seinem Beispiel aber nicht mit letzter Konsequenz nachlebte. Ob der Eifer und die Entschiedenheit, mit denen er die Faszination, die Martin auf ihn ausübte, in literarische Produktivität verwandelte, in diesem Zusammenhang eine kompensatorische Funktion zu erfüllen hatten, entzieht sich der Nachweisbarkeit 91 . Ohne jeden Zweifel aber sind die Martinsschriften das Produkt einer intensiven charismatischen Beziehung, deren Entwicklung sie aus Sulpicius' Perspektive über ein gutes Jahrzehnt hinweg dokumentieren 92 . Die einschlägige Überhöhung und Idealisierung des verehrten Gegenübers hat sich hier, zumal sie nicht der Abnutzung im alltäglichen Miteinander ausgesetzt war93, schon zu Martins Lebzeiten in Reinform niederzuschlagen begonnen, und die nach seinem Tod entstandenen Werke bezeugen, wie kaum anders zu erwarten, die Verfestigung dieses verklärenden Zugs. Eine mehr oder weniger stark entwickelte Neigung, dem Charismatiker Eigenschaften zuzuschreiben, die über das gewöhnliche menschliche Maß hinausgehen, ist bekanntermaßen charakteristisch für charismatische Beziehungen; in Martins Fall kam sie, wie wir nun sehen, nicht allein im Glauben an seine Wunderkraft zum Ausdruck, sondern bestimmte die Wahrnehmung seiner gesamten Persönlichkeit durch die Verehrer wie auch ihr Verhalten in seiner Nähe 94 . Kritik an seinem Heiligen 90

91

V g l . KANY, J ü n g e r , 2 6 0 .

Siehe j e d o c h v. Mart. 1,6 (252 F.): Unde facturus mihi operae pretium videor, si vitam sanctissimi viri, exemplo aliis mox futur am, perscripsero ... quia, etsi ipsi non ita viximus ut exemplo aliis esse possimus, dedimus tarnen operam, ne is lateret qui esset imitandus. 92 Vgl. SCHWARTE, Sulpicius Severus: Abschluss der Martinsvita 396; Abfassung der drei Briefe (der erste vor, die beiden anderen nach Martins Tod im November 397) 3 9 7 98, der Dialogi 403/04. Zu Sulpicius' schriftstellerischem Œuvre gehören ferner die zwei Bücher seiner Weltchronik von der Schöpfung bis zum Jahr 400, abgeschlossen 404. 93 Im monasterium von Tours dagegen hatte sich, wie Sulpicius zu berichten wusste, zu dieser Zeit einmal beinahe handgreifliche Kritik an Martin artikuliert, die anscheinend mit einem Nachlassen der Bindungskraft seines Charismas gegen Ende seines Lebens zusammenhing; siehe dazu auch unten S. 87 m.Anm. 173. 94 Vgl. v. Mart. 2,7 (256 F., zu Martins Zeit bei der Armee): Multa illius circa commilitones benignitas, mira Caritas, patientia vero atque humilitas ultra humanum modum; ebd., 26,3 (312 F.): Vere fatebor, non si ipse, ut aiunt, ab inferis Homerus emergeret, posset exponere; adeo omnia maiora in Martino sunt, quam ut verbis concipi queanf, ebd., 27,1 (314 F.): Nemo umquam illum vidit iratum, nemo commotum, nemo maerentem, nemo ridentem; unus idemque fuit Semper: caelestem quodammodo laetitiam vultu praeferens, extra naturam hominis videbatur\ ep. 3,17 (342 F.): Cum hac ergo voce spiritum caelo reddidit. Testatique nobis sunt qui ibidem fuerunt vidisse se vultum eius tamquam vultum angeli; membra autem eius Candida tamquam nix videbantur ...; dial. II 4,2 (184 H.): ... quippe qui humanam substantiam supergressus, virtutis suae conscientia

1.5 Institutionalisierung

über Texte: Charisma und

Hagiografie

43

ließ Sulpicius die emotionale Bindung an ihn nur noch stärker erleben, was sich etwa in der Vorstellung äußerte, als Folge der Parteinahme für Martin von dessen Feinden »ringsum angebellt« zu werden 95 ; vielleicht noch interessanter als die aus dieser Wortwahl sprechende Einkreisungsfantasie ist hier die - in die abwertende Gleichsetzung der Kritik an Martin mit (aggressiven) Tierlauten subtil hineingewobene - Selbstinszenierung des Verehrers als Opfer einer in Wahrheit auf den Charismatiker zielenden Bedrohung, mithin als stellvertretend für den geliebten Meister Leidender. Das hier zu beobachtende Wahrnehmungsmuster, das die bei der Entfaltung von Martins charismatischer Autorität freigesetzten Aggressionen einseitig seinen Gegnern anlastete, wirkte sich an anderer Stelle noch einmal aus, als Sulpicius die Gewalttätigkeit seines Helden gegenüber der nichtchristlichen Landbevölkerung gemäß dem Leitbild des scheinbar wehrlosen, doch von Gott beschützten Dulders heidnischer Angriffe umdeutete; so erscheint Martin in der Vita auch dort wieder als Opfer von Feindseligkeiten, wo in Wahrheit die rustici versucht hatten, ihre Heiligtümer vor seinen Attacken zu schützen96. Der damit berührte, offenbar auch unter seinen Anhängern als problematisch empfundene Charakterzug des Heiligen mit dem kriegerischen Namen scheint Sulpicius allerdings doch noch weiter beschäftigt zu haben; jedenfalls sah er sich veranlasst, seiner ansonsten durchweg affirmativ gehaltenen Aufzählung umgehackter heiliger Bäume, zerschlagener Götterbilder und niedergebrannter Tempel am Ende (ohne ein weiteres Beispiel) die Bemerkung anzufügen, »meistens jedoch« habe Martin die Bauern, die ihm entgegengetreten seien, durch Predigten umzustimmen vermocht, worauf sie ihre Tempel dann selber »umgestürzt« hätten97. Als ebenfalls sensibler - vielleicht weil den Verehrer am stärksten mit der Bewältigung von Zweifeln beanspruchender 98 - Punkt in der charismatischen Beziehung zu erkennen ist alles, was mit dem Glauben an Martins mundi gl or iam calcans, caelo teste frueretur\ dial. II 13,1 (195 H.): Quodam die ego et iste Sulpicius pro foribus illius excubantes iam per aliquot horas cum silentio sedebamus, ingenti horrore et tremore, ac si ante angeli tabernaculum mandatas excubias duceremus, cum quidem nos, clauso cellulae suae ostio, ibi esse nesciret. 95 Vgl. v. Mart. 27,4 ( 3 1 4 - 3 1 6 F.): Nec vero quemquam nominari necesse est, licet nosmet ipsos plerique circumlatrent. Sufficiet ut, si qui ex his haec legerit et agnoverit, erubescat. 96 Ebd., 13,5-7; 14,3-7; 15,1-2.3 (280; 284f. F.). 97 Ebd., 15,4 (286 F.): Plerumque autem contra dicentibus sibi rusticis, ne eorum fana destrueret, ita praedicatione sancta gentiles animos mitigabat ut, luce eis veritatis ostensa, ipsi sua tempia subverterent. Bemerkenswert ist auch hier wieder die Wortwahl, die das Resultat der Wirkung des Charismatikers auf die Bauern mit einem Kompositum von vertere umschreibt und damit das revolutionäre Moment charismatischer Autorität in einem kongenial >subversiven< Bild einfängt; vgl. den Begriff conversio. 98 Siehe dazu auch unten S. 49.

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1. Das Charisma der Heiligen

Wunder zu tun hat; im ersten Brief wird ein ungenannt bleibender Skeptiker entsprechend wütend beschimpft und verhöhnt, wobei die zur Unterstützung herangezogenen Bibelstellen einen Anlass liefern, Martin den Aposteln und indirekt sogar Christus selbst gleichzustellen". Im selben Brief findet sich sodann ein diskreter Hinweis auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Heiligen und seinem Biografen 100 , der bei dieser Gelegenheit gleichsam als dessen Sprecher gegenüber der Öffentlichkeit auftrat; überhaupt war es Sulpicius erkennbar darum zu tun, sich vor dem Publikum seiner Schriften als denjenigen zu präsentieren, den Martin von seinen Anhängern am meisten geschätzt habe - »mich Unwürdigen, der ich es nicht verdiente«101. Das Empfinden schließlich, dass der Heilige die ihm entgegengebrachte Liebe erwidere, setzte sich bei Sulpicius nach Martins Tod in Schmerz und Trauer fort, als hätte er einen nahen Angehörigen verloren 102 , und die literarische Pflege des Andenkens an den Charismatiker erfolgte nicht allein aus Pietät und dem Wunsch heraus, das einmal entworfene Idealbild immer weiter auszumalen, sondern erfüllte auch das Bedürfnis, das Gefühl der Nähe zu dem verlorenen Ersatzvater zu bewahren: »Er wird uns nicht im Stich lassen, glaub mir, er wird es nicht. Wenn wir von ihm sprechen, wird er bei uns sein, und wenn wir beten, wird er uns zur Seite stehen.« 103

Gelesen und gewürdigt werden sollte all dies nicht von denen, die Martin und seine Lebensweise ohnehin ablehnten. Selbst wenn er damit rechnete,

99 Vgl. ep. 1,2-7 (316-320 F.): Interea indicator mihi dixisse quendam, malo spiritu suscitatum, cur Martinus, qui mortuos suscitasset, flammas domibus depulisset, ipse nuper adustus incendio periculosae fuisset obnoxius passioni. O iustum, quisquis est, miserum! Iudaeorum in verbis eius perfidiam et dicta cognoscimus, qui in cruce positum Dominum his verbis increpabant: >alios salvos fecit, se ipsum salvum facere non potest. < Vere iste, quicumque est, si Ulis temporibus natus esset, et in Dominum hac voce potuisset dicere, qui simili modo sanctum Domini blasfemai exemplo. ... O beatum et per omnia similem Apostolis etiam in his conviciis viruml ... Agnosce enim, miser, agnosce quod nescis ... Sed haec tu, ut arbitror, stulte, non legeras aut leda non audieras ... 100 Ep. 1,14 (322-324 F.): Ceterum, verbis meis Dominus est testis, mihi ipse referebat et non sine gemitu fatebatur in hoc se diaboli arte deceptum ... 101 Vgl. ep. 2,14 (330-332 F.): O vere ineffabilem virum, pietate, misericordia, caritate, quae cum cotidie etiam in sanctis viris saeculo frigente frigescat, in ilio tamen usque ad finem aucta in dies perseveravit! Quo ego illius bono vel specialiter fruitus sum, cum me indignum et non merentem unice diligebat, dial. II 13,3 (196 H.): ... ac tum eum iste Sulpicius, sicut apud eum nemo familiarius loquebatur, coepit orare ... 102 Vgl. ep. 2,6-15 (328-332 F.) (nach Erhalt der Todesnachricht): Concidi, fateor, obortisque lacrimis flevi uberrime. ... Proemisi quidem patronum, sed solacium vitae praesentis amisi ...In quo mihi post haec homine similis requies? In cuius erit caritate solacium? Me miserum, me infelicem! 103 Ep. 2,16 (332 F.): Non deerit nobis ille, mihi crede, non deerit: intererit de se sermocinantibus, adstabit orantibus ...

1.5 Institutionalisierung

über Texte: Charisma und

Hagiografie

45

dass unter seinen Lesern auch solche Personen sein würden104, schrieb Sulpicius in erster Linie für ein Publikum, das wie er den Heiligen bewunderte oder zumindest bereit war, dies zu tun105. Von Bewunderern und (ehemaligen) Schülern Martins stammte auch - abgesehen von den Nachrichten, die Sulpicius von ihm persönlich erhalten hatte - der überwiegende Teil der Informationen, die in die Martinsschriften eingegangen sind106. Diese den Autor, seine Gewährsleute und seine primären Adressaten verbindende Zugehörigkeit zum charismatischen Feld um den heiligen Mann in Tours war das eine bestimmende Merkmal der Kommunikationssituation, aus der heraus die ihm gewidmete Hagiografie entstand. Das andere war ihre Mündlichkeit, wovon besonders die von Sulpicius gesammelten und überarbeiteten Wundergeschichten Zeugnis geben107. Gestützt auf Ergebnisse der Volkssagenforschung hat Friedrich Lotter in seiner Untersuchung der Vita des Severinus von Noricum aus der Feder Eugipps von Lucullanum dargestellt, wie sich solche mündlich tradierten Informationen im Verlauf ihrer Weitergabe verändern: Am Anfang des Prozesses steht die Wiedergabe eines außergewöhnlichen Ereignisses durch einen Zeugen. Dieser Bericht, ein so genanntes Memorat, wird zur >ErinnerungssageVeralltäglichung< und Institutionalisierung der Autorität des Heiligen schon sehr viel früher begonnen; bereits die Entstehung der Gemeinschaft bei Poitiers, seine Berufung ins Bischofsamt von Tours und die Gründung des dortigen monasterium waren Schritte auf diesem Weg gewesen. Seine unumkehrbare Dynamik gewann der Prozess jedoch erst, als der reale Martin ihn nicht mehr stören konnte: Zu seinen Lebzeiten hatte der heilige Mann oft genug unter Beweis gestellt, dass es ihm an Willen und Anpassungsfähigkeit fehlte, um sich in den Episkopat und die Gesellschaft Galliens als weithin akzeptables Vorbild zu integrieren; umso besser gelang dies später dem Bild, das die Schriften seines Biografen von ihm zeichneten. Sulpicius' Werke und neue Texte, die in ihrer Tradition standen 118 , verbreiteten den Ruhm des Heiligen als Wundertäter, Mönch und Bischof, bis sein Grab seit der Mitte des 5. Jahrhunderts zum wichtigsten Wallfahrtsort Galliens zu werden begann und er selbst, allerdings noch einmal zeitverzögert, schließlich zum Schutzpatron der fränkischen Könige und ihres Reiches aufstieg 119 . Ironischerweise — denn sicher 116

Vgl. etwa die Zitate auf S. 46, Anm. 109. WEBER, 5 Wirtschaft und Gesellschaft, 661. 118 5. Jh.: Paul. Petricor., Mart. (CSEL 16.1, 17-159 PETSCHENIG); 6. Jh.: Ven.Fort., v. Mart. (Venance Fortunat, Œuvres QUESNEL Bd. 4 ): Greg. Tur., Mart. (MGH SRM I, 5 8 4 - 6 6 1 KRUSCH). ZU Paulinus von Périgueux und Venantius Fortunatus siehe W. KIRSCH, Laudes sanctorum. Geschichte der hagiographischen Versepik vom IV. bis X. Jahrhundert 1/2: Ansätze (IV. bis VIII. Jahrhundert), Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters XIV/2, Stuttgart 2004, 3 1 2 - 3 6 1 . 119 Zum Martinskult bis zum 7. Jh.: VAN DAM, Saints, 13-28. 117

50

1. Das Charisma der

Heiligen

war dies nicht Sulpicius' Absicht gewesen - trug die Institutionalisierung von Martins Charisma in Gestalt einer kunstvollen und zunächst nur der Bildungsschicht zugänglichen Prosa dazu bei, dass das Befremdliche und Anstößige an ihm aus der Rückschau seinen Stachel verlor120. Gleichzeitig verhinderte sie aber auch, dass die autostigmative Botschaft seiner Askese bis zur Unkenntlichkeit entschärft wurde. Denn die Martinsschriften rühmten nicht einfach die wunderbare Macht eines »Gottesfreundes«, sondern legten dar, dass eine bestimmte, selbst gewählte Art, sein Leben in ein Glaubenszeugnis zu verwandeln, deren unverzichtbare und stets zu erneuernde Voraussetzung gewesen war. Damit bildete die literarische Form der Charisma-Institutionalisierung ein Gegengewicht zu jener anderen, die sich in Gestalt des aufblühenden Martinskults unter der Ägide der Bischöfe von Tours vollzog: Dieser ließ zwar eine zunehmende Zahl von Gläubigen die Wunderkraft Martins an seinem Grab als immer noch wirksam erleben, bedeutete auf der Ebene der unmittelbaren Wahrnehmung jedoch eine Trennung der Kategorien >asketische Lebensweise< und >thaumaturgische Krafü - oder, anders gesagt, von >Stigma< und >Charismatripartite< comme une fabrication carolingienne. Nous osons donc nous ranger du côté de ceux qui y voient un document authentique des premières années du VI e siècle.« Kruschs Argumente diskutiert und widerlegt abschließend MARTINE, Pères du Jura, 30-44. Zur Aufnahme der (auf erweiterter Handschriftengrundlage besorgten) Edition Martines durch die Forschung siehe v.a. die R e z e n s i o n e n v o n J . VAN DER STRAETEN, A B 8 7 , 1 9 6 9 , 5 1 5 F.; F . MASAI, R H E 6 5 ,

1970,

520-524; siehe ferner J. DOIGNON, DU nouveau sur la >Vie des Pères du Jurac bilan et suggestions de recherche, RAM 46, 1970, 377-386, bes. 378f., 380-382. Zur Datierung der Vita siehe MARTINE, Pères du Jura, 53-57 (um 520), aber auch F. MASAI, La >Vita patrum iurensium< et les débuts du monachisme à Saint-Maurice d'Agaune, in: FS Bernhard Bischoff, Stuttgart 1971, 4 3 - 6 9 (zwischen 511/12 und 515). Zu Masais Datierungsvorschlag vgl. G. MOYSE, Les origines du monachisme dans le diocèse de Besançon, BECh 131, 1973, 21-104, hier 70f.; I. WOOD, A Prelude to Columbanus: The Monastic Achievementin the Burgundian Territories, in: H . B . C L A R K E / M . BRENNAN (Hg.), Columbanus and Merovingian Monasticism, BARIntSer 113, Oxford 1981, 3-32, hier 17; E. GILOMEN-SCHENKEL, Saint-Maurice, in: DIES. (Hg.), Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz, HelSac Abt. III, Bd. 1/1, Bern 1986, 304-320, hier 305. 3

Weitere Quellen zum Juramönchtum bei

MARTINE,

Pères du Jura,

68-80.

2.1 Die Vita der

Juraväter

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fünfzig Jahre zurück - beschleunigt sich die Entwicklung der Gemeinschaft. Die ursprüngliche Eremitenkolonie um zwei charismatische heilige Männer wandelt sich zum Kloster im engeren Sinn: Aus dem >Vater< wird der >AbtVäter< noch deutlich erkennen lassen, eine asketisch-charismatische Gruppierung ähnlich denjenigen, die sich bei Poitiers und später vor den Toren von Tours um den heiligen Martin geschart hatten. Ebenfalls ähnlich wie bei Martin und seinen Schülern lag auch im Jura der asketische Akzent auf der räumlichen Absonderung von der >WeltWüste< bestand und in welcher Weise dem Stigma des Lebens außerhalb der geordneten und von Menschen kultivierten >Welt< das charismatische Vermögen des >Heilens< gestörter Ordnungen entsprach, werden wir im nächsten Kapitel eingehend behandeln. Hier soll das Interesse zunächst einem anderen Gegenstand gelten, den die Vita der Juraväter gleichfalls in außergewöhnlicher Anschaulichkeit reflektiert: dem Institutionalisierungsprozess einer charismatisch begründeten Gemeinschaft, deren Angehörige zusammengefunden hatten, um mit der >Welt< zu brechen und unter der Anleitung heiliger Männer ein neues, asketisches Leben zu beginnen. Die Abfassungszeit unserer Quelle fällt bereits in eine relativ späte Etappe dieses Prozesses. Hinter den von ihrem Autor synonym gebrauchten, auf den ersten Blick vielleicht statisch erscheinenden Begriffen monasterium und coenobium wird eine Realität sichtbar, in der die Gemeinschaft der Juramönche sich im fortgeschrittenen Übergang von einer personenzentrierten sozialen Einheit nach Art der Schülerzirkel Martins von Tours zur regelgebundenen Institution eines eigentlichen Klosters befand. Unter Eugendus, so werden wir im Folgenden feststellen, war Condadisco noch von beidem etwas, doch dieser jüngste der drei Juraväter arbeitete mit Nachdruck daran, die Gewichte zugunsten der Institution zu verschieben. Neben dem Einblick in diesen Vorgang, den die Vita zulässt, liegt ihr besonderer Quellenwert für unsere Untersuchung in der großen Zahl ihrer literarischen Momentaufnahmen aus dem Alltagsleben einer

4 Zur Chronologie des Juramönchtums im von der Vita abgedeckten Zeitraum vgl. MARTINE, Pères du Jura, 11-13. Martine datiert Romanus' Auszug in die Wälder auf die Jahre um 435, seinen Tod auf etwa 460 und den Abbatiat des Eugendus auf die Zeitspanne von etwa 490 bis 510. Zu Minausius siehe auch unten S. 72f., Anm. 99.

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2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

monastischen Gemeinschaft zu Beginn des 6. Jahrhunderts; sie bietet uns damit die Chance, nicht nur die Begriffe >KlosterMönch< und >Abt< für diese Zeit mit Inhalten zu füllen, sondern auch unserem bislang vornehmlich auf Wundererzählungen begründeten Bild spätantiker christlicher >Heiligkeit< die Skizze einer Lebenswelt zur Seite zu stellen, die auf dem Weg der >Veralltäglichung< dieser Spielart charismatischer Autorität entstanden war. Der Verfasser der Vita hat seinen Namen nicht genannt, und bis heute ist es nicht gelungen, sein Inkognito zu lüften 5 . Als Person greifbar wird er allein durch sein Werk, »où il parle rarement de lui-même, en termes discrets et souvent vagues« 6 . Als sicher kann inzwischen gelten, dass er unter Eugendus - in den Jahren um 500 - Mönch in Condadisco gewesen war und dort auch noch lebte, als er die Vita schrieb 7 . Er scheint seinem Abt nahe gestanden und zu einer Runde von fratres gehört zu haben, die an dessen Sterbelager Nachtwachen gehalten hatte 8 . Romanus und Lupicinus war er offenbar nicht mehr persönlich begegnet. Seine Bemerkung, er habe als Junge viele Mönche aus den Juraklöstern gesehen, die Wunder aus der Zeit des Abtes Lupicinus bezeugten, mag, wie François Martine vermutet hat, auf eine Kindheit als puer oblatus hindeuten 9 . Als Indizien für eine jedenfalls bis in die Zeit seiner literarischen Ausbildung zurückreichende Vertrautheit mit dem Klosterleben können daneben seine gründliche Bibelkenntnis (Martine zählt 62 Zitate von beziehungsweise Anklänge an Bibelstellen, von denen 18 auf das Alte, 44 auf das Neue Testament entfallen) 10 sowie die Sprache der Vita gelten, die in Wortschatz, Morphologie und Syntax durchgehend mit dem übereinstimmt, was in der lateinischen spirituellen Literatur des 5. und frühen 6. Jahrhunderts die Regel war11. Bemerkenswert ist sein etymologisches Interesse an gallischen Ortsnamen, deren Bedeutung er mehrmals zutreffend notierte 12 . Zu seiner Herkunft äußerte er 5

Vgl. MARTINE, Pères du Jura, 4 5 - 5 3 u. unten S. 77, Anm. 130, S. 92f., Anm. 197. MARTINE, Pères du Jura, 48. 7 Letzteres belegt die Verwendung der 1. Pers. PI. Präs. in seiner Bemerkung zu den von Eugendus erlassenen Regeln (isla) in v. patr. Iur. 174 (426—428 M.): ... ista ... potius quam Orientalium perficere adfectamus ... 8 Ein vertrautes Verhältnis zu Eugendus deuten an: v. patr. Iur. 1 2 4 ( 3 7 2 M.) (... ut bene, ipso dignanter referente, commemini ...); ebd., 133 (382 M.) (Mihi tarnen crebro secretissime testabatur ...); ebd., 157 (406 M.) (... mihi ... secretissime solebat exponere ...). Zu den Nachtwachen siehe v.patr.Iur. 176; 178 ( 4 2 8 - 4 3 0 ; 432 M.). 9 Ebd., 78 (324 M.): Ego etiam multos adhucpuerulus ex his fratribus vidi qui id ... conprobarant. 10 Aufgeführt im Index I seiner Edition. 6

11

12

HOOGTERP, V i e s .

V. patr. Iur. 3 (240 M.): Quia ergo Acaunus vester Gallico priscoque sermone ... petra esse dinoscitur ...; ebd., 60 (304 M.): ... in cingulo illo vel Balma - Gallico, ut reor, sermone sie vocitant -...', ebd., 120 (366 M.): ... haud longe a vico cui vetusta paga-

2.1 Die Vita der Juraväter

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sich nicht13. Außerhalb Condadiscos stand er mit Marinus, angesprochen als Abt des Inselklosters Lerinum vor der gallischen Mittelmeerküste 14 , und zwei Mönchen namens Johannes und Armentarius in Acaunus (St-Maurice im Wallis) in Kontakt; den beiden Letzteren ist die Vita gewidmet. Wie in deren praefatio und zu Beginn der Romanusbiografie angedeutet wird, hatten sie den Anonymus um eine Schrift über die Lebensweise und die Klosterregel der Juraväter gebeten, um sich in ihrem eigenen coenobium daran zu orientieren 15 . Die drei unterschiedlich langen Einzelbiografien, aus denen sich die Gesamtvita zusammensetzt, sind inhaltlich aufeinander bezogen und zur durchgehenden Lektüre bestimmt 16 . Zur Vita gehörte ursprünglich - ihr Tinitas ... Gallica lingua Isarnodori, id est ferrei ostii, indidit nomen ... - Zu Acaunus vgl. J. WHATMOUGH, The Dialects of Ancient Gaul, Cambridge/Mass. 1970, 542, zu Isarnodorum ebd., 563 (Grundwort), 1084 (Bestimmungswort); zu Balma s.v., in: W. MEYER-LÜBKE, Romanisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 6 1992, Nr. 912; s.v. >baume2Wüste< treu zu bleiben: Mehrfach sieht er sich gezwungen, seine Gefährten zurückzulassen und in den Konflikten der >Welt< zu vermitteln 20 . Erst Eugendus verkörpert den vollkommenen Abt, der die Ansätze seiner Vorgänger vollendet und in eine dauerhafte Form bringt. Obwohl als Wundertäter weit und breit berühmt und vielfach um Beistand angegangen, verlässt er das monasterium nie und sorgt sich um jede Einzelheit des gemeinschaftlichen Lebens, nicht ohne jedoch aus dem Kreis seiner Mönche heraus wiederholt heftig angefeindet zu werden 21 . Mehrmals unterbricht der Anonymus den Fluss seiner Erzählung, um sich in direkter Ansprache an das Publikum zu wenden. Dies geschieht vor allem in den einleitenden und abschließenden Passagen der Teilbiografien, wo er die Leser über sein weiteres Vorgehen informiert und auf die inhalt-

17

Vgl. das Zitat in der vorigen Anmerkung und MARTINE, Pères du Jura, 3 1 - 3 3 . Die Handschrift wurde im 17. Jh. in der Kathedralbibliothek von Besançon aufbewahrt (daher ihr Name Codex Bisontinus) und ist heute verloren. Entstanden war sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bald nach 616 im Kloster Acaunus. Die von ihr überlieferte Textgestalt der Vita konnte von Martine, dessen Edition weitgehend auf dem Bisontinus basiert, anhand der Notizen eines Gelehrten des 17. Jhs. zum größten Teil erschlossen werden; vgl. MARTINE, Pères du Jura, 139-160, bes. 144-151. 18

19 20 21

V.patr.Iur. 3 5 - 4 0 ( 2 7 8 - 2 8 4 M.). Ebd., 9 2 - 9 9 ( 3 3 6 - 3 4 4 M.). Anfeindungen: ebd., 138-140; 158-160 (386-388; 4 0 6 - 4 1 0 M.)

2.2 Das monasterium in Erinnerung und

Gegenwart

57

liehen Akzente der jeweils folgenden Lebensgeschichten einstimmt 22 . In den hergebrachten Höflichkeits- und Demutsformeln, deren er sich dabei bedient, lebt - nun in neuem, christlichem Gewand - die »affektierte Bescheidenheit« (Ernst Robert Curtius) der klassischen lateinischen Autoren fort23. Zahlreiche Einschübe wörtlicher Rede (einzelne Aussagen, Dialoge, ein Gebet24) lockern die Darstellung auf und erlauben es dem Verfasser, für wichtige Botschaften des Werks die Autorität seiner Protagonisten in Anspruch zu nehmen, als deren Zitate er sie präsentiert 23 . An zwei Stellen erweitern sich solche Passagen exkursartig zu fiktiven Predigten, in denen Fragen der Gnadenlehre und der Sündendefinition erörtert werden 26 . Eine Besonderheit der Eugendusbiografie sind fünf Visionsbeschreibungen, die zumeist Krisenmomente im Leben des jüngsten Juravaters reflektieren 27 .

2.2 Das monasterium in Erinnerung und Gegenwart Wie der Anonymus seinen Lesern zu Beginn der Romanusvita ankündigte, wollte er ihnen »von den Taten, vom Leben und der Mönchsregel der ... ehrwürdigen Juraväter im Namen Christi getreulich erzählen, so viel ich davon mit eigenen Augen gesehen oder durch die Überlieferung Älterer erfahren habe« 28 .

Augenzeuge war er für die letzten zwei Jahrzehnte des insgesamt etwa 70 bis 80 Jahre umfassenden Zeitraums seiner Darstellung, den Abbatiat sei22

Vgl. etwa v.patr.Iur. 62 (308 M.). E.R.CURTIUS, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern/München 8 1973, 93-95. Zur Funktion der »affektierten Bescheidenheit« im christlichen Kontext vgl. LOTTER, Severinus von Noricum, 39 f. 24 V.patr.Iur. 69 (314-316 M.). 25 Etwa in v. patr. Iur. 177 (430 M.): >... Oro ergo omnes et obsecro, fittoli, ut accepta ac tradita patrum in omnibus inviolabiliter instituta ad gaudium meum sanetorumque omnium ac vestrum adpalmam victoriae perducatis.< 26 Ebd., 29-33; 82-86 (270-276; 328-332 M.). 27 Ebd., 121-124; 135-137; 153-154; 159-160; 176-177 (368-372; 384-386; 4 0 2 404; 410; 428^430 M.). Siehe auch unten S. 88f. 28 V. patr. Iur. 4 (242 M.): Igitur, praefatorum venerabilium Iurensium patrum actus vitamque ac regulam, quantum inibi proprio intuitu vel seniorum traditione percepì, nitar in Christi nomine replicare ... Martine merkt zu inibi an: »A Condat, où l'auteur est moine« und übersetzt: »Des vénérables Pères du Jura, précédemment nommés, je m'efforcerai donc d'exposer fidèlement, au nom du Christ, et les actes, et la vie, et la règle, selon ce qu'ici j'ai vu moi-même ou entendu rapporter par les anciens.« Gegen Martine verstehe ich inibi in diesem Zusammenhang nicht im Sinne von >daselbst, hierMänner Gottes< gesehen und sie noch immer als Wundertäter und Vorbilder in der Askese verehrt haben - weshalb wir damit rechnen sollten, dass sie dazu neigten, ihre Erinnerungen an die beiden Brüder zumindest unbewusst den geläufigen Idealvorstellungen vom Reden, Handeln und den Fähigkeiten heiliger Männer anzugleichen. Eine solche Tendenz zur Typisierung des Überlieferten dürfte bald dazu geführt haben, dass, wie wir es ähnlich bereits am Beispiel Martins von Tours gesehen haben, ein bemerkenswertes und erstaunliches Geschehnis, das sich auch mit dem helfenden Eingreifen Gottes erklären ließ, von den seniores schließlich nur noch auf diese Weise gedeutet wurde, wenn Romanus oder Lupicinus an ihm beteiligt gewesen waren. Stützen kann sich diese Annahme auf eine längere Passage der Vita, die eine für die Mönche höchst bedrohliche Situation und ihre kaum noch zu erwartende Wendung zum Guten schildert: Unter Lupicinus war dem oeconomus der Gemeinschaft eines Tages aufgefallen, dass das Getreide im Vorratsspeicher gerade noch für zwei Wochen reichte - drei Monate vor der neuen Ernte. Lupicinus jedoch, erzählten die Alten, sei deswegen nicht etwa in Verzweiflung geraten, sondern habe sich daran erinnert, dass auch der Prophet Elischa einmal vor der Herausforderung gestanden hatte, seine 100 Jünger von 20 Broten und einem Beutel Korn sättigen zu müssen. Dem drohenden Hunger damit zu begegnen, dass man den Verbrauch der vorhandenen Lebensmittel einschränkte, wäre gerade die falsche Reaktion gewesen, wie die biblische Geschichte lehrte: Elischa nämlich hatte auf 33

Vgl. die Form meminerant in v.patr. Iur. 70 (316 M.). Ebd., 96 (342 M.): Hie [seil. Lupicinus] namque aliquando, quod longaevos forsitan meminisse non ambigo, magnarti ac miram absolutionem fidedicto amico, orans in monasterio, vineto in ergastulispraestitit Romae. Die folgenden Kapitel (v.patr. Iur. 9 6 110) geben Ereignisse der frühen 460er Jahre wieder; vgl. MARTINE, Pères du Jura, 444 f. 34

60

2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

den Beistand Gottes vertraut und die Brote austeilen lassen: »So spricht der Herr: Sie werden essen, und es wird noch etwas übrig bleiben«, waren seine Worte gewesen. Und wirklich: Keiner hatte hungrig bleiben müssen, obwohl gar nicht alles verzehrt worden war. Lupicinus nun sei dem Beispiel Elischas gefolgt, hieß es in Condadisco weiter, und habe das restliche Getreide dreschen lassen, als ob der Speicher noch voll gewesen wäre; wunderbarerweise seien die Vorräte danach tatsächlich nicht zur Neige gegangen: »Dies bezeugte der Abt Eugendus, der damals im seligen Kindesalter dabei war, und alle seniores, die sich mit ihm an dieses Ereignis erinnerten und durch denselben Segen gerettet worden waren.« 3 5

Was immer der Grund für das Ausbleiben der Hungersnot gewesen sein mag - eine Geschichte aus dem Liber vitae patrum Gregors von Tours vermittelt eine Vorstellung davon, was Lupicinus noch unternommen haben könnte, um die Lebensmittelversorgung seiner Gefährten zu sichern36. Bei Gregor reist der heilige Mann nach Genf und bringt den burgundischen König Chilperich dazu, den Juramönchen in einer Urkunde seine Unterstützung zu garantieren: 300 modii Weizen und dieselbe Menge Wein will Chilperich den Brüdern in Zukunft jedes Jahr zukommen lassen, dazu 100 aurei, damit sie sich Kleider kaufen können - »was sie bis heute aus Königsgut bekommen, wie man sagt«37. Zwar lässt sich der Zeugniswert dieser Nachricht nicht bestimmen, da die Urkunde - sollte sie denn existiert haben - weder erhalten noch anderswo bezeugt ist und Gregor im Gegensatz zum Anonymus nicht vermerkt hat, woher seine Informationen stammten. Andererseits bietet sie eine weniger aufwändige Erklärung für die Rettung der Gemeinschaft vor dem Hunger als die mündliche Tradition in Condadisco selbst, die dazu das Eingreifen Gottes bemühen musste, und enthält überdies mit dem Zug eines in wirtschaftlicher Hinsicht auf die Zuschüsse eines Mäzens angewiesenen Juramönchtums ein Element, das den allgemeinen Charakteristika charismatisch begründeter Gemeinschaften

35

V.patr. Iur. 6 8 - 7 0 ( 3 1 4 - 3 1 6 M.) (Zit. 70, 316 M.; siehe oben S. 58, Anm. 31). Die in der Vita mit Manducabunt et insuper erit sinngemäß, aber nicht wörtlich zitierte Bibelstelle (Vulgata: Comedent, et supererit) ist 2 Reg 4,43. 36 Der um 5 8 5 - 5 9 0 verfasste Liber vitae patrum, eine Sammlung von 20 kurzen Asketen* und Mönchsbiografien, beginnt mit einer Vita von Romanus und Lupicinus, die in zahlreichen Punkten von der im Allgemeinen zuverlässiger wirkenden Vita patrum Iurensium abweicht; so stellt Gregor z . B . Lupicinus als den älteren der beiden Brüder vor. Gregor kannte das Werk des Anonymus offenbar nicht. Zum Verhältnis der beiden Quellen MARTINE, Pères du Jura, 71 f. 37 Vit. patr. 1,5 (666f. K., Zit. 667): Quod usque nunc a fisci ditionibus capere referuntur.

2.2 Das monasterium in Erinnerung und

Gegenwart

61

weit besser entspricht als das in der Vita gezeichnete Bild seiner ökonomischen Unabhängigkeit 38 . Die Tendenz der mündlichen Überlieferung, das Traditionsgut idealisierend zu formen, fand an den Personen der beiden älteren Juraväter verständlicherweise die meisten Anknüpfungspunkte, blieb jedoch nicht auf sie beschränkt. Wie immer und überall hatte das kollektive Gedächtnis auch im monasterium des Anonymus eine identitätsstiftende Funktion. In Condadisco bewirkte sie, dass die Frühzeit der Gemeinschaft für ihre Mitglieder zu einer Projektionsfläche wurde, auf der sie in ihren Erzählungen das Bild einer in Harmonie und Bedürfnislosigkeit lebenden, ausschließlich durch gegenseitige Zuneigung und die gemeinsame Verehrung für die >Väter< zusammengehaltenen Ersatzfamilie erstrahlen lassen konnten. So wusste der Anonymus seinen Lesern zu berichten, dass Neid und Eifersucht unter Lupicinus unbekannt gewesen seien: »Ja, alle waren eins, denn alle gehörten dem Einen.« Wie die Apostel hätten die Mönche ganz auf Privateigentum verzichtet. Allein ihre Namen hätten sie voneinander unterschieden, nicht »die Verehrung von Vermögen und Stand«, und die »Herzenseinigkeit in der Liebe und im Glauben« sei so groß gewesen, dass die Brüder, wenn ein anderer das Kloster bei Kälte habe verlassen müssen oder durchnässt aus dem Winterregen zurückgekommen sei, ihre trockenen Kleider und Schuhe dazu gebraucht hätten, ihn zu wärmen, statt an ihre eigene Bequemlichkeit zu denken39. Psychologisch interessant an diesem Bild ist die antithetische Konstellation von Wärme, die die unamitas im monasterium illustriert, und Kälte und Nässe, die das >Draußen< kenn-

38 Das Unvermögen bzw. der Unwille, sich aus eigener Kraft ökonomisch zu erhalten, ist ein zentrales Merkmal des charismatischen Autoritätsmodells. Siehe dazu WEBER, 5 Wirtschafit und Gesellschaft, 142: »Reines Charisma ist spezifisch wirtschaftsfremd. Es konstituiert, wo es auftritt, einen >Beruf< im emphatischen Sinn des Worts: als >Sendung< oder innere >Aufgaben ... Mäzenatische - großmäzenatische (Schenkung, Stiftung, Bestechung, Großtrinkgelder) - oder: bettelmäßige Versorgung auf der einen, Beute, gewaltsame oder (formal) friedliche Erpressung auf der anderen Seite sind die typischen Formen der charismatischen Bedarfsdeckung. Sie ist, von einer rationalen Wirtschaft her gesehen, eine typische Macht der >UnwirtschaftlichkeitFührerheilen Großfamilie< erlebt wird. Eine junge Frau aus Deutschland, die sich in den 1980er Jahren der >Neo-SannyasEintauchens< in einer Weise beschrieben, die der Illustration der »Herzenseinigkeit« im Kloster Condadisco überraschend ähnelt: »Ich habe wirklich das Gefühl gehabt, ich mache eine Tür auf, habe die ganze Zeit in der Kälte draußen gestanden, und jetzt komme ich rein und gehe ins Warme!« 40

Die positiven Bilder von Wärme und Eintracht in der Anfangsphase des Juramönchtums vermochten jedoch nicht vollständig die Erinnerung daran zu verdrängen, dass es auch zu jener Zeit schon Konflikte unter den Mönchen gegeben hatte41. In die Vita ging beides ein. Vielleicht fiel der Widerspruch, der dabei entstand, dem Anonymus nicht auf, vielleicht zeigt sich gerade hier aber auch sein Bestreben, die traditio seniorum »getreulich« wiederzugeben, auch wenn sie in sich nicht immer stimmig war. Vor dem Hintergrund einer zugleich auch an das Gegenteil erinnernden Überlieferung jedenfalls erscheint die angeblich in allseitiger Liebe verbundene Brüderschar der Anfangszeit als idealisiertes, mit narrativen Mitteln auf die Stärkung ihres Zusammengehörigkeitsgefühls zielendes Selbstporträt einer Gemeinschaft, deren Alltag in Wirklichkeit keineswegs von vollkommener Harmonie geprägt war42.

2.3 In der >Wüste< Wer in Condadisco lebte, brauchte nicht zu befürchten, das eingängigste Sinnbild der monastischen Lebensweise einmal unbeabsichtigt aus den Augen zu verlieren: Über den Dächern des Klosters erhoben sich die waldbedeckten Juraketten und erinnerten die Mönche bei jedem Schritt ins Freie daran, dass sie Bewohner einer >WüsteWüste
WüsteWüste< gewesen. Romanus habe für das eremitische Leben einen Platz in »nicht geringer« Entfernung vom besiedelten Land ausgesucht und sei dort außer einigen Jägern lange Zeit niemandem mehr begegnet 46 . Später jedoch hatten die Mönche das Gesicht der Landschaft verändert, hatten Lichtungen in die Wälder geschlagen und Felder darauf angelegt 47 . Auf einer benachbarten Hochfläche waren die Tochtergemeinschaften Lauconnus und Balma gegründet worden, und allmählich war die Zahl der Hilfesuchenden und anderer Gäste derart angewachsen, dass es dem Anonymus fast scheinen mochte, als hätten sich unter Eugendus mehr Besucher als Mönche in Condadisco aufgehalten 48 . An der grundsätzlichen Siedlungswidrigkeit der Gegend hatte sich jedoch nichts geändert. Größere Menschenansammlungen konnten in den Juraklöstern nur mit Mühe ernährt werden, und auch dieser Umstand erinnerte die Mönche stets von neuem daran, dass die bei-

44 V. patr. Iur. 68 (314 M.): Et nos enim, relictis urbibus, audituri in deserto sequimur Salvatorem. Die biblische Referenzstelle ist Mt 14,13-14, die Vorgeschichte zur S p e i sung der Fünfitausendc »Als Jesus all das hörte, fuhr er mit dem Boot in eine einsame Gegend [eig epnuov TÖTTOV], um allein zu sein. Aber die Leute in den Städten hörten davon und gingen ihm zu Fuß nach. Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken, die bei ihnen waren.« 45 Vgl. v. patr. Iur. 7 (246 M.): Romanus als discipulus des legendären Paulus von Theben. Siehe auch die nächste Anmerkung. 46 V. patr. Iur. 8; 12 (246-248; 252 M.): Locus ipse a decursu uniti fluminis, ut tunc sanctus ille ingressus est, non parvis spatiis ob raritatem consistentium distabat ab incolis, quia abundans procul in campestri cultura minime per successionem silvae illic permiserat quempiam vicinari. ... Cum ergo in supradicto loco multo iam tempore prisci imitator Antonii vita frueretur angelica ac praeter caelestem intuitum nullo nisi ferarum ac raro venantium frueretur adspectu ... Zum Gedanken der angelica vita: K.S. FRANK, 'AyveXiKÖ? ßiog. Begriffsanalytische und begriffsgeschichtliche Untersuchung zum »engelgleichen Leben« im frühen Mönchtum, BGAM 26, Münster 1964. 47

V. patr. Iur. 2 4 - 2 6 ( 2 6 4 - 2 6 8 M.). Ebd., 147 (396 M.): Cum ergo fama vitaque viri virtutum dilatatione succresceret, tanta miserorum acervatim coepit in monasterium turba concurrere ut saecularium, immo tribulantium multitudo paene catervis videretur numeriosor monachorum. 48

64

2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

den Gründerväter den Platz ihrer Gemeinschaft außerhalb der >Welt< gesehen hatten 49 . Die Vita der Juraväter zeichnet das desertum am Oberlauf der Bienne als ein zumindest anfangs, d.h. im zweiten Viertel des 5. Jahrhunderts, noch einsames und abgeschiedenes Waldland. Die Archäologie bestätigt dieses Bild in seinen Grundzügen und erlaubt zugleich, es in einigen Details zu präzisieren 50 . Das Kloster des Anonymus lag in der Tat abseits von überregionalen Verkehrswegen und den Zonen dichterer Besiedelung, die sich im Jura während der spätrömischen Zeit auf dessen Westausläufer und nördliche Hochebenen konzentrierten. Der Austausch zwischen den dicht besiedelten Landschaften rund um den Genfer See und den westlich und nördlich an den Jura angrenzenden Gebieten erfolgte hauptsächlich über die römischen Straßen, die Lausanne über Pontarlier mit Besançon und Genf über Nantua mit Lyon verbanden. Beide Routen umgingen den Hochjura mit seinen über 1700 Meter hohen Kalksteinketten. Die canonartig eingeschnittenen Flusstäler dieser Region öffnen sich nach Südwesten hin, wo sie in eine leichter zu kultivierende Landschaft mit milderem Klima übergehen. Hier lagen die vici von Ambérieu-en-Bugey, Poncin, Montrealla-Cluse und Izernore (Isarnodorum), Eugendus' Heimat. Im Bienne-Tal sind noch bei Molinges, zwölf Kilometer südwestlich des ältesten Juraklosters, Siedlungsspuren aus gallorömischer Zeit gefunden worden; allerdings hat sich nicht klären lassen, ob der Platz auch in der Spätantike noch bewohnt war". Die Ergebnisse einer 1990 unter dem Fußboden der Kathedrale von St-Claude durchgeführten Sondage zeigen, dass selbst in Condadisco vor den Mönchen schon einmal, im 2. Jahrhundert, Menschen in einem oder mehreren Gebäuden gelebt hatten, die auf gut römische Weise

49 Vgl. v. patr. Iur. 2 2 - 2 3 ( 2 6 2 - 2 6 4 M.), w o die Mühen der Landwirtschaft im Hochjura geschildert werden. Im Zusammenhang mit einer unausweichlich scheinenden Hungersnot steht der oben zitierte, Lupicinus in den Mund gelegte Vergleich der Juramönche mit den >Fünftausenddésert< au sens littéral du terme. Il faut comprendre celui-ci dans le sens qui lui est donné en bas latin médiéval: secteur abandonné, retourné à la friche.« Wüstgefallenes Land scheint von den gallischen Eremiten des 5. und 6. Jhs. allgemein bevorzugt aufgesucht worden zu sein; so DELAPLACE, Géographie, 427, die die Wiederbewaldung ehemals gerodeter Flächen auf eine Klimaverschlechterung zwischen dem 3. und 8. Jh. zurückfuhrt. 57

M A N G I N , B e s i e d e l u n g , 1 6 2 ; GSCHAID, G o t t h e i t e n ,

351-359.

66

2. Die charismatisch begründete

Gemeinschaft

Selbst als von Dickicht überzogenes Ruinengelände müssten sie den Bewohnen der Umgebung noch ein Begriff gewesen sein und ihre Fantasie beschäftigt haben. Die Frauen im Kloster Balma schließlich hatten vom Nordrand des Bienne-Tals eine gute Sicht hinunter in die Talweitung zwischen Molinges und Jeurre. Ob sie auf besiedeltes oder wüstgefallenes Land blickten, ist wegen des unklaren Befunds für Molinges nicht zu entscheiden; sicher ist, dass sie zu ihren Füßen keinen unberührten Urwald sahen. Irgendwo dort unten könnte im Übrigen auch ein Teil des Grundbesitzes jener »recht bedeutenden« Familie gelegen haben, aus der außer Romanus und Lupicinus auch die einzige in der Vita erwähnte mater der Gemeinschaft von Balma stammte58: Sie und ihre Brüder waren vor ihrem Abschied von der >Welt< auf einer villa zu Hause gewesen, die sich, wie der Anonymus beiläufig andeutete, in der Nachbarschaft des desertum von Condadisco befunden hatte59. Wenn die Juramönche auch abseits der großen Straßen lebten, fanden sich doch Wege, sie zu besuchen. Reisende, die in Genf nach Condadisco aufgebrochen waren, hielten sich nach Überwindung des Jurahauptkamms und des Quertals der Valserine westwärts und folgten zuletzt einem Fußsteig (semita) 60 , der wahrscheinlich durch die heutigen >Gorges du Flumen< und die Schlucht des Tacon von der Hochfläche hinabführte. Wer ein Reittier zur Verfügung hatte, konnte an einem langen Sommertag vielleicht den ganzen Weg bewältigen; Wanderer brauchten wohl mindestens zwei. Das 58

Vgl. v. patr. Iur. 4(242 M.): ... Romanus ... non adeo exiguae familiae, quantum testaturparentalis dirivata posteritas, intra Galliam Sequanorum oriundus fuisse monstratur. Dass die mater von Balma eine Schwester von Romanus und Lupicinus gewesen war, verriet der Anonymus seinen Lesern erst, als er zum zweiten Mal auf sie zu sprechen kam: v. patr. Iur. 60 (304 M.); vgl. ihre erste Erwähnung ebd., 25 (266 M.). Der genaue soziale Rang ihrer Familie bleibt unklar. H. KELLER, Mönchtum und Adel in den Vitae patrum Iurensium und in der Vita Germani abbatis Grandivallensis. Beobachtungen zum frühmittelalterlichen Kulturwandel im alemannische-burgundischen Grenzraum, in: FS Otto Herding, Stuttgart 1977, 1-23, hat die Juraväter und ihre Mönche (allerdings ohne schlagende Argumente) pauschal der senatorischen Aristokratie Zentral- und Südgalliens zuordnen wollen. MATHISEN, Chelidonius Affair, 162 Anm. 2 sieht in Romanus einen »local aristocrat« vom Schlage eines Hilarius von Arles, Germanus von Auxerre, Chelidonius von Besançon und Lupus von Troyes - obwohl diese sich als Bischöfe ein städtisches Aktionsfeld bewahrt hatten, was sie von dem auf dem Land wirkenden Romanus deutlich unterscheidet. HEINZELMANN, Gallische Prosopographie, 641, 682 hält ebenfalls eine Herkunft aus der Lokalaristokratie für möglich. Das Richtige getroffen haben dürfte WOOD, Prelude, 5, der konstatiert: »... there is some reason for regarding the founders of Condat [Condadisco], Réomé and Sainte-Seine as men of landed families, even not of the highest aristocracy. This last group concentrated its ecclesiastical ambition on the episcopate in this period.« 59 Vgl. v. patr. Iur. 5 (244 M.): ... secretis heremi delectatus, relicta quoque matre, sorore vel fratre, vicinas villae Iurensium silvas intravit. 60 Ebd., 153 (402 M.).

2.3 In der >Wüste
Welt< angestrebt sehen wollte; die Aushändigung von Exorzismusformeln und geweihtem Öl dagegen sollte sein Publikum lediglich als Ausnahme, als Abkürzung (conpendium) 8S dieses ansonsten mühsameren Weges verstehen. Wahrscheinlich gab es unter den besonders lange verweilenden Besuchern manche, die ihr Leiden bei der Abreise aus Condadisco zwar als gelindert, nicht aber als endgültig geheilt empfanden und daher von Zeit zu Zeit ins monasterium zurückkehrten 89 . Viele von ihnen dürften früher oder später den Wunsch verspürt haben, sich den Mönchen für immer anzuschließen. Weil die von Eugendus erlassene Klosterregel nicht überliefert ist, wissen wir nicht, wie die Aufnahme neuer Mönche in Condadisco gehandhabt wurde. Eine Vorstellung davon, wie die entsprechenden Vorschriften gelautet haben könnten, vermittelt eine andere südostgallische 85

V.patr.Iur. 147 (396 M.). Ebd., 148 (398 M.). 87 Ebd. ( c o o p e r a n t e f i d e ) \ ebd., 15 (256 M.) (cumpropriofide); ebd., 50 (294 M.) (Infirmos iuxta fidem pristinae restituit sanitati). 88 V.patr.Iur. 147 (396 M.). 89 Durch Sid., ep. IV 25,5 (170 LOYEN Bd. 2), abgefasst um 470, ist einer der aristokratischen Freunde des Bischofs von Clermont als mehrfacher Gast in >Juraklöstern< bezeugt: Nunc ergo lurensia si te remittunt iam monasteria, in quae libenter solitus escendere ... Adressat des Schreibens war Fl. Rusticius Helpidius Domnulus, vormals (wohl 458 unter Kaiser Maiorian) quaestor sacri palatii des Westreichs, der sich als Verfasser eines Carmen de Christi Iesu beneficiis und eines Liber historiarum testamenti veteris et novi auch literarisch betätigte. Domnulus, von Geburt möglicherweise Afrikaner, lebte in der Nähe Lyons: K.F. STROHEKER, Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, Tübingen 1948, Nr. 105; PLRE II, 1980, 374 (Domnulus 1, nach HEINZELMANN, Gallische Prosopographie, 593 identisch mit den unter PLRE II, 374f. [D. 2] und 537 [Helpidius 7] aufgeführten Personen). 86

2.3 In der >Wüste
Regel des Pachomius< bekannt wurde, war in Wahrheit kein Korpus aus der Feder des ägyptischen Klostergründers selbst, sondern eine Sammlung von Vorschriften aus dem Pachomianerkloster Metanoia bei Alexandria, deren lateinische Übersetzung (aus einer griechischen Fassung des koptischen Ausgangstexts) von Hieronymus stammte. 102 Pach., praec. 92-96 (104f. B. Bd. 2). 103 R. Orient. 18; 44 (476; 494 de Vogüé Bd. 2). De Vogüé hat (ebd., 4 3 6 ^ 5 2 ) die These aufgestellt, der Verfasser der Vita der Juraväter habe auch die Regula orientalis kompiliert; mit den in v. patr. Iur. 179 (432 M.) erwähnten instituía ... de informatione monasterii vestri, id est Acaunensis coenobii sei Letztere gemeint. Notwendige Voraussetzung dieser These ist ein bestimmtes Verständnis von v. patr. Iur. 179; de Vogüé folgt darin (439 m. Anm. 9) Masai, Vita, 59f. gegen Martine (vgl. dessen Übersetzung der Stelle). Eine Diskussion der beiden Ansätze bietet M. Puzicha, Die Regeln der Väter. Vorbenediktinische lateinische Regeltradition, MüSt 40, Münsterschwarzach 1980, 118-

74

2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

in Condadisco um diese Dinge bestellt war, ob es also auch hier vorkam, dass fratres sich vertraulich bei den Händen hielten oder sogar eine Schlafstätte miteinander teilten 104 , bleibt offen; zumindest Letzteres jedoch wäre wohl kaum mehr möglich gewesen, seit Eugendus im neuen Gemeinschaftsschlafsaal eine Öllampe hatte anbringen lassen, die während der ganzen Nacht nicht ausgehen durfte 105 . Ein gewöhnlicher Tag in Condadisco begann in der Morgendämmerung mit einem ersten gemeinsamen Gebet im oratorium. Der Weg vom Schlafsaal dorthin führte durchs Freie, und der Anonymus hob hervor, dass Eugendus selbst bei strengem Frost mit nichts anderem als seinen Holzschuhen an den Füßen zum Beten gegangen war106. Auch an dunklen Wintermorgen war der Kirchenraum bereits erleuchtet, wenn die ersten Mönche zur Tür hereinkamen, denn auch hier gab es eine Öllampe, die die Nacht hindurch brannte 107 . Andere Lichtquellen im oratorium waren (Wachs-)Kerzen (cerei) und lampadaem, womit sowohl Fackeln als auch Laternen gemeint gewesen sein können. Sie spendeten »Helligkeit und Trost«, wo die Dunkelheit Furcht einflößte 109 und teuflische Attacken erwarten ließ110, erhöhten aber zu den Versammlungszeiten - außer am Morgen wurde auch abends und in der Nacht gemeinsam gebetet - die ohnehin schon beträchtliche Brandgefahr: So war die Feuersbrunst, die das alte Condadisco eingeäschert hatte, wohl kaum zufallig »eines Tages kurz vor dem Abendgebet« ausgebrochen 1 ". Obwohl in der Kirche, der noch ein secretarium angebaut war, Bänke (formulae)112 standen, erschien es dem Anonymus nicht selbstverständlich, dass die Brüder stets vollzählig bis zum Ende der Gebetszeiten auf ihnen ausharrten; Eugendus, der »niemals« vor den anderen ging, war die vorbildliche Ausnahme 113 . Wie groß die Gemeinschaft war, die in den Jahren um 500 hier zusammenkam, wird in der 121, die Martine in der Übersetzung der strittigen Stelle folgt und vorschlägt, den Anonymus aus Condadisco als den Kompilator lediglich jenes Teils der Regula orientalis zu betrachten, der aus den Pachomiusregeln entlehnt sei. Dieser Teil sei in der Tat mit den erwähnten instituía identisch, die sodann durch Abt Marinus von Lérins in einem zweiten Schritt zum Gesamttext der Regula orientalis erweitert worden seien. 104

Vgl. Pach., praec. 95; 109 (105; 107 B. Bd. 2). V.patr. Iur. 170 (422 M.). 106 Ebd., 129 (378 M.). '°7 Ebd., 170 (422 M.). i°8 Ebd., 135 (384 M.). 109 Ygi ¿¡g Wendungen claritatis ac solatii lumina (v.patr.Iur. 136) und angustiis (ebd., 137: 386 M.). 110 Ebd., 5 3 - 5 6 ( 2 9 6 - 3 0 0 M.). 111 Ebd., 162 (412 M.): Vice ... quadam, inminente vespera ... 112 Secretarium-. ebd., 135, formulae: ebd., 130 (384; 378 M.). 113 Ebd., 129 (378 M.). 105

tenebrarum

2.3 In der >Wüste
Wüste
Wiiste
49 Ebd.; siehe auch 130 (378-380 M.). 150 Ebd., 127 (376 M.). 142

municipatum

2.3 In der > Wüste
Welt< in Gestalt von Besuchern und Kranken den in die >Wüste< Gegangenen so hartnäckig nachfolgte wie in den Juraklöstern, mussten besondere Vorkehrungen getroffen werden, um dem ersehnten Zustand der »engelgleichen« Nähe zu Gott, der in den Erzählungen über die Frühzeit unter Romanus und Lupicinus beschworen wurde, wenigstens noch so nahe wie möglich zu kommen. Wer in Condadisco leben wollte, sah sich der Erwartung ausgesetzt, seine angestammten sozialen Beziehungen mit derselben Entschlossenheit abzubrechen, die an den Gründervätern und ihrer Schwester gerühmt wurde155. Hierzu allerdings zeigten sich nicht alle Mön151

V. patr. Iur. 173 (424-426 M.): Cellam, armarium arcellamve nullus illic omnino habuit unquam; nulla cuique de necessitate exigua proprietatis operandi dabatur occasio. ... Inter haec autem omnia, omnibus proprietatis causa solum legere licuit aut orare. 152 Wie Romanus und Lupicinus zur Frage des Privatbesitzes in ihren Gemeinschaften gestanden hatten, bleibt mangels eindeutiger Aussagen ihres Biografen offen. Der zweite Satz von v. patr. Iur. 173 (Nam usque ad acum ipsam lanasque netas etiam suendi consuendique, cuncta praebebantur in medium, dummodo subtilissima fratribus deviandi eximeretur occasio) legt allerdings den Schluss nahe, dass die Mönche, wenn ihnen tatsächlich erst Eugendus die occasio deviandi in Gestalt privaten Besitzes »wegzunehmen« versucht hatte, in diesem Punkt zuvor einem weniger strengen Reglement unterworfen gewesen waren. 153 Wie die vorige Anmerkung. 154 V. patr. Iur. 173 (426 M.): Ceterum, novit fraternitas cuncta, quod dico, nunquam in coenobio declinandi delinquendique causas deesse maximas, ubi non propelluntur etiam minimae. 155 Ebd., 12; 26 (252; 266-268 M.).

82

2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

che in der Lage, zumal ihre Angehörigen es sich nicht nehmen ließen, sie im Kloster zu besuchen und ihnen Geschenke mitzubringen. Eugendus hielt es deshalb für geboten, in Anlehnung an ältere monastische Traditionen jede Begegnung der Mönche mit Besuchern, selbst mit nahen Verwandten, von seiner Erlaubnis abhängig zu machen. Keiner der fratres durfte zudem entscheiden, ob er ein Geschenk überhaupt annahm oder was er damit anfing. Er musste es vielmehr »unverzüglich« zu Eugendus oder dem Vorratsverwalter bringen, denn nur der >Vater< der Gemeinschaft die ihr Zusammengehörigkeitsempfinden ja nicht zufällig in Verwandtschaftsmetaphern zum Ausdruck brachte - sollte bestimmen dürfen, wie es verwendet wurde' 56 . Aus diesen Vorschriften zum Besucherkontakt spricht das Bestreben, die >Welt< auf Distanz zur >Wüste< zu halten und aus einer schwankenden Zahl von Einzelgängern, die oft nur vorübergehend mit anderen Asketen zusammenleben wollten, eine stabile, der Unbeständigkeit personaler Autorität entzogene Gemeinschaft zu formen, deren Mitglieder sich im Bild einer eingepferchten Schafherde wiedererkannten 157 . Hierzu allerdings musste das Moment der Verwandtschaftsbindung, das dem laicus Identität verlieh, durch die Verpflichtung auf die Geschlossenheit einer künstlichen Familie ersetzt werden, wobei die angestammten familiären Identitäten der einzelnen fratres ihrer neuen Identität als »Söhnchen«158 eines gemeinsamen spirituellen pater zu weichen hatten. Wer dieses Ziel akzeptierte, durfte nicht vergessen, dass er sich manchmal herzlos geben musste: »Als Jesus noch mit den Leuten redete, standen seine Mutter und seine Brüder vor dem Haus und wollten mit ihm sprechen. Da sagte jemand zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir sprechen. Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder.« 159

Ein gewöhnliches Mönchsleben scheint nicht ausgereicht zu haben, um denselben Grad von Entfremdung zu erreichen; andernfalls wären die zi156

V.patr. Iur. 172 (424 M. mit Anm. 3.). Vgl. die Metaphern ovicula (v.patr. Iur. 90; 91: 334; 336 M.) für die Mönche, ovile (ebd., 28: 270 M.) und caulae [gregis dominici] (ebd., 51; 155: 294; 406 M.) für das Kloster. Das Bild der Herde im Pferch evozierte intertextuelle Beziehungen zur Bibel (vgl. etwa Ps 2 3 , 1 - 4 ; Jes 40,11; Jer 23,1-4; Ez 34,1-31; Mt 18,12-14; Lk 15,3-7; Joh 10,1-18) mit doppelsinnigem Timbre: Der >Pferch< konnte ebenso die Geborgenheit in der Gemeinschaft symbolisieren wie den Anspruch des Abts auf die Herrschaft über >seine< ovicula. Vgl. oben S. 10, Anm. 20. 158 Der emotional gefärbte Diminutiv filioli als Synonym für die Schar der Mönche erscheint in v.patr. Iur. 61; 68; 80; 82; 117; 177 (306; 314; 326; 328; 360; 430 M.), die nüchternere Grundform in derselben Bedeutung dagegen nur halb so oft: ebd., 61; 116; 178 (306; 360; 432 M.). 159 Mt 12,46—49. 157

2.4 Flucht aus der >Welt
Welt< Wir haben Charisma eingangs als eine Form von Autorität kennen gelernt, die zu ihrer Entfaltung eines Krisenempfindens unter den potenziellen Anhängern des Charismatikers bedarf. Im Anschluss daran haben wir die Art der Krise, in der das spezifische Charisma eines als Wundertäter geltenden christlichen Asketen sich bewähren musste, als jenen Moment bestimmt, in dem eine normalerweise für die Bewältigung eines >Übels< zuständige Ins160 y pat r i u r 26 (268 M.): ... et cum in vicino Lauconnensi monasterio mater fortassis filium vel germana fratrem haberet, sic neuter alteri aut visu aut nuntio versori nosoebatur in corpore, ut putaret uterque alterum iam sepultum, ne paulatim, genuinae recordationis gratia, mollitie quadam professionis vincla disrumpebant. 161

Siehe oben S. 6f. das Zitat in Anm. 15. V. patr. Iur. 6 0 - 6 1 ( 3 0 4 - 3 0 6 M.). Die Umschreibung ex hoc saeculo adpraeparata oraemia migra[re] für das Sterben findet sich in anderem Kontext ebd., 165 (416 M.). 162

84

2. Die charismatisch begründete

Gemeinschaft

titution versagte163. Was diesen zweiten Punkt betrifft, entspricht die charismatische Autorität der Juraväter genau dem allgemeinen Modell; der exemplarische Fall ist die Geschichte von Eugendus' Brief und dessen heilender Wirkung auf die Dame Syagria, haberetur a medicis desperata164. Doch auch hinsichtlich des zuerst genannten Kriteriums bereitet es keine großen Schwierigkeiten, das Juramönchtum des 5. Jahrhunderts noch als eine typische, d.h. als ursprünglich aus einer Krisensituation hervorgegangene charismatische Bewegung zu erkennen. Datiert man Romanus' Auszug in die Wälder mit François Martine in die Jahre um 435, bleibt für die Entwicklung von der Einsiedlerzelle zur Asketenkolonie ein Zeitraum von etwa zehn Jahren: 444 muss bereits eine Gemeinschaft existiert haben, denn in diesem Jahr wurde Romanus in Besançon von Bischof Hilarius von Arles zum Priester geweiht und kehrte, so berichtet es der Anonymus, anschließend zu seinen Gefährten in den Jura zurück165. Dass der Zuzug von Männern und Frauen, die am asketischen Leben in der >Wüste< interessiert waren, auch danach nicht versiegte, sondern sich noch verstärkte und schließlich die Aufnahmefähigkeit der ersten Gemeinschaft überforderte, wird außer durch die entsprechenden Passagen der Vita166 auch materiell durch die Gründung und Weiterexistenz von Tochtergemeinschaften in Lauconnus und Balma belegt. Diese zahlenmäßig offenbar relativ starke Übersiedlungsbewegung in die >Wüste< der Jurawälder scheint nun eine >Weltflucht< nicht nur im übertragenen Sinn dargestellt zu haben, denn sie fallt genau in jene Zeit - die Jahre nach 443 —, in der diejenigen Burgunder, die den Untergang ihres (mittel-?)rheinischen Reiches überlebt hatten, in der Sapaudia, der Landschaft rund um den Genfer See, zwangsangesiedelt wurden. Was damals geschehen war, wussten die Mönche von Condadisco rund 70 Jahre später zwar nicht mehr in allen Einzelheiten, doch durchaus noch deutlich genug, was das Wesentliche anging. Der Anonymus jedenfalls, der es zumindest im Rahmen einer literarischen Stellungnahme zur Zeitgeschichte beklagenswert gefunden zu haben scheint, dass die Macht der römischen Kaiser im Westen auf Könige »fellgekleideter« Völker übergegangen war, und der das moralische Versagen der eigenen Führungsschicht für den Niedergang der »purpurnen Rutenbündel« verantwortlich machte167, erinnerte sich mit erkennbarer Genugtuung daran, 163

Siehe oben S. 17, S. 20-22. Vgl. die auf S. 69, Anm. 81 angeführte Stelle. 165 Vgl. v. patr. Iur. 18 (258 M.) {ad monasterium honorifice repedarepermisit); siehe auch oben S. 58, Anm. 30. 166 Vgl. v. patr.Iur. 27-28 (268-270 M.). Siehe auch oben S. 75. 167 Vgl. v.patr.Iur. 94 (338-340 M.): >Nonne cernis, degener et infelix, ius fasque confusum, ob tuis tuorumque crebra in innocentium pervasione peccatis, mutari muriceos pellito sub iudice fasces?< Angesprochen ist eine persona quaedam, honore dignitatis aulicae tumens (ebd., 92: 336 M.) von offenbar gallorömischer Herkunft am Hof des bur164

2.4 Flucht aus der > Welt
BundesgenossenTandem resipisce paulisper et vide utrum rura ac iugera tua novus hospes inexspectata iuris dispectione sibi non vindicet ac praesumat.< Zum Anlass der Ermahnung siehe v.patr. Iur. 92 (336-338 M.). - Das System (wenn von einem solchen die Rede sein kann) der spätrömischen hospitalitas ist seit den 1980er Jahren intensiv diskutiert worden (Darstellung nach dem älteren Forschungsstand bei O. BEHRENDS, Art. Einquartierungssystem, 2 RGA7, 1989, 24-33). Angestoßen wurde die Diskussion von W. GOFFART, Barbarians and Romans, A.D. 418-584. The Techniques of Accomodation, Princeton 1980, nach dessen Interpretation nicht, wie zuvor allgemein angenommen, Ländereien, sondern Steueranteile an die Barbaren verteilt worden seien, die diese selbst eingezogen hätten. Zustimmend: J. DURLIAT, La salaire de la paix sociale dans les royaumes barbares (V e -VI c siècles), in: H. W O L F R A M / A . SCHWARCZ (Hg.), Anerkennung und Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit 400-600, Österr. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl., Denkschr. 193, Wien 1988, 21-72, dem zufolge die Steueranteile allerdings weiterhin von den Kurialen der civitates eingetrieben und verteilt worden seien. Kritik an Goffarts These äußerten zunächst M. CESA, Hospitalité o altre »techniques of accomodation«? ASI 140, 1982, 539-552; H. WOLFRAM, Zur Ansiedlung reichsangehöriger Föderaten. Erklärungsversuche und Forschungsziele, MIÖG 91,1983, 5-35. Wolfram übernahm schließlich das Modell Goffarts in seiner durch Durliat modifizierten Form; vgl. H. WOLFRAM, Geschichte der Goten, München 3 1990, 225-229, 295-299; DERS., Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter, Berlin 1990, 173-177. Zur Diskussion der neuen Ansätze siehe inzwischen W. LIEBESCHUETZ, Cities, Taxes and the Accomodation of the Barbarians: The Theories of Durliat and Goffart, in: W. POHL (Hg.), Kingdoms of the Empire. The Integration of Barbarians in Late Antiquity, Leiden/New York/Köln 1997, 135-151. - Zur Ansiedlung der Burgunder in der Sapaudia siehe zunächst die einzige annähernd zeitgenössische Quelle: Chron. Gall. a. CCCCLII (MGH AA IX, 660 MOMMSEN) zum Jahr 443: Sapaudia Burgundionum reliquiis datur cum indigents dividenda. Wie die divisio anfangs vollzogen worden sein und sich später entwickelt haben könnte, erörtern GOFFART, Barbarians, bes. 127-161; R. KRIEGER, Untersuchungen und Hypothesen zur Ansiedlung der Westgoten, Burgunder und Ostgoten, Europäische Hochschulschriften III, 516, Bern u.a. 1992, 77-118, dem zufolge die Burgunder das

86

2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

darauf hingewiesen worden, dass diese Stelle aus der Vita der Juraväter in der Diskussion um das spätrömische hospitalitas-System bislang noch nicht die ihr gebührende Beachtung gefunden hat' 69 . Die Wendung inexspectata iuris dispectione gibt zu verstehen, dass die gallorömische Bevölkerung des Burgunderreichs, aus deren Sicht der Anonymus die Ereignisse schilderte, den Übergang von rura ac iugera in das Eigentum der hospites zumindest zur Abfassungszeit der Vita und zumindest grundsätzlich als Rechtsbruch empfand, welchen Anschein von Legitimität die burgundischen Könige dem Geschehen in ihren Gesetzen auch immer zu geben versuchten-und ebenfalls unbeschadet des Umstands, dass ein solcher Verlust dem Anonymus vielleicht nicht als Einzigem die gerechte Strafe für einen der Mächtigen >dieser Welt< zu sein schien. Wie auch immer man sich nun die Modalitäten der hospitalitas in dieser Region letztlich in ihren Einzelheiten vorzustellen hat - sicher ist, dass sie wenigstens für einen Teil der gallorömischen Grundbesitzerschicht Einbußen an Land und Einkünften mit sich brachte. Es ist deshalb sehr gut möglich, dass der damit besiegelte soziale Abstieg seiner Familie den einen oder anderen Betroffenen für den asketischen Lebensentwurf empfänglich machte, der irdischen Rang und Besitz zu verachten lehrte, und ihn dazu brachte, sein Heil im Beitritt zu jener künstlichen Familie170 zu suchen, die sich zu dieser Zeit unter der Obhut charismatischer >Väter< am Rand des Siedlungslandes zu formieren begann171. In diesem Zusammenhang ist es kein unbedeutendes Detail, dass die Mönche von Condadisco noch Jahrzehnte nach den 440er Jahren die Erinnerung daran bewahrten, dass die beiden allerersten Gefährten von Romanus und Lupicinus, anders als die zwei >Väter< selbst, keine Einheimischen der Juraregion gewesen, sondern aus Novidunum (Nyon) am Genfer See gekommen waren, mithin genau Land ursprünglich nur zur Nutzung z u g e w i e s e n bekommen hätten; erst auf dem W e g der Verjährung sei es später in ihr Eigentum übergegangen (Kritik an Kriegers M e t h o d e bei J. DURLIAT, Bulletin d'études protomédiévales III: La loi, Francia 2 0 / 1 , 1993, 7 9 - 9 5 , hier 8 6 - 8 8 ) ; J. FAVROD, Histoire politique du royaume burgonde ( 4 4 3 - 5 3 4 ) , Bibliothèque historique vaudoise kerwanderung,

113, Lausanne

1997,

1 8 9 - 2 0 6 , b e s . 2 0 1 - 2 0 6 ; v g l . a u c h POHL,

Völ-

158-164.

169

H. WOLFRAM, N e g l e c t e d Evidence on the A c c o m o d a t i o n o f Barbarians in Gaul, in: POHL, Kingdoms, 1 8 1 - 1 8 3 , hier 1 8 2 f . Vgl. das Zitat aus der Vita in der vorigen Anmerkung. D i e Anspielung auf einen novus hospes interpretiert Wolfram als H i n w e i s auf den Zuzug weiterer Barbaren in die Sapaudia nach 4 4 3 . 170

Siehe o b e n S. 61 f., S. 82 m. Anm. 158. A l s analoger Fall käme das Aufblühen des Inselklosters Lerinum/Lérins vor der Côte d'Azur in den ersten Jahrzehnten des 5. Jhs. in Betracht, das w e g e n der (mutmaßlichen) Herkunft eines Großteils seiner damaligen B e w o h n e r als »Flüchtlingskloster der nordgallischen Aristokratie« bezeichnet worden ist; vgl. F. PRINZ, Frühes Mönchtum im Frankenreich. Kultur und Gesellschaft in Gallien, den Rheinlanden und Bayern am Beispiel der monastischen Entwicklung (4. bis 8. Jahrhundert), Darmstadt 2 1 9 8 8 , 4 7 - 5 8 . 171

2 . 5 Krisen

charismatischer

Autorität

87

aus jener Gegend, wo die Behörden im Jahr 443 auch die ersten Burgunder angesiedelt hatten 172 .

2.5 Krisen charismatischer Autorität Aus Krisen entspringend und in Krisen gesucht, kann charismatische Autorität auch selbst in Krisen geraten. Schon in Martins monasterium bei Tours hatte es nach langen Jahren des gemeinsamen Lebens wenigstens einen Mönch gegeben, der den Heiligen wegen seiner Visionen für senil erklärte und ihm bei Auseinandersetzungen an den Kopf warf, sich durch sein einstiges Soldatenleben »befleckt« zu haben. Auch in der Stadt selbst scheint man charismatischer Führung auf Martins Art am Ende seiner Amtszeit überdrüssig gewesen zu sein, denn es war gerade jener Brictio, der Kritiker und Widersacher, den die Bürger nach Martins Tod zu ihrem neuen Bischof wählten 173 . Die in der Brictio-Episode der Martinsdialoge aufscheinende latente Bedrohtheit des Charismas durch Stimmungsumschwünge oder Entfremdungsprozesse unter den Anhängern wird in der Vita der Juraväter gleich mehrfach thematisiert; dies ist einer der Gründe, die sie zu einer für unsere Untersuchung besonders interessanten Quelle machen. So, wie der Anonymus die Konflikte unter den Mönchen im Jura schilderte, spiegeln sie prinzipielle Probleme charismatischer Bewegungen, und es lohnt den Versuch, mit Hilfe der Vita das idealtypische Bild des aus »Not oder Begeisterung geborenen« 174 Charismas - zumindest was die Begeisterung betrifft - um ein paar Schattierungen plastischer zu zeichnen. Der Anonymus nämlich war sich durchaus dessen bewusst, dass gerade aus der >Liebe< zwischen >Brüdern< und >Vätern< Schwierigkeiten entspringen konnten, die das gemeinschaftliche Leben in der >Wüste< störten. So rief etwa der Zustrom immer neuer Gefährten, die das Charisma von Romanus und Lupicinus in die Wälder zog, zwischen deren Anspruch, offen für alle zu sein, und dem Wunsch ihrer älteren »Söhnchen«, die emotionale Bindung an sie exklusiv zu erfahren, eine schon bald in Konflikte führende Spannung hervor 175 . Mit einer solchen Situation richtig umzugehen erforderte nicht mehr in erster Linie die Fähigkeit zur charismatischen Neudefinition kultureller Zeichen

172

Vgl. v.patr.Iur. 13 ( 2 5 4 M.). S u l p . S e v . , dial. III 15,4 ( 2 1 4 H.): Martinum vero et a principio, quod ipse diffiteri non posset, militiae actibus sorduisse, et nunc per inanes superstitiones et fantasmata visionum ridicula prorsus inter deliramenta senuisse\ siehe auch STANCLIFFE, St. Martin, 158, 3 5 6 f . Zum weiteren Verlauf von Brictios Karriere: VAN DAM, Saints, 16. 173

174

Siehe oben S. 17. ' 75 Vgl. v.patr.Iur. 2 7 - 3 4 ( 2 6 8 - 2 7 8 M.).

88

2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

im >Wunden, sondern schlichtes Führungsgeschick {regendi gubernandique solertia)"6. Dass dieses sich im Zusammenspiel zweier einander entgegengesetzter Aspekte personaler Autorität bewähren musste, war der Gemeinschaft von Condadisco am Beispiel ihrer beiden Gründerväter im Gedächtnis geblieben: Auf der einen Seite stand Romanus, der berühmte Wundertäter, sanft und gutmütig und schnell bereit, Fehler zu verzeihen; auf der anderen Lupicinus - in dessen Biografie, wie bereits bemerkt, das thaumaturgische Element auffallend zurücktritt 177 - , streng und heftig und unnachsichtig gegen sich selbst wie gegen andere178. In der Darstellung ihres Biografen erscheinen sie denn auch weniger als zwei Vater denn in gewisser Weise als das Elternpaar der Juramönche (mit Eugendus als adoptiertem >Sohn< und legitimem Erben), wobei Lupicinus den eher väterlichem, Romanus den >mütterlichen< Part zugewiesen bekommen hat; dieses Bild dürfte sich auch außerhalb Condadiscos verbreitet haben und mag mit dafür verantwortlich gewesen sein, dass sich im Laufe der Zeit die Erinnerung an das wahre Altersverhältnis der beiden Männer umkehrte, bis man dort, wo die Vita des Anonymus nicht zur Hand war, Lupicinus, den jüngeren, schließlich für den älteren Bruder hielt179. Die kritische Zäsur in der Geschichte aller charismatisch begründeten Gemeinschaften ist der Moment, in dem das Charisma der ursprünglichen Mittelpunktfigur(en) auf andere Personen transferiert oder überhaupt in eine unpersönliche Erscheinungsform umgewandelt werden muss. Den Juramönchen hatte das Nachfolgeproblem bis zum Tod von Eugendus' Vorgänger Minausius offenbar noch keine größeren Schwierigkeiten bereitet (zumindest keine, die dem Anonymus berichtenswert erschienen wären); spätestens mit Minausius' nahendem Ende jedoch - als der bereits zum Nachfolger designierte, aber anscheinend noch verhältnismäßig junge 180 Eugendus Abt werden sollte - brach die latente Krise offen aus. In einer eindrucksvollen Passage schildert der Anonymus eine Vision, die Eugendus kurz vor Minausius' Tod sowohl seine baldige Amtseinsetzung als auch den ihretwegen bevorstehenden Konflikt angekündigt hatte181: Im nächtlichen Schlaf erscheinen ihm die beiden verstorbenen >Väter< Romanus und 176

V.patr. Iur. 17 (258 M.). Siehe oben S. 56. 178 Wie in Anm. 176: Nam ut beatissimus Romanus piissimus circa omnes et tranquillissimus erat, ita iste [seil. Lupicinus], et in corrigendis regendisque ceteris, et iam in semet, severior existebat. Romanus, inexspectata venia, laedentibus pronus indulsit; iste, ne iterata levitate delinqueretur, vehementissime increpavit. Romanus tantum abstinentiae inponens fratribus quantum voluntas animi posse dictabat; Lupicinus vero formam sese in omnibus offerens, possibilia cuique cum Dei adiutorio refellere non sinebat. 177

179 180 18]

Siehe oben S. 60, Anm. 36. Jünger als 40 Jahre? Vgl. Martines Anmerkung zu v.patr.Iur. 138 (387 M.). Ebd., 135-137 ( 3 8 4 - 3 8 6 M.).

2.5 Krisen charismatischer

A utorität

89

Lupicinus. Sie stehen im Nebenraum des oratorium, umgeben von den alten Mönchen aus der Anfangszeit der Gemeinschaft 182 . Der Raum wird vom Licht brennender Kerzen und Fackeln erleuchtet, die die Anwesenden in den Händen halten. Eugendus wird von den »heiligen Vätern« mit Segen und Friedenskuss 183 empfangen und sieht dann Minausius hereinkommen, der über Schultern und Rücken ein weißes pallium mit purpurnen Bändern trägt. Als nächstes sieht er, wie Romanus den Gürtel des Minausius löst und ihn selbst damit gürtet. Dann nimmt Romanus Minausius das pallium ab und legt es Eugendus mit den Worten »Erkenne, dass dies nun dich auszeichnen soll, und achte auf das Weitere« um. Danach berührt er Minausius' dalmatica und verspricht Eugendus auch diese, sobald er sich »im Empfangenen bewährt« habe184. Dann jedoch schlägt plötzlich die Stimmung um. Einer der Umstehenden drückt seine Kerze gegen die Wand, die anderen machen es ihm nach, und ein Licht nach dem anderen erlischt. Eugendus fürchtet sich in der Dunkelheit und wartet ängstlich auf den Ausgang der Vision. Da hört er eine Stimme, die zu ihm sagt: »Lass dich nicht betrüben, Eugendus, durch den Trug dieser gegenwärtigen und stofflichen Lichter! Schau zur Ostseite dieser Zelle, und du wirst ein gottgesandtes Licht sehen, das dir ohne menschliches Zutun seine Hilfe bietet!« 185

Genau in diesem Augenblick beginnt es zu tagen; langsam zieht im Osten das Morgenrot herauf. Die Vision verebbt, Eugendus kommt zu sich; Licht hüllt ihn ein, und sogleich steigt er »voll Freude aus dem Bett«186. Das nächtliche Gesicht erfüllte sich rasch. Minausius starb, und Eugendus übernahm - nolens volensque, wie der Anonymus nicht anzumerken 182

Siehe oben S. 73, Anm. 100. V.patr. Iur. 135 (384 M.): Et data sibi a sanctis patribus oratione velpace\ ich folge Martines Übersetzung »Dès que les saints Pères lui ont donné la bénédiction et le baiser de paix ...«. 184 V. patr. Iur. 136 ( 3 8 4 - 3 8 6 M.): >Haec tibi ad praesens nosce intérim adsignarU; et digitis dalmaticam praedicti decessoris adstringens: >Etiam hanc tibi, inquit, probata in acceptis utilitate, noveris adsignandam.< - Das pallium war ein Mantel, die dalmatica eine ungegürtete Tunika mit weiten Ärmeln. Die Regula Magistri beschreibt ebenfalls eine Abtseinsetzung, kennt auch die Mantel-, nicht aber die Gürtelübergabe und sieht außerdem die Beteiligung des Ortsbischofs vor, der in der Vita der Juraväter bezeichnenderweise überhaupt nicht erwähnt wird. Im stadtrömischen Klerus war die dalmatica seit dem 4. Jh. das liturgische Gewand der Diakone und des papa; dass sie in Condadisco vom Abt getragen wurde, war ein Sonderbrauch: so Karl Suso Frank in seiner Anmerkung zur Stelle, in: DERS., Frühes Mönchtum im Abendland. Bd. 2: Lebensgeschichten, Zürich/München 1975, 301 f. 183

185 V.patr. Iur. 137 (386 M.): >Noli, ait, te, Eugende, fraude horum praesentium ac materialium luminum contristare; orientalem namque cellulae huius adtende prospectum, et videbis ilico tibi absque opitulatione humana lumen divinitus ministrari.< 186 Ebd.: At ille, confestim illicporrigens visum, adspicit, sensim dilucescente aurora, radium ad se diei ac lucis influere, et in semet reversus lectulo laetus excutitur.

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2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

vergaß - die Leitung der Gemeinschaft. Jene Mönche aber, die in der Vision ihre Kerzen gelöscht hatten, wollten ihn nicht anerkennen: »Vom Eifer der Missgunst entzündet, schwollen sie in der Glut des Neides auf den seligsten Mann.«

Schließlich verließen sie Condadisco und duldeten es sogar, dass Eugendus von Laien und Mönchen als ungeschickter und unwissender Neuling beschimpft wurde. Erst als sich sein Ruf als Wundertäter verbreitete, selbst unter Priestern, Bischöfen und weltlichen Machthabern, gaben diese pseudofratres den »Geifer der Missgunst« auf und kehrten »eilig« wieder zum »heiligen Diener Christi« zurück187. Die Würde des abba zeigt sich in dieser Geschichte als eine innerhalb der Gemeinschaft noch so wenig institutionell abgesicherte Position, dass sie von Eugendus erst dann (einstweilen) unangefochten behauptet werden kann, als sich die Zuschreibung thaumaturgischer Fähigkeiten an seinen Namen zu heften beginnt, sprich: als seine charismatische Autorität sich entfaltet - und zwar bemerkenswerterweise nicht zuerst bei den Mönchen, unter denen er aufgewachsen ist, sondern bei den Menschen in der >WeltVäter< verbundenen Juramönchtums: Spannungen und Streit wurden nicht als normal, sondern als potenziell lebensgefährliche >Erkrankung< der Gemeinschaft empfunden; es fehlte an erprobten und von allen Mitgliedern akzeptierten Verfahren, nach denen Differenzen artikuliert und Konflikte ausgetragen werden konnten, und so war die neue >Familie< von >VäternSöhnchen< und >BrüdernWelt< pochte, was eine ostentative Distanzierung von der kirchlichen Hierarchie einschließen musste; seine auffallend scharfe Invektive gegen gewisse junge Priestermönche und ihren angeblich ungehörig stark auf geistliche Ämter gerichteten Ehrgeiz - »diese geschniegelten und verwöhnten Bürschchen«, die »es noch nötig hätten, für ihren Stolz und ihre jugendliche Leichtfertigkeit mit Stockschlägen bestraft zu werden« - könnte in diesen Zusammenhang gehören198. Es ist daher gut möglich, dass die Vita der Juraväter die Schwäche- und Krisenphasen charismatischer Autorität deshalb so ausführlich und anschaulich schildert, weil sie selbst in einer solchen entstanden ist. Ihrem Publikum, den Mönchen von Acaunus, bot sie eine Darstellung des Problems und Erklärungen für seine Ursachen, während die eingelegte Regel des Eugendus - so jedenfalls wollte es der Anonymus verstanden wissen - den Weg aufzeigte, auf dem es zu lösen war. Wir haben oben angekündigt, den spezifisch autostigmativen Charakter der >WüstenNovimus namque, aiebat, praeter hanc quam praediximus causam, multos etiam patres, post humilitatis professae culmina, hoc officio gravius ac latentius superbisse et plus se efferre fratribus, quos in exemplo humilitatis convenerat anteire.< Vgl. auch das Zitat in der nächsten Anmerkung: Welchen Anlass sollte Viventiolus gehabt haben, sich in der dort bezeugten Weise selbst zu karikieren? - Zum Problem der Priestermönche allgemein siehe D. KÖNIG, Amt und Askese. Priesteramt und Mönchtum bei den lateinischen Kirchenvätern in vorbenediktinischer Zeit, RBSt Suppl. 12, St. Ottilien 1985, darin 2 2 8 - 2 3 1 zu den Juravätern. 198 So auch MARTINE, Pères du Jura, 70; unnötig polemisch gegen dessen Überlegung HEINZELMANN, Bischofsherrschaft, 116 m. Anm. 120. Vgl. v. patr. Iur. 21 ( 2 6 0 - 2 6 2 M.): Sed mihi ... Uli in oculis cordis occurrunt, qui in professione positi monachali, cum ad officium clericatus rabida ambitionepervenerint, confestim cothurno elationis inflati, non solum supra coaevos digniores, verum etiam supra vetulos ac seniores delibuti ac delicati iuvenculi efferuntur, et nec primis saltim simplicibusque elementis inbuti, nituntur cathedris vel sacerdotio praesidere, qui adhuc pro elatione ac levitate iuvenali virgis indigeni coerceri.

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2. Die charismatisch

begründete

Gemeinschaft

dert außerhalb der Stadt hausen zu müssen, haben wir am Beispiel des Leprakranken von Paris bereits gesehen; dasselbe Beispiel hat uns gezeigt, dass die Lage von Martins monasterium ebenso wie sein gesamter Lebensstil, seine Kleidung und Ernährung Merkmale des Ausgestoßenseins aufgriffen und charismatisch umdeuteten. Damit ist die Richtung vorgegeben, in die wir unsere Überlegungen im nächsten Kapitel weiterführen werden. Wir werden außerdem aufzuzeigen versuchen, dass zwischen dem einen Umstand (bestimmte Personen verbrachten ihr Leben freiwillig >draußen< in der >Wüstedrinnen< in der >Welt< zurückgeblieben waren, schrieben ihnen thaumaturgische, im weitesten Sinne therapeutische Fähigkeiten zu) ein Zusammenhang bestand, der darin begründet lag, wie die Zeitgenossen die Welt symbolisch ordneten und den menschlichen Platz in ihr bestimmten. Wir werden also, anders ausgedrückt, die Frage zu beantworten versuchen, warum es den Galliern des 5. und frühen 6. Jahrhunderts plausibel erschien, die wunderbare Heilergabe, die selbst Aussätzige gesund machen konnte, gerade bei einer Schar von Asketen zu suchen, die sich zum Fasten in den Wäldern verbarg und es lobenswert fand, wenn einen aus ihrer Mitte selbst der Tod seiner nächsten Angehörigen gleichgültig ließ.

Kapitel 3

Askese, Heiligkeit und Wundermacht: die Bilderwelt der Zeitgenossen 3.1 Von >drinnen< nach >draußen< »Sie sahen sich nicht mehr und hörten nichts mehr voneinander, so dass sie sich gegenseitig bereits für begraben hielten«: Mit diesen Worten hatte der anonyme Biograf der Juraväter seinem Publikum den Gedanken zu vermitteln versucht, dass der Rückzug des Asketen in die >Wüste< als eine Art Tod zu Lebzeiten zu verstehen war, der selbst die engsten Familienbande zerriss 1 . >WüstenFriedlosigkeit< zu lösen 2 - also für immer, wenn der Vergleich nicht zustande kam. Alle, selbst die eigene Ehefrau, die einem solchen uuargus Unterkunft gewährten oder auch nur zu essen gaben, machten sich strafbar 3 , und wenn er sich neuerlich etwas in pago zuschulden kommen ließ, stand es jedermann ohne Bußandrohung frei, ihn zu erschlagen 4 . Entsprechend groß war die Anziehungskraft, die einsame Wälder auf die Outlaws ausübten, bis >Waldgän-

1

Siehe oben S. 83.

2

P a c t . l e g . S a l . 5 5 § 4 ( M G H L N G I V - 1 , 2 0 6 f . ECKHARDT).

3 Ebd. Die Grundbedeutung von germ. *wargaz ist >Würger(wölfischer) Unhold< hatte oder schlicht als Terminus technicus des fränkischen Gewohnheitsrechts den geächteten Verbrecher meinte, ist in der rechtshistorischen Literatur umstritten. Zum Stand der Diskussion siehe D. STRAUCH, Art. Wargus, Vargr, Verbrechen, >WolfWüstendraußen< und ihre Vergegenwärtigungen in der kollektiven Imagination. Unter diesem Aspekt fällt zunächst die Entsprechung zwischen den Zwangsmitteln, die einen fränkischen Grabräuber friedlos machten, und jenen Sanktionen auf, mit denen (früh-)christliche Gemeinden die Normen ihres Zusammenlebens schützten. Sowohl nach fränkischen als auch nach christlichem Empfinden mussten Einzelne, die im >Drinnen< der Gruppe bestimmte Tabus verletzt hatten, durch Aufkündigung des persönlichen Umgangs mit ihnen einem Bereich außerhalb der Gruppe ausgeliefert werden, wobei in Kauf genommen wurde, dass das (körperliche) Leben des Verstoßenen >draußen< bedroht sein würde 7 . In beiden Fällen entsprachen diesem Prinzip in der Realität mehr oder minder abgemilderte und befristete Regelungen. So hatte das Christentum in den knapp fünfhundert Jahren seit der neutestamentlichen Aufforderung zum Abbruch des 5 Vgl. Edict.Chilp. (263 E.): ... homo qui ... per silvas vadit ...; vgl. auch aisl. sköggangsmaör >WaldgängerWaldmann< für einen Mann in >strenger Achtdrinnen< nach >draußen
Inzestsein< Charisma in der Bereitschaft derer, die er zum Publikum seines Auftretens, seiner Äußerungen und seines therapeutischen Handelns machte, ihn als legitimen Träger der >SpezialistenSpielregeln< hielt, die einen Träger dieser Rolle nach verbreitetem Wissen als solchen kenntlich und zugleich kontrollierbar machten. Was Gregors Part in der Affare betrifft, führt uns die Differenz zwischen den Informationen, die ihm über >wahre< Heiligkeit zur Verfügung standen, und dem Wissen, an dem sich die Einwohner von Tours beim Erscheinen des selbst ernannten Wundertäters spontan orientierten, zuletzt wieder zu jenem Umstand zurück, der schon bei der Bischofsweihe des Asketen Martinus den Tumult um sein »ungepflegtes« Äußeres ausgelöst hatte: >Typologien von Spezialisten< sind konfliktträch33 Vgl. v.patr. Iur. 50 (294 M.): ... infirmos iuxta fidem pristinae restituit sanitati. Se quoque coenobio celeritate omni reddidit iuxta morem, ne saeculi male blandientis inlecebris, humana delinitus confabulatione, auditu forsitan pollueretur aut visu. Siehe auch oben S. 5.

132

4. Heiligkeit

als gesellschaftliche

Rolle

tige Felder kollektiver Wissensbestände, weil die Kontrolle über sie Macht bedeutet. Genau wie im Verhalten seines Amtsbruders in Trier, an dessen Argwohn Vulfiaics Stylitenexistenz gescheitert war, kam in Gregors negativem Urteil über die charismatische Interaktion hinter seinem Rücken auch ein Herrschaftsanspruch zum Ausdruck: keiner anderen Instanz nämlich als der kirchlich wie gesellschaftlich führenden Gruppe der Bischöfe die Kontrolle über das Wissen zu überlassen, aus dem die Macht der Heiligen letztlich entsprang.

4.4 Das Charisma des lebenden Heiligen der Spätantike: historischer Ort und soziale Funktionalisierung (Fazit) Es bleibt zum Schluss, die Rolle des asketisch lebenden Heiligen der Spätantike und seine vielfältigen sozialen Funktionen als Heilender in den Kontext der historischen Entwicklung des Christentums einzuordnen. Aus der jüdischen Erneuerungsbewegung des Jesus von Nazareth hervorgegangen, wurzelt das Christentum in der klassischen Ursprungssituation aller charismatischen Aufbrüche: einem ins Unerträgliche angewachsenen Krisenempfinden und der Überzeugung, der Augenblick sei gekommen für den großen, alles von Grund auf und für immer zum Guten verändernden Wandel 34 . Auf ihn ließ der Mann aus Galiläa hoffen, wenn er in den Dörfern und Kleinstädten seiner Heimat, einer Welt voll von politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Spannungen, seine Botschaft verkündete: »Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist (euch) nahe.«35 Seinen Gegnern fiel es nicht schwer, ihn zu verleumden; »Fresser und Säufer, Freund der Zöllner und Sünder« nannten sie ihn36, dessen Charisma nicht zum geringsten Teil darauf beruhte, dass er sich ostentativ mit den Randständigen und Stigmatisierten seiner Gesellschaft umgab37. Die Hoffnung seiner Anhänger, der Anbruch der Gottesherrschaft stehe bereits unmittelbar bevor, hätte mit seinem gewaltsamen Tod zerstört sein können. Anstatt sich aber in diesem Moment unwiderruflich zu zerstreuen - wie es der Webersche Idealtypus einer charismatischen Beziehung würde erwarten lassen fand 34

Vgl. EBERTZ, Charisma; DERS., Bedingungen. Mk 1,15; Lk 10,9. Siehe dazu G. THEISSEN/A. MERZ, Der historische Jesus, Göttingen 2 1997, 2 2 1 - 2 5 3 , ferner 156-172 zum geografisch-sozialen Rahmen des Lebens Jesu. Siehe jetzt weiterhin G. THEISSEN, Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004, bes. 131-241 zu den Krisensymptomen der zeitgenössischen jüdischen Gesellschaft als Nährboden der Jesusbewegung. 3 « M t l 1,19; Lk 7,34. 37 Zu den zahlreichen autostigmativen Aspekten des Auftretens Jesu siehe EBERTZ, Charisma; DERS., Macht; MÖDRITZER, Urchristentum, 9 5 - 1 6 7 , 2 6 5 - 2 7 3 ; EBERTZ, Institutionalisierung, 135f., 139f. Siehe ferner THEISSEN/MERZ, 2 Jesus, 175-218. 35

4.4 Das Charisma des lebenden Heiligen der Spätantike

(Fazit)

133

die Jesusbewegung nach der Hinrichtung ihres Charismatikers zu einer neuen Gemeinschaft wieder zusammen, die dem traumatischen Ereignis einen positiven Sinn zu geben vermochte. Den Tod am Kreuz verstand sie von jetzt an als Opfer, das die endgültige Überwindung allen Sterbens verhieß38. Dies war die Geburtsstunde des christlichen Glaubens; eine messianische Spielart des Judentums zunächst, sollte er sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte allmählich von seiner Mutterreligion lösen39 - und das Charisma des Galiläers in ein »Dauerbesitztum des Alltags« einer immer weiter anwachsenden Zahl von Menschen verwandeln: Mit der Konsolidierung der frühchristlichen Gemeinden inner- wie außerhalb Palästinas bis zur ersten Jahrhundertwende und ihrer Weiterentwicklung in der Folgezeit durchlief die konstituierende charismatische Energie der Jesusbewegung eine Reihe von Umformungs-, Umverteilungs- und Institutionalisierungsphasen, bis sie in das entpersonalisierte >Amtscharisma< des Priestertums der frühen Kirche mündete, die sich mit dem vorläufigen Weiterbestehen >dieser Welt< abfand und wieder bereit war, die Herausforderungen des Lebens in ihr anzunehmen 40 . Wer den Kompromiss mit der >Welt< ablehnte, fand in der Askese eine Sonderlebensform, auf die er sich zurückziehen konnte. Bereits in den urchristlichen Gemeinden bildeten sich erste, nur locker organisierte Asketengruppen, die den anti-alltäglichen und autostigmativen Lebensstil der einstigen Jesusbewegung in direkter Nachahmung weiterzuführen suchten41. Mit der Verankerung des Askesegedankens in seinem kollektiven Wissen und der Ausdifferenzierung dieses Gedankens in eine anarchisch blühende Vielfalt asketischer Lebensentwürfe im Spannungsverhältnis zu >Welt< und >Kirche< gleichermaßen 42 bewältigte das entstehende Christentum eine doppelte Herausforderung: Parallel zur Veralltäglichung und Umformung seines personalen Ursprungscharismas institutionalisierte es damit auch das Handlungsmuster der Selbststigmatisierung 43 , aus dem sich ein solches personales Charisma immer wieder neu gewinnen ließ. Dieser

38

THEISSEN/MERZ, 2 Jesus, 409f.; siehe ferner EBERTZ, Institutionalisierung, 140.

39

THEISSEN/MERZ,

2

Jesus, 4 9 5 .

40

Vgl. WEBER, 5 Wirtschaft und Gesellschaft, 675; EBERTZ, Institutionalisierung, 138, 140f., 146-148; GEBHARDT, Charisma als Lebensform, 110-113 (beide mit weiterer Literatur). Siehe außerdem E. W. STEGEMANN/W. STEGEMANN, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart/Berlin/Köln 2 1997, 189-192; THEISSEN, Jesusbewegung, 118-129. 41

42

V g l . GEBHARDT, C h a r i s m a a l s L e b e n s f o r m ,

110-113.

Ebd., 113-122; siehe ferner FRANK, 'AweXiKÖg ßioq; R. LORENZ, Die Anfänge des abendländischen Mönchtums im 4. Jahrhundert, ZKG 77, 1966, 1-61, außerdem die auf S. 2, Anm. 5 aufgeführten einschlägigen Titel. 43 Vgl. dazu EBERTZ, Institutionalisierung, 139-146 am Beispiel der Sexualaskese (dazu Mt 19,12; siehe auch BROWN, Body).

134

4. Heiligkeit

als gesellschaftliche

Rolle

gelungenen Institutionalisierung autostigmativen Verhaltens in Gestalt der Askese war es zu verdanken, dass die Träger des kirchlichen Amtscharismas - spätestens seit dem Aufstieg des Christentums zur Religion des spätrömischen Staates - in nicht mehr abreißender Kette durch Einzelgänger, Reformbewegungen und Sekten mit immer aufs Neue »ungepflegtem Haar« und in immer neuen »schmutzigen Kleidern« an das Vermächtnis desjenigen erinnert wurden, der über den Täufer Johannes gesagt hatte: »Was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige.« 44

Sulpicius Severus war bekanntlich der Ansicht, dass die Bischöfe, die sich über Martins Erscheinungsbild bei seiner Weihe aufgeregt hatten, eigentlich besser hätten wissen sollen, was mit diesen Worten gemeint war. Allein vom Teufel war nicht zu erwarten, dass er die Dialektik von Stigma und Charisma begriff. Wie sonst hätte er darauf verfallen können, Martin mit der Behauptung, er sei der auf die Erde zurückgekehrte Christus, zur Anbetung verführen zu wollen, zu diesem Zweck jedoch ausgerechnet im Ornat des Kaisers zu erscheinen? Vom heiligen Mann rasch als Trugbild durchschaut, war vom Purpurglanz der Erscheinung nur übler Gestank geblieben 45 - was uns zum Schluss wieder daran erinnert, dass sich die zentrale Denkfigur des Christentums, die kontrafaktisch antizipierende Wertumkehrung, nicht mit der evolutionären Aufwertung der >Letzten< begnügt, sondern revolutionär gleichzeitig die >Ersten< abwertet. Das »ungepflegte« Äußere eines Asketen war die Konkretisierung dieser Denkfigur, weshalb Martins Gegner durchaus richtig gesehen hatten, dass sie sein Auftreten bei der Bischofsweihe nicht als Geschmacksverirrung eines Sonderlings auf die leichte Schulter nehmen durften: Am Beispiel des Exsoldaten aus Pannonien, den es auf die cathedra einer gallischen Stadt verschlug, haben wir verfolgt, wie in der Spätantike die inzwischen zur monastischen Tradition geronnenen Formen asketischer Selbststigmatisierung das erneut personale Charisma der lebenden Heiligen begründeten; die Geschichte der Juraväter und ihrer Gemeinschaften wiederum hat gezeigt, wie dieses Charisma sodann in einem auch hier unausbleiblichen Veralltäglichungs- und Institutionalisierungsprozess im Kleinen wieder denselben Weg zurücklegte, auf dem im Großen schon die Kirche als Ganzes entstanden war. Mit der Rolle des lebenden Heiligen, so lässt sich nunmehr zusammenfassen, hatte das Christentum eine Institution hervorgebracht, in der es sich 44

Mt 11,8 par. Vgl. Sulp.Sev., v.Mart. 2 4 , 4 - 8 ( 3 0 6 - 3 0 8 F.) mit den Worten Martins: ... non se, inquit, Iesus Dominus purpuratum nec diademate renidentem venturum esse praedixit; ego Christum, nisi in eo habitu formaque qua passus est, nisi crucis stigmata praeferentem, venisse non er edam. 45

4.4 Das Charisma

des lebenden Heiligen der Spätantike

(Fazit)

135

in kulturell eingegrenzter und sozialtherapeutisch funktionalisierter Form etwas von der Dynamik des charismatischen Aufbruchs bewahrte, mit dem seine Geschichte begonnen hatte. Der Kirche als Ganzes diente das personale Charisma der Heiligen gerade in exemplarischen Konstellationen wie derjenigen um Martin von Tours, in denen es mit den persönlich oder strukturell bedingten Herrschaftsansprüchen kirchlicher Funktionsträger in Konflikt geriet, als Korrektiv unvermeidlicher >Verweltlichungs-RevitalisierungHeiligen< machten und ihm die charismatische Macht verliehen, die >Übel< des menschlichen Daseins zu heilen - da und dort und für den Augenblick zumindest, während der große, alles endgültig zum Guten verändernde Wandel, den die Jesusbewegung erwartet hatte, noch immer auf sich hoffen ließ.

46

Vgl. dazu auch GEBHARDT, Charisma als Lebensform, 124-126 mit Fokus auf dem westlichen Mönchtum (im Rückgriff auf W. BERGMANN, Das frühe Mönchtum als soziale Bewegung, KZSS 37, 1985, 3 0 - 5 9 , hier 51-53).

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7

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Register 1. S t e l l e n Bibelstellen Altes Testament Lev 13-14 Lev 18,19 Lev 18,23

30 31 31

Num 12

31

Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn

97 97 97 97 97 97

13,6 17,7 19,19 22,21-22 22,24 24,7

1 Reg 18 1 Reg 19,8-18 1 Reg 19,19-21 2 Reg 2 Reg 2Reg 2Reg 2Reg 2 Reg

1,7-8 1,15-17 4,18-37 4,43 5, 20-27 15,5

129 129 129 129 129 129 60 31 31

Jes 40,11 Jes 52,13-53,31

82 32

Jer 23,1-4

82

Ez 34,1-31

82

Ps 23,1-4 Ps 51,5

82 119

Dan 9,27 Dan 11,31 Dan 12,11

119 119 119 Neues Testament

Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt

6,25-34 8,23-27 10,5-15 11,8 11,19 12,30 12,46-49 14,13-14 18,12-14 18,15-17 19,12 24,15 24,24 24,36 25,33

61 111 61 134 132 90 82 63 82 97 133 119 4, 117 118 119

Mk 1,15 Mk 13,14 Mk 13,32

132 119 118

Lk Lk Lk Lk Lk Lk

26 132 29 132 82 32

6,24-25 7,34 7,36-50 10,9 15,3-7 16,19-31

Joh 10,1-18

82

152

Register

Act 4,32

61

Rom 12,3-8

15

1 Kor 1 Kor 1 Kor 1 Kor 1 Kor 1 Kor 1 Kor

97 97 97 15 15 126 15

5,5 5,11 5,13 7,7 12,4-11 13,3 28-30

Gal 2,19-21 Gal 6,14

6 7

Kol 3,3 Kol 3,5

7 7

l J o h 2,18

119

Apk 1,3 Apk 12-20

17 119

Antike Autoren und anonym überlieferte Quellen 12 13

Athanasius von Alexandria v. Anton. 7,13 47,2 49-50 64,1 72 73-80 91,9

130 22 5 112 129 129 119

Augustinus civ.Dei 15,20

119

Avitus von Vienne ep. 19

91

Caesarius von Arles serm. 44,7

31

Chronica Gallica a. CCCCLII zu 4 4 3 (660

MOMMSEN)

Constantius von Lyon v.Germ. 1 2 3-4 4 6 7 8 9 10

85, 107

107 108 108 114 109 112, 125 111, 112 112 109

14-16 16 21 22 24 25 26 27 28 30 32 35 38 39 40 45 136 136-138 148 166 170 180-182 196

2, 3 21, 112 108 5 125 112 108 111 112 111 108 111 112 108 108 112 108 111 112 112 112 112 112 112 112

Epiphanius von Salamis haer. 55,16

31

Eugippius von Lucullanum v. Sev. 4,1-5 29,2-4

21 36

153

Register Gregor von Nazianz or. 14,10-17 or. 14,12 Gregor von Sykeon v.Thdr. Syc. 3 27-30 84 136 166 Gregor von Tours hist. I, praef. VIII 15 1X5 1X6 X 31 vit. patr. 1,3 1,5 Heraklit frag. B 88

33 31

3 3 3 3 3

Lukian von Samosata philops. 30-31

109

Pachomius von Tabennisi inst. 5

76

praec. 7

73

92-96

73

95

74

109

74

Pactus legis Salicae 118,119 10, 127 118 117,119, 120, 125 118

65 10,60

32

55 § 1

97

55 § 4

95

115 (Edictus Chilperici)

95, 96

Palladius von Hellenopolis h. Laus. 31

5,22

37

129

Patricius conf. 16

112

109

Prosper von Aquitanien c h r o n . ( 4 7 2 MOMMSEN)

in Ezech. 6,18,5-9

4

Plinius der Jüngere ep. VII 2 7 , 5 - 1 1

Hieronymus ep. 108,13,4

21

34

35, 107

31 Querolus sive Aulularia

Isidor von Pelusion ep.

30

99

Regula Macharii

2 , 8 1 (MIGNE)

31

4 , 1 1 7 (MIGNE)

31

23-25

71

1 2 5 1 (EVIEUX)

31

28,2

71

Isidor von Sevilla etym. 4,8,11/12 Johannes Cassianus inst.coen. 1,4

Regula orientalis 31

6 f.

Johannes Chrysostomus Stag. 3,13

31

Johannes Stobaeus ecl. I l,29 b

32

13

76

18

73

24

76

25

76

44

73

Sidonius Apollinaris ep. I 1

106

II 10

106

154

Register

III 2 IV 4,1 IV 25,5 VII 9,19 VII 18 VIII 16 IX 16

106 96 70 85 106 106 106

[picius Severus dial. I2 I 17,4-6 122,6-23,1 II 2 , 1 - 2 II 4,2 II 4,6 II 5 II 5,4 II 6 - 7 II 7,4 II 13,1 II 13,3 II 14,1-4 III 1,6-7 III 5,1-2 III 5,5 III 5,6-7 III 6 III 7 III 7,4 III 8,7 III 10,4 III 10,6 III 14,1 III 14,7 III 15,4

119 46 40 47 42 33, 115 119 46 41 41 43 44 40 46 46 46 46 119 21 46 46 47 46 46 47 87

ep. 1,2-7 1,10 1,14 2,6-15 2,12 2,14 2,16 3,14 3,17

44 33 44 44 2 44 44 33 42

v. Mart. 1,6

42

2,7 3,5-5,1 6,5 7,1 9,3 10,3-9 10,4-8 10,5 11 13,5-7 14,3-7 14,4 15,1-2.3 15,4 17,5 18,1-2 18,3—4 19,3 21,1-2 21,5 22,1-2 24,4-8 25,1 25,1-3 25,2-3 25,4 25,5 26,3 27,1 27,4 Synode von Epao (517) can. 8 Theodoret von Kyrrhos h.rel. 8,13 8,14 9,3-4 9,5 9,7 9,9 9,14 19,1-3 26 26,22

42 41 33 33 13 33 41 41 120 43 43 119 43 43 112 120 14 39 120 120 120 134 39 125 39 40 35 42 42 43

78

21 21 121 21, 126 125 121, 122 f. 21 6 3 4

Vita Genovefae virginis Parisiensis 5 12-13

155

Register

22 35—40

36 21

Vita patrum Iurensium

1-2 3 4 5 6 7 7-8 8 9 10 11 12 13 14 16 17 18 18-19 19 21 22-23 24 24-26 26 27-28 27-34 28 28-29 29-33 32 35-40 38-39 39 40 41 44 45 45-48

55 54 55, 57, 66, 73, 100 62, 66, 77, 100 99 63, 68, 101 99 63 99 100 101 62, 63, 81, 99 62, 68, 87, 101, 120 70, 105 71 88 84 105 58 93 64 75, 101 63 66, 75, 81, 83 84 87, 112 67, 82 62 57 71 56, 62, 89 80 71 72 58 104 104 51

47 49-50 50 51 52 52-58 53-56 59 60 60-61 61 62 63 64 66 66-67 68 68-70 69 70 71-72 72-77 75 76 78 79 79-81 80 82-86 85-86 87-88 87-91 88-89 88-91 89 90 91 92 92-94 92-99 94 96 96-110 102 111 111-113 113 116 117

104 5 70, 131 71, 82 68 78 74 55 54, 66 83 82 57, 58 58, 103 80, 110 79, 80 79 62, 63, 67, 82 60, 76 57 58, 59 79 80 67, 120 77 54 77 71 82 57 68 62 112 71 71 71 67, 82 82 84, 85 105 56 84, 85 59 59 102 73 61 80 82 82

156

Register

120 121-124 121-125 124 125 126

54, 77 57 72 54, 58 72 76 80, 119 75 68, 74, 77 74, 80 78, 79 72 72 92 54 72 74, 89 57, 88 74, 89 74, 89 73 71, 88 56, 71, 90, 105 69 69 21, 69 69 63, 70 68 f., 69, 70

ni

128 129 130 131 132 132-133 132-134 133 134-136 135 135-137 136 137 136-140 138 138-140 139 141 141-144 145-146 147 148

149 153 153-154 153-156 155 157 158-160 159-160 160 161-164 162 163 165 169 170 171 172 173 174 176 176-177 177 178 179

76 66 57 75 82 54, 56 57 67 67 67 74 77, 83 80 67, 67, 82 81 54, 54 57 57, 54, 55,

Zosimus hist. VI 5,3

98

161

2. Moderne Autoren Angenendt, A. Anrieh, G. 2 Arthur, A. 26

1,2

Bach, M. 18 Bauer, D.R. 1,37 Baumeister, Th. 2 Baumert, N. 15 Becker, H. S. 23 Behrends, O. 85 Berger, P.L. 115 Bergmann, W. 135 Berschin, W. 37 Betz, O. 31,32

Beyerle, F. 95 Binder, G. 33 Binns, J. 9 Bord, R.J. 18 Borius, R. 106,108 Bowersock, G. W. 2 Boyer, L.B. 19 Brandt, F. 30 Brennan, M. 52 Brennecke, H.Ch. 1 Breuer, St. 16 Broise, P. 64, 65 Brown, P. 2 , 8 , 9 , 1 3 0 , 1 3 3

67

92

74, 79 79

80

82 67, 82 73

157

Register Brunert, M.-E. 9, 30, 37, 45, 47, 103, 106 Brüsten, M. 23 Burkert, W. 29 Butterweck, Ch. 2 Cameron, A. 8 Caner, D. 9 Cavalli, L. 16 Cesa, M. 85 Chadwick, N.K. 1 0 6 , 1 0 7 , 1 0 8 Clarke, H.B. 52 Contreni, J.J. 118 Coon, L.L. 3 6 f. Cormeau, Ch. 37 Couch, C.J. 18 Cox, P. 9 Crocker, J. 24 Curtius, E.R. 57 Dekmejian, R. H. 18 Delaplace, Ch. 9, 65 Demeulenaere, R. 118 Déroche, V. 22 Dihle, A. 130 Dinzelbacher, P. 1 Doignon, J. 52 Doskocil, W. 97 Douglas, M. 103 Dovidio, J.F. 24 Dubois, J. 107 Duchesne, L. 52 Duhem, G. 73 Durliat, J. 85, 86 Ebertz, M.N. 15, 16, 17, 18, 19, 20, 23, 132, 133 Elias, N. 23 Elm, K. 48 Elm, S. 2 Endruweit, G. 23 Escolan, Ph. 9 Favrod, J. 86 Festinger, L. 19 Fontaine, J. 8 , 4 0 , 4 1 Frank, G. 9 Frank, K.S.

63,89,130,133

Gabriel, K.

19

Gaiffier, B. de 106 Gassmann, P. 107 Geary, P.J. 37 Gebauer, G. 123 Gebhardt, W. 16, 17, 18, 19, 20, 23, 132,133 Gessel, W. 106 Gilomen-Schenkel, E. 52 Girard, R. 29 Gläser, P.P. 3 0 , 3 1 Goetze, D. 17 Goffart, W. 85,118 Goffman, E. 23, 24 Gottlieb, G. 2 Grathoff, R. 15 f. Grom, B. 18,62 Grubitzsch, G. 24, 128 Gschaid, M. 64, 65 Gumbrecht, H.-U. 37 Hahn, J. 129 Hanke, E. 16 Harnack, A.v. 14f., 47f. Harvey, S.A. 9 Hasenfratz, H.-P. 1 , 7 , 9 6 Hayward, P.A. 8 Heatherton, T. F. 24 Heinzelmann, M. 1 , 8 , 4 1 , 6 6 , 6 9 , 7 0 , 77, 85, 91, 92, 93, 99, 106f„ 107, 118 Held, K. 32 Hellerich, G. 24 Herbers, K. 1 , 3 , 3 7 Herbst, L. 18 Hohmeier, J. 23 Holl, K. 15,29 Hoogterp, P.-W. 52, 54 Howard-Johnston, J. 8 Huber, Ch. 29 Hülsewiesche, R. 32 Inglebert, H.

8

Jacobs, J. 17 Jenal, G. 9 Jenks, G.C. 119 Jong, M. de 9, 72 Jung, C. G. 32 Jussen, B. 129

158 Kannengiesser, Ch. 41 Kany, R. 16,42 Kazhdan, A. 9 Kech, H. 37 Keller, H. 66 Kerber, W. 1 Kerscher, G. 36 Klosinski, G. 62 Klötzer, R. 26 Knapp, F. P. 37 Kollmann, B. 1 König, D. 93 Kötting, B. 2 Krieger, R. 85 Krön, M. 10 Krueger, D. 22 Krüggeier, M. 19 Krusch, B. 36, 51 f., 52 Kudlien, F. 31 Küenzlen, G. 17 Küppers, J. 99 Lacroix, P. 64 Landau, R. 15 Landes, R.A. 18 Leger, D. 16 f. Lemieux, R. 18 Leonardi, C. 9 Lepsius, M.R. 18,19 Lerat, L. 65 Levison, W. 106,107,108 Leyser, C. 10 Liebeschuetz, W. 85 Lietaert Peerbolte, L. J. 119 Lifshitz, F. 37 Lipp, W. 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 32, 104 Lohmeyer, E. 119 Lorenz, R. 133 Lotter, F. 36, 45, 46, 57, 62 Lucius, E. 2 Luckmann, Th. 115 Lundgren, M. 95 Maguire, H. 9 Major, B. 24 Manchester, K. 30, 32 Mangin, M. 64, 65 Martin, J. 2, 9

Register Martine, F. 5 1 , 5 2 , 5 3 , 5 4 , 5 5 , 5 6 , 5 7 , 59, 60, 68f., 72, 73f., 77, 88, 89, 91, 92, 93 Masai, F. 52, 55, 73, 77 Mathisen, R.W. 10, 58, 66 McCready, W. D. 9 Meisels-Navon, L. 30 Merz, A. 132,133 Meyer-Lübke, W. 55 Miele, M. 106 Miller, C.T. 24 Mitchell, K. 10,118 Mödritzer, H. 2 3 , 2 7 , 1 3 2 Mordefroid, J.-L. 64, 65 Moyse, G. 5 2 , 7 7 , 9 1 Mratschek, S. 3 9 , 4 0 , 4 1 Muensterberger, W. 19 Mühling-Schlapkohl, M. 15 Mühlmann, W.-E. 17 Murray, A. 8, 9 Nahmer, D.v.d. 41 Nie, G. de 1 Niesner, M. 37 Nippel, W. 15,18 Noble, Th.F.X. 118 Palmer, S.J. 17 Perinbanayagam, R. S. Pesch, O.H. 2 Peters, A. 2 Philippart, G. 3 Ploog, D. 30 Pohl, W. 85, 86 Poschmann, B. 119 Post, J.M. 18 Poulin, J.-C. 8 Poupardin, R. 52 Prinz, F. 86 Puzicha, M. 73 f. Quinn, D.M. Quint, B. 2

18

24

Rapp, C. 8, 9 Rebenich, St. 48 Reck-Malleczewen, F. P. Rexilius, G. 24, 128 Rhijn, C. van 9 Riecken, H.W. 19

26

159

Register Rivière, J. 2 Roberts, Ch. 30, 32 Rosenberger, V. 2 Roth, G. 16,19 Rousseau, Ph. 2, 8, 129 Rousselle, A. 8, 9, 39 Rydén, L. 22

Theuws, F. 9 Thompson, E. A. 106 Thürlemann, F. 118 Treu, K. 33 Trommsdorf, G. 23 Trout, D.E. 39 Tyrell, H. 34

Sachsse, T. 128 Schachter, St. 19 Scharf, R. 107 Scheer, K.-D. 128 Schild, W. 95 Schluchter, W. 16, 19 Schütz, J.H. 15 Schwarcz, A. 85 Schwarte, K.H. 3 8 , 4 2 Scotson, J.L. 23 Sennett, R. 18 Senneville-Grave, Gh. de 118 Seyfarth, C. 15 Shils, E. 16 Skeb, M. 39 Soeffner, H.-G. 18 Sohm, R. 14,15 Spencer, M.E. 16 Speyer, W. 1,96 Sprondel, W.M. 15 f. Stancliffe, C. 3 0 , 3 7 , 3 8 , 3 9 , 4 0 , 4 1 , 45, 47, 87 Stegemann, E. W. 133 Stegemann, W. 133 Steidle, B. 10, 129 f. Straeten, J. van der 52 Strauch, D. 95 Stroheker, K. F. 7 0 , 1 0 8 Strohschneider, P. 29

Valantasis, R. R. 9 Van Dam, R. 9, 49, 50, 87, 98, 106, 107 Van Uytfanghe, M. 1, 3, 8, 118 Vogel, C. 119 Vogüe, A. de 73 Vollmann, B.K. 3 7 , 1 1 8 Volkan, V.D. 18 f. Wachinger, B. 29 Wallis, R. 18 Walter, E.H. 118 Wasiliewski, P.L. 18 Weber, M. 14, 15, 16, 17, 19, 20, 24, 2 5 , 2 9 , 40, 4 9 , 6 1 , 9 0 , 132 Weilandt, G. 36 Weiler, I. 24 Whatmough, J. 55 Willner, A.R. 18 Willner, D. 18 Wimbush, V.L. 9 Wittern, S. 9 Wolf, J.H. 30 Wolfram, H. 85, 86 Wood, I. 9 , 1 0 , 5 2 , 6 6 , 7 7 Worsley, P. 18 Wulf, Ch. 123 Wyszomirski, M. J. 18 Ziegler, H.-J. 29 Zimmermann, M. 35 Zingerle, A. 16, 17, 18, 19, 20, 23

Tenbrock, F. H. 15,23 Theissen, G. 132, 133 Theobald, R. 16,18

3. Personen und Sachen Antichrist 4 0 , 1 1 9 , 1 2 5 Antonius (Wüsteneremit, heiliger Mann) - Flucht vor Besuchern 5 14 - Kleidung 1196, 13029

- Vorbild Elija 130 Arbeit, körperliche 76, 78 Askese, Asket, asketisch 1-7, 9 f., 22, 2 7 f „ 29, 33, 41, 50, 53, 56, 79f„ 84,

160

Register

86, 93, 96, 98, 102, 104, 113f., 125 f., 128 f., 133-135 Aussatz, aussätzig, Aussätziger 30f., 33, 37, 41, 48, 94, 97f., 104, 110. Siehe auch lepra/Xenpa, Lepra

Familie, künstliche 86 Francesco (privilegierter junger Mann aus Assisi) 27 >Friedlosigkeit< 95 f. Siehe auch Outlaw; uuargus/vargus; >Waldgänger
Gottesmann< siehe homo Dei Gregor von Tours 9f. 1 8 , 60, 65, 116— 121, 126f., 128, 131 f.

Charisma, Charismatiker, charismatisch 7f., 9f., 1 4 f . \ 17, 19, 20-22, 2 4 « , 2 6 " , 28, 38, 40, 4 2 - 4 4 , 48, 49f., 54, 59, 60f„ 62, 83f„ 87-90, 93, 96, 103-105, 113-115, 120 f., 124 f., 128, 131-135 Chilperich (burgundischer König in Genf, Mäzen der Juramönche?) 60f., 65 cilicium 3 3 50, 1 196 coenobium 53, 55, 81, 100. Siehe auch Kloster; Mönch(e), Mönchtum Dämon(en), -austreibung 3, 14, 69, 108, 112f., 116, 121 f., 123f. Siehe auch Exorzismus(formeln), Exorzist desertum 53, 63, 64, 66, 96, 100, 102, 110. Siehe auch >Wüste< Desiderius (selbst ernannter Wundertäter in Tours, gekleidet wie ein Büßer) 116-121, 124 f., 126, 128, 131 f. Elija 129 f. Elischa (Heliseus) 59f., 1 1272, 129f. Enantiodromie 32 Endzeit 4 , 1 1 8 Eugendus (heiliger Mann, >JuravaterLetzte< und >Erste< 10, 25f., 134 Lupicinus (heiliger Mann, Bruder des Romanus, >JuravaterMann Gottes< siehe homo Dei Maria von Ägypten (>harlot-saintAussteigerVerweigerer< 27 - Außenseiter unter Galliens Bischöfen 49 - biografische Skizze 13 f. - Gewalttätigkeit 14,43 - Institutionalisierung seines Charismas 49 f. - küsst und segnet einen Aussätzigen 14, 29f., 33, 34, 97 - Schutzpatron der Frankenkönige 49 - schwindendes Charisma im Alter? 42 93 , 87 - sein Grab als Wallfahrtsziel 49f., 127 - Selbststigmatisierung 29, 33, 103, 1196, 124, 134 f. - Wahrnehmung durch Gegner, durch Verehrer 13, 20, 30 46 , 33, 38, 42f„ 45, 48f., 87, 12010, 125, 131, 134 Martyrium, Märtyrer 1 f., 26, 115 martyrium sine cruore 50 Medizin 31,68 7 8 monasterium 13, 53, 56, 61, 67, 70, 72, 75, 76, 83, 87, 90, 94. Siehe auch Kloster; Mönch(e), Mönchtum Mönch(e), Mönchtum 52-54, 56, 58f., 61, 63f., 68, 70f., 74, 76f., 81f., 83, 86, 90, 102 f. Morbus Hansen siehe lepral\inpa, Lepra >Neo-SannyasRevitalisierungJuravater