Archäologischer Anzeiger: Heft 2/1964 [Reprint 2020 ed.] 9783112319987


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INHALT
ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1964 . HEFT 2
ZU DEN AUSGRABUNGEN IN TELL AIN DARA
SPUREN EINES 'SÄULEN KULTES' AUF DER AKROPOLIS VON ATHEN
ZU DER NEKROPOLE DES 10.—8. JAHRHUNDERTS IM KERAMEIKOS
GRIECHISCHE ARCHITEKTUR ZUR ZEIT HOMERS
SAMOS 1963
KABIRENHEILIGTUM BEI THEBEN VORLÄUFIGER BERICHT ÜBER DIE GRABUNGSKAMPAGNEN 1959 UND 1962
EIN NAXISCHER GOLDANHÄNGER IN BERLIN
EINE KLASSIZISTISCHE GEMME NACH ETRUSKISCHEM VORBILD
KISSEN ODER SCHLAUCH?
FRAGMENTE EINER GRABSTELE IM MUSÉE RODIN
EINE PERSISCHE PINSELZEICHNUNG NACH DER TAZZA FARNESE
UN SARCOFAGO BACCHICO AL MUSEO BARDINI DI FIRENZE
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Archäologischer Anzeiger: Heft 2/1964 [Reprint 2020 ed.]
 9783112319987

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INHALT Spalte

B 1 a n c k , H., Eine persische Pinselzeichnung nach der Tazza Farnese. Mit 2 Abbildungen

307

B r u n s , G., Kabirenheiligtum bei Theben. Vorläufiger Bericht über die Grabungskampagnen 1959 und 1962. Mit 31 Abbildungen

231

D r e r u p , H., Griechische Architektur zur Zeit Homers. Mit 14 Abbildungen

.

F i n k , J., Fragmente einer Grabstele im Musée Rodin. Mit x Abbildung

.300

Homann -Vedeking,

.

.

E., Samos 1963. Mit 12 Abbildungen

180

220

K a r y d i , H., Ein naxischer Goldanhänger in Berlin. Mit 12 Abbildungen

.

.

266

K ü b 1 e r , K., Zu der Nekropole des 10.-8. Jahrhunderts im Kerameikos .

.

.

145

M e r c k l i n , E. von, Eine klassizistische Gemme nach etruskischem Vorbild. Mit j Abbildungen

285

M ö b i u s , H., Kissen oder Schlauch? Zur Problematik des Bostoner Thrones. Mit 4 Abbildungen

294

N o c e n t i n i , S., Un sarcofago bacchico al Museo Bardini di Firenze. Mit 2 Abbildungen Orthmann,

313

W., Zu den Ausgrabungen in Tell Ain Dara. Mit 4 Abbildungen

V a 1 m i n , N., Spuren eines ,Säulenkultes' auf der Akropolis von Athen

.

.

.

137 143

ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1964 . HEFT 2

ZU D E N AUSGRABUNGEN IN T E L L AIN DARA Die Ergebnisse der Ausgrabungen, die von der Direktion der Altertümer und Museen in Nordsyrien unter der Leitung von Feisal Seirafi in Tell Ain Dara durchgeführt werden, sind weitgehend unbekannt geblieben; erschienen ist bisher nur ein Vorbericht über die erste Kampagne im arabischen Teil der Annales Archéologiques de la Syrie 10, i960, 87 ff. Die Bedeutung der Funde läßt es gerechtfertigt erscheinen, auf die Grabung auch hier einzugehen 1 . Der Tell Ain Dara liegt 9 km südwestlich der Stadt Afrin im Tal des gleichnamigen Flusses. Er ist bereits bei Braidwood 2 auf der Karte eingetragen und dort auch kurz beschrieben 3 . Der Hügel (s. Plan im oben zitierten Bericht) zeigt deutlich die Unterteilung in einen nicht sehr großen Burghügel und eine ausgedehnte Unterstadt ; im Norden der Unterstadt wurde in den Planquadraten R—W/82—87 eine Toranlage ausgegraben, die zeigt, daß auch die Unterstadt befestigt gewesen ist. Der Anlaß zu den Ausgrabungen war die zufällige Entdeckung eines Torlöwen durch Hirten im Jahre 1954. Die Arbeiten der ersten Kampagne 1957 beschränkten sich daher fast völlig auf die Umgebung der Fundstelle des Löwen im Südwestteil des Burghügels 4 . Dabei wurden zunächst hauptsächlich die jüngeren Schichten (Schicht 1—4) freigelegt, die in die hellenistische bis

1 Für die freundliche Erlaubnis, hier über die Grabungen zu berichten, für manche Auskünfte sowie für die Überlassung der Abbildungsvorlagen bin ich Herrn Feisal Seirafi zu großem Dank verpflichtet. 2 R. J . Braidwood, Mounds in the Piain of Antioch, OIP. X L V I I I , Karte Y Nr. 62. 3 Ebenda 26 f. 4 Eine zweite Kampagne fand im Herbst 1961 statt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse soll demnächst erfolgen.

5

AA. 1964

byzantinische Periode gehören. In der Bedeutung treten die Funde aus diesen Schichten aber völlig zurück hinter den Funden aus der in der Grabung noch wenig erfaßten Schicht 5, die von den Ausgräbern in die 'aramäische' Periode des 9. und 8. Jhs. datiert wird. In diese Schicht gehörten anscheinend nicht nur der Torlöwe, sondern auch Reste einer großen, aus Basaltblöcken mit Reliefverzierung errichteten Mauer im Nordwesten des Burghügels, die teilweise schon immer sichtbar gewesen war und nunmehr völlig freigelegt worden ist. Der Torlöwe wurde in den Planquadraten K/44—45 gefunden. Er lag auf der Seite. Seine ursprüngliche Aufstellung ist noch nicht geklärt; die Ausführung zeigt deutlich, daß er als Portallöwe an der einen Seite eines Durchganges aufgestellt gewesen ist. Bei der Untersuchung der Umgebung der Fundstelle wurden keine Reste eines entsprechenden Torbaus gefunden 5 . Bis auf eine kleine Beschädigung am linken Ohr ist der Löwe vollständig erhalten (Abb. 1. 2). Er gehört zu den größten bisher gefundenen Torlöwen (2,50 m lang, 2,70 m hoch, 0,30 m breit). F. Seirafi weist mit Recht auf die hervorragende Qualität der Arbeit hin. Er unterscheidet sich deutlich von den bisher bekannten Torlöwen, seine Einordnung und Datierung kann daher nur durch den Vergleich der Einzelheiten der Darstellung gewonnen werden. Es ist dabei von vornherein deutlich, daß der Löwe von Teil Ain Dara noch in die ältere Gruppe der Torlöwen gehört 6 . Die Zottelmähne, die Ausbildung der Backenmuskulatur, der Haaransatz auf der Stirn erinnern sehr an die hethitischen Löwen der Großreichszeit, besonders an die des 5 Auch ein zweiter Torlöwe wurde in der ersten Kampagne vergeblich gesucht. Erst bei der Grabung 1961 kamen Reste weiterer Löwen zutage. ' Als Grundlage für die Einordnung der Löwenbilder können die Ausführungen von E. Akurgal, Späthethitische Bildkunst 39 ff. dienen.

W.

139

ORTHMANN

140

Abb. 1. Torlöwe von der Seite

Abb. 2. Torlöwe von vorn

Löwentores von Bogazköy. Im Gegensatz zu diesen zeigt der Löwe von Teil Ain Dara jedoch eine ausgeprägte Neigung zu ornamentaler Darstellung. Manche Einzelheiten (Form der Augenbrauen und Augen, Tat-

zen) verbinden ihn mit den späthethitischen Löwen der älteren Gruppe (Malatya, älteste Löwen von Karkemis). Eine solche Ähnlichkeit erstreckt sich aber nur auf die noch stark in hethitischer Tradition hergestellten Löwenbilder; Stil und Darstellungsweise im nahen Zincirli des 9. Jhs. sind völlig anders. Man könnte vermuten, daß manche Einzelheiten (Schwanzhaltung, Krallenform, Augenform) im nordsyrischen Bereich schon im 2. Jt. vorkommen, wie die stilistisch allerdings weit entfernten Löwenbilder von Afana zeigen. Eine endgültige Datierung des Löwen wird man besser nicht versuchen, solange der genaue Fundzusammenhang noch ungeklärt ist. Es hat aber den Anschein, als stände er dem Ende des hethitischen Großreichs noch recht nahe. Falls die Datierung der Ausgräber (9. oder 8. Jh.) sich als richtig erweist, müßte sich die hethitische Tradition an diesem Orte besonders lange und kräftig erhalten haben. Auch die Basaltreliefs im Nordwestteil des Burghügels zeigen die gleiche Darstellungsweise (Abb. 3). Die Blöcke, auf denen die Reliefs angebracht sind, bilden eine Orthostatenreihe an der Außenseite einer Terrasse, über deren Aussehen noch nichts ge-

141

ZU D E N A U S G R A B U N G E N IN T E L L AIN D A R A

142

Abb. 3. Orthostatenreihe mit Reliefs

Abb. 4. Beginn der Orthostatenreihe, mit Basissteinen und Fundamentierung

sagt werden kann 7 . Es sind acht etwa gleichgroße Blöcke (1,25—1,60 m lang, 1,30 m hoch), die auf einer sehr sorgfältig bearbeiteten Fundamentstufe stehen (Abb. 4). Zwischen dem dritten und vierten Stein von rechts befindet sich eine 3 m breite Lücke, die vielleicht später zugesetzt ist; anscheinend fehlen dort zwei Orthostaten. Auf 7 Der auf der Terrasse weiter hinten gelegene eigentliche Eingang wurde erst 1961 freigelegt.

5*

jedem Block ist ein Löwe in kräftigem Relief dargestellt, abwechselnd nach rechts und nach links gewendet. Die Reliefs sind durch Brand stark beschädigt, eigentlich sind nur noch die Füße der Tiere und bei manchen der Körperumriß erkennbar. Man darf vermuten, daß die Reliefs und der Torlöwe in die gleiche Periode gehören; auch bei den Reliefs überrascht die gute Qualität der Arbeit.

143

N. V A L M I N ,

'SÄULENKULT' AUF DER

Kleinfunde aus der entsprechenden Schicht fehlen bisher. Auch inschriftliches Material ist nicht zutage gekommen; hinsichtlich des alten Namens der Stadt ist man daher auf Vermutungen angewiesen. Vieles spricht dafür, daß die Siedlung bis in die Zeit des hethitischen Großreichs zurückgeht und schon damals von erheblicher Bedeutung gewesen ist. Es ist zu hoffen, daß weitere Ausgrabungen an diesem wichtigen Platz noch viele wesentliche Aufschlüsse geben werden. Istanbul

Winfried Orthmann

SPUREN EINES 'SÄULEN K U L T E S ' A U F D E R A K R O P O L I S VON A T H E N Von neuem hat C. Nylander 1 die schon häufig erörterte Frage 2 behandelt, wie die beiden Säulenbasen aus Poros im Alten Athenatempel auf der Akropolis zu datieren seien. In einer sorgfältigen und gründlichen Untersuchung kommt Nylander zu dem Ergebnis, daß die Basen, die ja auf jeden Fall älter als der Alte Athenatempel sind, entgegen früher geäußerten Meinungen einer späteren als der mykenischen Zeit angehören müssen. Durch den Vergleich mit einer Anzahl ähnlicher Basen macht Nylander glaubhaft, daß sie der geometrischarchaischen Epoche angehören. Damit stellt sich die Frage nach der Funktion der Basen bzw. der Holzsäulen, die darauf errichtet waren, neu. Nylander möchte sie, deren Lage und axiale Stellung zueinander wohl ursprünglich sind, als Reste eines älteren Tempels, Vorläufers des Alten Athenatempels, ansehen. Freilich müssen Existenz und Lage eines solchen Tempels hypothetisch bleiben3. Die Tatsache, daß die Zuordnung der beiden Säulenbasen zu einem Tempelbau unsicher bleiben muß, veranlaßt mich, eine andere Deutung ins Auge zu fassen: Kann es sich nicht um Säulen gehandelt haben, die Nylander, Opuscula Atheniensia I V 31. Vgl. K. Friis Johansen, Athenas Templer paa Akropolis. 3 Schuchhardt, A A . 1963, 821 (Anm. d. Red.).

AKROPOLIS

144

unter freiem Himmel standen ? Sie könnten — einzelnstehend oder durch einen Architrav verbunden — Kultsäulen gewesen sein, sei es als Gegenstände der Verehrung an sich, sei es in Verbindung mit einer Götterstatue. Auch bei Nylander klingt dieser Gedanke an, wird jedoch nicht weiter verfolgt 4 . Doch würde m. E. eine solche Deutung die axiale Stellung der Säulen zueinander und ihr architektonisch unklares Verhältnis zu den Mauern des Alten Tempels hinreichend erklären. Freistehende Säulen dieser Art sind aus verschiedenen Epochen bekannt. In dem Bezirk um das Erechtheion wären sie gut denkbar. Der Platz war von jeher heilig, als Begräbnisstätte der Könige, als Kampfplatz der alten Götter und — für unseren Zusammenhang bedeutungsvoll — als die Stätte des Tempels oder Hieron der Göttin Athena. Von den beiden Erscheinungsformen Athenas, der sitzenden Polias und der stehenden kampfbereiten Promachos, muß die erstgenannte die ältere gewesen sein. Sie ist bereits in dem homerischen Gedicht genannt. Wenn man annimmt, daß die Polias schon in sehr früher Zeit einen Tempel innehatte, so ist es ebenso denkbar, daß der Promachos ein bescheidenerer Bau zugehörte, ein Hieron oder ein Temenos oder sonst ein Monument — etwa ein Säulenpaar unter freiem Himmel. Es sei darauf hingewiesen, daß auch in klassischer Zeit das überlebensgroße Standbild der Athena Promachos im Freien stand. Die Verbindung des Standbildes der kampfbereiten Athena mit freistehenden Säulen läßt sich durch einige Beispiele antiker bildlicher Darstellungen recht überzeugend belegen. Bekanntlich wurden die Sieger in den panathenäischen Spielen vor der Statue der Athena Promachos bekränzt. Diese Szene ist auf einer Anzahl panathenäischer Preisamphoren dargestellt. Auf einigen davon erscheint auch das Motiv der Säulen. Ich möchte die sogenannte BurgonAmphora in London5 und eine Amphora in Kopenhagen 6 nennen. Das Motiv ist auf

1

2

4 5 6

Nylander a. O. 53. 5 4 ! B 1 3 0 . C V A . Brit.Mus. (1) I I I He Taf. 1, 3 a.b. C V A . Copenhague, Nat. Mus. (3) Taf. 104, 1.

K

145

• KÜBLER,

Z U D E R N E K R O P O L E D E S IO.—8. JHS. IM K E R A M E I K O S

beiden Stücken das gleiche: Athena Promachos steht zwischen zwei schlanken Säulen, die von Hähnen bekrönt sind. Im Hinblick auf diese Hähne sei darauf hingewiesen, daß Athena verschiedene Vögel als Attribut hatte oder deren Gestalt annahm, bevor die Eule ihr heiliger Vogel wurde 7 . Der T y p der Athena Promachos ist in der ersten Hälfte des 6. Jhs. in Athen eingeführt worden 8 . Es spricht jedoch nichts dagegen, daß es freistehende Kultsäulen schon vor dieser Zeit auf der Akropolis gegeben hat, denn Säulen- und Pfeilerkult ist eine uralte, bereits in minoisch-mykenischer Zeit nachweisbare Erscheinung 9 . Ebensoweit zurück reichen die Wurzeln von K u l t und Gestalt der Athena, die sich von der minoischen Haus- und Palastgöttin herleiten lassen 10 . Die Verbindung von Säulen mit dem Standbild einer Vorläuferin der Promachos in geometrisch-archaischer Zeit, der Zeit der beiden Porosbasen also, ist durchaus denkbar. Die hier versuchte Deutung der Porosbasen als Reste von Kultsäulen könnte man noch weiterführen und mit diesem 'Säulenkult' den 'Baumkult' in Verbindung bringen, der sich im Ölbaum des Erechtheion manifestiert. Auch wenn auf diese Frage nicht weiter eingegangen wird, scheint der Befund dafür zu sprechen, daß sich auf der Akropolis von Athen mykenische Kultbräuche erhalten haben. Växjö

DES

Natan

Valmin

ZU D E R N E K R O P O L E 10.—8. J A H R H U N D E R T S IM K E R A M E I K O S

Die jüngste Interpretation 1 der Kerameikos, Ergebnisse der Ausgrabungen Band V 1 veröffentlichten Grabungsbefunde aus dem 7

M. P. Nilsson, Geschichte d. griech. Religion I

3 2 5f-

H. G. Niemeyer, Promachos 24. M. P. Nielsson, The Min.-Myc. Religion 236 ff. 10 Nilsson, Gesch. d. griech. Religion I 324 ff. 405 ff. 1 Hachmann, G G A . 215, 1963, 47ff. (im folgenden zitiert: H. mit Seitenzahl). 8

146

10.—8. Jh. enthält im wesentlichen Thesen und Folgerungen, die im Gegensatz zu dem Anspruch, den sie erheben, einer Überprüfung nicht standhalten. Eine Berichtigung ist notwendig und soll als Stellungnahme des Ausgräbers wie ihrer allgemeinen Bedeutung wegen hier im Zusammenhang vorgelegt werden. Zunächst einige mehr oder weniger das äußere Bild der Nekropole betreffende Hinweise. Ein vorläufiger Gesamtplan der Gräberfelder am Eridanos (H. 48) findet sich in Das Neue Bild der Antike I 37 f. Abb. 42. Auch das Überschwemmungsgebiet des Eridanos mit Ausbuchtungen nach Norden und Süden (Ker. V 1, 5) ist dort eingetragen. Ker. V 1 Beil. 1 (H 48 Anm. 4) gibt allein den weit ausbiegenden Nordrand der Niederung wieder, die Richtung des Bachlaufes ist durch die Pfeillinie in der Bachmitte bezeichnet. Die unrichtige Unterschrift »Nordsüdschnitt«, nicht »Nordwestschnitt« (H. 48 Anm. 4), unter Ker. V 1 Beil. 3 , 4 ist durch »Ostwestschnitt« zu ersetzen. Unter den Gräbern ist G r a b 3 mit Kleingefäßen und der einzigen in der Nekropole gefundenen Muschel als Kindergrab erwiesen durch das bei seiner Deutung als Kenotaph (H. 51) unberücksichtigt gebliebene Kindergrab mit Resten eines Kinderskelettes, frühgeometrischen Kleingefäßen einer auch in Grab 3 wiederkehrenden Entwicklungsstufe und mit einer Muschel auf der Athener Agora (Burr, Hesperia 2, 1933, 552; Ker. V 1, 24). Da nur die Nordhälfte des Kerameikosgrabes erhalten ist (Ker. V 1, 212), sind entweder mit seiner Südhälfte Skelettreste verloren gegangen, oder die in die Erwägung, ob Kindergrab oder Kenotaph, nicht mit einbezogene Brandschüttung in der erhaltenen Nordhälfte enthielt die vermißten »Spuren von Leichenbrand«. Anders als bei Skeletten von Erwachsenen (Ker. V 1 , 26. 27. 28. 208) bleiben von einem Kinderskelett bei der Verbrennung keine erkennbaren Reste übrig. Eben diese Tatsache macht jedoch die Erklärung des Grabes 3 als Brandgrab (Ker. V 1, 6) unwahrschein-

9

2 Vgl. Müller-Karpe, vor S. 115.

Jdl.

77,

1962 Abb. 34

147

KARL

lieh3. Näher liegt also der Schluß auf eine Erdbestattung, die sich von dem Grab auf der Agora, in Annäherung an die frühgeometrischen Brandgräber, durch eine Schüttung von Brandopferresten unterscheidet und die damit den Kreis der frühgeometrischen Kindergräber (Ker. V 1, 6 Anm. 28. 13) um einen neuen Typus bereichert. Nicht übersehen werden durfte weiter der Ker. V 1, 48 nachdrücklich ausgesprochene Hinweis auf die trotz der Verschiedenheit ihrer Entwicklungsstufen sichere Gleichzeitigkeit der keramischen Funde aus Grab 3. Nur die Anfänge der drei Stufen, auf die sich die Fundgruppe verteilt (Ker. V 1, 47L 70. 212), liegen auseinander. Hier ist zu betonen, daß bei einer auch ungeachtet der umstrittenen Fundschicht von Abu Hawam (H. Ö4)4 sich empfehlenden H e r a b setzung des B e g i n n s der f r ü h g e o metrischen S t u f e in das 1. Viertel des 9. Jhs. 5 die Schwierigkeit, den beiden frühesten der drei Entwicklungsstufen eine bis in die jüngste Stufe hineinreichende Dauer zuzumessen, sich behebt und entgegen den von einer unzutreffenden Voraussetzung ausgehenden Schlußfolgerungen (H. 51. 63) die Zuverlässigkeit der Zeitbestimmung der Fundgruppe aus Grab 3 nach 3 Vgl. hierzu O. W. v. Vacano, D i e Etrusker 108 Anm. 2 5 1 . 4 Z u m Ansatz der Fundschicht v o n Abu H a w a m (V. R . d'A. Desborough, Protogeometric P o t t e r y 182; B r a n n , A J A . 6 o , i 9 5 6 , 7 1 ; H.Müller-Karpe,Vom A n f a n g R o m s 17 Anm. 12; derselbe, Zur Chronologie der Urnenfelderzeit 5 1 A n m . 6; derselbe, J d l . 77, 1962, 67) in das 10. Jh. vgl. v a n Beck, B A S O R . 138, 1955, 3 4 f f . ; Albright, Stud. pres. t o H. Goldman 163 Anm. 68; H a n f m a n n , ebenda 174 f. D a g e g e n erneut d'A. Desborough, J H S . 77, 1957, 2 i 6 f f . ; J.M. Davison, Attic geometric Workshops (YaleCISt. 16, 1961) I26f. 6 Vgl. dazu Foltiny, A J A . 65, 1961, 283 ff. 295 f. Uber das 1. Viertel des 9. Jhs. l ä ß t sich die Frühstufe des Geometrischen jedoch nicht herabsetzen. D e m Abstand zwischen den Krateren Ker. V 1 Taf. 17 Inv. 935 und Taf. 22 Inv. 1254 sowie zwischen den Krateren a. O. Taf. 20. 21 Inv. 290 und Taf. 23 Inv. 1 2 5 5 wird J. M. D a v i s o n a. O. 1 1 3 in keiner Weise gerecht. Z u m Beginn der frühprotogeometrischen Stufe u m die Mitte des 11. Jhs. vgl. Ker. V 1 , 70 Anm. 103; V R. d'A. Desborough, The last Mycenaeans and their successors 28. 197 Anm. 2. 241. 258.

K Ü B L E R

148

stilistischen Kriterien noch deutlicher hervortritt. Anders als die im allgemeinen wenigstens unbestritten zu den jüngeren und jüngsten Stücken einer Grabfundgruppe gehörenden ' G r a b g e f ä ß e ' mit Darstellungen der Prothesis oder Ekphora oder anderen Bildern des Totenkultes (H. 51 f.) können die auf den Gräbern aufgestellten Kratere oder Amphoren und die Aschenamphoren ohne solche auf den Totenkult bezüglichen Bilder als nicht nachweisbar für das Grab hergestellt über ihre Mitfunde zeitlich unbegrenzt zurückreichen8. Das gilt für die bildlosen Amphoren aus Grab 1 1 und 12 (H. 52) und würde auch für den bildlosen Krater aus Grab 2 in Anspruch genommen werden müssen, verträte er nicht, wie Ker. V 1, 2 1 1 zu entnehmen ist, zusammen mit der Aschenamphora die jüngste, nicht die älteste Entwicklungsstufe seiner Fundgruppe. Hinzu kommt, daß die Ker. V 1 gegebenen Ansätze der — verglichen mit der Stufenfolge der attischen Keramik des 1. bis einschließlich 3. Viertels des 8. Jhs. — in sich weniger reich differenzierten ältergeometrischen Entwicklungsstufen bei einer Verschiebung der Anfänge der frühgeometrischen Stufe in das 1. Viertel des 9. Jhs. dichter aufeinander und in ihrer Endphase selbst in das 1. Viertel des 8. Jhs. herunter rücken. Dies führt für die Amphoren aus Grab 1 1 und 12 sowie für die bildlosen, also nicht im engeren Sinn als 'Grabgefäße' zu bezeichnenden Amphoren aus den Gräbern 30, 41 und 69 (H. 52. — Die viel spätere Amphora aus Grab 58 ist keine Aschenamphora, daher hier auszunehmen) zu einer zeitlichen Annäherung an ihre jüngeren Mitfunde. Auch der Krater mit der Darstellung von Totenpferden aus Grab 22 wird davon betroffen. Er rückt zusammen mit der gleichzeitigen bildlosen Aschenamphora des Grabes in das 1. Viertel des 8. Jhs. und damit nahe an die Stufe seiner übrigen Mitfunde heran, ein Ansatz, der auch der von Friis Johansen7 vorgeschlagenen Zeitbestimmung des Kraters entgegen kommt. 6 7

Vgl. dazu Marwitz, J d l . 74, 1959, 99 f. ActaArch. 28, 1957, I I 4 -

149

Z U

D E R

N E K R O P O L E D E S io.—8. J A H R H U N D E R T S

Grundsätzlich hat man sich vor Augen zu halten, daß alle Ker. V 1 gegebenen Zeitansätze sich auf die aus dem Stilvergleich der Keramik gewonnene A b f o l g e der k e r a m i s c h e n E n t w i c k l u n g s s t u f e n beziehen, die relative zeitliche Fixierung dieser Stufen durch die Vielzahl der Überschneidungen der Gräber des 9. und 8. Jhs. (Ker. V i, 156L) jedoch bei der Eingrenzung des ganzen Ablaufes zwischen das 1. Viertel des 9. Jhs. (s. o. Sp. 147) als oberer und die protokorinthisch-frühorientalisierende Stufe der Jahrzehnte 740/35—715/10 (Ker. VI 1, 120) als unterer Zeitgrenze an eine absolute Zeitbestimmung nahe herankommt8. Das

8 Unabtrennbar in diese Abfolge der Entwicklungsstufen eingebunden ist der auf der inneren Polarität des attisch-geometrischen Stiles beruhende Wechsel von der 'Ansichtigkeit' der ältesten geometrischen Figurendarstellung des frühen 8. Jhs. zu der 'Vorstelligkeit' der jüngergeometrischen Figurenzeichnung des 3. Jahrhundertviertels in Uberschneidung mit dem erneuten Übergang zur 'geschlossenen Ansichtigkeit' der Figur an der Schwelle zur attisch-frühorientalisierendenStufe (Ker. V 1 , 1 3 5 ! 178; HimmelmannWildschütz, MarbWPr. i960, 28f.). Der von Marwitz, Jdl. 74, 1959, 65 ff. aufgestellten Becherreihe mit dem Becher Ker. V 1, I35f. 178 Taf. 1 1 1 . 141 Inv. 2159, neben Krater Ker. V 1 Taf. 20. 21 Inv. 290 das älteste Zeugnis attisch-geometrischer Figurenmalerei, am Ende der Reihe widerspricht schon das 'frühgeometrische' schwarze Henkelfeld, das allein der Becher Inv. 2159 noch besitzt, ganz wie der wenig ältere Kantharos Ker. V 1 Taf. 85. 152 Inv. 258, dessen Zusammenhang mit Inv. 2159 Marwitz a. O. 66 zerreißt. Der Ker. V i angenommene Zeitabstand von rund einem Jahrhundertviertel zwischen den beiden Entwicklungsstufen wird durch die Herabsetzung der E n t wicklungsstufen des ausgehenden 9. Jhs. nicht um so viel verringert, daß er zur Erklärung des Unterschiedes zwischen Kantharos Inv. 258 und Becher Inv. 2159 nicht ausreichte. Außerdem ist die Zeichnung des Bechers mit dem spätgeometrischen Figurenstil unvereinbar. Ein Beispiel für die Weiterführung der freien Figurenzeichnung des frühen 8. Jhs. ist das Prothesisbild auf der Kraterscherbe der 40er Jahre Athen Nat. Mus. 812, F. Matz, Geschichte der griech. Kunst I 64 Taf. 15 (Himmelmann-Wildschütz a. O.; Brommer, Jb. RGZM. Mainz i960, 303t. Taf. 51, i f . ; I. Scheibler, Die symmetrische Bildform in der frühgriech. Flächenkunst 45f.). Die geringe Höhe und die Komposition des Bildfrieses weisen noch in die Nähe der Prothesisamphora Athen Nat. Mus. 804 der späten 60er Jahre (Ker. V 1, 162 Anm. 130), das Verhältnis von Ober- und Unterkörper der Figuren dagegen schon

IM

KERAMEIKOS

150

einzelne Gefäß kann dabei seiner Entstehungszeit nach als Nachzügler einer früheren Entwicklungsstufe in eine jüngere hineinragen, Qualitätsunterschiede (H. 63) sind hierfür aber nicht entscheidend, da geringere Qualität nicht zwingend mit späterer Entstehung gleichbedeutend ist. Der Spielraum, der sich aus der möglichen Abweichung zwischen Entwicklungsstufe und Entstehungszeit des Einzelgliedes einer Fundgruppe für deren Zeitbestimmung ergibt, kann sich jedoch im Zeitansatz einer Grabanlage nicht auswirken, da das jüngste Glied einer Fundgruppe für ihn nur den terminus post quem darstellt, der zeitlichen Verschiebung der Grabanlagen nach unten aber eben die Überschneidungen der Gräber und die untere Zeitgrenze der Gesamtabfolge der Entwicklungsstufen eine Schranke setzen. Daß neben solchen hypothetischen Nachzüglern ältere Entwicklungsstufen zugleich »objektiv« in jüngeren Fundgruppen auftreten, zeigt als bestes Beispiel die protogeometrische Tasse in Grab 12 (Ker. V 1, 112. 184 Anm. 182. 217)9. Gleichen Begrenzungen wie die Zeitbestimmung der Gräber nach den Entwicklungsstufen der Keramik ist auch die G r ä b e r c h r o n o l o g i e n a c h »Grab-, B e i g a b e n - und T r a c h t s i t t e « unterworfen. Solche Typengruppen können sich im Einzelfall lange nachschleppen, daher für die Zeitbestimmung der einzelnen Grabanlagen, selbst bei Überschneidungen und wo die Typen ungemischt auftreten, nicht verbindlich sein. Um die Sicherheit der Typenchronologie zu erhöhen und zu Zeitgruppen der Grabtypen zu gelangen, wird deshalb von H. (53. 59) die Lage der auf die Typengruppen verteilten Gräber zueinander und zu den vorgeometrischen Gräberfeldern im Kerameikos in die Typenfolge mit einbezogen, d.h., die Ker. V 1 schon S. 3 I 4. 6f. u. 157 aus der Entwicklungsstufe der keramischen Beigaben und aus der Lage der Gräber

in Richtung auf den New Yorker Krater der 30er Jahre Richter, A J A . 19, 1915 Taf. 1 7 — 2 0 (Himmelmann-Wildschütz a. O. Taf. 3). Die Seitenansicht des aufgebahrten Toten nimmt Erscheinungen der 20er Jahre des 8. Jhs. vorweg. 9 Vgl. Marwitz, Jdl. 74, 1959, 58.

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K A R L

für deren Zeitbestimmung gezogene Schlußfolgerung übernommen. Trotzdem erweisen sich die von H. aufgestellte Typengruppierung und die auf ihr beruhende Gräberchronologie als unverläßlich und selbst eine genauere Scheidung der Grabtypen ergibt nur ein grobes chronologisches System ohne die einer auf die Stufenfolge der Keramik gegründeten Chronologie möglichen inneren Abstufungen. Schon die häufigen Einschränkungen in der Beschreibung der B r a n d g r a b g r u p p e B 1 (H. 53) stimmen den Leser bedenklich. Wie sich aus den Grabbeschreibungen und Ker. V 1 Beil. 1 u. 2 ergibt, sind von den zwölf Gräbern der Gruppe B 1 a (H. 61 Abb. 8) tatsächlich nur Grab 1, 4, 38, 40, 41, also nur fünf ostwestlich ausgerichtet (vgl. u. Sp. 152). In nur zwei Gräbern (38,41) steht die Aschenamphora im Ostteil der Grabgrube, in nur sechs (1, 2, 7, 38, 41, 74) ist sie mit einer Bronzeschale verschlossen (in Grab 19 mit einem Tondeckel, vgl. Gruppe B 1 b). Ebenfalls in nur zwei Gräbern (38, 41) liegt die Brandschüttung im Westteil des Grabes. In der Gräberreihe der Gruppe B 1 b (H. 61 Abb. 8) ist statt 26 die Zahl 36 einzusetzen (26 ist ein Skelettgrab und erscheint in Zeitgruppe 3); ferner ist mit Grab 49, wie aus H. 54 Abb. 2 ersichtlich, das 1943 veröffentlichte Grab 49 Ker. IV Beil. 1 einbezogen (das geometrische Grab 49 Ker. V 1 erscheint erst in Zeitgruppe 4) und mit Grab 42 P kann nur Grab 42 gemeint sein. P ist vermutlich auf 49 zu beziehen, das ohne genau datierbaren Inhalt (Ker. IV 46) der in der Brandschüttung gefundenen Lehmziegelbrocken wegen mit Recht hier mit eingerechnet wird. Von diesen zwölf Gräbern enthielt Grab 77 keine Aschenamphora. Nur sieben Aschenamphoren (in 1 1 , 12, 23, 36, 76, auch der Napf auf der Brandschüttung über der Amphora in Grab 14 darf vielleicht hierher gezählt werden, P 49 ist weitgehend zerstört) sind mit einem Tongefäß, drei dagegen (in 13, 42, 75) wie in Gruppe B 1 a mit einer Bronzeschale verschlossen. Lehmziegelbrocken finden sich nur fünfmal (in 14, 37, 42, P 49, 76) in der Brandschüttung. Grab 76 ist eine unregelmäßige Grube ohne erkennbare Nordsüd-

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ausrichtung. Einen Teller oder Napf enthält Grab 3 der Typengruppe B 1 a (Ker. V 1 , 213 Inv. 944). Spinnwirtel (H. 53) begegnen nur in drei (7, 12, 39) der nachweisbaren fünf (7, 12, 39, 41, 75) oder sechs (76) Frauengräber der Gesamtgruppe B 1, Schmuck (Nadel und Goldband) auch in Männergrab 13, Werkzeug (Messer) in keinem gesicherten Männergrab der Gruppe, sondern nur in Frauengrab 12. Auch Waffen sind für das Männergrab nicht verbindlich. Sie erscheinen in nur fünf (2, 13, 23, 38, 74) der 24 Gräber der Gruppe B 1, unter deren nach Abzug der Frauengräber der Gruppe noch übrig bleibenden 18 oder 19 Gräbern sich gewiß weitere Männergräber befinden. Das Gleiche gilt für die Frauengräber und ihre Beigaben. Außerdem sind selbst noch in Brandgrab 43, das der Zeitgruppe 2 zugewiesen wird, in Skelettgrab 50 und Brandgrab 72, die der Zeitgruppe 4 zugerechnet werden, Goldbänder, in Grab 43, 49, 50 Messer, in Grab 49 der Zeitgruppe 4 ein Armreif gefunden10. Auch der Lageplan der Grabgruppe B 1 a (H. 54 Abb. 1) ist nicht frei von Unstimmigkeiten. Die Gräber 18 und 19, von denen nur die runden Amphorengruben erhalten sind (Ker. V 1, 221 Beil. 2), erscheinen als ostwestlich ausgerichtete Grabgruben. Desgleichen ist Grab 39, dessen allein erhaltenes Nordende die Brandschüttung (Ker. V i , 235), das Südende demnach die Aschenamphora enthalten hat, ostwestlich statt nordsüdlich orientiert. Ebenso ist die Ausrichtung des Grabes 3, dessen Südseite abgeschnitten ist (vgl. o. Sp. 146), nicht eindeutig wiedergegeben. Nach der Ausrichtung der Gräber läßt sich Gruppe B 1 eben nicht sauber in zwei Untergruppen scheiden. Wie bei den übrigen Vermischungen der beiden Untergruppen B 1 a und B 1 b zeigt sich hier vielmehr eine Verwischung der Typenmerkmale, die an der Bedeutung der aufgestellten Typengruppierung für die Zeitbestimmung Zweifel aufkommen läßt. In derselben Weise ist, wie festgestellt, das Fehlen von Waffen, Schmuck und 10 Zwei weitere Goldbänder mit Tierfriesen sind 1962 in Gräbern des 3 . Viertels des 8. Jhs., also wiederum weit nach der Zeitgruppe 1 b, am Rand des Weges nach Eleusis gefunden, s. u. Anm. 20.

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Spinnwirteln in Männer- bzw. Frauengräbern kein präzises Unterscheidungsmerkmal zwischen den Gruppen B 1 und B 2 (H. 53), B i-Gräber müßten danach vielmehr in B 2 eingegliedert werden. Daß vollends in noch jüngeren Brandgräbern und in den Skelettgräbern derartige Beigaben (mit den o. Sp. 152 genannten Ausnahmen!) fehlen, ergibt sich organischer aus der auf die Stilanalyse der Keramik aufgebauten Gräberfolge und ist bereits Ker. V 1, 23 vermerkt. Von den neun Brandgräbern der G r u p p e B 2 (22, 29. 30, 3 1 » 35, 43. 44. 69, 86) sind nur acht, wenn das schlecht erhaltene Grab 69 mitgezählt wird, nordsüdlich, Grab 86 dagegen ostwestlich ausgerichtet. Nur vier Gräber (22, 29, 30, 31) haben Seitenbänke, die überdies in der Anlage gänzlich von einander abweichen (s. u. Sp. 156), davon ist Grab 22 im Gegensatz zu Grab 35, dem die Bänke fehlen, nicht mit Steinplatten abgedeckt und Grab 29 seinem Typus nach ganz in Gruppe B 3 zu versetzen (s. u. Sp. 156). Die Aschenamphora in Grab 43 ist wie in B 1 a, aber auch in B 1 b (s. o. Sp. 151) mit einer Bronzeschale verschlossen. Auch B 2 ist also unscharf abgegrenzt und die wesentlich aus der Lage der auf dem Südufer des Eridanos gefundenen Gräber (22, 29, 30, 31, 35, 43, 44) erschlossene Zeitbestimmung der Gruppe ist Ker. V 1, 23 auf weniger schematischem Weg der Lage der Gräber und der Entwicklungsstufe ihrer Beigaben abgewonnen. Mit den Brandgräbern der G r u p p e B 3 (H. 55, 57, 61 Abb. 8) sind offenbar die Gräber 32, 71, 89 der Zeitgruppe 3, die Gräber 5, 6 A (Ker. V 1, 6. 214), 49, 55 A, 72, 73 der Zeitgruppe 4 und Grab 58 der Zeitgruppe 5 gemeint (H. 61 Abb. 8 ist zwar auch Grab 59 eingetragen, aber H. 57 als weiteres Brandgrab der Zeitgruppe 5, auf die nur »ein einziges« Brandgrab bezogen wird, neben Grab 58 anscheinend übersehen). Grab 34 ist weitgehend zerstört und nur vermutlich ein Brandgrab, Grab 48 enthält weder Skelett- noch Aschenreste und ist unter die Skelettgräber der Gruppe K 2 aufgenommen. Von den elf Brandgräbern, die sich auf diese Weise für die Gruppe B 3 ergeben, weisen gerade die verhältnismäßig gut erhaltenen, bedeutenden Anlagen 7 1 und 72

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und das in seiner Nordhälfte gut erhaltene Grab 89 keine Seitenbänke auf. Bronzeoder Bleikessel erscheinen nur fünfmal (6 A, 55 A, 58, 71, 72). Die Aschenamphora in Grab 89 steht in einer Amphorengrube (Ker. V I, 267), der Bleikessel in 55 A ganz und gar in einer runden Vertiefung (Ker. V 1, 249 Taf. 10). Grab 5, 49 und 73 sind kleine Gruben mit einer Brandschüttung oder Aschenresten und ohne erkennbare Orientierung. Auch die übrigen acht Gräber der Gruppe sind nicht »durchweg wieder westöstlich orientiert«, Grab 32 und 89 (Ker. V 1, 230. 267) vielmehr nordsüdlich ausgerichtet. Obwohl die Gruppe B 3, aus der zum wenigsten Grab 89 in Übereinstimmung mit der jüngsten Stufe seiner Keramik herauszunehmen und in Gruppe B 2 zurückzusetzen ist, einheitlicher gesehen wird, als sie ist, erscheint sie H. selbst (55ff.) in sich doch so ungleich, daß er zu ihrem Verständnis nach dem Vorgang von Ker. V 1, 7. 8, wo bereits auf die weitgehende Beeinflussung der jüngeren Brandgräber durch die gleichzeitigen Skelettgräber und auf die Zeitbestimmung beider Gruppen nach ihrer Verteilung im Gelände und nach der Stufe der keramischen Beigaben hingewiesen ist, den Weg über die Betrachtung der S k e l e t t g r ä b e r einschlägt. Daß bei diesen »eine Kontinuität zwischen der protogeometrischen und der geometrischen Körpergrabsitte nicht besteht«, ist nicht verwunderlich, da unter den protogeometrischen Gräbern, abgesehen von ihrer frühesten Stufe, die sie mit den submykenischen Kistengräbern verbindet (Ker. IV 1. 5. 47), die brandlose Beisetzung durchaus fehlt (Ker. V 1, 36). Sie beginnt erst wieder mit Skelettgrab 20 (Ker. V 1, 7), dessen keramische Beigaben bei Herabsetzung der frühgeometrischen Anfangsstufen in das 9. Jh. (s. o. Sp. 147) nunmehr in das 1. Viertel des 8. Jhs. herunterführen. Grab 20 wird zwar H. 61 Abb. 8 der ältesten S k e l e t t g r a b g r u p p e K 1 zugerechnet, mit ihm aber auch die Gräber 15, 25 und 82, und zusammen mit 15, 25 als den Brandgräbern der Gruppe B 2 dicht benachbart dieser zeitlich gleichgesetzt. Die Lagebezeichnung ist insofern ungenau, als Grab 20 weder wie Grab 25 mit

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Brandgrab 22 noch gar mit den südlich von 22 gelegenen übrigen Brandgräbern der Gruppe B 2 (29, 30, 31, 35, 43, 44) auf gleicher Höhe liegt, und Grab 15 von diesen sogar weit nach Norden abgerückt ist. Grab 20 ist seinen Beigaben nach tatsächlich älter als Gruppe B 2, Grab 15 deckt sich den Funden nach zwar einigermaßen mit ihr, steht aber wegen seiner Lage inmitten der nordwärts gelegenen protogeometrischen Gräber bereits am Beginn der Abkehr der jüngergeometrischen Gräber vom Gräberweg im Süden des Gräberfeldes (Ker. V i, 7). Auch Seitenbänke sind in Gruppe K 1 nicht »nur vereinzelt« sondern überhaupt nicht nachweisbar (die Störungen gehen gerade bei den beiden bedeutendsten Gräbern der Gruppe, Grab 20 und 25, keineswegs so tief, daß von Absätzen an den Langseiten nichts mehr erhalten geblieben wäre). Ebensowenig kommen in Gruppe K 1 Spendegefäße vor. Wenn auch das in Grab 25 einschneidende, der Stufe seiner Keramik nach ebenfalls spätere Grab 26 der nächsten Gruppe K 2 zeigt, daß selbst noch die Folgezeit solche Gefäße kennt, so sind sie in K 1 doch nicht belegt. Hinsichtlich der Seitenbänke wie der Spendegefäße ist Gruppe K 1 von Gruppe B 2, so wie sie H. 53. 55 gesehen wird, also ebenso geschieden wie wenigstens die K i-Gräber 20 und 15 von den B 2-Gräbern durch die Lage im Gelände. In einer präzisen Typengruppierung können K 1 und B 2 einander nicht gleichgesetzt werden, zum wenigsten ist Grab 20 aus Gruppe K 1 herauszunehmen und zeitlich der Gruppe B 1 b gleichzustellen. Auch die 8 Skelettgräber der G r u p p e K 2 (9, 24, 26, 27, 28, 48, 83, 88; H. 55. 57. 61 Abb. 8) sind typologisch uneinheitlich. Sie haben nicht »meist« seitliche Bänke, sondern nur die Gräber 26, 28 und 48, wenn dieses, obwohl ohne Skelett- (und ebenso Aschen-)reste, unbedenklich unter die Skelettgräber gerechnet werden darf, zeigen eine solche Einrichtung. Trotzdem ist hinsichtlich der Seitenbänke die Gruppe K 2 deutlicher von K 1 geschieden, als in ihrer Beschreibung zum Ausdruck kommt. Wie in der Abfolge der Gräber 25/26 das Grab 26 mit Bänken an den Langseiten

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von Grab 25 zeitlich stärker abzusetzen ist, so auch in der Abfolge 27/28 das Grab 28 mit einer Längsbank von dem überlagerten Grab 27 ohne Bänke. Es kann, worauf eben wie bei Grab 26 die Stufe der keramischen Beigaben in Übereinstimmung mit dem Bodenbefund auf das deutlichste hinweist, nicht der gleichen Typen- und Zeitgruppe wie Grab 27 angehören. Wie nach der Stufe der Beigaben sind Grab 25 und 27 auch ihrem Typus nach älter als Grab 26 und 28. Beide, nicht nur Grab 25, gehören zu der Skelettgrabgruppe K 1 der Zeitgruppe 2. Den einfachen, seit Grab 20 der Zeitgruppe 1 b (s. o. Sp. 155) hervortretenden Skelettgrabtypus zeigen zwar auch die beiden weiteren in die Gruppe K 2 eingereihten, verglichen mit Grab 25 und 27 den Beigaben nach jüngeren Gräber 9 und 24 sowie die Gräber 10 und 21 der Gruppe K 3. Eben die Abfolgen 25/26 und 27/28 machen aber deutlich, daß 25 und 27 den einfachen Typus nach rückwärts mit Grab 20 verbinden und daß der durch Bänke an den Langseiten bereicherte Typus erst in K 2 mit den durch ihre stattlicheren Ausmaße zu der Wiederaufnahme dieser schon den submykenischen Skelettgräbern geläufigen Einrichtung genötigten Gräbern 26, 28 und 48 (Ker. V 1, 11) zu dem von bescheideneren Gräbern noch weiterhin beibehaltenen einfachen Typus hinzutritt. Dieser bei einer scharfen Typentrennung zwangsläufig überdeckte, bei der aufgestellten Typengruppierung H. 61 Abb. 8 dank der unscharfen Grenzziehung zwischen den beiden Typengruppen K 1 der Zeitgruppe 2 und K 2 der Zeitgruppe 3 teilweise sichtbar werdende Befund verlangt, daß Brandgrab 29 mit zwei von dem reicheren Skelettgrabtypus abhängigen Bänken an den Langseiten aus der K 1 zeitlich gleichgesetzten Gruppe B 2 herausgenommen und, übrigens in Übereinstimmung mit der jüngsten Stufe seiner Beigaben, in die K 2 gleichzeitige Frühstufe der Brandgrabgruppe B 3 eingegliedert wird. Grab 29 steht in deutlichem Gegensatz zu den Brandgräbern 22, 30, 31 der Gruppe B 2 (s. o. Sp. 153), die je eine kleine aus der Grabsohle ausgehobene, rechteckige Grube oder rings umlaufende Absätze aufweisen. Diese unterscheiden

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sich von den Längsbänken der Skelettgrabgruppe K 2, begegnen schon in Grab 42 der Gruppe B 1 b, kehren auch bei Brandgrab 32 der Frühstufe der Gruppe B 3 wieder und führen — wenigstens, soweit sie wie in Grab 31 als Auflager für eine Plattendeckung oder wie in Grab 43 als Träger einer Platteneinfassung der Grabgrube dienen — den submykenischen und frühestprotogeometrischen Skelettgrabtypus (Ker. V 1, 8) fort. Von den Skelettgräbern der Gruppe K 1 hatte keines, von denen der Gruppe K 2 nur Grab 88 eine Plattendeckung. Umfaßt die Zeitgruppe 2 mit der Brandgräbergruppe B 2 (aus der Grab 29 nach B 3 gehört) und mit der um Grab 27 vermehrten Skelettgrabgruppe K 1 (aus der Grab 20 in die Zeitgruppe 1 b zu versetzen ist) gemäß der jüngsten Stufe der zugehörigen Keramikfunde das 2. Viertel und knapp die Mitte des 8. Jhs., so ist der Ansatz der Gruppe K 2 mit den ihr verbleibenden Gräbern 9, 24, 26, 28, 48, 83, 88 in die Zeitgruppe 3 (H. 57) in erster Linie durch den Typus der Gräber 26, 28, 48 gegeben, sodann durch die Entwicklungsstufe der jüngsten keramischen Funde, die — abgesehen von Grab 48 mit Beigaben nur aus dem 2. Viertel des 8. Jhs. — in das frühe 3. Jahrhundertviertel weisen. Der Zeitansatz ist nicht »deswegen sicher« (H. 57), weil Grab 48 nach Nordosten vorgeschoben ist. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Verteilung der Gräber nordwärts den Geländehang hinab statt wie bis dahin südwärts den Hang hinauf — wie hervorgehoben — schon mit Grab 15 der Gruppe K 1 der Zeitgruppe 2 beginnt und daß die gräberlose, tiefe Einsenkung nördlich der protogeometrischen Gräber 34, 36, 39, 43 (Ker. V 1 Beil. 2) und zwischen dem Westteil und dem östlichen Teil der Nekropole auf dem südlichen Eridanosufer erst durch den Abraum der für den Grabhügel des 6. Jhs. nötigen Erdmassen (Ker. V 1, 4 I ) entstanden ist. Daß hier eine beträchtliche Anzahl protogeometrischer und geometrischer Gräber zerstört worden ist, beweisen die in der Auffüllung des Hügels gefundenen Scherbenmassen und sonstigen Grabreste des 10.—8.

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Jhs. 1 1 . Ein Rückschluß auf eine der Lage des Grabes 15 entsprechende Verteilung einzelner jüngergeometrischer Gräber auch über dieses zerstörte, nord- und ostwärts sich erstreckende, zunächst wie weiter westlich mit protogeometrischen Gräbern belegte Gelände ist wohl begründet. Bei seiner Anlage im Nordosten des Gräberfeldes auf dem Südufer des Eridanos folgte Grab 48 also einer mit Grab 15 beginnenden, sehr wahrscheinlich ebenso unter den zerstörten Gräbern der Zeitgruppen 2 und 3 in dem Zwischengelände vertretenen Tendenz. Der Schluß auf Entstehung des Grabes 48 und mit ihm der Gruppe K 2 nach der Zeitgruppe 2 auf Grund seiner Lage ist also nicht zwingend. Seinen Beigaben nach steht es vielmehr den Skelettgräbern der Gruppe K 1 der Zeitgruppe 2 zeitlich noch zunächst, und erst das in seiner Nähe gelegene, H. 61 Abb. 8 weder in der Zeitgruppe 3 noch in den Zeitgruppen 4 und 5 aufgeführte Grab 45 gehört nach seinem Typus und — wie die Gräber 26 und 28 — auch nach der Stufe seiner jüngsten Beigaben uneingeschränkt in die Zeitgruppe 3. Da Grab 45 nach dem Bodenbefund dem ostwärts anschließenden Gräberbezirk (Ker. V 1, I7ff.), zum mindesten dessen Feld 1 mit Grab 53 und 52 (Ker. V 1, 18) vorhergeht (Ker. V 1, 19), ist es für den Zeitabstand der ihm im Typus und in der Ostwestausrichtung gleichen, in die Zeitgruppe 4 eingereihten Skelettgräber 51, 54, 55, 56 der G r u p p e K 3 innerhalb und der ihrem Typus nach ebenfalls hierher gehörenden Skelettgräber 47 (s. u. Sp. 164) und 50 außerhalb des Gräberbezirkes von der Zeitgruppe 3 wichtiger als der Hinweis auf »neue Tongefäßarten« (H. 57) und die Verteilung der Skelettgräber der Zeitgruppe 4 im Gelände. Von den »neuen Tongefäß arten« erscheint die Kanne mit runder Mündung schon in Grab 32, die Tiefe Schale in Grab 34 und der Becher schon in Grab 86 der Gruppe B 3 der Zeitgruppe 3 und die Verteilung der Gräber über die Nord- und Ostteile der Nekropole auf dem Südufer des Eridanos 11 Vgl. Ker. I 109; Ker. IV 46; Ker. V 1, 5; Ker. V I 1, 5.

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hat sich soeben als bereits der Zeitgruppe 2 (Grab 15) und 3 geläufig erwiesen. Die im Nordteil erhaltenen Gräber 6, 16, 1 7 der Zeitgruppe 4 unterscheiden sich zudem wie die Skelettgräber 10 und 2 1 des Südteiles und die ebenfalls der Zeitgruppe 4 zugerechneten Gräber 70, 78, 79, 91, 94 (hier ist Grab 95 vergessen) der Nekropole auf dem nördlichen Eridanosufer von den ostwestlich ausgerichteten Gräbern 45, 47, 50, 5 1 , 54, 55, 56 und den nach dem Bodenbefund erst nachträglich in den Gräberbezirk eingeschobenen, aus Platzmangel nordsüdlich gerichteten Gräbern 5 3 und 57 (Ker. V 1, 18. 19) durch das Fehlen der Bänke an den Langseiten. Dazu sind Grab 1 0 des Südteiles, in der Nekropole nördlich des Eridanos die Gräber 78, 79, 91 — eine Gruppe, der auch die H. 61 Abb. 8 nirgends aufgenommenen, ebenfalls banklosen Skelettgräber 80 und 84 und vielleicht auch 87 zugehören — sowie die Gräber mit Seitenbänken 91 und 93 sämtlich nordsüdlich orientiert. Typologisch bilden also, da auch die Gefäßformen, wie sich gezeigt hat, zu einer genauen Scheidung nicht ausreichen, die Skelettgräber der Zeitgruppen 3 und 4, denen beiden Skelettgräber mit und ohne Längsbänke eigentümlich sind, eine Einheit. Ihre zeitliche Differenzierung ist nur über Grab 45 nach dem Bodenbefund und über die jüngsten Beigabenstufen der Gräber zu erreichen. Sie führt vom späten 2. Viertel des 8. Jhs., dem Zeitpunkt, zu dem — wie Grab 48 erkennen läßt — die Skelettgräber mit Bänken an den Langseiten zu dem banklosen Skelettgrabtypus hinzutreten, über die 40er Jahre (9, 16, 1 7 , 2 1 , 24, 26, 28, 45. 50, 51. 79- 8 8 . 9°. 9 3 ) i n d i e 3er (10, 33, 53, 54. 55. 56, 78, 83, 91, 94, 95) und 20er Jahre (78). 80 und 84 enthalten keine Keramik und 87 ist möglicherweise erst nachgeometrisch. Zu den Kindergräbern 52 und 65 (H. 6 1 Abb. 8 Zeitgruppe 4) s. u. Sp. 165 f. 167. Ein entsprechendes Bild bieten die Brandg r ä b e r der Z e i t g r u p p e n 3 u n d 4. Grab 7 1 der Zeitgruppe 3 und Grab 72 der Zeitgruppe 4 liegen nah beisammen auf dem nördlichen Eridanosufer. Beide sind ostwestlich ausgerichtet, zeigen (auch Grab 72 ist tief genug erhalten) einen in den Aus-

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maßen ansehnlichen Grabschacht ohne Bänke an den Langseiten, enthalten an Stelle einer Aschenamphora je einen mit einem Bleideckel verschlossenen, stattlichen Bronzekessel mit der Totenasche und eine oder mehrere Steilrandschalen, eine Gefäßform, die insbesondere der Skelettgrabgruppe K 2 der Zeitgruppe 3 zugesprochen wird (H. 55). Angesichts dieser Übereinstimmungen lassen sich die beiden Gräber, nach der jüngsten Stufe ihrer keramischen Beigaben obendrein noch aus derselben Zeit, dem 2. Viertel des 8. Jhs., und Grab 72 mit einem Goldband, also Schmuck, der nach der Zeitgruppe 1 angeblich nicht mehr vorkommt (H. 5 3 ; vgl. o. Sp. 152), unmöglich zwei verschiedenen Zeitgruppen zuteilen. Die beiden Gräber gehören vielmehr dicht zusammen und in den Anfang der Zeitgruppeneinheit 3/4. Die Beisetzung der Totenasche in großen Bronzekesseln und stattlichen Grabschächten setzt zu derselben Zeit ein wie die Bestattung in den Skelettgräbern des Typus mit Seitenbänken (Grab 48). Wie dieser neben das ältere, einfache Skelettgrab tritt der neue Brandgrabtypus als ebenso monumentale Form der Beisetzung der Totenasche neben das herkömmliche Brandgrab, dessen bescheidener Typus mit Grab 3 2 der Zeitgruppe 3 (Grab 34 ist nur vermutlich ein Brandgrab, s. o. Sp. 1 5 3 ) in das 3. Jahrhundert viertel hineinreicht. Beide Monumentaltypen haben in den Monumentalformen der Grabamphoren und -kratere des späteren 2. und des 3. Jahrhundertviertels ihre Entsprechung. Von der Großform der Beisetzung der Totenasche in einem Bronzekessel weichen die mit ihr verknüpften und zusammen mit Grab 72 der Zeitgruppe 4 (H. 55. 6 1 Abb. 8) zugewiesenen Kleinformen der Beisetzung der Totenasche in einem Bronze- (Grab 6 A ) oder Bleikessel (Grab 5 5 A, Ker. V 1 Taf. 10) bedeutend kleineren Ausmaßes auch in der Kleinheit des Grabschachtes, Grab 55 A außerdem in der Bergung des Bleikessels in einem tiefen Erdloch (s. o. Sp. 154) typologisch so sehr ab, daß ihre Verbindung mit Grab 72 in derselben Typen- und Zeitgruppe äußerst gezwungen erscheint. Es sind kümmerliche Seitentriebe der Beisetzung der Totenasche in Metallkesseln nach der

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ZU DER NEKROPOLE DES 10.—8. JAHRHUNDERTS IM KERAMEIKOS

jüngsten keramischen Stufe ihrer Fundgruppen aus den 30er Jahren des 8. Jhs., also aus der Spätzeit der Zeitgruppeneinheit 3/4. Sie sind vom Beginn der Großform dieses Brandgrabtypus zeitlich genügend abgesetzt, um ihre Verkümmerung begreiflich erscheinen zu lassen. Daß daneben die Großform des Typus auf einer verglichen mit seiner Anfangsstufe jüngeren, veränderten Stufe weiterbesteht, ist darum nicht ausgeschlossen und wird durch das der Zeitgruppe 5 zugeschriebene Grab 58 (H. 57.61 Abb. 8) mit Bänken an den Langseiten des Grabschachtes bestätigt. Es folgt in der Aufnahme der Seitenbänke wie in der Ostwestausrichtung den ihm westlich und nördlich benachbarten Skelettgräbern 45. 50, 51, 54. 55. 56 des Gräberbezirkes, in den es ebenfalls einbezogen ist, und unter ihnen besonders Grab 51 auch in den Außmaßen so eng und steht damit übereinstimmend in der jüngsten Stufe seiner Beigaben den letzten Gräbern dieser Reihe zeitlich so nahe 1 2 , daß an seiner Zugehörigkeit zu deren Zeitgruppe 4 auch das Fehlen der Kannen mit runder Mündung und der Steilrandschale in seiner Fundgruppe, auf das offenbar seine Zuweisung an die Zeitgruppe 5 mit den Skelettgrabgruppen K 4 und K 5 zurückzuführen ist, nichts ändern kann. Auch die Skelettgräber 54, 55 und 56 enthalten ebenso wie Skelettgrab 53 keine der beiden genannten Gefäßformen und werden wenig folgerichtig trotzdem der Skelettgrabgruppe K 3 der Zeitgruppe 4 zugezählt, für die insbesondere die Kanne mit runder Mündung, die übrigens nur in Grab 51 vertretene Tiefe Schale und der nur in Grab 50 belegte Becher als typisch bezeichnet werden (H. 57). Wie wenig solche Unterscheidungen von H. als verbindlich angesehen werden, zeigt außerdem Brandgrab 59 (s. o. Sp. 153) der Zeitgruppe 5, das zwei Steilrandschalen enthält, obwohl Steilrandschalen in der für die Einstufung der Brandgräber 58 und 59 in die Zeitgruppe 5 maßgebenden Skelettgrabgruppe K 4 dieser Zeitgruppe »nicht mehr vorkommen« (H. 57). Brandgrab 58 läßt 12 Zu den Fußschalen Ker. Y 1, 252 Taf. 125 Inv. 360, 361 aus Grab 58 s. u. Anm. 17.

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sich also von den jüngeren Gräbern der Zeitgruppeneinheit 3/4 (s. o. Sp. 159) nicht abtrennen. Von den drei der Zeitgruppe 4 zugeschriebenen, bescheidenen Grabgruben unklarer Orientierung 49, 70 und 73, die weder dem älteren Skelettgrabtypus ohne Bänke noch dem jüngeren mit Bänken an den Langseiten noch den Brandgrabtypen der Zeitgruppeneinheit 3/4 zugerechnet und weder mit Sicherheit als Skelettgräber noch als Brandgräber angesehen werden können, gehört Grab 49 seinen Beigaben nach zur jüngeren Stufe dieser Einheit, in die 30er Jahre, ist also Grab 58 gleichzeitig. Grab 70 und 73 mögen, ebenfalls ihren Beigaben nach, zeitlich etwas weiter zurückreichen. Die enge typologische und zeitliche Zusammengehörigkeit der Zeitgruppen 3 und 4, die sich für die auf sie verteilten Skelettund Brandgräber ergibt, tritt H. 56 Abb. 4, 58 Abb. 5 nicht hervor, weil in Abb. 5 mit den Gräbern der Zeitgruppe 4 die nordsüdlich ausgerichteten Skelettgräber 10 und 53 der Gruppe K 3 nicht, wie es der Fall sein müßte, schwarz abgedeckt sind, die für die Zeitgruppe 3 Abb. 4 in Anspruch genommene Nordsüdrichtung daher in Abb. 5 für das Auge so gut wie vollständig ausfällt: das einzige in Abb. 5 schwarz abgedeckte, nordsüdlich ausgerichtete Grab 65 der Zeitgruppe 4 erscheint auch H. 58 Abb. 6 und bedarf noch der Überprüfung (s. u. Sp. 167). Das H. 61 Abb. 8 nicht aufgenommene, ostwestlich ausgerichtete Grab 45 aus dem Anfang der Zeitgruppeneinheit 3/4 (s. o. Sp. 158. 159) ist dieser Unterlassung entsprechend weder in Abb. 4 noch in Abb. 5 schwarz eingetragen. Die H. 61 Abb. 8 in der Z e i t g r u p p e 5 vereinten Gräber enthalten nach dem Ausscheiden des Brandgrabes 58 (s. o. Sp. 161) nur das in der Aufzählung der Brandgräber der Zeitgruppe 5 (H. 57) ausgelassene Brandgrab 59 (s. o. Sp. 153). Daß schon die Steilrandschalen des Grabes seine Einreihung in die gleiche Zeitgruppe wie die S k e l e t t g r a b g r u p p e K 4 verbieten, die durch den Wegfall dieser Gefäßform charakterisiert ist (H. 57), wurde bereits angedeutet. Die Fundgruppe aus Grab 59 enthält aber auch keine einzige der für die Gruppe K 4 be-

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zeichnenden »neu« auftretenden Gefäßtypen und selbst die »neuen Tongefäßarten« der Skelettgrabgruppe K 3 der Zeitgruppe 4 sind nicht nur wie Brandgrab 58 in der Zeitgruppe 5 nichts zu suchen, die Gefäßformen seiner Fundgruppe (Pyxis, Steilrandschalen) stehen darüber hinaus mit den für die Skelettgrabgruppe K 2 der Zeitgruppe 3 hier nicht zu finden. Brandgrab 59 hat also typischen Beigabenformen (H. 55) noch in einem so fühlbaren Zusammenhang, daß an seiner Einreihung spätestens in die jüngere Stufe der Zeitgruppeneinheit 3/4 nicht zu zweifeln ist. Dem entspricht die Lage des Grabes 59 unter dem H. 61 Abb. 8 übergangenen, beigabenlosen Skelettgrab 60 (Ker. V 1 , 252 t.) des Gräberbezirkes. Dieses folgt zusammen mit dem H. 61 Abb. 8 ebenfalls außer acht gelassenen, beigabenlosen Skelettgrab 61 unmittelbar östlich auf Brandgrab 58, ist ebenso wie Grab 61 entsprechend dem zeitlichen Vorrücken der Gräber des Bezirkes von West nach Ost (Ker. V 1, 19) also jünger als Grab 58. Beide Skelettgräber zeigen nicht mehr den noch in die jüngere Stufe der Zeitgruppeneinheit 3/4 hineinreichenden, aufwendigen Skelettgrabtypus mit Bänken an den Langseiten, sondern den ihm, wie sich gezeigt hat, vorausgehenden und gleichlaufenden einfachen Typus ohne solche Bänke. Daß der Zeitabstand der Gräber 60 und 61 von Grab 58 trotzdem keineswegs beträchtlich ist, ergibt sich aus der für das spätere 3. Viertel des 8. Jhs. nachweisbaren beschleunigten Entwicklung der attischen wie der protokorinthischen Keramik (Ker. V 1, 72) 13 . Dieser Entwicklungsablauf verbietet auch, die beiden, im Typus Grab 60 und 61 gleichen Skelettgräber 62, das beigabenlos und vermutlich deshalb H. 61 Abb. 8 übergangen ist, und 63 des Gräberbezirkes, die östlich der Gräber 60 und 61 liegen und daher, worauf auch die Formen und die Entwicklungsstufe der Beigaben aus Grab 63 hinweisen, erst nach 60 und 61 entstanden sind, zeitlich weit von diesen und Grab 58 abzurücken und über das Ende 13 Vgl. dazu unten Anm. 1 4 ; D. Ohly, Griechische Goldbleche des 8. Jhs. v. Chr. 1 1 5 ; T. J . Dunbabin, Perachora I I 51 Anm. 1.

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der Zeitgruppen einheit 3/4 herunterzusetzen. Das Gleiche gilt für das Kindergrab 99 der Zeitgruppe 5. In die Opferrinne 0 1 (vgl. u. Sp. 1 7 1 ) eingeschnitten (Ker. V 1, 271), in Übereinstimmung mit seiner über die in 0 1 belegte Frühstufe der Kotyle hinausentwickelten Kotylenstufe also, entgegen H. 60 Abb. 7 jünger als O 1, ist es bei dem erwiesenermaßen raschen Formwandel der Kotyle 1 4 von der Rinne ebenfalls durch keinen großen Zeitabstand getrennt. Da nun die von Brandgrab 58 überschnittene Opferrinne O 2 (vgl. u. Sp. 1 7 1 ) in den Formtypen und der Entwicklungsstufe ihrer Fundgruppe zeitlich mit Rinne O 1 zusammenfällt, gibt die Zeitstufe des Brandgrabes 58 auch für O 1 den terminus ante quem, und Grab 99 wird bei dem geringen Zeitabstand seiner Fundgruppe von 0 1 ebenso wie die Skelettgräber 62 und 63 noch dem Ausgang der Zeitgruppeneinheit 3/4 zugewiesen. Hinsichtlich des Skelettgrabes 47 schließlich, das abweichend von seiner Einreihung in Zeitgruppe 5 H. 58 Abb. 6 nicht schwarz abgedeckt ist, und hinsichtlich des nachträglich neben Grab 56 in den Gräberbezirk eingeschobenen Skelettgrabes 57 — ebenfalls der Zeitgruppe 5 — spricht, gleichgültig, ob das eine mit Opferrinne O 1, das andere mit Opferrinne O 2 zu verbinden ist oder nicht (vgl. u. Sp. 1 7 2 ! ) , allein schon ihr zur Zeit der Skelettgräber 60—63 nicht mehr üblicher Grabtypus mit Seitenbänken eindeutig für Zugehörigkeit spätestens zur Zeitstufe des Brandgrabes 58. Ergab für die Skelettgräber 47, 57, 60, 61, 62, 63, das Kindergrab 99 und die Brandgräber 58 und 59 der Zeitgruppe 5 allein schon die genaue Interpretation der Grabtypen, der Lage im Gräberbezirk und der keramischen Formtypen die Unhaltbarkeit eines über die Zeitgruppeneinheit 3/4 herunterführenden Zeitansatzes, und bedurfte es nur für die Gräber 63 und 99 der Siche14 Zu den Anfängen und der Entwicklung der Kotyle s. Ker. V 1, 71 f. 146. 1 4 8 f . ; Ker. V I 1 , 129 Anm. 28; H. Payne, Perachora I 59; Dunbabin, Perachora I I 51 Anm. l a ; J . M. Cook, Gnomon 34, 1962, 821.

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ZU DER NEKROPOLE DES 10.—8. JAHRHUNDERTS IM KERAMEIKOS

rung dieses Befundes durch die Ergebnisse des Stilvergleichs der Beigaben und durch den Hinweis auf die rasche Aufeinanderfolge der keramischen Entwicklungsstufen im späteren 3. Viertel des 8. Jhs., so ist der Zeitansatz des sehr schlecht erhaltenen Grabes 67 (H. 58 Abb. 6. 61 Abb. 8. 62) nicht sicher feststellbarer Ausrichtung auf dem Südufer und des ebenso tiefgehend zerstörten Skelettgrabes 98 (H. 61 Abb. 8) von unbestimmbarem Typus auf dem Nordufer des Eridanos nur mit Hilfe der Fundgruppen aus den beiden Gräbern möglich. Formtypus und Entwicklungsstufe der hohen Fußschalen und der Kotyle aus Grab 98 weisen eindeutig in nächste zeitliche Nähe der Gefäße aus den Gräbern 63 und 99, die hohe protokorinthische Fußschale aus Grab 67 (Ker. VI 1, 13 Anlage I Taf. 56 Inv. 661) dagegen steht am Ende der protokorinthisch-frühorientalisierenderi Stufe (Ker. VI, 1, I24ff.) und verweist die Anlage des Grabes — das bisher einzige der in Zeitgruppe 5 eingereihten Gräber — in das letzte Jahrhundertviertel. Es bleibt noch ein Blick zu werfen auf die als geschlossene S k e l e t t g r a b g r u p p e K 5 mit der Gruppe K 4 in Zeitgruppe 5 (H. 57. 61 Abb. 8) vereinten neun Kinderbeisetzungen in Amphoren (46, 5 1 A , 53 A, 64, 85, 96, 97, 100) und in einem Pithos (66). Nicht nur scheidet sich die Gruppe mehr als nach der Wahl von Amphora oder Pithos nach deren Aufstellung oder Lagerung in der Grabgrube — aufrecht in Grab 66 und 97, auf der Seite liegend in allen übrigen Gräbern, es ist auch nicht ersichtlich, warum das in seinem Typus den Kindergräbern K 5 aus Zeitgruppe 5 vollständig gleiche Kindergrab in der auf der Seite liegenden Amphora 52 in die Skelettgrabgruppe K 3 der Zeitgruppe 4 einbezogen ist (H. 58 Abb. 5. 61 Abb. 8). Das Grab enthielt eine Tasse und zwei halslose Kännchen mit Kleeblattmündung wie — zum Teil zusammen mit anderen Formen — die Gräber 46, 5 1 A , 85, 100, also Formtypen, die H. 57 teils für die Skelettgrabgruppe K 3 der Zeitgruppe 4, teils für die Gruppe K 5 der Zeitgruppe 5 als charakteristisch bezeichnet sind. Desgleichen entspricht die Ostwestlage der Amphora in 52

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(Ker. V 1, 247) der bei den Gräbern der Gruppe K 5 vorherrschenden, entgegen H. Abb. 1—6 auch bei Grab 66 (Ker. V 1, 255) vorliegenden Ostwestausrichtung. Kindergrab 52 der Zeitgruppe 4 und die Kindergräber der Zeitgruppe 5 gehören also ein und derselben Zeitgruppe an, ein Befund, der durch die Übereinstimmung der Entwicklungsstufe der Fundgruppen aus 52, 46, 5 1 A , 85, 100 noch unterstrichen wird. Die Gräber 46, 5 1 A , 53 A, 96, 97, 100 sind nun zwar in die Gräber 45, 51, 53, 95, 89, 99 eingeschnitten. Von diesen gehören aber 89 zur Zeitgruppe 2 (s. o. Sp. 154), 45, 51 zur Frühstufe (s. o. Sp. 159) und nur 53, 95, 99 zur Spätstufe (s. o. Sp. 159. 164) der Zeitgruppeneinheit 3/4. Die Kindergräbef 46, 5 1 A und 97 liegen also, zumal 46 und 5 1 A Grab 45 und 51 nicht zufällig stören, sondern als Nachbestattungen darin eingesenkt sind, auch dann noch von ihren Vorgängergräbern 45, 51 und 89 zeitlich genügend weit ab, wenn sie statt der Zeitgruppe 5 zusammen mit dem ihnen nach seinem Typus, nach den Formtypen und nach der Entwicklungsstufe seiner Keramik gleichzeitigen, der Zeitgruppe 4 zugerechneten Grab 52 der Spätstufe der Zeitgruppeneinheit 3/4 zugewiesen werden. Grab 97 wird bei der Zugehörigkeit des von ihm gestörten Grabes 89 zur Zeitgruppe 2 sogar noch in die Frühstufe der Einheit zurückreichen, ein Ansatz, auf den abgesehen von der in diese Zeit weisenden Keramik aus 97 auch der aufrechte Stand seiner Amphoren mit den Resten des Kinderskelettes hindeuten könnte, der an die gelegentlich in den Brandgräbergruppen B 2 der Zeitgruppe 2 (Grab 31 und 35) und B 3 der Zeitgruppe 3 (Grab 29, vgl. o. Sp. 156) zu beobachtende Aufstellung der Aschenamphora nicht in einer Amphorengrube, sondern auf der Grabsohle erinnert. Aus dieser dem Gesamtbefund nach unbezweifelbaren Zusammengehörigkeit der Gräber 46, 5 1 A und 97 mit Grab 52 und aus ihrer Zugehörigkeit zu der Zeitgruppeneinheit 3/4 lassen sich nun wegen der Übereinstimmung in den Grabtypen und, soweit sie zu der Nekropole südlich des Eridanos gehören, wegen der Lage in deren Ostteil (H. 57) auch die Kindergräber 53 A, 96, 100

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trotz der Zugehörigkeit ihrer Vorgängergräber 53, 95, 99 zur Spätstufe der Einheit 3/4 nicht ausklammern. Wie die Nachbestattungen 46 und 5 1 A von den Gräbern 45 und 51 kann auch Grab 53 A als Nachbestattung seinem Vorgängergrab 53 zeitlich nicht fern sein. Entsprechend sind die Gräber 96 und 100 in Ergänzung des typologischen Befundes mit ihren Vorgängergräbern 95 und 99 durch die Uberkreuzung der Zeitstufen ihrer Tassen (Ker. V 1, 74) und Kotylen (Ker. V 1, 71) zeitlich auf das engste verknüpft. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Beziehungen der Formtypen wie der Entwicklungsstufen ihrer Fundgruppen zu den Gräbern 99 und 100 für die ebenfalls der Zeitgruppe 5 zugeteilten Kindergräber 64 und 66 (Ker. V 1, 71 ff.). Grab 64 ist zudem durch seinen Typus, Beisetzung in einer liegenden Amphora, mit Grab 52 und dessen Zeitgenossen, Grab 66, durch die Aufstellung seines Pithos auf der Grabsohle mit dem trotz dieser Typengleichheit der Zeitgruppe 4 zugewiesenen, dicht benachbarten Pithosgrab 65 (s. o. Sp. 162) verbunden. Dieses hat mit seiner Nordhälfte vermutlich auch einstige Kleinbeigaben verloren. Erhalten geblieben ist außer dem Unterteil des Pithos nur die Scherbe eines großen Tellers, ein Formtypus, der schon in der Skelettgrabgruppe K 2 der Zeitgruppe 3 (H. 55) und sogar schon in der Brandgrabgruppe B i b der Zeitgruppe 1 (H. 53) »neu« auftritt, Grab 65 also im Einklang mit der Zeitstufe des der Jahrhundertmitte angehörenden Tellers an die Frühstufe der Zeitgruppeneinheit 3/4 heranrückt. Einen großen Teller, dazu noch der 40er Jahre, enthält aber neben den Kleinformen seiner sonstigen Beigaben als einziges der Kindergräber eben das Pithosgrab 66, zusammen mit dem übereinstimmenden übrigen Befund ein Hinweis auf die zeitliche Nähe der Gräber 65 und 66, auf die Zugehörigkeit des Grabes 66 mindestens noch zur Endstufe der Einheit 3/4 und auf die Zuverlässigkeit des Ansatzes der mit Grab 66 durch die Formtypen wie durch die Entwicklungsstufen ihrer Kleinbeigaben besonders eng verbundenen Kindergräber 64, 99, 100 in dieser Zeit 15 .

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Für das ebenfalls in Zeitgruppe 5 eingereihte einzige Kindergrab mit liegender Amphora auf dem Nordufer des Eridanos, Grab 85, ist selbst dieser Ansatz zu spät. Es fällt ebenso nach dem Typenbefund wie nach der jüngsten Stufe der Beigaben, unter denen die späten Formtypen, die Kotyle, die hohe Fußschale und der Fußteller, fehlen, noch vor die Endphase der Zeitgruppeneinheit 3/4. Wie die Skelettgräber (K 4) und die Brandgräber der Zeitgruppe 5 (s. o. Sp. 164) überschreiten also auch deren Kindergräber in Amphoren und Pithoi (K 5) nicht die bei der Einreihung der ihnen typengleichen Kindergräber 52 und 65 in die Zeitgruppe 4 (H. 61 Abb. 8) gezogene Zeitgrenze. Bedurfte diese Berichtigung der von H. aufgestellten Typengruppierung allein der genauen Auswertung der Grabtypen und der keramischen Formtypen und nur bei den spätesten Gräbern der Gruppe K 5, Grab 64, 66, 100 der Ergebnisse der Stiluntersuchung der Keramik als Stütze der Aussage, so können die beiden Fundstellen 37 A und 51 Br der Zeitgruppe 5 allein von ihrem keramischen Inhalt her eingestuft werden. Die Brandgrube 37 A gehört danach noch eindeutig in die Zeitgruppeneinheit 3/4, die Brandschüttung 51 Br wenigstens noch an deren äußerstes Ende. Nur Kindergrab 68 (H. 62. Ker. V 1, 102; VI 1, 41 X X I I I ) wird in Ubereinstimmung mit den im 8. Jh. nicht belegten Formvarianten seines Kruges und seiner Tasse durch sein Verhältnis zu den Grabanlagen Ker. VI 1, 22f., 41 ff., 1 1 9 X I und X X I V des 7. Jhs. dessen 2. Hälfte zugewiesen, ist also noch jünger als Grab 67 (s. o. Sp. 165). In Z u s a m m e n f a s s u n g der bisherigen Feststellungen ergibt die Überprüfung der H. 61 Abb. 8 vorgelegten Gruppierung der Kerameikosgräber nach ihrer Lage im Gelände, den Grabtypen und den keramischen Form15 Am Ansatz der Fundgruppen aus den Gräbern 64, 99, 100, 98 in die 30er Jahre und die Wende zu den 20er Jahren des 8. Jhs. kann auch das Brann, Hesperia 29, i960, 4 1 4 1 angewandte, abrupte Verfahren der Zuweisung des gleichzeitigen Grabes Q 17 an das letzte Jahrzehnt des 8. Jhs. nichts ändern. In die gleiche Reihe gehört die Kotyle Brann, Hesperia 30, 1961 Taf. 77 F. 2. Vgl. dazu o. Anm. 14.

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z u D E R N E K R O P O L E D E S 10.—8. J A H R H U N D E R T S IM K E R A M E I K O S

typen eine viel engere Annäherung der auf Grund dieser Kriterien erreichbaren Zeitbestimmung an die neben den Grundtypen und der Lage der Gräber von der stilkritischen Untersuchung ihrer keramischen Fundgruppen ausgehende Gräberchronologie als H. 61 Abb. 8 zum Ausdruck kommt und H. 61. 63 als überraschend empfunden wird. Darüber hinaus verhilft zu einer zeitlichen Differenzierung innerhalb der einzelnen Typen- und Zeitgruppen unter Mitberücksichtigung der Lage der Gräber allein die Keramik. So verschieben sich die Ker. V 1 ausgesprochenen Ansätze der Gräber des io. und 9. Jhs. nicht auf Grund der Typengruppierung, sondern nur, weil infolge der Herabsetzung der Anfänge der frühgeometrischen Stufe in das 1. Viertel des 9. Jhs. (s. o. Sp. 147) die dem späteren 9. und der Wende zum 8. Jh. zugewiesenen Gräber in den Ausgang des 9. und in das 1. Viertel des 8. Jhs. herabrücken. Sie schließen also an die nächstfolgenden Gräber des 1. Viertels, der Wende zum 2. Viertel und des 2. Viertels des 8. Jhs. enger und damit der dichten Gräberfolge des 3. Jahrhundertviertels entsprechender als bisher an. Die ältere der zum Beispiel in den Gräbern 1 1 und 12 belegten Keramikstufen führt mithin näher an die jüngere heran (vgl. o. Sp. 148). Auf die zeitliche Ansetzung dieser jüngeren Keramikstufe wirkt sich der Vorgang nicht aus. Sie dürfte vielmehr nach der Lage der beiden Gräber neben dem infolge der Verschiebung der frühgeometrischen Anfänge mit den jüngsten Stufen seiner Fundgruppe nunmehr selbst über die Jahrhundertwende herabreichenden Grab 13 vom Ausgang des 2. Jahrhundertviertels weg näher an dessen Anfang zurückzusetzen sein. Die Abfolgen der H. 62 genannten Näpfe Ker. V 1 Inv. 780 Taf. 95 aus Grab 89, Inv. 861 Taf. 95 aus Grab 1 1 ; Inv. 261 Taf. 92 aus Grab 20, Inv. 238 Taf. 92 aus Grab 23, Inv. 863 Taf. 93 aus Grab 1 1 ; Inv. 886. 887. 2156 Taf. 89 aus Grab 13, Inv. 892 Taf. 89 und 893 Taf. 90 aus Grab 12 jeweils im Verhältnis von Breite und Höhe von weniger tiefer zu tiefer Form (Ker. V 1, 120), wegen der Näpfe Inv. 861. 863. 893 Anlaß der Tiefdatierung der Gräber 1 1 und 12, bleibt bei dieser zeitlichen An6 AA. 1964

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näherung der Entwicklungsstufen unverändert 16 . Grab 1 1 und 12 rücken also in das frühe 2. Jahrhundertviertel, sind aber immer noch später als Grab 13, wegen der nach Norden vorgeschobenen Lage des Grabes 15 mit zwei Näpfen der jüngeren Stufe jedoch vor diesem angelegt. Ebenso liegt, entsprechend seinem an der Abfolge der Näpfe Inv. 238 und 863 ablesbaren zeitlichen Verhältnis zu Grab 1 1 , Grab 23, wie der Vergleich seiner Näpfe mit denen aus Grab 13 und 15 erkennen läßt, zeitlich zwischen diesen beiden Gräbern. Samt der Lanzenspitze, die es enthält, paßt es seinen Typenmerkmalen nach ebensogut wie in die Zeitgruppe i b (H. 61. 62) in die Zeitgruppe 2, denn wenigstens Messer sind auch hier und sogar noch in Zeitgruppe 4 gefunden (s. o. Sp. 152). Umgekehrt wird Grab 20 nicht nur durch seine Pyxiden Ker. V 1, 1 2 1 Taf. 52 in nächste Nähe der Gräber 13 und 77 mit den Pyxiden Ker. V 1 Taf. 51. 52. 53 gewiesen, auch sein Napf Inv. 261 Ker. V 1 Taf. 92 liegt nach Form und Dekoration so beträchtlich vor den ihm von H. (62) gleichgestellten tieferen und weniger einfach dekorierten Näpfen Ker. V 1 Taf. 92 Inv. 387. 388 aus den Gräbern 34 und 35, daß es wie nach Lage und Grabtypus (s. o. Sp. 155) so auch wegen der Stufe seiner Beigaben aus der Zeitgruppe 2 heraus in Zeitgruppe 1 b zu versetzen ist. Selbst wenn Napf Inv. 261 ein geringer Qualitätsgrad zugebilligt würde (H. 63), bildete dieser für die Herabdatierung des Napfes und des Grabes 20 kein zwingendes Kriterium (vgl. 16 Mit der Datierung der Anfänge des Frühgeometrischen in das 1. Viertel des 9. Jhs. verringert sich auch der Abstand der, wie Ker. V 1, 52 f. bemerkt, nicht mehr der frühesten Stufe der Schulterhenkelamphoren angehörenden Amphora Ker. V 1 Taf. 42 Inv. 412 und des gleichzeitigen Napfes Ker. V 1 Taf. 89 Inv. 413, beide aus Grab 14, von den Näpfen Inv. 886, 887 aus Grab 13 (dazu Marwitz, J d l . 74, 1959, 75. 76). Gegen Gleichzeitigkeit der Näpfe Inv. 892 und 893 aus Grab 12 (Marwitz a. O. 77) spricht neben der größeren Tiefe des Napfes 893 auch die Bereicherung seiner Dekoration durch selbständige, nicht wie Ker. V 1 Taf. 89 Inv. 2 1 5 6 der Stufe des Napfes 892 asymmetrisch in das alte Rahmensystem des Ornamentfeldes eingebundene Triglyphen.

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o. Sp. 150). Auch die innerhalb der Entwicklungsstufen zu beobachtende Verschiedenheit der Stilrichtungen der keramischen Funde — bei der verglichen mit der Keramik des 6. und 5. Jhs. viel weniger differenzierten, enger dem Zeitstil verhafteten, daher unschwer zu übernehmenden Zeichnung von Ornament und Figur in dieser Frühzeit entgegen allen neuerdings hierauf gerichteten Bestrebungen kein zuverlässiger Hinweis auf Werkstattverschiedenheit (H. 63)— ergibt, selbst wo sich die Stilrichtungen über die Zeitgrenzen der Entwicklungsstufen hinweg fortsetzen, keine selbständigen zeitlichen Abläufe oder Anhaltspunkte. Einige äußere Tatbestände bedürfen noch der Klärung. Die O p f e r r i n n e n 1 und 2 (Ker. V 1, 30 ff. — H. 57. 60 Abb. 7 miteinander verwechselt) sind weder einem Kenotaph vergleichbare, selbständige Anlagen, noch enthalten sie wie die Brandgruben 37A, 51 Br. (Ker. V 1, 3 2 I ) nachträgliche Opferungen. Wie ihre zahlreicheren Nachfolger, die Opferrinnen in der Kerameikosnekropole des 7. Jhs., (Ker. VI 1, 87 f.) stets zugleich mit einem Grab, nie darüber angelegt und nicht selten von dessen Hügel oder Grabbau teilweise mit überdeckt sind, mit Grab, Hügel oder Bau also zeitlich eine Einheit bilden, gehören auch die beiden Rinnen des 8. Jhs. zu zwei Gräbern und sind nahe bei und zugleich mit ihnen, nicht behebig viel später, bei brandloser Beisetzung der Toten zur Verbrennung der Totengaben (Ker. V 1, 25. 30) in den Boden eingetieft. Nach den Formtypen und der Entwicklungsstufe der in ihnen gefundenen Keramik einander gleichzeitig, sind sie nach dem Grabungsbefund der durch Brandgrab 58 angeschnittenen Rinne 2 1 7 fest in die 17 Marwitz, J d l . 74, 1959, 55 ff- verbindet die Opferrinne 2 mit Grab 58. Fußkesselchen wie die, deren Scherben in der Füllung des Grabes 58 gefunden sind (Ker. V 1, 250, 251), begegnen nur noch in der Opferrinne 1 (Ker. V 1 , 240), in der Opfergrube über Grab 37 (Ker. Y 1 , 234) und in zwei Opfergruben auf der Agora (Young, Hesperia Suppl. 2, 5 1 . 5 7 f f . Abb. 38, 1 0 und Abb. 39, 2. 3), stammen also mit Sicherheit aus Rinne 2. Sie ist älter als Grab 58 und von ihm gerade noch angeschnitten, obwohl das Grab mit Rücksicht auf die Rinne, deren Erdaufwurf sichtbar dalag, weit nach Osten verschoben ist. Daß von dem abge-

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Zeitfolge der Grab 58 vorausgehenden Gräber des Gräberbezirkes einbezogen (Ker. V 1, 18f.): Rinne 1 kann nur mit dem beigabenlosen, nächstbenachbarten Skelettgrab 47 (s. o. Sp. 164) verbunden werden — Grab 50 scheidet wegen der zu frühen Entwicklungsstufen seiner Beigaben, Grab 48, weil von der Rinne überdeckt, Grab 49 als schnittenen kurzen Stück des östlichen Lehmziegelrandes der Rinne in der Füllung des Grabes 58 keine Reste gefunden sind, ist nicht verwunderlich. Die wenigen Brocken können beim Ausheben und Wiederauffüllen des Grabes leicht zerfallen oder auch bei seiner Freilegung der Beobachtung entgangen sein. Der östlich, durch Grab 58, angeschnittene Lehmziegelrand der Rinne wird von Marwitz (a. O. 55) seltsamerweise f ü r ein Rillenpaar gehalten, das in das Ende des Grabes mündet, um flüssige Spenden hineinzuleiten (a. O. 56). Entsprechend verwandelt sich für Marwitz der westliche Lehmziegelrand der Rinne in ein zweites Rillenpaar (a. O. 55), das aber offenbar nirgends hinführt. Da die Rinnen nachweislich weder im 8. noch im 7. J h . dazu dienten, Spendegüsse in die Gräber zu leiten, sondern Brandopfergaben an die Toten aufnahmen (Ker. V I 1 , 87), ist auch Marwitz' Einwand (a. O. 56), Rinne 1 und Grab 47 gehörten, weil räumlich nicht miteinander verbunden, nicht zusammen, nicht stichhaltig. Grab 58 liegt, wie Ker. Y 1 Beil. 2 und Taf. 8. 9 erkennen lassen, schräg in seinem Feld. Während die Südseite des Grabes von der Richtung der nördlichen Plattenreihe beträchtlich abweicht, nähert sich ihr die Nordseite (Marwitz a. O. 55). Ker. V 1 Beil. 2 erscheint der Grabumriß zu regelmäßig rechteckig. Eben weil die Südwestecke des Grabes in die Opferrinne 2 einschneidet, behält seine westliche Schmalseite die begonnene Richtung nicht bei, sondern verläuft, um sich v o m Inneren der Rinne wieder zu entfernen, leicht bogenförmig. Die Marwitz a. O. 56 bestrittene Gleichzeitigkeit der Fußschalen Inv. 360 und 361 (s. o. Anm. 12) aus Grab 58 mit der Fundgruppe aus Rinne 2 ergibt sich aus der Stellung der Schalen zwischen den Steilrandschalen aus Grab 5 1 Ker. V 1 Taf. 120 Inv. 1 3 1 6 , Taf. 1 2 1 Inv. 1 3 1 7 . 1 3 1 8 und der Steilrandschale aus Grab 59 Ker. V 1 Taf. 1 2 1 Inv. 335, die drei ersten aus den 40er, die letzte aus der 1. Hälfte der 30er J a h r e des 8. Jhs. Das strenge Felderornament der Wende zu den 30er Jahren (Ker. V 1 78. 305), das auch auf der Amphora Inv. 1236 Ker. V 1 Taf. 138 aus Rinne 2 und auf dem von Marwitz a. O. fälschlich auf Grab 58 bezogenen Kännchen Ker. V 1 Taf. 1 3 7 Inv. 1 3 6 1 aus der Rinne 2 gleichzeitigen Opferrinne 1 erscheint, ist auf den Fußschalen Inv. 360. 361 bereits verflüchtigt und auf dem Weg zu der nächst jüngeren Stufe, die durch die Münchener Kannen mit runder Mündung R . Lullies, C V A . München 3 Taf. 1 1 5 , 2; 1 1 6 , 2 dargestellt wird.

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Z U D E R N E K R O P O L E D E S 10.—8. J A H R H U N D E R T S I M

Brandgrab 18 dafür aus, Rinne 2 ist mit dem wiederum nächstbenachbarten, zugleich als einzigem der umliegenden Gräber gleich ihr nordsüdlich ausgerichteten und erst nach der Absteckung des Feldes 3 des Bezirkes angelegten Skelettgrab 57 zusammenzunehmen. Klare Auskunft gibt entgegen H. 59. 64 der Grabungsbefund weiter über den S ü d r a n d der N e k r o p o l e auf dem südlichen Eridanosufer. Nach vereinzelten früheren Stichproben stieß, in Übereinstimmung mit Ker. V 1, 7, die bereits 1957 vorgenommene Tiefgrabung 19 in der ganzen Länge des Gräberweges des 4. Jhs. auf kein einziges Grab. Damit ist die schon im Hinblick auf die seit der Zeitgruppe 2 (Grab 15) rückläufige Verteilung der Gräber über den Nord- und Nordostteil des Geländes unverständliche Annahme einer Fortsetzung der Gräber der Zeitgruppe 4/5 unter dem Weg widerlegt, und auch die für diese vermeintlich so weit südwärts vorgeschobenen Gräber vorausgesetzten G r a b g e f ä ß e m i t P r o t h e sis- und E k p h o r a b i l d e r n haben nie dort gestanden. Die Amphora auf Grab 25, der Krater auf Grab 43, beide nur mit bescheidenen Klagefrauenbildern unter den Henkeln — dieser Zurückhaltung wie der in das 2. Jahrhundert viertel weisenden Entwicklungsstufen wegen aus den Anfängen der auf die Totenfeiern bezüglichen Darstellungen —•, dazu der bedeutende Krater der 40er Jahre mit Pferde- und Rehbildern auf Grab 26 zeigen vielmehr, wie bereits Ker. V 1, 20 ausgeführt, daß an der mit den Gräbern 24—35, 43 und 44 besetzten Südgrenze des Gräberfeldes die Grabgefäße sich noch mit solchen schlichten Darstellungen begnügten. Für die Aufstellung reicher Prothesis- und Ekphorabilder, wie sie in der attischen Keramik zunehmend seit der Jahrhundertmitte hervortreten, kommen dagegen sehr wohl die übrigen 1 8 Marwitz, J d l . 74, 1959, 57. Erst i m 7. Jh. werden die Rinnen, im Gegensatz zu ihrem A u f k o m m e n i m 8. Jh., bei Brandgräbern angelegt. Anders als G r a b 49 enthalten daher die zugehörigen Brandgräber keine Beigaben. 1 9 O h l y in Neue Deutsche Ausgrabungen im Mittelmeergebiet und im Vorderen Orient 257; D a u x , B C H . 82, 1958, 663.

6*

KERAMEIKOS

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Wegränder der Nekropole in Betracht, sofern sie nicht schon von älteren, wie aus dem vorsichtigen Zurückgreifen der jüngeren Gräber auf den bereits belegten Nordteil des Geländes zu ersehen ist, keineswegs leicht der Zerstörung preisgegeben (Ker. V 1, 36) und selbst im 7. Jh. noch möglichst geschonten Gräbern (Ker. VI 1 Beil. 1) besetzt waren. Daß dem so ist, erweist der Fund eines Großkraters mit dem Bild der Ekphora auf einem Grab dieser Zeit in dem von protogeometrischen und ältergeometrischen Gräbern freien, 1962 untersuchten Gelände am Südrand des Weges, der hier, tief unterhalb des Steilhanges mit den Gräbern der Südnekropole, an der Stelle der späteren Heiligen Straße nach Eleusis dicht am Südrand des Eridanos hinführte 20 . Einzig in der Lage an eben diesem Hauptweg, dessen Bedeutung je nach der Stärke der Glaubensvorstellungen, die mit ihm und mit Eleusis verbunden wurden (Ker. V i , 4of.), sich noch erhöhte, liegt der V o r r a n g der protogeometrischen und der geometrischen N e k r o p o l e auf dem S ü d u f e r vor den gleichzeitigen Nekropolen auf dem Nordufer des Eridanos, die durch den Bachlauf und sein Überschwemmungsgebiet aus der Nachbarschaft des Weges weit nordwärts abgedrängt waren. Da, abgesehen von ihrer durch die weitgehende antike Zerstörung des Mittelteiles der Nordnekropole (Ker. V 1, 4) bedingten geringeren Anzahl die protogeometrischen und geometrischen Gräber, selbst wenn die im 19. Jh. hier gemachten Funde an geometrischer Keramik (Ker.V 1,1) nicht mit berücksichtigt werden, weder an Reichtum noch an Qualität ihrer Fundgruppen hinter denen der Südnekropole zurückstehen (H. 65. Vgl. Ker. I 100 ff. Grab A — E und Grab a; Ker. V 1 Grab 69, 71, 72, 74, 75, 86, 89 und 98, darunter 71 und 72 je mit einem stattlichen Bronzekessel wie in der Südnekropole allein Grab 58, dazu Grab 72 mit einem Tierfries-Goldband wie dort Grab 50) und auch die Grabtypen und keramischen Formtypen sich nicht von denen der Südnekropole unterscheiden, läßt sich ein »Strukturunterschied« zwischen den beiden Gräberfeldern nicht konstruieren. 20

A A . 1963, V I I ; D a u x , B C H . 86, 1962, 652.

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K A R L

Zu einer in die Folgezeit hineinreichenden s u b m y k e n i s c h e n S i e d l u n g im Bereich der Akropolis und des Areopag mag im Ubergang von der submykenischen zu der protogeometrischen Stufe eine protogeom e t r i s c h e S i e d l u n g auf dem Nymphenhügel getreten sein, von der aus die protogeometrischen Gräber auf dem Südufer des Eridanos angelegt wurden (Ker. V 1, 5). Diese Beziehung der beiden Nekropolen zu ursprünglich getrennten Siedlungsgebieten kann sogar nach deren allmählichem Zusammenwachsen untereinander und mit Wohngebieten im Bereich der späteren Agora noch weiter bestanden haben. Im Befund der Gräber und ihrer Fundgruppen spiegelt sie sich nicht. Eine über die diesbezüglichen Hinweise Ker. I 177. 217 ff. 253f.; Ker. V 1 , 1. 5. 37f. hinausgehende Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte für das Athener Gebiet im 12.—8. Jh. setzt eine ausgedehnte, systematische Bodenforschung, zum wenigsten die Aufarbeitung sämtlicher bisher bekannt gewordenen attischen und außerattischen Siedlungs- und Grabbefunde aus diesem zeitlichen Bereich 21 einschließlich der Masse der protogeometrischen und geometrischen Streufunde aus dem Kerameikos voraus, kann also nicht Aufgabe der Publikation eines dieser Fundkomplexe sein, selbst wenn dieser sich als der bisher bedeutendste attische seiner Zeit herausstellt. Über die A l t e r s s t u f e n der auf dem Südund Nordufer des Eridanos Beigesetzten sind infolge des Verlustes der Aufzeichnungen über die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung der meist schlecht erhaltenen Skelettreste (Ker. V 1, 26. 208) ins einzelne gehende Angaben unmöglich. Die in der Gräberbeschreibung festgehaltenen Skelettlängen betragen, abgesehen von Grab 21 und 83 mit Skeletten von 170 bis 180 cm Länge, soweit der Erhaltungszustand der Skelette eine Gesamtmessung zuläßt, 125 cm (Grab 20), 135 cm (Grab 28), 138 cm (Grab 80), 142 cm (Grab 79, 93), 148 cm (Grab 88), 150 cm (Grab 9), 155 cm 21 Vgl. dazu V. R. d'A. Desborough, The last Mycenaeans and their successors 37ff. 58. 72. 1 1 3 . 1 1 5 . 116. 119.

K Ü B L E R

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(Grab 10), im West- und Südteil der Südnekropole und in der Nordnekropole also gleich viel und weniger als die Skelettlängen 155 und 160 cm in den Gräbern 61 und 53 des Ostteiles der Südnekropole. Diese beiden Gräber können mithin nicht auf Grund der Längenmaße ihrer Skelette für eine Scheidung der Gräber des Ostteiles von denen des West- und Südteiles der Südnekropole nach den Altersstufen jugendlich-erwachsen22 in Anspruch genommen werden (H. 65). Angesichts der nur in Grab 21 des Westteiles der Südnekropole und in Grab 83 der Nekropole auf dem nördlichen Eridanosufer nachgewiesenen, 160 cm übersteigenden Skelettlänge, der dieses Maß nur dreimal unbeträchtlich überschreitenden, fünfmal unterschreitenden Körperlängen, die in der submykenischen Nekropole auf dem Nordufer festgestellt sind, und des aus dem anthropologischen Befund für die submykenischen Skelette erschlossenen einstigen Lebensalters von 20 bis 40 Jahren (Ker. I 229 ff. 244) ist von dem Begriff jugendlich in diesem Zusammenhang überhaupt abzusehen. Die Erklärung der Skelettgräber des Ostteiles, insbesondere des Gräberbezirkes, als Ephebengräber scheitert schon an der mit Ausnahme des Grabes 61 (männlich) und vielleicht der Kindergräber 50 (Knabe ?) und 56 (Mädchen?) fehlenden Sicherheit hinsichtlich des Geschlechtes der hier Begrabenen. Mit der Altersstufe der Beigesetzten hat die A n l a g e des G r ä b e r b e z i r k e s im Ostteil der Südnekropole nichts zu tun, umsomehr aber mit der Lage und Sicherung der Gräber auf dem unmittelbar aus der Eridanosniederung aufsteigenden Steilrand des Geländehanges, über den sich die Nekropole südlich des Eridanos verteilt. Der Absturz der Gräber 45 und 48 kann der Anlage des Bezirkes leicht vorhergegangen sein und die Absicherung der niedrigen, rechteckigen Erdhügel über den frühesten Gräbern des Bezirkes durch eine Plattensetzung ausgelöst haben. Der ganze Bezirk fällt zudem, wie schon die Großformen seiner Skelettgräber und des Brandgrabes 58, desgleichen 22

Homann-Wedeking, Gnomon 30, 1958, 339 f.

177

ZU DER NEKROPOLE DES 10.—8. JAHRHUNDERTS IM KERAMEIKOS

die aus älterer Zeit nicht erhaltenen Opferrinnen zeigen, mitten in einen Wandel der Grabformen. Der zellenartige Zusammenschluß der einzelnen Felder des Bezirkes wiederholt sich in dem gleichartigen Zusammenschluß über ihnen liegender Grabbauten aus der Wende zum 6. J h . (Ker. V I 1 , 92) und wird hier wie dort auf das Verwandtschaftsverhältnis der in den solcherweise miteinander verbundenen Einzelanlagen Beigesetzten zurückzuführen sein. Derartige Komplexe von Grabbauten sind auch an anderen Stellen der Nekropole des 7. und frühen 6. Jhs. auf dem südlichen Eridanosufer festgestellt (Ker. V I 1 , 92). Ebenso mögen dem Gräberbezirk gleichzeitige, ähnliche Anlagen auf der durch die Aushebung der Erdmassen für den Grabhügel des 6. Jhs. (s. o. Sp. 157) zerstörten westlichen Fortsetzung des Steilabsturzes des Geländes gelegen haben. Mit den übrigen Gräbern des 8. Jhs. sind hier gewiß zugleich Kinderbeisetzungen der Art, wie sie im Gräberbezirk und seiner Umgebung begegnen, zugrunde gegangen und selbst im Bereich der Kindergräber 64—66 wird dies, worauf das halb zerstörte Grab 65 deutlich genug hinweist, infolge der durch die zahlreichen hier eingeschnittenen, tiefen Schachtgräber des 6. und 5. Jhs. hervorgerufenen Störungen der Fall gewesen sein. Die H ä u f u n g v o n K i n d e r b e s t a t t u n gen in Gestalt von Skelettgräbern (50, 56, 57, 62, 99) und Beisetzungen in Amphoren (46, 5 1 A , 52, 64, 100), Krügen (53 A) oder Pithoi (65, 66) und ihre Einstreuung zwischen die bereits hier befindlichen Erwachsenengräber (45, 47, 48, 51, 53, 58, 60, 61, 63 und wohl auch 54, 55) im Nordostund Ostteil, dagegen nicht im West- und Südteil der Nekropole auf dem Südufer des Eridanos hat ihre Ursache in dem Wiederaufkommen insbesondere der Kinderbeisetzungen in Amphoren und Pithoi nicht vor dem 3. Viertel des 8. Jhs. (Ker. V 1, 1 3 f.) und in der zeitlich damit zusammenfallenden Ausdehnung der Südnekropole von jenem West- und Südteil her auf den Ostteil des Geländes seit der Jahrhundertmitte, ein Vorgang, der in dem unmittelbaren räumlichen Anschluß der

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ältesten nachgeometrischen, in das 7. J h . herabführenden Gräber (Ker. V I 1 , 1 3 ff.) an die Gräber 64—67 seine Fortsetzung findet. In Übereinstimmung hiermit liegen in der Nekropole auf dem Nordufer des Eridanos die Kindergräber in Amphoren 85, 96, 97 ebenfalls nicht im früher belegten Südteil, sondern zwischen den vorwiegend dem 3. Viertel des 8. Jhs. angehörenden Gräbern im Nordteil des Geländes. Wie auf dem Südufer die Gräber 64—66 des späten 3. Viertels und Grab 67 des letzten Viertels des 8. Jhs. sich wieder südwärts den Geländehang hinaufziehen und dort die nächstjüngeren nachgeometrischen Gräber sich ihnen anreihen, sind in dem stark zerstörten Gelände auf dem Nordufer Grab 78 und 98 als die jüngsten geometrischen Gräber wieder rückläufig weit gegen den Eridanos vorgeschoben und bezeichnen die Anschlußstelle der Gräber des frühen 7. Jhs. (Ker. V I 1 Beil. 43, r. Hälfte Grab 74 [Grab 98 ist links von ihm gestrichelt eingetragen] u. Beil. 43 1. Hälfte Grab 62, zur Situation vgl. Ker. I Beil. 1 r. oben). Dabei greifen auf dem Nordufer Grab 62, auf dem Südufer die Gräber 3—5 (Ker. V I 1 Beil. 1) in gleicher Weise auf den Bereich der ältergeometrischen Gräber über. So wenig wie hinsichtlich der Altersstufe der Beigesetzten bestehen also in der Verteilung der späten Kindergräber und hinsichtlich des räumlichen Verhältnisses der jüngsten geometrischen zu den frühesten nachgeometrischen Gräbern Verschiedenheiten zwischen den Nekropolen nördlich und südlich des Eridanos. Ungeachtet ihrer siedlungsgeschichtlich wahrscheinlich unterschiedlichen Entstehung in submykenischer und frühprotogeometrischer Zeit (s. o. Sp. 175) weichen die beiden Gräberfelder im 9. und 8. J h . allein in ihrer Lage am Weg nach Eleusis auf der Südseite oder seitab von ihm auf der Nordseite des Eridanos voneinander ab, eine Trennung, der schon die späten Gräber 78 und 98, in der Folgezeit die Gräber 62 und 74 des frühen 7. Jhs. durch ihre Anlage möglichst nahe dem Nordrand des Eridanos — und damit in Sehweite des Weges gegenüber — entgegenzutreten suchen.

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H E I N R I C H

Als S c h l u ß w o r t sei hervorgehoben: Bestimmend für die im Vorliegenden besprochene Typenchronologie der geometrischen Gräber im Kerameikos ist deren Lage und Verteilung im Gelände. Den Ansatzpunkt liefern die protogeometrischen Gräber auf dem Südufer des Eridanos und ihr bis zum Ende der protogeometrischen Stufe zu beobachtendes allmähliches Vorrücken nach Süden den Uferhang hinauf, also ausschließlich ein Ergebnis des Stilvergleiches der protogeometrischen Fundgruppen miteinander und mit den frühgeometrischen Keramikfunden. Selbst auf diesem durch die Untersuchung der Keramik gefestigten Grund führt eine allzu summarische Typengruppierung der Gräber, wie sich gezeigt hat, zu groben chronologischen Verzerrungen. Eine genauere Typenvergleichung gelangt von der gleichen Grundlage aus wohl zu schlüssigeren Ergebnissen, bedarf aber zur Umsetzung in ein durchgegliedertes Zeitsystem nicht nur in Einzelfällen der Ergänzung durch den keramischen Befund. Eine entwicklungsgeschichtlich zuverlässige Typenchronologie der geometrischen Gräber und auf ihr beruhend etwa die Einsicht in den Wandel der attischen Glaubensvorstellungen in diesen Jahrhunderten (Ker. V 1, 4off.) ist also von Grund auf eine Funktion der stilkritischen Untersuchung der geometrischen Keramik. Der grundsätzliche Unterschied zwischen vorgeschichtlichen und frühgriechischen Befunden wird hier offenbar. Die protogeometrischen und geometrischen Gefäße sind keine vorgeschichtliche Ton wäre ohne eine nach greifbaren Maßen sich vollziehende innere Entwicklung, sondern erste, reine, nach Rang und Umfang des Erhaltenen im Bewußtsein ihrer Zeit führende Zeugnisse der Selbstverwirklichung griechischen Geistes und Formgesetzes. Sie können nicht entgegen der Differenziertheit, Überschaubarkeit und K r a f t ihrer Aussage mit der Typenschematik von Spinnwirteln und anderen ihrer Begleitfunde auf eine Stufe gestellt werden.

Tübingen

Karl Kübler

D R E R U P

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GRIECHISCHE ARCHITEKTUR Z U R Z E I T HOMERS* Griechische Baureste der Frühzeit zu den Bauten der homerischen Epen in Beziehung zu setzen ist ein geläufiges Verfahren der Homerforschung, das den Dichter aus den Denkmälern zu illustrieren sucht. Diesmal wird es umgekehrt sein, wird Homer die illustrierende Rolle zufallen und werden die Denkmäler im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die Umkehrung der Methode bedingt naturgemäß eine andere Umgrenzung des Gesichtsfeldes. Die Abfassungszeit der homerischen Epen ist nach der überwiegenden Ansicht der heutigen Forschung die 2. Hälfte des 8. Jhs. 1 , archäologisch gesprochen die spätgeometrische Stilphase. Mykenische Denkmäler werden also im Gegensatz zur Homerinterpretation keine Rolle spielen. Andererseits läßt sich die griechische Architektur der genannten Zeit nur dann erfassen, wenn sie im Sinn frühgeschichtlicher Betrachtungsweise als Ausschnitt eines großräumigeren Geschehens erscheint. Dieses umfaßt die Jahrhunderte von der dorischen Wanderung bis in die frühorientalisierende Zeit und beschränkt sich keineswegs auf den griechischen Kulturraum. Die innerhalb dieses erweiterten Blickfeldes anzutreffenden Denkmäler sind spärlich, wenn auch in ihrer Gesamtzahl nicht gering; zum größeren Teil sind sie erst in * Die folgenden Ausführungen geben die im einzelnen veränderte und leicht gekürzte Fassung eines Vortrags vor der Archäologischen Gesellschaft Berlin zum Winckelmanntag 1963 wieder. Die behandelten Monumente stellen notgedrungen eine Auswahl dar, das Gleiche gilt für die Nachweise. Die ausführliche Behandlung der Denkmäler wird im Rahmen der Archaeologia Homerica erfolgen. 1 W. Schadewaldt, Homer und sein Jahrhundert in Das neue Bild der Antike I (1942) 5 1 ff. 89; A. Lesky, Gesch. d. griech. Lit. 2 (1963) 58. Andere Ansätze: P. von der Mühll, Kritisches Hypomnema zur Ilias (1952): Iliasdichter , , B " nach 600. M. Treu, Von Homer zur L y r i k (1955); ders., Philologus 99, 1955, 1 5 7 0 . : Ilias Ende des 9. Jhs., allenfalls Anfang des 8. Jhs. J . Forsdyke, Greece before Homer (1956) n o f f . : Ilias 2. Hälfte des 9. Jhs. W. Kulimann, Die Quellen der Ilias (i960) 38 u. 84 Anm. 3: Ilias nach 650. F ü r Hinweise bin ich O. Lendle verbunden.

l8l

GRIECHISCHE ARCHITEKTUR ZUR ZEIT HOMERS

den letzten drei Jahrzehnten ans Licht getreten2. Nur ein Teil von ihnen ist ausreichend publiziert, für die übrigen liegen vorläufige Fundnotizen oder allgemeine Mitteilungen vor. Eine zweite Einschränkung betrifft den Zustand der Denkmäler. Durchweg handelt es sich um Grundrisse bzw. um Fundamente, die gelegentlich einen Teil der aufgehenden Mauern tragen und die über die ursprüngliche Gestalt des Gewesenen, wenn überhaupt, nur Vermutungen zulassen. Zwar steht den Bodenbefunden eine nicht geringe Zahl bescheidener Tonmodelle zur Seite, die über das Verlorengegangene einige allgemeine Schlüsse erlauben; hinzu kommen die Erkenntnisse, die sich aus Homer ergeben. Gleichwohl: Die erscheinungsmäßige Wirklichkeit der geometrischen Architektur ist unwiederbringlich verloren. Damit sondert sich die Baukunst nachdrücklich von der reichen Hinterlassenschaft an zeitgenössischen Werken der Kleinkunst ab und steht nicht minder im Gegensatz zum Glanz, der von den homerischen Epen ausgeht. Es mag mit dem wenig ermunternden Charakter des Erhaltenen zusammenhängen, daß die geometrische Architektur ungeachtet des bereicherten Denkmälerbestandes ein noch unerschlossenes Forschungsgebiet darstellt. Der hiermit vorgelegte Versuch, einige ihrer Besonderheiten herauszustellen, ist sich seiner unzureichenden Voraussetzungen ebenso bewußt wie seines skizzenhaften, auswählenden Charakters. Die Zeit scheint jedoch reif zu sein für die Frage, ob es angeht, von einer geometrischen Architektur als Epoche zu sprechen. Zwischen den Bauten der mykenischen Burgherren, deren Taten Homer beschreibt, und der frühgriechischen Architektur liegt die Katastrophenschicht der dorischen Wanderung aus der Mitte und der 2. Hälfte des 12. Jhs. 3 , was nicht ausschließt, daß an den Boden gebundene Kontakte zwischen Altem 2 C. W e i c k e r t k o n n t e bei d e r A b f a s s u n g seines B u c h e s ü b e r die T y p e n d e r a r c h a i s c h e n A r c h i t e k t u r (erschienen 1929) n u r e i n e n k l e i n e n Teil des heute b e k a n n t e n Materiales benutzen. 3 H i e r ü b e r z u l e t z t P . Älin, D a s E n d e d e r m y k e n i s c h e n F u n d s t ä t t e n auf d e m griechischen F e s t l a n d (1962).

A b b . 1. O v a l h a u s

in A l t s m y r n a . G r u n d r i s s

182

und

Rekonstruktion

und Neuem lebendig gebheben sind. Genannt sei die Kontinuität einzelner Kultorte4, weiter die Verehrung, die den Resten mykenischer Vergangenheit, vor allem den Gräbern, entgegengebracht wurde5, schließlich die als historischer Vorgang schwer erklärbare Kontinuität einzelner Bautypen. Im ganzen jedoch reicht der Bruch gerade im Bereich der Architektur in die Tiefe 4 Z u s a m m e n s t e l l u n g e n : Ch. P i c a r d , R é l i g i o n s p r é h e l l e n i q u e s (1948) 207. 2 8 3 ; M. Nilsson, M i n o a n M y c e n a e a n Religion 2 (1950) 4 7 3 f f . ; H . G a l l e t d e S a n t e r r e , Délos p r i m i t i v e e t a r c h a i q u e (1958) 96ff. 2 1 1 ff.; H . L . L o r i m e r , H o m e r a n d t h e M o n u m e n t s (1950) s. I n d e x s. v. cult, t e m p l e s . Zu K e o s : C a s k e y , H e s p e r i a 3 1 , 1962, 263 ff. 5 Z. B . b e i m argivischen H e r a i o n : C. Biegen, P r o s y m n a (1937) 2 6 2 f . ; in M y k e n e : G. M y l o n a s , A n c i e n t M y c e n e (1957) i 6 5 - 1 T l '< Eleusis: H a m p e , G y m n a s i u m 63, 1956, 5.

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HEINRICH

auch hinsichtlich des bescheideneren Lebensanspruches, den die Menschen der neuen Zeit stellten. Das 1 1 . und weithin noch das 10. Jh. sind, wenn wir von Kreta absehen, denkmälerlos ; die Reste setzen in der ausgehenden protogeometrischen Zeit ein. Ihnen wenden wir uns zunächst zu. Der älteste Baurest in Altsmyrna ist ein in seinen unteren Teilen wohlerhaltenes Ovalhaus (Abb. 1), das E. Akurgal noch dem ausgehenden 10. Jh., allenfalls der Zeit um 900 zuweist6. Es handelt sich um ein einzimmeriges Haus von 5 m Länge, eher um eine Hütte. Über einem kleinsteinigen Fundament erhob sich eine in den unteren Lagen stehengebliebene Wand aus luftgetrockneten Lehmziegeln. Der Eingang war an der Schmalseite, also vorne; Bodenspuren von Innenstützen führen zur Ergänzung eines Satteldaches. In seinem hüttenartigen Charakter ist das Haus keineswegs typisch, typisch dagegen ist es in seiner Grundform. In der helladischen Architektur ist das Ovalhaus unbekannt oder nahezu unbekannt7, dagegen gehört es zum Typenbestand der geometrischen Architektur bis in das 7. Jh. hinein. Es reicht von der jonischen Küste über die Inseln zum griechischen Festland8 und findet seine Fortsetzung im italischen Raum, wo es als Leitform der apenninischen Kultur angesprochen werden kann.9 Es begegnet als anspruchslose Hütte, als größer bemessenes, zum Teil mehrzimmeriges Haus, als repräsentativer Kultbau; denn ein gekrümmter Wandrest des geometrischen 6 E. Akurgal, Die Kunst Anatoliens (1961) 9. 10 Abb. 1. 301 Abb. 1; ders., A J A . 66, 1962, 369; J. M. Cook, Greek settlement in the Eastern Aegean and Asia Minor (CAH. I/II 2 1961) 25. 7 Lediglich in Thermos läßt es sich vielleicht bis in die helladische Zeit hinauf verfolgen: Rhomaios, üpctKT. 1931, 64! (ohne Angabe der mitgefundenen Keramik. Vgl. Hesperia 2, 1933, 551). 8 Nachweise bei Drerup in MarbWPr. 1962, 1. 9 Rom: MonAnt. 41, 1951, iff. E. Gjerstad, Early Rome I 118 ff. Abb. 125; La Capriola bei Rom: AA. 1957, 247; Veji: NSc. 8. Ser. 7, 1953, 102 Abb. 69; S. Giovenale: A J A . 66, 1962, 397 Taf. 115b. A. Boethius in: Etruscan Culture (1962) 28; Leontini (Sizilien): A J A . 60, 1956, 397 r.; Manfria (Sizilien): A J A . 65, 1961, 387 r. Vgl. auch die zusammenfassenden Bemerkungen von Boethius 28.

DRERUP

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Kulthauses in Eleusis läßt am zwangslosesten die Ergänzung zu einem Ovalhaus zu. Die Existenz des Ovalhauses ist Homer bekannt. Die 'Klisie' des Eumaios und Achilles müssen Ovalbauten gewesen sein. In der sozialen Einstufung des Ovalhauses zeigt sich deutlich, daß es hinter dem Rechteckhaus zurückstand. Dem Ovalhaus zur Seite tritt das Apsishaus. Sein Verbreitungsgebiet beschränkt sich im Gegensatz zu jenem auf den griechischen Kulturraum; im übrigen setzt es gleichfalls früh ein. Ein vor kurzem entdecktes Apsishaus in der Unterstadt von Mykene ist vom Ausgräber N. Verdeiis dem ausgehenden 10. Jh. zugewiesen worden; der Plan steht noch aus10. Eine Datierung ins 10. oder 9. Jh. hat W. Lamb für ein in den unteren Partien aufrecht stehendes Apsishaus in Antissa auf Lesbos ausgesprochen (Abb. 2a. b) 11 . Es handelt sich um einen Steinbau. Die polygonal gefügte Mauer ist in ihren aufgehenden Partien ausgesprochen kleinsteinig. Die kleinsteinige Fügung darf als typisch für die geometrische Wand angesprochen werden (vgl. Sp. 207). Gelegentlich sind die Steine trocken verlegt 12 , im allgemeinen ruhen sie in einer Lehmbettung. Kalkmörtel scheint ungebräuchlich gewesen zu sein. Das Apsishaus in Antissa ist im 8. Jh. von einem Ovalhaus überbaut worden. Doch geht es nicht an, das Apsishaus als eine Variante desselben oder als eine Mischform zwischen Rechteck- und Ovalhaus anzusehen. Im Gegensatz zum Ovalhaus ist das Apsishaus Nachkomme einer in der griechischen Bronzezeit hochangesehenen Bauform 13 und nur von dorther erklärbar; außerhalb des griechischen Bodens ist es bisher nicht nachgewiesen worden. Offensichtlich liegen hier tradierende Kräfte des 10 "Epyov 1962, 106ff.; BCH. 87, 1963, 746 Abb. 22. 11 BSA. 32, 1931/32, 4ifl. Die Vorlagen für Abb. 2 b u. 3 b wurden von cand. phil. B. Wesenberg gezeichnet. 12 So am Apollotempel von Dreros: BCH. 60, 1936, 255 und an der ältesten Stadtmauer von Smyrna (vgl. Anm. 71). 13 Nachweise in R E . Suppl. V I I 224 ff. s. v. Haus (D. M. Robinson).

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G R I E C H I S C H E A R C H I T E K T U R Z U R Z E I T HOMERS

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Abb. 2 a. Antissa, Apsishaus. Darüber Ovalhaus des 8. Jhs.

Abb. 2 b. Antissa, Apsishaus. Rekonstruktion

Bodens vor. Um so wichtiger sind gewisse Unterschiede zum Apsishaus der Bronzezeit. Die Schenkelwände in Antissa schwenken gegen die Eingangsseite in leichter Konvexführung einwärts. Das ist keine handwerkliche Nachlässigkeit, wie die schräggeführten Querwände zunächst nahelegen; denn der Verlauf des Konvexbogens ist in seinem schwachen Ausschlag kunstvoll und streng symmetrisch (Abb. 2b). Dem bronzezeitlich-helladischen Apsishaus ist diese Eigentümlichkeit unbekannt. Wohl sind die Schenkelwände von Kompartiment zu Kompartiment gelegentlich versetzt, oder sie konvergieren gegen den Eingang

hin, in jedem Fall aber sind sie gerade14. Umgekehrt steht die Konvexführung der Schenkelwände am Apsishaus von Antissa nicht allein, sie kehrt wieder am bekannten Hausmodell von Perachora aus dem 8. Jh. Noch der in wohlgefügten Quadern fundamentierte Südbau des Bouleuterions von Olympia aus dem 6. Jh. hat leicht konvex geführte Schenkelwände, für die Dörpfeld eine Erklärung nicht vorzubringen wußte15. 14 Selbstverständlich lassen sich auch in der helladischen Architektur gebogene Mauerzüge nachweisen, doch sind die Krümmungen dort ohne System. 15 Olympia Ergebnisse II 77 Taf. 55.

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H E I N R I C H

So ist es nicht der Grundrißtypus, sondern die gebogene Wand, die das Apsishaus von Antissa von seinen helladischen Vorläufern unterscheidet und dem Ovalbau annähert. Der dritte gleichfalls von Anfang an begegnende Bautypus der Frühzeit ist der Rechteckbau. Das älteste Beispiel bietet Thermos in Ätolien (Abb. 3 a). Hier haben die Ausgräber Sotiriadis und Rhomaios unter den Fundamenten eines im 7. Jh. errichteten Apollotempels einen Rechteckbau entdeckt, der unter der Buchstabenbezeichnung B bekanntgeworden ist. Die Berichterstattung über den wichtigen Bau reicht von 1900 bis 1924 und teilt sich auf in die Berichte der beiden Ausgräber, die über vieles verschiedener Meinung waren18. In einem Aufsatz des letzt jährigen Marburger Winckelmannprogrammes habe ich versucht, das Gesicherte vom Vermuteten zu trennen, ihm ist der rekonstruierte Grundriß entnommen (Abb. 3b) 1 '. Es handelt sich um ein nicht unbedeutendes Haus von 21,5 m Länge. Die Datierung ist durch in situ gefundene protogeometrische Scherben einigermaßen gesichert. Die Langwände enden in abgesetzter Mauerstirn, denen eine Holzverkleidung vorgelegt war18, gegen diese ist eine Eingangsmauer gesetzt. Die Schlußfolgerung läßt sich kaum abweisen, daß die Eingangsmauer später hinzugekommen ist, vielleicht um einem drohenden Einsturz vorzubeugen. Dann aber ergibt sich als ursprüngliche Anlage ein Bau mit offenem Vorraum bzw. mit vorgezogenen Anten, dessen Ahnen nicht minder als die des Apsisbaus im griechischen Boden verwurzelt sind. Auch eine leichte Konvergenz der Wände gegen den Eingang hat ihre Vorstufe im Helladischen19. Um so eigentümlicher ist die Grundrißgestaltung im einzelnen. Sowohl die Rückwand als auch die Langwände sind ge16

Sotiriadis, *E