Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland: Band 2 [Reprint 2022 ed.] 9783112680209


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German Pages 415 [824] Year 1843

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Table of contents :
Westliche fJränze der 6'laven
Westliche Slaven
Ueber Bronewjkii's Geschichte der Donischen Kosaken
Nikolai Gretsch's Vorlesungen über die russische Sprache
Erzählungen des Grafen Sollogub
Ueber Köppen's Alterthümer der südlichen Krym
Die alte Religion der Tscherkessen
Bellingshausens Reise nach der Südsee und Entdeckungen im südlichen Eismeer
Ueber die vermeintlichen Ichniolithen bei Buchtarminskaja
Zur Geschichte des Adels und des Bauern-1 standes in Russland
Ueber Schergin's mongolische Chrestomathie
Anmerkung zu dem Artikel: „Sprachglänze der Slaven."
Zur Geschichte des Adels und des Bauernstandes in Russland
Nikolai Gretsch's Vorlesungen über die russische Litteratur
A. Mordwinow's Skizze des Landes Sajablonje
Subarew's Reise durch Kaclietia, Tuschetia, Pschawia, Chewjuria und das Gebiet D/aro - Bjelokanv
Zweiter Jahrgang des Mojkwitjanin
Pogridin über den Ursprung des russischen Reichs
Von dem russischen Postwesen bis zu Ende des 17. Jahrhunderts
Die Mineralquellen des Kreises Nevtschiaik in Ost-Sibirien
Der Rujjkji Wjejtnik
Zustand der Künste in Russland zu Ende des 17. Jahrhunderts
Tagebuch über die Expedition des Fürsten J. W. Dolgorukji nach Montenegro
Neuere Untersuchungen des südlich vom Altai gelegenen Landes
Verbesserungen zum zweiten Bande (1842)
E. Eichwald's Schilderung des Kaspischen Meeres und des Kaukasus
Historiae Ruthenicae Scriptores saeculi XVI. Collegit et ad veterum editionum fidem edidit Adalbertus de Starczewski. Volumen I. Berlin und Petersburg. 1842
Lermontow's Gedichte
Wenjaminow über die Aleutisclien Inseln und deren Bewohner
Turgeniew: historica Russiae monimenta, ex antiquis exterarum gentium arcliivis et bibliothecis deprompta. Tom. I. Petropoli, Pratz, 1841
Ueber die Goldwäschen in Sibirien
Ueber die geognostischen Verhältnisse von Nord- Asien in Beziehung auf das Gold-Vorkommen in diesem Erdtheile
Vorläufiger Bericht des Hrn. P. v. Tschichatschew über seine Reise im östlichen Altai
lieber magnetische Beobachtungen im russischen Reiche
Ueber die geognostischen Verhältnisse des Gouvernement Charkow
Anzeige einiger neueren polnischen Werke
Verbesserungen und Zusätze
Bibliographie für das Jahr 1841
Bibliographie für das Jahr 1840
Ueber Bronewjkii's Geschichte der Dorischen Kosaken
Zweiter Jahrgang des Mojkwitjanin
Der Rumkji Wjestnik
Rusitawel, der grisische Dichter
Einige geographische und ethnographische Notizen über Klein-Asien
Resultate einer Russischen Expedition nach Buchara in den Jahren 1841 und 1842
Die Diluvialschrammen bei Helsingfors
Ueber die geognostischen Verhältnisse von Nord- Asien in Beziehung auf das Gold-Vorkommen in diesem Erdtheile
Neueste Beiträge zur Geognosie von Nordasien
Mikroskopische Analyse einiger von A. Erman in Nord-Asien gesammelten sehr merkwürdigen organischen Erden
Einige Notizen über Schafzucht in Russland
Uebersicht der schönwissenschaftliehen russischen Litteratur im Jahre 1842
Ueber die geognostischen Verhältnisse in Nord-Asien u. s. w.
Verbesserungen und Ergänzungen zum zweiten Bande
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Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland: Band 2 [Reprint 2022 ed.]
 9783112680209

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Archiv für

wissenschaftliche Kunde von

R u s s 1 a n d. Herausgegeben von A.

E

i» m

a

n.

1842. E r s t e s Mit e i n e r

H e f t . Karte.

B e r l i n , gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

Westliche fJränze der 6'laven. *) Von Herrn G l e i m . N c Ii s i was bis jetzt geschehen ist von Männern aus detfl Volke, welche der Geist ihres Volkes treibt, liifst sich der flämischen Literatur eine Zukunft prophezeien. Die Wallonen jn Belgien sehen das freilich nicht gern, nehmen aber doch, zur Ehre des Vaterlandes an den Hämischen Festen Theil. In Belgien wie in Ungarn ist das herrschende Volk in der Minderzahl, dennoch beslchl der eine dieser Staaten schon lange und wenn man von einer belgisphen Nationalität vorläufig blos spricht, so ist doch die ungrische si-it langen Z u n d , oder k r i e g e r i s c h e

Ueber Bronewikii's Geschichte der Pon'scl.cn Kosaken.

61

stand nur die innei'n Angelegenheiten waren. J e d e r Kosak, ohne Unlerschied des Standes, halte im K r u g Stimmrecht} und Alles w u r d e nach Stimmenmehrheit entschieden. Geschriebene Gesetze "gab es nicht. Die Ober-Atamane wurden alljährlich gewählt; verstanden sie es aber, sich zu insinuiren, so blieben sie im Amte, so lange ihre Regierung den Kosaken behagte. J e d e r Ex-Ataman wurde wieder gemeiner Kosak. — W e n n ein Schreiben vom Z a r anlangte, oder sonst etwa« für die Allgemeinheit Wichtiges vorfiel, so kamen alle Ko-^ saken auf dem Platze vor der W o i s k o w a j a I s b a zusamm e n , aus welcher der von den übrigen Häuptlingen u m g e bene Ober-Ataman mitten in den Kreis schritt. Sämmtliche Insignien *) der Kriegerschaft wurden vor ihm hergetragen; nur die B u l a w a (den Befehlshaberstab) hielt er selbst in der Hand. Die Jesaul's legten ihre Stäbe und Mützen an den B o d e n , sprachen ein Gebet, und verneigten sich erst vor dem Ataman, dann vor der Versammlung. N a c h dem Gebete nahmen die Jesaul's ihre «liitzen und Stäbe wieder auf, e m pfingen den Befehl des Ataman's, und trüge» die Angelegenheit mündlich vor. W a r die Versammlung anderer Meinung als ihre H ä u p t e r , so nahm der Ataman selbst das W o r t und bemühte sich sie zu überzeugen; aber gewöhnlich ohne Erfolg. Die Richtersprüche vollstreckte der J e s a u l ; dieser trat vor den Verurtheilten, erklärte i h m , die Kriegerschaft verlange seinen

G e n o s s e n s c h a f t , daher z. B. der Titel des O l i e r - A t a m a n ' s , gteiebsam des Präsidenten der Republik, W o i t f k o w y i A t a m a n , nicht etwa durch n i i I i t a i r i s c h e r A t a m a n zu erklären ist, sondern r e g i e r e n d e r A t a m a n ( C h e f d e r K r i e g e r s c h a f t , des V o l k e s ) bedeutet. *) Die vornehmsten Insignien waren: der w e i f s e R u n t s c h u k , eine kostbar geschmückte Fahne, die man vor dem Ober-Ataman hertrug — wenn er persönlich zu Felde zog — die B u l a w a und der P e r n a t s c h , die ihm beim Antritt seines Amtes übergeben wurden — lind der B o b y l e w c h w o s t , welcher dem S'andj'ak der Türken entsprach, eine Standarte mit goldener Kugel und Doppeladler, von der ein weifser Rol'sschweif herabwehte.

62

Historisch-linguistische Wissenschaft«-!!*

Kopf, seine Ilancl oder sein Auge, und die Execulion fand augenblicklich statt. Es gab Zwei J e .v a u 1 e, die den E i n ' künften der Kriegerschaft, dein Polizeiwesen, der CriininalRechlspflege und den Stadlwachen vorstanden. Wenn ein Feldzug eröffnet werden sollte, so wählte man einen A t a m a n H e r f ü h r e r ( P o c h o d n y i A t a i n a n ) '). Im Jahre 1618 setzte der Zar Michail Feodorowitsch fest, dafs die Kosaken, zur Belohnung für ihre geleisteten Dienste und damit ihr Eifer, dem Interesse Russlands zu dienen, noch gröfser würde, alljährlich aus den Vorrathen und dem Schatze von Moskau 7000 Tschclwert Mehl, 500 Eimer Wein, 230 Pud Pulver, 150 Pud Blei und 17142 Rubel in baarem Gelde als Gratification, ferner für die B u d ä r a ' s (Transportschiffe auf dem Don) 1169 Rubel 60 Kopeken erhalten sollten. Seitdem begab sich alle Jahr eine Abtheilung der iin Dienste tüchtigsten Kosaken, unter Anführung eines für diese Gelegenheit gewühlten Alaman's, der A t a i n a n si< m o w o i « t a n i z y (A. d e r Y V i n t e r - 5 t a n i z a ) hiefs, und eines Aeltesten der Kriegerschaft, als eine Art von Gesandschaft nach Moskau. Auf der Reise dahin und während ihre» Aufenthalts wurden sie auf Kosten des Zars erhallen, auch empfing man sie mit vieler Ehre und Auszeichnung. Die Geschenke des Zars wurden in W o r o n e j auf Budara's ge-laden und von da auf dem Don bis zur Hauptstadt der Kosaken ( T s c h e r k a a k ) gefahren. Die vornehmsten Begebenheiten dieser Periode sind folgende; Iin J. 1570,als die Türken Asow befestigten, wanderten 5000sapo-

*) Obschon die alte Verfassung der Donischen Kosaken viele Berührungspunkte mit der der Saporoget steigt, so unterscheiden sich doch beide Verfassungen Wesentlich dem P r i n c i p e nach) denn die Saporoger bildeten, wie man alls dem Artikel: „ N e u e Data, die SaporogischenKosaken betreffend" (d. Archiv,Bd< I,S.329) ersehen kann, eine Art R i t t e r o r d e n , und hatten mehr noch als die Donischen Kosaken eine wahre politische Existenz, mit der auch ein höherer Grad von Civilisation verbunden war.

Ueber Broncwikü's Geschichte der Doni.-clnn Kosaken.

63

rogische Kosaken, .auch T s c h e r k a s e n*) genannt, vom O n j e p r ins Donischc Gebiet und liefsen sich in verschiedenen Staniza's nieder. Die Unternehmendsten von ihnen bauten 60 W e r s t von Asow ein kleines Städtchen, das sie T s c h e r k a s k n a n n t e n ; es war im Grunde nur ein befestigtes Bivouac, aber seine Lage auf einer vom Don gebildeten Insel schützte es vor plötzlichen Ueberfiillen. Durch die snporogische Kolonie um ein Bedeutendes verstärkt, wagten die freibeuterischen Anwohner des Don bald gröfsere Unternehmungen. Sie verdienten sich abwechselnd Lob und Strafe, indem sie abwechselnd wie ehrliche Krieger oder wie gemeine Räuber sich aufführten. Da sie öfter Kaufleule und Gesandten auf dem W e g e nach Moskau plünderten, ja selbst die Kasse des Z a r s nicht schonten, so gebrauchte Johann bisweilen strenge Mafsregeln, denen die Regierung der Kosaken selber nach Kräften Vorschub that. Dies bestimmte ganze Haufen zur Auswanderung nach der W o l g a , dem Terek und Ural; daher die uralischen u. s. w. Kosaken. Zu ihren kühnsten Parteigängern gehörte J e r m a k , der (1577) die russische Glänze von Astrachan bis zur Wolga gegen die Einfälle der sibirischen Tataren beschützen sollte, aber statt dessen als Räuber an der Wolga und am Kaspischen Meere h a u s t e , den Russen und Persern gleich gefährlich. Die T a t a r e n Sibiriens erkannten zwar Russlands Oberherrlichkeit, aber Johanns Autorität über sie w a r sehr schwach. Um die R u h e seines Reiches zu sichern und dasselbe, wo möglich, über Sibirien auszudehnen, erlaubte der Zar zwei reichen Kaufleulcn die Bekämpfung des v e r r ä t e r i s c h e n Sultans dieser Region. Es gelang ihnen den gefürchteten Räuber Jermak durch ihr Zureden in einen Krieger des Zars zu verwandeln: er stellte sich an die Spitze eines Häufleins Kosaken und eroberte in den J a h r e n 1571) bis *) AU die Kleinrussen mit den S c h w a r z e n K l o b u k e n (s. oben) sich vermischten, nahmen sie von ihnen den Namen T s c h e r k a s oder T s c h e r k e * an. In demselben Sinne nennen sich die D o n i «chen Kosaken noch j e t z t öfter T s c h e r k e s a y , was in ihrem S p r a c h gebrauch mit H e l d e n gleichbedeutend ist.

64

Historisch - linguistische YVissenscliäfteit.

1584 eine heue Well für Russland, nicht minder glücklich als Cortez oder Pizarro in Amerika gewesen und menschenfreundlicher als Beide. D e r Verfasser erzählt die inleressaiv ten Datails dieser E r o b e r u n g mit den W o r t e n Karamsin'st Im Anfang des 17ten J a h r h u n d e r t s , einer Periode der furchtbarsten innern Wirren für Russland, spielten die Doni-» sehen Kosaken, deren Zahl durch geschlagene und flüchtig gewordene Rebellen vom Bauernstande bedeutend angewachsen w a r , eine sehr -wichtige Rolle, anfänglich zum Unglück und nachmals zum Heile des Staates. Drei Betrüger und K r o n p r ä t e n d e n t e n , die nach einander auf den Schauplatz traten, wurden durch die von ihren Vorspiegelungen beihörten nomadischen Krieger auf das kräftigste unterstütz!; dagegen hatten sie nachmals an der Zerstörung der Polischen H e r r schaft in Russland grofsen Anlheil und halfen 1612 dem Knjäs Po/arskii bei der Wiedereroberung von Moskau. Im Jahre 1637 nahmen sie Asow mit S l u n n *) und behaupteten die Stadt löwenherzig in der türkischen Belagerung von 1641; aber 1643 mufsten sie den wichtigen Platz in Folge eines Friedenschlusses zwischen der Pforte und Russland w i e d e r räumen. * * *

Zweite Periode, von 1645, als dem Jah e der T h r o n b e steigung des Aleksei Michailowitsch, bis 1725, dem Todesjahre P e t e r des Grofsen. Die Handelsverbindungen, in welche die Kosaken gegen Ende der ersten Periode mit russischen S t ä d ten t r a t e n , ihre jährlichen Gesandtschaften nach Moskau zum *) „Dafs es den Kosaken möglich gewesen, ifl ihren schwachen Kaiin eil die Festung Asow anzugreifen, vor deren Mauern beständig Galeeren und andere Kriegsschiffe lagert' — dafs es ihnen möglich gewesen über den B a u m zu gelangen, der in der ganzen Breite des Flusses mit drei eisernen Ketten befestigt und von beiden Seiten durch Kartätschenfeuer geschützt war; dies kann noch jetzt unglaublich erscheinen. Zu solchen verzweifelten Unternehmungen war mehr als Tapferkeit und Verwegenheit erforderlich; und die Kosaken führten sie immer mit gleichem Erfolge aus!" d. Verf.

Uober B f o n e w s k i i s Gfscliiclite der Donisclien Kosakeit.

65

E m p f a n g e d e s G n a d e n g e s c h e n k s (seil 1 6 1 8 ) , u n d (seit d e m 1643) d i e b e s t ä n d i g e A n w e s e n h e i t m i t -Strelizen

in

Tscherkask

der Kosaken merklich;

eines W o i w o d e n

verbesserten

vor Allem

aber

das

hatte

des

J.

Zafä

Gemeinwesen die

Eroberung

von A s o w einen reformirenden Einfluss. W ä h r e n d

ihres

dor-

t i g e n A u f e n t h a l t s n ä h e r t e n sich die K o s a k e n c i v i l i s i r t e r e n V ö l » kern,

gewöhnten

sie

sich

an

einen

gewissen

Conifort

des

L e b e n s u n d l e r n t e n a u c h die V o r z ü g e m a s s i v e r G e b ä u d e nen.

I h r e h e k l e m n ü t h i g e V c r t h e i d i g u n g A s o w ' s (1641)

sie m i t d e m ä c h t e n - K r i e g s r u h m e v e r t r a u t e r ,

und

machte

das

Partei-

g ä n g e r l e b e n sank allmählig im W e i t h e ; aber entsagen sie i h m n o c h l a n g e n i c h t , Grofsen Zeit im Ganzen Vorhut

Russlands

ken-

konnten

da i h r e S t e l l u n g bis auf P e t e r sehr

unsicher

überhaupt

und

war.

ihres

Als

eigenen Gebietes in-

s o n d e r h e i t g e g e n die I n v a s i o n e n d e r K r y m ' s c h e n T a l a r e n , Nogajer, Kalmyken sie n i c h t

mit

und

solider

eigentlichen

Landwirthschafl

v e r b o t e n i h n e n die Z a r e

selbst

des

beständige

Tscherkessen sich

der

konnten

abgeben; . darum

den L a n d k a u und ihre eigene

Regierung bedrohte jeden Kosaken, der Bauer w e r d e n

wollte,

mit der Todesstrafe. M i c h a i l F e od oi o w i t s c h ,

ein s a n f t m i i t h i g e r , b a r m h e i ' *

z i g e r u n d f r i e d f e r t i g e r F ü r s t , h a l l e in d e m l e b h a f t e n W u n s c h e , die W a n d e n d o s von ä u f s e r e n u n d i n n e r e n F e i n d e n zerfleisch«ten Vaterlandes zu heilen, hauptsächlich n a c h A u f r e c h t h a l l u n g des F r i e d e n s

gestrebt;

er duldete

saken und bewies sogar anders

v e r f u h r sein

Sohn

Alexei

k a u m zur H e r r s c h a f t g e l a n g t , dient hatten, eine F a h n e , benommen, ten,

wessen

die K n u t e

den Ungehorsam

ihren Verbrechen den

die ehrlich

d i e sich

dem

verrälherisch

in T s c h e r k a s k a n w e s e n d e n

könnten.

Woiwoden

f a s t u n u m s c h r ä n k t e M a c h t in d e r A u s ü b u n g * s e i n e s A m t e s , dafs die in

deff ge-

d a m i t Alle h i n f ü r o w ü f s -

sie sich v o n d e m j u n g e n Z a r v e r s e h e n

Alexei gestaltete

KoGanz

Michailo witsch* Kosaken,

und denen,

zuschickte,

der

Nachsicht.

so

seinem Bereiche

befindlichen A t a n l a n e

sich nicht

erdreisteten

eigenmächtig

handeln.

Gehorsoin

gegen

ordnungsliebenden,

den

zu

Fruiin-- Rn==, Archiv. IS 12. Hfl, I-

Allein

energischen

ihr

Fürsten 5

war

ein

66

Historisch lingiiiitisclie Wissenschaften,

erzwungener, principloser; die S t ü r m e des Interregnums tobten noch in den Gemiilhern fort, und Räuberbanden machten jede Communication unsicher. Endlich concentrirte sich das Unheil in der nur allzu lange vom Glück begünstigten E m pörung des Donischen Kosaken S l e n k a R a s i n , eines talentvollen U n g e h e u e r s , das von 1667 bis 1671 unsäglichen J a m m e r über Russland brachte. Anfänglich ein blofser Rätiber an der Wolga und dem Kas;>ischen"Meere, w u r d e er bald unumschränkter Gebieter des Letzteren, wo er Astrachan und viele Küslenstädle zerstörte, persische Flotten und gegen ihn ausgeschickte Heere des Zars aufs Haupt schlug und mit den gefangenen Slrelizen sein eignes Heer verstärkte. Dann versetzte er den Schauplatz seiner Thaten ins Herz der Russischen Monarchie, erklärte sich für ein W e r k z e u g Gottes, u m den Z a r , den er stürzen wollte, gegen innere Feinde zu beschützen, machte dem Volke die glänzendsten Vorspiegelungen und wiegelte das ganze südöstliche Russland, von Astrachan bis Ni/nei Nowgorod, auf. Sein Heer war bis auf ungefähr 200000 Mann, gröfslentheils zusammengerafftes Gesindel, angeschwollen. Z u m Glücke hatte Russland damals keinen äufseren Feind: der Zar konnte noch ein Heer aufbieten; Slenka Rasin wurde zuletzt gefangen genommen und in Moskau gerädert. Es verging aber noch einige Zeil bevor Alles beruhigt war. Im J a h r e 1696 ward Peter der G'rofse Alleinherrscher, und noch im selben J a h r e überzeugte er sich aus dem w a k keren Antheil, den die Kosaken au der von ihm persönlicli geleiteten Belagerung und Eroberung von Asow nahmen, wie wichtig diese Kriegerschaft, wenn sie eine vollkommenere Verfassung erhielte, Jur den Staat werden könnte. Aber noch eine Reihe stürmischer J a h r e mufsle vergehen, bevor alle Reformen Peters fruchtbringend ins Leben traten. Z u dem Anfangs so bedrohlichen Kriege mit Schweden gesellte sich der Verraih des Saporogers Masepa, welcher unter der Larve innigster Ergebenheit an den Zar geraume Zeitlang als Bundesgenosse Karls XII. still fortwirkte. Masepa gewann einen

Ueber BroncwiUi'ä Ci*scJiichtc der üonisclicn Kosaken.

67

H e e r f ü h r e r der Donischen Kosaken, ß u l o w i n , f ü r seine Sache, und Letzlerem, der eine Zeillang im Saporoger Lanctd sich versteckt hielt, gelang e s , an der Spilze seiner von S a porogern unterstützten Partei mit bewaflneter Iland in das Donische Gebiet zurückzukehren, wo e r , noch verstärkt durch eine Schaar erst kürzlich dort angesessener Mifsver» gniigter, die vor Peters Neuerungen flohen, die dem Kaiser treugebliebenen Kosaken überwältigte, Tscherka.sk erstürmte, und 1708 als regierender Alanian sich ausrufen liefs. F ü r s t Dolgorukii brach mit einem kaiserlichen lleci-e gegen diese Stadl auf und sein Erscheinen halle eine solche Wirkung, dafs ß u l o w i n von den meisten seiner Anhänger wieder verlassen ward. Eine Schaar Gutgesinnter griff ihn sogar in seinem Hause a n ; er verlheidigte sich tapfer mit einem kleinen Häuflein und l ö d t e t e , als jede Hoffnung geschwunden w a r , sich seihst durch einen Pistolenschufs. Es blieb aber noch sehr viel zu thun, um den Aufruhr im Donischen Lande gänzlich zu ersticken; eine Anzahl Kosakenstädte wurde zerstört und Tausende von Empörern mufsten mit dem T o d e oder mit Verbannung nach »Sibirien büfsen. Dies war die erste furchtbare Züchtigung welche Russland i n i h r e m e i g n e n G e b i e t e an den Donischen Kosaken vollstreckte, und nach Vertilgung des Ucbels mul'ste man zur Gründung einer dauernden W o h l f a h r t schreiten. Als der ßulowin,skische Aufruhr ganz beschwichtigt war, schaffte Peler den Kosaken Mittel, von der Arbeil ihrer Hände zu leben; er machte ihnen zur Pflicht soviel Getreide' zu bauen, als f ü r ihre Bedürfnisse streckte, und liefs Ki'ichengärlen und W e i n berge (letztere durch Weinbauer aus Frankreich) in ihrem Lande anlegen. *) Er baute ihnen Kirchen und Bethäuser und verordnete,, dafs man die Trauungen nach den Satzungen

*) Die Landwlithselihi't kr.in noch weit nirl r in Anfnaluno, als AsoW im Jahre 1735» gfisclilril't ward, seit wc!c)er Zeit die Kosaken vor iulseren Feinden ganz sirlier waren. . 5 '

68

Historisch- linguistische- Wisscnschrtlten.

der Kirche und nicht nach aller Sitte vollziehen sollte.*) Die wichtigste Verbesserung aber w a r die Umbildung ihrer -Verfassung, welche bereits 1700 erfolgte. Seit diesem J a h r e versammelten sich zur Verwaltung aller Angelegenheilen der Kriegerschaft, die Alaman's der «Staniza's und zwei Greise aus jeder Slanizn, um in Gemeinschaft mit dem regierenden Ataman zu verhandeln: die Volksversammlung aber (der K r u g ) w u r d e nur in besonders wichtigen Füllen berufen, und auch dann nur, w e n n die Atamane und die Alleslcn es für nöthig hielten. S o - kam die schlecht geordnete turbulente Volksherrschafl fast unmerklich in die llände weniger Häupter des Volkes und wurde in gewissem Betracht eine A r i s t o k r a t i e , die mehr Bürgschaft des Bestehens in sich trug. Endlich im J a h r e 1721 kam die Donische Kriegerschaft von der Obhut des Senates unter die des Kriegsministeriums und seitdem leistete sie den Ukasen pünktlicher und williger Gehorsam. Unter P e l e r dem Grofsen zählte man 121 ¿"tanizas oder Kosakendörfei: und eine Bevölkerung von G0003 Seelen. Im Frieden ihaten nur 10000, im Kriege 15 bis 20000 Kosaken Dienste.

*) In der ältesten Zeit führten die meisten Kosaken ein ehelosea Leben, und wer dem Liebesgotte nicht widerstehen konnte, der wurde ein Gegenstand des Gespöttes. Als aber nachmals durch die Mehrung- der Bevölkerung gröfsere persönliche Sicherheit entstand, uählte sich der Kosak aus den schönen weiblichen Gefangenen gern eine Gattin, und das eheliche Lebe« erhielt immer höheren Werth. Bei dem Allen liefsen s h h nur Wenige nach den Vorschriften der Kirche trauen; gewöhnlich traten Braut und Bräutigam mit einander in die Volksversammlung, sprachen ein Gebet und sagten Kinos zum Andern: S e i d u m e i n G a t t e ( G a t t i n ) ; dann kiifstcn sio einander und empfingen die Glückwünsche der Anwesenden. So leicht eine Ehe geschlossen war, eben so reicht konnte sie wieder aufgelöst werden. Die Ileri schaft des Mannes über die Frau war (¡¡anz unumschränkt und dieser Umstand inachte den mildernden Einttnfs- des andern Geschlechtes auf die Sitten lange unmöglich.

Ccbcr Bioiuwskii's Geschichte der Eumschen Kosnion. Die

eigentlich

Kosaken Ende. allen

geht Allein

selbständige

mit dein sie

Feldzügen

Tode

nahmen

der

Geschiclitc

Peters

forthin

Rnssen

des

der

Donischen

Grofsen

regelmäl'sigen

und

somit

sind

C9

völlig

zu

Antheil

an

die

folgenden

z w e i , von d e m V e r f a s s e r a n g e n o m m e n e n P e r i o d e n (bis lind von da a d in f i n i t u m ) nur den v e r s c h i e d e n e n

1774,

giölseren

o d e r kleineren K r i e g s u n l e r n e h m u n g e n g e w i d m e t , bei w e l c h e n der

Donische

Kosak

besonders

sich

hei v o r g c l h a n .

Dabei

konnte es nun nicht f e h l e n , dafs der V e r f a s s e r oft s e h r in d a s historische Detail,

o d e r ins D e t a i l

der S c h l a c h t e n und

Evo-

und s o hat d i e s e r z w e i t e B a n d einen gleich

lutionen e i n g i n g ,

starken Umfang erhallen, wie

d e r e r s t e , w e l c h e r die e i g e n t -

liche G e s c h i c h t e d e r K o s a k e n s c h a f t befafst.

Nur e i n m a l

ist

in d i e s e m g r o f s e n Z e i t r ä u m e d e r s t e i g e n d e n C u l t u r und 'Assimilation an das g c m e i n s a m e - R u s s i s c h e V a t e r l a n d d e r alte G e i s t der Z i i g e l l o s i g k e i t

wieder aufgelodert,

son d e s R e b e l l e n P u g a t s c h e w

( 1 7 7 0 — 7 5 ) , e i n e s ähnlichen

U n g e h e u e r s , w i e weiland S t e n k a das

Glück

eine Z e i t l a n g

tharina II. ein Mittel, jeder

noch

desfallsige

suchte

einen T h e i l

besiehenden

elwanigen

R a s i n g e w e s e n , den a u c h

in ähnlicher

P u g a t s c h e w vernichtet w a r , Kosaken

des

der

gerschaft

am

Don

allgemein

Fürsten

errichtet,

gültigen

begünstigte.

Als

f a n d die g r o f s e unter

den

Ka-

Donischen

entwurzeln,

und

klüftig zu b e g e g n e n . Potemkin

C i v i l - R e g i e r u n g unter d e m T i t e l einer Reiche

All

und

¡Mifabräuchc zu

neuen E m p ö r u n g

Vorstellung

und z w a r in d e r P e r -

Kanzlei

die

auf den

Gesetze,

sowohl

Auf

wurde der

Grund die

eine Krie-

der

im

Functionen

e i n e s G e r i c h t s h o f e s v e r w a l t e n , als a u t h ü b e r s ä i n m l l i c h e l a n d w i r t s c h a f t l i c h e E i n r i c h t u n g e n , ü b e r E i n n a h m e n und A u s g a b e n , H a n d e l und G e w e r b e die O b h u t führen sollte. r u n g k a m unter die

oberste Leitung

s e l b e r , d e r z w e i v o n den A e l t e s t e n dige Mitglieder allgemeine Almnan

wählen

Wahl

verwaltete

auf

konnte,

und

Diese

des Fürsten

eigenmächtig die ü b r i g e n

ein

Jahr

einsel/.te.

unter

dem

Generaldireelor

rischen A n g e l e g e n h e i t e n

genau

so,

^ie

die

Der

Regie-

Potemkin

als vier

beständurch

regierende die

Generale

mililaiunter

70

H i s t o r i s c h - l i n g u i s t i s c h e Wissenschaften..

den Befehlen des K r i e g s m i n i s t e r i u n i s , o d e r einer a n d e r e n höchsten B e h ö r d e das ihnen a n v e r t r a u t e H e e r a n f ü h r e n . D e r selbe A t a m a n sollte in d e r Kanzlei d e n Vorsitz f ü h r e n , a b e r n a c h S t i m m e n m e h r h e i t entscheiden u n d in s c h w a n k e n d e n Fällen d e m F ü r s t e n P o t e m k i n die E n t s c h e i d u n g a n h e i m stellen. D a endlich die K o s a k e n - A e l t e s l c n u n d die übrigen V o l k s v e r t r e t e r ohne R a n g w a r e n u n d deshalb nie auf B e f ö r d e r u n g hallen r e c h n e n k ö n n e n , s.o sollte h i n f ü r o j e d e r A e k teste ( S l a r s c h i n a ) , der auf F e l d z ü g e n im Polk befehligte, d e n R a n g eines S t a b s - ( M e i e r s erhalten und den S s c u n d M a j o r e n der A r m e e zunächst sich anreihen. W u r d e e r a b e r z u m R e g i m e n l s c h e f b e f ö r d e r t , so sollte er von d e m Kriegs* Ministerium sein P a t e n t erhalten. D e n J e i a u l e n u n d H a u p U l e u t e n ( S o t n i k ' s ) w u r d e gleicher R a n g mit den Obeiv { M e i e r e n gesichert. D u r c h diese E i n r i c h t u n g w u r d e das rein mündliche V e r fahren, bei dem oft so viele Willkür und U n g e r e c h t i g k e i t mit einlief, a b g e s c h a f f t , die ¡Macht der A t a m a n e b e s c h r ä n k t und dein w a h r e n V e r d i e n s i e R a n g und B e l o h n u n g z u g e s i c h e r t . D e m o h n e r a c h l e t m u r r t e n die K o s a k e n , da sie j e t z t die R e c h t e i h r e s K r u g u n d die bis dahin unter ihnen bestanden h a b e n d e Gleichheit annullirt sahen. Auch sollte jelzt z u m ersten Male ein Adel u n t e r den Donischen K o s a k e n e r s t e h e n , d e m o h n e yorgängige W a h l d u r c h das Volk die höchsten E h r e n s t e l l e n zukamen. Aber die Kaiserin wufsle die G e n i ü l h e r durch ge* linde Maafsregeln an das n e u e S y s t e m zu g e w ö h n e n , i n d e m sie die T r i e b k r a f t einiger F e d e r n der Maschine d ä m p f t e . •—> Im J a h r e 1775 w u r d e dein O b e r - A t a i n a n g e s t a t t e t , z u m B e huf des inneren Dienstes ein K o s a k e n - P o l k um sich zu h a b e n welches das Atauianische g e n a n n t w a r d . Jn den ersten . L i n e n der R e g i e r u n g A l e x a n d e r s I. (1802) w u r d e die i n n e r e V e r f a s s u n g der D o n i s c h e n K H e g e r s c h a f t folgender R e f o r m u n t e r w o i f e n : 1. D i e Kanzlei der K r i e g e r schaft steht hinfüro ilnter dein P r ä s i d i u m des O b e r - A l a u j a a s ; zu ihr gehören zwei beständige Mitglieder und vier Assessoren. 2. Die Mitglieder und Assessoren w e r d e n von dem Adel auf

U e b ë r U'.oncTVflii'« ü c s c l i i c h t e iler D o n ' s c h i n K o a a k c n .

71

drei J a h r e g e w ä h l t . 3. D i e Kanzlei bildet ein u n t r e n n b a r e s C o l l e g i u m , zerfällt a b e r , zum b e q u e m e r e n G a n g d e r G e s c h ä f t e , in drei e x p e d i r e n d e Abtheilungen : eine militait ische, eine b ü r gerliche u n d e i n e ökonomische. 4. D i e inililairische AbtherIung befindet sich u n t e r der unmittelbaren Direction de3 O b e r A t a m a n s , u n d , in seiner A b w e s e n h e i t , des s t e l l v e r t r e t e n d e n Atainans. 5. F ü r die pünktliche Vollziehung der b ü r g e r l i c h e n und ökonomischen Gesetze sorgt ein auf höchsten B e f e h l e r nannter Procurator. 6. Die Angelegenheiten w e r d e n in d o n A b t e i l u n g e n d u r c h die S e c r e t a i r e zur E n t s c h e i d u n g v o r b e reitet, aber i n p l e n o n a c h Mehrheit der S t i m m e n entschieden. D i e militairischen. A n g e l e g e n h e i t e n k o m m e n an den Chef d e s G e n e r a l s t a b s , die b ü r g e r l i c h e n an d e n S e n a t . 7. P r o c c s s e u n d Criminal-Fälle m ü s s e n zuerst von U n t e r - B e h ö r d e n v e r handelt w e r d e n u n d dann d u r c h Appellation an den S e n a t kommen. Klagen ü b e r s u b a l t e r n e B e h ö r d e n sind bei d e r Kanzlei einzureichen, ohne Appellation. 8. D i e Mitglieder der subalternen Behörden ( U n t e r - G e r i c h t e ) v e r w a l t e n ihr A m t durch W a h l und drei J a h r e lang. 9. Das m ü n d l i c h e u n d schiedsrichterliche V e r f a h r e n geschieht nach allgemein gültigen Regeln. 10. In der S t a d t Tscherka.sk w i r d eine Policei errichtet und an der Kanzlei w e r d e n ein F e l d m e s s e r und ein Architekt angestellt. N a c h B e e n d i g u n g des europäischen Krieges g e g e n N a poleon ( 1 8 1 6 ) e r r i c h t e t e Kaiser A l e x a n d e r ein C o m i t é z u r ferneren V e r b e s s e r u n g des Z u s l a n d c s d e r Donischen K o s a k e n , in d e r e n V e r f a s s u n g einige Mängel sehr fühlbar w u r d e n . D a hin g e h ö r t e b e s o n d e r s der U n f u g des Bauernhandels. Betrügerische S p e c u l a n l e n , die von den Besitzern ansehnlicher, aber gröfstentheils öder L ä n d e r e i e n am D o n das e r f o r d e r l i c h e Geld erhielten, w a n d e r t e n im ganzen Reiche h e r u m und w a r ben B a u e r n , die sie un'.er glänzenden V e r s p r e c h u n g e n n a c h d e m D o n a b f ü h r t e n . Oefler verkauften sie auch die von i h n e n verlockten L e u t e auf M ä r k t e n , n a h m e n sie auf Credit w i e d e r und v e r k a u f t e n sie ein zweites Mal unter einem a n d e r n N a men. D i e W a n d e n i n g e n der Bauern nach dem D o n w a r e n

72

Historisch - linguistische

Wissenschaften.

jedesmal offenkundig und doch konnte ein russischer Edelmann den Aufenthalt seiner entflohenen L e u t e seilen ermitteln, und wenn ihm

dies durch B e s t e c h u n g

käufer wirklich

g e l a n g , so

der nämlichen

bekam

er die L e u t e

Opfern und P l a c k e r e i e n nicht einmal wieder. ein U k a s , w e l c h e r die Aufnahme

Seelenvertrotz

allen

Endlich erfolg!e

von Flüchtlingen

und

das

V e r k a u f e n russischer B a u e r n an Gutsbesitzer am D o n streng untersagte.

S o l c h e B a u e r n , w e l c h e nicht-adlige Kosaken, dem

Beispiel ihrer Edelleute folgend, sich angeeignet hatten, sollten innerhalb sechs Monaten verkauft oder nach Ablauf dieser F r i s t für frei erklärt w e r d e n .

D c m o h n e r a c h t e t waren die aus j e n e m

Milsbrauch e r w a c h s e n e n P r o c e s s e uuj die Zeit, als vorliegendes W e r k erschien, noch nicht zu Ende.

Nikolai

Gretsch's

Vorlesungen über die russische Sprache. Von

W.

Schott.

Zweiter

Artikel.

(Vergl. dieses Archiv 1841. Seite 545.)

U n t e r P e t e r dem Grofsen kamen drei Männer ins Dasein, die, jeder in seiner Art, Einflufs auf die russische Sprache und Litteralur hallen. D e r ersle w a r Fürst K a n t e m i r , ein in der Moldau geborner Grieche und Gesandter des Z a r s an fremden Höfen, ein Mann von classischer Bildung und u n g e meinem Verstände. Seine vornehmsten Producte sind philosophische und aus dem Leben gegriffene Satiren. W a s die S p r a c h e betrifft, so besafs er nicht Kraft g e n u g , um i h r e damaligen Fesseln zu sprengen. D e r von ihm gewählte V e r s bau w a r der Polische, d. h. die Verse bestanden aus einer gleichen Zahl Sylben, ohne Rücksicht auf Länge und B e l o n u n g , mit weiblichen Reimen oder mit einer kurzen Sylbe schliefsend. W e i t schlechter noch war Kantemirs P r o s a ; doch drückte er seine eigenen Gedanken ungleich schärfer und richtiger aus, als die Gedanken A n d e r e r , wenn er sie ü b e r setzte. — Sein Zeitgenosse W a s i l i i T r e d j a k o w s k i i aus Astrachan, der seine, auf der geistlichen Akademie zu Moskau

74

Allgemein Litterariaclies.

Begonnene Bildung in Paris vollendete, cultivirle dort vorzugsweise Geschichte und leinte -fliefscnde französische Verse schreiben. Bei seiner Gelehrsamkeit und seinein rühmlichen Eifer von aller schöpferischen Geisleskraft verlassen, wurde T r e d j a k o w s k i i ein P e d a n t , wie der Dculsche Gottsched, der von ausländischen Mustern sklavisch abhing. — Unendlich wichtiger für Russlands litterarischc Entwickclung war daa Erscheinen des wahrhaft grofsen L o m o n o s o w . Am eisigen Ufer des Weifsen Meeres, unter einem rein russischen Volke, den Fischern vorn Stimunc N o w g o r o d , geboren und aufgewachsen, las dieser Schöpfer der heuligen russischen Sprache in seiner ersten Jugend nur Kirchenbücher, stillte seinen W i s sensdurst an den beiden reinen Quellen, der kirchlichen (alt«lavischen) und der Volkssprache, und begann seine wissenschaftliche Bildung erst, als seine seltenen Nalurgabcn durch gesunde russische Kost schon gestärkt waren. Lomono» o w ' j Genie nahm eine mehrseitige Richtung: er beschäftigte sich mit Physik und entdeckte die Gesetze, welche das Nordlicht erzeugen; er warf sich auf russische Geschichte und erkannte glücklicher als alle seine Vorgänger und Zeitgenossen die Gegend w o jene normannische Abenteurer herkamen, die in Russland ihre Herrschaft gründeten; er war im Gebiet der schönen Künste thälig und liinleFÜ-efs in ihrer Art einzige musivische Arbeiten, L o m o n o j o w ' s Ode auf die Einnahme- von Choein fiel wie eine Bombe auf die feindlichen Batlerieen d-es Peckntisimis und falschen Geschmackes: man hörte zum ei sten Mal Seht nationale Lyrik in würdiger metrischer Einkleidung, Unter der Kaiserin Elisabeth geschah Vieles für Künste ihkI Wissenschaften; aber LoinonoÄOW blieb der einzige- MusterSchriftsteller seiner Z e i l ; denn sein späterer Mitbewerber i S u n i a r ö k o w war ein blinder N a c h a h m e r der Franzosen, wie T r e d j a k o w s k i i , und schrieb einen barbarischen S t y l ; er erlangte nur dadurch grofsen Einflufe auf seine Zeitgenossen, dafs er für das werdende russische Theater schrieb und gleichzeitig auf Leser und Hörer wirkte. L o m o n o s o w nahm

Nik. Gritschs Vorlesungen über dis russische Sprache.

75

sich vorzugsweise den jungen deutschen Dichter G ü n t h e r zum Musler, was zu Anfang des 18len Jahrhunderls freilich Entschuldigung verdiente; auch bezog sich seineNachalunung hauptsächlich auf die F o r m : er borgte von ihm den lyrischen Versbau, die vierzeiligen jambischen Strophen, welche seitdem in der lyrischen Poesie der Russen sich befesligt haben. Den 3echsfüfsigen Jambus oder Alexandriner wählte er für Epos und Tragödie. Wenn mau L o m o n o s o v v mit seineu Zeitgenossen vergleicht, darf man nicht ausser Acht lassen, dafs Letztere Litteraten von Gewerbe waren und ausschliefslich der Lilleratur sich widmeten; bei Lomonosow aber, der das Amt eines Professors der Chemie und Metallurgie bekleidete, konnte die Lilleratur fast immer nur eine Beschäftigung seiner müfsigen Stunden sein. Aus dem Inhalte seiner besten F e i e r - und Sieges-Oden darf man sogar schliefsen, dafs er sie auf den Wunsch seiner Wohlthäter, vielleicht der Kaiserin selber, abfafste, und die Zeit dazu seinen Berufsarbeiten gleichsam abstahl. Lomonosow schrieb auch- zwei prosaische Lobreden, eine auf Elisabeth und eine auf Peter den Grofsen, die man Lyiilc in ungebundener Rede nennen könnte — man findet in ihnen dieselbe Erhabenheit, denselben Adel der Gefühle, Gedanken und Ausdrücke, wie in seinen Oden. Die Sprache seiner didaktischen Schriften ist einfach, klar, dem Gegenstand angemessen. Lomonosow zog die erste Deinar-? cationslinie zwischen der Kirchen- und Volkssprache und gab durch Regeln und Beispiele jeder von Beiden ihren Platz und ihre wahre Bedeutung; aber einen national-russischen Styl hat dieser schöpferische Geist nicht begründet, d. h. sofern man unter Styl eine dem Genius der Sprache gemäfee A n o r d n u n g der Wol le und Wendungen versieht. Sein Styl in didaktischer Prosa war dem Deutschen, in der höheren Schreibart dein Lateinischen nacligemodelt. Schon der Umstand, dafs Lomonosow in seiner für ihre Zeit höchst schälzenswerthen russischen Grammatik von der Construclion seiner Mutlersprache ganz und gar schweigt, giebl ein Zeugnifs dafür,

70

Allgemein Litti-raiUclie«.

dafs eine selbständige R a n g o r d n u n g der russischen W ö i t e r damals noch nicht v o r h a n d e n w a r . Unter Katharina II., deren T h r o n b e s t e i g u n g L o m o n o s o w ebenfalls besungen hatte, blühten die Akademieen der W i s s e n schaften und der K ü n s t e ; es w u r d e n v e r s c h i e d n e n e u e L e l i r Anstalten u n d n a m e n t l i c h a u c h V o l k s s c h u l e n errichtet. A u s gezeichnete Geistliche g a b e n treffliche P r o b e n p r i e s t e r l i c h c r Beredsamkeit. D i e Kaiserin selbst beschäftigte sich mit r u s sischer Geschichte u n d v e r g l e i c h e n d e r S p r a c h e n k e n n t n i f s ; sie schrieb E r z ä h l u n g e n u n d M ä h r c h e n für ihre E n k e l und nationale K o m ö d i e n zur A u f k l ä r u n g ihres Volkes. Endlich g r ü n d e t e sie eine eigne A k a d e m i e , deren Z w e c k Reinigung und V e r v o l l k o m m n u n g der russischen S p r a c h e sein sollte. Man erzählt, dafs Katharina F r e u d e n l h r ü n e n vergofs als die P r ä s i dentin j e n e r Akademie, Fürstin D a s c h k ö w a , ihr (1789) das erste a k a d e m i s c h e W ö r t e r b u c h der russischen S p r a c h e ü b e r reichte. J e t z t begann eine l a c h e n d e Blüthenzeit der L i t t e r a l u r ; ea e r s t a n d e n : D e r / ä w i n mit seiner schönen L y r i k , C h e r a s k o w mit seinen epischen G e d i c h t e n ; der r o m a n t i s c h e D i c h t e r B o g d a n ö w i t s c h , der T r a g ö d i e n - D i c h t e r K n j i i j n i n u. s. w . C h e m n i z e r schrieb sehr artige F a b e l n ; v. W i s i n aber die e r s t e n m u s t e r h a f t e n N a t i o n a l - K o m ö d i e n . D e r L e t z t g e n a n n t e hat m e h r als alle Uebrigen die russische P r o s a g e f ö r d e r t ; nur in der oratorischen P r o s a kann er nicht als Muster empfohlen w e r d e n , da er in dieser seine P e r i o d e n n a c h einem besonderen Taktfalle mifst, w e l c h e r U m s t a n d eine e r z w u n g e n e dem O h r e u n a n g e n e h m e H a r m o n i e erzeugt. In der zweiten Hälfte der R e g i e r u n g Kalharina's zeigten sich die F r ü c h t e der S t i f t u n g der M o s k a u e r Universität in dem w a s sie für L i t t e r a l u r und S p r a c h e w i r k t e . A ' s Organ j e d e r W i s s e n s c h a f t emancipirle sich das R u s s i s c h e m e h r und m e h r durch die r ü h m l i c h e n B e m ü h u n g e n d e r dortigen P r o fessoren, w o r u n t e r Einige L o m o n o s o w ' s S c h ü l e r w a r e n . Man weifs aber nicht, ob diese w a c k e r e n M ä n n e r lange und glücklich gerungen h ä t t e n , w ä r e nicht der G r ü n d e r d e s r u s s i s c h e n S t v I s , K a r a m s i n , erschienen.

Nile. Gretscli Vorlesungen über ilic K':ss!.'.c'ie Sprache.

77

Von diesem, genialen Manne kann Herr Gretsch viel Interessantes aus eigner Erfahrung mittheilen, da er sein p e r sönlicher Freund gewesen ist. Als K a r a m s i n auf den Schauplatz der Lilleratur tral, war das alte Gebäude des Latinismus schon sehr wankend; der j u n g e Geistesheld that einen Schritt und lief mit diesem einen Schritte allen seinen Zeitgenossen den R a n g ab. Ihm w a r , wie einst Lomonoiow, die Gunst des Schicksals geworden, dafs er als Jüngling die nationale Frische seines Geistes bewahren konnte. Eine Reise, die er im 25. Lebensjahre nach den vornehmsten Ländern Euvopa's unternahm , erweiterte seine Kenntnisse und verschaffte ihm vielseitige Bildung. Man verdankt dieser Reise seine P i s m a R i i s i k a g o P u t e s e h e « t w e n n i k a (Briefe eines russischen W a n d e r e r s ) , deren Leetüre noch j e t z t , nach einem halben Jahrhundert, ihren grofsen Reiz hat. D e r Styl des nach seiner Rückkehr von ihui gegründeten M o s k a u e r J o u r n a l s wirkte elektrisch auf alle Leser. Man hörte zum ersten Mal eine russische Sprache, in der nicht die Worte allein russisch waren. Vermöge seines hellen Geistes und feinen Sprachgefühls entdeckte Karamsin die Gesetze der ächten russischen Wortverbindung, verstand er es, sie nieislerhalt anzuwenden. D e r Verfasser zeigt an Auszügen aus den Werken Karanisins und einiger seiner Vorgänger wie weil Ersterer die Letzteren im Style zurückgelassen. Bis jetzt hat keiner in besserer Prosa geschrieben als Karamsin, obwohl immer noch eine höhere Stufe stylistischer Vollkommenheit denkbar ist. Als Karamsin in einer späteren Periode seines Lebens die Redaction des Europäischen Couriers ( W j e s l n i k J c w r o p y ) , in welchem er für Verbreitung des guten St vis und gesunden Geschmackes so vielfach thätig g e w e s e n , niederlegte, und ausschliefslich mit seiner G e s c h i c h t e d e s R u s s i s c h e n R e i c h e s sich befafsle, wollte die alte Barbarei, besonders in affectiven Ueberselzungen römischer Classiker, ihr Haupt wieder erheben, und am Ende zerfiel die Iitterarische Welt Russlands in zwei einander heftig bekämpfende

78

Allgemein Litterarische?.

Parteien, deren unblutiger Krieg erst durch den blutigen von 1812 unterbrochen ward. In der früheren Regierungszeil Alexanders I, der ein Ministerium der Volksaufklärung gründete, sangen noch D e r j a w i n , D m i t r i e w und N e d e l i n s k i i . K a r a m s i n w a r in der Blüthe seiner Kraft und Wirksamkeit; O s e r o w schuf eine neue russische Komödie; K r y l o w , der noch lebende Veteran, fand in der Komödie und besonders in der Fabel seinen wahren Beruf. N e u e schöne Talente machten sich geltend: J u k o w s k i i , B a l j u s c h k o w , W j ä s e n i s k i i traten glücklich in die Fufslapfen wackerer Vorgänger. Unter ihnen gebührt J u k o w s k i i die erste Stelle: sie gebührt ihm wegen des Adels, der Reinheit und Erhabenheit seiner Gedanken, die den Leser in verklärte Wohnsitze entrücken; auch i-t er der Schöpfer wunderschöner V e r s e , in denen hohe Einfalt mit wahrhaft poetischer Melodie sich paart und Gedanken und Gefühle des Dichters ein sehr würdiges Gewand finden. Seine kläre, fliefsende, correcle und dabei gemüthlichc Prosa geht mit der K a r a m s i n ' s Hand in Hand. Als die politische Ruhe Europa's wiederhergestellt war, erschienen wackere Schriftsteller in allen Litteralurgebielen: C h m e l n i z k i i bediente sich eines trefflichen Slyls in seinen Komödien; G r i b o j e t l o w stellte d a s Muster einer treu nach der N a t u r gemalten russischen Sitten-Komödie auf; G n j e d i t s c h übersetzte die llias; B u l g a r i n brach dem vaterländischen Romane die B a h n ; P o l e w ö i erprobte sein geschmeidiges Talent mit Glück in vielen Gattungen der Prosa. Die erste Stelle unter den russischen Original - Schriftstellern der neuesten Zeit gebührt aber dem iin frischesten Mannesalter hinweggerafften P u s c h k i n , der als Dichter in Versen und in Prosa bis jetzt ohne gültigen Mitbewerber ist*). In seinen ersten p r o s a i s c h e n Leistungen spielte P u s c h k i n noch mit der S p r a c h e , aber seine späteren, wie z. B. die K a p i -

*) Vielleicht (liirite der ebenfalls n^r kurze Zeit dieser Welt geliehnne Lerinontow auszunehmen sein.

Nik. Grctscli« Vorlesungen über die rusai»oli« Sprache.

79

tanskaja Dotschka (des Hauptmanns TöchterlelnJ sind in jeder Beziehung ilassisch. Er war ein so liefer Ken-* ner der Sprache, dafs seine Bemerkungen oft Grammatiker in Staunen setzten. *

*

*

Von seiner allgemeinen Uebersicht der rassischen Litteralur geht der Verfasser nun zur r u s s i s c h e n G r a m m a t i k über, deren wesentliche Eigenlhümlichkeilen er in einer Reihe von Vorträgen gemeinfafslich und ohne ins Trockene, Schulmiifsige zu verfallen, beleuchtet. Voran geht eine Charakteristik des Bedeutendsten, was von Ausländern und Inländern für die russische Grammatik geschehen ist. Der Werth seiner eignen grammatischen Lelirbüchcr kann schon darnach ermessen werden, dafs von dem neuesten derselben 40000 Exemplare abgesetzt worden sind. Die zweite Auflage des ausführlichen wissenschaftlichen Lehrgebäudes wurde 1S30, der praktischen Sprachlehre aber, 1834 gedruckt. Aus seiner Behandlung der russischen Lautlehre ersieht man, dafs Herr Gretsch die Bedeutung des Lautes und seiner Metamorphosen in dem Sprachbau richtig beurtheilt und mit den grofsen Fortschritten der neuesten Zeit im zergliedernden Sprachstudium wohl vertraut ist. Dieser ganze Abschnitt hat ein unverkennbares selbständiges Verdienst; wir müssen uns aber begnügen, darauf hinzuweisen, da hier das Lebensvolle nur in der Entwicklung, in dem Detail zu suchen ist, und jeder Auszug ein dürres Skelett wäre. Wir gestatten u;is zu diesem Abschnitte wie zu den übrigen blofse Randbemerkungen die mehr auf Neben- und Aufsen-Dinge sich beziehen. Von dein zarten, durch J e r j dargestellten Laute bemerkt der Verfasser, dafs er in einigen Sprachen zu J o d werde. Dieser Laut ist gleichsam der gelinde consonanlische Anschlag der meisten russischen Vocale und wird besonders zu Anfang einer Sylbe, auch zwischen Consonant und Vocal, im Munde des N i c h l - S l a v e n fast immerein wahres J o d . Arn E n d e

80

Allgemein Litterarischcs.

der Wörter kann ihm der Ausländer eher die erforderliche Subtilität geben; aber viele Deutsche, besonders die Sachsen, sprechen ihn dann sogar noch härter als j , und geradezu wie das palatinale (nicht gutturale) deutsche ch hinter i. *) Einen sehr analogen, halb hauchenden halb zischenden, aber immer noch feinen Laut erhält nun J e r j nach dein Consonanten t auch im Polischen, dessen c mit dem Sirichlein iin Grunde nichts Anderes ist, als t mit etwas erhärtetem J e r j . Wo J e r j mit s zu sprechen ist, verschnielien sogar beide und es entsteht nur ein etwas stärker gezischles J e r j ; desgleichen wenn dem s ein i folgt; und ein c mit dem Sirichlein assiinilirt sich das vorhergellende s im Polischen. Diese durchgreifende sibilirende Erhärtung des J e r j begründet iin Vereine mit so manchem durch nasale Nachklänge getrübten oder gleichsam dumpfig gewordenen Vocale den wahren Laulunlerschied der polischen von der russischen Sprache. — Der starke Ilalbvocal J e r r erzeugt, wie Herr G. bemerkt, mildem Vocale i das J e r j - j i , welches wir gleich den Polen durch y ausdrücken. Keine der übrigen indisch-europäischen Sprachen hat diesen dumpfen I - L a u t und es verlohnte daher wohl e i n e r Untersuchung wie das ursprüngliche J e r r (als halbes o) selbst bei w e i c h e n Consonanten mit i zu motiviren ist; wie z. B. in s y b k a , n y n j e ein y entstehen konnte, während gewisse viel härtere Consonanten diesen Laut perhorresciren« Der Laut des J e r j - j i findet sich auch in den Sprachen von T ü r k i s c h e m S t a m m e ; hier wird er nur von h a r t e n Consonanten erzeugt, hat aber die Kraft, ein helles i der nächsten Silbe in seines Gleichen zu verwandeln, z. B. k y r d v , e r z e r b r a c h ; aber g i r d i , e r g i n g h i n e i n . Es ist merkwürdig, dafs gerade die härteren Kehlbuchslaben, bei denen im Russischen niemals ein y zuläfsig ist, im Türkischen immer nur y verlangen. *) Wie oft hört man bei a n s französische Wörter auf 1 m o u i l l é , das ein wahres 1 mit folgendem J e r j i s t , z. B. f i l l e , s o l e i l , so a u s sprechen, als wären sie lisch (Ionischer O r t h o g r a p h i e f l i e h , t u schreiben!

solelch

Nik. Círetsclis \ oi'lcsiingcii iilit-i dir liisM.srlii' S|>rar!io. Herrn G's. Bemerkung über den Laut c Ii im Deutscheil ist nur mit giofser Einschränkung riclilig: das c Ii wird i n g a n z D e u t s c h l a n d , so o f t e s n a c h e i n e m s t a r k e n V o c a l e (a, o , u) s t e h t , eben so rein guttural gesprochen, wie im Russischen: es lautet in W w . wie B a c h , B u c h , L o c h , S a c h e genau so, wie in den russischen W w . p r a c h , p j e t u c h , p a c h a t j , m o c i l U. s. w. In solcher Verbindung spricht selbst der Sachse das c h niemals wie in L i c h t , r e c h t , B ä c h e , B ü c h e r , L ö c h e r , wo c h bei den meisten Nord- und Mittel-Deutschen allerdings nur ein a s p i r i r t e r G a u m e n l a u t ist, und mit der Kehle gar nichts zu schaffen hat. Aber schon bei den Ostfriesen, den Holländern und ei» nein Theile der Westphalen ist c h selbst nach schwachen Vocalen K e h l h a u c h , und dasselbe gilt von den Dialekten des Schwarzwaldes, des Breisgau's und der ganzen deutschen Alpenkette, wo man den L a u t íibrígens noch tiefet*. als im Russischen und ganz dem spanischen j /vormals x) gleich hervorgurgelt. Die Bewohner dieser süddeutschen Region verwandeln aber selbst k zu Anfang der W ö r t e r und Silben, vor Selbsllanlerii und vor Mitlaulern, gewöhnlich in c h , und sprechen z . B . e h a l t oder c h o l t (russisch c h ö 1 od) für k a l t ; c h i i a b , für K n a b e ; c i l i a r , für k l a r . Z u A n f a n g der Silben und Wörter wird dieser harte Guttural einem grofsen Theile der Norddeutschen allerdings sehr sauer; sie sprechen dafür den obenerwähnten aspirirlen Gaumenlaut: aber auch hierin machen die nordwestlichen Plattdeutschen mit Einschlufs der Holländer eine markirle A u s n a h m e : diese verwandeln g (das bei den Süddeutschen, wie bei den Schlesien^ ein runder nicht-aspirirter Gaumenlaut, bei Sachsen und Märkern ein gelinde aspirirter, an J o d glänzender G a u m e n laut ist) überall in rauhes und tiefes c h : der münsterländische Westphale spricht z. B. c h a n s und c h a r , statt g a n z und g a r ; der Holländer schreibt g e e n ( k e i n e r ) , g a a n ( g e h e n ) und spricht c h e e n , c h a an. In dem Abschnitte von den W ö r t e r n und ihrer E n t s t e h u n g sagt der Verfasser, aus den einsilbigen W u r z e l n i'.rliwns I'iuss. Archiv. 1812. Uli, 1. 6

82

Allgemein Litteraiisclica.

entstünden W ö r t e r , i n d e m m a n ihnen am A n f a n g oder am Schlufse andere ( i h r e Selbständigkeit verlierende) W u r z e l n a n f ü g e , die nun z u g e g e b e n e oder a d d i t i o n e l l e W u r z e l n Jieifsen. D i e s e unterscheiden die Redelheile und d r ü c k e n in Flexionssprachen die B e z i e h u n g e n derselben ( C a s u s , C o n j u gations-Endungen) aus. S i e w e r d e n a b g e k ü r z t u n d v e r s t ü m melt, weil die Beziehung nicht so merklich ist als der G e g e n stand — vielleicht w ü r d e m a n b e s s e r u m g e k e h r t s a g e n : weil eben dadurch die B e z i e h u n g m e r k l i c h e r w i r d , als sie im anderen Falle sein w ü r d e ; denn g e s e t z t , man liefse den addilionellen W u r z e l n ihre Integrität, so w ü r d e die U n t e r s c h e i d u n g des G e g e n s t a n d e s von seiner B e z i e h u n g oft schwierig. W i r glauben übrigens, dafs die S p r a c h f o r s c h e r zu w e i t gehen, w e n n sie in allen g r a m m a t i s c h e n B i l d u n g s z u s ä ' z c n ohne A u s n a h m e n u r a n g e f ü g t e und ursprünglich selbständige W u r z e l n seilen w o l l e n ; sie sind iiüchsl wahrscheinlich, besonders w e n n sie aus blofsen V o c a l e n b e s t e h e n , oft n u r s y m b o l i s c h g e w ä h l t oder selbst eine Art E m p f i n d u n g s 1 a u t c : so z . B . die U n t e r s c h e i d u n g e n des G e s c h l e c h t e s a m N o m e n ; die B e z e i c h n u n g eines w ü n s c h e n d e n oder a b h ä n g i g e n Modus am Y e r b u m u. s. w . E s ist uns nie r e c h t naturgeniäfs e r s c h i e n e n , w e n n m a n z. B. den O p t a t i v der I l i n d u ' s oder d e r Griechen f ü r eine Z u s a m m e n s e t z u n g d e r I l a u p t w u r z e l mit der W u r z e l w ü n s c h e n erklären wollte : sollte der u n t e r scheidende Vocal oder D i p h t h o n g hier nicht ein blofser E m pfind ungslaut s e i n , den der lebhafte W^unsch ohne P r ä m e d i taiion a u s s t r ö m t e ? A u c h giebt es ganze S p r a c h e n c l a s s e n , in denen der blofse Vocalwechsel g r a m m a t i s c h eine noch w i c h tigere Rolle spielt, als die A n f ü g u n g . W e n n z. B . im A r a bischen k a b r ( G r a b ) , w e s i r ( M i n i s t e r ) ihren s o g e n a n n t e n Collectiv-Plural respeclive k o b ü r u n d w o s e r a bilden, w e n n in derselben S p r a c h e das P a s s i v von k a t a l a ( e r t ö d t e t e ) , k o t i l a w i i d , so ist dieses ein rein symbolischer A c t . Die B e t s c h u a n a ' s im südlichsten Africa bilden ihren Conjunetiv durch V e r w a n d l u n g des N a c h l a u t e s der V e r b a l - W u r z e l , w e l cher a ist, in e , wie die Lateiner im P r ä s e n s der ersten C o n -

Xik. Grelüclis Vorlesungen über die russische S p r a c h e .

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j u g a l i o n : sie sagen k i n r a l a , i c h ' l i e b e , und k i r a t e , d a f s i c h l i e h e : hei den Einen ist die B e z e i c h n u n g so s y m b o l i s c h w i e hei den A n d e r e n , und man w i r d auf die A n n a h m e einer gleichsam essenlificirten W u r z e l , die eine Arl von A b h ä n g i g keit o d e r Golt weifs w a s sonst b c d e u l e t h a l l e , v e r z i c h t e n müssen *). U m einen Begriff davon zu g e b e n , w i e m a n W ö r t e r ein e r S p r a c h e auf ihre W u r z e l n z u r ü c k f ü h r t , z e r l e g t d e r V e r fasser (S. 2 0 S ff.) einen ganzen S a l z , bei w e l c h e r Analyse j e doch ein P a a r I r r l h ü m e r mit eingelaufen sind. I l e r r G s a g t bei d a r i l ( s c h e n k t e ) : „ D i e W u r z e l ist d a r , im Sanskrit d a ; im P e r s i s c h e n ( ? ) , d a d a i n i ; i m Griechischen äwgov\ im Lateinischen d a r e . Allein 1) ist d ä d a m i keine p e r s i s c h e F o r m , s o n d e r n ebenfalls s a n s k r i t i s c h ; sie heifst: i c h g e b e (griech. Mfim/u). D i e P e r s e r s a g e n d a f ü r d e h e i n , v o n d e r W u r z e l d e h , d e m g e s c h w ä c h t e n Sanokrilischen d a . 2) G e h ö r t das r in d a r eben so w e n i g z u r W u r z e l , als das p in dwQor, o d e r das n in dem Lateinischen d o n a r e , w e l c h e s sich eben so zu d a r e verhält wie das r u s s i s c h e d a r i t j zu d a t j : E r s t e r e s leitet sich u n m i t t e l b a r von d e m N o m e n d a r , G e s c h e n k , w i e d o n a r e u n m i t t e l b a r von d o n i i i n ; B e i d e sind also blofse D e r i v a t i v a n o m i n a l i a ; die e i g e n U liehe W u r z e l f ü r g e b e n e n d e t in allen indisch^europaischen S p r a c h e n , die sie besitzen, auf einen k u r z e n o d e r l a n g e n , slarken oder s c h w a c h e n Y o c a l : d a , d ö , d.ä, d e h . Auch k ö n n t e d e r b e i g e f ü g t e lateinische Infinitiv d e n n i c h t k u n d i g e n L e s e r zu d e m I r r t h u i n e v e r l e i l e n , als g e h ö r t e r h i e r w i e d e r 7.ur W u r z e l . R bildet übrigens n u r . i m Lateinischen I n f i n i t i v e ; in den S c h w e s t e r s p r a c h e n w a h r e N o m i n a . — D a s W o r t d e r e w n j a ( D o r f , L a n d g u t ) spricht d e r V e r f a s s e r g e w i f s mit U n r e c h t den slavischen S p r a c h e n abEr sagt: „die *) Um nicht in den Verdacht zu k o m m e n , als ob ich a u c h die P r o n o m i n a l - A f i o r m a t i v e am Verlium fiir symbolische L a u t e e r k l ä r t e , b e merke ich h i e r , dafs die B e t s c h u a n a - S p r a c h e , wie viele a n d e r e , k e i n e solche A n h a n g e h a t ; daher z. B. das ü b e r l a u f e n d e a f ü r alle drei P e r s o n e n und fiir beide N u m e r i g i l t , e b e n so das e des C o n j n n c t i v .

6*

84

Allgemein Li t teravi sehe.?.

Wurzel ist das t ü r k i s c h e « l e r e oder d e r w e n t (?), wclches ein D o r f ( ? ) bedeutet: b u j u k d e r e , g r o f s e s D o r f . " Aber das türkische W o r t d e r e hat niemals D o r f geheifsen (dafür sagt man k j ö i ) , sondern T h a l , E b e n e , wie die volleren tatarischen Formen t a r a , t a r l a , und selbst t a l a . Es könnte daher, wenn der Zufall hier nicht gespielt hat, weit eher mit d o l , d a l , d a l e und anderen W w . unseres Sprachenstammes, die T h a l bezeichnen, verwandt sein. B u j u k - d e r e heifst g r o f s e E b e n e ; das Dorf hat nämlich von der bedeutenden E b e n e seinen N a m e n , die man von Konstantinopel bis dahin zurücklegen mufs. D e r w e n t aber ist gar kein türkisches W o r t ; vermuthlich soll es das Persische d e r b e n d sein: dieses bedeutet E n g p a f s , D e f i l e . *) Sollte denn d e r e w n j a (plattdeutsch d o r p , D o r f ) nicht von d e r e w o , B a u m , h e r kommen und somit ursprünglich eine A n p f l a n z u n g (gleichsam A n b a u i n u n g , daher eine A n s i e d i u n g ) bezeichnen? **) Oder kommt es von demselben W o r t e in der Bedeutung H o l z ? Bei den Polen ist d r e w n i a jedes h ö l z e r n e G e b ä u d e , dann auch eine Ansammlung solcher Gebäude, ein D o r f , zunächst von d r w a (russisch d r o w a ) , dessen Singular d r w o ein contractes d e r e w o ist. Dieses pluralische W o r t bedeutet zwar jetzt nur B r e n n h o l z , hat aber ursprünglich gewifs H o l z überhaupt bedeutet, auch sofern es zum B a u e n diente. S. 215 bemerkt der Verfasser: „Beinahe in allen Sprachen unterscheidet sich das Geschlecht durch Endung oder Artikel." Statt b e i n a h e i n A l l e n würden wir dem Verfasser empfohlen h a b e n , zu sagen: „in den m e i s t e n i n d i s c h - e u r o p ä i s c h e n und in den sogenannten s e m i t i s c h e n S p r a c h e n (Hebräisch, Aramäisch, Arabisch). Alle übrigen bekannten Sprachstämme bezeichnen das Geschlecht entweder gar nicht *) Wörtlich: g e b u n d e n e s oder T h o r , und b e n d , - g e b u n d e n , **)Berewo, Baum, ist verwandt dir e c h t , Englischen t r e e n. s.

v e r s c h l o s s e n e s T h o r (,1er, das deutsche b a n d / mit dem Peisischen d i r e f t oder u.

>.

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Historisch-linguistische

Wissenschaften.

kessen C h a i n s c h ' c h u t heii'sl, verwahrte jeder Hausbesitzer einen Klotz mit sieben Aeslen in seiner Kornscheune. In der Nacht, welche auf die Einsammlung des Getraides folgte sammelte sich jade Familie in ihrem H a u s e , holte den Klotz aus der S c h e u n e , und stellte ihn auf Polstern in der Kü he auf. An seine Aeste klebte man Wachskerzchen und betete vor ihm mit enlblöfstem Haupte, D e r Gott J e m i s c h endlich galt für den P a t r o n der Schafzucht, und zu seiner E h r e feierte man ein Fest im Herbste wenn die Schafe sich begatteten. Aber alle diese von grobem Irrwahne erzeugten Gottheiten hinderten die Tscherkessen nicht, bis zur Idee eines höchsten Weltschöpfers sich zu erheben, der bei ihnen T c h a s c h c h o ( g r o f s e r G o t t ) hiefs. Auch ist es m e r k w ü r d i g , dal's dieses wilde Kriegervolk niemals M e n s c h e n a p e r brachte, wie z. ß . die alten «S'laven und Gallier gelhan, und nicht wie jene die Schädel erschlagener Feinde als Trinkgefäl'se gebrauchte. In heidnischer Zeit halten die Tscherkessen aufser ihren Gottheiten auch H e i l i g e oder H a l b g ö t t e r ( P a r t o s ) , unter denen S a u s - r u k am meisten geehrt w a r d . In einer ihm geweihten Winternacht stellte man ein Gastmahl a n , bei welchem die besten Speisen und Getränke für < S a u s - r u k in das Gastzimmer, und Heu und Hafer für seine Pferde in den Stall gebracht wurden. D e r Halbgott selbst erschien freilich nicht bei dem Mahle, aber irgend ein zufällig angekommener Gast vertrat seine Stelle und w u r d e , da man seine Ankunft für ein gutes Omen hielt, von Jedem mit Freuden bewirlhet. Wenn der Zufall keinen solchen Gast herbeiführte, so w a r die Freude des W i r t h e s um ein Bedeutendes geringer. Ihr Aberglaube selbst machte also die Tscherkessen gastfrei. Die Schmiede verehrten einen gewissen L e p i s als ihren Patron, und das ganze Volk schicn diesen Heiligen sehr hoch zu schätzen. Noch jetzt singt man bei Kranken ein Lied, in welchem L e p i s angefleht w i r d , ihm Genesung zu verleihen.

Die alt« Religion tler Tscherkessen.

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Ungemein viele heidnische Gebräuche sind den tscherkessischen Gebirgsbewohnern in frischem Andenken geblieben; eine genaue Beschreibung derselben würde sehr interessant sein. Wir beschränken uns auf das bereits Erwähnte und bemerken nur noch, dafs vermöge einer seltsamen Verkettung der Umstände, nach dem Uebertritt der Tscherkessen zuin Islam, einige ihrer alten Heiligen oder Halbgötter in berühmte Krieger oder andere Helden der Arabischen Geschichte sich verwandelt haben. So erzählt man z. B., der erste Chalif Abu-Bekr sei der nämliche Held gewesen, den die Tschcrkessen 0 r s e m e d genannt, und A l i , Muhammed's Schwiegersohn, derselbe, der bei den Tcherkessen M e t e r e s geheifsen. Vermulhlich haben sie, als der Inhalt der inuhainmedanischen Bücher ihnen zuerst bekannt wurde, die Heiligen und grofsen Männer ihres heidnischen Cultus, denen sie damals noch nicht ganz entsagen konnten, in die ausgezeichneten Personen umgewandelt oder gleichsam übergehen- lassen, welche sie in der Arabischen Geschichte vorfanden. Unter den Trümmern des tscherkessischen Heidentluuns entdecken wir aber auch deutliche Spuren eines Einflusses christlicher Ideen. So z. B. haben die Tscherkessen ein Lied au Ehren der h e i l i g e u M a r i a , in welchem die Worte vorkommen: G r o f s e M a r i a , d e s g r o f s e n G o t t e s M u t l e r ! Selbst christliche Namen von Tagen haben sich erhalten, und endlich stammt das bei ihnen vorkommende Zeichen des Kreuzes unbestreitbar aus dem Christenthurne. Vermuthlich hatten einige tscherkessische Stämme durch griechischen Einllufs die Lehre Jesu angenommen; und a|s dio Griechen den von ihnen eingeführten Glauben nicht mehr aufrecht halten konnten, wendeten sich die Bekehrten wieder zum Heidenthum, doch so, dafs eine Mischung christlicher und heidnischer Gebräuche entstand, von der jetzt noch Spuren geblieben sind. Da ich von dem Glauben des tscherkessischen Volkes geredet habe, wird es nicht atn unrechten Orte sein, auch

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Historisch- Linguistische Wissenschaften.

gewisser Superstilionen zu gedenken, die es aus der heidnischen Zeit überkommen hal. D a s Weissagen aus dem Schulterknochen eines Schafes ist bei den Tscherkessen eben so allgemein, wie bei sehr vielen der übrigen Völker Asiens. Alan sieht nach den Linien auf Flächen und Wölbungen der Schulterknochen und weissagt aus ihnen bevorstehende kriegerische Unternehmungen, Rlifswachs, reiche Aerndten, Kälte, Schnee u. s. w. D e r Zufall bestärkt den Glauben des Volkes an solche Orakel. Hier ein Beispiel, das die Tscherkessen erzählen: Ein Fürst, der in einem fremden Aul übernachtete, untersuchte beim Abendessen den prophetischen Knochen und sagte seinen Tischge«ossen, in kommender Nacht werde es einen Alarm geben. E r legte sich schlafen, behielt aber seine Kleider a n ; und siehe cfa — um Mitternacht überfiel eine Bande Räuber von «lein benachbarten Stamme das D o r f ! D e r Fürst griff sie mit «Jen Seinen an, jagte ihnen die Gefangenen a b , die sie gemacht hatten, und nöthigle sie, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Ferner erzählt m a n , dals unlängst zwei B r ü d e r lebt e n , die sich aufs Weissagen aus Knochen verstanden. Einst befanden sie sich als Gäste in dem benachbarten A u l (Dorfe) -tuxi halten Beide dasselbe Quartier. Am Abend speiste der allere Bruder im Gastzimmer des Nachbarn seines Wirlhes, fcclirte dann zurück, und fand seinen Bruder nicht mehr in der Wohnung. Er fragte nach der Ursache, und d e r Wirlh sagte i h m , sein Bruder habe beim Abendessen den weissagenden Knochen g e p r ü f t , dann habe er sein Pferd satteln lassen und sei fortgeritten, man wisse nicht wohin. D e r ältere B r u d e r verlangte denselben K n o c h e n , betrachtete ihn genau und sagte den Umstehenden l ä c h e l n d , der Knochen habe seinem jüngeren Bruder einen Alann gezeigt, der bei seiner Frau zu H a u s e sei; darum sei er so schncll fortgesprengt, allein die Eifersucht habe ihn verblendet, sonst w ü r d e es ihm nicht entgangen sein, dafs jene Mannsperson der jüngere Bruder seiner F r a u sei. Ueber diese Deutung erstaunt, schickte der Wirlh dem eifersüchtigen Seher einen Expressen

Die alte Religion «1er Tscherkessen.

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nach, und dieser kehrte mit der Kunde wieder, dafs Alles so sich ereignet habe, wie es vorhergesagt worden. Eine andere Art Weissagung geschieht vermittelst B o h n e n : diese ist vorzugsweise das Geschäft alter W e i b e r ; und obwohl sie noch lächerlicher ist, als die vorerwähnte Art, so bedient man sich ihrer doch bei verschiedenen Gelegenheiten. Die schrecklichste Art von Aberglauben ist die, dafs man gewisse Leute im Argwohn hat, mit bösen Geistern in V e r bindung zu stehen; denji dieser Argwohn erzeugt bei den Tscherkessen, wie bei anderen uncivilisirten Völkern, die grausamsten Verfolgungen. Sie glauben, dafs Leute, die mit bösen Geistern einen Bund geschlossen haben, in Leiber von Wölfen, Hunden oder Katzen übergehen, auch sich unsichtbar machen können. Man nennt solche Menschen U d d a ' s , und giebl es ihuen Schuld, wenn Kinder langwierige Krankheilen haben, wenn Jemand plötzlich Kopfschmerzen bekommt, oder wenn. Kälber, L ä m m e r , und überhaupt Stücke Vieh plötzlich verenden. J a , man zeiht sie sogar der Ermordung ihrer eignen Kinder. B e i gewissen tscherkessischen Stämmen herrscht der Glaube, dafs die Udda's in einer Frühlingsnacht auf einen B e r g ziehen, der 5 b r o a s c h c h heifst und im Gebiete des Stammes Schapsug liegt; sie reiten dabei auf allerlei Hausthieren und wilden Thieren. Droben wird gezecht und ge^ tanzt; vor Tagesanbruch nehmen sie eine Anzahl S ä c k e , von denen der eine reiche Aerndten, die anderen aber verschiedne Krankheiten in sich schliefsen, und zerstreuen sich nach diesem und jenem Hause. In Folge dieses Aberglaubens werden alle Frühlingskrankheiten den Udda's zugeschrieben. In früherer Zeit marterte man diese Unglücklichen auf eine gräfsliche W e i s e ; man band eine der Hexerei bezüchligte Person zwischen zwei Feuer und peitschte sie mit stachligen Ruthen, bis das unglückliche Opfer Verbrechen bekannte, die ihm selber unbekannt waren. Alsdann zwang man den Udda zu schwören, dafs er hinfüro Niemanden mehr ein Leid zufügen wolle. Die Hexen von Kiew sind die Zwillings-Schwestern der tscherkessischen Udda's,

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Historisch - linguistische Wissenschaften.

„Unwissenheit, Aberglaube und Betrug," sagte ein verständiger Schriftsteller mit R e c h t , „stehen .einander immer hülfreich zur Seite und unterdrücken die Menschheit mit vereinigten Kräften." Jedes Volk war und ist mehr oder weniger von verderblichem Aberglauben befangen. Ich werde mich hier über die abergläubischen Meinungen der Tscherkessen nicht weiter verbreiten und sage nur zum Schlüsse, dafs seit der Verbreitung des muhammedanischen Glaubens in Tscherkessien der eigne Aberglaube der muselmünnischen Geistlichkeit viele Vorurlheile des Volkes zwar noch verstärkt, ihnen aber doch auf der andern Seite eine menschlichere Richtung gegeben hat. Jetzt erfährt man nichts mehr von Folterqualen oder von irgend sonst etwas, das gegen die vermeintlichen Hexen und Hexenmeisler unternommen würde; Gebete und Talismane sind an die Stelle jedes anderen Miltcls getreten, wodurch man sie unschädlich zu inachen geglaubt. (Aus dem R u s s k i i YVjestnik.)

Bellingshausens Reise nach der Südsee und Entdeckungen im südlichen Eismeer.*) Von

F.

L o w

e.

U eher zwanzig J a h r e sind verflossen seitdem Bellingshausen und Lasarew von ihrer Entdeckungsreise im südlichen Ocean zurückkehrten, worauf es ihnen gelungen w a r , weiter gegen den Südpol vorzudringen als alle ihre V o r g ä n g e r , mit alleiniger Ausnahme des unsterblichen Cook. Von den in mancher Hinsicht merkwürdigen und interess nlen Resultaten dieser Expedition ist jedoch aufser Russland so gut als gar nichts bekannt worden. Es erschien zwar im J a h r e 1824 eine deutsche Ucbersetzung des vorläufigen Berichts des Astronomen Simanow**), wovon auch die Londoner Literary Gazette einen *) Dwiikratnya isyskania w' Jiijuoin Ledowitoin Okeanje i plawanie wokriig swjeta i pr. °I4 3 0 ' — Declination: 20° W . Nachdem sie die Fahrt durch die nördliche heifse Zone unter den gewöhnlichen Wahrnehmungen zurückgelegt und die auf Purdy's Karle unter 4° 52' 30" Nördlicher Breite und 20° 30' Westlicher Länge angezeigte Sandbank vergebens aufgesucht hallen, erhielten sie schon iin dritten Grade N ö r d licher Breite den S ü d - O s t P a s s a t , und durchschnitten am 30. October den Aequatoiv Ain 14. November Morgens sahen sie den Zuckerhul (päo d'a^ucar) und warfen um 7 Uhr Abends im Hafen von Rio-Janeiro Anker, wo sie bereits den Capitata Wasiliew mit den Sloops Olkrytie uud ß l a g o n a m jerenny^ vorfanden. Den zwanzigtägigen Aufenthalt in R i o - J a n e i r o benutzten die Reisenden hauptsächlich zu Vorbereitungen für ihre schwierige Fahrt in den hohen südlichen Breiten. Herr Simanow benutzte den längeren Aufenthalt .zur Bestimmung des damaligen Ganges der Chronometer, während von dem Russischen Consul, Hrn. Kilchen, ein bedeutender Vorralh an Vieh, Geflügel, Obst und Gemüse aller Arten abgeschafft wurde. Am 4. December ging die Expedition wieder in S e e und steuerte südlich, um wo möglich auf dem W e g e nach S ü d - G e o r g i e n *) Seemeilen z u 0 0 auf 1 . . 38°22' W . „ Bellingshausens Mondsdislanzen 38°17'18" „ Lasarew's 38°27' Im Hafen Maria befanden sich xwei Englische Wallfischfänger. Ohne sich hier aufzuhalten richtete Bellingshausen seinen Curs nach einer grade vor ihm liegenden Insel, bei der er um 9 Uhr Abends anlangte, und deren Lage er a u f 5 4 ° 3 r 3 Ö " S . B . 37° 13' W . v. Gr. bestimmte; sie hat 7J Meile im U m fange, und da sie noch von keinem Seefahrer aufgenommen w a r , so nannte er sie nach dein zweiten Lieutenant des Mirny» 9*

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Phjsikalisch-mathematische

Wissenschaften.

die Annenkow-Insel. Sie besieht aus felsigen B e i g e n , deren Gipfel mit Schnee bedeckt waren *) und auf denen man aufser gelblich grünem Moose keine einzige Pflanze bemerkte. Das Vorgebirge der I sei Süd - Georgien, welches 3£ ¡Meilen von der östlichen Spitze derselben gegen S. 30° 0 . liegt, erhielt den Namen P a r j a d i n ; von hier an hat das Ufer eine Richtung nach S. 69° 0 . bis zu dem Meilen entfernten Cap D e m i dow, das leicht an einer westlich liegenden hohen Insel zu erkennen ist, und von welchem aus 17 Meilen weit bis zu dem Ostkap des Marienhafens die Küstenrichlung S. 47°5' 0 . eintritt. Von der Insel Annenkow, nach Süd-Georgien zu, sieht man drei hohe aus dem Wasser hervorstehende Felsen gegen N . 6 7 0 0 . Am Morgen des 28. Decembers fuhr Bellingshausen mit der Aufnahme der Küsten Süd-Georgiens fort, aber der starke Nebel und fallende Schnee nöthigten ihn vor dem Winde zu halten; erst um 1 Uhr Nachmittags klärte sich das W e t t e r auf und am 3. durchschnitt er den Kanal zwischen der Insel Pickershill und S ü d - G e o r g i e n . Die Insel Pickershill w u r d e im J a h r e 1775 von Cook entdeckt, hat 3 Meilen im Umfang und ist ziemlich hoch; aufsei ihr befinden sich nach S ü d Georgien zu noch zwei Inseln und alle drei nehmen iq der Länge fast 2 Meilen ein. Am 29. December näherte man sich um 6 Uhr Morgens dem Ufer bei einer B u c h t , die den Namen Nowosel«kji erhielt und 22 Meilen S. 65° 0 . von der Manenbay liegt. Von hier nimmt die Küste eine Richtung nach S. z. W . bis zu dem Meilen e n t f e r n t e n , abschüssigen Cap Kuprianow, neben welchem sich drei niedrige Inseln befinden. Hierauf folgt das vom Capitain Cook entdekte Cap des Irrthums, das 10Meilen S. 50°,5 0 . vom Cap Kuprianow liegt, und von w o aus sich die Küste erst 5 Meilen S. 83° D . , sodann N. 40° 0 . windet, und dadurch das Süd-Cap der Insel in 5 4 ° 2 5 ' S . B. 3 6 ° 2 5 ' W . v. Gr. bildet. *) In einer Jahreszeit, welche «lein Itt entspricht!

Juni

für die

N'ordhalhkugel

BeUingshausens Reise nach der Siidsee etc.

133

Bei diesem Vorgebirge schliefst sich Bellingshausens Aufnahme Süd - Georgiens der 4 4 J a h r e früher vom Capt. Cook ausgeführten an. Das ganze Land ist mit Eis bedeckt, und keine Spur von Vegetation darauf zu bemerken; Wallfische, Seehunde und Pinguinen sind dessen einzige Bewohner. Als sich gegen Abend der Horizont etwas aufklärte, erblickte man die Clerk's Insel in 54°55' Südlicher Breite 34°46' W . v. Gr. und steuerte S. 0 . z. 0 . auf die Nordspitze des SandwichLandes zu. Am 1. Januar 1820 gewahrten unsere Reisenden in 56°4' S . B . und 32° 13' W . v. Gr. die ersten Eisberge; Cook traf sie 1772 schon im ö l s l e n G r a d e , und zwei der Ostindischen Compagnie gehörige Schiffe im J a h r e 1739 bereits im 47sten und 48sten Grade Südl. Breite. Auch sah man viele Pinguinen, Sturmvögel und Egmontshühner, und machte vermittelst eines JNorie'schen Thermometers m e h r e r e Beobachtungen über die Temperatur des Wassers, welche auf der Oberfläche des Meeres -f 7°,44 in einer Tiefe von 1690 E. Fufsen aber — 0°,11 R. *) betrug. Unglücklicherweise wurde das T h e r mometer beim Heraufziehen zerbrochen, und da man kein anderes dieser Art am Bord hatte, so konnten die Versuche nicht fortgesetzt werden. Am 3. entdeckte man um 11 U h r Morgens eine bisher unbekannte Insel; als um 1 Uhr die Sonne auf kurze Zeit zwischen den Wolken durchblickte, gelang es Herrn Simanovv, ihre Lage astronomisch zu bestimmen. Die Insel ist eine aus dem Ocean hervorragende B e r g k u p p e , und ist in der Richtung von N. 37° 0 . nach S. 3 7 ° W . etwa zwei Meilen und in der darauf senkrechten, etwa halb so lang; die südliche Spitze zeigt eine kegelförmige Erhöhung, die aus der Ferne wie abgerissen erscheint. Sie w a r ganz mit S c h n e e und Eis bedeckt, erhielt dem dritten Lieutenant des W o s t o k zu Ehren den Namen Ljeskow und liegt nach Bellingshausen in 5 6 ° 4 1 ' 3 0 " S . B . und 28° 10' W. v. G r . , nach Lasarew aber in 56° 41 S. B. und 28°7'40" W. v. Gr ') Wie immer in diesem Archive, nach Kéaiimur der Skale.

F..

134

Physikalisch-mathematische Wissenschaften.

Am folgenden Tage sah man wieder im N. 0 . ein hohes Ufer, dessen Gipfel sich in den Wolken verbarg. Dieses wies sich als eine runde, steile, felsige Insel aus, die in 56°44'18" Südl. B. und 2 7 ° 4 1 ' o l " W. v. Gr. liegt und mit dem Namen Oslrow Wysakji (hohe Insel) bezeichnet wurde. „Vor u n s " schreibt B. — „hingen gegen Norden dicke, schwarze Wolken, die ihre Lage nicht zu verändern schienen; dieses führte mich zu dem Schlüsse, dafs eine Küste in der Nähe liegen müsse." Er steuerte daher nördlich und erblickte wirklich nach einiger Zeit eine Insel, an deren südwestlichem Ufer sich ein Vulkan befand, woraus sich dicke, slinkende ( ! ? ) Ausdünstungen erhoben. Als er unter dem Winde an der Insel vorbeisegelte, bildeten diese Dünste eine ununterbrochene dichte Wolke, welche im vergröfserten Maafsstab dem aus dem Schornstein eines Dampfboots emporsteigenden Rauche glich. Die Insel erhielt den Namen Savvadowskji, hat in der Milte einen an beiden Seiten abschüssigen Berg in der Form „zweier gegen einander geneigten lateinischen 5 " (?) und ist fast von Schnee entblöfst, welches wohl der Hitze des Vulkans zuzuschreiben ist, woher auch die Pinguinen diese Insel zu ihrem Wohnsitze erwählt zu haben scheinen. Die SüdSeite derselben zeigt sehr steile, theils dunkelrothe theils gelbliche Felswände, und in nur Meilen Abstand von dieser Seite fand man init 770 E. Fufs noch keinen Grund. Boote von beiden Schiffen gingen von dort ans Land und fanden den Berg auf demselben nicht über 1200 Fufs. Er liegt in 56° 18' S. B. und 27° 28'53" W . v . G r . Diese drei Inseln wurden mit dem Namen des Seeministers, Marquis von Traversey, belegt, der bei der Ausrüstung der Expedition viele Beweise seines Wohlwollens gegeben halle. Da vom Mastkorbe in der Entfernung von 40 Meilen kein anderes Land zu sehen w a r , so steuerte man nach den C'andtcnias- (Lichlmefs-) Inseln. Um Millernacht fiel das Thermometer a u f — 0 ° , 8 , obgleich in diesen Gegenden jetzt hoher Sommer war.

Fellingshausens TU-ise nach tlcr Stidsee etc.

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Ain 6. Januar feierten die üfficiere und Mannschaft der beiden SIoops den Russischen Weinachten und erblickten am 8ten bei Tagesanbruch die Candlemas-Inseln, wobei sie aufser den von Cook erwähnten zwei Inseln, noch eine dritte bemerkten. Die Östlichste erstreckt sich von N. 50" 0 . nach S. 50° VV., hat Meilen im Umkreise und beiindet sich in ö7°9'45" Südl. B. und 26° 44' W. v. Gr. Die westlichste er* streckt sich von IN. 60° 0 . nach S. 60° VV. in 57®10'55" Südlicher Breite 26°51' W . v . G r . und hat 4 j Meilen im Umfang. Die Lage der dritten ist in 57° 9' S. B. 26°47'30" W. v. Gr. Am 10. Januai; sah man in einer Entfernung von 7 Meilen nach S S W . die von Cook entdeckte Saunders-Insel. Sie ist steil und felsig, hat ungefähr 17 Meilen im Umfange und ist zwar mit Eis und Schnee bedeckt, aber doch nicht so sehr wie die Torsons-Inset, obgleicii sie etwas südlicher liegt. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dafs sich auf i h r , wie auf der Insel Sawadowskji, ein feuerspeiender Berg befindet. Sie liegt nach Cook . . . 57°49' S.B. 26°44' W. v. Gr. „ Bellingshausen 57°52' - 26°24' Von hier steuerte man nach dem Cap Montague, welches man am 11. um 5 Uhr Morgens in der Gestalt einer steilen, mit Schnee und Eis bedeckten Insel erblickte. Am Ufer schwammen mehrere Eisberge von ungleicher Ausdehnung und Gestalt; die gröfseren Schollen hatten eine regelmäfsige Form, der Obertheil war (lach und etwas gewölbt und die Seiten senkrecht, wie es gewöhnlich die Ufer sind, woraus zu schliefsen ist, dals diese Eisslücke sich an der Küste gebildet und durch ihre eigene Schwere davon abgerissen hatten. Das von Cook sogenannte Cap Montague bildet, wie aus Bellingshausens Untersuchungen hervorgeht, in der Wirklichkeit eine Insel, deren südliche Spitze einen Zuckerhut vorstellt und einen Umfang von 25 Meilen besitzt. Die ungünstig trübe und nebelige Witterung dauerte noch immer fort; am 12ten Januar lichteten sich die Wolken um 2 Uhr Morgens und zeigten die Ufer des Caps Bristol, aber

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Physikalisch-mathematische Wissenschaften.

bald verfinsterte sich der Himmel wieder, und erst um 9 Uhr erreichten die Seefahrer die im Westen des Caps liegenden drei kleinen Inseln, deren westlichste vom Capilain Cook Pik Friesland genannt ward. Um Rlitlag mufsten sie, des dichten Nebels und schwimmenden Eises wegen, bei fallendem feuchtem Schnee vom Lande abhalten; gegen Abend nahm das Schneegestöber zu, und die Schiffe waren mit Eisbergen umgeben, durch welche sie sich nur mit Mühe einen Weg bahnen konnten. Am 13. wurde der Russische Neujahrstag gefeiert, und die Matrosen mit Schischi, Grüzbrei, Punsch und Grog traktirt, aber erst um 9 Uhr hejterte sich das Weiler etwas auf, und das Cap Bristol zeigte sich wieder in einer Entfernung von 5^- Meilen. Am folgenden Tage sahen sie auch die Ufer des vom Capitain Cook entdeckten südlichen Thule; so weit die Aussicht vom Mastkorbe reichte, war der ganze Ocean mit Eis bedeckt, welches Inseln von verschiedener Gröfse und Gestalt bildete. Das südliche Thule besteht aus einein Felsen und drei kleinen, hohen, unzugänglichen Inseln in 59° 26' S. ß . und 27° 13'30" W . v . G r . Die millelsle Insel bezeichnete Bellingshausen mit dem Namen seines grofsen Vorgängers ( C o o k s I n s e l ) ; dieser halte sich der stürmischen Witterung wegen in einiger Entfernung von der Küste halten müssen, so dafs ihm das zwischen den Inseln Thule und Montague liegende Eis ein fortlaufendes Ufer zu bilden schien, weshalb er das Ganze Sandwich - Land nannte. Da es nun nach Bellingshausens Untersuchungen aus verschiedenen Inseln besteht, so wäre der Namen der südlichen Sandwich-Inseln wohl passender. Am 14. Januar setzte er seinen Curs nach SW. fort, und kam um 10 Uhr Morgens an einer 3 Meilen langen und eben so breiten Eisscholle vorbei; ihre Oberfläche war glatt, die Seilen senkrecht und nach Osten zu 30 Fufs hoch. Am folgenden Tage ging der Wind nach S W . u m , er steuerte daher S. 40° 0 . in der Absicht weiter nach Süden vorzudringen; da sich aber das Treibeis stets vermehrte, so nahm er am

Bellingsliausens Heise nach der Siidsee etc.

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am 16. seine Richtung nach ¡NO., um vielleicht weiter östlich eine freiere Stelle zu finden. Am folgenden T a g e langte er wieder im Angesicht des Piks Friesland und Caps Montague' an. „ D a s Sandwich-Land und die Traversey-Inseln scheinen die Gipfel eines Bergrückens zu bilden, welcher durch die Clerks-Felsen mit Süd-Georgien, und von dort aus durch die Felsen der Aurora mit den Falklands-Inseln in Verbindung sieht. Hier befreit sich die südliche Halbkugel vermittelst der auf den Inseln Sawadowskji und Saunders befindlichen Vulkane, von dem in ihrem Innern verborgenen.unterirdischen F e u e r , woran sie jedoch einen weit geringeren Vorrath als die nördliche zu besitzen scheint. In letzterer trifft man feuerspeiende Berge auf vielen P u n k t e n , wie auf der Insel Island, an den Ufern Italiens, auf der Halbinsel Kamtschatka, in d.en Kurilischen Inseln, in der Vandiemens Strafse, ah der Küste von Japan, auf den Aleulen u. s. vv. an, während ihre Anzahl in ersterer nur sehr unbedeutend ist. Auf der Insel S a w a dowskji ist nur wenig Lava zu sehen; vielleicht ist der E r d boden nicht dazu geeignet in Lava überzugehen ( ! ) " . *) Am 19. Januar setzte Bellingshausen seine Fahrt in östlicher Richtung fort und kam bei mehreren Eis-Inseln vorbei; auf einer derselben landeten die Sloops Simanow und D e m i dow mit der Schiffs-Jolle und fingen gegen dreifsig Pinguins, wovon einige als Speise gebraucht, andere ausgestopft und die übrigen am Leben gelassen und mit frischem Schweinefleisch gefüttert w u r d e n ; diese Kost schien ihnen jedoch nicht zu bekommen, indem sie bis zur dritten W o c h e alle starben. Die ¡Mannschaft machte sich aus ihrer Haut Mützen, und be-

*) Am 2«. Januar 1S41 entdeckte der Capitain R o s s in 7 7 ° 32' S. B. und 167° O. V. Gr. einen 12400 Engl. F u f s hohen Berg, der F l a m men lind Ranch in grofser Menge auswarf und nach seinem Schiff, der K r e b u s ,

genannt wurde.

Unweit davon nach Osten befindet

sich noch ein zweiter, nicht ganz so hoher Berg mit einem erloschnen Krater, welcher den Namen des T e r r o r

erhielt.

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Physikalisch-mathematische

Wissenschaften.

tmlzle das Fett zu Stiefelschmiere. In der Folge beschäftigte man sich regelmäßig mit dein Pinguinenl'ang; das Fleisch ist nicht ilnschmackhaft und wurde, nachdem es einige T a g e in Essig gelegen, sowohl von den Officieren als der Equipage ohne Widerwillen verzehrt. Atn 20. kamen sie an '22 Eisinseln vorbei und hallen gegen Abend die Aussicht auf noch fünfzig dergleichen; der Wind ging nach Westen uui, und wehte am folgenden T a g e ziemlich slark, wobei sie des Eises halber immerwährend den Curs verändern mussten. Von NO. nach S S W . dehnten sich nnermefsliche Eisfelder aus, und im dichten Nebel waren die Sloops oft den Stöfsen der schwimmenden Eisblöcke ausgesetzt. Da man von der Mastspitze gegen NNO. eine freiere Uhr in dieser Richtung S e e erblickte, so steuerten sie um und befanden sich bald aufsei* aller Gefahr. Um Mittag war die Breite nacli ihren Observationen 5 9 ° 3 3 ' 5 1 " S . , die Länge 15°1'33" W . v. Gr. und das Thermometer zeigte 1 Grad Wärme. D e r folgende T a g fing mit schönem, klarem Wetter a n , bald aber verfinsterte sich der Horizont und in der Nacht erfolgte ein starkes Schneegestöber. Bei fortgesetzten südlichen, südwestlichen und südöstlichen Cursen erreichte die Expedition ain 27. die Breite von 6 6 ° 5 3 ' 4 2 " S . und war am 2 8 um Mittag in 69®21'28" S . B . 2 ° 1 4 ' 5 0 " W . v. Gr. Hier stellte sich eine dichte Eismauer ihrem ferneren Vordringen entgegen, und da aufserdein das Fallen des Barometers einen Sturm verkündete, so liefs Capt. Bellingshausen nach N W . z. W. wenden. Am 29. blickte die Sonne einen Augenblick durch, verbarg sich aber bald wieder hinter den Schneewolken. In diesen hohen Breiten hat das Meer eine herrlich blaue Farbe, woraus Bellingshausen schliefst, dals sich keine Küste in der Nähe befindet. B e i nördlichem Winde war das W e l t e r immer Irübe und finster, bei südlichem hingegen trocken und klar. Am 31. wurde der ersle Folarvogel geschossen, der den Sturmvögeln sehr ähnlich ist. Da sich Bellingshausen von der Richtigkeit der Bemerkung Cooks, über die in hohen südlichen Breiten vorherr-

Bellingshausens Reise nacli der Südsee etc.

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sehenden Ostwinde, überzeugte, so entschloss er sich wieder nach Süden zu steuern und, wenn es itun unmöglich sein würde weiter vorzudringen, nach niedrigen Breiten zurückzukehren, wo er hoffen durfte, westliche Winde zu treffen. Weiter östlich wollte er sodann noch einen Versuch machen eine höhere südliche Breite zu gewinnen. Arn 2. Februar befand er sich in 69° 25' 8. B. 1°11' W. v.Gr. wo ihm wieder die aufgelhürmtcn Eismassen den Weg versperrten. Er liels daher, seinem Entschlufse zufolge, nach NO. z. 0 . wenden, da ihm der Wind nicht erlaubte, in dieser Parallele den Eisfeldern entlang zu steuern. Am 6. Februar war der Horizont klar und kein Eis zu sehen, man lavirte daher gegen Osten; um 11 Uhr ging der Wind nach S S W . und am folgenden Morgen nach W. um. Man benutzte das schöne Wetter und den stillen Wind dazu sich mit Eis zu versorgen, und legte in dieser Absicht bei einem Eisberge an, welcher an einer Seite 200, an der andern 30 Fufs hoch war; seine Länge war 125 Sa/en, seine Breite 60. Nachdem sich die Matrosen vergebens bemüht hatten auf diese schlüpfrige Masse hinauf zu klettern, nahm man durch wohlgerichlete Schüsse einige grofse Blöcke von dem Rande des Eisberges ab, womit man 49 Tonnen anfüllte. Von dem Donner des Geschützes und dem Krachen der Eisfelder aufgescheucht, erschien eine zahlreiche Schaar Walifische auf der Oberfläche des Wassers. Am 13. Februar befand man sich in 64° 30'9'' S. B. und lo°49'46" 0 . v. Gr. und steuerte bei nordöstlichem Winde nochmals nach Süden. Am 15. durchschnitt man zum drittenmale den südlichen Polarkreis und war am 17. und 18. in 69° 6' S. B. von festem und schwimmendem Eise umgeben, welches sich in unabsehbaren Feldern von Osten nach Westen ausdehnte. Unter diesen Umständen beschloss der Capitain Bellingshausen im 60. Grade östlicher Länge einen letzten Versuch zu machen, weiter südlich vorzudringen, und dann nach den Aucklands-Inseln zu steuern ; zumal es dem Mirny an Brennholz fehlte, und dieser Mangel sich auch auf dem Wostok

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Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

fühlbar zu machen anfing. Um 6 Uhr Morgens war die LuftTemperatur — 4 ° , am Mittag — 2 ° , 5 und am 19. — 3 ° . An diesem Tage sah man mehrere Polar- und Schneevögel, ein Egmontshuhn und einen zum Geschlechte der Seeschwalben (Steina) gehörigen Vogel von der Gröfse einer Taube, mit rothem Schnabel und Füfsen und langem Schweif; man halle dergleichen Vögel schon bei der Insel S ü d - Georgien angetroffen, welcher Umstand zu der Vermulhung Anlafs gab, dafs sich eine unbekannte Küsle in keiner grofsen Entfernung befinden müsse. Die Länge war 16° 37' 0 . , die Breile 68° 5' S. Am 23. Februar befanden sich unsere Seefahrer in 65° 12'43" S. B. 28° 15' 0 . v. Gr, und steuerten am folgenden Tage bei günstigem S W . - W i n d e nach Süd-Osten, um den Curs des Capl. Cook zu durchschneiden, der 1773 in 67° 15' der Breile und 39° 35' der Länge auf undurchdringliches Eis sliefs und genölhigt wurde sich wieder nach Norden zu wenden. Am 26. Mittags war ihre Länge 40°55'36", die Breite 66°5253"; der Wind nahm bei starkem Nebel und feuchtem Schnee an Heiligkeit zu, und vermehrte die Schwierigkeit sich durch das Treibeis durchzuarbeiten. Gegen Abend ward das Wetter etwas ruhiger, am folgenden Morgen aber erhob sich ein slarker conlrärer Ostwind, wodurch die beiden Stoops sehr litten, indem der bisherige Wellenschlag ( R u s s i s c h : syb, E n g l . : swell) aus W S W . mit der neuen östlichen Strömung zusammentraf. Da nun Port Jackson, der nächste Hafen, wo sie sich mit frischem Mundvorrath und Brennholz versehen konnten, noch 120 Längen- und 31 Breitengrade, d. h. wenigstens 5000 Meilen, enlfernt war und die Fahrt von Rio-Janeiro schon dreizehn Wochen dauerte, so entschlofs sich Bellingshausen wieder nach Norden zu segeln bis er einen günstigen Wind antrefi'en würde und dann in der Parallele von 61° S. B. bis zum 90. Grade der Länge zu steuern, um diesen weder von Cook noch von andern Seefahrern beschifften Theil des südlichen Eismeers zu untersuchen. Hätte

Bellingshausen« Reise nach der Siidsee etc.

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er seihen bisherigen östlichen Ours nur noch 4 Längengrade (in dieser Breite ungefähr 80 Meilen) weiter fortsetzen könn e n , so würde er das iin Jahre 1831 vom Capitata Biscoe entdeckte E n d e r b y - L a n d gesellen haben. Dafs er in dieser Gegend Land verinuthele, geht aus mehreren Stellen seines Tagebuchs h e r v o r : so erwähnt e r einen vom Capt. Lasarew bemerkten S e e r a b e n , der sich nie weil von der Kiisle entfernt. Vom 28. Februar bis ¡tum 4. März setzte e r , fast immer von Treibeis umgeben, seine Fahrt nach Norden fori; an diesem T a g e , wo er sich in 6 2 ° 4 4 ' 4 7 " S. B. und 4 1 ° 3 1 ' 5 " 0 . v. Gr. befand, ging der Wind nach S W . z W . u m , und er nahm seinen Curs gerade nach Osten, wobei er jedoch, um den Mirny nicht ganz hinler sich zu lassen, nur wenig Segel führen konnte. Das W e t t e r blieb finster und nebelig; erst am 9. März klärte sich der Himmel auf, welches man benutzte um die Kleider, Betten und Segel zu trocknen, und Sonnenhöhen zu nehmen. Um Mittag war die Breile 62° 47' 46" S., die Länge 68° 5' 28" 0 . Abweichung des Compasses 48° 9' W . In der Nähe sah man einen 200 Fufs hohen Eisb e r g , der drei Meilen im Umfange hatte, und am Abend des 11. erblickten die Reisenden zum ersten Male seit mehreren Monaten den Orion und das südliche Kreuz. In der Nacht vom 12. auf den 13. bemerkten sie auch wieder das Leuchten der Oberfläche des Meeres, welches in höheren Breiten nicht stattfindet; wie es scheint, können die Seethiere, von denen das Leuchten h e r r ü h r t , eine gewisse Gränze nicht überschreiten, weil ihnen vermuthlich die jenseits herrschende Kälte unerträglich ist. Um diese Zeil starb auf der Sloop Mirny ein Malrose am Nervenfieber, der erste, den die E x p e dition seit der Abreise von Kronstadt verlor. In der Nacht des 15. Märzes nahm man von Zeit zu Zeit einen hellen VViederschein am Horizonte w a h r , und gegen 2 Uhr Morgens stellte sich, beim Zurücktreten der Wolken ein majestätisches Naturschauspiel dar. Im Süden erhoben sich mit der Schnelligkeit von Raketen zwei Feuersäulen von

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Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

hellblauer Farbe, welche im Horizont ungefähr 120° einnahmen und durch den Zenith gingen; endlich wurde der ganze Himmel von ähnlichen Feuersäulen bedeckt, die ein so helles Licht verbreitete^, dafs man die kleinste Schrift dabei lesen konnte. Nach und nach verschwand diese Erscheinung, beleuchtete aber noch während der ganzen Nacht den Horizont. Um Mitternacht war die Breite 60° 4 9 ' 1 1 ' S . , die Länge 8 2 ° 22' 16"

0.

In der folgenden Nacht sah man ein zweites Südlicht, das von dem gestrigen in mancher Hinsicht abwich; der ganze Horizont war, mit Ausnahme von 12 bis 15 Graden, von regenbogenartigen Streifen bedeckt, die mit Blitzesschnelle in krummen Windungen von Süden nach Norden schössen und verschiedene Farben abspiegelten. Diese Erscheinung rettete vielleicht unsere Seefahrer vom Schiffbruch, da sie ihnen einen ungeheuren Eisberg zeigte, auf welchen sie gerade zu steuerten. Die Matrosen glaubten, da/'s der Himmel in Feuer stehe. Um 10 Uhr erblickten sie noch einen riesenhaften Eisberg, der von weitem einem Wachthurme glich, und dessen Höhe der Capt. Lieut. Sawadowskji auf 357, der Capitain Lasarew aber auf 408 E. Fufs schätzte. Um 5 Uhr Nachmittags. legte Bellingshausen bei und lheilte dem Commandern* des Mirny seine Absicht mit, der vorgerückten Jahreszeit halber die hohen südlichen Breiten zu verlassen und nach Port Jackson zu segeln, um sich mit Proviant und Brennmaterial zu versehen. Er selbst gedachte seinen Curs '21 bis 3 Gr. nördlich von dem des Capt. Cook zu nehmen, der Mirny aber sollte bis zum 135. Längengrade bis 3 Grad südlicher als der Curs des Capt. Furneaux steuern, und dann in der Parallele von 49°30' seine Fahrt nach Osten fortsetzen um die Companys Island aufzusuchen, die nach Arrowsmiths Karte in 49°30'S. B.und 143°4' O.v.Gr. liegt. Aul diese Art sollte eine Strecke von 5o Längen- und 8 Breitengraden durchschnitten werden, die noch von keinem bekannten Seefahrer untersucht war. . Am 17. März erfolgte in 59 Q 0'31" S. B. und 88°51'9" 0 . v.,Gr. die Trennung der beiden

Bellingshausens Kcise

nnch J^i1

Siiilsee etc.

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Sloops; der Mirny steuerte N. 40° 0 . und der Wostok N . 7 0 ° 0 bei frischem S S W . - Winde und starkem Schneegestöber. Die unfreundliche stürmische Witterung dauerte fort; besonders waren der 21. und 22. März für den Wostok zwei gefahrvolle Tage, wo er, von Eisfeldern umgeben, mit einem wüthenden Sturm aus Norden zu kämpfen halte, der ihm alle Segel zerrifs und ihn in eine höchst kritische Lage versetzte. Glücklicherweise legte sich der Wind am 23. und am 25. passirte man in 57°33' S. ß . den letzten, 250 Fufs hohen Eisberg. Endlich stellte sich am 30. ein günstiger Westwind ein, der schon am folgenden Tage in einen heftigen Sturm überging. Am April richtete der Wostok bei südlichem Winde unter gerefften Mars- und Fock-Segeln seinen Curs nach N.56 0 0 . , um sich der angeblich in 49°30' ß . liegenden Companys-Island zu nähern. Am 3. befand er sich in 49°44' 37" S.B. und 142°2939" 0 . v.Gr., da aber keine Spuren von Land zu entdecken waren *) und das trübe Wetter anhielt, so steuerte der Capitain ßellingshausen nach der Südküste des Van Diemens Landes, welche man am 5. bald nach 2 Uhr Nachmittags von der Spitze des Mastes aus erblickte. Am 6. April befand man sich in 42° 4'40" S. B. und 149° 24'25" 0 . v. Gr.; in der Luft war eine grofse Veränderung vorgegangen, der Himmel war wolkenfrei, ein sanlter Wind wehte vom Lande h e r , die Wärme stieg auf 13° Reaumur und das Barometer auf 30 Z. Man öffnete die Luken, trocknete die Segel und beschäftigte sich damit > die Sloop in gehörigen Stand zu setzen. Am 8. zeigte sich im Westen das Ufer Neu-Hollands, und am 10. Abends erschien der Lootse am Eingang des Ports Jackson. Der Mirny war noch nicht an>> gekommen, die Expedition des Capitain Wasiliew aber schon vor 3 Wochen nach Kamtschatka abgesegelt. Um 11 Uhr

*) Eilf Jahre später befand sich Biscoe fast auf derselben Stelle wie Bellingshausen, bemerkte aber, wie es schcint, eben so wenig etwas von der Companys-Island, deren Entdeckung dem Spanischen Schiffe Raphael zugeschrieben wird.

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Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

Morgens ging der W o s t o k , nach einer 131tägigen Fahrt von Rio Janeiro, im Angesicht der Stadt Sydney auf der vom Hafen-Capitain Piper angewiesenen Stelle vor Anker und am IQ. kam auch L a s a r e w mit dem Mirny a n , nachdem er, gleich dem W o s t o k , am 19. und 20. März einen schweren Slurm bestanden und die Company's-Island vergebens aufgesucht hatte. D e m Astronomen Simanow w u r d e ein Platz zur Errichtung eines Observatoriums und Aufstellung seines PassageInstruments eingeräumt, worauf er sich während seines ganzen Aufenthalts in Sydney mit der Beobachtung des südlichen Himmels beschäftigte, deren Resultate er der gelehrten W e l t in einem eigenen W e r k e mitgetheilt hat. Die Officiere der beiden Sloops wurden von dem Gouverneur Macquarrie aufs Beste aufgenommen und können die ihnen erwiesene Aufmerksamkeit nicht genug rühmen. Ihre Nachrichten über N e u - S ü d Wales dürfen wir jedoch um so mehr übergehen, da wir so viel spätere und genauere Beschreibungen dieses interessanten Erdlheils besitzen. Die Breite ihres Observatoriums wird auf 33° 51' S. angegeben, die Länge: nach Bellingshausens Observationen auf 1 5 1 ° 1 6 ' 5 8 ' 0 . „ Sawadowskij's „ „ 151°23'28" „ Iljin's „ „ 151°16'54" Abweichung der Magnetnadel: auf dem W o s t o k : 8° 3'0" 0 . Mirny: 8°28'8 Am 20. Mai lichtete der Wostok die Anker und ging unter Segel, bald darauf folgte der Mirny, und gegen 9 JLJhr waren beide Schiffe schon aus der Bai hinaus. D e r Capitain Bellingshausen beabsichtigte, seinen Instructionen zufolge, nördlich um die Küste von Neu-Seeland nach der Insel Oparo zu steuern und von dort seinen Curs durch denjenigen Theil des O c e a n s , der von Roggewein den Namen des Zornigen Meeres erhielt, nach dein von Bougainville entdeckteil gefährlichen Archipel zu richten, in welcher Gegend er hoflen

B e l l i n g s l i a u s e n s Heise nach der Süllsee efc.

145

konnle, auf einige noch unbekannte Inselgruppen zu sltffsem Nachdem er jedoch mehrere Tage hing mit anhaltenden nördlichen Winden gekämpft hatte, entschlofs er sich am 4. Juni nach der Cook's-Stiafse zu segeln, welche bekanntlich N e u seeland in zwei Hälften theilt, und nach einem kurzen Aufenthalt in Queen- Charlotle's Bay seine Fahrt nach Noi'd-Osten fortzusetzen. Am 5. erblickte man den majestätischen, die Wolken überragenden Egmont-Berg, den man in einer Entfernung von 50 Meil en genau unterscheiden konnte', die Hohen waren mit Schnee bedeckt und die abschiifsigen Ufer N e u - S e e l a n d s mit Wald und Strauchwerk bewachsen. Die Lage dieses Riesenberges, in dessen Nähe die beiden Sloops mehrere Tage Javirten, ist: S. B. 0 . v. Gr. . nach Beliingshausen 39°I4'40" — I74°13'45" „ Lasarew 39°15'30" — 174° 14' ' Die Lage des Cap Stephens fanden sie uin 50' 20'' w e s t licher und 7' südlicher als die von Cook angegebene. Das südliche Ufer der Cook's-Strafse bildet mehrere Buchten, die von kleinen Inseln und Felsen verdeckt werden, hinter denen sich die Berge stufenweise erheben. Am 7. Juni um 4 Uhi' Nachmittags trat der Gipfel des Egmont-Berges ganz aus den Wolken hervor; er befand sich zu der Zeil in einer Entfernung von 87 Meilen. Er wurde bei seiner Entdeckung voa Cook mit dem Pik von Teneriffa verglichen und Forster giebt sogar seine Höhe zu 14760 Fufs an; aus den Messungen
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533

534

Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

Man Linn w o h l a n n e h m e n dafs die gröfsle j ä h r l i c h e Ausheule die m a n in einer j e d e r d e r eben g e n a n n t e n Z o n e n e r hallen h a t , d e m w i r k l i c h e n G o l d g e h a l l e derselben n a h e p r o portional i s t , d e n n da, w ä h r e n d der letzten 10 bis 12 J a h r e , mit n u r einer A u s n a h m e in j e d e r derselben ein conlinuirliches S i n k e n d e s E r t r a g e s s t a t t f a n d , so w e r d e n w o h l k a u m in einer v o n ihnen b e t r ä c h t l i c h e Goldlager ganz u n b e a c h t e t geblieben sein. E s folgt d e m n a c h dafs längs des U r a l auf der g a n z e n S t r e c k e v o n 6 1 ° , 3 bis 5 2 ° , 1 B r e i t e , d a s m e i s t e Gold z w i s c h e n d e n P a r a l l e l k r e i s e n v o n 5 7 ° , 5 und 5 6 ° , 0 v o r k ö m m t . — N ä e h s t d e m u n d n a h e e b e n so viel z w i s c h e n 5 6 ° , 0 u n d 5 4 ° , 5 u n d d a g e g e n merklich w e n i g e r in den n ö r d lich an die e r s t e r e u n d südlich an die letzlere a n g r ä n z e n d e n Z o n e n . — Ein z w e i t e s M a x i m u m der G o l d v e r b r e i l u n g a m U r a l , w e l c h e s w e i t nördlich v o m Güsten B r e i t e n g r a d e läge, darf indessen bis j e t z t n o c h nicht als w i d e r l e g t , s o n d e r n nur e t w a als nicht s e h r w a h r s c h e i n l i c h b e t r a c h t e t w e r d e n . W a s die L a g e d e r G o l d w ä s c h e n g e g e n die W a s s e r s c h e i d e d e s Gebirges b e t r i f f t , so sind z w a r u n t e r den v o r s t e h e n d e n , an Privaten gehörenden, ;auf der W e s t - S e i l e e b e n s o v i e l e a l s a u f d e r ö s t l i c h e n ; die auf der Os.l S e i t e g e l e g e n e n sind jedoch durchschnittlich b e d e u t e n d r e i c h e r . Es zeigt sich f e r n e r d a f s , von eben diesen P r i v a l w ä s c h e n die östlichen meistens z w i s c h e n 0,5 und 4 Meilen von der W a s serscheide absieben. D i e r c i c h s l e n scheinen innerhalb A b sländen von 0,5 und 3 Meilen ganz gleichgültig verlheill, indem diese n a c h d e m M a x i m u m ihres j ä h r l i c h e n E r t r a g e s auf einander folgen : die W e r c h - I s e l s k e r bei 1,6 Meilen Abstand. — N. T a g i l s k e r — K y sch li ms ke r u Kaslinsker

— 3 — 2,0 — 2,5

— — —

An der W e s t - S e i l e des G e b i r g e s scheinen der Goldwäschen zwischen g a n z ähnlichen variiren.

_ —

die Abslände G l ä n z e n zu

535

Ucber die geognostisclien Verhältnisse von Nord-Asien etc.

Um aber diese für die Theorie des Goldvorkommens höchst wichtigen Umstände noch näher zu untersuchen, habe ich in dem folgenden Ortsverzeichnisse auch diejenigen, grossentheils der Krone gehörigen, Seifenwerke mit aufgenommen von denen mir n u r die geographische L a g e , nicht aber der E r t r a g in den einzelnen Jahren bekannt geworden ist. D i e meisten der hier anzuführenden Namen beziehen sich jedoch nicht auf ein einzelnes, sondern auf die Milte mehrerer einander benachbarter Schultlager oder Goldwäschen und m a n w ü r d e daher auch durch Aufzählung der einzelnen ein noch weit zahlreicheres Verzeichnifs erhalten. Positionen

von G o l d s c h u l l - B e z i r k e n

am Ural.

Breite.

A in ISjäus . . Wsewoloder . . Am Tscliurol Woskresensker . Idem Iljinsker . . . Bei Petropawlosk Magdalinsker An der Kamenka An der Polutowka Latinsker . . . An der Trawjanka An der Bannaja Am Is . . . Glubokji-rossyp . Wtoryginsker Michailower . . Bisersker . . .

G3°,4 61°,3 CO0,9 60°,3 60°,2 60°,1 60°,0 59°,75 59»,7 59°,7 59°,4 59°,4 59°,1 58°,8

57°,9 57°, 5 56°,2 57°,4 57°,6 58°,0 58°,0 58°, 1 58°,0 57°,8 57°,9 57°,7 57°,2 57°,4 -57®,6

6 5 5 6 6 9,5 9,5 9,5 9 7,5

Ost. Ost. West. Ost. -

7

35 *

1,9 5,0 7 7 5,0 1,8 West.

536

Physikalisch-mathematische Wissenschaften.

Breite.

L ä n g e 0 . V. P .

Abstand von «1er Wasserscheide.

Meilen. An der Kalugioa (zur Saida) . . . . 58°,1 9,0 Osi. 58°,6 57»,7 An der on der allgemeinen Verbreitung des Magnetkieses in dem Talksclnefer.

540

Physikalisch - m a t h e m a t i s c h e Wissenschaften.

nähme der dortigen Gruben fand man nämlich unmittelbar unter der D a m m e r d e viele Goldkörner nesterweis beisammen, und so grofs dafs man sie nur mit der Hand aus dem u m g e benden Eisenocher oder aus Quarzkliiflen auszulesen hatte. Aehnliches scheint auch von der Lage des Rothbleierz in diesen Gängen (dem chromsauren Blei) gegolten zu haben, welches ehedem von hieraus pudweise vei schickt und in Moskau als gemeinere Anslrichsfarbe gebraucht wurde. *) Nicht minder wichtig fiir jede Theorie dieser Erscheinungen ist endlich, dafs mehrere Beslandlheiie der Beresow e r Quavzgänge, namentlich aber der Eisenkies und das in ihm enthaltene Gold, sich auch aufserhall) derselben in den Nebengesteinen finden. Dieses ist im Beresite der Fall, in noch höherein Mafse aber wo jene Gänge den Talkschiefer durchsetzen. Auf solchen Strecken erscheiut dann oft auch der Quarz selbst wie durch das schiefrige Nebengestein zersplittert, oder — uin nur Thalsächliches zu sagen — die Talkschiefcr sind, zur Seite der eigentlichen Gänge, mit vielen feinen und sich auskeilenden Quarz s c h n ü r e n durchsetzt, und von diesen findet ein allmäliger Uebergang statt in die Q u a r z k ö r n e r welche demselben Gesteine meilenweit durch das ganze Grubenrevier als ein wesentlicher Bestandt e i l verbleiben. Von den goldführenden Gängen die man sonst noch in dem Jekalrinburger Distrikt benutzt, jetzt aber verlassen hat, liegen die U k l u s k e r und S c h i l o w e r , gerade wie die von Beresow, zwischen dem dritten und vierten der grofsen G r a nitziige. E s wird versichert dafs auch sie in dem sogenannten Beresite aufgesetzt und hauptsächlich aus Quarz bestanden haben. Die T s c h u s o w s k e r G ä n g e * * ) bei den Dörfern Makarowa und Kurganowa an der Tschusowaja (56°,7 und 56°,6 Breite bei 58°,0 und 58°, l 0 . v. Paris) liegen nahe an dem *) G o r n y - J u m .

1839. N o . 5.

**) Kbend. 1835. N o . 6. S. 190.

Urtier die g e o g n o s t i s c l i c n Verhältnisse von N o r d - A s i e n e t c .

547

Westrande des ersten oder westlichsten Granitzuges und durchsetzen llieils Beresit (über dessen Verhalten ztr jenem Granilzuge auch doli noch nicht entschieden ist) theils T h o n und Talk-Schiefer. Das Streichen des reichsten dieser Gänge (am linken Ufer der T s c h u s o w a j a , den die Krylatower Gruhe bis zu 7 jSajen Tiefe abgebaut hat) ist N W . , also mit dem Hauptstreichen nahe übereinstimmend und dadurch verschieden von den Beresower Quarzgängen. Auch in den Newjansker Goldgruben (bei 5 7 ° , 5 Breite 5 7 ° , 8 0 . v. Paris), welche erst 1826 verlassen wurden, baute man auf Quarzgängen die, im Beresite aufsetzend, sich nur durch ihr nordöstliches Streichen von den Beresowern unterschieden haben, so wie auch durch ein häufigeres Vorkommen von Blättern gediegenen Goldes die unmittelbar mit dem Gangquarz verwachsen waren. Unter den Talkgesteinen der Newjansker Gegend sind Serpentine sehr vorherrschend und zwischen diesen Magneleisen das wie ein mächtiger Gang bis weit in die nördlicheren Uralischen Distrikte fortsetzt. E s ist sodann endlich noch die sogenannte T o t s c h i l n a j a g o r a ( d . i. wörtlich: der Schleifsteinberg) bei 5 7 ° , 5 B r . 5 8 ° , 8 0 . v. P a r i s , wenn auch, so viel man weifs, nicht goldhaltig, doch offenbar den Beresower Gängen sehr analog gebildet. Kr scheint nahe an dem Oslrande des vierten Granitzuges zu liegen und zwar etwas nördlich von Mursinsk, wo sich von eben diesem Z u g e grofse Massen von Gümmer mit Topasen und Aquamarinen gangartig in die Talkschiefer erstrecken. Die Totschilnaja • Gora besieht wieder aus einem dein Beresite sehr ähnlichen Gesteine, welches (in mächtigen S t ö c k e n ) im Bitterspalhhaltigen Talkschiefer liegt und von östlich streichenden Quarzgängen durchschnitten ist. Sowohl in diesem Quarze und auf Klüften des angränzenden Beresiles als auch in einem ö s t l i c h streichenden Thongange linden sich nun Kryslalle von Rothbleierz mit Hexaedern von zersetztem Eisenkiese eben so verbunden wie zu Beresow. Ueber das relative Alter der hier erwähnten Formationen

548

Physikalisch -mathematische Wissenschaften.

des Jekatrinburger Distriktes und somit auch über das Allet ihrer goldführenden Gänge und des Goldes im Nebengestein, haben bereits die verschiedensten Ansichten geherrscht. Einige und unter diesen Herr S c h t s c h u r o w s k j i in seiner Beschreibung des Ural'), glauben nachweisen zu können dafs die metamorphischen Schiefer (also der Talk- und Chloritschiefer) in f ü n f getrennten Perioden durchsetzt worden seien und zwar 1) von dem Granite der Hauptzüge; 2) von den Hornblend- und Augit-Gesteinen zu denen sie den Serpentin mit hinzuziehen; 3) von dem Beresite; 4) von den goldführenden Gängen, und 5) endlich von den grofsen Magrietmassen (des Newjansker, des Kuschwaer und vieler andern Uralischen Bezirke). Herr T c h a i k o w s k j i , der im Jekatrinburger Distrikte bei weitem mehr einzelne Thatsachen beobachtet hat als seine Vorgänger, verzweifelt dagegen viel bescheidener an der Auffindung i r g e n d e i n e s Altersunterschiedes für die dortigen krystallinischen Gesteine. Sie seien insgesammt eine g r a n i t o - s i e n i l i s c h e Formation von der man nur sagen könne dafs ihre Textur zwischen den, freilich etwas weiten, Glänzen der schiefrigen und rein krystallinischen, ihre mineralogische Beschaffenheit aber von Augitporphyren und Grünsteinen einerseits bis zu achtem Granite variire. Ja selbst die goldführenden Quarzschnüre im Beresite dürfe man ebeu so wenig für eine selbständige Bildung ansprechen, wie ganz ähnliche gangförmige Ausscheidungen, theils von Quarz theils von Feldspatb, die mitten in dem unzertheilten Granite der sogenannten Hauplzügc vorkommen oder wie die lokalen Entwicklungen zu Pegmalit, die man an dem Granite des vierten *) U r a l s k j i C h r e b e t w ' p h i s i k o - g e o g r a p h i t s c h e s k o m i. pr. otnoscheniach. ( D a s U r a l g e b i r g e in p h y s i s c h - g e o g r a p h i s c h e r u. a. B e z i e h u n g e n ) . Moskwa. 1841. 8vo. pag. 54 seq.

Ueber die geognostischen Verliältnisse yon Nord-Asien etc.

549

dieser Züge so häufig bemerkt und mit denen zugleich sich dann in dessen Hauptmasse plötzlich ein Reichthum von Turmalinen, Topasen und Beryllen einfinde. — Derselben Meinung über die ßeresovver Gänge war übrigens auch Engelhardt, der erste gründliche Beschreiber des Goldvorkommens am Ural *). Er wollte sie nicht für spätere Eindrängungen halten. Der Granit, der Beresit und die Talkschiefer schienen ihm von gleichzeitiger Entstehung. Aus dem ersteren habe der Quarz sich ausgeschieden wo sich ihm Grünsleine näherten , und eben vermöge ihrer Gleichzeitigkeit seien auch die d r e i genannten Gesteine auf so gleiche Weise mit goldführenden Eisenwürfeln (anamorphischen Kiesen) durchsetzt. Es giebt indessen noch eine wichtige Thatsache, von welcher jede vermittelnde Entscheidung zwischen difesen ex* trcmen Ansichten über die Goldgänge auszugehen hat. Ein Granit, der bald dem der Hauplzüge bald dem Beresite näher steht, d u r c h s e t z t , an vielen Punkten des Jekatrinburger Distriktes, d e n S e r p e n t i n und ist also jünger als dieser. Einen dieser Punkte bei Kalinowsk, um 10 Werst NO. von J e k a t r i n b - u r g , hat Herr Rose untersucht**), ohne doch an den Gränzen des Ganges und des Hauptgesteines irgend eine Veränderung ihrer sonstigen Beschaflenheit zu bemerken. Wollte man daher mit den meisten Beobachtern (oben S. 543) den Serpentin für eine mit den Dioriten gleichzeitige Bildung halten, so wären auch diese letzteren älter als der Granit, und, a p o t i o r i , älter als das auf Gängen vorkommende Gold des Jekatrinburger Distriktes. — Herrn Rose's Erfahrungen am Ural scheinen ihn jedoch kaum jener Ansicht über das Alter des Serpentin oder deren Folgerungen über die übrigen Jekatrinburger Gesteine geneigt zu machen. Nach ihm dürften vielmehr die Schiefer und der Serpentin für gleichzeitig gelten, indem er über die nächsten Umgebungen von Jeka*) Die Lagerstätte des Goldes und Platins im Ural-Gebirge von M. v. Engelhardt.

Riga 1828.

8vo.

**) Reise nach dem Ural u. s. w. Ermans P.nss. Arclüv. Hfl. J . 1842.

Th. I.

S. 235. 36

550

Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

trinburg aussagt*): „Chloritschiefer und Thonschiefer bilden die scliiefrigen Gebirgsarlen. — Von massigen Gebirgsarlen linden sich S e r p e n t i n , d e r h i e r in e i n e r m e r k w ü r d i g g l e i c h m ä f s i g e n L a g e r u n g mit dem C h l o r i t s c h i e f e r v o r k ö m m t und Granit welcher den Serpentin gangartig zu durchsetzen scheint. Äufser diesen Gebirgsarten finden sich nun noch andere, die sowohl in Rücksicht der Struktur als auch der Lagerung zwischen Chloritschiefer, Thonschieier, Serpentin und Augilporphyr in der Mille stehen und an verschiedenen Stellen bald mehr mit der einen bald mehr mit der andern übereinkommen." Auf diesem so schwer zu enträthselnden Gewirre von schiefrigen und kryslallinischen Bildungen findet man nun den Goldschutt unter andern unler folgenden Verhältnissen. Das Nikolajewsker Schulllager bei 56°,5 Breite 58°,5 0 . v. P . , etwa 0,7 Meilen östlich von der Wasserscheide bildet auf einem wasserlosen, ebnen oder doch nicht merklich thalförmigen Boden einen nach VV 3 0 ° IN. gerichteten Sireilen. Das unterliegende Gestein, ein grauer sehr steil fallender Thonschiefer, hat genau dasselbe Streichen. Der goldhaltige Sand ist von gelbem Ansehen und enthält viele grofse Quarz.blocke und Bruchstücke von T h o n - und Talkschiefer. — Magneteisen, Eisenglanz, Brauneisenwürfel und Granaten liegen lose zwischen ihnen, so wie Rulilkryslalle, die aufserdein auch in den Quarzblücken eingewachsen vorkommen. **) Das J e 1 e s j a n s k e r Seifen werk'**) ( 5 G B r 57°,9 O. v. P.) liegt etwa 2 Meilen West von der Wasserscheide, in dem Thale der J e l e s j a n k a , einem von dem Berge Asow kommenden Zuflufs zur linken oder westlichen Seite der Tschu«owaja. Das unterliegende Gestein streicht nach N 20° O., queer gegen die Längeuaxe des Schuttlagers, und ist stellenweise bald Diorit aus Hornblende und Albit, bald Chlorit*) Reise nach dem Ural u. s. w. •*) Ebend. S. 255. ***) Ebernl. S. 258.

T h . I.

S. 177.

Oeber die geognostischen Verhältnisse von Nord-Asien etc.

551

schiefer mil Hexaedern von Eisenkies, die goldhaltig sein sollen. Der Schult besieht dagegen gröfstentheils aus einem Augitporphyr dessen Anstehen an der oberen J e l e s j a n k a auch anderweitig bekannt ist; auiserdem aus Talkschiefer und Serpentin. Quarz ist darin sehr seilen. Das Gold ist meist fein doch auch bis zu 3 Pfund schweren Stücken vorgekommen. Die G o r n o s c h i t s k e r Wäschen *) (etwa 56°,7 Br. bei 58°,1 0 . v. P.) liegen am rechten Ufer der T s c h u « o w a j a sehr nahe an der Wasserscheide, an der Westseite des ersten- Granilzuges, auf einem flachen und nach beiden Seilen schwach abhängenden Terrain. Der angränzende Granit ist feinkörnig mit gelblich-weifsem Feldspath, wenigem Quarze und verschiedenfarbigem Glimmer. Das Hauptgestein auf der Ebne selbst ist Talkschiefer, der vielen Quarz und demnächst excenlrisch-slralige Drusen und einzelne Krystalle von schwarzem Schörl, Hornblende, Rutil, so wie auch sehr viele Kryslalle von Magneteisen und Brauneisenwürfel enthält. Chloritschiefer und Serpentin erscheinen auch dort bald als untergeordnete, bald sogar als vorherrschende A b ä n d e r u n g e n d e s T a l k s c h i e f e r s (der Serpentin am Nord-Ende dieser Ebne) und enthalten demgemäfs dieselben Fossilien wie diese: den Quarz nicht ausgenommen. Im Chloritschiefer soll dort aufserdem auch Demantspath vorkommen. Trotz dieser Aehnlichkeit in der Zusammensetzung ragt aber der Serpentin oft kuppenförmig über die umgebenden Schiefer hervor. — Das schiefrige Hauptgestein ist nun von schmalen, nördlich streichenden, Granilgängen durchsetzt, in denen Feldspath vorherrscht. Ihr Glimmer wechselt mil grünlichen Chloritschuppen, und Brauneisenwürfel geben ihnen ein porphyrartiges Ansehn. Dergleichen Beresit oder Prologingänge sind namentlich in dem goldreichen Bezirke unter dem Schutte äufserst häufig. An der Oberfläche liegen aufserdem noch ungeheure Quarzblöcke, die einen, seiner Breite nach, bis zur Tschusowaja reichenden und mit deren Thale etwa parallelen *) R u d a k o w in G o r n y J u r n . 1835. No. 11.

36*

552

Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

Streifen l'ilden sollen. *) — Der eigentliche Schult besteht aber aus groben Trümmern von T a l k - oder Chlorit-Schieler und Serpentin, aus Geroellen und Krystallfragmenten von Quarz, aus Magneteisen, das von kleinen Körnern bis zu grölseren Geschieben wechselt, und zwischen diesen gröberen Trümmern liegen Granaten, Rutil, Strahlstein und schwarzer Schöll, zugleich mit dem Golde und, je nach der Beschaffenheit des unterliegenden Felsbodens, bald von Letten aus verwittertem Feldspath, bald von fett anzufühlendem Chloritlehm umgeben. — Eine feinere Anschwemmungsschicht bedeckt dieses Trümmerlager an einzelnen Stellen. Diese ist aber immer so arm an Gold, dafs man nur annehmen kann, sie sei von dem gröberen Schulte später abgespült worden, nicht aber mit ihm gleichzeitig entstanden. Es bleibt sonach kein Zweifel dafs die Gornoschilsker Seifen an ihrem Fundorte selbst durch Zertrümmerung des ehemaligen Ausgehenden entstanden sind und dafs das Gold, welches sie enthalten, iheils aus Brauneisenwürfeln herstamme, die in den Schiefern und in dem Protogin noch jetzt so ungemein häufig sind, theils aus Quarzgängen in denselben Gesteinen. Bis jetzt hat man freilich in der Nähe der Wäschen nur dünne Schweife solcher Gänge anstehend gefunden, aber sicher gehörten einst zu deren goldreicherem Ausgehenden die Bruchstücke des schon erwähnten Quarzes (er ist nur halbdurchsichlig und von vielen Spalten durchsetzt), welche in dem dortigen Schutte an manchen Stellen über alle andern Trümmer überwiegen. Die gröfseren Goldslücke (sogenannte 5 a m o r o d k i der russischen, p e p i t i der spanischen Bergleute) haben in den Gornoschilsker Wäschen nur bis zu Rüss. Pfunden gewogen. — Sehr unerwartet war dagegen unler den dortigen Umgebungen ein 1,5 Pfund schweres' Stück gediegenen Kupfers, welches vor Kurzem mit ausgewaschen wurde.**) *) . R u d a l r o w in G o m y J u r n .

1835.

No. 11.

**) K a r p i n s k j i über die Goldschutt-Lager in G o r n y - J u r n a l . Heft 1 bis 9.

1840.

Heber die geognostischen Verlialtnisse von Nord-Asien etc.

553

Analoger und daher um so wichtiger wird dieses Vorkommen dadurch, dafs man im Serpenline des Jekatrinburger Dislrikles, nicht auf Gängen, sondern auf Klüften im derben Gesteine bisweilen Blällchen gediegenen Kupfers bemerkt hat wie dies namentlich auch Herr Hose erwähnt. *) D e r Goldschult längs des Baches I s t o k liegt bei elwa 5 6 ° , 8 B r e i t e , 5 8 ° , 5 0 . v. Paris. D e r I s t o k entspringt zwischen J e k a t r i n b u r g und B e r e s o w und fliefst gegen S S O in das linke Ufer des I s e t . An der genannten Stelle, wo er die Tobolsker Strafse durchschneidet, sah E n g e l h a r d t **) die goldführende Schicht unmittelbar unter dem Torf. Es lagen namentlich Bruchstücke von Talkschiefer und von S e r pentin mit einigem Quarze, Iheils ganz frei beisammen 'theils mit anhängendem eisenschüssigen Letten. D a s letzlere Vorkommen findet sich nur weiter aufwärts an dem B a c h e , alsö näher an den Beresower Gängen und mithin auch wohl an dem Geburtsorte des Goldes. Der Schult ruht theils auf T a l k Schiefer theils auf Granit. Unler ganz ähnlichen Verhältnissen d. h. ganz nahe oder sogar noch auf den Beresower Gängen liegen ferner die von Herrn Rose beschriebenen Wäschen von N a g o r n o i , P e r w o p a w l o w s k und M a r j i n s k ***). — Die ersteren an der B e r e s o w k a nur 1 W e r s t Nord von B e r e s o w arbeilen auf eine 1 bis Fufs mächtige Schicht bauwürdigen Schuttes, die 2 Fufs hoch mit taubem Sande bedeckt ist. Unter den groben Trümmern ist der quarzige T a l k - S c h i e f e r von B e r e sow vorherrschend, sie ruhen aber auf verwittertem ThonSchiefer. In den mächtigeren Anschwemmungen über dein Schult isl ein Mammulzahn vorgekommen. — Bei P e r w o p a w l o w s k , nicht ganz \ Meile N W . von B e r e s o w s k , liegen 9 bis 18 Zoll sehr reichen Schuttes unter 7 bis 14 Zoll armen. D e r ersteve enthält in vielem Leiten Stücke von Talkschiefer, der dem der Beresower Gruben durchaus ähn* ) Reise nach dem Ural u. s. w.

TIi. I.

* * ) Die Lagerstätte des Goldes u. s. w.

S . 289. Riga 1828.

S . 14.

***) G . Rose. Reise nach dem Ural u. s. w. Bd. I. S, 227 « . f.

554

Physikalisch-mathematische Wissenschaften.

lieh ist, so wie auch fast alle andern Gesteine und Fossilien des dortigen Ganggebirges. Aufser diesen nur noch iiufserst kleine Zirkonkryslalle, die bis jetzt in dem Anstehenden der nächslen Umgebung noch nicht bekannt sind. Die Längenerstreckung des Lagers, welches auf ganz ebnem Boden ruht, ist gegen Osten, mithin stark abweichend von dem Streichen des Beresiles und nur übereinstimmend mit dem der goldführenden Quarzgänge in demselben. Der P e r w o p a w l o w s k e r Wäsche ist die in derselben Richtung von B e r e s o w gelegene K l e n o w s k e r sehr ähnlich, in deren, unmittelbar unter dem Torfe gelegenen, Schutte auch die kleinen Zirkonkryslalle nicht fehlen. Bei M a r j i n s k , 4£ Werst Nord von B e r e s o w s k , am linken Ufer der P y s c h m a , sind dagegen die längeren Seilen einer Goldseife parallel mit den Beresitgängen. Von der fünf Fufs mächtigen Trümmerschicht ist nur das untere Viertel bauwürdig. Es enthält dieses von gröfseren Stücken nur E u p h o l i d , welcher dann auch unter dem Lager anzustehen scheint. Nach Hrn. K a r p i n s k j i ' s Untersuchungen im Jahre 1839*) ist ferner das ganze Thal der P y s c h m a , 18 Werst weit von dem Dorfe P y s c l i m i n s k bis zu dem Hüttenwerke gleiches Namens (56°,9 Br. bei 58°,3 bis 58°,6 0 . v. Paris) mit einer so gut als continuirJichen Schicht Goldschult erfüllt. Die P y s c h m a lliefsl zwischen den genannten Punkten auf einer schwach geneigten höchst sumpfigen Ebne von 1050 bis 1400 Engl. Fufs Breite, und unter diesen liegen nun zuerst bis auf etwa 14 Fufs Tiefe taube Schichten und zwar namentlich auf etwa 2 Fufs Torf, dann gegen 5 Fufs mächtiger bläulicher Thon, und endlich eine 7 Fufs dicke Schicht f e i n e n Flufssandes. — Erst unter diesem folgen die goldführenden Trümm e r , unter denen Thonschiefer, Serpentin und Quarz bei weitem vorzuherrschen schienen. Sie ruhen meistens auf an*) In der mehr erwähnten Abhandlung über Gold-Seifen. G. J. Nr. 5. S. 238.

1840.

Oebei" die geognostisclien Verhältnisse von Nord-Asien etc.

555

stehendem Thonschiefer, zwischen dem man den Serpentin nur stellenweise eingedrängt und dann über ihm hervor« ragend fand. Zur Erklärung dieses Vorkommens führt Herr K a r p i n s k j i an, dafs an der P y s c h m a , bei dem Hüttenwerke dieses Namens, die Fortsetzung der goldführenden Beresower Gänge wirklich im S e r p e n t i n e liegen Etwas weiter, aber doch nur bir auf 1,5 Meilen von Beresowsk, liegt der Goldschult von K a l i n o w s k , etwa 57°,05 Breite bei 58°,55 0 . v. Paris. Er ist von 5 bis 11 Fufs mächtig und ruht auf dein oben, Seite 549, erwähnten Serpentine der von Granitgängen durchsetzt ist. Die gröfscren Trümmer sind Serpentin, Quarz und Talk-Schiefer, sodann finden sich in grofser Menge das fast an allen Waschstellen vorkommende Brauneisenerz und, als eine im Jekatrinburger Distrikt nicht so häufig als in den nördlichem erwähnte Erscheinung, Zinnober in rundlichen Körnern. *) Ganz an der Nordgränze des Jekatrinburger Distriktes liegen endlich noch die N e w j a n s k e r Goldwäschen bei 57°,45 Breite 57°,85 0 . v. Paris. Der Schult ruht dort auf demselben mit Amiantgängen durchsetzten Serpenline, an dem ich zufällig so ausgezeichnete magnetische Eigenschaften bemerkt habe **), obgleich er durchaus kein sichtbar eingesprengtes Magneteisen enthält. Unter den gröberen Trümmern dieser Seife sind aber Chloritschiefer, Quarz und ein dem Beresower ganz ähnlicher Talk-Schiefer vorherrschend, so wie auch nach Herrn Rose Augitporphyr **'), der zwischen Jekatrinburg und Newjansk^in bedeutenden Massen ansieht. Von den beigemengten Fossilien ist unter andern die Häufigkeit der Zirkonc

*) Herr K a r p i n s k j i erwähnt doch, in der mchrgenannten Abhandlung, des Zinnobers als eines bei v i e l e n Jekatrinburger und Slatouster Wäschen bemerkten Begleiters des Goldes, wenn auch nicht in so mächtigen Stücken wie im B o g o s l o w s k e r Distrikte.. »») Ermans Reise u. s. w. Abth. I. Bd. 1. S. 316 und Abtli. II. Physik. Beob. Bd. 2. S. VIII u. 117. '•") Kose.

Reise u. s. w.

TIi. I.

S. 226.

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Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

auffallend. Die oben, Seite 547, erwähnten goldführenden Gänge bei Newjansk liegen gegen 2 Werst östlich von diesem Schuttlager, aufser welchem übrigens seit den letzten Jahr (namentlich seit 1838) in der Nähe von N e w j a n s k noch viele andere ausgebeutet werden. (Fortsetzung folgt.)

Die Fortsetzung dieses Aufsatzes und die dazu gehörige Karte sind zum nächsten Hefte zurückgelegt worden, um anstatt ihrer den folgenden Reisebericht, den wir s. (1. 1842 December 22« 11, st* aus Petersburg erhalten haben, sogleich mi Ith eilen zu können.

Vorläufiger Bericht des Hrn. P. v. Tschichatschew über seine Reise im östlichen Altai. *)

I n dieser Zeitschrift (dieser ßand Seite 402 ü. f.) ist schon der wissenschaftlichen Reise nach dem östlichen A l t a i Er» wähnung geschehen, mit der, in Folge einer von Sr. Erlaucht dem Hrn. Grafen K an k r in an Se. K. Majestät gemachten Vorstellung Herr Peter von Tschichatschew beauftragt worden ist. Diese auf Allerhöchsten Befehl unternommene und so eben beendete Reise hatte zum besonderen Zweck, sowohl die Erforschung der noch von Niemanden besuchten Quellen der Flüsse Tschuja, Tschulyschman und Abakan, als überhaupt eine allgemeine Untersuchung jener, nicht blos in naturhistorischer, sondern auch in topographischer Hinsicht als terra incognita auftretenden Gegenden. Da Herr von T s c h i c h a t c h e w beabsichtigt in einem ausführlichen Werke die Ergebnisse seiner Entdeckungsreise der gelehrten Welt vorzulegen und auch zugleich mit der Genehmigung des Ministeriums die topographischen Arbeiten jsn veröffentlichen, so begnügen wir uns, einige diese Reise betreffenden Notizen hier vorläufig mitzutheilen. *) Diese von dem Reisenden selbst geschriebenen Notizen verdanken wir der geneigten Mittheilung Sr. Erlaucht des Herrn Grafen von Kankrin. E.

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Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

Nachdem Herr v. Tschichalschew in Barnaul elwa einen Monal verweilt halte, benutzte er den erst kaum anbrechenden Frühling um sogleich seine Keise tiefer in das Gebirgsland fortzusetzen. Er verfolgte den Flufs Katunga*) von der Stadt Bjisk aus bis zur Einmündung des grofsen Ulegomen's und setzte an diesen Ort nicht ohne Gefahr über den reifsenden Bergstrom. Der Schnee lag noch zu tief auf den Sarsailischen und Aigulakischen Gebirgen, um diesen W e g zur Tschuja einschlagen zu können; unser Reisende sah sich also genölhigt die Katunga bis zur Einmündung der Tschuja zu verfolgen und nur erst dann das Gebiet der letzteren zu betreten. Aufser, der Abkürzung des Weges den man durch den Uebergang der Gebirge von Sarsal und Aigulak gewinnt, vermeidet man gern den von Herrn v. Tschichalschew gewühlten W e g noch aus einein andern Grunde. Oberhalb der Mündung der Tschuja in die Katunga treten die Gebirge zuweilen so schroff an den Ufern der ersten hervor, dafs man alsdann einen kaum nur ein p a a r Z o l l b r e i t e n Steg(!) über die nakten senkrecht den schäumenden Strom überhängenden Klippen einschlagen mufs; diese gefährlichen Oerler werden mit dem Namen ,, die T s c h u j a - B o m " bezeichnet; e^ sind derer elwa acht, und man hat alle mögliche Ursache sich glücklich zu schätzen, wenn man sie einmal hinter sich hat. Herr von Tschichalschew erreichte am 17. Mai die J u r ten der Saisane: Mongol und Schürineck. Die beweglichen Wohnungen dieser beiden Häupter der Doppelzinspflichtigen bilden den vorgerücktesten Punkt aller europäischen Wanderungen in dem Tschuja - Thal, weiter die Tschuja hinauf ist Dr. Bunge im Jahre 1826 nicht vorgedrungen oder wenigstens hat er nichts veröffentlicht das ein weiteres Vordringen annehmen liefse. Die Flora des ganzen Tschuja-Plateau lag noch im Winterschlaf und schien auch noch gerauine Zeit darin verbleiben zu müssen. Schon nach einem Tagesritte von den Jurten der beiden *) Zuerst wohl «len Ob bis Bjisk und dann wie oben gesagt.

E.

Vorläufiger Ber. d. Hrn. v. Tschichatscliew üb. seine Reise im östl. Altai.

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Fürsten nimmt die Breite des Flusses bedeutend ab, so dals man schon innerhalb von zwei Tageinärschen das hohe, mit schneebedeckten baumlosen Bergen umringte Plateau erreicht, dessen morastiger Boden die Quellen der Tschuja enthält. Diese bestehen nämlich aus einer Menge kleiner Bäche die durch mehrere zusammenstofsende Wasseradern zu Strömen heranwachsen, sich endlich vereinigen und den Flufs bilden. Die bedeutendsten dieser Ströme sind: der Murgusun, der Boromurgusun und der Justid; an diesem letzten befindet sich der beträchtlichste Chinesische Gränzposten dieser Gegend. D e r chinesische Officier machte anfangs Einwendungen gegen die topographischen Aufnahmen des russischen Naturforschers, hei welcher Gelegenheit er zuweilen den chinesischen Boden betreten mufste, allein durch gute Worte und freundliches Benehmen wurden nicht blos alle Schwierigkeiten beseitigt, sondern der chinesische Beamte bewies sich auch sehr dienstfertig und wirkte fördernd auf die nöthigen mechanischen Vorrichtungen. Von der östlichen Quelle der Tschuja, d. h. dem Boromurgusun, und der westlichsten des Tschulyschman, d. h. des Bagayrsch, sind in gerader Linie nur etwa 15 Werst und doch brachte der russische Naturforscher zwei Tage damit zu diese unbedeutende Strecke zurückzulegen; er war nämlich oft in Gefahr mit dem Pferde auf den grundlosen Morästen zu versinken. Eine von hohen kahlen Bergen starrende, kalte Einöde bildet fast ausschliesslich das ganze Plateau, dem die Tschuja nnd der Tschulyschman entquellen. Den Hauptquell dieses letzten bildet der See Djustu-koL Südwestlich und südlich von demselben sieht man zwei mit ewigem Schnee bedeckte Bergketten sich auf dem chinesischen Boden erheben, sie laufen von SVV. nach NO., wenden sijch dann nach Nord und streichen unter dein Namen der Tervdischely-Gebirge an dem See Djustu-kol vorüber. Diese Gebirgskette bildet eigentlich das sogenannte «Sajanische Gebirge*), welches unter diesem letzten Namen in dem Lande *) Als Sajanische Gebirge bezeichnet man aber auch, nach dem im

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Physikalisch-mathematische Wissenschaften.

selbst gar nicht bekannt ist. Von dem See aus nach N. und NO. sehend, bemerkt man ziemlich deutlich die Richtung der Tendischely-Kette insofern dieselbe den russischen Boden durchschneidet und man kann sich alsdann des Gedankens nicht ervvähren, dafs die hohe Gebirgskette am östlichen Ufer des Altin-kol (Telezkische See) nichts anders als eine Fortsetzung dieses Bergrückens ist. Von seiner Quelle an suchte Hr. v. Tschichatschew den Tschulyschman so lange zu verfolgen bis die das Bette dieses wilden Stroms einengenden Gebirge ihm endlich ein weiteres Vordringen in dieser Richtung vollkommen unmöglich machten, und ihn nöthigten auf fein paar Tage die unmittelbaren Ufer desselben zu verlassen. Er wandle sich demzufolge dem Baschkaus zu, verfolgte denselben bis zur Einmündung des grofsen Ulachan, überstieg alsdann abermals die Bergkette die die beiden Flüsse (Tschuja und Tschulyschman) scheidet und erreichte wieder den Tschulyschman. Er setzte seine Wanderung auf dem linken Ufer dieses Flusses fort und überfuhr denselben etwas unterhalb der Einmündung der Tschultscha. Dieser reissende Strom stürzt sich schäumend in den Tschulyschman nur etwa zwanzig Werst oberhalb der Einmündung dieses letzten in den Altin-Kol. Die Gebirgsart, die in dem ganzen Thale des Tschulyschman hauptsächlich aus Thonschiefer besteht, mit untergeordnetem Granit, Sienit und Porphyr (meistens Feldsteinporphyr) bietet an mehreren Orten bedeutende Massen von Brauneisenstein dar. Aufserdem ist der Thonschiefer sehr reich an Eisenglanz, der bald den Glimer zu ersetzen scheint *), bald neben ihm in dünnen Blättchen auftritt; ganz vorzüglich charakteristisch für den Thonschiefer erscheint aber der Eisenglanz in dem Thale des Baschkaus,

Jeniseisker und Irkuzker Gouvernement herrschenden Sprachgebrauche, erst die, östlich von den Tschuja-Quellen, vom J e n i s e i - G e biete bis zu den Quellen des Kitoi und Irkut gelegnen. E. *) Demnach schiene der dortige Thonschiefer Glimmer als wesentlichen Gemengtheil zu führen. E.

Vorläufiger B e r . d . H r n . v.Tscliicliatscliew ¡ib. seine Reise im östl. Altai.

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an dem K o k o r g o - S e e und in dem chinesischen Gebiete an den Ufern des Alasch, des Kemtschik u. s. w. Das Mineral tritt in allen diesen Gegenden auf, nicht blos als eingesprengt in der Gebirgsart, oder in dünnen glimmerarligen Täfelchen spaltbar, sondern in derben Massen, die wenn man den Strich nicht berücksichtigt, dem Bleiglanz aufs täuschendste ähnlich sind; ganze Felsen glänzen zuweilen in den Sonnenstrahlen auf eine höchst merkwürdige Art. Mehrere Punkte sowohl am Baschkaus als am Tschulyschman bieten die grofsartigslen Nalurscenen dar; Herr von Tschichatschew, der während seiner zehnjährigen ausgebreiteten Reisen durch ganz Europa und einen grofsen Theil von Asien und,Afrika, oft das Bedürfnifs gefühlt halle, das Bild mancher prachtvollen Gegend durch die Kunst wiederzugeben, hatte diesesmal einen Landschaftsmaler mit sich genommen und ist dadurch in den Stand gesetzt worden, seinem W e r k e auch zugleich eine Reihe von Altaischen Gebirgsansichten und Landschaften hinzuzufügen welche sowohl durch die Neuheit des Gegenstands als durch das Pittoreske desselben nicht ganz ohne Interesse sein werden. Die Ueberfahrt über den Tschulyschman, die, wie g e s a g t , etwa 3 0 W e r s t oberhalb seiner Einmündung in den Altin-Kol stattfand, ist zwar nicht so beschwerlich wie die der Kalunga, allein auch hier ist der Strom noch sehr reissend ; man hatte grofse Mühe die durch das öftere Uebersetzen der Ströme eingeschüchterten Pferde abermals in das ihnen verhafst gewordene Element zu treiben, während die Reisenden sich einem kleinen, aus einem ausgehölten B a u m stamme besiehenden Kahne anvertrauen mufsten * ) , und auf diese Weise sich bis zum rechten Ufer hinüberarbeiteten.

*) Ks ist wohl eines der im östlichen Sibirien und auf Kamtschatka überall üblichen B a t t i gemeinten, in denen man weite R e i s e n auf den Flüssen nnd sogar macht.

bis in

die Buchten

des

grofsen

Oceans E.

562

Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

Den wenigen und höchst unzusammenhängenden Nachrichten zufolge, die man über diese Gegenden zu sammeln vermochte, sollte der kürzeste Weg zu den Quellen des Abakans längs d e r T s c h u I t s c h a liegen, was sich auch wirklich bestätigte; denn nach einem sehr beschwerlichen, obwohl nicht anhaltenden Hinaufklimmen stiefs man NO. von dem Tschultscha-See auf einen andern viel kleinern S e e , aus dessen östlichem Ende ein unbedenlender Strom, den man den „grofsen Abakan nennt, hervortritt. Dieser S e e liegt etwa 40 Werst NO. vom See der Tschullscha; hohe schneebedeckte B e r g e , die mit dem Namen „Abakanin bachi tau" (Berge des Abakans-Hauptes) bezeichnet werden, bilden um denselben einen Halbkreis; -trotz dem dafs um Mittag bei hellem Himmel das Thermometer (Rcauinur) an der Sonne 32°,2 zeigte, und dafs man sich iin Monat Juli befand, war noch der gröfste Theil des Sees mit Eis bedeckt, die enlblöfsten Stellen durchschwärmte eine Menge von kohlschwarzen, mit einem starken Buckel am Schnabel versehenen, sehr grofsen Enten, die sowohl durch ihre Farbe als durch ihre Bildung einen grellen Kontrast mit der schönen und nicht minder grofsen gelben Anas rulila bilden, und wohl leicht, wo nicht zu einer neuen unbekannten Species, doch wenigstens zu einer neuen Abart gehören könnten. Aufser dem grofsen Abakan wird der eigentliche Fluis Abakan noch durch einen andern Strom gebildet, dem „kleinen Abakan" welcher von dem grofsen wohl nicht mehr als vier bis fünf Werst entfernt sein mag, allein durch hohe schneebedeckte Berge von demselben getrennt wird. Von diesen beiden Quellen bis zur Einmündung des Taschtyp d. h. auf einer Strecke von hundert füuf und zwanzig Werst wird dieser Flufs (der eigentliche Abakan) zwischen zwei schroffen Bergrücken eingeschlossen und fliefst gleichfalls in einer tiefen Schlucht, deren finsterer Abgrund durch die dichten Waldungen von Pinus larix und cembra, die meistens in einem sehr morastigen Boden wurzeln, iloch unzugänglicher gemacht wird. Der Versuch, sich durch diese Schlucht, oder richtiger, langgezogene tiefe Spalte, durchzuarbeiten, und den

Vorläufigor Her. tl. Hrn. v. Tscliicliatscliew üb. seine Reise im östl. Altai.

Flufs bis zu seiner Einmündung in den Jeni«ei zu verfolgen, schlug vollkommen fehl und hatte sogar den Verlust mehrerer Pferde zur Folge. Herr v. Tschichatschew liefs sich jedoch dadurch nicht abschrecken, und entschlofs sich demzufolge vom Abakan südlich abzulenken, und wo möglich einen Ort zu entdecken, wo man die Richtung des Flusses nach NO. wieder einschlagen könnte, allein nach einer 14 Tage dauernden höchst beschwerlichen Wanderung, die, weit entfernt, zu dem beabsichtigten Zwecke zu führen, gar keine Aussicht, denselben bald zu erreichen, übrig zu lassen schien, befand man sich in der peinlichen Wahl entweder den zurückgelegten Weg wieder aufzusuchen oder noch weiter in derselben südlichen Richtung vorzudringen. Das erste machte die gänzliche Erschöpfung der Pferde nicht rathsam, man entschlofs sich daher zu dem letzten um so mehr, da man dabei die Aussicht haben konnte, das chinesische Gebiet bald zu erreichen und sich doil Rath und Hülfe zu verschaffen; auch wurde das Verlangen der Anschauung von Menschengeschöpfen theilhaft zu werden von Tage zu Tage dringender, denn ein Monat war schon bald verstrichen ohne dafs man aufser ein paar Bären etwas Lebendiges gesehen hatte. Wie grofs war also die Freude als man endlich zu einem steilen Abhänge gel ngte, von dessen Höhe man wie in einem tiefen Schlünde grünende Thüler und Fluren erblickte! es war das schöne Tafelland der chinesischen Provinz Ulassatai; die kühnen Wandrer hatten, ohne es zu wissen, den ganzen •Sajanischen Bergrücken quer durchschnitten und befanden sich an dem südlichen Abhänge desselben. Dieser ist sehr steil und besieht durchgehends aus fleischrothem ziemlich grobkörnigen Granite. Drei Stunden brauchte man zum Herabsteigen von den eisigen Höhen, auf denen man so lange herumgeirrt hatte. J e tiefer je mehr wurde das Auge der Wandrer durch das frische Grün der Coniferen, Loniceren nnd Populus-Arten erquickt; endlich gelangte man in das schöne Thal, welches der stattliche Alasch bewässert; erst die weitern Ausflüge in diesen Gegenden überzeugten den

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Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

russischen Nalurforscher, dafs er sich wirklich an den Ufern des Hauplzuflusses des Kemtschik befand und somit das westliche Quellengebiet des mächtigen Jenwey's betreten halte. Das hartnäckige Weigern der chinesischen Soionen frische Pferde und Lebensmittel zu liefern, nöthigte den Hrn. v. Tschichatschew der Absicht zu entsagen, noch tiefer bis zum Kemtschick vorzudringen und diesen bis zu seiner Mündung verfolgend, den Jenisei bis zur russischen Gränze hinunterzufahren; es blieb ihm also kein andres Mittel übrig als auf einem nähern W e g e die Gränze aufzusuchen, was auch nach einem fünftägigen Ritt wirklich gelang; man erreichte und übersetzte den Schabina-Dabahan, stieg in das Thal des Tschehan-Mahan hinunter und erreichte glücklich den Gränzposlen am Abakan (Abakanskoi Karaul). Merkwürdig war der Eindruck, den das kleine Kosakendorf, aus etwa acht bis zehn russischen Bauernhäusern bestehend, auf die Kalmuken machte. Diese guten Naturkinder hatten niemals das wilde und öde Gebirgsland des Tschuly? schman und des Baschkaus verlassen und besafsen folglich keine Idee von einem Hause oder überhaupt einer an den Boden unbeweglich haftenden W o h n u u g ; so dafs sie beim Anblicke dieser stattlichen Palläste plötzlich von dem Gedanken ergriffen wurden, der mächtige Herrscher der Reufsen müsse wahrscheinlich selbst an diesem prachtvollen Orte seine Residenz haben; j a sogar die durch so lange Strapazen und harte Prüfungen tief gebeugten Rosse wollten mit Reiter und Gepäck durchgehen, als sie sich den Häusern näherten und die in Front aufgestellten Kosaken erblickten. D i e staunenden Kaimucken betraten das Innere der Wohnungen nur mit der tiefsten Ehrfurcht, die aber bald durch den Genufs des Branntweins in eine ziemlich gesellige Behagligkeit sich auflöste; das frische B r o d , das sie noch niemals gesehen hatten und welches allerdings auch für den europäischen Theil der Wandrer ein langentbehrter Leckerbissen w a r , erregte bei ihnen das gröfste Wohlgefallen.

Vorläufiger Ber. P e tersburg und Posen. 352 Seiten. 16°. b. in l a t e i n i s c h e r u n d

deutscher

Sprache.

O f f i c i a S a l v a l o r i s D. N. J. C. a c S a n c t o r u m , ad usuuv fratrum Ordinis Praedicatoruin collecta et impressa. VVilna. 454 Seiten. 8°. Von der V e r s i c h e r u n g u n d G e w i s s h e i l d e r V e r g e b u n g d e r S ü n d e n , oder der Gnade und Kindschaft Gottes. Verfafst von K. H. v o n B o g a t z k y , und zu Nutz und Frommen derer, denen nach Klarheit über ihren Seelen-

€32

Allgemein Literarisches.

stand verlangt, aus dessen Weide des Glaubens an Christo besonders herausgegeben von einem Verehrer der Schriften dieses seligen Mannes Gottes» Reval. I I I Seiten. 12°. A c h t P r e d i g t e n , gehalten in den Jahren 1835—1839 in Dorpal etc. von Dr. C. Ch. U l m a n n , Professor in Dorpat. 162 Seilen. 8°. S a m m l u n g v o n K i r c h e n l i e d e r n aus dem Gesangbuche der e v a n g e l i s c h e n B r ü d e r g e m e i n d e n . 2te Auflage. St. Petersburg. 296 S. 12°. H e r i n e n e u t i c a B i b l i c a seu ars interpretanda scripturam, Vulgatae Latinae accommodata, quam A. B a g i e i i s k i , theol. mag., in usum studiosae juvenlulis ecclesiasticae adornavit. Wilna. 108 S. 12». St. P e t e r s b u r g i s c h e S a m m l u n g g o t t e s d i e n s l l i c h e r L i e d e r , für die öffenlliche und häusliche Andacht evangelischer Gemeinden. St. Petersburg. 771 S. 12°.

XVI. Zeitschriften und Werke vermischten Inhalts. a. in r u s s i s c h e r S p r a c h e . M a j a k so w r e n i e n n a g o p r o s w j e s c h t s c h e n i a i o b r a s o w a n n o s i i (Leuchlthurm der heutigen Aufklärung und Bildung). Herausgegeben von K o r s a k o w u. B u r a t s c h e k . Th. IV—XII. U t s c h e n y a . S a p i s k i (gelehrte Denkwürdigkeiten). Herausgegeben von der kaiserl. Universität Kasan. I n s t i t u t K o r p u s a P u t e i S o o b s c h t s c h e n i a (Institut des Collegiums der Wege-Cominunicalion). 28ster Jahrg. St Petersburg. 22jj Bogen. 4°. D n e w n i k o t e l s c h e s t w e n n y c h w o s p o m i n a n j i (Tagebuch vaterländischer Erinnerungen). Ein Taschenbuch für 1840. 1. Lief. Januar. St. Petersburg. 80 S. 12°. J i w o p i s n o j e O b o s r j e n j e (malerische Uebersicht). Th. VI. E n z i k l o p e d i t s c h e s k j i L e x i k o n (encyklopädisches Wörterbuch). Th. XVI. St. Petersb. 414 S. 8».

Bibliographie für das Jahr 1840.

Newskji Album lsler Jahrg. Sl. Noworos.vjiikji das Jahr 1841).

633

(Albuin von der Newa). Von N . B o b y l c w . Petersb. 334 S. 16°. K a i e n d a r (neurussischer Kalender auf Odessa. 323 S. 8°.

b.

in p o l n i s c h e r S p r a c h e . Athenaeum. Piima poàwiçcone hisloryj, literàt u r z e , s z t u k o m , k r y t y c e i. t. d. (Athenäum. Abhandlungen aus den Gebieten der Geschichte, Litteratur, Kunst, Kritik u. s. w.). Herausgegeben von J. J. K r a s z e w s k i . • Th. I und II. YVilna. 208 u. 159 S. 8°. V V i z e r u n k i i r o s t r z ^ s a n i a n a u k o w e (wissenschaftliche Untersuchungen). Band XV. 206 S. 12°. N i e z a b u d k a (Vergissmeinnicht). Ein Neujahrsgeschenk, herausgegeben von J. B a r z c z e w s k i . S t Petersburg. 217 Seilen. 16°. R u s a l k a , herausgegeben von A. K. G r o z a . Th.III. 10Bog. 16°. Wilna. c. in d e u t s c h e r S p r a c h e . Verhandlungen der gelehrten esthnischen Gesells c h a f t zu D or pat. lsten Bandes lsles Heft. 96 Seiten. 8°. Dorpat. S e n d u n g e n der k u r l ä n d i s c h e n G e s e l l s c h a f t für L i t e r a t u r u n d K u n st. Band l. 144 S. 4°. Mitau. A im a n a c h f ü r F r e u n d e d e r S c h a u s p i e l k u n s t a u f d a s J a h r 1840, herausgegeben von Baron W. v. B l o m b e r g . Ister Jahrg. Riga. 78 S. 8°. d. i n f r a n z ö s i s c h e r - S p r a c h e . Centifolia. Etrennes pour 1841. R e c u e i l i n é d i t d é n o u v e l l e s , m o r c e a u x d i v e r s etc. etc. par une société de gens de lettres et de gens du monde, publié par les soins et sous la direction de Mr. Ch. d e S t. J u l i e n . Erster Jahrgang. Sl. Petersburg. 345 S. 8°.

Ueb er

Bronewjkii's Geschichte der Dorischen Kosaken. Von

W. Zweiter

Schölt. Artikel.

Beschreibung und Statistik. D a s Land der Donischen Kosaken liegt im Süden des russischen Reiches, zwischen 35° und 43° Ost von Paris und 46° und 52° nördl. Breite. Seine gröfste Ausdehnung von Nordost bis Südwest beträgt 590, und von Nordwest nach Südost ungefähr 410 Werst. Das ganze Areal berechnet man auf 2782 geograph. Quadratmeilen, oder 14203204 Desjatinen Landes. Das Asow'sche Meer, von welchem ein kleiner Theil zum donischen Gebiete gehört, ist der vornehmste Wasserbehälter des Landes. Alle Flüsse und Flüfschen ergiefsen sich mittelbar oder unmittelbar in dasselbe. Der Hauptflufs ist der bei hohem Wasserstande immer schiffbare D o n * * ) ; sein bedeu*) Bei diesem Auszuge ist dir Artikel „ L a n d der Donischen Kosaken" im E n z i k l o pe d i t s c h e s k i i L e k s i k o n mit benutzt worden. **) Dieser F l u f s , sagt der Verfasser, hiefs im Aiterthum T a n a i s oder T a n a , was im A r a b i s c h e n und in denjenigen Sprachen, die a u s d e m A r a b i s c h e n e n t s t a n d e n s i n d , einen F l u f s bedeutet. Diese Angabe ist ganz irrig; auch möchte man fragen, welche Sprache aus dem Arabischen entstanden sein soll?

Ueber Bronewskii's Geschichte . angab*), stimmt vollständig mit der dortigen Richtung der Gebirgsaxe. *') Erst südlich von 53° tritt diese wieder der Meridianrichtung näher, bleibt aber doch westlich von der Verlängerung des Streichungskreises zwischen J e k a t r i n b ü r g und B o g o s l o w s k (oben Seite 771). Charakteristisch ist in diesem Theile des Gebirges das Ueberwiegen von Glimmerschiefer und Gneus über die lalkigen und chloritischen Abänderungen. Im Uebrigen scheint aber alles was hier, sowohl in der Senkung am Ai als auf den beiden Kämmen, beobachtet worden ist, nur Wiederhohlung der Verhältnisse die ich oben von dem Westabhange und dem Kamme des nördlichen U r a l von 58° bis 60° Breite beschrieben habe

*) In dem T a g e b u c h e s e i n e r R e i s e u n d s e i n e s i n S1 a t o H S t.

Aufenthaltes

*") ich habe diese oben nach Herrn H o l t m a n n und Kaito des siidl. Ural angegeben, nach welcher 55° Breite bei n* O. v. Paris, und 53" — — (u — 2 ) ° — iwei P u n k t e de« Streichungskreises bezeichnen.

Helinersen's

lieber die geognostisclien Verhältnisse von Nord-Asien etc.

779

(Seile 716 u. Seite 718 bis 724). Wie dorl der I t a c o l u m i t so bilden hier derber Quarz und Quarzfels mit GlimmerSchuppen, fast ohne Ausnahme die höchsten Gipfel des U r e n g a Gebirges. D e r J u r m a , der T a g a n a i , der I r e ine 1 sind dergleichen Kieselmassen welche schroff aus den Schiefern hervorragen und ähnliche, wenn auch von geringerer Höhe, bezeichnen, ebenfalls zwischen Glimmerschiefern, die F o r l setzung derselben westlichen Kelle längs des rechten Ufers der i S a k m a r a bis südlich von 52° Breite. Auch die öslliche Kette enthält auf ihrem Kamme im Slalousler und Mijasker Bezirke dergleichen Quarzmassen, wie einen mit der Schichtung Ubereinstimmenden Gang von seltener Mächtigkeit. Er endet gegen Süden erst an den Quellfliissen des U r a l und U i . Von dort an ist, aber auch in der weiteren Forlsetzung der zweiten Kelte (dem K a i s a z k j i U r a l der anwohnenden R u s s e n , 4 K y r k t y der Baschkiren) das schiefrige Hauptgestein kaum noch entwickelt. In mehr zerrissenen Massen liegt kryslallinischer, oft schwärzlicher Kalk zwischen den metaniorphischen Schiefern in der Senkung zwischen beiden Ketten (bei Slatoust und südlich von dort um die Quellbäche des A i ) doch auch an ihren äufseren Abhängen. Dieser giebt hier wie am nördlichen U r a l den deutlichsten Beweis für die Entstehung des Glimmerschiefers aus Silurischen Schichten. In der N ä h e plulonischer Massen ist der Kalk dieser letzteren dem zwischen dem Glimmerschiefer stehenden völlig ähnlich, auch liegen wieder die reichsten K u p f e r - und Eisengruben des Slalousler Distriktes bald an der Gränze des entschiedenen Grauwackenkalkes, bald an dem krystallinischen im h ö heren Gebirge.*) Zwischen diesen sind kaum irgendwo plutonische Gesteine von einiger Ausdehnung gefunden worden. — Granilische Gesteine die doch nocli sehr continuirlich in Gneus und durch ihn in den Glimmerschiefer übergehen sollen, liegen nur erst in den erwähnten westlichen Vorbergen

*) Sclitscliuiowskji, a. a. 0. Seite 118. Lisenko in Gorny-./iii'nal lb:35. Nu. 2.

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Physikalisch - m a t h e m a t i s c h e Wissenschaften.

des U r e n g a . Sie sind bei weitem nicht so mächtig und nicht so entschieden entwickelt wie der Granit an dein OstAbhange des e i g e n t l i c h e n U r a l gegen das M i j a s l h a l . Die breite Sohle dieses letzteren so wie auch die weiter östlich folgende Ebne, entspricht aber durchaus dem G r ü n s l e i n - u n d G r a u w a c k e n - B e f c i r k e so wie wir ihn nun schon vom Polarkreise bis zu diesem südlichsten BergwerksDislrikte kennen gelernt haben. Er hält in diesem letzteren, nach der Mannigfaltigkeit und der Verlheilung seiner Hauptmassen (Silurische Schichten, Griinsteine mit Serpentin und Granit) etwa die Mitte zwischen den complizirteren Erscheinungen im J e k a t r i n b u r g e r und den einfachsten im B o g o s l o w s k e r Distrikte. G r a n i t bildet in ihm zuerst den Streifen der I l i n e n i s c h e n Berge der gegen Norden bis zur östlichen Wendung d e s M i j a s deutlich hervorragend fortsetzt, sodann, westlich von diesem, hart am Ostabhange der UralKette, einen Zug von Kuppen die sich, mehr vereinzelt zwischen Grauwacke und Grünsteinen, bis nach O r s k und vielleicht auch in die Steppe verfolgen lassen. Ein dritter G r a n i t Streif der ö s t l i c h von dem I l m e n i s c h e n ganz nahe bei K u n d r a w i n s k (16 Werst SO. von M i j a s k ) vorbeizieht, scheint endlich in dem Granite bei S t e p n a j a (54°, 1 Breite, 10 Meilen westlich von T r o i z k ) seine Verlängerung zu haben.*) Die russischen Beschreiber sind meistens der Meinung dafs der westlichste dieser Granilzüge mit dem d r i t t e n J e katrinburger, der I l m e n i s c h e aber mit dem v i e r t e n J e katrinburger (oben S. 543) in Verbindung siehe. Der Granit des erstgenannten ist feinkörnig ohne jede besonderen Gemengtheile während der der I l m e n i s c h e n Berge durch die Gröfse seiner Beslandtheile, seine lokalen Uebergänge in *) Herr A. v. K v e r s m a n n der Beschreibung

erwähnte diesen östlichsten Granitzug b e i

einer Reise von Slatoust

nach Troizk

als

sehr

mächtig und v e n m i t h e t e gerade von diesem dafs er ununterbrochen bis Jekatrinburg fortsetzt.

Uebcr die geognostisclien Verliältnisse von Nord-Asien etc.

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Zirkonsienit in einen, Graphit anstatt Glimmer führenden, Granit und in ein durchaus quarztoses Gestein aus Feldspath, schwarzem Glimmer und Elaeolilh, so wie auch durch eine fast einzige Mannichfalligkcit der ihm eingesprengten Fossilien, schon längst für eine eigenthümlichc Gebirgsarl erklärt wurde. *) Zwischen diesen Granilzügen liegen nun mannichfaltige Grünsleine unter denen Diorilpoqihyre der Masse nach überwiegen, die aber auch hier oft Augil enthalten und fast überall von ausgedehnten Serpenlinmasscn begleitet sind. So überall im M i j a s t h a l e wo sie Grauwackenschichlen durchsetzen bis aufwärts zu den Quellen des Ui. Noch südlich von diesen bis nach O r « k sind diese Gesteine sogar allein herrschend zwischen der Fortsetzung «1er U r a l - K e t t e (die dort I r e n d y k heifsl) im W e s t e n , und der I l m e n i s c h e n Bqrge im Osten, so dafs dort von 53°,5 bis 51°,5 eben so wie zwischen 58° und 60° Breite, die zweite oder östliche Kette doch nichts anderes ist als die h e b e n d e n G e s t e i n e w e l c h e , getrennt von den metamorphischen und neben denselben, frei hervorragen. — Ein mächtiger Stock von Magneleisen, acht W e r s t von M a g n i t n a j a k r j e p o s t (d. i. der Magnetfestung) bei 52°,5 Breite am linken Ufer des Ural, hat

*) Namentlich wurde das Klaeolithgestein dieser Berge von dem Entdecker desselben Herrn M e n g e und seitdem auch in den-meisten russischen Beschreibungen I l i n e n i s c h e r G r a n i t genannt, von l i n g e 1 I i a r d t als ein „sienitisch-granitisches Gebilde mit Elaeolith, mit Titan-Eisen und Z i r k o n " erwähnt und endlich in den letzten Jahren von Herrn R o s e noch genauer charaktcrisirt und demnächst mit dem Namen M i a s z i t belegt. Z i r k o n , P y r o c h l o r , E s c h i n i t , M o n a z i t , K o r u n d , U r a n o t a n t a l u. e. a. kommen als Gemengtheilc des eigentlichen Granites der Ilmenischcn Berge vor — und dagegen in untergeordneten Parthicn desselben T o p a s und B e r y l l in grünem Feldspath mit Q u a r z , S ö l t e n in S i e n i t , und Z i r k o n , l l m e n i t , K a n k r i n i t u. in. a. in dem Elaeolithgesteine bei den M e n g e ' s c l i e u Gruben ( M e n g o w s k i j a k o p i ) , 7 Werst von M i j a s k .

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Physikalisch - mathematische Wissenschaften.

offenbar zu diesen höheren diorilischen Gipfeln dieselbe Beziehung wie der B l a g o d a t zu den sogenannten AmphibolitBergen des dortigen Gebirges (Seile 727). — Beide liegen in dem ebnen und niedrigeren Theile des Grünsleinbezirkes und beide 3 Meilen von jener stärksten Anschwellung desselben. Unter den Silurischen Schichten welche von diesen Grünsleinen durchbrochen wurden, ist aber endlich sowohl in dein M i j a s - T h a l e und in dessen südlicher Fortsetzung als auch westlich von dem melamorphischen Distrikte der T h o n Schiefer am deutlichsten erhalten. — Herrn L i s e n k o ' s Karte des östlichen Längenthals zeigt ihn theiis mitten in dein Grlinsleine als mehrere inselförmige Streifen deren längere Axe stets mit dem Hauptstreichen zusammenfällt, theiis auch angelagert an den Granit der lluienischen B e r g e oder an den des westlicheren Z u g e s , und dann nur von e i n e r Seite dem Grünsleine zugekehrt. E s ist bemerkenswert!) dafs vorzugsweise diese l e t z t e r e n T h o n s c h i e f e r - S t r e i f e n , zwischen sich und dem Grünsteine ein weiches, grünliches und sehr feinschiefriges Talkgestein h a b e n , welches in den meisten Beschreibungen gradezu Talkschiefer genannt wird. Seine Entstehung aus dein Silurischen Schiefer durch Berührung mit dem D i o r i t e , scheint um so weniger zweifelhaft als auch dieser letztere gerade an solchen Stellen bis tief in seine Masse an Cohaesion verloren hat und aphanilisch geworden ist. *) — Gerade in diesen umgewandelten Theilen der Silurischen Schiefer (in den grünlichen Talkschiefern welche den Grünstein berühren) hat man aber nun die unzweifelhaftesten Reste von goldführenden Quarzgängen aufgefunden, theiis unmittelbar durchsetzend theiis von einem beresitischen Besiege begleitet; auch sind es eben solche Schiefer welche nördlich von M i j a s k (bei K y s c h t i m s k ) und sodann an den Vorbergen der U r e n g a - K e t t e einen Reichlhum von seltenen Fossilien enthalten der sich dem der M e n g i s c h e n Gruben *) S c h t s