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German Pages 308 [316] Year 1986
Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben
Gian Andrea Caduff
Antike^ SintflujBagen
VANDEVHOECK&» RUPRECHT • GÖmNGBV,
NUNC COCNOSCO EX PARTE
THOMAS J. BATA LI BRARY TRENT UNIVERSITY
HYPOMNEMATA 82
VöR
HYPOMNEMATA UNTERSUCHUNGEN ZUR ANTIKE UND ZU IHREM NACHLEBEN
Herausgegeben von Albrecht Dihle/Hartmut Erbse/Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig/Bruno Snell
HEFT 82
VANDENHOECK St RUPRECHT IN GÖTTINGEN
GIAN ANDREA CADUFF
Antike Sintflutsagen
VANDENHOECK St RUPRECHT IN GOTTINGEN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Caduff, Gian Andrea: Antike Sintflutsagen / Gian Andrea Caduff. Göttingen: Vandcnhoeck und Ruprecht, 1986. (Hypomnemata; H. 82) ISBN 3-525-25180-7 NE: GT
© Vandenhoeck Ruprecht in Göttingen 1986 - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz: Dörlemann-Satz GmbH &. Co. KG, Lemförde. Druck: Hubert 6t Co., Göttingen
URSULAE Dieses Buch ist aus einer Dissertation hervorgegangen, die im Januar 1978 der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich vorlag. Angeregt und mit seinem Rat vielfach gefördert hat sie Herr Professor W. Burkert, der überdies erste Kontakte zu den Herausgehern der „Hypomnemata" vermittelte; für all das sei ihm ganz herzlich gedankt. Sehr gefreut hat mich dann die wohlwollende Aufnahme, die meine Studie hei den Herausgehern fand und eine unverzügliche Drucklegung möglich machte. Danken möchte ich an dieser Stelle aber auch meinen akademischen Lehrern insgesamt, vor allem den Herren Professoren H. Haffter, F. G. Maier, E. Risch und H. Tränkle, für das, was sie mich in ihren Vorlesungen und Übungen lehrten. Weiter danke ich meinen Eltern, die mir das Studium ermöglicht haben, sowie ganz besonders meiner Frau; ihre Mitarbeit bei der Abfassung des Manuskripts und beim Lesen der Korrekturabzüge war für mich von unschätzbarem Wert. Zizers, im Oktober 1985 Gian A. Caduff
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Jede Wissenschaft hat ihre Liebhabereien, die Mythologie hat diejenige des Spielens mit der Sintflutmythe. Frobenius
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.
11
ERSTER TEIL: QUELLEN I. Die Fluterzählung von Deukalion . 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Die kaiserzeitliche Vulgata . Parnaß, Lokris und Deukalion. Thessalien und Deukalion. Dodona und Deukalion . Athen und Deukalion . Argos und Deukalion. Cerambus, Megaros, Polybos, Makar/Makareus und die deukalionische Flut . 8. Deukalion und der Orient .
16 16 21 23 27 28 30
a| Deukalion und Noah . b) Deukalion und andere orientalische Fluttraditionen .
30 31 31 35
II. Die Fluterzählung von Dardanos .
39
Kombination der Fluterzählungen von Deukalion und Dardanos .
43
III. Systematisierte Fluterzählungen.
44
1. Ogygos - Deukalion. 2. Ogygos - Deukalion - Dardanos - Tempedurchbruch . .
44 51
3. Andere Systeme . 4. Das Sintflutmotiv in der Philosophie . 5. Sintflut und Astrologie.
53 56 58
IV. Vereinzelte Fluterzählungen.
60
V. Götterstreitmythen
.
63
VI. Exkurs; Naturaitiologien.
64
1. Der Tempedurchbruch. 2. Die Flutkatastrophe von Keos . 3. Sonstiges .
64 66 57
VII. Sintflut als Topos.
71 7
ZWEITER TEIL; QUELLEN ANALYSE 1. Deukalion
.
1. Allgemeingriechische oder lokale Fluttradion?
.
73
2. Deukalion und die Lokrer .
76
a) Der Parnaß: Zentrum der deukalionischen Flutsage . b) Deukalion und Lokris bei Pindar .
76 80
3. Deukalion im Stammland der Elellenen.
84
4. Deukalion, Lokris und Thessalien bei Hellanikos.
87
5. Die Deukalionsage bei Hesiod
.
92
Deukalion oder Leukarion? . Deukalion und die Leleger. Volksetymologie und Steinwurfsage . Prometheus und die Sintflut.
92 97 98 100
a) b) c) d)
6. Deukalion und Dodona .
102
7. Deukalion in Athen und Argos.
107
a) Amphiktyon, Marathonios, Xuthos und Athen . b) Die jüngeren Deukaliontraditionen von Athen und Argos . Athen . Argos .
107 110 110 113
8. Arkadien und die Deukalionsage .
114
9. Lokalheroen und die deukalionische Flut . a) Kerambos (Thessalien) . b) Megaros (Megaris) und Polybos (Böotien) . c) Makar (Chios) und Makareus (Lesbos) .
115 115 116 117
10. Rein genealogische Verknüpfungen
.
118
Ätolien . Ionische Kolonien . Asien . Lykien . Hauptprinzipien in den Deukalion-Genealogien .
118 118 118 120 120
11. Orientalischer Ursprung der Deukalionsage? . a) Deukalion in Griechenland: Zusammenfassung. h) Die orientalischen Flutsagen in Griechenland . c) Deukalion und Hierapolis (Bambyke) in Syrien . d) Deukalion und Phrygien . e) Schlußfolgerungen.
121 121 122 125 127 129
a) b) c) d) e)
11. Dardanos
.
I33
.
133
2. Die Fluttradition von Samothrake.
135
1. Dardanos und Samothrake
III. Flutsysteme
.
1. Flutsysteme in der Philosophie
.
2. Spekulationen um das Große Jahr
8
73
142 142
.
146
3. Die Flutsysteme der Chroniken. 4. Zenon von Rhodos .
I53 156
Rhodos, die Teichinen und die Flut .
158
5. Die ogygische Flut
.
159
a) Bezeugung . Kastor von Rhodos . Varro . Christliche Autoren . Negative Bezeugung. b) coYtiY''0■ - S. 142-53; vgl. Filastr, 122 (94) 3 = Nr. 63. Vgl. SVFII186 Frg. 608 (= Comment. Lucan. 7, 813), II 337 Frg. 1174 (= Origenes Gels. 4, 64); vgl. Origenes Gels. 1, 19 = Nr. 59. S. 122-5.
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Parnaß als einzigem Berg, den das Wasser nicht zu überspiilen vermag und der so zum Ausgangspunkt des neuen Lebens wird, seinen Ursprung zwar auch in einer Lokaltradition hat - nämlich in dem südlicher und damit zentraler als Thessalien gelegenen Gebiet von Lokris -, nichtsde¬ stoweniger aber eigentlich die orientalische Vorstellung der Sintflut voraussetzt'L Überraschen können derartige Widersprüche allerdings nicht, denn es wird wohl niemand erwarten, daß die Mythen der einzelnen griechischen Stämme gegenseitig aufeinander abgestimmt im Hinblick auf spätere synoptische Darstellungen konzipiert worden sind.
2, Deukalion und die Lokrei a) Der Parnaß: Zentrum der deukalionischen Flutsage Die Deukalionsage war im östlichen Mittelmeerraum außerordentlich populär; von Dodona im Nordwesten Griechenlands bis hinüber ins südliche Kleinasien, wo seit dem Hellenismus Griechisches und Orienta¬ lisches ineinander übergehen, wird die Stiftung von Heiligtümern und die Errichtung von Kulten dem Flutheros Deukalion zugeschrieben. Eine Untersuchung der die Deukalionsage betreffenden Testimonia ist des¬ halb untrennbar mit der Aufgabe verbunden, die vielfältigen Verästelun¬ gen der Eokalvarianten auf ihre Originalität hin zu prüfen. Einen Hinweis darauf, wo die,Urheimat' dieses Mythos zu suchen ist, kann aber bereits eine oberflächliche Musterung der Texte geben, denn sie führt unweiger¬ lich zur Feststellung, daß Deukalion sehr häufig mit dem Parnaß in Verbindung gebracht wird - eine Beobachtung, die sich auch statistisch untermauern läßt'. Erstmals steigt der Flutheros bei Pindar (O. 9,41-56 = Nr. 18) vom Parnaß herab; diese neunte olympische Ode stellt zugleich
- S. 79; 201; 221-4. ' Pi. O. 9,41-56 = Nr. 18, Andron FGrHist 10 F 8 = Nr. 21, Apollod. 1,48 = Nr. 28, Schol. Pi. O. 9, 64c, Ov. met. 1,316-20 = Nr. 3, Isid. orig. 13, 22,4 = Nr. 104, Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6, Serv. auct. ecl. 6,41 = Nr. 107, Schol. Verg. Bern. ecl. 6,41 = Nr. 35, Schol. Hör. carm. 1,2, 9 = Nr. 2, Mythogr. 1, 189, Schol. Stat. Theh. 3, 560 = Nr. 7 (Delphi anstelle des Parnaß|, Luc. Tim. 3 = Nr. 12, Schol. Pi. rec. O. 9, 70 p. 217 = Nr. 61 (in den beiden letzten Zeugnissen der Lykoreus anstelle des Parnaß, -* Anm. 5). Phantastisch Hyg. fah. 153, 1 = Nr. 14 (Landung auf dem Ätna; danach ein Teil der Üherlieferung hei Nigid. Frg. 99, vgl. den Apparat von Swohoda zu Zeile 11) und Serv. auct. ecl. 6, 41 = Nr. 107 (Landung auf dem Athos; Verschrieb für Othrys? Vgl. Mayer [1885] 137 Anm.). Auf welche Belege sich Gruppe ([1906] 94/5) für die Tradition von einem Erdspalt in Delphi (dazu Burkert [1972] 139) stützt, durch den das Wasser der Sintflut sich verlaufen haben soll, ist mir nicht klar geworden. Für die Verbindung Deukalions mit Delphi vgl. auch noch Burkert (1972) 137/8. Deukalion König in der Gegend des Parnaß; D.H. 1, 17, 3. Eus. Chron. II p. 26e; p. 27h. Isid. orig. 13, 22, 4 = Nr. 104. Jacoby ([1904] 31) erwägt, ob MP FGrHist 239 A 2 = Nr. 42 diese Überlieferung aus Philoch, hat; bei D.H. vermutet er (Komm, zu FGrHist 4 F 117) Hellanic. als Quelle.
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den ersten Beleg für das Vorkommen der Flutthematik innerhalb des Deukalionmythos dar. Neben der Verbindung Deukabons mit dem Par¬ naß und der Flut enthält Pindars Darstellung noch ein drittes Motiv: Der Flutheros begründet die lokrische Königsdynastie. Damit beansprucht Pindar wie bereits FFesiod (Frg. 234 = Nr. 16)^ Deukabon für die Lokrer^ während nach anderen Quellen er und mit ihm das Sintflutmotiv auf der gegenüberliegenden Seite des Parnaß, nämlich in Delphi, verwurzelt ist. Unter diesen Zeugnissen findet sich allerdings keines aus der Zeit Fiesiods oder auch Pindars. Einer von Pausanias (10,6,2 = Nr. 22) aufgezeichneten Sage zufolge wurde Lykoreiah das als Mutterstadt der Delpher galß, am Parnaß von Überlebenden der deukalionischen Flut gegründet; der Name leite sich vom Heulen der Wölfe (Aexoi) her, die den Menschen den rettenden Weg auf den Berg wiesenk Dies ist nicht die einzige auf einer Flutgeschichte basierende Etymologie eines geographischen Namens bei Pausanias; den Kranichberg in der Megaris etymologisiert der Perieget (1,40,1 = Nr. 50) analog. Weil auch Kallimachos (Frg. 509 = Nr. 39) ein Beispiel für eine derartige aitiologische Fluterzählung bietet, liegt natürlich der Verdacht nahe, Pausanias' Quelle sei nicht eine alte Eokaltradition, sondern ge¬ lehrte alexandrinische Erfindungk Useneü hingegen vertritt die Mei¬ nung, daß von Pausanias aus auf eine delphische Erzählung zu schließen sei, in der Deukalion nach seiner Flucht auf den Parnaß dort die Stadt Eykoreia gründete. Nicht ausgeschlossen werden kann aber auch die Möglichkeit einer späteren Erweiterung einer alten Gründungslegende von Eykoreia durch das Flutmotiv, zumal da nach dem Marmor Parium (FGrHist 239 A 2 = Nr. 42) Eykoreia bereits vor der Flut bestanden hat. Was nämlich eindeutig feststeht, ist die Tatsache, daß der Wolf für die Delpher eine besondere Bedeutung hatte, Objekt ihrer Verehrung war* genau wie er es für das samnitische Bergvolk der Hirpini war, die von einem Wolf zu ihren Wohnstätten geführt worden sein sollenk Diese ^ - S. 97/8. ^ Zur Lage vgl. Bölte, RE 13 (1926) 2383/4; Cook (1924) 901 Anm. 2; Fontenrose (1959) 412/3. ’ Str. 9,3,3.Schol.A.R. 4,1490; 2, 711 (Die Delpher nennen sich AuxupsTc nach einem Heros AuMupeöc).
^ Lykoreus als Landungsort von Deukalion: Luc. Tim. 3 = Nr. 12; Schol. Pi. O. 9, 70 p. 217 = Nr. 61. Zum Verhältnis Lykoreus-Parnaß vgl. Bölte, RE 13 (1926) 2382-4; Ganszyiniec, RE 13 (1926) 2384/5; ferner Fontenrose (1959) 414. Lykoreia galt als Asylort: Serv. Aen. 2, 761; vgl. Ganszyiniec a.a.O. ' Vgl. Bölte, RE 13 (1926) 2382. - S. 105; 116/7. ’ (1899) 76/7. Usenet hält Lykoreia fälschlicherweise für eine Bezeichnung der Parna߬ spitze. Im Neugriechischen heißt der höchste Gipfel des Parnaß Liakura oder Lykeri: E. Meyer, KP 4 (1972) 520. Vgl. Fontenrose (1959) 421/2. * Ael. NA 12, 40; Paus. 10, 14, 7; vgl. Plu. Per. 21, 3; EM 497, 705/6. Burkert (1972) 137. ’ Str. 5, 4, 12; Paul. Fest. p. 106; dieses Motiv typisch für Gründungslegenden: Vian (1963) 78.
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Überlieferung entspricht prinzipiell dem, was die Delpher von Lykoreia erzählten, nur daß die Verknüpfung mit einer Sintflut fehlt. Nicht unbestritten gewesen zu sein scheint auch jene genealogische Tradition, die das delphische Priestergeschlecht der Hosioi auf Deukalion zurückführt“’; denn die im homerischen Apollonhymnus (388-96) enthaltene delphische Kultlegende berichtet, wie Apollon persönlich seine zukünftigen delphischen Priester aus Kreta herbeigeführt hat". Es bleibt somit auch hier nur die Folgerung ührig, daß die Anknüpfung an Deukalion sekundär ist, es sei denn, ,Deukalion' meint nicht den Flut¬ heros, sondern den kretischen Deukalion, Sohn des Minos und Vater des Idomeneus". Den Eindruck einer späten Konstruktion erweckt die Ge¬ nealogie, die Delphos, den delphischen Fieros Eponymos, an die Deukaliontochter Melantheia/Melantho" anschließt; ob Thyia“* - ebenfalls eine Tochter des Flutheros - überhaupt nach Delphi gehört, ist fraglich. Nachdem zwei Flauptzeugnisse für eine autochthone delphische Flut¬ tradition einer kritischen Nachprüfung nicht standgehalten haben, wird man sich begreiflicherweise mit um so mehr Skepsis einem Kult-Aition zuwenden; Alljährlich sei nämlich zur Erinnerung an die Sintflut das Aigle-Opfer nach Delphi gebracht worden". Diese Skepsis wird weiter genährt durch den Umstand, daß Aitien dieses Typs - zur Erinnerung an die große Flut wird eine rituelle Fiandlung durchgeführt - nicht eben selten an Orten erzählt werden, wo die Sintflutüberlieferung ganz eindeu¬ tig jung ist". Ein gleichermaßen problematisches Zeugnis für die Verwurzelung Deukalions in Delphi stellt der Orakelspruch dar, den Deukalion und Pyrrha nach ihrer Rettung bei Ovid (met. 1,383 = Nr. 3) von Themis, der
Plu. Mor. 292d; 365a; 438b. Über allfälligen orphischen Einfluß im Namen "Ooioi vgl. Nilsson (1906) 285. Zur Abstammung von Deukalion vgl. Halliday (1928) 56-62. “ Kretische Elemente im Apollon-Kult von Delphi; W. Fauth, KP 1 (1964) 444/5. Idomeneus kann seinen Stammbaum über den Vater Deukalion auf Minos zurückfüh¬ ren: Hom. II. 13, 451-3. Idomeneus wird als AeuxakiSpi; bezeichnet: Hom. II. 12, 117; 13, 307; 17, 608. Gleiche Tradition: Pherecyd. FGrHist3 F 85; Aristipp. FGrHist317 F 2; Apollod. 3, 7, 17, Epit. 1, 17; 3, 13. Vgl. V. Sybel (1884-90) 997, Tümpel (1905) 261/2. - 1.8. Anm. 9. Ein Troianer gleichen Namens; Hom. II. 20, 478-80. ” Hes. Frg. 4 erwähnt eine Deukaliontochter Melantheia, die sonst nur noch Schob E. Or. 1094, eingefügt in die Genealogie von Delphos, belegt ist. Die Form Melantho bei Ov. met. 6, 120 und Schob A. Eu. 2 (= Schob Lyc. 207). ' * Nach Hes. Frg. 7 zeugt Zeus mit ihr den Magnes und den Makedon. In Elis war p 0ma das Mitglied eines zu einem Dionysosfest gehörenden Kultkollegiums; der Plural Thyiaden wird gleichbedeutend mit Bakchen und Mänaden gebraucht; vgl. K. Preisendanz, RE 6A (1936) 680-4. In Delphi sind die Thyiaden der weibliche Gegenpol zu den Hosioi, die sich auf Deukalion zurückführen: Nilsson (1906) 285, vgl. Paus. 10, 4, 3. AB Ip. 354 = Nr. 24. - S. 110-4; 188.
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alten Herrin des Heiligtums”, erhalten: „Werft hinter euren Rücken die Geheine der großen Mutter!" Es wäre merkwürdig, wenn sich ein solches Orakel bei der Masse der Zeugnisse für die Deukalionsage nur gerade und ausgerechnet bei Ovid im Wortlaut erhalten hätte, so daß man in diesem Motiv eher eine spätere Ausschmückung der Sage mit delphi¬ schem Kolorit zu sehen haben wird; die Ausdrucksweise der Aufforde¬ rung, Steine hinter sich zu werfen, erinnert ja sehr an die „hölzerne Mauer" des anläßlich des Feldzuges von Xerxes an die Athener ergange¬ nen Orakels”. Nach Parke” sind nicht nur Deukalions Beziehungen zu Delphi, son¬ dern auch jene zum Parnaß bloß sekundärer Natur. Soweit wird man aber trotz der etwas prekären Quellenlage doch wohl nicht gehen dürfen. Für eine alte Verwurzelung Deukalions am Parnaß spricht nicht nur die Menge der Texte, die das behaupten, sondern vor allem die Tatsache, daß auch an Orten mit einer späten Deukaliontradition wie Athen^® an die¬ sem Motiv nicht gerüttelt wird. Die Ursprünglichkeit der Verknüpfung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß das Sintflutmotiv an sich erst um ca. 590 nach Delphi gekommen sein könnte, und zwar im Zu¬ sammenhang mit der Verlegung des Tagungsortes der Amphiktyonie von Anthela, denn in der durch Pindar gut und alt bezeugten lokrischen Flutsage steht ebenfalls der Parnaß im Zentrum”. Weiter lehrt vor allem die Betrachtung orientalischer Sagen, daß die Sintflutmythen häufig als wesentliches Element einen Ort kennen, wo die Kommunikation mit den Göttern leicht möglich ist, nämlich die Spitze des nicht überfluteten Berges am Nabel der Welt”. Durch seine Lage am Fuß des Parnaß bietet sich Delphi, wo ja ein derartiger öpcpaAog gezeigt wurde, somit geradezu an, mit diesem Motiv vom sog. Kosmischen Berg in Verbindung gebracht zu werden. Wenn die Deukalion-Tradition von Delphi wirklich an die¬ sem Motiv hängt, dann gehörte der Flutheros aber bereits im 9. Jh. zu diesem Heiligtum, als der Apollon-Kult hier noch nicht eingeführt und der Ort noch Themis-Gaia geweiht war, die wohl vorgriechische Tradi¬ tionen fortsetzte”; Ovid oder seine Quelle hätte sich dann zumindest ” A. Eu. 1-4, Pr. 209/10; E. IT 1245-61; Plu. Mor. 402d; vgl. Glotz (1904) 63/4, Börner (1969) 127. Gleiche Tradition bei Arnob. nat. 5, 5 = Nr. 67; Prob. Verg. georg. 1, 60-3 = Nr. 6; Serv. auct. ecl. 6,41 = Nr. 107; Schob Stat. Theb. 3, 560 = Nr. 7; Schob Verg. Bern, ecb 6,41 = Nr. 35. Apollon nennt Schob Hör. carm. 1, 2, 9 = Nr. 2. Zeus/luppiter persönlich hilft nach Hes. Frg. 234 = Nr. 16, ApoUod. 1,48 = Nr. 28, Schob Pi. rec. 0.9, 70 p. 217 = Nr. 61, Nigid. Frg. 99 = Nr. 32, Hyg. fab. 153, 2 = Nr. 14, Schob Verg. Bern, ecb 6, 41 = Nr. 35. '* Hdt. 7, 141, 3; 142, 1/2. Diese Metapher für Steine erstmals bei Choerib Trag. TrGF I 68 Frg. 2, vgl. Waern (1951) 95/6. (1967) 41; 255. - S. 110-3. Parke-Wormell (1956) I 100-12. - S. 108. ” Vgl. Roscher (1918) 14; 52; Eliade (1951) 255-8.
S. 201; 222/3; I.ll.c. Anm. 9.
" W. Fauth, KP 4 (1972) 300.
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durch eine alte Überlieferung inspirieren lassen. Gestützt wird diese Theorie zum einen durch die Tatsache, daß neben Deukalions Namen auch seine Verbindung zu den Leiegern auf Vorgriechisches hinweisüh zum andern aber dadurch, daß in Syrien und Phrygien die deukalionische Flutsage ebenfalls im Zusammenhang mit Fieiligtümern erzählt wurde, die einer Gaia wesensähnlichen weiblichen Gottheit, zu deren Symbolen der Omphalos gehörte, geweiht waren^L Die eben diskutierten und hinsichtlich ihres Alters angezweifeiten Zeugnisse verdanken wir wohl einer verstärkten Inanspruchnahme des Flutheros durch die Orakelstätte in der Zeit ihres Aufstiegs zum gemein¬ griechischen Fieiligtum seit dem 8. Jahrhundert, der aufs engste mit der Übernahme von Delphi durch die pylaiische Amphiktyonie Zusammen¬ hänge®; um diesen Anspruch zu stützen, mochte der Stammesheros aller Griechen gute Dienste leisten”.
b) Deukalion und Lokris bei Pindar In der bereits im vorhergehenden Kapitel herangezogenen neunten olym¬ pischen Ode (41-56 = Nr. 18) erzählt Pindar, wie Deukalion und Pyrrha nach der Flut vom Parnaß gestiegen seien und im aoTU IIpcoTOYevEtac, der nach der Deukaliontochter Protogeneia benannten Stadt', womit Opus in Ost-Lokris gemeint ist, das „steinerne Geschlecht" begründet hätten. Dieses frühe Zeugnis kann allerdings nicht unbesehen verwertet werden, denn es wirft ein Problem auf: Zwischen die eben paraphrasierten Verse und die Fortsetzung (es sei Zeus gewesen, der die Flut habe zurückgehen lassen, und von ihm stammten letztlich die Könige von Opus ab) ist nämlich folgende Bemerkung (V. 48/9) eingeschoben: „Den Wein mußt du loben, wenn er alt ist, nicht weniger als den Glanz von Gesängen, welche noch recht neu sind." Man nimmt allgemein an, dieser Satz spiele auf den Inhalt der Ode an, sei ein Signal dafür, daß Pindar von den ihm vorgegebenen Überlieferungen abweiche. Doch was für Änderungen sind damit gemeint? Wie im Epos vor bedeutungsvollen Stellen nicht selten die Musen
" ” “ ”
- S. 96/7; 130. - S. 125-9. Bengtson (1977) 84, vgl. Burkert (1977) 188. - Anm. 21. - S. 84-7; 120/1.
' Eine Protogeneia als Tochter von Deukalion und Pyrrha kennen ferner Pherecyd. FGrHist 3 F 23 und einige Pindarscholien: Schol. Pi. O. 9, 62b; d; 79c/d; 81; 86c. Bei Hes. Frg. 4 kann nicht entschieden werden, ob Protogeneia von Pyrrha oder Pandora abstammt. Als Vater gibt Schol. Pi. O. 9, 64c auch Prometheus an. Daß Protogeneia in Kynos aufgewachsen sei, beruht auf einer Konjektur von Boeckh im Schol. Pi. O. 9, 62b und stammt nicht von Hellanic. und Apollod., wie es noch V. Gebhard (RE 23 [1957] 979/80) annimmt. - I.5.a. Anm. 1.
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erneut angerufen werden, so nimmt der Dichter hier mit dem die eben zitierte Sentenz einleitenden Vers 47 („Lasse für sie [die Lokrer] die helltö¬ nende Weise eines Liedes erklingen!") die Imperative^ wieder auf, mit denen er sich zu Beginn der Ode antreibt, den Olympiensieger Epharmostos aus dem lokrischen Opus zu feiern. Das Neue ist demnach in der Fortsetzung zu erwarten, jedenfalls nicht in den vorangegangenen Versen über Deukalion und Pyrrha zu suchen. Die unmittelbar anschließenden Zeilen mit der Erwähnung der Flut sind durch die Einleitung AeyovTi (man erzählt) aber noch als Sagengut gesichert, und das Motiv von der Abstam¬ mung der lokrischen Könige von den Töchtern aus dem Geschlecht des lapetos und von den Kroniden (V. 53-6) wird es wohl auch nicht sein, denn da von diesen dichterischen Pluralen der erste eindeutig auf Protogeneia führt, die Tochter des lapetos-Enkels Deukalion, der zweite aber auf einen olympischen Gott, vermutlich Zeus, behauptet Pindar prinzipi¬ ell nichts anderes als Elellanikos und Ephoros, die den lokrischen Stamm¬ baum ebenfalls an Deukalion anschließen, allerdings über AmphiktyonL Diesen Eponymos der pylaiischen Amphiktyonie, deren zentrales Heilig¬ tum in Anthela im Westen von Ost-Lokris lag, hat wahrscheinlich schon Hesiod“ zum Sohne Deukalions gemacht; er ist ein beliebtes Zwischen¬ glied in den Genealogien der westlichen, der sog. Ozolischen LokrerL Eine gewagte Genealogie eröffnet hingegen das folgende StrophenTripel. Oldfather* *^ bezieht denn auch den fraglichen Hinweis auf den Teil der Ode, in dem Pindar (V. 57-66) berichtet, daß Opus, der Heros Ep¬ onymos der Heimatstadt des Athleten, dem die Ode gewidmet ist, der Sohn einer Tochter des Königs von Elis auf der Peloponnes, der ebenfalls Opus hieß, und des Zeus gewesen sei; diesem eingewanderten Opus habe Lokros, der kinderlos geblieben war, seine Stadt und sein Volk überge¬ ben; Die Verschmelzung des lokrischen Sagenkreises mit dem eleischen sei nun die Neuerung Pindars. Im wesentlichen gleicher Meinung ist auch WilamowitzL
' V. 5-8; 11-4. ’ Vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 F 13. * Vgl. Frg. 4 in der Ausgabe von Merkelbach-West. ^ Vgl. Wilamowitz (1922) 357/8. ‘ RE 10 (1917) 1454/5. ’ (1922) 353-60. Der Name der Mutter des Nachfolgers von Lokros, der Stammutter der opuntischen Lokrer also, bleibt bei Pi. ungenannt. Arist. Frg. 561 Rose bietet den Namen Kambyse und Plu. Mor. 294e Kabye. Pindars Scholiasten (zu 62b-d; 64c; 79d; 87a) und Schob A.R. 4, 1776-81e behaupten jedoch, daß ihr Name ebenfalls Protogeneia gelautet habe und daß nach ihr die Stadt benannt sei. Die Scholiasten sehen sich jedenfalls verschiedenen Traditionen um Protogeneia gegeniibergestellt, die sie zu vereinigen suchen. Typisch ist z.B. Schob Pi. 0.9,79d, das annimmt, Deukalion sei auch Opus genannt worden. Oldfather (RE 10 [1917] 1454/5) erklärt die Entstehung der Verwirrungen folgendermaßen: „Im opuntischen Lokris war Opus Sohn der Protogeneia von Zeus oder Lokros. In Elis aber gab es einen Opus, Eponymos des Flusses und der Stadt (Ein Opus in Elis bezeugen D.S. 14,17, 8 und Str. 9, 4, 2.),
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Gildersleeve* * sieht die Umgestaltung der vorgegebenen Tradition darin, daß Pindar zwischen dem leiblichen Kind von Deukalion und Pyrrha und den steingeborenen Xaoi unterscheidet: Aus den Steinen entstand nur das gemeine Volk’; die Könige verstehen sich als Nachkommen von Göt¬ tern*“. Dieses Aition für die Existenz verschiedener sozialer Klassen in Lokris mag auf den ersten Blick überraschen. Den Athenern war eine solche Geringschätzung der Autochthonie völlig fremd", und auch die kaiserzeitliche Vulgata der Deukalionsage denkt sich die neuen Men¬ schen nach der Flut insgesamt aus Steinen entstanden". Doch findet sich Entsprechendes auch in der thebanischen Lokalüberlieferung, die des Kadmos leibliche Nachkommen von den aus den Drachenzähnen ent¬ standenen Menschen trennt'L Vergleichbar sind die Verhältnisse im alten Rom: Die Plebejer werden im Gegensatz zu den Patriziern als ,terrae filii', als der Erde entsprossene Masse, bezeichnet'“; ihnen fehlt der Anteil am göttlichen Blut. Eine Ehe zwischen einem Plebejer und einem Patrizier würde das Blut des letzteren verunreinigen'^; ja, sie wäre nichts anderes als ein tierhaftes Zusammenleben'L Man wird Gildersleeve somit nicht folgen und annehmen dürfen, daß Pindar in diesem Punkt einer Lokal¬ überlieferung folgte. der Kambyse oder Kabye zur Tochter hatte. Diese Gestalten haben ursprünglich mit dem lokrischen Sagenkreise gar nichts zu tun." Eine Verknüpfung der Deukahontochter Protogeneia mit Elis ist der griechischen Mythologie allerdings auch sonst nicht unbekarmt, gilt diese doch als Mutter des Aethlios, des ersten Körügs von Elis: Apollod. 1, 49, Hyg. fab. 155, 3, Konon FGrHist 26 F 1 XFV, Paus. 5,1,3. Neben der Existenz einer Stadt Opus sowohl in Lokris wie auch in Elis war natürlich die sprachliche Verwandtschaft ebenfalls ein Anknüpfungs¬ punkt; vgl. Buck (1955) 157-60, Schmitt (1977) 64. * (1890) 207. ’ So schon Weizsäcker, RML 3 (1897-1909) 3352/3. Pi. O. 9, 53-6. Nach Gildersleeve ([1890] 201/2) steht in dieser Genealogie die weibliche Linie auffällig im Vordergrund; die zentrale Rolle von Protogeneia ist nur eines der Beispiele. Zusammen mit Polybios' (12, 5, 6-9) Bericht über die wichtige Stellung der Frau im unteritali¬ schen Lokroi wird diese Pindarode darum auch in der Diskussion um ein eventuelles Matriar¬ chat bei den Lokrern herangezogen; Oldfather, RE 13 (1926) 1255-9 und Walbank (1967) II 333. Genealogien vom Typ, daß ein Gott mit einer Tochter Deukalions einen lokalen Stam¬ mesheros zeugt, sind aber nicht auffällig; auch im Zusammenhang mit Deukalions Pendant Phoroneus ist Entsprechendes belegt; Hyg. fab. 145, 1: Phoroneus - Niobe -i- Zeus = Argos. Man hat das Genealogisieren von der weiblichen Seite her als so typisch für Lokris betrachtet, daß Hesiod, der Verfasser der Frauenkataloge, als Lokrer bezeichnet wurde; vgl. Oldfather, RE 13 (1926) 1257/8. " Vgl. PL Mx. 245d. ” Ov, met. 1, 411-3 = Nr. 3, -► Dritter Teil: IV.1. Anm. 5. ” Zu ,Sparten' wie ,Kadmos und Harmonia' H. v. Geisau, KP 2 (1967) 941; 3 (1969) 40/1. Vgl. Liv. 1,8,5 mit Cic. epist. 7,9,3 und Quint, inst. 3,7,26. Vgl. auch Werner (1973) 230/1 Anm. 57. Römische Geringschätzung des Autochthonentums: Haffter (1964) 241. Wilamowitz (1919) 587 Anm. 1. In Epidauros war ,Staubfüßler' der Spitzname für die gemeine Bevölkerung: Bengtson (1977) 105. Liv. 4, 2, 5-7. Liv. 4, 2, 6.
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Pindar arbeitet mit echt lokrischem Sagengut. Nicht nur die Bezeich¬ nung aoTu ripcoTOYeveiac; (V. 41/2) ,Stadt der Erstgeborenen'’^ weist auf einen in Opus erzählten Mythos vom Ursprung des Menschengeschlechts hin, sondern es wäre vor allem eine derart kühne Formulierung wie die schon zitierte Bezeichnung der Namens-Patronin der Stadt als Tochter aus dem Geschlecht des lapetos - was die Verknüpfung mit Deukalion voraussetzt - völlig ausgeschlossen gewesen, hätte Pindar bei seinen Zuhörern nicht mit einem Vorwissen rechnen können; und mit diesem Ursprungsmythos wird wohl auch das Flutmotiv verknüpft gewesen sein. Es ist somit nicht ratsam, mit Tümpel’* das Flutmotiv von Thessalien herzuleiten, da dort weder Deukalion noch eine Sintflut fest verankert sind; die Stadt Libethra - außerhalb Thessaliens am Olymp gelegen - hat nicht eine Sintflut, sondern ein über die Ufer getretener Fluß zerstört”. Der deukalionische Sintflutmythos gehört den Lokrern, wie es schon Wilamowitz erkannt haü°. Daß die Sage den Parnaß und die Landschaft Lokris miteinander ver¬ bindet, stellt nichts Außergewöhnliches dar, ist doch der Parnaß nicht nur nach Delphi, sondern mit seiner nordöstlichen Flanke auch nach Lokris hin orientiert. Zudem spielt in den Sintfluterzählungen - wie schon bemerkt - ein mächtiger Berg jeweils eine zentrale Rolle, und das ist in dieser Gegend nun eben der Parnaß. In den Gebieten um dieses Massiv häufen sich die FFinweise auf Flutsagen auffällig. Wilamowitz^’ hat darauf hingewiesen, daß auch die Sage von Merops, dem Sohne des FFyas, und der Flut (Schob Fiom. II. 1,250 = Nr. 129) hierhergehört. Hyas steht mit Hyampolis in Verbindung, das ca. 15 km südwestlich von Opus, also ebenfalls im Raum Parnaß-Lokris liegt. Im östlich angrenzenden Böotien war die Erinnerung an den deukalionischen Sintflutmythos eben¬ falls lebendig; Für Plataiai bezeugt dies Kallimachos (Frg. 42 = Nr. 51), und nach einem Vergilscholion (Schob Verg. Bern, georg. 3,268) wurde die der Demeter und Kore geweihte Stadt Potniai als ,civitas Deucalionis' bezeichnet; ferner werden einige wenige, nicht mit einem Heros verbun¬ dene Flutgeschichten hier lokalisierüb
” Die Betonung des Uranfänglichen auch in V. 55; ocpxäSev ,von Anfang an'. Problematisch Pausanias' (2, 19, 8) Nachricht, daß das Grab von Prometheus in Opus gezeigt wurde, -- S. 88. Prometheus gilt als Vater von Deukalion: Hes. Frg. 2; 4 = Nr. 15; Hellanic. FGrHist4 F 6 = Nr. 25; ApoUod. 1, 46 = Nr. 28; A.R. 3,1086/7; lamb. VP 242; Mythogr. 1,189; Ov. met. 1, 363/4; 390; Prob. Verg. georg. 1, 60-3 = Nr. 6; Schob Pi. O. 9, 79c. (1905) 265-7. -* Dritter Teil: IV. 1. Anm. 4. Paus. 9, 30, 9-11 = Nr. 153. (1883) 430/1 Anm. 2 und (1931) 54 Anm. 1; vgl. Parke (1967) 41; 255. Theoc. 15, 141; Aecxa/lcoveg = Aoxpoi. '' (1883) 430/1 Anm. 2. ” - S. 116/7; 178-80; 187; 190/1.
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3. Deukalion im Stammland der Hellenen Vermutlich schon in den Katalogen Hesiods ist eine Landschaft in die Deukalionsage hineingezogen worden, von der bei Pindar überhaupt nicht die Rede war und die trotzdem noch Filastrius (122 [94] 1-3 = Nr. 63) als Schauplatz des heidnischen Sintflutmythos galt: Thessalien. Nach Apollodors mythologischem Handbuch (1,46 = Nr. 28), das Hesiod sehr viel verdankt, herrscht Deukalion vor der Flut als König über Phthia'. Herodot (1,56,3) lokalisiert Deukalion in der Phthiotis, was dasselbe ish, und Strabon (9,5,6) erzählt, Deukalion habe über die Phthiotis und Thes¬ salien überhaupt geherrscht. In diesen Rahmen paßt, daß nach Rhianos (CA 13 Frg. 25), der in seinen Thessalika wohl auf Lokalüb er lief erung zurückgreift, Thessalien auch Pyrrhaia genannt wurde - ein Name, den wir mit Pyrrha, der Gemahlin des Deukalion, assoziierenL Strabon (8,7,1), dessen Angaben via Apollodor auf Andron^ fußen, gibt eine genaue Lokalisierung des Herrschaftsbereiches von Deukalion; Er begrenzt Phthia durch den Peneios, der das thessalische Tempetal durch¬ strömt, und den Asopos, der Herakleia Trachis durchfließend ca. 7 km nordöstlich der Stadt in den Spercheios mündet. Offensichtlich hat Stra¬ bon hier die thessalische Tetrade Phthiotis um Pharsalos und die sog. Achaia Phthiotis zusammengelegt, so daß sich das oben umschriebene Gebiet ergab, dessen südlicher Teil vom übrigen Thessalien durch das Othrys-Massiv abgetrennt, dafür aber nach Lokris hin offen ist, in bezug auf den Dialekt und die Stammeszugehörigkeit kein einheitliches Ge-
' Es ist eine alte Frage, ob Phthia eine Stadt oder eine Landschaft ist und wo genau man es zu lokalisieren hat; vgl. E. Bernert, RE 20 (1941) 949-51. Auf Grund von Apollodors Formulie¬ rung ßaaiAeüwv tcöv itepi rfiv 4>0iav ro-niov läßt sich nicht entscheiden, ob damit eine Stadt oder eine Landschaft gemeint ist. Würde man aus dem Kontext eher erwarten, daß von der Königs¬ stadt und ihrer Umgebung die Rede ist, so zeigt Polybios' Wendung ev tok Tttpi Ocoxiba tökok; (5, 24, 12), daß die Ortsangabe auch eine Landschaft bezeichnen kann. ^ Ebenso Konon FGrHist 26 F 1 XXVII = Nr. 30, Str. 9, 5,6, Th. 1,3,2 (auf die Nachkommen Deukalions bezogen). Sowohl Konon wie auch Str. liegt Andron zugrunde; vgl. Tümpel (1905) 267. Dikaiarch (SA 114 Frg. 7 = Cic. Tusc. 1, 21) erwähnt einen Pherekrates aus der Phthiotis, der sich auf Deukalion zurückführt. Zur Lokalisierung der Phthiotis E. Meyer, KP 4 (1972) 832. ^ Vgl. Str. 9, 5, 23; zur Lokalisierung Deukalions in Thessalien vgl. die Texte Nr. 25-36. Nicht im Zusammenhang mit einer Flutgeschichte kennt ein Theokritscholion (zu 15, 141) Deukalion als König der Thessalier. Unter dem Eindruck der Stellen, die Deukalion bald in Phthia, bald in Thessalien lokalisieren - mindestens von Hellanic. FGrHist 4 F 6; 117 = Nr. 25/6 an -, ist schon die Frage aufgeworfen worden, ob Phthia etwa der ursprüngliche Name für Thessalien sei: E. Bernert, RE 20 (1941) 955. ' Danach Str. 9, 5, 23; Chr. 9, 26 GGM II 588; Hsch. s.v. nuppaia; Schob A.R. 3,1090. Wohl weil Thetis zu Thessalien gehört, ist für sie der Beiname fluppavTi bezeugt (Hsch. s.v. Iluppalri). -► L5.a. Anm. 1. ’ Vgl. Tümpel (1905) 267. ‘ Detaillierte Karte bei F. Stählin, RE 5A (1934) 2399/400. ’ Vgl. E. Bernert, RE 20 (1941) 951. - Anm. 2.
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biet, sondern vom dorisierten Spercheiostal (Nordwest-Griechisch) in den Bereich des Thessalischen (Äolisch) hinübergreifend*. Eine Einheit bildet dieser Raum nur im Epos: Er ist die Heimat Achills, die Homer (II. 2,683; 9,395. Od. 11,496) auch 'EAAdc; nennt; seine Einwoh¬ ner sind die "EAArivec; (II. 2,684). Bereits bei Hesiod (Erg. 130) hat aber eine Bedeutungserweiterung stattgefunden, denn von nun an bezeichnet das Ethnikon "EXAriveg alle Griechen; eine Übergangsstufe IlaveAArivec; ist mehrfach bezeugth Den ersten Beleg für 'E2Ad(; in der Bedeutung ,Grie¬ chenland' liefert ebenfalls Hesiod (Op. 653). Warum gerade der Name dieser kleinen Landschaft auf ganz Griechenland übertragen wurde, ist unbekannt'“. Heros Eponymos der Hellenen ist Hellen, dessen Nach¬ kommenschaft seit Hesiod (Erg. 9) feststeht. Die drei Söhne Aiolos, Doros und Xuthos (über Ion), die Ahnen der drei großen griechischen Stämme, weisen ihn als Stammesheros aller Griechen aus". Eduard Meyer'^ da¬ tiert die Tendenz, nach Art der Adelsgenealogien auch für ganze Stämme einen Eponymos zu kreieren, erst in nachhomerische Zeit; Bengtson'“ setzt die Herausbildung eines gesamthellenischen Zusammengehörig¬ keitsgefühls - Voraussetzung für die Entstehung einer derartigen Stam¬ mesgenealogie - ins Zeitalter der griechischen Kolonisation. Hellen scheint es nun gewesen zu sein, der Deukalion nach Thessalien hineinzog, denn die Sage macht den Heros Eponymos aller Hellenen gewöhnlich zum Sohn Deukalions'h- es lag natürlich nahe, den ersten Griechen mit derjenigen mythologischen Figur zu verknüpfen, die in jeder Hinsicht den Anfang menschlicher Kultur verkörperte. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben mag die Zweideutigkeit des mit den Urhellenen verbundenen Landschaftsnamens Phthiotis, der nicht nur das von Lokris aus gesehen gleich an der gegenüberliegenden Küste des Golfes von Mafia beginnende Gebiet um die Othrys bezeichnet, sondern auch den daran anschließenden Südteil des eigentlichen Thessalien'h Der sekundäre Charakter dieses Anschlusses und die Stärke der Beein¬ flussung der Deukalion-Sage durch diejenige von Hellen verrät sich dadurch, daß die Überlieferung anders als beim Flutheros, der vom Lokrer immer mehr zum Thessalier wurde, im Falle von Hellen nie den geringsten Zweifel an seiner Herkunft aufkommen läßt: Für die Nach-
» Schmitt (1977) 27/8; 73/4. ’ Horn. II. 2, 530, Hes. Op. 528, Archil. lEG I 40 Frg, 102. Bengtson (1977) 84; vgl. Th. 1, 3, 2. Böotier leiten sich von Thessalien her: Wilamowitz (1931)65 Anm. 2. “ Apollod. 1, 49; vgl. Th, 1, 3, 2. " (1937) 493; Aapöavoc/Aapöavoi und Tpwq/Tpöef; allerdings schon in der Ilias. (1977) 84. ” Apollod. 1,49. Zusammenstellung der Genealogien Hellens bei Jacoby (1904) 36. Deuka¬ lion ist Sohn des Hellen in Schob Verg. Bern. ecl. 6, 41 = Nr. 35. Vgl. E. Meyer, KP 4 (1972) 831/2.
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kommen Deukalions geben bereits Hesiod (Frg. 6) und Hekataios (FGrHist 1 F 14) Thessalien als Herrschaftsgebiet an’*, und Hellen selbst wird von Herodot (1,56,3), Thukydides (1,3,2) und vom Chronisten des Marmor Parium (FGrHist 239 A 6) mit seltener Einmütigkeit in Thessa¬ lien lokalisiert. Ferner ist vor Hellen ganz offensichtlich eine Bruchstelle in seinem Stammbaum auszumachen; eine genealogische Konstruktion bleibt im Lauf der Zeit eben nie völlig unwidersprochen. Nach dem uns überlieferten Wortlaut des hesiodeischen Katalogfragments 2 ist Hellen nämlich der Sohn des Prometheus und der Pyrrha,- eine Stütze erhält diese Genealogie nur durch ein Pindarscholion (zu O. 9,68b)‘ü Tümpel’* scheint dieses Katalogfragment verderbt zu sein, zumal Prometheus hin¬ tereinander sowohl als Vater von Deukalion als auch von HeUen bezeich¬ net wird. Er befürwortet deshalb eine ältere Konjektur, die im Falle von Hellen Prometheus durch Deukalion ersetzt. Gestützt wird sie durch das Katalogfragment 6, das Nachkommen von Deukalion in Thessalien er¬ wähnt - und das sind doch wohl gemäß Fragment 9 Hellen und seine Söhne. Es ist fraglich, ob solch eine feste Entscheidung zugunsten von Prome¬ theus oder Deukalion überhaupt erlaubt ist. Eine Handschrift des ApoUonios-Rhodios-Scholions (zu 3,1086), aus dem das Hesiodfragment 2 gezo¬ gen ist, sagt, daß der Vater von Hellen entweder Prometheus oder Deukalion sei. Und der Titel einer Epicharmkomödie (GGF I 112/3 Frg. 114; 118) nennt wie Hesiod Pyrrha und Prometheus nebeneinander,- ja, als Titel ist auch bald Deukalion und bald Prometheus allein bezeugt. Schwartz’” neigt dazu, Epicharms Angaben auf eine pseudohesiodeische Genealogie zurückzuführen, d.h. er schreibt diesen Stammbaum zumin¬ dest nicht einer Textverderbnis zu. Ferner ist darauf zu verweisen, daß auch bei den Söhnen von Asia/Hesione und Klymene Deukalion und Prometheus gegeneinander ausgetauscht werden können^“. Die genealogische Verknüpfung von Hellen mit Deukalion ist offen¬ sichtlich nicht ganz fest. Abgesehen davon, daß Hekataios (FGrHist 1 F
Thessalien ist auch hei Paus. 7, 1, 2 den Nachkommen Hellens zugeteilt. ” Vgl. PR I 86 Anm. 2, Bei der Ableitung aller Heiden (pagani) von einem mythischen König Paganus, Sohn Deukalions, beruft sich Filastr. 111,4 auf Hes. (= Frg, 3); es dürfte sich hier um eine lateinische Entsprechung zur Benennung der "EUpvei; (= Heiden) nach Hellen handeln. Bei den Christen gelten Deukalion und Pyrrha nämlich als Stammeltern der Heiden: Prud. apoth. 292, perist, 10,410. Die Kombination von Hes. Frg. 3 mit Frg. 4 würde somit gegen das unklare Frg. 2 die Abstammung Hellens von Deukalion auch für Hes. bezeugen,- es muß aber wohl mit mehreren Redaktionen gerechnet werden. - S. 94. '* (1905)262, (1960)571. “ Asia als Mutter von Prometheus: Lyc. 1283 mit Schob Lyc. 1412. Klymene als Mutter von Prometheus: Hes. Th. 508. - S. 118-20.
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13) noch Pronoos^' dazwischen einsetzt, wird Hellen auch als Sohn des Zeus hezeichneh^; Eustathios (zu Hes. Frg. 4) sagt, daß Hellen yovo) Aioc, aber loyco AeuxaAlcovoc; gewesen sei. Als Vater von Hellen trägt Zeus nach Klemens von Alexandrien (Strom. 6,25,130,3) den Beinamen ,Deukalion'. ln Hellens Genealogie liegen die Verhältnisse genau umgekehrt als in derjenigen von Deukalion”. Für Hellen nennen nämlich alle Quellen übereinstimmend Pyrrha als Mutter, sei der Vater nun Prometheus^k Deukalion“ oder Zeus^k Pyrrha ist ein Landschaftsname”; daß ein Gott mit der personifizierten Landesnatur den Heros Eponymos der Gegend zeugt, entspricht einem gängigen Denkschema”. Es kommt wohl nicht von ungefähr, daß Hellens Grab in der thessalischen Stadt Pyrrha gezeigt wurde”. Allerdings ist solchen Traditionen gegenüber eine gewisse Skepsis angebracht; Deukalions Grab in Athen beweist zur Genüge, wie die Griechen an vielen Orten Heroengräber zeigten und verehrten, die ihr Dasein lediglich dichterischer bzw. antiquarischer Phantasie ver¬ dankten”.
4. Deukalion, Lokris und Thessalien hei Hellanikos ln der vulgaten Fassung der Deukalionsage ist die durch den Anschluß an Hellen gewonnene gemeingriechische Komponente derart dominant ge¬ worden, daß nicht bloß die lateinischen Zeugnisse, sondern sogar die apollodorische Bibliothek (1,46-8 = Nr. 28) Lokris mit keinem Wort erwähnen. Eine Erinnerung an die ursprünglichen Verhältnisse haben noch die Chronographen bewahrt, die den Beginn der Königsherrschaft Deukalions im Gebiet um den Parnaß gegen die deukalionische Flut in Thessalien absetzen' - sowie der,echte' Apollodor (FGrHist 244 F 183 = Nr. 23) und seine Quelle Hellanikos. Bei diesem ist Deukalion König von
ApoUod. l,49,E.Frg. 14,Eust.zuHes,Frg.4,Hellanic.FGrHist4F 125, Konon FGrHist 26 F 1 XXVII, Schol. A.R. 1, 118-21c. ” Helknic. FGrHist 4 F 125, Vgl. Schol. Pi. O. 9, 82e: Opus ist der leibliche Sohn von Zeus, 06061 aber derjenige von Lokros. ” ” “ “
- S. 118-20. Hes. Frg. 2. Apollod. 1, 49. Hellanic. FGrHist 4 F 125.
” -* S. 84. Vgl. z.B. Apollod. 1, 57: Phthia -I- Apollon = Doros; Serv. auct. Aen. 1,242: Phthia + Zeus = Achaios. ” Str. 9, 5, 6. Vgl. Rohde (1898) I 164. - S. 111. ‘ MP FGrHist 239 A 2/4 = Nr. 42. Eus. Chron. II p. 26e/f (keine zeitliche Staffelung in der versio Armenia!); p. 27h (a. Ahr. 482) /o (a. Ahr. 495) =Nr. 102/3.
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Thessalien (FGrHist 4 F 6a = Nr. 25), hat aber zugleich noch Beziehungen zu Lokris - allerdings nicht zu Opus wie hei Pindar (0.9,41-56 = Nr. 18), sondern zu Kynos (FGrHist4F 117 = Nr. 26)h Beide Orte liegen ca. 10km voneinander entfernt in der Lokris Opuntia. Kynos galt dem Schiffskatalog^ neben Opus als eine der Hauptstädte der Lokrer, wurde dann aber seit dem 5. Jh. immer mehr von Opus überflügelt, bis es praktisch nur mehr seine Hafenstadt war“. Hellanikos, den Apollodor in seinem Kom¬ mentar zum Schiffskatalog als Autorität heranzieht, könnte in diesem Punkt somit einen altertümlichen Zug bewahrt haben. Für die Ursprüng¬ lichkeit der Deukalionsage in Opus würde an sich die Notiz bei Pausanias (2,19,8) sprechen, daß das Grab von Deukalions Vater Prometheus dort gezeigt werde; indessen haben die alten Griechen ihre Argumenta¬ tionen so häufig allein mit dem Hinweis auf ein Heroengrab gestützt, daß man ihr nicht eben großes Gewicht beimessen kannh Sehr wahrschein¬ lich haben wir es bei der Deukalionsage einfach mit einer nicht an eine einzige Polis gebundenen Stammessage der Lokrer zu tun, und Pindar könnte sein Lied auch bewußt auf Opus konzentriert haben, die Vater¬ stadt des Besungenen, denn in dem unter Beiziehung von Ephoros für Hellanikos erschlossenen Stammbaum der Lokrer steht Deukalion nicht nur über den Eponymen von Opus und Kynos, sondern auch über demje¬ nigen des westlokrischen PhyskosL Indem Hellanikos die Lokrer über den ursprünglich ihnen allein vorbehaltenen Amphiktyon’ auf Deuka¬ lion zurückführt und nicht über Hellen, den allen übrigen griechischen Stämmen gemeinsamen Sohn Deukalions, koppelt er sie vom allgemein¬ griechischen Stemma ab, das ihm (FGrHist 4 F 125) natürlich ebenfalls bekannt war, und erweist damit die lokale Überlieferung als etwas Eigenständiges. Auf Hellanikos (FGrHist 4 F 117 = Nr. 26) geht ferner die singuläre Nachricht zurück, daß Deukalion in seiner Larnax nicht auf dem Parnaß, sondern an der Othrys, einem Berg im Süden Thessaliens, gelandet sei. Oldfather* und Parke’ glauben zwar, daß Hellanikos die ältere, epichorische Überlieferung bewahrt habe, doch Jacoby'“ faßt die Landung an der Othrys als eine bewußte, sekundäre Zentralisierung der Sage auf, wobei die bereits vulgate Landung am Parnaß aufgegeben worden sei. Die Vor-
' Danach Apollod. FGrHist 244 F 183 = Nr. 23 und Str. 9, 4, 2. Gleiche Tradition Schol. Theoc. 15, 141. ' Horn. II. 2, 531. ‘ Oldfather, RE 12 (1925) 30. ^ ‘ ’ ' ’
- S. 87. Grah von Deukalions Frau Pyrrha in Kynos; Str. 9, 4, 2. Vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 F 13. Vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 F 13. ^ S. 107-10. RE 12 (1925) 30. (1967)41. Komm, zu FGrHist 4 F 117.
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teile dieser Sagenvariante sind nicht zu übersehen, obwohl die Othrys im Gegensatz zum Parnaß nie als heiliger Berg galt; Hellanikos hält damit die Deukalion-Traditionen überschaubar, denn die verschiedenen Mo¬ tive sind nun gewissermaßen auf einen einzigen Brennpunkt konzen¬ triert. Der rettende Berg liegt im Zentrum der Phthiotis, des Herrschafts¬ gebiets von Deukalion''. Weiter ist Hellens Frau nach Hellanikos (FGrHist 4 F 125) eine Nymphe von der Othrys. An diesem Berg liegt aber auch die Stadt, wo das Grab Hellens gezeigt wird: Melitaia, früher Pyrrha ge¬ nannt'k Bezieht sich etwa hierauf die Bemerkung des Scholiasten zu Pindar, daß Pyrrha nicht in Opus gewohnt habe'^? So wie das Nebeneinander der beiden in bezug auf die Anzahl der Generationen bis hin zum troianischen Krieg aufeinander abgestimmten Genealogien'“ die Verbindung Deukalions sowohl mit Thessalien als auch mit Lokris spiegelt, schafft Hellanikos auch durch das OthrysMotiv einen Ausgleich zwischen den sich gegenseitig konkurrenzieren¬ den Traditionen und begegnet so zugleich einer Schwierigkeit, die sich in der Deukalionsage durch die Lokalisierung der Flut in Thessalien erge¬ ben hatte'k Diese Übertragung, wofür mutatis mutandis Aristoteles (Mete. 352a/b = Nr. 37) den ältesten eindeutigen Beleg liefert'*, lag einerseits zwar nahe, da Deukalion als Vater von Hellen ja vom lokrischen zum thessalischen König geworden war, und die dort öfters auftretenden Überschwemmungen der Talsohle durch den Peneios und seine Neben¬ flüsse mögen sie - wie gewisse Quellentexte vermuten lassen - noch erleichtert haben”, andererseits vertrug sich die Vorstellung einer Über¬ flutung des abgelegenen Thessalien jedoch außerordentlich schlecht mit dem überlieferten Motiv von der Rettung Deukalions am jetzt weit ent¬ fernten Parnaß, vor allem natürlich in Texten, welche außer dem Parnaß noch weitere nicht überflutete Berge kennen'*. Hellanikos hat nun durch die Einführung der mit der Hellen-Tradition vielfach verknüpften Othrys als Landungsort Deukalions dieses Problem elegant gelöst, eleganter je¬ denfalls als Isidor (orig. 13,22,4 = Nr. 104), der den Parnaß in die unmit¬ telbare Nachbarschaft Thessaliens versetzt zu haben scheint. Der uns überlieferte Text der Bibliothek Apollodors (1,46/7 = Nr. 28) zeigt eine weitere Lösungsvariante des Problems durch die Einbeziehung der Sage von der Entstehung des Tempetales; Deukalion herrscht zwar über Phthia,
“ - S, 84/5. Str. 9, 5,6. FGrHist 244 F 183 = Nr. 23. Vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 F 4; 125. - S. 74/5; 85. - S. 102-7. ” Schol. Verg. Bern, georg. 1, 62 = Nr. 36, Filastr. 122 (94) 1-3 = Nr. 63; vgl. E. Meyer, KP 5 (1975) 756. " - S. 211/2.
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aber eindeutig nur über den südlichen Teil, denn das eigentliche Thessa¬ lien ist in der Zeit vor der Flut noch ein See”. Es bleibt nun natürlich noch zu fragen, in welche Zeit denn die Ver¬ knüpfung Deukalions mit dem lokrischen Kynos fäht. Die einzige bis jetzt noch nicht besprochene Nachricht Fiellanikos' (FGrFhst 4 F 6 = Nr. 25) zu Deukalion, daß der Flutheros nämlich auch einen Altar für die Zwölf-Götter errichtet habe, gibt darüber leider keinen Aufschluß. Jacoby^“ nimmt mit Useneh’ an, daß Deukalion sowohl vor als auch nach der Flut König von Thessalien gewesen sei; laut Jacoby hat Deukalion nur das Lebensende in Lokris verbracht”. Von Bedeutung ist in diesem Zusam¬ menhang eine Stelle bei Dionysios von Ffalikarnaß (1,17,3), für die bereits Jacoby Abhängigkeit von Hellanikos vermutet hat”. Deukalion sei, so heißt es hier, zunächst König in der Nähe des Parnaß gewesen, bevor er als Führer der Kureten und Leleger die Pelasger aus Thessalien vertrieben habe”. Eine Flutgeschichte wird nicht erwähnt, am ehesten fände sie in dieser Darstellung noch als ein Intermezzo in Thessalien Platz, als ein ganz und gar nicht epochales Ereignis, etwa so wie es ein Vergilscholion (Bern, georg. 1,62 = Nr. 36) beschreibt. Trifft diese Annahme aber zu, wird Hellanikos zum Begründer der chronographischen Tradition, die der Elut in Thessalien die Königsherrschaft Deukalions in der Gegend des Parnaß vorangehen läßt”. Die Formulierung der Ortsangabe für Deukalions Volk bei Dionysios (xöv Tiepi töv llapvaöaöv oixouvxcov) entspricht jeden¬ falls in auffälliger Weise derjenigen bei Hieronymus (qui circa Pamassum demorabantur), der auf Eusebios (Chron. II p. 26e; 27h) zurückgeht. Da nun einerseits diese vagen Formulierungen Lokris durchaus mit einschließen können und uns andererseits von Hehanikos (FGrHist 4 F 117 = Nr. 26) und nach ihm vom,echten' Apohodor (FGrHist 244 F 183 = Nr. 23) die merkwürdige Notiz überliefert ist, daß Deukalion im lokrischen Kynos „gewohnt habe", möchten wir daraus bereits für Hehanikos auf eine Tradition schließen, die Deukalion vor der Flut als König in den
” Vgl. Str.9, 5,23. “ Komm, zu FGrHist 4 F 117. (1899)34. ” A.R. 3, 1086-90 bezeichnet Deukalion als Kulturheros von Thessalien, gegen Pi. O. 9, 41-56 = Nr. 18, der Opus nennt. Nach Usenet ([1913] 386) Einfluß von Hellanic. auf A.R. A.R. 4, 265/6 stimmt mit Hes. Frg. 6 und Hecat. FGrHist 1 F 14 überein. ” Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 F 117. ” Die verschiedenen Überlieferungen von der Vertreibung der Pelasger widersprechen einander: Nach D.H. 1,18,1 flüchten sie auch auf die Insel Leshos, wo sie sich mit den Leuten des Makar vermischen. Bei D.S. 5, 61, 1 = Nr. 114 werden sie erst von den Söhnen Deukalions aus Thessalien verdrängt, während eine andere Stelle (5,81,3 = Nr. 115) die Anwesenheit der Pelasger auf Lesbos bereits vor der deukalionischen Flut voraussetzt; die Neubesiedlung unter Makareus folgt nach der Katastrophe. Delphi - Lokris - Thessalien hat auch ein Prozessions¬ weg verbunden: Ael. VH 3, 1; vgl. Nilsson (1906) 153; 157. ” - Anm. 1.
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Gebieten nördlich des Parnaß kannte, ihn aber am äußersten Rand seines Herrschaftsbereiches residieren ließ. Es ist wohl diese auffällig dezentrale Lage, die zur Formulierung, Deukalion habe dort „gewohnt", geführt hat. Möglicherweise findet sich eine Reaktion auf dieses Problem beim Scholiasten zu Pindar (O. 9,62a/b = Nr. 23; 26), der die Version Pindars Hellanikos' Spezialtradition von Deukalions Landung an der Othrys gegenüberstellt und entgegen der geographischen Realität behauptet, Opus hege nahe beim Parnaß. Die Rückführung der in der Chronographie belegten Deukaliontradition auf den ersten Atthidographen, Hellanikos, erscheint nur schon darum plausibel, weil die Versetzung von Deukalions Aufenthalt im Gebiet um den Parnaß in die Zeit vor der Flut erst nach einer Motivver¬ doppelung, d.h. der Einführung eines neuen Landungsortes wie der Othrys denkbar ist. Wohl nicht zufällig wird Deukalion auch von derje¬ nigen atthidographischen Quelle, die das Marmor Parium (FGrHist 239 A 2; 4 = Nr. 42) benutzt haü^, noch vor der Flut als König am Parnaß lokalisiert. Diese Umformung der Sage bot sich zudem als geeigneten Ausgangspunkt für all diejenigen Überlieferungen an, die wie die atheni¬ sche Deukalion auf der Flucht vor der Flut in die verschiedensten Gegen¬ den Griechenlands gelangen lassen: Obwohl an der für die Deukalionsage typischen Verknüpfung mit dem Parnaß nicht gerüttelt wird, bleibt dennoch Raum für den Anschluß sekundärer Traditionen nach der Flut. Die ursprüngliche Konzeption des Mythos haben diese Änderungen empfindlich gestört, denn das Motiv vom Königtum Deukalions noch vor der großen Flut ist unvereinbar mit Pindar und denjenigen Zeugnis¬ sen, die Deukalion zu einem Kulturheros machen, indem sie ihn als ersten König und ersten Opferer bezeichnen, was sich natürlich, da das erste Opfer überhaupt von Deukalions Vater Prometheus den Göttern dargebracht wurde, nur auf die Zeit nach der Sintflut beziehen kann^h Bei Autoren, die Mythen wie Historie behandelten, mußte das aber zwangsläufig so herauskommen: Sollte Deukalion nicht einfach durch eine Flut zum König gemacht werden, bedingte dies natürlich auch ein Vorher, das aber aus Gründen der Abstimmung mit den anderen Lokaltraditionen^® nicht wie in der das mythische Element betonenden Biblio¬ thek Apollodors (1,46/7 = Nr. 28) noch die Wirkungszeit des Titanen Prometheus sein kann, der mit seinen Listen den noch unselbständigen Menschen das Überleben sichert. Ein König muß ein Volk haben, und deshalb kann es nicht überraschen, wenn bei Dionysios von Halikarnaß zusammen mit dem Parnaß auch die in diesem Gebiet heimischen, ur-
Nach Jacoby ([1904] 31) Philoch. ” - S. 217-32. - S. 153-6.
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sprünglich aber erst nach der Flut aus Steinen entstandenen Lelegeh’ bereits von allem Anfang an mit Deukalion als ihrem Anführer verbun¬ den sind. Damit wird die Deukalionsage typologisch an diejenigen Sagen über den Ursprung menschlicher Kultur angeglichen^ die vor dem Auf¬ treten des Urkönigs keine Sintflut kennen und für den griechischen Bereich in der Mehrzahl sind^°.
5. Die Deukalionsage bei Hesiod Wohl noch vor Pindar (O. 9/41-56 = Nr. IS), mit dem die Belege für eine deukalionische Flutsage einsetzen, war /Sintflut' als Begriff bereits den Kyprien (HO 118 Frg. 1) bekannt'/und der Name des Flutheros hat schon in den Katalogen Hesiods gestanden/ aber leider ist der Text des entschei¬ denden Fragments unsicher und steckt voller Probleme. Strabon (7/7/2 = Hes. Frg. 234 = Nr. 16) überliefert folgendes: f|xoi YÖ:p Aoxpög AeAeycav fiYPoaxo Xa&v, xoüc pa xoxe Kpoviöpg Zeug a(p9ixa ppöea eiöcäg Aexxoug ex t äAeoix; t xope AeuxaAiwvi.
a) Deukalion oder Leukarion? Bereits die Überlieferung des Namens AeuxaA,la)v' wirft ein Problem auf’/ denn eine Glosse im Etymologicum Gudianum/ die die letzten zwei ” - S. 98-100; 225-8. - S. 232. ‘ Lesky ([1971] 104 Anm. 1) lehnt die Frühdatiemng der Kyprien vor die Ilias ab und rechnet mit dem 7. Jh. als Entstehungszeit der kyklischen Epen. ' Als Gemahlin Deukalions nennen die Quellen praktisch einmütig Pyrrha: Acus. FGrHist 2 F 35 = Nr. 17. Apollod. 1, 46 = Nr. 28. Hellanic. FGrHist 4 F 117 = Nr. 26; F 125 (= FGrHist 323a F 23). Hes. Frg. 4. lamb. VP 242. Mythogr. 1,189. Nigid. Frg. 99 = Nr. 32. Ov. met. 1,318/9 = Nr. 3. Pherecyd. FGrHist 3 F 23. Plu. Pyrrh. 1 = Nr. 40. Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6. Schob Hör. carm. 1,2,9 = Nr. 2. Schob Pi. O. 9,68b; 80/1; in einem Teil der Hss. auch 79c. Schob Stat. Theb. 3, 560 = Nr. 7. Schob Verg. Bern, ecb 6,41; georg. 1, 62 = Nr. 35/6. Umstritten Hes. Frg. 2; - S. 86. Sie gilt als soror von Deukalion: Mythogr. 1, 189. Ov. met. 1, 351. Proh. Verg. georg. 1, 60-3 = Nr. 6. Schob Stat. Theb. 3, 560 = Nr. 7. Weil Epimetheus, der Bruder von Deukalions Vater Prometheus (Hes. Th. 510/1), als Vater der Pyrrha genannt wird (Apollod. 1,46 = Nr. 28. Hes. Frg. 4. lamb. VP 242. Ov. met. 1,390. Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6. Schob Pi. 0.9,68b; 80/1; in einem Teil der Hss. von 79c), ist es klar, daß soror hier in der Bedeutung von,Cousine' gebraucht ist: Deutlich Prob. (Verg. georg. 1, 60-3 = Nr. 6), der Pyrrha als soror patruelis von Deukalion bezeichnet. Eine Mutter nennen nur Apollod. 1, 46 = Nr. 28 und Schob Pb Ti. 22a: Pandora. Durch Konj ektur hat man Pyrrha auch in Hes. Frg. 4 zur Tochter von Epimetheus und Pandora gemacht. Singulär ist Hes. Frg. 4, das neben Pyrrha auch Pandora als Gattin von Deukalion nennt. Literatur: Delcourt (1965) 96-118. Ramnoux (1970). Pyrrha ist auch ein Name Thessaliens (Rhianos CA 13 Frg. 25) und die alte Bezeichnung für die Stadt Melitaia an
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Verse dieses Hesiodfragments zitiert^ enthält in den meisten und besten Handschriften die Form Aeuxavicovd. Diese Namensform ist völlig singu¬ lär, also wohl verderbt. Andernorts belegt ist der Name Aeuxccpiojv: Das Etymologicum Genuinum (s.v. Aeuxaptcov [Nr. 74]) zitiert Iftippa f| Aeuxocpiojvh Reitzenstein^ vermutete als Quelle für das Etymologicum Genui¬ num Herodian. Schneider glaubte, ein Kallimachosfragment zu fassenh Bergk* hielt Ilüppa f| Aevxapicov für den Titel einer Komödie Epicharms, und Kaibel folgte ihm (CGEI122 und 112/3 Erg. 117).Daß Epicharm die Mythen um die ersten Menschen in seinen Komödien benutzt hat, bewei¬ sen Titel, die klar für ihn bezeugt sind; „Pyrrha und Prometheus" (GGF 1 112/3 Frg. 114; 118), „Pyrrha" (GGF 1 113 Frg. 121) oder „Prometheus" (GGF 1112/3 Frg. 116; 119) und auch „Deukalion" (GGF I 113 Frg. 120). Dieses Nebeneinander verschiedener Titel ähnlichen Inhalts führte Kai¬ bel auf zwei Editionen ein und derselben Komödie zurück. Ihre Verbin¬ dung mit der fraglichen Notiz ist gerechtfertigt, weil ein Fragment (GGF I 112/3 Frg. 117) belegt, daß die Lexikographen sich mit dieser Komödie beschäftigt haben. Das letztgenannte Fragment ist das einzige, das den Namen Deukalion in einem Verszitat bringt, allerdings in einem syntaktisch unklaren ZusammenhangL Obwohl eindeutig AeuxccAtwva überliefert ist, hat Kaibel auf Grund des Etymologicum Genuinum den Namen in Aeuxaplcava abgeändert. Auch für den Titel gibt er neben dem erwähnten AeexaAiwv als weitere Möglichkeit Aeuxapicov an. Kaibel hat also der Form Aeuxaptoov großes Vertrauen entgegengebracht, das aber nicht unbegründet war, wie neuere Papyrusfunde zeigen, die Aeexapicjv als Titel für eine Komödie von einem gewissen Deinolochos bezeugen (CGFPap Nr. 78,4). Für die
der Othrys, wo das Grab Hellens, der als Sohn Deukalions galt, gezeigt wurde (Str. 9, 5,6). Die Deuter sind sich im allgemeinen einig über den Zusammenhang des Namens mit dem Adj ektiv Tujppoi;. Nach PR I 85 Anm. ist Pyrrha eine Personifikation von weizentragenden (vgl. Txupog) Fluren. Gruppe ([1906] 94/5) bringt den Namen mit der Stiftung eines Fackeltanzes, einer 7njppi;(T| in Delphi, zusammen, deren Einrichtung gewöhnlich Pyrrhos zugeschrieben wird (Plin. nat. 7, 204, Hsch s.v. nuppixiCeiv). Ihrem Wesen nach sieht Gruppe in Pyrrha eine Demeter, wogegen sich Geisau (RE 24 [1963] 77/8) wendet. Geisau deutet den Namen als ,die Rotblonde' oder ,die rote Erde', was nach Burkert ([1966] 437 Anm. 4) eine passende Bezeich¬ nung für die erste Frau wäre, die von Prometheus geschaffen wurde. ^ Zur Frage der Namensform vgl. Crusius (1895), Reitzenstein (1896), Usenet (1913) 383-5, ferner die Apparate zu Hes. Frg. 115 Rz. = Frg. 234 M.-W., Frisk (1970) 109, Chantraine (1974) 633 s.v. XeuKoc,. ’ Reitzenstein (1897) 164/5 Nr. 61 s.v. kaoL “ Vgl. die Zusammenstellung der Lesarten bei Reitzenstein (1896) 194 Anm. 1 und Usenet (1913) 384/5. ^ Vgl. EM 561, 54/5 und Suid. s.v. Aeuxaplovoi;. ‘ (1896) 195. ’ II 735/6 Frg. 130; dagegen Pfeiffer 1 (Conspectus 111) für Zuweisung an Epicharm. * (1882) 739 Anm. ’ Vgl. Apparat z.St.
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erwähnte Komödie Epicharms belegen die Papyri neu den Namen Aetixapo; (CGFPap Nr. 85,249); wobei erwogen wird, ob Prometheus als Partner (Vater?) von AeuxapCcov in diesem Stück vielleicht Aetixapoc; genannt wur¬ de'“. Die Komödie zeigt im übrigen Berührungspunkte mit der Erzählung Apollodors''. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Form AevxapiQv für die von Sizilien ausgehende Komödientradition gesichert ist und von hier ihren Weg ins Etymologicum Genuinum gefunden hat. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung der Hesiod zitierenden Seleukosglosse im Etymologicum Gudianum (AeuxavCcovi). Der Grammatiker Seleukos, der in der Zeit des Kaisers Tiberius angesetzt wird, ist bekannt für seine Beschäftigung mit Homer und Hesiod'E Usener“, der die Schrei¬ bung AeuxaAtcavi verficht, nimmt eine Verschreibung von AI zu NI an, obwohl es sich bei der direkten Vorlage um eine Minuskelhandschrift gehandelt haben muß'h und weist auf die immer leicht mögliche Ver¬ wechslung von A/A hin. Bei einer Verschreibung von Aeuxaptuvi zu Aeexavtcovi hingegen hätte man bloß bei einem einzigen Buchstaben einen Fehler anzunehmen, eine Verwechslung von v und p, die nach Reitzenstein'^ im fraglichen Lexikon gar nicht selten ist. Was also Seleukos betrifft, gebrauchte er möglicherweise ebenfalls die Form Aeuxapicjvi. Wenn Seleukos vielleicht wirklich Aeuxocpicovi hatte, wie steht es dann damit bei Hesiod? Zunächst einmal darf nicht übersehen werden, daß Hesiod andernorts (Frg. 5) die einwandfrei überlieferte Form AevxaAicovog bietet. Dieses Fragment wird nun von Niese'^ mit dem Hinweis darauf, daß die darin erwähnten Graiker erst bei Gelehrten des vierten Jahrhun¬ derts auftauchen, Hesiod abgesprochen. Dazu kommt der Verdacht, daß im nicht erhaltenen Kontext Graikos und Latinos als Brüder dargestellt waren, was ebenfalls nicht für ein hohes Alter dieser genealogischen Konstruktion spricht. Niese wird in seiner Ansicht von Wilamowitz” und Schwartz'* unterstützt. Später rechnete Wilamowitz'’ aber ausglei¬ chend mit mehreren Redaktionen. Allerdings wäre es nun höchst merkwürdig, hätte Hesiod wirklich einen Aeuxaptcov gekannt, daß trotz des Gewichts der Kataloge diese Variante nur mehr an entlegenen Stellen faßbar sein sollte. Die Herausge¬ ber drucken denn aueh mit Recht den Namen so ab, wie ihn Strabon Vgl. Apparat z.St. " Vgl. CGFPap Nr. 85 Frg. 1 mit Apollod. 1, 47 = Nr. 28: Ratschläge von Prometheus an Deukalion. Zur Datierung von Seleukos vgl. B. A. Müller, RE 2A (1921| 1252. '' (1913)385. Reitzenstein (1896) 195. (1896) 195. (1877)415-7. '' (1886) 113. '• (1960)333. ” (1899)609-11.
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überliefert haü“. Hinzuweisen ist auch auf die in Hesiods Tradition stehenden Darstellungen von Akusilaos (FGrHist 2 F 35 = Nr. 17) und Hellanikos (FGrHist 4 F 6; 117 = Nr. 25/6), die in ihren kanonisch gewordenen Stammbäumen nur die Form AeuxoiAicov kennen. Wie bei der Etymologisierung der Lelegeh’ so vertritt Seleukos auch hier eine Tradi¬ tion, die gelehrten Ursprungs zu sein scheint. Der Name AeuxaT-lcov ist selten^^ und undurchsichtig, im Gegensatz zu Aeuxaplcov“. Zum einen ist letzterer ein sprechender Name, zum ande¬ ren läßt er sich an Aeüxapot; anknüpfen, wofür UseneT'* einen literari¬ schen und verschiedene inschriftliche Belege verzeichnet, die nun durch die oben erwähnten Komödienpapyri noch um einen vermehrt worden sind; ein Nebeneinander von auf -og und -icov ausgehenden Eigennamen läßt sich auch sonst nachweisen^b Obwohl Aeuxapicov somit in der grie¬ chischen Sprache besser verankert ist als AeuxocXicov, steht man aber - wie oft in der Mythologie! - vor der Tatsache, daß sich derjenige Name durchgesetzt hat, der nirgends angeschlossen werden kann. Prinzipiell muß damit gerechnet werden, daß ein sprechender Name wie Aeuxapicov sekundär ist; nach Wilamowitz^^ handelt es sich in unse¬ rem Fall um eine bewußte Bildung Epicharms. Der lluppa, der ,Roten', wird Aeuxaplov, der ,Weißling', gegenübergestellt. Dabei kann auf Plutarch (Rom. 2) verwiesen werden, wo eine Aeuxapla als Gattin des Italos auftritüb diese Aeuxapla ist zweifelsfrei vom Orte Alba abgeleitet*. Aeuxaplov verhält sich zu Aeuxapoc; wie nuppaXlov zu nuppaXog”, die beide zu Vgl. Meuli, RE 12 (1925) 2212. Von den Befürwortern der Konjektur gehen Birt ([1877] 430-2) und Tümpel (RML 2 [1890-7] 1984/5) im Gegensatz zu Reitzenstein ([1896], [1897] 164/5 Nr. 61) und Tümpel ([1905] 266) noch von der Zuschreibung der Glosse an Kallimachos aus. Usener ([1913] 385) warnte davor, „den Geltungsbereich des AeuKapiwv über Epicharm auszudehnen". - S. 98-100. ” GE s.v. AetxaXiwv. Der Stein in Thessalien, der bei Str. 9, 5, 16 AeuxccUia heißt, verdankt seinen Namen wohl einem Schreibfehler; Verschreibung von Aoxipia? Vgl. die Ausgaben z.St. und Tümpel (1905) 265. “ -> Anm. 31. Usener (1913) 385. Vgl. Masson (1966) 254-7. “ (1929) 18/9. “ GGF 1 112; vgl. (1931) 65 Anm. 3. ” Durch Konjektur hat Kießling diesen Namen auch bei D.H. 1, 72, 6 wiederhergestellt. Vgl. Meuli, RE 12 (1925) 2211/2. Arist. Frg. 475 Rose kennt einen Aeuxapoc in Akarnanien, wo der leukadische Felsen lokalisiert wird, von dem Deukalion sich aus Liebe zu Pyrrha hinabgestürzt haben soll. Man hat diese Erzählung - wir kennen sie aus dem sog. Sapphobrief (Epist. Sapph. 165-70), der unter den Heroidenbriefen Ovids überliefert ist - schon lange alexandrinischer Erfindungskunst zugeschrieben, die sich an Wortspielen, wie sie im Et. Gen. anzutreffen sind (AtuxaXiuv — AsuxaSicov — Aeuxapicov), inspirierte; vgl. Tümpel (1905) 271/2, Börner (1958) 330. Gerade in der Verfassung der Leukadier kennt Arist. Frg. 546 Rose überdies einen autochthonen Lelex, Eponymos der Leleger, die bei Hesiod mit Deukalion verbunden sind. Leukarion ist alter „heros du plongeon": Delcourt (1944) 62-4. - S. 117; 266. ” Schulze(1933) 115 Anm. 3. Belege für nuppaXoc/lluppakicov bei Bechtel (1898) 42 Anm. 1.
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TtDppoc (rot) gehören. Aeuxapoc; ist demnach dissimiliertes Diese Verbindung mit Xeuxog wird heute allgemein akzeptiert^’. Rätselhaft ist Aeuxa/dcjv”. Da AeuxaAlcov den gleichen Heros bezeichnet wie Aeuxaplcov, hat man auf eine gemeinsame Ausgangsform geschlossen, *AeuxaAiG)v, deren zwei X auf verschiedene Arten dissimiliert wurden”, analog zum Namen IIoAuöeüxric;, wo das ö möglicherweise ein X verdrängt hat”. Frisk und Chantraine” schließen die These von der verschieden verlaufenen Dissimilation zwar nicht aus, versehen sie allerdings mit einem Fragezeichen. Als weitere Möglichkeit muß noch in Erwägung gezogen werden, daß die Form Aeexapiwv aus einer volkstümlichen Tradition stammen könnte. Weil sich Spuren ihrer Verbreitung bei Epicharm, also im italischen Bereich, gehalten haben, darf die Frage aufgeworfen werden, ob hier ein ähnlicher Fall wie bei ’Oöuooeuc; vorliegt, der in der Form 'OAurteuc; im Griechischen nur außerliterarisch belegt ist, sich aber im Lateinischen als Ulixes durchgesetzt hat”. Der Gelehrsamkeit des Seleukos und seinem großen Interesse an Raritäten wäre es durchaus zuzutrauen, daß er Hesiod einer seltenen Nebenüberlieferung anglich. Es liegt nun nahe, die Namensvarianten von Odysseus und Deukalion mit andern griechischen Wörtern zusammen zu sehen, in denen eben¬ falls ein Wechsel zwischen d und 1 möglich ist, eine Erscheinung, die dort dem Einfluß vorgriechischen Substrats zugeschrieben wird”. Wenn der Name Deukalion/Leukarion aber wirklich vorgriechisch ist, dann aller¬ dings gründet die Verbindung mit dem gut im Indogermanischen ver¬ wurzelten Aeuxoc” nur auf einem zufälligen Gleichklang. Deukalion ge¬ hört bei Hesiod zu den Leiegern, die - wie noch genauer ausgeführt
“ Solmsen (1909) 151 Anm. 1 und Leumann (1959) 249 Anm, 1. Vgl. Frisk (1970) 109 und Chantxaine (1974) 633 s.v. Aeuxog. Ältere Etymologie ('Aenxoxapog) referiert bei Solmsen (1909) 151 Anm. 1. ” Die Vielzahl der vorgeschlagenen Deutungsversuche zeigt die geringe Wahrscheinlich¬ keit, die jede Deutung für sich hat; vgl, Weizsäcker, RML 1 (1884-90) 996/7; Tümpel, RML 2 (1890-7) 1984/5; (1905) 275/6; Usener (1899) 65/6; Camoy (1958-62). Borgeaud (11947] 212) sieht Verbindungen zum Illyrischen; vgl. Masson (1966) 254-7. Phantastisch Theophil. Ant Autol. 3, 19 = Nr. 62. ” Schulze (1933) 115 Anm. 3. 'AsuxaXicjv als Ausgangsform postulierte schon Lewy (1893) 446; das Element -otA- verband er aber mit ctA;, sah also keinen Zusammenhang mit Aeuxog. Vgl. Usener (1913) 383-5, Tümpel (1905) 271/2. " Vgl. Lewy (1893) 446 und Chantraine (1974) 633 s.v. Aeuxög. “ ^ Anm. 31. “ Vgl. E. Wüst, RE 17 (1936) 1907-13; Burkert (1972) 149/50; Heubeck (1961) 24-7. ” Furnee ([1972] 387/8) nennt ein halbes Dutzend Beispiele, unter denen Deukalion jedoch nicht aufgeführt ist, weil er (322) ihn mit dem aus dem Hethitischen bekannten Königsnamen Tuthalia verbindet. ” - Anm. 31.
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werden soll” - von den ältesten Autoren als kleinasiatisches Volk be¬ zeichnet werden, und bei Homer tragen ein Kreter und ein Troianer diesen seltenen Namen'"’. All das würde sehr gut zu einem vorgriechi¬ schen Ursprung von Deukalion/Leukarion passen; doch absolute Sicher¬ heit ist hier nicht zu gewinnen.
b) Deukalion und die Leleger Auf Vorgriechisches weisen nicht nur die beiden Namensformen des Flutheros, denn die Leleger, mit denen Hesiod (Frg. 234 = Nr. 16) Deuka¬ lion verbindet und die - seinen knappen Worten nach zu schließen - von den Lokrern beherrscht wurden, gelten im allgemeinen als nichthelleni¬ sches Volk'; Aristoteles (Frg. 473 Rose) allerdings behauptet, ,Leleger' sei einfach ein früherer Name für die Lokrer gewesen. Ähnliches steht bei Dionysios von Halikarnaß (1,17,3), der vielleicht Hellanikos wiedergibü: Die Kureten und Leleger, nun Ätoler und Lokrer genannt, hätten unter der Herrschaft von Deukalion ihren Wohnsitz in der Gegend des Parnaß gehabt, bevor sie die Pelasger aus Thessalien vertrieben. Wenn die beiden Ethnika,Leleger' und ,Lokrer' grundsätzlich gegeneinander austauschbar sind, dann kennen die betreffenden Autoren aber keine Überlieferung, wie sie Wilamowitz^ annahm, daß nämlich die lokrischen Leleger durch die deukalionische Sintflut vertrieben worden seien, worauf die Lokrer deren Gebiete eingenommen hätten. Das Denkschema von der durch die Sintflut verdrängten Urbevölkerung war dem Altertum durchaus ver¬ traut“, doch im Falle der Leleger und Lokrer wird die Kontinuität betont, allerdings mit Ausnahme von Strabon (7,7,2). Dies wird bestätigt durch den lokrischen Stammbaum des Ephoros (bei Ps. Scymn. 588-91 = GGM 1 219/20), in dem sich die Notiz findet, daß Lokros die Leleger nach sich ,Lokrer' genannt habeh eine gewisse Nähe zu Hesiod ist dabei nicht zu übersehen. Da die Zugehörigkeit der Leleger zu einer vorgriechischen Bevölke¬ rungsgruppe heute sprachwissenschaftlich abgesichert scheint, dürfen wir mit gutem Grund vermuten, daß die Theorien von Aristoteles und Dionysios von Halikarnaß (Hellanikos?) auf nichts anderes abzielen, als
» - S. 130. - I.2.a, Anm. 12. ‘ Vgl. G. Neumann, KP 3 (1969) 551/2. ^ Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 F 117. ^ (1931) 54 Anm. 1. ^ - S. 232-6. * Ebenso St Byz. s.v. 4>i3axog vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 F 13. Späte Tradition: Wilamowitz (1922) 358. Theorien über Leleger - Lokrer bei Oldfather, RE 13 (1926) 1181/2. ‘ - S. 130.
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die Leleger zu Griechen zu machen. Ausgangspunkt für diese Entwick¬ lung könnte der ,Aufstieg' von Deukalion zum Vater des griechischen Stammesheros Hellen gewesen seinh wofür ein Angehöriger eines Stammes, den Herodot (1,171) mit den Karern gleichsetzt, denkbar schlecht geeignet war: Indem die Leleger zu Lokrern werden, wird Deu¬ kalion zum Griechen. Wenn Herodot (1,56,3) den Flutheros zum Dorer macht, verläßt er das mythische Denkschema, nach dem die Gliederung der Griechen in die drei Stämme der Dorer, Äoler und Ionier nicht als etwas allmählich Gewordenes, sondern als etwas von allem Anfang an Bestehendes hinge¬ stellt wird, und deutet das Ühergreifen der Deukalionsage auf die Phthiotis historisch als die Dorisierung des Spercheios-Tales* *. c) Volksetymologie und Steinwurf sage Wenn tatsächlich zwei Traditionen, eine populäre von Leukarion und eine epische - mit der Schreibung,Deukalion' -, nebeneinander existier¬ ten', wäre das natürlich ein deutliches Indiz dafür, daß man viel über diese Gestalt zu erzählen wußte. Doch leider ist die in dem von Strabon überlieferten Hesiodfragment (Erg. 234 = Nr. 16)^ enthaltene Information mager und erst noch mit einem weiteren textkritischen Problem verbun¬ den. Um das korrupte äAeoug verständlich zu machen, hat man äkeaq (von äXr\Q ,vereinigt') vorgeschlagenh was also heißen würde, daß Zeus den Deukalion die Leleger von der Erde aufheben und sammeln ließ. Es sieht zunächst so aus, als ob Hesiod den ersten Vers des Fragments im dritten in der Weise etymologisiert hätte, daß er die AeXeyec, Laoi als Xexxol äX^lQ erklärt hat. Gestützt zu werden scheint diese These durch eine Stelle in den Anecdota Oxoniensia (An. Ox. 1,264,27/8), auf die Reitzenstein"' hingewiesen hat: 'Hoioöot; öe Kapa xö ,äXhc,' xö crr||iaTvov xö äOpoCv, äXaÖQ, XaoQ, äcpaipeoei xoC a. Die Glosse besagt, daß Hesiod „von dA.e S. 173; III. 5.c. Anm. 28. Es widerspricht der Funktion dieses Heros, daß die parische Marmorchronik (FGrHist 239 A 7), Kastor von Rhodos (FGrHist 250 F 4 p. 1140) und Euseb (Chron. II p. 34g; p. 35k) Kadmos mehr als 500 Jahre nach dem Beginn der griechischen Frühgeschichte ansetzen. Der Frühansatz von Kadmos stimmt die thebanische Überlieferung mit derjenigen von Samothrake ab, denn Kadmos' Frau Harmonia (D.S. 5,48,5) ist eine Schwester von lasion und Dardanos, und die mit letzterem verknüpften samothrakischen Traditionen wurden anscheinend nach der dortigen Sintflut ungefähr zur Zeit Deukalions angesetzt; vgl. D.S. 5,47,3 mit 5,48,2/3 = Nr. 78, 5,49,2 und 19,53,4. '» ANET 129-31, Labat (1970) 380-90, Beyerlin (1975) 222-4; vgl. Hillmann (1965) 31-5. '' Schob Verg. Bern, georg. 3,268; ^ S. 83. Sparten als Überlebende der deukalionischen Flut: D.S. 19,53,4; Vian (1963) 161. HRR II 10/1 Frg. 3, 11/2 Frg. 5a = Nr. 87/8. Afric. bei Eus. PE 10,10,7 = Nr. 94; PE 10,10,21/2 = Nr. 96, vgl. bei Georg. Synk. p. 119,14.
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Schema der griechischen Geschichte abgiht, und nicht sein mit ihm erwähnter Zeitgenosse, der wegen Platon (Ti. 22a = Nr. 121) so viel bekanntere Phoroneus, wird dessen epochenabgrenzende Bedeutung noch ganz besonders unterstrichen. Diesen Stellenwert mag Ogygos seit Kastor haben, der (FGrHist 250 F 1/2) genaue Zahlen erstmals mit Ninos (Orient) und Aigialeus (Griechenland) angibt und für die unmittelbar voraufgegangene Zeit die beiden Namen Belos und Ogygos nennt, wobei der letztere mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit einer Flut erwähnt war. Auch wenn Kastor erst von Aigialeus an, also nach dem Titanen Ogygos, eine genaue Zählung von Jahren kennt, so steht er Varro prinzipiell dennoch nahe; Gemäß Censorin (21,1 = Nr. 87) reehnete Varro erst nach der ogygischen Flut in zahlenmäßig erfaßbaren Epochen - das kann aber bereits die Zeit nach Ogygos sein. Tatian, der als erster den Spätansatz der ogygischen Flut vertritt, führt (Or. ad Graec. 39 = Nr. 92) aus, daß sich alle bekannten mythisehen Ereignisse nach Inachos ereignet hätten. Denn, so fährt er weiter, erst zur Zeit von Phoroneus, dem Nachfolger des Inaehos, werde bei den Athe¬ nern ein Ogygos erwähnt; unter diesem sei die erste Flut eingetreten. Eine solche Argumentation sieht nun aber sehr nach einer Rechtfertigung für Tatians Theorie aus, alles Heidnische sei jünger als Moses - und Inaehos'k Man gewinnt sogar den Eindruck, daß Tatian seinen Ansatz der ogygischen Flut hier nur deswegen so naehdrücklich begründet, weil er sieh eines Verstoßes gegen die traditionelle Chronologie bewußt war. Indem Tatian dieses Problem einer eingehenden Erörterung für wert hielt, erweist er die ogygische Flut jedenfalls erst recht als dasjenige Ereignis, von dessen Datierung letztlieh alles abhängt. Daß zuvor noch Inachos genannt wird, darf nieht verwirren. Obwohl Varro, dem Tatian nur schon durch das 400-Jahr-Intervall zwischen Troia und Inachos nahesteht'k die Inachos vorangehenden sikyonischen Könige kennt, er¬ klärter (HRRII15 Frg. 11 = Aug. civ. 18,3) dennoeh, daß erst mit Inachos' Sohn Phoroneus in Griechenland die Geschichte wirklich beginne, und zwar mit der Einrichtung der Rechtspreehung’/ Der Vergleich mit Varro
"* Or. ad Graec. 40; vgl. Afric. bei Bus. PE 10,10,19 = Nr. 97. " - S. 164. “ Varro hat also beide Neuerungen Kastors übernommen: Die sikyonischen Könige stehen an der Spitze der griechischen Geschichte, und Phoroneus geht noch Inachos voran; - S. 159. Weil die Phoronis als ersten König der Argiver Phoroneus kannte R S. 154), muß Inachos in älterer Zeit noch so etwas wie eine Gottheit gewesen sein. Als dann Inachos zum menschli¬ chen König noch vor Phoroneus, dem alten Kulturheros, wurde, war es unvermeidlich, daß gewisse Züge des letzteren auf ihn übergingen und er zu einer Art Parallelfigur von Phoroneus wurde; vgl. Plu. Mor. 303a/b = Nr. 132, Schob E, Or, 932 = Nr. 133; Jacoby, Komm, zu FGrHist 2 F 23, Offensichtlich als Reaktion auf diese Entwicklung grenzte nun Varro die beiden Heroen genauer gegeneinander ab. Varro (HRR II 18/9 Frg. 14 = Aug. civ. 18,13) soll im übrigen die mythische Epoche (Ogygos - 1. Olympiade) auch nach dem Charakter der in ihr
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zur Interpretation von Tatian ist statthaft wegen der Übereinstimmung in einer ganzen Reihe von Punkten: Nicht nur kommen beide bei der Nen¬ nung von Phoroneus auch auf den kulturellen Stand dieser Zeit zu spre¬ chen’h sondern es weisen noch weitere Parallelen (Nennung von Aktaios, deukalionische Flut unter Kranaos) ebenfalls darauf hin, daß im Marmor Parium, bei Apollodor, Varro, Tatian und Klemens eine chrono¬ logische Tradition vorliegt, die gegenüber Kastor selbständige Züge be¬ wahrt hat’®. Da die christlichen Chronographen die Theorien ihrer jüdi¬ schen Vorgänger aus Alexander Polyhistor kennen, der Universalquelle für die römische Geschichtswissenschaft, sind Zusammenhänge durch¬ aus denkbar”. Ein System wie das von Varro benutzte, welches im Gegensatz zu Kastor (FGrHist 250 F 2) die Geschichte Griechenlands erst mit den argivischen Königen richtig beginnen ließ, mußte Tatians apologetischen Absichten, alles Außerorientalische nach Moses-Inachos anzusetzen, be¬ greiflicherweise sehr entgegenkommen, wobei er zu diesem Zweck im Vergleich zu Varro noch zwei Änderungen vornahm: Zum einen ver¬ schwieg er die sikyonische Königsliste überhaupt“, und zum anderen datierte er die Sintflut des Ogygos erst in die Zeit des Phoroneus, wohl auf Grund des seit Kastor (FGrFFist 250 F 3) überlieferten Synchronismus zwischen Phoroneus und einem Ogygos, indem er es unterließ, zwischen dem älteren Titanen und dem jüngeren Gründer von Eleusis zu unter¬ scheiden^’. Tatian vorgearbeitet hat möglicherweise Thallos (FGrFFist 256 F 2 = Nr. 85), denn dieser von den christlichen Apologeten häufig benutzte jüdische Historiker erwähnt den Titanen Ogygos am Ende des 16. Jh., obschon ihn Kastor (FGrHist 250 F l=Nr. 82) als Zeitgenossen des Belos bezeichnet und demzufolge wohl bereits um 2100 v. Chr. ansetzüh Bezeichnenderweise ist die von Tatian aufgestellte Behauptung, es sei die athenische Königsliste, die in der Zeit von Phoroneus einen Ogygos kenne, falsch: Kastor führt diesen Synchronismus in Verbindung mit der Liste von Argos an. Zudem steht der athenische Ogygos am Anfang einer
spielenden Erzählungen unterteilt haben: Auf eine Zeit von reiner Phantasie entsprungenen Sagen folgt ein Abschnitt - nach Inachos? dessen Mythen sich an das geschichtlich Mögliche halten; vgl. Peter (1902) 238. Varro HRR II 15 Erg. 11 = Aug. civ. 18,3, Tat. Or. ad Graec. 39. - S. 165/6. Gegen eine einseitige Abhängigkeit Varros von Kastor schon Jacoby, Komm, zu FGrHist 328 F 92 Anm. 49. Vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 328 F 92 S. 387. Giern. Al. Strom. 1,21,102,5 erwähnt sie nur kurz. " Es wäre natürlich verlockend, von dieser Änderung auf eine Fluttradition zu schließen, die mit der von Paus. 1,38,6 im Zusammenhang mit Eleusis erwähnten ersten Aussaat von Getreide auf dem rarischen Feld zusammenhinge; vgl. Jacoby (1904) 64/5. Zum Motiv des ,depart ä zero' in den Gründungslegenden; Vian (1963) 80/1. ” Jacoby, Komm, zu FGrHist 256 F 2/3. Jacoby (Komm, zu FGrHist 250 F 7) bezweifelt überhaupt die Existenz eines absoluten Datums für Ogygos bei Kastor. - S. 159/60; 175.
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fortlaufenden Reihe von Königen, kann also ursprünglich gar nicht mit einer Fluterzählung verbunden gewesen sein, zumal die ogygische Flut Attika derart verwüstet haben soll, daß es bis Kekrops keine Könige mehr gab^k Dieses von Africanus (bei Eus. PE 10,10,14 = Nr. 95) an belegte Motiv traf sich nun aber zum Teil mit der Behauptung der alten Atthidographen, in Athen sei Kekrops der erste König gewesen und die Verlänge¬ rung der athenischen Königsliste über Kekrops hinaus unstatthaft, was eine gewisse Stütze für die neue ogygische Fluttradition abgeben mochte. Die christlichen Chronographen werden jedenfalls nicht müde, in dieser Frage ihre Übereinstimmung mit Prestige verschaffenden Namen wie Philochoros zu bekunden^h Tatian (Or. ad Graec. 39 = Nr. 92) und Klemens (Strom. 1,21,103,2) kennen allerdings wie das Marmor Parium (FGrHist 239 A 1) vor Kekrops - als einzigen - noch den König Aktaios'k Die Beschränkung der Flut auf Attika'' ist die logische Folge des Spätan¬ satzes nach Inachos, da diese Zeit einzig von der attischen Lokalüberlie¬ ferung noch nicht belegt war, doch widerspricht dies klar der älteren varronischen Tradition von einer um vieles größeren Flut". Der von den christlichen Ghronographen begründete Spätansatz der ogygischen Sintflut hat sich also als etwas Sekundäres herausgestellt; was den Ursprung dieser Sage betrifft, fällt zunächst einmal auf, daß mit Ogygos zusammen immer wieder Ägypten genannt wird, sowohl bei heidnischen als auch christlichen Autoren, lulius Africanus (bei Eus. PE 10,10,21/2 = Nr. 96) begründet den Synchronismus zwischen der ogygi¬ schen Flut und dem Exodus der Israeliten damit, daß die von Gott gesand¬ ten Plagen nicht nur die Ägypter, sondern - in Form einer Flut - auch deren Abkömmlinge, die Athener, trafen. Er erwähnt ausdrücklich den Trikaranos, jene Schrift des Anaximenes von Lampsakos (FGrFlist 72 F 20), die, unter dem Namen Theopomps veröffentlicht, die ägyptische Herkunft der Athener ,nachwies''k Ein Zusammenhang zwischen der ogygischen Flut und den Plagen in Ägypten wird bei Africanus zum erstenmal behauptet; grundsätzlich darf man ihn aber wohl für alle Ghronisten voraussetzen, die den Synchronismus Moses-Inachos ken¬ nen; Africanus ist auf alle Fälle nicht eigenständig". Den jüdisch¬ christlichen Apologeten, die den attischen Ogygos mit einer Flutge¬ schichte verknüpften, mußte es ferner gelegen kommen, daß Ogygos bereits in der älteren Sage mit derjenigen Stadt verbunden war, die neben
“ “ “ “ ” 28
Vgl Jacoby, Komm, zu FGrHist 328 F 92 S. 386; S. 174/5. Vgl. FGrHist 328 F 92 mit Jacobys Komm. z.St. S. 387/8. Vgl. Jacoby (1904) 28/9, Komm, zu FGrHist 328 F 92 S. 388/9. Theopomp (FGrHist 115 F 347a/b = Nr. 45) meint wohl kaum die ogygische Flut; -* S. 112. Bei Nonn. D. 3,206-8 = Nr. 108 ist die ogygische Sintflut weltweit. - S. 75; 156. ^ s. 144/5. Daß sich diese Theorie bis in Africanus' Zeit gehalten hat, beweist auch
Charax FGrHist 103 F 39; vgl. Jacohys Komm. z.St. ” Schwartz (1894) 54.
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Athen zum andern Zentrum für Spekulationen um die Beziehungen zwischen Ägypten und Griechenland geworden war: Thehen^“. Daß Varro (rust. 3,1,2/3 = Nr. 86) gerade Theben als älteste Stadt Griechenlands, als noch vor der Flut durch König Ogygos gegründet, bezeichnet und in „De gente populi Romani" zum Ausgangspunkt seiner Chronologie macht, ist äußerst merkwürdig; Thebens Überlieferungen stehen in den Chroniken sonst im Schatten derjenigen von Sikyon, Argos und Athen. Nach griechischer Sage gründet Kadmos die Burg von The¬ ben, die Kadmeia, erst in nachdeukalionischer Zeit; die Unterstadt bauen Amphion und Zethos^’. Sollen diese Traditionen mit Varro übereinstim¬ men, muß es sich um eine Neugründung handeln; das bei Varro genannte Theben ist vielleicht das von Ägypten aus gegründete” und wurde dann in der ogygischen Flut zerstört” - in einer fernen Vergangenheit, an die den Griechen keine rechten Erinnerungen mehr geblieben sind, wohl aber den Ägyptern, um Platons Gedanken einmal an dieser Stadt zu exemplifizieren. Denn wozu der Name Thebens Änlaß gab, nämlich das Verhältnis zwischen Griechenland und Ägypten zu überdenken, ist ein zentrales Motiv in Platons Timaios (22a = Nr. 121) - zugleich verbunden mit einer Fluttheorie und der Idee eines ältesten geschichtlichen Bezugs¬ punktes, auffallenderweise alles Motive, die auch den Kern der OgygosSage ausmachen. Da die Funktion der ogygischen Flut bei Varro und auch Kastor genau auf die Probleme zugeschnitten ist, deren sich Platon und vor ihm schon Hekataios (FGrHist 1F 300) und Herodot (2,142) beim Studium der ägyptischen Überlieferungen bewußt wurden, liegt der Schluß nahe, daß die ogygische Flutsage auf die Erklärungen Platons für das unterschiedliche Traditionsbewußtsein von Ägyptern und Griechen zurückgeht; seine Theorien wurden ja schon bald historisch interpre¬ tiert”. Ogygos wird später sicher nicht zufällig auch als König und sogar Varro rust. 3,1,2/3 = Nr. 86; hier auch der Bezug zur Flut. Wie Athen und Theben im Zusammenhang mit den Ägypten-Spekulationen miteinander verbunden werden konnten, zeigt das unter den Namen von Antiochos-Pherekydes (FGrHist 3 F 178 und 333 F 3) laufende Fragment. Der thebanische Heros Kadmos wurde seit jeher mit Phönizien verbunden; doch ein Lykophronscholion (zu 1206) zieht auch ihn in die Ägypten-Spekulationen hinein; dazu Vian (1963) 32/3.-* S. 173-6. D.S. 19,53,4/5; Paus. 2,6,4; 9,5,6; vgl. Vian (1963) 81; 161. - III.5.C. Anm. 28; IlI.S.f. Anm. 9. ” -* S. 173. ” Nach Aug. civ. 18,8 = Nr. 88, der sich mit Varro auseinandersetzt, soll die ogygische Flut ja auch größer als die deukalionische gewesen sein. Nach gewissen Traditionen muß dann ein weiteres Theben für die Zeit zwischen den beiden Fluten angesetzt werden; D.S. 19,53,4; dazu Vian (1963) 161. -* Anm. 27. " -* S. 144; 198/9; Anm. 38. Bezeichnenderweise haben Hecat. und Hdt. die ägyptische Tradition gerade in Theben kennengelernt. Gemäß Thallos (FGrHist 256 F 2 = Nr. 85) floh der Titan Ogygos nachTartessos; -* S. 174. Str. 3,1,6 berichtet von tartessischen Aufzeichnungen, die 6000 Jahre alt sein sollen, also alle griechischen Überlieferungen an Alter übertreffen; vgl Schulten (1939) 334; 340.
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Gründer des ägyptischen Theben bezeichneüh gerne würden wir auch wissen^ was Anaximenes im Trikaranos, der lange für echt galt, über Theben geschrieben hat. Die Verbindung der von Platon vor Phoroneus und Niobe geforderten und von den Griechen vergessenen Flut mit dem farblosen Namen des Ogygos paßt jedenfalls auch zu dem in der Chrono¬ graphie zentralen Motiv, daß sie die Schwelle zum zeitlichen ,Jenseits' darstellt, vergleichbar dem ogygischen Gebirge, das ein geographisches Diesseits gegen ein fabulöses Nordland abgrenzt“. Wenn Klemens die ogygische Flut mit einem Platonzitat stützt, so hat er vom philologischen Standpunkt aus zwar etwas Verwerfliches getan, damit aber wohl nur das ausgedrückt, was man aus Platon herauslas”. Daß der Einfluß Platons auf die Chronographie nicht unterschätzt werden darf und dies ganz besonders in bezug auf das anscheinend überaus faszinierende Motiv von einem in Griechenland eingetretenen Traditionsverlust, lehrt mit aller Deutlichkeit das Beispiel Zenons von Rhodos“. Obwohl dessen System von demjenigen, das Platon voraus¬ setzt, beträchtlich abweicht, weil es wie Lydos (Mens. p. 37) die argivische Überlieferung erst nach der deukalionischen Flut ansetzt (D. S. 5,60,4 = Nr. 113), berücksichtigt es (D.S. 5,57,3-5 = Nr. 112) dennoch Platons Vorstellungen von einer alle Erinnerungen auslöschenden Katastrophe, nur daß es natürlich die Flut unter Deukalion ist, die diese Funktion übernimmt. Ganz offensichtlich war die von Platon postulierte Flut noch nicht mit einem bestimmten Namen, sondern nur mit einer klar umrissenen Funktion verbunden, was ihre Identifizierung mit der deukalioni¬ schen stark erleichtert haben mag. Diejenige Flutkatastrophe, welche die Teichinen von Rhodos vertreibt, wollte Zenon wohl aus dem Spiel lassen, um nicht das Alter der rhodischen Lokalüberlieferung zu vermindern. Für die Möglichkeit, daß der Ursprung der ogygischen Flutsage auf die Bemühungen der Chronographen, ihre Systeme auf Platons Theorien abzustimmen, zurückzuführen ist, spricht noch ein weiteres Argument. Ogygos unterscheidet sich nämlich in charakteristischer Weise von den in echten Sagen verwurzelten Flutheroen Deukalion und Dardanos, denn nur gerade lulius Africanus (beiEus. PE 10,10,9 = Nr. 94) und Nonnos (D.
” Schol. Lyc. 1206, Antiochos-PherekydesFGrHistS F 178/333F3;- S. 173.Leidergehtaus den beiden letzten Texten nicht hervor, in welchem zeitlichen Verhältnis die Gründung zu den griechischen Überlieferungen steht. Wurde die fehlende Kontinuität in der Geschichte derart kompensiert, daß man behauptete, in einer früheren Epoche sei Ägypten von Griechen¬ land abhängig gewesen? - S. 170. ” - S. 166. Äug. civ. 18,10 = Nr. 91, der Varro folgt, betont, die deukalionische Flut habe keinesfalls Ägypten betroffen - ein Hinweis darauf, daß auch Varro diese Problematik behandelte? “ Gerade auf Rhodos, in der Schule des Poseidonios, wurde Platon historisch interpretiert; Diskussion bei Berger, RE 2 (1896) 2117.
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3,205/6 = Nr. 108) erwähnen, daß er die nach ihm benannte Sintflut auch überstanden hat. Dieses Überleben bleibt aber funktionslos; es fehlt die für Deukabon und Dardanos typische Rolle eines Stammvaters. Ogygos ist offenbar nach der Sintflut überflüssig und bleibt der Repräsentant einer toten Vergangenheit”. Wohl nicht zufällig taucht die ogygische Flutsage erstmals bei Kastor von Rhodos oder zumindest in seinem Wirkungskreis auf“, denn Rhodos kennt einen vordeukalionischen Flutmythos, der wie derjenige von Ogygos eine dunkle Urzeit mit einer Katastrophe beschließt: Auf die Vertreibung der frevelhaften Teichinen durch eine Flut folgt die feste Etablierung der Herrschaft der OlympieTE Bei Hesiod (Th. 881-5) findet die Einsetzung von Zeus als Götterkönig und die Verteilung der Zustän¬ digkeitsbereiche unter die Götter (V. 885) nach dem Ende der Titanen¬ kämpfe statt, die ein Flutmotiv ebenfalls stützen konnten, wie oben im Zusammenhang mit dem älteren Ogygos angestellte Erwägungen erge¬ ben haben''h All dies mag dazu beigetragen haben, die Entstehung der ogygischen Fluterzählung zu fördern, und wird sie auch mitgeprägt ha¬ ben. Ein Ursprung gänzlich losgelöst vom Substrat der echten Sage ist kaum denkbar.
IV. Fluttraditionen um Aiakos, Merops, Inachos und Elis Das sprichwörtliche Gebet des Aiakos erlöst Griechenland von einer schweren Dürrekatastrophe'. Nur ein einziger Text, nämlich ein Pindarscholion (zu N. 5,17 = Nr. 130), berichtet, daß manche Erzählungen die Dürre durch eine Flutkatastrophe ersetzen.
” Diese Feststellung deckt sich mit den in den vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Ergebnissen, daß Ogygos eigentlich nirgends recht verwurzelt ist. - S. 159-66. ^ S. 156-9. Mit einem andern Motiv verbindet Pi. O. 7,54-63 den Beginn der Olympier¬ herrschaft auf Rhodos: Bei der Aufteilung der Welt unter die Götter erhält Helios die eben aus dem Meer auftauchende Insel. Das Motiv der aus dem Wasser auftauchenden Insel findet sich, mit der ogygischen Flutsage verbunden, bei Sol. 11,18 = Nr. 106, der vielleicht Varro benutzt hat; -* S. 166. Für eine Verbindung zwischen ogygischer Flut und Teichinen Vertreibung auf Rhodos gibt es nur einen schwachen Hinweis: Auf der Flucht vor der drohenden Sintflut kommt der Teichin Lykos, den Philippos von Theangela (FGrHist 741 F 3) im 3. Jh. v. Chr. neben dem genealogisch mit einem Ogygos verbundenen Termeros erwähnt (- S. 177/8), nach Lykien und gründet dort den Tempel des Apollon Lykios; D.S. 5,56,1 = Nr. 112, Höfer, RML 3 (1897-1909) 2925/6. Vgl. Hes. Th. 73/4. -* S. 179/80. ' Vgl. Usener (1899) 66; Burkert (1972) 130.
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Die Flutsage von Merops findet sich in einem Homerscholion (AB zu II. 1,250 = Nr. 129): Merops, der als erster die Menschen nach der Flut gesammelt haben soll, wird als Sohn des Hyas bezeichnet. Weil dessen Name an den Ort Hyampolis erinnert, hat Wilamowitz^ diese Überliefe¬ rung in Zusammenhang mit der deukalionischen gebracht, die ihr Zen¬ trum ja ebenfalls in den Gebieten um den Parnaß haß. MepoTieg heißen im Mythos die Bewohner der Insel Kos entweder nach Mepoijf, dem Sohn des Triopasß oder einem gleichnamigen Autochthonenß Mepoi|j erweist sich damit wohl als eine sekundäre Ableitung zu peponec; wie "QyuYoc; zu Auf welchen sich Klemens von Alexandrien (Protr. 3,44,1) be¬ zieht, der einen Merops bezüglich der Einrichtung von Tempeln, Altären und der Einführung von Opfern in eine Reihe mit Phoroneus stellt, ist nicht klar. Ein Euripidesscholion (zu Or. 932 = Nr. 133) berichtet, wie Inachos nach der Flut die Menschen von den Bergen ins Tal führte’. An einen Abstieg in die Ebene nach dem Leben in den Bergen, was doch wohl auch auf eine Flutgeschichte bezogen werden muß, soll der bei Plutarch (Mor. 303a/b = Nr. 132) überlieferte argivische Brauch des Birnenwerfens erin¬ nern®. Verbunden mit diesem Aition ist eine Etymologie, die den Namen 'Auia für die Peloponnes von der argivischen Nationalfrucht, der Birne (ccTiioc;), ableiteü und bereits ungefähr 350 Jahre vor Plutarch dem Kallimachosschüler Istros (FGrHist 334 F 39) bekannt war, einer Quelle, die Plutarch andernorts (Mor. 30Id) sogar ausdrücklich zitiert. Nach Halliday'“ könnte Plutarch an der uns interessierenden Stelle allerdings auch auf Sokrates von Argos fußen, der wohl noch etwas früher anzusetzen ist". Was für eine Fluttradition hier vorliegt, kann nicht sicher gesagt werden. Die Deukalionsage wird man ausschließen, denn sie ist erst spät
' (1883) 430/1 Anm, 2. 5 - S. 83. Hyas (~ üeiv,regnen') gilt Hyg. astr. 2,21 als Vater der,Regensterne', die das Stern¬ bild der Hyaden bilden; vgl. die Gleichsetzung Deukalions mit dem Wassermann; Hegesianax bei Hyg. astr. 2,29 = Nr. 31, Nigid. Frg. 99 = Nr. 32. ■* St. Byz. s.v. Mepoil;. ^ St. Byz. s.v. Küg. ® Vgl. Koller (1968), ^ Das Scholiongehtwohlauf das 1. Jh. v. Chr. zurück; vgl. Gudemann, RE2A (1921) 664/5. Nach der Flut ,reinigte' Inachos die versumpfte Ebene; damit ist wohl die Urbarmachung gemeint. Dann besteht kein Zusammenhang mit den xaeappoi, die im Sumpf von Lerna stattgefunden und zum Sprichwort von den Aepvri xaxwv geführt haben; vgl. Str. 8,6,8. « Vgl. Ael. VH 3,39. ’ Diese Etymologie knüpft an Horn, II. 1,270 an; vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 334 F 39 Anm. 3. Birnen und Birnbaumholz spielten in Argos eine große Rolle,- das älteste Kultbild der Hera war aus Birnbaumholz verfertigt; vgl. Demetrios FGrHist 304 F 1 und Jacobys Komm. z.St. >0 (1928) 198. " Zur Frage der Datierung vgl. Gudemann, RE 3A (1927) 805.
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mit Argos verbunden worden'b Eher kommt die Erzählung vom Streit zwischen Eiera und Poseidon in Frage, die eine Überflutung argivischer Landstriche kennt und zudem auch im Kult verwurzelt war'L Jeglicher Anknüpfungspunkt fehlt bei einem für Leandr(i)os (FGrHist 492 F 13 = Nr. 131) bezeugten Aition aus dem Ende des 4. Jh. v. Chr.“', das den Namen des Stadt Elis (altFaAic) auf ä/liodfjvai zurückführt, auf die Tatsache, daß die Überlebenden der Sintflut sich in dieser Stadt versam¬ melt (äXlCoo) hätten. Diese Etymologie kann echt dorisch und alt sein, da bei äidCw am Wortanfang ursprünglich ebenfalls ein Digamma war'L Obwohl auch die Tendenz, Wörter zu etymologisieren, seit Homer für griechisches Denken typisch ist'^, macht das Aition dennoch keinen alten Eindruck: Elis gehört nicht zu den mit einer Flutsage verknüpften Landschaften Griechenlands”; ferner scheinen Aitien, die - ohne eine Sage vorauszusetzen - einen Brauch oder sogar bloß einen Namen von einer Handlung nach dem Ende der Sintflut ableiten, mit der Zeit gras¬ siert zu haben. Es gibt ganz eindeutig junge Aitien dieses Typs”. Wie das Sintflutmotiv schließlich zur Begründung von allem und jedem herange¬ zogen wurde, zeigen die römischen Beispiele: Parilien-” und LuperkalienrituaP“ brachte man mit der Sintflut in Verbindung, wobei im letzteren Fall damit ein Ritual erklärt wird, das sekundär gegenüber einem älteren isü'.
V. Götterstreitmythen Der antike Besucher der Akropolis erblickte im wesdichen Giebelfeld des Parthenon die Darstellung des Streits zwischen Athene und Poseidon um das attische Land; mit diesem Werk hat Phidias das Nebeneinander
-* S. 113/4. Allerdings setzen die Euripidesscholien, die (zu Or. 932 = Nr. 133) das Motiv vom Abstieg der Argiver aus den Bergen unter Führung von Inachos enthalten, bereits eine verallgemeinerte Deukalionsage voraus (zu Or. 1646 = Nr, 80). - S. 189/90; 244/5. Vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 491/2 S. 405. Frisk (1960) 71/2 und Chantraine (1968) 59/60 s.v. dkfig: d-FaA.-. “ Vgl. Pfeiffer (1970) 18-20. ” Die genealogischen Verbindungen zu Deukalion sind konstruiert; - S. 81/2. " Das Etymologicum Magnum, dem das Leandr(i)os-Zitat entnommen ist, verbindet FdAi; und dAioBfjvai im übrigen durch ein weiteres Aition, das nichts mit der Sintflut zu tun hat: Bewohner mehrerer Dörfer hätten sich zu einer einzigen Polis zusammengeschlossen. ^ S. 113. ” Ov. fast. 4,785-94 = Nr. 4. ” Aug. civ. 18,12 = Nr. 5. '' Latte (1960) 84/5 Anm. 4.
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von Ölbaum und Dreizackmal resp. Sdlaxia beim Erechtheion’ ins Künst¬ lerische umgesetzt. Im Mythos entscheidet sich Kekrops für Athene, doch die Kultmale, welche die beiden Götter als Probe ihrer Macht auf der Akropolis hinterließen, zeigen, daß Poseidon nicht weniger präsent ist als Athene. Die griechische Mythologie kennt zahlreiche weitere Bei¬ spiele von einzelnen Poleis oder auch ganzen Landschaften, deren Kult¬ gebräuche vornehmlich auf zwei Gottheiten ausgerichtet sind, was sich auf der Ebene des Mythos jeweils in einer Streiterzählung spiegelü. Athen schlägt sich im Streit zwischen Athene und Poseidon auf die Seite der Göttin^ soweit stimmen alle Quellen überein. Die Fortsetzung der Geschichte jedoch hegt in mehreren Varianten vor. Man konnte erzählen, daß Poseidon aus Rache seinen Sohn Eumolpos in feindlicher Absicht gegen Athen ziehen ließ; in diesem Urkrieg fand der athenische König Erechtheus den Todk Die Versöhnung mit Poseidon wird dann durch die Einrichtung des Kultes von Poseidon-Erechtheus besiegelh. Nach einer andern Variante gab Poseidon seinem Sohn Elalirrhotios den Befehl, den Ölbaum der Athene umzuhauen, was jener mit dem Tod bezahltek Apollodor (3,180) jedoch erzählt, daß sich Halirrhotios' Ag¬ gressivität gegen Alkippe, die Tochter des Ares und der Kekropstochter Agraulos, gerichtet habe; der Schlag an den Ölbaum ist hier sexuell umgedeutet in eine VergewaltigungL Apollodor (3,179 = Nr. 138) und Varro (HRR II 13 Erg. 7a = Nr. 137) kennen noch eine weitere Form der Sage* *: Poseidon soll aus Zorn über den Ausgang einer Abstimmung, in der sich die Athener dafür aussprachen, ihre Stadt nach Athene zu benen¬ nen, die thriasische Ebene überflutet haben. Weil es die Frauen waren, die diese für Poseidon negative Entscheidung herbeigeführt hatten, mußten sie zur Versöhnung des Gottes fortan auf ihre früheren Rechte verzichten - berichtet Varro; Apollodor hingegen erwähnt keinen Ausgleich zwi¬ schen den Menschen und der GottheitL Die Argiver kannten ebenfalls eine Sage von einer Überschwemmung des Landes durch die salzigen Fluten des Poseidon. Wie in Athen, wo dies
' Hdt. 8,55) Paus, 1,24,3; 26,5; Str. 9,1,16. ^ Die Mythen, in denen Poseidon mit einer anderen Gottheit um eine Stadt oder eine Landschaft streitet, sind zusammengestellt bei Welcher (1860) 676/7; vgl. Schachermeyr (1950) 23; 156/7, Schweitzer (1952) 394/5. ^ Vgl. Kerenyi (1958) 229/30. ^ Zu Euripides' Erechtheus vgl. Lesky (1972) 368/9. * Vgl. Burkert (1972) 166-8; 176/7. ‘ Schob Ar. Nu. 1005. Vgl. Hellanic. FGrHist 4 F 169, Mannhardt (1877) 28-30, Burkert (1972) 177 Anm. 100, ’ Vgl. Mannhardt (1877) 28-30, Burkert (1972) 71. » Auch Hyg. fab, 164. Stat. Theb. 1,222: Poseidon ist Flutverursacher. ’ PR I 203 Anm. 1; Danach lehrt Poseidon die Athener die Schiffahrt; der Salzquell auf der Akropolis wird dabei als Symbol der Seeherrschaft interpretiert. Vgl. Plu, Them. 19,4.
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nur eine Möglichkeit unter mehreren ist, die Ausmarchung zwischen Athene und Poseidon zu erzählen, so gibt es auch in Argos einen entspre¬ chenden Kreis von Motiven um den Mythos von der Krisis des Inachos zwischen Hera und Poseidon. Sie endet mit dem Sieg der Hera und dem Zorn des Poseidon, der - nach einer der Varianten - den Hauptflüssen von Argos eine vom Regen unabhängige Wasserführung versagt*“. Eine Versöhnungsgeste Poseidons ist im Bericht des Pausanias (2,15,5) da¬ durch markiert, daß er die Quellen von Lerna nicht versiegen läßt. Das gleiche drückt Apollodor (2,13/4) mit andern Motiven aus: Poseidon soh der Danaide Amymone die Quellen von Lerna gezeigt haben, nachdem sie sich dem Gotte hingegeben hatte, mit dessen Hilfe sie einem zudring¬ lichen Satyr entronnen war'*. In einem weiteren Bericht des Pausanias (2,22,4 = Nr. 139) geht der Einrichtung der gegenwärtigen Wasserverhältnisse ein Übermarchen des Poseidon, eine Überflutung, voraus. Der Zorn des Gottes trifft auch in dieser Sagenvariante die Menschen, nur nicht durch die Dürre, sondern durch das andere Extrem: die Wassersnot, ein Motiv, das auch schon wie der Atlantismythos - als eine historische Reminiszenz an die durch den Vulkanausbruch auf Thera ausgelöste Flutwelle erklärt wurde' / Die Stelle, an der die Naturgewalten sich zu mäßigen begannen, ist durch ein Heiligtum markiert, eine Erinnerung an die Krisis des Inachos, die dem Salzquell auf der Akropolis in Athen vergleichbar ist'/ Plutarch (Erg. 157,7 = Nr. 140) leitet eine Überflutung Böotiens von einem Zwist zwischen Zeus und Hera ab. Die Erzählung ist stark ahegorisch ausgerichtet: Zeus verkörpert das trockene und Hera das feuchte
Apollod. 2,13, Paus. 2,15,5, Polem. Hist. FHG111119 Frg. 11. Vgl. die Rolle der Brunnen in den Mythen von Argos: Danaos oder seine Töchter sollen die ersten Brunnen gegraben haben (Hes. Frg. 128, Plin. nat. 7,195, Str. 1,2,15), Danaos als Dank für diese Leistung sogar König von Argos geworden sein (Str. 1,2,15); ihre Bedeutung spiegelt sich auch im Kult: Nach Str. 8,6,8 kannte man in Argos vier heilige Brunnen, denen zur Erinnerung an das Bruimengraben der Danaiden kultische Ehren zuteil wurden. " Die Argolis gehört zur ostgriechischen Trockenzone; vgl. F. Cauer, RE 2 (1896) 730 und E. Meyer, KP 1 (1964) 536. Die antike Wissenschaft diskutierte rege die Frage, ob die Argolis einen trockenen oder wasserreichen Boden habe. Der Geograph Strabon (8,6,7/8) meint, es sei eine Fabel, von einem trockenen Argos zu reden, da es ja von Flüssen durchquert werde und mit Sümpfen und Seen versehen sei, die Stadt selbst keinen Mangel an Brunnen habe. Die Erklärung von 7xo2u6iv|;iov (Beiwort von Argos) in Hom. II. 4, 171 (vgl. E. Ale. 560) mit ,starkdürstend' sei abzulehnen. Arist. Mete. 352a behauptet in seiner kyklisch angelegten Theorie über Entstehung und Vergehen menschlicher Kultur (-* S. 152), daß die Umgebung der Stadt Argos zur Zeit des troianischen Krieges noch sumpfig und für den Landbau ungeeignet gewesen sei, was sich nun aber geändert habe. Vgl. Cook (1940) 356-63. Zur Siedlungsge¬ schichte von Lerna: Angel (1979). ” Littleton (1973) 436/7. Dürre und Flut als äquivalente Motive auch in den Überlieferun¬ gen um Aigina: S. 186. ” Eventuell ist auch das Birnenwerfer-Ritual zum Andenken an die Kulturbegründung durch Inachos (Plu. Mor. 303a/b = Nr. 132) auf diese Fluterzählung zu beziehen.
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Element. Diese ungewöhnliche Zuordnung weist auf eine späte Kon¬ struktion, bestenfalls die Umdeutung einer alten Sage'\ Immerhin ist die Vorstellung von der durch das Wohlverhalten der Götter gesicherten kosmischen Harmonie bereits altorientalisch'^ Hinter der Flut, die Böotien besonders betroffen haben soll, kann die deukalionische stehen, vielleicht auch eine ogygische Fluttradition, wie sie schon bei Varro (rust. 3,1,2/3 = Nr. 86) belegt ishh Die hier angeführten Götterstreitmythen sind streng zu scheiden von jenen Erzählungen, in denen Götter ihren Anspruch auf die Vormacht¬ stellung nicht mit ihren speziellen Fähigkeiten begründen, sondern allein durch ihre physische Überlegenheit im Kampf geltend machen, wie z.B. in der Titanomachie, der Gigantomachie und auch im phönizischen Götterkampfmythos von Baal und Jam‘h Einen Sonderfall stellt auch die von Apollodor (2,43/4 = Nr. 136) berichtete Überschwemmung in Äthio¬ pien dar, die Poseidon verursachte, weil die Gattin des dortigen Königs Kepheus hochmütig behauptet hatte, sie sei schöner als die Nereiden; diese Motivkombination erinnert eher an die Sagen vom Typ ,Philemon und Baucis''h Die nächsten wirklichen Parallelen finden sich in der Fabelliteratur: Hier streitet der Lorbeer mit dem Olivenbaum'^, und der Frühling beansprucht den Vorrang gegenüber dem WintehL Diels^' hat als erster den Ursprung dieses Fabeltyps in orientalischen Entsprechun¬ gen gesehen. Auf sumerischen Tafeln ist uns fast vollständig eine Erzäh¬ lung erhalten, in der sich Sommer und Winter vor dem Schöpfergott Enlil als Schiedsrichter streiten, weil jeder von ihnen behauptet, er spiele im Jahreskreislauf die wichtigere Rolle“. Enlil entscheidet zugunsten des Winters, denn der Sommer bringe nur in Feld und Stall zur Reife, was jener schon vorbereitet habe. Dieser Urteilsspruch, der Vertrautheit mit der Welt des Bauern verrät“, erinnert im übrigen an die aristotelische Lehre vom Großen Winter, der die Fruchtbarkeit einer Gegend be¬ stimmt“. Da mit Ausnahme der im menschlichen Bereich spielenden und damit eine Sonderstellung einnehmenden Kain-und-Abel-Erzählung
Stoische Allegorese? - S. 240. Eine philosophische Kulturentstehungslehre scheint auch hinter Plutarchs Bemerkung zu stehen, daß für die Menschen nach der Flut als erste Pflanze die Eiche zum unentbehrlichen Nahrungslieferanten wurde,- - Dritter Teil: IV.2. Anm. 5. - S. 256. “ Schol. Verg. Bern, georg. 3,268: Potniai in Böotien ist civitas Deucalionis. - S. 179/80. ■» - S. 195. Call. Erg. 194. Aesop. 297. Weitere Beispiele und Eiteraturverweise: Perry (1965) XXVl/XXVII.
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'' (1910). ” Kramer (1956) 161-4. Vgl. den Streit zwischen Hirten- und Bauernptt: ANET 41/2. ” Vgl. Kramer (1956) 160. Für den griechischen Bauern ist Athenes Ölbaum zentral. ” - S. 152.
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aus dem Alten Testament alle orientalischen Streitsagen mit einem Schiedsspruch enden, den beide Parteien anerkennen“, unterscheiden sie sich strukturell jedoch erheblich von den entsprechenden griechi¬ schen Mythen, in denen der auf den Schiedsspruch folgende Gewaltakt des Unterlegenen als zentrales Motiv die Verbindung zum Ritual herstellt“. In Argos erinnert nur mehr das Heiligtum des Poseidon Prosklystios an ein uns unbekanntes Ritual. Von den verschiedenen athenischen Varian¬ ten findet die seit Euripides' Erechtheus literarisch belegte Tradition vom Angriff des Poseidonsohnes Eumolp die genaueste Entsprechung im Ri¬ tual, denn der Auszug des Erechtheuspriesters an den Skira in Richtung Eleusis entspricht dem mythischen Kriegszug gegen den auf die Grenze Athens hin vorrückenden Feind”. Wo genau die Heere aufeinandertrafen, läßt sich nicht bestimmen. Während nach gewissen Überlieferungen die Schlacht noch vor den Toren Athens, bei Skiron“, stattgefunden hat, scheint Eumolp selbst bis ins Zentrum Athens vorgedrungen zu sein”, wozu die Sage von Halirrhotios, der personifizierten Meeresflut, passen wurde. Die wirkliche Flut bei Varro und Apollodor betrifft dann aller¬ dings bloß die thriasische Ebene im Becken von Eleusis, macht also an der Grenze zu Athen halt, so daß das Flutmotiv nicht einfach als rationalisie¬ rende Interpretation des Kriegszuges von Eumolp aufgefaßt werden kann. Durch diesen Akt markiert Poseidon dasjenige Gebiet, das trotz seiner Niederlage gegen Athene fortan ihm untersteht: Eleusis, wo das Ge¬ schlecht der Eumolpiden sich auf Eumolp, Poseidons Sohn, zurückführ¬ te“. Kerenyi” betrachtet diese Fluttradition als jung. Obwohl sie erst bei Varro und Apollodor belegt ist und den Ablauf des Rituals nicht am genauesten spiegelt, scheint es dennoch fraglich, ob sich die einander äquivalenten Schilderungen von Poseidons Gewaltakt chronologisch staf¬ feln lassen. Wahrscheinlich handelt es sich nämlich einfach um verschie¬ den ausgestaltete und nebeneinander bestehende Aitien für ein und das¬ selbe Ritual, welches das Gefühl evozierte, eine fremde Gottheit bedrohe das Leben in der Stadt, trete an die Stelle der aufgehobenen alten Ord¬ nung. Homerisch-aristokratischer Art steht am nächsten der Kriegszug des Eumolp, während ein nicht so anthropomorphes Götterverständnis, das den Gott hinter seinem Wirken in der Natur erkennt - für ein zur See
“ Vgl. Kramer (1956) 160-8. “ Vgl. Burkert (1972) 167/8; 177. - S. 244/5. " Burkert (1972) 165-8. Hier wurde das Grab des Sehers Skiros gezeigt, der gemeinsam mit Eumolp den Angriff der Eleusinier eröffnet haben soll: Paus. 1,36,4. ” Das Grab des Sohnes von Eumolp befand sich nämlich unterhalb der Akropolis: Giern. Al. Protr. 3,45,1. h.Cer. 154; 475; vgl. Burkert (1972) 280/1. ” (1958) 229, vgl. Schweitzer (1952) 394/5.
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fahrendes Volk wie die Griechen wohl ein naheliegender Gedanke zum Aushruch der Naturgewalten seihst führt; Halirrhotios, die personi¬ fizierte Flut, stellt eine Zwischenstufe dar. Als letzte - unheimliche Steigerung des Schlachtgetümmels verläßt auch in der Ilias (21,234-345) der Skamander sein Flußbett und überflutet das Kampfgelände, um Achill in seinem Mordrausch zu hemmen^^ Möglicherweise schwingt in den Darstellungen Apollodors und Varros aber noch ein aitiologisches Mo¬ ment mit, erklären sie doch die Existenz der noch heute westlich des Aigaleos in der thriasischen Ebene gelegenen Salzseen, der sog. Rheitoi, für welche die Priesterschaft von Eleusis das Fischereimonopol besaß".
VI. Exkurs: Naturaitiologien „Eine Dauererscheinung in der Natur wird aus einem früheren einmali¬ gen Ereignis als seiner angeblichen Ursache erklärt."' Diese Definition für aitiologische Sagen, auch Natursagen genannt, trifft auf die Erzählung vom Tempedurchbruch zu. Apollodor (1,47 = Nr. 144) und seine Nachfolgeh verbinden sie sekundär mit Deukalion,- die reine Natursage kennt schon Herodot (7,129,1; 3/4 = Nr. 141). Er berichtet, daß die Thessalier glauben, Poseidon hätte die Tempeschlucht geschaffen und so die im thessalischen Becken zuvor gestauten Wassermassen abfließen lassen. Es handelt sich hier also nicht um eine eigentliche Sintflut, die, von den Göttern geschickt, zu einem bestimmten Zeitpunkt plötzlich über die Menschen hereinbricht; die natürliche Beschaffenheit des Geländes hat die Vorstellung vom thessalischen Ursee evoziert, und so konnten denn rationalistische Deutungen dieser Sage auch nicht ausbleiben: Weil Po¬ seidon nach griechischem Glauben der Erderschütter er ist, scheint es für Herodot klar, daß ein Erdbeben das Tempetal aufgerissen hat. In neuerer Zeit hat Fehling^ die Richtigkeit von Herodots Quellenanga-
” Das Nebeneinander mehrerer Varianten als künstlerisches Produkt der Dichtung: Howald 10-3. ” Paus. 1,38,1; vgl. Kirsten-Kraiker (1967) 1 189. ' Röhrich (1964) 28. Vgl. Jensen bei Kerenyi (1967). Diese Sagen sind von denjenigen zu trennen, die einen Namen erklären. Lykoreia: Paus. 10,6,2 = Nr. 22; Parnaß: Andron FGrHist 10 F 8 = Nr. 21; Gerania-Berg: Paus. 1,40,1 = Nr. 50; Bucheta: Call. Frg. 509 = Nr. 39; Bukerais: Call. Frg. 42 = Nr. 51; Elis: Leandr(ijos FGrHist 492 F 13 = Nr. 131; Zeus Aphesios in Argos: Arr. FGrHist 156 F 16 = Nr. 48; Birnenwerfer in Argos: Plu. Mor. 303a/b = Nr. 132; Delos: Sol. 11,18 = Nr. 106, vgl. Hyg. fab. 140,2-4 = Nr. 135. ^ Nonn. D. 6,373-6 = Nr. 109, Schob Pl. Ti. 22a = Nr. 111. Vgl. Filastr. 122 (94) 3 = Nr. 63 ^ (1971)25-8.
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ben angezweifelt; nicht thessalische Lokalüberlieferung, sondern die Theorien ionischer Geographen lägen hier vor. Es ist jedoch kaum wahr¬ scheinlich, daß neben den schon genannten Quellen (Apollodor, Nonnos, Platonscholion) auch noch Diodor (4,18,6 = Nr. 143), Philostrat (Im. 2,14,1 = Nr. 145) und Stephanos von Byzanz (s. v. AuTai = Nr. 146) nur von Herodot abhängig sind. Für eine echte, thessalische Überlieferung spricht vor allem der Bericht des Baton von Sinope (FGrHist 268 F 5 = Nr. 142), der zwar erst dem 2. Jh. v. Chr. angehört, aber als Lokalhistoriker unbe¬ dingt ernst genommen werden muß, zumal seine Darstellung mit einem Aition für die von den Thessaliern gefeierten Peloria schließt. Die Erzäh¬ lung von der Entstehung des Tempetales entspricht ferner einem gängi¬ gen Natursagen-Typus; es sei nur auf ein schweizerisches Beispiel ver¬ wiesen: Das Wallis kannte einst eine Zeit, da das ganze Tal ein großer See war. Noch die vorige Generation habe weit oben in den Bergen die Ruinen der Siedlung gesehen, die dann später in den Talgrund verlegt und Naters genannt wurde. Man habe sogar noch die Ringe an den Felsen gezeigt, die zum Festmachen der Schiffe gedient hättenL Die Erzählung von der Entstehung des Tempetals ist mit ihrer guten und alten Bezeugung ein Ausnahmefall. Für die andern gleichartigen aitiologischen Flutsagen^ besitzen wir nur jüngere Quellen, die alle auf hellenistische Theorien über die Gestaltung der Erdoberfläche zurückge¬ hen. Mag auch dem Bericht Diodors (5,47,3-5 = Nr. 78) vom Aufreißen des Bosporus Straton^ zugrunde liegen und Poseidonios’ den anderen Überlieferungen, so können letztlich doch, da es sich um einen weit verbreiteten Sagentyp handelt, echte Lokalerzählungen vorhegen; im Hel¬ lenismus wurden sie ja fleißig gesammelt. Diodor jedenfalls hat als unmittelbare Quelle einen samothrakischen Lokalhistoriker benutzt, bei dem auch die Verbindung zum einheimischen Kult nicht fehlt. Natürlich muß man die Möglichkeit einräumen, daß die hellenistischen Wissen¬ schaftler diesen Sagentyp in einzelnen Fällen auf Gebiete übertragen haben könnten, wo er ursprünglich nicht existierte. Sehr oft gehen aitiologische Erzählungen auch den umgekehrten Weg vom Leben zur Katastrophe, und alles versinkt für immer im Wasser, ein Motiv, das sich ebenfalls mit gewissen Theorien hellenistischer Geogra¬ phen berührt®. So kann bei den vier böotischen Städtchen, die der Sage nach vom Kopais-See verschlungen worden sind’, wohl kaum entschie* Guntern (1963) 113/4. ’ Str. 1,3,19/20 = Nr. 150: Lesbos, Euboia. D.S. 4,85,2-5 = Nr. 154, D.P. 473-6 = Nr. 155: Sizilien. Plin. nat. 2,205/6 = Nr. 156: Verschiedenes. ‘ Reinhardt (1921) 98/9; Jacoby, Komm, zu FGrHist 548 Anm. 11. ’ Reinhardt (1921) 87-107. * Str. l,3,18 = Nr. 150, Plin. nat. 2,205/6 = Nr. 156. Quelle ist Poseidonios: Reinhardt (1921) 90. ’ Str. 1,3,18 = Nr. 150, Paus. 9,24,2 = Nr. 151.
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den werden, ob eine Abhängigkeit von Poseidonios besteht oder nicht doch eine echte Lokalüberlieferung vorliegt'L Einen echten Volkssagen-Typus repräsentieren hingegen jene Erzäh¬ lungen, die nicht bloß vom Versinken einer Stadt in einem bestehenden See oder Meer berichten, sondern - viel radikaler - die Entstehung eines neuen Gewässers an der Stelle einer menschlichen Siedlung zum Inhalt haben. Sie sind gewissermaßen die Umkehrung der Sagen vom Fels¬ durchbruch im Tempetal und beim Bosporus und wie diese weit verbrei¬ tet. Wieder kann ein Schweizer Beispiel genannt werden: Die Walliser erzählen nämlich nicht nur, daß ihr Tal einst ein See war, sondern auch, daß nach dem Durchbruch des Felsriegels bei Martigny die abfließenden Wasser den Genfersee geschaffen hätten". In Kleinasien ist nach Pausanias (7,24,13 = Nr. 158) am Sipylos-Gebirge eine Stadt in einem Erd¬ schlund verschwunden; heute sei dort der Saloe-See zu sehen. Die be¬ kannteste Erzählung dieser Art stammt ebenfalls aus Kleinasien; die Geschichte von Philemon und Baucis bei Ovid (met. 8,624-32; 689-93 = Nr. 159), als deren Quelle auf Grund der Verse 620/1 eine phrygische Lokalerzählung vermutet werden darf". Diese beiden alten Leutchen nehmen die bei ihnen einkehrenden Gottheiten - anders als im prinzipi¬ ell gleich strukturierten Lykaonmythos - gastlich auf und werden zum Dank dafür entrückt, während die übrigen, welche die Götter abgewiesen hatten, in den Fluten umkommen". Diese Sage ist insofern eine typische Vertreterin ihrer Gattung, als die Naturkatastrophe - wie übrigens auch im Beispiel aus dem Wallis - mangelnde Ehrfurcht vor den Göttern bestraft. Schon bei Homer (II. 16,384-92 = Nr. 128) straft Zeus die Men¬ schen durch übermäßige Regengüsse". Entsprechend hat ein reißender Fluß das Städtchen Libethra am Olymp verwüstet, als die Grabesruhe des Orpheus gestört wurde", und Messenien droht im Wasser zu versinken, wenn die heiligen Schriften der Mysterien von Andania verloren gingen". Einst war aUes anders: Meer bedeckte noch die Stellen, wo später Delos
Zum Sagentyp ,Versunkene Stadt' Thompson (1955-58) F 944. “ Guntern (1963) 244. Vgl. NT Apostelgeschichte 14,11/2; Usener (1899) 246/7, Rohde (1914) 539-41 Anm. 2. Zum Sagentyp ,Prüfung menschlichen Verhaltens durch die Götter' vgl. Rohde (1914) 541 Anm. - S. 206-8. Das Versänmnis, die Gottheit zu ehren, zieht Strafe nach sich; vgl. Richardson (1974) 272. Hes. Op. 252-62: Es gibt von Zeus gesandte Wächter auf der Erde; Dike berichtet Zeus über den ungerechten Sinn der Menschen. Vgl. ferner Thompson (1955-58) D 1318,17: River rises to drown liars. Auch Menschen rufen gegen ihre Feinde die Naturgewalten zu FFilfe,- Dirae 48-53; 55-62: Meer; 67-70: Flüsse; 76-81: Regengüsse. Vgl. den Kampf von Achill gegen den Skamander-Fluß: Hom. 11. 21,234-345. Paus. 9,30,9-11 = Nr. 153. Paus. 4,20,4 = Nr. 152.
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und Rhodos auftauchen sollten”; andere Inseln hingen noch mit dem Festland zusammen oder waren wenigstens viel größer”. Und in einer zukünftigen Zeit wird alles nochmals anders sein; nach diesem Denk¬ schema deuten die Natursagen die Gestaltung der Umwelt des Men¬ schen”. Im Falle der die Inseln hei Lemnos betreffenden Prophezeiung, daß sie einst wieder im Meer versinken würden^“, war die Voraussage zu einem Teil bereits in der Zeit von Pausanias (8,33,4) erfüllt - und heute ist sie es vollkommen.
Die Flutkatastrophe von Keos Nach der von Kallimachos zitierten Lokalchronik des Xenomedes (FGrHist 442 F 1,64-9 = Nr. 149), die wohl im fünften Jahrhundert entstanden isü', wurden die frevelhaften Teichinen von Keos durch den Blitz des Zeus getötet. Herter” bringt diesen Mythos mit der bei Plinius (nat. 2,206 = Nr. 156; 4,62) berichteten Naturkatastrophe in Verbindung, in der Keos durch eine Wasserflut von Euboia losgerissen wurde und zu einem großen Teil im Meer versank. Wie der deukalionische Flutmythos so kann auch diese Sage bis auf Pindar (Pae. 4,40-5 = Nr. 148) zurückver¬ folgt werden; Die Zerstörung der Insel ist das Werk von Zeus und Posei¬ don,- die Teichinen sind nicht erwähnt. Die genannten Texte enthalten zwar für Natursagen kennzeichnende Elemente: Begründung für die Gestalt der Insel und Hybris gegen die Götter als Ursache der Katastrophe (nur bei Xenomedes). Wahrschein¬ lich liegt hier jedoch echte historische Erinnerung vor. Archäologisch nachgewiesen sind nämlich Verheerungen, die gewaltige Erdbeben um die Mitte des 15. Jh., vielleicht im Zusammenhang mit dem Vulkanaus¬ bruch auf Santorin, angerichtet haben. Dazu kommt, daß eine kontinu¬ ierliche Besiedlung der Insel von der frühen Bronzezeit bis zur Römerzeit bestanden hat: Ein Tempel war vom 15. Jh. an durchgehend in Gebrauch; die Tradition wurde somit niemals unterbrochen”. Indem zum histori¬ schen Kern das Motiv von den frevlerischen Teichinen hinzukam, erhiel-
” Delos: Vgl. Hyg. fab. 140,2-4 = Nr. 135 und Sol. 11,18 = Nr. 106 mit h.Ap. 66-76, Pi. Frg. 33d, Call. Del. 36. Rhodos: Pi. O. 7,54-63. Allgemein: E. H. Meyer, RML 3 11897-1909] 2816; Schachermeyr (1950) 160. " Vgl. E. H. Meyer, RML 3 (1897-1909) 2815/6; Schachermeyr (1950) 160. ” Zu diesem Motiv vgl. Gatz (1967) 74. Xenoph. VS 21 A 33,5/6 = Nr. 119 ist im Grunde dem gleichen Denken verpflichtet; die Beweise (Muschelfunde) dienen nur zur Bestätigung; S. 142/3. Hdt. 7,6,3; vgl. How-Wells (1928) II 127. Jacoby, Komm, zu FGrHist 442 S. 288. Vorbild für die rhodische Sage (- S. 156-9); Vgl. Jacoby, Komm, zu FGrHist 523 FIS. 436. ” RE 5A (1934) 217. " Schoder (1975) 108-11, weitere Literatur 247; Eisner (1972) 123-33.
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ten die Überlieferungen der Insel Keos die Struktur einer echten Natur¬ sage; sogar das typische Motiv von der Götterbewirtung scheint zum Teil nicht gefehlt zu haben. Xenomedes erwähnt nämlich eine Makello, die als einzige von den Göttern verschont wurde, ein Name, den Nonnos (D, 18,35-8 = Nr. 157) in einer an Philemon und Baucis erinnernden Erzählung kennt. Rohde^" macht es allerdings wahrscheinlich, daß bei Nonnos infolge einer Lücke im Text eine nach Milet weisende Ortssage von Nikander, die jedoch gerade vom Tod einer Makello berichtete, direkt in eine Geschichte Euphorions vom Untergang der thessalischen Phlegyer übergeht, aus der wohl das Motiv von den gottesfürchtigen Überlebenden stammt. Da vieles dunkel bleibt und manches dafür spricht, daß Makello der Sage einfach als traditionelles Motiv beigefügt wurde, ist es höchst fragwürdig, in dieser Figur mit Eisneh^ sozusagen eine historische Persönlichkeit zu sehen, eine die Katastrophe überle¬ bende Priesterin des Tempels von Ajia Irini. Auch die historische Zerstörung der achäischen Küstenstädte Helike und Bura durch ein Seebeben im Jahre 373 v. Chr. wurde auf eine Verlet¬ zung des göttlichen Machtbereichs zurückgeführt: Die Einwohner der beiden Orte hätten kleinasiatischen Ioniern Abbilder ihrer Kultstatue verweigert und sie am Opfern gehindert, obwohl es das Orakel in Delphi war, das diesen aufgetragen hatte, einen Poseidonkult nach dem Muster von Helike einzurichten. Zur Strafe vernichtete Poseidon die zwei Städte'^ Die Übertragung des den Natursagen eigenen Denkschemas auf die Realität läßt sich ferner bei den Überlieferungen um Pheneos feststellen. Die antiken Schriftsteller bezeugen mehrere Überschwemmungen für dieses arkadische Gebiet, die auf historisch faßbare Naturkatastrophen zurückgehen", nach Plutarch (Mor. 557c) aber trotzdem mythologisch erklärbar sind: Herakles habe nämlich den aus dem Heiligtum von Del¬ phi geraubten Dreifuß unglücklicherweise nach Pheneos gebracht. Zu Pausanias' (8,14,1) Zeiten - so interpretiert man" - waren von der Über¬ schwemmung, auf die sich Plutarch bezieht, nur mehr Spuren an den umliegenden Abhängen zu sehen, an denen man die Höhe des einstigen Wasserspiegels ablesen konnte. Diese Male rühren zwar von einer histo¬ rischen Flutkatastrophe her; doch die Leute, die auf sie hinweisen, han¬ deln nicht anders als die Einwohner von Argos und Samothrake, deren Flutzeichen sich eindeutig auf mythische Ereignisse beziehen und eine Funktion im lebendigen Kult haben".
(1914) 539-41 Anm. 2. (1972) 130-3. “ Heraclid. Pont. SA Vll 18/9 Frg. 46; D.S. 15,48,49; Str. 1,3,18; 8,7,2; 5; Paus. 7,24,5-25,4. ” - S. 115. F.Bölte,RE 19 (1937) 1969. ” - S. 140; 190; 244/5.
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Atlantis Die bei weitem heftigsten Diskussionen, ob historische Erinnerung vor¬ liege oder nicht, werden beim platonischen Atlantismythos geführt^“. Über die ältere Forschung orientiert ausführlich Gegenschatz”. In neue¬ rer Zeit sind die Ausgrabungen auf Thera in den Mittelpunkt dieser Diskussionen gerückt: Hat die Sage vom Untergang des wunderbaren Atlantis - wie diejenige von Keos - eine Reminiszenz an den dortigen Vulkanausbruch bewahrt? Steht hinter der Polis von Atlantis” die zer¬ störte, einst prachtvolle Stadt bei Akrotiri? Begründet hat diese These kein Geringerer als der Ausgräber selbst, Spyridon Marinatos”. Der Mythos vom Kampf zwischen einem als Idealstaat gedachten Urathen” und Atlantis, seinem Urfeind”, enthält Motive aus Sage“, zeitge¬ nössischer Wissenschaft” und Realität”, die erst Platon zu einer Erzäh¬ lung vom Typus,Versunkene Stadt'” miteinander kombiniert hat. Dieser Befund und besonders die Tatsache, daß die Beschreibung von Atlantis aus Elementen bekannter Herkunft besteht““, macht die Theorie unwahr¬ scheinlich, Platon lege im Timaios und Kritias einen in der übrigen griechischen Literatur nicht zu belegenden alten Mythos vor,- Atlantis ist nicht Thera. Ein mittelbarer Zusammenhang mit der Katastrophe auf Santorin läßt sich allenfalls über Sagen wie diejenige von Keos denken. Eine derartige Überlieferung mag Platon angeregt haben, da Keos von Attika nicht besonders weit abhegt und auch die Atlantis vernichtende Flut eine landschaftsgestaltende, aitiologische Funktion hat*'. Dabei wer¬ den diese Motive, die letztlich auf eine historische Katastrophe zurückge-
S. 143/4. Von Platon beeinflußt ist TheopompFGrHist 115 F 75: Rohde (1914) 210-23, besonders 219-23. (1943) 3-6; weiter: Herter (1944) 236-43. Neuere Arbeiten: Manganaro (1959), Galanopoulos (1960), Vidal-Naquet (1964), Wattenberg (1966), Phillips (1968), Herter (1969), Rousseaux (1970), Mavor (1970), Luce (1971), Garcia Iglesias (1974). Grundsätzliches bei Thomas (1976). ” Atlantis ist eigendich der Name der Insel; Platon interessiert sich aber nur für die Stadt auf ihr; vgl. Gegenschatz (1943) 45. ” (1950); ausführlich Luce (1969), vgl. Schiering (1976). Page (1970). Gegenschatz (1943) 39-43, Vidal-Naquet (1964), Herter (1969). ” Gegenschatz (1943) 43-8. “ Versunkener Kontinent im Atlantik wesdich von Spanien: Gegenschatz (1943) 49, vgl. Rohde (1914) 213 Anm. 2. Topos vom fernen Wunderland: Gegenschatz (1943) 48-57, vgl. Rohde (1914) 210-60. Gegensatz Athene - Poseidon: Gegenschatz (1943) 23. ” Städtebautheorie: Gegenschatz (1943) 47, vgl. 37 Anm. 88. Verhältnis zur wissenschafdichen Geographie: Manganaro (1959). Einfluß zeitgenössischer chronologischer Berechnun¬ gen der Verhältnisse zwischen griechischen und orientalischen Traditionen? -* S. 157; 161. ” Wirkliche Städte als Vorbild: Gegenschatz (1943) 22/3. ” Vgl. Thompson (1955-58) F 944. Gegenschatz (1943) 45-8. Zu diesem Motiv vgl. Gegenschatz (1943) 41.
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hen, nicht anders behandelt als diej enigen, die wie das Motiv vom Gegen¬ satz zwischen Poseidon und Athene echter Sage entnommen sind: Der Atlantismythos ist eine Konstruktion Platons''\
Für die Deutung der Atlantiserzählung bleibt die Quellenfrage belanglos: Gegenschatz (1943) 5/6.
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Dritter Teil: Interpretationen
I. Auflösung des Kosmos als Demonstration göttlicher Macht Das Eintreten einer Flut wird im Griechischen gewöhnlich durch das Verhum xaxaxAöCeixLhezeichnet; dazu gehört das Aktionsnomen xaxaxlvo|i6(;. Dieses Verh wird nicht nur in den Flutsagen von Deukalion^ Ögygos und Dardanos angewendet, sondern z.B. auch hei den historischen Üherschwemmungen von PheneosF In den nicht auf die großen Flutheroen ausgerichteten Erzählungen herrscht aber im allgemeinen keine so große Stereotypie des Ausdrucks. Pausanias (2,22,4 = Nr. 139) braucht für die Überflutung von Argos, die durch Poseidon, also das Meer, verursacht wird, das Verb ETuxAuCeiv, und im analogen Fall von Athen hat Apollodor (3,179 = Nr. 138) dieWendungücpaAovrtomv. Die Grundbedeutungen von xAeCeiv sind nach Chantraine^ ,baigner' (vom Meer, das die Küste bespült) und ,verser de l'eau pour nettoyer, rincer'. Pollux (1,114) zählt xataxAuoliog als eine Metapher für Schiffbruch und für das Fallen des Regens (1,116) auf. Synonym ist eTxopßpiah Im Latein existiert kein Pendant zum Paar xaxaxAüCeiv - xaxaxAeopög. Letzteres wird mit diluvium übersetzt, einer Ableitung von diluere ,auflösen', das jedoch nie im Zusammen¬ hang mit einer Fluterzählung erscheint. Ausführliche Schilderungen des Flutgeschehens sind selten und fast ausschließlich auf die Sage von Deukalion, dem bekanntesten antiken Flutheros, beschränkt, dessen Abenteuer insbesondere die Dichter faszi¬ nierten, allen voran natürlich Ovid (met. 1,163-415 = Nr. 3). Die nüch¬ tern das Faktum festhaltenden Zeugnisse überwiegen aber auch hier: So hat bei Pindar (O. 9,41-56 = Nr. 18) einfach „die Gewalt des Wassers die schwarze Erde überflutet", und nach Apollodor (1,47 = Nr. 28) ist diese Sintflut die Folge von starken Regengüssen^ genau wie in Lykophrons ' Paus. 8,14,1; Plu, Mor. 557c. - S. 197. ' (1970) 545. ^ Paus. 1,18,7 = Nr. 44. ' SeitVarroHRRll 10/1 Frg. 3 = Nr. 87, Hyg. fab. 153,1 = Nr. 14. Gloss. erklärt diluvium mit xaTOxAuoiiög und xaroiaßpia. Zur orientalischen Bezeichnung für ,Sintflut' vgl. van Dijk (1983) 24; 33. ’ Weiter MP FGrHist 239 A 4 = Nr. 42, Ov. met. 1,260/1 = Nr. 3, Schob Stat. Theb. 3,560 = Nr. 7, luv. Sat. 1,81, Mythogr. 1,189, Nonn. D. 6,229/30 = Nr. 109, Q.S. 14,602-4. Wohl auch
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(78/9 = Nr. 69) Darstellung der dardanischen Flut, was dem metaphorisehen Gebraueh von xccTaxAuoiaog und seinen Synonymen entspricht. Zwar findet sich das Bild von dem allein in den tosenden Wogen dahin¬ treibenden Flutheros auch bei Lykophron (75 = Nr. 69), doch ganz beson¬ ders wird dieses Motiv des Einzigen in der lateinischen Literatur gepflegt, ein Motiv, das-begreiflicherweise eine total überflutete Erde’ und keine weiteren Überlebenden außer den Flutheroen voraussetzt, obwohl Au¬ gustin (civ. 18,8 = Nr. 88) behauptet, die Antike habe überhaupt nie eine derartige Sintflutsage gekannt. Brillant schildert Ovid (met. 1,318/9 = Nr. 3) in seinen Versen, wie Deukalion und Pyrrha mit ihrem Floß als einzige Menschen am einzigen Stück Land, das noch geblieben war, aufliefen. Eindrucksvoll ist weiter das Bild des Manilius (4,831-3 = Nr. 8): Deukalion besitzt die ganze Welt - sie ist auf den die Wasser überragenden Gipfel des Parnaß reduziert. Im Altertum begründete man die Sonderstel¬ lung des Parnaß mit der Weihe dieses Ortes als Orakelstätte; dahinter steht aber, wie volkskundliche Parallelen zeigen, die Vorstellung vom Kosmischen Berg am Nabel der Welt, der von der Sintflut nicht erfaßt wirdL ln diesem Punkt unterscheidet sich die Deukalionsage beträcht¬ lich von der biblischen Sintfluterzählung (1. Mose 7,19/20; 8,5), in wel¬ cher auf dem Höhepunkt der Flut wirklich alles von Wasser bedeckt ist. ln den ausführlicberen Texten begegnet ferner das Motiv ,Verkehrtes Leben'. Das hübscheste Beispiel dafür steht in Ovids Metamorphosen (1,291-308 = Nr. 3)‘°; Während das Meergetier sich in Umkehrung der normalen Lebensordnung auf den Bäumen oder sogar den Bergen befin¬ det, ertrinkt das Wild im Wasser. Die Aufhebung der natürlichen Schran¬ ken zwischen Wasser- und Landleben und ihr Ineinandergehen ist beson¬ ders ausgeprägt bei Nonnos (D. 6,258-78), wo die Störung des normalen Lebens sogar bis in die Ordnung des Kosmos hinein geht", und auch
hierher zu rechnen ist Schol. Verg. Bern, georg. 1,62 = Nr. 36; Die Flüsse Thessaliens treten über die Ufer. ‘ Übersicht über die den verschiedenen Flutsagen zugrunde liegenden Vorstellungen bei Winternitz (1901) 316/7. ’ - S. 73-6. » - S. 211/2. ’ Comment. Lucan. 5,71 = Nr. 10. Daß die Fluten den Gipfel des Parnaß nicht erreicht hätten, wird weiter betont bei Paus. 10,6,2 = Nr. 22, Schol. Pi. 0.9,64c = Nr. 19, Lucan. 5,75/6 = Nr. 9, Schol. Hör. carm. 1,2,9 = Nr. 2, Schol. Stat. Theb. 1,118, Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6, Schol. Verg. Bern. ecl. 6,41 = Nr. 35; vgl. Serv. auct. ecl. 6,41 = Nr. 107. Anders Nonn. D. 12,60-3 = Nr. 110. - S. 79; 222/3; Zweiter Teil: 1.1 l.c. Anm. 9, d. Anm. 8. Wenn wirklich ein Zusammenhang zwischen Parnaß und hethitisch parn- ,Haus' besteht, wäre dieser Berg gewis¬ sermaßen dasjenige Haus, das dann nach der Flut zum Ausgangspunkt des neuen Lebens wurde; vgl. Chantraine (1974) 858 s.v. Ilapvaaaoq. "> Weiter Hör. carm. l,2,5-12 = Nr. 1; die Antithese zum normalen Leben betont besonders Schol. Hör. carm. 1,2,9 = Nr. 2. Vgl. Archil. lEG 1 47/8 Frg. 122. " Nonn. D. 6,232-49; zu ,Katastrophe und Kosmos' vgl. Burkert (1972) 121.
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Lykophrons (83-5 = Nr. 69) Schilderung der dardanischen Flut kann hier genannt werden. Dieses Motiv ist seit dem Gilgames-Epos (11,123)’^ zu helegen, in dem die von der Flut überraschten Menschen mit den Fischen des Meeres verglichen werden. Wie in den griechischen Sintflutsagen folgt in diesem Epos (11,90-131) die Verkehrung des normalen Lebens auf eine stürmische Regenflut‘E Die Dauer der deukalionischen Sintflut gibt nur Apollodor (1,48 = Nr. 28) an: Deukalion treibt neun Tage und Nächte lang auf dem Wasser. Am zehnten wird er wohl - nach der homerischen Formel - am Parnaß gelandet sein“*. Im Vergleich mit den in der Bibel (1. Mose 7,24-8,5) genannten Zahlen erscheint die Sintflut der Griechen somit beinahe als eine Bagatelle. Über das Ende der Flut haben wir keine präzisen Angaben, denn Apollodor erwähnt einfach ein Nachlassen der Regengüsse, wäh¬ rend Ovid (met. 1,328/9 = Nr. 3) berichtet, daß luppiter die Wolken zerteilt und sie mit Hilfe des Aquilo'* hinweggefegt habe. Eine Sonderstellung unter den antiken Quellen nimmt der Bericht Lukians (Syr. D. 12 = Nr. 64) ein: Zu Beginn der deukalionischen Flut sei nicht nur ein gewaltiger Regen niedergegangen, auch die Erde habe viel Wasser aus sich herausgegeben. Erdspalten, welche die Wasser der Sint¬ flut aufgenommen haben soUen, wurden zwar nicht nur in Hierapolis, sondern auch in Athen gezeigt'^ daß der Erde aber auch noch j ene andere Funktion zukommt, ist eine Besonderheit der kleinasiatischen Tradition und in echt griechischen Sintfluterzählungen nicht zu belegen, ln Athen verursacht nach dem Marmor Parium (FGrHist 239 A 4 = Nr. 42) Regen allein die Sintflut des Deukalion, wie bei Nonnos (D. 6,378/9 = Nr. 109), wo die Fluten ebenfalls in Erdschlünde abfließen. Vergleichbares findet sich im Bereich der Antike nur noch in Senecas Schrift „De aquis terrestribus", dem dritten Buch der „Naturales quaestiones", in dem ausge¬ hend von der Voraussetzung, daß das Innere der Erde mit Wasser gefüllt sei'h eine Erklärung für die Entstehung der von der philosophischen Zyklentheorie postulierten Sintflut gegeben wird**: Gleichzeitig fällt Re¬ gen, schwellen die Flüsse an, weil sie reichlicher aus dem Erdinnern gespeist werden, und die Meere, von ihren Plätzen vertrieben, überdecken alles*’. Nach der Flut fließen die Wasser wieder in die Erde zurück^“. Eine
Ausgaben - Zweiter Teil: I.ll.b. Anm. 3. Vgl. Heidel (1949) 240-5, Simoons-Vermeer (1974) 18/9. Vorlage wohl Hes.; - S. 100/1; 131. Vgl. Ov. met. 1,262. “ - S. 111; 126. ” nat. 3,8. '* nat. 3,27-30. - S. 142-53. nat. 3,27,1; die Vorstellung von aus dem Boden hervorströmendem Wasser auch nat 3,29,7. nat. 3,30.
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derartige Vorstellung ist eindeutig orientalischen Ursprungs; wohl nicht zufällig bringt Seneca gerade in diesem Zusammenhang ein Zitat aus Berossos' Babyloniaka. Auch in der Genesis (1. Mose 7,11/2) geht mit den Regenfällen ein Ausbruch unterirdischer Wasser einher, genau wie in der Sage von Hierapolis. Hillmann^‘ hat gezeigt, was mit diesem gleichzeitigen Ausbruch des Wassers aus der Erde gemeint ist: Die bei der Schöpfung erfolgte Trennung der Wasseh^ wird aufgehoben und damit die Weltschöpfung rückgängig gemacht, eine Vorstellung, die eine Schöpfungsgeschichte voraussetzt, wie sie im Enuma Elis vorhegt. In diesem akkadischen Epos wird nämlich erzählt, wie ganz am Anfang Süß- und Salzwasser vereint den Urozean bildeten. Erst nach der Tötung des Urpaares Apsu und Tiamat durch Ea und Marduk wurden zwei getrennte Urgewässer ge¬ schaffen: der unter der Erdscheibe hegende Süßwasserozean des Apsu und das über dem von Marduk aus der einen Hälfte der getöteten Tiamat geschaffenen Firmament hegende Salzmeer“. Genau auf dieses orientali¬ sche Weltmodell bezieht sich das biblische Bild vom,Öffnen der Fenster des Himmels'“. Das Motiv vom unermeßlichen Regen“ ist davon unab¬ hängig, denn die Entstehung des Regens hat nichts mit dem himmlischen Ozean der Tiamat zu tun“. Indem die Wasser der beiden Urmeere zusammenfließen, entsteht wieder derjenige Zustand, der vor der Machter¬ greifung der beiden dominierenden Götter Ea und Marduk und der durch sie getroffenen Einrichtung der Welt herrschte: Die Urflut bedeckt erneut die Erde“. Wie der Jahwist, die andere der beiden dem biblischen Sint¬ flutbericht zugrunde hegenden Quellen“, kennen die entsprechenden orientalischen Flutmythen nur die Vorstellung vom unermeßlichen Re¬ gen. Denn hier ist es in erster Linie der Wettergott, der Regen also, der die Erde überflutet“. Nur gerade im Gilgames-Epos (11,101/2) ist neben dem
(1965) 133; vgl. Westermann (1974) 583-5, van Leeuwen (1920) 77/8, Kirk (1970) 91. Das Hervorbrechen der unterirdischen Wasser ist begleitet von einem Erdbeben bei Henoch 65, AT 1. Mose 1,6-9. ” ANET 67. Labat (1970) 38-42; 54-8; 68 Anm. 2. Beyerlin (1975) 109. Vgl. Dhorme (1949) 32; 305/6; Heidel (1949) 81 Anm. 168; Labat (1970) 38 Anm. 2/3; Beyerlin (1975) 219 Anm. 33. Das Epos ist im 12./11. Jh. v. Chr, entstanden: Beyerlin (1975) 107. Zur Vorstellung Burkert (1968) 102. AT 1. Mose 7,11; 8,2. An gewöhnlichen Regen denkt fälschlicherweise van Leeuwen (1920) 78. Vgl. die Weisung Marduks an Tiamat, ihr Wasser nicht herausfließen zu lassen: Enuma Elis 4,140. Z.B. AT 1. Mose 7,12. “ Vgl. Enuma Elis 4,138-40 mit 5,49-51. ” Urflut als ,Prototyp' der Sintflut: van Dijk (1983) 33. Vgl. Dhorme (1949) 303/4, Eliade (1976) 22: Rückkehr zum Chaos. Zur ,Urflut' ^ Zweiter Teil: III.1. Anm. 27. Westermann (1974) 585. ” Gilgames-Epos 11,96-109. Atrahasis-Epos: Labat (1970) 35, Beyerlin (1975) 118. Sume¬ rische Flutsage: Beyerlin (1975) 115.
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auch aus andern Quellen bekannten Ninurta^" irgendwie auch der Unter¬ weltsgott an der Auslösung der Flut beteiligt. Aber auch auf einer Stele des akkadischen Königs Naram-Sin vom Ende des 3. Jt. v. Chr.^b die von gewaltigen, einer Sintflut vergleichbaren Überschwemmungen erzählt, ist es wieder der unterirdische Süßwasserozean des Apsu, der ausbricht: Auf Geheiß der andern Götter verursacht Ea, die Gottheit der unterirdi¬ schen Gewässer, diese Fluük Es wäre nun aber falsch, die Vorstellung von der gestörten kosmischen Ordnung auf diejenigen Texte zu beschränken, in denen ein Ausbruch unterirdischer Wasser erwähnt wird. Das zeigt die Motivkombination des - an dieser Stelle leider sehr fragmentarisch überlieferten - hethitischen Mythos von Telipinu, der als Sohn des Wettergottes durch sein Verschwinden den Kosmos in Unordnung bringt und nicht nur eine allgemeine Unfruchtbarkeit auslöst, sondern aus Wut über die nach ihm eingeleitete Suche auch die Flüsse über die Ufer treten läßt und so eine Überschwemmung verursacht“. Entsprechend kann bei Pindar (Pae. 9,20) eine Sonnenfinsternis, die gewissermaßen ebenfalls eine Störung der kosmischen Ordnung darstellt, sowohl eine Sintflut als auch andere unerhörte Naturereignisse, ja sogar einen Krieg ankünden. Wenn der Ausbruch der Sintflut der Aufhebung der kosmischen Ord¬ nung gleichkommt, dann muß Marduks Drohgebärde mit der Flutwaffe im Enuma Elis (4,49)“ allerdings sekundär sein, denn sie erfolgt zu früh. Wohl ist Apsu schon tot (1,69), aber die kosmische Ordnung wird erst durch die Teilung der Tiamat etabliert sein (4,135-40), kann somit vor¬ her noch gar nicht aufgelöst werden“. Die Sintflutvorstellung ist offen¬ sichtlich derart eng mit dem obersten Gott verknüpft, daß die Fähigkeit, eine solche Katastrophe auszulösen, geradewegs zu den Insignien des Götterkönigs gerechnet wurde. Sintfluten werden denn auch immer vom höchsten Gott befohlen. Im Gilgames-Epos (11,14; 98-104) resultiert die Sintflut zwar aus dem Zusammenwirken mehrerer Gottheiten“, doch handeln sie auf Geheiß von Enlil“. In der biblischen und griechischen Tradition liegt die Verantwortlichkeit für die Katastrophe ebenfalls allein Zweiter Teil: I.ll.b. Anm. 4. ” Labat(1970) 309 Anm. 1. " Labat (1970) 312/3. Vgl. die Weigerung von Ea/Enki eine Flut auszulösen im AtrahasisEpos: Lambert-Millard (1969) 85. " Labat (1970) 533; Beyerlin (1975) 184, zur Datierung 181. ” Weiter 4,75; 6,125; vgl. Dhorme(1949) 145; 305; van Dijk (1983) 24. " Das Flutmotiv spielt nirgends eine entscheidende Rolle, denn es wird nur erwähnt, wenn Marduk Tiamat bedroht (neben 4,49 noch 4,75); bei ihrer Tötung hingegen ist es funktionslos (4,103). Vgl. aber 6,125. “ Vgl. 11,14. ” 11,177-9. Entsprechend setzt Ninurta in den speziell mit ihm verknüpften Traditionen die Sintflut-Waffe zugunsten von Enlil ein: - Zweiter Teil: I.ll.b. Anm. 4. Zu Enlils Stellung als oberster Gott vgl. Labat (1970) 81 mit Anm. 1. Gleiche Tradition im Atrahasis-Epos, vgl.
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beim höchsten Gott (Jahwe resp. Zeus). Die Fähigkeit eine Sintflut auszu¬ lösen, scheinen bereits die Kyprien (HO 118 Frg. 1) Zeus zugeschrieben zu haben. Diese zentrale Stellung von Zeus folgt nur schon aus seiner Funktion als Regengott; deutlich kommt das bei Apollodor (1,47 = Nr. 28), Lykophron (79/80 = Nr. 69) und Nonnos (D. 13,522/3 = Nr. 68) zum Ausdruck. Andere Gottheiten, wie Poseidon in Ovids Metamorphosen (1,274-84), treten allenfalls in dienender Funktion auf. Im Auftrag von Zeus handelt Poseidon auch, wenn er die Teichinen von Rhodos ver¬ treibe*. Nur späte Zeugnisse nennen Neptun oder Oceanus allein als Flutverursacher”; es darf wohl angenommen werden, daß es sich hier um knappe Wiedergaben ovidischer Motive handelt. Die Einbeziehung Po¬ seidons fand natürlich eine Stütze an den Flutmythen von Athen und Argos““. Mit diesem totalen Einsatz göttlicher Macht kontrastiert auf merkwür¬ dige Weise die Tatsache, daß der gleiche Zeus, der sich in der Ilias (8,18-27) seiner absoluten Überlegenheit über alle andern Götter rühmt, sich der Menschheit gegenüber außerstande zeigt, ihre Vernichtung durchzusetzen, denn Deukalion - wie übrigens auch die orientalischen Flutheroen, allerdings mit Ausnahme von Noah - entkommt gegen den erklärten Willen des obersten Gottes“'. Die Götterstreitmythen von Athen und Argos erzählen gleichermaßen von der Selbstbehauptung des Men¬ schen, weil Poseidons Machtentfaltung die menschliche Existenz letzt¬ lich ebenfalls nicht zu gefährden vermag. Einzig die aitiologischen Natur¬ sagen enden jeweils mit dem Motiv einer endgültigen Niederlage des Menschen“/
II. Flutsagen und Theodizee Theodizee ist „die von Theologen oder von theologisierenden Philoso¬ phen versuchte Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des von ihm zugelas-
Simoons-Vermeer (1974) 25; in der sumerischen Sage keine Sonderstellung von Enlil, vgl. Simoons-Vermeer (1974) 29. Spuren einer sekundären Monotheisierung in der biblischen Tradition? Vgl. van Leeuwen (1920) 403/4. Vgl. auch die Stele von Naram-Sin: Labat (1970) 312/3. Ov. met. 7,363-7 = Nr. 118. ” Oceanus: Manil. 4,831-3 = Nr. 8. Neptun: Stat. Theb. 1,222/3; vgl. Schob Stat. Theb. 1,222. Poseidon ist vielleicht über die seit Apollod. 1,47 = Nr. 28 mit der deukalionischen Flut verbundene Sage von der Entstehung des Tempetales in den Deukalionstoff hineingezogen worden. - S. 188-93. - S. 210/1; 213-6; 220-2. « -* S. 193-7.
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senen Übels in der Welt'". Nach dem klaren Denkschema der aitiologischen Natursagen vom Philemon-und-Baucis-Typ zieht menschliche Hybris unfehlbar den vernichtenden Zorn der Götter auf sichb die kein ihre Macht in Frage stellendes Unrecht in der Welt dulden; der Fromme ^vird belohnt, der Frevler bestraft. Eine derartige göttliche Gerechtigkeit kennt von den eigentlichen Sintflutsagen nur gerade die rhodische in der bei Ovid (met. 7,357-67 = Nr. 118) überlieferten Variante, nach der die Flut die frevelhaften dämonischen Teichinen vernichtet, ln den andern Sintfluterzählungen ist das Problem der Theodizee sehr viel komplizier¬ tet, und dies gleich aus drei Gründen: Zum einen kann eine allgemeine Flut nicht wie die Katastrophen in den erwähnten Natursagen interpre¬ tiert werden als eine von den Göttern gesandte gerechte Strafe, die nur diejenigen trifft, welche sie verdient haben. Zum andern vermögen Sint¬ fluten an der Weiterexistenz des Bösen in der Welt nicht das mindeste zu verändern, was zur Frage nach dem Sinn dieser göttlichen Maßnahme führt. Hinzu kommt - speziell für die griechischen und die altorientali¬ schen Traditionen - der Umstand, daß sich durch das Überleben des Flutheros eine gewisse Machtlosigkeit des obersten Gottes offenbart’. Zu den wenigen antiken Texten, in denen das Thema dieses Kapitels überhaupt anklingt, gehört das Fragment 1 aus den Kyprien (HO 117/8), die neben dem Wunsch der Erde, sie von der zu schwer gewordenen Last der Menschen zu erleichtern, mangelnde Gottesfurcht als Ursache für ein göttliches Strafgericht kennen, allerdings im Zusammenhang mit einer nicht wirklich eingetretenen, sondern bloß erwogenen Sintflut, die zudem - völlig singulär - in die Zeit des troianischen Krieges gefallen wäre. Was das Motiv der Gottlosigkeit betrifft, wird die Aussagekraft dieses Zeugnisses noch dadurch relativiert, daß im Falle eines andern kyklischen Epos, nämlich der Odyssee, der Theodizeegedanke sekundär ist". Jedenfalls erweckt die ungewöhnliche Kombination einer fortschritt¬ lichen ethischen Begründung mit dem an den Sintflutmythos des altori¬ entalischen Atrahasis-Epos erinnernden - ja sogar wohl aus ihm über¬ nommenen - altertümlichen Vorwurf der zur starken Vermehrung des menschlichen Geschlechts nicht den Anschein der Ursprünglichkeit. Die Thematik der Theodizee berücksichtigt weiter die berühmte Fassung ' Schmidt (1974) 653. ^ - S. 195-7. ’ - S. Vgl. ^ - S. " - S.
158/9. Außereuropäische Parallelen hei Frazer (1919) 276. Winternitz (1901) 315/6. Westermann (1974) 71-3. 210/1; 213-6; 220-2. 281.
’ Denkbar ist orientalischer Einfluß im 7. Jh. von Zypern her, nicht zuletzt auch darum, weil diese Insel als Heimat Aphrodites galt, die in den vom Ausbruch des troianischen Krieges handelnden Kyprien eine zentrale Rolle gespielt haben dürfte; vgl. Heubeck bei Heitsch (1966) 566/7, Burkert (1977) 239; Lesky (1971) 103: Eine befriedigende Erklärung für den Titel Kuitpia ist noch nicht gefunden. - S. 212.
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der Deukalionsage in Ovids Metamorphosen (1,163-415 = Nr. 3p. In ihr entschließt sich luppiter zur Vernichtung der aus dem Blute der gewalttä¬ tigen Giganten entstandenen Menschheit’, weil der „schändliche Ruf der Zeit" (1,211) sogar his in den Olymp hinaufgedrungen war und der arkadische König Lykaon (1,218-29) nicht einmal davor zurückschreckte, dem bei ihm in Menschengestalt einkehrenden luppiter Fleisch eines gemordeten Knaben vorzusetzen'“. Die allgemeine Verworfenheit der Menschen, die manche Quellen als alleinige Ursache nennen", mündet hier - nach dem Muster aitiologischer Sagen - in einen besonders grauen¬ haften Frevel'k Dieses Schema, das die Sintflut auf einen Mord folgen läßt, wurde verallgemeinert: Ein Pindarscholion (zu O. 9,78b/c) nennt neben der Untat des Lykaon noch andere mythische Greuel, die auch ein die dardanische mit der deukalionischen Flutsage kombinierendes Lykophronscholion (zu 73 = Nr. 74) erwähnt. In diesen Zusammenhang gehört ferner die Überlieferung, daß Dardanos vor seinem in manchen Quellen durch die Flut begründeten Wegzug von Samothrake seinen Bruder ermordet haben soll'“. Ebenfalls auf einen Mord - die Überliefe¬ rung bietet zwei Möglichkeiten - folgt die große Dürre in Griechenland zur Zeit des Aiakos, für die aber auch eine Sintflut eintreten kann'ü Nach Usener'“ ist die Begründung der Flut durch einen Mord den eigentlichen Sintflutsagen ursprünglich fremd gewesen und das Motiv vom Frevel des Lykaon aus einer aitiologischen Natursage von der Art der Philemon-und-Baucis-Erzählung übernommen worden. Tatsächlich scheint die hesiodeische Fassung (Frg. 163) der Lykaon-Geschichte ein aitiologisches Moment enthalten zu haben: An den Umstand, daß Zeus, nachdem er erkannt hatte, was ihm von Lykaon vorgesetzt worden war, den Tisch (xpccTieC«) umstürzte, erinnere noch der Name der arkadischen
* Vgl. Börner (1969) 94/5. ’ Ov. met 1,156-62. Nach einem babylonischen Mythos sind die Menschen aus dem Blut eines aufrührerischen Gottes entstanden: Enuma Elis 6,14-33: ANET 68, Labat (1970) 59/60, Beyerlin (1975) 110. Vgl. Burkert (1982) 71. Serv.auct.ecl. 6,41 = Nr. 107 (nach der einen der beiden Erzählvarianten), Mythogr. 1,189, Schob Lyc. 481, Schob Pi. 0.9,78b/c. Apollod. 3,99 = Nr. 29 schreibt diese Tat Lykaons Söhnen zu. " Luc. Syr. D. 12 = Nr. 64, Tim. 4, Schob Stat.Theb. 3,560 = Nr. 7; Schob Verg. Bern, ecb 6,41 = Nr. 35. Wohl auch hierher gehört Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6, der die Flut auf den Zorn luppiters zurückführt. Nach Serv. auct. ecb 6,41 = Nr. 107 haßte luppiter die Menschen wegen ihrer Abstammung von den durch ihr wildes Wesen berüchtigten Giganten, vgl. Ov. met. 1,156-62. Übereinstimmung zwischen biblischer und antiker Tradition in bezug auf die Ursache der Sintflut bezeugt Lact. inst. 2,10,9 = Nr. 56. - S. 195. Serv. Aen. 3,167, Mythogr. 1,135. - S. 139. - S. 186. Nonn.D. 6,206-30 = Nr. 109: Ermordung von Dionysos Zagreus-WeltbrandSintflut. (1899) 246-8.
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Stadt TpaneCoug'^; Lykaon selbst aber sei zum Wolf geworden. Gerade dieses letzte Motiv zeigte wie Hesiods Darstellung der Sage allein auf das Ritual der Lykaia’’ ausgerichtet ist und nicht auf die deukalionische Sintfluterzählung: In ihr findet ein Werwolf keinen Platz, denn der fre¬ velnde Lykaon kommt in der Flut um. Dieser negative Befund paßt zu den bei der Quellenanalyse gewonnenen Ergebnissen'*. Auf welche Art und Weise das Lykaonmotiv Eingang in die Deukalionsage gefunden hat, kann nur vermutet werden. Mögliche Ansatzpunkte könnten im Aufkommen einer mit Dardanos verknüpften arkadischen Eluttradition wie auch in der überregionalen Geltung gesehen werden, welche jene Sage zum Teil erlangt hatte'’. Da zudem der Frevel des Lykaon für die Griechen der Inbegriff des Schrecklichen wah", lag es natürlich nahe, ihn mit einer Flutkatastrophe zu verbinden, welche die Tradition offensichtlich nur unbefriedigend zu begründen vermochte. Ferner ruft die Tatsache, daß dem Bild von der großen Flut auf der Ebene des Rituals sehr oft eine Phase der Befleckung als Ausdruck eines kollek¬ tiven Schuldgefühls entspricht, geradezu nach dem Akt der Verschul¬ dung^', der somit eine der Sage erst nachträglich eingefügte, moralischen Kategorien standhaltende Begründung darstellt. In den Götterstreitmy¬ then sind die Entscheide von Inachos und Kekrops als die Flut auslösende Faktoren nur hinsichtlich ihrer Funktion Äquivalente zu den mythischen Greueln der andern Flutsagen,- frei von jeglicher Flybris, die nach Bestra¬ fung verlangt, zeigen sie, wie der Mensch gegenüber den Göttern gewis¬ sermaßen schuldlos schuldig wird“. Die griechische Darstellung der Deukalionsage bei Apollodor, die fast ebenso gut bekannt ist wie die Ovids, läßt nun das Motiv von Schuld und Sühne auffallenderweise in den Flintergrund treten. An derjenigen Stelle (1,47 = Nr. 28), wo auf Deukalion am ausführlichsten eingegangen wird, findet sich nämlich wie schon bei Aischylos (Pr. 231-3 = Nr. 27) bloß die Bemerkung, daß Zeus das Eherne Geschlecht vertilgen wollte,- es ist deswegen wohl kein Zufall, wenn Pindar (Pae. 9,20) Sintflut und Neu¬ schöpfung der Menschen ganz ohne Einbezug ethischer Überlegungen miteinander assoziiert“. Wird allerdings die Abhängigkeit Apollodors “ Daß Hes. Aitien für Namen gegeben hat, zeigt auch Frg. 234 = Nr. 16: Lelegersage; ^ S. 98-100. Vgl. Burkert(1972) 101-4. " - S. 114/5. ” - S. 73-6; 139/40. Vgl. Burkert (1972) 98/9. - S. 219; V. Anm. 106. ” Wenn Apollod. 3,179 = Nr. 138 die Zwölf-Götter das Urteil fällen läßt, ändert sich grundsätzlich nichts: Die Menschen sehen sich auch in dieser Variante ohne jedes Verschul¬ den dem Zorn Poseidons preisgegehen. " Winternitz (1901) 315: „In zahlreichen Sagen wird gar keine bestimmte Ursache angege¬ ben, sondern einfach constatiert, daß eine Überschwemmung hereinbrach." Nach Wester-
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von Hesiod^'* mit berücksichtigt, enthält jene Stelle möglicherweise den¬ noch eine Rechtfertigung für Zeus'Vorgehen. Hesiod (Op. 143-56) schil¬ dert nämlich das in der Flut untergegangene Erzene Geschlecht als ein gewalttätiges, auf das dann die im Vergleich dazu bessere Heroenzeit folgte (Op. 157-9). Obwohl das Motiv, daß gerade das Erzene Geschlecht durch die Sintflut ausgerottet werden soll, auf Arat (1,149/50), dem die Eherne Zeit als die letzte galt, zurückgeführt wurde^h macht gerade die Betrachtung dieses Motivs unter dem Gesichtspunkt der Theodizee die hesiodeische Form des Zeitaltermythos als Vorbild wahrscheinlicher, zumal dessen Kombination mit der Flutsage noch dadurch gestützt wird, daß Deukalion an der Spitze der griechischen Heroenstammbäume stehü^ Erst an einer ganz anderen Stelle sagt Apollodor (3,99 = Nr. 29), nach gewissen Erzählungen sei der Frevel der Lykaon-Söhne die Ursache der Sintflut gewesen - eben jene Tat, welche die von Ovid benutzte Tradition Lykaon selbst zuschreibt. An Ovid läßt auch die Bemerkung (3,98) denken, daß die Söhne Lykaons alle Menschen an Überheblichkeit und Gottlosigkeit übertroffen hätten. Eindeutig an Ovid (met. 1,156-62) lehnt sich zwar diejenige Variante der Deukalionsage an, die sich in der unter Servius' Namen überlieferten Scholienmasse (auct. ecl. 6,41 = Nr. 107) findet, doch sie erinnert zugleich an Apollodors Motiv vom Untergang des Ehernen Geschlechts; Weil die vor der Flut lebenden Menschen von den wegen ihres wilden Wesens den Göttern verhaßten Giganten abstammten, wurden sie durch neue, aus Steinen entstandene ersetzt. Das neue Geschlecht - das jetzige - entsteht nämlich sowohl bei Apollodor (1,48 =Nr. 28) wiebei Ovid (met. 1,411-5 = Nr. 3) aus Steinen, die Deukalion und Pyrrha nach ihrer Rettung auf göttliche Weisung hinter sich werfen. Dieses uneinheitliche Bild muß doch wohl dahingehend gedeutet wermann ([1974] 71) sind die in den Sintflutsagen gegebenen Begründungen oft merkwürdig belanglos. Fehlende Motivierung einer Tat stellt eigentlich ein Charakteristikum von Mär¬ chen dar. Der Gedanke einer unverschuldeten Vernichtung der Menschen durch Zeus war den Griechen auch sonst nicht fremd. Ein Beispiel dafür ist die Begründung des troianischen Krieges bei Hes. Frg. 204,95-100; nach den Kyprien (HO 118 Frg. 1) hat Zeus die Menschen in diesem Krieg aus Mitleid gegenüber der Erde dezimiert; dazu Burkert (1955) 79/80. Im Phaethonmythos, dem griechischen Pendant zu den Welthrandsagen (vgl. Seifert[1954] 242-7), ist die Erde wehrlos dem Spiel eines übermütigen Götterknaben mit dem Sonnenwagen ausgeliefert. Die Chronographen (z.B. Kastor von Rhodos FGrHist 250 F 4 = Nr. 84) synchroni¬ sieren diesen Mythos mit der deukalionischen Flutsage. Bereits Hesiod (Frg. 311 aus Hyg. fab. 152 A 2 = Nr. 13) soll von Phaethon erzählt haben; daß der Weltbrand schon bei Hes. Zeus den Vorwand zur Auslösung der Sintflut geliefert habe, ist allerdings höchst unwahrscheinlich; vgl. Schwartz (1960) 303. Gleiche Reihenfolge der Katastrophen bei Nonn. D. 6,206-383 = Nr. 109; hier ist die Ermordung des Dionysos Zagreus durch die Titanen die Ursache des Welthrandes. ^ Zweiter Teil: 1.6. Anm. 49. - S. 100/1; 131. “ ^ Zweiter Teil: 1.5.d. Anm. 6. “ - S. 85-7; 120/1.
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den, daß die Deukalion-Tradition - was die andern Flutsagen betrifft, läßt uns das zur Verfügung stehende Material im Stich - keine festste¬ hende Begründung für das Eintreten der Sintflut kannte, falls ursprüng¬ lich überhaupt eine solche gegeben wurde und man nicht einfach wie bei Aischylos und Apollodor auf einen unmotiviert erscheinenden Entschluß von Zeus verwies. Die Einbeziehung früherer und roherer Menschenge¬ schlechter ist wohl sekundär und in erster Linie der Notwendigkeit zuzu¬ schreiben, verschiedene Traditionen über den Ursprung der Menschen miteinander in Übereinstimmung zu bringen; daß sich so gleichzeitig noch eine Begründung für die Sintflut konstruieren ließ, konnte derarti¬ gen Kombinationen natürlich nur förderlich sein”. Erst wenn eine die Frage nach der göttlichen Gerechtigkeit überzeugend beantwortende und allgemein akzeptierte Fassung der Deukalionsage fehlte, werden auch die im Altertum nicht abreißenden Auseinandersetzungen mit der Thematik ,Theodizee und Sintflut' verständlich. Die Interpretation der Flut als göttliches Strafgericht mußte nämlich ohne eine theologische Ausdeu¬ tung, die derjenigen der Genesis vergleichbar wäre”, fast zwangsläufig dazu führen, daß nun die Wirkungslosigkeit der göttlichen Intervention zum Problem wurde. So sehen Statius (Theb. 1,222/3)” und Lukian (Tim. 3/4 = Nr. 12) auch nach der großen Flut im Menschen vor ahem das Böse dominieren. Ein derart offensichtlicher Fehlschlag stellt natürlich die Allmacht von Zeus genauso in Frage wie das Überleben des Flutheros, eine Folgerung, die dem Spötter Lukian sehr willkommen sein mußte,solche Überlegungen scheinen aber schon für die Schule Epikurs gesi¬ chert zu sein”. Der zu Beginn dieses Kapitels erwähnte Unterschied zwischen den eigentlichen Sintflutsagen und solchen vom Phhemon-und-Baucis-Typ zeigt sich insbesondere darin, daß es sowohl in den altorientalischen Varianten als auch in den entsprechenden antiken Erzählungen ursprüng¬ lich offenbar nicht einfach naives Wohlverhalten dem die Katastrophe auslösenden Gott gegenüber war, das den Flutheros vor dem Schicksal der andern bewahrt”, wodurch sich die Theodizee-Problematik natürlich nur noch weiter kompliziert. Wenn in der apollodorischen Fassung des Deukalionmythos durch die Ansetzung der Sintflut am Ende des Ehernen Zeitalters wenigstens implizit eine Rücksichtnahme auf Vorstellungen vom gerechten Wirken eines allmächtigen Zeus durchscheint, so fehlt diese völlig bei der Begründung für das Überleben des Flutheros (1,47 = ” S. 141; IV.1. Anm. 29. Zum Motiv der mißglückten Schöpfung: Anm. 44. ” - S. 213/4; 221. ” Vgl. Schol. Stat. Theb. 1,222. Vgl. Lact, ira 13,20/1. Sowohl den Epikureern (Cic. nat. deor. 1,45, Euer. 2,651) als auch den Stoikern (Lact, ira 2,9; 3,1; 5,5,1) ist die Vorstellung eines zürnenden Zeus fremd, vgl. Cic. off. 3,102. Nach der Stoa ist das Wirken der Götter nur segensreich, Sen. ira 2,27,1. ” - S. 101/2; 131/2.
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Nr. 28); Mit Hilfe von Prometheus wird der oberste Gott ganz einfach überlistet. Apollodors Motiv ist alt und läßt sich bis in den Alten Orient zurückverfolgen; im griechischen Bereich findet es sich schon in der von Deukalion handelnden Komödie Epicharms (CGFPap Nr. 85,1-9), und auch im Prometheus des Aischylos (231-6 = Nr. 27) wird darauf ange¬ spielt”. Bei Ovid (met. 1,322/3 = Nr. 3) und ebenso in andern Quellen” ist es dann allerdings sein frommes Wesen, dem Deukalion und mit ihm die gesamte Menschheit das Leben verdanken, denn luppiter soll sich nur deswegen zur Hemmung der Gewalten der Sintflut entschlossen haben, weil ihn das Schicksal von Deukalion und Pyrrha, die frei von jeglicher Schuld waren, rührte (met. 1,324-9 = Nr. 3). Die anschließende Erschaf¬ fung der Menschen gründet zwar (met. 1,379-83 = Nr. 3) im Mitleid, das die Göttin Themis mit den beiden hat, doch ist dies nicht ohne das Einverständnis des Göttervaters denkbar, zumal in manchen lateini¬ schen Quellen luppiter selbst an die Stelle von Themis tritt”. Das Motiv, daß sich ein Gott des Menschen in der Einsamkeit erbarmt und ihm ein Volk verschafft, ist alt und besonders vom mediterranen Wesen her verständlich, das jeglichem Leben außerhalb einer Gemeinschaft abhold ist; schon bei Hesiod (Erg. 205) wird Aiakos auf diese Weise zum König der Myrmidonen. Die Betrachtung eines weiteren Motivs läßt ebenfalls erkennen, daß den meisten antiken Sintflutmythen eine Theodizee nach dem Muster der aitiologischen Sagen abgeht. Es fehlt nämlich sehr oft die typische Beschränkung der Überlebenden auf einen auserwählten Einzelnen, ein Paar oder wenigstens eine einzelne Sippe, ein Punkt, in dem sich die Fluterzählungen der Griechen und Römer auch von den orientalischen Parallelsagen unterscheiden”. Den Berichten, in denen alle Menschen außer Deukalion und Pyrrha umkommen”, stehen diejenigen Zeugnisse entgegen, die noch von weiteren Überlebenden wissen”, die sich auf
” Vgl. Rudhardt (1970) 9 Anm. 27. " Lact. inst. 2,10,10, Luc. Syr.D. 12 = Nr. 64, Mythogr. 1,189, Nigid. Frg. 99 = Nr. 32, Schol. Stat. Theb. 3,560 = Nr. 7. Dardanos Liebling des Zeus; Hom. II. 20,304. Brombios retten seine frommen Werke; Nonn. D. 13,542-4 = Nr. 68. Aiakos der frömmste Mann seiner Zeit; Isoc. 9,14. ” Hyg. fab. 153,2 = Nr. 14, Nigid. Frg. 99 = Nr. 32, Scbol. Verg. Bern. ecl. 6,41 = Nr. 35. “ - S. 225. “ Hyg.fab. 153,1 = Nr. 14;Lact.inst.2,10,23 = Nr.56;Luc.Syr.D. 12 = Nr.64,Salt.39,Tim.3 = Nr. 11/2; Mytbogr. 1,189; Nigid. Frg. 99 = Nr. 32; Nonn. D. 3,211-4 = Nr. 108; Ov. met. 1,318/9; 365 = Nr. 3; Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6; Sen. Tro. 1038-41; Serv. auct. ecl. 6,41 = Nr. 107; Scbol. Hör. carm. 1,2,9 = Nr. 2; Scbol. Stat. Tbeb. 3,560 = Nr. 7; Scbol. Verg. Bern. ecl. 6,41 = Nr. 35. Auf keine bestimmte Flut bezogen das Überleben eines einzigen Paares; Aristid. Or. I 836. Mit Bezug auf Dardanos; Lyc. 75 = Nr. 69. ” Akestodoros FHG II 464 = Nr. 38, Aristokles bei Pblp. zu Nicom. Ar. 1,1 = Nr. 81, Apollod. 1,47 = Nr. 28, D.S. 5,81,3 = Nr. 115, Epbor. FGrHist 70 F 11 = Nr. 52, lust. 2,6,11 = Nr. 33 (über Gros. bist. 1,9,1 davon abhängig Isid. orig. 13,22,4 = Nr. 104), Paus. 10,6,2 = Nr. 22,
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Berge retten konnten”. Augustin (civ. 18,8 = Nr. 88) betont sogar, wobei er sich auf Material aus Varro zu stützen scheint, daß weder die griechi¬ sche noch die lateinische Überlieferung eine Sage von einer Sintflut gekannt habe, in der alle Menschen mit Ausnahme derjenigen in der Arche umgekommen seien”. Nicht nur läßt das Motiv vom Überleben auf den Bergen die Bestrafung der frevelhaften Menschen als Begründung der Sintflut fragwürdig erscheinen, sondern es bewirkt geradezu, daß der Mensch als bloßes Objekt göttlicher Willkür dasteht; seine Rettung hängt völlig davon ab, ob er zufällig einen genügend hohen Berg erreichen kann. Das Gilgames-Epos (11,14)““ sieht in der Sintflut zunächst einen unbe¬ gründeten Akt göttlicher Gewalt; eine Schuld der Menschheit vorauszu¬ setzen scheint hingegen die Rede des Gottes Ea (11,179-85)“', in der er an der Zweckmäßigkeit von Enlils Vorgehen zweifelt: „Seine Sünde leg auf dem Sünder!... Statt daß eine Sintflut du machst, mag ein Löwe aufstehen, die Menschen zu mindern!..." In dem zu Beginn des Kapitels im Zusammenhang mit dem Kyprienfragment 1 (HO 117/8) erwähnten Atrahasis-Epos lassen die Götter die Sintflut erst kommen, als Maßnah¬ men von der Art, wie sie Ea im Gilgames-Epos aufzählt, bei den Men¬ schen keine Wirkung zeigen“^ Auf Grund dieser Entsprechung hegt es natürlich nahe, die Ursache, welche das Atrahasis-Epos für die von den Göttern gesandten Plagen nennt, auch auf das Gilgames-Epos zu übertra¬ gen: das Lärmen der Menschen, das den höchsten Gott Enlil am Schlafen gehindert haben soll, ein Lärm, den jene jedoch nicht böswillig verursa¬ chen, sondern der die Folge ihrer natürlichen Vermehrung ist“L Die Sintflut resultiert somit aus einem für die Menschen unvermeidlichen Konflikt mit der göttlichen Macht““. ,Gerecht' ist nur die Rettung des PL Lg. 677a/b = Nr. 77, Zenon von Rhodos bei D.S. 5,57,3= Nr. 112. Argos: Schob E. Or. 932 = Nr. 133. Arkadien: D.H. 1,61,2 = Nr. 79. Samothrake: D.S. 5,47,5 = Nr. 78. Rhodos: Zenon von Rhodos hei D.S. 5,56,2 = Nr. 112. Ogygische Flut: Afric. hei Eus. PE 10,10,9 = Nr. 94. Aiakos: Schob Pi. N. 5,17 = Nr. 130. Merops: Schob Horn. AB 11, 1,250 = Nr. 129. Apollod. 1,47 = Nr. 28; AristoklesbeiPhlp. zuNicom. Ar. 1,1 = Nr. 81;lust. 2,6,11 = Nr. 33 (und somit auch Oros. hist. 1,9,1 und Isid. orig. 13,22,4 = Nr. 104); Paus. 10,6,2 = Nr. 22; Pb Lg. 677a/h = Nr. 77, Ti. 22d; Sen. nat. 3,27,11; Zenon von Rhodos hei D.S. 5,56,2 = Nr. 112; Schob E. Or. 932 = Nr. 133. Vgl. Theophib Ant. Autob 3,18/9 = Nr. 62 ” Gleiche Tradition bei Filastr. 122 (94) 2 = Nr. 63. Ausgaben^ Zweiter Teil: 1.1 l.b. Anm. 3. " Ungehorsam des Königs kann Sintflut verursachen: Stele von Naram-Sin, Lahat (1970) 312/3.- S. 269. " Seuche: Lambert-Millard (1969) 67, Labat (1970) 30/1. Hungersnot: Lambert-Millard 73, Labat 31-3. Flut: Lambert-Millard 85-7, Labat 34-6. Vgl. ANET 104-6. Zum Verhältnis der beiden Epen zueinander: Simoons-Vermeer (1974) 17; 21; 27/8. " Lambert-Millard (1969) 67; 73. Labat (1970) 30/1. Vgl. Dexinger (1966) 25-7. Moralische Interpretation: Pettinato (1968), vgl. Cagni (1977) 29 Anm. 12; ablehnend Lambert-Millard (1969) VI. Nach Simoons-Vermeer ([1974] 20; 32/3) Motiv der mißglückten Schöpfung. Dieses Motiv im Sumerischen: Kramer (1961) 68-72. Vgl.
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Flutheros; sowohl der sumerische Ziusudra als auch Atrahasis und Utnapistim scheinen wie Noah wegen ihrer Frömmigkeit gerettet worden zu sein, wobei diese aber offenbar nur die von ihnen speziell verehrte Gott¬ heit zu rühren vermag'*^, denn paradoxerweise überleben die altorientali¬ schen Flutheroen gegen den Willen des obersten Gottes, welcher der festen Überzeugung ist, das Menschengeschlecht vollständig vernichtet zu haben''^ Der Ausklang der Sintflutgeschichte im Atrahasis-Epos ent¬ zieht sich ebenfalls moralischen Kriterien: Im Sinne eines Kompromisses wird eine Geburtenbeschränkung eingeführt, wozu unter anderem eine Säuglinge tötende Dämonin beitragen solk’. Die Genesis (1. Mose 6,5-8,22) hebt sich vorerst in zwei Punkten von diesen altorientalischen Varianten der Sintflutsage ab: Da die Problema¬ tik vom Bösen im Menschen“* im Vordergrund steht, ist das Eingreifen der göttlichen Flut,gerecht'. Weiter bildet in der Bibel die Sintflut eine ausgeprägtere Zäsur zwischen zwei verschiedenen Epochen als in den bisher besprochenen Sagenversionen des Orients,- die Zeit nach der Sint¬ flut steht nämlich im Zeichen von etwas Neuem, dem Bund Jahwes mit seinem Volk, der die Möglichkeit der Weiterexistenz des Bösen aus¬ drücklich einräumt, denn Jahwe rechnet damit, daß auch weiterhin Men¬ schen andere Menschen morden werden; die Existenz des Unrechts in der Welt wird damit von Gott anerkannt, nicht aber gerechtfertigt“’. Zweifel an der Allmacht Gottes - wegen der Weiterexistenz des Bösen nach der Sintflut - entpuppen sich also vom jüdisch-christlichen Stand¬ punkt aus betrachtet als ein interpretatorisches Mißverständnis. Nicht die vordergründige moralische Besserung des Menschen steht also im Zentrum des biblischen Sintflutberichts, sondern viel Allgemei-
Phaedr. 4,15/6 (- IV.3. Anm. 36); Weinreich (1931) 43-50. Dasselbe Motiv vervielfacht in der Maya-Mythologie (mehrere mißglückte Schöpfungen); die Holz-Menschen werden durch eine Flut vernichtet: Popol Vuh, Cordan (1962) 35. Frazer (1919) 276; 283/4. Beyerlin (1975) 116 Anm 118: „In den dicht bewohnten und eng zusammengebauten Städten des Alten Orients gab es offensichtlich bereits das Problem des gesundheitsgefährdenden Lärms." Vgl. ferner Heidel (1949) 225/6; 231/2. - Anm. 23. Ohne Rücksicht auf die mitbetroffene Mensch¬ heit setzt Ninurta im Lugal-Epos die Sintflut-Waffe gegen den Dämon Asakku ein: van Dijk (1983) 24/5. Zur Flut im Erra-Mythos: Cagni (1977) 31 Anm. 31, 33 Anm, 36. “ Vgl. Heidel (1949) 228; Ziusudra ist ein besonders pflichtbewußter Priester: ANET 44, Lambert-Millard (1969) 143. Utnapistim leistet den Anweisungen von Ea sofort Folge: Gilgames-Epos 11,32-4; 39. Gleiches gilt für Atrahasis: Lambert-Millard (1969) 67-9; 89-91. Labat (1970) 34/5. Vgl. ANET 105. Noah: AT 1. Mose 6,9. Gilgames-Epos 11,170-3. Atrahasis-Epos: Lambert-Millard (1969) 101, Labat (1970) 36. " Lambert-Millard (1969) 103-5, vgl. Simoons-Vermeer (1974) 20; 33; Burkert (1982) 76 Anm. 33. “* AT 1. Mose 6,1-13; besonders Vers 5. AT 1, Mose 9,1-17; dazu Westermann (1974) 615-43. Der Theologe Helmut Thielicke hat für die nachsintflutliche Weltordnung den Terminus ,noachitische Ordnung' geprägt; die geduldige ,Akkommodation' Gottes an die gefallene Welt kennzeichnet diese Ordnung; vgl. Zahrnt (1966) 244-6.
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neres und Tieferes. Ja, es muß deshalb sogar die Frage gestellt werden, ob sich die biblische Sage überhaupt so scharf von der übrigen orientali¬ schen Tradition trennen läßt, wie es bei der Betrachtung der verschiede¬ nen Begründungen zuerst den Anschein gemacht hat. Denn wie die schließliche Anerkennung der Existenz des Unrechts in der Welt durch Jahwe im Rahmen des,alten' Bundes zeigt, handelt auch die Bibel von der Austragung eines unvermeidlichen Konflikts zwischen Mensch und Gott, den das Atrahasis-Epos mit dem Lärm-Motiv symbolisiert. Dadurch, daß der höchste Gott seine anfängliche Extremposition aufgibt, werden so¬ wohl in den altorientalischen Sagen wie in der Bibel die Gegensätze zwischen Mensch und Gott nicht aufgehoben, sondern institutionalisiert - institutionalisiert wie das Verhältnis von Poseidon zu Athene und Hera in Athen resp. Argos^“. Durch ihren Monotheismus unterscheidet sich die Fluterzählung der Genesis aber doch wesentlich von den orientalischen Parallelsagen, in denen mit den Göttern neben Enlil ein weiterer Faktor ins Spiel kommt, und zwar der für das Überleben des Flutheros entscheidendste; Die orientalischen Flutheroen erhalten nämlich eine Vorwarnung vom Gott Ea, der mit Enlils Beschluß zur Sintflut nicht einiggehßL Sie verdanken ihre Rettung nicht nur wie der biblische Noah moralischen Qualitäten, sondern vor allem ihren besonderen Beziehungen zu einem göttlichen Gönner, ein auch aus der Deukalionsage wohlbekanntes Motiv, das an die sog. Helfer-Märchen erinnert”. Während der griechische Mythos Deukalions Helfer Prometheus im¬ mer als konsequenten Menschenfreund zeichnet, ergibt sich für Ea/Enki, der in den altorientalischen Flutsagen die Funktion des Warners versieht, nicht ein derart eindeutiges Bild”. In einem in babylonischen Kopien erhaltenen sumerischen Mythos von Enki und der Weltordnung, der noch um einiges älter ist als die uns bekannten Fassungen der orientali¬ schen Flutsage”, wird Ea/Enki zunächst einmal als Herr des allgemeinen Wohlstandes, des Gedeihens - er bewässere das Land” und bewirke reichen Fischfang und gute Ernten - und der Weisheit gefeiert. Fragen wirft aber die im vorhergehenden Kapitel erwähnte Stele des Naram-Sin - S. 188-93. Gilgames-Epos 11,19-31, vgl. 170-87; hinterher steht auch Ninurta auf seiten des Flut¬ heros, vgl. 11,102 mit 11,174-88. Atrahasis-Epos: ANET 105, Lambert-Millard (1969) 89, Labat (1970) 34/5, Beyerlin (1975) 116/7. Sumerische Flutsage: ANET 44, Lambert-Millard (1969) 143. Die Sonderstellung von Ea/Enki am ausgeprägtesten im Gilgames-Epos; vgl Simoons-Vermeer (1974) 25; 29. Vgl. ferner Heidel (1949) 228/9. - I. Anm. 37. Im Lugal-Epos ist es merkwürdigerweise gerade Enlil, der sich für die Menschheit einsetzt: van Dijk (1983) 24; 33. In der griechischen Mythologie ist die Erde allen Göttern gemeinsam: Hom. II. 15,193. ” Duchemin (1974) 33-46, Burkert (1982) 69-72. ” Zum Verhältnis Ea/Enki - Enlil vgl. Beyerlin (1975) 96; 104. Vgl. Beyerlin (1975) 104 mit 114, 116 und 118. Labat (1970) 38 Anm. 2.
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auf, die sogar noch vor dem eben herangezogenen Mythos angesetzt werden muß^^ denn hier ist es ausgerechnet Ea/Enki, der die unterirdi¬ schen Wasser ausbrechen läßEE Doch Ea/Enki handelt im Auftrag ande¬ rer Götter, was ihm die Verantwortung für das heraufbeschworene Un¬ heil abnimmt. So ergreift denn Ea die Partei von Naram-Sin und bereut, daß er den Befehlen der andern Götter Folge geleistet hat, obwohl dieser König die Flutkatastrophe, welche über sein Land hereinbrach, durch seinen eigenen Ungehorsam den Götterorakeln gegenüber selbst ver¬ schuldet und deshalb verdient haß*. Das Alte Testament kennt natürlich keine gegeneinander streitenden Götter, und die biblische Sintflutgeschichte setzt voraus, daß Jahwe von sich aus seinen ursprünglichen Plan ändert: Die Einleitung” suggeriert nämlich, Jahwe erwarte, aus den Nachkommen Noahs entstehe ein bes¬ seres Menschengeschlecht”. Damit ist der Mensch einerseits der göttli¬ chen Vertretung seiner Interessen beraubt. Dadurch, daß er allein, von keinen andern Göttern unterstützt, Jahwe gegenüb ersteht, wird seine Stellung andererseits aber auch aufgewertet, denn er ist zum direkten Gegenüber Gottes geworden und deshalb nicht mehr wie in den altorien¬ talischen Flutmythen der Spielball von untereinander uneinigen Göttern*'. Dabei arbeitet die Genesis den Gegensatz zwischen Gott und Mensch ungeheuer scharf heraus: Die Übel, welche die Welt erfüllen, sind das Produkt des bewußten menschlichen Willens”. Aber gerade dieser Wille ist es, den Jahwe im ,alten' Bund als mit dem Wesen des Menschen untrennbar verbunden hinnimmt. Diesem Gott eignet Würde, wenn er sich aus eigenem Antrieb solchen Menschen zuwendet. Eine ganz andere Gottesauffassung hingegen prägt das Gilgames-Epos (11,189/90), in dem Ea Enlil erst nach einer kleineren Auseinanderset¬ zung dazu bewegen kann, Utnapistim zur Versöhnung die Hand zu reichen. Zudem erscheint in den altorientalischen Sagen der die Katastrophe auslösende Gott am Schluß ja nicht als der Übermächtige, sondern der Übertölpelte und Unterlegene. Wenn das entsprechende Motiv, daß auch der griechische Flutheros Deukalion seine Rettung dem Eingreifen einer zweiten göttlichen Macht verdankte, nur mehr an wenigen Stellen nach¬ zuweisen ist, so wird das dem gleichen Bestreben, Zeus als den unange¬ fochtenen obersten Gott darzustellen, zuzuschreiben sein, das bereits die
“ Labat (1970) 309 Anm. 1. ” Labat (1970) 312/3; - S. 203. Labat (1970) 312/3. ” ATI. Mose 7,1-3. Vorstellung der mißglückten Schöpfung? - Anm. 44. “ Zu vergleichen ist die Situation des Menschen in der neueren griechischen Komödie: Men. Aspis 146-8. “ AT 1. Mose 6,5. Westermann (1974) 551/2.
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Ausgestaltung des berühmten Opferaitions in Hesiods Theogonie (535-57) beeinflußt hat: Um nämlich nicht den Eindruck zu erwecken, Zeus sei übervorteilt worden, sagtHesiod (Th. 550/1), die Überlieferung korrigierend, der Göttervater habe für sich wissentlich von den zwei Haufen, die Prometheus aufgeschichtet hatte, denjenigen ausgewählt, der die für den Menschen ungenießbaren Teile des geschlachteten Tieres enthielt“. Die Fluterzählungen sind offenbar, wie nur schon die Einbezie¬ hung des Motivs vom Bösen in der Welt beweist, zunehmend Objekt theologischer Ausdeutung geworden, die dadurch, daß sie den der Tradi¬ tion nach unberechenbar handelnden Mächten eine entwickeltere Got¬ tesvorstellung entgegensetzte, der Sintflut auch den Ruf einer wiUkürlichen Gewalttat der Götter zu nehmen versuchte“. Von dieser Entwick¬ lung unberührt geblieben sind die Götterstreitmythen von Athen und Argos, die den Menschen ja auf eine mit den Sintflutsagen vergleichbare Weise zum unschuldigen Opfer übermächtiger göttlicher Gewalt ma¬ chen und in denen die menschliche Existenz ebenfalls erst nach dem Ausgleich gegensätzlicher Interessen unter den Göttern dauerhaft gesi¬ chert erscheint. Die Flutsagen sollten jedoch nicht voreilig allein auf Grund dieses letzten Motivs als aitiologische Mythen, welche die Jetztzeit begründen“, bezeichnet werden, da dies zu einer Gleichsetzung mit den aitiologischen Natursagen vom Philemon-und-Baucis-Typus verleiten könnte. Es ist nämlich eine gänzlich andere Art, über Göttliches zu denken, die in den Götterstreitmythen und ursprünglich ebenso in den Sintfluterzählungen zum Ausdruck kommt. Die Götter dieser Sagen lassen sich nicht in ein Schuld-Sühne-Schema bannen, und sie kehren nicht bei den Menschen ein“; nahen sie sich ihm dennoch wie in den Überlieferungen aus Athen und Argos, so hat der Mensch von vornherein keine Chance: Wie er sich auch entscheidet - er verletzt eine Gottheit. Keiner moralischen Norm verpflichtet, stehen die Götter weit über den Menschen.
“ - S. 101/2. Vgl. Hom. 11, 16,384—92 = Nr. 128 und das Aufkommen des Schuld-Sühne-Denkens in der Odyssee; einen Überblick über diesen Problemkreis gibt Hoffmann (1956) 162-4. - S. 281. “ Woods (1911) 549/50. Die Sintflut markiert das Ende der mythischen Zeit: SimoonsVermeer (1974) 21, Im Atrahasis-Epos endet die Flutgeschichte mit der Begründung der damals aktuellen sozialen Gesellschaftsstruktur: Lamhert-Millard (1969) 13- 23 “ - S. 195. ' / ■
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III. Das Opfer auf dem Berge Als Heros der bedeutendsten griechischen Flutsage steht Deukalion Pro¬ metheus nicht nur genealogisch nahe', sondern diese Beziehung existiert auch auf der Ebene der Handlungen, die der Mythos mit den zwei Namen verknüpft; ja, es kann sogar von einer typologischen Ähnlichkeit zwi¬ schen den beiden gesprochen werden: Da wir nämlich davon ausgehen dürfen, daß es ursprünglich nicht einfach gottesfürchtiges Verhalten war, das Deukalion verdientermaßen das Üherlehen ermöglichte, sondern in erster Linie der Ratschlag, den ihm sein Vater Prometheus insgeheim gegeben hatte und den Deukalion ohne zu zögern hefolgteb stellt der eine wie der andere eine Figur dar, welche die Interessen der Menschheit gegen diejenigen des obersten Gottes vertritt und auch durchsetzt. Eine Parallelität zwischen Prometheus und Deukalion besteht aber auch noch in einem weiteren Punkt, denn beide sollen ein erstes Opfer dargebracht haben, Prometheus das erste überhaupt und Deukalion das erste nach der Flut. Bei Apollodor (1,48 = Nr. 28) widmet der Flutheros sein Opfer Zeus Phyxios, was wohl auch für ein Scholion zu Apollonios Rhodios (zu 2,1147 = Nr. 34) vorausgesetzt werden kann, während nach Hellanikos (FGrHist 4 F 6 = Nr. 25) das Opfer an die Zwölf-Götter geht. Arrianos (FGrHist 156 F 16 = Nr. 48) nennt Zeus Aphesios, und nach dem Marmor Parium (FGrHist 239 A 4 = Nr. 42) scheint das Opfer Zeus Olympios gegolten zu habenb Der Sage von Hierapolis folgend, erzählt Lukian (Syr. D. 13 = Nr. 64), daß der Flutheros nach dem Ablaufen des Wassers Altäre erstellt und der Derketo einen Tempel geweiht habe. Ohne eine Flutsage zu erwähnen, bezeichnet Apollonios Rhodios (3,1088) Deukalion als ersten Erbauer von Tempeln. Das Motiv, daß ein Kultakt mit dem Schwin¬ den des Wassers verbunden ist, begegnet aber auch in den Sagen von Thessalien, Argos und Samothrake; die gleiche Funktion hat auf Aigina das Gebet des Aiakosh Rudhardü hat das Opfer Deukalions in einem größeren Rahmen be¬ trachtet und herausgearbeitet, wie es auf der Ebene des Mythos mit dem Opfer des Prometheus bei Hesiod (Th. 535-41) korrespondiert. Den hier ' ' = '•
^ Zweiter Teil: I.2.b. Anm. 17. - S. 210/1. - S. 237/8. Das Opfer des Geretteten kennen weniger als ein Prozent aller Sintflutsagen: Westermann
(1974) 541/2, vgl. 607. ' Auch Schol. Verg. Bern. ecl. 6,41 = Nr. 35 gehört hierher: Deukalion und Pyrrha hätten nach der Flut Fackeln entzündet, um nachts ein Licht zu haben; der Schritt vom ersten Feuer zum ersten Opfer ist nicht weit. ‘ - Thessalien: S. 193/4; 246-9. Argos: S. 189/90; 245. Samothrake: S. 140; 245. Aigina: S. 186; 243/4. ' (1970).
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erzählten Betrug des Prometheus^ den dieser an Zeus begeht, sieht er* als Beginn einer sich stetig verschärfenden Konfrontation zwischen der durch Prometheus vertretenen Menschheit und Zeus, die über Feuerraub, Sen¬ dung der Pandora und Fesselung des Prometheus mit der deukalionischen Sintflut ihren Höhepunkt erreicht. Deukalions Opfer ist nach Rudhardt ein Dankopfer dafür, daß Zeus von seinem Grimm abließ und sich den Menschen nicht entzog, wie es zuerst bei der Auslösung der Sintflut den Anschein gemacht hatte’. Von hier aus versteht er'° das antike Opfer überhaupt als einen Akt der Frömmigkeit; in jedem griechi¬ schen Opfer sei die Erinnerung an beides, den Zorn und die Hinwendung des Zeus zu den Menschen, in einem einzigen Ritus zusammengefaßt. Obgleich keine der uns bekannten Quellen das Opfer von Prometheus mit der deukalionischen Sintflut verknüpft, ist es legitim, die von Deukalion und seinem Vater dargebrachten Opfer miteinander in Beziehung zu setzen, denn der Mythos fordert durch die vielen Entsprechungen in der Typisierung der beiden Heroen förmlich dazu auf“. Wenn nicht mit Rudhardt nach der religiösen Aussage dieser Kulthandlungen, sondern nach ihrer erzählerischen Funktion gefragt wird, ergibt sich zunächst für das Opfer Deukalions, daß es den Punkt bezeichnet, wo die Handlung der Sage eine Wendung nimmt, indem sie von der Katastrophe wegführt und auf den Neubeginn menschlicher Kultur zusteuert“; ihrer von Zeus vorgesehenen Vernichtung durch die Sintflut geht entsprechend als Ge¬ genpol das Opfer von Prometheus voran“. Eine durch Opferhandlungen derart gegliederte Erzählung spiegelt nun aber die Struktur von nicht wenigen griechischen Festritualen, weil diese sehr häufig über eine dü¬ stere mit Unglück assoziierte Phase zu einem Neubeginn hinführen, wobei die einzelnen Abschnitte des Festes jeweils auch durch einen Kultakt eingeleitet werden“, so daß es nicht überraschen kann, wenn * ’ Th. ■“ "
(1970) 8/9; 11. (1970) 11; 13/4, Vergleichbar wäre die Befreiung von Prometheus durch Herakles: Hes. 526-31. (1970) 13/4; vgl. 3. - S. 229-32. Zu,Ordnung nach der Sintflut' vgl. Burkert (1972) 121. Flutsagen begründen die Jetztzeit: -* II. Anm, 65; in der stoischen Flutenlehre: Sen. nat. 3,30,7. Das Opfer ist kulturbegründend: Ar. Av. 971 (Opfer an Pandora gleich nach der Gründung der neuen Stadt), Ov. met. 3,26 (Opfer von Kadmos an Zeus nach der Ankunft am Ort des zukünftigen Theben). Usenet ([1899] 79) interpretiert den Namen des delphischen Aigle-Opfers (AB I p. 354 = Nr. 24) dahingehend, daß die Aigle (,Glanz') den Neubeginn des Lebens nach der Flut symbolisiere; Anm. 5. Nahe steht das Aition für den Namen der Insel Delos bei Sol. 11,18 = Nr. 106; das Motiv, daß heller Tag auf das mit der Flut einhergehende Dunkel folgt, ist orientalisch: Gilgames-Epos 11,106; 135 (Ausgaben -- Zweiter Teil: 1.1 l.b. Anm. 3). Atrahasis-Epos: Lambert-Millard (1969) 95, Labat (1970) 36. Sumerische Sage: ANET 44, Lambert-Millard (1969) 145, Beyerlin (1975) 115. Vgl. Böklen (1903) 99/100. Vgl. die Beziehungen zwischen Sintflut und Schöpfung -* S. 203; 237-9. - S. 239.
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man an den athenischen Anthesterien die Wiedergewinnung der Ord¬ nung nach dem düsteren Choentag mit der erneuten Entfaltung mensch¬ lichen Lehens nach der Sintflut verglich*^ Jener Tag der Choen, an dem die Gemeinschaft in lauter Einzeltrinker aufgelöst ist und dessen Ende die Griechen offenbar mit dem Ende der Sintflut assoziierten, stand nach Burkert'^ im übrigen ganz im Zeichen der altererbten Schuldgefühle, die Jagen und Töten im Urmenschen geweckt hatten und mit denen er sich immer wieder von neuem ausein¬ andersetzen mußte, wenn er nicht auf die Gewinnung der lebensnotwen¬ digen Beute verzichten wollte. Obwohl am Tag der Choen nicht der Genuß tierischer Nahrung, sondern mit dem Wein derjenige einer an¬ dern Gabe der Natur Mittelpunkt war, herrschte dennoch eine Stimmung wie beim blutigen Opfer, das ja nichts anderes als einen ritualisierten Tötungsakt darstellt. Der mythischen Vorstellung von der alles Leben zum Stillstand bringenden Sintflut entsprechen in Athen auf der Ebene des Rituals demnach Handlungen, die Schuld und Befleckung signalisie¬ ren. Schuld, die dem Menschen aufgezwungen wird, und Flut verbinden auch die sog. Götterstreitmythen von Argos und Athen; besonders der argivische zeigt deutlich, wie der Mensch durch den Entscheid zugunsten derj enigen Gottheit, der das Land, d. h. die Grundlage j eglicher menschli¬ chen Existenz, geweiht ist, von selbst mit dem Gott des ebenso lebens¬ wichtigen Quellwassers in Konflikt gerät* h Die Vorstellung, daß für den Menschen unumgängliche Verrichtun¬ gen ein Vergehen an der Natur darstellen, das durch die Flut gerächt wird, scheint explizit wenigstens in außereuropäischen Flutsagen belegt zu sein*®; was den Alten Orient betrifft, könnte allenfalls das im AtrahasisEpos erwähnte Motiv vom ,Überhandnehmen der Menschen' ein Bild dafür sein, wie der Mensch sich durch seine bloße Existenz zwangsläufig an der Natur vergeht*^ Vor diesem Hintergrund wäre es an sich verlokkend, die deukalionische Sintflut letztlich als Reaktion auf das Opfer des Prometheus zu verstehen, weil die Menschen hier erstmals dazu angelei¬ tet wurden, tierisches Leben zu vernichten und deswegen fortan Schuld auf sich zu laden. Die Quellenlage stellt sich jedoch leider so dar, daß diese Deutung des prometheischen Opfers reine Spekulation bleiben muß, obwohl die Antike einen Zusammenhang zwischen menschlicher Kultur, mit deren Begründung der Name Prometheus untrennbar verbun¬ den ist, und zunehmender Schuldhaftigkeit des Menschen durchaus sah'“. Das Motiv von der Schlechtigkeit des Menschen, auf das manche S. 111/2; 240/1. (1972)244. - S. 188-93. '* Vgl. Andree (1891) 21-4; 32/3; 58-60. Winternitz (1901) 309 Nr. 34; 37 (vgl. 315). Ev. gehört auch die Sage hei Frazer (1919) 277-9 dazu. 19 n. Anm. 44. Vgl- Ov. met. 1,89-106.
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Sagen die Sintflut im Interesse einer Theodizee zurückführen, hat seinen Ursprung demnach nicht in der moralischen Ausdeutung eines kollekti¬ ven Urschuldgefühls. Wenn die Mythen die Flut auf eine Gewalttat folgen lassen, so ist das ja nicht das erste Opfer, sondern der Frevel des Lykaon oder eine andere mythische GreueltaÜ’, wodurch sich in hezug auf die Struktur der betreffenden Sagenvarianten natürlich nichts ändert, weil die Sintflut auch so von zwei miteinander korrespondierenden Hand¬ lungen eingerahmt wird. Nach der oben erwähnten Interpretation Rudhardts stellt Deukalions Opfer an Zeus als Dank für seine Rettung gewissermaßen die Antwort eines frommen Menschen auf eine göttliche Vorleistung dar. Inwieweit diese Deutung das wiedergibt, was spätere Zeiten mit einer entwickelte¬ ren Religiosität tatsächlich über Deukalions Opfer dachten, bleibe dahin¬ gestellt; der ursprünglichen Struktur der Sintfluterzählungen wird sie wohl nicht gerecht. Durch die viel älteren orientalischen Parallelsagen^^ kann sie jedenfalls nicht gestützt werden, denn in ihnen darf das Opfer gerade nicht als eine Reaktion des Flutheros auf ein göttliches Eingreifen verstanden werden, sondern es ist genau umgekehrt erst die kultische Handlung des Menschen, welche die Götter zum Handeln veranlaßt: Diejenigen Gottheiten, die den obersten Gott von seinem Grimm abbrin¬ gen und zum Einlenken bewegen, haben sich nämlich zuvor als erste am Opfer des Flutheros gelabüh Der ausführliche Text des Gilgames-Epos läßt keinen Zweifel daran, daß Utnapistim sich gegen den Willen des Götterkönigs Enlil hat retten können und daß dieser überhaupt erst nach dem Opfer (11,155) auf den Überlebenden aufmerksam wird (11,170/1). Mit den andern orientalischen Flutmythen verhält es sich gleich, soweit das auf Grund der zum Teil sehr fragmentarischen Überlieferung beur¬ teilt werden kann^h Utnapistims Opfer wirkt wie ein Zaubermittel; Kaum riechen die Göt¬ ter den Duft, als sie auch schon für den Menschen und gegen Enlil Stellung nehmen: Merkwürdigerweise realisieren sie erst jetzt, daß ihnen nach der völligen Vernichtung der Menschheit j a keine Opfergaben mehr dargebracht würden“. Auch bei Ovid (met. 1,246-9) macht den Göttern,
- S. 207/8. ” Vgl. Heidel (1949) 255-7. ” Gilgames-Epos 11,159-69. ” Atrahasis-Epos: Lambert-Millard (1969) 99. Sumerische Sage: ANET44, Lambert-Millard (1969) 145, Beyerlin (1975) 115; vgl. Heidel (1949) 104. " Nach dem Atrahasis-Epos haben die Götter die Menschen erschaffen, um sich von der Arbeit des Deichbaus zu entlasten und damit zugleich nicht mehr selbst um das ,tägliche Brot' besorgt sein zu müssen: Lambert-Millard (1969) 57, Labat (1970) 28-31, vgl. van Dijk (1983) 34; zu diesem Motiv Simoons-Vermeer (1974) 19; 26/7 und Westermann (1974) 608/9. Die Vorstellung, daß die Götter vom Opferduft abhängig sind, ist vor allem aus dem griechischen Bereich bekannt (Horn. II. 1,317; 8,549; Ar. Av. 193; 516-8), während sich die Götter des
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wie sie von luppiters Sintflutplan hören, nichts so hange wie die Aussicht auf leere Altäre. Weiter muß in diesem Zusammenhang auf den hihlischen Sintfluttext hingewiesen werden, der auf zwei ineinandergearheiteten Quellen, der Priesterschrift des sog. Elohisten und der Darstellung des Jahwisten, beruhh^ Gemäß dem im allgemeinen altertümlicheren” Be¬ richt des Jahwisten (1. Mose 8,20-2) bringt Noah nach der Flut ein Opfer dar, dessen Duft das Wohlgefallen Jahwes findet, so daß er sich ent¬ schließt, von nun an das mit dem Bösen verkettete Wesen des Menschen zu akzeptieren”; beim Elohisten (1. Mose 9,1-17) ist dies der Inhalt des ,alten' Bundes, den Jahwe mit den Menschen schließt”. Der Elohist scheint sich jedoch gescheut zu haben, diese Hinwendung Gottes zum Menschen als Wirkung des Opferrauchs zu erklären”, denn ein souverä¬ ner göttlicher Gnadenakt sollte wohl nicht von menschlichem Handeln abhängig sein. Konsequenterweise wird im elohistischen Text auch das Sinken der Wasser und damit die Rettung der Arche dem bewußten Willen Gottes zugeschrieben: Gott hat Mitleid mit Noah und seinen bei ihm weilenden Tieren (1. Mose 8,1/2). Dabei fällt auf, daß von beinahe allen orientali¬ schen und griechisch-römischen Sintfluterzählungen allein in Genesis 8,3-5 das Wasser zuerst zurückgehen muß, bevor der Landeplatz der Arche, das armenische Ararat-Gebirge, sichtbar wird^ *. Mit diesem Motiv wird die biblische Sintflut zu einem Ereignis, das in keinem Moment der Kontrolle durch den obersten Gott entgleitet; im Gilgames-Epos hinge¬ gen kann sich Utnapistim nur deswegen retten, ohne von Enlil bemerkt zu werden, weil er (11,138-41) am offenbar nicht überfluteten Berge Nissir in Kurdistan” landet. In der sumerischen Sage bleibt in diesem Punkt leider manches dunkel; während Ziusudra opfert, ist die Erde j edenfalls noch überschwemmt, vielleicht findet das Opfer sogar auf dem
Orients im allgemeinen direkt von den Opfergaben nähren: Enuma Elis 6,5-8; 33/4; 114-8; 7,29 (ANET 68-70; Labat [1970] 59; 60 inkl. Anm. 2; 62/3; 65). Zur Menschenschöpfung im Interesse der Götter vgl. auch Beyerlin (1975) 102/3: Sumerischer Mythos „Enki und Ninmach". Vgl. ebenso das hethitische Ullikummi-Lied: Labat (1970) 553, dazu Lesky bei Heitsch (1966) 597. “ Vgl. Usenet (1899) 16/7, Westermann (1974) 4; 531-5. ” Vgl. Westermann (1974) 21. Die alten kosmologischen Vorstellungen entsprechende Beschreibung der Sintflut in AT 1. Mose 7,11 ist allerdings dem Elohisten zuzuschreiben; Westermann (1974) 583-5. ^ S. 203. Vgl. Usenet (1899) 19, Westermann (1974) 607-14. ” Vgl. Westermann (1974) 615-43. “ Vgl. Usenet (1899) 23/4. Diese Quelle kennt Opferkult erst vom Sinai an: Westermann (1974)607. Vgl. Westermann (1974) 591-4. Zur Landung am Ararat speziell 594. Zum Motiv ,Lan¬ dung am Berg' allgemein: 594-6. ” Zur Lokalisierung und zur Namensdeutung,Mount of Salvation' vgl. Heidel (1949) 250.
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Boot des Flutheros statt”. Die mit den altorientalischen Üherlieferungen ühereinstimmende Vorstellung, daß der Parnaß, auf den sich Deukalion gerettet haben soll, nicht in den Fluten versank, kennen dann Apollodor (1,48 = Nr. 28) und die lateinische Tradition”. Wenn die in dieser Untersuchung herangezogenen Quellentexte echter Sintfluterzählungen den Rückgang der Flut in der Regel gar nicht begrün¬ den”, so ist das wohl die Folge davon, daß dieses Handlungselement nur innerhalb der Struktur der biblischen Flutgeschichte eine derart zentrale Stellung einnimmt; in den andern Flutsagen stellt es offensichtlich keine für die Rettung des Flutheros notwendige Vorbedingung dar, sondern das Wasser beginnt gerade umgekehrt erst nach dessen selbsterkämpftem Überleben zu sinken. In dieser Reihenfolge sind die Ereignisse jedenfalls im Gilgames-Epos (11,140-54) und bei Apollodor (1,48 = Nr. 28) gestaf¬ felt. Im zuerst genannten Text fehlt wohl auch deshalb eine Begründung für den Rückgang der Flut, weil sie nach Enlils Meinung mit der Vernich¬ tung allen menschlichen Lebens ihren Zweck ja erfüllt hat”. Nicht bloß eine chronologische Ordnung, sondern sogar eine kausale Beziehung zwischen dem gegen den Willen des obersten Gottes überlebenden Flut¬ heros und dem Zurückgehen der Sintflut scheint Ovids (met. 1,318-29 = Nr. 3) Darstellung der Deukalionsage vorauszusetzen, denn es ist doch wohl letztlich das Eingeständnis der eigenen Niederlage, das hinter dem Entschluß luppiters steht, die Erde wieder sichtbar werden zu lassen. Der Hinweis auf die moralischen Qualitäten von Deukalion und Pyrrha ka¬ schiert diesen Sachverhalt nur notdürftig; es bleibt doch eigentlich merk¬ würdig, daß luppiter erst nach der Flut auf das fromme Wesen der beiden aufmerksam wird, zumal ihr Gebet gar nicht ihm gilt. Es ist immer wieder der Mensch, der als Held sowohl in den altorientalischen wie in den antiken Flutsagen die Szene beherrscht, und zwar in einer bedeutend aktiveren Rolle als Noah in der Genesis, was ja auch in der Überlieferung um das Gebet des Aiakos deutlich wird, der mit diesem Kultakt Zeus zu beeinflussen und so die Flut zu hemmen vermag”. Mit Bergen, deren Gipfel von den Wogen einer Sintflut nicht erreicht werden und auf denen die Flutheroen sich sogar Götter gefügig zu ma¬ chen imstande sind - man denke nur an Utnapistims Opfer - oder zumindest zu einer Änderung ihrer ursprünglichen Absichten veranlas¬ sen, muß es natürlich eine ganz besondere Bewandtnis haben”. Zwar ” Heidel (1949) 255.
Zweiter Teil: I.ll.b. Anm, 1.
” - S. 201. Die Griechen glaubten, die höchsten Bergspitzen lägen jenseits aller Witterungs¬ einflüsse: Plu. Mor. 938b, vgl. dazu den Kommentar von Cherniss-Helmbold (1957) 161 - S. 202. “ - II. Anm. 46. ” - S. 186; 257. ’• Der Parnaß als ein bis in den Himmel reichendes,,kosmisches' Massiv: Ov. met. 1,316/7 = Nr. 3. Parnaß 2457m, Nissir ca. 2740m (Heidel [1949] 250).
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fehlen uns für den Landungsort von Utnapistim, das in Kurdistan gele¬ gene Nissir-Gebirge, nähere Angaben, doch was den Parnaß betrifft, begründen die lateinischen Quellen seine Sonderstellung mit der Weihe des Ortes als Sitz des delphischen Orakels”. Parallelen ergeben weiter, daß die Vorstellung von einem auserwählten Platz, der von der Flut verschont bleibt, mit dem Motiv vom sog. Kosmischen Berg zusammen¬ hängt, denn sowohl Israel als auch Palästina soll ihre erhöhte Lage nahe beim Gipfel des Kosmischen Berges vor der Katastrophe der Sintflut bewahrt haben''“. Dieser Kosmische Berg'" oder Urberg ist eine mythische Chiffre für die Verbindung von der Erde zum Fiimmel im Zentrum der Welt; auf seinem Gipfel befindet sich der Sitz des obersten Gottes, und auch der Ausgangspunkt der Urgewässer liegt dorÜL Obwohl im griechi¬ schen Bereich nicht der Parnaß, sondern der Olymp als Götterberg gilt, trifft ein anderes Attribut, das gewöhnlich mit dem Kosmischen Berg verbunden ist, auf ihn zu: Im delphischen FFeiligtum am Fuße des Parnaß wurde nämlich der Omphalos gezeigt, der Nabel der WelÜL Eine Überlie¬ ferung, die sich bis auf Pindar (Frg. 54) zurückverfolgen läßt, weiß zu berichten, wie die beiden Adler, die Zeus vom fernsten Westen und Osten hatte ausfliegen lassen, um den Mittelpunkt der Welt zu bestimmen, sich genau in Delphi trafen''L Was das Nissir-Gebirge betrifft, sollte uns der Umstand, daß sich Utnapistim dort unter die Götter versetzt findeßh davor warnen, bei der Behandlung der Sintfluttraditionen das Motiv ,Kosmischer Berg' nur deswegen auszuschließen, weil dieses Massiv sonst nicht als eigentlicher Götterberg gilÜL ” - S. 79; 201. Kurdistan als Spitze des Kosmischen Berges: Clifford (1972) 10 Anm. 1. " Roscher (1918) 40; 52; Eliade (1951) 257/8; vgl. Meuli (1975) II 1032, Nicht über¬ schwemmt wurde nach der sumerischen Sage die Stadt des Sonnengottes, Sippar: Erra-Mythos 4,50 (Labat [1970] 131, Cagni [1977] 52); vgl. Gilgames-Epos 11,86. Im sumerischen EnmerkarEpos rettet Inanna die Bevölkerung von Aratta vor der Sintflut, weil Dumuzi diese Stadt für sich erwählt hat; Wilcke (1969) 72. Vgl. Eliade (1951) 255-8; Clifford (1972). “ Eliade (1951) 255, Beyerlin (1975) 219 Anm. 33. Während die Israeliten den Wohnsitz Jahwes unter anderem auf dem Horeb (Sinai) lokalisierten (AT 1. Könige 19, vgl. Beyerlin [1975] 217 Anm 28), befand sich für die Christen Golgatha im Mittelpunkt der Welt, denn es war nach ihrer Auffassung der Gipfel des Kosmischen Berges: Eliade (1951) 258. Die phönizische Überlieferung ist wie die israelitische nicht einheitlich. Während zumindest ein Text den Wohnsitz von El nach Afqa bei Byblos verlegt, kannten die Phönizier auch einen Nordherg als Residenz ihres höchsten Gottes: Burkert (1977) 201; 282; vgl. AT Jesaja 14,13. Beyerlin (1975) 220/1 Anm 37. Aus dem Gilgames-Epos (9,2,1-5) ist ebenfalls ein Berg im Norden bekannt, von solcher Größe, daß er von der Unterwelt bis zum Himmelsgewölbe reicht. Wer ihn durchquert, gelangt ins Jenseits - mit der Sintflutüberlieferung verbindet ihn jedoch nichts. S. 170. ” Dazu Roscher (1918) 51-3, Clifford (1972) 135; 183. Danach Paus. 10,16,3, Plu. Mor. 409e. Vgl. Burkert (1972) 144 und (1977) 144. " Gilgames-Epos 11,189. ““ Obgleich sowohl Babylon als auch Ninive selbst als Mittelpunkt der Welt galten, wurden sie anscheinend trotzdem überflutet; vgl. Roscher (1918) 8-12, Labat (1970) 129 Anm. 3.
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Die für die Schlußphase der Sintfluterzählung wesentlichen Hand¬ lungselemente stimmen hei Apollodor (1,47/8 = Nr. 28) und im GilgamesEpos (11,139-58) grundsätzlich miteinander überein, und ihre Abfolge ist in beiden Texten die gleiche: Landung an dem aus der Flut ragenden Berg - Aufhören des Regens (G.-E.: Rückgang der Flut) - Aussteigen Opfer. Sowohl bei Apollodor als auch in der orientalischen Form der Sage bahnt sich das Ende der Flut zwar bereits vor dem Opfer des Flutheros an. Doch der wirkliche Wechsel von Zerstörung zu neuem Leben setzt Utnapistims Opfer, mit dem er sich die Götter gewogen macht, voraus,- ent¬ sprechend folgt in der Deukalionsage die Neuschöpfung der Menschen unmittelbar auf das Opfer. Griechische wie orientalische Variante des Sintflutmythos erreichen ihren Schlußpunkt analog zu einem Festritual also erst mit der vom Außerordentlichen zum Normalen hinführenden kultischen Handlung des Flutheros, nur daß das Gilgames-Epos diese Phase des Geschehens viel detailreicher schildert; auch die sumerische Sage hebt sie außerordentlich stark hervor, denn Ziusudra opfert ja vor dem Sonnengott persönlich"’. Aus der Sicht der Menschen erweisen sich Flutheroen damit in einem doppelten Sinn als Helden; sie verdienen die Unsterblichkeit nicht nur wegen ihrer wunderbaren Rettung aus einer tödlichen Gefahr, sondern vor allem durch den Vollzug des für das Wiedererstehen der Menschheit"* entscheidenden Opfers. Die orientali¬ schen Flutheroen Ziusudra"’ und Utnapistim^“ werden denn auch zu den Göttern entrückß', obwohl sie ja eigentlich deren Macht in Frage gestellt haben”; als Stammvater der Hellenen”, nach gewissen Sagenvarianten sogar der ganzen Menschheit”, wird Deukalion - wie Noah - unsterbli¬ chen Ruhm erlangen. Im Zentrum dieses Geschehens aber steht der Kosmische Berg, der als ein selbst vor der Sintflut Schutz gewährender und damit neues Leben vorbereitender Ort zu einem alles überragenden Symbol der Kontinuität menschlicher Kultur wird”. " ANET 44, Lambert-Millard (1969| 145, Beyerlin (1975) 115. "* Vgl. Westermann (1974) 543/4. Für die Genesis war eine derart anthropozentrische Form des Mythos natürlich unannehmbar; ■* S. 221. " ANET 44, Lambert-Millard (1969) 145, ebenso Xisuthros: Berossos FGrHist 680 F 4,15. Gilgames-Epos 11,193-6. Im Atrahasis-Epos ist die entsprechende Partie verloren; vgl. Lambert-Millard (1969) 136/7, Simoons-Vermeer (1974) 27. Zu den verschiedenen Vorstellungen vgl. Heidel (1949) 257/8, Beyerlin (1975) 111. Eventuelle Zusammenhänge zwischen Philolaos, bei dem der Mond sowohl eine Art selige Insel (VS 44 A 20, dazu Burkert [1972]' 346; iranische Vorstellung? Vgl. van der Waerden [1952] 141) als auch Ursache der Sintflut (VS 44 A 18 = Nr. 120) ist, und dem sumerischen Motiv, daß der Flutheros auf eine ferne Paradiesinsel entrückt wird, bleihen dunkel. Mond als Insel der Seligen auch bei Plu. Mor. 943a-944c; vgl. dazu den Kommentar von Cherniss-Helmbold (1957) 197-211.-> Zweiter Teil: III.1. Anm. 5. ” - S. 210/1; 213-6. ” - S. 85-7; 120/1. - S. 225-8. ” Vgl. Meuli (1975) II 1032.
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IV. Der Flutheros in der Rolle des Prometheus 1. Deukalion als Menschenschöpfer Im vorhergehenden Kapitel hat die Betrachtung der orientalischen Sint¬ flutmythen die bedeutsame Stellung des vom Flutheros vollzogenen Op¬ fers erwiesen. In der Deukalionsage tritt es allerdings etwas zurück zu¬ gunsten eines andern, genauso den Neubeginn bezeichnenden, aber wohl effektvolleren Motivs: der wunderbaren Wiedererschaffung der Mensch¬ heit durch Deukalion. Die zentrale Rolle des Opfers wird insofern auch in diesen Traditionen deutlich, als Deukalion erst nach dessen Vollzug erfährt, wie er sich Menschen schaffen könne'. Nach den orientalischen Mythen hingegen sind es die Nachkommen der andern zusammen mit dem Flutheros Geretteten, welche die Wiederbevölkerung der Erde sichernh ein Motiv, das aber auch die griechische Sage kennt, insofern als die Söhne des Flutheros als Eponyme der einzelnen Volksstämme galten. Dem Lugal-Epos kann allerdings entnommen werden, daß auch dem Orient die Vorstellung einer Neuschöpfung nach der Sintflut nicht grund¬ sätzlich unbekannt warb Bereits Pindar (0.9,45 = Nr. 18) spielt nach Ansicht seiner Scholiasten mit AtSivoc; Yovoc auf die durch Ovid (met. 1,411-3 = Nr. 3) und Apollodor (1,48 = Nr. 28) berühmt gewordene Steinwurfgeschichte anh Daß aus den von Deukalion und Pyrrha rückwärts geworfenen Steinen Menschen entstanden, bezeugt allerdings erst Akusilaos (FGrHist 2 F 35 = Nr. 17) zum erstenmal klarh Aber bereits Hesiod (Frg. 234 = Nr. 16), die älteste Quelle zur Deukalionsage, scheint das Volk Deukalions, den lokalen Stamm der Leleger, als „zusammengelesene Steine" etymologisiert zu habend Eine Volksetymologie, die den Begriff Aaoc mit Aaog/Xaac; (Kiesel-
‘ Apollod. 1,48 = Nr. 28, Ov. met. 1,367-83 = Nr. 3. ^ Sumerische Sage: vgl. Beros. FGrHist 680 F 4. Atrahasis-Epos: Lambert-Millard (1969) 93, Beyerlin (1975) 118. Gilgames-Epos 11,84 (Ausgaben: - Zweiter Teil: I.ll.b. Anm. 3). Noah: ATI. Mose 7,7; 9,1. ^ Van Dijk (1983) 8/9; 24; 31-3. ■' Warum keine geschlechtliche Fortpflanzung? Vgl. Delcourt (1944) 10/1; 61 und Schwartz (1960) 333/4 Anm. 7; ferner Fontenrose (1959) 423. Obwohl Deukalion und die Steinwurfsage nach Lokris gehören (-♦ S. 80-3), führt Marinatos (1972) diese Sage auf die Funde neolithischer Steinidole in Thessalien zurück, die dort besonders zahlreich im Boden liegen, vgl. Knight (1936) 11; 135; Seel (1938) 262. ’ WeiterArnob. nat. 5,5 = Nr. 67;Hyg. fab. 153,2 = Nr. 14; Isid. orig. 13,22,4 = Nr. 104; luv. 1,81-6; Luc. Salt. 39 = Nr. ll;Mythogr. 1,189; Nigid. Frg. 99 = Nr. 32;Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6; Stat. Theb. 8,303-6; Verg. ecl. 6,41/2, georg. 1,60-3; Schob Hör. carm. 1,2,9 = Nr. 2; Schob Stat. Theb. 3,560 = Nr. 7; Schob Verg. Bern. ecl. 6,41, georg. 1,62 = Nr. 35/6. Vgl. Theophib Ant. Autob 3,18 = Nr. 62. ‘ ^ S.98-100.Jacoby (Komm, zu FGrHist 300 Anm. 10) glaubt nicht an eine Volksetymolo¬ gie bei Hes.
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Stein) zusammenbringt, muß allerdings schon für Homer (II. 24,611) vorausgesetzt werden’. Von den lateinischen Schriftstellern sind hier nur Hygin (fab. 153,3 = Nr. 14) und Nigidius Figulus (Frg. 99 = Nr. 32) zu nennen, weil sich diese Etymologie von 2aoi (Leute/Steine) nicht in die lateinische Sprache übertragen ließ. Den Römern dient die Steinwurfsage zur Erklärung des menschlichen Wesens: Die Widerstandsfähigkeit der Menschen rührt von ihrer Entstehung aus Steinen her*. In gleicher Weise wie den Namen der Leleger hat Hesiod auch denjeni¬ gen der Myrmidonen gedeutet: Er (Frg. 205) erzählt nämlich, daß Aiakos, nachdem er dem Knabenalter entwachsen war, einsam, ohne Leute gewe¬ sen sei - Deukalion ähnlich. Da habe Zeus alle Ameisen Aiginas zu Menschen gemacht, zum Volk des Aiakos^ die etymologische Spielerei Muppiöovec - liupiiTixEc; entspricht natürlich derjenigen mit AeAeye? - 2extoF“, und die Legende von der Umwandlung der in der Erde hausenden Ameisen in Menschen ist wie die deukalionische Steinwurfsage nur eine spezielle Ausprägung des Autochthoniegedankens - Pausanias (2,29,2) läßt das Volk des Aiakos nämlich einfach aus der Erde emportauchen'b So werden denn in den lateinischen Texten die Steine direkt als Knochen der Großen Mutter Erde bezeichnet'’. Wie diese Bilder gegeneinander austauschbar sind, zeigt die Tatsache, daß in einem Stück des Komikers Pherekrates (CAF I 178-81 Frg. 113-25) das Volk von Deukalion aus Ameisenmenschen bestanden hat". Als nächste Parallele zur Wurfsage
’ Vgl. Hom. II. 22,126; Od. 19,163. Nicht im Zusammenhang mit einer Flutsage ist diese Etymologie noch belegt bei: Epich. CGF1113 Frg. 122, CaU. Frg. 496, Schob Hom. AB II. 1,126, anonymer Hexameter im Schob Pi. O. 9,70d. Vgl. Kerenyi (1949) 66 Anm. 15. Nahe steht die Sage von der Volkszählung des Kekrops bei Philoch. FGrHist 328 F 95: Das Volk wird gezählt, indem jeder Bürger einen Stein auf einen Haufen wirft; vgl. die Volkszählung des Skythenkö¬ nigs Ariantas bei Hdt. 4,81,5 und den von Xenophons Soldaten errichteten Steinhaufen, nachdem sie das Schwarze Meer erblickt haben: An. 4,7,25. Thompson ([1955-58] A 1200) ordnet das Steinwurfmotiv ein unter der Rubrik ,Creation and ordering of human life'. ‘ Euer. 5,925/6, Verg. georg. 1,60-3, Ov. met. 1,414/5 = Nr. 3. Vgl. Börner (1969) 132. ’ Nach Str. 8,6,16, der vielleicht auf Apollod. zurückggeht (Jacoby, Komm, zu FGrHist 300 Fl), hat das Gebet von Aiakos die Verwandlung bewirkt. - S. 186. ■“ Giern. Ab Protr. 2,39,6 hat die Sage etwas rationalisiert: Zeus zeugt, in eine Ameise verwandelt, Myrmidon, den Eponymos des Volkes. Kulturhistorisch umgedeutet ist die Sage bei Theogenes FGrHist 300 F 1. Ameisenwunder nach einer Pest, die alle Menschen ausgerot¬ tet hat: Hyg. fab. 52 und Ov. met. 7,614-57. " Sumer: Die Menschen entsprossen der Öffnung im Erdboden, die Enlil mit der Urhacke geschlagen hatte: Beyerlin (1975) 101/2. ’’ - S. 78/9. Vgl. Kerenyi (1949) 69. Ov. met. 7,392/3: Die Einwohner von Korinth sollen einst aus vom Regen hervorgetriebenen Pilzen entstanden sein. Schob Hes. Th. 563: Die Menschen entstan¬ den aus den Früchten der Esche, die von den Bäumen zu Boden gefallen waren. Eust. p. 395,30-40 behauptet, daß die Bezeichnung texti^ (Zikade) für die archaische Haarspange der Athener (Th. 1,6,3; vgl. Aristoph. Nu. 984) ein Symbol für die Geburt aus der Erde sei, wohl deshalb, weil nach Arist. HA 550b30-551a8 die Zikaden durch eine generatio aequivoca entstehen; vgl. Guthrie (1957) 114/5; 123/4.
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bietet sich die Erzählung von den Idäischen Daktylen an, die aus rück¬ wärts geworfenem Staub entstanden sein sollen'“, ferner die Spartensage'k Ähnliche Vorstellungen sind aus dem Orient bekannt: Das Atrahasis-Epos kennt die Erschaffung des Menschen aus Erdhäufchen, denen Leben eingehaucht wird'h orientalischer Einfluß ist also auch bei diesem Motiv der Deukalionsage möglich'’. Es muß aber berücksichtigt werden, daß sich ähnliche Denkmodelle unabhängig voneinander an verschiedenen Orten entwickeln können; Winternitz'* erwähnt zwei In¬ dianerstämme, welche die Wiederbevölkerung der Erde nach der großen Flut auf das Werfen von Steinen resp. Fruchtkernen zurückführen'k In einem Vergilscholion (Bern, zu ecl. 6,41 = Nr. 35) schleudern Deukalion und Pyrrha die Steine ins Wasser, was an die Sage von der Insel Thera erinnert, die aus einer ins Meer geworfenen Erdscholle entstanden sein solh®. Somit gilt das eben gewonnene Ergebnis, daß die Wiedererschaf¬ fung des Menschen nach der Flut mit Motiven geschildert wird, die auch in Geschichten von einer ersten Schöpfung Vorkommen, beim Motiv¬ kreis ,Leben aus dem Wasser' ebenfalls. Ein weiteres Beispielpaar; Die Insel Rhodos entsteht, indem sie aus dem Meer auftauchü'. Im Falle von Delos verbildlicht das gleiche Motiv hingegen den Wiederbeginn des Lebens nach der großen Flut”. Diese Vorstellung, daß Land aus dem Meer heraus entsteht, ist im übrigen besonders den orientalischen Schöp¬ fungsmythen geläufig”. Während für das Motiv von der Entstehung menschlichen Lebens aus Stein also zwei Anknüpfungspunkte vorhanden sind - Volksetymologie und bis in den Orient hineinreichende Parallelen -, können in bezug auf den seit Akusilaos bezeugten eigentlichen Akt des Werfens nur Vermu-
Diese Sage läuft unter dem Namen des Stesimbrotos: FGrHist 107 F 12,- Zweifel an der Richtigkeit dieser Quellenangabe bei Jacoby, Komm. z.St. Anspielung bei A.R. 1,1129-31. In Epidauros war ,Staubfüßler' der Spitzname für die gemeine Bevölkerung: Bengtson (1977) 105. '’ Ov. met. 3,105. Das Motiv ging in die lasonsage über: A.R. 3,1278-81; 1320-58. Vgl. Vian (1963) 161; 171. “ Lambert-Millard (1969) 61, Labat (1970) 28-30. liOoiemlnjxoi in der phönizischen Mytho¬ logie: Dietrich (1974) 55, vgl. W. Fauth, KP 1 (1964) 806-8. ” VanDijk (1983) 41-3. >» (1901) 323; vgl. Usener (1899) 245/6. ” Weitere vereinzelte Parallelen bei Woods (1911) 547 (IV.A.v.2.). Es kann natürlich nicht kontrolliert werden, ob diese Traditionen allenfalls klassisch gebildeten Missionaren zu verdanken sind; - S. 14. A.R. 4,1756-64; vgl. Plin. nat. 4,70. Pi. O. 7,54-63. ” Sol. 11,18 = Nr. 106. ” Ägyptische Schöpfungsgeschichte: Als erstes schuf Gott im Urmeer den Urhügel; Beyerlin (1975) 31. Urflutin Sumer: ANET61, Beyerlin (1975) 108; Kramer (1956) 78. Vgl. Hölscher bei Gadamer (1968) 127. Die Indianer kennen das Motiv, daß die Erde aus einem Sandkorn oder einer Erdkrume entstand, die ein Taucher - Mensch oder Tier - aus dem Wasser geholt hatte, sowohl in den Schöpfungs- als auch in den Sintflutmythen; Meuli (1975) II 735.
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tungen geäußert werden. Zunächst wird man wohl an eine rituelle AiGoßoXia denken, wie sie in der Kadmossage hinter der Aussaat der sich in Krieger verwandelnden Drachenzähne stehd“. Hingewiesen sei ferner auf ein Motiv in einer Sage aus dem heutigen Griechenland, nach der Gott, als er die Erde schuf, die Ackerkrume, indem er sie durch ein Sieh schüttete, mal hier und mal dort ausstreute, die zurückgebliehenen Stein¬ brocken aber über seine Schulter nach hinten warf und auf diese Weise Griechenland entstehen ließ“. Man darf sich wohl fragen, ob das, was Deukalion und Pyrrha nach Apollodor und Ovid erst auf göttliches Geheiß tun, letztlich nicht ebenfalls von der bäuerhchen Arbeitspraxis her gedeutet werden sollte, wie sie namentlich die erstmalige Bestellung eines Ackers nach der Flut erfordert: Denn wenn ein kleines Stück Boden aufgehackt und für Aussaat oder Neubepflanzung hergerichtet wird, liegt es doch nahe, die unbrauchbaren Steine, die zusammengelesen werden, einfach nach hinten wegzuwerfen. An denselben alltäglichen Vorgang knüpft auch Hesiods Leleger-Etymologie an, nur daß hier bereits das Zusammenlesen, und nicht erst der Wurf die wunderbare Verwandlung der Steine bewirkt. Die Menschen wären demnach aus etwas Wertlosem entstanden, das man gewöhnlich fortwirft, genau wie Aphrodite aus Uranos' abgeschnittenem Genital, welches Kronos nach hinten ins Meer schleuderte“. Auch in diesem Kapitel ergibt sich eine Entsprechung zwischen Prome¬ theus und Deukalion, denn prometheische Schöpfung und Erneuerung des Menschengeschlechts durch Deukalion korrespondieren eindeutig miteinander“. Prometheus als Menschenbildner ist zwar erst seit Aristophanes (Av. 686) belegt“, aber vielleicht nur darum, weil Hesiod in dieser Sache schweigt; Sagen von der Erschaffung des Menschen hat es jedoch gewiß schon zu Hesiods Zeiten gegeben. Da in der Volksüberlieferung mehrere Motive nebeneinander gestanden haben können, schließt auch eine Stelle aus derTheogonie (563), welche die Entstehung der Menschen aus Eschen voraussetzt“, die gleichzeitige Existenz eines prometheischen Schöpfungsmythos nicht aus. “ Nilsson (1906) 414/5. Zu rituellem Werfen vgl. Halliday (1928) 198, zur Steinwurfsage auch Eitrem (1915) 293/4. “ Zitiert nach Gaitanides (1980) 64. “ Hes. Th. 182. An den Lemuria wirft der pater familias schwarze Bohnen hinter sich; Ov. fast. 436/7. " - S. 237-9. Die indischen Üherlieferungen führten Zimmer ((1972] 22 Anm. 6) zum Schluß, daß der Heros der Flut und der erste Sterbliche im Grunde zwei Erscheinungsformen desselbenuranfänglichen Wesens sind. Vgl. Böklen (1903) 5/6; 101/2; Westermann (1974) 69. “ Weiter PL Prt. 320d, Heraclid. Pont. SA VII 25/6 Erg. 66, Philem. Jun. CAFII 504 Erg. 89, Call. Erg, 192,3; 493,1; dazu L. Eckhart, RE 23 (1957) 696/7. Die Meinung, daß die Tradition von Prometheus als dem Menschenschöpfer alt ist, verficht Wm. A. Oldfather, RE 18,2 (1949) 541; Prometheus ist nämlich der Gott der Töpfer: Eckhart a.a.O. 655. ” Vgl. Schol. Hes. Th. 563. Hes. Op. 145: Das dritte Geschlecht, das Apollod. 1,47 = Nr. 28 in der Sintflut umkommen läßt, ist aus Eschen eittstanden. Andere - vorhesiodeische? -
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2. Flutheroen als Stifter der Zivilisation Auf die Sintflut folgt die Jetztzeit, sowohl in bezug auf die kosmische wie die soziale Ordnung; diesem Denkschema folgen neben dem Mythos auch die in dieser Arbeit nicht systematisch berücksichtigten philosophi¬ schen Modelle, welche die Urgeschichte menschlicher Kultur und Zivili¬ sation rekonstruieren*. Ihre mythischen Gegenstücke übertragen dabei dem Flutheros die wichtige Funktion des Kulturbringers; besonders aus¬ gebaut präsentiert sich der Motivkomplex ,Kulturbeginn' in der Deukalionsage. Plutarch (Mor. 1125d) giltDeukalion - wohl wegen seines ersten Opfers nach der Flut - als ein Religionsstifter Griechenlands^ doch schon bei Pindar (O. 9,43/4 = Nr. 18) wird Deukalion, indem er das erste Haus baut, auch zum Begründer der materiellen Kultur. Die für die Antike typische Verbindung von Kult und geregelter menschlicher Ge¬ meinschaft zeigt sich in zwei Versen des Apollonios Rhodios (3,1088/9): Deukalion ist der Gründer von Städten, Tempeln und zugleich der erste König*. Auch in bezug auf diesen Motivkomplex erscheint Deukalion als ein zweiter Prometheus, denn nach einer auf Nigidius Figulus (Frg. 99 = Nr. 32) zurückgeführten Notiz des Grammatikers Dositheus hat der Wassermann - und das ist nach Nigidius Deukalion - alle technischen Fertigkeiten gekannt und den Menschen beigebracht. Weiter soll Deuka¬ lion in Athen das Feuer im Tempel der Athene Polias geweiht haben/ Feuer ist für die antike Gesellschaft in doppelter Hinsicht wichtig, kann doch weder beim Opfer noch im praktischen Leben darauf verzichtet werden. Infolgedessen haben die antiken Mediziner den eigentlichen Beginn der menschlichen Kultur geradezu mit der Erfindung des Ko-
Traditionen weisen auf einen Ursprung des Menschengeschlechts hei den Titanen hin: Hes, Op. 108, h.Ap. 336. Möglicherweise geht Et. Gud. 249,1 - die Menschen stammen von Pandora und Epimetheus ah - auf Hesiod zurück, denn nach der Theogonie (513/4) bilden diese beiden das erste Paar; vgl. Oldfather, RE 13 (1926) 1176/7. Eust. p. 23,43 nennt Pandora eineTochter von Pyrrha und Deukalion, ebenso Rufin. Clement. 10,21. Er berichtet dazu, daß zusammen mit Pyrrha auch Pandora Steine geworfen habe, eben die Pandora, welche Hes. Th. 590/1 als die Ttpwxri yuvti bezeichne. Tümpel ([1905] 263; 267) identifiziert sie mit derjenigen Pandora, die Hesiod (Frg. 5) als Mutter des Graikos kennt; zu diesem Frg. ^ S. 94. Zwei Flutsagen aus später Zeit beteiligen Prometheus an der Wiedererschaffung des Menschengeschlechts durch Deu¬ kalion: Mythogr. 1,189, FGrHist 800 F 3 = Nr. 66. ■ Burkert (1972) 121, vanDijk (1983) 31; vgl. Gatz (1967) 74. - S. 135; 142-6; 11, Anm. 65; 111, Anm. 12. ' Vgl. Rudhardt (1970) 12 Anm 43. Plu. beschränkt Deukalions Einfluß auf die Hellenen; bei den Lakedämoniern tritt Lykurg an seine Stelle: Berücksichtigung einer nicht an die Deukalionsage angeschlossenen Lokaltradition. S. 75. ’ Die Zusammengehörigkeit all dieser Motive heim König zeigt sich auch im babylonischen Neujahrsritual: Cornford (1952) 233. ^ Lyd. Mens, p, 179/80; Zusammenhang mit dem Prometheusaltar in der Akademie? Vgl. Apollodoros von Athen FGrHist 244 F 147.
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chens gleichgesetzt^ Wohl nicht von ungefähr bezieht sich das Aition für das Chytrenritual; mit dem die Athener die Rückkehr zur Normalität des Alltags feierten, auf das erste Kochen nach der Flut\ Mit diesem Motiv ließ sich aber offenbar auch trefflich spielen, denn in der schon mehrfach angeführten Epicharmkomödie (CGFPap Nr. 85,241-53), die von Deukalion und Pyrrha handelte’, scheinen die komischen Effekte nicht zuletzt in den umständlichen Vorbereitungen für eine erste warme Mahlzeit gelegen zu haben. Kaum ausgebaut ist dieser Motivkreis hingegen bei Dardanos. Nach einem Statiusscholion (zu Theb. 4,589) soll zwar er es gewesen sein, der als erster Zeus opferte; doch es handelt sich dabei vielleicht einfach um die Ausdeutung jener Iliasstelle (20,304), wo Dardanos als Liebling von Zeus bezeichnet wird. Kulturheros ist Dardanos natürlich insofern, als er die samothrakischen Meter-Mysterien in der Troas eingeführt hat*. Was Aiakos betrifft, schreibt schon Flesiod (Frg. 205) dessen Volk mit der Erfindung des Schiffsbaus eine zivilisatorische Leistung zu. Nach der Sage ist Aiakos ferner einer der gerechten Richter in der Unterwelt’, ein weiteres zu einem Kulturheros passendes Motiv, denn ohne Rechtspre¬ chung kann menschliche Zivilisation nicht bestehen. Ob sich diese Infor¬ mationen aber tatsächlich auf die Zeit nach der Flut resp. Dürre beziehen, muß offenbleiben wie auch die Frage, ob Klemens (Protr. 3,44,1) mit einem Merops, den er hinsichtlich der Errichtung von Tempeln und Altären sowie der Einführung von Opfern Phoroneus gleichstellt, wirk¬ lich denjenigen Merops meint, den ein Homerscholion (AB zu II. 1,250 = Nr. 129) mit einer Flutgeschichte verbindet'“. Weil sich Menschen auf die Dauer nur in der Gruppe, die eines Anfüh¬ rers bedarf, behaupten können, vereinigt der Flutheros diej enigen, die das Unheil überlebt haben, als Urkönig zu einem Volk". Bereits die von ’ Guthrie (1957) 97; vgl. Gatz (1967) 149. In der Zeit vor Deukalion sind die Arkader noch Eichelesser: A.R. 4,264/5; vgl. aber Paus. 8,1,4-6. Das von Plu. Mor. 303a/b = Nr. 132 für die argivischen Birnenwerfer angeführte Aition (vgl. Burkert [1972] 189 Anm. 1) macht deshalb einen sekundären Eindruck: Das Hinabsteigen in die Ebene als Zeichen des Kulturbeginns ist nicht mit dem Motiv der,primitiven' ungekochten Birnennahrung zu vereinbaren. Die Motiv¬ abfolge Flut - Vegetarismus - Kultur findet sich in den Kulturentstehungslehren der Philoso¬ phen (- IV.3. Anm. 21): Vgl. Plb. 6,5 mit Gatz (1967) 146/7; Guthrie (1957) 66. Eichelnahrung nach der Flut: Plu. Frg. 157,7 = Nr. 140, obwohl eigenüich charakteristisch für das Goldene Zeitalter, vgl. Gatz (1967) 165-71; 230. - Zweiter Teil: III.5.f. Anm. 21. ‘ - S. 111; 240/1. ' - S. 93/4. ' D.S. 5,49,2; vgl. Hemberg (1950) 125. ’ PL Ap. 41a, Grg. 523e-527a. - S. 187. " Besonders deutlich Isid. orig. 13,22,4 = Nr. 104 (nach Gros. hist. 1,9,1/2). Vgl, Kadmos (D.S. 19,53,4) und Saon (D.S. 5,48,1 = Nr, 78). Dazu allgemein Dihle (1946). Nach einer weitverbreiteten Vorstellung hängt das Wohlergehen einer Gemeinschaft direkt vom König ab: Gladigow (1977) 5; S. 269.
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Hesiod (Frg. 234 = Nr. 16) überlieferte Leleger-Etymologie baut auf dieser Vorstellung auf; Deukalions Volk besteht aus einer Schar zusammenge¬ lesener = vereinigter Steine'b Entsprechungen finden sich in den Überlie¬ ferungen von Inachos und Merops'k In manchen Texten wird zudem erzählt, wie nach der Konstituierung der Gemeinschaft auf den Bergen der König mit seinem Volk ins Tal hinab steigt'h Diese Motive sind aber nicht auf die Sintflutsagen beschränkt, denn der argivische Urmensch Phoroneus, der mit Inachos um die Ehre streitet, erster König von Argos gewesen zu sein'b soll ebenfalls - berichtet Pausanias (2,15,5) - die Menschen, die bisher vereinzelt und für sich gewohnt hätten, zur ersten Gemeinschaft zusammengeführt haben'b- und der Platz, wo sie zuerst zusammengekommen waren, wurde Stadt des Phoroneus genannt'’. In den der Phoronis'* zugewiesenen Fragmenten zeigt sich im übrigen er¬ neut, wie für den antiken Menschen Zivilisation nicht vom Kult zu trennen ist: Dieses Epos hat nämlich sowohl von der Erfindung der Schmiedekunst'^ als auch von der Begründung des Herakultes durch Phoroneus’“ gehandelt. Weiter gilt dieser Heros wegen der Erfindung des
- S. 98-100. Inachos: Schol. E. Or. 932 = Nr. 133. Merops: Schol. Hom. AB II. 1,250 = Nr. 129. '' Inachos: Plu. Mor. 303a/b = Nr. 132, Schol. E. Or. 932 = Nr. 133; Inachos als Stadtgründer bei Joh. Ant. FHG IV 544 Frg. 6,14. Zu Deukalion vgl. Oros. hist. l,9,l/2 (Isid. orig. 13,22,4 = Nr. 104). Dardanos: PL Lg. 677a-702a = Nr. 77. Thessalien: Baton von Sinope FGrHist268 F 5 = Nr. 142. Inachos ältester König von Argos: Kastor von Rhodos FGrHist 250 F 3 p. 1137, Paus. 2,15,4, Schol. E. Or. 932 = Nr. 133; vgl. Hör. carm. 2,3,21; 3,19,1. Phoroneus ältester König: Hyg. fab. 143,1, Plin. nat. 7,193, Schol. Stat. Theb. 4,589. Bei Acus. FGrHist 2 F 23 (aus der Phoronis EGF 210 Frg. 1) ist Phoroneus eindeutig der Urmensch; das schließt einen König zuvor für Acus. aus. Jacoby (Komm, zu FGrHist 2 F 23) glaubt, daß bei Acus. Inachos als Vater von Phoroneus noch ein Fluß(gott) gewesen sei; vgl. Paus. 2,15,5. - S. 159. “ Die Argiver werden nach Phoroneus ^optovfjeg (Theoc. 25,200) und «Lopwvetöai (St. Byz. s.v. ’Apyoc) genannt. Phoroneus-Kult in Argos: Paus. 2,20,3. Grab von Phoroneus Frau in Argos: Paus. 2,21,1. Das Motiv von der Landverteilung unter Phoroneus' drei Söhne (Hellanic. FGrHist 4 F 36) analog zur Deukalionsage; vgl. D.S. 5,61,1 = Nr. 114; dieses Motiv auf Rhodos: D.S. 5,57,8 = Nr. 112; zu Samothrake D.S. 5,48,1 = Nr. 78. ‘ ’ Daß die erste Stadt, nach ihrem Gründer und ersten König Aigialeus Aigialeia benannt, in der Ebene lag, sagen nach Paus. 9,5,6 die Sikyonier. Auch der Urkönig Pelasgos (Paus. 8,l,5/6) ist nach Asios (EGF 205 Frg. 8) auf einem Berg aus der Erde emporgetaucht. Zusammenhang mit der pavrip öpeia (E. Hel. 1301/2)? Vgl. Hemberg (1950) 91. V. Anm. 80. “ Zur Datierung in die Wende des 7./6. Jh. vgl. F. Stoessl, RE 20 (1941) 646. EGF 211 Frg. 2, lokalisiert ev oupetinoi vanaiQ. EGF 211 Frg. 4. Phoroneus als Begründer des Herakultes auch bei Hyg. fab. 143,3. Hyg. fab. 274,8: Phoroneus stellt als erster Waffen für luno her und wird deswegen König; Bedeu¬ tung: Er'weihte die von den Daktylen geschmiedeten Waffen der lunO; vgl. Knaack (1881) 586. Giern. Al. Protr. 3,44,1, Hyg. fab. 225,2, Mythogr. 2,8, Schol. Stat. Theb. 1,252;4,589: Phoroneus hat als erster Tempel gebaut und Kulte eingeführt; Gottheiten sind keine genannt. Nach Eitrem ([1915] 145) wird Phoroneus durch die Stiftung des Herakultes auch zum Begründer der Ehe.
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Feuers^' als argivischer Prometheus, und die Einsetzung des ersten Ge¬ richts wird ebenfalls ihm zugeschrieben^h Den einstigen Reichtum Grie¬ chenlands an Traditionen, die mit der von Phoroneus vergleichbar sind, läßt der Katalog von lokalen Urmenschen bei FPippolytos (Fiaer. 5,7,3/4 = PMG 985) erahnen^h doch leider sind uns die hinter den einzelnen Namen stehenden Lokalsagen in der Regel nicht erhalten. Wenn von Phoroneus etwas mehr als nur der Name bekannt geblieben ist, verdan¬ ken wir dies dem glücklichen Umstand, daß die Sage in der Phoronis ihre dichterische Ausgestaltung erfahren und durch den argivischen FFistoriker Akusilaos auch in die Ffistoriographie Eingang gefunden haü“.
3. Sintflut und Kulturbegründung Obwohl die Phoronis in bezug auf den Motivkomplex ,Kulturbeginn' gar manches Motiv mit den Fluterzählungen gemeinsam hat, folgt sie doch über das Fehlen des Flutmotivs hinaus als eigener Typ einer Kulturentste¬ hungssage einem ganz andern Schema, was den vor dem Auftreten des Kulturheros liegenden Zeitraum betrifft. Nach Fiygin (fab. 143) gab es in der Zeit vor Phoroneus weder Städte noch Gesetze, und die Menschen sprachen alle dieselbe Sprache’,• das sind Motive, die in den Beschreibun¬ gen des Goldenen Zeitalters wiederkehrenL Ein Leben bar jeder mensch¬ lichen Kultur kann aber nicht nur unter dem Aspekt der Glückseligkeit betrachtet werden: Es darf - vom Standpunkt des zivilisierten Menschen aus - auch als barbarisch bezeichnet werden. Guthrie^ hat darauf hinge¬ wiesen, wie diese beiden Aspekte in Homers Schilderung der Zyklopen-
Paus. 2,19,5; Eitrem (1915) 144/5; keine Übertragung aus der Prometheussage: Stoessl, RE 20 (1941) 648. Schob S. El. 4 gibt in bezug auf den Feuerbesitz den Argivem den Vorrang, allerdings ohne Namen zu nennen. Paus. 8,15,9: Für die lemäischen Mysterien holen die Argiver sich Feuer aus dem Heiligtum der Artemis Pyronia in Arkadien. Hermes als Erfinder des Feuers: h.Merc. 108. - Zweiter Teil: III.3. Anm. 3. POxy. 10,1241 col. 4,4/5. Aug. civ. 18,3: Gesetze und Gerichte von Phoroneus. " Gut faßbar ist noch der Kulturheros von Athen: Kekrops; vgl. O. Immisch, RML 2 (1890-97) 1017/8, Jacoby, Komm, zu FGrHist 328 F 93-8. Nach Joh. Ant. FHGIV 547 Frg. 13,5, der ihn in die ogygische Flutsage mit einbezieht, führte Kekrops nach der Flut in Athen die Ehe ein; vgl. lust. 2,6,7 = Nr. 33. “ - S. 154. ' Geht diese Fabel auf die Phoronis zurück? Das Auftreten von Hermes, der in Hgy. fab. 143,2 das Ende der paradiesischen Zeit bringt, ist für die Phoronis bezeugt: EGF 211/2 Frg. 5. Für Zusammenhang mit der Phoronis Kakridis (1975). ' Vgl. Gatz (1967) 39; 231(6.c/d); in Flutsagen selten: Winternitz (1901) 324, vgl. Frazer (1919) 282. Die einfache Unterscheidung zwischen Gegenwart und Goldenem Zeitalter, die sich von der hesiodeischen Weltalterlehre unterscheidet, war in Athen bereits im letzten Viertel des 6. Jh. v. Chr. sprichwörtlich: Arist. Ath. 16,7. ’ (1957)80-2.
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insei ineinander übergehen. Die Zyklopen wohnen ohne Gesetze, ohne politische Organisation verstreut in den Bergen, und ihre Nahrung wächst wild auf der Insel,- sie brauchen keinen Pflug: ein Topos in den Erzählun¬ gen vom Goldenen Zeitalter. Die Odyssee zeigt aber mit aller Deutlich¬ keit, daß dieser Zustand nicht nur friedlich ist, sondern zum Grausam¬ sten, zum Kannibalismus Umschlägen kann. So hat anscheinend auch die Phoronis nach einem Inhaltsreferat von Tatian (Or. ad Graec. 39 [60a] = EGF 210) trotz der oben erwähnten paradiesischen Motive das Leben vor der Begründung der menschlichen Gemeinschaft als tierhaft bezeichnet. Indem das zuletzt genannte Zeugnis - wie übrigens auch die Fabel des Hygin - Menschen schon für die Zeit vor Phoroneus voraussetzt, scheint es zunächst Akusilaos (FGrFFist 2 F 23a) zu widersprechen, der Phoro¬ neus als ersten Menschen bezeichnet, und auch einem aus der Phoronis (EGF 210 Frg. 1) erhaltenen Fragment, das ihn zum Stammvater der sterblichen Menschen macht. In bezug auf den arkadischen Urkönig Pelasgos fragte sich offenbar bereits Pausanias (8,1,4), was für Menschen denn überhaupt seine Untertanen sein konnten, wenn es vor ihm doch gar keine gegeben haben soll. Doch dieser Widerspruch ist nur ein schein¬ barer; denn wenn es bei Tatian heißt, unter Phoroneus hätten die Men¬ schen ihr tierhaftes und unstetes Leben aufgegeben, so bedeutet dies nichts anderes, als daß es in der Zeit zuvor Menschen gewissermaßen nur der physischen Existenz nach gegeben hat, daß all das, was den Men¬ schen wirklich zum Menschen macht, ihnen noch fehlte: Das wahre Mensch-Sein beginnt erst nach dem Auftreten des Kulturheros. Dem Kulturbeginn weichen mußten die Teichinen. Es ist zwar einzig eine späte Quelle^ die von einer Vertreibung der seltsamen Wesen durch Phoroneus weiß, doch läßt sich diese Tradition wegen einer Parallelsage aus Athen nicht einfach als späte Phantasterei abtun: Schon Stesichoros (PMG 132 Frg. 88) hat die Teichinen den Keren gleichgestellt, die vom Urkönig Kekrops in einem mythischen Krieg besiegt wurdenL Die Tei¬ chinen, die ursprünglich eine Art Meeresdämonen gewesen zu sein schei¬ nen’, galten den Griechen als Verfertiger des Dreizacks für Poseidon* * und der von Kronos zur Kastration seines Vaters verwendeten FFarpeL Sie entsprechen somit den Idäischen Daktylen'“, jenen Kobolden aus dem
“ Das in diesem Inhaltsreferat benutzte Adjektiv 0t|pi65t|(; kann aber aus metrischen Grün¬ den nicht in der Phoronis gestanden haben. Primitives Leben vor Pelasgos: Paus. 8,1,5/6. Gleiche Vorstellung im Orient: Contenau (1941) 42. ’ Bus. Chron. II p. 16o. * Zum Urkrieg Vian (1968), Burkert (1972) 65/6. - S. 241. ’ Zu den Teichinen allgemein: H. v. Geisau, KP 5 (1975) 563/4. * Call. Del. 31. ’ Str. 14,2,7. Kerenyi (1951) 87/8; 180/1.
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Gefolge der Großen Göttin“, welche die Phoronis (EGF 211 Frg. 2) als Erfinder der Schmiedekunst kennt“. Wir stehen also vor dem Paradox, daß diese für die menschliche Zivilisation so entscheidende Erfindung ausgerechnet Wesen gleicher Art zugeschriehen wird, wie sie Phoroneus vertrieben haben soll; zudem stellt sich die Frage, wie die Entdeckung des Feuers durch Phoroneus damit verknüpft ist. Natürlich läßt sich eine solche Frage nicht mit Sicherheit beantworten, doch möglicherweise ist die das Feuer betreffende argivische Tradition nicht so zu verstehen, wie wenn Phoroneus das Feuer an sich entdeckt hätte, sondern daß er es für die Menschen beschafft und nutzbar gemacht hat, während es die Ur¬ schmiede der griechischen Mythologie - die Göttergeneration der Olym¬ pier an Alter sogar noch übertreffend - schon längst besaßen“. Die Zeit vor Phoroneus, die je nach Standpunkt als eine überaus glück¬ liche oder auch als eine solche der Barbarei bezeichnet werden kann, bevölkern ihr gemäße Wesen; denn was den Charakter der Teichinen anbelangt, entzieht er sich ebenfalls einer eindeutigen Beurteilung, und die Überlieferung schwankt zwischen kunstfertigen Handwerkern, die ihr Wissen in der Regel aber eifersüchtig für sich behalten, und bösarti¬ gen Schadedämonen. Einem ähnlich ambivalenten Urteil sind - dies eine frappante Parallele aus einem andern Kulturkreis - die sog. Fänggen, die einst auf den Alpen Graubündens hausenden Kobolde, unterworfen. Sie helfen zwar manchmal den Sennen, aber nur durch die Tat; ihr überle¬ genes Wissen um elementare Arbeitstechniken teilen sie ebenfalls mit niemandem“. Ihr unheimlicher Charakter zeigt sich darin, daß sie christ¬ liches Glockengeläute nicht ausstehen können, daß sie wie die Teichinen in einem Kampf überwunden werden müssen, bevor menschliche Kultur möglich wird, bevor - so die entsprechende Sage - die Dorfbewohner ihre erste Glocke in den Kirchturm hängen können“; inzwischen haben sie aber gelernt, auch ohne diese Kobolde auszukommen, denn längst hat der Mensch ihnen durch List ihre Geheimnisse entrissen, darunter für die Alpbevölkerung so lebenswichtige wie die Technik des Käsens“. Es wäre verlockend anzunehmen, auch Phoroneus sei über wundersame Wesen einer Vorzeit - Daktylen/Telchinen - in den Besitz von Feuer und Schmie¬ dehandwerk gelangt, ob durch List oder nicht, bleibe dahingestellt; nach " H. V. Geisau, KP 1 (1964) 1363. Der Name von Akmon, eines der Idäischen Daktylen, ist als ,Amboß' zu deuten: H. v. Geisau, KP 1 (1964) 218. Vgl. Skamon FGrHist476 F 6, Str. 10,4,22. ” Die Erfindung der Schmiedekunst erfolgt auf gebirgigen Anhöhen, also gerade an einem Ort, den die Kulturentstehungssagen mit primitivem Leben assoziieren,- auch dieses Motiv weist in die Zeit vor Phoroneus. - S. 231/2; IV.2. Anm. 19/20. Anders PR 1279: Daktylen sind von Phoroneus abhängig. '' Jecklin (1874) 21/2, (1878) 64-6. Jecklin (1878) 67/8. “ Ebenso emanzipiert sich der ägäische Mensch von Dämonen und Göttern durch den Besitz des Feuers und die Kenntnis des Schmiedehandwerks.
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Pausanias [1,19,5] läßt sich dies nicht entscheiden. Wenn aber tatsächlich Organisation von Kult und Beherrschung des Feuers und der Schmiede¬ kunst Phoroneus zum Urkönig wie zum Kulturheros machen, könnten diese Motive mythische Spiegelung eines Schmiedekönigtums sein, wie es aus späthethitischer Tradition bekannt ist”. Wesen und Gestalten aus der Vorzeit, von denen der Mythos berichtet, sie seien einst vertrieben worden, pflegen im Volksglauben periodisch wiederzukehren, denn der Ursieg hat sie nicht vollständig vernichtet, nur verdrängt - aus der Polis und den kultivierbaren Landstrichen in die unwegsame Natur. Dieser Vorstellung entspricht oft ein rituelles Mas¬ kentreiben an bestimmten Tagen in der Stadt, hinter dem die Landbevöl¬ kerung stehen kann”. Ist es jedoch eine Sintflut, der das Urvolk weichen mußte, so fehlen derartige Rituale”. Nur in Athen werden an den Choen, deren Ende als Überwindung der Sintflut verstanden wird, durch den Einzug fremder Wesen in die Stadt ,vorsintflutliche' Zustände im Sinne von Rhodos rituell auch wirklich durchgespielt. Für die Athener steht der Ursieg über die Karer/Keren offensichtlich gleichberechtigt neben dem Neubeginn nach der großen Flut - zwei voneinander unabhängige Bilder zu ein und demselben Ritualkomplex; das Topfgericht wurde mit der Sintflut und die Vertreibung der als Karer/Keren bezeichneten Maskier¬ ten mit dem Urkrieg erklärt. Als echte Ausnahme kann Athen aber nicht gelten, weil es sich hier anscheinend nur um eine sekundäre Verbindung von erst spät übernommenen Sintfluttraditionen mit älterem Brauchtum handelt“. Dieser Befund ist durch die Struktur der betreffenden Rituale bedingt. Wenn die Masken, welche die Vertriebenen symbolisieren, in den Stra¬ ßen auftauchen, wird im Spiel eine Antithese zur normalen Ordnung des Alltags durchlebt, und deshalb entsprechen auf der Ebene des Mythos derartigen Ritualkomplexen am besten Erzählungen, die wie die ver¬ schiedenen Urkriegssagen ebenfalls einen klaren zweigliedrigen Aufbau zeigen. Die Sintflutmythen eignen sich dafür weniger, denn in diesem Sagentyp spiegelt nicht der vor der Flut liegende Abschnitt, in dem eine Urbevölkerung gelebt haben müßte, die Ausnahmezeit, sondern die alles vernichtende Flut selbst, womit ein Maskentreiben aber wohl kaum be¬ gründet werden kann^'.
" Vgl. Burkert (1977) 260; 269. - IV.2. Anm. 20; VI.3. Anm. 61.
'* Vgl. das Eindringen maskierter Hirten in Tyndaris auf Sizilien am Jahresende: Nilsson (1906) 199-206. ” Vgl. die Traditionen von Rhodos (^ S. 158/9) und Keos (-» S. 196/7). - S. 110-3; 241. '' Mit dem Flutmotiv läßt sich allenfalls der Gegensatz zwischen wildem, der Gemeinschaft entbehrendem Leben auf den Bergen und der im Tal begründeten menschlichen Kultur erklären, der sich in den Kulturentstehungslehren findet, die man auf Demokrit hat zurück¬ führen wollen; vgl. Gatz (1967) 144-74, Burkert (1969)'. Hinter diesem Gegensatz dürften
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Eine solch deutliche Differenzierung zwischen einer Vorzeit und der durch Einführung von Kult und Zivilisation hegründeten Jetztzeit, wie sie in der Phoronis vorliegt, fehlt den Flutmythen der Antike im allgemeinen überhaupt. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, aber es sind we¬ nige, und darunter fehlen gerade die bekannten Sagen. So erfolgt auf Rhodos” - wie übrigens auch auf Keos” - die Vertreibung der Teichinen nicht wie in der Phoronis durch einen Urkrieg, sondern durch die Sint¬ flut. Der Mensch tritt hier erst nach der Flut auf, zusammen mit der Einführung des Kultes für den Sonnengott, dem Hauptkult der Insel”; denn erst als Helios die durch die Flut aufgeweichte Erde austrocknen ließ, seien die Menschen entstanden”. Auch in bezug auf Rhodos entwer¬ fen die Quellen von den Teichinen kein einheitliches Bild. Während in Diodors Bericht die Tendenz herrscht, die Teichinen freundlich zu zeich¬ nen”, folgt Ovid (met. 7,363-7 = Nr. 118), in dessen Darstellung Poseidon die Teichinen auf Geheiß von Zeus ertränkt, der außerdiodorischen Tradition, der diese Wesen als „Urbilder der Bösartigkeit" gelten”, ln der Besiedlungsgeschichte von Lesbos treten dann die Pelasger an die Stelle der Teichinen”. Es sind vor allem die Historiker, die dieses Modell von der Vertreibung eines Urvolkes durch die Sintflut kennen, denn die verschiedenen vorgegebenen Traditionen von Urvölkern und Sintflut lassen sich so natürlich am leichtesten miteinander in Übereinstimmung bringen: Historische Spekulation konkurrenziert den Mythos. Was den Deukalionmythos angeht, bleibt die Zeit vor der Flut merk¬ wohl letztlich gespielte ,primitive' Verhaltensweisen wie Verzehren von vegetarischer Nah¬ rung, Bauen von Laubhütten u.a.m. stehen, Burkert (1979) 44. Hütten an den Hyakinthien; Nilsson (1906) 134. Feigenpastete an den Plynterien: Hsch. s.v. TiT'T'^pltc; Feigen waren die erste Nahrung des Menschen. Diese Motive auch in der persischen Königsweihe: Alföldi (1974) 137-9. Der im Ritual sprunghaft durchgespielte Übergang zum neuen Leben, zur Kultur, ist in den betreffenden Sagen aber zu einem evolutionären Prozeß gedehnt worden, vgl. Burkert (1969)' 297. Dem Ritual näher steht die Phoronis, die menschliche Zivilisation ist nicht das Produkt einer Entwicklung, sondern wird - fertig ausgeformt - allein durch den König Phoroneus etabliert, vgl. Kakridis (1975). - S. 231/2, rV.2. Anm. 5. ” - S. 158/9. ” - S. 196/7. D.S. 5,56,4 = Nr. 112. “ D.S. 5,56,3 = Nr. 112. Motiv der generatio aequivoca? - VI. Anm. 2. Die strenge Abfolge Telchinen - Flut - Menschen ist nicht immer konsequent durchgehalten: An manchen Stellen scheint D.S. (5,55,2, 56,2 = Nr. 112) schon zur Zeit der Teichinen auf der Insel Menschen vorauszusetzen. Menschliches Leben, das von den Erfindungen dieser Kobolde profitiert, hat jedoch etwas Gespenstisches an sich, so daß der Kontrast zwischen den einzelnen Epochen trotzdem gewahrt bleibt. “ Vgl. Herter, RE 5A (1934) 209/10, 214. ” Vgl. Herter, RE 5A (1934) 205-10. D.S. 5,81,1-3 = Nr. 115, vgl. D.S. 5,61,1 und D.H. 1,17,3. Pelasger sind ursprünglich nur die vordorischen Stämme auf der Peloponnes, vgl. Hes. Frg. 160-8. Vertreibung der Pelasger aus Thessalien durch Deukalion bei Hellanic.: Jacoby, Komm, zu FGrHist 4 E 117. - Zweiter Teil: 1.4. Anm. 24.
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würdig funktionslos; das einzige Motiv, das auf sie Bezug nimmt, das Motiv von der Schlechtigkeit der in dieser Zeit lebenden Menschen, scheint der Sage ja eher nachträglich aufgepfropft worden zu sein, als ein wirklich ursprüngliches Element ihrer Struktur darzustellen”. Damit steht der überwiegende Teil der griechisch-römischen Fluttraditionen auch in einem Gegensatz zum orientalischen Atrahasis-Epos, das als antithetisches Motiv zur Jetztzeit die schrankenlose Vermehrung der Menschheit kennt”. Daß von den antiken Kulturentstehungssagen dieje¬ nigen, die ein Flutmotiv beinhalten, im allgemeinen keinen Kontrast zwischen einer Vorzeit und etablierter menschlicher Kultur kennen - in philosophischen Kulturentstehungslehren folgt die Urzeit als erste Phase einer neuen Epoche sogar gerade umgekehrt erst auf die alles zerstörende Flut” -, entspricht auch den festgestellten Motivparallelen zwischen Pro¬ metheus und Deukalion, auf Grund derer sich der Sohn beinahe als Doppelgänger seines Vaters erweist”. Die Zeit vor der Flut unterscheidet sich höchstens insofern von dem, was folgt, als sie mit Prometheus noch im Zeichen des früheren Göttergeschlechts der Titanen steht. Die Deukalionerzählung soll offenbar nicht einfach als eine für sich stehende besondere Art von Kulturentstehungssage verstanden werden, denn sie setzt eine Etablierung menschlicher Zivilisation - wenn auch nur eine vorläufige - bereits voraus. Dadurch, daß dieser Mythos ihre Neueinsetzung nach der ersten großen Gefährdung als ebenso wesent¬ lich wie ihre eigentliche Begründung durch Prometheus hinstellt, will er wohl zweierlei zum Ausdruck bringen; Zwar besitzt der Mensch kein gewissermaßen von vornherein garantiertes Existenzrecht; wie das Schicksal des Flutheros zeigt, ist die Kontinuität menschlicher Existenz aber dennoch gesichert, weil dieses an sich schwache Wesen die erstaun¬ liche Fähigkeit hat, auch über die schlimmsten Bedrohungen hinwegzu¬ kommen und zu einem Neuanfang durchzufinden”. Die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Prometheus und Deukalion wird in der griechischen Tradition zwar nirgends angezweifelt, letztlich ver¬ dankt sie ihren Ursprung aber doch wohl einer sich an orientalischen Vorbildern orientierenden sekundären Kombination des autochthonen Deukalionmythos mit einer Figur aus einer Kulturentstehungssage vom Typ der Phoronis”. Was nämlich Prometheus betrifft, so scheint er wie Phoroneus durch das erste Opfer, wozu selbstverständlich auch das Feuer gehört, das Goldene Zeitalter beendet zu haben, denn so müssen wir ” - S, 205-16. Lambert-Millard (1969) 103, Labat (1970) 30/1; vgl. Simoons-Vermeer (1974) 20, ferner Contenau (1941) 42. - Anm. 21; IV.2. Anm. 5. Deukalion eine sekundäre Analogiebildung zu Prometheus; Bapp (1896) 39/40. - S. 218; 228 " Vgl. Eliade (1976) 22-4. - S. 274-81.
” - S. 118/9; 232.
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doch wohl Hesiod interpretieren, der seine Schilderung (Th. 535/6) des prometheischen Opfers mit den Worten „als sich Götter und sterbliche Menschen in Mekone trennten" einleitet und damit für die Zeit zuvor ein Zusammenleben von Göttern und Menschen voraussetzt, was nach all¬ gemeinem Glauben eine Besonderheit des Goldenen Zeitalters wahk Phoroneus galt vielleicht nicht nur wegen der Entdeckung des Feuers als argivischer Prometheus, sondern es sind möglicherweise tiefer gehende Gemeinsamkeiten, die zu diesem Vergleich geführt haben. Was wir für Phoroneus nämlich nur erschlossen haben, finden wir bei Prometheus bestätigt, denn die Notiz von Pausanias (9,25,6), daß Prometheus einer der Kabiren gewesen sei, führt geradewegs in die gleiche rätselhafte Welt koboldhafter Urschmiede hinein, zu der auch die in der Phoronis er¬ wähnten Daktylen und Teichinen gehören“. Von Deukalion wissen wir leider nicht, ob er ursprünglich etwa auch ein lokaler ,Universalheros' wie Kekrops gewesen ist”, dessen Name in der athenischen Überlieferung den gesamten Motivkomplex um Kultur¬ begründung und Urkatastrophe beherrscht und nicht nur mit dem Urkrieg gegen die Karer/Keren, sondern außerdem mit der durch Poseidon verursachten Flutkatastrophe verknüpft ist, wofür als äquivalentes Motiv allerdings ebenfalls eine Geschichte von einem ersten Krieg eintreten kann“. Die Ausrichtung der mit Deukalion verbundenen Sage auf Pro¬ metheus muß jedenfalls als fruchtbar bezeichnet werden, denn sie er¬ laubt zunächst einmal, das in der orientalischen Sintfluttradition vorge¬ gebene Motiv des göttlichen Helfers” mit der innerhalb der griechischen Mythologie wohl am besten dazu geeigneten Figur zu verknüpfen und dem pfiffigen Menschenfreund eine weitere Gelegenheit zu geben, Zeus übers Ohr zu hauen. Die griechische Deukalionsage erweist sich dadurch zudem nicht bloß als eine Übernahme altorientalischer Vorbildeti“, son¬ dern als ihre verdeutlichende Interpretation. Wenn die Sagen des Orients die Sintflut nicht als eine beliebige, vielmehr als die größte überhaupt denkbare und den Kosmos in seiner Existenz gefährdende Katastrophe schildern'*', nehmen sie natürlich implizit ebenfalls auf die Schöpfungs¬ traditionen Bezug^h- die Vision einer totalen Vernichtung des Bestehen-
Gatz (1967) 37/8; vgl. Rudhardt (1970) 5. “ ^ S. 231/2; 233/4. Auf eine Begründung der menschlichen Kultur in einer Atmosphäre des Grotesken weist auch Phaedr, 4,15/6 (- II. Anm. 44); das Motiv vom betrunkenen Prometheus erinnert daran, daß auch die Kabiren mit dem dionysischen Element verknüpft sind: Burkert (1977) 420/1. ” - S. 231/2. ” - S. 189. ” - S. 210/1. - S. 129-32. - S. 203/4. Westermann (1974) 69. Casalis (1976). - IV.l. Anm. 27; II. Anm. 44.
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den setzt nämlich die Vorstellung voraus, daß diese Welt nichtvon allem Anfang an so war, sondern etwas von den Göttern künstlich Geschaf¬ fenes darstellt. Was die orientalische Mythologie nur als einzelne Episo¬ den behandelt, durch das Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Prometheus und Deukalion systematisch aufeinander bezogen zu haben, ist die Lei¬ stung der Griechen.
V. Flutsagen als Aitien von Ritualen Immer nach dem,Woher' eines Menschen oder einer Sache zu fragen, ist wohl in besonderem Maße ein Charakteristikum griechischen Wesens*. Nicht allein jene bekannte homerische Formel kann dafür ins Feld ge¬ führt werden; diese Neugier erstreckt sich auf fast alles, was mit mensch¬ licher Kultur zu tun hat, und die an Namen so reiche Mythologie der Griechen vermochte sie auch zu befriedigen. Vom Erfinder des Alpha¬ bets über denjenigen der Töpferscheibe bis hin zum Entdecker des Leier¬ spiels reicht die entsprechende Liste mythischer Gestalten. Was lag also näher, als auch die Einführung religiöser Gebräuche - seien es nun einfach Götterkulte oder ganz spezielle Rituale - mit Namen aus dem Mythos zu verbinden oder doch wenigstens auf ein bestimmtes Ereignis zurückzuführen? Die verschiedenen Traditionen über die Anfänge menschlicher Kultur eigneten sich vor allem aus zwei Gründen als An¬ knüpfungspunkte für Rituale; Da Rituale als gemeinschaftlich vollzo¬ gene Fiandlungen mindestens elementare Formen gesellschaftlicher Or¬ ganisation voraussetzen, läßt sich für die zugehörigen Aitien wohl kein treffenderer und zugleich altehrwürdigerer Inhalt denken als die Konsti¬ tuierung (Kulturentstehungssagen) oder auch Neubegründung (Sintflut¬ sagen) eben dieser Ordnung selbsü. Zudem entspricht die Struktur dieser Sagen derjenigen der zur Diskussion stehenden Rituale. Durch symbol¬ hafte Fiandlungen - man speist und trinkt z.B. nicht mehr am gemeinsa¬ men Tisch, sondern allein an seinem eigenen - wird in der sog. Diastase des Rituals, d.h. in der gespielten Antithese zum Alltag, die übliche Ordnung aufgelöst, worauf eine gemeinsame kultische Fiandlung zu den gewohnten gesellschaftlichen Verhaltensweisen zurückführt. Ebenso zeichnet sich die erwähnte Sagenkategorie durch eine antithetische Struk¬ tur aus, denn die neue Zeit bricht erst mit der Überwindung eines voran-
' Vgl. Kleingünther (1933). ^ „Wenn die Fluterzählung zum Urgeschehen, zu den ,myths of beginning gehört, ist zu erwarten, daß auch bei ihr wie bei der Schöpfungserzählung das Vergegenwärtigen eine Bedeuturig für die Existenz der Gemeinschaft hat." Westermann (1974) 68. - 1V.3. Anm. 21.
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gehenden Stadiums an - der Flut oder der Urzeit; in diesem Punkt unter¬ scheiden sich nämlich die beiden Typen von Kulturentstehungssagenh
Delphi und Plataiai Eine anonyme Notiz (AB Ip. 354 = Nr. 24) sagt knapp, daß man ein wegen der Sintflut nach Delphi gebrachtes Opfer ,Aigle' genannt habe; auf Grund der Verbindung zu Delphi darf dieses Aition ohne Bedenken auf die deukalionische Flutsage bezogen werdenh Sein Name -,Glanz'/,Fakkel' - läßt einen Festablauf vermuten, bei dem die Wiederherstellung der alten Ordnung mit dem Entzünden neuen Feuers einhergehß, analog zum Reinigungsfest auf Lemnos, wo zu Beginn der Ausnahmeperiode die Glut im Herd zunächst gelöscht, dann aber, wenn ein Schiff neues Feuer von Delos gebracht hat, wiederum feierlich entfacht wird/ Das neue Feuer in Delphi mit dem ersten Opfer nach der Flut zu assoziieren, würde naheliegen/ Feuerfest und heilige Hochzeit am Schluß der Daidala von Plataiai erinnern nach Plutarch (Frg. 157,7 = Nr. 140) als Symbole der Aussöhnung an das Ende einer Verstimmung zwischen Zeus und Hera, welche die Ordnung des Kosmos störte und in Böotien zu einer Flutkata¬ strophe geführt hatte*. Zwar könnte eine junge stoische Allegorese hinter dem Flutmotiv stehen, doch läßt sich die Vorstellung, daß die Aufhebung der durch die Götter gesicherten kosmischen Harmonie zur Sintflut führt, bereits im stark rituell geprägten altorientalischen Erra-Mythos belegen/ Eine echte Wechselbeziehung zwischen Flutmotiv und Ritual scheint jedenfalls nicht bestanden zu haben. Athen ln Athen, wo man die Deukalionsage relativ spät übernommen hat, wird Sintflut ebenfalls mit Ausnahmezeit und Wiederkehr des Lebens assozi¬ iert, denn die Athener vergleichen die Überwindung der düsteren Atmo’ ^ ’ ‘
- S. 235. - S. 78. Usener (1899) 79. III. Anm. 5; 12. Vgl. Burkertl 1972] 214.
’ - S. 217. Wurde auf dem Parnaß ein Feuer entfacht? Vgl. Burkert (1972) 139. Das Motiv, daß das Feuer vom Berg kommt, ist in der Argolis belegt,- Paus. 8,15,9: Für die Lernäen holeii die Argiver das Feuer vom Krathisgebirge in Arkadien, auf dem ein Heiligtum der Artemis Pyronia liegt. Das Bild, daß beim Neubeginn in den Bergen ein Feuer entzündet wird, findet sich bei Hdt. 4,145,2 auf die Einwanderung der Minyer in Lakedaimon übertragen: Bevor sie von den Spartanern Land zugeteilt erhalten, lassen sie sich zuerst auf dem Taygetos nieder und entzünden ein Feuer. Hinter der Aigle-Überlieferung steht die Feuerläuterung von Pyrrhos und Pyrrha: Delcourt (1965) 96-118,- - Zweiter Teil: I.5.a. Anm. 1. • Eingehende Behandlung der Daidala bei Burkert (1979) 132-4. ’ Vgl. Cic. nat. 2,66 (Hera = Aer) mit Eus. PE 5,74,4. - S. 256.
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Sphäre des Choentages mit dem Neubeginn nach der Sintflut'“. Das an ihn erinnernde Kochen eines Breis an den Chytren ist aber nicht das einzige Symbol dafür, daß man nun wieder zum normalen Leben zurück¬ kehrt; daneben steht die rituelle Vertreibung fremder Wesen, von denen man glaubte, daß sie während der Ausnahmezeit der Choen die Stadt bevölkerten - seien sie nun als Dämonen, Keren oder als Nachkommen der karischen Ureinwohner zu verstehen -, mit dem das Anthesterienfest beschließenden Ruf 0t3paCe Köcpec/Kfipec;, ouxet' ’AvOeoxiipia; dieses Ritual spiegelt sich seinerseits auf der Ebene des Mythos in der Erzählung von einem Krieg, den der Urkönig Kekrops gegen die Karer führen mußte". Ihr regelmäßiges Auftauchen an den Anthesterien wurde mit einem Vertrag begründet, den man jeweils extra für dieses Fest mit ihnen schloß und in dem man den einst vertriebenen Ureinwohnern Attikas versprach, sie während der betreffenden Zeit gastlich in der Stadt aufzunehmen; ein rituelles Maskentreiben dürfte diesem Aition entsprochen haben'L Kekrops' Ursieg und die Rettung aus der Sintflut erweisen sich somit als voneinander unabhängige und sich dennoch ergänzende Bilder für den Neubeginn am Chytrenfest. Dabei scheint das der Lokalsage ent¬ nommene Aition von der Vertreibung einer Urbevölkerung durch Ke¬ krops enger mit dem rituell zur neuen Ordnung überleitenden Verschwinden unheimlicher Eindringlinge verbunden zu sein als Sintflutmotiv und Topfgericht, das an sich auch von einer Kulturentstehungssage vom Typ der Phoronis hergeleitet werden könnte'“. Zwei andere athenische Rituale erwecken hingegen den Eindruck, sich in eindeutigerer Form auf die Sintflut zu beziehen. Von diesen sind die Hydrophoria nach Apollonios (FGrHist 365 F 4 = Nr. 46) ein Trauerfest im Zusammenhang mit den in der Flut Umgekommenen; Deubner'“ und Nilsson'“ haben es mit den Chytroi zusammengebracht, obwohl ein Da¬ tum für das Fest nicht überliefert ist. Weil nach einer Notiz bei Plutarch (Süll. 14,10 = Nr. 47) aber gerade im Monat Anthesterion viele Kulthand¬ lungen an die Sintflut erinnert hätten, würde man die Hydrophoria nur ungern von den Anthesterien trennen. Fest steht jedenfalls, daß ein Ri¬ tual, bei dem Wasser getragen wurde, dem Fest den Namen gegeben haben muß. Burkert'“ vermutet deshalb, die Hydrophoria seien eine Libation, ein feierliches Ausgießen von Wasser, vergleichbar den Plemochoen in Eleusis, wo zum Abschluß der Mysterien je ein Gefäß nach Westen
Vgl. Burkert (1972) 263-6. ^ S. 111. ■■ Philoch. FGrHist 328 F 94; vgl. Burkert (1972) 250-5. Zen. Ath, 1,30 p. 352 = Zen. Par. 4,33; vgl. Burkert (1972) 252. - S. 232-5. (1932) 113. Preller (1837) 229 Anm.: Die Hydrophorien sind ein mit den Chytren verbun¬ dener Festgebrauch, von dem Paus. 1,18,7/8 = Nr. 44 einen Teil beschreibt. (1967) 595. “ (1977) 125.
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und nach Osten ausgegossen wurde'’. Dieser Akt wäre dann als eine Gabe für die Toten der Sintflut aufgefaßt worden, stehen doch Libationen aller Art im Zentrum des griechischen Grabkultes'*. Die sprachliche Formulierung des Aitions indes weist darauf hin, daß nach Apollonios' Interpretation die Hydrophorien eher ein ,wegen' als ein ,für' die in der Sintflut Umgekommenen durchgeführtes Trauerritual darstellen'’, wes¬ wegen sehr wohl auch ein Reinigungsritual dahinter stehen könnte, denn Tod befleckt und Wasser reinigt’“. Da mit Tod und Befleckung aber gerade die Choen assoziiert werden’', drängt sich die Frage auf, ob die auf Apollonios zurückgehende Lexikon-Notiz - im Anschluß an Theopomps (FGrHist 115 F 347a/b = Nr. 45) Ableitung des Chytren-Brauchs? - uns etwa nicht nur ein Aition für die Choen als Tag der Befleckung gibt dieser Tag steht im Zeichen der Toten der Sintflut -, sondern auch noch den dazugehörigen Reinigungsritus begründet: Wie jemand, der in ei¬ nem Flaus, in dem ein Toter aufgebahrt liegt, einen Besuch gemacht hat, diesen unreinen Bezirk erst wieder verlassen darf, nachdem er sich mit Wasser aus einem vor dem Haus aufgestellten Gefäß gereinigt hat”, so muß auch die Befleckung der Choen durch das herbeigetragene Wasser hinweggespült werden, bevor das Chytrenfest beginnen kann. Daß man das Wasser im Erdspalt im Heiligtum der Olympischen Ge hat versickern lassen, wo sich nach Pausanias (1,18,7 = Nr. 44) die Sintflut verlaufen hat, muß natürlich Spekulation bleiben”, obwohl ein entsprechendes Ritual von Hierapolis dies nahelegen würde’", da es die zugehörigen Aitien sowohl mit Sintflut als auch mit kultischer Reinigung assoziieren”. Da¬ bei ist es unerheblich, daß in Hierapolis wahrscheinlich Meerwasser
” Vgl. Ochsenschlager (1970), Burkert (1972) 322/3. Hier sind auch diejenigen Besprengungsrituale anzuschließen, die gewöhnlich als Regenmagie bezeichnet werden; vgl. Cook (1940) 293 (Armenien, Syrien), Paus. 8,38,4 (Arkadien). - S. 249-51. " Vgl. Burkert (1977) 123. ” Wenn die Hydrophoria als ein ,für' die Toten gedachtes Fest aufgefaßt werden müßten, würde man nämlich nicht eine Konstruktion mit der Präposition eni erwarten (eoptfi nevSvpog eni Toig £v TW xaTaxAuapw arioXopevoK;), sondern den reinen Dativ,-vgl. Hdt. 1,31,2: eonoTiQÖpTfjg Tfi "Hpr); inschriftlich 0coia + Dat. (Kühner-Gerth [1898] 428). Wendungen wie vopog env vöpo; ist Verbalsubstantiv wie eoptfi - mit der Bedeutung ,Gesetz für' (vgl. And. 1,89) im neutralen und freundlichen Sinn sind selten: Kühner-Gerth (1898) 503. Der hier vorliegende Gebrauch der Präposition hii fällt nach den Einteilungsprinzipien von LSJ unter ,occasion or cause' (eni + Dat. 111.1.). Burkert (1977) 130, 135. Vgl. Deubner (1932) 113 Anm. 3. Burkert (1972) 242-6. " Rohde (1898) I 219/20 Anm. 3. Burkert (1977) 135. Vgl. Frazer (1911)' 285/6. ” Im Totenkult wird der abgewaschene Trauerschmutz in eine Grube neben dem Grab geschüttet: Meuli (1975) II 928/9 Anm. 2, 993. ” Zu diesen Ritualen vgl. Burkert (1977) 125, 272. “ S. 252/3.
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verwendet wurde^^: Bei Reinigungsriten wird nämlich kein Unterschied zwischen Salz- und Süßwasser gemacht”. Ein Problem für sich bildet die Deutung des von Pausanias (1,18,7 = Nr. 44) beschriebenen athenischen Brauchs, alljährlich mit Honig ge¬ süßtes Schrotmehl in den erwähnten Schlund hinabzuwerfen^ weil ein eigentliches Aition fehlt; denn das Sintflut-Motiv ist nach dem Wortlaut des Textes nur gerade mit dem Erdspalt verknüpft, so daß Pausanias durchaus auch auf einen Kult anspielen könnte, der überhaupt nichts mit den sich von der Sintflut herleitenden Anthesterienbräuchen zu tun hat, zumal sich das fragliche Ritual ebenfalls gut in die der Erdgöttin und den Toten geltenden Genesia einfügen würde, galt doch ein Gemenge aus Mehl und Honig als Totenspeise^®.
Aigina Die eben besprochenen Aitien spiegeln und begründen mit ihrer Aus¬ richtung auf das rituelle Spiel von Ausnahmezeit und Übergang zur Alltagsordnung nur die beiden letzten Elemente des dreigliedrigen athe¬ nischen Anthesterienfestes. Da die Ausnahmezeit aber jeweils durch eine besondere Handlung wie das den Choen vorausgehende Öffnen der Weinfässer - häufig ist es auch ein unsagbares Opfer - eingeleitet wird”, muß eine Sintflutsage, die einem solchen Ritualkomplex in seinen drei Phasen umfassend entsprechen soll, als zusätzliches Element den die Elut verursachenden punktuellen Gewaltakt beinhalten, jenes Motiv also, das sich oft als sekundäre Erweiterung der Sage erweist”. So führt auf Ai¬ gina” der Mythos über Mord”, Naturkatastrophe - Flut und Dürre sind einander als Extremsituationen gleichwertig - und das in Anwesenheit der Panhellenen” gesprochene Gebet des Aiakos zur Begründung des Kultes für Zeus Hellenios/Panhellenios”.
- S. 126. " Rohde (1898) II 405/6. Hsch. s.v. Feveaia, vgl. A. Pers. 219/20: xoag Pfj re xai (pGitoTi; xE«aeai. Drexler, RML 1 (1886-90) 1574: Opfer an Gala bestehen aus Getreide und Früchten. Deubner (1932) 230; Rohde (1898) I 234-6, Burkert (1972) 264, (1977) 299. ” Burkert (1972) 240-4, 104-7. - S. 207/8. "
S-
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” Weil Pelops den Arkaderkönig Stymphalos (Apollod. 3,159) oder der athenische König Aigeus den Androgeos (D.S. 4,61,1) ermordet habe, sei in Griechenland eine Dürre eingetreten. ” Schob Ar. Eq. 1253. Eine bildliche Darstellung der Gesandtschaften an Aiakos bezeugt Paus. 2,29,7. Der Name wird davon abgeleitet, daß nicht nur die Agineten, sondern ganz Griechen¬ land, also alle Hellenes (Pan-hellenes, - S. 85), Aiakos als den frömmsten Mann der damaligen Zeit zum Gebet gedrängt haben sollen. Man zeigte auch später noch auf Aigina den Ort des Gebets auf dem Hellenion (Schob Pi. N. 5,17 = Nr. 130, hei Pi. die Form ■EUaviou!)/Panhelle-
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Dieser Mythos scheint mit einem ganzen Komplex von Ritualen zu korrespondieren. Zunächst sichert eine bei Athenaios (590f)” überlie¬ ferte Anekdote die zeremonielle Anwesenheit von Vertretern der Panhellenen im Zusammenhang mit dem Fest der Poseidonien. Leider wissen wir nicht allzu viel von diesem Fest; es gehörte aber jedenfalls der Brauch dazu, daß während einer gewissen Zeit die Familien schweigend für sich allein speisten, von keinen Sklaven bedienü^ und in bedrückter Stim¬ mung, die erst das nachfolgende Aphroditefest löste”. Die Parallele zu den athenischen Anthesterien ist nicht zu übersehen; Wie die düstere Atmosphäre des Choentages, an dem jeder für sich allein trinkt”, an den Chytren ihr Ende findet, so erlösen auf Aigina ausgelassene Aphrodisia die povocpayoi (Alleinesser). Unterstrichen worden ist die Überwindung der Ausnahmezeit aber möglicherweise noch durch die an Zeus Panhellenios anknüpfenden Rituale, denn von der erwähnten Versammlung der Panhellenen - einer kultischen Wiederholung jener Zusammenkunft, in der ihre Vorfahren voller Angst bei Aiakos Fiilfe und Beistand gesucht hatten - könnte der Weg nämlich sehr wohl zu einem den Neubeginn besiegelnden Opfer hingeführt haben, das an die Begründung des Kultes für Zeus Fiellenios/Panhellenios nach der Sintflut erinnern sollte”.
Argos und Samothrake Das Motiv von der Wasserflut und ihrem Ende als Spiegelung der Über¬ windung einer rituellen Diastase kann nicht nur Teil eines ,echten' Sint¬ flutmythos (Delphi, Athen und Aigina), sondern auch einer Götterstreit¬ erzählung entnommen sein. Der Aufbau dieses Sagentyps zeigt nämlich ebenfalls eine mit dem Ritual übereinstimmende Struktur: Die Tat, mit der alles beginnt, ist hier das Urteil des Urmenschen, dem nach Götternion (Paus. 2,30,3/4), wo Paus. 2,30,4 nur gerade dieses Heiligtum, das xoivöv iepov, erwähnens¬ wert fand; Archäologisches bei Cook (1924) 894/5. Paus. 1,44,9 identifiziert Zeus Panhellenios mit dem megarischen Zeus Aphesios, der ein Heiligtum auf dem Gerania-Berg hatte, wohin Megaros sich vor der deukalionischen Flut hatte retten können,- ^ S. 116. “ Die Hetäre Phryne sei auf Aigina (vgl. 588e) sowohl bei den Poseidonien als auch bei den Eleusinien nackt und mit aufgelöstem Haar „vor den versammelten Panhellenen" ins Wasser gestiegen. “ Plu. Mor. 301e/f: Man gedachte derjenigen Griechen, die auf der Rückfahrt von Troia Schiffbruch erlitten hatten,- vgl. Nilsson (1906) 73/4. Datum Anthesterion-Elaphebolion frag¬ lich: Nilsson (1906) 376. ” Plu. Mor. 301f; vgl. Nilsson (1906) 375/6. ” Vgl. Burkert (1972) 120; 244. ” Gewöhnlich wird das Gebet des Aiakos als Wetterzauber bezeichnet,- vgl. Burkert (1972) 127. Gerade die Tatsache, daß als Aition für das Gebet Dürre mit Flut wechseln kann, macht diese Interpretation aber fragwürdig. Es geht bei den Mythen und Ritualen dieser Insel wohl viel eher darum, gegenüber der durch das Festende neu etablierten Ordnung Extremsituatio¬ nen sichtbar werden zu lassen, sei es im Bereich der Natur (Flut, Dürre) oder auch im Bereich des Sozialen (Monophagoi); vgl. Burkert (1972) 131/2.
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Zorn und Überflutung schließlich die Versöhnung folgt. In Argos“*“ mar¬ kiert das Heiligtum des Poseidon Prosklystios die Stelle der maximalen Flutausdehnung und damit zugleich auch den Punkt, wo das Wasser zuerst wieder neuem Leben zu weichen begann,- entsprechende Rituale werden wie in Athen'" nicht gefehlt haben. Von den drei Erzählvarianten des athenischen Parallelmythos“^ - Angriff des Eumolp''VAxthieb des Halirrhotios/Salzflut - ist es aber auffallenderweise gerade nicht dieje¬ nige mit dem Flutmotiv, welche das dem Jahreswechsel vorangehende Auflösungsritual der Skira am genauesten spiegelt, was natürlich zu Zweifeln an der Ursprünglichkeit derartiger Aitien führen muß^h Die Vorstellung, daß dort, wo die Extremsituation - Poseidon beherrscht das Land - in den Jetztzustand umschlägüb ein Kultmal steht, kennen wir im übrigen auch aus der samothrakischen Sage^h mehrere Altäre, an denen noch in der Zeit von Diodors Gewährsmann geopfert wurde, sollen auf den Hügeln die Höhe bezeichnen, bis zu der das Wasser angestiegen war, nachdem es den Bosporus durchbrochen hatte. Da das Bild von der großen Flut in der Regel zu einer rituellen Ausnahmezeit gehört, müßte das die Überflutung verursachende Bersten des Bosporus eigentlich den Auflösungsakt in diesem uns sonst unbekannten samothrakischen Ri¬ tualkomplex bedeuten. Nicht recht durchschaubar ist der Einbezug des Flutmotivs in den von Plutarch (Mor. 303a/b = Nr. 132) erwähnten Brauch der Argiver, Birnen zu werfen in Erinnerung an die erste Nahrung nach der Flut“". Wurfri¬ tuale sind Ausdruck von Aggression, wie das Schleudern von Gerste gegen das Opfertier, bevor es getötet wird“*®. Gerste ist das älteste Getreide und insofern auch eine Urnahrung wie die Birnen für die Argiver. Aller-
- S. 189/90. - S. 189; 192. “ Ebenso konnte in Argos der Ausgang von Inachos' Krisis noch auf eine zweite Weise erzählt werden; An die Stelle der Flut tritt das andere Extrem, die Trockenheit; - S. 186. " Im Atlantismythos hat Platon (Ti. 25h/c) den Gegensatz Athene - Poseidon ebenfalls auf die militärische Ebene übertragen; Atlantis, die Stadt Poseidons (Criti. 113c), unterliegt Athen in einem Urkrieg. - S. 192/3. Vergleichbar ist der Brauch, auf dem Schlachtfeld dort ein rpoTiaiov zu errichten, wo die Schlacht die ,Wende' genommen hat. Vgl. die Ableitung des Namens der Strophaden-Inseln von der ,Umkehr' der Boreassöhne bei der Verfolgung der Harpyien bei A.R. 2,295-7; ferner itopog und texpcop bei Alcm. PMG 24 Erg. 5,2 II 14/5. D.S. 5,47,5 = Nr. 78. Ob die Erwähnung von Inachos auf einen Zusammenhang mit der durch Poseidon bewirkten Überflutung hinweist, kann nicht entschieden werden; = S. 187/8. Plu. hebt in seinem Aition den Aspekt,neues Leben nach der Flut' hervor, obwohl Birnennahrung eher zu einer Ausnahmeperiode gehört (- IV.2. Anm. 5; IV.3. Anm. 21) - außer das (Weg)werfen der Birnen bedeute die Aufgabe der vegetarischen und die Rückkehr zur gewohnten, auch Fleisch enthaltenden Nahrung. Vgl. Burkert(1972) 11/2.
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dings scheint dies eher ein Thema der Kulturentstehungssagen vom Typ der Phoronis als der Sintflutmythen gewesen zu sein.
Thessalien Eine Flutsage im strengsten Sinn des Wortes ist die thessalische Erzäh¬ lung von der Entstehung des Tempetales zwar nicht“*’: Der See, der einst das Becken von Thessalien füllte, hat keine Siedlungen überflutet; nach¬ dem sein Wasser ins Meer ^ibgeflossen war, konnte der Mensch einen gänzlich neuen Lebensraum in Besitz nehmen. Es taucht in dieser Naturaitiologie nicht das alte wie in den Sintflutsagen, sondern neues Kultur¬ land aus dem Wasser empor - parallel zu gewissen Schöpfungsgeschich¬ ten’"; mit dem Peloria-Fest, dessen detaillierte Beschreibung wir Baton von Sinope (FGrHist268 F 5 = Nr. 142) verdanken, erinnerten dieThessalier an dieses Ereignis. Im Zentrum steht ein Opfer an Zeus Pelor, bei dem die Vornehmen der Thessalier ihre Freunde, Gefangenen und Diener bewirten. Dieses Motiv, in dem sich die Normalität verkehrt, ist typisch für Rituale der Auflösung; wir begegnen ihm nicht nur beim Choenfest’ *, sondern auch bei den athenischen Kronia, die dem Neuj ahrsfest vorange¬ hen”. Man möchte sich die Peloria als ein auf einer Anhöhe gefeiertes Fest vorstellen, auf das die Etablierung der neuen Ordnung folgt - verbun¬ den mit einem rituellen Abstieg ins Tal”. Welch großer Stellenwert innerhalb des Flutmythos dem Akt des Abstiegs zukommt, zeigt der Umstand, daß im Indischen sogar ein Flurname daran erinnert, denn der Ort, wo der Flutheros Manu vom Berg gestiegen sein soll, wird ,Manus Abstieg' genannt”. Was im Fall von Samothrake von der Struktur der Sage her allenfalls vermutet werden konnte, ist für Thessalien nun klar bezeugt: Das Auf¬ brechen von Fels oder - mythisch ausgedrückt - eine Gewalttat von Poseidon leitet die Ausnahmezeit ein - eine ausgelassene, wie das be¬ schriebene Ritual nahelegt, und entsprechend erzählt der Mythos von Erfreulichem, von der Entstehung neuen Ackerlandes nämlich. In diesem Punkt unterscheidet sich die thessalische Tradition von der samothrakischen, nach der die Flut Not und Zerstörung bringt, so daß es am nahelie-
- S. 193/4. - S. 227. Vgl. Burkert (1972) 241; 252. ” Vgl. Burkert (1972) 174. Bourboulis (1964) 25/6. ” Vgl. Nilsson (1906) 37; Meuli (1975) 1298/9; II923 Anm. 3. Mit dem Schema,Flucht auf die Berge - Abstieg ins Tal' wurden später die verschiedensten Rituale begründet: Phallenbe¬ steigung in Hierapolis, Luc. Syr. D. 28 = Nr. 64; Hinauf- und Hinabgehen auf der Via Sacra an den römischen Luperkalien, Aug. civ. 18,12 = Nr. 5; - S. 188. Hertel (1953) 11.
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gendsten wäre, in ihr ein Aition zu einem düsteren Diastaseritual zu sehen. Hätten wir allerdings nicht bloß den Mythos, sondern eine Beschrei¬ bung des gesamten dazugehörenden samothrakischen Ritualkomplexes, würde sich auf Grund seiner Stniktur vermutlich nicht eine derart einsei¬ tige Deutung ergeben: Die Entstehung des Bosporus führt zwar zu einer Katastrophe, die aber überstanden wird, und wie jede rituelle Ausnahme¬ zeit notwendigerweise zu einem Neubeginn hinführt, so bildet das Aus¬ einanderbrechen des Bodens auch bereits den Anfang für das, was nach¬ her kommt, nämlich zur dauerhaften Ordnung. Andererseits zeigt es sich bei näherer Betrachtung, daß die thessalische Pelor-Tradition nur schein¬ bar der düsteren Dimension entbehrt, denn die Ambivalenz göttlicher Gewalt - daß Baton (FGrHist 268 F 5 = Nr. 142) und Diodor (5,47, 3/4 = Nr. 78) Poseidon nicht erwähnen, wird wohl ihrer eigenen rationalisti¬ schen Grundtendenz oder der ihrer Quellen zuzuschreiben sein^^ - fas¬ sen wir auch hier, allerdings nicht in bezug auf ein und denselben Akt wie in der Sage von Samothrake, sondern aufgespalten auf zwei verschiedene Motivkreise, die in Pelor aber gewissermaßen einen gemeinsamen Nen¬ ner besitzen. Man erzählte sich von Pelor nämlich nicht nur, daß er es war, der König Pelasgos die frohe Kunde vom Tempedurchbruch über¬ brachte und deshalb als Bote einer guten Nachricht nach altem Brauch zur Belohnung bewirtet wurde, sondern auch sein gewaltsames Ende; Nach einem Scholion zu Homer (T II. 16,176) war Pelor ein Gigant, den Poseidon am Spercheios in Thessalien mit dem Dreizack erschlug - dem¬ selben Dreizack, der bei Philostrat (Im. 2,14,1 = Nr. 145) die Tempeschlucht aufreißt und zu Fruchtbarkeit und Leben führß^ Da der Beiname eines Gottes nicht selten mit einem Namen identisch ist, dessen Träger im Mythos ein Opfer eben dieses Gottes wurde”, wäre in Batons Ritualbeschreibung als Träger der Epiklese Pelor eigentlich eher Poseidon zu erwarten, und nicht Zeus. Die Tötung des Pelor darf aber wohl nicht einfach nur als eine von Poseidon allein verantwortete Tat betrachtet werden, denn sie gehört in den größeren Zusammenhang der Gigantenkämpfe”; der Sieg der Olympier über die Giganten sichert die Herrschaft von Zeus, und so ist er es letztlich, der Pelor den Untergang gebracht hat. ln bezug auf Zeus besitzt der Stoß mit dem Dreizack nach Pelor also den gleichen Stellenwert wie derjenige, mit dem Poseidon die Berge Thessaliens gespalten hat; Die neue Ordnung entsteht aus einer durch Gewalt überwundenen Vergangenheit. Diese Motivkombination - der Olympier, der ein Urwesen tötet und
” - S. 193. “ Vgl. E. Wüst, RE 19 (1937) 393/4; Schol. Pi. P. 4,246a = Nr. 147. ” Zu diesem Motiv Burkert (1977) 291; 311. Erstmals erwähnt bei Pi. P. 8,12-8,1. 6,31-5; vgl. auch E. Ion 206-18.
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ein Zeichen seines Wirkens in der Natur zurückläßt - erinnert an Posei¬ dons Dreizackmal auf der Akropolis in Athen und das Verschwinden des mythischen Urkönigs Erechtheus in der Erdtiefe unter den Schlägen des Dreizacks”. Und so wie in Athen während des Auflösungsrituals der Skira, dem auf der Ebene des Mythos in einigen Texten eine Fluterzäh¬ lung entspricht, Erechtheus' Gang in den Tod durch dessen Priester im Ritual nachgespielt wird”, so lebt an den Peloria die Urzeit wieder auf, eine Urzeit, in der Thessalien noch ein See war und die außerdem noch von Zeus' Vorgänger Kronos beherrscht wurde, weswegen ein entspre¬ chendes athenisches Fest ja auch ,Kronia' genannt wurde. Das Auflö¬ sungsritual, so wie es Baton beschreibt, steht jedenfalls im Zeichen von Pelor; wenn die Thessalier an den Peloria die mythische Bewirtung von Pelor jährlich nachvollziehen, so ehren sie den toten Giganten immer wieder aufs neue, was an das von Pausanias (3,19,3) berichtete Totenop¬ fer für den auch von einem Gott getöteten Hyakinthos erinnert. Indem der Mythos den Giganten Pelor zum Überbringer einer für die Menschen günstigen Nachricht macht, erscheint dieser zudem als eines jener men¬ schenfreundlichen Unwesen, die für eine Vorzeit offenbar typisch sind und zu denen auch Prometheus gehört, der sich Deukalion gegenüber so hilfreich gezeigt haß'; wohl nicht zufällig assoziiert Vergil (ecl. 6,41/2) die vonPyrrha geworfenen Steine, den Feuerraub des Prometheus und die luppiters Herrschaft vorangehenden ,Saturnia regna'. Diese Wesen der Vorzeit sind den Menschen zwar günstig gesinnt,- als die mehr Wissenden unterscheiden sie sich dennoch in charakteristischer Weise von ihnen” ein Aspekt, den Meuli“, der in Pelor das Produkt einer die Ahnen des Menschengeschlechts als die ,Gewaltigen' idealisierenden Anschauung sieht, nicht berücksichtigt hat. In der Deukaliontradition, die im Gegensatz zur aitiologischen Sage von der Entstehung des Tempetales eine echte Sintfluterzählung darstellt, tritt Prometheus allerdings bereits vor der Flut auf, d.h. die in der PelorSage miteinander kombinierten Motive von der Flut und dem menschen¬ freundlichen Repräsentanten einer vergangenen Weltordnung erschei¬ nen voneinander getrennt in einer zeidiehen Abfolge. Dadurch daß die thessalische Sage vor der Jetztzeit als Gegenpol zu ihr einzig ,das ganz andere' kennt, vermag sie zwar in ganz besonderem Maße dem Wesen eines Rituals vom Saturnalien-Typ” gerecht zu werden, doch diese von ” E. Ion 281/2, Clem. Al. Protr, 45,1. - S. 245. “ - S. 210/1. Im übrigen unterliegt auch Prometheus wie Pelor der Generation der Olym¬ pier: Hes. Th. 521-5. “ - S. 234/5. “ (1975) I 298/9; vgl. Von der Mühll (1930). neAcop(o(;) ist eine Sekundärbildung zum Adjektiv TteÄupiog ,riesig' wie 'Qyvyoc, zu wyöyioc; - S. 169/70. “ Vgl. Bourboulis (1964).
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der eines eigentlichen Sintflutmythos recht verschiedene Struktur verbie¬ tet es uns wohl, die Peloria zum Ausgangspunkt einer Deutung der Sintfluterzählungen insgesamt zu machen^k
Hierapolis und die Herleitung der Sintflutsagen aus dem Ritual Eine Untersuchung zur ,Myth-and-ritual'-Problematik bei den Sintflut¬ mythen“ wird sich wohl immer in ganz besonderem Maß auf die Überlie¬ ferungen von Hierapolis/Bambyke®^ stützen müssen, denn hier harmo¬ nieren Mythos und Ritual am vollkommensten miteinander. Der von Lukian (Syr. D. 13; 48 = Nr. 64) geschilderte Brauch, zweimal jährlich den genauen Zeitpunkt fixiert das Tempelorakel (Syr. D. 36) - Wasser in dieselbe Öffnung im Boden des Tempels der Syrischen Göttin zu schüt¬ ten, durch die auch das Wasser der Sintflut versickert sei, kann wirklich als Sintflutspiel bezeichnet werden“. Die gegenseitige Verklammerung ist um vieles enger als beim delphischen Aigle-Opfer, dessen spärliche Dokumentation nur Vermutungen erlaubt; aber auch die äginetischen und argivischen Traditionen wie die verschiedenen an Poseidon anknüp¬ fenden Aitien bieten nichts Vergleichbares. In Athen, wo mit Hydrophorien und Erdspalt im Heiligtum der Ge an sich Gegenstücke zum hierapolitanischen Kult bestehen, ist eine eigentliche Sintflutsage leider nicht alt verwurzelt; hinzu kommt die Einschränkung, daß die Verbindung von Hydrophorien und Erdspalt fraglich bleibt und das Mahl an den Chytren nicht ein eindeutiges Sintflutspiel darstellt. Zwar würde man dem hierapolitanischen Sintflutspiel mit dem Hinweis auf andere gleiche Bräuche seine Sonderstellung gerne absprechen, doch weil die Einbettung in einen Zusammenhang fehlt, entziehen sich weitere Gieß-Rituale aus dem Vor¬ dem Orient einer Deutung; üblicherweise werden sie als sympathetische Fruchtbarkeitsmagie erklärt, während in den Flutsagen das Wasser doch gerade umgekehrt das Symbol von Gewalt und Zerstörung darstellt“. So ließ man auch in Hatra im Zweistromland, dessen Heiligtum vieles mit Hierapolis gemeinsam hat, Wasser - wohl ebenfalls Meerwasser’“ - durch eine Öffnung in der Tempelmauer rinnen”. In Tyros war es sogar noch “ - S. 13. “ „Im mesopotamischen Bereich ist bisher keine Spur einer kultischen Vergegenwärtigung des Sintflutgeschehens gefunden worden." Westermann (1974) 68. livy (1901) 200. " - S. 125-7. An einen Zusammenhang mit der Vorstellung vom Ausbruch des unterirdischen Sü߬ wasserozeans, des Apsu, muß nicht unbedingt gedacht werden, weil im Ritual Meerwasser verwendet wurde; ^ S. 126; 203. Labat (1970) 452/3; 455 Anm. 3. Lagrange (1905) 167. Cook (1940) 339: In Ägypten schütten Priester täglich Nilwasser in ein Faß ohne Boden, vgl. ferner 373; 476. Vgl. auch Frazer (1911)1248; 52. Zur Vorstellung vom Lebenswasser: Rohde (1898) II390/1, Mannhardt (1877) 275; 283; Frazer (1913)' 114/5, Ninck (1921), Maringer (1973), Wilcke (1969) 72. Vgl. Dussaud (1931) 369 Anm. 3. Pirenne (1959) 291.
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im 19. Jh. üblich^ Meerwasser in einen ganz bestimmten Brunnen zu schütten, sobald sich dessen Wasser im Herbst rot verfärbt hatte, d.h. wohl schlammig geworden war”. Der Gang zu einer Quelle, vermutlich um Wasser für rituelle Zwecke zu schöpfen, ist für den Ort Gezer aus dem Namen der betreffenden Quelle zu erschließen; gerne wüßte man, ob Zusammenhänge mit einer lokalen Sintfluttradition bestehen”. Hinzu kommt eine Stelle aus einem rätselhaften ugaritischen Text, der von der Geburt der Götter handelt und in dem - vorausgesetzt, daß richtig konjiziert wurde - zwei Frauen am Meeresstrand vor ihrer heiligen Hochzeit mit El „das Wasser in einem Becken ansteigen lassen", wohl durch ein Schöpfritual”. Ferner ist hinzuweisen auf die Hydrophorie im Tempel zu Jerusalem während des jüdischen Laubhüttenfestes”. Es sind sogar noch wirklichkeitsgetreuere Sintflutspiele als die eben auf gezählten bekannt: Bis in neuere Zeit fand in Larnaka auf Zypern ein sog. Sintflutfest statt, bei dem die Leute sich gegenseitig mit Wasser übergossen”. Leider wissen wir aber von diesem Fest nur noch, daß seine Bezeichnung xaTaxAuopoc; (Sintflut) offiziellem Sprachgebrauch entspricht und es im Volk als Aphroditefest verstanden wurde, gefeiert für die auf Zypern altverwurzelte Aphrodite von Paphos”, ein Umstand, der an Aigina erinnert, wo ja anscheinend Aphrodisia und Wiederkehr des Lebens nach der großen Flut zusammengehören. Eine gleiche Doppelin¬ terpretation in Verbindung mit demselben Brauch wie auf Zypern ist auch aus Armenien bekannt: Neben der gegenseitigen Besprengung mit Wasser läßt man Tauben frei, entweder zur Erinnerung an Noah - oder an Astarte, dem Pendant zu Aphrodite”. Die phönizische Aphrodite/
" Lagrange (1905) 167. Vgl. den bei Luc. Syr. D. 8 erwähnten Adonis-Fluß, der sich jedes Jahr blutrot färbt, wenn in Byblos die Trauer um Adonis beginnt. Rötliches Wasser hei der Stadt Joppe im Land der Hebräer: Paus. 4,35,9. Hinter dem bei Levy ([1901] 195) erwähnten Aition „mariage de l'eau de mer avec celle de la terre" steht wohl die aus dem Enuma Ehs bekannte kosmogonische Vorstellung von der Trennung der Urgewässer; - S. 203. " Lagrange (1905) 168 Anm. 4. " V. 30-6, Labat (1970) 455 mit Anm. 3, vgl. 452/3. Vgl. Mannhardt (1877) 278. ” Kultlegende AT 3. Mose 23,42/3, Beschreibung des Rituals bei Fr. Buhl, RETh 11 (1902) 306. ” Ohnefalsch-Richter (1913) 96-103, Cook (1940) 292. ” Cook (1940) 292. Nur dieses Aition geben Gaitanides-Worm (1983) 177. " Cook (1940) 293 Anm. 2; hier die Namensform ,Astlik', worunter wohl die mit Astarte wesensverwandte Anähid/Anähitä zu verstehen ist. - Anm. 80. Der Verdacht liegt nahe, es könnte unter christlichem Einfluß ein heidnisches Ritual durch den Bezug auf die biblische Sintflut ,entschärft' worden sein; Beispiele für eine christliche Uminterpretation altüherlieferter Kulte lassen sich nämlich leicht finden. So muß eine bereits in vorreformatorischer Zeit bezeugte Wallfahrt nach St. Moritz wohl als Uminterpretation eines alten Quellenkultes erklärt werden: Caminada (1970) 45. Zur Rolle der Taube im Kult der Astarte wie auch in dem der Aphrodite von Paphos: W. Richter, KP 5 (1975) 535; Burkert (1977) 238. Die Taube als Symbol der Dea Syria: W. Fauth, KP 1 (1964) 402. Zusammenhang mit den Sintflutsagen ungeklärt: W. Richter, KP 5 (1975) 536.
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Astarte, ist zwar wesensähnlich mit Atargatis, der Hauptgöttin von Hierapolis”, doch ob hier tiefere Zusammenhänge bestehen, bleibt fraglich, zumal beim hierapolitanischen Sintflutritual gerade nicht Atargatis im Zentrum steht. Wie die Gieß- so werden auch die Besprengungsrituale im allgemeinen mit Fruchtbarkeit assoziiert, was im Falle von Larnaka und beim armenischen Brauch eine Stütze in der Verbindung des Rituals mit der Göttin der Fruchtbarkeit, Aphrodite/Astarte, findet*“. Daß es grund¬ sätzlich aber wohl einfach um einen mit den Mitteln des Kultes markier¬ ten Neubeginn geht, zeigen zwei weitere Beispiele. So wird in Indien beim Geburtsfest Krishnas ein Mann mit gefärbtem Wasser übergossen*', und noch heute besprengen sich dort die Leute mit farbigem Wasser, wenn sie den Beginn des Sommers feiern*L Ein Neubeginn setzt nämlich immer eine kultische Reinigung voraus; diese schon im Zusammenhang mit den athenischen Hydrophorien geäußerte Vermutung findet eine ver¬ blüffende Bestätigung in einer Reportage aus unserer Zeit über das sog. Voodoo-Fest auf Haiti, zu dem sich einmal im Jahr die Ärmsten der Armen im zentralen Bergland der Insel treffen, um mit Wasser alle Sorgen und Sünden abzuwaschen**. Aus dem griechischen Raum sind derartige Besprengungsrituale kaum bekannt; einzig Aristophanes (Fax 970-2) gilt ein im Kult über und über mit Wasser Begossener als ein Ausbund an Frömmigkeit und das heißt doch wohl als ein kultisch Reiner. Doch kehren wir zu Lukians Traktat über die Syrische Göttin zurück. Dabei sollen nicht allein die Hydrophoria im Zentrum des Interesses stehen, denn in seinen Vorarbeiten zu den „Gefesselten Göttern" hat Meuli*“ im Hinblick auf Hierapolis Beziehungen zwischen der rituellen Wegführung eines Götterbildes aus dem Tempel und den Sintflutsagen
" W. Fauth, KP 1 (1964) 1401. *“ Zum Besprengen vgl. Mannhardt (1875) 259; 585/6. Wasserkult auch für die iranische Göttin der Fruchtbarkeit Ardvi Sürä Anähitä (ursprünglich Personifikation eines Flusses): Storm (1974) 41, hier auch weitere Literatur; vgl. ferner Puech (1970) 645. Wohl zu gewagt scheint die Spekulation, der Bezug dieser Rituale sowohl auf die Sintflut als auch auf Aphrodi¬ te/Astarte spiegle die Tatsache, daß in den orientalischen Sagen neben Ea/Enki (- S. 214/5) noch eine Muttergottheit für den Flutheros und die Menschen eintritt (Gilgames-Epos 11,162-9 [Ausgaben - Zweiter Teil: 1.1 l.b. Anm. 3]. Atrahasis-Epos: Lambert-Millard [1969] 95-7, Labat [1970] 34/5, Beyerlin [1975] 116/7. Vgl. Simoons-Vermeer [1974] 28; 34); die phrygische Flutsage hängt eng mit der Überlieferung um die Große Mutter zusammen; - S. 127-9. In den Kreis dieser weiblichen Gottheiten, welche gerade im Orient kaum klar voneinander zu trennen sind, gehört aber auch die Göttin von Hierapolis (Vgl. W. Fauth, KP 1 [1964] 1401; zur HdtTip öpeia- IV.2. Anm 17). Obwohl eine Göttin sowohl im Gilgames- als auch im AtrahasisEpos die Konstanz des die Vernichtung überdauernden Lebens verkörpert, spielt sie doch jeweilen, mit Ea/Enki verglichen, nur eine Nebenrolle; vgl. aber Frazer (1919) 277/8. Mannhardt (1877) 263 Anm. 1. Bunte Illustrierte, Offenburg 10. 8. 1971 (Nr. 33). Stern, Hamburg 15.10. 1981 (Nr. 43). (1975) II 1044; 1073.
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vermutet. Es sind zwei Stellen, die diesbezüglich zu prüfen sind. Zum einen berichtet Lukian (Syr. D. 47), daß ta ipa navxa aus dem Tempel an den heiligen Teich hinuntersteigen. Weil sich unter diesen ipd auch Hera - das ist Lukians interpretatio Graeca für Atargatis, die Herrin des Heilig¬ tums von Hierapolis*^ - befindet, muß lö ipov hier wohl das Kultbild bezeichnen, obwohl Substantivierungen dieses Adjektivs üblicherweise das Opfer meinen*^ Daß es dabei um eine kultische Reinigung der Götterbilder aus dem Tempel der Dea Syria ging, kann auf Grund der dürftigen Angaben Lukians nicht mehr als eine Vermutung sein, die nur durch Analogieschlüsse gestützt wird", und ein Zusammenhang mit dem Sintflutspiel ist nicht gesichert, denn die an die Sintflut erinnernde Zeremonie, Wasser in den Tempel zu tragen, wird erst im folgenden Abschnitt wieder erwähnt, doch nur, um die mit diesem Ritual verbun¬ dene Prozession zum Meer als die bedeutendere vom vorher geschilder¬ ten Fest am heiligen Teich abzuheben®*. Ein Kultgerät wird nach Lukian (Syr. D. 33 = Nr. 64) aber auch aus dem Tempel genommen und zum Meer hinabgetragen, wenn die auf die Sintflut bezogene Hydrophorie stattfindet. Es ist das goldene or|pf|iov, das Bild einer „syrischen Gottheit ungewisser Wesensart"®’ und keinem andern Götterbild vergleichbar, das zweimal jährlich zum Meer geht zur Herbeischaffung des erwähnten (Syr. D. 13 = Nr. 64) Wassers’“. Während sich Lukians Sintflutaition allein auf das Wassertragen bezieht und sein Bericht sich darüber aus¬ schweigt, wie die Hierapolitaner die Verknüpfung jenes rätselhaften Kultobjektes mit den Hydrophoria erklärten”, weiß ein syrischer Text aus dem 3. Jh. n. Chr.’^ mehr zu erzählen: Einst hätte in einem Brunnen¬ schacht im Wald von Mabug, das ist Hierapolis, ein böser Geist gehaust, der die Vorübergehenden belästigt und angegriffen habe. Gebannt wer¬ den konnte dieser Geist erst von zwei Magiern, dem Thraker Orpheus
Syr. D. 31. So schon Lagrange (1905) 166. Vgl. z.B. die Prozession der Pallas zum Meer in Phaleron, dazu Burkert (1970)'. Meuli (1975) II 1061 Anm. 3, 1066 Anm. 11, 1147/8 Anm. 3. '* Die Spitzenstellung von peYioxai verbunden mit adversativem öe in Syr. D. 48 weist doch wohl auf einen Superlativ im Gegensatz zu dem als Elativ zu verstehenden peyiaxai in Syr. D. 47. *’ W. Fauth, KP 5 (1975) 200. Gestell, das andere Götterbilder trägt, auf syrischen Siegelzy¬ lindern abgebildet. Seyrig (1960) 233—41; Darstellungen aus Hatra, wo das ornifiro'^ wie in Bambyke neben Hadad und Atargatis verehrt wurde: Pirenne (1959) 293/4. Literatur zur Bedeutung dieses Rituals bei Bidez-Cumont (1938) 1 95 Anm. 6. Fruchtbar¬ keitsmagie (Regenzauber): Lagrange (1905) 167. ” Luc. Syr. D. 33 = Nr. 64 sagt nur, daß das aT|pt|io'' entweder von Deukalion, Semiramis oder Dionysos in den Kult eingeführt worden sei; die gleichen drei Namen stehen auch für die Tempelgründer zur Auswahl: Syr. D. 12 = Nr. 64; 14; 16. ” Pseudo-Meliton Corp. Apol. Chr. IX 426/7 (= Honigmann, RE Suppl. 4 [1924] 735). Bidez-Cumont (1938) II 94, Seyrig (I960) 246; vgl. Renan (1868) 319.
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und dem Perser Zoroaster”, d.h. von zwei im Tempel der Dea Syria verehrten Gottheiten, denn hinter Orpheus steht der von Lukian er¬ wähnte Hermes’h und Zoroaster setzt der Text mit Hadran, also wohl Hadad, gleich’^ Diese beiden unter persisehem Einfluß als Magier bezeichneten Götter hätten nämlich Simi, offensichtlich eine Personifika¬ tion des öTi|if|iov, beauftragt, Wasser aus dem Meer zu schöpfen und in den besagten Brunnenschacht zu schütten, damit jener Geist nicht mehr herauskomme und das Land heimsuche’^ Nach Pirenne’’ klingt in dieser Tradition Iranisches an: Der in die Tiefe vertriebene Geist sei der Verursacher der Sintflut gewesen, und was die Gottheit Simi vollbracht habe, sei zu vergleichen mit der pehlevischen Überlieferung, daß Saman den gefährlichen Wasserdämon Gandarfi be¬ siegt habe, einer Tat, die der Menschheit ebensosehr genützt habe wie ihre Errettung aus der von Ahriman verursachten Sintflut durch Mithras. Ebenfalls iranischen Ursprungs sei das entsprechende HydrophorienRitual von Hatra im Zweistromland’*, wo wie in Hierapolis Hadad und Atargatis zusammen mit der mysteriösen Gottheit Simia eine Trias bil¬ den”. Doch könnte Iranisches höchstens in die Aitien eingeflossen sein'““, weil rituelles Handeln als solches in allgemein menschlichen und nicht stammesspezifischen Schichten gründet; dies lehrt auch die Verbreitung der Gießrituale im ganzen Vordem Orient. Wir müssen uns aber nicht mit dieser Feststellung bereits zufriedengeben; das Motiv vom Geist, der in die Tiefe eines Brunnenschachts gebannt wird, ist nämlich nicht ein¬ deutig iranischen Ursprungs, sondern kann ebensogut die Brücke zu den Sintflutsagen des Alten Orients schlagen, denn unheilbringende Dämo¬ nen, deren Aufsteigen aus der Unterwelt den Ausbruch der Sintflut be¬ gleitet, kennt auch der babylonische Erra-Mythos'“’. Wenn jener syrischen Überlieferung das Flutmotiv fehlt, darf nicht übersehen werden, daß sich in Athen die Begründungen für die einzelnen Anthesterienbräuche wie Wetttrinken und Maskentreiben ebenfalls nicht zu einem geschlossenen System vereinigen lassen, denn ursprünglich ist das Ritual, dessen verschiedenen Aspekten jeweils verschiedene Aitien gerecht werden. Der zur Klärung dieser Beziehungen beim hierapolitanischen Ritualkomplex notwendigen Deutung scheint am ehesten die der Hydrophorie geltende Prozession zum Meer, an der das oppfiiov mitgetra-
” Im Text: Zaraduscht. ” Pirenne (1959) 291, Bidez-Cumont (1938) II 94 Anm. 2. Bidez-Cumont (1938) II 95 Anm. 3. Renan (1868) 324/5. ” (1959) 295; 297/8; vgl. Bidez-Cumont (1938) II 148 Anm. 2. Pirenne (1959) 291/2; 293; 296. ” W. Fauth, KP 5 (1975) 200. 100 Ygj Bidez-Cumont (1938) I 39/40. 1,170-8: Labat (1970) 123, Cagni (1977) 34.
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gen wurde, zugänglich zu sein. Sie läßt sich nämlich als eine Handlung verstehen, die eine rituelle Ausnahmezeit eröffnet, denn verläßt ein Ge¬ genstand kultischer Verehrung seinen gewohnten Platz im Tempel, so bedeutet dies die Aufhebung der gewohnten Ordnung; seine Rückkehr hingegen signalisiert den Neubeginn'“b Und nun erschließen sich auch die dazugehörigen Mythen dem Verständnis; Wie die unheimliche Aus¬ nahmezeit im Bild eines umherschweifenden unreinen Geistes gesehen wird, der dem wiedererrichteten Götterbild weichen muß, so versinn¬ bildlicht sich im Sintflutmotiv der innere Zusammenhang zwischen ri¬ tuellem Wassergießen und Neubeginn. Obwohl es nicht ausdrücklich in Lukians Text steht, wird wohl das Ausgießen des vom Meer hergetrage¬ nen Wassers die Wiederaufstehung des begleitet haben, so daß an eine Libation, an ein Flüssigkeitsopfer, gedacht werden könnte, das den ganzen Ritualkomplex beschließt. Denn rituelles Wegschütten des im Mittelmeerraum und Vorderen Orient so lebenswichtigen Wassers begründet die alltägliche Ordnung des Verzichts, markiert sehr oft den Wiederbeginn der Normalität'“. Da es in Hierapolis jedoch unbekömmliches Salzwasser ist, das weggeschüttet wird, muß wohl auf diese Deu¬ tung verzichtet und in einer andern Richtung gesucht werden. Salzwasser wird bei den Griechen in Reinigungsritualen verwendet'“, in Ritualen also, die von einer Befleckung befreien. Der Möglichkeiten, als unrein zu gelten, gab es in den frühen Gesehschaften viele'“; auch rituelle Ausnahmeperioden, wie sie in Hierapolis zweimal jährlich mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Hydrophorie überwunden wurden, sind Tage der Befleckung: Das im Tempel zum Schluß ausgegossene Wasser stellt demnach die kultische Reinheit wieder her und leitet zum Alltag über. Diese Erklärung der hierapolitanischen SalzwasserHydrophoria beruht zwar auf einem griechischen Reinigungszeremo¬ niell, doch sie wird durch den schon erwähnten syrischen Text gestützt, weil darin der mit Wasser in die Tiefe gebannte Geist wohl nicht zufäUig als unrein bezeichnet wird'“.
Vgl, Burkert (1970)'. - Anm. 106. Vgl. Burkert (1972) 66; (1977) 125. Auf der Akropolis in Athen stand eine Statue der Ge, die Zeus um Regen bat: Paus. 1,24,3; vgl. Marc Aurel, Tä ei? eauröv 5,7. - Anm 17 Rohde (1898) II 405/6. Vgl. Burkert (1977) 129-142. An derartige Rituale läßt sich vielleicht die Vorstellung anschließen, nach der ein Toter unter der Voraussetzung, daß er sich in seinem Leben dieser Ehre für würdig erwiesen hat, von einem heiligen Regen entsühnt und begraben, durch die Natur selbst seine Ruhe finden kann. Was dem unglücklichen Ödipus nach Meinung von Kreon nie zuteil werden wird (S. OT 1426-8), erzählt der römische Geograph Pomponius Mela (Chorographie 3,106) von Antaios, dem Sohn der Erdgöttin: Immer wenn etwas von dessen Grabhügel weggegraben wird, so daß also befürchtet werden müßte, die Gebeine würden freigelegt, regnet es jeweils so lange, bis herangeschwemmte Erde alles wieder aufgefüllt hat; dazu Cook (1940) 440. Vgl. Cic. leg. 2,56: Bei der Bestattung wird der Leib durch die Mutter umhüllt. Doch die offensichtliche Paraüeli-
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Wollte man Meulis'“’ Intentionen folgen, würde dieser unreine Geist, der zuerst besiegt und vertrieben werden muß, bevor man zur Normalität zurückkehren kann, als Vertreter der während der Ausnahmeperiode bei den Lebenden zu Besuch weilenden verstorbenen Ahnen zu deuten sein; denn hauptsächlich auf die Traditionen von Thessalien und Athen ge¬ stützt, geht seine Hypothese im Anschluß an Eliade dahin, daß Sintflut¬ spiele eine Art Neu)ahrszeremoniell seien, das eine große Reinigung und Entsühnung der Welt symbolisiere und den Abschluß eines saturnalien¬ artigen, auf die Vorstellung eines Ahnenbesuchs zurückgehenden Mas¬ kenfestes bilde‘°L Was den letzten Punkt betrifft, kann sich diese Theorie sogar auf ein eindeutiges Zeugnis aus der Antike stützen, denn nach Ovid (fast. 4,785-94 = Nr. 4) wurde die am römischen Parilienfest mit Wasser vollzogene Entsühnung von manchen als Sintflutspiel verstanden. Doch einmal abgesehen davon, daß der halbjährliche Rhythmus, in dem in Hierapolis die Hydrophoria zelebriert wurden, mit einem Neujahrsfest schwer zu vereinbaren ist und das Sintflutmotiv wohl nicht allein in die athenischen Anthesterien erst sekundär eindrang, ist der Zusammen¬ hang zwischen Mythos und Ritual im Fall der Sintflutsagen doch wohl komplexer'“’, auch wenn die Vorstellung vom Neubeginn nach der gro¬ ßen Flut, in der die Erde von allem Schmutz reingewaschen wird, an sich sehr gut mit der Funktion der besprochenen Gieß- und Besprengungsrituale korrespondiert. Da das Motiv, daß die Zeit vor der Flut eine schlechte und mithin ,unreine' gewesen sei, als Produkt sekundärer Sagenausdeu¬ tung betrachtet werden muß““, bereitet es Mühe sich vorzustellen, Sint-
tät zu der Sage von Libethra (Paus. 9,30,9-11 = Nr. 153), in der die freigelegten Gebeine des Orpheus eine Überflutung auslösen, und derjenigen von Andania (Paus. 4,20,4; 26,7/8 = Nr. 152), daß dann eine Flut komme, wenn das Heilige der Mysterien verloren gehe, weist von neuem auf das Motiv, daß Gefahr droht, sobald an etwas für den Kult der Gemeinschaft Grundlegendes gerührt wird, und das muß nicht unbedingt ein Götterbild, sondern kann auch ein Grab oder Mysteriengeheimnis sein. Vgl. auch den Steinregen, den nach römischem Glauben eine Vernachlässigung des Götterkultes verursacht: Liv. 1,31,1-4; Latte (1960) 204. (1975)1299. Zitiert von Meuli (1975) 1299, vgl. Eliade (1976) 22. Vgl. auch das jährliche Bad Heras in der Kanathos-Quelle bei Nauplia, wodurch sie jeweils wieder ihre Jungfräulichkeit zurückge¬ wann: Paus. 2,38,2. Frazer (1911) II 162. Im Gegensatz zu Lambert-Millard ([1969] 7) nimmt Meuli ([1975] II 1032/3) an, daß am babylonischen Neujahrsfest auch die Sintflutsage rezitiert wurde, genau wie bei den nordame¬ rikanischen Mandanen, deren Flutsage nach Winternitz ([1901] 326) allerdings stark von dem durch Missionare verbreiteten biblischen Sintflutbericht beeinflußt sein soll. Beschreibung des Rituals: Frazer (1919) 292-4. In diesem Zusammenhang ist eine Stelle aus dem GilgamesEpos (11,74) von besonderem Interesse: Bevor nämlich Utnapistim das Schiff besteigt, veran¬ staltet er ein Fest, wie es jeweilen am babylonischen Neujahrstag abgehalten wird. Inwiefern hier ein Bezug auf den Neujahrskult vorliegt, kann aber nicht gesagt werden. Ein Fest auch im Atrahasis-Epos:Lambert-MiUard (1969) 93, Labat (1970) 35, Beyerlin (1975) 118. Vgl.Dhorme (1949) 242-4. '■» - S. 205-16.
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flut sei ursprünglich eine bloße Chiffre für „das Auftauchen einer neuen, reinen Welt" nach einer rituellen „regeneration totale du temps"'" und die dazugehörenden verwickelten Mythen somit nur Verbalisierungen von Reinigungsritualen, wie es die strenge ,Myth-and-ritual'-Theorie ver¬ langt, zumal da das für die eigentlichen Sintflutmythen so typische Motiv des Flutheros dabei unberücksichtigt bleiht. Die genaueste Entsprechung findet die vom or|iif|iov hegleitete hierapolitanische Prozession, deren Rückkehr zum Tempel anscheinend das Ende der mit Sintflut assoziierten Ausnahmezeit bedeutete, eigentlich nicht im Sintflut-, sondern im babylonischen Erra-Mythos (1,170-8), der auf folgender Vorstellung aufbaut: Wenn Marduk seinen Sitz verläßt, besteht kein Gleichgewicht mehr zwischen Himmel und Erde, das Was¬ ser steigt zur Sintflut an”^ und zerstört das Land, eine Finsternis bricht herein, Sturmwinde toben, und auch Dämonen steigen aus der Unterwelt empor und packen die Menschen"L Der Mythos geht von der Fiktion aus, daß dies bereits einmal passiert war, als Marduk aus nicht genannten Gründen einst ein großer Zorn gepackt hatte, und läßt den Gott erzählen (1,131-60)"'', welchen Schwierigkeiten er sich gegenüber sah, nachdem er an seinen Platz zurückgekehrt war: Die Menschheit lag darnieder und mußte von Marduk persönlich wieder zum Leben erweckt werden. Be¬ reits das Motiv vom Gott, der weggeht und wiederkommt, erinnert an die erwähnten rituellen Gebräuche, in deren Verlauf man Götterbilder - und dazu darf man wohl auch das ormfiiov zählen - aus dem Tempel holt und zu einem nahen Gewässer trägt, um sie zu ,waschen'. Einer solchen Interpretation steht allerdings die Ansicht entgegen, daß es in diesem babylonischen Gedicht um die mystischen Beziehungen zwischen dem Gott und seiner Kultstatue gehe, die er als seine irdische Hülle jederzeit nach Belieben verlassen kann"L Doch der Zusammenhang mit dem Ritual scheint in der Fortsetzung der Rede Marduks unübersehbar: Da geht nicht nur der Neubau eines Tempels mit der Wiedererschaffung des Menschengeschlechts einher, sondern auch der göttliche Schmuck, der in der Sintflut gelitten hat, erhält seinen Glanz zurück im Feuer, das ebenso die Kleider des Gottes reinigt. Die Aufzählung aller mythischen Spezialisten und Materialien, ohne die das Kultbild von Marduk - denn dies ist mit ,Schmuck' gemeint'" - nicht wieder in alter Pracht errichtet
Vgl. Meuli (1975) I 297 Anm. 2; 299. Der Bezug auf die Sintflut wird gestützt durch V. 131-4, Labat (1970) 121, Cagni (1977) 32. Marduk als Garant von Fruchtbarkeit und Wohlergehen auf der Erde: Enuma Elis 7,57-60 (Ausgaben - 1. Anm. 23). Cagni a.a.O. 33 Anm. 36. Labat (1970) 123, Cagni (1977) 34. "" Labat (1970) 121/2, Cagni (1977) 32; zur Begründung 31 Anm. 31, 33 Anm 36. Labat (1970) 114/5; anders Cagni (1977) 33 Anm. 36, 35 Anm. 52. Labat (1970) 121 Anm. 7, vgl. Cagni (1977) 31 Anm. 34.
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werden kann, evoziert vollends das Bild einer rituellen Neuschmückung der,gewaschenen' Statue durch die Priester. In diesen Zusammenhang gehört vielleicht auch das Klageritual des Nannakos: Um die drohende Sintflut ahzuwenden, möchte man den zuständigen Gott an seinen gewohnten, die Normalität garantierenden Platz zurückrufen, ähnlich wie es die Priester des Baal auf dem Berge Karmel versuchten"’; damit ließe sich ferner das Gehet des Aiakos"* vergleichen. Flut und das an einem erhöhten Standort gesprochene Gebet um Wohlergehen bringt Lukian (Syr. D. 28 = Nr. 64)"’ zur Erklärung der zweimal jährlich - wohl parallel zur Fiydrophorie - stattfindenden Phal¬ lenbesteigung zusammen, allerdings in der Form einer Doppelinterpreta¬ tion, doch dürfen die beiden Motive möglicherweise als zwei Facetten ein und derselben mythischen Vorstellung nicht getrennt werden"“, obwohl ,Sintflut' zunehmend als Aition für jedes rituelle Hinauf- und Hinabge¬ hen eingesetzt worden zu sein scheint, wie eine bei Augustin (civ. 18,12 = Nr. 5) überlieferte Erklärung für einen Luperkalienbrauch zeigt"*. Die mythischen Korrelate zu den im Ritual regelmäßig wiederholten Handlungen müssen motiviert werden: Wenn die Menschen das Götter¬ bild von seinem Platz wegtragen, ist die Tradition ein völlig hinreichen¬ der Grund dafür, doch der Mythos erzählt von Zorn oder Trauer, welche die Gottheit veranlaßt haben, ihren Sitz zu verlassen und die kosmische Ordnung zu gefährden; allein das seelische Gleichgewicht des obersten Gottes kann die Harmonie im Kosmos und damit die Lebensgrundlagen für die Menschheit sichern. Den beiden polaren Gemütsstimmungen Trauer und Zorn entsprechen ebenso gegensätzliche Auswirkungen: Un¬ fruchtbarkeit der Erde und Sintflut gewissermaßen als Spiegelungen von zuwenig und zuviel göttlicher Energie*", wobei im Erra-Mythos wie auch in der hethitischen Überlieferung von Telipinu diese Motive zum Teil ineinander übergehen*". Der Erra-Mythos reflektiert wie die Sintflutsa¬ gen die menschliche Sorge um den Fortbestand der durch Marduk gesi¬ cherten Weltordnung, wie sie neben dem babylonischen Neujahrsri¬ tual*" auch im Mythos von Anzu zum Ausdruck kommt. Der Gottheit Anzu gelang es nämlich einmal, als Enlil, der oberste Gott der Akkader, gerade im Bad war, sich dessen abgelegter Machtinsignien zu bemächti-
AT 1. Könige 18,27; vgl. Meuli (1975) II 1073/4. '■* - S. 217; 243/4. Vgl. Syr- D- H- S. 189-93; 235; 254. Vgl. Ulf (1982) 66. Vgl. Burkert( 1979) 123-42. Elements (1960) 151:ParalleleGeschichten vom Verschwin¬ den des Sturm- und Wettergottes. - S. 190/1. 1,137/8: Labat (1970) 121, Cagni (1977) 32. - S. 204. ANET 332/3.
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gen'^’ und damit auf einen schwer zugänglichen Berg zu flüchten'^^, wo er von den andern Göttern nur mit Mühe überwältigt werden konnte'^’. Wenn dabei wie im analogen Fall des aus dem Lugal-Epos bekannten Dämons Asakku vom Kriegsgott Ninurta die Sintflut-Waffe eingesetzt wird'^*, so gehören auch hier strukturalistisch gesehen Sintflut und ein sein ihm übertragenes Amt nicht versehender oberster Gott zusammen. Der Name Anzu führt im übrigen wieder zurück zum Ritual, denn dieser Gott wurde im babylonischen Neujahrsritual, in dessen Zentrum die Neuinthronisation von Marduk stand, jeweils symbolisch besiegt'^h Dieser positiven Bewertung von Marduks Macht steht eine negative in den,echten' Sintflutsagen gegenüber, denn hier tritt uns eine ganz andere Vorstellungswelt entgegen. Es fehlt ihnen nämlich das für den ErraMythos so typische im Rituellen wurzelnde Motiv, daß die Katastrophe eigentlich die Eolge eines Rückzugs des obersten Gottes von der Aus¬ übung seiner Macht darstellt. Enlil löst die Katastrophe um ihrer selbst willen als souveräner Gott gewissermaßen - um das Bild des Erra-Mythos zu variieren - majestätisch auf seinem Throne sitzend auS; etwas Verbin¬ dendes könnte höchstens darin gesehen werden, daß im Atrahasis-Epos die Flut ebenfalls durch einen zürnenden Gott verursacht wird'^“. Da auf Grund dieses Unterschieds die Fiandlung der eigentlichen Sintflutsagen auch nicht auf eine die Ordnung im Kosmos sichernde Wiedereinsetzung des obersten Gottes in sein Amt hinzielen kann, ist diesen Mythen ein anderes die Handlung weitertreibendes Motiv eigen: der Flutheros.
VI. Die Jenseitsreise des Flutheros Die griechische Flutsage ist anthropozentrisch: Im Mittelpunkt steht das Überleben des Flutheros; auf die Rettung der Tierwelt gehen die antiken Fluterzählungen kaum ein, was bei vielen Texten aber einfach darauf zurückzuführen ist, daß die nicht überfluteten Berge Mensch und Tier
1II 17-21: Labat (1970) 83, 1 II 22, vgl. 45: Labat (1970) 83. Vgl. Labat (1970) 81. Van Dijk (1983) 3/4; 24/5. -* Zweiter Teil: 1.1 l.b, Anm. 4. Labat (1970) 80; vgl. Cornford (1952) 225-38. Zwar scheint sich das Lugal-Epos in ganz besonderem Maße auf ein Ritual zu beziehen, doch in welchem Verhältnis zum Kult die das Sintflutmotiv enthaltende Passage sUnd, bleibt uns unbekannt: van Dijk (1983) 9; 26; 28-3049. - S. 204/5; 212.
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gleichermaßen ausreichend Schutz hieten'. Von denjenigen Quellen, wel¬ che die vollständige Auslöschung jeglichen irdischen Lebens außer dem des Flutheros kennen, erklärt nur gerade Ovid (met. 1,416-37) die Er¬ neuerung des tierischen Lebens nach der Flut, und zwar mit einer in der Antike geläufigen naturwissenschaftlichen Theorie: Es entsteht aus der noch feuchten und von der Sonne erwärmten ErdeL Ovid hat also zu einem den Sintflutsagen ursprünglich fremden Motiv gegriffen. Obwohl die ovidische Form der Deukalionsage nicht allein auf den Menschen ausgerichtet ist, bleibt sie trotzdem immer noch anthropozentrischer als die entsprechenden orientalischen Mythen, die das Überleben der Tiere direkt mit dem Flutheros verbinden: Die Keime jeglichen Lebens, sei es nun Mensch oder Tier, werden alle zusammen in der Arche bewahrtL Was Deukalion betrifft, so kümmert er sich nur gerade in der Sage von Hierapolis'* * um die Tierwelt, eben in der Sage, die auch sonst stark orientalisiert ist. Lukian (Syr.D. 12 = Nr. 64,- Salt. 39 = Nr. 11) nennt denn auch den Kasten, in dem Deukalion überlebte, nicht nur Actpva^, sondern (Tim. 3 = Nr. 12) auch Kißwiiov - ein Deminutiv zu xißcoTog, mit dem die Septuaginta (1. Mose 6,14) die Arche Noahs bezeichnet.
1. Deukalion und Larnax Unabhängig davon, ob noch weitere Menschen überleben oder nicht', übersteht der Flutheros Deukalion - in manchen Fällen zusammen mit Pyrrha - die Flut in einer LarnaxL Das griechische Wort Adpva^ bedeutet ,Truhe' und dient zur Aufnahme irgendwelcher Dingeß auch die Bedeu¬ tung ,Sarg' ist belegtß Eine Larnax nimmt den von Atreus erdrosselten
' Die Tierwelt wird noch am ehesten berücksichtigt, wenn die Auswirkungen der Flut auf die Natur beschrieben werden; - S. 201/2; 211/2. ^ Vgl. Lucr. 2,865-85, D.S. 5,56,3 = Nr. 112. Zur generatio aequivoca Börner (1969) 133. ^ Gilgames-Epos 11,83-5 (Ausgaben- ZweiterTeihl.ll.b.Anm. 3). Atrahasis-Epos: ANET 105, Lambert-Millard (1969) 93, Labat (1970) 34. AT 1. Mose 7,7-9. ^ Luc. Syr. D. 12 = Nr. 64. * xißwTiov für die Larnax von Deukalion auch Schob Pi. O. 9,70 p. 217 = Nr. 61, jüdisch¬ christliche Tradition. - S. 129. ' - S. 211/2. ^ Andron FGrHist 10 F 8 = Nr. 21 (vgl. St. Byz. s.v. Ilapvaoaoi;); ApoUod. 1,48 = Nr. 28; Epich. CGFPap Nr. 85,2; 6; 9; Hellanic. FGrHist4 F 117 = Nr. 26; Luc. Syr. D, 12 = Nr. 64, Salt. 39 = Nr. ll;Nonn. D. 3,212; 6,370; 12,62 = Nr. 108-10; Plu. Mor. 968f = Nr. 55; Rufin. Clement. 8,50 = Nr. 57; Schob Pi. O. 9,62b. Vgl. Theophib Ant. Autob 3,18 = Nr. 62. ^ Hom. 11. 18,413, Hdt. 3,123,2; vgl. Kirk (1970) 200; Richter (1966) 385. In Rom erzählte man, daß die ,Bücher des Numa' in einer steinernen Larnax aufbewahrt worden seien: Cassius Hemina bei Liv. 40,29; D.H. 4,62,5. ‘ Hom. Ib 24,795, Th. 2,34,3.
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Widder auf^ und Aphrodite verbirgt Adonis in einer Larnax^ wie Athene den Erichthonios in einer xloxrih Bekannt ist das Motiv, daß Menschen, meistens eine Mutter mit ihrem Kind, in einer Larnax auf dem Wasser ausgesetzt werden und überleben® - ebenso wie der lemnische König Thoas, der, den männermordenden Lemnierinnen entkommend, in einer Larnax nach der Insel Sikinos gelangte’. Lykos von Rhegion (FGrHist 570 F 7)'“ überliefert eine merkwürdige Geschichte von einem frommen Hirten, den sein Herr für zwei Monate in eine solche Truhe sperrte und begrub, um zu prüfen, ob die Götter ihm auch Hilfe leisten würden, und der dann tatsächlich überlebte. Die Rettung in der mit einem Deckel verschlossenen Truhe ist oft rationalistisch umgedeutet worden: Bei Ovid (met. 1,318/9 = Nr. 3) ersetzt ein Floß den rätselhaften Holzkasten; manchmal ist sogar von einem Boot die Rede''. Die gleiche Tendenz und wohl nicht das Motiv des Kosmischen Berges hat auch diejenigen Texte geprägt, in denen sich Deukalion wie die andern Überlebenden einfach auf einen Berg, meistens den Parnaß, retten kann'h Die Einschließung von Mutter und göttlich gezeugtem Sohn in eine Larnax ist ein Topos der griechischen Heroensagen, den man mit den mittelalterlichen Gottesurteilen verglichen hat"; der künftige Held oder König muß sich nach Marie Delcourt“' dadurch legitimieren, daß er ein
’ Apollod. Epit. 2,10/1, Schol. E. Or. 811. ‘ Panyassis EGF 264 Erg. 25 (= Matthews [1974] 120]; vgl. Theoc. 15,33. Beziehungen zu Darstellungen aus Lokroi, die eine Frau mit einem Kind in einem Korb zeigen? Vgl. Zuntz (1971) 166-8. Sowohl das Scheit des Meleager (Apollod. 1,65) als auch das Ei der Leda (Apollod. 3,127) werden in eine Larnax gelegt. ’ Apollod. 3,189; vgl. Welcher (1824) 285. * Zusammenstellung bei Usenet (1899) 80-114; vgl. Cook (1940) 456. Zahlreich sind Vasenbilder zur Sage von Danae: Brommer (1973) 272/3. Auf dem Telephosfries von Perga¬ mon findet sich eine Darstellung des Behälters, in dem Telephos' Mutter Auge überlebt haben soll: J. Schmidt, RML 5 (1916-24) 298; Bauchhenß-Thüriedl (1971) 49. ’ Vgl. Burkert (1970) 7/8 und A. Modrze, RE6A (1936) 299. Es ist Thoas'Tochter Hypsipyle, die ihn in die Larnax schließt; ihr Name wird mit der Grossen Göttin in Verbindung gebracht; vgl. Burkert (1970) 8 Anm. 1. Vasenbild bei Richter (1966) 385; - V. Anm. 80. Vgl. Theoc. 7,78-85. " luv. 1,82, Schol. Stat. Theb. 3,560 = Nr. 7. Rationalistische Ausdeutung der Rettung in einer Larnax auch bei Kirk (1970) 200/1. Neben Deukalion und Fyrrha überleben weitere Menschen auf Flößen: lust. 2,6,11 = Nr. 33 (woraus Oros. hist. 1,9,2 und Isid. orig. 13,22,4 = Nr. 104). Larnax als Urschiff bei Hör. carm. 1,3,9-12: „Jener hatte Eichenholz und dreifaches Erz um die Brust, der als erster das gebrechliche Floß dem grimmigen Meer anvertraute." Para¬ phrase von Kießling-Heinze (1960) 22: „... wie in einer Lade aus Eichenholz mit dreifachem Erzbeschlag." Mythogr. 1,189, Prob. Verg. georg. 1,60-3 = Nr. 6, Serv. auct. ecl. 6,41 = Nr. 107, Schol. Pi. O. 9,64c, Schol. Verg. Bern. ecl. 6,41 = Nr. 35. Rettung auf dem Ätna: Hyg. fab. 153,1 = Nr. 14. Rettung auf dem Athos-Gebirge: Serv. auct. ecl. 6,41 = Nr. 107. -> S. 79. Glotz (1904), Picard (1958). Gängige Strafe bereits im Altertum: Delcourt (1944) 10/1; 36 Anm. 1. (1944) 1-65.
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Aussetzungsabenteuer heil überstehbb Einem Initiationsritual nicht un¬ ähnlich^ führt dieses Abenteuer über die Todesbegegnung zu neuem, von Außergewöhnlichem gekennzeichnetem Leben. Da in der ÖdipusErzählung die Aussetzung im Kithairon-Gebirge und die Einschließung in der Larnax gegeneinander austauschbar sind^®, kann der Aussetzung im Wasser kein besonderer Stellenwert zukommen, und die zwei Motive müssen in bezug auf ihre Funktion als völlig gleichwertig betrachtet werden: Beide geben sie der Auffassung Ausdruck, daß es nicht ein Mensch gewesen ist, der über das Schicksal von Ödipus endgültig ent¬ schieden hat, sondern die Götter. Wäre Ödipus dabei umgekommen, hätte sich die Gesellschaft auf Grund dieser Denkweise nicht mit einem Mord befleckt; im Hintergrund stehen dürfte also letztlich eine ,U nschuldskomödie'' ’. Beide Aussetzungsarten erinnern an sog. Sündenbock- oder Pharmakos-Rituale, durch deren Vollzug sich eine Gesellschaft von dem trennt, was den Göttern mißfällt, und sich entsühnt, indem sie eines ihrer Glie¬ der zum Träger alles Üblen und Bösen erklärt und ausstößt**. Solche Rituale können als jährliche Reinigungsopfer praktiziert werden, wie z.B. in Athen am Thargehenfest'b dann aber zu einem nicht geringen Teil auch spontan in Zeiten von Not und Bedrängnis^“. Pharmakos-Rituale setzen nach Burkerü' urmenschliche Verhaltensweisen fort, gefordert von Situationen, in denen sich eine Gruppe vor den sie bedrängenden Raubtieren nur retten kann, indem sie einen der Ihren opfert und den Tieren als Beute überläßt. Daß der Geopferte zum Träger aller Übel erklärt wurde, ist nichts anderes als Rechtfertigung dieser Rituale, deren Inhalt - seiner ursprünglichen Funktion entfremdet - moralisch anstößig wirken mußte”. Da ein Pharmakos der Gemeinschaft, die ihn opfert, Segen bringen soll, konnte der zu diesem Opfer Bestimmte aber auch als ehrenvoll Auserwählter hingestellt werden”. Deshalb ist es manchmal gerade der König, der ausgesetzt wird, wie der bereits erwähnte Thoas
” Binder (1964) 120. Vgl. die Sage vom Ring des Polykrates: Was aus den Fluten zurück¬ kehrt, ist von den Göttern gezeichnet; eigentlich Umkehrung eines Versenkungsopfers. Vgl. Versnel (1977). “ Schol. E. Ph. 26; vgl. Usener (1899) 90, Delcourt (1944) 3; 22/3. ” Vgl. Burkert (1972) 58 Anm. 46. " AT3.Mose 16. Frazer (1913). Burkert (1979) 59-77. Der Übergang vom Pharmakosritual zum sog. Votivopfer ist fließend: Smith (1899) 189. Zum ,ver sacrum W. Eisenhut, RE 8A (1955) 911-23. Vgl. Deubner (1932) 179-88. Abdera: Call. Frg. 90. Leukas: Str. 10,2,9; vgl. Phot. s.v. TiEpiilr-nixa. Chaironeia: Plu. Mor. 693f. Vgl. ferner Frazer (1913) 252-5. ^0 Marseille: Petron Frg. 1 (= Serv. Verg. Aen. 3,57). Vgl. Ephesos: Philostr. VA 4,10. (1976) 173. ” Vgl. Hsch. s.v. ex XäpvaxoQ : voOog; dazu Delcourt (1944) 37 Anm. 2. ” Vgl. Burkert (1976) 173.
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von Lemnos^'*. Daß sich der Flutheros vor seinen Mitmenschen auszeich¬ net, stimmt also mit der Ausdeutung eines rituellen Schemas überein: In der Larnax ist der Außergewöhnliche, sei er es nun als Sohn eines Gottes, als Träger des Übels oder als in Ehren stehender Retter einer bedrohten Gemeinschaft.
2. Dardanos und Askos Geheimnisvoll ist die Rettung Deukalions in der Sargtruhe, doch noch fantastischer ist die Art, wie sich Dardanos vor der Sintflut rettet: In eine Tierhaut, einen äoxoq, eingenäht soll er auf dem Wasser treibend überlebt haben. So wenigstens berichten es Lykophron (73-5 = Nr. 69)' und ein wohl von ihm abhängiges Homerscholion (T zu II. 20,219 = Nr. 75). Wie die Larnax ist auch der Askos ein für die Mittelmeerkulturen typischer Vorratsbehälterh HolzingeT glaubt in seinem Kommentar zu Lykophron, daß Dardanos ein aus aufgeblasenen Schläuchen bestehendes Floß benutzt habe. Derar¬ tige Flöße sind aus der antiken Literatur auch sonst bekannt* und vor allem im Orient gut bezeugt^ Dieser Interpretation widersprechen aber
” Ein dem Mythos entsprechendes Ritual wird nicht gefehlt haben. Neues, vom Meer her kommendes Lehen folgt auf Lemnos der mythischen dTioitonTtfi des Königs: Ein Schiff bringt von Delos her Feuer, das unter die Lemnier verteilt wird, und die während der Ausnahmezeit gelöschten Herdfeuer werden wieder entfacht; vgl. Burkert (1972) 214/5. König Kodros von Athen als Pharmakos: Im Knechtsgewand läßt er sich zum Wohl der Stadt von den Feinden erschlagen: Pherecyd. FGrHist 3 F 154, Hellanic. FGrHist 323a F 23; vgl. Scherhng, RE 11 (1921) 984-94. ' Der Vergleich, daß Dardanos dahintreibe örtoia Tiopxoi; loxpieh^ rEtpaaxeA.fii;, bereitet Schwie¬ rigkeiten; vgl. Holzinger (1895) 177/8. Was ist ein itopxog TetpaoxtAfii;, eine vierfüßige Reuse? Der Scholiast zu Vers 74 sagt, daß Dardanos Steine bei sich gehabt habe, was sich allenfalls mit Opp. H. 3,374/5 kombinieren ließe: Zum Fangen bestimmter Fische wurden vier Steine in die Reuse gelegt. Gab es aber wirklich Reusen aus aufgespannten Häuten? Als Tier gedeutet: Schob Lyc. 74 = Nr. 70. ^ Zum Askos Kerenyi (1976) 237 und Abb. 122; 126. Diese Entsprechung schließt wohl die Auffassung aus, daß der in den Askos Eingenähte als ein mit der Haut des Opfertieres Bekleideter zu verstehen ist: Odysseus und seine Gefährten retten sich aus der Höhle des Kyklopen, indem sie sich als Schafe tarnen, die sie anschließend opfern,- Hom. Od. 9,425-61. Schiffbrüchige hüllen sich in die Felle geschlachteter Ziegen,- Paus. 2,23,1. Diesen Erzählungen liegt das Motiv der Unschuldskomödie beim Tieropfer zugrunde: Burkert (1972) 129/30; 148. Die Aussetzung im Askos hingegen ist gewissermaßen eine Unschuldskomödie beim Men¬ schenopfer; vgl. Burkert a.a.O. 58 Anm. 46. - S. 260/1. Zum Opfer bestimmte Menschen als Tiere verkleidet: Burkert a.a.O. 29 Anm. 34. ’ (1895) 177 zu V. 72. * Nonn. D. 23,147-50, X. An. 1,5,10, Curtius Rufus 7,8. Vgl. Stiglitz (1959).
Vgl. Casson (1971)3; 6/7; Contenau (1941) 81 Fig, 11: Abbildung eines von aufgeblasenen Schläuchen getragenen Bootes, eines sog. Keleks.
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die griechischen Formulierungen; ev paTitö xuxei (Lyc. 73 = Nr. 69) und äoxöv xazaoxeväaac, xal üxoöuc; eit; autöv etpepexo xoTg uöaoiv (Schol. Fiom. T II. 20,219 = Nr. 75); insbesondere der Scholiast zu Homer stellt sich Dardanos ganz eindeutig in einen Ledersack eingeschlossen vor. Ge¬ stütztwird diese Feststellung durch die Tatsache, daß auch andere Quel¬ len die beiden Motive ,Einnähen in einen Sack' und, Aussetzung auf dem Meer' kennen; Während die im griechischen Bereich bezeugten Ausset¬ zungen im Sack der Lynchjustiz zugerechnet werden müssen^, kann die poena cullei bei den Römern eine rechtmäßig ausgefällte Strafe seinL Es seien hier auch die bei Plutarch (Thes. 24) überlieferten Orakel an Theseus, den Begründer des attischen Synoikismos, der in dieser Funktion dem Troia-Gründer Dardanos nahekommt, genannt; Die Pythia prophe¬ zeit Theseus, er werde wie ein Askos auf dem Wasser dahintreiben, aber nicht untergehenL In der christlichen Hagiographie legitimieren sich Heilige dadurch, daß sie eine Aussetzung im Sack überstehen* * - analog zur antiken Mythologie, die denjenigen als Helden anerkennt, der heil der Larnax entsteigt. Ferner ist das Motiv von der Rettung des in eine Haut eingenähten Menschen aus orientalischen Märchen bekannt'“; vielleicht nicht zufällig befand sich das Kcopuxiov avxpov, die nach dem Ledersack (xQpuxoc;) benannte Höhle, in die Typhoeus den Zeus sperrte, nachdem er ihm alle Sehnen weggenommen hatte, gerade im kleinasiatischen Kilikien"; Dieses Zeus' Sieg über Typhoeus vorangehende Stadium der Wehr¬ losigkeit könnte nämlich sehr wohl Spiegelung eines ursprünglich der Heldensage zugehörigen Motivs sein, demgemäß sich Überlegenheit erst ‘ Vgl, Glotz (1904) 31/2. ’ Hitzig, RE 4 (1900) 1747/8; Glotz (1904) 32/3. Ebenso im Rechtsbuch Churrätiens: Caminada (1970) 15. Vgl. die Einsperrung römischer Sklaven in der arca; Delcourt (1944) 10; 36 Anm. 1. * Vgl. Flaceliere (1948) 71. ’ Usener (1899) 143/4. Itinerarium D. Beniaminis, cum Versione et Notis Constantini l'Empereur. Lugd. Batavorum 1633 p. 110/1: Auf der Reise nach China, so geht die Erzählung, sei ein Meer zu passieren, in dem die Schiffe stecken bleiben. Die Menschen können sich nur retten, indem sie sich, eingenäht in die Häute von Stieren, ins Meer stürzen. Greifvögel halten dann die im Meer schwimmenden Säcke für Beutetiere und bringen sie an Land. Die Seefahrer aher schneiden sich mit dem mitgeführten Schwert heraus. - Zu ähnlichen Motiven in den Sindhad-Erzählungen Rohde (1914) 192-6 Anm. 1. Geschichte der Rupinika, in: Die Märchensammlung des Somadeva Bhatta aus Kaschmir. Aus dem Sanskrit ins Deutsche übersetzt von H. Brockhaus. 1. Teil. Leipzig 1843 p. 121-32: Ein Mann wollte sich in einem heiligen Teich ertränken. Auf dem Wege dorthin sehnte er sich nach einem schattigen Rastplatz. Da er keinen Baum fand, kroch er in einen zufällig daliegenden Leichnam eines Elefanten, der bis auf die Haut und die Knochen von wilden Tieren abgenagt worden war, und schlief ein. Regen setzte ein, die Wasserflut stieg. Dem Mann aber geschah nichts, weil sich die Elefantenhaut durch die Feuchtigkeit zusammengezogen hatte und so auf dem Wasser schwamm. Der Mann wurde aufs Meer hinausgeschwemmt, wo das Gebilde von einem riesigen Vogel aufgehoben und in ein fernes Land getragen wurde. " ApoUod. 1,42. Fontenrose (1959) 407-9; Clifford (1972) 136; 189.
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im glücklichen Überstehen einer Einschließung im Ledersack manife¬ stiert'L Um Dardanos alle Züge eines Helden zu verleihen^ hat Lykophron vermutlich die vorgegebene Überfahrt nach Troia dem Topos von der Aussetzung in der Larnax angeglichen, dabei aber - als hellenistischer poeta doctus - vielleicht eine eigenständige Lokaltradition aufgegriffen und die gebräuchliche Larnax durch den Askos ersetzt'L
3. Der Weise als Pharmakos Die Rettung Noahs erinnert genauso wie die der griechischen Flutheroen an ein heil überstandenes Aussetzungsabenteuer'. Das hebräische Wort ,tbh' für die Arche^ bezeichnet nämlich auch den geflochtenen Behälter, in dem der kleine Moses ausgesetzt wurde und der ihm im Sumpf das Überleben bis zu seiner Auffindung ermöglichteh Körbchen und Truhe erfüllen dieselbe Funktion und sind offenbar untereinander austausch¬ bar. In der Geschichte von Kypselos ersetzt eventuell ein Bienenkorb die Larnax'*, während Telephos' Mutter Auge nach einer antiken DarsteUung anscheinend in einem bottichartigen Behälter dem Meer übergeben wurdeL Obwohl die übrigen orientalischen Sintflutsagen die vom Flutheros zur Aufnahme von Menschen und Tieren gebaute schwimmfähige Kon¬ struktion mit Wörtern bezeichnen, die alle etwa ,großes Schiff' bedeuten^ haben auch hier Aussetzungsrituale das Motiv von der wunderbaren Rettung des Flutheros mitgeprägt. Entscheidend sind in diesem Punkt die merkwürdigen Anweisungen, die Fa dem Utnapistim für sein Verhalten neugierigen Mitbürgern gegenüber gibt': Wenn jemand frage, was der Bau eines derart riesigen Kastens zu bedeuten habe, solle er ihnen, um die
Anders Kerenyi (1976) 52-7. Da derTyphoeus-Mythos die Umbildung einer hethitischen Vorlage darstellt, könnte, obwohl in den erhaltenen Fragmenten nichts davon steht, das Ledersack-Motiv hethitischen Ursprungs sein,- Kerenyi (1976) 53/4. Vgl. Robert bei Heitsch (1966) 172/3, Schwabl bei Heitsch (1966) 206-12. Schob PI, Ti. 22a = Nr. 111 verbindet das ältere Motiv von der Überfahrt auf einer oxeöia mit der dardanischen Sintflut. - S. 137/8; 140/1, ' - S. 262. Zum Umschlag vom Pharmakos/Ausgesetzten zum Geretteten vgl. auch AT Jona 1/2. ' AT 1. Mose 6,14. ,arca' seit Vetus Latina (Septuaginta: Kißuxö;;). ' AT 2. Mose 2,3-5. Hdt. 5,92 6 1; e 1. Vgl. Paus. 5,17,5 mit Plu. Mor. 601c. Vgl. How-Wells (1928) II 53 ' - VI.l.Anm. 8, Vgl. Heidel (1949) 232-4, Contenau (1941) 86, Largement (1957). Für das Atrahasis-Epos nehmen Lambert-Millard ([1969] 12) ein aus Schilfrohr gebautes Boot an. ’ Gilgames-Epos 11,39-47 (Ausgaben - Zweiter Teil: 1.1 l.b. Anm. 3).
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wahre Bestimmung der Arche zu verheimlichen, einfach sagen, daß der Gott Enlil ihn hasse und er deshalb diese Welt verlassen und zu seinem Herrn Ea im Apsu, zur Unterwelt also®, hinahsteigen müsse,- seine Tat werde dann Enlil dazu bewegen, den Menschen reichen Segen zu spen¬ den - ein Segen, der tatsächlich auch kommt, um die Menschen über den Beginn der Sintflut hinwegzutäuschen’. Die Interpretatoren haben sich anscheinend nicht gefragt, wieso die Tat des Utnapistim Fruchtbarkeit hervorruft; soll die Ausrede überzeugen, muß für die Hörer des Epos die Abfolge Gang zum Apsu - Fruchtbarkeit zwingend gewesen sein'". Hand¬ lungen, die Fruchtbarkeit zur Folge haben, sind aus dem Kult der ver¬ schiedensten Völker bekannt,- insbesondere gehört Regenzauber dazu". Im Gilgames-Epos (11,43-6) heißt es denn auch, daß Enlil regnen lassen werde, und zwar falle der fruchtbarkeitspendende Regen, sobald Utna¬ pistim den Machtbereich von Enlil verlassen habe. Mit dem Entschluß, die menschliche Gemeinschaft zu ihrem Wohle freiwillig zu verlassen zu vergleichen ist die römische devotio'^ -, macht sich Utnapistim selbst zu einem Pharmakos'ß Er spielt nämlich zur Täuschung die Rolle dessen, der - den Göttern verhaßt - sie veranlaßt, den Menschen den für diese Gebiete unentbehrlichen Regen''' vor zu enthalten, und der darum aus der mensehlichen Gemeinschaft auszuscheiden hat. Für den griechischen Bereich ist eine Verbindung zwischen Pharmakos-Ritual und Fruchtbar¬ keitsmagie in Chaironeia zu belegen: Hier treibt man einen den Hunger personifizierenden Sklaven fort mit den Worten: „Hinaus mit dem Hun¬ ger, es herrsche Überfluß und Wohlergehen'®." Während die Griechen sich im allgemeinen mit der Wegweisung des Pharmakos aus der Polisgemeinschaft begnügten - vergleichbar dem in die Wüste geschickten Sündenbock der Hebräer'® -, gibt Utnapistim vor, die Welt der Menschen überhaupt verlassen zu wollen,- entsprechend fährt Xisuthros bei Berossos (FGrHist 680 F 4) zu den Göttern, um für die * Vgl. Hölscher bei Gadamer (1968) 141/2. - S. 203. ’ Gilgames-Epos 11,86-90. Im Original scheint ein Wortspiel vorzuliegen: Der gleiche Ausdruck läßt sich mit ,Weizenregen' oder auch mit ,Unglücksregen' übersetzen: Heidel (1949) 82 Anm. 170. Zur Wiederholung (11,87) die Bemerkung „ungeklärt" bei Beyerlin (1975)
120 Anm 137. Vgl. Simoons-Vermeer (1974) 22. ' “ Zur Interpretation Heidel (1949) 231. Der Zusammenhang wird nicht klarer, wenn man mitHeidel (1949) 81 Anm. 168 - annimmt, daß unter Apsu das versumpfte nördliche Ende des Persischen Golfes zu verstehen ist. " ^ S. 249; 251. Vgl. Burkert (1972) 76 Anm. 24: Jungfrauenopfer. Vgl. Latte (1960) 125; 204; Burkert (1979) 63/4. ” - S. 261/2. “* Smith (1899) 69/70. Vgl. die Geschichte von Jona, den die Schiffsbesatzung über Bord wirft, worauf sich das Meer sofort beruhigt: AT Jona 1,14/5. » Plu. Mor. 693f; vgl. Nilsson (1906) 466, Burkert (1979) 65. Das Schlagen des Pharmakos könnte als Fruchtbarkeitszauber interpretiert werden: Mannhardt (1884) 129-31. Zu ,Larnax und Fruchtbarkeit' Kirk (1970) 200/1. AT 3. Mose 16.
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Menschheit Gutes zu erflehen’^ Daß der Pharmakos das Diesseits ver¬ läßt, ist ein aus dem Roman des lambulos (D.S. 2,55,3) vertrautes Motiv: Die beiden auf einem Schiff ausgesetzten Entsühnungsopfer der Äthio¬ pier landen auf den Sonneninseln, d.h. in einer utopischen Gegenwelt'®. Unter den griechischen Pharmakos-Bräuchen läßt noch das am leukadischen Felsen praktizierte Ritual eine solche Vorstellung erkennen: Ob¬ wohl den zum Sprung Verurteilten Flügel umgebunden wurden, um den Aufprall auf dem Wasser zu dämpfen, ihr Tod also nach Möglichkeit verhindert werden sollte”, lehren antike Grabdenkmäler, die den Ver¬ storbenen auf einem Felsen sitzend zusammen mit einem Schiff darstel¬ len, daß man an einen von hier aus übers Meer ins Jenseits führenden Weg glaubte^“. Anscheinend haben moralische Bedenken ein Ritual hu¬ manisiert, in dessen Mittelpunkt ursprünglich ein Menschenopfer stand, bei dem der Pharmakos wirklich in den Tod geschickt wurde. Die Odys¬ see (24,11/2) nennt den leukadischen Felsen^’ sicher nicht zufällig un¬ mittelbar vor dem Tor des Helios-Palastes, das auch Hesiod (Th. 744-50)^^ in der Unterwelt lokalisiert und das zu erreichen schon Ziel des altorientalischen Helden Gilgames gewesen war“. Die Tatsache, daß Utnapistim so etwas wie ein Boot baut, läßt an eine vorgetäuschte Aussetzung auf Euphrat oder Tigris denken, an deren Mündung nach sumerischer Überzeugung das Jenseits begann, woher der Gott Ea/Enki nach Eridu gekommen sein soll“. Und in der Tat, die orientalischen Flutsagen enden alle mit der Ankunft des Flutheros im Jenseits, wobei verschiedene Vorstellungen ineinander übergehen“. Ob¬ wohl das Schiff von Utnapistim an einem Berg aufläuft, für den ein in der Realität existierender Name genannt wird“, und er an demselben Ort die
” Der Verfasser der armenischen Übersetzung von Beros. hat dieses altbezeugte Motiv aber offensichtlich nicht richtig verstanden. '* Versnel (1977) 41. Zur Aussetzung im Schiff vgl. Glotz (1904) 28-30. Zur Gleichsetzung von Schiff und Larnax: Delcourt (1944) 10 Anm. 2. Str. 10,2,9; vgl. Frazer (1913) 254, Delcourt (1944) 33, Gallini (1963). Die Vorstellung, das Diesseits werde vom Meer begrenzt, findet sich weiter im Osiris/Adonis-Mythos, denn dem vonTheoc. 15,132-7 geschilderten Trauerritual in Alexan¬ drien, den toten Adonis - das griechische Pendant zu Osiris - zum Meer zu geleiten und den Wogen zu übergeben, entspricht die mythische Aussetzung des toten Osiris in einer Lamax auf dem Nil (Plu. Mor. 356c), von der man wohl wie bei Adonis glaubte, daß sie ihn ins Jenseits führen werde. Vgl. Burkert (1970) 8 Anm. 1; (1979) 108-11. Usener (1899) 217, vgl. fanssens (1961). " Vgl. Burkert (1969) 8-12. ” Gilgames-Epos 9. Tafel; vgl. Burkert (1969) 18/9. ” Labat (1970) 24. Wie sich die Lokalisierung von Ea/Enki im Apsu, wohin Utnapistim ja gelangen wollte (Gilgames-Epos 11,39-47), mit dieser Tradition verträgt, bleibt unklar im Erra-Mythos (1,147: Labat [1970] 122, Cagni [1977] 32) befinden sich die von der Erde vertriebe¬ nen Weisen bei ihrem Herrn Ea/Enki im Apsu. ” Vgl. Heidel (1949) 257/8. “ Heidel (1949) 250/1.
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Unsterblichkeit erlangt - ein Zeichen dafür, daß dieser Berggipfel bereits außerhalb des menschlichen Diesseits steht” wohnt er später dennoch an der „Mündung der Ströme"”, wohin auch der Held der als Vorbild dienenden sumerischen Flutsage entrückt wurde”. Als Utnapistim von Gilgames im Jenseits besucht wird, führt dessen Reise aber merkwürdi¬ gerweise durch ein von der Unterwelt bis in den Himmel ragendes Nordgebirge”. Im Atrahasis-Epos^ ’ ist die entsprechende Stelle leider nicht vollständig erhalten geblieben, doch wird immerhin soviel deutlich, daß der Flut¬ heros wie im Gilgames-Epos (11,39-42) ebenfalls als ein dem Gott Enlil Verhaßter erscheint und darum dessen Machtbereich, d.h. den Lebens¬ raum der Menschen, zu verlassen hat, was natürlich wiederum die Vor¬ stellung von der Jenseitsreise impliziert”. Obwohl nach dem Wortlaut des Textes, soweit er überliefert ist, die entsprechenden Erklärungen, die Atrahasis seinem Altenrat gibt, nirgends expressis verbis als Trugrede bezeichnet werden, sprechen auch in diesem Punkt zwei Dinge dennoch für eine Analogie zum Gilgames-Epos: Atrahasis folgt nämlich genauso offensichtlich wie Utnapistim einfach den Instruktionen, die er sich nach einem für ihn rätselhaften Traum von Ea/Enki erbeten hat, die aber in dem uns vorliegenden Text samt den dazugehörigen Begründungen nicht vollständig enthalten sind. Auf eine bewußte Irreführung der Mitmen¬ schen weist dann jedenfalls der Umstand, daß Atrahasis den ihm be¬ kannten wahren Sachverhalt” ganz für sich behält. Anders als im Gilgames-Epos wird hier nun aber erklärt, weshalb Enlil Atrahasis hassen soll: Da Enlil mit Enki im Streit hegt, ist natürlich auch Atrahasis als dessen besonderer Verehrer mitbetroffen, zumal er seinen Gott an einem Ort vertritt und repräsentiert, der Enlil als Einflußsphäre zugeteilt ist”. Uneinigkeit unter den Göttern stört jedoch die Harmonie des Kosmos und kann für die Menschen nur Schlimmes bedeuten”, weshalb diese alles in ihren Kräften Stehende unternehmen, um das Ihre zu einer Aussöhnung beizutragen. Und so beteiligen sich eben alle ohne weiteres am Bau des Schiffes, das ihrer Meinung nach dazu bestimmt ist. " - S. 222/3. Man darf wohl nicht so konsequent wie Fehling ([1974] 39-58) dem Gebirge jede numinose Aura absprechen. Es kommt auf die Dimension an; einem Hügel gegenüber verhält sich ein Mensch anders als beim Anblick des Hochgebirges. Die Walliser Sage lokali¬ siert ein geheimnisvolles Tierparadies im Gebirge; Jegerlehner (1913) 31/2. Bergentrückung: Rohde (1898) 1 123-5. - 111. Anm. 34. - 111. Anm. 50. ” - III. Anm. 49; 51. ^ S. 170; Usener (1899) 201; 214. = ■ Lambert-Millard (1969) 89/91, Labat (1970) 34/5, Beyerlin (1975) 116/7. ” Atrahasis stößt dann ja auch bis zu den Göttern vor: Lambert-Millard (1969) 99. ” Lambert-Millard (1969) 91, Labat (1970) 35, Beyerlin (1975) 117. Lambert-Millard (1969) 8; 43, Labat (1970) 26. - S. 190/1.
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mit Atrahasis eine der Ursachen des göttlichen Zorns aus Enlils Territo¬ rium zu entfernen. Zwar spielt also auch Atrahasis wie Utnapistim den Pharmakos, dessen Wegweisung der menschlichen Gesellschaft zum Vorteil gereicht, doch während das Gilgames-Epos gemäß den geläufigen Denkmustern vorgiht, Utnapistims Aussetzung führe zu nahrungspen¬ dendem Regen, sind diese beiden Motive im Atrahasis-Epos nicht aufein¬ ander bezogen, und die Vorstellung, daß durch eine Fahrt ins Jenseits die für die Menschen lebensnotwendige Harmonie des Kosmos gesichert werden kann, sprengt den Rahmen der eigentlichen Pharmakos-Rituale und weist uns weiter auf die im folgenden zu besprechenden Traditionen, die mit den für das Wohlergehen der Menschen im Zweistromland ver¬ antwortlichen sog. Weisen verbunden sind. Das Gilgames-Epos ist in dieser Frage allerdings nur scheinbar eigenständig, denn der eben er¬ wähnte Unterschied zwischen den beiden Epen besteht allein auf der Ebene dessen, womit die Flutheroen ihr Tun rechtfertigen,- indem sowohl Atrahasis wie auch Utnapistim durch die mit ihnen Geretteten die Menschheit als einen wesentlichen Teil der bestehenden Schöpfung vor dem Untergang bewahren, vollbringen beide eine Tat von gewisserma¬ ßen kosmischer Dimension. Anlaß, die Überlieferungen von den Weisen des Orients hier mit zu be¬ rücksichtigen, gibt außer dem Namen ,Atrahasis', der soviel wie der ,außerordentlich Weise' bedeuteü^, zunächst auch der Umstand, daß als ihr Schutzpatron Ea/Enki galt, der Helfer Atrahasis' und Utnapistims^F Ferner begegnet der für das Atrahasis- und Gilgames-Epos^* typische Motivkomplex ,Rettung aus einer von den Göttern her drohenden Ge¬ fahr in Verbindung mit einer Trugrede und einer Reise ins Jenseits' ebenfalls im - hinsichtlich seiner Deutung allerdings problematischen Mythos von Adapa”, den eine assyrische Liste aus dem 7. Jh. v. Chr. zu “ Der Name ist ganz durchsichtig: akkadisch atrum (watrum),herausragend', hasis,Verste¬ hen, Weisheit'; P. Jensen, RLA 1 (1932) 311; Labat (1970) 26, Simoons-Vermeer (1974) 23. ” Labat (1970) 287/8; vgl. Lamhert-Millard (1969) 18/9; 25. Die sumerische Flutsage (Ausgaben- Zweiter Teil: 1.11.b.Anm. 1) ist für eine diesbezüg¬ liche Beurteilung zu unvollständig überliefert. ’’ Text in ANET 101-3 und bei Labat (1970) 290-4. Die Analogie wird noch dadurch betont, daß beide Flutheroen in einem besonders engen Verhältnis zum Gott Ea/Enki stehen, als dessen Sohn und gewissenhafter Priester im Tempel zu Eridu Adapa gilt: Lamhert-Millard (1969) 133; Gilgames-Epos 11,42,- Adapa-Epos A 10-5, B 11; vgl. P. Jensen, RLA 1 (1932) 33; Burkert (1972) 231. Als Adapa einmal dem Südwind durch Wortmagie den Flügel gebrochen hatte, erhielt er wie die Flutheroen ebenfalls von Ea Anweisungen, um sich im Himmel mit Hilfe einer Ausrede dem Zorn des göttlichen Richters Anu entziehen zu können; Adapa-Epos A 19 - B 34; vgl. Luc. VH 1,9. Ob Adapa wie Utnapistim und auch Ziusudra mit der Unsterblichkeit belohnt wurde, ist umstritten: NachMeuli ([1975] II870 Anm.3;vgl. 736; 889) begründet dieser Mythos als eine Art Aitiologie die Sterblichkeit des Menschen,- Labat ([1970] 290) hingegen glaubt, daß Adapa die Unsterblichkeit doch noch zuteil geworden ist. Jedenfalls erreicht auch Adapa etwas, was im Interesse der menschlichen Gesellschaft liegt. Wie es Atrahasis und Utnapistim gelingt, das Menschengeschlecht vor der Vernichtung zu bewahren.
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den sieben berühmtesten dieser mythischen Ratgeber zählt, die zur Zeit der Könige vor der Sintflut gelebt haben sollen, und den Jensen“’“ als im Grunde identisch mit Atrahasis/Utnapistim bezeichnet. Dann ist es aber vor allem auch die Tatsache, daß diese Weisen dank ihrer besonderen Beziehungen zu den Göttern im umfassendsten Sinn für das Wohl der Menschen zu sorgen vermögen, die sie mit den die Weiterexistenz der menschlichen Kultur sichernden Flutheroen verbindet; insbesondere hal¬ ten sie die Fiarmonie von Fiimmel und Erde aufrecht, eben diejenige Ffarmonie, deren Auflösung im Erra-Mythos die Sintflut folgü'. Aber wenn sich der Weise der Gottheit gegenüber vergeht, ist die Strafe schreck¬ lich; Es droht ihm der Tod durch die Fiand des Gottes selbst; und sogar die Menschen können mitbetroffen sein, denn einmal erzürnte ein Wei¬ ser den Gott Adad so sehr, daß dieser drei Jahre lang nicht regnen ließ und dadurch die Vegetation auf der Erde nachhaltig hemmte^E Es ist also nur folgerichtig, wenn Utnapistim, der sich als ein dem Gotte Enlil Verhaßter ausgibt, seine angebliche Flucht ins Apsu als Voraussetzung für zukünf¬ tige Fruchtbarkeit hinstellt. Und damit sind wir wieder heim Motiv einer durch die Götter gesicherten stabilen kosmischen Ordnung, von der das Wohlergehen der Menschheit abhängt - und wofür nach einer urtümli¬ chen Vorstellung eigentlich der jeweilige König verantwortlich ist; denn einer in zahlreichen Kulturen verbreiteten Ideologie gemäß, die auch bei Fiomer (Od. 19,109-14) zu belegen ist, hat der König als eine Art Seele des Landes nicht nur die Fruchtbarkeit des Bodens und des Viehs günstig zu beeinflussen, sondern seinen Untertanen auch eine glückliche Jagd und reichen Fischfang zu ermöglicheME Während nun in Ägypten der Pharao als Magier-König dieses Heil in kosmischen Dimensionen garantiert^b wird nach Ernst Meyer bei den Völkern des Zweistromlandes den Köni¬ gen nie irgendwelche Wirkungsmöglichkeit auf das Naturgeschehen zu-
so erhält Adapa von Anu die hilfreiche Gahe, die durch den Südwind - im Gilgames-Epos (11,108; 128) als einziger namentlich genannter Wind der Verursacher einer Sturmflut - hei den Menschen hervorgerufenen Krankheiten zu heilen: Lahat (1970) 294; vgl. Erra-Mythos 1,174: Lahat (1970) 123, Cagni (1977) 34, Die Ausrede stimmt im übrigen wie in den Flutsagen insoweit mit dem tatsächlich Erreichten üherein, als auch Adapa eine Aktion zum Vorteil aller vortäuscht. Seine Erklärung, er hahe zweier verschwundener Götter wegen Trauer angelegt, impliziert nämlich die Vorstellung, daß er sich auf der Suche nach den Vermißten befindet und sie wohl auch zurückführen möchte, was den Menschen natürlich nur dienlich sein kann, denn ein abwesender Gott stört - wie der Erra-Mythos zeigt - die Harmonie des Kosmos und richtet dadurch viel Unheil an; vgl. Burkert (1979) 106; 108-11.- S. 256. Auf einen Beinamen Adapas geht möglicherweise Oannes zurück, der Name des Kulturbringers bei Beros.: W. Röllig, KP 4 (1972) 221; vgl. Contenau (1941) 42-6. RLA 1 (1932) 33/4; 311. Lahat (1970) 288.- S. 256/7. « Lahat (1970) 288/9. « Vgl. Hoffmann (1956) 163/4, Vernant (1965) II 101, Gladigow (1977) 5. Ebenso auf den pazifischen Hervey-lnseln: Frazer (1919) 249.
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geschrieben''^; wie die sog. Weidner-Chronik zeigt; ist es im Alten Orient vielmehr der Weise, der als professioneller Mittler zwischen Menschen und Göttern diese Funktion übernimmt und mit der kosmischen Fiarmonie das ,Königsglück' sicherü^ In dieser Stellung möchten wir nun mit Jensen“^ ebenfalls die orientalischen Flutheroen sehen, auch wenn der Königstitel für Ziusudra belegt ist“* und für Atrahasis und Utnapistim erschlossen werden kann''^, denn die politische Funktion der Flutheroen tritt gegenüber der kultischen ganz eindeutig in den Hintergrund, vor allem bei Atrahasis, der die Ausrottung der Menschen nicht erst als Flutheros verhindert hat, sondern sein Volk bereits zuvor einmal wie ein Weiser durch eine kultische Vorschrift davor bewahrte, Hungers zu ster¬ ben, nachdem Enlil den Regengott Adad angewiesen hatte, den Regen zurückzuhalten, um so die Felder unfruchtbar zu machen*". Da die Institution des Weisen als Berater des Königs im Alten Orient tatsächlich existiert hat und noch in historischer Zeit zu helegen ist*', erscheint es fast undenkbar, daß eine entsprechende Apostrophierung der Flutheroen sich nicht in den mit der zeitgenössischen kultischen Wirklichkeit verbundenen Kosmos von Vorstellungen und Assoziatio¬ nen einfügen sollte. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang der Erra-Mythos (1,140-7; 162), dessen Motive in hohem Maße Abbilder ritueller Praktiken darstellen, denn hier kann die nach der Sintflut nötige Neueinsetzung Marduks nicht erfolgen, weil die sieben mythischen Wei¬ sen als die dafür zuständigen Spezialisten nach ihrer Vertreibung ins Apsu nun fehlen*'; ihr Können wäre folglich eine wertvolle Hilfe bei der endgültigen Überwindung der Sintflut gewesen und hätte im Prinzip zum gleichen Ergebnis geführt wie der Gang der orientalischen Flutheroen ins
" (1968) 33; vgl. aber eine Motivkombination in bezug auf Assurbanipal, die an Homers Charakterisierung des guten Königs erinnert: Streck (1916) 6/7. Von den thessalischen Zaube¬ rinnen glaubte man, daß sie den Mond auf die Erde ziehen könnten: PI. Grg. 513a; Hör. epod. 5,46; 17,77; Verg. ecl. 8,69; Ov. met. 7,207/8. Empedokles als Herr der gesamten Natur- VS 31 B
111. Lahat (1970) 309 Anm. 4, vgl. 287; 289. Vgl. den römischen König Numa, dessen Ratgebe¬ rin die Nymphe Egeria war: Cic. leg. 1,4; Ov. met. 15,481-4, fast. 3,261/2; D.H. 2,60; Plu, Num. 4,13; Arnoh. nat. 5. Überschwemmungen, pathetisch Sintflut genannt, -wurden noch in histori¬ scher Zeit unterschiedslos neben einfallenden Feinden, Tod, Schrecken, Pest und Hungersnot als untrügliche Zeichen dafür gehalten, daß ein König sich nicht an den Willen der Götter hält. Naram-Sin erwähnt auf seiner Stele (Z. 72-103, Labat [1970] 312/3) zwar nur Wahrsager, deren Ratschlägen er keine Beachtung geschenkt habe, doch wird ihre Funktion derjenigen der m-ythischen Weisen entsprochen haben. " - Anm. 40. ANET 44, Lambert-Millard (1969) 143, Beyerlin (1975) 115. Lambert-Millard (1969) 9/10; 20/1; 23. Lambert-Millard (1969) 73-81, Labat (1970) 31-3. ” Labat (1970) 287. ” Labat (1970) 122; Cagni (1977) 32, vgl, Anm. 40.
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Jenseits zu den Göttern. Eine besondere Affinität der Weisen zum Motiv der Jenseitsreise belegt außerhalb der Flutsagen ihre bildliche Darstel¬ lung als Vögel oder Fische, die über die normalen Funktionen eines Priesters hinaus auf eine spezielle Fähigkeit weist, mit jenseitigen Mäch¬ ten in Kontakt zu treten; Der Fisch steht als Symbol für die Beziehung zu ihrem Schutzpatron Ea, dem Fierrn der Gewässer in der Tiefe, und der Vogel versinnbildlicht das Vermögen, wie der mythische Adapa in den FFimmel zu den Göttern vorzustoßen”. Es wäre nun verführerisch, auf Grund dieses letzten Motivkomplexes in den Weisen die altorientalische Spielart eines Schamanentums zu sehen, läßt doch ihre Darstellung als Vögel an das für den Schamanen typische Vogelkostüm denken”. Doch wiewohl dieses eine in den ver¬ schiedensten Kulturen verbreitete Erscheinung ist, fehlen aus dem Zwei¬ stromland die Nachrichten über entsprechende Himmelfahrten in rituel¬ ler Ekstase; was die Literatur betrifft, zweifelt Meuli”, ob Schamanener¬ zählungen in Babylon überhaupt je bekannt gewesen sind. Es finden sich höchstens im Zusammenhang mit Krankenheilungen Hinweise auf Ge¬ bräuche, die an schamanistische Praktiken erinnern”. In den Flutsagen findet sich allerdings einiges wenige, das sich an schamanistische Vor¬ stellungen anzulehnen scheint. Es sind dies das Motiv des einen nicht überfluteten Berges, des Kosmischen Berges, der den Zugang zu den Göttern ermöglicht”, und dasjenige des Regenbogens, des alttestamentlichen Symbols für eine Verständigung zwischen Gott und Mensch”. Auch der merkwürdige Umstand, daß der von Atrahasis und Utnapistim gebaute Kasten als Nachbildung des Apsu verstanden werden soll, daß also bereits die Besteigung dieses Kastens einen Gang in die Unterwelt symbolisiert, ließe sich mit Schamanenritualen assoziieren”. Zudem könnte eine etwas ungewöhnliche Formulierung bei Akestodoros und Thrasybulos (FHGII464 = Nr. 38) dahingehend interpretiert werden, daß
” Labat(1970) 289. » Meuli (1975) II 843; 1089/90; Eliade (1951) 157-9. ” (1975) II 870/1 Anm. 3; vgl. Burkert (1982) 68 mit Anm. 26. “ Auf einem bei Schadewaldt ([1968] 28) abgebildeten babylonisch-assyrischen Bronze¬ amulett nehmen zwei als Fischdämonen verkleidete Priester am Lager eines Kranken Be¬ schwörungen vor, und Beschwörungsformeln zur Heilung von Kranken sind uns in einem Text überliefert, in dem sich der Sprecher als ,Hohepriester von Ea' und ,Reiniger von Endu' einführt - was genau der Titulatur von Adapa entspricht, dem ja die Fähigkeit, Krankheiten zu heilen, verliehen worden war und der als Weiser auch in Fischgestalt dargestellt werden konnte: Labat( 1970) 141;288;291 (Adapa-Epos 1,9); zur Heilung von Kranken durch Schama¬ nen: Eliade (1951) 287-9. ” - S. 79; 201; 222/3. ** Eliade (1951) 135-9. ” Gilgames-Epos 11,31; Atrahasis-Epos:Lambert-Millard (1969) 89,Labat (1970) 34,Beyerlin (1975) 117. Meuli (1975) II 843.
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Deukalion in Dodona das Orakel auf einer Eiche befragte*“^ was an den Schamanen erinnert, der auf einem Baum sitzend mit den Göttern Kon¬ takt aufnimmh’. Ferner müssen wir vielleicht in der Vater-Sohn-Beziehung zwischen Prometheus und Deukalion, mit dessen Larnaxfahrt die wohl frappanteste Parallele zum Pharmakos-Spiel der altorientalischen Flutheroen vorliegt, noch etwas anderes als bloß eine genealogische Ver¬ knüpfung sehen, nämlich ein mythisches Bild für die besondere Fähig¬ keit des letzteren, sich als gewissermaßen in Übersinnliches Eingeweih¬ ter von jenseitigen Mächten helfen zu lassen”. In diese Richtung weist die Verwurzelung von Prometheus im Umkreis der Kabiren“, mit deren Mysterienkult auf Samothrake ja eventuell auch eine Flutsage, jedenfalls aber der Glaube an eine den Mysten vorbehaltene wundersame Rettung aus Seenot verbunden war”, so daß diesbezüglich den hier ,Götter von Samothrake' genannten Kabiren” nichts anderes zugeschrieben wurde, als was der Deukalionmythos von Prometheus berichtet: An Deukalion hat sich somit erfüllt, was den Mysten verheißen war. Mit den Mysterien von Samothrake scheint zwar zunächst etwas völlig Neues ins Spiel zu kommen, doch ist nach Eliade der Unterschied zwischen Schamanentum und mystischen Geheimbünden undeutlich“. Als Schamanenerzählungen können die Sintflutsagen dennoch nicht gelten; Den orientalischen Varianten fehlt gewissermaßen der zweite Teil, die Rückkehr des Helden in die Wirklichkeit, und wenn im griechi¬ schen Bereich Deukalion nach der Flut wie Noah selbst zum Stammvater des neuen Geschlechts wird”, hegt hier weniger eine vollendete Schama¬ nenreise vor als vielmehr das Produkt einer Geisteshaltung, die den Eintritt des Flutheros ins Reich der Götter als allzu fantastisches Motiv vermeiden wollte”. Ein grundlegender Unterschied zwischen den mit den Attributen eines Weisen versehenen orientalischen Flutheroen und AeuxaAiov... enavteuETo ev ucp öpui: Ein durch die Präposition ev eingeleiteter Ausdruck neben iravTeüeaOai stellt gewöhnlich ein Adverbiale des Ortes und nicht ein solches des Mittels dar. Vgl. Lesky (1928) 50. Eliade (1951) 130/1, Meuli (1975) 1090. In den nordamerikanischen Sintflutsagen der Indianer kann der Flutheros ein Medizinmann sein: Frazer (1919) 297-301, vgl. 286. Zum Motivkomplex UrmenschZ-schamane bei Orpheus: Eliade (1980) 372/3 und Meuli (1975) II 1031. Die Apostrophierung von Phoroneus als Urschmied (- S. 234/5) könnte ebenfalls ein schamanistisches Motiv darstellen; vgl. Eliade (1951) 247 (,Feuermeisterschaft'); 434-8; Meuli (1975) II 693/4; 877. PR fl 66: Deukalion ist Personifikation sowohl der Flut als auch der von neuem aus ihr entstehenden Landeskultur. “ -* S. 118/9; 210/1. Vgl. die Voraussage der deukalionischen Flut durch Nannakos bei Hermogenes FGrHist 795 F 2 = Nr. 65. “ Paus. 9,25,6. “ - S. 141. “ - Zweiter Teil: II.2. Anm. 45. “ (1951) 302. " - S. 224. “ - S. 266/7.
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einem Schamanen besteht ferner darin, daß letzterer aus eigener Kraft in die Jenseitswelt vordringt und zurückkehrt, während der Weise von der Sintflut dorthin getragen wird. Zudem handelt er nicht auf Grund einer seinen Mitmenschen bekannten Notlage wie der Schamane beim Aus¬ bleiben des Jagdwildes^h sondern er bewahrt die Menschheit ohne ihren Auftrag und ohne ihr Wissen vor der totalen Vernichtung als der nur seinem Gott Ea/Enki verpflichtete Diener. Wenn also orientalische Weise auch hin und wieder wie etwa bei der Heilung von Kranken schamanisti¬ sche Praktiken ausgeübt haben mögen, bleibt im Falle der Apostrophierung des Flutheros als Weiser dieser Aspekt jedenfalls ohne Bedeutung. Daß der orientalische Mythos den Flutheros mit den Charakteristika des Weisen versehen hat, harmoniert aufs beste mit der Struktur der Erzählung; Zum Bewahrer seines Volkes und damit des menschlichen Geschlechts insgesamt wird auf diese Weise derjenige, der auch sonst für dessen Wohlergehen verantwortlich ist, und das Motiv der Vorwarnung kann man sich wohl ebenfalls kaum mit einer geeigneteren Figur verbun¬ den denken. Genauso paßt ferner zum Weisen die Rolle des Pharmakos, die der Flutheros zur Täuschung seiner Mitmenschen spielt, denn sehr oft nimmt in der Sage eine Persönlichkeit von Rang wie z.B. ein König das die Gemeinschaft rettende Opfer auf sich’". Diese Motivkonstellation ist zwar in sich stimmig, doch führt sie dazu, daß die mit dem Flutheros verknüpfte Aussetzungsthematik keinem geläufigen Muster vollkom¬ men folgt, sondern eine eigenständige Kombination darstellt. Wenn auch Pharmakos-Spiel und Jenseitsfahrt ohne Schwierigkeiten miteinander assoziiert werden können, läßt sich in bezug auf das Motiv der Auszeich¬ nung durch die Unsterblichkeit dasselbe nicht behaupten, denn ent¬ sprechende Parallelmythen fehlen”. Andererseits entzieht sich im analo¬ gen Fall der sog. Helden- und Königskindsagen” der Umschlag von völliger Hilflosigkeit zur schließlichen Erwählung, der größer nicht sein könnte, jeglicher Einflußnahme der Betroffenen, während in den Flutsa¬ gen der Heros selbst zu seiner Rettung und zur Erringung der Unsterb¬ lichkeit beiträgt, indem er sich durch seinen gewissenhaft versehenen Dienst als Priester von Enlils Gegenspieler Ea/Enki einer Vorwarnung für würdig erwiesen hat”. Da sich nun aber dieses Motiv aus den altorientalischen Fluterzählun¬ gen nicht wegdenken läßt, muß es sich dabei wohl um einen Baustein ” Burkert (1979) 88. Vgl. Burkert (1977) 141. Thoas, dem Pharmakos von Lemnos, rettet die Aussetzung in der Larnax nach einem Teil der Quellen (A.R. 1,620-6; Schol. Val. Fl. 2,82ff., 242ff.; Hyg. fab. 15,120 gegen Apollod. 3,65) bloß das nackte Leben; vgl. Burkert (1977) 141. ” - S. 260/1. " Damit ist prinzipiell natürlich auch bereits die sekundäre Apostrophierung des Flutheros als generell Frömmster angelegt. ^ S. 212/3.
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handeln, der von Anfang an dazugehörte, und eine sekundäre Ausdeu¬ tung eines üherlieferten Handlungsgefiiges darf dann ausgeschlossen werden. Als für diese Flutmythen zentral erweist sich infolgedessen die Vorstellung, daß das zur Rettung der Menschheit und ihrer Anerken¬ nung durch die Götter führende Aussetzungsabenteuer nur ein profes¬ sioneller Mittler zwischen Mensch und Gott hat erfolgreich bestehen können.
VII. Die Sintflutmythen als Verbildlichung menschlichen Selbstverständnisses Einigermaßen sicher hat sich der Stellenwert, welcher der Vorstellung von einer Sintflut sowohl im Orient als auch bei den Griechen zukommt, bestimmen lassen; Als ein Symbol totaler Vernichtung führt die große Flut paradoxerweise dennoch nicht zur endgültigen Zerstörung jeglichen Lebens, und der Neubeginn nach ihr ist kein absoluter, sondern eine Erneuerung von etwas schon einmal Geschaffenem. In bezug auf einige Bereiche menschlicher Existenz, und zwar vornehmlich den kultischen, bringt diese Erneuerung allerdings nicht einfach eine Restitution des Untergegangenen, sondern etwas wirklich Neues und begründet so die Jetztzeit: Während das im Alten Testament der von Gott mit den Men¬ schen geschlossene ,alte' Bund ist und das Atrahasis-Epos von der Begren¬ zung der vorher schrankenlosen Vermehrung des Menschen erzählt, zeigt sich dies bei den Griechen vor allem darin, daß man ein Ritual gern als Institutionalisierung einer Fiandlung erklärte, die zum ersten Mal nach der Überwindung der Sintflut ausgeführt worden war. Zum Sinn¬ bild des uneingeschränkten Neubeginns ist die Sintflut dann bei denjeni¬ gen Philosophen geworden, in deren Theorie der Kosmos periodisch von einer Sintflut aufgelöst wird'. Offengeblieben ist die Frage nach dem Ursprung des Sintflutmythos; denn im Sinne der strengen ,Myth-and-ritual'-Theorie ließ sich dieser Sagentypus aus keinem der behandelten Gieß- und Besprengungsrituale mit hinreichender Sicherheit herleitenh Doch vielleicht gehen wir von falschen Erwartungen aus, wenn wir ,Sintflut' einfach als sekundäres sprachliches Korrelat zu bestimmten kultischen Flandlungen erweisen möchten, und sollten uns vielmehr fragen, ob im Hinblick auf ihre Funk¬ tion die Sintflutsagen nicht etwa insofern eigentliche Äquivalente zu
' - S. 142-6; 213; 239. ' - S. 249-58.
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Ritualen darstellen, als sie - ebenso elementar wie diese - den Menschen einer bestimmten Ordnung versichern, allerdings nicht in bezug auf sein Leben innerhalb der menschlichen Gemeinschaft, sondern auf jenes als Teil eines größeren Ganzen. Auch die Schöpfungsmythen, mit denen die Sintflutsagen ja korrespondieren^ sind aus dem Ritual allein nicht zu erklären, denn obwohl während des babylonischen Neujahrsfestes aus dem Enuma Elis rezitiert wurde“* *, also sehr enge Beziehungen zwischen Mythos und Kult bestanden, ist insbesondere die Lehre von der Trennung der Urgewässer, der Scheidung zwischen Salz- und Süßwasser hei der Schöpfung, kaum Spiegelung eines auf „Grundsituationen des frühen Menschen"^ zurückgehenden Rituals, sondern wohl eher als Ausdruck eines bestimmten ,Weltbildes' aufzufassen. Ebenso können die Sintflut¬ mythen, was das Motiv von der Umkehrung der Schöpfung betrifft, als Produkt rituell geprägter kosmogonischer Spekulation verstanden wer¬ den, indem die so manchem Ritualkomplex innewohnende Spannung zwischen Auflösung und Neubefestigung der gesellschaftlichen Ord¬ nung^ auf kosmische Verhältnisse übertragen wurde: Wie eine menschli¬ che Gemeinschaft kann auch die Welt nur Bestand haben, wenn ihre Elemente die ihnen zum Vorteil des Ganzen gesetzten Grenzen nicht überschreiten’. Es wird wohl die Alltagserfahrung gewesen sein, die den Menschen gelehrt hat, eine Überflutung - sei es nun durch Salz- oder Süßwasser - als potentiell größte Gefahr für seine Existenz einzustufen, so daß es nicht verwunderlich ist, wenn Sagen und Mythen immer wieder davon erzählen, wie sich auch das Wasser einem festgefügten Kosmos unterordnen muß*. Der Übergang zur Philosophie ist dabei fließend: Das Meer hält sein Maß, lehrte Heraklit (VS 22 B 31)L Der Mythos konzentriert die Aussage, daß der Mensch fortan von den
5 - S. 203; 228; 237-9. ■* Vgl. Cornford (1952) 225-38. = Burkert (1976) 172, vgl. (1972) 42-5. ‘ - S. 239/40. ’ Sog. Politisierung des Kosmos, vgl. Gladigow (1977) 7. Vgl. das Überhandnehmen der Menschen im Atrahasis-Epos; -*■ S. 212. Die Weltbrandsagen behandeln das gleiche Thema mit umgekehrtem Vorzeichen; vgl. den Wechsel zwischen Dürre und Flut in der Sage von Aigina {-* S. 186; II. Anm. 23). Ägypten: Tod in der Wüstenglut, Beyerlin (1975) 35/6. Nach Kirk ([1970] 90/1) folgt auch der sumerische Mythos von Ninurta, der die ordentliche Bewässerung des Landes ermöglicht, indem er mit einem Damm eine Flut abwehrt und so die Fruchtharkeit sichert, dem gleichen Denkschema; die Verbindung mit einem sumerischen Drachenkampf¬ mythos beruhtauf einer Fehlinterpretation: Beyerlin (1975) 108 Anm. 60. Vgl. van Dijk (1983) 34/5. • Vgl. Beyerlin ([1975] 216/7 Anm. 24) zum Kampf von Baal gegen Jam. ’ Vgl. Reinhardtbei Gadamer (1968) 208, Fränkel (1962) 440/1, Schadewaldt (1978) 224/5. Der Kampf zwischen Atlantis und Athen - Spiegelung der Antithese zwischen Poseidon und Athene (- S. 189) - ist nach Gegenschatz ([1943] 58) von Platon als Störung der kosmischen Harmonie dargestellt.
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Göttern als fester Teil der Schöpfung anerkannt ist'“, auf einen einzelnen, den Flutheros, dem Unsterblichkeit verliehen wird, sei es, daß ihn die Götter unter sich aufnehmen - so die altorientalischen Traditionen oder daß er wie in der Genesis und der griechischen Form der Sage in seinen Nachkommen weiterlebt". Auch diese Beschränkung auf den einzelnen findet ihr Gegenstück im Ritual, und zwar in der Ausrichtung der verschiedenen Phasen eines Festes auf eine einzelne Handlung, das Opfer, welches das Verhalten aller bestimmt'h So hat die,Auflösung' im athenischen Neujahrsritual den symbolischen Opfertod des Königs zum Zentrum'^ wie der Neubeginn an den Panathenäen im Zeichen seiner Wiedereinsetzung steht'“. Während nun der König im Ritual symbolisch den Tod erleidet, um nachher wieder in die Polis zurückzukehren, drückt der Mythos diese Kontinuität des Lebens dadurch aus, daß dem getöteten Urkönig Erechtheus göttliche Ehren zuteil werden: Er wird unsterblich wie Utnapistim und Ziusudra'L Daß die Sintflutmythen vor der endgültigen Etablierung des Menschen in der Welt von seiner geplanten Vernichtung durch die Aufhebung der kosmischen Ordnung'^ erzählen, erinnert ferner an die Struktur von Initiationsritualen: Erst das überstandene Todeserlebnis versichert den Menschen seiner Existenzberechtigung'L Das Gilgames-Epos stellt es zwar so dar, daß der Repräsentant der Menschen den Tod als Pharmakos riskiert; doch die Aussetzung in der Larnax hat ganz klar auch den Charakter einer Initiationsprüfung: Wer der Larnax entsteigt, ist nicht
- S. 213/4. ■' - S. 224. " Ochsenopfer an den Dipolieia: Burkert (1972| 151-61; Opfer an Pelops in Olympia: 116/7; Lykaia: 106; Aussetzung des Königs auf Lemnos: 213-5; Initiation: Todeserlebnis der Arrhephoren - symbolisches Mädchenopfer - stellvertretend für alle Mädchen Athens: 171, vgl. Rituale von Brauron: 75 Anm. 20. ” Burkert (1972) 168. Burkert (1972) 176. ” Vgl. Burkert (1972) 168; Sieger und Besiegter sind eigentlich miteinander identisch: 225/6. Mögen die von Usenet ([1899] 51-79) angeführten Argumente für eine etymologische Verwandtschaft zwischen Zeus und Deukalion sprachwissenschaftlich nicht zu halten sein, wer weiß, ob die Griechen nicht dennoch in dieser Richtung spekuliert haben? Die Form Aeu; (Corinn. PMG 329 Frg. 654 III 13) in Hesiods eigenem Dialekt legt eine solche Assoziation immerhin nahe. - S. 87. S. 203. Vgl. Burkert (1972) 121: Das Motiv, daß nach dem Thyestesmahl die Sonne ihren Lauf gewendet und die jetzige Bahn angenommen habe, entspricht nicht der Strukmr der Sintflutsagen, in denen die Auflösung stets von der Restitution gefolgt ist. Umkehrungen von Extremsituationen hingegen sind das bevorzugte Thema der Märchen; Lüthi (1968) 34-6 S. 193-6. ” Realiter erleidet ein Tier den Tod, auf den Initianden warten schmerzhafte Prüfungen; vgl. Burkert (1972) 57; 325/6. In den Initiationsritualen auch eine gewisse Antithese zwischen aufgelöster und neuetablierter Ordnung: Burkert (1972) 20 besonders Anm. 48. Lüthi (1968) 65.
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mehr der gleiche, sondern ausgezeichnet worden'*. ,Neu befestigte Le¬ benskraft durch das Erlebnis tödlicher Gewalt', diese aus dem Opferri¬ tual herrührende Denkweise hat die Sintflutsagen geprägt'die somit wie übrigens auch die Götterstreitmythen nicht so sehr einen bestimmten Ritualtyp als vielmehr die menschliche Existenz schlechthin begründen. Wie im Bereich der Götter mit dem Machtantritt von Zeus ein Endsta¬ dium erreieht ist und die Abfolge verschiedener Göttergenerationen zum Stillstand kommü®, so nehmen nach der überstandenen Sintflut die Men¬ schen endgültig von der Erde Besitz. Dem rituell gleich strukturierten Bild vom Sieg im Urkrieg fehlt diese ausgreifende Dimension^'. Trotz ihres aitiologischen Charakters unterscheiden sich die Sintfluter¬ zählungen dennoch wesentlich von jenen Sagen, die eine Naturerschei¬ nung begründen, weil sie deren Verständnis des Menschen als eines Wesens, das sich den Göttern gegenüber nur durch Wohlverhalten be¬ haupten kann, grundsätzlich in Frage stellen“. Obwohl der Flutheros den Quellen im allgemeinen als frommer Mann gilt“, bildet er nämlich nicht die Antithese zu den übrigen Menschen; er ist vielmehr ihr Repräsentant, denn sein Schicksal entspricht dem der andern; Die Sintflut bedeutet ja auch für sie nicht das Ende, und das Leben geht weiter“. Diesen Aspekt unterstreicht vor allem das Gilgames-Epos (11,177-88): Als Ea den über
"Das Motiv von der Rettung durch göttliches Eingreifen kommt gerade auch heim Iphige¬ nienopfer vor, das den mythischen Hintergrund zu den Initiationsritualen von Brauron bildet; vgl. Deubner '(1932) 207/8; Burkert (1972) 29 Anm. 34; 77. Die Namen der Knaben, die dem ein Initiationsritual spiegelnden Lykaonfrevel zum Opfer gefallen sein sollen, sind in den Systemen der Genealogen Namen von Urkönigen,- die Opfer kehren ins Leben zurück: Burkert (1972) 101; 105. Ähnlich ist es mit Pelops: Burkert (1972) 114. " Vgl. Burkert (1972) 20; 61. Zu Neuschöpfung und Gewaltakt vgl. auch Simoons-Vermeer (1974) 31/2. Nicht allein der künftige Held muß übers Meer fahren (- S. 260/1); die Vorstel¬ lung, daß das Neue vom Meer her kommt, findet sich auch in all den Sagen von ange¬ schwemmten Götterbildern, die einen Kult begründen: Hermes von Ainos: Call. Frg. 197. Dionysos in Methymna auf Lesbos: Paus. 10,19, 3. Herakles im kleinasiatischen Erythrai (auf oxEÖia von Tyros): Paus. 7, 5, 5; vgl. Wilamowitz (1932) 20 Anm. 1. Statue des Theagenes auf Thasos: Paus. 6, 11, 8. Brasilien: A. Camus, La pierre qui pousse, in: L'exil et le royaume. Theätre, recits, nouvelles. Bibliotheque de la Pleiade. Paris 1962 p. 1668. Vgl. Wallis: Guntern (1963) 87/8. Usener (1899) 105. Mit derartigen Sagen wurde auch der Einzug der Dorer in die Peloponnes (Floßfahrt über den korinthischen Golf; vgl. die Überfahrt der Sikuler nach Sizilien, Thuc. 6, 2, 4) assoziiert: Bölte (1929) zu AB 1, 305, 31/2 und Hsch. s.v. oreirpaTiaTov; ferner Wunderer (1897). Zu Dorer und Seefahrt: Busolt (1893) 208/9. Die Landung des Flutheros in der Truhe sei ein mythisches Bild für die Ankunft des Lichtgottes: Usener (1899) 95. Kroll (1963). Vgl. auch Philon von Byblos FGrHist 790 F 2 p. 810, 16-8. Vgl. zu diesem Motiv Robert bei Heitsch (1966) 168/9; 172/3; Lesky bei Heitsch (1966) 592. - S. 233. ” - S. 206. S. 211; 212/3. , , ■ Sintflutsagen gründen nicht einfach auf der Umkehrung eines Pharmakosntuals. Einer überlebt - die andern werden vernichtet.
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Utnapistims Rettung erzürnten Enlil zum Einlenken bewegen will, argu¬ mentiert er nicht etwa damit, daß es nur recht und billig sei, wenn sein Schützling überlebt habe, sondern er hält Enlil ganz allgemein vor, wie unüberlegt der Entschluß zur Sintflut gewesen sei; Ea verteidigt nicht nur Utnapistim, sondern die Menschheit insgesamüE Wollen wir dem Motivkomplex ,Flutheros' aber wirklich gerecht wer¬ den, dürfen wir es nicht bei diesen Feststellungen bewenden lassen. Für den Orientalen wie für den Griechen war ja wohl das besonders Pikante an den Sintflutsagen der Umstand, daß der Flutheros nur dank der Listig¬ keit eines göttlichen Ratgebers überlebt und damit zum Neubeginn füh¬ ren kann^L In dieser Beziehung stehen die Flutmythen all denjenigen Märchen und Sagen nahe, deren FFeld sich ebenfalls nur dank dem Beistand eines übernatürlichen Fielfers gegen eine ihm feindlich gesinnte höhere Macht durchsetzen kann,- die Erzählforschung kennt den Typ des Helfermärchens”. Was in der anonymen, von jeglichen zeitlichen und örtlichen Bezügen losgelösten Welt des Märchens dem Helden mit der größten Selbstverständlichkeit zuteil wird und ihn so zum Glückspilz stempelt, stellt sich in den Flutsagen allerdings etwas anders dar. Die Tatsache, daß die Hauptbetroffenen als real existierende Menschen ge¬ zeichnet sind, verunmöglicht eine naive Betrachtungsweise, die sich ein¬ fach am Glück des Flutheros freut; die beunruhigende Feststellung, das armselige Wesen Mensch wäre ohne göttlichen Helfer zum Untergang verurteilt gewesen, läßt sich nicht verdrängen. Es ist j a auch nicht bloß ein beliebiges Abenteuer, das bestanden wurde, sondern es war nichts weni¬ ger als die Existenz der Menschheit in Gefahr. Die Sintflutsagen geben aber nicht etwa der Einsicht Ausdruck, der Mensch sei auf Gedeih und Verderb den Göttern ausgeliefert und ohne göttlichen Beistand hilflos,nicht Gefühle der Resignation scheinen diese Mythen im Hörer evozie¬ ren zu wollen, denn die Inanspruchnahme von Hilfe aus dem Jenseits kann auch unter einem positiveren Aspekt gesehen werden: Der Mensch hat sich damit als fähig erwiesen, die Hilfe jenseitiger Mächte seinen Zwecken dienstbar zu machen. Entsprechend ist der Flutheros in man¬ chen Mythologien mit den Charakteristika eines Kulturbringers verse¬ hen, der völlig in eigener Kompetenz und nicht im Auftrag der Götter die Lebensgrundlagen der menschlichen Gesellschaft sichert und ihre Orga¬ nisation festsetzt”. Zwar geht die orientalische Sage in dieser Frage an" Ausgaben - Zweiter Teil: I.ll.b. Anm. 3. Für die andern altorientalischen Epen - II. Anm. 51. “ - S. 210/1. Lüthi (1974) 20: Märchen mit übernatürlichem Helfer. Hinsichtlich der Vater-SohnBeziehung zwischen Prometheus und Deukalion (- S. 118/9) besteht eine strukturelle Ge¬ meinsamkeit mit der bekannten Geschichte vom Meisterdieb bei Hdt. 2,121: Hier wie dort ist es der Sohn, dem die entscheidende Tat gelingt. Winternitz (1901) 324.
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dere Wege - ihr Held wird unsterblich^^ doch die entsprechenden griechischen Mythen sehen in Deukalion ganz eindeutig denjenigen, der sich nicht nur wie sein orientalisches Vorbild gegen die Götter behauptet, sondern als Stammvater des Menschengeschlechts den von nun an nicht mehr abbrechenden Prozeß menschlicher Kulturentwicklung in Gang gebracht hat und als Sohn des rebellischen Prometheus dadurch zum Symbol menschlicher Selbstbehauptung geworden ish“. Der mit dem Flutheros verbundene Motivkomplex verdeutlicht folglich das, was schon in der vom Initiationsritual geprägten Grundstruktur des Mythos ange¬ legt ist: Erst die glückliche Überwindung der existentiellen Bedrohung läßt den Menschen sich als für das Dasein in der Welt erprobt fühlen. Verglichen mit dieser vom Flutheros erwirkten Neubefestigung des Le¬ bens, wiegt das den Menschen im Atrahasis-Epos über die Katastrophe der Sintflut hinaus für immer auferlegte Opfer, nämlich der Verzieht auf eine schrankenlose Vermehrung, nicht schweh'. Diese Selbstbestätigung der eigenen Existenzberechtigung spiegeln die semitischen Flutmythen insbesondere dadurch, daß das Alte Testament (1. Mose 9,11), in dessen Darstellung eine modernere Gottesvorstellung den schlauen Helfer des Flutheros allerdings beseitigt hat, ausdrücklich und das Atrahasis-Epos wenigstens implizit eine Wiederholung der Sint¬ flut ausschließen”. Wenn dieses Motiv in der Deukalionsage fehlt, so könnte das an sich Zufall sein - das Gilgames-Epos kennt es ebenfalls nicht - oder eine Angleichung an die Sintfluttheorien der Philosophie”. Sollte beim griechischen Flutmythos aber wirklich eine mögliche weitere Gefährdung als Antithese aueh der deukalionischen Ordnung mitgese¬ hen werden, so wird sie gleichfalls durch die bereits überstandene Gefahr relativiert. Daß in den Mythen, die von den Anfängen des Menschengeschlechts reden, wenig von dem zu finden ist, was spätere Zeiten als einer Götterge¬ schichte angemessen empfanden, stellt ein über die ganze Welt verbrei¬ tetes Phänomen dar. Und zwar sind es in erster Linie Kulturheroen, die jeglichen Respekt vor den Göttern vermissen lassen und vor keiner List zurückschrecken, so daß man sie als Tricksters zu bezeichnen pflegt . Zu diesen urtümlichen Helden zählt natürlich Deukalions Vater Prome¬ theus, den Pausanias (9,25,6) überdies mit der burlesken Welt der zaube¬ rischen Kabiren verknüpft”. Sein Sohn Deukalion dagegen gibt sich gemäßigter, denn dem Flutheros kann keine derart provozierende Tat
” - S. 224. - S. 237-9. 31 ^ 5 213. ” Vgl. Heidel (1949) 258/9. Gleiches gilt für das Lugal-Epos: van Dijk (1983) 34/5. “ - S. 142-6. “ Vgl. Lüthi (1974) 41, Burkert (1982) 70/1. ” - S. 272.
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angelastet werden, wie es Feuerraub und Opferbetrug darstellend ^ Indem er der Sintflut entkommt, vereitelt er zwar aueh eine Absicht von Zeus, aber nicht in offener Konfrontation wie Prometheus, sondern dies ge¬ schieht infolge eines Wissens, das ihm zuteil geworden ist und das rich¬ tige Verhalten ermöglicht. Durch passive Reaktion rettet der Flutheros das Bestehende vor dem Untergang, während das aktive und offensive Agieren des Tricksters Prometheus dazu diente, dem Menschen neue Bereiche zu erschließen. In den orientalischen Sagen steht der Flutheros ebenfalls in einem speziellen Verhältnis zu einer kulturbringenden Gott¬ heit; Ea/Enkidh der zudem in seinem Verhalten nicht wenig an einen Trickster erinnert, denn die Methode, den Flutheros dadurch zu warnen, daß er den Beschluß der Götter einer Wand erzählt, ist nichts anderes als ein Trick, den der Warner anwendet, um sein Wort nicht brechen zu müssen^*. Trickster-Typen und ihr Handlungsmuster sind relativ altertümliche Produkte mythischen Denkens^’; die von Hesiod an der Urfassung der Prometheus-Sage vorgenommenen Korrekturen zeigen, daß man diese Art, über Göttliches zu reden, mit der Zeit als untragbar empfand''“. Die Flutsagen haben diese Entwicklung insoweit mitgemacht, als bei ihnen sekundär das Motiv der Theodizee hinzugekommen ist". Wie ein klares Schuld-Sühne-Denken anscheinend immer mächtiger um sich griff, zeigt im übrigen die direkt volkstümlich zu nennende weite Verbreitung der Sagen vom Philemon-und-Baucis-Typ^ü Da ein Mythos auch eine Art Standortbestimmung des Menschen darstellt, darf von diesem in den griechischen Mythen erkennbaren Trend auf ein gewandeltes menschli¬ ches Selbstverständnis geschlossen werden. Eine neue Zeit mit einer entwickelteren Gottesvorstellung lehnte es offensichtlich ab, sich von einer ungerechten und grausamen Gottheit bedroht zu sehen. Diese Än¬ derung der Gottesvorstellung macht nun aber das trickreiche Wirken von rebellischen Göttern und ihrer Günstlinge zum Wohle der Menschheit überflüssig, und die entsprechenden Traditionen werden fragwürdig: Die Überlegenheit des Flutheros auf Grund seiner besonderen Beziehun¬ gen zu einer die Interessen der Menschen wahrenden Gottheit weicht einer Haltung, die im Geretteten nicht mehr den Partner des Tricksters,
“ -* S, 101/2. ” > S, 131, ” Ziusudra: ANET 44, Lambert-Millard (1969] 143, Beyerlin (1975) 115. Atrahasis: ANET 105, Lambert-Millard (1969) 89, Labat (1970) 34, Beyerlin (1975) 117. Utnapistim: GileamesEpos 11, 17-31. ” Vgl, Lüthi (1974) 40/1, - S. 101/2. S, 205-16. S. 195.
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sondern ein Musterbeispiel für eine dem obersten Gott selbst wohlgefäl¬ lige Lebensführung sieht. Ein ,Trend zur Würde' hat nicht nur Hesiod zu Retuschen am Prometheus-Mythos veranlaßt, sondern auch auf die HeraklesÜberlieferung eingewirkt und aus einer burlesken Figur den der Erlösung durch die Unsterblichkeit entgegensehenden Dulder gemachÜL Gleich verlaufen ist die Entwicklung bei Odysseus, wie der Flutheros ursprüng¬ lich ebenfalls ein von gewissen Göttern grundlos Getriebener, den göttli¬ che Gönner wie Athene und Ino Leukothea vor dem Schlimmsten bewahreML Der Tendenz folgend, dem Walten der Götter einen Sinn abzugewinnen, wurde in die Odyssee sekundär ein Theodizee-Motiv eingefügt: Indem sie die Rinder des Helios schlachten, machen sich die Helden schuldig''^ analog zu den Fluttraditionen überlebt Odysseus, den persönlich keine Schuld am geschehenen Frevel trifft, als einziger. Mit ihren verschiedenen Varianten dokumentieren auch die Flutsagen ein Stück weit diese Entwicklung religiösen Denkens.
" Vgl. zu diesem Problem W. Pötscher, KP 2 (1967) 1050/1. ‘‘‘* Hom. Od. 5, 333-50. “ Hom. Od. 1, 7-9. Vgl. Hoffmann (1956) 163/4. Weitere Literatur zu diesem Problem bei Heubeck (1974) 111.
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Abkürzungen AA AC AE AGPh AJPh ANET
Archäologischer Anzeiger L'Antiquite Classique 'ApxaioAoYixfj 'EipTipepii; Archiv für Geschichte der Philosophie American Journal of Philology Ancient Near Eastern Texts relating to the Old Testament, ed. J. B. Prit-
ANET Suppl.
chard. Princeton H955 The Ancient Near East. Supplementary Texts and Pictures Relating to the
ARW AT AUMLA AW BAB BAGB BSEAA CA CAF CAG CCAG CGF CGFPap CGL Corp, Apol. ehr. CQ CRAl DG EGE FGrHist FHG GCS GE GGM GIF GRBS HAnt HO HR HRR
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Zur Zitißiwßise antiker Texte Im allgemeinen wurde nach Liddell-Scott-Jones und Thesaurus linguae Latinae zitiert. Abwei¬ chungen von diesem Grundsatz ergaben sich bei Textsammlungen, deren Abkürzungen in einem eigenen Verzeichnis (S. 282/3) aufgeführt sind, sowie bei folgenden Autoren und Werken: Aisopos Antimachos Apokalypse Adams Aristeides Aristoteles
Asklepios Chalcidius Eratosthenes
Etymologicum Genuinum
Euripides Eusebios
Georgios Synkellos Hesiodos
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