Antike Sklaverei 353471265X, 9783534712656

Sklaverei war in der Antike allgegenwärtig - sie gehörte buchstäblich zum Alltag. Die ältesten griechischen Zeugnisse re

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Inhalt
Antike Sklaverei: eine Einführung
I. Sklavenhaltergesellschaft oder Gesellschaft mit Sklaven
Die Entstehung einer Gesellschaft der Sklaverei (1980)
Authority, Alienation and Social Death (1982)
Den Untermenschen konstruieren. Wie die griechische Klassik den Sklaven von Natur erfand (2001)
II. Quellen (Ressourcen) der Sklaverei
Mobilität im römischen Italien, II.: Die Sklavenbevölkerung (2005)
Demographie, Geographie und die Quellen der römischen Sklaven (2011)
III. Das Verhältnis von Herren und Sklaven
Sklaventreue (1972)
Widerstand gegen Sklaverei in Rom (2011)
Herren und Sklaven im archaischen und klassischen Griechenland. Überlegungen zu ihrem wechselseitigen Verhältnis (2012)
Private Sklavenfürsorge in der griechisch-römischen Antike. Ein Streifzug durch die literarischen Quellen (2012)
IV. Das Ende der antiken Sklaverei?
Das Verhältnis der jungen byzantinischen Staatskirche und der römischen Kirche zur Sklaverei (1957)
Zum Verhältnis von Herren und Sklaven in der Spätantike (1999)
Auswahlbibliographie
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Antike Sklaverei
 353471265X, 9783534712656

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Antike Sklaverei Herausgegeben von Elisabeth Herrmann-Otto

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: //dnb.d-nb.de abrufbar

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Umschlaggestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Umschlagabbildung: Treverische Dame mit Sklavinnen bei der Toilette. Neumagen: Großer Elternpaarpfeiler, 2. / 3. Jh. n. Chr. Rheinisches Landesmuseum, Trier. Foto: akg-images / Erich Lessing Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-23854-5

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71265-6 eBook (epub): 978-3-534-71267-0

Inhalt Elisabeth Herrmann-Otto Antike Sklaverei: eine Einführung ........................................... 7

I. Sklavenhaltergesellschaft oder Gesellschaft mit Sklaven Moses I. Finley Die Entstehung einer Gesellschaft der Sklaverei (1980) .......................................... 25 Orlando Patterson Authority, Alienation and Social Death (1982) ..................... 45 Egon Flaig Den Untermenschen konstruieren. Wie die griechische Klassik den Sklaven von Natur erfand (2001) ....................... 57

II. Quellen (Ressourcen) der Sklaverei Walter Scheidel Mobilität im römischen Italien, II.: Die Sklavenbevölkerung (2005) ...................................... 73 William V. Harris Demographie, Geographie und die Quellen der römischen Sklaven (2011) .................................. 92

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Inhalt

III. Das Verhältnis von Herren und Sklaven Joseph Vogt Sklaventreue (1972) ............................................................. 118 Keith R. Bradley Widerstand gegen Sklaverei in Rom (2011) ........................ 132 Karl-Wilhelm Welwei Herren und Sklaven im archaischen und klassischen Griechenland. Überlegungen zu ihrem wechselseitigen Verhältnis (2012) ........................ 147 Stefan Knoch Private Sklavenfürsorge in der griechisch-römischen Antike. Ein Streifzug durch die literarischen Quellen (2012) ................................ 174

IV. Das Ende der antiken Sklaverei? Gerhard Kehnscherper Das Verhältnis der jungen byzantinischen Staatskirche und der römischen Kirche zur Sklaverei (1957) .................. 216 Richard Klein Zum Verhältnis von Herren und Sklaven in der Spätantike (1999) ....................................................... 233

Auswahlbibliographie .......................................................... 253

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Antike Sklaverei: eine Einführung Die antike Sklaverei stellt unter universalhistorischem Aspekt eine der ganz wesentlichen Epochen der Weltsklaverei dar. Sie umfasst nicht nur mehrere Jahrtausende, wenn man die orientalischen Reiche mit einbezieht. Auch bei einer Beschränkung auf die eineinhalbtausendjährige Geschichte der griechisch-römischen Sklaverei, kommt ihr bezüglich ihrer Fernwirkung eine immense Bedeutung für die europäische und außereuropäische Geschichte der westlichen Hemisphäre unseres Globus zu.1 Die Rezeption der antiken Sklaverei geht, wenn auch in antiquarischer Form, bis in die Renaissance zurück. Formen von Unfreiheit, Sklaverei und Abhängigkeit haben entweder nach dem Ende des Römischen Reiches weiter fortbestanden oder sich teilweise transformiert und den neuen Gegebenheiten angepasst. Neu entstehende Sklavereisysteme, wie in den Südstaaten der USA oder – im Zuge der Kolonialisierung – in Südamerika, der Karibik oder Afrika, haben sich ganz bewusst an Formen und Gedankengängen antiker Philosophen, Staatstheoretiker und Juristen orientiert. Bis in die Zeit der Aufklärung herein hatte die Antike Vorbildcharakter, der im Zuge der Abolitionsbewegung immer häufiger hinterfragt wurde. Befürworter und Gegner der Sklaverei haben sich dennoch oft auf dieselben antiken Texte einschließlich der Bibel berufen, um ihre Positionen in unangreifbarer Weise zu untermauern. In einem gewaltigen politischen und ideologischen Kraftakt, der über ein Jahrhundert dauerte, wurden Sklavenhandel und Sklaverei als gegen die Natur des Menschen verstoßend verboten und abgeschafft.2 Vom heutigen Standpunkt aus, sowohl erkenntnistheoretisch wie moralisch gesehen, stellt sich allerdings die Frage, wie man die Sklaverei überhaupt rechtfertigen konnte. Um etwas zu rechtfertigen, muss man zunächst erkannt haben, daß Sklaverei nicht etwas Naturgegebenes und Selbstverständliches ist, sondern daß sie historisch geworden ist.3 Sie beruht auf einem Gewaltakt, einem Unterwerfungsakt, den ein Mensch gegen einen anderen Menschen ausübt. Das Recht des Stärkeren über den Schwächeren, angewendet auf vorstaatliche und staatliche Gesellschaften, die fremde Völker

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unterwerfen und versklaven, wandelt sich zum Kriegsrecht. Bereits in der Antike gab es einen Konsens, daß die in einem Krieg Besiegten zu Recht getötet oder – später in der historischen Entwicklung – versklavt wurden. Die Römer nannten dieses Recht ius gentium, Völkergemeinrecht, das in allen antiken Völkern anerkannt war.4 Auf diesem Hintergrund wird deutlich, daß man sich zwar bewusst war, daß es auch einen Zustand der Menschheit ohne Sklaverei gab, und daß alle Menschen zunächst, nach dem Naturrecht, gleich waren, daß aber eine Versklavung im Kriege eine gerechte Sklaverei darstellte (iusta servitus). Sie betraf zunächst nur die Frauen und Kinder, die als dem Sieger zukommende Beute mitgenommen wurden. Anstelle der Tötung der Männer ging man später – aus ökonomischen, eventuell auch aus politischen Gründen – zur Kriegsgefangenschaft und der daraus erfolgenden Versklavung über. Diese Praxis hielt sich in den mediterranen Ländern noch bis in die Neuzeit.5 Da es in der Antike neben der Sklaverei aus Kriegsgefangenschaft noch andere Arten der Versklavung gab, die in der gesamten antiken Welt verbreitet waren, galt die Sklaverei, obwohl man durchaus ihre Schattenseiten früh erkannte, als ein so selbstverständlicher Bestandteil der antiken Gesellschaften und Staaten, daß sie in ihrer Existenz nicht hinterfragt wurde. Selbst die Feststellung: „Die Sklaverei ist eine Einrichtung des Völkergemeinrechts, wonach ein Mensch gegen die Natur einem fremden Gewaltverhältnis (Herrschaft) unterworfen wird.“6 hatte nicht die Konsequenz, daß eine Abschaffung der Sklaverei gefordert wurde, obwohl sie als contra naturam eingestuft wurde. Nur hin und wieder gab es Äußerungen, die konsequent zu Ende gedacht, zur Abolition hätten führen müssen.7 Aber die Kritik blieb stets in Äußerlichkeiten befangen, sei es, daß Behandlungsweisen der Herren, Zustände auf dem Sklavenmarkt oder Lebensverhältnisse der Sklaven angeprangert wurden. Selten wurden diese Monita zu Gunsten der Sklaven erhoben. Vielmehr ging es stets um die Herren, ihre moralische Korruption, die aus ungezügelter Brutalität erwuchs, bzw. den politischen und ökonomischen Schaden, der im Gefolge schlechter Arbeits- und Lebensbedingungen der Unfreien aus Sklavenflucht und -aufständen entstehen konnte.8 Die Menschenunwürdigkeit von Sklaverei und Sklavenhandel war erst eine späte Erkenntnis, die mit der Aufklärung und der Abolitionsbewegung einsetzte.

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Nach der Abschaffung der Sklaverei und ihrer Brandmarkung als Verstoß gegen die Menschenrechte im 19. Jh. gewann die „antike Sklaverei“ nochmals im 20. Jh. eine unverhoffte Aktualität durch die Theorie des Historischen Materialismus. Die Auseinandersetzung mit der marx’schen Formationslehre blieb in der UdSSR und den mit ihr verbündeten Staaten nicht auf die Wissenschaft beschränkt, sondern schlug sich konkret politisch nieder. Die Abhängigkeit und Verflechtung der Wissenschaft von und mit der Politik brachte es mit sich, daß Abweichungen von vorgegebenen Inhalten repressiv und mit persönlichen Folgen für die Wissenschaftler unterdrückt wurden.9 Die antike Sklaverei als Nachfolgerin der patriarchalischen Urgesellschaft bzw. der asiatischen Produktionsweise und als Vorstufe der Feudalgesellschaft gewann als eine der fünf bzw. sechs Formationsstufen, die letztendlich zur Diktatur des Proletariats und zur klassenlosen Gesellschaft führen sollten, eine traurige, teilweise bedrohliche Aktualität in den kommunistischen Ländern.10 Ihre Relevanz blieb nicht auf den Osten beschränkt, sondern beeinflusste wesentlich auch die westliche Forschung, glücklicherweise fast ohne persönliche politische Folgen für die Wissenschaftler.11 Auch nach dem Ende des Kommunismus und nach der historischen Widerlegung der Formationstheorie sind die Auswirkungen dieser Periode bis heute in unterschiedlicher Weise spürbar. „Neue Wege der Forschung“: das Motto der Reihe legt es nahe, sich in der mehrhundertjährigen Forschung zur antiken Sklaverei auf die letzten 60 Jahre zu beschränken, d.h. auf die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, wo durch die ideologische Blockbildung in der Politik und darüber hinausgehend die intensivste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik festzustellen ist. Dabei bildeten sich bestimmte kontroverse Themenfelder heraus, von denen ich vier für diesen Band ausgewählt habe. Eine wissenschaftsgeschichtlichchronologische Anordnung und Auswahl der Beiträge für diesen Band verbot sich von vorne herein, weil sich exemplarisch die Kontroversen am besten themenbezogen herausstellen lassen. Allerdings musste auch da eine Auswahl erfolgen, die im Folgenden erläutert werden soll: Eine der grundlegenden theoretischen Fragen der Sklavenforschung allgemein und der antiken im Besonderen ist die nach dem Charakter der Gesellschaften und der Bedeutung der Sklaverei

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für diese Gesellschaften. Man unterscheidet zwischen „Gesellschaften mit Sklaven“ (societies with slaves, sociétés à esclaves), „Sklavengesellschaften“ (slave societies, sociétés esclavagistes) und Sklavenhaltergesellschaften (slaveholding societies). Beginnen wir mit dem letzten Terminus der „Sklavenhaltergesellschaft“. Er wurde im Historischen Materialismus für die zweite bzw. dritte Formationsstufe benutzt. Dieser Theorie zufolge war sie so lange von der Sklavenhaltung und den Sklavenhaltern bestimmt, bis sich die Sklaven ihrer selbst als Klasse bewusst wurden und sich gegen ihre Herren auflehnten. Ergebnis der Sklavenaufstände war eine neue Formationsstufe, die Feudalgesellschaft mit Leibeigenen, Hörigen, Fronbauern, Kolonen etc. Daß diese These historisch nicht haltbar ist, da es weder ein Klassenbewusstsein der Sklaven gab, noch die auf 100 Jahre beschränkten römischen Sklavenaufstände eine neue Gesellschaftsordnung, nämlich die des Mittelalters, heraufbeschworen haben, ist längst allgemein bekannt. Der Terminus „Sklavenhaltergesellschaft“ ist derart eng mit dieser Forschungsrichtung verbunden und dadurch ideologisch vorbelastet, daß man zur Be- und Umschreibung nun auf den Begriff der „Sklavengesellschaft“ ausweicht. Der ist aber im Deutschen ganz missverständlich, weil man unter ihm auch Gesellschaften = Vereine von Sklaven verstehen könnte. Aus diesem Grunde wird vielfach die wenig elegante Lösung der „Sklaven(halter)gesellschaft“ bevorzugt. Im Englischen findet man neuerdings auch slaveholding society, während früher, so auch im Beitrag von Moses I. Finley im englischen Original slave society stand, der 1981 mit „Gesellschaft der Sklaverei“ übersetzt wurde (s.u. S. 25). Wir haben diesen Ausdruck stehen lassen, obwohl auch er den Sachverhalt nicht ganz trifft. Als eindeutigere, wenn auch weniger elegante Bezeichnung im Deutschen wird neuerdings der Begriff „sklavereibasierte Gesellschaften“ vorgeschlagen.12 Doch worum geht es denn eigentlich inhaltlich bei allen diesen haarspalterisch wirkenden terminologischen Auseinandersetzungen? Wenn eine Gesellschaft geprägt ist von der Sklaverei, sei es, daß ihre Bevölkerung zumindest 30% aus Sklaven besteht oder die Mentalität der freien Bevölkerung so strukturiert ist, daß sie sich ein Leben ohne Sklaven überhaupt nicht vorstellen kann, dann, so die Meinung vieler Forscher, u.a. auch der hier aufgenommenen Moses I. Finley und Egon Flaig, ist eine Gesellschaft eine Sklaven(halter)gesellschaft, eine Gesellschaft der Sklaverei, eine sklavistische Ge-

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sellschaft. Es stellt sich jedoch von vorne herein die Frage, ob dieser Terminus überhaupt auf die Antike anwendbar ist, denn es liegen keine klaren Aussagen in den antiken Quellen über Bevölkerungszahlen vor, geschweige denn über das demographische Verhältnis von Freien und Unfreien. Aus diesem Grunde ist man in der neueren Forschung auf die Lösung verfallen, eine Gesellschaft, die von der Sklavenarbeit lebt und in deren Vorstellung Sklavenbesitz als selbstverständlich verankert ist, mental als Sklaven(halter)gesellschaft zu bezeichnen. Dagegen kann man von einer „Gesellschaft mit Sklaven“ sprechen, wenn die Sklaven weder numerisch noch ökonomisch dominant sind und eine von vielen nebeneinander existierenden Bevölkerungsgruppen darstellen. Die Frage, welchem Gesellschaftstyp die griechisch-römische Antike zuzuweisen sei, ist bis heute umstritten.13 Das soll auch in den drei ausgewählten Beiträgen sichtbar werden. MOSES I. FINLEY, Soziologe, Wirtschafts- und Althistoriker, der aus Amerika in der McCarthy-Ära vertrieben, von 1954 bis 1979 in Cambridge lehrte,14 macht die Entstehung der Sklaverei grundlegend an folgenden Kriterien fest: 1. Wenn zu viel Land von zu wenigen Arbeitskräften bewirtschaftet werden muss, 2. wenn Arbeitskräftemangel herrscht, weil freie Lohnarbeiter sich nur kurzfristig in abhängige Arbeit begeben wollen, 3. wenn durch Verbot von Schuldsklaverei die eigenen Volksgenossen nicht mehr versklavt werden dürfen, 4. wenn Warenproduktion und Märkte ausreichend entwickelt sind. Um der Nachfrage nach Arbeitskräften und Waren nachkommen zu können, bleibt nur der Sklavenimport, der dem Käufer den Zugriff auf den gesamten Menschen, nicht allein auf seine Arbeitskraft verschafft. Finley betont, daß alle oben erwähnten Kriterien gleichzeitig auftreten müssen, daß zuerst die Nachfrage nach den (un)freien Arbeitskräften bestand, und erst dann diese durch Kriege, Raub und Handel erworben wurden. Sklaverei bleibt für ihn immer unmenschlich, gegen den Menschen gerichtet, auch wenn die Herren auf Brutalität verzichten. Neben den amerikanischen Südstaaten, Brasilien und der Karibik sind das demokratische Athen des 5./4. Jhs. v. Chr. und das republikanische Rom des 3.-1. Jhs. v. Chr. die fünf Gesellschaften der Sklaverei = Sklaven(halter)gesellschaften der Weltgeschichte. Auch bei dem aus Jamaika stammenden Soziologen ORLANDO PATTERSON geht es in seinem bahnbrechenden Buch Slavery and

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Social Death, (Cambridge 1982) um den Vergleich von 66 „Sklavengesellschaften“, large-scale slave systems, die von der Sklaverei als Institution abhängig waren.15 In dem für diesen Band ausgewählten Ausschnitt ist die Perspektive des Sklaven beim Akt der Versklavung gewählt. Sie vollzieht sich in einem dreifachen rituellen Akt: 1. der Entwurzelung aus der Herkunftsgesellschaft, 2. der Einführung in die neue Gesellschaft als total Rechtloser, als sozial Toter, dessen Verbindungen in die neue Gesellschaft allein über den Herrn laufen, 3. des Namenswechsels und der Kennzeichnung als Sklave. Darüber hinaus unterscheidet er zwischen zwei Arten der Versklavung, der intrusiven, d.h. der von Fremden durch Krieg, Raub, Handel, und der extrusiven, d.h. der eigenen Volksgenossen durch Verschuldung, Strafe etc. Beide so unterschiedlich Versklavte stehen dennoch als Sklaven und Rechtlose außerhalb der Gesellschaft. Patterson sieht ganz deutlich, daß die antike Sklaverei kein monolithischer Block ist, sondern er differenziert zwischen Griechenland und Rom. Letzteres erkennt er als offenes System, in dem die Integration des Sklaven als Freigelassener und über religiöse Partizipation möglich wurde, was in Athen immer unmöglich blieb. Ob auf diesem Hintergrund Rom für Patterson eine sklavereibasierte Gesellschaft ist, bleibt offen. EGON FLAIG, Althistoriker an der Universität Rostock, stets von einem universalhistorisch-theoretischen Ansatz her argumentierend,16 schreibt sozusagen den spektakulären Artikel von Moses I. Finley aus dem Jahr 1959: Was Greek Civilization Based on Slave Labour? fort,17 indem er die Kompatibilität von antiker Demokratie mit Sklaverei vorführt, die er im klassischen Athen verwirklicht sieht. Dieses ist für ihn uneingeschränkt, eine sklavistische Gesellschaft, die auf der aristotelischen Theorie vom Sklaven von Natur beruht. Durch die Heranführung der Problematik an die deutsche Geschichte führt er einmal eine Demokratiekritik und damit verbunden eine Kritik an der deutschen Wissenschaft durch, der er eine unkritische Einstellung zum „hehren“ Griechentum vorwirft. Auch hier setzt er die Linie Finleys fort, der am zweiten Humanismus der bourgoisen, westdeutschen Sklavereiforschung, vor allem im Blick auf die Sklavenforschungen an der Mainzer Akademie, Kritik geübt hatte.18 Heute hat sich die Debatte zwar entpolitisiert, aber der Theorienstreit besteht weiter fort.

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Gleiches gilt für den zweiten Themenkreis um die Quellen (Ressourcen) der Sklaverei. Durch die antiken Quellen ist eindeutig belegt, daß man auf verschiedene Art und Weise in die Sklaverei geraten konnte: durch Kriegsgefangenschaft, Geburt von einer Sklavin, Selbstverkauf und Verkauf, Aussetzung, Menschenraub, Verschuldung, zur Strafe für ein Verbrechen und durch eine eheähnliche Verbindung mit einem fremden Sklaven.19 Umstritten ist bis heute, in welchem Verhältnis diese verschiedenen Quellen der Sklaverei standen, ob eine von ihnen dominant war, oder alle einen gleichen Anteil an dem Fortbestand der Sklaverei hatten, oder ob man von regionalen und temporären Unterschieden auszugehen hat. In diesem Band ist eine direkte Kontroverse zweier Althistoriker (Scheidel – Harris) aufgenommen, die in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann und sich bis heute fortsetzt. Durch direkten Kontakt mit beiden Kollegen wurde es möglich, die Fortsetzung ihrer Auseinandersetzung im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts in einer von beiden persönlich überprüften, deutschen Übersetzung vorzulegen. Außerdem hat der Österreicher Walter Scheidel, der als Professor of Classics an der Stanford University (USA) lehrt und als Spezialist für antike Demographie und Wirtschaft gilt,20 den ersten Teil seines Aufsatzes für diesen Band paraphrasierend zusammengefasst. WALTER SCHEIDEL ist weiterhin in direkter Auseinandersetzung mit WILLIAM V. HARRIS von der Dominanz der natürlichen Reproduktion überzeugt, obwohl die antike Überlieferung dieser These widerspricht, denn: 1. stehen keine antiken Statistiken und flächendeckende Zensusdeklarationen zur Verfügung, um entsprechende demographische Berechnungen durchführen zu können, die Scheidel allein aus Vergleichen mit modernen Sklavereigesellschaften gewinnt. Scheidel erkennt diesen Tatbestand auch an und erstellt Plausibilitätsrechnungen. 2. deuten fast alle antiken Quellen darauf hin, daß es mehr männliche als weibliche Sklaven gegeben hat. Das ist vor allem ökonomisch bedingt, da es dreimal so viele Berufe für Männer als für Frauen gab. 3. war der Risikofaktor bei der natürlichen Reproduktion wegen der hohen Mortalitätsrate der Frauen im Kindbett und der Babys und Kleinkinder so hoch, daß die römischen Sklavenbesitzer keine systematische Nachwuchsförderung betrieben haben.21

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Hiergegen stellt Scheidel seine eigenen Thesen: 1. Über den Handel allein hätten die Römer ihren Bedarf an Sklaven nicht decken können, sondern nur durch natürliche Reproduktion. 2. Zu diesem Zweck seien Sklavinnen spät freigelassen worden und seien für viele Geburten prämiert worden. 3. Durch den Handel seien vor allem Frauen und Kinder, durch die Aussetzung Mädchen nach Rom gekommen, die alle reproduktiv eingesetzt werden konnten. In direkter Auseinandersetzung mit der einseitigen These von Scheidel versucht William V. Harris (Columbia University, New York), der sich mit Rom, seiner Expansion und seinem Handel seit Jahrzehnten auseinandersetzt,22 nachzuweisen, daß keiner der oben aufgeführten Quellen der Sklaverei ein Vorrang einzuräumen sei, sondern allen ein nicht zu berechnender Anteil am Fortbestand der Sklaverei zukomme. Im Addendum räumt er allerdings ein, daß im 3. Jh. n. Chr. die Reproduktion vorrangig gewesen sei, und aus dem 4. Jh. eine Inventarliste bekannt ist, die eine Geschlechterbalance zwischen Sklaven und Sklavinnen aufweist (Thera). Insgesamt lehnt Harris die Thesen von Scheidel jedoch ab und versucht dessen Berechnungen ad absurdum zu führen. Er räumt der Aussetzung und der Aufzucht von alumni eine hohe Bedeutung ein, die zwar ebenso mit dem Risiko der Kindersterblichkeit behaftet ist. Allerdings wird auf diesem Wege die Mortalität der Mütter durch die Ablehnung einer systematisch betriebenen natürlichen Reproduktion umgangen. Harris weist zusätzlich auf die Bedeutung des Selbstverkaufs hin, den erstmals Paul Veyne und Jean Ramin 1981 thematisiert haben.23 Selbstverkauf könnte als die wichtigste Quelle der Sklaverei nach Zivilrecht gelten, weil aus ihm u.U. sogar eine iusta servitus erwachsen kann, wenn der erwachsene Freie sich mit Gewinnbeteiligung verkaufen lässt. Besonders angesichts der lukrativen Tätigkeiten als procuratores und actores haben römische Bürger auf ihre freie Geburt leicht verzichtet. Die hohe Selbstverkaufsrate wirft ein Licht auf die Befindlichkeit der römischen Gesellschaft, die teilweise von großer Armut geprägt war, aus der nur der Weg in die Sklaverei herausführte. Die an sich illegale Praxis des Selbst- und Kinderverkaufs eröffnete außerdem die Möglichkeit eines später anzustrebenden Statusprozesses, in dem unter bestimmten Bedingungen die freie Geburt wiederhergestellt werden konnte. Dies ist nur möglich in einer Gesellschaft mit hoher Mobilität, einem „offenen System“, wie Orlando Patterson die römische Gesellschaft charak-

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terisiert hat. Wie aber der Anteil der verschiedenen Quellen am Fortbestand der Sklaverei zu bewerten ist, ist nicht zu beantworten. Kriegsgefangenschaft, Sklavengeburt und Selbstverkauf scheinen den juristischen Zeugnissen zufolge die vorrangigen Quellen gewesen zu sein. 24 Nicht weniger kontrovers geht es im dritten Themenkreis: das Verhältnis von Herren und Sklaven zu. Die vier Beiträge, zwei Originale und zwei Wiederabgedruckte, vertreten je zwei zu zwei einmal das Verhältnis der Sklaven zu den Herren in kontroverser Positionierung (Vogt – Bradley) und das Verhältnis der Herren zu den Sklaven (Welwei – Knoch), das heute weniger kontrovers gesehen wird. JOSEPH VOGT, der Tübinger Althistoriker und Begründer des Sklavereiprojektes an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz im Jahr 1950,25 geht in seinem Beitrag von dem Grundsatz aus, daß trotz aller Vorurteile der Herren gegenüber ihren Sklaven, daß sie faul, hinterlistig, bösartig etc. wären, in den antiken Quellen auch Sklaventugenden, vor allem die Treue gegenüber den Herren und deren Familien bis in den eigenen Tod überliefert seien. Daß sich alle diese Episoden in der völlig brutalisierten und von Terror geprägten Zeit der ausgehenden Republik ereignet haben, hebt Vogt besonders hervor. Dieser Beitrag ist sowohl von Moses Finley wie auch von Egon Flaig in seiner Einseitigkeit und seinem humanistischen Pathos auf das Schärfste kritisiert worden, und das zu Recht: blendet er doch die Gegenbeispiele völlig aus, und hinterfragt nicht den Sinn und Zweck dieser Beispielsammlungen. Denn die Autoren sind nicht die Sklaven selbst, von denen wir so gut wie keine eigenen schriftlichen Zeugnisse besitzen, sondern die Herren. Wahrscheinlich geht es um eine fundamentale Moralkritik an der sittlichen Verrohung der Oberschicht in der ausgehenden Republik, die sich auf dem Hintergrund edelmütiger Sklaven umso krasser aufzeigen lässt, als wenn es sich um das tugendsame Verhalten freier Menschen gehandelt hätte. Um die Sklaven ging es dabei in keiner Weise: sie dienten nur als Folie. Dennoch ist dieser Beitrag ein wissenschaftsgeschichtlich interessantes Zeugnis der Betrachtungsweise der Sklaverei in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Bundesrepublik, positioniert zwischen westlicher und östlicher Forschung.26

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Einen vollkommen entgegengesetzten Ansatz wählt KEITH BRADLEY, einer der vielen Schüler von Moses Finley, Althistoriker an der University of Notre Dame in Indiana (USA) und großer Spezialist vor allem in der römischen Sklaverei.27 Er sieht das Verhalten der Sklaven gegenüber ihren Herren auf einem permanenten Widerstand begründet, der sich aktiv in Aufständen, Flucht, Todschlag des Herrn, Selbstmord zeigt, oder sich passiv in Arbeitsverweigerung, Trödeln, Sabotage, Stehlen und ständigem Krankfeiern niederschlagen kann. Dennoch weiß Bradley genau, daß man der römischen Sklaverei nie allein über den Widerstand gerecht werden kann, weil sie viel zu komplex ist: Neben reichen Sklaven, Karrieristen, die in die Gesellschaft nach ihrer Freilassung annähernd integriert waren, gab es armselige Sklaven in den Bergwerken, die nur der Tod erwartete, und unfreie Gladiatoren, vergöttert von einer Fangemeinde, die ihr Schicksal in der eigenen Hand hatten: Tod oder Leben, eventuell später in Freiheit. Weder den vielen gehorsamen noch den widerständigen Sklaven ging es um die Abschaffung der Sklaverei, sondern stets um ihre eigene Freiheit, die sie durch ihr jeweiliges Verhalten zu erreichen suchten. Aus dem Blickwinkel der Herren betrachtet, waren Sklaven eine Investition. Ihr Widerstand bedeutete jedenfalls Verlust, der beim passiv Widerständigen ökonomisch verkraftbar war, beim aktiven Aufbegehren jedoch immense Einbußen mit sich brachte. Allerdings fragt man sich, wie die römische Sklaverei als Institution rund tausend Jahre hat ziemlich unbehelligt Bestand haben können, wenn sie vom permanenten Widerstand der Sklaven geprägt gewesen sein soll.28 An diese Linie anknüpfend, allerdings nun im Blick auf griechische Verhältnisse geht der emeritierte Althistoriker und profunde Kenner Griechenlands, seiner Geschichte und Sklaverei, KARL-WILHELM WELWEI29 von den Herren aus. Er meint, daß trotz aller Klagen der Besitzer und Eigentümer das Verhältnis so schlecht nicht gewesen sein kann, weil sonst in Kriegs- und Krisensituationen Sklaven nicht zur Unterstützung ihrer Herren eingesetzt worden wären. Dies weist er auch für die Heloten in Sparta nach, die die Spartiaten stets als Waffenträger begleiteten. Gerade was die Helotie angeht, ist die Forschung in fast allen Fragen vollkommen kontrovers. Das trifft auch auf das Verhältnis zwischen Spartiaten und Heloten zu, da erstere ihren Unterworfenen mit Terror, Brutalität und Erniedrigung zu begegnen schienen, was ihm Gegenzug Wider-

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ständigkeit provozierte und bis zu konkreten, manchmal auch länger währenden und teilweise sogar erfolgreichen Aufständen führte. Diese Forschungsrichtung wird zwar von den antiken Quellen gestützt. Doch müssen sie auf ihren historiographischen Wert hinterfragt werden.30 Auch für die Unfreien im klassischen Athen beansprucht Welwei einen freundlichen Umgang der Herren, da in Notsituationen Sklaven zusammen mit den Theten auf den Ruderbänken saßen. Dennoch kennt der Autor auch die Kehrseite der Medaille: Sklaven, die den Feinden geholfen haben, wurden trotz gegenteiligen Versprechens wieder versklavt; Barbaren, denen jegliche politische Gestaltungskraft abgesprochen wurde, galten theoretisch als Sklaven und wurden von den Griechen auch so behandelt. Sowohl in der Theorie (Sklaven von Natur – alle Menschen sind frei geboren) als auch in der Praxis (neben Vertrauen abgrundtiefes Misstrauen, Hass und Grausamkeit) lassen sich die Gegensätze klar aufzeigen, sodaß das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven in der griechischen Antike nicht in einer einheitlichen Linie verläuft, sondern eher als widersprüchlich und ambivalent eingeschätzt werden muss.31 Wie Welwei geht auch der Althistoriker STEFAN KNOCH von den Sklaven als Objekt in der Beziehung Herr-Sklave aus. An Hand literarischer Quellen weist er die Sklavenfürsorge von Homer bis in die Spätantike nach. Dabei stellt er insgesamt fest, daß es sich stets um eine Mischung zwischen Belohnung und Bestrafung handelte, je nachdem ob der Sklave gut und treu oder widerständig und untreu war. Diese Linie verfolgt er differenziert von Homer bis zu den römischen Juristen, um festzustellen, daß bei allen Fürsorgemaßnahmen der Sklave immer an zweiter Stelle stand. Es ging vorrangig um die Tugendhaftigkeit des Herrn, sei es im moralphilosophischen Sinne, sei es im Kontext eines ständischen Sittenkodex. Selbst Rentabilitätsgesichtspunkte traten hinter dem moralischen Anliegen zurück, in welchem der Sklave nur Prüfstein war. Ausnahmen von diesem Verhalten der Herren und in der Rechtssituation der Sklaven meint Knoch im ptolemäischen Ägypten und im Christentum erkennen zu können. Neben die Einklagbarkeit von Nahrung, Kleidung und Geld unter Androhung von Protest, Arbeitsverweigerung und Flucht durch ägyptische Sklaven stellt er die Gleichheit von Herren und Sklaven als christliche Brüder in den Gemeinden. Daraus erwachsen die Verantwortung des Herrn für

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Körper und Seele des Sklaven, Verbot des sexuellen Zugriffs auf den Körper des Unfreien und Gehorsams- wie Dienstpflicht der Sklaven.32 Allerdings betont Knoch, daß es sich um theoretische Forderungen handelte, die in der Praxis zum Konflikt mit gesellschaftlichen Vorstellungen und den Herrenrechten führten und deswegen nicht umgesetzt werden konnten. Zieht man ein Resümee aus den vier Beiträgen zum Verhältnis Herren und Sklaven, so wird deutlich, daß in der Praxis die Herren immer Subjekt, die Sklaven immer Objekt blieben. Auch die Gehorsamspflicht, ob christlich oder philosophisch gefordert, betont die Unterlegenheit des Unfreien, die im Christentum in vielfältiger Weise sogar festgeschrieben wurde, wie sich an den Beiträgen des letzten Themenkomplexes aufweisen lässt. Abschließend stellt sich die Frage nach dem Ende der antiken Sklaverei. In der Vergangenheit sind dafür ökonomische und religiöse Gründe angeführt worden, daß sich die spätantike Sklaverei zu Gunsten von Halbfreiheit und Schollengebundenheit zurückentwickelt habe,33 und das Christentum, das die Gleichheit aller Menschen vor Gott vertrete, schließlich zur Abschaffung der Sklaverei in der Antike geführt habe.34 Mittlerweile sind beide Thesen widerlegt. Dennoch ist es interessant, exemplarisch an zwei Beiträgen, die aus ganz unterschiedlichen ideologischen Lagern kommen, zu sehen, wie sie in der Beurteilung der Rolle, die das Christentum für die antike Sklaverei gespielt hat, zu ganz kongruenten Ergebnissen gelangt sind. GERHARD KEHNSCHERPER wurde von marxistischen Althistorikern der DDR als nichtmarxistischer Althistoriker bezeichnet, der sich um die Anwendung des dialektischen Materialismus bemüht habe. Der hier aufgenommene Auszug aus seinem Buch: Die Stellung der Bibel und der Alten Kirche zur Sklaverei, (Halle 1957) wird von Matthias Willing als „originelle Variante des Versuchs“ bezeichnet „das christliche Gedankengut mit der marxistischen Geschichtsphilosophie zu harmonisieren.“35 Das ist einer der Gründe, diese wenig bekannte Arbeit wieder ins Gedächtnis zurückzuholen. Als Anhänger der fünf-stufigen Formationslehre des historischen Materialismus36 sieht Kehnscherper schon eine Verbesserung der Verhältnisse für die Sklaven in der Kaiserzeit und ein Ende der Sklaverei gekommen. Dieses wäre jedoch von der christlichen

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Kirche verhindert worden, die sich die Interessen der herrschenden Klasse der Herren zu eigen gemacht hätte, und die Sklaverei zur gottgewollten Institution erklärt hätte. Außerdem kritisiert er vor allem die westliche Kirche, daß sie ihr Schicksal an das Römertum gebunden habe und nicht an die Barbaren, mit denen das Ende der Sklaverei und die neue Formationsstufe des Feudalismus sich bereits abzeichneten. Er wirft der Kirche Retardation und Verschlimmerung der Lage der Sklaven vor, sowie ihre eigenen Grundsätze von der Gleichheit aller Menschen vor Gott verraten zu haben. Gemäß der Formationslehre steht für Kehnscherper das Ende der Sklaverei in der Kaiserzeit fest, das jedoch durch das Fehlverhalten der Kirche um einige Jahrhunderte verzögert worden sei. Damit hat er einmal die marxistische Theorie als richtig erwiesen, zum anderen die Verzögerung in der historischen Wirklichkeit erklärt, und Christentum mit Marxismus in ein ambivalentes Verhältnis gebracht. Um so erstaunlicher ist es, daß der Erlanger Althistoriker und profunde Kenner von Christentum und Sklaverei, RICHARD KLEIN,37 ohne marxistische Theorie, allein gestützt auf die antiken christlichen und paganen Quellen bezüglich der Stellung der Christen, Nichtchristen und der Kirche zur Sklaverei zu einem ähnlichen Ergebnis kommt wie der Kollege aus der DDR. Was das Ende der Sklaverei betrifft, da allerdings fällt die Antwort des westdeutschen Wissenschaftlers ganz anders aus. Klein kann übereinstimmend an Hand aller Zeugnisse feststellen, daß Christen, Nennchristen und überzeugte Nichtchristen die Sklaven verachteten und daß alle ihr absolutes Zugriffsrecht auf den Körper von Sklaven und Sklavinnen wahrnahmen. Für niemanden war ein Leben ohne Sklaverei vorstellbar. Trotz der Existenz der staatlich anerkannten manumissio in ecclesia, ermunterte die Kirche nicht zur Freilassung, höchstens im Blick auf das Seelenheil des Freilassers aber nicht zu Gunsten der Sklaven, deren nie sterbende Patronin sie zu werden anstrebte. Sklaven gehörten weder zu den ins Ausland Verschleppten, die auf Kirchenkosten freizukaufen waren, noch zu den Armen, die in das kirchliche Fürsorgeprogramm eingebettet waren. Ähnlich wie Kehnscherper erkennt Klein vor allem bei den westlichen adligen Bischöfen die Übernahme paganer Wertvorstellungen, sodaß die östlichen Kirchenväter wie z.B. Gregor von Nyssa und Johannes Chrysostomos, die die Herren zu einer besseren Behandlung der Sklaven ermahnten, „einsame Rufer in der Wüste“

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blieben. Da die Kirche zur größten Sklavenbesitzerin geworden war, hatte besonders sie ein großes Interesse am Fortbestand der Sklaverei über das Ende des Römischen Reiches hinaus.38 Die Forschungen des letzten Jahrzehnts haben erst die längerfristige Kontinuität der antiken Sklaverei im Mittelmeerraum und in Byzanz nachweisen können. Allerdings ist weiterhin umstritten, zu welchem Zeitpunkt die antike Form der Sklaverei von neuen Formen abgelöst wurde.39 Die in diesem Band ausgewählten Themenkreise sind nicht die einzigen kontroversen in der Sklavenforschung. Ungeklärt sind die Fragen nach der Rentabilität der Sklaverei und ihrer Relation zur freien Arbeit.40 Strittig ist ihr retardierender Einfluss auf die Fortentwicklung eines technischen Fortschritts in der Antike.41 Das sind nur einige weitere Diskussionsfelder, die hier nicht bedient werden konnten. Um trotz begrenztem Seitenumfang der Reihe ein größeres Spektrum innerhalb der Themenbereiche anbieten zu können, wurden Kürzungen in den Beiträgen vorgenommen, die gekennzeichnet wurden […]. Dadurch konnten die Kernthesen noch klarer herausgehoben werden. Die Fußnoten, hier als Endnoten gesetzt, wurden jeweils angeglichen. Bibliographische Aktualisierungen wurden, so weit wie möglich, durchgeführt. Zudem ist es gelungen, alle Beiträge, außer dem von Orlando Patterson, in deutscher Sprache, Original oder in Übersetzung vorzulegen. Neben der bereits bestehenden Übersetzung des grundlegenden Buches von Moses I. Finley wurden die Übersetzungen der Beiträge von Keith Bradley, William V. Harris und Walter Scheidel in engster Kooperation mit den Autoren selbst erstellt. Ihnen allen sei für ihre kollegiale Unterstützung und Mitarbeit herzlichst gedankt. Mein Dank gilt ebenfalls meinen beiden Doktoranden Christian Rollinger und Marcel Simonis, die die Übersetzungen in engem Kontakt mit den Autoren durchgeführt haben. Für die Originalbeiträge konnten Karl-Wilhelm Welwei und Stefan Knoch gewonnen werden, die sich zur Vermeidung von Doubletten aufeinander eingestellt haben. Ihnen danke ich für die Bereitschaft, an dem Sammelband mitzuwirken. Die Auswahlbibliographie soll auch als eine solche verstanden werden, die erste Orientierungshilfen bietet. Verwiesen sei auf die an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz von

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Johannes Deißler und Dorothea Schäfer 2003 in dritter Auflage publizierte umfassende Bibliographie zur Antiken Sklaverei, die nun in aktualisierter Form auch online steht.42 Ohne vielfältige Mithilfe würde der Band nicht in dieser Form vorliegen. Ich danke meiner wissenschaftlichen Hilfskraft am Lehrstuhl, Dr. des. Alexander Trefz, und meiner Doktorandin Astrid Weilandt M.A., die die Beiträge formal und bibliographisch hergerichtet und viele Korrekturgänge durchgeführt haben. Für die Herstellung der reprofähigen Version gilt mein besonderer Dank meinem erfahrenen Mitarbeiter Marcel Simonis. Herzlich danke ich Herrn Dr. Harald Baulig von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, der mir stets großzügig bei allen Terminschwierigkeiten entgegengekommen ist. Trier, im Oktober 2012

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Anmerkungen 1

H. Heinen, s.v. Sklaverei universalhistorisch, in: HAS V, 2013. E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, 152-202; C.K. Meyer, s.v. Sklaverei der Neuzeit, in: HAS I-IV, 2012; Chr. Grieshaber, Frühe Abolitionisten. Die Rezeption der antiken Sklaverei zur Zeit der schottischen Aufklärung und deren Einfluss auf die britische Abolitionsbewegung (1790-1833) (Sklaverei – Knechtschaft – Zwangsarbeit 9), Hildesheim 2012, 54-242. 3 K. Bradley, The Problem of Slavery in Classical Culture, in: Classical Philology 92, 1997, 282: „For a thousand years and more slavery was not a problem in classical culture, and therein lies a problem.” 4 Dig. 1,5,5,1 (Marc.) Servi autem in dominium nostrum rediguntur aut iure civili aut gentium: [...] iure gentium servi nostri sunt, qui ab hostibus capiuntur aut qui ex ancillis nostris nascuntur ; Inst. Iust. 1,3,4: servi autem aut nascuntur aut fiunt. nascuntur ex ancillis nostris. fiunt aut iure gentium, id est captivitate, aut iure civili. 5 H. Wieling, Die Begründung des Sklavenstatus nach ius gentium und ius civile (CRRS 1), Stuttgart 1999, 4-9; A. Haverkamp, Die Erneuerung der Sklaverei im Mittelmeerraum während des hohen Mittelalters. Fremdheit, Herkunft und Funktion, in: ders., Neue Forschungen zur mittelalterlichen Forschung (2000-2011), Hannover 2012, 267-296. 6 Dig. 1,5,4,1 (Florent.): servitus est constitutio iuris gentium, qua quis dominio alieno contra naturam subicitur. 2

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Elisabeth Herrmann-Otto Flaig (s. Anm.2), 80-82; Grieshaber (s. Anm.2), 127-141. Ioh. Chrys. hom. in Joh. 27 (PG 59, 156-157); Greg. Nyss. hom. in eccles. 4,2,7 (PG 44, 663-664; 665-666); Sen. clem. 1,18; Sen. epist. 47. H. Heinen, Aufstieg und Niedergang der sowjetischen Sklavereiforschung. Eine Studie zur Verbindung von Politik und Wissenschaft, in: ders. (Hrsg.), Antike Sklaverei: Rückblick u. Ausblick (FAS 38), Stuttgart 2010, 95-136. M. Willing, s.v. DDR, in: HAS I-IV, 2012 schildert das Ringen in der DDR um eine 6. Formationsstufe, nämlich die der asiatischen Produktionsweise, die sich nur mühsam gegen das von Moskau verkündete 5-Stufenmodell durchsetzen konnte. Vgl. auch B. Florath, Zur Diskussion um die asiatische Produktionsweise, in: I. Stark (Hrsg.), Elisabeth Charlotte Welskopf und die Alte Geschichte in der DDR, Stuttgart 2005, 184-200. M. Tschirner, s.v. Finley, Moses I., in: HAS I-IV, 2012; J. Annequin, s.v. GIREA, in: ebd.; N. McKeown, The Invention of Ancient Slavery, London 2007, 41-51. Heinen (s. Anm.1); E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt, Hildesheim 2009, 11-13. J. Andreau/R. Descat, Esclave en Grèce et à Rome, Paris 2006, 23-26; 49; 63; 65-105. K. Christ, Neue Profile der Alten Geschichte, Darmstadt 1990, 295-337; M. Tschirner/M.I. Finley, Studien zu Leben, Werk und Rezeption, Marburg 1994; B.D. Shaw, ‘A Wolf by the Ears’: M.I. Finley’s Ancient Slavery and Modern Ideology in Historical Context, in: M.I. Finley, Ancient Slavery and Modern Ideology. Expanded Edition by B.D. Shaw, Princeton 1998, 3-74. Heinen (s. Anm.1). E. Flaig, s.v. Sklaverei, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 9, 1996, 976-985; Ders., Abolition und Weltgeschichte. Geschichtstheoretische Überlegungen zu einer kulturellen Besonderheit, in: E. Herrmann-Otto (Hrsg.), Sklaverei und Zwangsarbeit zwischen Akzeptanz und Widerstand (Sklaverei – Knechtschaft – Zwangsarbeit 8), Darmstadt 2011, 178-244, s. auch die Gegenpositionen dazu u.a. U. Schmieder/C. Füllberg-Stollberg, Gegendarstellung zum Beitrag von Egon Flaig, in: ebd., 245-253. M.I. Finley, Was Greek Civilization Based on Slave Labour?, in: Historia 8, 1959, 145-164. J. Deißler, Cold Case? Die Finley-Vogt Kontroverse aus deutscher Sicht, in: H. Heinen (Hrsg.) (s. Anm.9), 77-93; McKeown (S. Anm.11), 30-41; Ders., Inventing Slaveries: Switching the Argument, in: (s. Anm.9), 3959.

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Herrmann-Otto (s. Anm.12), 190-199 u. 262 Abb.1; Wieling (s. Anm.5), 4-30. 20 Ausgangspunkt der Kontroverse war folgender Beitrag: W. Scheidel, Quantifying the Sources of Slaves in the Early Roman Empire, in: JRS 87, 1997, 156-169; stellvertretend für viele frühere Veröffentlichungen: Ders., The Roman Slave Supply, in: K. Bradley/P. Cartledge (Hrsg.), The Cambridge World History of Slavery, I: The Ancient Mediterranean World, Cambridge 2011, 287-310. 21 E. Herrmann-Otto, Ex ancilla natus. Untersuchungen zu den „hausgeborenen“ Sklaven und Sklavinnen im Westen des römischen Kaiserreiches (FAS 24), Stuttgart 1994, 231-287. 22 W.V. Harris, War and Imperialism in Republican Rome 327-70 B.C., Oxford 1979; Ders., Rome’s Imperial Economy, Oxford 2011. 23 J. Ramin/P. Veyne, Droit romain et societé: les hommes libres qui passent pour esclaves et l’esclavage volontaire, in : Historia 30, 1981, 472497. 24 A. Söllner, Irrtümlich als Sklaven gehaltene freie Menschen und Sklaven in unsicheren Eigentumsverhältnissen (CRRS IX), Stuttgart 2000 ; Wieling (s. Anm.5), 25-27; E. Herrmann-Otto, Soziale Mobilität in der römischen Gesellschaft: Persönliche Freiheit im Spiegel von Statusprozessen, in: H. Bellen/H. Heinen (Hrsg.), Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Akademie 1950-2000 (FAS 35), Stuttgart 2001, 171-183. 25 Christ (s. Anm.14), 63-124; D. Königs, Joseph Vogt: Ein Althistoriker in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. (Baseler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 168), Frankfurt/M. 1995; A. Maximova, Joseph Vogt und die Begründung seines Sklavereiprojekts aus russischer Sicht, in: H. Bellen/H. Heinen (Hrsg.) (s. Anm.24), 3-10; E. Herrmann-Otto, Joseph Vogt und die antike Sklavenhaltergesellschaft, in: I. Stark (Hrsg.) (s. Anm.10), 152-156. 26 H. Heinen, Kindersklaven – Sklavenkinder im Rahmen des Mainzer Sklavereiprojekts. Forschungen, Themen, Texte, in: Ders. (Hrsg.), Kindersklaven – Sklavenkinder (FAS 39), Stuttgart 2012, 1-14; E. Herrmann-Otto, Das Projekt „Forschungen zur antiken Sklaverei“ an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, in: H. Heinen (Hrsg.) (s. Anm.9), 62-68. 27 K. Bradley, Slavery and Society at Rome, Cambridge 1994; stellvertretend für vieles Frühere: Ders., Römische Sklaverei: Ein Blick zurück und eine Vorschau, in: H. Heinen (Hrsg.) (s. Anm.9), 15-38; Ders., Slavery in the Roman Republic, in: K. Bradley/P. Cartledge (Hrsg.) (s. Anm.20), 241-264. 28 Kritik: McKeown (s. Anm.11), 77-97; Ders. (s. Anm.18), 50-53.

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Elisabeth Herrmann-Otto Stellvertretend für ein breites Oeuvre: K.-W. Welwei, Unfreie im antiken Kriegsdienst. 1. Athen und Sparta (FAS 5), Wiesbaden 1974, 2. Die kleineren und mittleren griechischen Staaten und die hellenistischen Reiche (FAS 8), Wiesbaden 1977, 3. Rom (FAS 21), Stuttgart 1988. Einen differenzierten Forschungsüberblick über die vielen Kontroversen um die Helotie s. bei P. Cartledge, The Helots: a Contemporary View, in: K. Bradley/P. Cartledge (Hrsg.) (s. Anm.20), 74-90. H. Klees, Sklavenleben im klassischen Griechenland (FAS 30), Stuttgart 1998; N. McKeown, Resistance Among Chattel Slaves in the Classical Greek World, in: K. Bradley/P. Cartledge (Hrsg.) (s. Anm.20), 153-175. K. Harper, Slavery in the Late Roman World, AD 275-425, Cambridge 2011, 203-218, 326-348, 424-462. J. Glancy, Slavery and the Rise of Christianity, in: K. Bradley/P. Cartledge (Hrsg.) (s. Anm.20), 450-481. Harper (s. Anm.32), 3-32, 497-508; C. Grey, Slavery in the Late Roman World, in: K. Bradley/P. Cartledge (Hrsg.) (s. Anm.20), 482-509. (Beide mit Forschungsüberblicken.) H.-A. Wallon, Histoire de l’esclavage dans l’antiquité, 3 Bde, Paris 1847, [ND Aalen 1974 (2. Aufl.)]; P. Allard, Les esclaves chrétiens, depuis les premiers temps de l'eglise jusqu'à la fin de la domination romaine en occident, Paris 51914 (ND Hildesheim 1974); A.M. Ritter, s.v. Allard, Paul, in: HAS I-IV, 2012; J. Chr. Dumont, s.v. Wallon, Henri Alexandre, ebd. M. Willing, Althistorische Forschung in der DDR (1945-1989), Berlin 1991, 89, u. Anm.78. S. Anm.10. Kehnscherper schreibt vor Ausbruch der Kontroverse. Vorbildhaft: R. Klein, Die Sklaverei in der Sicht der Bischöfe Ambrosius und Augustinus (FAS 20), Stuttgart 1988; Ders., Die Haltung der kappadokischen Bischöfe Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa zur Sklaverei (FAS 32), Stuttgart 2000. S. Anm.8.; H. Grieser, Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien (5.-7. Jh.) (FAS 28), Stuttgart 1997, 144-150, 173-190. Harper (s. Anm.32), 3-32; Grey (s. Anm.33), 506/7. A. Eich/P. Herz, s.v. Rentabilität, in: HAS V, 2013. F. Kiechle, Sklavenarbeit und technischer Fortschritt im römischen Reich (FAS 3), Wiesbaden 1969. D. Schäfer/J. Deißler, Bibliographie zur antiken Sklaverei, 2 Teile (FAS Beiheft 4), Stuttgart 2003, ergänzte Version 2012: http://www.sklaven.adwmainz.de/index.php?id=1584

I. Sklavenhaltergesellschaft oder Gesellschaft mit Sklaven Moses I. Finley: Die Entstehung einer Gesellschaft der Sklaverei, aus: M. I. Finley, Die Sklaverei in der Antike. Geschichte und Probleme, 79–110, a. d. Engl. übers. v. Ch. Schwingenstein, A. Wittenburg, K. Brodersen (Originalausgabe: Ancient Slavery and Modern Ideology, London 1980), München 1981, C. H. Beck

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Die Entstehung einer Gesellschaft der Sklaverei […] Soweit wir das beurteilen können, formten die Griechen und Römer diese „uranfängliche Erscheinung“ um in etwas Neues und in der Weltgeschichte ihnen ganz Eigenes (und in der Geschichte überhaupt Seltenes), nämlich in ein institutionalisiertes System, das in großem Ausmaß sowohl auf dem Lande als auch in den Städten Sklavenarbeit einsetzte. Marxistisch ausgedrückt bedeutet das: „Die Produktionsweise der Sklaverei war die entscheidende Erfindung der griechisch-römischen Welt“.1 Diese Erfindung ist nicht „leicht zu erklären“. Zu Beginn müssen wir eine grobe, aber grundsätzliche und eigentlich selbstverständliche Unterscheidung treffen, nämlich die zwischen Arbeit für sich selbst und der Arbeit für andere. Das ‚für sich selbst‘ ist nicht im begrenzten individuellen Sinne zu verstehen, sondern schließt die Familie, wie groß oder klein sie in den jeweiligen Gesellschaften auch sein mag, mit ein. Das bedeutet, daß die Arbeit von Frauen und Kindern in der Familie, unabhängig davon wie patriarchalisch oder autoritär ihre Struktur ist, nicht zur Kategorie der Arbeit für andere gezählt wird, obwohl mir bewußt ist, daß ich dabei mit Widerspruch aus verschiedenen Richtungen zu rechnen habe. Auch die Hilfe von Familien untereinander etwa während der Erntezeit zählt nicht dazu. ‚Arbeit für andere‘ heißt nicht nur, daß ‚andere‘ einen Anteil am Ertrag haben, sondern auch, daß sie gewöhnlich direkte Kontrolle auf die Arbeit und die Art und Weise

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ihrer Durchführung ausüben, was entweder durch sie selbst oder durch Vertreter und Verwalter geschehen kann. Diese zweite Bedingung ist normalerweise weder bei dem freien Bauern noch bei dem Pächter erfüllt, wenn er auch Steuern oder Pachtzins zahlt und auf verschiedenste Art und Weise durch das öffentliche Recht eingeschränkt sein mag. Das ist wieder eigentlich selbstverständlich, aber ich muß es zu Anfang noch einmal betonen, da ein großer Teil der Diskussion über die Sklaverei aus dem letzten Jahrhundert daran krankt, daß ein so grundlegendes Kriterium vergessen wird. Die Notwendigkeit, Arbeitskräfte für Aufgaben zu mobilisieren, die die Fähigkeit des einzelnen oder der Familie übersteigen, reicht in die Vorgeschichte zurück. Eine solche Notwendigkeit entstand immer dann, wenn eine Gesellschaft ein Stadium erreicht hatte, in dem sich Reichtum und Macht in einigen wenigen Händen konzentrierten (gleichgültig ob es sich dabei um den König, einen Tempel, einen führenden Stamm oder die Aristokratie handelte). Und die benötigte Arbeitskraft verschaffte man sich unter Anwendung von Zwang – mit Waffengewalt oder durch die Gewalt von Recht und Gewohnheit, in der Regel durch alles zusammen – für Zwecke (oder Interessen), bei denen eine einfache Arbeitsgemeinschaft nicht möglich war, sei es in der Landwirtschaft, im Bergbau, bei öffentlichen Bauten oder bei der Herstellung von Waffen. Zwangsarbeit nimmt heute wie in der Vergangenheit die verschiedensten Formen an2 – Schuldknechtschaft, Klientelwesen, Frondienst, Helotentum, Leibeigenschaft, Kaufsklaverei und so weiter. Aber welche Form auch immer: der Zwang, der dahinter steht, ist von demjenigen bei Lohnarbeit grundsätzlich verschieden. Letzterer nämlich beinhaltet die gedankliche Trennung zwischen der Arbeit eines Menschen und dem Menschen selbst. Auch der Lohnarbeiter gibt einen Teil seiner Unabhängigkeit auf, wenn er eine Arbeit übernimmt, aber dieser Verlust kann nicht mit dem verglichen werden, den Sklaven und Leibeigene zu erleiden hatten. In frühen Gesellschaften war freie Lohnarbeit (obwohl häufig belegt) eine unregelmäßige, zufällige, eine Randerscheinung. Bezeichnenderweise besaß weder das Griechische noch das Lateinische ein Wort, um den allgemeinen Begriff der ‚Arbeit‘ oder die Vorstellung von Arbeit als „einer allgemeinen sozialen Funktion“ auszudrücken.3 Erst mit der Entwicklung des Kapitalismus entstand Lohnarbeit als die charakteristische Form der Arbeit für andere. Arbeitskraft wurde

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damit eine der wichtigsten Waren auf dem Markt. Bei der Sklaverei ist im Gegensatz dazu der Arbeiter selbst die Ware. Die Sklaverei ist in dieser Hinsicht unter den Formen der Arbeit einzigartig, wenngleich es Überschneidungen mit zum Beispiel den drückendsten Formen von Leibeigenschaft oder Sträflingsarbeit gab.4 Somit stehen sich der Sklave und der freie Lohnarbeiter als Extreme im Rahmen der Arbeit für andere gegenüber, historisch gesehen ist jedoch der bedeutende Unterschied eher der zwischen Sklaven und anderen Arten von Zwangsarbeit. Als institutionalisierte Systeme der Arbeitsorganisation gingen andere Formen von Zwangsarbeit der Kaufsklaverei voraus, und beide existierten vor (und bestanden dann neben) der freien Lohnarbeit. Um die antike Sklaverei zu verstehen, muß man sich deshalb vorweg einige Gedanken über die Arbeitssysteme machen, innerhalb derer sie entstand und die sie in zentralen, wenn auch keineswegs in allen Teilen der klassischen Welt ersetzte. Es muß gleich zu Anfang bemerkt werden, daß es in der gegenwärtigen historischen und soziologischen Literatur um die Klassifizierung der Formen der Arbeit schlecht bestellt ist. Hinter einer falschen Klassifizierung steht natürlich eine falsche Theorie oder wenigstens eine unzureichende gedankliche Erfassung. Erst vor ein paar Jahren klagte Meillassoux, daß „es nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung in der Tat keine anerkannte Theorie gibt, die es uns erlaubt, die Sklaverei oder die objektive Grundlage ihrer Entstehungsmöglichkeit (existence eventuelle) zu definieren […]. Es ist kein formales Kriterium gefunden worden, welches eine kategorische Unterscheidung zwischen Sklaven und allen anderen Gruppen erlaubt“.5 Eine extreme Ansicht ist es, so starkes Gewicht auf nebensächliche Unterschiede zu legen, daß alle Institutionen zu einer Unmenge von Einzelbeispielen reduziert werden und so jede Möglichkeit der Analyse oder des Verstehens verstellt wird. Zum Beispiel versicherte uns Lauffer auf dem Stockholmer Historikerkongreß, daß wir das griechische Wort doulos oder das lateinische servus nicht mit ‚Sklave‘ übersetzen können, da dieses Wort zu sehr an die moderne Negersklaverei erinnere, denn „der antike ‚Sklave‘ ist ein ganz anderer gesellschaftlicher Typus“ (obwohl er uns nie gesagt hat warum).6 Das andere Extrem ist die Tendenz, „über das Historische hinausgehende, verallgemeinernde Vorstellungen“ zu entwickeln, die „allen wissenschaftlichen Grundsätzen widersprechen“.7 Eine Spiel-

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art, die unter den anglo-amerikanischen Anthropologen verbreitet ist (und die sich keineswegs auf die Sklaverei beschränkt), hört sich folgendermaßen an: Zuerst wird eine Unzahl von zum Beispiel afrikanischen Ausdrücken für Rang und soziale Stellung mit ‚Sklave‘ übersetzt. Dann bemerkt man dazu, daß sich diese sogenannten Sklaven in entscheidenden Punkten völlig von den Sklaven der klassischen Antike oder den Sklaven Amerikas unterscheiden. Und schließlich, statt die Bezeichnung ‚Sklave‘ für die von ihnen selbst behandelten Fälle, zu überdenken, protestieren diese Anthropologen heftig gegen den ‚Ethnozentrismus‘ der ‚abendländischen‘ Historiker und Soziologen und fordern, daß diese die Sklaverei neu definieren und klassifizieren sollen, damit man darin Raum gewinne für ihre eigene sogenannte Sklaverei.8 Eine noch schlimmere Situation herrscht in bezug auf andere Formen der Zwangsarbeit, die im Laufe der Geschichte immer wieder auftraten. Daß wir nicht einmal in der Lage sind, die Bezeichnungen in moderne, westliche Sprachen zu übersetzen, ist ein Zeichen für unsere ernsthafte Schwierigkeit, sie zu verstehen: ‚Helot‘ wird nicht übersetzt, sondern als Fremdwort übernommen; ‚Schuldknechtschaft‘ ist eine künstliche Wortbildung; pelatai, laoi, clientes, coloni werden meist nicht einmal als Fremdworte übernommen, sondern bleiben einfach so stehen. […] Es ist nicht überraschend, wenn sich herausstellt, daß Versuche einer Klassifizierung, seien sie gut oder schlecht, von den ihnen zugrunde liegenden theoretischen oder ideologischen Betrachtungen abhängig sind. Während Lauffer die humanistische Bewertung der klassischen Gesellschaft verteidigt, indem er auf der Einzigartigkeit des antiken Sklaven als sozialem Typus besteht, verteidigen Diakonoff und seine Schule ihre Lesart des Marxismus, indem sie „über das Historische hinausgehende, verallgemeinernde Vorstellungen“ entwickeln, die „allen wissenschaftlichen Grundsätzen widersprechen“. Im wesentlichen stützen die letztgenannten Leute sich auf eine Tautologie: Der Sklave ist ein Werkzeug in der Produktionsweise der Sklaverei. Jedoch um Meillassoux noch einmal zu zitieren: „Es leuchtet wirklich nicht ein, daß Sklaverei nur ein Produktionsverhältnis sein soll.“9 Ob das so ist oder nicht, bleibt zu beweisen und ist kein vorauszusetzendes Axiom. Eine Tatsache ist zumindest nicht zu bezweifeln, daß nämlich Kaufsklaverei als Institution ein wesentlicher Bestandteil in so unterschiedlichen Gesellschafts-

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formen, wie dem Römischen Reich und dem Amerika des 19. Jahrhunderts, war. […] Es ist zum Beispiel kaum zu bestreiten, daß die Heloten ‚kollektive Knechte‘ waren, das heißt, es gab ein ganzes Volk oder Völker, die der Knechtschaft unterworfen waren, wohingegen in Schuldknechtschaft Geratene und Sklaven einzeln, jeder für sich der Knechtschaft anheim fielen. Dieses Kriterium trifft sogar auf die Hunderttausende von Kriegsgefangenen zu, die von Julius Caesar verkauft wurden, oder für die Schiffsladungen afrikanischer Gefangener, die man nach Amerika transportierte: Ihr Schicksal war ein Einzelschicksal, kein kollektives. Ebenso sicher ist zweitens, daß, bis auf die Kaufsklaverei, die Menschen bei allen Formen der Zwangsarbeit in unterschiedlichem Ausmaß ein beschränktes Recht auf Eigentum und in der Regel sehr viel weiterreichende Rechte im Bereich der Eheschließung und der Familie besaßen. Diese Rechte bestanden zumindest in einigen Gesellschaften de jure, wie die ‚Rechtsordnung‘ von Gortyn in Kreta deutlich zeigt, vielleicht nur de facto in anderen Gesellschaften, obwohl diese Annahme lediglich in der Spärlichkeit der Überlieferung begründet sein mag. So oder so ergaben sich entscheidende Konsequenzen: Die Heloten, clientes und die übrigen derartigen Gruppen sorgten von sich aus für Nachwuchs, und im Gegensatz zur Sklavenbevölkerung mußten sie nicht durch Zufluß von außen ergänzt werden, damit die erforderliche Anzahl aufrechterhalten blieb. Sie wurden von ihren Herren aus gutem Grund für eine möglicherweise aufständische Gruppe angesehen und waren als solche gefürchtet.10 Die in Schuldknechtschaft Geratenen im frühen Athen und Rom sind ein extremes Beispiel dafür, und es mag vergleichbare abhängige Klassen in frühen Gesellschaften gegeben haben, über die wir nichts wissen. Es gelang ihnen, sich selbst als Gruppe insgesamt zu befreien, und sie versetzten sich damit automatisch wieder in den Stand vollwertiger Mitglieder ihrer entsprechenden Gesellschaft. Das war eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung, ein Konflikt innerhalb der Gemeinschaft, keine Sklavenrevolte. Ziel von Sklavenaufständen war es, als Individuen die Freiheit zu erlangen und nicht zu einem Mitglied der Bürgerschaft der Herren zu werden oder die soziale Struktur umzuwandeln. Ebenfalls bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die messenischen Heloten, als sie von den Thebanern nach deren Sieg über Sparta bei Leuktra (371 v. Chr.) befreit wurden (auch sie als

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ganze Gruppe), sie von allen Griechen sogleich als normale, griechische Gemeinde anerkannt wurden. Es ist in letzter Zeit Widerspruch laut geworden gegen meine Betonung solcher Unterschiede zwischen den Arten von Zwangsarbeit: Das gesamte Schema sei nur eine „juristische Abstraktion“ oder nur eine Beschreibung von Institutionen, „ohne daß ihre Funktion untersucht wird“.11 Es ist richtig, daß keine Klassifizierung oder Einordnung, ganz gleich wie eingehend sie ist, als Darstellung der Beschaffenheit einer bestimmten Gesellschaft und ihrer Veränderungen ausreicht. Man kann sie lediglich als ein besseres oder schlechteres analytisches Werkzeug im Vergleich zu konkurrierenden Klassifizierungen bei einer bestimmten Fragestellung betrachten. Im vorliegenden Zusammenhang ist die Frage, ob die genannten Unterschiede, deren Existenz man nicht ernsthaft leugnen kann, entscheidend zum Verständnis der Entstehung einer Sklavengesellschaft beitragen, d. h. mit anderen Worten zur Ersetzung anderer Formen der Zwangsarbeit durch die Kaufsklaverei, wo immer das geschah. […] Als Ware ist der Sklave Besitz. Spätestens seit den Schriften von Westermarck zu Beginn dieses Jahrhunderts haben einige Soziologen und Historiker beharrlich versucht, die Bedeutung dieser einfachen Tatsache zu leugnen, und zwar mit der Begründung, daß der Sklave auch ein menschliches Wesen sei oder daß die Rechte des Besitzers oft durch das Gesetz eingeschränkt seien.12 All dies scheint mir nebensächlich zu sein: Die Tatsache, daß ein Sklave ein menschliches Wesen ist, hat mit der Frage, ob er zum Besitz zählt oder nicht, nichts zu tun, sondern läßt nur erkennen, daß er eine besondere Form von Besitz ist, nämlich, wie Aristoteles sagt, „beseelter Besitz“ (Politik 1253b32). Ähnlich legt andererseits auch das altlateinische Wort erus die Eigenart des Sklavenbesitzes nahe. Im ‚Oxford Latin Dictionary‘ definiert als „ein Mann im Verhältnis zu seinen Dienern, der Herr“, war erus ein gewöhnlich und häufig von Sklaven in den Komödien des Plautus und sogar des Terenz statt dominus benütztes Wort. Auch spätere Dichter verwendeten den Ausdruck als einen gelegentlichen Archaismus, aber sie erweiterten seine Bedeutung, indem sie damit auch die Besitzer von Tieren und anderem Eigentum bezeichneten. Auf diese Weise ging der ursprüngliche Sinn verloren, wonach die Beziehung zwischen Sklaven und Herren eigentümlich, ja einzigartig unter den Besitzverhältnissen war.13

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Die rechtlichen Beschränkungen des Sklavenbesitzers sind ebenfalls ein nebensächlicher Aspekt. Die modernen soziologischen und juristischen Theorien aller Schulen verstehen unter Besitz ein Gerüst von Rechten, die selten oder nie unbegrenzt sind. Die genau umschriebenen Rechte, die dieses Gerüst ausmachen, sind je nach Art des Besitzes und der Art der Gesellschaft unterschiedlich. Besitz ist mit anderen Worten eine historische Kategorie – eine weitere Selbstverständlichkeit, die ich leider anführen muß, um der Verwirrung zu begegnen, die auf diesem Gebiet noch immer vorherrscht. Wenn römische Juristen einen Sklaven als jemanden bezeichnen, der sich im dominium eines anderen befand,14 benutzten sie damit den absoluten Eigentumsbegriff. Die menschliche Qualität des Sklaven war für sie kein Widerspruch (nicht einmal angesichts der Tatsache, daß sie die Bezeichnung homo für einen Sklaven verwendeten, was häufig vorkam).15 Ebensowenig kümmerte dies die Millionen von Sklavenbesitzern, die Sklaven kauften und verkauften, sie ohne Unterlass arbeiten ließen, sie schlugen, quälten und manchmal zu Tode schunden, genau wie es im Laufe der Geschichte Millionen von Pferdebesitzern mit ihren Tieren taten. Es gab auch Millionen anderer Sklavenbesitzer, die ihre Rechte nicht auf diese Art und Weise ausschöpften. Das ist interessant und sogar wichtig, aber es ändert grundsätzlich nichts an der Tatsache, daß die Sklaven als Besitz angesehen wurden. Wenn ein Sklavenbesitzer darauf verzichtete, alle Rechte, die er über seinen Sklavenbesitz hatte, auszuschöpfen, war das immer ein von ihm einseitig vorgenommener, ihn niemals bindender und stets widerruflicher Akt. Das ist eine entscheidende Tatsache. Auf der anderen Seite ist auch die Gewährung einer besonderen Auszeichnung oder Vergünstigung eine ebenso einseitige, stets widerrufliche Handlung des Sklavenbesitzers. Was Versprechungen anbetrifft, so hat einer der Sklaven bei Plautus ihren Wert unumwunden klargestellt: Kein Herr kann wegen Bruch eines einem Sklaven gegebenen Versprechens vor Gericht gebracht werden (Persa 193-4). Sogar die Freilassung konnte, was oft der Fall war, durch verschiedene Bedingungen eingeschränkt werden. Wenn man die fundamentale Bedeutung dieser Einseitigkeit nicht genügend in Betracht zieht, wie es Eduard Meyer tat, als er die Chancen antiker Sklaven, Wohlstand und sozialen Aufstieg zu erreichen, mit denen heutiger Lohnabhängiger verglich,16 verbaut man sich damit die Möglichkeit,

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Wesen und Geschichte der Sklaverei innerhalb einer jeden Gesellschaft zu verfolgen und zu verstehen. Paradoxerweise war es genau diese Eigenschaft des Sklaven, nämlich Eigentum zu sein, die der besitzenden Klasse eine Bewegungsfreiheit ermöglichte (auf die ich gleich zurückkommen werde), die bei keiner anderen Form von Zwangsarbeit gegeben war. Das ist einer der Gründe, warum ich diese juristische Kategorie betone, die als solche und an sich keine ausreichende ‚Definition‘ des Begriffs Sklave ist. Wie die einzelnen Besitzer ihr jeweiliges Eigentum behandelten, war normalerweise nicht eine Frage der bloßen Laune oder unterschiedlicher Temperamente. Besitzer boten Sklaven häufig eine eventuelle Freilassung als Anreiz. Dies konnte mittels der verschiedensten Vereinbarungen geschehen, und sie hatten automatisch eine Reihe von Verhaltensweisen und Erwartungen zur Folge, die auch die Haltung des Herrn betrafen. Obwohl er nach dem Gesetz die reale Möglichkeit hatte, dieses Angebot stets zu widerrufen, wäre der materielle Gewinn aus der Sklaverei drastisch reduziert worden, wenn solche Vereinbarungen nicht allgemein beachtet worden wären. Die Rechte des Sklavenbesitzers über seinen Sklavenbesitz waren in mehr als einer Hinsicht unbegrenzt. Der Sklave erlitt als solcher nicht nur den „völligen Verlust der Kontrolle über seine Arbeit“,17 sondern auch den völligen Verlust der Kontrolle über seine Person und seine persönliche Lebensgestaltung. Ich betone nochmals, daß die Einzigartigkeit der Sklaverei in der Tatsache lag, daß der Arbeitende selbst die Ware war und nicht nur seine Arbeit oder Arbeitskraft. Ferner war sein Verlust an Kontrolle zeitlich. nicht begrenzt und erstreckte sich auch auf seine Kinder und Kindeskinder, wenn nicht wiederum der Besitzer durch den einseitigen Akt einer uneingeschränkten Freilassung diese Kette durchbrach. Und auch dann kam dies nur den Kindern zugute, die später geboren wurden, nicht aber denen, die zum Zeitpunkt der Freilassung bereits da waren. Es gibt in der Tat zahlreiche Anzeichen dafür, daß nicht selten die Freilassung aufgeschoben wurde, bis ein Sklave oder eine Sklavin Kinder hatte, die seinen oder ihren Platz als Sklave übernehmen konnten. Es ist allerdings nicht festzustellen, wie häufig das wirklich geschah, oder ob man sich dabei hauptsächlich auf bestimmte Kategorien von Sklaven beschränkte, wie zum Beispiel die im Dienste des römischen Kaisers.

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Die Tatsache, daß der Sklave immer ein entwurzelter Mensch und Außenseiter war, erleichterte diese Unbegrenztheit der Rechte eines Sklavenbesitzers – ein Außenseiter erstens im Sinne seiner Herkunft von außerhalb der Gesellschaft, in die er als Sklave hineinkam, und zweitens ein Außenseiter durch die Tatsache, daß ihm die elementarste aller sozialen Bindungen verwehrt war, die Familienbindung. […] Diese drei Komponenten der Sklaverei – die Stellung des Sklaven als Eigentum, seine völlige Rechtlosigkeit und sein Mangel an familiären Bindungen – verschafften dem Sklavenbesitzer a priori entscheidende Vorteile im Vergleich zu anderen Formen unfreiwilliger Arbeit: Er hatte größere Gewalt und war beweglicher beim Einsatz seiner Arbeitskräfte und hatte wesentlich größere Handlungsfreiheit, sich unerwünschter Arbeitskräfte zu entledigen.18 Folglich entstand innerhalb der Sklavenbevölkerung eine Hierarchie. Man braucht sich nur vor Augen zu halten, daß es gleichzeitig folgendes gab: die Sklaven in den spanischen Gold- und Silberminen oder die Masse der Ackersklaven, die auf den Landgütern Italiens in Ketten arbeiteten; die Sklaven im kaiserlichen Verwaltungsdienst; die Sklavenaufseher und Verwalter auf dem Lande; die Sklaven in den Städten, die in Rom und anderen Gemeinden Italiens ihre eigenen Handels- und Handwerksunternehmen mit Hilfe der Einrichtung des peculium betrieben (worauf wir später zurückkommen werden). Die Sklaven waren mit anderen Worten eine eigene Art innerhalb der größeren Klasse von Zwangsarbeitern, zugleich aber ließen sie sich deutlich in Untergattungen gliedern. Anders ausgedrückt waren die Sklaven zwar im logischen und juristischen Sinne eine Klasse, aber keine soziale Klasse im landläufigen Sinne.19 Dennoch war die Sklaverei trotz aller Vorteile (oder scheinbarer Vorteile) ganz allgemein im Rahmen der Weltgeschichte und auch, was die Antike angeht, eine späte und relativ seltene Form von Zwangsarbeit. Vor- und Nachteile sind keine absoluten Werte, sondern historisch bedingte Eigenschaften, die den wechselnden sozialen und ökonomischen Bedingungen folgen. Die kritische Frage nach der Entwicklung und dem Niedergang der antiken Sklaverei kann daher nur beantwortet werden durch eine Untersuchung der Bedingungen, die dafür notwendig und hinreichend waren. Was, mit anderen Worten, verursachte den Übergang von der „uranfänglichen Erscheinung“, daß es einzelne Sklaven gab, zu einer Gesellschaft der

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Sklaverei, und wodurch kam später dann eine Umkehrung dieses Vorgangs zustande? […] Zusammenfassend ist also zu sagen, daß es nicht in allen Gebieten des späteren Römischen Reichs Gesellschaften der Sklaverei gab (slave societies), was etwas anderes ist als Gesellschaften, in denen es Sklaven gab (societies in which there were slaves). Was wir als eine politische und in einem gewissen Sinne auch als eine kulturelle Einheit verstehen, war allein dadurch noch kein einheitliches ökonomisches oder soziales Gebilde. Nach Wallersteins Konzeption war es ein ‚Weltreich‘, aber kein ‚Weltsystem‘; ein Gebilde, in dem verschiedene Arbeitsformen und Produktionsweisen nebeneinander bestanden und eher durch die politischen als durch die ökonomischen Umstände miteinander verbunden waren.20 Eine Darstellung der Entwicklung der griechisch-römischen Sklaverei muß sich deshalb, zumindest für den Anfang, auf die zentralen Gebiete Griechenland, Italien und Sizilien beschränken. Und das ist es, was ich tun werde. Es ist üblich, die Untersuchung mit dem zu beginnen, was ich wiederholt das ‚Zahlenspiel‘ genannt habe. Ich werde mich daran nicht beteiligen, einmal, weil seit langem klar geworden ist, daß der Befund eine quantitative Betrachtung nicht wirklich zuläßt, und zum anderen, weil die meisten Mitspieler unter der falschen Annahme an den Start gehen, sie müßten entweder mit astronomischen Zahlen aufwarten, um die Bezeichnung ‚Gesellschaft der Sklaverei‘ zu rechtfertigen, oder ganz im Gegenteil die Existenz einer Gesellschaft der Sklaverei leugnen, indem sie die außerordentlich hohen Zahlen herunterspielen. Im Jahre 1860 bestand die Bevölkerung in den Südstaaten der USA zu 33 % aus Sklaven, ein nur geringfügig niedrigerer Prozentsatz galt für Kuba und Brasilien.21 Nach vorsichtigen Schätzungen – 60000 Sklaven in Athen am Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr., zwei Millionen im Italien der ausgehenden Republik – bewegten sich die vergleichbaren Prozentsätze in demselben Rahmen, schätzungsweise bei 30 bis 35%. Das ist eine mehr als genügende Menge, besonders wo alle Anzeichen darauf hindeuten, daß in der Antike Sklavenbesitzer noch auf einem beträchtlich niedrigeren sozialen und wirtschaftlichen Niveau zu finden waren als in der Neuen Welt,22 und angesichts der Tatsache, daß man diesen Anteil an Sklaven in der Antike über einen langen Zeitraum aufrechterhielt. Die gesamte Geschichte der Sklaverei in den Vereinigten Staaten

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dauerte nicht länger als der Zeitraum von Augustus bis Septimius Severus. […] Ich habe diese wenigen, zugegebenermaßen außergewöhnlich hohen Zahlen zitiert als Einleitung zu der allgemeinen Feststellung, daß eine Einschätzung der Bedeutung der Sklaven in einer Gesellschaft nicht von ihrer Gesamtzahl abhängt, wenn die erst einmal genügend hoch ist, sondern von ihrem Standort. Ihrem Standort in zweierlei Hinsicht: Erstens wer ihre Besitzer waren; zweitens welche Rolle sie in der Wirtschaft spielten, aber nicht nur dort. Es gab keine eigentlichen Sklavenberufe, außer grundsätzlich den Bergbau und die Hausarbeit, soweit unter letzterer der Dienst in einem Haushalt zu verstehen ist, der nicht der der eigenen unmittelbaren Familie war. Ebensowenig gab es eigentlich freie Berufe, außer die Rechtsprechung und die Politik (im Unterschied zur Verwaltung) sowie normalerweise den Militärdienst (allerdings nicht den in der Flotte und ausgenommen die Dienerschaft einzelner Soldaten). Wie immer auch Moralisten wie Aristoteles und Cicero eine Arbeit eingeschätzt haben, in der Praxis wurden alle übrigen Beschäftigungen sowohl von Sklaven als auch von Freien ausgeführt, und oft arbeiteten sie Seite an Seite an der gleichen Aufgabe. […] Andere Historiker, die sich mit der Antike befaßten, gingen dann einen Schritt weiter und behaupteten, daß Krieg und Eroberung die notwendige Voraussetzung für die Entstehung einer Gesellschaft der Sklaverei gewesen seien. Dagegen muß ich einigermaßen ausführliche Einwände vorbringen. Der Irrtum entsteht aus einer Sicht der römischen Geschichte, die von dem gewaltigen Ausmaß der Eroberungen und Versklavungen der beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderte so geblendet ist, daß sie gegenüber dem nicht zu übersehenden, beträchtlich früheren Anwachsen der Sklaverei in Rom blind ist.23 Keiner wird einen sprunghaften Anstieg nach dem zweiten Punischen Krieg leugnen wollen. […] Niemand wird ernsthaft behaupten wollen, daß alle diese Männer, Frauen und Kinder nach Karthago oder in den griechischen Osten verkauft wurden und nicht nach Italien. Ebensowenig kann man wohl die Behauptung aufrechterhalten, die Römer seien — mit dem noch nie dagewesenen und ‚unerwarteten‘ Phänomen Zehntausender von Sklaven konfrontiert – ganz einfach, sei es nun bewußt oder unbewußt, dazu übergegangen, zum erstenmal Sklavenarbeit in größerem Maße einzusetzen. […]

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Während des Hannibalischen Krieges war jeder zweite Bürger im wehrfähigen Alter zum Dienst in der Armee oder Flotte eingezogen, und das ist nicht zu erklären, ja eigentlich undenkbar, ohne das Vorhandensein einer großen Anzahl von Sklaven unter den Arbeitskräften und ohne die Existenz eines fest etablierten Systems von Sklavenarbeit.24 Es gab zu dieser Zeit sogar genug Sklaven, um auch sie in großer Zahl zur Armee einziehen zu können.25 Keiner dieser Gesichtspunkte soll die besondere Bedeutung der Eroberungen für die Geschichte der römischen Sklaverei schmälern. Deren ausschlaggebende Rolle lag jedoch in der Tatsache, daß sie die Grundlage für Großgrundbesitz schufen mit allen Konsequenzen, die sich daraus für die römische Gesellschaft und damit die ‚Struktur‘ der römischen Sklaverei ergaben. Die ‚Eroberungstheorie‘ hilft somit, den besonderen Charakter der römischen Gesellschaft der Sklaverei zu erklären, nicht jedoch deren Entstehung. Vergleichsmaterial zeigt, daß eine notwendige Voraussetzung für die ausreichende Versorgung mit Sklaven nicht Eroberung ist, sondern das Bestehen eines „Reservoirs“ potentieller Sklaven außerhalb der in Frage stehenden Gesellschaft, aus dem diese Arbeitskräfte schöpfen kann, und zwar systematisch und, wie man es treffend ausgedrückt hat, „zu grundsätzlich annehmbaren (rechtlichen und kulturellen) Bedingungen“.26 […] Anders ausgedrückt lautet mein Argument, daß der Bedarf an Sklaven der Versorgung vorausgeht. Die Römer nahmen Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern in den Italischen und den Punischen Kriegen gefangen, weil bereits ein Bedarf an Sklaven bestand, und nicht umgekehrt. Das Vorhandensein eines hinreichenden Bedarfs setzt wenigstens drei notwendige Bedingungen voraus.27 Erstens muß es in einer ganz überwiegend agrarischen Welt privaten Grundbesitz geben, und zwar in hinreichendem Maße in den Händen weniger konzentriert, so daß über den Rahmen der Familien hinaus ständige Arbeitskräfte erforderlich sind. Zweitens müssen die Warenproduktion und die Märkte weit genug entwickelt sein — für den hier untersuchten Zusammenhang macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen entfernt gelegenen Markt handelt, also einen Exportmarkt im landläufigen Sinne, oder ein nahegelegenes städtisches Zentrum. Heloten und andere Arten von abhängiger Arbeit können theoretisch in Gesellschaften ohne Warenproduktion eingesetzt werden, nicht jedoch Sklaven, die regelmäßig in großen Mengen im-

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portiert und daher auch bezahlt werden müssen. Als drittes gibt es noch eine negative Bedingung, daß nämlich innerhalb der Gesellschaft keine Arbeitskräfte zu bekommen sind, was die Arbeitgeber zwingt, Außenstehende heranzuziehen. Alle drei Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, wie es in Athen und anderen griechischen Staaten im 6. Jahrhundert v. Chr. und in Rom spätestens im 3. Jahrhundert v. Chr. der Fall war. Die römische Überlieferung bietet kein ausreichendes Belegmaterial, wie ich bereits sagte, auch wenn ich keine Zweifel an der Chronologie und an den Grundzügen der Entwicklung hege. Im Gegensatz dazu reichen für Athen sowohl die archäologischen als auch die literarischen Belege aus, und ich werde mich auf Athen konzentrieren.28 Vor 600 v. Chr. hatte sich die Bevölkerung Attikas nach dem Tiefpunkt der ‚Dunklen Jahrhunderte‘ auffallend vermehrt, eine herrschende Klasse von Familien, von ‚Eupatriden‘ besaß einen Großteil des Landes, in gewissem Grade war die städtische Entwicklung vorangekommen, und sowohl im ländlichen wie im städtischen Bereich hatte sich eine beschränkte Warenproduktion entwickelt. Daher bestanden damals einige der notwendigen Voraussetzungen für die Sklaverei, so wenig wir auch über die Hintergründe wissen mögen, die dahin führten. Solon war es, der dann die entscheidende negative Voraussetzung schuf: Wie immer man sich den Status der hektemoroi und pelatai vor Solon vorstellt (Aristoteles, Athenaion Politaia 2,2), so besteht doch kein Zweifel, daß nach Solon Schuldknechtschaft und andere Formen von Zwangsarbeit in Attika auf Dauer zu bestehen aufhörten (in vielen anderen Gegenden der griechischen Welt war dies nicht der Fall, was man leider immer wieder betonen muß). Die Eupatriden und vermutlich auch einige nichtaristokratische reiche Familien brauchten nun Arbeitskräfte, um die ihnen durch die solonischen Reformen verlorengegangenen zu ersetzen. Innerhalb der Gesellschaft konnten sie sie nicht finden und zogen daher Außenstehende heran, und das heißt Sklaven. Weshalb? […] Damit wären wir wieder bei der entscheidenden Frage angelangt. Warum war es notwendig, Arbeitskräfte außerhalb zu suchen? Sklaverei als solche mußte nicht erfunden werden, sie war eine ‚uranfängliche Erscheinung‘ und war den Griechen so vertraut wie allen anderen. Aber Sklaverei als die Form der Arbeit für andere schlechthin war eine völlig neue Idee. Ich vermute, daß diese Entscheidung

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nicht von denjenigen durchgesetzt wurde, die Arbeitskräfte brauchten, sondern von den Athenern erzwungen wurde, die man als Arbeiter beschäftigen wollte. Daß sie nicht zur Verfügung standen, und zwar als Masse verschiedenster Individuen nicht zur Verfügung standen, verlangt nach einer Erklärung. Da es an jeglicher Überlieferung fehlt, haben wir keine andere Wahl als zu spekulieren, wobei uns allerdings die Erfahrungen in der Neuen Welt nicht helfen können. Letztere war ein Kolonialgebiet, in dem im Laufe der Zeit gewaltige Ländereien erschlossen wurden. Irgendwelche ansässigen Arbeitskräfte gab es nicht (außer die eingeborenen Indianer, die sich als nicht sehr brauchbar, wenn nicht überhaupt als nutzlos erwiesen). Frühzeitig erkannte man die Möglichkeiten einiger weniger Ausfuhrprodukte wie Baumwolle, Tabak und Zucker, für die auf dem Weltmarkt große Nachfrage bestand. Attika stand in völligem Gegensatz dazu mit wenig bebaubarem Land, von dem nichts ‚frei‘ war, und mit einer zahlreichen, oft zu zahlreichen Bevölkerung für eine vorindustrielle, vorkapitalistische Welt. In Attika war die Sklaverei niemals von der stark wachsenden Konzentration des Landbesitzes begleitet, die in Italien durch die Enteignung der Kleinbauern aufkam (das war, wie man sagen kann, der den römischen Verhältnissen eigene Ersatz für das ‚frei‘ verfügbare Land in der Neuen Welt).29 Aber sogar in Attika war die Sklaverei sowohl eine agrarische wie auch eine städtische Einrichtung.30 Es gibt allerdings einen Weg, wie die Grundbesitzverhältnisse einen ersten Anhaltspunkt für unsere Spekulation über den Ursprung der Gesellschaft der Sklaverei bieten können. Grundlegend für das Wesen der Polis, ob griechisch oder römisch, war seit der Zeit, als sie in ihrer archaischen Form aus dem Vorstadium der Entwicklung heraustrat, die tiefe Überzeugung, daß die Zugehörigkeit zur Polis (was man als Bürgerrecht bezeichnen kann) unlösbar mit dem Recht auf Grundbesitz, der Pflicht zum Kriegsdienst und dem Kult verbunden war. Ich kenne keine einzige Ausnahme von der Regel, daß das Recht auf Grundbesitz nach dem Gesetz auf Bürger beschränkt war, bis auf die wenigen einzelnen, denen der Staat dieses Recht als persönliches Privileg in Anerkennung ihrer auf die eine oder andere Weise erworbenen Verdienste um das öffentliche Wohl verlieh. Die übliche ‚revolutionäre‘ Parole war ‚Schuldentilgung und Neuverteilung des Landes‘, die Parole einer Bauernschaft ohne Landbesitz: Sie wurde im solonischen Athen ausgegeben und römische Senatoren

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wie auch Kaiser trugen ihr durch ihre Koloniegründungen und die Veteranenversorgung Rechnung. […] Die Psychologie liefert die einzige Erklärung, auf die wir uns stützen können – die politische und soziale Psychologie, die in der Zeit vorherrschte, in der die führende Schicht, nachdem ihr die älteren Formen der Zwangsarbeit nicht mehr zur Verfügung standen, sich nach Sklaven von außerhalb umsah. Die Bauernschaft hatte ihre persönliche Freiheit und ihren Besitzanspruch auf das Land durch einen Kampf gewonnen, der ihnen auch das Bürgerrecht, die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft, der Polis einbrachte. Das war schon an sich etwas vollständig Neues in der Welt, und es führte seinerseits zu der zweiten bemerkenswerten Neuerung – einer Gesellschaft der Sklaverei (slave society). […] Nichts von dem, was ich gesagt habe, läßt auf eine bewußte Handlung schließen, auf ein Abwägen der Möglichkeiten, dem eine Entscheidung für die eine davon folgt, nämlich für die Sklaverei. Jedermann wußte, daß es unmöglich war, die Bauern oder Handwerker, die doch Bürger waren, zu Lohnarbeitern zu machen dieselben Bürger, die auch für die Armee gebraucht wurden.31 Jedermann wußte, daß ein freier Mann für einen anderen nicht regelmäßig und freiwillig arbeiten würde. Und ebenso wußte jedermann, daß es eine Einrichtung gab, die wir Sklaverei nennen. Daher herrschte, wie ich vermute, allgemeine Übereinstimmung darüber, daß man zu Sklavenarbeit überging. Man war auf Sklaven nicht eifersüchtig, es gab keinen Wettstreit mit ihnen, weder zu Beginn noch in den Blütezeiten.32 Im Gegenteil, der Traum des Mannes, der sich keinen Sklaven leisten konnte, war, eines Tages dazu in der Lage zu sein (Lysias 24,6). Ein freier Mann war jemand, der weder unter dem Zwang eines anderen lebte, noch zu dessen Vorteil arbeitete. Er lebte vorzugsweise auf dem Land seiner Vorfahren mit seinen Altären und Familiengräbern. Indem dieses Bild eines freien Mannes in einer vorindustriellen Welt mit gering entwickelter Technologie entstand, entwickelte sich als dessen Folge eine Gesellschaft der Sklaverei. Es gab keine realistische Alternative. […] Die entscheidenden Punkte sind, daß erstens Griechen und Römer über viele Jahrhunderte von dem oft großen Einkommen lebten, das ihnen die Sklaven erwirtschafteten; daß wir zweitens keinerlei Anhaltspunkte haben, um die Effektivität, die Produktivität oder die Rentabilität verschiedener Formen der Arbeit in der Antike mitein-

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ander zu vergleichen (ebensowenig haben wir, wie ich hinzufügen möchte, ausreichend Material, um etwas über relativ hohe oder niedrige Kosten von Sklaven ganz allgemein oder in der von mir besonders behandelten Zeit aussagen zu können); daß es drittens den Menschen der Antike selbst an den Kenntnissen fehlte, solche Vergleiche anzustellen, was für sie ohnehin eine rein akademische Übung gewesen wäre. […] Die seltenen Kalkulationen antiker Schriftsteller sind in ihrer Ahnungslosigkeit einfach rührend.33 Es ist ein Fehler moderner Historiker, gelegentliche moralisierende Verallgemeinerungen ernst zu nehmen – Columellas Behauptung (Columella 1,7,5), daß eine persönliche Aufsicht sich in stärkerem Maße auszahlte als die Aufsicht durch einen vilicus oder als eine Verpachtung oder der unzählige Male zitierte Satz des älteren Plinius, daß „die Latifundien Italien zerstört haben“ (Naturalis Historia 18,35) – in der Annahme, sie basierten auf systematischen Erhebungen. Ähnlich verdrießliche Verallgemeinerungen sind über die Vereinigten Staaten in unendlich viel größerer Zahl überliefert. Aber kein Historiker, der sich mit amerikanischer Sklaverei beschäftigt, verwendet sie noch als Argument, es sei denn als Belege für die innewohnende Ideologie, und ich sehe keinen Grund, entsprechenden Äußerungen der Antike mehr Glauben zu schenken. Kurz gesagt, Überlegungen bezüglich der Effizienz, Produktivität und Rentabilität spielen, wenn überhaupt, eine sehr untergeordnete Rolle bei der Entstehung einer Gesellschaft der Sklaverei in Griechenland oder Rom m.E., eine vergleichende Abwägung fand überhaupt nicht statt. Natürlich ist die Angelegenheit damit nicht zu Ende. Einmal entstanden, entwickelte eine Gesellschaft der Sklaverei (slave society) ihre eigene Dynamik. Die Bedingungen für ihre Entstehung waren nicht dieselben wie die, die zu ihrem Weiterbestehen und ihrer Ausbreitung oder ihrem Verfall führten. Einige der Bedingungen für den Niedergang waren Folgeerscheinungen der Existenz einer Gesellschaft der Sklaverei.

Anmerkungen 1

P. Anderson, Von der Antike zum Feudalismus. Spuren der Übergangsgesellschaften (edition suhrkamp 922), Frankfurt/M., 21.

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Über die modernen Varianten siehe die 13 Fallstudien bei W. Kloosterboer, Involuntary Labour after the Aboliton of Slavery, Leiden 1960. Siehe J.-P. Vernant, Mythe et pensé chez les Grecs, Teil 4, Paris 1965. Vgl. Y. Garlan, Le travail libre en Grece ancienne, in: P. Garnsey (Hrsg.), Non-Slave Labour in Greco-Roman Antiquity, Cambridge 1980, 7- 22, über das relativ späte Erscheinen von Lohnarbeit und freien Kleinbauern in der griechischen Geschichte. Für den Moment behandle ich den Sklaven als Idealtyp. Wir werden später sehen, wie viele Unterschiede es innerhalb der Sklavenbevölkerung gegeben hat. C. Meillassoux (Hrsg.), L‘esclavage en Afrique précoloniale, Paris 1975, 20. S. Lauffer, Die Sklaverei in der griechisch-römischen Welt, XIe Congrès International des Sciences Historiques, Rapports II (Antiquité), Uppsala 1960, 81. P. Anderson, Lineages of the Absolute State, London 1974, 486. [In der deutschen Übersetzung (Absolutist. Staat) ist der hier zitierte Anhang nicht enthalten. Anm. d. Ü.] Ein vollendetes Beispiel findet sich bei S. Miers und I. Kopytoff in der Einleitung zu: Slavery in Africa: Historical and Anthropological Perspectives, Madison 1977, bes. 5f., 11 und 76-78. Einen richtigen Ansatz vertritt J. Bazin, Guerre et servitude a Segou, in: Meillassoux (s. Anm.5), 135-82, der allerdings nicht von allen Autoren des Buches geteilt wird; P. Hill, From Slavery to Freedom: The Case of Farm-Slavery in Nigerian Hausaland, in: Comparative Studies in Society and History 18, 1976, 395-426. Meillassoux (s. Anm.5), 20. J. Ducat, Aspects de l‘hilotisme, in: Ancient Society 9, 1978, 5-46, hat all dies in einem langen und eigensinnigen Artikel verneint, der voll von Fehlurteilen (besonders über die Ansichten anderer) und von Auslassungen ist. So schreibt er z. B. auf S. 22, daß der Unterschied zwischen Kaufsklaven und Heloten „nur darin bestehe, daß die letzteren anstatt einem einzelnen der Allgemeinheit gehören“. Um zu einem solchen Schluß zu kommen, erwähnt er die selbständige Reproduktion der Heloten nicht und übersieht die Implikationen, die sich aus ihrem Recht auf einen formal festgelegten Anteil an dem Ertrag ergeben. Ducat (s. Anm.10), 23 und J. Annequin/M. Clavel-Lévêque/F. Favory, Présentation des recherches internationales à la lumière du marxisme. In: Dies. (Hrsg.), Formes d’exploitation du travail et rapports sociaux dans l’antiquité classique, Paris 1975 (RILM 84,3), 3-44, bes. 9. O. Patterson, The Study of Slavery, in: Annual Review of Sociology 3, 1977, 431.

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Moses I. Finley Siehe L.T. Capogrossi, Il Campo semantico della schiavitù nella cultura latina del terzo e del secondo secolo a.C., in: Studi storici 18, 1973, 716733. Dig. 1,5,4,1; weitere Texte in W.W. Buckland, The Roman Law of Slavery. The Condition of the Slave in Private Law from Augustin to Justinian, Cambridge 1908, Kap. 2. Vgl. die Definition im ‚Übereinkommen betreffend die Sklaverei‘, das der Völkerbund 1926 traf: „Sklaverei ist der Zustand oder die Stellung einer Person, an der die mit dem Eigentumsrecht verbundenen Befugnisse oder einzelne davon ausgeübt werden.“ Zit. nach B. Simma/U. Fastenrath (Hrsg.): Menschenrechte. Ihr internationaler Schutz (Beck-Texte im dtv 5531), München 1979, 107. Capogrossi (s. Anm.13), 725f. Vgl. die Einbeziehung von versklavten Kriegsgefangenen in den Zehnten der Kriegsbeute, der einem Gott geopfert wurde: F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom. Teil III:. Die wichtigsten Kulte der griechischen Welt (FAS 14), Wiesbaden 1961, 252-255. E. Meyer, Die Sklaverei im Altertum (1896), nachgedruckt in und zitiert nach: ders., Kleine Schriften, Bd. I, Halle a. S. 1910, 211. Ebd. Patterson (s. Anm.12), schlägt als Arbeitshypothese folgende Definition der Sklaverei vor: „Der Zustand, in dem es eine institutionalisierte Entfremdung von den Rechten auf Arbeit und Verwandtschaft gibt.“ Zur Flexibilität der amerikanischen Sklaverei siehe C.N. Degler, The Irony of American Slavery, in: H.P. Owens (Hrsg.), Perspectives and Irony in American Slavery, Jackson, Miss. 1976, 8-10. P. Vidal-Naquet, Les esclaves grecs étaients-ils une classe?, in: Raison Préstente 6, 1968, 103-112. I. Wallerstein, A World-System Perspective on the Social Sciences, in: British Journal of Sociology 27, 1976, 343-52. Vgl. Anderson (s. Anm.1), 22: „Die antike Welt war insgesamt nie ständig und überall durch das Vorherrschen von Sklavenarbeit geprägt. Aber in ihren großen klassischen Epochen [...] war Sklaverei inmitten anderer Arbeitssysteme massenhaft und überall vorhanden.“ Siehe die Tabelle in K. Hopkins, Conquerors and Slaves (Sociological Studies in Roman History 1), Cambridge 1978, 101; vgl. Degler (s. Anm.18). Siehe M.H. Jameson, Agriculture and Slavery in Classical Athens, in: Classical Journal 72, 1977/78, 122-145. Dies trifft (trotz tiefgreifender Differenzen in anderen Bereichen) auf Meyer (s. Anm.16), ebenso zu wie auf Hopkins (s. Anm.21), 8-15, 1026; dagegen W.L. Westermann, The Slave Systems of Greek and Roman Antiquity, Philadelphia 1955, 70; P. Ducrey, Le traitement des prisonniers de la guerre dans la Grèce antique‚ Paris 1968, 74f.; und in

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anderem Zusammenhang F. De Martino, Intorno all‘origine della schiavitù a Roma, in: Labeo 20, 1974, 163-193, bes. 179-193. P.A. Brunt, Social Conflicts in the Roman Republic, London 1971, 18f. Die Belege sind gesammelt bei J.M. Libourel, Galley Slaves in the Second Punic War, in: Classical Philology 68, 1973, 116-119. I. Hahn, Die Anfänge der antiken Gesellschaftsformation in Griechenland und das Problem der sogenannten asiatischen Produktionsweise, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1971/II, 35, und S.A. Mintz, The SoCalled World System: Local Initiative and Local Response, in: Dialectical Anthropology 2, 1977, 257. Für das folgende bin ich Hahn (s. Anm. 26), 29-47 sehr verpflichtet. Zum folgenden beschränke ich mich auf Literatur zu zwei Punkten: zum Bevölkerungswachstum siehe die vorläufige Analyse von A.M. Snodgrass, Archaeology and the Rise of the Greek State, Inaugural lecture, Cambridge 1977, 10-16 und ders., Archaic Greece, London 1980, Kap. 1; zum privaten Landbesitz siehe M.I. Finley, The Alienability of Land in Ancient Greece: A Point of View, in: Eirene 7, 1968, 25-32. Hopkins (s. Anm. 21), 102, betont dies zu Recht: „Wir müssen nicht nur den Import von Sklaven, sondern auch die Vertreibung von Bürgern erklären.“ Wie ich bereits angedeutet habe, bringe ich das nicht mit der Einrichtung der Sklavengesellschaft, sondern mit ihrer Ausweitung in Zusammenhang. Was Athen betrifft, so war ich vermutlich der erste, der die herrschende Meinung von einem starken Niedergang des Bauerntums im 4. Jahrhundert korrigierte: Studies in Land and Credit in Ancient Athens 500-200 B. C., New Brunswick 1952, 79-87; vgl. mein Buch: Land, Debt, and the Man of Property in Classical Athens, in: Political Science Quarterly 68, 1953, 249-269 (= Economy and Society in Ancient Greece, London 1981, 62–76). Meine Argumente wurden im allgemeinen angenommen, z.B. von Cl. Mossé, La vie économique d‘Athènes au IVe siècle: Crise ou renouveau?, Praelectiones Pataviniae 1972, 135-144; V.N. Andreyev, Some Aspects of Agrarian Conditions in Attica in the Fifth to Third Centuries B. C., in: Eirene 12, 1974, 5-46, bes. 18-25; G. Audring, Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der attischen Bauern im ausgehenden 5. und im 4. Jahrhundert v. u. Z., Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Sonderband 1977, 9-86, auf 35-43. Die Rolle des freien Landes bei der Entstehung der Sklaverei in der Neuen Welt ist noch umstritten: s. die ablehnenden Positionen von S.L. Engerman, Some Considerations relating to Property Rights in Man, in: Journal of Economic History 33, 1973, 43-65, und von O. Patterson, The Structural Origins of Slavery. A Critique of the Nieboer-Domar Hypothesis from a Comparative Perspective, in: V. Rubin/A. Tuden (Hrsg.), Comparative Perspectives on Slavery in New World Plantation Societies (Annals of

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Moses I. Finley the New York Academy of Science 292), New York 1977, 12-34, mit der wichtigen Einschränkung durch Mintz (s. Anm.26). Jameson (s. Anm.22), 122-145. Mintz (s. Anm.26), 257, zählt zu den Bedingungen, die der Einführung einer modernen Sklaverei entgegenwirken, eine „Polizeigewalt, die ausreicht, eine freie Bevölkerung gesetzlich-militärisch in Schach zu halten“. Der einzige aus der ganzen Antike bekannte Beleg, von dem man hat sagen können, er impliziere einen Wettbewerb zwischen Sklaven und Freien, ist ein kurzes Fragment aus dem verlorenen Werk des Timaios, eines Historikers aus dem 3. Jh. v. Chr. (FGrHist 566F 11a, ap. Athenaios 6,264D): Mnason, ein Freund des Aristoteles, habe sich im rückständigen Lokris durch den Ankauf von 1000 Sklaven verhaßt gemacht, da sie die jüngeren Bürger ihres Lebensunterhaltes beraubten, den diese als Hausgehilfen der Älteren gehabt hatten. — Selbst wenn die Anekdote wahr ist, was keineswegs sicher ist, sagt sie noch nichts über Sklaven als Arbeitskräfte aus. W.E. Heitland, Agricola. A Study of Agriculture and Rustic Life in the Greco-Roman World from the Point of View of Labour. Cambridge 1921, 441, Anm.4, lehnt z.B. eine solche Interpretation schroff ab; die Anekdote beziehe sich ‚lediglich auf häusliche und persönliche Dienerschaft‘. Vgl. die differenziertere, doch ebenso negative Analyse von Vidal-Naquet (s. Anm.19), 105f. Neuerdings hat G. Nenci, der zwar die Einzigartigkeit des Textes zugibt, einen einfallsreichen Versuch gemacht, aus ihm doch größere Bedeutung herauszupressen (hat mich aber damit nicht überzeugt): G. Nenci, II problema della concorrenza fra mandopera libera e servile nella Grecia classica, Annali della Scuola Normale di Pisa, Classe di Lettere e Filosofia, 3.ser. 8, 1978, 1287-1300. G. Mickwitz, Economic Rationalism in Graeco-Roman Agriculture, in: English Historical Review 52, 1937, 577-589 und ders., Zum Problem der Betriebsführung, bleiben hierzu grundlegend; vgl. G.E.M. de Ste. Croix, Greek and Roman Accounting, in: Studies in the History of Accounting, hrsg. v. A.C. Littleton und B.S. Yamey, London 1956, 14-74; R. Duncan-Jones, The Economy of the Roman Empire, Cambridge 1974, Kap. 2.

Orlando Patterson: Authority, Alienation and Social Death, reprinted by permission of the publisher from: O. Patterson, Slavery and Social Death. A Comparative Study, 35–76, 375–385, Cambridge, Mass.: Harvard University Press © 1982 by the President and Fellows of Harvard College

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Authority, Alienation and Social Death Slavery, I intend to show in this chapter, is a highly symbolized domain of human experience. While all aspects of the relationship are symbolized there is overwhelming concentration on the profound natal alienation of the slave. The reason for this is not hard to discern: it was the slave’s isolation, his strangeness, that made him most valuable to the master; but it was this very strangeness that most threatened the community and that most exercised that “primacy of feeling and willing over thinking” which is at the core of the symbolic mind. On the cognitive or mythic level, one dominant theme emerges, which lends an unusually loaded meaning to the act of natal alienation: this is the social death of the slave. On the ritual level, the enslavement process is expressed in terms of well-defined rites of passage.

The Two Conceptions of Social Death If the slave no longer belonged to a community, if he had no social existence outside of his master, then what was he? The initial response in almost all slaveholding societies was to define the slave as a socially dead person. Claude Meillassoux and his associates have most thoroughly explored this aspect of slavery. They reject the simplistic materialistic view, which fails to take account of this problem – which indeed does not even recognize the existence of the problem.1 From the structural viewpoint, Meillassoux argues, slavery must be seen as a process involving several transitional phases. The slave is violently uprooted from his milieu. He is desocialized and depersonalized. This process of social negation constitutes the first,

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essentially external, phase of enslavement. The next phase involves the introduction of the slave into the community of his master, but it involves the paradox of introducing him as a nonbeing. This explains the importance of law, custom, and ideology in the representation of the slave relation. […] In almost all premodern slaveholding societies, at least some slaves were, locally recruited. The problems these slaves posed were no different from those presented by the more dramatically disrupted captives. What was different, however, was the manner of their social death. I suggest that there were two ways in which social death was represented and culturally “explained”, depending on the dominant early mode of recruiting slaves. Where the earliest and most dominant mode of recruitment was external, the cultural mode of representing social death was what I shall call intrusive and this, was likely to continue even where, later, most slaves were internally recruited. The second way in which social death was represented may be called extrusive and this too was determined by the earliest dominant means of recruiting slaves. It persisted even if, later, there was a shift to external sources. In the intrusive mode of representing social death the slave was ritually incorporated as the permanent enemy on the inside – the “domestic enemy”, as he was known in medieval Tuscany.2 He did not and could not belong because he was the product of a hostile, alien culture. […] The Greek word for slavery, doulos, is still an etymological mystery, but it is significant that in spite of the highly commercial nature of Greek slavery in classical times and the fact that from the sixth century B.C. on the vast majority of slaves were bought at slave markets rather than captured, the agent of the state responsible for the public regulation of slaves was the war archon.3 The Roman experience was even more revealing. P.R.C. Weaver, in his discussion of the servus vicarius, tells us that the term “is derived, as is much of the domestic terminology of Roman slavery, from military usage and organization” (emphasis added). A common term for slave was captivus.4 Roman law fully represented the intrusive conception of the slave. The Roman captured by the enemy lost all claims as a Roman citizen, but if he escaped and found his way back home, the principle of postliminium applied: he was fully restored to his original status, subject to a few restrictions and occasionally to a redeemer’s lien.5

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The idea of social death was also given direct legal expression in Roman law. The slave was pro nullo. We learn, too, from the comedies of Plautus and Terence that the slave was one who recognized no father and no fatherland.6 Hebrew slavery in law and practice, in both ancient and medieval times, was highly intrusive. Fellow Jews could be and were enslaved in biblical times, but the slave was conceived of as the quintessential enemy within. In Leviticus we read: “And as for thy bondsmen, and thy bondsmaids, which thou shall have of the nations that are round about you, of them all shall ye buy bondsmen and bondsmaids. Moreover of the children of the strangers that do sojourn among you, of them shall ye buy, and of their families that are with you, which they have begotten in your land; and they shall be your possession. And ye shall make them an inheritance for your children after you to hold for a possession; of them shall ye take your bondsmen forever.”7 […] In sharp contrast with the intrusive conception of death was the extrusive representation. Here the dominant image of the slave was that of an insider who had fallen, one who ceased to belong and had been expelled from normal participation in the community because of a failure to meet certain minimal legal or socioeconomic norms of behavior. The destitute were included in this group, for while they perhaps had committed no overt crime their failure to survive on their own was taken as a sign of innate incompetence and of divine disfavor. […] We may summarize the two modes of representing the social death that was slavery by saying that in the intrusive mode the slave was conceived of as someone who did not belong because he was an outsider, while in the extrusive mode the slave became an outsider because he did not (or no longer) belonged. In the former the slave was an external exile, an intruder; in the latter he was an internal exile, one who had been deprived of all claims of community. The one fell because he was the enemy, the other became the enemy because he had fallen. […]

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Liminal Incorporation Institutionalized marginality, the liminal sate of social death, was the ultimate cultural outcome of the loss of natality as well as honor and power. It was in this, too that the, master’s authority rested. For it was he who in a godlike manner mediated between, the socially dead and the socially alive. Without the master, as the Tuareg insist, the slave does not exist. The slave came to obey him not only out of fear, but out of the basic need to exist as a quasi-person, however marginal and vicarious that existence might be. […] It is not difficult to understand why slaves were never assimilated to the status of outcastes. Slavery, we have seen, was primarily a relation of personal domination. There was an almost perverse intimacy in the bond resulting from the power the master claimed over his slave. The slave’s only life was through and for his master. Clearly, any notion of ritual avoidance and spatial segregation would entail a lessening of this bond. Second, the assimilation of the slave to the status of an occupationally specialized caste would undermine one of his major advantages – the fact that he was a natally alienated person who could be employed in any capacity precisely because he had no claims of birth. Slaves universally were not only sexually exploited in their role as concubines but also in their role as mothersurrogates and nursemaids. However great the human capacity for contradiction, if has never been possible for any group of masters to suckle at their slave’s breast as infants, sow their wild oats with her as adolescents, then turn around as adults and claim that she was polluted. […]

The Rituals and Marks of Enslavement Symbolic ideas are usually given social expression in ritualized patterns. Let us look now at the ritual aspects of the natal alienation of the slave. For all but the most advanced slave systems the acquisition of a slave is a very special event in the master’s household. Even where slaves number as much as a quarter of the total household, their acquisition may be a once-in-a-life-time event for the members, especially if the pattern of slaveholding is highly skewed. It was common for people in the premodem world to give ritual expression

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to special events and when one of those events involved the incorporation of a person defined as socially dead, it is easy to recognize that the event should not proceed without ceremony. The ritual of enslavement incorporated one or more of four basic features: first, the symbolic rejection by the slave of his past and his former kinsmen; second, a change of name; third the imposition of some visible mark of servitude; and last the assumption of a new status in the household or economic organization of the master. Many cultures obliged the new slave to make a symbolic gesture of rejecting his natal community, kinsmen, ancestral spirits, and gods – or, where the slave was of local origin, of rejecting his own kin group and ancestral spirits in favor of those of his master. The ceremony was often simple and brief, but it was always deeply humiliating, sometimes even traumatic, for the slave. […] In large-scale slave systems where the slave became a unit of production outside the household economy we do not, of course, find such elaborate initiating rituals of enslavement. The newcomer was usually handed over to a trusted older slave to be taught the necessary skills to survive in his new environment. This is not to say, however, that ritual did not play a part even here. For we know that even in the brutal capitalistic slave plantations of the modern Caribbean, slaves had a rich ritual life and found their own ways of incorporating the new recruit.8 The same was very possibly true of slaves on the latifundia of ancient Rome, given the rich and intense religious life of the slave population. But if the slave was not incorporated privately by his master, there was still the need to incorporate him publicly, to give ritual expression to his presence as a large and significant, and potentially dangerous, element in the body politic. We shall see later that in such large-scale systems this task was performed by the state religion. The second major feature of the ritual of enslavement involved the changing of the slave’s name. A man’s name is, of course, more than simply a way of calling him. It is the verbal signal of his whole identity, his being-in-the-world as a distinct person. It also establishes and advertises his relation with kinsmen. In a great many societies a person’s name has magical qualities; new names are often received upon initiation into adulthood and into cults and secret societies, and the victim’s name looms large in witchcraft and sorcery practiced against him. […]

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Thus it is understandable that in every slave society one of the first acts of the master has been to change the name of his new slave. One must reject any simplistic explanation that this was simply a result of the master’s need to find a name that was more familiar for we find the same tendency to change names when slaves come from the identical society or language group as their masters. There are several reasons for, the change of name. The changing of a name is almost universally a symbolic act of stripping a person of his former identity (note for example the tendency among modern peoples to assign a new formal identification, usually a number, to both prisoners of war and domestic convicts). The slave’s former name died with his former self. […] The situation was different, however, among that small group of kin-based societies where the slave was not incorporated into the household economy but was exploited separately, in a protocapitalist sector, and in most of the advanced premodern slave systems. Here the new name was often a badge of inferiority and contempt. Sometimes the names were either peculiar or characteristically servile. A Greek name in republican Rome, for example, often indicated slave status or ancestry, and many traditionally Roman names eventually became favorite slave names, cognomens such as Faustus, Felix Fortunatus, and Primus.9 […] In other societies such as China, those of the ancient Near East and pharaonic Egypt, the absence of family names was the surest mark of slavery.10 Much more humiliating, however, were those cases in which insult was added to injury by giving the slave a name that was ridiculous or even obscene. […] The slave’s name was only one of the badges of slavery. In every slave-holding society we find visible marks of servitude, some pointed, some more subtle. Where the slave was of a different race or color, this fact tended to become associated with slave status – and not only in the Americas. A black skin in almost all the Islamic societies, including parts of the Sudan, was and still is associated with slavery. True, there were white slaves; true, it was possible to be black and free, even of high status – but this did not mean that blackness was not associated with slavery.11 The Greeks did not require their slaves to wear special clothes, but apparently (as in America) the slaves’ style of dress immediately revealed their status.12 Rome is fascinating in this regard. The slave

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population blended easily into the larger proletariat, and the high rate of manumission meant that ethnicity was useless as a mean of identifying slaves. A ready means of identification seem desirable, however, and a special form of dress for slaves was contemplated. When someone pointed out that the proposal, if carried out, would lead slaves immediately to recognize their numerical strength, the idea was abandoned.13 […]

Religion and Symbolism Religion never played the important role in the development of Greek slavery that it did among the Roman, Islamic, or many Christian peoples. The practice of having the slave worship at the Greek family hearth continued well into the classical period. This hardly met the religious needs of the slaves any more than it would have sufficed for their masters. But slaves again were largely excluded from the extrahousehold religious cults of their masters. What is more, restraints were placed on their attempts to develop their own cults. The religious isolation and confinement of their slaves hardly bothered the Greek masters, for they did not care for any form of incorporation of slaves into the Greek community. […] Roman slaves had more freedom in every part of their lives than Greek slaves. The Greek polis was an ethnically exclusive unit, whereas Rome was, from relatively early on, an ethnically and politically open system. It was not just slaves who were excluded from the Greek community, but all foreigners. There were three respects, however, in which Greek religion aided in the adjustment of the slave to his social death. Along with women, slaves were allowed to participate in the state cult of Eleusis. The second important representation of slavery in Greek religion was the saturnalia-type festivals associated with a variety of cults. During these festivities (the oldest being the Cronia ritual) there was a reversal of roles in which slaves ate, drank, and played with their masters.14 The late British anthropologist Max Gluckman has suggested that such rites of reversal both vented feelings of tension in conflictridden relationships and reaffirmed the rightness of the established order: “The acceptance of the established order as right and good, and even sacred, seems to allow unbridled license, even rituals of re-

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bellion, for the order itself keeps this rebellion within bounds. Hence to act the conflicts, whether directly or by inversion or in other symbolical forms, emphasizes the social cohesion within which the conflicts exist.”15 It may be speculated that these rituals of reversal involved not just a means of releasing the tension inherent in the master-slave relationship, and thereby maintaining order, but emphasized the social death of the slave and his total alienation from Greek life. By playing the master, the slave came to realize, however fleetingly, what it was really like to be not just a free man, but more, a truly free man – that is to say, a Greek. When the playing was over and the roles were reversed to normal, the slave would know then with the sinking feeling of the morning after that socially and politically he was dead. The master, in his turn, learned from the role reversal not compassion for his slave, but the bliss it was to be free and Greek. The Cronia, then, was really a death and resurrection ritual: for the master, it was an affirmation of the life principle and freedom; for the slave, it was a confirmation of his living death, powerlessness, and degradation. The third, perhaps most important, way in which Greek religion related to the condition of slavery was by sacred manumission. The problem of manumission will be discussed at length in a later chapter; I am concerned here only with the role of religion in its legitimization. Sacred manumission was the technique of selling the slave to a god who, by not exercising his proprietary powers, allowed the slave to behave like a free man. The interesting thing about this practice is how secular it actually was. Religion was brought in as a means of legitimizing the manumission transaction only where formal legal mechanisms were absent. Where (as in Athens) legal mechanisms existed, we find no trace of sacred manumission. Bömer demolishes the traditional view that Apollo was a defender of slaves and the great symbol of Greek humanity. The idea of finding freedom in servitude to a god remained alien to Greek thought. The slave who was sold to Apollo was not given his freedom by the god; he merely acquired a de facto freedom by virtue of the fact that the god did not exercise his proprietary powers. This was a neat way of solving the problem created by the naturalistic theory of slavery. If the slave was by nature fit for nothing else, how could he become free? If he was socially dead, how could he be made socially alive? It was not possible. Thus selling the slave to a god salvaged the idea of his

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slaveness and the permanence of his servile status. Apollo was no defender of slaves, no oasis of universal humanity in the desert of Greek chauvinistic tyranny; on the contrary, he was the ideological salvation of the most inhuman product of the Greek mind – the Aristotelian notion of innate slavishness. […] Rome was different, and the slaves’ religious life a great deal better. Not that Roman masters were any less cruel; they may have been even more brutal. Rather, Rome had a culture that was far more inclusive, with institutions that were incomparably more flexible, and in no area more so than religion. In primitive Rome and even as late as midrepublic times, slaves participated in the religion of the household, especially in the Lares cult. Originally the head of the cult was the paterfamilias. But as the latifundia replaced the household farm, the master withdrew from this role. By Cato’s day the slave villicus or overseer directed the cult. With urbanization and the further growth of the latifundia, toward the end of the republic the Lares cult became increasingly attractive to slaves and freedmen.16 The saturnalia and matronalia (festivals in honor of Mars and Hera originally celebrated by married women) were also important ritual supports for the slaveholding system from early times, the former quite possibly influenced by Greek traditions.17 As the gesellschaft principle of social organization replaced the gemeinschaft principle in Roman life, ritual specialization increased further. The slave-oriented cults, however, could only initiate the new slaves into the slave sector. There remained the urgent need to incorporate the slave and still more, his descendants, into the wider community. Several kinds of religious organizations were adapted to meet both the specific ritual needs of the slaves and the wider superstructural problem of somehow representing the slave system in supernatural terms. There were, first, the interclass cults. In Jupiter, Juno, and especially Silvanus, we find originally Roman deities who were associated by the slaves with eastern counterparts with which they were more familiar. Many of the cults were of foreign origin – a good number of them brought to Rome by the slaves themselves. Most notable was Mithras, famous for the rapidity with which it attained popularity and the equality of master and slave in the performance of ritual practices.18

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In the institution of the collegia, which constituted the organizational aspect of worship, the slave found not only a church but “a social club, a craft guild, and a funeral society”;19 and in holding one of the many offices, he or she experienced some vicarious sense of importance. The names of some of these colleges are very revealing. In the light of what we have said about slavery as a state of social death, it is not unreasonable to suppose that when the members of one college called themselves “comrades in death”, they were referring not solely to their coming physical death.20 […] Of much greater interest was the phenomenon of emperor worship and the extraordinary role of the slaves and ex-slaves in the imperial cults. The earliest of these, the Augustan Lares, was in fact a revival of the dying Lares cult to which the emperor added his own imprint. Keith Hopkins argues that this cult had been started by exslaves, Augustus simply institutionalizing the informal local celebrations into a state cult devoted partly to his worship. “The cult provided rich ex-slaves, as organizers of the cult, with a prestigious and public outlet for social display. And it allowed emperor worship to flourish at street level.”21 It was not long, however, before emperor worship was accepted at all levels of society. It was a major legitimizing force among slaves for the simple reason that the emperor’s cult introduced into Roman law the alien principle of asylum for slaves. The granting of the right of appeal to Caesar’s statue was one of the few ways in which the state intervened between master and slave. The state was, of course, sensitive to this intrusion on the authority of the master, and in practice very few slaves attempted such an appeal. But in enhancing the authority of the emperor in the eyes of all, including even the meanest of slaves, the legitimacy of the system as a whole was reinforced. What the master lost in individual authority, the slave system as a whole gained embodied as it was in the divine protective power of the deified emperor.22

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C. Meillassoux, L´esclavage en Afrique précloniale, Paris 1975, esp. 1126. I. Origo, ‘The Domestic Enemy’: The Eastern Slaves in Tuscany in the Fourteenth and Fifteenth Centuries, in: Speculum 30, 1955. 321-366. On the words used for “slaves” and their sources see W.L. Westermann, The Slave Systems of Greek and Roman Antiquity, in: American Philosophical Society, 1955, 5-12. Also M.I. Finley, Was Greek Civilization Based on Slavery?, in: Finley, Slavery in Classical Antiquity, Cambridge, 1960, 146. P.R.C. Weaver, Vicarius and Vicarianus in Familia Caesaris, in: JRS 54, 1964, 118. W.W. Buckland, The Roman Law of Slavery, Cambridge, 1908, 291312. See P.P. Spranger, Historische Untersuchungen zu den Sklavenfiguren des Plautus und Terenz, Wiesbaden 1961, 65 (durchges. u. erw. Aufl. 1984 = FAS 17). Lev. 25,44. On Jamaica see O. Patterson, The Sociology of Slavery: Jamaica, 16551838, Rutherford/ N.J. 1969, chap. 6. On the U.S. South see E.D. Genovese, Roll, Jordan, Roll, New York, 1974), esp. bk. 2. See also the detailed discussion of the slaves’ cultural life in: C.W. Joyner, Slave Folklife on the Waccaman Neck: Antebellum Black Culture in the South Carolina Low Country, Pennsylvania 1977, chap. 3. There were, however, many peculiarly servile names, the best-known being perhaps “Rufio”. This and other names suggest the national origins of the slaves, but as Gordon, Solin, and others have pointed out, it is dangerous to draw conclusions about the ethnic origins of Roman slaves on the basis of the available distribution of ethnic names. Slaves were often named for the place of purchase, which tells us nothing about their origin - a good case in point being the common slave name “Corinthus”. Greek or hellenized names were often taken for cultural reasons. In an exceptional case a captive was allowed to keep his original name, the most famous example being Spartacus. Whatever the new name, the overwhelming tendency was for the slave’s master or superior to select it. Principally for this reason slave names “do not often take the form of nicknames derived from physical characteristics.” See M.L. Gordon, The Nationality of Slaves under the Early Roman Empire, in: Finley, Slavery in Classical Antiquity, 171-211; L.R. Taylor, Freedman and Freeborn in the Epitaphs of Imperial Rome, in: American Journal of Philology 82, 1961, 113-132; and, more recently, H. Solin, Beiträge zur Kenntnis der griechischen Personennamen in Rom, Helsinki 1971.

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Orlando Patterson On the ancient Near East see I. Mendelsohn, Slavery in the Ancient Near East, Oxford 1949, 31; on China see E.G. Pulleyblank, The Origins and Nature of Chattel Slavery in China, in: JESHO 1 (1958), 217; on Egypt see Abd el-Mohsen Bakir, Slavery in Pharaonic Egypt (SASAE 18), Kairo 1952,103-107, 114. See B. Lewis, The African Diaspora and the Civilization of Islam, in: M.L. Kilson/R.I. Rotberg (Hrsg.), The African Diaspora, Cambridge/Massachusetts 1976, 37-56. For further discussion see V. Ehrenberg, The People of Aristophanes, New York 1962, 184. We do not know when this incident, referred to by Seneca, occurred. See Sen. clem. 1,24,1, Plautus also refers to the slaves’ different style of dress although, of course, the setting is supposedly Greece. Plaut. Amph. 114, in: Plautus, The Rope and other Plays, ed. and trans. E.F. Watling, New York 1964, 232. F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom. Teil III: Die wichtigsten Kulte der griechischen Welt. 2., durchges. u. erw. Aufl. (FAS 14), Wiesbaden 1990, 173-195. Custom and Conflict in Africa, Oxford 1955, 125; also chap. 5. F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven. Teil I: Die wichtigsten Kulte und Religionen in Rom und im lateinischen Westen, 2., durchges. u. erw. Aufl. (FAS 14), Wiesbaden 1981, 32-86. For a good discussion of the saturnalia see E.O. James, Seasonal Feasts and Festivals, London 1961, 175-177. Bömer (s. Anm.14), 87-98. R.H. Barrow, Slavery in the Roman Empire, London 1928, 164. Barrow (s. Anm.19), 168. K. Hopkins, Conquerors and Slaves, Cambridge 1978, 212-213. See also R.E.A. Palmer, Roman Religion and Roman Empire: Five Essays, Philadelphia 1974, 114-120. Hopkins (s. Anm.21), chap. 5.

Egon Flaig: Den Untermenschen konstruieren. Wie die griechische Klassik den Sklaven von Natur erfand, aus: R. van den Hoff/St. Schmidt (Hrsg.), Konstruktionen von Wirklichkeit. Bilder im Griechenland des 5. u. 4. Jhs., 27–49, Stuttgart © 2001 Franz Steiner Verlag

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Den Untermenschen konstruieren. Wie die griechische Klassik den Sklaven von Natur erfand Die Sklaverei ist in vielen Kulturen aufgetaucht, wenn auch in sehr verschiedenem Umfang. Wo immer Sklavenhaltung umfangreich praktiziert wird, dort tendieren die Freien dazu, die Sklaven als Menschen abzuwerten.1 Aber eine solche Abwertung impliziert nicht, daß Sklaven als Untermenschen gelten. Nur in seltenen historischen Fällen ist das passiert: so vor allem in der europäischen Kolonialsklaverei und bei den Griechen.2 Unwichtig ist, daß die Kategorie Untermensch nicht aus der griechischen Sprache entnommen ist, weil es nicht auf das Wort ankommt, sondern auf das diskursive Konzept. Das freilich ist eine griechische Erfindung. […] Das Konzept des Untermenschen ist mit dem normalen sozialen Rassismus verwandt; aber es ist einer der Grenzfälle dieses sozialen Rassismus. Es ist systematisch und kohärent.3 Die Griechen sind die Erfinder eines kohärenten Rassismus. Im Alten Testament, in den altorientalischen Kulturen fehlt er weitgehend oder vollständig.

Die Crux mit der griechischen Sklaverei Die griechische Kultur der klassischen und hellenistischen Ära beruhte auf der Sklaverei.4 Es ist bei manchen Richtungen der Alten Geschichte schick geworden, die ökonomische Bedeutung der Sklaverei für die athenische Kultur zu übergehen oder ganz zu leugnen. Kürzlich behauptete ein renommierter Kenner der athenischen Demokratie: „Ob die Sklavenarbeit eine notwendige Vorbedingung für den Aufstieg und die Existenz der Demokratie war, ist eine Frage, die wir gegenwärtig nicht beantworten können“.5 Mit „wir“

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meint er wohl sich selber; und daher brauchen wir auch in Zukunft keine Antwort von ihm zu erhoffen. Solange das Unwissen über sozio-ökonomische Sachverhalte den humanistisch Gebildeten auszeichnen, wird keine Selbstverpflichtung zum Schweigen die legitime Ignoranz hemmen. Direkte Demokratien,6 welche ohne Sklaverei auskamen, hat es – nach dem Befund der politischen Anthropologie – unzählige gegeben. Aber eine Demokratie auf einer hochkulturellen Infrastruktur, mit reichhaltigen Verfahrensregeln und mit einer derart extensiven und intensiven Partizipation, wie das etwa in Athen der Fall war, konnte nicht existieren, wenn sie nicht über ein gewaltiges ökonomisches Surplus verfügte. Freilich durften nicht ihre Bürger dieses Surplus erzeugen, da sie ja, ‚freigestellt‘ bleiben mußten, und zwar in einem Ausmaß, das sich andere Hochkulturen nicht leisteten. Mehrere Tausend ärmerer athenischer Bürger waren jährlich an mehr als 20 Tagen für Feste, an 40 Tagen für Volksversammlungen, an über 150 Tagen für Gerichtstagungen freizustellen. Dafür war die Redistribution von großen Überschüssen nötig; und die dafür nötigen Summen entstammten vor allem der Ausbeutung von Sklavenarbeit, z.B. aus den Silberminen in Südattika. Die athenische Demokratie hätte ohne massenhafte Sklaverei keine vier Wochen überlebt.7 Eine bloße Sklavenhaltergesellschaft – wie Athen eine war – ist strikt zu unterscheiden von einer sklavistischen Produktionsweise. Diese setzt die Sklaven zum größten Teil im gewinnträchtigsten Produktionszweig ein, und zwar so, daß dieser ohne Sklaven zusammenbräche. Das war der Fall im Nordosten Brasiliens, in der Karibik und in den Südstaaten der USA, nicht aber in der griechischen Kultur, auch nicht in der römischen. Zwar waren die meisten athenischen Sklaven in der Produktion tätig und schufen ein wirtschaftliches Surplus, ohne welches die athenische Baukunst, Kultur und Politik nicht zu denken sind, doch das macht aus Athen keine sklavistische Produktionsweise. Für eine Sklavenhaltergesellschaft hingegen reicht es vollkommen, wenn etwa 15% der Bevölkerung Sklaven sind. Bereits dann ist die Sklaverei omnipräsent und pervasiv. Im amerikanischen Süden vor dem großen Krieg waren es etwa 33%.8 Im Athen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. dürfte diese hohe Quote kaum je erreicht worden sein;9 allerdings hielt sich hier die Sklaverei auf einer immer noch beträchtlichen Quote über viele Jahrhunderte. […]

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Der Wegfall von Schutzbestimmungen machte die Sklavenarbeit in Hellas beträchtlich produktiver als vergleichsweise im Orient, weil man in Hellas die Verfügung über den versklavten Menschen bis zu einem anderswo undenkbaren Punkt treiben konnte. Auch das ist ein Grund, weswegen sich die Sklavenarbeit als die dominante Form abhängiger Arbeit gerade in den stark institutionalisierten poleis so früh und so umfassend durchsetzte.10 Wenn alle Schutzbestimmungen wegfallen, dann haben wir ein anderes soziales Verhältnis, auch wenn die Armut unserer Terminologie uns dazu nötigt, dafür dasselbe Wort zu nehmen. Es ist auf der Skala der möglichen sozialen Formen von Unfreiheit nicht dasselbe, ob ein Sklave dem Herrn zu beliebiger Verfügung steht – und zwar nicht nur ökonomisch, sondern auch sexuell – oder ob die Gesellschaft dem Herrn Grenzen setzt, wie immer diese definiert sein mögen. Ohne Schutzbestimmungen braucht der Herr dem Sklaven keinerlei Schonung zu gewähren, weder bei der Ausbeutung seiner Arbeitskraft, noch beim Bestrafen. Folgerichtig kann ein athenischer Herr seinen Sklaven jederzeit töten, auf jegliche beliebige Weise. Diese soziale Situation unterscheidet sich – zumindest graduell – von dem Status der Sklaven auf den Zuckerplantagen der Karibik oder auf den Baumwollplantagen von Carolina, wo zumindest die Sonntagsruhe vorgeschrieben und die Strafmaße begrenzt waren, auch wenn in der Praxis viele Sklavenhalter sich nicht daran hielten. […] Für die Erfahrung des Sklaven und für die Erfahrung des Herrn ist nicht nur der Alltag konstitutiv, sondern der mögliche Grenzfall an Brutalität. Dieser Grenzfall ereignet sich – relativ gesehen – nicht häufig. Beide Seiten wissen, daß der Grenzfall eintreten kann und was er bedeutet. Sie versuchen daher, ihm auszuweichen, denn beide verlieren dabei: der Herr verliert für viele Wochen – oder für immer – die Arbeitskraft eines Sklaven, für den er teuer bezahlt hat; und der Sklave verliert die körperliche Integrität oder gar das Leben. Der Grenzfall ist semantisch konstitutiv, weil er das Raster der Wahrnehmung strukturiert, weil er die äußersten Erwartungen absteckt. Und im Grenzfall war die athenische Sklaverei näher an den Vernichtungslagern des NS als an der karibischen Zuckerplantage. […]

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Die Erfahrung der Betroffenen. Rekonstruktionsprobleme zwischen hermeneutischer Vergeblichkeit und interkulturellem Vergleich Wie die Sklaverei von den Betroffenen erfahren wird, hängt von der Position ab, in der Sklaven sich befinden, sowie von den kulturellen Dispositionen, die sie mitbringen. Und die sozialen Positionen von Sklaven konnten in der Antike sich weit voneinander unterscheiden. Daher bildeten die Sklaven als solche keine soziale Klasse. Dennoch sind 6 Grunderfahrungen durch Analogie konstruierbar: 1. Die Sprachlosigkeit. Sklaven sind allzumeist Nichtgriechen; sie machen die Erfahrung, daß die Herren in einer Sprache befehlen, die ihnen fremd ist, in der sie sich nur schwer orientieren, und die sie normalerweise nicht mehr richtig lernen können. Ihre Muttersprache haben sie verloren, und die Sprache ihrer Herrn sprechen sie mit Defekten. In den meisten sozialen Positionen kommen sie über einen Sklaven-Slang nicht hinaus und bleiben buchstäblich sprachlos. In niedrigen sozialen Positionen machen Sklaven die gleiche Erfahrung wie jene, welche Primo Levi für KZ-Häftlinge beschreibt: das Risiko von Mißhandlung steigt proportional zur mangelnden Sprachkompetenz.11 2. Die Atomisierung. Sie werden aus ihrer Herkunftsgruppe herausgerissen, einzeln verkauft. Jeder hat ein Einzelschicksal. Freundschaften entstehen kaum, weil Sklaven sprachlich, ethnisch und kulturell einander fremd bleiben. Dieses Unvertrauen steigert sich noch in sozial schwachen Positionen, wo der Kampf um elementare Ressourcen härter ausgetragen wird, wie, Primo Levi an Häftlingsbedingungen aufzeigte.12 Doch selbst wenn günstige Bedingungen erlauben, daß Sklaven untereinander Bindungen eingehen, dann brechen diese jäh ab, sobald ein Teil der Sklaven weiterverkauft oder einfach vermietet wird. 3. Familienlosigkeit. Sklaven können keine starken emotionalen Bindungen eingehen – sie haben keine Frau, keine Kinder. Es gibt für Sklaven keine Ehe (Ehe ist ein sozial anerkanntes Verhältnis, das in der Anerkennung seinen Schutz, d.h. seine Gültigkeit findet). Falls Sklaven das paarweise Zusammenleben gewährt wird, dann nur durch die Gnade ihres Herrn. Von dessen Willkür hängt die Fortdauer einer solchen Beziehung ab, jederzeit kann er die Personen auseinanderreißen.13 Ohne stabile emotionale Beziehungen gerät der

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gesamte emotionale Haushalt durcheinander. Daher findet in der Regel eine Umpolung statt: Sklaven ‚lieben‘ sehr häufig ihre Herrn, entwickeln eine sehr starke Bindung an ihn. Denn er ist das einzige Objekt, auf das sie dauerhaft Emotionen richten können.14 Es zeugt von einer umfassenden Unkenntnis des Funktionierens sozialer Beziehungen, wenn Althistoriker solche emotionalen Bindungen als Beweis dafür nehmen, daß die Betroffenen unter der Sklaverei nicht gelitten hätten.15 Diese ‚Liebe‘ ist völlig asymmetrisch. Der Herr kann diese Zuwendung gar nicht in demselben Maße beantworten, und selbst wenn er könnte, müßte er das füglich unterlassen. Die Asymmetrie macht die Bindung für den sozial Abhängigen zu einer Quelle ständiger Unruhe und Besorgnis. 4. Geringe Machtpotentiale. Sie können den Herrn kaum nötigen, ihnen einmal nachzugeben. Die Möglichkeiten, Verweigerung zu üben, kann der Herr jederzeit mit Einsatz von Zwangsmitteln unterlaufen. Sklaven in höheren Positionen – mit sehr begehrten Spezialfähigkeiten – haben natürlich größere Machtressourcen. Das einzige wirkliche Machtpotential, das Haussklaven sich aufbauen können, ist ein breites Wissen um sämtliche familiären, ehelichen und geschäftlichen Vorgänge ihrer Herrschaft im Hause. Ob dieses Machtpotential überhaupt aktualisierbar ist, hängt davon ab, ob a) Sklaven eventuell gegen den Herrn aussagen dürfen, und ob b) zwischen Sklaven unterschiedlichster Häuser eine Kommunikation mit hoher Frequenz möglich ist (was in einer Stadt meist der Fall ist). 5. Weitgehende Lähmung aller spontanen Initiativen. Unentwegt müssen sich Sklaven bereithalten, um Befehle zu empfangen. Sie werden oft aus begonnenen Tätigkeiten herausgerissen. Diesen Zustand erträgt man nur, wenn man die Tätigkeiten routinisiert ablaufen läßt, ohne jegliche Konzentration und ohne besondere Sorgfalt. Dann erlischt freilich in wenigen Jahren alle Kreativität und Spontaneität. Sklaven mit spezialisierten Kenntnissen in gehobenen Positionen machen diese Erfahrung erheblich seltener, unter günstigen Bedingungen kaum oder gar nicht. 6. Progressiver Verlust des Selbstvertrauens. Immer wieder droht Sklaven körperliche Mißhandlung, selbst in guten Positionen. In Hellas und Rom muß der Sklave für den Herrn sexuell verfügbar sein. Und diese sexuelle Verfügung raubt dem Sklaven jede Würde, die man als Mann oder als Frau zu beanspruchen sucht. Moderne Untersuchungen über posttraumatische Bewältigungsreaktionen

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haben ergeben, daß die sexuelle Vergewaltigung als schlimmer erlebt wird denn die Mißhandlung durch Gewalt, übertroffen nur von der Folter. Die Drohung, jederzeit oder gelegentlich körperlicher Mißhandlung oder sexueller Unterwerfung ausgesetzt zu sein, untergräbt die Selbstachtung systematisch und bricht sie in unterschiedlichem Ausmaß.16 Es ist nicht möglich, diesen Sachverhalt der griechischen und römischen Sklaverei auch nur in Umrissen zu untersuchen, weil naturgemäß hierzu die Quellen fehlen. Das ist kein Grund, ihn nicht zu beachten. Die verlorene Selbstachtung komplettiert jene Verachtung, welche die freie Gesellschaft dem Sklaven ohnehin entgegenbringt. Hoffnungspotentiale, die durch Religiosität genährt werden könnten, gehen unweigerlich verloren, weil die klassische Antike die individuelle Kommunikation mit der helfenden Gottheit fast ausschließlich in stark ritualisierte Kultpraktiken zuläßt, welche nur im Rahmen von Kultgemeinden geübt werden können.17 Wenn man diese 6 Punkte synoptisch durchdenkt, dann wird zweierlei ersichtlich: 1. Es ist sofort zu erkennen, wie solche Menschen wahrgenommen werden, nicht nur in der Antike, sondern überall; solche Menschen erscheinen als dumm, höchstens fähig zu Gerüchtemacherei und zu hinterlistigen Intrigen, als antriebsschwach, als schmeichlerisch, als entsetzlich feige. 2. Es wird ersichtlich, warum Sklaven so selten Aufstände machten, sei es in der Antike, sei es in der Neuzeit. Verfälschung und Ignoranz haben in der Fachhistorie dem Argument Auftrieb gegeben, daß, wo kein Aufstand ist, die Unfreiheit erträglich sei. […]

Die Peitsche als politisches Symbol. Soziale Konstruierung eines unfreien Körpers und diskursive Konstruktion eines sozialen Verhältnisses Herodot berichtet (Hdt. 4,1-4) über einen Kampf zwischen den Skythen und ihren eigenen Sklaven. Die Skythen waren 28 Jahre lang von zu Hause weg, um Krieg zu führen. Ihre Frauen zögerten nicht, sich mit den Sklaven einzulassen und daraus entstand ein ansehnliches Reservoir an Männern. Als die Skythen nun nach einer Generation vom Krieg genug hatten und heimkehrten, da stellten sich ihnen diese Abkömmlinge der Sklaven entgegen, um ihnen die Rückkehr zu verweigern. Die Sklavensöhne hielten bei jeder

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Schlacht stand. Die ratlosen Skythen berieten sich und einer sagte: „Wir legen jetzt Lanze und Bogen beiseite; jeder nimmt eine Reitpeitsche und greift sie so an. Solange sie (die Sklavensöhne) uns mit Waffen in der Hand sahen, hielten sie sich für unseresgleichen, und von Gleichen abzustammen. Wenn sie uns aber mit Peitschen statt Waffen in der Hand erkennen, werden sie merken, daß sie unsere Sklaven sind, und nicht mehr wagen, uns entgegenzutreten.“ Die Skythen taten das. Die Sklavensöhne erschraken, vergaßen zu kämpfen und flohen. Die Geschichte wirft zwei Fragen auf: 1. Wieso reagieren die Sklavensöhne solchermaßen auf die Peitsche? 2. Welche Bedeutung hat die Peitsche für Herodots Leser? Zunächst zur ersten Frage. Wären es alte Sklaven gewesen, die genau wußten, was es heißt, gepeitscht zu werden, so entspräche die Geschichte der Logik der Konditionierung: Sklaven sind darauf gedrillt, beim Anblick der Peitsche einzusehen, welcher Platz ihnen zukommt, und sofort zu gehorchen. Doch hier handelt es sich nicht um Sklaven, sondern Sklavensöhne, die geboren wurden, als keine Herren da waren, die aufwuchsen in Herrenlosigkeit, also in Freiheit. Diese Sklavensöhne waren überhaupt nicht durch sozialen Drill auf das Symbol Peitsche ausgerichtet. Warum wirkte dann die Peitsche? Die Pointe der Fabel ist die, daß die Sklavensöhne exakt so reagierten, wie ihre Väter reagiert hätten, obwohl sie nie in derselben sozialen Lage waren wie diese. Cartledge resümiert: Die Botschaft der Fabel ist die, „daß Sklaven weder von Geburt noch vom Charakter her ihren Herrn gleichrangig waren, daß sie, – anders gesagt, von Natur aus minderwertig waren.“18 Das ist richtig. Dazu bedarf es nicht einmal eines passenden Wortes. Ein Konzept kann existieren, ohne daß ein entsprechendes Wort auftaucht.19 Nun zur zweiten Frage. Wieso konnte Herodot darauf bauen, daß seine Leser die Peitsche für ein Symbol halten, auf das Sklaven entgegen ihrem Willen und ihrer Erfahrung reagieren? Das berührt den Status der Peitsche im Politisch-Imaginären der athenischen Polis. Jede Sklavenhaltergesellschaft hat das Problem, wie man gegen Menschen, die ihr gesamtes Leben unter Zwingherrschaft verbringen, Zwang ausüben soll, sobald man es für nötig erachtet. Ein kardinaler Bestandteil solcher Zwangsgewalt ist der Modus der Strafen. In Athen bestand ein Gesetz, erlassen unter dem Archon Skamandrios, welches vorsah, daß Bürger von Körperstrafen aus-

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genommen waren. Demosthenes behauptete in zwei Reden, daß Freie für irgendwelche Vergehen mit ihrem Vermögen zahlen, Sklaven hingegen mit ihrem Leib.20 Um Freien die Folter anzudrohen, mußte die Boulè 415 beim Hermokopidenfrevel das entsprechende Gesetz aufheben.21 Gustave Glotz hat 1908 daraus geschlossen, daß Peitschenhiebe und Drachmen als Äquivalente galten, je nachdem, ob es sich um einen Sklaven handelte, der sich ein öffentliches Vergehen zuschulden kommen ließ, oder um einen Freien.22 Virginia Hunter hat kürzlich diese These überprüft und umfassend bestätigt. Die Strafarten in Athen dienten nicht nur – zur Disziplinierung generell, sondern obendrein zur ständigen Inszenierung der fundamentalen Differenz zwischen Freien und Unfreien.23 Es gibt keinen nachweisbaren Fall, daß die athenische Öffentlichkeit gegen einen Freien die Peitsche eingesetzt hätte. Also hat Gustave Glotz Recht: Die Peitsche ist gerade deswegen ein politisches Symbol, weil in Athen jedweder Freie genau weiß, daß sie ihm niemals drohen kann, daß Sklaven aber ständig mit ihr leben müssen. Auf der athenischen Agora, vor dem Hephaistos-Tempel, stellten Auspeitschungen einen sattsam gewohnten Anblick dar. Die Peitsche stand also nicht nur an der unerbittlichen Grenzziehung zwischen Freien und Unfreien, sondern ihr Klatschen war täglich im klassischen Athen zu hören, zusammen mit den Schmerzensschreien der Gepeinigten, inmitten der Polis, an einem zentralen Ort. Diese alltägliche Erfahrung schärfte allen ein, wo die politische Grenze verlief und was sie bedeutete. Dem entspricht die merkwürdige Praxis der Sklavenfolter bei einem bestimmten Rechtsverfahren. Sklaven und Frauen konnten niemals vor Gericht eigenständig auftreten und sie konnten keinen Eid ablegen. Aber Sklaven wußten eine ganze Menge über das häusliche Leben ihres Herrn. Dieses Wissen könnte bei Streitigkeiten weiterhelfen. Man konnte dieses Wissen, etwa bei politischen Prozessen zu schwerwiegenden Anlässen, aus den Sklaven herausfoltern. Aber häufiger griffen die Athener zu einem außergerichtlichen Verfahren, um dieses Sklavenwissen im Streit einzusetzen: Der Ankläger forderte den Angeklagten dazu auf, seine Sklaven zur Folter zu bringen, und umgekehrt konnte der Angeklagte selber sie zur Folter anbieten. Wenn sie für den Herrn aussagten, hatte dieser gewonnen; der Ankläger verlor die hinterlegte Entschädigungssumme. Es war somit eine Wette, die man annehmen oder ablehnen

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konnte. Diese Folterungen fanden an bestimmten Orten statt, z. B. bei der Heliaia oder am Hephaistostempel, sie waren öffentlich und zogen – wie die attischen Redner belegen – ein großes Publikum an.24 Obwohl wir über die Folterung nichts genaues wissen, außer daß man sie mit der Peitsche durchführte, bzw. bei Anwesenheit eines staatlichen Folterers, mit dem Rad, scheinen sie streng geregelt gewesen zu sein. […] Diese Praxis ist alles andere als sinnlos; sie macht in eminenter Weise Sinn, produziert Sinn intensivster Art. Finley drückt das scharf aus: „Die potentielle oder tatsächliche Anwendung von nackter Gewalt ist natürlich bei der ganzen Sachlage eine unausweichliche Konsequenz, aber sie ist auch mehr als das. Wenn ein Sklave ein beseelter Besitz ist, nicht eigentlich eine Person, und dennoch biologisch unzweifelhaft ein menschliches Wesen, muß man institutionalisierte Verfahren erwarten, die ihn als Menschen herabsetzen und seine menschlichen Eigenschaften verdrängen, so daß man ihn von Menschen, die kein Besitz sind, unterscheiden kann. Körperliche Züchtigung und Folter stellen eines dieser Verfahren dar.“25 Das ist eine Aussage mit weitreichender theoretischer Tragweite: das soziale Verhältnis zwischen den Herren und den Sklaven als Besitz ist vorgängig; dieses Verhältnis nötigt zu einer spezifischen vorstellungsmäßigen Konstruktion. Doch nur mittels einer sozialen Praxis – Züchtigung und Folter – gewinnt die Konstruktion überhaupt Plausibilität und ständige Relevanz. Die fundamentale Absonderung derjenigen Personen, die möglichst nicht körperlich zu züchtigen und auf keinen Fall zu foltern sind, von jenen, denen körperliche Züchtigung jederzeit droht und die gefoltert werden dürfen, verschafft allererst der Sklavenfolter jene semantische Prägnanz, an die sich vorstellungsmäßige Konstruktionen anschließen können und sollen. Auf der religiösen Ebene läßt sich, wenn diese Praxis erst einmal vorhanden ist, leicht eine passende Begründung finden, warum sie sinnvoll ist: Da der Sklave kein Mitglied einer Kultgemeinde ist, können ihn die göttlichen Sanktionen gegen Eidesfrevel nicht schrecken; darum vermag er keinen Eid zu leisten.26 Ebenso, wird man – wenn das Züchtigen und Foltern zu einer ständigen und institutionalisierten Praxis geworden sind – schnell die Auffassung gewinnen, daß der Unfreie nicht eideswürdig ist.27 weil man ihm nicht zutraut, daß er die Wahrheit auf vernunftgemäße Weise sagt.

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Die Wahrheit kommt aus dem Sklaven nicht durch einen Eid und durch die aufrichtige Sprache, sondern sie muß aus seinem Körper herausgefoltert werden, sozusagen an seiner defizienten Vernunft vorbei. Diese Praxis – mit welchen Vorstellungen auch immer sie anfänglich verbunden gewesen sein mag – kann zur Annahme verleiten, daß bei Sklaven nur der Körper zur Wahrheit fähig ist. […]

Die systematische Konstruktion des Untermenschen im philosophischen Diskurs Doch wie kommt man von einem kohärenten Rassismus der Sklaverei zu einer systematischen Theorie des Untermenschen?28 Dann wenn sich in der Vorstellung die natürliche Unterlegenheit des Sklaven verbindet mit einem geistigen Mangel. Das scheinen andere Diskurse geleistet zu haben, die wir nicht kennen. Bei Platon und Aristoteles ist dieses Konstrukt schon fertig. Platon und Aristoteles könnten auf die Peitschenfabel Herodots erwidern: Du erzählst richtig, aber du weißt nicht, warum die Sklavensöhne der Natur gemäß unterlegen sind. Wir wissen den Grund: ihr Geist ist minderwertig. Und sie könnten auf Heraklit antworten: Die Unterlegenheit der Schwächeren und der Sieg der Stärkeren ist nicht zufällig; der Schwächere ist von Natur aus schwächer, und er hat nicht umsonst auch eine schwächere Vernunft. […] Um zu einer kohärenten Theorie des Sklaventums zu gelangen, wägt Aristoteles zwei fundamentale Unterschiede im natürlichen Leben gegeneinander ab: zu allererst müssen diejenigen sich als Paar zusammenschließen, die nicht ohne einander leben können, das Weibliche und das Männliche zum Zwecke der Fortpflanzung … Aber auch, was von Natur herrscht und beherrscht wird, muß sich zu seiner Erhaltung zusammenschließen; denn was mit dem Verstand weitblickend fürsorgen kann, herrscht von Natur, es gebietet despotisch von Natur, was aber mit dem Körper arbeiten kann, ist beherrscht, ist von Natur aus Sklave. Deswegen nützt ein und dasselbe dem Herrn und dem Sklaven.29 Sklave von Natur ist, wer seine natürliche Vollendung im Gebrauch seiner Körperkräfte findet. Er besitzt überhaupt nicht das Merkmal der planenden Vernunft; deswegen verhält er sich gegenüber dem Herrn wie der Körper gegenüber der Seele. Innerhalb des

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Hauswesens erfüllt der Sklave eine Funktion, die einerseits dem Werkzeug analog ist, anderseits dem Tier. Jedoch unterscheidet er sich vom Tier dadurch, daß er imstande ist, die Vernunft aufzunehmen, das heißt, er kann z.B. selbständig einkaufen, er kann vernünftige Akte vollziehen, sobald man ihn dazu anweist.30 Ohne diese Anweisung ist er freilich zu vernünftigem Handeln nicht in der Lage. Anders als die Frau. Man könnte sagen, das ist eine Konstruktion, die alleine in den Texten vonstatten geht, in ihrer sozialen Wirklichkeit hätten die Griechen doch nie und nimmer geglaubt, daß Sklaven Menschen anderer Art, also Untermenschen wären. Doch warum war dann einer der vielen Bezeichnungen für den Sklaven bei Griechen das Wort άvδράποδοv – „Menschenfüßiges“? Das Wort ist ein Neutrum, ein Andrapodon ist eine Sache. Moses Finley hat darauf hingewiesen, daß in keiner orientalischen Sprache je Menschen oder Menschengruppen als Sachen bezeichnet wurden. Das taten also unter den antiken Hochkulturen nur die Griechen.31 Paul Cartledge sagt über dieses Wort: es „illustriert die griechische Konstruktion des Sklaven als Untermenschen so ausgezeichnet, wie man es besser nicht erwarten könnte.“32 Dieser Sprachgebrauch indiziert, daß die Konstruktion des Untermenschen keine einsame Schreibtischarbeit von Philosophen war; im Gegenteil, die philosophischen Texte dokumentieren nur, wie ein landläufiger Diskurs in eine streng systematische Form gebracht wurde – durch begriffliche Arbeit der Philosophen. Was Aristoteles ausführte, drückt nicht das aus, was alle Griechen dachten. Denn es gab auch Gegner der Vorstellung, die Sklaven seien Sklaven von Natur. Aber er drückt das aus, was ein Großteil dachte und für bare Münze nahm. […] Platon und Aristoteles bestimmen den Untermenschen unterschiedlich. Das liegt daran, daß beide den Bürgerverband auf völlig verschiedene Weise konzipieren. Platon spaltet in seiner ‚Politeia‘ den Bürgerverband in drei Menschenkategorien. Die Differenz zwischen diesen Menschenkategorien ist von Natur aus gegeben; keine Erziehung und keine Bildung kann sie beheben.33 Damit sind die Bürger der Polis – nicht nur der idealen, sondern jeder griechischen Poils überhaupt – anthropologisch heterogen; d.h. es gibt keinen homogenen Bürgerverband. Platon hat daher große Mühe, den Sklaven einen präzisen Status zuzuweisen; denn worin wollte sie sich unterscheiden von der dritten Menschenkategorie? Er muß sie

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als zusätzliche Menschenkategorie noch unterhalb der dritten ansiedeln; und zwischen dieser und den Tieren ist nicht mehr viel Platz. Aristoteles hingegen behandelt die Sklaven nicht als Grenzmarke, die weiter nicht interessiert, sondern als Gegenpol zum freien Menschen. Er muß daher den Sklaven viel ausführlicher erörtern. Allerdings kann Aristoteles dies auch, weil er den Bürgerverband nicht in anthropologisch differente Menschenkategorien aufspaltet, sondern ihn als anthropologisch homogen konzipiert, so wie die demokratische Polisideologie das auch tat.34 Zwischen den von Natur aus Freien und den Tieren ist bei Aristoteles folglich viel mehr Platz; und daher sieht er sich nicht gezwungen, den Sklaven an das Tier heranzurücken wie Platon, sondern er hält einige Merkmale bereit, die den Sklaven vom Tier entfernen. Die maßgebliche Trennlinie zwischen den Menschenkategorien zieht Aristoteles genau dort, wo es die griechische Polis auch tat, nämlich entlang der politischen Grenze zwischen Freien und Unfreien. […] Indes, wer ist dann jener Teil der Menschheit, der von Natur untauglich ist, einem Bürgerverband anzugehören und deshalb zur Sklaverei ausersehen ist? Aristoteles fackelt nicht lange; er behauptet über die Barbaren: „Sie besitzen nicht das, was von Natur die Herrschaft ausübt, sondern bei ihnen wird die eheliche Gemeinschaft zwischen Sklavin und Sklaven geschlossen.“35 Dieser Satz enthält zwei Aussagen: Mit der ersten Aussage macht Aristoteles die gesamte nichtgriechische Menschheit zu einer Ansammlung von Menschen mit defizienter Vernunft, er macht damit sämtliche Nichtgriechen zu Untermenschen. Damit folgt er wahrscheinlich einer weit verbreiteten Auffassung. Platon sah es kaum anders: Die Sklaven der Idealpolis sind Nichtgriechen.36 Die zweite Aussage betrifft die nichtgriechische Ehe; die nichtgriechische Ehe ist eine kleine Absurdität; denn das Männliche ist bei Sklaven von Natur außerstande, das Weibliche anzuleiten, es zu führen. Die männlichen Barbaren sind also zu einer Ehe im vollen Sinne untauglich. Sklavisch zu sein ist die Hauptbestimmung beider Geschlechter bei den Nichtgriechen. Die vorrangige Unterscheidung zwischen den Menschen ist somit nicht die geschlechtliche, sondern die zwischen Untermenschen und Griechen. […] Und wie besorgt man sich Barbaren, um sie als Sklaven zu halten?: Indem man sie kauft. Aber damit man sie kaufen kann, müssen sie erst zu Sklaven gemacht werden, und zwar vor allem

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durch Krieg. Aristoteles kommt zu dem beeindruckenden Schluß, daß daher Kriege ungerecht seien, die zur Versklavung von Menschen führten, die keine Sklaven von Natur seien. Kriege hingegen, die dazu führen, daß die Sklaven von Natur versklavt werden, sind gerecht. Denn solche Kriege dienen den Sklaven von Natur sogar, helfen sie ihnen doch, ihre Herren zu finden, ohne die sie doch gar nicht richtig leben können: Außerhalb der naturgemäßen Herrschaft befinden sich die Sklaven von Natur nämlich in einem tierähnlichen Zustand.37 Daher verliert Aristoteles die logische Möglichkeit, solche Kriege noch zu unterscheiden von der Jagd: „Darum ist auch die Kriegskunst von Natur eine Art Erwerbskunst (die Jagdkunst ist ein Teil von ihr), die man anwenden muß gegen Tiere und gegen Menschen, die von Natur zum Dienen bestimmt sind und dies doch nicht wollen. Denn ein solcher Krieg ist von Natur gerecht.“38 […]

Sklaverei als Kontrast zum Bürgersein Die athenische Demokratie gab hohe Summen aus, um die ärmeren Bürger unentwegt zu mobilisieren, damit sie sich politisch und militärisch engagierten. Sie hat die sozialen Konsequenzen der ökonomischen Ungleichheit auf dem politischen Feld zu kompensieren gesucht: durch Diäten für die Teilnahme an der Volksversammlung, in den Gerichten und im Rat, sowie durch die Diäten für Teilnahme an den Festen, dem Theorikon. Aristoteles hielt das für keine gute Sache; denn dadurch hingen die ärmeren Bürger am Tropf der politischen Partizipation.39 In der Tat benutzten die armen Athener ihren Bürgerstatus, um ökonomischen Tätigkeiten zu entrinnen, in denen sie abhängig waren und Entehrung erlitten; so mieden sie in der Regel jegliche feste Anstellung.40 Die Flucht der ärmeren Bürger vor sozialer Abhängigkeit von ‚Arbeitgebern‘ hatte zwei Konsequenzen: Erstens identifizierten sich just die unterprivilegierten Bürger total mit ihrer Polis, denn der Bürgerstatus war das einzige, was sie über die Metöken – und diese konnten sehr reich sein – erhob. Zweitens förderte diese Ausweichbewegung der ärmeren Bürger in hohem Maße die Sklaverei. Die Abgrenzung von den Metöken, den freien Einwohnern Attikas ohne Bürgerrecht und vor allem von den Sklaven war für das Selbstverständnis der ärmeren Athener von erstrangiger Bedeutung.

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Die hohe Identifizierung ist erkauft um eine rigorose Ausschließung der Anderen. Je härter die demokratische Bürgeridentität, desto unerbittlicher der Ausschluß der Anderen und desto virulenter das Bedürfnis, sich von diesen abzugrenzen. Paul Cartledge formuliert das so: Für die Griechen „war ein Sklave die extensive Antithese des Bürgers“.41 Die Sklaverei war nicht nur eine ökonomische Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung des politischen Systems, sondern eine symbolische zur Implementierung der Abgrenzung und Identitätssicherung. Insofern war die Sklaverei in dem Maße symbolisch notwendig, in dem die athenische Bürgerschaft ökonomisch und sozial ungleich war.

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Cl. Meillassoux, Anthropologie der Sklaverei, Frankfurt/M. 1989, 120127. D.B. Davis, The Problem of Slavery in Western Culture, Ithaca 1966. Der äußerste Grenzfall ist die Konstruktion eines Anti-Menschen, der jenseits des Untermenschen liegt. Die NS-Ideologie setzte die Juden an diesen äußersten Grenzfall. Y. Garlan, Slavery in Ancient Greece, Ithaca/New York 1988. Maßgeblich zur Erforschung einer Vielfalt von Aspekten der antiken Sklaverei: Actes du Colloque sur l’Esclavage 1970-1973 (1972 – 1976). M.H. Hansen, Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, Berlin 1995, 330. Alle jene Organisationsformen, die von der Politischen Anthropologie als ‚herrschaftsfrei‘ bezeichnet werden, halte ich für ‚direkte Demokratien‘, falls sie in der Lage sind, einen weitgehenden inneren Frieden zu sichern, und falls die wichtigen Entscheidungen in Versammlungen von politisch Gleichen getroffen werden. Dazu: M.I. Finley, Was Greek Civilization Based on Slave Labour?, in: Historia 8, 1959, 145-164; ders., Die Sklaverei in der Antike. Geschichte und Probleme, München 1980, 96-98. Aus dem Engl. übertragen (engl. Original-Ausgabe: Ancient Slavery and Modern Ideology, London 1980). S.o. S. 25-44. C.N. Degler, Slavery in Brazil and the United States. A Comparison, in: A. Weinstein/F.O. Gatell (Hrsg.), American Negro Slavery. A Modern Reader² (1973), 342-373; ders., The Irony of American Slavery, in: H.P. Owens (Hrsg.), Perspectives and Irony in American Slavery (1976);

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A.M.H. Jameson, Agriculture and Slavery in Classical Athens, in: CJ 72, 1977/78, 122-145. Meillassoux (s. oben Anm.1), 120ff. nennt für manche Gegenden des islamischen oder semi-islamischen Nordafrika sehr viel höhere Quoten. Finley (s. Anm.7 [1980]), 93-109, ders. (s. Anm.7 [1959]), 145-165. S.o. S. 25-44. P. Levi, Die Untergegangenen und die Geretteten, München 1993, 90104. Levi (s. Anm.11), 33-69; 78f.; 80f. In den Südstaaten der USA bestand bei niedriger Schätzung für einen Sklaven innerhalb einer 35jährigen Lebensspanne zu 50% die Chance, mindestens einmal verkauft zu werden (M.I. Finley, Die Sklaverei in der Antike [1980], 91). In einer Stadt wie Athen müßte diese Chance signifikant höher gelegen haben. O. Patterson, The Study of Slavery, in: Annual Report of Sociology 3 (1977), 407-449, hier 415; T.W. Blassingame, The Slave Community, Baton Rouge 1977, bes. Kapitel 7); E.D. Genovese, Roll, Jordan, Roll, The World the Slaves Made, New York 1974, 3-112. Siehe die peinlichen Formulierungen im Kapitel ,Sklaventreue‛ bei J. Vogt, Sklaverei und Humanität (Historia Einzelschriften 8), Wiesbaden 1972, 83-96. S.u. S. 119-132. Levi (s. Anm.11), 155-168. Erst radikalisierte Erlösungsreligionen, die den puren Glauben neben der Kultpraxis entweder bestehen lassen oder ihn sogar über diesen stellen, bringen dem Sklaven erheblich größere Spielräume, religiöse Hoffnungspotentiale zu behalten und zu mobilisieren. Es steht außer Frage, daß das Christentum auf dieses Bedürfnis ideal antwortete. P. Cartledge, Die Griechen und wir, Stuttgart 1998, 133. Platon benutzt in seiner ,Politeia‘ die Formulierung „von Natur aus frei“ so, als handle es sich um eine demokratische Propagandaformel; er setzt sie als Parole voraus. Von der Freiheit heiße es in einer demokratischen Stadt, „daß deshalb auch nur in einer solchen leben dürfe, wer von Natur frei sei“ (rep. 562c). Demosth. or. 22, 54f.; 24, 166f. And. 1,43f.; dazu: V. Hunter, Policing Athens, Princeton 1994, 175. G. Glotz, Les esclaves et la peine du fouet en droit grec, CRAI 1908. Hunter (s. Anm.21), 154-184. Die zeremonielle Herausforderung: Demosth. or. 29,lf.; 19f.; 31f., sowie 59, 123f.; öffentliche Folterstätten: Demosth. or. 47,12; Isokr. 37, 42. Folterverfahren: Antiph. 1,10; 5, 31-35. Finley, (s. Anm.7 [1980]), 114.

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Egon Flaig So H.J. Wolff in seinem kritischen Beitrag zu Thürs Position, in: Symposion 1974. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechtsgeschichte [1979], 165. Wohingegen Frauen – wenn beide Prozeßparteien sich darauf einigten – vereidigt werden konnten, auch wenn sie nicht vor Gericht auftraten (G. Thür, Die Proklesis zur Basanos, in: Symposion 1974. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechtsgeschichte [1979], 154). J. Modrzejewski, Aut nascuntur, auf fiunt. Les schémas des sources de l’esclavage dans la théorie Grecque et dans le droit Romain, in: Actes du colloque sur l’esclavage 1973, Annales littéraires de l’université de Besançon 18 (1976), 351-377. Aristot. pol. 1252a26-32 (Übers. v. O. Gigon). Daß Aristoteles’ Theorie nicht widerspruchsfrei ist, wurde immer wieder bemerkt (siehe: N.D. Smith, Aristotle’s Theory of Natural Slavery, in: Phoenix 37, 1983, 109ff.). Sehr scharf hebt J. Ober, Political Dissent in Democratic Athens. Intellectual Critics of Popular Rule, Princeton 1998, 345, den Umstand hervor, daß Aristoteles es für angemessen hält, unter bestimmten Umständen den Sklaven die Freiheit zu versprechen, und betont die Lücken, die damit in der Theorie entstehen. Finley (s. Anm.7 [1959]), 163. Cartledge (s. Anm.18), 128. Plat. pol. 370a-b. Wir haben hier ein ähnliches Problem wie bei den Nazis. Die Nazis konzipierten die Slawen als Untermenschen, die Juden als Antimenschen. Aber wie unterscheidet sich der Untermensch konkret vom Antimensch? Welche Konsequenzen hat die Differenz in der Praxis? Die Nazi-Ideologen und die Nazi-Praktiker waren alles andere als einig hinsichtlich der konkreten Behandlung. Dazu: G. Aly, Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die Pläne für eine neue europäische Ordnung (1993), 135-146; 394-440. Aristot. pol. 1252b,6. Plat. pol. 370a-b; 374b-c; 423c-d; 470c-e; 581b; Aristot. pol. 1253a,35-37. Aristot. pol. 1256b,23-26. Aristot. pol. 1320a,22ff. G.E.M. de Ste. Croix, The Class Struggle in the Ancient Greek World (1981), 179-202. Cartledge (s. Anm.18), 11.

II. Quellen (Ressourcen) der Sklaverei Walter Scheidel: Mobilität im römischen Italien, I.: zusammengefasst v. W. Scheidel, II. & III.: a. d. Engl. übs. v. M. Simonis, (Originalausgabe: Human Mobility in Roman Italy, II: The Slave Population, aus: Journal of Roman Studies, Volume 95, 64–79, (2005)) © The Roman Society, published by Cambridge University Press, reproduced with permission

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Mobilität im römischen Italien, II: Die Sklavenbevölkerung I. Die Anzahl der Sklaven im römischen Italien1 Die Frage nach dem Ausmaß der Sklaverei im römischen Italien hat seit langem die Forschung beschäftigt und zu sehr unterschiedlichen Vorschlägen geführt: bestehende Rekonstruktionen reichen von zwei bis über zwanzig Millionen Sklaven. Wie alle früheren Annahmen erweisen sich allerdings auch die gegenwärtig dominanten Schätzungen von Julius Beloch, der von zwei Millionen Sklaven ausgeht, und von Peter Brunt, der drei Millionen bevorzugt, als schlecht fundiert und gehen kaum über ein reines Ratespiel hinaus.2 Diesen Zahlen liegt zudem eine Vorliebe für einen Sklavenanteil von ungefähr einem Drittel der Gesamtbevölkerung zugrunde, die sich auch in anderen Fällen findet, in denen wie auch für das römische Italien einschlägiges Zahlenmaterial schlicht und einfach nicht vorhanden ist.3 Anstatt also wie üblich einfach schematische Gesamtzahlen zu erfinden, versucht diese Studie den Umfang der Sklavenbevölkerung ausgehend von der Frage nach dem Bedarf an Sklavenarbeit einzuengen und damit – soweit überhaupt möglich – zu weniger spekulativen Ergebnissen zu gelangen. Hinsichtlich der Sklavenarbeit außerhalb des Agrarsektors ist das allerdings nur sehr begrenzt möglich. Wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß die in Italien ansässigen Angehörigen der römischen Oberschicht (Senatoren, Ritter und Dekurionen) über mehrere hunderttausend Sklaven im häuslichen Dienst verfüg-

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ten. Das Ausmaß des Sklavenbesitzes in weniger gehobenen Schichten ist dagegen nur schwer einzuschätzen: in Analogie zu den in den Zensusdokumenten des römischen Ägyptens bezeugten Sklavenquoten wäre von einem Minimum von einer Viertelmillion Sklaven in subelitären Haushalten auszugehen, wobei das im Fall des wahrscheinlich allgemein sklavenreicheren Italien wohl als eine Untergrenze gelten sollte.4 Um überhaupt Berechungen zur Struktur der römischen Sklavenbevölkerung anstellen zu können (siehe Teil IIIII), setze ich mit aller Vorsicht 300.000 Sklaven in der Stadt Rom und nochmals die gleiche Zahl für alle anderen italischen Städte zusammen an. Im Gegensatz zu dieser sehr unsicheren und mit großen Fehlergrenzen behafteten Schätzung ist es etwas weniger schwierig, Obergrenzen für die Zahl der im ländlichen Bereich beschäftigten Sklaven zu erschließen. Der Grund dafür liegt darin, daß anders als im städtischen Dienstleistungsbereich die Zahl der Agrarsklaven relativ eng an den Bedarf nach bestimmten Produkten geknüpft gewesen sein muss. So hätten bereits die Arbeit von etwa 50.000 Sklaven ausgereicht, um zwei Millionen städtische Konsumenten mit jeweils einem Hektoliter Wein pro Jahr zu versorgen.5 Selbst wenn man die Möglichkeit beträchtlicher Nachfrage nach zusätzlichem Wein für Exportzwecke in Betracht zieht, lässt sich also kaum mit mehr als 100.000 Sklaven in der Weinproduktion rechnen. Der Olivenanbau für die gleiche Zahl von Abnehmern kam mit noch weniger Sklavenarbeitern aus, vielleicht 20-40.000. Selbst unter großzügiger Hinzurechnung von nicht unmittelbar in diesen Landwirtschaftszweigen tätigen Familienmitgliedern solcher Arbeiter ginge die Gesamtzahl nicht über eine Viertelmillion hinaus. Andere Bereiche wie Viehzucht, Forstwirtschaft oder Bergbau bot schwerlich mehr als weiteren 50.000 Sklaven Beschäftigung. Allein dem Getreideanbau war es zumindest theoretisch möglich, eine wesentlich größere Sklavenbevölkerung zu unterhalten.6 Jedoch sind auch hier unseren Vorstellungen Grenzen gesetzt: Um eine Gesamtzahl von einer Million oder mehr ländlichen Sklaven im römischen Italien zu erreichen, müssten wir annehmen, daß der Grossteil des gesamten Brotbedarfs aller italischer Städte außerhalb Roms von Sklavenarbeit gedeckt wurde. Da diese Vorstellung einer plausiblen Grundlage entbehrt, ist eine geringere Präsenz von Sklaven im Ackerbau – von zehntausenden bis maximal einigen hunderttausend – viel wahrscheinlicher. Ins-

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gesamt reichen vertretbare Schätzungen für den ländlichen Bereich von einer Viertelmillion bis zu einer Dreiviertelmillion, wobei ich der Einfachheit wegen wie bereits im städtischen Sektor von 600.000 Sklaven ausgehe. Dies ergibt eine Sklavenbevölkerung von etwa einer bis eineinhalb Millionen Sklaven im römischen Italien der frühen Kaiserzeit, oder 1,2 Millionen für rechnerische Zwecke. II. Die demographische Struktur der italischen Sklavenbevölkerung Die Alters- und Geschlechterverteilung der Sklavenbevölkerung des römischen Italiens basiert auf drei Faktoren: Der Sterblichkeit, der Geburtenrate und der Migration. Die Geburtenrate wiederum wird hauptsächlich durch das Geschlechterverhältnis und die Familienstruktur bestimmt. Um eine wahrscheinliche Größe der Immigration bestimmen zu können, brauchen wir sowohl eine grobe Vorstellung der beiden anderen Variablen als auch der Größe der Sklavenbevölkerung.7 Geschlechterverhältnis Wir müssen zwischen dem Geschlechterverhältnis innerhalb des Sklavenhandels und dem der Zielbevölkerung unterscheiden. Als Faustregel gilt, daß die Relation dazu tendiert, sich im Laufe der Zeit anzugleichen: während die Importe durchaus dauerhaft zugunsten eines Geschlechts ausfallen können, ändert die Sklavengeburt im Laufe der Zeit das Gesamtverhältnis hin zu einer ausgeglichenen Verteilung. Dies kann mit beachtlicher Geschwindigkeit geschehen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Trotz der Tatsache, daß zwei Drittel aller Sklaven, die nach Nordamerika verschifft wurden, männlich waren, fiel die Relation von Sklaven gegenüber Sklavinnen in South Carolina von 170 (d.h., 170 Männern auf 100 Frauen) im Jahre 1705 auf 130 im Jahre 1775, und im gleichen Zeitraum in Chesapeake von 150 auf 120.8 Dieser Prozess kann bei einer weniger fruchtbaren Sklavenbevölkerung länger dauern. Seit den großen italischen Kriegen des späten 4. und frühen 3. Jahrhunderts v. Chr. sorgte der römische Imperialismus für eine große und stetig wachsende Zahl an Sklaven. Am Ende der republikanischen Ära war die Kaufsklaverei bereits eine voll etablierte Institution. Aus rein mathematischen

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Gründen ist es daher höchst unwahrscheinlich, daß sich die Geschlechterrelation zu dieser Zeit nicht allmählich angeglichen hat, unabhängig vom Geschlechterverhältnis innerhalb des Sklavenhandels. Dieser Punkt ist von entscheidender Bedeutung für unser Verständnis jedes etablierten Sklavereisystems.9 Darüber hinaus gibt es keinen guten Grund für die Annahme, im römischen Sklavenhandel dominierten die männlichen Sklaven. Frauen und Kinder überlebten häufiger Niederlagen im Krieg als die erwachsenen Männer und dürften daher eher auf dem Sklavenmarkt gelandet sein. Bei Mädchen war zudem das Risiko größer, nach der Geburt ausgesetzt und folglich von Sklavenhändlern oder Privatpersonen aufgegriffen und als Sklavinnen großgezogen zu werden. Die antiken Quellen berichten beinahe klischeehaft über die Versklavung von Frauen und Kindern in Zeiten gewaltsamer Auseinandersetzungen.10 Der einem Topos gleichende Charakter der Belege stärkt eher meine Ansicht als sie zu relativieren. Das Heranziehen solcher typischen Motive sogar in der legendären Überlieferung deutet stark darauf hin, daß die antiken Autoren Versklavung von Nicht-Kämpfenden als natürliches Resultat eines Krieges ansahen: So werden z.B. bei der Eroberung der Städte Arpiola, Corniculum und Suessa Pometia, die die annalistische Geschichtsschreibung Tarquinius Priscus zuschreibt, die meisten Männer getötet, während die Frauen und Kinder als Sklaven weggeführt werden.11 Wenn nicht auswärtige Käufer alle Frauen und Kinder aufgekauft haben und nur die Männer für den italischen Sklavenmarkt beließen,12 müssen Sklavinnen, die ins Kernland des Reiches gebracht wurden, gegenüber den Männern nicht in der Unterzahl gewesen sein.13 Daher, und wegen des ausgleichenden Effektes der Sklavenreproduktion, wäre es absolut ungerechtfertigt, eine einseitige Altersverteilung innerhalb der Sklavenschaft des spätrepublikanischen und frühkaiserzeitlichen Italiens anzunehmen. Die besten antiken Zeugnisse für das Geschlechterverhältnis von Sklaven zeigen ein ähnliches Bild. Wie ich bereits aufgezeigt habe, belegen die veröffentlichten Zensusnachweise aus Mittelägypten 22 Sklaven und 31 Sklavinnen mit einem Alter von bis zu 30 Jahren. Nahezu alle männlichen Sklaven waren in diesem Alter bereits freigelassen, während die Frauen bis zur Menopause in der Sklaverei verblieben. Dieses Muster zeigt, daß das Geschlechterverhältnis im Römischen Reich nicht allzu hoch war und daß die Möglichkeit der

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Sklaven zur Reproduktion von ihren Besitzern geschätzt wurde.14 Es stimmt, daß diese Zahlen aus einer anderen Region und späteren Zeit stammen und nichts für das spätrepublikanische Italien belegen. Aufzeichnungen aus Italien selbst können dies leider ebenfalls nicht. Einige inschriftliche Belege aus dieser Region offenbaren eine Geschlechterrelation zugunsten der Männer unter Sklaven. Dennoch wissen wir schlichtweg nicht, was dies zu bedeuten hat: während die Zensuspflichtigen dazu angehalten waren, alle zu nennen, die tatsächlich in ihrem Haushalt lebten, waren reiche Besitzer, die die Grabsteine für ihre Sklaven in Auftrag gaben, freier in ihrer Auswahl. 77% der in einer Inschrift gedachten Mitglieder des Haushaltes der Livia waren ebenso Sklaven wie 66% der in einer Inschrift gedachten Haussklaven zweier anderer adliger Familien.15 ‚Gedenken‘ ist das Schlüsselwort. Gleichhohe Geschlechterrelationen von Freien, deren Namen für eine epigraphische Erinnerung als Wert erachtet wurden, sind aus dem antiken Mittelmeerraum bekannt. Das vielleicht bekannteste Beispiel stellen die Bürgerrechtsinschriften des hellenistischen Milets dar, in denen die Söhne der neu eingebürgerten Söldner die Töchter im Verhältnis 4:1 übertreffen. Dieses extreme Ungleichgewicht ist wiederholt als Beleg für eine hohe Zahl an Frauentötung gesehen worden.16 Die Unterrepräsentation von sehr jungen Mädchen selbst in den Zensusnachweisen des römischen Ägyptens und die patriarchalische Gewohnheit, sich selbst als kinderlos zu sehen, sollte kein Sohn vorhanden sein, lassen eine weniger extreme Erklärung zu: anstatt zu der drastischen Schlussfolgerung zu greifen, Mädchen seien so wenig geschätzt worden, daß sie regelmäßig getötet oder ausgesetzt wurden, können wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß ihre Wertschätzung lediglich zu gering war, um ihrer inschriftlich zu gedenken.17 Neubabylonische keilschriftliche Belege vom 7. bis 4. Jahrhundert v. Chr. erwähnen knapp 45.000 Personen namentlich, darunter 1.200 Privatsklaven. Unter den letzteren befinden sich 850 Männer und 360 Frauen, das entspricht einem Verhältnis von 2,4:1. Für den gleichen Zeitraum wissen wir durch einige Belege, daß die meisten Sklaven Frauen und Kinder hatten.18 Dieser anscheinende Widerspruch löst sich auf, wenn wir annehmen, Männer seien schlichtweg wesentlich häufiger namentlich erwähnt als Frauen. Die hohe Differenz in der Geschlechterrelation in den römischen Inschriften kann vielleicht auf gleiche Weise erklärt werden.

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Während es keine Belege für ein hohes Geschlechterverhältnis im Sklavenhandel gibt, betonen die antiken Quellen die Verfügbarkeit von Frauen und Kindern. Da es keinen Hinweis auf eine besonders einseitige Verteilung der eingehenden Sklaven gibt, gibt es genauso wenig einen Grund zur Annahme, daß es der natürlichen Reproduktion mehrerer Jahrhunderte bedurfte, um ein bestehendes Ungleichgewicht auszugleichen. Um es kurz zu machen: Nichts unterstützt die Annahme, daß die Geschlechterrelation der Sklaven ein großes Hindernis für eine erfolgreiche Reproduktion darstellte. Sterblichkeit Dieser Faktor ist empirisch unbekannt. Die gelegentliche Behauptung, antike Sklaven hätten eine kürzere Lebensdauer als die freie Bevölkerung gehabt, ist pure Spekulation und setzt zwangsläufig voraus, daß der rechtliche Status ein entscheidender Faktor für die Lebenserwartung war.19 Diese Annahme ist nicht haltbar angesichts unserer Kenntnis über die Lebensbedingungen in vormodernen Gesellschaften. Bevor sich moderne Hygiene und Medizin durchsetzten verbesserten materieller Besitz und sozialer Status nicht zwangsläufig die Lebensdauer. Wie ich bereits anderenorts dargelegt habe, lebten römische Kaiser, die eines natürlichen Todes starben, Senatoren und Stadträte nicht erheblich länger als andere.20 Allgemeiner ausgedrückt: Es gibt keinen guten Beleg für ein wesentliches Zusammenspiel zwischen Reichtum und Langlebigkeit bis ins 18. Jahrhundert.21 Die Gefahr infektiöser Krankheiten war eine wesentlich wichtigere Variable. So lebten z.B. die Sklaven in den USA im Vergleich zu ihren Leidensgenossen in der Karibik oder in Brasilien hauptsächlich wegen des weniger gefährlichen Krankheitspotenzials länger. Zwischen der Lebenserwartung der Sklaven in den mit Malaria verseuchten Reissümpfen der Carolinas und dem gesünderen Inland der nördlichen Südstaaten können ähnliche Unterschiede festgestellt werden.22 Im römischen Italien lebten die Haussklaven in den Städten in denselben Häusern wie ihre Herren, benutzen das selbe Wasser und wurden von den selben Insekten gestochen. Bergbausklaven und Gladiatoren sind kaum repräsentativ für die gesamte Sklavenbevölkerung. Das Landleben wird gewöhnlich auf Grund der geringeren Besiedelung und (wo zutreffend) höherer Höhenlage mit einer überdurchschnittlichen Lebenserwar-

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tung gleichgesetzt. Wie Sallares allerdings aufgezeigt hat, waren die ländlichen Sklaven in dem Maße, in dem sie in den tief liegenden und stark mit Malaria verseuchten Ebenen Zentralitaliens eingesetzt wurden, auch einem erhöhten Risiko für Krankheiten und Tod ausgesetzt.23 Das wirft einen entscheidenden Punkt auf: Wenn Sklaven unverhältnismäßig stark in Städten und ungesunden Regionen auf dem Lande lebten, würde ihre durchschnittliche Lebenserwartung tatsächlich unter das regionale Gesamtmaß fallen. Selbst bei Ausbleiben anderer Bedingungen würde dieser Faktor allein ausreichen, um den Erhalt der Sklavenzahlen durch natürliche Reproduktion zu verhindern. Dieser Nachteil entstand nicht durch ihre rechtliche Situation per se, sondern war eine indirekte Folge der Tatsache, daß das Fehlen der persönlichen Freiheit den Aufenthaltsort bestimmte. Zieht man die Zahlen etablierter karibischer Sklavengesellschaften als Vergleich heran, so belegen diese nicht nur eine enge Verknüpfung zwischen der Geschlechterrelation und der Geburtenrate, sondern auch zwischen der Todesrate und der natürlichen Wachstumsrate (Tabelle 1).

Gruppe 1 Gruppe 2 Grenada Gruppe 3

Tabelle 1: Demographische Angaben für 15 karibische Sklavenbevölkerungen (1816-1832)24 Geschlechter- JGR JTR Natürliches verhältnis Wachstum (pro 1.000) 89 (1) 28 (1) 26 (1) 0,2% (1) 115 (4) 23 (4) 32 (3) -0,9% (3) 93 (2) 26 (2) 37 (4) -1,1% (4) 96 (3) 25 (3) 28 (2) -0,3% (2)

Diese einfache Aufstellung zeigt, daß die Todesrate der bestimmende Faktor ist: Sie nimmt bereits die Wachstumsrate in allen Gruppen voraus mit Ausnahme der einen Gruppe, in der das Geschlechterverhältnis und die Geburtenrate das Wachstum vorhersagen. Umwelteinflüsse und die Altersstruktur der Bevölkerung sind die Hauptindikatoren des Erfolges der Reproduktion. Da sich letztere zusammen mit der Geschlechterrelation im Laufe der Zeit angleicht, kann das Krankheitspotenzial als der stabilste Faktor des natürlichen Wachstums angesehen werden.

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Familienstruktur Wie wir wissen, können die Modelle der Familienbildung und Freilassung von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des reproduktiven Erfolges unter Sklaven sein. So waren z.B. Kleinfamilien, die für das natürliche Wachstum förderlich sind, in den USA und den Bahamas (die einen raschen natürlichen Anstieg erlebten) verbreitet, während sie in Trinidad und Jamaika (die dauerhafte Verlustquoten hatten) eher selten waren.25 Dies stellt ein großes Problem für Althistoriker dar, die keine Möglichkeit haben, die Zahl der römischen Sklaven zu bestimmen, die in einer festen Beziehung lebten.26 Grabinschriften und Rechtstexte sind unbrauchbar, da sie lediglich bestätigen, daß einige Sklaven Familien hatten. Auch die ägyptischen Zensusangaben bieten nur indirekte Hinweise. Bagnall und Frier haben belegt, daß die durchschnittliche Fruchtbarkeit von Sklavinnen der aller Frauen ähnelte.27 Da die allgemeine Fruchtbarkeit den Erhalt der bestehenden Bevölkerungszahl gewährleistete, sollte daher auch die Fruchtbarkeit der Sklavinnen ausgereicht haben, um die Sklavenzahlen durch Reproduktion zu erhalten. Dennoch wissen wir nicht, wie sich dies mit den Bedingungen im römischen Italien verhielt. Zumindest lassen Grabinschriften keinen Zweifel daran, daß in einigen Gesellschaften fruchtbare Frauen in großer Zahl freigelassen wurden. Ich möchte keinen Platz damit vergeuden, meine früheren Ausführungen zur möglichen Freilassungsrate im Römischen Reich zu wiederholen. Es reicht aus, darauf zu verweisen, daß selbst unter Annahme häufiger Freilassungen während des Erwachsenenlebens diese Freilassungen die Fruchtbarkeit innerhalb der Sklaverei nicht entscheidend verringert haben würde.28 Entsprechend der gesteigerten Fertilität der Frauen in ihren späten 10er und 20er Lebensjahren müsste eine große Anzahl aller Sklavinnen zu dieser Zeit bereits freigelassen sein, um eine große Lücke in der Gesamtfertilität der Sklaven zu verursachen. In Anbetracht des vollständigen Fehlens eines solchen Vorgehens im römischen Ägypten erscheint es unangebracht, das genaue Gegenteil für das römische Italien anzunehmen. Die überlieferten Sklavenpreise lassen den Schluss zu, daß der beachtliche Wert von Sklaven einer gewohnheitsmäßigen Freilassung von jugendlichen Sklaven widerspricht.29

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Um es zusammenzufassen: die Geschlechterrelation der Sklaven behinderte wahrscheinlich nicht die natürliche Reproduktion. Überdurchschnittliche Sterblichkeit in Städten und ländlichen gravia loca dürfte eine wesentlich stärkere Einschränkung der Sklavenfertilität bedeutet haben. Die Freilassung von Frauen, wie begrenzt auch immer, muss ebenfalls zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Was wir jetzt brauchen ist einen plausiblen Durchschnittswert für die Abnahme. III. Darstellung der römischen Sklaverei Ich beginne mit einer einfachen und sicherlich unwidersprochenen Annahme: Die Sklaven waren zur Zeit des Augustus in Italien wesentlich zahlreicher als noch zwei Jahrhunderte zuvor. Brunt nennt für 225 v. Chr. die willkürliche Schätzung von 500.000 Sklaven. Würden wir den hypothetischen Mittelwert von 7% aus dem römische Ägypten ohne Alexandria30 auf Italien anwenden, ergäbe dies bei einer freien Bevölkerung von 4 Millionen Menschen 300.000 Sklaven, während eine Reduzierung von Brunts Schätzung um 60% (um den Unterscheid zwischen seinen und meinen endgültigen Zahlen aufzuzeigen) 200.000 ergeben würde. Ich sehe keine Möglichkeit, diese Vermutungen weiter voranzubringen. Glücklicherweise spielt die Ausgangszahl keine entscheidende Rolle: Auf Grund des nachfolgenden Wachstums und einer spekulativen Sklavenzahl zur Zeit des Augustus von 1,2 Millionen würde der Unterschied zwischen 200.000 und 300.000 Sklaven für das Jahr 225 v.Chr. lediglich einen Zuwachs von nicht mehr als 10% bedeuten. Der Zuwachs von knapp einer Million Sklaven über den Zeitraum von 200 Jahren kann nicht durch eine gleichbleibende Rate erfolgt sein: Neben den Schwankungen in Angebot und Nachfrage müssen Zuwächse stufenweise erfolgt sein. Das folgende Modell folgt dieser Überlegung dadurch, daß es einen dauerhaften jährlichen Nettozuwachs festlegt. Auf Grund des wachsenden Bedarfs zur Deckung der Verlustzahlen beinhaltet die Annahme grundsätzlich steigende Importe. In meinen früheren Ausführungen zur Demographie der römischen Sklaven habe ich versäumt, den Effekt der höheren städtischen Mortalität auf die natürliche Reproduktion mit einzubeziehen. Ich

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stimme mittlerweile mit Jongman darin überein, daß seine Schätzung eines Rückganges um 1% in Rom und 0,5% in den anderen italischen Städten auch auf die Sklaven in den Städten angewandt werden sollte.31 Ein durchschnittlicher Wert von 0,75% oder 7,5 auf 1.000 sollte für die Sklaven in allen Städten angenommen werden. Der Rückgang durch Freilassungen ist hingegen wesentlich schwerer zu fassen. In einem hypothetischen Szenario, nach dem 10% aller Sklaven mit 25 Jahren freigelassen wurden und jeweils weitere 10% der verbleibenden alle 5 Jahre bis hin zum Alter von 85 Jahren, würde die Gesamtfertilität der Sklaven (nimmt man eine natürliche Fruchtbarkeitscharakteristik an) um ein Achtel niedriger liegen als bei einem vollständigen Verzicht auf Freilassungen (bei einem jährlichen Verlust von 5 auf 1.000).32 Fünfjährige Freilassungsraten von 20% würden die Fertilität um ein Viertel (bei einem jährlichen Verlust von 10 auf 1.000) verringern. Im ersten Fall würden ein Drittel aller Sklaven, die das 25. Lebensjahr überleben, schließlich ihre Freiheit erhalten; im zweiten Fall 55%. Wenn wir die Wirkung der gesteigerten städtischen Mortalität mit den Freilassungen grob kombinieren, würde die städtische Sklavenbevölkerung im Durchschnitt um 1,25bis 1,75% pro Jahr zurückgehen. Bei einer solchen Rate würde sie sich alle 55 bzw. 40 Jahre halbieren. Es sei darauf hingewiesen, daß diese Zahlen kaum mit den entsprechenden Angaben für die karibischen Sklavengesellschaften übereinstimmen. Man nahm bisher an, daß der natürliche Rückgang in dieser Region hoch war: dennoch zeigen die Auswertungen Highmans aus 205 jährlichen Angaben 15 verschiedener Inseln einen Gesamtmittelwert von kaum -4,19 auf 1.000 oder einen Rückgang von 0,419% pro Jahr. Das ist nicht mehr als ein Drittel bis ein Viertel meiner Schätzungen für die Sklaven in den Städten Italiens. Nur 9% der Jahresangaben von 6 dieser 15 karibischen Regionen zeigt einen Rückgang von 1,25% oder mehr. Und selbst im mit Abstand schlechtesten Wert, dem von Grenada in den Jahren 1820 bis 1832, als die jährliche Todesrate teilweise bis zu 50 auf 1.000 stieg, überstieg die jährliche Durchschnittsrate des Rückganges nicht 1,75%. Das Beispiel mit der höchsten Geschlechterrelation (123), das von Trinidad, ergibt eine entsprechende Rate von 1% pro Jahr. Ich muss erneut darauf hinweisen, daß diese Daten aus einer Umgebung mit hoher Verlustquote stammen: sie sind weit entfernt von den zeitgleichen Raten des natürlichen Zuwachses von 2 bis 3% aus den süd-

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lichen USA. Meiner Meinung nach liegt die Beweispflicht bei denen, die meinen, der römische Rückgang müsse wesentlich höher gewesen sein als der der schlechtesten karibischen Plantagensklaverei. Für die Berechnung werde ich die jährliche Abnahme in den Städten mit 1,75% beziffern, um die erhöhte Sterblichkeit in den Städten und die regelmäßigen Freilassungen zu simulieren. Das mögliche Ausmaß der krankheitsbedingt erhöhten Sterblichkeit auf dem Lande können wir nur erahnen. Wenn ein Zehntel/ein Sechstel/ein Drittel der ländlichen Sklaven in malariaverseuchtem Gebiet arbeiteten und eine erhöhte jährliche Sterblichkeit von 1% hatten, würde die Gesamtquote des Rückganges der ländlichen Sklaven 0,1/0,17/ 0,33% pro Jahr betragen. Dies bleibt eine ziemlich unbedeutende Menge, unabhängig davon, welche Schätzung wir vornehmen. Nehmen wir ein geringeres Ausmaß an Freilassungen auf dem Lande an (für einen jährlichen Rückgang von 0,5%), so würden sich die Gesamtverluste auf 0,6 bis 0,8% pro Jahr belaufen. Für die Berechnung werde ich 0,7% benutzen. Wie ich bereits oben ausgeführt habe, ist es höchst unwahrscheinlich, daß die Alters- oder die Geschlechterverteilung innerhalb des Sklavenhandels oder in der sich daraus ergebenden Sklavenbevölkerung stark zugunsten der erwachsenen männlichen Sklaven ausfiel. Dennoch ist es an sich schon wünschenswert, eine Schätzung des möglichen Aufkommens an Sklavenimporten zu entwickeln, die nicht von der Akzeptanz irgendwelcher Annahmen über die demographische Struktur abhängig ist. Aus diesem Grund biete ich zwei hypothetische Auflistungen, die Grenzfälle zeigen. Auflistung 1 basiert auf der unwahrscheinlichen Annahme, daß nur männliche Sklaven zwischen 15 und 50 Jahren nach Italien importiert wurden. Ohne andere Faktoren für einen Rückgang zu berücksichtigen, würde die Bevölkerung jährlich um 3,85% der ursprünglichen Zahl sinken. In Verbindung mit den Quoten für erhöhte Sterblichkeit und Freilassungen, die oben geschätzt wurden, beliefe sich der jährliche Rückgang um die 5%. Die endgültige Größe der Sklavenbevölkerung leitet sich aus meinen Schätzungen über die mögliche Zahl an Arbeitskräften her, die in den verschiedenen Bereichen gebraucht wurden.33 Im Gegensatz dazu nimmt Auflistung 2 eine ausgeglichene Alters- und Geschlechterrelation unter den italischen Sklaven an; erhöhte Sterblichkeit und Freilassung sind die einzigen Gründe für einen Rückgang. Nimmt man an, daß erwachsene Sklavinnen im

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Durchschnitt halb soviel Arbeit ausführten wie erwachsene Sklaven, so erhalten wir nur zwei Drittel der 15 bis 50jährigen aus der Auflistung 1, aber insgesamt 22/3 Mal so viele Sklaven (Tabelle 2).34 Tabelle 2: Hypothetische Auflistung der italischen Sklavendemographie, 200-1 v. Chr. nur erwachsene Ausgeglichen Männer Ausgangsgröße 50-100.000 130-270.000 Endgröße: ländlich städtisch insgesamt

120-300.000 200-400.000 320-700.000

320-800.000 530-1.060.000 850-1.860.000

Nettozuwachs

270-600.000

720-1.590.000

jährlicher Rückgang (%): ländlich städtisch

4,55 5,6

0,7 1,75

Defizit

1.830-4.000.000

980-2.770.000

Gesamtimporte

2.100-4.600.000

1.700-4.360.000

Verhältnis Importe/ Endgröße

1:6,6

1:2-2,3

Keine der beiden Auflistungen ist als wahrscheinliche Realität gedacht. Die tatsächliche Rückgangsquote und daher die tatsächliche Zahl der Sklaven muss zwischen diesen beiden Extremen liegen. So würde z.B. meine angenommene finale Bevölkerungszahl von 1,2 Millionen Sklaven in Italien mit einer jährlichen Rückgangsrate von 1,5% und 3,1 Millionen Importen, 2% und 3,8 Millionen Importen oder 2,5% und 4,5 Millionen Importen übereinstimmen; das entspräche einem Import-Bevölkerungs-Verhältnis von 2,6-3,8:1. Dieses theoretische Konstrukt zeigt deutlich, daß sich dramatische Unterschiede in den Alters- und Geschlechterrelationen mit ähnlichem Bedarf nach Importen vereinbaren lassen: während eine kleine Sklavenbevölkerung von erwachsenen Männern einen hohen Rückgang bewirkt, könnte eine größere und ausgeglichenere Bevölkerung die selbe Arbeitsleistung mit wesentlich geringerem natürlichem Rück-

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gang erbringen. Mit anderen Worten: eine kleinere, mehrheitlich aus Männern bestehende Sklavenschaft, für die hohe Produktivität und eine hohe Abnahme typisch wäre, und eine größere und ausgeglichenere Sklavenschaft mit geringerer Produktivität und weniger Rückgang würden schlussendlich eine ähnliche Quantität an Importe benötigen. Ich schließe daraus, daß unabhängig von unseren Annahmen über die demographische Struktur der römischen Sklaverei in Italien meine Schätzungen zu den gesamten Quoten der Verteilung zwangsläufig sehr starr sind. Mit Ausnahme von Auflistung 1 sind diese Schätzungen streng genommen von den Lebendgeburten betroffen. Dennoch brauchen die tatsächlichen Zahlen der importierten Sklaven bei der Annahme, daß Frauen und Kinder in dieser Rechnung zahlreich vertreten sind, nicht großartig von diesen Endzahlen abweichen. Ein langfristiger Durchschnitt von 15-20.000 (bei einer Gesamtzahl von 3 bis 4 Millionen Importen) ist zwischen 2 und 3 mal so viel wie die Versklavungszahl von 7.600 während Kriegszeiten, die wir für die Zeit von 217 bis 167 v. Chr. aus den literarischen Quellen ziehen können.35 (Diese Zahl beinhaltet die außerordentlich hohe Zahl von 150.000 Sklaven aus Epirus im Jahre 167 v. Chr.: ohne sie würde der Mittelwert auf 4.700 fallen.) Nimm man an, daß die durchschnittliche Zufuhr im 1. Jahrhundert v. Chr. höher gewesen ist, lässt meine Schätzung genug Platz für einen Sklavenhandel zu Friedenszeiten.36 Mein Freilassungsschema nimmt 200.000 Freigelassene in den Städten und weitere ca. 100.000 auf dem Lande an (obwohl ehemalige ländliche Sklaven in die Städte übergesiedelt haben können).37 Wie sehen Importzahlen von 3 bis 4 Millionen über einen Zeitraum von 200 Jahren und ein Import-Bevölkerungs-Verhältnis von etwa 3:1 im Vergleich zu anderen Sklavengesellschaften aus? Die Südstaaten der USA mit 4 Millionen Sklaven im Jahre 1860 und Brasilien mit 1,5 Millionen Sklaven in den 1860er und 1870er sind die am besten dokumentierten Sklavengesellschaften der Geschichte. Die US-Sklaverei wird gewöhnlich als einzigartig dargestellt: nach dem offiziellen Ende des atlantischen Sklavenhandels stieg die Sklavenbevölkerung der Südstaaten um mehr als das Dreifache an: von 1.191.364 im Jahre 1810 auf 3.953.760 im Jahre 1860.38 Diese Endzahl ist das Resultat einer ursprünglichen Importbevölkerung von 600-650.000 Sklaven. Der brasilianische Fall ist wesentlich

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relevanter. Von 1550 bis 1850 wurden je nach Schätzung zwischen 3,5 und 4,5 Millionen afrikanische Sklaven nach Brasilien verschifft, dennoch überstieg die Gesamtbevölkerung nie die Zahl von 1,5 Millionen.39 Das Verhältnis zwischen Import und Bevölkerungszahl von 2-3:1 entspricht grob meinen Schätzungen für das römische Italien. Das muss nicht unbedingt Zufall sein. Die brasilianische Sklavengesellschaft war für ein relativ hohes Maß an Freilassungen in den Städten und eine erfolgreiche Integration der ehemaligen Sklaven bekannt. Die Städte und ländlichen Plantagen waren ungesunde Gebiete. Ich muss betonen, daß meine von unten nach oben durchgeführte Rekonstruktion nicht durch die brasilianischen Belege beeinflusst wurde. Nichtsdestotrotz verwundern einige Größen der Annäherung kaum, weil es schlichtweg unwahrscheinlich ist, daß die Demographie der römischen Sklaverei fundamental unterschiedlich zu anderen historischen Beispielen ist. Rom war nicht Rio und Italien nicht Brasilien. Dennoch ähnelt das römische System, so fern es sich um die Praktizierung und die Institution der Sklaverei geht, eher dem Brasiliens als dem der USA.40 Auch wenn dieser Vergleich als wenig hilfreich angesehen werden mag, können wir immerhin eine gewisse Bestätigung durch die Tatsache erhalten, daß das Transfer-Bevölkerungs-Verhältnis, das meine Studie darlegt, tatsächlich durch das einer wesentlich größeren Sklavengesellschaft bestätigt wird und somit nicht zwangsläufig unglaubwürdig oder unmöglich ist.41 Was sagt uns dieses Modell über die Entwicklung der Sklaverei im römischen Italien nach dem 1. Jahrhundert v. Chr.? Der einzige sichere Schluss ist der, daß auch nur ein kleiner jährlicher Nettorückgang zwangsläufig die Sklavenzahl in großem Ausmaß verringert hätte. So hätte ein durchschnittlicher Rückgang von 0,3% pro Jahr (dies entspricht lediglich einem Viertel meiner oben genannten Schätzung) die italische Sklavenbevölkerung innerhalb der ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte um die Hälfte reduziert, wobei entweder die ländliche Sklaverei vollständig verschwunden oder die Sklavenzahl sowohl in den Städten wie auf dem Lande halbiert worden wäre. Obwohl die Sklaverei auf den Landgütern durch die rückläufigen Importe zurückgegangen sein mag, erscheint keine dieser Optionen besonders überzeugend. Ein jährlicher Rückgang um knapp 0,1% könnte die ländliche Sklaverei während derselben Zeit um ein Drittel reduziert haben. Diese Zahlen lassen vermuten, daß im

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Falle des Rückganges der Sklaverei in Italien dies eher mit abnehmender Nachfrage denn mit abnehmendem Angebot zu erklären ist. Auch bei einer moderaten jährlichen Bruttoquote des Rückgangs von 1,5% würde die kontinuierliche Zahl von 1,2 Millionen Sklaven 18.000 Importe pro Jahr erfordern. Wir können nicht glaubhaft annehmen, daß die italischen Sklavenbesitzer in der Lage waren, etwa 15.000 neue Sklaven pro Jahr zu kaufen, wenn sie gleichzeitig nicht fähig gewesen wären, trotz eigener Bemühungen 18.000 Sklaven zu erhalten. Fragen bezüglich des Nachschubs sind in der Debatte zum Sklavensystem der Kaiserzeit vor dem 5. Jahrhundert n. Chr. fehl am Platz. Anmerkungen 1

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Bei diesem Abschnitt handelt es sich um eine sehr knappe Zusammenfassung der Ergebnisse der ersten Hälfte (64-71) des Aufsatzes in: JRS 95 (2005), 64-79. Er enthält nur einige wenige wichtige bibliographische Hinweise. J. Beloch, Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt, Leipzig 1886, 415-418. P.A. Brunt, Italian Manpower 225 B.C. – A.D. 14, Oxford 1971 (ND 1987), 124-125. M.I. Finley, Ancient Slavery and Modern Ideology, erw. Ausgabe, Princeton 1998, 148; vgl. Auch K. Bradley, Slavery and Society in Rome, Cambridge 1994, 12. R.S. Bagall/B.W. Frier/I.C. Rutherford, The Census Register P.Oxy 984. The Reverse of Pindar’s Paeans (Papyrologica Bruxellensia 29), Bruxelles 1997, 98; R.S. Bagnall/B.W. Fier, The Demography of Roman Egypt, Cambridge 1994, 49, 71. Vgl. W. Jongman, Slavery and the Growth of Rome: the Transformation of Italy in the Second and First Centuries BCE, in: C. Edwards/G. Woolf (Hrsg.), Rome the Cosmopolis, Cambridge 2003, 114 [falsch zitiert im Originalartikel 67 Anm.26]. Zur Sklavenarbeit im griechisch-römischen Getreidebau siehe M.S. Spurr, Arable Cultivation in Roman Italy c.200 B.C.-c.A.D. 100 (Journal of Roman Studies Monographs 3), London 1986, 133-143; W. Scheidel, Grain Cultivation in the Villa Economy of Roman Italy, in: J. Carlsen u.a. (Hrsg.), Landuse in the Roman Empire, Rom 1994, 159-166. Die folgenden Ausführungen entwickeln ein alternatives Szenario zu W.V. Harris, Demography, Geography and the Sources of Roman Slaves, in: JRS 89, 1999, 62-75. Ich glaube, daß meine Hauptpunkte eine umfangreichere Widerlegung seiner Sicht überflüssig machen. Für eine weitere Untersuchung der Sklavendemographie im gesamten Reich s.

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Walter Scheidel meinen Beitrag The Roman Slave Supply, in: K. Bradley/P. Cartledge (Hrsg.), The Cambridge World History of Slavery 1, Cambridge 2011, 287-310. P.D. Morgan, Slave Counterpoint, Chapel Hill 1998, 82. Harris (s. Anm.7), 70 lässt diesen Punkt grundsätzlich, de facto aber nur für die römische Sklaverei in „the era of Justinian, or even of Diocletian“ (70 Anm.62) zu. Er bietet keine Erklärung für diese 600-800 Jahre lange Verzögerung, die auf jeden Fall nicht mit der möglichen Geschlechterrelation der Kriegsgefangenen vereinbar ist (s.u.). Vgl. auch unten Tabelle 1 für die geringe Geschlechterrelation in den Gebieten der mit hohen Verlusten an Sklaven arbeitenden karibischen Plantagenwirtschaft nur ein paar Jahre nach dem Ende des atlantischen Sklavenhandels. Z.B. App. Kelt. 11; Samn. 6,1; Liv. 31,27,3; Paus. 7,16,8; Sall. Iug. 91,7; App. Illyr. 16; Strab. 4,205; Tac. ann. 13,39,6-7; Ios. bell. Iud. 3,304; 4,488; 7,208; Herodian 3,9,11; Prok. Vand. 2,21,14; Goth. 1,10,29. Vgl. auch App. Civ. 4,64; Aug. epist. 10*. Für nicht-römische Beispiele s. z.B. Paus. 3,10,4; Diod. 15,79,6; 16,34,3; 17,46,4; 17,70,2 u. 6; Just. Epit. 9,2,15; Arr. Anab. 2,27,7; 4,2,4; Polyb. 9,39,2-3; 28,14,4; Liv. 43,19,12 (mit 43,20,3); 1 Makk. 1,32; Zos. 5,5,6; Prok. Goth. 2,21,39. Harris’ unbelegte Behauptung, daß „male war-prisoners are likely to have been more numerous than female“ (s. Anm.7), 70 macht nur Sinn, wenn sie sich ausschließlich auf die Kämpfenden bezieht. Dion. Hal. 3,49,3; 3,50,6; 4,50,4. Vgl. 10,26,3. Von 1650 bis 1900 exportierten die westafrikanischen Sklavenjägergesellschaften männliche Sklaven und behielten die Frauen, da die europäischen Händler höhere Preise für Männer zahlten, während die einheimischen Käufer Frauen bevorzugten. Ostafrikanische Sklavenjägergesellschaften exportieren Sklavinnen trotz der starken einheimischen Nachfrage, da die islamischen Händler höhere Preise bezahlten: P. Manning, Slavery and African Life: Oriental and African Slave Trades, New York 1990, 41-46. Die überdurchschnittliche Nachfrage nach Sklavinnen lag hauptsächlich an der Polygynie, die im antiken Mittelmeerraum nicht üblich war. Das lässt die Möglichkeit zu, daß Nicht-Italiker bei ihrer Suche nach männlichen Sklaven von Italikern überboten wurden. Dennoch bleibt unklar, ob die steigenden Kosten für vollgültige (im Gegensatz zu bedingter) Freilassung von Männern in den Freilassungsinschriften aus Delphi und Calymnia (200-1 v. Chr.) eine Folge der römischen (italischen) Nachfrage nach männlichen Sklaven war oder Ausdruck verbesserter Mobilität unter vollgültig Freigelassenen: K. Hopkins, Conquerors and Slaves, Cambridge 1978, 159, 162 (oder vielleicht eher Ausdruck einer bestimmten Dokumentationsgewohnheit: R.P. Duncan-Jones, Problems of the Delphic Manumission Payments 200-1 B.C., in: ZPE 57, 1984, 203-209). Wichtiger ist aber,

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daß steigende Preise für männliche Sklaven genauso gut eine fallende Geschlechterrelation innerhalb des Sklavenhandels widerspiegeln können: im Grunde sind sie mit jeder denkbaren Geschlechterrelation logisch vereinbar. Das Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land in den Untersuchungsregionen ist ein anderes Thema, aber erneut fehlen uns hierfür brauchbare Belege. R.S. Bagnall/B.W. Frier/I.C. Rutherford (s. Anm.4), 342f.; W. Scheidel, Quantifying the Sources of Slaves in the Early Roman Empire, in JRS 87, 1997, 160-163. Um das Übergewicht männlicher Sklaven zu verteidigen muss Harris (s. Anm.7), 71 den repräsentativen Charakter dieser Belege herunterspielen. R.S. Bagnall, Missing Females in Roman Egypt, in: SCI 16, 1997, 121-138 meint, daß viele junge Mädchen ausgesetzt und als Sklavinnen großgezogen wurden (entgegen Harris’ unbelegter Vermutung, daß „males were probably in the majority [...] among [...] foundling“ (s. Anm.7), 70: sollte dies stimmen, würde es auch eine gewisse Bevorzugung von Sklavinnen (im Gegensatz zu Töchtern) andeuten. Entgegen Harris’ Ansicht kann aber eine geringere Anzahl an Freilassungen von Frauen in den stadtrömischen Inschriften nicht auf die selbe Stufe gestellt werden. Harris beruft sich auch auf die Tatsache, daß 63% der freigelassenen Sklaven in den Freilassungsinschriften aus Delphi (2./1. Jahrhundert v. Chr.) Frauen sind: dies kann aber auch bedeuten, daß (a) Sklavinnen wesentlich häufiger freigelassen wurden als Männer (wie Harris auch anzunehmen scheint), (b) es mehr Sklavinnen als Sklaven gab oder (c) keines von beiden. Für sich allein können diese Daten weder (a) noch (b) unterstützen. Harris (s. Anm.7), 69. S.B. Pomeroy, Infanticide in Hellenistic Greece, in: A. Cameron/A. Kuhrt (Hrsg.), Images of Women in Antiquity, London/Canberra 1983, 207-222; P. Brulé, Infanticide et abondon d’enfants: pratique grecques et comparaisons anthropologique, in: DHA 18, 1992, 53-90. Vgl. Bagnall/Frier (s. Anm.4), 334. S. auch W. Scheidel, What’s in an Age? A Comparative View of Bias in the Census Returns of Roman Egypt, in: BASP 33, 1996, 25-59, bes. 34-48; Ders., Greco-Roman Sex Ratios and Femicide in Comparative Perspective, in: Princeton/Stanford Working Papers in Classics, Version 1.0, Januar 2010 [online-Resource]. M.A. Dandamaev, Slavery in Babylonia, Illinois 1984, 218, 406. Harris (s. Anm.7), 71; L. Schumacher, Sklaverei in der Antike. Alltag und Schicksal der Unfreien, München 2001, 42. W. Scheidel, Emperors, Aristocrats, and the Grim Reaper: Towards a Demographic Profile of the Roman Élite, in: CQ 49, 1999, 255-266. M. Livi-Bacci, Population and Nutrition, Cambridge 1991, 633-667; S.R. Johansson, Food for Thought: Rhetoric and Reality in Modern Mortality

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Walter Scheidel History, in: Historical Methods 27, 1994, 113f. Allein aus diesem Grund können wir keine Belege für unterschiedliche Sterblichkeit unter Weißen und Sklaven in der Mitte des 19. Jahrhunderts nutzen (wie z.B. in T.L. Savitt, Medicine and Slavery. The Diseases and Health Care of Blacks in. Antebellum Virginia, London 1978, 141). Z.B. H.S. Klein, African Slavery in Latin America and the Caribbean, Oxford 1986, 159f.; R.W. Fogel, Without Consent or Contract. The Rise and Fall of American Slavery, New York 1989, 127f.; W. Dusinberre, Them Dark Days: Slavery in the American Rice Swamps, New York 1996, 410-416 (Reissümpfe). R. Sallares, Malaria and Rome A History of Malaria in Ancient Italy, Oxford 2002, 247-255. Aus B.W. Higman, The Slave Populations of the British Caribbean: Some Nineteenth-Century Variations, 1976, wiederabgedruckt in: H. Beckles/V. Shepherd (Hrsg.), Caribbean Slave Society and Economy, London 1991, 226f. Gruppe 1 besteht aus den Bahamas, Barbados, Montserrat, St. Christopher, Antigua, Nevis und den Jungferninseln; Gruppe 2 aus Trinidad, Demerara, Berbice und St. Vincent; Gruppe 3 aus Jamaika und der Dominikanischen Republik. Die Zahlen in Klammern zeigen die Rangfolge der jeweiligen Belege in den einzelnen Rubriken im Hinblick auf ihre Vorteilhaftigkeit für ein natürliches Wachstum (1 = beste Voraussetzungen). JGR = jährliche Geburtenrate auf 1.000; JTR = jährliche Todesrate auf 1.000. Fogel (s. Anm.22), 150. Für weitere Hinweise s. Scheidel (s. Anm.14), 169. Ich weise nebenbei daraufhin, daß sexuelle Ausbeutung von Sklavinnen durch die Herren ein allgegenwärtiges Phänomen zu allen Zeiten war. Auf Grund des Rassismus und der Abwesenheit („absenteeism“) der Herren sind die Ergebnisse der amerikanischen Plantagensklaverei ein schlechter Indikator für den beachtlichen demographischen Einfluss dieses Phänomens auf traditionellere städtische, überwiegend auf den Haushalt beschränkte Sklavereisysteme. Für die römische Kaufsklaverei als zweckmäßiges Äquivalent zur Polygynie der Haremsgesellschaften s. W. Scheidel, Sex and Empire: a Darwinian Perspective, in: I. Morris/W. Scheidel (Hrsg.), The Dynamics of Ancient Empires. State Power from Assyria to Byzantium, Oxford 2009, 255-324 mit zahlreichen Belegen. Bagnall/Frier (s. Anm.4), 158. Scheidel (s. Anm.14), 160f., 165-167. Ich habe dies ausführlicher dargelegt in: Scheidel, Real Slave Prices and the Relative Cost of Slave Labor in the Greco-Roman World, in: AncSoc 35, 2005, 1-17. S. auch R. Duncan-Jones, The Economy of the Roman Empire, Cambridge ²1982, 348-350; J. Straus, L’achat et la vente des esclaves dans l’Égypte romaine. München/Leipzig 2004, 296-298.

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W. Scheidel, Rez.: R.S. Bagnall/B.W. Frier/I.C. Rutherford, The Census Register P.Oxy 984, in: BASP 38, 2001, 149 Anm.2. W. Jongman, The Economy and Society of Pompeii. Amsterdam 1988, 118. Vgl. Scheidel, (s. Anm.14), 166 (wo der Tippfehler „0.5 per 1,000“ anstatt „5 per 1,000“ die weitere Berechnung nicht beeinträchtigt). Diesem liegen meine zwischenstuflichen und hohen Freilassungsmuster zugrunde (s. Anm.14), 160, 166. Ich habe die Zahlen gerundet. Ich rechne mit einem Minimum von 2,5 erwachsenen Haussklaven pro decurio, etc., zusätzlich 80.000 in den Haushalten unterhalb der städtischen Elite, und einem Minimum von 20.000 erwachsenen Männern im nicht landwirtschaftlichen Sektor auf dem Lande. Die anderen Zahlen sollten selbsterklärend sein. Um einen allmählichen Anstieg der Importe über die Jahre hinweg zu berücksichtigen, nehme ich schematisch eine beständige jährliche Nettozuwachsrate an. A. Ziolkowski, The Plundering of Epirus in 167 BC: Economic Considerations, in: PBSR 54, 1986, 74f. Republikanische Sklavenpreise sind nicht belegt, vgl. Scheidel (s. Anm.8), aber sollten relativ gering (d.h. verglichen mit der hohen Kaiserzeit) gewesen sein: s. mein Aufsatz: The Comparative Economics of Slavery in the Greco-Roman World, in: E. Dal Lago/C. Katsari (Hrsg.), Slave Systems, Ancient and Modern, Cambridge 2008, 105-126. S. W. Scheidel, Human Mobility in Roman Italy, I: The free population, in: JRS 94, 2004, 1-26, 14f. Wie ich aufgezeigt habe (s. Anm.14), 167f., muss ihr durchschnittlicher reproduktiver Erfolg nach der Freilassung sehr gering gewesen sein. Für das mittelalterliche Korea und das Kalifat Sokoto liegen vergleichbare Sklavenzahlen vor, doch sind die dazu durchgeführten quantitativen Studien zu gewagt. M. Karasch/R.E. Conrad in: P. Finkelman/J.C. Miller (Hrsg.), Macmillan Encyclopedia of World Slavery 1, 1998, 116, 128. Komparative Arbeiten haben sich gewöhnlich auf die USA (Verweise in W. Scheidel, Rez. v. K. Bradley, Slavery and Society at Rome, Cambridge 1994, in: Phoenix 50, 1996, 176 Anm.5) konzentriert. K. Bradley, Slavery and Society at Rome. Cambridge 1994, betonte die brasilianischen Vergleiche. M.C. Karasch, Slave Life in Rio de Janeiro 18081850, New York 1987 ist besonders anregend. Ich plane eine Untersuchung dieses Aspektes in einer zukünftigen Monographie mit dem wahrscheinlichen Titel „Ancient Slavery and Modern Comparisons“. Vgl. auch P. Manning, Demography of Slavery, in: P. Demeny/G. McNicoll (Hrsg.), Encyclopedia of Population, New York 2003, 895, für ein Verhältnis von 3:1 (Region des Indischen Ozeans, 19. Jahrhundert).

William V. Harris: Demographie, Geographie und die Quellen der Römischen Sklaven, aus dem Engl. übs. v. M. Simonis (Originalausgabe: Demography, Geography and the Sources of Roman Slaves, aus: W. V. Harris (Hrsg.), Romeʼs Imperial Economy, 88–109, Oxford) © 2011 by permission of Oxford University Press

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Demographie, Geographie und die Quellen der Römischen Sklaven* Einleitung Woher bekam ein Römer mit großer Sklavenschaft seine neuen Sklaven? Varro sagt es uns eigentlich: aus Ephesos.1 Und die Antwort ist wahrscheinlich die gleiche für viele nachfolgende Generationen. Ist es aber möglich, systematischer und vollständiger die jeweilige Bedeutung verschiedener Arten von Quellen herauszuarbeiten? Die Quellen, die am stärksten einer Betrachtung bedürfen, sind: (1) von Sklavenmüttern im Reich geborene Kinder; (2) in Provinz- oder Grenzkriegen versklavte Personen; (3) über die Grenzen importierte Personen; (4) die ‚Selbstverkäufer‘; und (5) ausgesetzte Kinder innerhalb des Reiches. Vor einigen Jahren habe ich aufgrund verschiedener Punkte vermutet, daß die letzte dieser Quellen, Kindesaussetzung, wichtiger war als bisher angenommen.2 Spätere Überlegungen zu diesem Problem ließen mich vermuten, daß das Quellenmaterial die Anzahl der Sklavenimporte über die Grenzen unterrepräsentiert, sie ließen mich aber nicht daran zweifeln, daß Kindesaussetzung sehr weit verbreitet war und einen entscheidenden Beitrag zum Sklavennachschub lieferte. Die originellste der vielen darauffolgenden Ausführungen ist die von Ramin und Veyne, die es in einem im englischsprachigen Raum kaum wahrgenommenen Artikel des Jahres 1981 sehr plausibel erscheinen ließen, daß diejenigen, die sich freiwillig selbst in die Sklaverei verkauften, in wesentlich höherer Zahl vorkamen als von den Forschern gewöhnlich angenommen.3

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In jüngerer Zeit hat Scheidel versucht, die Diskussion zugunsten der Reproduktion der Sklavenbevölkerung wiederzubeleben, wie dies zuvor u.a. von Shtaerman vorgetragen wurde.4 Dabei fällt er ins Extreme, wenn er behauptet, nach dem abrupten Rückgang römischer Grenzkriege in den ersten beiden Dekaden n.Chr. wäre die Fertilität der bestehenden Sklavenbevölkerung die mit Abstand wichtigste Quelle an Sklaven. Sie war ‚at least five or six times as important as any other single source‘, und er geht soweit, eine Prozentzahl für die Sklaven anzugeben, die aus dieser Quelle stammten, eine Zahl, die um die 80% liege. Diese Meinung werde ich als SRH (SelbstReproduktions-Hypothese) bezeichnen. Nun habe ich niemals abgestritten, daß eine große Zahl römischer Sklaven Kinder von Sklavenmüttern waren. Auch habe ich nicht, wie Scheidel behauptet, in meinem Artikel zum Sklavenhandel geschrieben, daß mehr als die Hälfte aller neuen Sklaven in dieser Epoche Findlinge waren.5 Ich betrachte es lediglich als im Bereich des Möglichen, doch gibt es meiner Meinung nach nicht genug Belege, um den Anteil dieser Quelle präzise genug zu bestimmen. Zur Zeit können wir, wie die meisten Forscher vermutlich bestätigen würden, zumindest die Bedeutung der Quellen (1), (3), (4) und (5) nur innerhalb eines eher weit gefassten Rahmens abschätzen. Aber Scheidels Position ist extrem und nicht einleuchtend. Er versäumt es, die hohe Schätzung der Sklavenfertilität, die seiner Schätzung von 80% entspricht, in eine glaubwürdige Hypothese umzusetzen. Dabei vernachlässigt er es, die Gründe zu berücksichtigen, warum die Fertilität der Sklavenbevölkerung vermutlich zu gering war, einschließlich der (wie es mir scheint) starken Belege, die darauf hindeuten, daß das Geschlechterverhältnis der Sklavenbevölkerung über einen langen Zeitraum höchst unausgeglichen war, wobei die Frauen in der Minderheit waren. Er unterschätzt den Anteil anderer Quellen und gelangt zu einer abwegigen Schlussfolgerung bzgl. der versklavten Findlinge. […] Um aber zum speziellen Fall zurückzukehren: Das erste Thema, das es zu diskutieren gilt, ist die Fertilität der römischen Sklavenbevölkerung. Dann müssen wir den Anteil der anderen Quellen am Sklavennachschub überdenken und uns schließlich kurz mit der Geographie des Sklavenhandels beschäftigen, was an sich schon ausreicht, SRH als höchst unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Wir

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werden zudem einen Blick auf das umstrittene Thema der wirtschaftlichen Integration werfen.

Die Fertilität der Sklavenbevölkerung […] Das Scheidel-Modell, oder SRH, behauptet, daß sich die Sklavenbevölkerung zu einem großen Teil selbst reproduzierte, nach Scheidels Vermutung 80% davon. Dies kann sogar als unglaubwürdig erachtet werden, wenn die Sklavenbevölkerung ein natürliches Geschlechterverhältnis hätte, da es allgemein als gesichert erscheint, daß hohe Fertilität und annehmbar geringe Kindersterblichkeit von der Existenz von Familienstrukturen abhängt.6 In der römischen Welt muss eine große Anzahl an Sklavinnen im gebärfähigen Alter ein ungeregeltes Sexualleben geführt haben, und für jede ancilla, die bei einer flüchtigen Begegnung geschwängert wurde, gab es eine andere, deren Wunsch nach einem geregelten Liebesleben durch ihren Herrn oder dessen Stellvertreter enttäuscht wurde. Mehr Sklavinnen als freie Frauen stillten ihre eigenen Kinder, was bedeutet, daß sie dadurch eine längere Stillzeit und größere Abstände zwischen Schwangerschaften hatten. Zudem sollten wir nicht die Tatsache beiseite wischen, daß in erheblichen Teilen des Römischen Reiches der Nachwuchs von Sklavinnen nicht als Sklaven erachtet wurde, wenn der Vater frei war.7 Die Kinder von Sklaven konnten zudem ausgesetzt werden (daher gab es eine Überschneidung zwischen den Quellen (1) und (5)).8 Und aus meiner Sicht war das Geschlechterverhältnis der Sklavenbevölkerung in jedem Fall weit davon entfernt, ein natürliches zu sein: es war sehr unausgeglichen, was bedeutet, daß die Männer die Frauen zahlenmäßig weit übertrafen,9 mit höchst negativen Konsequenzen für die Sklavenfertilität. Ein singulärer antiker Text scheint anzudeuten, daß römische Sklaven zu einer bestimmten Zeit keine geringere, sondern eine höhere Fruchtbarkeit als die freie Bevölkerung hatten: Appian schreibt Ti. Gracchus die Aussage zu, daß die unterstellte Unfruchtbarkeit der freien Italiker durch die polupaidia der Sklaven aufgefangen würde.10 Die Meinungen werden sich weiterhin darin unterscheiden, ob diese Angabe für die 130er Jahre v. Chr. gilt oder ob es sich um eine spätere ausschmückende Überlieferung handelt. Legt man die verhältnismäßig hohe Qualität der Informationen

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Appians über die Zeit von 133 bis 70 zugrunde, so kann eine echte Aussage des Ti. Gracchus oder zumindest eine Erfindung aus dieser Epoche vorliegen. Wenn dem so ist, kann die Anspielung rein rhetorisch gemeint sein, um reiche Latifundienbesitzer in Verruf zu bringen; oder sie kann auf Beobachtungen des Gracchus zurückgehen, bei denen er an die Folgen der massenhaften Versklavung von Zivilisten während der großen Expansion des Reiches in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Iberien, Griechenland und Nordafrika dachte, die wenige Parallelen in der nachaugusteischen Zeit hatte, auch wenn es natürlich welche gab.11 Auch Varro lässt uns nicht wirklich an ein hohes Niveau der Sklavenfertilität glauben.12 Er zeigt keinerlei Interesse an Sklavennachwuchs, mit Ausnahme der pastores, die eine außergewöhnlich verantwortungsbewusste Tätigkeit haben. Auf der anderen Seite schätzte bekanntlich Columella die Fruchtbarkeit von Sklavinnen auf den Landgütern, und das mag durchaus ein Anzeichen für die veränderten Voraussetzungen der Kaiserzeit sein. Er scheint in diesem Zusammenhang nicht besonders ausgefallen zu sein, doch sein Belohnungssystem spiegelt seine persönliche Eigenart wider.13 Sklavenbesitzer müssten ein weitverbreitetes und differenziertes Belohnungssystem gehabt haben, um einen großen demographischen Effekt zu erzielen; eine nicht zu belegende, wenn auch nicht unmögliche Annahme. Wie auch immer: weder diese Texte noch andere unterstützen die Vermutung, daß Besitzer von vielen Sklaven deren Reproduktion auch in den städtischen Haushalten effektiv anregten.14 Die Haltung der Sklavenbesitzer zur Fertilität ihrer Gewaltunterworfenen muss in den korrekten Zusammenhang gestellt werden, den die Frage nach der Sklavenbehandlung allgemein darstellt. Diese besteht aus einem Mix aus Belohnungen und Härte – aber meist, aus römischer Sicht, aus Härte. Xenophon drückte wahrscheinlich die Einstellung des gewöhnlichen Sklavenbesitzers aus, wenn er seinen Protagonisten Ischomachus sagen lässt: ‚Die Braven werden, sobald sie einmal Kinder haben, in der Regel freundlicher, die Schlechten dagegen werden im Joch der Ehe erfahrener, betrügerisch zu handeln‘ (εὐπορώτεροι πρὸς τὸ κακουργεῖν γίγνονται: Oec. 9,5); Xenophon stellt Ischomachus so dar, daß dieser die Sklaven daran hinderte, ohne seine Einwilligung Kinder zu bekommen. Dies würde für die Römer ebenfalls durchaus Sinn machen.15 Der Erwerb von

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Sklavinnen zu dem Zweck, von deren Fruchtbarkeit zu profitieren, scheint selten gewesen zu sein.16 Die Gültigkeit der Scheidelschen Theorie hängt in hohem Maße von der Sklavenfertilität ab, daher ist es umso erstaunlicher, daß dieser Punkt nur in einer Fußnote und einem Appendix behandelt wird. Uns wird die gängige Beobachtung angeboten, daß die Einfuhr von Sklaven in ein Sklavensystem dessen Fertilität beeinflussen kann. ‚One might therefore wonder‘, wird die Argumentation weitergeführt,17 ‚to what extent the slave populations of the Caribbean and Latin America which were shaped by continuous selective import and failed fully to reproduce themselves were intrinsically more ‘typical’ than the self contained and highly reproductive slave population of the United States.‘ Aber der Punkt ist nicht, daß diese Bevölkerungen demographisch ‚typisch‘ sind, sondern eher deren demographische Ähnlichkeit mit der römischen Sklavenbevölkerung. Und tatsächlich ist die US-Sklaverei zwischen 1808 und 1865 atypisch, da sie ein beinahe geschlossenes System darstellte, während in den meisten Sklavensystemen die Sklavenbevölkerung Zuwachs von außerhalb erhält. Sie mag in einem anderen Punkte ebenfalls atypisch gewesen sein: während des rasanten Wachstums der US-Wollwirtschaft nach der Erfindung der cotton gin durch Whitney im Jahre 1793 favorisierten die sklavenbesitzenden Wollproduzenten in den Carolinas und in Georgia Sklavinnen, ‚since it was supposed that the sensitive harvesting of cotton demanded female labor‘.18 Demgegenüber waren die Tätigkeiten, für die römische Sklavenbesitzer Sklavinnen bevorzugten – und sie dachten über Beschäftigungsmöglichkeiten nach19 –, auffallend gering (siehe unten). Das römische System ähnelte den ‚offenen‘ westlichen Systemen, bei denen neue Sklaven importiert wurden, darin, daß das Geschlechterverhältnis der gesamten Sklavenbevölkerung starken Schwankungen unterworfen war. Wie allgemein bekannt wurden im atlantischen Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert wesentlich mehr erwachsene Sklaven als erwachsene Sklavinnen verschifft. Gewöhnlich wurde angenommen, daß eine abweichende Nachfrage der Grund dafür sei; seit kurzem wird jedoch vermutet, daß die bestimmenden Faktoren zumindest teilweise in den Zielregionen zu suchen seien,20 doch so lange niemand in der Lage ist, eine insgesamt überzeugende Auflistung dieser Faktoren zu bieten, sollte man

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diesen Punkt nicht dogmatisch behandeln.21 Auf jeden Fall unterstützen die römischen Belege, so unvollständig sie auch sein mögen, die Annahme, daß die Nachfrage nach Sklaven höher war als die nach Sklavinnen.22 Niemand hat jemals in Zweifel gezogen, daß eine geschlossene Sklavenbevölkerung eine positive Nettoreproduktionsrate (NRR = net reproduction rate) haben kann,23 oder, daß sie auf lange Sicht eine natürliche Zunahme erfahren kann; das amerikanische Beispiel des 19. Jahrhunderts belegt dies. Die Frage ist aber, ob das römische Sklavensystem dem amerikanischen des 19. Jahrhunderts und den wenigen anderen bekannten Beispielen einer sich selbst reproduzierenden Sklavenbevölkerung ähnelt, oder den Systemen, die überwiegend in der Karibik und überall sonst in der westlichen Hemisphäre vorherrschten, und die demographisch sehr verschieden waren. Ich behaupte, daß es ein gravierender Fehler historischer Perspektive ist, das römische System unter die relativ milden Systeme einzuordnen. Scheidel hat die servi vincti vergessen. Es ist schwierig, herauszufinden, warum sich einige Sklavenbevölkerungen des 19. Jahrhunderts besser reproduzierten als andere. Hilfreich waren sicherlich Familien mit beiden Elternteilen,24 und dieser Faktor allein ist ein deutlicher Hinweis, daß die römische Sklavenbevölkerung sich nicht selbst reproduzierte. Allerdings gibt es noch viel mehr zu sagen über die Unterschiede der Lebensbedingungen der Sklaven im Römischen Reich, der Karibik und den Vereinigten Staaten – sowie einer ganzen Menge anderer Sklavensysteme. In einer Zeit, in der die Lebensbedingungen von Sklaven in letzterem Milieu durch solche Bücher wie Tony Morrisons Beloved wieder hervorgehoben werden, erscheint jeder Versuch, ein Sklavensystem als schlechter darzustellen als ein anderes, geschmacklos. Auf der anderen Seite gibt es eine lange und lästige Tradition unter Altertumswissenschaftlern, die Realität des römischen Sklavensystems schönzureden. Ein gutes Gegenmittel ist, jene Berichte darüber zu lesen, wie die antiken Menschen die Sklaven folterten, um eine rechtlich brauchbare Aussage zu erhalten. Sachlicher ist, daß in der besonders unangenehmen Welt der karibischen Sklaverei im 18. Jahrhundert, die durch Unterernährung und körperliche Strafen charakterisiert wird, nichtsdestotrotz verschiedene Maßnahmen für das körperliche Wohlergehen der Sklaven getroffen wurden, was für das Römische Reich undenkbar wäre. Unzweifelhaft waren die Be-

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dingungen an vielen Orten in Westindien schlimm genug, um einen negativen Effekt auf die Fertilität zu haben. Dennoch gab es manchmal Sklavenkodifikationen, die darauf abzielten, die Ausbeutung der Sklavenarbeit zu beschränken, in Trinidad z.B. 1789 und 1800.25 Es gab recht oft mehr oder weniger wissenschaftlich arbeitende Ärzte (die manchmal schnell reich wurden, wenn sie überlebten).26 Bereits in den 1640er Jahren besaß Curaçao zwei Krankenhäuser für Sklaven, ‚aimed at enhancing the exchange value of the slaves‘, und im späten 17. Jahrhundert war ein Arzt dort mit der Behandlung der Sklaven betraut.27 Oft verschlimmerte deren Medizin, anstatt zu helfen,28 aber je weiter das 19. Jahrhundert voranschritt, desto mehr änderte sich dies; und wir können annehmen, daß die Motive, die Sklavenbesitzer dazu veranlassten, für diese medizinische Behandlung zu bezahlen, auch dafür sorgten, daß sie sich Gedanken über die Ernährung und Unterbringung der Sklaven machten. Die medizinische Betreuung für Sklaven in den USA vor dem Sezessionskrieg war enorm,29 und erneut ein wichtiger Hinweis auf die allgemeine Behandlung von Sklaven. Nun, der Unterschied zur klassischen Welt ist nicht absolut und wir können nicht annehmen, das Sklavenkrankenstuben, die von Columella (11,1,18; 12,3,7; 8) genannten valetudinaria, einzigartig waren – zumindest sieht er keine Notwendigkeit, diese seinen Lesern zu erklären. Aber es ist wohl angebracht anzunehmen, daß römische Ansichten über die Gesundheit von Sklaven allgemein geringer waren als die karibischer und nordamerikanischer Sklavenbesitzer.30 Zwischen der römischen Sklaverei und der in den USA vor dem Sezessionskrieg besteht ein scharfer Gegensatz bezüglich des entscheidenden Faktors des Familienlebens. Es ist hier wohl kaum nötig, die Belege aufzuführen, daß nur ein kleiner Teil der römischen Sklaven in eigenen Familien lebten (was schlicht der Grund ist, warum Freigelassene – nimmt man ihre Grabinschriften als Maßstab – über ihr Familienleben frohlockten),31 aber es lohnt sich, darauf hinzuweisen, daß nordamerikanische Sklaven im 19. Jahrhundert, die selbstreproduzierende Sklavenbevölkerung par excellence, normalerweise in Familienunterkünften und Langzeitbeziehungen lebten. In diesem Zusammenhang war Time on the Cross kaum irreführend.32 Wir wissen zu wenig, um sicher zu sein, daß römische Sklavenbesitzer beim Verkauf von Sklaven weniger Rücksicht auf Familien-

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bande nahmen als amerikanische Besitzer, aber ihre Rücksichtslosigkeit in diesem Punkt hat zumindest eine Forscherin hervorgehoben.33 Ein weiterer extrem wichtiger Faktor für die Fähigkeit der römischen Sklavenbevölkerung, sich selbst zu reproduzieren, ja vielleicht der wichtigste Faktor überhaupt, war das Geschlechterverhältnis dieser Bevölkerungsgruppe.34 Die Belege des ägyptischen Zensus geben an, daß in der sehr kleinen Gruppe der Bevölkerung außerhalb Alexandrias (N = 102) das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Sklaven 1:2 war (in gewöhnlichen Begriffen war die Geschlechterrelation somit 50,0). Forscher haben dazu jüngst beobachtet, daß, obwohl es mehr weibliche als männliche Sklaven in Ägypten (besser: Ägypten ohne Alexandria) gegeben haben mag, 35 die Zensusangaben das weibliche Übergewicht übertrieben hätten, ‚since it appears that male slaves were typically manumitted earlier than females‘.36 Dieselben Forscher haben auch festgestellt, daß es keinerlei Anzeichen in diesen Dokumenten gibt, daß Sklavenherren das Ziel verfolgten, Sklavenfamilien zu fördern.37 Aber das Geschlechterverhältnis der ägyptischen Städte und Dörfer hat wenig gemein mit Alexandria oder den Provinzen, in denen Landwirtschaftssklaverei üblich war. Alle Belege und alle logischen Ausführungen über das Geschlechterverhältnis der Sklavenbevölkerung in den großen Städten und den Provinzen, wo Sklaven einen beträchtlichen Teil der ländlichen Bevölkerung und der Handwerker bildeten, deuten auf ein extremes Ungleichgewicht in die andere Richtung hin, d.h. wesentlich mehr männliche als weibliche Sklaven. Gleiches gilt offensichtlich auch für Orte, wo Bergwerke und Steinbrüche und ähnliche wirtschaftliche Aktivitäten wichtig waren. Im Haushalt scheinen männliche Sklaven gegenüber weiblichen in einem möglicherweise überraschenden Maß in der Überzahl gewesen zu sein.38 Ich denke, daß man über das Römische Reich niemals sagen kann, was über die britische Karibik des 19. Jahrhunderts gesagt wurde, daß ‚the towns always had low slave sex ratios [d.h. ein geringer Anteil männlicher zu weiblicher Sklaven] because of the demand for females in domestic employment‘.39 Zur Behauptung, daß die Sklavenbevölkerung des Reiches als ganzes überwiegend männlich war, könnte eine längere Ausführung gemacht werden. Man kann mit den städtischen familiae beginnen, da es nicht a priori unvorstellbar ist, daß zumindest dort das Muster

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verschieden war, besonders in der griechischen Welt. Das epigraphische Material bedarf anerkanntermaßen einer wesentlich vorsichtigeren Behandlung als es sie vor 35 Jahren erfahren hat, und mag im Grunde genommen unbrauchbar sein. Es ist nicht so, daß Forschern, auch in diesen fernen Zeiten, unbekannt war, daß in vielen antiken Milieus Männer als würdiger für Grabinschriften erachtet wurden als Frauen.40 Detailliertere Untersuchungen wurde mittlerweile durchgeführt, die zeigen, daß der Usus der Erinnerungsinschriften das angebliche Geschlechterverhältnis verschieben kann – in jede Richtung.41 Zudem dürften die Sklaven der Schwerreichen in diesem Zusammenhang atypisch sein. Nichtsdestotrotz ist es bemerkenswert, daß die Grabinschriften aus diesen Haushalten mehrere Male männliche Sklaven gegenüber weiblichen im Verhältnis 3 zu 1 in der Überzahl zeigen,42 ein Ungleichgewicht, daß größer ist als die, welche Shaws Untersuchungen lateinischer Grabinschriften für alle Bereiche der freien Bevölkerung aufgezeigt haben. Und wir dürfen, da wir uns in diesen Fällen mit privilegierten Sklaven beschäftigen, die ungewöhnlich gute Chancen für das Eingehen sexueller und häuslicher Gemeinschaften hatten, berechtigterweise davon ausgehen, daß wir unter diesen eine geringere, d.h. eher natürlichere Geschlechterrelation finden als in anderen Haushalten. Noch bemerkenswerter als Beleg für städtische familiae ist das Verzeichnis der Stadtsklaven des reichen Alexandriners Ti. Iulius Theon, der 111n. Chr. starb: von den 59 Sklaven, deren Geschlecht in diesem beschädigten Dokument bestimmt werden kann, sind lediglich zwei weiblich.43 All dies wird unterstützt durch Hinweise, daß für viele Tätigkeiten, die sowohl von Frauen wie von Männern ausgeführt werden konnten, Männer bevorzugt wurden. Auf der Suche nach Belegen für die Geschlechterrelation unter Sklaven hat De Ste. Croix behauptet, Columella sei an weiblicher Sklavenarbeit interessierter gewesen als die früheren Agrarschriftsteller.44 Dies wäre nur logisch, doch die zwei Textstellen, die De Ste. Croix zitiert, sind wenig aussagekräftig.45 Die Wahrscheinlichkeit, daß Landbesitzer, die in diesem Punkt die Wahl hatten (eingeschlossen kleinere Landbesitzer, die veranlassten, hausgeborene Sklaven auszusetzen), männliche Sklaven bevorzugten, ist sehr groß. Sklavinnen, die während der hohen Kaiserzeit auf dem Land arbeiteten, dürften eine Rarität gewesen sein. […]

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Sehen wir uns die Fertilität eines typischen Jahrgangs römischer Sklavinnen (diejenigen, die innerhalb eines einzigen Jahres geborenen wurden) an und vergleichen wir sie mit der eines zeitgenössischen Jahrganges freier römischer Frauen.46 In Bezug auf die letztere Gruppe s. Tabelle 4.1. Tabelle 4.1. Hypothetische ‚net reproduction rate (NRR)‘ (= NettoReproduktions-Rate) und ‚gross reproduction rate (GRR)‘ (= BruttoReproduktions-Rate) freier Frauen, basierend auf der Coale-Demeny Lebensstatistiktabelle Model West Level 3 Female und Model South Level 3 Female.47 NRR 0,95 1,00 GRR (West) 2,21 2,54 GRR (South) 2,20 2,64 Tabelle 4.2. Hypothetische Zahl der Lebendgeburten, die nötig ist, um eine Reproduktionsrate von 80% der Sklavenbevölkerung zu ermöglichen, Version A GeschlechterMänner in % der GRR GRR + 105 % relation gesamten Sklavenbevölkerung 150 60 3,51 7,20 100 50 2,81 5,70 Tabelle 4.3. Hypothetische Zahl der Lebendgeburten, die nötig ist, um eine Reproduktionsrate von 80% der Sklavenbevölkerung zu ermöglichen, Version B GeschlechterMänner in % der GRR GRR + 105 % relation gesamten Sklavenbevölkerung 150 60 3,95 8,10 100 50 3,16 6,48

Wenn die Bevölkerungszahl des Römischen Reiches in der hohen Kaiserzeit stabil blieb (Eroberungen ausgenommen), war der langfristige gesamte NRR dieser Bevölkerung < 1.00 (da es mehr Immigration als Emigration gegeben haben muss); ich benutze die Zahl 0.95 aus rein illustrativen Gründen. In Wirklichkeit scheint es sporadischen Zuwachs durch die ganze Epoche von Augustus bis zur antoninischen Seuche hindurch gegeben zu haben,48 so daß wir nicht komplett falsch liegen dürften, wenn wir einen NRR von 1.00 annehmen. Das bedeutet, daß entsprechend Model West die durch-

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schnittliche Frau, die bis zu ihren reproduktiven Jahren überlebte, 2,54 Mädchen und 5,16 Kinder insgesamt gehabt hat.49 Das ist nicht unmöglich. Sehen wir uns nun aber unseren Jahrgang von Sklavinnen an. Ein bestimmter Prozentsatz (m) deren Kinder wurde entweder nach der Freilassung der Mutter geboren oder kamen aufgrund nicht-römischer Gesetze mit freiem Status auf die Welt. Die Lebenserwartung dürfte niedriger gewesen sein als bei der freien Bevölkerung: Ich betrachte sogar e0 = 20 als eine zu hohe Zahl,50 aber um einen fruchtlosen Disput zu verhindern (und auch aus praktischen Gründen, da ich keine Lebensstatistik für einen e0 Wert unter 20 gefunden habe), wenden wir Model West Level 1 Female an. Es zeichnet sich schnell ab, daß SRH nicht haltbar ist. Wie viele Lebendgeburten pro Frau müsste eine solche Bevölkerungsgrupe hervorbringen, um stabil zu bleiben, oder um 80% ihrer selbst zu ersetzen (Scheidels Annahme)? Tabelle 4.2 zeigt, wie viele Lebendgeburten nötig wären, um eine Reproduktionsrate von 80% zu gewährleisten, wenn m = 10 ist, während Tabelle 4.3 dies zeigt, wenn m = 20 ist.51 Es ist in zweierlei Hinsicht höchst unlogisch, anzunehmen, daß sowohl die Sklavenbevölkerung ein natürliches Geschlechterverhältnis hatte als auch, daß sie ein so hohes Niveau an Fertilität besaß.52 […]

Importierte Sklaven, die Selbstverkäufer, versklavte Findlinge Wie sieht es mit anderen möglichen wichtigen Quellen aus? Zuallererst die Importe. Sie werden gewöhnlich nicht als große Quelle des Nachschubs in der Kaiserzeit angesehen, obwohl es viele verstreute Belege gibt. Scheidel äußerte die nachzuvollziehende Ansicht, daß die betreffenden Regionen nicht dicht genug besiedelt waren, um die Nachfrage des Römischen Reiches nach Sklaven zu erfüllen. Er führt als diese Regionen Irland (!), Schottland, Germanien, Südrussland, den Kaukasus, die arabische Halbinsel und den Sudan auf; Mesopotamien und der Iran, so meint er, hätten den Sklavennachschub für das Partherreich geliefert.53 Wir sollten auch die Sklaven berücksichtigen, die aus dem Handel auf dem Indischen Ozean (vielleicht in der Hauptsache aus Somalia) und aus dem Saharahandel stammen. 54 Es wurde vermutet, daß die Region, aus der das Römische Reich seine Sklaven importierte, wahrscheinlich eine Bevölkerung von unter 15

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Millionen hatte.55 Das ist eine höchst spekulative Zahl, die einem eigenwilligen Plädoyer gleicht, aber Scheidel hat unzweifelhaft Recht in der Annahme, daß der bloße Mangel an Bewohnern die äußere Peripherie davon abhielt, einen großen Anteil an der Sklavennachfrage des Römischen Reiches zu decken. Die betreffenden europäischen und afrikanischen Bevölkerungen waren kaum urbanisiert, und in denselben Gebieten war selbst das Ausmaß an kleinbäuerlicher Landwirtschaft sehr begrenzt. Die Schwäche dieser Argumentation liegt darin, anzunehmen, daß die Bevölkerungen in diesen ‚Fang‘-Gebieten stabil waren. In Wirklichkeit dürften sie durch die Nähe zu den Römern abgenommen haben; und eine weitere Möglichkeit ist die, daß die in unmittelbarer Nähe zur römischen Grenze gelegenen Gebiete von außerhalb wiederbevölkert wurden. Die römische Wirtschaft dürfte eine große Anziehungskraft gehabt haben, die die nächsten auswärtigen Gebiete vor einer Entvölkerung bewahrte.56 Die doch reichlichen Belege für Sklavenimporte helfen wenig, deren Zahl zu bestimmen.57 Das Problem ist verknüpft mit der nicht zu vernachlässigenden Frage nach den Kriegsgefangenen. Einige haben die Zahl der in Friedenszeiten importieren Sklaven zwischen 20.000 und 25.000 geschätzt, aber es wurde kein Grund angeführt, warum die Zahl nicht niedriger oder höher liegen könnte.58 Außer der Tatsache, daß es ohne Importe vermutlich einen Versorgungsengpass gegeben hätte, für den es jedoch keine Anzeichen gibt. Wie groß war der Anteil des Selbstverkaufs? Historiker haben diese Praxis einige Male verworfen,59 vermutlich, da dies eine atrocissima war, über die die würdevolle römische Gesellschaft nicht bereitwillig schrieb (was exakt der Grund ist, warum es in Petronius, Sat. 57,4 vorkommt). Aber in der Textpassage, mit der Ramin und Veyne ihre Untersuchung beginnen, fasst Seneca die mangones unter diejenigen, die, obwohl sie nützlich für andere waren, nicht wirklich beneficia förderten (da sie vom Verkaufsverlauf persönlich profitierten). Er sieht es als offensichtlich an, daß mangones für diejenigen, die sie verkauften, nützlich waren (mango venalibus prodest).60 Mit diesen Begünstigten kann er nur diejenigen meinen, die wünschten, verkauft zu werden. Senecas Annahme, daß seine Ausführungen für den neronianischen Leser Sinn machen würden, ist ein wertvolles Indiz. Sowohl Clemens, Bischof von Rom, wie Papinian weisen auf die Regelmäßigkeit dieser Praxis hin, während Petronius, Dio Chrysostomos und Ulpian ziemlich deutlich machen, daß Selbst-

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verkauf ein gewöhnlicher Vorgang war.61 Wenn es auch nur wenige literarische Erwähnungen gibt, so ist dies vor dem Hintergrund verständlich, daß Selbstverkauf gegen eines der Kardinalprinzipien des Römischen Rechts verstieß: die Unveräußerlichkeit der Freiheit.62 Die Juristen mussten mit dieser Schwierigkeit zurechtkommen und hinterließen pflichtgemäß eine massive Lücke im Recht. Dies war aus zweierlei Gründen wichtig, die beide von Ramin und Veyne angeführt wurden. Das eine war lebensbedrohliche Armut, das andere die – in den Augen vieler – erstrebenswerte Position eines versklavten actor, des Sklaven, der in jedem vermögenden römischen Haushalt die finanziellen Transaktionen durchführte.63 Die Tätigkeit als actor war höchst begehrt, betraf aber lediglich einige hundert Männer pro Jahr, aber die Furcht vor Hunger wird in schlechten Erntejahren tausende betroffen haben. Man wird feststellen, daß die eben zitierten Autoren aus Nordafrika und dem griechischen Osten sowie aus Italien kamen und sowohl römische Bürger wie Nichtbürger umfassten.64 Uns ist heute bekannt, daß Hunger regelmäßig diverse Regionen des Römischen Reiches heimsuchte, und daß die Reaktion der Magistrate häufig unzureichend war.65 Die zu erwartenden Folgen sind Kindesaussetzung und Selbstverkauf, so wie, nach Braudels Bericht, ein persischer Botschafter im 17. Jahrhundert in Indien ‚unzählige Sklaven … wegen der Hungersnot fast umsonst‘ erwarb.66 Die Versklavung von Findlingen ist ein Phänomen, dem Historiker manchmal auszuweichen versuchten, aber es ist unnötig, erneut die Belege dafür zu zitieren, daß es eine weitverbreitete Praxis im Römischen Reich war, oder die Belege, daß es ähnlich dem Selbstverkauf als Einrichtung diente, Freigeborene in Sklaven zu verwandeln.67 Es mag manchmal einen gewissen Grad an stillschweigender Übereinkunft zwischen Aussetzer und ‚Retter‘ gegeben haben,68 es sei denn, Hinweise auf solches Verhalten sind Teil der sich selbstrechtfertigenden Mythologie dieses Themas. Zwei Quoten sind für die Theorie wichtig, daß Findlinge einen großen Teil der Nachfrage nach Sklaven innerhalb des Römischen Reiches bedienten: Die Quote der Kinderaussetzung und die Quote des Überlebens. Für ersteres versucht Scheidel, uns damit zu schockieren, daß er schreibt, ,every other mother [or rather, every other mother who survived to menopause] would have exposed one of her children‘.69 Aber selbst höhere Quoten der Kindesaussetzung als

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diese sind für eine Reihe von Milieus belegt und dürften bei vielen anderen Bevölkerungen vorgeherrscht haben. Wie David Kertzer auf der Grundlage jüngster Arbeiten hervorhob,70 reichte der Grad der Aussetzung von 20% bis über 35% aller Geburten in Städten wie Paris, Wien, Mailand und Florenz zu verschiedenen Zeiten des 18. und 19. Jahrhunderts. Warum sollten wir die Möglichkeit ausschließen, daß eine vergleichbare Quote in vielen städtischen und ländlichen Regionen des Römischen Reiches existierte?71 Dies bedeutet nicht, die römische Offenheit gegenüber der von Apuleius so genannten insita matribus pietas (Met. 10,23) außer Acht zu lassen. Was die Überlebensquote angeht, haben wir sehr wenig Material. Ich mag gegenüber der schwachen Argumentation, die John Boswell zugunsten einer hohen Überlebensrate ins Feld geführt hat, überreagiert haben, und ich betrachte die desaströse Sterblichkeitsrate von Findelhäusern heute nicht als starken Beweis für das Überleben weniger expositi. Sollte, nur einmal angenommen, die freie Bevölkerung des Römischen Reiches um 100 n. Chr. 50 Millionen betragen haben, sollte seine Geburtenrate bei 47,38% auf 1.000 liegen (Frier), 20% der Neugeborenen ausgesetzt worden und ein Drittel dieser in die Sklaverei geraten sein, so würde dies 157.933 neue Sklaven pro Jahr bedeuten.

Integration und Muster innerhalb des Sklavenhandels Ein weiterer ernster Schwachpunkt der SRH ist seine vollkommene Unvereinbarkeit mit den umfassenden Belegen für einen Sklavenhandel im großen Stil innerhalb des Römischen Reiches, und zwar einem, der aus bestimmten Regionen – besonders Thrakien, Kleinasien und Syrien – nach Italien und andere überseeische Absatzmärkten führte. Ephesos war am Ende der Republik und in der hohen Kaiserzeit Mittelpunkt des Sklavenhandels, wie das neue Zollgesetz zu bestätigen scheint.72 Dieser weitreichende Handel hätte entsprechend der SRH nach der Abnahme der Expansionskriege kaum eine Berechtigungsgrundlage. Die SRH nimmt an, daß die große Mehrheit der benötigten Sklaven beispielsweise in Italien ebendort geboren wurden. Daher unterlässt sie es, den gerade erwähnten Sklavenfluss aus den Provinzen gen Westen zu erklären. Über die Jahre ist das ohnehin bereits hinreichende Corpus an Texten ver-

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größert worden73 und hat z.B. gezeigt, daß ein statarion, ein Sklavenmarkt, in Sardis existierte,74 ebenso wie in Ephesos, Thyatira, Magnesia am Meander, Acmonia und vermutlich an Dutzenden anderen Orten in dieser Region.75 Diese Gebäude bestanden nicht für einen gelegentlichen Handel mit ein paar Dutzend Sklaven (dieser hätte in den gewöhnlichen Markthallen durchgeführt werden können), sondern für ein permanentes Geschäft in großem Stil.76 Einige werden die SRH auch deshalb als nachteilig erachten, da sie Caesar Augustus als einen „Tölpel“ (blunderer) darstellt. Um für die Bezahlung der 7.000 vigiles in Rom und einiger anderer Ausgaben zu sorgen, führte er (7 n. Chr.) eine Steuer von 2% aus Sklavenverkäufen ein (Dio 55,31). Dies bedeutet, daß er davon ausging, daß Hunderte von Tausenden zu versteuernder Sklavenverkäufe (ich habe einmal 250.000 vermutet) jedes Jahr stattfanden. Irgendwann zwischen den Jahren 7 und 43 wurde die Steuer verdoppelt, vermutlich von Caligula.77 Aber erneut: das ganze Vorgehen ist unverständlich, wenn große Haushalte in der Lage waren, den größten Teil ihres Bedarfes an Sklavenarbeit selbst durch Reproduktion zu decken. Zum Schluss: Integration. Sowohl Finley wie Duncan-Jones haben verschiedentlich darauf hingewiesen, daß die wirtschaftlichen Kräfte des Römischen Reiches kaum untereinander vernetzt waren und daher eher als Ansammlung lokaler und regionaler Märkte zu betrachten seien. Die Beschaffenheit des Sklavenhandels dürfte ein weiterer Grund sein, dieses Modell zu verwerfen – wenn wir mehr darüber wissen würden, im besonderen über die Preise. Ich vermute, daß die Sklavenpreise in Rom, Karthago, Ephesos, Alexandria und dem kleinasiatischen Inland entsprechend der Schnelligkeit römischer Informationsübermittlung aufeinander reagierten – es gibt keine Anhaltspunkt, das Gegenteil anzunehmen. Aber diese These kann nicht belegt werden.

Zusammenfassung Es ist sowohl richtig wie falsch, daß das Verhältnis der verschiedenen Quellen der römischen Sklaverei in ihrer Bedeutung zueinander ‚cannot be gauged from ancient texts‘.78 Wir wissen allerdings genug, um die Unwahrscheinlichkeit der SRH, wie

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Scheidel sie aufgestellt hat, zu belegen und die Bedeutung der Importe und besonders des Selbstverkaufs und der Versklavung von Findlingen erneut herauszustellen. Aber dies ist eine Sache der hohen Kaiserzeit und so etwas wie Scheidels Modell (nochmals: wir sollten nicht ein reines ‚entweder/oder‘ sehen) muss sich im Endeffekt selber ausschließen. Nur wann?

Addendum Wie schon gesagt: das in diesem Aufsatz vorgestellte Hauptargument wäre kaum glaubhaft, wenn die freie Bevölkerung des Römischen Reiches in irgendeiner Form ihre natürliche Fertilität um ein beträchtliches Maß reduziert hätte (und dadurch weniger Notwendigkeit für die Aussetzung von Kindern bestanden hätte), so z.B. durch Kräutermedizin, wie sie John Riddle beschrieben hat. Ich scheine einer der wenigen Althistoriker zu sein, die dies als eine echte Alternative betrachten.79 Man könnte so argumentieren, daß einige Regionen diesem Muster folgten, andere jenem. Die Zurückweisung dieses Artikels durch Scheidel (S. 73-91 in diesem Band) offenbart eine Schwäche in sich. Sie basiert auf einer Anzahl nicht zu belegender Annahmen und ignoriert viele entscheidende Belege. Ich lasse die unerklärliche Vermutung (S. 74) unbeachtet, daß die Nachfrage nach Wein im römischen Italien lediglich städtisch bedingt war (was zu einer geringeren Zahl an Sklaven, die in der Weinproduktion eingesetzt wurden, führen würde). Es gibt keine ‚rein mathematischen Gründen‘ (S. 75f.), weshalb die Geschlechterrelation römischer Sklaven in Italien in der mittleren oder späten Republik ein natürliches Niveau erreicht haben sollte; dieses hängt hauptsächlich von den Lebensbedingungen der Sklaven und der Relation zwischen männlichen und weiblichen Sklaven unter den neuen Sklaven ab. Vieles bleibt bei letzterem Punkt natürlich unbekannt, aber ich habe Gründe, anzunehmen, daß die Nachfrage nach männlichen Arbeitern größer war als nach weiblichen. Bisher habe ich nichts Überzeugendes für das Gegenteil gelesen. Die Annahme, Frauen und Kinder seien eher im Krieg versklavt worden, eignet sich nicht für eine Verallgemeinerung (erneut: die Nachfrage ist entscheidend). Das Geschlechterverhältnis der Sklaven im kaiserzeitlichen römischen Ägypten kann ‚nichts für das spätrepublikanische

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Italien belegen‘, wie Scheidel selbst einsieht (S. 77), noch, würde ich meinen, für irgendeine andere Region der römischen Welt, die Kaufsklaverei in großem Stil betrieb. Die nicht durch Belege gestützt Behauptung, daß ‚ancient sources stress the availability of women and children‘ im Sklavenhandel, ist meines Wissens ohne Grundlage und führt ohnehin nicht weiter, da niemand bezweifeln wird, daß in allen in Frage kommenden Epochen viele Frauen und Kinder gekauft und verkauft wurden. Was zählt, ist die Relation der Männer einschließlich der Jungen gegenüber den Frauen, und dafür haben wir lediglich drei Indikatoren: kriegerischen Einfluss, die Art der Nachfrage und schließlich die komparativen Belege (über die bereits oben genug gesagt wurde). Aber was am meisten gegen jede Wahrscheinlichkeit und jeden Beleg spricht, ist die Behauptung (S. 80), daß in den Regionen, die stark auf Kaufsklaverei zurückgriffen, Sklaven gewöhnlich ein reproduktionsfreundliches Familienleben führten. Es ist wahr und trivial, daß wir ‚keine Möglichkeit haben, die Zahl der römischen Sklaven zu bestimmen, die in einer festen Beziehung lebten‘, aber ich nehme an, daß nicht einmal das optimistischste und sentimentalste Deuten der Quellen, wie oben ausreichend dargelegt, den Schluss zulässt, daß solche Partnerschaften die Norm oder auch nur üblich waren. Zur Unfruchtbarkeit frühneuzeitlicher Sklavenbevölkerungen in Africa vgl. Meillassoux.80 In seinem Aufsatz ‚On the Populousness of the Antient nations‘ (Political Discourses, Edinburgh 1752, 167-80), brachte David Hume schlagende Argumente gegen die Fruchtbarkeit der griechischen und römischen Sklavenbevölkerungen. Lo Cascio bemerkte richtigerweise, daß Scheidels und mein Ansatz zu statisch sei, bietet aber selbst keine Alternative.81 Sollte ich mich mit dem Problem nochmals beschäftigen, würde ich für eine steigende Kurve beim Anteil der bereits als Unfreie geborenen römischen Sklaven plädieren. Diese Kurve dürfte nach den zahlreichen Expansionskriegen des Augustus begonnen haben. Columellas Belohnung für fruchtbare Sklaven (1,8,19) sollte als Indiz gesehen werden, daß die intelligenteren Landbesitzer die Abnahme im Sklavenangebot bemerkt und etwas dagegen getan haben. Später dürften solche Beispiele vermutlich gesteigerte Wirkung gezeigt haben, besonders nachdem durch Hadrians passivere Grenzsicherung der Nachschub an fremden Gefangenen drastisch abnahm (obwohl die Unter-

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drückung des Bar-Kochba-Aufstandes im Jahr 135 den Römern etwas Entspannung brachte)82. Um es kurz zu machen: Die Kurve wurde stetig steiler (obwohl jüngste Arbeiten regelmäßige Aufstände in den Provinzen selbst im 2. Jahrhundert herausgearbeitet haben). Ein Indiz dafür dürften die Fragmenta de iure Fisci 13 sein,83 das – was immer es auch exakt meint – ohne Zweifel sehr fruchtbare Sklavinnen innerhalb des kaiserlichen Haushaltes belohnte – zu einem nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt im 2. Jahrhundert. Zur Zeit der severischen Rechtsgelehrten war es klar, daß die Käufer von Sklavinnen gewöhnlich in deren Fähigkeit, Kinder zu bekommen, interessiert waren (dies wird nicht neu sein), obwohl selbst zu dieser Zeit Ulpian noch äußerte, daß ‚Sklavinnen gewöhnlich nicht erworben werden, damit sie Kinder gebähren‘. Einige mögen anführen (ich nicht), daß die wieder aufkommende Aggressivität in der severischen Grenzpolitik durch einen spürbaren Mangel an Sklaven beeinflusst wurde. Auf jeden Fall misst Diokletians Preisedikt, wie Scheidel dies gezeigt hat, Sklavinnen zwischen 8 und 16 Jahren einen besonderen Wert bei, der teilweise durch die Fertilität bedingt sein mag.84 Im frühen – oder mittleren – 3. Jahrhundert könnte es möglich gewesen sein, wie Scheidel dies für die hohe Kaiserzeit annimmt, daß Sklavengeburt tatsächlich die wichtigste Quelle war. Es überrascht nicht, daß in der größten spätantiken Sklaveninventarliste, die uns bekannt ist (aus Thera)85, Männer und Frauen in etwa gleich stark vertreten sind (N = 115).

Anmerkungen * Ich danke den Herausgebern des JRS für ihren Einsatz sowie ihre fachkundigen Anmerkungen zum 1. Entwurf. Ebenso geht mein Dank an Walter Scheidel, daß er mir seinen Aufsatz von 1997 vor der Drucklegung zur Verfügung gestellt hat, an den Wirtschaftswissenschaftler Michael Haines für seine Hilfe mit der Demographie der USSklaverei im 19. Jahrhundert und an viele Freunde, besonders Richard Duncan-Jones, Keith Hopkins, Elio Lo Cascio und Brent Shaw für die Diskussion. Für weitere Ausführungen, überzeugend oder nicht, vgl. E. Lo Cascio, Considerazioni sul numero e sulle fonti di approvvigionamento degli schiavi in età imperiale, in: W. Suder (Hrsg.), Études de démographie du monde gréco-romain, Wrocław 2002; K.R. Bradley, On Captives under the Principate, in: Phoenix 58, 2004, 298-318; W.

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Scheidel, Human Mobility in Roman Italy, II: The Slave Population, in: JRS 95, 2005, 64-79. De lingua Latina 8,21. W. Harris, Towards a study of the Roman slave trade, MAAR 36 (= J.H. D’Arms/E.C. Kopff (Hrsg.), The Seaborne Commerce of Ancient Rome: Studies in Archaeology and History, Rom 1980), 117-140. J. Ramin/P. Veyne, Droit romain et societe: les hommes libres qui passent pour esclaves et l’esclavage volontaire, Historia 30 (1981), 475, waren weniger vorsichtig: ausgesetzte Kinder ‚sont surement la source principale des esclaves sous l’Empire’. Ebd. W. Scheidel, Quantifying the Sources of Slaves in the Roman Empire, in: JRS 87, 1997, 159-169; E.M. Staerman, Die Blütezeit der Sklavenwirtschaft in der römischen Republik, Wiesbaden 1969 (russ. Originalausg. 1964), 70; E. Staerman/M.K. Trofimova, La schiavitù nell’Italia imperiale. I-III secolo, Rom 1975 (russ. Originalausg. 1971), bes. 17 u. 24. Ihre Schlussfolgerung ist moderater und glaubwürdiger als die Scheidels. Scheidel (s. Anm.4), 165. Ich schrieb (Towards a Study (s. Anm.2), 123), daß die Versklavung von ausgesetzten Kindern ‚a far more important source‘ für Sklaven war als jede andere italische oder provinziale Quelle, mit Ausnahme der Sklavengeburt. Die Ausführungen von Ramin und Veyne lassen mich zweifeln, ob ich hätte ‚far‘ schreiben sollen. Ich habe, nebenbei bemerkt, nie die seltsame Bezeichnung ‚social life expectancy‘ gebraucht, wie Scheidel (s. Anm.4), 156 meint. Vgl. z.B. B.W. Higman, Household Structure and Fertility on Jamaican Slave Plantations: a Nineteenth-Century Example, in: Population Studies 27, 1973, 527 (wiederabgedruckt in H. Beckles und V. Shepherd (Hrsg.), Caribbean Slave Society and Economy: A Student Reader, London 1991, 250). Ramin/Veyne (s. Anm.2), 481. Vgl. z.B. Dio Chrys. 15,3-5. Vgl. Child-Exposure in the Roman Empire, in: JRS 84, 1994, 14. Towards a Study (s. Anm.2), 119f. Vgl. ferner Lo Cascio (s. Anm.*), 58f. für diese unausgeglichene Geschlechterverteilung. BC 1,7,29, eine Annahme, die von E. Gabba (s. Anm.*), 17f. zurückgewiesen wird. Herrmann-Otto, die diese Passage untersucht, ohne zu einer genauen Schlussfolgerung zu kommen, irrt in der Behauptung (E. Herrmann-Otto, Ex Ancilla Natus, 1994, 234, Anm.6), daß die Forscher, die sie auflistet, u.a. mich selbst, so weit gehen würden, anzunehmen, daß es keine nennenswerte natürliche Reproduktion von Sklaven während der Republik gab. Dies wäre eine bizarre Ansicht. [Korrektur durch die Autorin: Hier wurde aus dem Zusammenhang gerissen zitiert: „Kriegsgefangenschaft in der Republik und Aussetzung in der Kaiserzeit

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verbunden mit Handel sind die vorrangigen Quellen für die römische Sklaverei.“ Dafür nenne ich Harris als Vertreter.] Man könnte annehmen, daß Appians Bemerkung ein besserer Beleg wäre, wenn er nicht authentisch republikanisch wäre, aber in jedem Fall ist es ein dürftiger Quellenbeleg. Varro rust. 2,10,6, und Colum. 1,8,19 werden von W. Scheidel, Quantifying the Sources of Slaves in the Roman Empire, in: JRS 87, 1997, 169 aufgeführt. Nos quidem [...] feminis quoque fecundioribus, quarum in subole certus numerus honorari debet, otium nonnumquam et libertatem dedimus, cum complures natos educassent. Nam cui tres erant filii [sons or children?] vacatio, cui plures libertas quoque contingebat. (‚Kinderreicheren weiblichen Sklaven, bei denen ja eine bestimmte Kinderzahl einer Ehrung würdig ist, habe ich die Arbeit erlassen, ja manchmal die Freiheit geschenkt, wenn sie mehrere Söhne aufgezogen haben. Hatte nämlich eine Sklavin drei Söhne [oder Kinder?], dann erhielt sie Arbeitsbefreiung, hatte sie mehr, dann auch die persönliche Freiheit‘). Vgl. T.G. Parkin, Demography and Roman Society, Baltimore/London 1992, 122. Eine solche Regel musste die weiblichen Kleinkinder einem hohen Risiko aussetzen. Zur Attraktivität und Erschwinglichkeit von vernae vgl. Towards a study (s. Anm.2), 118-120. Für das Fragmenta de iure fisci 13 (FIRA hrsg. Riccobono II, 629) vgl. das Addendum dieses Aufsatzes. Cicero übersetzte das Buch in seiner Jugend (De off. 2,87) und seine Übersetzung war weit bekannt; vgl. Pomeroys Kommentar (S.B. Pomeroy: Xenophon - Oeconomicus. A Social and Historical Commentary, Oxford 1994, 70). Sie liegt jedoch in ihrer Annahme falsch (299), für Xenophon wären nur hausgeborene Sklaven akzeptabel gewesen: so weit ich sehe äußert er nirgends eine solche Meinung. Außerdem stellt Oec. 7,34 keinen Beleg dafür dar, daß, selbst in Xenophons Darstellung, ‚Ischomachus’ slaves evidently do more than reproduce their numbers‘. Unter Berücksichtigung vorseverischer Zeiten beruht diese Vermutung auf einer Argumentation des Schweigens und der Wahrscheinlichkeit. Dann gibt es Ulpians Kommentar in Dig. 5,3,27pr.: quia non temere ancillae eius rei causa comparantur ut pariant, ‚da Sklavinnen schwerlich aus dem Grund gekauft werden, damit sie gebären‘; für die Bedeutung von non temere vgl. Sueton, De gramm. 4,5, Gellius 20,5,4 und das Oxford Latin Dictionary, Bedeutung 3. Es wurde darüber gestritten, ob non temere interpoliert sei: F. De Martino, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom. München 1985, 265f. (T. Kinsey übersetzte in A. Watson, The Digest of Justinian (1985) falsch: ‚Slave girls are not acquired solely as breeding stock‘.) Es besteht kein Widerspruch zwischen Ulpians Aussage und Dig. 21,1,14,1 (auch Ulpian) oder 19,1,21pr.

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(Paulus), beides Texte, die die offensichtliche Tatsache bestätigen, daß Käufer beim Kauf von Sklavinnen manchmal (wie sie es normalerweise sein müssten) an deren Fähigkeit, Kinder zu bekommen, interessiert waren. Scheidel (s. Anm.4), 157 Anm. 14. H. Thomas, The Story of Atlantic Slave Trade 1440-1870, London 1997, 572. Allerdings lehnen andere Historiker wie z.B. H.S. Klein diese Ansicht ab (persönlicher Kontakt). S. Tac. Germ. 25. S. D. Eltis/S.L. Engerman, Fluctuations in Sex and Age Rations in the transatlantic Slave Trade, 1663-1864, in: Economic History Review 46, 1993, 308-323, die das Geschlechterungleichgewicht als normal für eine Migrationsbevölkerung erachten. Für einen interessanten Ansatz, der die Faktoren der Zielregionen mit der abweichenden Nachfrage verbindet, s. R. Olwell, Masters, Slaves and Subjects: the Culture of Power in the South Carolina Low Country 1740-1790, Ithaca 1998, 28 Anm.44. S. auch H.S. Klein, The Atlantic Slave Trade, Cambridge 1999. Vgl. D. Eltis/D. Richardson, West Africa and the Transatlantic Slave Trade: New Evidence of Longrun Trends, in: Dies. (Hrsg.), Routes to Slavery: Direction, Ethnicity and Mortality in the Transatlantic Slave Trade, London 1997, 32f. Vgl. Harris (s. Anm.2), 119f. Das ist ‚the number of daughters that a cohort of newborn girl babies will bear during their lifetime assuming a fixed schedule of age-specific fertility rates and a fixed set of mortality rates‘. H.S. Shryock/J.S. Siegel, The Methods and Materials of Demography, San Diego 1976, 315 [[und (2004), 431). Die Bruttoreproduktionsrate (GRR = gross reproduction rate) berücksichtigt die Sterblichkeit der Mütter nicht, daher ist sie für vormoderne Gesellschaften wesentlich höher als die NRR; vgl. Parkin (s. Anm.13), 87]]. Scheidel (s. Anm.4), 169 liegt mit der Annahme falsch, wir wüssten, daß solche Familien unter römischen Sklaven verbreitet gewesen wären, und irrt, wenn er annimmt, R.S. Bagnall/B.W. Frier, The Demography of Roman Egypt (Cambridge Studies in Population, Economy and Society in Past Time 23), Cambridge 1994, würden seine Sicht teilen (s. S. 156159 für die einschlägigsten Aussagen). S. unten die Ausführungen, daß das Geschlechterverhältnis, das in den Zensusnachweisen aus der ägyptischen chora aufgeführt ist (mehr Sklavinnen als Sklaven), das vorherrschende Muster im Römischen Reich als Ganzes verdreht. Für genauere Angaben s. A.M. John, The Plantation Slaves of Trinidad, 1783-1816: a Mathematical and Demographic Enquire, New York/Cambridge (1988).

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S. z.B. M. Craton, Death, Disease and Medicine on the Jamaican Slave Plantations: the Example of Worthy Park, 1767-1838, in: Histoire Sociale 9, 1976, 237-255; R.B. Sheridan, Doctors and Slaves: A Medical and Demographic History of Slavery in the Britisch West Indies, 16801834, Cambridge 1985. H. Lamur, Demographic Performance of Two Slave Populations oft the Dutch Speaking Caribbean, in: Buletin de Estudios Latino Americanos y del Caribe 30, 1981, zitiert aus: H. Beckles/V. Shepherd, (Hrsg.), Caribbean Slave Society and Economy, London 1991, 216. Für einige der tödlichen Arzneimittel, die von Ärzten während der Atlantikreise verabreicht wurden, s. K.F. Kiple/B.T. Higgins, Mortality Caused by Dehydration during the Middle Passage, in: J.E. Inikori/S.L. Engerman (Hrsg.), The Atlantic Slave Trade. Effects on Economies, Societies, and Peoples in Africa, the Americas and Europe, Durham/London 1992, 321-337, bes. 327. S. kürzlich K.O. Bankole, Slavery and Medicine. Enslavement and Medical Practices in Antebellum Louisiana, New York 1998. Im 2. Jahrhundert gab es kurzzeitige Versuche von staatlicher Seite, Sklaven vor übermäßiger Bestrafung und Überarbeitung zu schützen; vgl. P. Garnsey, Ideas of Slavery from Aristotle to Augustine, Cambridge 1996, 93-97. P.D. Shaw, The Cultural Meaning of Death: Age and Gender in the Roman Familiy, in: D.I. Kretzer/R.P. Saller, The Familiy in Italy from Antiquity to the Present, Yale University Press 1991, 87, unter Benutzung der Arbeiten von P. Zanker und D.E.E. Kleiner. Einige Sklaven lebten natürlich in stabilen Familienstrukturen. R.W. Fogel/S.L. Engerman, Time on the Cross. The Economics of American Negro Slavery, Boston/Toronto 1974, 126-144. Die grundlegende, ebenfalls stark debattiert Untersuchung ist H.G. Gutman, The Black Family in Slavery and Freedom, 1750-1925, New York 1974, Kap. 2-4; s. auch P. Kolchin, American Slavery, 1619-1877, New York 1993, 138-143. Scheidel (s. Anm.4), 163 Anm.29 vermittelt in diesem Punkt ein falsches Bild. Herrmann-Otto (s. Anm.10), bes. 264. Diese Sache bleibt bei Scheidel unerwähnt. Dieses wurde durch R.S. Bagnall, Missing Females, in: Roman Egypt, Scripta Classica Israelica 16, 1997, 121-138 bekräftigt. Bagnall/Frier (s. Anm.24), 94. S. Anm.24, 157. Towards a Study (s. Anm.2), 119. B.W. Higman, Slave Populations of the British Caribbean 1807-1834, Baltimore 1984, 118.

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Z.B. S. Treggiari, Family Life Among the Staff of the Volusii, in: TAPhA 105, 1975, 395. Vgl. bes. Shaw (s. Anm.31), 81f. 77% der inschriftlich bedachten Mitglieder des Haushaltes der Livia scheinen männlich gewesen zu sein (S. Treggiari, Jobs in the Household of Livia, in: PBSR 43, 1975, 58), ebenso 66% der inschriftlich bedachten servi urbani der Statilii und Volusii (diese Zahl beinhaltet die Freigelassenen) (Treggiari, (s. Anm.40), bes. 395, die zögernd äußert, Anm.10, daß, da für Frauen geöffnete Begräbnisvereine bekannt sind, ‚they should have had an equal chance of being commemorated‘). In Karthago waren 76% der inschriftlich bezeugten Mitglieder des kaiserlichen Haushaltes männlich: P.R.C. Weaver, Familia Caesaris. A Social Study of the Emperor' s freedmen and Slaves, Cambridge 1972, 172. P. Oxy. XLIV, 3197. Keine andere römische Inventarliste von vergleichbarer Größe wurde bisher veröffentlicht. S. dazu aber das Addendum. G.E.M. de Ste. Croix, The Class Struggle in the Ancient Greek World. From the Archaic Age to the Arab Conquests, Ithaca/New York 1981, 588, mit angemessener Zurückhaltung bzgl. der möglichen Bedeutung solcher Belege. 12,4,3: einige Fachleute meinten, daß die Nahrung vor allem Personen ohne sexuelle Kontakte vorbehalten werden sollte, d.h. Jungen oder Mädchen; 8,2,7: ein Junge oder eine alte Frau sollen die Aufsicht über das herumlaufende Geflügel haben. Das ist keine reiche Ausbeute für mehrere hundert Seiten. In 12,3,5-9 beschreibt er die Pflichten der vilica, der Frau des Gutsverwalters, und sie erscheint seltsam isoliert von den anderen Frauen. Für das Konzept der Jahrgangsfertilität vgl. z.B. C. Newell, Methods and Models in Demography London 1988, 52-62; S.S. Halli/K.V. Rao, Advanced Techniques of Population Analysis, Berlin 1992, 42-45. Der Jahrgang, den wir betrachten, ist natürlich nicht ausschließlich in die Sklaverei hineingeboren. A.J. Coale/P. Demeny u.a., Regional Model Life Tables and Stable Populations, New York ²1983, 57, 82, 399, 449. Die Verwendbarkeit des Model West (oder South) für die antike Welt muss unter Berücksichtigung der Geschichte der Todesursachen neu untersucht werden (keine der 130 Tabellen, auf denen Model West basiert, reichen weiter zurück als 1870 (S. 12), eine Zeit, die neben anderem später liegt als Listers Entdeckung der Antiseptik; 5 der 22 Tabellen, auf denen Model South basiert, sind aus dem Italien der Jahre 1876-1910, alle anderen sind von 1900 oder später (ibid.)), aber das Problem kann hier nicht weiter verfolgt werden. Es ist z.B. unwahrscheinlich, daß viele Länder, wenn überhaupt welche, deren Statistik dazu diente, Model West zu bestimmen, ein annähernd hohes Niveau an Kindersterblichkeit durch

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Kindesaussetzung hatten wie die Antike. Level 3 meint übrigens, das die Tabelle eine Bevölkerung betrifft, in der e0 = 25 ist. H.W. Pleket, Wirtschaft, in: W. Fischer u.a., Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Stuttgart 1990, I, 57, B.D. Shaw, Rez.: T.G. Parkin, Demography and Roman Society, in: CPh 89, 1994, 190f. Unter der Annahme, daß es etwa 105 männliche Lebendgeburten auf 100 weibliche gab. Vgl. R. Duncan-Jones, Structure and Scale in the Roman Economy, Cambridge 1990, 100f. Wenn die Geschlechterrelation der Sklavenbevölkerung wirklich so groß wie 300 war, würde die Selbstreproduktion ein noch absurderes Niveau an Fertilität benötigt haben; aber ich bestreite nicht die Möglichkeit, daß eine solche Bevölkerung nach etwas Rückgang die Geschlechterrelation erreicht haben könnte, die im Text angegeben ist. Würde man Model South anwenden, wäre ein noch größerer GRR nötig. Scheidel (s. Anm.4), 159. Somalia: vgl. bes. Periplous Maris Erythraei 13. Sahara: CIL VIII, 4508, mit D.J. Mattingly, Tripolitania, London 1995, 156; M. Brett/E. Fentress, The Berbers, Oxford 1996, 68f. Für Mauretanien vgl. Towards a study (s. Anm.2), 126. Scheidel (s. Anm.4), 159f. Die Auffassung, in römischer Zeit habe es große Bevölkerungswanderungen in Nordost-Europa gegeben, scheint, nachdem sie zwischenzeitlich verworfen wurde, wieder Fuß zu fassen; vgl. P. Heather, The Goths. The Peoples of Europe, Oxford 1996, 48-50. Für eine Untersuchung dieser Belege vgl. Towards a Study (s. Anm.2), 124. Wenn Tacitus davon spricht (Germ. 19), daß die Germanen Kinder nicht aussetzten, dann mag dies daran gelegen haben, daß sie, wenn es nötig geworden wäre, einige davon als Sklaven exportierten. Sie exportieren angeblich Leute, die wegen Spielschulden versklavt worden waren (Germ. 24). Es gibt keinen demographischen Grund, den langfristigen Import von 40.000 Sklaven pro Jahr in Zweifel zu ziehen. Müsste ich mich festlegen, würde ich mich jedoch für eine geringere Zahl entscheiden. Scheidel (s. Anm.4), 164 Anm. 34 scheint anzudeuten, daß die Zahl von 70.000 pro Jahr, die die Höchstzahl im Atlantischen Sklavenhandel war, bedeutet, daß 40.000 eine zu große Zahl sei. Aber die eine Zahl hat nichts mit der anderen zu tun. Vgl. aber J. Crook, Law and Life of Rome, 90 B.C.-A.D. 212, Ithaca 1967, 59f.; G. Alföldy, Die Freilassung von Sklaven und die Struktur der Sklaverei in der römischen Kaiserzeit, in: RSA 2, 1972, 125 (315 im Nachdruck von 1986).

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De ben. 4,13,3. Sie werden unter denen aufgeführt, die summam utilitatem aliis adferunt, (‚von großem Nutzen für andere sind‘). S. in: Ramin/Veyne (s. Anm.2), 472. Clemens Romanus 1,55,2; Papinian in Dig. 41.3.44pr. (frequenter ignorantia liberos emimus (‚wir kaufen regelmäßig unwissend Freie‘)); Petronius Sat. 57,4; Dio Chrysostom 15,23 (?); Ulpian in Dig. 21,1,17,12; 28,3,6,5. Für einen Soldaten war der Selbstverkauf – wenig überraschend – ein Kapitalverbrechen, Dig. 48,19,14 (Macer). Vgl. J.-J. Aubert, Business Managers in Ancient Rome: a Social and Economic Study of Institores, 200 B.C.-A.D. 250 (Columbia Studies in the Classical Tradition 21), Leiden/New York/Köln 1994, 194. Ramin/Veyne (s. Anm.2), 496 betrachten den Selbstverkauf als dritte große Quelle der Sklaverei neben Findlingen und Reproduktion. Vgl. P. Garnsey, Famine and Food Supply in the Graeco-Roman World (1988); W. Harris, Poverty and Destitution in the Roman Empire, in: W. Harris, Rome’s Imperial Economy. Twelve Essays, New York 2011, 27-54. F. Braudel, Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, Bd. 1: Der Alltag, München 1985 (Originalausg. 1979), 72f. Vgl. Child-Exposure (s. Anm.8), 1,20f. Ramin/Veyne (s. Anm.2), 477. Scheidel (s. Anm.4), 164. In L.A. Tilly u.a., Child Abandonment in European History: a Symposium, in: Journal of Family History 17, 1992, 15. Vgl. auch W. Harris, The Theoretical Possibility of Extensive Infanticide in the GraecoRoman world, in: CQ 32, 1982, 114-116. P. Brulé (Enquête démographique sur la famille grecque antique, in: REA 92, 1990, 233-258) hat gemutmaßt, daß mehr als 50% der weiblichen Neugeborenen in einigen hellenistischen Städten ausgesetzt wurden. Scheidel (s. Anm.4), 165 Anm.37 scheint behaupten zu wollen, daß hohe Zahlen von Aussetzung durch die Existenz von Findelhäusern begünstigt wurden, die es natürlich in der Antike nicht gab. Hohe Aussetzungszahlen sind aber in anderen Gesellschaften ohne Findelhäuser ebenso bekannt (M. Dickeman, Demographic Consequences of Infanticide in: Man, Annual Review of Ecology and Systematics 6, 1975, 130); die Grundannahme ist zudem falsch, da aussetzende Eltern zumindest eine gewisse Ahnung davon gehabt haben, daß Findelhäuser gefährlich waren – und, da sie Brutstätten für Krankheiten waren, ist es durchaus möglich, daß die traditionellen Findelhäuser zu einer höheren Sterblichkeit führten als die griechisch-römische Aussetzung. H. Engelmann/D. Knibbe, Das Zollgesetz der Provinz Asia, in: Epigraphica Anatolica 14, 1989, Z. 11-12, 98f., 117-122. Vgl. nun den Band von M. Cottier u.a., The Customs Law of Asia, Oxford 2008.

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Vgl. Towards a Study (s. Anm.2), 126-128. Ich sollte noch den Hinweis auf den Sklavenhandel im aus hadrianischer Zeit (nicht aus dem 1. Jahrhundert) stammenden Zollgesetz von Kaunos nennen (G.E. Bean, Notes and Inscriptions from Caunus, in: JHS 74, 1954, 97-105 = SEG XIV (1957), Nr. 639 = C. Marek (Hrsg.), Die Inschriften von Kaunos, München 2006, Nr. 35. Vgl. die vermutlich flavische Inschrift, die P. Herrmann, Neues vom Sklavenmarkt in Sardeis, in: Arkeoloji Dergisi 4, 1996, 175-187 veröffentlicht hat (der Text wurde andernorts zitiert, z.B. SEG XLIII (1994), S. 311. Vgl. SEG XLV (1996), Nr. 1524. Das Thema der charakteristischen Architektur griechisch-römischer Sklavenmärkte wurde oft diskutiert. Vgl. W. Harris, Towards a Study of the Roman Slave Trade, in: W. Harris, Rome’s Imperial Economy. Twelve Essays, New York 2011, 57-87, hier 87. Über den Sklavenhandel gibt es an anderer Stelle in Anbetracht von Untersuchungen wie der von F. Coarelli, „Magistri capitolini“ e mercanti di schiavi nella Roma repubblicana, in: Index 15, 1987, 175-190 mehr zu sagen. Towards a Study (s. Anm.2), 121. Für eine detaillierte, aber ergebnislose Untersuchung über die Bezahlung der vigiles vgl. R. Sablayrolles, Libertinus miles. Les cohortes de vigiles, Rom 1996, 333-342. Scheidel (s. Anm.4), 156. W. Harris, Rez.: J. Riddle, Contraception and Abortion from Antiquity to the Renaissance, und Rez.: T.G. Parkin, Demography and Roman Society, beide in: New York Review of Books (18. September 1993), 5254. Vgl. auf der anderen Seite B.W. Frier, Natural Fertility and Family Limitation in Roman Marriage, in: CPh 89, 1994, 318-333; W. Scheidel, Demography, in: W. Scheidel, I. Morris and R. Saller (Hrsg.), The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World, Cambridge 2007, 38-86, bes. 67. C. Meillassoux, The Antropology of Slavery: The Womb of Iron and Gold, übers. v. A. Dasnois, Chicago 1991, 78-84. Lo Cascio (s. Anm.*), 61 Fn. 27. Harris (s. Anm.2), 122. Harris (s. Anm.2), 135 Fn. 34. W. Scheidel, Reflections in the Differential Valuation of Slaves in Diocletian’s Price Edict and in the United States, in: MBAH 15,1, 1996, 67-79. E. Geroussi-Bendermacher, Propriété foncière et inventaire d’esclaves: un texte inédit de Perissa (Thera) tardo-antique, in : V.I. Anastasiadis und P.N. Doukellis (Hrsg.), Esclavage antique et discriminations socioculturelles, Bern 2005, 335-358.

III. Das Verhältnis von Herren und Sklaven Joseph Vogt: Sklaventreue, aus: J. Vogt, Sklaverei und Humanität. Studien zur Antiken Sklaverei und ihrer Erforschung. 2. erweiterte Auflage, 83–96 (Historia Einzelschriften 8), Wiesbaden © 1972 Franz Steiner Verlag

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Sklaventreue Valerius Maximus bringt im 6. Buch der „Denkwürdigen Taten und Worte“ Beispiele für die hohen Tugenden der gravitas, iustitia, fides. In drei Rubriken wird fides anschaulich gemacht: Treue des Staates, Treue der Ehefrauen und Treue der Sklaven (6,8). Diese Einstufung der Sklaven ist im höchsten Maß überraschend. Der Autor selbst scheint dies empfunden zu haben, denn im Einleitungssatz betont er ausdrücklich, die Treue der Sklaven gegen ihre Herren verdiene um so mehr Lob, je weniger sie erwartet werden könne. Die allgemeine Meinung besagte ja doch, daß die Sklaven lügnerisch und falsch, widerspenstig, verräterisch und stets auf Flucht bedacht seien. Die Sklavenbesitzer hatten mancherlei harte Verfahren eingeführt, um sich gegen Betrug und Bedrohung zu sichern: sie wandten die Folter an, wenn sie eine wahre Aussage von einem Sklaven erhalten wollten, und sie mischten Sklaven von recht verschiedener Herkunft und Sprache durcheinander, um die Konspiration zu erschweren. Noch Ovid sprach es aus, daß die Gestalten des Menander ewig dauern werden: der falsche Sklave und der harte Vater, die schamlose Kupplerin und die schmeichlerische Dirne (amores 1,15,17f.). Aber es gab auch Ausnahmen von der Regel. Wie hätte sonst die Gesellschaft bestehen können? Besonders unter den Haussklaven haben manche die Fürsorge und Güte der Herren durch Eifer und Ergebenheit im Dienst erwidert; es gab, wie man schon in den Gedichten Homers las, immerfort zuverlässige Sklaven, denen man einen Teil des Haushalts übergeben konnte, es gab anhängliche Pädagogen und Ammen. Die Griechen wandten den Begriff πιστός im Sinn von vertrauenswürdig, treu, nicht nur auf Ehegatten und

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Freunde, sondern auch auf Boten und Wächter und oft auch auf Sklaven an.1 Die klassische Tragödie kennt die Rolle des vertrauten Sklaven und der vertrauten Sklavin, die ihrer Herrschaft mit Rat und Hilfe zur Seite stehen, ja bei Euripides erscheint am Rand des tragischen Geschehens die Gestalt des edlen Sklaven, der für sich die Gesinnung des freien Menschen in Anspruch nimmt. Allerdings geht aus solchen Lebenserfahrungen und Wunschbildern doch nirgends die Forderung nach Aufhebung der Sklaverei hervor, auch nicht in der Neuen Komödie. Menander erklärt den wohlgesinnten Sklaven als den schönsten Besitz (fr. 644 K.), aber auch er sieht für den Sklaven, der innerlich frei ist, nur ein Betätigungsfeld im Bereich des Sittlichen gegeben, nicht aber den Aufstieg in die Gesellschaft der Freien. Solche Werturteile sind auch in der römischen Gesellschaft aufgekommen und in das Schrifttum eingegangen, zumal in der Zeit, als die hellenistische Literatur in Rom nachgebildet wurde2. Es spricht viel dafür, daß die Stellung des römischen Sklaven, der nach alter Auffassung zur familia gehörte, in vieler Hinsicht günstiger war als die des Unfreien in der griechischen Gesellschaft; jedenfalls legen zahlreiche Beobachtungen zur Religion der Sklaven diese Annahme nahe.3 In der römischen Komödie gewinnt der Haussklave eine Bewegungsfreiheit, die gegenüber dem griechischen Vorbild entschieden größer erscheint, sowohl als servus callidus, der die Schlüsselstellung in manchem Stück einnimmt, wie auch, als servus bonus, servus frugi, der häufig als Gegenbild des schlauen Intriganten erscheint. Plautus läßt in mehreren Stücken den guten Sklaven einen Monolog sprechen, in dem die Eigenschaften des ergebenen Dieners aufgezählt werden: er denkt mehr an die Sache des Herrn als an den eigenen Vorteil; er will den Herrn zufriedenstellen, auch wenn dieser abwesend ist, ja er will auch im Schlafe nichts anderes denken, als daß er Sklave ist.4 Wenn auch als Motiv solcher Gesinnung die Furcht vor Bestrafung oder die Hoffnung auf Freilassung erscheint, so ergibt sich doch ein ehrenwertes Bild braver Dienerschaft. Diesem ergebenen Sklaven wird in der Sprache des Plautus die Charaktereigenschaft fidus und fidelis zugesprochen.5 Es gibt unter diesen treuen Sklaven einzelne hervorragende Gestalten, die die gute Tat um ihrer selbst willen tun, wie der sich aufopfernde Tyndarus in den „Captivi“ des Plautus und der sich ganz in die Lage seiner Herrschaft hineinfühlende Geta in den Adelphoe des Terenz.6

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In den gebildeten Kreisen der römischen Gesellschaft des 2. Jahrhunderts hatte man menschliche Aufgeschlossenheit genug, um den ergebenen Dienern und Helfern jenen Teil einer sittlichen Persönlichkeit zuzuerkennen, der in dem Begriff fides enthalten ist und der alles umschließt, was wir mit den Worten Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Treue wiedergeben.7 Dafür haben wir das vielsagende Zeugnis des Dichters Lucillus (579 f. Marx), der in einer schon im Altertum beachteten Grabschrift seinem Sklaven Metrophanes die Treue bezeugt hat: servus nequc infidus domino neque inutilis quanquam Lucili columella hic situs Metrophanes8. Von nun an gibt es griechische und noch mehr lateinische Grabschriften, in denen Sklaven gerühmt werden. Auch dies ist ein Zeugnis der besonders für die römische Gesellschaft charakteristischen humanen Gesinnung, daß nicht selten Herr und Sklave in einer gemeinsamen Grabstätte beigesetzt worden sind. Jedoch so köstlich auch der Besitz eines ergebenen Haussklaven sein mochte, so häufig man seine treuen Dienste rühmen konnte, diese Erfahrungen reichten nicht hin, die Sklaven im gleichen Rang mit den Ehefrauen als Musterbilder der Treue zu verherrlichen und ihre Taten in die Sammlung denkwürdiger Beispiele aufzunehmen. Es mußte erst eine Situation eintreten, in der von den Sklaven eine außerordentliche Bewährung ihrer Ergebenheit verlangt wurde: eine in aller Bewußtheit getroffene Entscheidung für den angestammten Herrn und gegen den Machthaber, der sich ein höheres Herrenrecht anmaßte. Dies ist in dem Jahrhundert der römischen Bürgerkriege eingetreten, als die einheitliche Staatsführung zerfiel und die ständische Geschlossenheit der Gesellschaft auseinanderbrach. Paul Jal hat in seinem gehaltvollen Buch über den römischen Bürgerkrieg die grauenvollen Züge der politischen Selbstvernichtung, der sozialen Auflösung und des moralischen Verfalls in dem Zeitalter von Sulla bis Vespasian nachgezeichnet9. In diesen Wirren ist auch für die Sklaven die Stunde äußerster Gefährdung und zugleich stärkster Verlockung gekommen. Jetzt haben reiche Gutsbesitzer begonnen, aus ihren Sklaven militärische Banden zu formieren und mit diesen in entlegenen Landschaften Raub in großem Stil zu betreiben. In der Stadt Rom haben Parteihäupter sich Leibwachen aus Sklaven und

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Barbaren zugelegt, und es zeigte sich bald, daß diese Stoßtrupps, wenn sie nur gut ernährt und kraftvoll geführt wurden, um so bessere Dienste taten, je fremder sie den umstrittenen politischen Zielen blieben. Die Formierung dieser Sklavenhaufen durch politische Machthaber und Agenten – die Namen Clodius und Milo mögen hier für viele andere stehen10 – erinnert an die Aufstellung einer Leibgarde aus Sklaven und Fremdstämmigen, wie sie der Repräsentant der griechischen Tyrannis, Dionys von Syrakus, mit größtem Erfolg vorgenommen hatte11, sie nimmt auf der andern Seite das Verfahren der Kaiser des julisch-claudischen Hauses vorweg, die sich aus Germanen, die von Augustus bis Caligula in der Unfreiheit verblieben, eine ihnen ganz persönlich verpflichtete Haustruppe schufen12. In späteren Jahrhunderten haben vor allem orientalische Despoten, wie die Ayyubiden und Mamluken in Ägypten, die Osmanen im türkischen Reich, es verstanden, in ihren Sklaventruppen durch die Sicherung des nackten materiellen Vorteils eine blinde Anhänglichkeit an den Herrn und eine wahre Lust am Sklavensein zu züchten. Doch es ist nicht diese Ausbeutung der kollektiven Sklaventreue, die den Geschichtsschreibern der römischen Bürgerkriege und den Verfassern von Handbüchern wie Valerius Maximus Beispiele geliefert hat. Die schwerste Erprobung der Haussklaven trat vielmehr dort ein, wo sie in aller Form gegen ihre Herren aufgerufen wurden und als Lohn des Verrats die Freiheit versprochen bekamen. Dies ist in beschränktem Umfang unter Marius und Sulla und dann in hemmungsloser Weise durch die Triumvirn im Jahr 43 geschehen. Bei den Proskriptionen wurden alle Bande der römischen Familie zerrissen, die Tugenden der pietas und fides wurden von Staats wegen unterdrückt. Durch Edikte wurden jetzt Ehefrauen und Kinder, Freunde und Klienten, Freigelassene und Sklaven unter den äußersten Drohungen verpflichtet, ihre Herren und Beschützer anzuzeigen und auszuliefern. Nun war es jedem einzelnen Menschen auferlegt zu entscheiden, wem er Treue schuldete. Die Zeitgenossen haben den Terror dieser Jahre qualvoll empfunden, es gab Verräter und Märtyrer von Haus zu Haus, und die nachfolgenden Generationen haben die Schandtaten und Tugendbeispiele im Gedächtnis bewahrt. Viele Sklaven haben versagt, sehr viele sind in das Lager geflohen, in dem die größten Vorteile winkten, und doch war die Zahl derer, die allen Versuchungen standhielten, ganz erheblich.

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Wenn die Geschichtsschreiber der Bürgerkriege über diese vielgestaltigen Prüfungen der fides berichteten, dann stellten sie die Sklaven der Proskribierten neben ihre Ehefrauen und Söhne. Velleius (2,67,2) faßt die Summe seines Wissens in die wenigen Worte zusammen, im Verhalten zu den Proskribierten sei die Treue der Frauen hervorragend, die der Freigelassenen mittelmäßig, die der Sklaven schwach, die, der Söhne null gewesen (id tamen notandum est fuisse in proscriptos uxorum fidem summam, libertorum mediam, servorum aliquam, filiorum nullam). Es wurde für Historiker, Redner und Dichter förmlich zum Gemeinplatz, den Schrecken der Bürgerkriege durch die Reaktionen der mit gleichem Rang behandelten Freien und Unfreien anschaulich zu machen13. Die Großtaten der Bewährung aber gingen in die Sammelwerke der Exempla ein: de fide servorum neben de fide uxorum. In Appians Geschichte der Bürgerkriege ist uns die früheste ausführliche Behandlung der wunderlichen Schicksale der Proskribierten des Jahres 43 erhalten (4,13,49-51,224). Man hat gezeigt, daß diese Darstellung, die ebenso reich ist an dramatischer Wucht wie an romanhafter Ausschmückung, nicht aus der Hauptquelle des Geschichtsschreibers stammt, sondern aus anderen Vorlagen übernommen ist14. Appian kennzeichnet im Eingang mit allem Nachdruck den völligen Zerfall der Hausgemeinschaft, so daß die Opfer sich vor ihren Frauen und Kindern, Freigelassenen und Sklaven, Schuldnern und Nachbarn noch mehr zu fürchten hatten als vor den Häschern (4,13,51). Aus Hausgenossen wurden Feinde; fast jeder wurde dem Hausgenossen untreu und stellte den eigenen Vorteil über das Mitleid mit diesem (4,13,53f.).15 Nach dieser recht summarischen Angabe werden die vielfachen Formen der Gegenwehr, des Verstecks und des schrecklichen Ausgangs bezeichnet und dann (4,15,59) der Eifer und die Tugend von Frauen, Kindern, Brüdern und Sklaven, die auf Rettung der Geächteten bedacht waren, erstmals hervorgehoben. Appian betont in diesen einleitenden Sätzen das Besondere dieser Vorgänge im Vergleich mit den Geschehnissen in der Zeit des Marius und Sulla und beschränkt seine Berichterstattung auf die glänzenden und die schlechteren Taten (τὰ λαμπρὰ καὶ τὰ χείρω γενόμενα); nur dies will er erzählen, was als das Wunderbarste am meisten in Staunen setzen und das Vorausgeschickte bestätigen kann (4,16,63). „Es ist viel Stoff, und viele Römer haben es in vielen Büchern in ihrer Art dargestellt. Ich will nur weniges niederschreiben

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nach jeder einzelnen Art, was der Beglaubigung des Ereignisses und dem Glücksgefühl der Gegenwart dienen kann, wegen der Länge nur der Hauptsache nach.“ (4,16,64). Es gab also römische Geschichtswerke (Ῥωμαῖοι συνέγραψαν), die diesen Stoff behandelten; aber auch die Klassifizierung der Begebenheiten nach guten und schlechten Taten war offenkundig schon vorgebildet, also die Rubrizierung in Beispielsammlungen16. Das Wenige, auf das sich Appian beschränkt, ist immer noch ein großer, mannigfaltiger Stoff. Er ist so geordnet, daß zunächst über Männer berichtet wird, die den Untergang fanden (4,17,65-35,148), dann über unerwartete Fälle von Rettung (4,36,149-51,223). Die große Gruppe der Opfer ist zu einem guten Teil so gegliedert, daß jeweils die Fälle, in denen die Söhne, die Brüder und die Frauen die entscheidende Rolle spielten, zusammengestellt sind17; doch wird auch bei diesen Schicksalen wiederholt das gute oder schlechte Mitwirken von Sklaven erwähnt. Danach werden an einer großen Reihe von Schicksalen die Treue und die Untreue von Sklaven anschaulich gemacht, so in 4,26,108 die „Herrenliebe“ eines Sklaven, der den Hauptmann, der seinen Herrn umgebracht hat, erschlägt und dann sich selbst tötet. In der Einleitung zu dem Abschnitt, der Beispiele von überraschender Rettung bringt, wird neben die Liebe der Frauen zu ihren Männern und die gute Gesinnung von Kindern gegen ihre Väter, die über die Natur hinausgehende Wohlgesinntheit von Sklaven gegen die Herren gestellt (4,36,154 εὔνοιαι … θεραπόντων ὑπὲρ φύσιν ἐς δεσπότας). Der Abschnitt bringt dann auch eine lange Reihe von Beispielen treuer Sklaven, die durch keinen Versager unterbrochen ist (4,43,179-48,208). Es handelt sich zumeist um die Geheimhaltung des Verstecks des Herrn und um Hilfe bei der Flucht – Handlungen, die mit dem Risiko des eigenen Lebens verbunden waren, doch gibt es auch den äußersten Beweis der Treue, den Opfertod für den Herrn (4,44,185f.). Überschaut man das Ganze, so gewinnt man ein Ergebnis, das für die Sklaven weit günstiger lautet, als Velleius es wahrhaben will. Während die Staatsführung zur Tyrannis absank, die herrschende Gesellschaft sich selbst zerfleischte und fast jede Familie an schweren inneren Gegensätzen litt, haben viele Sklaven Heldentaten der Treue verrichtet. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, der Gemeinschaft den unverlierbaren Rest von Anstand und Vertrauen zu bewahren, und haben zugleich ihrem eigenen Stand neue Möglichkeiten der Einflußnahme erschlossen. Unter den

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Machthabern der Zukunft, die ihren eigenen Standesgenossen mißtrauten, begann die langanhaltende Reihe der servi Augusti, die zu hohen Stellen im kaiserlichen Haushalt und in der Staatsführung aufstiegen. […] Eine zusammenhängende Reihe von denkwürdigen Taten der Sklaven gab es von demselben Augenblick an, bei dem auch die Geschichtsschreibung der Bürgerkriege eingesetzt hat: seit dem Auftreten der Gracchen. Die Rubrik des Valerius Maximus (6,8) de fide servorum ist ein uns erhalten gebliebenes Stück aus dieser neuartigen Literatur. Hier steht am Anfang die „ergebene und tapfere“ Bewährung des Sklaven, der bei der Anklage des Redners M. Antonius im Jahr 113 der schärfsten Folterung standgehalten hat. Es folgt die als „hingebungsvolle Rettung“ gewertete Tat des Sklaven, der den jungen Marius getötet und so vor der Grausamkeit Sullas bewahrt haben soll. Daran schließen sich die mit ihren Namen genannten Sklaven des C. Gracchus und des C. Cassius, beide Sklaven gerühmt für ihre Treue, weil sie ihre in hoffnungslose Lage geratenen Herren auf deren Bitten hin getötet und dann sich selbst entleibt haben. Die letzten drei Beispiele, die von fides und pietas künden, gehören dem Unglücksjahr der triumviralen Proskriptionen an. Die Sklaven des C. Munatius Plancus lassen sich so lange foltern, bis ihr Herr sich den Verfolgern stellt; der Sklave des Urbinius Panapio läßt sich für seinen Herrn erschlagen, und derjenige des Antius Restio rettet seinen Herrn, obwohl er von diesem zuvor in Ketten gelegt und mit dem Brandmal versehen worden war, durch eine grausige List: er erschlägt einen alten Bettler, wirft ihn auf den Scheiterhaufen und erklärt den Verfolgern, die seinen Herrn suchen, dieser büße dort im Feuer für seine Grausamkeit. Die Taten der beiden letzten in dieser Reihe heldischer Sklaven sind auch im Geschichtswerk des Appian gerühmt (4,44,185 ohne Nennung des Namens und 4,43,181-184) und begegnen wieder bei Seneca und Macrobius (s. u.), die das Thema im Rahmen einer philosophischen Beweisführung aufgreifen. […] Valerius Maximus verbindet die Verherrlichung der Sklaven des C. Gracchus und des C. Cassius mit einem starken Tadel ihrer Herren (6,8,3f.): Gracchus habe es an Geistesgegenwart gefehlt, sonst hätte er den tödlichen Stoß selbst geführt und sich nicht vom Sklaven in der Schönheit des Todes übertreffen lassen. Cassius aber habe für das schwere Verbrechen des Caesarmordes Strafe verdient,

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und nun habe divus Iulius selbst sich gerächt, indem er den Verräter so betäubt habe, daß er einen niedrigen Menschen um Hilfe anflehen mußte (sordidum auxilium). Wenn dieser heftige Ausfall gegen Cassius sich auch aus der Tatsache erklärt, daß das Buch des Valerius Maximus dem Kaiser Tiberius gewidmet ist, so bleibt doch das allgemeine Urteil bestehen, daß Gracchus und Cassius durch die Heranziehung eines Sklaven sich etwas von ihrer Würde vergeben haben. Das ist eine Auffassung, die auch in dem Bericht des Appian über das Ende des Caesarmörders Brutus begegnet (4,131,551f.): Brutus habe den Rhetor Straton, seinen Freund, gebeten, ihn zu töten; als dieser noch weitere Überlegung anriet, habe er einen seiner Sklaven gerufen; daraufhin aber habe Straton das Werk vollbracht, damit Brutus für seinen letzten Befehl lieber einen Freund als einen Sklaven zur Verfügung habe. Man mag daraus ersehen, wie schwer es den Männern der herrschenden Schicht fiel, einen Sklaven für diesen letzten Dienst in Anspruch zu nehmen. Und doch gibt es zahlreiche Beispiele für diese Bitte um sordidum auxilium, besonders aus diesem Zeitalter des gesellschaftlichen Verfalls. Sei es, daß gegen den Vollzug des Selbstmords mit eigener Hand noch religiöse Bedenken bestanden oder daß die körperliche und die geistige Kraft, die die Führung des Stahls gegen die eigene Brust erforderte, im Zustand der Ermattung und Verzweiflung fehlte18, immer wieder haben einzelne Feldherrn und Kaiser in der letzten Not – von allen Großen der Welt verlassen – die Sterbehilfe von Sklaven oder Freigelassenen erhalten: so C. Flavius Fimbria19, M. Antonius20, der Kaiser Nero21 und manche andere. So zeigt sich uns, daß in dieser Grenzsituation der rohe Zwang der Sklaverei zusammenbrach und der Mensch zum Menschen finden konnte. So wie der Säugling der unfreien Amme übergeben wurde, wie der Knabe dem Pädagogen gehörte, wie der Kranke glücklich war, sich einem zum Arzt ausgebildeten Sklaven anvertrauen zu dürfen22, so nahm der am Leben verzweifelte Held den Sklaven als letzten Wohltäter an. Ist aber nicht das Handeln in extremis die entscheidende Probe auf die Ehrlichkeit des Einzelnen und der ganzen Gesellschaft? Bald nachdem Valerius Maximus dieses beneficium servi (6,8,3) gerühmt hatte, ist Seneca als einziger römischer Schriftsteller mit ausführlichen, grundsätzlichen Darlegungen über das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven hervorgetreten. Es ist dies in zwölf Kapiteln des wohl um das Jahr 60 geschriebenen dritten Buches „De

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beneficiis“ (3,17-28) und wenig später in dem berühmten 47. Brief geschehen. Die Thesen, die der Moralist ebenso nachdrücklich wie gewandt verficht, sind einmal die Lehre, daß die Sklaven Menschen sind, und dann die sich daraus ergebende Weisung an die Herren, den Sklaven durch das eigene Verhalten Anteil an der Menschlichkeit zu geben. Die wohlgelungene Interpretation, die diesen Ausführungen Senecas kürzlich zuteil geworden ist23, hat vor allem dies ergeben, daß Senecas Maximen weniger mit philosophischen Theorien des Hellenismus als mit Lebenserfahrungen und Normen der gebildeten Schicht römischer Herren in Verbindung zu bringen sind. Die Argumente, die an der einen und der anderen Stelle begegnen, berühren sich tief, doch können wir uns im weiteren Verfolg des Motivs der Sklaventreue auf die in der Schrift De beneficiis vorgetragenen Gedanken beschränken. Hatte schon Valerius Maximus die Bewährung der Treue in einer außerordentlich kritischen Lage als beneficium bezeichnet, so kommt es Seneca darauf an, im einzelnen zu begründen, weshalb der Sklave auch dem Herrn Wohltaten erweisen kann. Der geläufigen Meinung, daß der Sklave dem Herrn gegenüber lediglich den schuldigen Dienst (ministerium) leisten könne, stellt er sogleich die philosophische Überzeugung gegenüber, daß das Menschsein als solches zum Wohltun befähige, daß von jedem Stand aus der Weg zur virtus offenstehe. „Auch der Sklave kann gerecht, tapfer, großmütig sein, also kann er auch eine Wohltat erweisen“ (3,18,4). Im Hinblick auf außerordentliche Leistungen, die der Sklave vollbringt – ohne Rücksicht auf sich selbst indem er sein Leben der Treue opfert (impendisse spiritum fidei) – heißt es: „Sieh zu, daß die Beispiele der Tugend bei Sklaven nicht desto höher stehen, je seltener sie sind“ (3,19,3f.). Weiterhin wird das Wohltun der Sklaven gerade darin nachgewiesen, daß die Handlung des Sklaven, der im Geistigen frei und selbständig ist, nicht auf einem Befehl, sondern auf freiem Entschluß beruht, daß mehr geleistet wird, als der normale Dienst erfordert (3,20-22). Dann folgen (3,2327) beneficiorum exempla: eine sinnvolle Anwendung der Rubrik De fide servorum, wie Valerius Maximus und andere Autoren von Exemplasammlungen sie geboten haben. Valerius Maximus allerdings hat nicht als Vorlage gedient, denn Seneca bringt fast durchweg andere Beispiele von Sklaventreue als dieser. Für die an erster Stelle genannte Sklaventat beruft sich Seneca auf das 22. Buch der Annalen des Claudius Quadrigarius, doch dieses

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Zitat schließt nicht aus, daß Seneca hier ähnlich verfahren ist wie so oft in seinen Schriften, wenn er Beispiele aus der römischen Geschichte anführt: daß er sich an die zahlreich zur Verfügung stehenden Sammelbücher gehalten hat24. Die Sklaven von Grumentum in Lucanien und der treue Bursche des Italikerführers Vettius, die die Reihe eindrucksvoll eröffnen (3,23), gehören dem Bundesgenossenkrieg an; sie repräsentieren die Großartigkeit des Handelns (magnificentia) so überzeugend, daß sie auch bei Macrobius, unserem letzten Gewährsmann, wiederkehren (s. u.). Es folgt der Sklave des von Caesar in Corflinium eingeschlossenen Domitius (3,24), dann (3,25) jener Märtyrer vom Schreckensjahr der Proskriptionen, dessen Opfertod Appian (4,44,185) ohne Namensnennung berichtet, während Valerius Maximus (6,8,6) und dann Macrobius (1,11,16) den Urbinius Panapio als Herren anzugeben wissen. Den Schluß bilden nostri saeculi exempla, zwei gute Taten von Sklaven aus der Regierungszeit des Tiberius und des Augustus (3,26f.). Am Ende dieses Abschnitts bekräftigt Seneca seine These mit den Argumenten, die er auch im 47. Brief bringt: mit dem Hinweis auf den gemeinsamen Ursprung von Sklaven und Freien und auf die Sklaverei der Begierden, der wir alle in gleicher Weise unterliegen (3,28). Es ist nicht nur diese Ausweitung des Themas von der Sklaventreue zu der allgemeinen These, daß Sklaven Menschen sind und als solche die Fähigkeit zu jeglicher virtus haben, was Seneca über die Historiker und die Exemplasammler hinaushebt. Vielmehr hat der Philosoph gerade die historische Bedeutung des großmütigen Handelns der Sklaven in ihrer ganzen Tiefe und in ihrer dauernden Gültigkeit verstanden. „Welche Größe bedeutet es, für den Herrn sterben zu wollen in einer Zeit, in der es schon eine seltene Treue war, wenn einer nicht wollte, daß sein Herr den Tod fand? Bei der allgemein gewordenen Grausamkeit mildherzig, bei der staatlich verordneten Treulosigkeit treu befunden zu werden? Wenn riesige Belohnungen des Verrats in Aussicht gestellt wurden, den Tod als Lohn der Treue zu verlangen?“ (3,25) Mit diesen Worten ist das Verhalten der Machthaber im Bürgerkrieg, die gegen Treue und Glauben verstießen, und die rettende Tat der sittlich handelnden Unfreien glänzend charakterisiert. Die beiden letzten Beispiele aber machen es klar, daß die Gefährdung der fides auch unter dem Prinzipat weiterbesteht.

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Es ist hier nicht der Ort, die Wirkung von Senecas Lehren über das Menschsein der Sklaven und über die Pflicht der Herren zur Menschlichkeit zu verfolgen. Man hat neuerdings darauf hingewiesen, daß die führenden Schichten der römischen Gesellschaft in einer Zeit, in der das Institut der Sklaverei aus vielen Gründen in eine schwere Krisis geriet, eine stärkere Tendenz bekundet haben, ihre Sklaven, Freigelassenen und Klienten noch mehr als bisher an die Familien zu binden, und daß sich auf der andern Seite für die Sklaven und die armen Proletarier ein gewisses Standesbewußtsein, ein Bekenntnis zu den Tugenden der Ehrlichkeit und des Anstands (fides, pudor) aus Inschriften und literarischen Texten erschließen läßt25. So wirkten die harten Tatsachen des wirtschaftlichen und sozialen Prozesses zusammen mit den philosophischen und religiösen Antrieben auf die Milderung der Sklaverei hin, wie sie vor allem in der kaiserlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung zutage tritt. Ein Menschenalter vor der großen Kodifikation des Kaisers Theodosius II., begegnet uns in der antiken Literatur der letzte Verfechter der Humanität, der seine philosophischen Argumente mit den historisch bezeugten virtutes servorum gestützt hat. Macrobius läßt in den Saturnalien (1,11) den Praetextatus im Anschluß an seinen vorausgehenden Vortrag über die Entstehung des Saturnalienfestes den Beweis für das Menschsein der Sklaven mit erlesener Gelehrsamkeit führen. Nachdem er – wahrscheinlich im Anschluß an den Annalisten Cn. Gellius26 – die Stimme Iuppiters zugunsten der Sklaven in Anspruch genommen hat (1,11,3-5), legt er – im wesentlichen dem 47. Brief des Seneca folgend – die philosophischen Gründe dar (1,11,6-15) und läßt dann eine lange Reihe historischer Beispiele für fides, benignitas und andere virtutes der Sklaven folgen (1,11,15-29). Er holt noch weiter aus, erschließt aus der militärischen Heranziehung der Sklaven ihre Verdienste um den Staat (1,11,30-34), gedenkt auch der Sklavinnen (1,11,35-40), würdigt die servi philosophi (1,11,41-45) und kommt zu dem Ergebnis (1,11,46), „daß man den Sklavennamen nicht mißachten und geringschätzen darf, da Iuppiter sich um einen Sklaven Sorge gemacht hat und es feststeht, daß viele von ihnen sich treu, vorausschauend, tapfer, selbst philosophisch bewährt haben“ (fideles, providos, fortes, pilosophos etiam extitisse). Noch einmal steht also die Treue an der Spitze der Sklaventugenden. Wenn wir uns auf den Abschnitt über die historischen Beispiele beschränken, so fällt auf, daß auch hier die meisten Belege in der

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langen Reihe, die keineswegs die chronologische Abfolge einhält, dem Zeitalter der Bürgerkriege entnommen sind, doch gibt es auch Beweise der Sklaventreue im Prinzipat (1,11,17.21), allerdings reichen hier die Beobachtungen nicht über die Zeit des Augustus hinaus, was der allgemeinen Voreingenommenheit der Spätantike für die klassische Zeit Roms entspricht. Auf der andern Seite wird auf den Vater des Scipio Africanus zurückgegriffen (1,11,26), und am Ende begegnen vorbildliche Sklaven des Hellenismus und der griechischen Tyrannenzeit (1,11,27-29). Macrobius hat also ein umfangreiches Material zu Rate gezogen, wahrscheinlich Beispielsammlungen und historische Schriften zugleich. Er nennt die Sklaven von Grumentum und den Sklaven des Vettius (1,11,23f.) in derselben Reihenfolge wie Seneca, aber sein Bericht zu Vettius weicht erheblich von der Darstellung des Seneca ab. Er hat sich also nicht bei Seneca allein orientiert; vielleicht hat er dieselbe Beispielsammlung wie dieser benützt, dann aber doch anderes aus ihr entnommen 27. […] So wird dieses späte Elogium auf die treuen Sklaven zu einem schönen Beweis sowohl der gelehrten Studien als auch der humanen Anschauungen, die im Kreis der letzten römischen Heiden in Geltung waren. […]

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Bultmann, Art. πιστός Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament VI, Stuttgart 1954, 175ff. Zur Wertung der Sklaverei in Dichtung und Philosophie vgl. J. Vogt, Sklaverei und Humanität im klassischen Griechentum, Ak. d. Wiss. u. d. Lit., Abh. d. Geistes- u. sozialwiss. Kl. 1953, 4; W. Richter, Seneca und die Sklaven, Gymnasium 65, 1958, 206ff.; P.P. Spranger, Historische Untersuchungen zu den Sklavenfiguren des Plautus und Terenz, Ak. d. Wiss. u. d. Lit., Abh. d. Geistes- u. sozialwiss. Kl. 1960, 8, 18ff. (durchges. u. erw. Aufl. = FAS 17, Stuttgart 1984) F. Bömer, Untersuchungen zur Religion der Sklaven in Griechenland und Rom, Ak. d. Wiss, u. d. Lit., Abh. d. Geistes- u. sozialwiss. Kl. 1957, 7; 1960, 1; 1961, 4; 1963, 10 (durchges. u. erw. Aufl. = FAS 14, Stuttgart 1981). Vgl. die Indices s. v. Humanität, Rom.

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G. Lüdeke weist in einer Arbeit, deren Manuskript mir durch die Freundlichkeit von Karl Büchner zugänglich gemacht wurde, auf folgende Monologe hin: Aul. 587ff., Men. 966ff., Rud. 920ff., Pseud. 1103ff. Belege bei Jachmann, Art. fides, fidelis Thesaurus Linguae Latinae VI, 655ff.; Bauer, Art. fidus ebenda 703ff. Spranger (s. Anm.2), 27, 29; zu Geta sagt Donat. ad Ter. Ad. v. 301: mira in servo fides. E. Fraenkel, Art. fides Thesaurus Linguae Latinae VI, 661ff.; R. Heinze, Vom Geist des Römertums, hrg. von E. Burck, Leipzig-Berlin 1939, 25ff.; Lombardi, Dalla fides alla bona fides, Milano 1961, 4ff., 38ff. „Nimmer dem Herrn untreu, unverächtliche Stütze des Hauses Ruht Metrophanes hier, weiland der Sklave Lucils“ Übersetzung von O. Weinreich, Römische Satiren, Zürich/Stuttgart 1962², 33. – Bömer (s. Anm.3), Abh. 1963, 10, 166ff. hebt mit Recht die römische Komponente in dieser Herrengesinnung hervor. Dagegen ist der griechische Einfluß überschätzt bei E.M. Staerman, Die Lage der Sklaven zur Zeit der späten Republik, Vestnik drevnej istorii 1963, 2, 96ff. – Es ist aufschlußreich, daß Lucilius sein Lob des Sklaven in der Weise zum Ausdruck bringt, daß er die Fehler als nicht vorhanden bezeichnet: neque infidus neque inutilis. Diese Fehler galten offenbar noch bei vielen Römern als die Regel. So wurde der vilicus, ob Sklave oder Freigelassener, häufig als Spitzbube eingeschätzt, vgl. M.E. Sergejenko, Der Vilicus, Vestnik drevnej istorii 1956, 4, 50ff. P. Jal, La guerre civile à Rome, Ètude littèraire et morale, Paris 1963. M. Zeller, Die Rolle der unfreien Bevölkerung Roms in den politischen Kämpfen der Bürgerkriege, Tübingen 1962; E.M. Staerman, Sklaven und Freigelassene im sozialen Kampf gegen Ende der Republik, Vestnik drevnej istorii 1962, 1, 24ff., bes. 36ff. Cic. Tusc. 5, 58: credebat nemini eorum, sed iis, quos ex familiis Iocupletium servos delegerat, quibus nomen servitutis ipse detraxerat, et quibusdam convenis et feris barbaris corporis custodiam committebat. Dazu K.F. Stroheker, Dionysios I., Wiesbaden 1958, 42f., 152f. – Zu diesem Wesenszug der griechischen Tyrannis überhaupt H. Berve, in: HZ 177, 1954, 14f. Die persönliche Anhänglichkeit und Treue der Fremden wird für die Germani corporis custodes besonders betont bei Flav. Jos., Antiqu. 19,149; Tac. ann. 15,58; Suet. Gal. 12,2. Zeugnisse bei Jal (s. Anm.9), 412. E. Gabba, Appiano e la storia delle guerre civili, Firenze 1956, 223ff. In § 53 und 54 bedeutet das οἰκεῖοϛ den Hausgenossen, den nächsten Verwandten, genau so wie 4,17,66 und allgemein sonst. Jal (s. Anm.9), geht fehl, wenn er οἰκεῖοϛ in § 53 mit Sklave und in § 54 mit Herr übersetzt. Es ist auch nicht richtig, wenn er Appian 4,29,126f. dahin inter-

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pretiert, das Volk habe nach dem Ende des Mordes ein allgemeines Vorgehen gegen die Sklaven verlangt, die ihre Herren verraten hatten; es handelt sich hier nur um einen einzigen Sklaven. Auch Cass. Dio 47,9-13 betont bei der Berichterstattung über die Proskriptionen des Jahres 43 die vielfältigen Formen der Abschlachtung und der Rettung und beschränkt sich dann auf einige besonders denkwürdige Beispiele. Die merkwürdige Art, daß erst am Schluß eines solchen Abschnitts das Stichwort genannt wird, hat Jal (s. Anm.9), 269f. gekennzeichnet. Vgl. die aufschlußreichen Bemerkungen von J. Bayet, Le suicide mutuel dans la mentalité des Romains, in: Année sociologique, Sèr. 3, 1951, 35ff., bes. 51f. App., Mithr. 59f.; Plut. Sul. 25, 1-3. Plut. Ant. 76,7f. Suet., Nero. 49,3. J. Vogt, Wege zur Menschlichkeit in der antiken Sklaverei, Tübingen 1958 (Rektoratsrede Universität Tübingen 47), 19ff. W. Richter, Seneca und die Sklaven, in: Gymnasium 65, 1958, 196ff. F.J. Kühnen, Seneca und die römische Geschichte, Köln 1962. E.M. Staerman, Die Krisis der Sklavenhalterordnung im Westen des römischen Reiches, Berlin 1964, 112ff. E. Türk, Macrobius und die Quellen seiner Saturnalien, Freiburg 1961, 119f. Vgl. Kühnen (s. Anm.9), 29, 5 – Die antiken Zeugnisse für die einzelnen, von Macrobius genannten Begebenheiten findet man in den Anmerkungen der Ausgaben von Jan, Leipzig 1848 und von M. Nisard, Collection des acteurs Latins, Paris 1883.

Keith R. Bradley: Widerstand gegen Sklaverei in Rom, aus: E. HerrmannOtto (Hrsg.), Sklaverei und Zwangsarbeit zwischen Akzeptanz und Widerstand (Sklaverei, Knechtschaft, Zwangsarbeit 8), 355–386, Hildesheim © 2011 Georg Olms Verlag

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Widerstand gegen Sklaverei in Rom Unter der Chiffre ‚Widerstand gegen die Sklaverei‘ werden von Historikern gemeinhin Trotz- und Protestaktionen von Sklaven verstanden, welche die grundsätzliche Annahme in Frage stellten, – und dies nicht nur in Rom, sondern in allen Sklavenhaltergesellschaften – daß Sklavenhalter dazu berechtigt seien, von ihnen – den Sklaven – Dienste, vor allem Arbeitsdienste, zu verlangen. Diese Handlungen werden oft der sog. accommodation gegenübergestellt; ein Begriff, der für von Sklaven gezeigte Verhaltensmuster steht, die auf eine gewisse Akzeptanz von Sklaverei, einer Art persönliches Arrangement mit ihrem Los, hindeuten. Zuweilen wird auch ein unterschwellig subversives Verhalten der Sklaven gegenüber ihren Herren unter accommodation subsumiert: Auf den ersten Blick harmlose, unauffällige Widerstandsmodi, die zwar weniger spektakulär – und gefährlich – waren, als der öffentliche Widerstand, die aber dennoch der gleichen Grundmotivation, der gleichen grundsätzlichen Ablehnung von Sklaverei entsprachen. […] Die offensichtlichste Form des Widerstandes gegen Sklaverei in dem Zeitraum von knapp 450 Jahren zwischen der Zeit des älteren Cato und der Severerdynastie waren die Sklavenaufstände, von denen der Spartakusaufstand von 73 v. Chr. nur der berühmteste – oder berüchtigtste – ist. Spartakus und eine kleine Schar von Anhängern brachen aus einer Gladiatorenschule in der Nähe von Capua aus und sammelten eine große Zahl mittelitalischer Landsklaven um sich. In kurzer Zeit wurde aus einer kleinen Rebellion ein größerer Krieg gegen Rom, an dem sich Zehntausende Sklaven beteiligten. So zumindest sehen unsere Hauptquellen, welche die Erhebung beschreiben, die Dinge. Paramilitärisch ausgerichtet und organisiert konnte sich die Sklavenarmee innerhalb von zwei Jahren halten und

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besiegte mehrere Truppenabteilungen, die von Rom gegen sie ausgesendet wurden. Ihre Schlachtenerfolge waren so groß, daß sie sogar die Stadt Rom zu bedrohen schienen. Als jedoch mit M. Licinius Crassus der Konsul des Jahres 72 v. Chr. mit der Führung des Sklavenkrieges beauftragt wurde, wendete sich das Kriegsglück gegen die Sklaven. Mit starken Truppenverbänden konnte Crassus den Widerstand der Aufständischen systematisch brechen und sie schließlich in Süditalien in offener Feldschlacht besiegen. Spartakus selbst starb auf dem Schlachtfeld; von dessen Anhängern ließ Crassus 6000 entlang der Via Appia zwischen Capua und Rom kreuzigen. Die Ziele des Spartakus liegen weitgehend im Dunkeln. Durch Howard Fasts Roman aus dem Jahre 1951 und dessen Verfilmung durch Stanley Kubrick hat sich die Vorstellung eingebürgert, Spartakus habe für eine Abschaffung der Sklaverei und eine utopische, klassenlose Gesellschaft gekämpft, in der sich der Gleichheitsgedanke sogar auf die Gleichstellung von Mann und Frau erstrecken sollte. Diese Vorstellung wird von den Quellen nicht gestützt. Die Befreiung aus der brutalen Unterdrückung seiner Herren in der Gladiatorenschule war das vorrangige Ziel Spartakus’ und es ist nur wahrscheinlich, daß seine langfristigen Ziele auf den Erhalt der neugewonnenen Freiheit für so viele seiner Anhänger wie möglich beschränkt waren. Die Macht des Willens zur Freiheit sollte niemals unterschätzt werden. Daß Spartakus sein Ziel erreichen würde, wurde unglücklicherweise durch die Ausmaße seines Aufstandes immer unwahrscheinlicher, der in dieser Form aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vorgesehen und schon gar nicht geplant war. Die labilen politischen Grundbedingungen des ersten vorchristlichen Jahrhunderts waren einer raschen Ausbreitung des Aufstandes wahrscheinlich dienlich, doch konnte Spartakus letztlich zu keinem Zeitpunkt eine vollständige Kontrolle über die erstaunlich große Zahl der Aufständischen ausüben. Eine einheitliche Zielsetzung und Strategie hat das Rebellenheer wohl nie besessen. Der Spartakusaufstand war jedoch nicht der erste große Sklavenkrieg, mit dem Rom fertigwerden musste. Ähnliche Aufstände hatten sich in der letzten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts auf Sizilien ereignet. In diese beiden sizilischen Sklavenkriege waren riesige Zahlen von Sklaven involviert und forderten eine grundlegende militärische Antwort der Römer. Auch hier gibt es jedoch sehr wenige Hinweise auf eine organisierte Erhebung oder eine gut

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koordinierte Kriegsführung von Seiten der Sklaven: Die zwei Aufstände begannen als lokale Erhebungen, die sich fast spontan zu größeren Bewegungen entwickelten. Beide Male waren die aufständischen Sklaven in der Lage, eine militärisch wirksame Streitmacht zu bilden. Indem sie ähnliche Methoden und Strategien übernahmen, wie sie Jahrhunderte später die Maroons anwenden sollten, konnten sie sich für mehrere Jahre gegen die unvermeidliche, römische Intervention verteidigen. Ihre Hauptstützpunkte in den Bergen Siziliens, Enna und Tauromenium, waren für diese Art der Kriegsführung gut geeignet (wie dies auch, in einem anderen Kontext, die Pyrenäen waren1 doch in beiden Fällen war ein letztendlicher Sieg der römischen Militärmacht unausweichlich. Die großen Unterschiede in der Sklavenbevölkerung, die Überzahl an Sklaven der ersten Generation und die rauen Lebensumstände, die eine Folge der mit großer Intensität betriebenen Ausbeutung des Agrarsektors waren, trugen zum großen Ausmaß der Aufstände bei. Sowohl beim Spartakusaufstand wie auch hier bestand das Ziel der Aufständischen, soweit sich das feststellen lässt, vorrangig in der eigenen Befreiung aus der Sklaverei – nicht in einem fundamentalen Wandel der sozialen und ökonomischen Strukturen. Wie in Italien gab es auch auf Sizilien keine Rufe nach einer Abschaffung der Sklaverei als solcher. In der römischen Geschichte haben sich noch weitere Aufstände und Erhebungen zugetragen, wenn auch in einem deutlich kleineren Maßstab. Die Ermordung des Caesarmörders L. Minucius Basilus (Praetor 45 v. Chr.), von der Appian berichtet, ist ein Beispiel;2 der von Plinius dem Jüngeren erwähnte Mord am Praetorier Larcius Macedo im Jahre 108 n. Chr. ist ein weiteres.3 In beiden Fällen handelte es sich um Angriffe auf Sklavenhalter, die ungewöhnlich grausam gewesen sein sollen. Die Rache an solchen Sklavenhaltern wurde allgemein als besonders häufiges Motiv für Angriffe von Sklaven auf ihre Herren angenommen, selbst wenn diese dabei das Risiko eingingen, als Konsequenz aus ihrer Tat hingerichtet zu werden (z.B. durch Kreuzigung4). Wahrscheinlich hat es viele solcher Fälle gegeben – zumindest legt das senatus consultum Silanianum, das unter Augustus erlassen und von Nero und mehreren Kaisern modifiziert wurde, dies nahe. Dieser Senatsbeschluss legte die Regeln für die strafrechtliche Verfolgung von Sklaven fest, die verdächtigt wurden, ihren Herrn umgebracht zu haben. Beim Tod des Besitzers konnten alle Sklaven seines Haushaltes – mit nur wenigen

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Ausnahmen – gefoltert werden, bis der Schuldige gefunden war. In der Zwischenzeit blieb das Testament des Verstorbenen versiegelt, so daß keiner der Sklaven von eventuellen testamentarischen Vergünstigungen profitieren konnte. Falls das Testament die Freilassung von Sklaven anordnete, konnten diese dennoch der Folter unterzogen und angemessen bestraft werden. Selbst diejenigen Sklaven, die der Witwe gehörten, konnten befragt werden. Die grausame Strenge dieser Regeln ist bemerkenswert: Wahrscheinlich sollte der Senatsbeschluss auch auf abschreckende Wirkung hinzielen. So bemerkenswert die festgeschriebenen Regeln auch waren, in der Summe sind sie ein Hinweis darauf, daß Angriffe von Sklaven auf ihre Herren häufig genug vorgekommen sein müssen, um eine solche Antwort darauf hervorzurufen. Sklavenhalter, so scheint es, mussten sich vor ihren eigenen Sklaven fürchten und waren stets auf der Hut vor möglichen Aufständen. Seneca erwähnt einen Vorschlag, der im Senat eingebracht wurde und vorsah, Sklaven durch einen speziellen Kleiderzwang auf den ersten Blick kenntlich zu machen – Sklaverei wurde im alten Rom natürlich nicht mit Hautfarbe in Verbindung gebracht. Die Idee wurde aufgegeben, als dann auffiel, daß eine solche Kleiderordnung nur dazu dienen konnte, den Sklaven ihre eigene Überzahl ins Bewusstsein zu rufen.5 Die Anekdote deutet auf eine permanente Feindschaft zwischen Sklaven und Sklavenhaltern hin,6 die sich auch in der häufigen Gleichstellung von Sklaven und Feinden zeigt7 und ein konstantes Bewusstsein über das Gewaltpotential der Sklavenbevölkerung voraussetzt. […] Was die Geschichte der modernen Sklavenhaltergesellschaften der Neuen Welt zeigt, ist, daß es andere Wege gab, Widerstand gegen die Sklaverei auszuüben, als gewalttätige Aufstände: Sklaven konnten flüchten, den Besitz ihres Herren sabotieren oder diesen hintergehen. Diese Verhaltensmuster finden sich auch in den römischen Quellen. Wie häufig Sklaven zum Beispiel die Flucht wagten, und welche Bedeutung dieser Handlung beigemessen wurde, zeigt sich in einer Stelle der Digesten, die den Titel De fugitivis trägt, wobei fugitivi der in Rom übliche, pejorativ konnotierte Begriff für entflohene Sklaven war.8 Es handelt sich hier nur um einen kurzen Auszug aus der römischen Gesetzgebung, die sich intensiv mit der Frage entflohener Sklaven befasste, aber als Beispiel reicht es aus, um zu verdeutlichen, unter welchen Bedingungen Sklaven die Flucht ergriffen. […]

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Das Gesetz kann als solches nicht dazu dienen, Fluchtversuche zu quantifizieren; seine bloße Existenz weist auf die Bedeutung hin, die den Fluchtversuchen beigemessen wurde. Die einzelnen Paragraphen des Gesetzes lassen darauf schließen, daß (flüchtige) Sklaven in allen Regionen der römischen Welt zu erwarten waren und daß sie auf das Mitgefühl und – unter Umständen – auf die Unterstützung Dritter hoffen konnten. Die Einstellungen zur Sklaverei müssen innerhalb der römischen Gesellschaft vielfältig und unterschiedlich gewesen sein. Gleichzeitig bekräftigt das Gesetz jedoch, daß alle Bürger dazu verpflichtet waren – und es von ihnen erwartet wurde – bei der Festnahme und Rückgabe flüchtiger Sklaven zu assistieren, selbst wenn es, wie Columella sagt, ein großes Ärgernis war, Fremde über das eigene Grundstück reisen zu lassen.9 Aus der Perspektive der Sklaven gesehen verdeutlicht das Gesetz auch, wie wenig erfolgversprechend ein Fluchtversuch scheinen musste. […] Es bleibt die Frage, ob die überlieferte römische Gesetzgebung nun historische Wirklichkeiten reflektiert. Eine Bestimmung besagt, daß ein auf der Flucht geborenes Sklavenkind nicht als entflohener Sklave zu sehen sei,10 eine andere, daß ein entflohener Sklave selbst dann noch unter der potestas seines Besitzers steht, wenn er sich freiwillig zum Kampf in der Arena meldete,11 weil er unter Umständen Geld von seinem Herrn unterschlagen, gestohlen oder ein anderes Vergehen gegenüber diesem begangen haben könnte. Beide zeigen, welches Interesse am Detail römischen Juristen eigen war. Ein einzelner Fall einer flüchtigen Sklavin, die während ihrer Flucht ein Kind gebar, mag ausgereicht haben, um eine solche gesetzliche Bestimmung nötig erscheinen zu lassen, ebenso wie ein einzelner Sklave, der lieber in der Arena kämpfen mochte, als wieder zu seinem Herrn zurückzukehren. Es ist aber genauso möglich, daß es keine solchen Fälle gegeben hat und daß die entsprechenden Bestimmungen nur auf die Detailversessenheit übereifriger Juristen zurückzuführen sind. Die Tatsache, daß der Gesetzgeber Fluchtversuche von Sklaven als häufig auftretendes Problem ansah, das gelegentlich zu bizarr anmutenden Einzelfällen führen mochte, ist hier wichtiger, als diese Einzelbestimmung selbst. Ferner muss diesen Bestimmungen zumindest eine grundlegende Plausibilität zugrunde gelegen haben, auch wenn konkrete Beispiele selten waren. […]

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Das Quellenmaterial aus römischer Zeit ist, was Fluchtversuche betrifft, vielfältig: Neben Bestimmungen in Rechtskodifizierungen gibt es eine Unmenge von Hinweisen und Andeutungen in der lateinischen Literatur und selbst individuelle Flüchtlinge sind auf Papyri bewahrt, die den Belohnungsanzeigen in den Zeitungen und Zeitschriften des 19. Jhs. ähneln. Es gibt allerdings nichts, was sich mit den Sklavenmemoiren z.B. des Henry Brown vergleichen ließe, so daß diese Wissensdimension den Althistorikern verschlossen bleibt. Die Motive hinter den Fluchtversuchen dürften sich freilich nur wenig von denen unterschieden haben, die in modernen Sklavenhaltergesellschaften vorkamen. Römische Sklaven waren, ebenso wie Sklaven in der Neuzeit, physisch und psychisch unterworfen und ebenso von Familientrennung und Verkauf bedroht wie Henry Brown und seine Frau. Fronto berichtet von einem Sklaven, der sagte, er müsse für seinen Herrn zwar 60 Meilen laufen, würde aber für seine Freiheit auch 100 Meilen laufen.12 Die Bereitwilligkeit römischer Sklaven zur Flucht, so die Moral dieser Geschichte, war nicht zu unterschätzen. […] Römische Sklaven mögen eine bessere Chance gehabt haben, sich erfolgreich als Freie auszugeben und flüchtige Sklaven mögen Gemeinschaften gegründet haben, die denen der Maroons nicht unähnlich waren: Zumindest lässt die Karriere des griechischen Sklaven Drimakos, der eine solche Gemeinde auf der Insel Chios gründete, darauf schließen.13 Plinius der Ältere erwähnt eine ganze Stadt – Adulis, an der Westküste des Roten Meers gelegen – die von flüchtigen Sklaven aus Ägypten gegründet und bewohnt wurde.14 Aber das Fehlen eines spezifischen geographischen Rückzugraumes, an dem sich entflohene Sklaven ihrer Freiheit sicher sein konnten, ebenso wie eine mangelnde intellektuelle oder moralische Auseinandersetzung mit dem System der Sklaverei führten dazu, daß es für flüchtige Sklaven nur wenig Hoffnung gab, auf Dauer frei leben zu können. Die Freiheit, die sich ein Sklave durch seine Flucht erkämpft hatte, war immer prekär, war nie legitim. 15 Berücksichtigt man die Tatsache, daß Flucht zwar die am weitesten verbreitete, gleichzeitig aber gefährlichste Form des Widerstandes der Sklaven gegen die Sklaverei war, so bleibt nur, die vielen Versuche flüchtiger Sklaven, ihre Freiheit auf diesem Wege wiederzugewinnen, als lebhaften Ausdruck der unerträglichen Härte des Systems anzusehen, dem sie entfliehen wollten. […]

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Es gab im römischen Sklavensystem eine vergleichbare, alltägliche Widerstandsbewegung. Sie ist in einer höchst tendenziösen Form aus Sicht der Sklavenhalter dokumentiert, deren Klagen in der Antike wohl kaum weniger laut gewesen sein dürften als in der Neuzeit: Sklaven seien faul und aufrührerisch, Diebe und Langfinger, Brandstifter, Hinterzieher, Betrüger und Arbeitsschwänzer. Man denke nur an die bereits erwähnte Verfügung, daß Sklaven, die sich als Gladiatoren verdingten, unter Generalverdacht standen, bei ihren Herren Gelder veruntreut oder gestohlen zu haben.16 Bemerkenswert sind auch die von Columella mit einiger Schärfe vorgetragenen Beispiele von plündernden, sabotierenden, unzuverlässigen und vertrauensunwürdigen Landsklaven.17 Die Nachlässigkeit des vilicus war schon sprichwörtlich.18 Weiterhin gibt es noch die Beschwerde Senecas, daß liederliche Sklaven ihren Herren oft Grund zum Zorne seien;19 Plinius der Ältere hält den von Sklaven begangenen Diebstahl an Essen und Wein gar für Räuberei.20 Plutarch erwähnt die Geschichte eines Sklaven, der von seines Herrn Wein stahl und Martial bezeichnet seinen poetischen Sklaven Zoilus als fur und fugitivus.21 Selbst Galen beschwert sich, daß Hausdiener die von ihm geschriebenen Bücher stehlen würden!22 Jeder Sklave war, so scheint es, ein Dieb, verantwortlich, wie Apuleius sagt, für furta parva atque servilia.23 Eine solche Litanei der Verfehlungen von Sklaven muss eine faktische Basis haben: Viele Sklaven werden wohl im Laufe der Zeit ihre Herren betrogen und bestohlen haben und konnten unter Umständen für großen Schaden auf deren Gütern verantwortlich gewesen sein. Dies war aber nicht die Folge von Verantwortungslosigkeit oder Fahrlässigkeit. Die Ähnlichkeiten zwischen den von den antiken Sklavenhaltern beschriebenen Handlungen römischer Sklaven und denen, die in den Sklavenhaltergesellschaften der Neuzeit begangen wurden, sind frappierend genug, daß man davon ausgehen kann, daß beide von einem beinahe täglichen Widerstand gegen die Sklaverei zeugen: kleiner Widerstand in großem Maßstab. Diese Handlungen waren ein endemisches Charakteristikum der römischen Form der Sklaverei, die für den Sklaven selbst relativ ungefährlich war, zugleich aber Ventile öffnete, die es den Sklaven erlaubten, ihre Frustration, ihren Zorn und ihren Wunsch nach Rache zu artikulieren. […]

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Es gibt leider keine direkten Zeugnisse von den inneren Prozessen, die zur Arbeitsverweigerung von Sklaven führten, aber es gibt Hinweise. So stellt zum Beispiel Seneca die rhetorische Frage: „Was für ein Recht habe ich, meinen Sklaven mit Schlägen oder Ketten für eine zu laute Antwort, einen zu aufmüpfigen Blick, ein Murmeln, das ich nicht ganz verstanden habe, zu züchtigen?“24 Auf den ersten Blick mag diese Aufforderung, nicht ungerecht und unverhältnismäßig zu strafen, lobenswert sein: In der Tat handelt es sich um das konstante Streben eines Mannes, sich durch Selbstdisziplin selbst zu verbessern. Aber wie muss sich die Lage für einen Sklaven (und Seneca war Sklavenhalter) gestalten: Wie konnte er abwägen, wenn er einen Dienst verrichtete, den er ohnehin nicht verweigern konnte, ob Tonfall oder Gesichtsausdruck nun angemessen, unterwürfig oder aufmüpfig waren und seinen Herrn in Zorn versetzen würden? In jeder Situation musste der Sklave die Reaktion seines Herrn auf echte und vermeintliche Beleidigungen einkalkulieren – und ein Irrtum konnte schlimme Folgen haben. Seneca schneidet das Thema zumindest an – aber eine Analyse der gegenseitigen Beziehungen aus Sicht des Sklaven zu betreiben, interessierte ihn nicht. Wer die römische Sklaverei verstehen will, muss anerkennen, daß Sklaven zu jeder Zeit mit einer ungerechtfertigten Reaktion ihrer Herren auf die normalsten Formen zwischenmenschlichen Umgangs zu rechnen hatten. Es wird schwerlich geholfen haben, die Wehklagen der Sklavenhalter zu hören, die Martial in einem wunderbar zynischem Gedicht wiedergibt: Daß nämlich die Verpflichtungen, die sich aus Wohlstand und sozialem Prestige ergaben, das Leben der Sklavenhalter viel beschwerlicher machten, als das der Sklaven. 25 Von Sklaven wurde nur erwartet, daß sie sich ihrer Position bewusst waren; das schloss auch Beschränkungen in ihren Umgangsformen mit ein. Alles, was auch nur annähernd nach aufmüpfiger Freimütigkeit klang, musste unterdrückt werden. […] Die ultimative Form des Widerstandes war Selbstmord, die endgültige Entziehung der Macht und des Besitzes des Sklavenhalters. Der Suizid ist für Sklaven aller Epochen und Regionen hinreichend belegt. […] In diesem Kontext muss auch der Aufschrei Senecas gesehen werden: „Wie viele Sklaven hat schon der Zorn ihres Herren zur Flucht getrieben, wie viele in den Tod!“26 Es handelt sich hier nicht nur um eine rhetorische Verdichtung, sondern um eine akkurate

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Wiedergabe der Realität, die von einer erstaunlichen Sensibilität Senecas zeugt. Es zeigt die Extreme, zu denen Sklaven zuweilen durch ihren Status getrieben wurden (römische Juristen reden etwa zuweilen davon, daß sich Sklaven von Klippen stürzen). Laut Seneca war Selbstmord das letzte Mittel, dem Jähzorn des Sklavenbesitzers zu entgehen, oder um die erneute Gefangennahme nach der Flucht zu verhindern: Suizid löste die Ketten des Sklaven und befreite ihn gegen den Willen seines Herrn.27 Vor allem Kriegsgefangene scheinen in der römischen Welt (wenn auch missmutig) oft den Freitod der Versklavung vorgezogen zu haben. Augustin hält den Überlebenswillen des Menschen für ein fundamentales Charakteristikum und erklärt so, warum die Unterwerfung unter den Willen des Feindes dem Freitod vorgezogen werden soll.28 Bei Cassius Dio finden wir jedoch folgende Episode unter Caracalla:29 Eine Gruppe gefangener germanischer Frauen wandte sich an den Kaiser und erklärte ihm, sie würden allesamt eher sterben, als ein Leben in Knechtschaft zu führen. Als Caracalla sie dann dennoch in die Sklaverei verkaufte, kam es zu einem Massensuizid – einige der Frauen töteten selbst ihre eigenen Kinder (vgl. die eindringliche Erklärung einer gefangenen Sitka-Frau des 19. Jhs., daß man ebenso gut sterben als versklavt werden könnte und die bei Plutarch überlieferte Bemerkung einer Spartanerin30). Dieser Bericht findet genügend Parallelen in anderen Kriegsberichten, um der Idee, Kriegsgefangene hätten Selbstmord als echte Alternative zur Sklaverei angesehen, Glaubwürdigkeit zu verleihen. Szenen aus dem Relief der Trajanssäule, in denen sich dakische Gefangene selbst töten, deuten auf das gleiche Phänomen hin: Bildhauer – oder ihr Auftraggeber – wussten, was ein römisches Publikum glaubhaft fand. Die römische Sklaverei war eine komplexe Institution. Die Sklavenbevölkerung war heterogen, ebenso wie die von ihren Mitgliedern geleisteten Dienste und Arbeiten. Das Spektrum an Lebensverhältnissen der Sklaven war enorm. Auf der einen Seite waren jene kaiserlichen Sklaven zur Zeit des Prinzipats, die zu Wohlstand und Einfluss gelangen konnten – und dies besser als der Großteil der freien Bevölkerung. Schon Galen beschrieb die paradoxe Situation, daß ein Sklave wesentlich reicher sein konnte als ein geachteter Freigeborener.31 Am anderen Ende der Skala fanden sich die Sklaven wieder, die schwerste körperliche Arbeit in der Landwirtschaft oder im Bergbau verrichten mussten, und deren Lebensbedingungen nach

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allen Maßstäben miserabel waren, ihre eigene Lebenserwartung dementsprechend kurz. Zwischen diesen beiden Extremen hing die konkrete Situation eines Sklaven von vielerlei ab: Lebte er auf dem Land oder in der Stadt? Welche Position nahm er im hierarchisch strukturierten Haushalt ein? Verrichtete er Arbeit, die eine gewisse Ausbildung erforderte? Wie nahe stand er seinem Herrn? Auch Geschlecht, Alter und Reputation des Sklaven konnten ausschlaggebend, die Resultate bisweilen bizarr sein: Drusillanus Rotundus, ein Sklave in der kaiserlichen Verwaltung Spaniens unter Claudius, war noch lange nach seinem Tod für sein vortreffliches Silbergeschirr bekannt.32 In Begräbniskollegien wie dem der Diana und des Antinous in Lanuvium33 speisten Sklaven und Freie (und Freigelassene) Seite an Seite, ohne daß zwischen ihnen ein Unterschied gemacht worden wäre. Es gab selbst eine Regel, die spezielle Feierlichkeiten bei der Freilassung eines Mitgliedes vorsah: Der ehemalige Sklave musste eine Amphore guten Weines stellen. Mit der Zeit gelangten viele Freigelassene zu Wohlstand und Ansehen, ohne offensichtlichen Schaden aus ihrer Zeit als Sklaven genommen zu haben, und integrierten sich schnell und mühelos als römische Bürger in die römische Gesellschaft – viele von ihnen wurden selbst Sklavenhalter. Der Freigelassene C. Furius Chresimus war, laut Plinius ein besonders erfolgreicher Farmer und für die Sorge und gute Behandlung bekannt, die er seinen Sklaven angedeihen ließ.34 Daß Freigelassene selbst zu Sklavenhaltern wurden, zeigt am offensichtlichsten, wie zentral die Institution Sklaverei in der römischen Gesellschaft verankert war und wie wenig Widerstand ihr selbst von denen entgegengebracht wurde, die unter ihr gelitten hatten. Die Konzentration alleine auf den Widerstand, den Sklaven bisweilen im Alltag ihren Herren und ihrer Situation entgegengebracht haben mögen, ist daher irreführend. Die Komplexität des römischen Phänomens der Sklaverei wird damit nicht fassbar und die historische Realität als bloßes Schema dargestellt. Die Sklaven Roms können nicht als eine einheitliche, homogene Klasse gefasst werden, die tagein, tagaus mit kleinen Widerstandshandlungen beschäftigt war – diese Vorstellung wäre zu vereinfachend. Zu jedem Zeitpunkt gab es ungezählte Sklaven, die ihren Herren klaglos gehorchten, oder die zumindest, durch die großzügige Gewährung von munera und die erbarmungslose Anwendung von poenae, zum stillen Gehorsam gebracht wurden. Unterordnung und Zwang waren zwei Seiten der

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gleichen Medaille. Es gibt meines Erachtens jedoch genügend Belege für eine weitverbreitete Typologie des Widerstandes im Beziehungsgeflecht zwischen Herren und Sklaven. Belohnungen, Bestrafungen, passiver und aktiver Widerstand gingen Hand in Hand und die Skala der rebellischen Handlungen reichte von der ausgewachsenen Revolte eines Spartakus bis hin zum absichtlichen Trödeln während der Arbeit und der allgemein schlechten Arbeitsmoral, über die sich Sklavenhalter im Lauf der Geschichte so oft beschwert haben. Ob sich daraus nun eine exklusiv den Sklaven vorbehaltene Subkultur entwickelt hat, wie sie für die Sklavengesellschaften der Neuen Welt bekannt ist, kann man nicht eindeutig bestimmen. Es dürfte zumindest unter den Mitgliedern eines großen städtischen Hauhaltes oder einer umfangreichen ländlichen familia nicht unmöglich gewesen sein. Rasse wird dabei wohl keine Rolle gespielt haben, doch bleibt der kryptische Hinweis bei Phaedrus, daß den Sklaven eine eigene, geheime Kommunikationsmethode eigen war, die auf einer grundlegenden und zeitlosen Verbindung und Gleichheit untereinander basierte, unabhängig von den spezifischen Unterschieden in Status und Situation.35 Haben sich die Widerstandsmuster im Laufe der Zeit verändert? Der große Aufstand unter Spartakus war der letzte seiner Art, was darauf schließen lässt, daß die drei großen Sklavenkriege der Späten Republik abnormale Erscheinungen waren und daß die Vorstellung eines organisierten und geplanten Aufstandes in solchem Maßstab von den Sklaven selbst als am wenigsten erfolgversprechend erkannt wurde. Natürlich gab es immer wieder spontane, gewalttätige Auflehnungen, die durch konkrete und unmittelbare Provokationen und Zumutungen ausgelöst wurden und spezifische Zwischenfälle haben immer wieder die Aufmerksamkeit der Historiker und Sozialkommentatoren in Anspruch genommen. Sei es nun verbal oder physisch: Der Sklave konnte zu jeder Zeit die Hand gegen seinen Herrn erheben.36 Es musste auch zu jedem Zeitpunkt mit dem Suizid eines Sklaven gerechnet werden. Vielleicht war dieses letzte Aufbäumen verbreiteter als vermutet: Genaue Zahlen gibt es nicht. Fluchtversuche waren jedoch scheinbar zu allen Zeiten häufig und werden von den Quellen auch so dargestellt. Man könnte vermuten, daß solche Fluchtversuche während der Mittleren und Späten Republik häufiger waren als während dem Prinzipat, da sich ja die Sklavenbestände der Republik größtenteils

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aus Kriegsgefangenen der zahlreichen großen Kriege dieser Epoche rekrutierten und ein Fluchtversuch bei neuversklavten ehemaligen Kriegern wahrscheinlicher war als bei jenen, die in die Sklaverei hineingeboren wurden, wie das im Prinzipat vermehrt der Fall war – gerade bei fremden Sklaven war die Wahrscheinlichkeit groß, daß sie versuchen würden, in diejenigen Gebiete des Mittelmeerbeckens zurückzugelangen, aus denen sie herausgerissen worden waren. Die speziellen politischen Umstände gerade der Späten Republik mögen diese Tendenz noch verstärkt haben. Es ist jedoch im höchsten Grade anzuzweifeln, daß sich die stete Ergänzung des Sklavenbestandes nur auf diese zwei Methoden – den ‚Import‘ auf der einen, die natürliche Fortpflanzung auf der anderen Seite – reduzieren lässt. Außerdem gibt es gerade für die Kaiserzeit eine große Masse an Belegen für Fluchtversuche. Flucht sollte vielmehr als eine kontinuierliche, weit verbreitete Form des Widerstandes gegen die Sklaverei angesehen werden, die nur unter Umständen durch aktuelle politische Krisen größere Ausmaße annehmen konnte, wie es zum Beispiel Dionysius von Halikarnassos vermutet.37 Das gleiche gilt auch für die alltäglichen Formen des Widerstandes: Sie sind schon seit den Komödien des Plautus belegt und ziehen sich durch die literarischen und juristischen Quellen der gesamten römischen Zeit: Bei Martial findet sich der von Plautus beschriebene servus calllidus als fallax ancilla wieder,38 bei Ulpian als servus onerosus.39 Um es nochmals zu betonen: Alltäglicher Widerstand erfolgte tagtäglich. Hatten diese Formen des Widerstandes auch wirtschaftliche Folgen? Im Afrika des 18. Jhs. führte der erbitterte Widerstand gegen die Sklaverei an den neuralgischen Sklavenhandelsstätten dazu, daß die Zahl der neuversklavten Afrikaner um fast eine halbe Million zurückging und die Kosten, die mit der ‚Rekrutierung‘ neuer Sklaven verbunden waren, beträchtlich anstiegen. Die Folgen des Widerstandes römischer Sklaven können nicht in gleicher Weise belegt oder gemessen werden, doch wird selbst nach nur kursorischer Betrachtung der Situation deutlich, daß der alltägliche Widerstand und Arbeitsentzug nicht ohne Folgen geblieben sein kann. Römische Sklavenhalter waren sich der Kosten stets bewusst, die ihre Sklaven ihnen verursachten und betrachteten deren Besitz stets als Investition. Daß diese Investitionen nicht immer Gewinne abwarfen, zeigt sich an den tendenziösen Beschwerden, die immer wieder seitens der Sklavenhalter laut werden: Sklaven mussten gekleidet

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und ernährt werden,40 sie mussten geführt und kontrolliert werden41 und waren als Arbeitskräfte ineffizient.42 Es ist allerdings schwer vorstellbar, daß die Sklaverei in Rom so lange Bestand gehabt hätte, wenn sie wirklich unprofitabel gewesen wäre; wenn also die Sklavenhalter nicht genügend Gewinne hätten erwirtschaften können, um ihre Ausgaben zu decken. Das soziale Kapital, über das die Besitzer großer Sklavenhaushalte verfügten, ist ohnehin unkalkulierbar. Die immer wiederkehrenden Beschwerden illustrieren jedoch die anfallenden Ausgaben, die der Sklavenbesitz mit sich brachte: Im schlimmsten Fall konnten Sklaven sterben, was selbst Martial als Katastrophe anerkannte.43 Da die kleineren Widerstandsakte gegen ihre Herren unter römischen Sklaven geradezu endemisch waren, mussten Sklavenbesitzer immer mit einem gewissen finanziellen Schaden rechnen, unabhängig davon, ob die Sklaven nun willentlich Schaden am Besitz des Herren anrichteten (aus Wut, Hass, Rachsucht oder einfacher Engherzigkeit), oder sich ihr eigenes Leben durch gestohlene Essensrationen und Kleider erträglicher machten. Für die Sklaven selbst musste es bisweilen schwierig gewesen sein, die beiden Aspekte voneinander zu trennen. Unternahm ein Sklave einen Fluchtversuch, konnten die Ausgaben sehr schnell in die Höhe schnellen: Sklavenfänger mussten angeheuert und bezahlt werden und die Sklaven selbst erwirtschafteten während ihrer Flucht selbstverständlich keinen Gewinn. Falls der flüchtige Sklave nicht wieder gefangen werden konnte, war die Investition des Herrn verloren – das gilt besonders auch dann, wenn der Sklave Selbstmord beging. Die möglichen Kosten von Schäden, die der Flüchtige am Besitz Dritter angerichtet haben mochte, mussten ebenso mit eingerechnet werden. Verschiedene Formen der Arbeitsverweigerung seitens der Sklaven müssen die Kosten für die Landwirtschaft in die Höhe getrieben haben. Wenn Sklaven gar eine Villa in den Vororten in Brand setzten, wie dies im Fall des M. Aemilius Scaurus (Praetor 56 v. Chr.) geschah,44 mussten die entstehenden Kosten selbst reiche Senatoren wie Scaurus empfindlich getroffen haben. Die betrügerischen Aktivitäten, die tendenziöse Quellen Sklaven immer wieder zuschreiben – das Stehlen des Getreides aus der Tenne, das Fälschen von Finanzbüchern, vorgetäuschte Krankheiten – haben in den Finanzen des Sklavenhalters konstant Spuren hinterlassen.

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Von einer modernen Perspektive aus gesehen, könnte jede Handlung, die die Autorität des Sklavenhalters in Frage stellt, als grundsätzliche Ablehnung der Sklaverei interpretiert werden. Soweit bekannt, waren solche Widerstände immer gegen die Versklavung einzelner, spezifischer Gruppen oder Individuen gerichtet und weniger gegen die Sklaverei als solche. Der Widerstand zielte meist darauf hin, die Bedingungen der Sklaverei zu lockern und etwas erträglicher zu machen oder sich ihr ganz zu entziehen – nicht auf eine Reform der Gesellschaftsstruktur. Die Bereitschaft ehemaliger Sklaven, selbst zu Sklavenhaltern zu werden, zeugt auf eine bemerkenswerte Weise davon und es muss auch betont werden, daß die Idee einer Abschaffung der Sklaverei erst in einer späteren Zeit entsteht. Die Vorstellung einer Welt ohne Sklaverei war dabei keineswegs grundsätzlich ausgeschlossen. Bei den Feiern der Saturnalien im Dezember jedes Jahres, entsann sich die gesamte Bevölkerung eines mythischen Goldenen Zeitalters, in dem die Menschen alle gleich waren und keine Sklaverei existierte. Daß Sklavenhalter ihren Sklaven zu diesem Feiertag ein Fest ausrichteten, ihnen bisweilen gar das Essen servierten, konnte nur das Bewusstsein stärken, daß ein Leben jenseits der Sklaverei durchaus möglich war. Die ephemeren Saturnalien haben jedoch zu keinem Zeitpunkt zu einem grundsätzlichen Umdenken der Sklaven geführt, zu einer Massenbewegung innerhalb ihrer Schicht; für die weitaus meisten Sklaven war das tägliche Arbeitspensum und der anstrengende Überlebenskampf zeitaufwendig genug, um solche Überlegungen von vorneherein zu verhindern. Der Widerstand gegen die Sklaverei in Rom lässt sich nicht genau messen. Nicht jeder Sklave widersetzte sich – auf irgendeine Art – seinem Herrn. Viele von ihnen fügten sich widerstandslos in ihre Situation, unterdrückten jeden Gedanken an Widerstand und arbeiteten so gut sie konnten in dem ihnen von der Gesellschaft vorgegebenen Rahmen auf ihre Freilassung und die damit verbundene Aussicht auf Wohlstand hin. Diejenigen, die dazu neigten, die Autorität ihrer Herren in Frage zu stellen, dürften das kaum kontinuierlich getan haben: Widerstand äußerte sich sporadisch in verschiedenen Formen, die aus dem genauen Moment heraus entstanden und von ihm bedingt wurden. Die Beschäftigung mit dem Thema wirft dennoch Gewinn ab: Es ermöglicht uns, einen großen Teil der römischen Gesellschaft, der zum größten Teil anonym

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bleiben muss und in den Quellen mit Herablassung behandelt wird, als Gruppe von lebenden Menschen zu sehen, die fähig waren, sich auf menschliche Art aktiv am sozialen Leben zu beteiligen. Die Beziehung zwischen Sklaven und Herren war ein lebhafter, in den Köpfen der Beteiligten ausgetragener Wettbewerb, den, wie Plutarchs Anekdote über Pupius Piso zeigt nicht immer nur die Herren für sich entscheiden konnten.45 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7

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Caes. b. civ. 3,19. App. b. civ. 3,98. Plin. epist. 3,14. vgl. Sen. clem. 1,26,1. Sen. clem. 1,24,1. vgl. Sen. epist. 4,8. vgl. Dion. Hal. ant. 10,59,6; Sen. epist. 18,14; 47,5; Aug. conf. 9,8. Dig. 11,4 (Ulp.). Colum. 1,5,7. Dig. 11,4,1,5 (Ulp.). Dig. 11,4,5 (Tryph). Front. 2,1. Ath. 6,265c-266e. Plin. nat. hist. 6,172-173. vgl. Aug. conf. 3,3. Dig. 11,4,5 (Tryph). Colum. 1,1,7; 1,1,20; 3,10,7; 7,4,2. Val. Max. 4,1 ext. 1. Sen. de ira 3,34,1. Plin. nat. hist. 33,26. Plut. mor. 759f-760a; Martial. 11,54. Gal. 41 (Kühn). Apul. met. 4,8.

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Sen. de ira 3,29,1. Martial. 92. Sen. de ira 3,4,4. Sen. epist. 4,4; vgl. 70,19-26; de consol. ad Marc. 20,2. Aug. civ. 18,12. Cass. Dio 72,14,2. Plut. mor. 242d. Gal. 50 (Kühn). Plin. nat. hist. 33,145; vgl. 34,160. ILS 7212. Plin. nat. hist. 18,41-43. Phaedr. 3; 33-37. vgl. Aug. civ. 21,11. Dion. Hal. ant. 5,26; 6,50,3; 7,1,2. Martial. 11,49. Dig. 17,1,8,4 (Paul.). Sen. de tranqu. an. 8,8; Sen. epist. 17,3; 96,2. Sen. de brev. vit. 3,2. Plin. nat. hist. 18,21. Martial. 6,33. vgl. Plin. nat. hist. 36,15. Plut. mor. 511d-e.

Karl-Wilhelm Welwei: Herren und Sklaven im archaischen und klassischen Griechenland. Überlegungen zu ihrem wechselseitigen Verhältnis. Originalbeitrag

Karl-Wilhelm Welwei

Herren und Sklaven im archaischen und klassischen Griechenland. Überlegungen zu ihrem wechselseitigen Verhältnis Werturteile über Sklaven und Sklaverei in der griechischen Antike sind selbstverständlich mit den Kriterien ihrer Zeit zu erörtern. Zu beachten sind aber auch die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Sklavenbesitzer gegenüber ihren Sklaven. Die Behandlung der Unfreien war jeweils nicht zuletzt auch geprägt vom Charakter und vom Einfühlungsvermögen der einzelnen Sklavenhalter. Es handelt sich hierbei gleichsam um ein zeitloses Phänomen. Im Zweiten Weltkrieg konnte man beispielsweise beobachten, wie ein in deutsche Kriegsgefangenschaft geratener französischer Soldat, der im Zivilberuf Rechtsanwalt war und 1940 auf einem Bauernhof in Deutschland arbeiten musste, dort wesentlich besser behandelt wurde als später russische Gefangene auf demselben Hof. Als im Frühjahr 1945 amerikanische Streitkräfte das Ruhrgebiet eingekesselt hatten und endlose Züge von russischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen aus dem Frontbereich zurückgeführt wurden, war zu sehen, wie Anwohner aus ihren Häusern an der Straße älteren geschwächten Gefangenen Trinkwasser brachten und einer Zwangsarbeiterin mit einem Säugling auf dem Arm Nahrungsmittel reichten. Solche Erinnerungen an eigene Erlebnisse können freilich nicht generell zum Verständnis der Versklavung und Sklavenhaltung im archaischen und klassischen Griechenland dienen. Sie deuten aber gewisse Vergleichsmöglichkeiten an. Bereits in den homerischen Epen werden Geschehnisse und Vorstellungsweisen erwähnt, die noch in klassischer Zeit mit dem vermeintlichen Siegerrecht der Verfügung über die Besiegten erklärt, aber auch scharf kritisiert wurden. Etwa vor und um 700 v. Chr. wurden offensichtlich in vielen Fällen die männlichen Bewohner eroberter Siedlungen getötet und Frauen und Kinder versklavt.1 Der-

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artige Brutalitäten waren keine Besonderheiten, die als „Erfindung“ im griechischen Sprachraum gelten könnten. Die Anwendung dieses sogenannten Siegerrechtes ist bereits in größerem Maß für die Herrscher Eannatum von Lagasch (um 2470 v. Chr.) und Entemena bzw. Enmetena von Lagasch (um 2430 v. Chr.) bezeugt.2 Daß in der Zeit der Fixierung der homerischen Epen die Tötung von Männern und Kindern und die Vergewaltigung von Frauen in einer Siedlungsgemeinschaft, die einen Vertragsbruch begangen hatte, gewissermaßen als ältere Bräuche galten, zeigt eine Verfluchungsformel, die in der Ilias (3,299-301) den Troianern und den Achaiern („Griechen“) zugeschrieben wird. Es heißt hier: „Denjenigen, die zuerst von uns die Eide verletzen, soll das Hirn zu Boden fließen wie der Wein hier, ihnen selbst und ihren Kindern, und ihre Frauen sollen den Fremden gehören“. Dies war freilich – wie gesagt – der Sonderfall nach einem Eidbruch, für den eine Strafe offenbar mit Hilfe höherer Gewalt gewünscht wurde. Daß die Strafe nach dem Willen des Zeus erfolgen soll, wird in einer etwas abgeschwächten Form im vierten Gesang der Ilias angedeutet, indem die Dichter eine „Warnung“ Agamemnons formulieren (4,237-239), der die Kämpfer darauf hinweist, daß „Vater Zeus“ den Vertragsbrüchigen keinen Schutz gewährt und ihre Leiber von den Geiern zerfleischt sowie ihre Frauen und Kinder von den Siegern verschleppt (und damit wohl auch versklavt) werden.3 Bereits im Alten Orient wurden aber Kriegsgefangene recht unterschiedlich behandelt. Ihre Arbeitskraft konnte extrem ausgenutzt werden, bis sie physisch zugrunde gerichtet waren. Sie konnten aber auch unter besseren Bedingungen leben, wenn sie etwa von hethitischen Königen auf dem Lande angesiedelt oder Tempelwirtschaften zur Verfügung gestellt oder sogar etwa nach einem Jahr entlassen4 oder in Babylonien nach dem Codex Hamurabi (§ 32) losgekauft wurden. Im mittelassyrischen Reich mußten Kriegsgefangene vielfach Zwangsarbeit leisten, und im neuassyrischen Reich nahmen die Herrscher massenhafte Deportationen vor. Auch im mittleren Reich der Pharaonen wurden Kriegsgefangene versklavt. Sie konnten aber offensichtlich auch qualvoll getötet werden.5 Unterschiedliche Möglichkeiten der Behandlung von Kriegsgefangenen werden auch von den Dichtern der homerischen Epen erwähnt. Die Gefangenen konnten bis zu ihrer Auslösung im Lager der Sieger festgehalten (Il. 11,106) oder an anderen Orten bis zum Freikauf inhaftiert werden (Il. 21,40-42; 22,45; 24,751-753). Die

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Dichter nennen aber auch eine sonderbare Vorstellung vom Verlust der Freiheit. Sie glauben, daß ein Mann am Tag der Versklavung die Hälfte seiner areté verliert, d. h. wohl die Hälfte dessen, was einen normalen (tüchtigen) Mann ausmacht, wie Franz Bömer vermutet hat, der allerdings diese Wertung als Theorie aus einer Welt versteht, „die in der Sklaverei ein Problem“ sah.6 Für die betroffenen Kriegsgefangenen ging es indes um Leben oder Tod, da sie trotz des vermeintlichen Verlustes der „Hälfte ihrer Tüchtigkeit“ immer noch als „wertvolles“ Opfer den Göttern dargebracht werden konnten, wie die epischen Dichter in Übereinstimmung mit ihren Zeitgenossen offensichtlich glaubten (Il. 18,336f.; 23,175-189). Mit der Versklavung konnte aus der Sicht der epischen Dichter auch eine Entehrung des versklavten Menschen verbunden sein (Od. 14,340-343). Die Verschleppung von Frauen, die versklavt wurden, wird ebenfalls erwähnt (Il. 16,831). Die Migrationen von Hellenen in den „Dunklen Jahrhunderten“ waren freilich keine kontinuierliche Landnahme großer Wanderungsgruppen, die durchweg indigene Bevölkerungen unterwarfen und versklavten. In Smyrna im heutigen Raum von Bayrakli in Ismir haben sich Zuwanderer nach dem archäologischen Befund offenbar als kleinere Gruppe von einigen Familien neben den dort schon ansässigen Bewohnern angesiedelt und sich mit diesen irgendwie arrangiert.7 Hiervon zu differenzieren ist die Unterwerfung indigener Landbevölkerungen in mehreren Regionen in Griechenland. Da nach dem Ende der mykenischen Palastsysteme kein starker Zustrom von Zuwanderern eingesetzt hat, sind die Heloten in Lakonien, die Penesten in Thessalien und die Mnoiten auf Kreta schwerlich durch Großgruppen von Invasoren unterworfen worden.8 Wahrscheinlich ist das Abhängigkeitsverhältnis der Heloten im Verlauf einer allmählichen Expansion der Spartaner im Süden der Peloponnes entstanden, indem auch kleine Grundbesitzer und mittelgroße Bauern sich an der Erschließung neuer Ländereien in Südlakonien beteiligten und die von ihnen in Besitz genommenen Flächen durch indigene Familien bebauen ließen und hierfür einen Teil der Ernte verlangten. Es ist freilich nicht auszuschließen, daß auch Kriegsgefangene sowie Personen, die von spartanischen Beutefahrern geraubt worden waren, zur Erschließung von Neuland eingesetzt und ebenso wie Teile der eingesessenen Bevölkerung als Heloten klassifiziert wurden, die als

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Unterworfene galten und dementsprechend unfrei waren. Offenbar sind im 8. sowie auch weithin im 7. Jahrhundert v. Chr. in Lakonien keine schweren Konflikte zwischen den Spartanern und der nunmehr minderberechtigten unfreien Landbevölkerung entstanden, da gegen Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. Messenien von Sparta unterworfen wurde und große Teile der dortigen Bevölkerung denselben Status wie die helotisierten Bewohner Lakoniens erhielten. Ähnliche Formen der unfreien Abhängigkeit sind in archaischer Zeit in Kreta, in Thessalien, in Lokris9 und eventuell auch in Phokis sowie auch in den Apoikien Syrakus und Herakleia am Schwarzen Meer entstanden.10 Als Prototyp dieser Form der unfreien Abhängigkeit gilt nach wie vor die Helotie. Nach Libanios (or. 25,63), dem bedeutendsten griechischen Redelehrer der späten römischen Kaiserzeit (314 bis etwa 393 n. Chr.), soll Kritias, der Anführer der „Dreißig“ in Athen (404/403 v. Chr.), geäußert haben, daß der Gegensatz zwischen Freien und Sklaven am stärksten in Sparta ausgeprägt gewesen sei. Daß diese Einschätzung weit verbreitet war, bestätigt Plutarch (Lyk. 28) mit dem Hinweis, daß der Unterschied im Rechtsstatus von jenen Personen sehr wohl erkannt worden sei, die der Auffassung sind, daß in Lakedaimon (Sparta) der Freie am meisten frei und der Unfreie im vollsten Sinne Sklave war. Plutarch erwähnt im Kontext die sogenannte Krypteia, der in der Überlieferung gleichsam eine Lizenz zum Töten verdächtiger Heloten zugeschrieben wird. Zudem beruft Plutarch sich auf eine schon von Thukydides (4,80) erwähnte angebliche Ermordung von etwa 2000 Heloten, die sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatten und dann spurlos verschwunden sein sollen. Thukydides berichtet dieses „Ereignis“ im Zusammenhang mit seiner Darstellung der Rekrutierung von Heloten für die Expedition des Brasidas nach Thrakien 424 v. Chr. Eine Quelle für diesen Bericht nennt Thukydides indes nicht. Seine Ausführungen sind hier nicht glaubwürdig, da eine Ermordung jener 2000 Heloten schwerlich verheimlicht werden konnte. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Erfindung antispartanischer Propaganda im Peloponnesischen Krieg. Plutarch (Lyk. 28) verbindet diese Gräueltat mit kursierenden Gerüchten über Aktionen der Kryptoi, „der Verborgenen“, d. h. der Mitglieder der Krypteia. Ausgewählte Kryptoi sollen nach dem Ende ihrer Agogé („Erziehung“) noch einem Härtetest unterzogen worden sein, bei dem sie angeblich nachts umherstreifen mußten und jeden Heloten, den sie unterwegs antrafen, töten durften.

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Auch tagsüber hätten die Kryptoi oft die stärksten Heloten auf den Feldern bei der Arbeit getötet. Die von Plutarch benutzten Quellen für derartige „Nachrichten“ sind aber ausnahmslos erst nach der Befreiung der messenischen Heloten von der spartanischen Herrschaft durch die Intervention boiotischer Streitkräfte 370/69 v. Chr. entstanden und dienten offensichtlich zur Diffamierung der Politik der Spartaner nach ihrer schweren Niederlage bei Leuktra 371 v. Chr. und dem daraus resultierenden Verlust ihrer Hegemonie.11Die Kritik an der Behandlung der messenischen Heloten durch die Spartaner scheint sich in der Folgezeit mehr und mehr verschärft zu haben. So behauptet Zenobios Grammatikos 2,80 (2. Jahrhundert n. Chr.), daß die Messenier nach mehreren Aufständen von den Spartanern unterjocht und schlimmer als andere Unfreie (douloi) behandelt worden seien.12 Zenobios bezieht sich offenbar auf den großen Helotenaufstand der sechziger Jahre des 5. Jahrhunderts v. Chr., der von einer Erhebung der Messenier ausging.13 Als die Rebellen kapitulierten, gewährten die Spartaner ihnen den Abzug mit Frauen und Kindern unter der Bedingung, daß sie niemals die Peloponnes wieder betreten werden.14 Die überlebenden Aufständischen wurden offenbar von den Athenern aufgenommen, bis der athenische Strategos Tolmides sie in dem Stützpunkt Naupaktos am Golf von Korinth ansiedelte (Diod. 11,84,7-8). Von einer Kooperation der Poleis Athen und Sparta konnte keine Rede sein, nachdem die Spartaner Kimon brüskiert hatten, als er ihnen 462 v. Chr. auf Weisung der athenischen Ekklesia mit 4000 Hopliten gegen die Aufständischen zu Hilfe kommen sollte. Es gab damals keine „Einheitsfront“ der beiden griechischen Großpoleis gegen rebellierende Unfreie. Demgegenüber verpflichteten sich die Athener in ihrem Bündnis mit den Spartanern zu Beginn des Sommers 421 v. Chr., letzteren bei einem Aufstand ihrer douleia (d. h. der Heloten) nach Möglichkeit mit aller Kraft zu Hilfe zu kommen (Thuk. 5,23,3).15 Die politische Situation hatte sich nach dem Nikiasfrieden (421 v. Chr.) erheblich verändert, da Korinth, der wichtigste Bundesgenosse Spartas, mit dem Ergebnis des Archidamischen Krieges unzufrieden war. Hinzu kam, daß für die Spartaner die Politik der Argiver damals schwer einzuschätzen war, da 421 v. Chr. ein dreißigjähriger Frieden zwischen Sparta und Argos ablief. In dieser Situation suchten die Spartaner eine Rückversicherung mit Athen einzugehen. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb bemerkenswert, weil die Spartaner erst wenige Jahre zuvor (424 v. Chr.) einen Kurswechsel im Rekrutierungsverfahren vorgenommen

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hatten, indem sie Brasidas mit einer Truppe von 1000 Söldnern und 700 Heloten, die erstmals als Hopliten ausgerüstet wurden, nach Thrakien entsandten (Thuk. 4,78-81). Die Streitmacht sollte dort wichtige athenische Verbindungslinien zum Pontosgebiet von der Landseite her gefährden. Diese Heloten haben sich zweifellos in Thrakien im Kampf bewährt. Sie wurden nach ihrer Rückkehr nach Sparta freigelassen sowie fortan als Brasideier (d. h. als Soldaten des Brasidas) bezeichnet. Inzwischen hatten die Spartaner noch eine Reihe von weiteren Heloten emanzipiert und als Hopliten rekrutiert, die nunmehr als Neodamoden galten, d. h. „neu zum Damos (der Wehrfähigen) Gehörende“. Die Freigelassenen hatten aber kein spartanisches Bürgerrecht und dienten nicht in den Eliteeinheiten der Spartiaten und der lakedaimonischen Perioikoi.16 In der Schlacht bei Mantineia 418 v. Chr. wurden die Brasideier und Neodamoden als gesonderte Einheit in der spartanischen Phalanx eingesetzt 17 und in den Jahren nach der Sizilischen Expedition der Athener als Kampftruppen sowie auch als Besatzungen in spartanischen Stützpunkten verwendet.18 Dies zeigt, daß die Spartaner Vertrauen zu den freigelassenen Kombattanten helotischer Herkunft hatten. Unter diesem Aspekt sind auch die (angeblichen) Ausführungen des Verschwörers Kinadon zu werten, der 398 v. Chr. einen Aufstand gegen die Spartiaten anzuzetteln versuchte, aber kläglich scheiterte. Er soll Gefolgsleute mit den Worten geworben haben, daß Heloten, Neodamoden, Hypomeiones (minderberechtigte Spartaner) und Perioiken am liebsten die Spartiaten roh verspeisen würden (Xen. hell. 3,3,6).19 Diese generalisierende Beschreibung der vermeintlichen Übereinstimmung in den genannten vier Großgruppen in ihrer Einstellung gegenüber den Spartiaten ist natürlich zweckgebunden und absurd. 20 Nach dem Scheitern des Putschversuchs des Kinadon wurden weiterhin Heloten freigelassen und als Neodamoden im Militärdienst der Spartaner verwendet, die aber zudem zahlreiche Heloten in höchster Not mobilisierten, als 370/69 v. Chr. starke boiotische Streitkräfte und ihre Verbündeten in die Peloponnes vorstießen und Sparta angriffen. Damals sollen über 6000 Heloten einem Aufruf der Spartaner zum Waffendienst gefolgt sein (Xen. hell. 6,5,28-30). Sie sollten nach ihrer Bewährung im Kampf freigelassen werden. Die große Zahl der Freiwilligen soll allerdings in Sparta Besorgnis erregt haben, die sich aber legte, als sich Söldner aus Orchomenos als zuverlässig erwiesen.

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In der Folgezeit verzichtete die spartanische Führung zwar auf die Rekrutierung weiterer Neodamoden. Dies ist aber vor allem darauf zurückzuführen, daß nach dem Ende der spartanischen Großmachtstellung die notwendigen Mittel für die dauerhafte Unterhaltung der Neodamodeneinheiten fehlten, zumal die Neodamoden offensichtlich keinen Landbesitz als Existenzgrundlage erhielten. Es war wahrscheinlich weniger kostspielig, in Notfällen vorübergehend Söldner anzuwerben. Erst in der Zeit des Kleomenes III. und des Nabis wurden wieder zahlreiche Heloten im Kriegsdienst eingesetzt. Kleomenes III. hat im Kampf gegen Antigonos Doson von Makedonien alle Heloten, die fünf attische Minen aufbringen konnten, freigelassen und 2000 von ihnen mit makedonischen Sarissen ausgestattet, um sie gegen die Elitetruppe der sogenannten Leukaspisten des Antigonos Doson einzusetzen. Sie erhielten aber nicht das spartanische Bürgerrecht.21 Nabis hat demgegenüber bereits zu Beginn seiner Herrschaft Heloten emanzipiert, um hierdurch das militärische Potential Spartas zu stärken.22 Vermutlich handelte es sich um Heloten der von Nabis verbannten Spartiaten. Wahrscheinlich erhielten jene Heloten zumindest einen Teil der Besitzungen der Exulanten. Die freigelassenen Heloten haben offensichtlich mit großem Einsatz gegen die römischen Truppen unter Titus Quinctius Flamininus gekämpft, da sie nach Verhandlungen des Nabis mit dem römischen Truppenführer einen Verlust ihrer neuen Besitzungen befürchteten (Liv. 34,36,4ff.). Allerdings sollen auch während der Belagerung Spartas einige verdächtige Heloten von Nabis grausam bestraft worden sein.23 Hierzu mögen auch Freigelassene gezählt haben, die zu desertieren versuchten. Insgesamt gesehen hat sich der Einsatz von Heloten in der spartanischen Armee bewährt. Für die Heloten bedeutete die Freilassung für den Kriegsdienst eine große Chance, ein neues Leben zu beginnen. Dies schließt nicht aus, daß Heloten im Krieg auch auf andere Weise die Freiheit zu erlangen versuchten. Nach Thukydides (5,14,3) geschah dies während der Kämpfe bei Pylos (425 v. Chr.) und um Kythera (424 v. Chr.). Es bestand aber schwerlich permanent ein gespanntes Verhältnis zwischen Spartiaten und Heloten, wie die Kriegsdienste zahlreicher Heloten zeigen.24 Sie wurden übrigens auch als Ruderer auf spartanischen Flotteneinheiten eingesetzt. Der Hinweis Xenophons (hell. 7,1,12) auf Heloten als Ruderer ist zwar singulär, hat aber insofern ein großes Gewicht, als hier eine gene-

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relle Aussage über die üblichen Rudermannschaften der spartanischen Kriegsschiffe vorliegt. Gleichzeitig sind auch Ruderer als Söldner sowie „Lakedaimonier“ als Trierarchen erwähnt, die zweifellos primär Perioiken der Spartaner waren. Jedenfalls waren die Kriegsschiffe der Spartaner mit Freien und Heloten bemannt, die im Gefecht notgedrungen Kampfgemeinschaften bildeten. Im übrigen liegt auch ein indirektes Zeugnis für Heloten als Ruderer wahrscheinlich bei Myron von Priene (FgrHist 106 F 1 = Athen. 6,271) vor, der bemerkt, daß zu den freigelassenen douloi in Sparta auch desposionautai zählten. Es handelte sich wohl um freigelassene Ruderer helotischer Abstammung, wie aus Eusthatios in seinem Kommentar zur Ilias (15,431) zu entnehmen ist. Ein engeres Verhältnis dürfte insbesondere zwischen vielen Spartiaten und ihren helotischen Waffen- und Proviantträgern bestanden haben. Die Heloten folgten den Kombattanten aufs Schlachtfeld, um ihren Herren notfalls bei einer Verwundung beizustehen. Hierbei konnten sie selbst tödlich verletzt werden, wie Nachrichten über gefallene Heloten bei den Thermopylen 480 v. Chr. (Hdt. 8,25,1) und bei Plataiai 479 v. Chr. (Hdt. 9,85,2) belegen. Eindrucksvoll ist das Beispiel eines Heloten, der seinen augenkranken Herrn bei den Thermopylen auf dessen Wunsch aufs Schlachtfeld zurückführte und wahrscheinlich dort gefallen ist (Hdt. 7,229,1). Im athenischen Kriegsdienst sollen nach Pausanias (1,32,3-4; 7,15,7; 10,20,2) in der Schlacht bei Marathon 490 v. Chr. Sklaven eingesetzt worden sein. Wenn dies zutrifft, dienten sie vermutlich als Kombattanten, die aufgrund eines von Miltiades beantragten Volksbeschlusses mobilisiert und freigelassen worden waren. Die im Kampf gefallenen Sklaven wurden aber nicht in dem Soros (Grabhügel) für die bei Marathon gefallenen 192 Athener bestattet, sondern in einem weiteren Grab zusammen mit den dort gefallenen Plataiern beigesetzt. Pausanias (1,32,4) bemerkt in seinem Bericht hierzu im Kontext, daß die bei Marathon gefallenen griechischen Kämpfer heroische Ehren erhielten. Daß auch die gefallenen Sklaven derartige Ehren erfahren haben, ist freilich wenig wahrscheinlich. Immerhin kannte Pausanias aber noch Nachrichten über den Tod athenischer Sklaven in der Schlacht bei Marathon. Erhalten ist übrigens die Nennung eines bei Drabeskos gefallenen unfreien Waffenträgers auf einem Fragment einer athenischen Verlustliste auf dem sogenannten Staatsfriedhof aus dem Jahr 464 v. Chr.25 Als Ort des betreffenden

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Kampfes ist Eion angegeben. Wahrscheinlich war Eion aber die Basis des Unternehmens, das bei Drabeskos zu einer Katastrophe führte. Sicherlich sind bei Drabeskos noch weitere Waffenträger gefallen, denen prinzipiell die gleichen Ehrungen zuteil wurden wie den gefallenen freien Athenern.26. Eine umfangreiche Mobilisierung der Sklaven in Athen wurde von der athenischen Volksversammlung nach der Schlacht bei Chaironeia 338 v. Chr. beschlossen. Offenbar sollten alle wehrfähigen Sklaven der Athener damals mobilisiert werden.27 Die geplante Maßnahme erübrigte sich aber, als der Waffenstillstand mit Philipp II. von Makedonien geschlossen wurde und der König einen für Athen günstigen Frieden gewährte, weil er offensichtlich beabsichtigte, die noch erhaltene athenische Flotte für den Kampf gegen Persien zu verwenden. Nach dem Friedensschluß wurde gegen Hypereides, der den Antrag auf Emanzipation der Sklaven gestellt hatte, ein Prozeß eingeleitet. Er rechtfertigte sich mit dem Argument, er habe die Freilassung der Sklaven beantragt, damit die Freien keine Sklaven werden. Die Auffassung entsprach der Einstellung der Mehrheit der Bürger, die nach der Schlacht bei Chaironeia in der Not des Augenblicks keine Bedenken gegen eine Rekrutierung der wehrfähigen Sklaven gelten ließen. Den letzten großen Sieg im Peloponnesischen Krieg haben die Athener in der Seeschlacht bei den Arginusen gewonnen, nachdem sie notgedrungen zahlreiche Sklaven als Ruderer auf ihren Trieren eingesetzt hatten.28 Auch die Athener hatten freilich bei den Arginusen infolge eines aufkommenden Sturmes relativ hohe Verluste (406 v. Chr.). Viele Besatzungsmitglieder konnten in der stürmischen See nicht gerettet werden. Die Sklaven, die den Kampf überlebt hatten, wurden zwar von den Athenern freigelassen, gerieten aber in der Schlacht bei Aigospotamoi (405 v. Chr.) in spartanische Gefangenschaft und wurden zweifellos erneut versklavt. Nach der Schlacht bei den Arginusen hatte Aristophanes in seiner Komödie „Ranae“ (Vers 693 f.) ihre Freilassung übrigens als eine Schande bezeichnet. Vermutlich sollten die freigelassenen Sklaven nach einem „Endsieg“ der Athener in einer athenischen Außensiedlung Land erhalten. Dies wäre für die Freigelassenen ein großes Privileg gewesen. Aristophanes vergleicht diesen Status mit der Stellung der Plataier in Athen. Gleichwohl wäre dies aber nicht gleichbedeutend mit der Verleihung eines eingeschränkten athenischen Bürgerrechts oder einer offiziellen Aufnahme der Sklaven in den Status der

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Plataier gewesen, die nach der Vertreibung aus ihrer Polis durch thebanische und peloponnesische Streitkräfte 427 v. Chr. im Archidamischen Krieg in Athen besondere Privilegien erhalten hatten. Ein Sonderfall ist das Verzeichnis einiger athenischer Trierenbesatzungen auf fragmentarisch erhaltenen Listen von der Athener Akropolis mit einem Anteil von zwanzig bis vierzig Prozent Sklaven auf mehreren Kampfschiffen.29 Die Zuordnung der Bruchstücke ist problematisch. Da in den Fragmenten die Sklaven noch als therapontes bezeichnet werden, könnte es sich um Listen handeln, die aus besonderen Gründen im Verlauf der Ausrüstung der „Arginusenflotte“ angefertigt wurden. Auf den athenischen Trieren wurden zudem generell Epibaten (Hopliten, „Seesoldaten“) und Schiffsoffiziere sowie Angehörige des seemännischen Personals von eigenen Sklaven begleitet, die auf See auch Ruderdienste verrichten mußten. Notmaßnahmen waren die Rekrutierungen zahlreicher Sklaven für den Ruderdienst durch Dionysios I. von Syrakus 397 v. Chr. infolge eines erheblichen Mannschaftsbedarfs. Er emanzipierte diese Sklaven noch vor ihrem Einsatz (Diod. 14,58,1). Als Bürgertruppen der Syrakusaner 392 v. Chr. im Krieg gegen Karthago forderten, eine schnelle militärische Entscheidung zu suchen, geriet Dionysios I. in Bedrängnis. Er entschloß sich, zahlreiche Sklaven zu emanzipieren, gab aber den Plan auf, als die Karthager einen Friedensschluß vorschlugen (Diod. 14,96,3). Daraufhin gab Dionysios die Sklaven (oíketai), die Waffendienst leisten sollten, an ihre Herren zurück. Sie waren sicherlich ebenso enttäuscht wie die wehrfähigen Sklaven in Athen nach der Schlacht bei Chaironeia.30 Jene oiketai der Syrakusaner waren offensichtlich Troßknechte oder Waffenburschen ihrer Herren im Heer des Dionysios. Er suchte ebenso wie die Athener nach der Schlacht bei Chaironeia die Sklaven für seine eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Dies war nicht zuletzt deshalb möglich, weil die betreffenden Unfreien ihrem Sklavendasein entrinnen wollten. Zudem ist aber auch zu beachten, daß die Sklaven im Fall einer Niederlage des Heeres ihrer Herren den Tod in der Schlacht oder aber eine erneute Versklavung und insofern eine Verschlimmerung ihrer Lage befürchten mußten. In einigen Poleis wurden übrigens Sklaven nicht nur in Notlagen als Ruderer eingesetzt. In Kerkyra (Korfu) und in Herakleia am Schwar-

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zen Meer konnte ein großer Mannschaftsbedarf der Flotten nur durch einen Einsatz einer größeren Zahl von Sklaven auf den Ruderbänken gedeckt werden.31 In diesen Fällen wurden die unfreien Ruderer aber nicht freigelassen, da eine permanente Emanzipation von Unfreien für den Ruderdienst wohl auf die Dauer zu einer weitgehenden Reduzierung der Sklaverei in beiden Poleis geführt hätte. Als Chios 412 v. Chr. von Athen abfiel, requirierten die Athener sieben Trieren dieser Polis.32 Sie ließen die auf diesen Schiffen eingesetzten Sklaven frei und versklavten die freien Besatzungsmitglieder. In diesem Fall hatten die Freien das Nachsehen gegenüber den Sklaven. Die Freilassung von Sklaven auf der athenischen „Arginusenflotte“ sowie die Emanzipation der Rudersklaven auf der Flotte des Dionysios I. sind in gewisser Weise vergleichbar mit der Emanzipation unfreier Kombattanten vor oder nach ihrem Einsatz in Landstreitkräften. Dies bestätigt zunächst, daß jedenfalls in Athen die Bemannung der Flotte größte Bedeutung für die athenische Wehrkraft hatte. Die militärische Verwendung von Sklaven war aber ein Widerspruch zu der weithin üblichen Geringschätzung der Unfreien. Insofern erforderte der Einsatz von Sklaven bzw. von ad hoc freigelassenen Sklaven in den betreffenden Gemeinwesen auch eine Überwindung von Vorurteilen. Die freien Kombattanten und Seeleute konnten sicherlich mit Staunen den Mut mancher Sklaven beobachten. Hieraus wurde aber bekanntlich nicht die entscheidende Konsequenz gezogen, nämlich die Abschaffung der Sklaverei. Eine gewisse Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die Vielzahl der griechischen Gemeinwesen. Wenn man von der Invasion der Perser 480/79 v.Chr. und dem Angriff der Karthager auf Sizilien 480 v. Chr. sowie vom Peloponnesischen Krieg absieht, hat es im 5. Jahrhundert v. Chr. nie eine Krise gegeben, die flächendeckend große Teile der hellenischen Welt bedrohte, so daß Emanzipationen von Sklaven aus militärischen Gründen immer lokal oder regional begrenzt blieben und insofern auch Solidarisierungseffekte zwischen Freien und Sklaven in Notzeiten beschränkt waren. Aus der Sicht von Sklaven waren aber Bedrohungen eines Gemeinwesens durch äußere Feinde auch eine Gelegenheit zur Flucht, wie dies in Athen und Attika nach der Besetzung Dekeleias durch die Spartaner im Peloponnesischen Krieg der Fall war.33 Nach den „Hellenika Oxyrhynchia“ sollen etwa 20000 Sklaven, die zu den Spartanern ge-

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flüchtet waren, als „Überläufer“ zu einem geringen Preis an die Boioter wieder verkauft worden sein.34 Die flüchtigen Sklaven standen auf jeden Fall außerhalb der Bürgergemeinschaft ihrer Herren und waren wohl überwiegend Fremde aus fernen Ländern. Sie hatten aber sicherlich eine andere Behandlung durch die Spartaner erwartet. Wie die Situation der flüchtigen Sklaven in Athen gewesen sein mag, ist nicht eindeutig zu beurteilen. Ihr Drang nach Freiheit darf jedenfalls nicht unterschätzt werden und erklärt zweifellos weitgehend die Motive ihrer Flucht. Für flüchtige Sklaven lag generell eine Tragik darin, daß sie von den Feinden ihrer Herren, denen sie gedient hatten, nicht nur verkauft, sondern auch wieder zurückgejagt werden konnten. Der spartanische Befehlshaber Mnasippos ließ während der Belagerung Kerkyras bekanntgeben, daß alle geflüchteten Überläufer verkauft würden. Er konnte hierdurch eine Massenflucht nicht verhindern und ließ die Überläufer zurückjagen, um hierdurch den Fall der Polis durch eine Hungersnot zu erzwingen. Dies hatte den Tod vieler Sklaven zur Folge (Xen. hell. 6,2,15), da sie in der Stadt nicht mehr aufgenommen wurden. Aber auch Freie mussten in klassischer Zeit gegebenenfalls eine Versklavung befürchten, wenn sie in Gefangenschaft gerieten oder ihr Gemeinwesen von feindlichen Truppen erobert wurde. Allerdings hatten die Perserkriege zur Stärkung des Identitätsbewußtseins der Hellenen geführt. Herodot (1,151,2) kritisiert scharf die Versklavung der Bürger von Arisba auf Lesbos (um 600 v. Chr.) durch die Methymnaier, die für den Historiker mit den Bewohnern von Arisba „blutsverwandt“ waren. Nach diesem Kriterium läßt Herodot (5,49,3) auch Aristagoras, den Initiator des Ionischen Aufstands gegen die Perser, den spartanischen König Kleomenes I. ermahnen, daß die Spartaner „bei den Göttern der Griechen“ die „blutsverwandten“ Ionier vor der Knechtschaft (doulosyne) durch die Perser bewahren mögen, und vor dem Entscheidungskampf gegen die 479 v. Chr. noch auf griechischem Boden stehenden Perser sollen die Athener dem makedonischen König Alexander I., der ein Bündnisangebot des Mardonios überbrachte, in Gegenwart einer spartanischen Gesandtschaft erklärt haben, daß sie (die Athener) bluts- und sprachverwandt mit (allen) Griechen seien und die gleichen Heiligtümer und Sitten wie diese hätten (Hdt. 8,144,2).35

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Bereits in archaischer Zeit zeichneten sich freilich auch Bemühungen ab, zumindest im regionalen Bereich eine gewisse Humanisierung in der Kriegführung zu erreichen. Die Mitglieder der Delphischen Amphiktyonie verpflichteten sich, keine Polis ihrer Gemeinschaft zu zerstören, zu belagern, auszuhungern oder von der Wasserzufuhr abzuschneiden.36 In der Pentekontaëtie weitete sich das Identitätsbewußtsein der Hellenen erheblich aus, wenn auch noch weiterhin aus besonderen Gründen Bewohner eines griechischen Gemeinwesens, die einer anderen hellenischen Polis im Krieg unterlagen, vertrieben wurden. Andere Kriterien galten offenbar gegenüber nichtgriechischen Gemeinwesen. So ließ Kimon die Bevölkerung von Skyros versklaven. Es handelte sich um Doloper (Thuk. 1,98,2). Ein Sonderfall war die Behandlung der Messenier, die Sparta nach dem schweren Erdbeben 464 v. Chr. angegriffen hatten. Den aufständischen messenischen Heloten hatten sich auch messenische Perioiken sowie eine eher geringe Zahl von lakonischen Heloten angeschlossen. Die Angreifer wurden zurückgeschlagen, verschanzten sich aber in der messenischen Bergfestung Ithome, wo sie sich mehrere Jahre behaupten konnten, bis sie um 460 v. Chr. kapitulieren mußten. Die Spartaner gewährten ihnen aus kultisch-religiösen Bedenken freien Abzug, und zwar – wie gesagt - unter der Bedingung, daß sie nie mehr die Peloponnes betreten würden. Das Motiv für die Spartaner war ihr eigenes Schuldgefühl. Sie hatten das Erdbeben als Strafe für ihr eigenes Vergehen betrachtet, weil sie einst flüchtige messenische Heloten beim Poseidon-Heiligtum von Tainaron getötet hatten und fürchteten, das ein weiterer Verstoß gegen das Asylrecht eine erneute göttliche Strafe zur Folge haben könnte.37 Die Messenier hatten sich auf ihrer Bergfestung unter den Schutz des Zeus Ithomatos gestellt. Die Pythia in Delphi hatte daher die Spartaner dringend vor einem erneuten Verstoß gegen das religiös verankerte Asylrecht gewarnt, und ein spartanischer Seher hatte sich dieser Deutung angeschlossen.38 Von einer humanitären Einstellung gegenüber aufständischen Unfreien kann bei der genannten Konzession der Spartaner keine Rede sein. Nach dem TabuBruch der Spartaner beim Poseidon-Heiligtum war ihre Furcht vor den Folgen eines erneuten Vergehens dieser Art ein gewisser Schutz für die Widerstandskämpfer auf der Festung Ithome. In krassem Gegensatz zur Überlieferung über die Unterdrückung der unterworfenen Heloten steht eine scharfe Kritik des Verfassers

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der pseudo-xenophontischen Athenaion Politeia (1,10-11), die vermutlich im sogenannten Archidamischen Krieg (431-421 v.Chr.) verfasst wurde, da spartanische Vorstöße nach Attika genannt werden. Hiernach soll in Athen bei den douloi sowie auch bei den metoikoi größte Zuchtlosigkeit (akolosía) herrschen: Ein doulos darf dort angeblich nicht geschlagen werden. Er wird auch keinem Freien bescheiden ausweichen. Der Autor führt dies darauf zurück, daß die Bürger nicht anders gekleidet sind als douloi, metoikoi und Freigelassene. Dies soll nicht zuletzt an der athenischen Seemacht liegen, denn wo es eine Seemacht gibt, müssen nach Auffassung des Autors die Sklaven notwendigerweise für Geld Dienstleistungen erbringen. Daher seien Sklaven reich geworden. Wo dies der Fall sei, fürchte sich ein doulos nicht mehr wie die Heloten vor einem Freien. Daher hätten die Athener den Sklaven die gleiche Redefreiheit (isegoría) zugestanden wie den Freien. Diese Ausführungen sind eine ironische Diffamierung der athenischen Demokratie, in der isegoría als Markenzeichen bürgerlicher Redefreiheit und Gleichheit galt, während der Verfasser jener Schrift eine harte Behandlung der Heloten als exemplarisch rühmt bzw. positiv beurteilt. Den Hinweis auf „Redefreiheit“ der Sklaven bei Pseudo-Xenophon kann keineswegs Demosthenes bestätigen (9,3), der in der dritten Philippika bemerkt, daß die Sklaven in Athen ein Recht auf Redefreiheit besitzen.39 Die dritte Philippika des Demosthenes muss in ihrem historischen Kontext gesehen werden. Sie wurde sehr wahrscheinlich im Frühsommer 341 v. Chr. konzipiert. Demosthenes verweist darauf, daß er unangenehme Fakten ansprechen und darauf hinweisen will, daß Nichtbürger („Fremde“) und Sklaven in Athen freier ihre Meinung zum Ausbruch bringen können als in anderen Poleis. Er vergleicht also die Verhältnisse in Athen mit anderen Gemeinwesen. Dies bedeutet keine allgemeine Redefreiheit der Sklaven in Athen, da hiermit sicherlich keine isegoría im politischen Sinne gemeint ist. PseudoXenophon beschreibt die politische Ordnung der Athener aus der Sicht eines Oligarchen und verzerrt die Sachverhalte, indem er das angeblich freche Fehlverhalten der Sklaven als Ergebnis eines Apophora-Systems und als spezifische Erscheinung der athenischen Seemacht deutet, in deren Rahmen viele Sklaven außerhalb des Hauses ihrer Herren arbeiteten und regelmäßig Abgaben an ihre Herren leisten mußten, aber dementsprechend auch einen Teil des Geldes, das sie verdienten, behalten konnten. Der Autor verschweigt

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aber, daß ein Verbot, fremde Sklaven zu schlagen, auch einen gewissen Schutz des Eigentums des Sklavenhalters garantieren sollte. Das Problem des Verhältnisses zwischen Freien und Sklaven läßt sich freilich nicht auf ökonomische Aspekte reduzieren. In der Pentekontaëtie wurden – wie gesagt – im Blick auf die in den Perserkriegen gewonnenen Erfahrungen die Versklavung von Hellenen kritisiert. Dies implizierte die Ablehnung einer Gleichstellung von Griechen und Nichtgriechen („Barbaren“). In der Philosophie und in theoretischen Erörterungen sowie in der Poesie wurde aber auch ein Gegensatz zwischen Freien und Sklaven nicht als unüberbrückbar betrachtet. Aischylos läßt in seinem „Agamemnon“ (Verse 1083 f.) den Chorführer mit Blick auf die Königstochter Kassandra verkünden, daß das Göttliche auch im Bewusstsein eines Sklaven bewahrt bleibt. Sophokles betont, daß auch im Körper eines Sklaven der Geist frei bleibt (Stob. Flor. 62,33 = fr. 854 Nauck), und für Euripides kann ein als Sklave Geborener einen freieren Sinn haben als ein frei geborener Mensch (Eur. Hell. 729-731). Das Problem der Aussetzung thematisiert Euripides in seinem Drama „Ion“. Es handelt sich freilich um einen Mythos: Der „Tempelsklave“ Ion ist ein Sohn Apollons und der Kreusa, der Tochter des athenischen Königs Erechtheus. Die Mutter verheimlicht die Geburt und setzt das Kind in einer Höhle aus. Es wird von Hermes nach Delphi gebracht und dort nach doppelter Anagnorisis („Wiedererkennung“) identifiziert und auf Weisung Apollons der Eponym der kleinasiatischen Ionier. Die Idealisierung des edlen „Tempelsklaven“, der durch einen unglücklichen Zufall unfrei wird, ist vor der Folie einer Aussetzung von Kindern zu sehen, deren hochrangige Herkunft angeblich zunächst nicht bekannt war. Die enge Bindung des „Ion“ im gleichnamigen Stück des Euripides entsprach freilich nicht der realen Lebenswelt der „Gottessklaven“.40 Eine andere Form des „Sklavendaseins“ findet sich in der „Alten Komödie“. Während in den großen Themen der Tragödie gleichsam zeitlose Probleme aufgezeigt werden, enthalten die Komödien des 5. Jahrhunderts v. Chr. weithin Anspielungen auf vermeintlich aktuelle Situationen in Athen. In den 424 v. Chr. aufgeführten „Rittern“ des Aristophanes symbolisieren die Figuren des ersten und des zweiten Sklaven die Personen der Strategen Demosthenes und Nikias, und der „Paphlagonier“, der Obersklave des „Herrn Demos“, soll Kleon darstellen, der die „Untersklaven“ verleumdet, so daß sie vom

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„Herrn“ Prügel beziehen (Aristoph. eq. 4-14). Generell agieren in den Komödien dumme Mägde und Sklaven als komische Figuren, aber auch als gewitzte Akteure wie der Sklave Xanthos in den „Fröschen“ (Ranae) des Aristophanes oder Karion, der im „Plutos“ alte Bauern täuscht und hereinlegt (Aristoph. Plut. 253 ff.). Insgesamt wird in der Alten Komödie eine groteske und verzerrte Lebenswelt dargestellt, die gerade hierdurch komisch wirkte.41 Es werden aber auch Machtmissbrauch der Sklavenhalter und mögliche Reaktionen der Sklaven vorgeführt, die vielleicht manchen Sklavenhalter nachdenklich gemacht haben könnten. Die Dichter waren freilich keine Anwälte der Unterdrückten. In der Neuen Komödie wird der niedere Status des Sklaven deutlich hervorgehoben, wenn auch Menander im „Dyskolos“ den Sklaven Getas als Schlaumeier agieren läßt. Der Dichter präsentiert aber zudem vermeintliche philosophische Bemühungen des Sklaven Onesimos in den „Epitrepontes“ als „Ergüsse einer komischen Figur“,42 während in seinen Stücken den Sklaven auch Schläge, Auspeitschung und Brandmarkung angedroht werden. Es bleibt aber die Frage, inwieweit derartige Strafen tatsächlich vollzogen wurden. Dies gilt freilich auch mutatis mutandis in Bezug auf die in den Komödien vorgeführte Ironie der Sklaven, mit der sie ihre Herren lächerlich zu machen und zu ärgern scheinen.43 Sicherlich konnte jeder freie Bürger einer politischen Gemeinschaft in Griechenland sich die individuellen Auswirkungen auf versklavte freie Angehörige eines Gemeinwesens ausmalen, das in einem Krieg erobert worden war. Es ist aber schwer zu beurteilen, inwieweit verbreitete Vorstellungen von der Erbarmungslosigkeit einer kollektiven Versklavung einer Polis in der Pentekontaëtie zu einer gewissen Humanisierung in der Kriegführung zwischen griechischen Gemeinwesen geführt hat. Immerhin haben die Athener nach der Niederwerfung von Aufständen ihrer Symmachoi Naxos, Thasos, Milet, Eretria, Chalkis und Samos keine Massenversklavungen und Vertreibungen der Bürger dieser Städte vorgenommen. Eine Ausnahme war Histiaia. Dort war die Besatzung einer athenischen Triere zu Beginn der Erhebung getötet worden. Die Vertreibung der Bewohner von Histiaia war ein athenischer Racheakt. Ein Sonderfall war auch Chaironeia. Thukydides (1,113,1) berichtet von einer Versklavung der Bewohner 447 v. Chr. Betroffen waren aber dort nur die sogenannten Oligarchen, die kurz zuvor die Kontrolle über die Stadt gewonnen und dort ihre Gegenspieler, die als „Demokraten“

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geltenden Parteigänger der Athener, vertrieben hatten. Nach der Niederlage der Athener bei Koroneia (446 v. Chr.) wurden aber die versklavten Oligarchen von den siegreichen Boiotern wieder befreit. Das uralte „Siegerrecht“ war aber nach wie vor in bester Erinnerung. Als Poteidaia im Winter 430/29 v. Chr. kapitulieren mußte, haben die athenischen Strategen den Bürgern und ihren Frauen und Kindern freien Abzug gewährt, wie Thukydides (2,70,3) berichtet. Er erwähnt allerdings nicht, was mit den Sklaven in Poteidaia geschah. Nach dem Abzug der Bürger aus Poteidaia haben die Athener ihren Strategen Vorwürfe gemacht, weil sie die Stadt nicht erobert hatten, so daß sie in der Lage gewesen wären, nach Belieben über die Bewohner zu verfügen. Anders gingen die Athener gegen Skione und Torone vor. Im Nikiasfrieden (421 v. Chr.) hatten die Spartaner den Athenern u. a. konzediert, mit Skione und Torone nach Gutdünken zu erfahren (Thuk. 5,18). In Skione töteten die Athener nach dem Fall der Stadt die Bürger und versklavten die Frauen und Kinder (Thuk. 5,32,1). Torone war bereits 422 v. Chr. von athenischen Streitkräften unter Kleons Führung erobert worden. Kleon ließ Frauen und Kinder in die Sklaverei verkaufen, die Männer wurden nach Athen gebracht und dort in Gefangenschaft gehalten. In Melos töteten die Athener 416 v. Chr. nach längerer Belagerung und nach der Kapitulation der Stadt alle überlebenden erwachsenen Bürger und verkauften die Frauen und Kinder in die Sklaverei (Thuk. 5,116). Bereits 427 war eine Erhebung Mytilenes gegen die Athener gescheitert, die zunächst die Hinrichtung aller Bürger beschlossen, aber einen Tag später den Beschluß änderten, so daß etwa 1000 Schuldige, Angehörige der Oberschicht, getötet wurden (Thuk. 3,49). Die Spartaner, ihre peloponnesischen Symmachoi und die Thebaner töteten in demselben Jahr nach der Einnahme Plataiais die überlebenden Verteidiger, mindestens 200 Plataier und 25 Athener. Die in der Stadt gebliebenen Frauen wurden versklavt (Thuk. 3,68).44 Nach der Kapitulation der athenischen Streitkräfte in Sizilien 413 v. Chr. sperrten die Syrakusaner die Kriegsgefangenen zunächst unter unmenschlichen Bedingungen in den berüchtigten Steinbrüchen von Syrakus ein. Nach siebzig Tagen wurden alle Gefangenen außer den Athenern und den gefangengenommenen Kombattanten, die aus Sizilien und Unteritalien stammten, in die Sklaverei verkauft (Thuk. 7,87). Von den Kriegsgefangenen aus Athen wurden nicht

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wenige tätowiert und als Sklaven verkauft. Sie wurden aber von ihren neuen Herren bald freigelassen oder bevorzugt behandelt (Plut. Nik. 29). Diejenigen Gefangenen, die als unfreie Troßknechte (oder auch als unfreie Ruderer) in der athenischen Streitmacht gedient hatten, wurden sofort nach ihrer Gefangennahme wieder verkauft (Plut. Nik. 28.). Allem Anschein nach sind aber in einigen Fällen nicht alle Frauen und Kinder der Bürger eroberter Poleis versklavt worden, da verschiedentlich ein Teil der Bewohner früh genug flüchten konnte. Daß die genannten Aktionen gegen Besiegte schon in den ersten Jahren des Peloponnesischen Krieges als schändlich und unmenschlich empfunden wurden, zeigt exemplarisch der schon erwähnte Bericht des Thukydides über die Beschlüsse gegen die unterlegene Polis Mytilene. Die Trierenbesatzung, die den Volksbeschluß, alle erwachsenen Bürger in Mytilene zu töten und die Frauen und Kinder zu versklaven (Thuk. 3,36,2), übermitteln sollte, empfand diese Anweisung als übermäßig hart und hatte keine Eile, den ursprünglichen Beschluß der Volksversammlung der Athener an ihre Streitmacht in Mytilene zu überbringen, so daß der schon genannte neue Beschluß noch rechtzeitig überbracht werden konnte. Immerhin hat sich im Verlauf des Peloponnesischen Krieges die Auffassung verbreitet, daß Vertreibung und Versklavung der wehrlosen Bewohner besiegter Gemeinwesen in der griechischen Welt ein Unrecht sind. Offensichtlich hat sich darüber hinaus auch die Behandlung besiegter Nichtgriechen im frühen 4. Jahrhundert v. Chr. zumindest teilweise geändert. König Agesilaos II. von Sparta soll im Verlauf seiner Kriegszüge in Kleinasien seine Soldaten angewiesen haben, an Kriegsgefangenen nicht wie an Verbrechern Rache zu üben, sondern sie wie Menschen zu behandeln (Xen. Ages. 1,21). Der Verkauf der Kriegsgefangenen als Sklaven war freilich auch eine Folge der Situation der kriegführenden Gemeinwesen, die häufig genug eine große Zahl von Kriegsgefangenen nicht einsperren und versorgen konnten. Exemplarisch ist der schon erwähnte Verkauf entlaufener Sklaven der Athener durch die spartanische Besatzung in Dekeleia. Im 4. Jahrhundert v. Chr. häuft sich die Kritik an inhumaner Kriegführung. Dies hat auch in Politiktheorie und in der Philosophie seinen Niederschlag gefunden. Parallel hierzu wurde die Differenzierung zwischen Freien und Sklaven zwar modifiziert, nicht aber entschieden in Frage gestellt. Nach der Befreiung der Messenier aus

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der spartanischen Herrschaft durch die Intervention der Thebaner 370/69 v. Chr. verkündete Alkidamas aus Elis (Aiolis), daß die Gottheit alle Menschen frei ins Leben geschickt habe und kein Mensch als Sklave geboren worden sei (Schol. Aristot. rhet. 1373b18). Alkidamas führt hier Gedanken weiter, die bereits im fragmentarisch erhaltenen Drama „Alexandros“ des Euripides anklingen, der hier das Prinzip der Gleichheit andeutet, indem er ausführt,45 daß es bloßes Gerede sei, wenn edle Geburt gepriesen werde, denn ursprünglich, als Mutter Erde die Menschen aussonderte, habe sie allen ein ähnliches Aussehen gegeben. Niemand habe etwas bekommen, das nur ihn besonders hervorhob. Ein und dieselbe Geburt habe edel und unedel geschaffen; erst durch Sitte und Konvention habe die Zeit das eine stolz gemacht. Nur Verstand hebe den Adel hervor; die Gottheit gewähre Verstand, nicht der Reichtum. Allerdings heißt es in diesem Drama des Euripides auch, daß es keinen nutzloseren Besitz als einen Sklaven gibt, dessen Denken weiter reicht, als ihm zukommt.46 Ferner behauptet Euripides hier, daß das Sklavenvolk ein Übel sei, weil es nur den Bauch im Kopf habe und sich sonst um nichts kümmere.47 Zudem hätten die Sklaven, die ihre Herren lieben, ihresgleichen zum Feind.48 Auch sei es nicht gut, Sklaven zu halten, die ihrem Besitzer überlegen seien.49 Negative Äußerungen über Sklaven sind nicht zuletzt ein Spiegel für Vorstellungen, wie sie in breiteren Kreisen der Freien vertreten wurden. 50 Dem Theaterpublikum wurden aber – wie gesagt – auch anspruchsvollere Aussagen zugemutet. Peter P. Spranger hat auf ein wahrscheinlich von Menander stammendes Fragment aus der Neuen Komödie hingewiesen, wo es heißt, daß ein Sklave, der in freier Weise dient, kein Sklave ist.51 Es gibt allerdings keine einhellige Beurteilung der Sklaverei und des Sklavenstatus in der Antike. Sklaven hatten keine Rechte, die ihren Körper schützten,52 und die Unfreien wurden – wie gesagt – durchaus unterschiedlich behandelt. Sicherlich konnten keine Prügelszenen und Folterungen im Theater regelrecht vorgeführt werden. Aber die Androhung der Strafen auf der Bühne sollte komische Wirkung haben, und dieses deutet darauf hin, daß Sklaven keineswegs überaus selten geschlagen wurden. Das Ausmaß solcher Strafen bleibt aber ein offenes Problem. Dies gilt auch in Bezug auf Aussagen der Sklaven unter der Folter. Richter waren offenbar überzeugt, daß die Androhung der Folter Sklaven veranlasste, Geständnisse zu machen, um gewaltige Schmerzen zu vermeiden, selbst

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wenn die Todesstrafe drohte.53 Es konnte aber für Sklaven überaus folgenreich werden, wenn sie gegen ihren Besitzer Aussagen machen sollten, da sie von ihrem Herrn nichts Gutes zu erwarten hatten, wenn sie ihn beschuldigten.54 Kritik an der Folterung von Sklaven scheint indes relativ selten geübt worden zu sein. Treue und Anhänglichkeit des Sklaven haben in solchen Fällen wohl kaum eine Rolle gespielt. Hans Klees hat zwar darauf hingewiesen, daß die Drohung mit der Folter bei der Beurteilung des Sklavendaseins nicht außer acht bleiben darf, da man auch in Athen weit davon entfernt gewesen sei, in einem Sklaven einen gleichwertigen Menschen zu sehen.55 Andererseits ist zu beachten, daß offensichtlich viele Herren die Folter ihrer Sklaven ablehnten. Gleichwohl ist jedoch schwer zu entscheiden, ob die betreffenden Sklavenhalter eine Ruinierung ihres Besitzes – des Sklaven – befürchteten oder aber die Nützlichkeit des Verfahrens bezweifelt wurde.56 Jedenfalls war der Sklave nicht Herr seines eigenen Körpers (Aristoph. Plut. 6f.), über den sein Herr bestimmte. Dementsprechend mußte ein Sklave bei einem Vergehen mit einer Prügelstrafe rechnen. Euripides (Hek. 332f.) nannte das Sklavenlos ein Übel, weil unter dem Joch der Gewalt das Schlimmste ertragen werden muß. Im Kontext läßt Euripides Olyzene, die Tochter eines Phrygerkönigs, ihr Schicksal der Versklavung beklagen (Hek. 342-378), durch die ihr Leben würdelos geworden sei und sie niedrige Arbeiten verrichten müsse. Katerina Synodinou bemerkt hierzu, daß Euripides zu den ersten zähle, die direkt die Sklaverei wegen des Unrechts angegriffen haben, das den Versklavten zugefügt wird.57 Zu beachten ist aber an dem genannten Beispiel, daß es sich nicht um eine als Sklavin geborene Person, sondern um eine versklavte Königstochter handelt. Euripides nimmt übrigens nicht zu allen Formen der Unfreiheit explizit Stellung. Die Unfreiheit der Heloten wird zum Beispiel nicht erwähnt. Indem er aber Sklaven über die Härte ihres Schicksals klagen läßt, geht er auf Aspekte ein, die im Alltagsleben dem Theaterpublikum durchaus vertraut waren.58 Bemerkenswert ist eine bei Athenaios (272b und 264d) überlieferte Nachricht des Timaios von Tauromenion, wonach der Phoker Mnason, ein Freund des Aristoteles, bei seinen Landsleuten unbeliebt war, weil er 1000 Sklaven besaß, die den Freien die Arbeit entzogen und hierdurch ihren Lebensunterhalt beeinträchtigten.59 Es handelt sich hier um ein singuläres Zeugnis. Verbreitete Auffassungen von einer Konkurrenz von Sklaven und Freien sind nicht

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überliefert. Offensichtlich wurde die Sklaverei als Wirtschaftsfaktor generell akzeptiert, während kritische Äußerungen das Unrecht der Versklavung und des Sklavendaseins thematisierten. In philosophischen Texten wird das Verhältnis zwischen Freien und Sklaven ebenfalls unterschiedlich gewertet. Durch die sophistische Antithese von Nomos und Physis war eine kontrastreiche Beurteilung vorgegeben.60 Antiphon „der Sophist“ war überzeugt, daß Hellenen und Barbaren alle gleich sind.61 Platon kritisiert im Dialog „Politikos“ (262c-d) ebenfalls die übliche Einteilung der Menschen in Barbaren und Griechen, doch behauptet er in dieser Schrift auch (309a), daß unwissende Menschen, die in niedriger Denkweise verharren, ins Joch der Sklaverei gehören. Deshalb gibt es nach Platon „Sklaven von Natur“. In der „Politeia“ (435e-436b) bestreitet er, daß Orientalen und Barbaren die gleiche politische Gestaltungskraft wie die Griechen haben. Er fordert humane Kriegführung in innergriechischen Kriegen, weil Kämpfe zwischen hellenischen Gemeinwesen als Bürgerkriege zu werten seien. Besiegte Griechen sollen nicht versklavt werden. Sie müssen auch vor der Versklavung durch Barbaren geschützt werden (Politeia 469b-471e). Aristoteles argumentiert, daß nicht jede Art von Sklaverei dem Naturrecht widerspricht. Es gebe zwar Menschen, die von Natur Sklaven sind, weil es für sie nützlich sei, Sklaven zu sein (Politika 1254a13-1255a3). Das allgemein geltende Siegerrecht sei aber insofern gesetzwidrig, weil nicht hingenommen werden könne, daß der Besiegte ein Sklave des Siegers werde und auf diese Weise Menschen, die von Natur Freie sind, in die Sklaverei geraten können (pol. 1255a3-19). Er hält aber Freundschaft zwischen einem Herrn und einem Sklaven, die beide ihren Stand verdienen, für nützlich (pol. 1255b11-15). Als Sklaven können nach Aristoteles (pol. 1252b5-27) diejenigen gelten, die ihre größte Leistungsfähigkeit im Gebrauch ihres Körpers entfalten. Sie seien vor allem unter den Barbaren zu finden. Hierzu zitiert er Euripides (Iph. Aul. 1400f.), der verkündet hat, es sei richtig, daß Hellenen über Barbaren herrschen. Aristoteles rechtfertigt hier die Herrschaft über Sklaven,62 indem er aus der Theorie Konsequenzen für politisches Handeln zieht.63 Dennoch kann Aristoteles’ Argumentation pol. 1255b5ff. nicht als abgrundtiefe Verachtung der „Barbaren“ interpretiert werden. In der „Nikomachischen Ethik“ führt Aristoteles aus (1155a21-22), daß man im Barbarenland auch erfahren kann, wie jeder Mensch dem andern „verwandt“ und freundlich gesinnt ist.64 Zudem gibt er pol.

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1330a31-33 den Rat, den Sklaven als Lohn für ihr Verhalten die Freiheit in Aussicht zu stellen. Sein Argument lautet hier, daß die Emanzipation auch ein Vorteil für den Besitzer des Sklaven ist. Auch Aristoteles geht aber offensichtlich davon aus, daß den Barbaren ein Mangel an politischer Gestaltungsfähigkeit zuzuschreiben ist, während für ihn der Bürger als „politisches Wesen“ in der Polis ein wahres Leben zu führen vermag. Daher sind die Bemerkungen des Aristoteles zur empfehlungswerten Freilassung der Sklaven stärker zu beachten, als dies zumeist geschieht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß Aristoteles (pol. 1253a25-39) die These vertritt, daß ein Wesen, das keine politische Gemeinschaft als Lebensgrundlage benötigt, entweder eine Gottheit oder ein Tier ist. Implizit spricht er hier dem Menschen eine hohe Würde zu, wobei er freilich voraussetzt, daß in der politischen Gemeinschaft Gerechtigkeit herrscht und dies von den Bürgern auch anerkannt wird. Obwohl nach stoischer Auffassung kein Mensch von Natur ein Sklave ist, hat diese Überzeugung dennoch nicht zur Abschaffung der Sklaverei geführt.65 Wenn Chrysipp nach den Worten Senecas im Sklaven einen Lohndiener sehen wollte,66 so klingt dies eher nach Resignation angesichts der weiten Verbreitung der Sklaverei in der antiken Welt. Die Beseitigung einer Institution, die in allen Gemeinwesen in jener Zeit existierte, schien aussichtslos zu sein. Hinzu kam für die griechisch-römische Welt, daß die Mehrzahl der Sklaven „barbarischer“ Herkunft war.67 Übrigens nahm gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. in Griechenland die Gewalttätigkeit in der Kriegführung wieder zu, und im Verlauf des Aufstiegs Roms zur Weltherrschaft verloren unzählige Menschen ihre Freiheit. Anmerkungen 1 2

Vgl. Hom. Il. 3,299-301; 4,161f.; 9,593f.; 22,61-71; Od. 9,40ff. Lagasch war ein Stadt- und Territorialstaat im südöstlichen Mesopotamien, der sich aus einem Tempelgut herausentwickelt hat. Sein bedeutendster Herrscher war Eannatum. Berühmt ist seine „Geierstele“, die seinen Sieg über den Herrscher von Umma glorifiziert. Enmetena war Eannatums Neffe. Vgl. D.O. Edzard, Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis Alexander dem Großen, München 2004, 51-60.

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Vgl. F. Kiechle, Zur Humanität in der Kriegführung der griechischen Staaten, in: Historia 7, 1958, 129-156, hier 130f., ND in: F. Gschnitzer (Hrsg.), Zur griechischen Staatskunde, Darmstadt 1969, 530f. F. Cornelius, Das Hethiterreich als Feudalstaat, in: D.O. Edzard (Hrsg.), Gesellschaftsklassen im Alten Zweistromland und in den angrenzenden Gebieten, München 1972, 32. Vgl. R. Gundlach, Die Zwangsumsiedlung auswärtiger Bevölkerung als Mittel ägyptischer Politik bis zum Ende des Mittleren Reiches (FAS 26), Stuttgart 1994 passim, z.B. 191-194; W. Helck, Kriegsgefangene, in: Lexikon der Ägyptologie, Bd. 3, Wiesbaden 1980, 786-788. F. Bömer, „The Slave Had No Mana at All“? Zu einer religionsgeschichtlichen und soziologischen Grundsatzfrage, in: Gymnasium 97, 1990, 314, hier 6. – Vgl. auch F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom. Dritter Teil: Die wichtigsten Kulte der griechischen Welt (FAS 14), Stuttgart² 1990, 75f.; Vgl. auch H. Bellen, Vom halben zum ganzen Menschen. Der Übergang aus der Sklaverei in die Freiheit im Spiegel des antiken und frühchristlichen Freilassungsbrauchtums, in: H. Bellen/H. Heinen (Hrsg.): Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Akademie 1950-2000. Miscellanea zum Jubiläum, Stuttgart 2001 (FAS 35), 13-29. Dies konnte der Elegiendichter Mimnermos aus Kolophon oder Smyrna im späten 7. Jh. v. Chr. nicht wissen, als er in seiner 12. Elegie (Diehl) von einer Eroberung Smyrnas sprach; vgl. A. Dihle, Griechische Literaturgeschichte. Von Homer bis zum Hellenismus, München² 1991, 68. Vgl. H. van Wees, Conquerors and Serfs: Wars of Conquest and Forced Labour in Archaic Greece, in: N. Luraghi/S.E. Alcock (Hrsg.), Helots and Their Masters in Laconia and Messenia, Histories, Ideologies, Structures, Cambridge Mass./London 2003, 31-80. R. Meiggs/D. Lewis, A Selection of Greek Historical Inscriptions to the End of the Fifth Century B.C., Oxford 1969, Rev. Edition 1988, Nr. 20, Z. 44f. Vgl. K.-W. Welwei, Ursprung, Verbreitung und Formen der Unfreiheit abhängiger Landbewohner im antiken Griechenland, in: E. HerrmannOtto (Hrsg.), Unfreie und abhängige Landbevölkerung (Sklaverei – Knechtschaft – Zwangsarbeit 4), Hildesheim/Zürich/New York 2008, 152, bes. 29-33. Zur Krypteia vgl. K.-W. Welwei, War die Krypteia ein grausames Terrorinstrument? Zur Entstehung einer Fiktion, in: Laverna 15, 2004, 33-46. Vgl. J. Christes, Sklaverei in griechischen Sprichwörtern und Sentenzen, in: H. Bellen/H. Heinen (Hrsg.), Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Akademie, 1950-2000. Miscellana zum Jubiläum, Stuttgart 2001 (FAS 35), 429-446, hier 437.

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Die Nachricht Platons (Nom. 698 d-e) über einen Helotenaufstand 490 v. Chr. vor der Schlacht bei Marathon kannte Zenobios offensichtlich nicht. Die diesbezügliche Angabe Platons ist aber sicherlich nicht zutreffend. Vgl. N. Luraghi, The Ancient Messeniens. Constructions of Ethnicity and Memory, Cambridge 2008, 186. Vgl. H. Bengtson, (Hrsg. unter Mitwirkung von R. Werner), Die Staatsverträge des Altertums, 2. Bd.: Die Verträge der griechisch-römischen Welt, München² 1975, Nr. 189. Die Brasideier wurden nach ihrer Rückkehr aus Thrakien zusammen mit den Neodamoden zunächst in Lepreon (Triphylien) stationiert (Thuk. 5,34,1), wo sie die Region absichern sollten, weil Sparta damals eine Invasion der Eleier befürchten mußte. Vgl. zum Verlauf der Schlacht Thuk. 5,70-73. Vgl. etwa Thuk. 7,19,3; 7,58,3; Xen. hell. 1,3,15; 3,1,4; 3,4,2; Plut. Ages. 6. Die eigentlichen Ziele Kinadons bleiben unklar; vgl. P. Cartledge, The Effect of the Peloponnesian (Athenian) War on Athenian and Spartanian Societies, in: D.R. McCann/B.S. Strauss (Hrsg.), War and Democracy. A Comparative Study of the Korean War and the Peloponnesian War, Armonk/New York/London 2001, 113. M. Tamiolaki, Liberté et esclavage chez les historiens grecques classiques, Paris 2010, 410-414, weist darauf hin, daß innerhalb der abhängigen Bevölkerungen in Sparta eine erhebliche Hierarchie bestand, die für die Spartiaten ein großes Problem war. Demgegenüber hat St. Hodkinson, Spartiates, Helots and the Direction of the Agrarian Economy: Toward an Understanding of Helotage in Comparative Perspective, in: E. dal Lago/C. Katsari (Hrsg.), Slave Systems. Ancient and Modern, Cambridge 2008, 285-320, vermutet, daß in Helotensiedlungen helotische Vertrauensleute und Aufseher gleichsam im Dienst der Spartiaten für Ruhe und für reguläre Abgaben der Heloten zu sorgen hatten. Vgl. auch M. Jehne, Die Funktion des Berichtes über die KinadonVerschwörung in Xenophons Hellenika, in: Hermes 123, 1995, 166-174, der historische Aspekte im Bericht Xenophons erläutert. Plut. Kleom. 23,1. Allerdings behauptet Plutarch im Vergleich zwischen Agis und Kleomenos III. und den Gracchen, daß Kleomenes III. alle oiketai emanzipiert hat. - Nach Macrobius (Sat. 1,11,34) soll Kleomenes sogar 9000 servi als Kombattanten ausgerüstet haben. Zur Datierung dieser Maßnahme vgl. Polyb. 13,6,1ff. mit Polyb. 16,13,1. Daß es sich bei den hier genannten douloi um Heloten handelte, ergibt sich aus Liv. 34,27,2, wonach im Heer des Nabis 195 v. Chr. sogenannte castellani agrestes dienten. Vgl. ferner Liv. 34,31,11-18 über bewaffnete servi im Dienst des Agis vor dem Zweiten Makedonischen Krieg der Römer.

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Daß es sich um Heloten handelte, geht aus Liv. 34,27,9 hervor: Ilotarum deinde quidam […] per omnes vicos sub verberibus acti necantur. Vgl. bereits D. Lotze, Metaxy Eleutheron kai doulon. Studien zur Rechtsstellung unfreier Landbevölkerungen in Griechenland bis zum 4. Jahrhundert v. Chr., Berlin 1959, 35. Das Fragment (SEG XXIV 67) wurde am 21. Juli 1966 auf der Athener Agora gefunden und ist der Verlustliste IG I³ 1144 zuzuordnen. Vgl. K.-W. Welwei, Unfreie im antiken Kriegsdienst. Erster Teil: Athen und Sparta (FAS 5), Wiesbaden 1974, 42-45. Lyk. contr. Leokr. 41; Hyp. fr. 27 und fr. 29 Blass-Jensen; Ps.-Plut. Vit. X Orat. 849a; Dion Chr. 15,21. Xen. hell. 1,6,24; Aristoph. Ran. 690-694; Hellanikos FGrHist 4 F 172 = 323aF26. Vgl. IG II/III 1951. Vgl. K.-W. Welwei, Unfreie im antiken Kriegsdienst. Zweiter Teil: Die kleineren und mittleren griechischen Staaten und die hellenistischen Reiche (FAS 8), Wiesbaden 1977, 32. Thuk. 1,55,1 (Kerkyra); Aristot. pol. 1327b7ff. zu Herakleia Pontike. Thuk. 8,15,2. Ob auch in Chios generell eine größere Zahl von Sklaven als Ruderer verwendet wurde, wird nicht deutlich. Thuk. 7,27,5; vgl. S. Lauffer, Die Bergwerkssklaven von Laureion, (FAS 11), Wiesbaden² 1979, 64, 216. Hell. Oxy., FGrHist II 66 F 12,4. – H. Klees, Sklavenleben im klassischen Griechenland (FAS 30), Stuttgart 1998, 423, schloß nicht aus, daß die Spartaner möglichst viele Sklaven aufnehmen wollten, um dem Feind „nachhaltig zu schaden“. In diesem Fall sei der Verkauf der Sklaven zweckwidrig gewesen, weil die athenischen Herren dies zweifellos den Sklaven mitgeteilt hätten, um sie hierdurch von der Flucht abzuhalten. Klees hielt es aber auch für unwahrscheinlich, daß jene Sklaven wegen der Bewachungsprobleme und der Verpflegungskosten erst nach dem Ende des Krieges verkauft wurden. Vgl. Kiechle (s. Anm.3), 137f. bzw. 543. Aischin. 2,115; 3,109f.; vgl. auch E. Baltrusch, Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, München 2008, 39. Thuk. 1,128,1; Diod. 11,63,2-3; vgl. Aristoph. Acharn. 510ff. Paus. 3,11,8; 4,27,7; vgl. F. Kiechle, Messenische Studien. Untersuchungen zur Geschichte der Messenischen Kriege und zur Auswanderung der Messenier, Kallmünz 1959, 84f. Vgl. aber M. Krieter-Spiro, Sklaven, Köche und Hetären. Das Dienstpersonal bei Menander, Stellung, Rolle, Komik und Sprache, Stuttgart/Leipzig 1997, 61, die annimmt, daß auch Demosth. 9,3 eine milde Behandlung der Sklaven in den Komödien Menanders spiegelt. Vgl. Bömer (s. Anm.6), 44-49. S. auch R. Scholl, s.v. Hierodoulos, in: HAS I-IV, Stuttgart 2012.

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Vgl. B. Zimmermann, Sklaven in der Alten Komödie, in: E. HerrmannOtto (Hrsg.), Sklaverei und Zwangsarbeit zwischen Akzeptanz und Widerstand (Sklaverei – Knechtschaft – Zwangsarbeit 8), Hildesheim/Zürich/New York 2011, 7-9. Vgl. auch generell J. Schwarze, Die Beurteilung des Peri-kles durch die attische Komödie und ihre historische und historiographische Bedeutung, München 1971, sowie Chr. Mann, Die Demagogen und das Volk. Zur politischen Kommunikation im Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr. Berlin 2007, 172. Krieter-Spiro (s. Anm.39), 154f. will den Äußerungen des Onesimos „nicht jeden tieferen Sinn“ absprechen, vermutet aber (S. 63) eine relativ milde Behandlung der Sklaven in Athen. Züchtigungen seien häufiger angedroht als ausgeübt worden. Dies läßt sich freilich nicht verifizieren. Krieter-Spiro (s. Anm.39), 142-151. Vgl. W. Will, Der Untergang von Melos. Machtpolitik im Urteil des Thukydides und einiger Zeitgenossen, Bonn 2006, 31-41. Eur. Alex. fr. 52 Nauck2 (Snell 40). Eur. Alex. fr. 48 Nauck² (Snell 32). Eur. Alex. fr. 49 Nauck2 (Snell 33). Eur. Alex. fr. 50 Nauck2 (Snell 27). Eur. Alex. fr. 51 Nauck2 (Snell 28). Vgl. zu dieser Thematik bereits J. Vogt, Sklaverei und Humanität. Studien zur antiken Sklaverei und ihrer Erforschung (Historische Einzelschrift 8), Wiesbaden 1965, 110f. P.P. Spranger, Historische Untersuchungen zu den Sklavenfiguren des Plautus und Terenz (FAS 17), Stuttgart² 1984, 20. Aristoph. Plut. 6f.; vgl. hierzu und zum Folgenden Klees (s. Anm.34), 388-409 sowie E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt, Hildesheim/Zürich/New York 2009, 85. Klees (s. Anm.34), 396-409, hat gezeigt, daß nur zwei Belege für die Anwendung der Folter gegen Sklaven in Athen bekannt sind (Demosth. 40,41; 49,56) und vierzigmal das Angebot zurückgewiesen wurde. Vgl. auch E. Herrmann-Otto (s. Anm.52), 85, Anm.112. Vgl. Klees (s. Anm.34), Sklavenleben 404. Treue und Anhänglichkeit des Sklaven gegenüber seinem Herrn spielten in solchen Fällen keine Rolle; vgl. Klees (s. Anm.34), 275f. und 402. Vgl. Herrmann-Otto (s. Anm.52), 85. K. Synodinou, On the Concept of Slavery in Euripides, Ioannina 1977, 108. Vgl. Synodinou, Slavery, 98-106 (oben Anm.57). Vgl. Synodinou (s. Anm.57), 109. – Die Angaben des Nikolaos von Damaskos (FGrHist 90 F 58), daß der Tyrann Periander von Korinth den Erwerb von Sklaven verboten hat, ist schwerlich zutreffend; vgl. L. de Libero, Die archaische Tyrannis, Stuttgart 1996, 159.

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Vgl. K.-W. Welwei, Ius naturale und ius gentium in der antiken Beurteilung von Sklaverei und Freiheit, in: K.M. Girardet/U. Nortmann (Hrsg.), Menschenrechte und europäische Identität. Die antiken Grundlagen, Stuttgart 2005, 81-93, bes. 85. H. Diels/W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 2, ND d. 6. Aufl. 1952, Zürich 1956, Antiphon der Sophist fr. 44, Col. 2,10,15 (p. 353). Generell zu Antiphon vgl. jetzt K. Meister, „Aller Dinge Maß ist der Mensch“. Die Lehren der Sophisten, München 2010, 181-207. Vgl. H. Klees, Herren und Sklaven. Die Sklaverei im oikonomischen und politischen Schrifttum der Griechen in klassischer Zeit (FAS 6), Wiesbaden 1975, 208. Vgl. auch Isokr. or. 5,154, der Philipp II. vorschlug, über möglichst viele Barbaren zu herrschen. Vgl. Klees (s. Anm.62), 215, der u. a. auch darauf hinweist, daß Platon im „Politikos“ 262 e-d die Aufteilung der Menschheit in Hellenen und Barbaren kritisiert. Stoicorum Veterum Fragmenta, Vol. III, Stuttgart 1964, Nr. 352 (ND d. 1. Aufl. 1903). Sen. benef. 3,22; vgl. auch Epikt. 1,13,1-4, der einen unduldsamen Herrn an die gemeinsame Herkunft aller Menschen erinnert. Vgl. P. Cartledge, Die Griechen und wir, Stuttgart/Weimar 1998, 119.

Stefan Knoch: Private Sklavenfürsorge in der griechisch-römischen Antike. Ein Streifzug durch die literarischen Quellen. Originalbeitrag

Stefan Knoch

Private Sklavenfürsorge in der griechisch-römischen Antike. Ein Streifzug durch die literarischen Quellen. Ein konstitutives Element der griechisch-römischen Sklaverei von Homer bis in die christliche Spätantike waren neben reinen Herrschafts- und Zwangsmitteln solche Maßnahmen der Herren, die den Sklaven positiv zugute kamen und die unter dem Begriff der Fürsorge (griech. ἐπιμέλεια, latein. cura) subsumiert werden können. Das Verhältnis zwischen Herr und Sklave zeichnete sich eben nicht nur durch die Peitsche, sondern auch durch Zuckerbrot aus – beide Elemente stellten gleichsam zwei Seiten derselben Medaille dar. Wenn auch in bestimmten Bereichen wie der Strafsklaverei oder dem Bergbau der Erhalt des Sklavenwerts keine oder eine nur unwesentliche Rolle spielte, so war die Institution der Sklaverei als Ganze und auf Dauer nur durch solche Fürsorgemaßnahmen rentabel und in ihrem Bestand gesichert. Zu denken ist hierbei insbesondere an Unterhalt und Versorgung der Sklaven, an Maßnahmen zur Erleichterung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen, an Zugeständnisse, die sie faktisch über ihre weitgehende Rechtlosigkeit hinaushoben, oder auch an die Beendigung der Unfreiheit durch Freilassung. Angesichts des weiten Untersuchungszeitraums von rund 1300 Jahren sowie der sehr umfangreichen und disparaten Quellen wäre eine Behandlung dieser Thematik in voller Breite und Tiefe im Rahmen eines Aufsatzes vermessen. Der vorliegende Beitrag versteht sich daher vielmehr als Streifzug durch zentrale Texte der griechisch-römischen Literatur (einschließlich der Papyri und Digesten) und durch verschiedene geographische Räume, um in Form repräsentativer Schlaglichter einen Überblick zu verschaffen über die konkreten Formen der Sklavenfürsorge, die private Herren tatsächlich ergriffen bzw. deren Anwendung von normativen Quellen em-

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pfohlen wurde, und die dahinterstehenden Motive. Die dabei gewonnenen Einzelbeobachtungen, die isoliert betrachtet nur eine – zeitlich und/oder geographisch – begrenzte Gültigkeit haben, sollen dann im Schlußkapitel gleichsam wie Mosaiksteine zu einem Gesamtbild der griechisch-römischen Sklavenfürsorge zusammengesetzt und somit Kontinuitäten wie Unterschiede herausgearbeitet werden. Nun sind die literarischen Quellen für unsere Fragestellung allerdings von sehr unterschiedlicher Aussagekraft: Bei Epen und Dramen handelt es sich um fiktive, bei den philosophischen und Agrarschriften hingegen um normative Texte, die zudem allesamt nur für die Oberschicht Gültigkeit beanspruchen können, während Papyri und Digesten wiederum Einblicke in die realen Lebensverhältnisse breiterer Bevölkerungskreise des Hellenismus bzw. der römischen Kaiserzeit gewähren. Zudem ist die Verteilung der Informationen zur Sklavenfürsorge je nach Epoche sehr verschieden. So steht beispielsweise den wenigen, aber für uns höchst ergiebigen Texten der griechischen Oikos-Schriften und der römischen Agrarautoren die sehr umfangreiche Literatur der Kirchenväter mit ihren stark zersplitterten Aussagen zur Sklavenfürsorge gegenüber. Daraus folgt für unsere Untersuchung, daß sie sich für manche Epochen schwerpunktmäßig auf zentrale Quellen stützen kann, für andere Zeiträume hingegen eher resümierend auf einschlägigen Vorarbeiten der Forschung fußen wird.

Homerisches Griechenland Homer thematisiert Sklavenbehandlung und -versorgung vor allem in der Odyssee.1 Die Sklaverei wird hier grundsätzlich als eine patriarchalische geschildert, d.h. die Beziehung zwischen Herren und Sklaven war aufgrund der überschaubaren Größe des Oikos und des täglichen Zusammenlebens relativ eng und persönlich, die Sklaven galten als – wenn auch minderrangige – Mitglieder der Herrenfamilie und durften sogar an den Feierlichkeiten teilnehmen.2 Infolge dieser Einbindung in den Herrenhaushalt genossen die Sklaven eine gewisse soziale und materielle Sicherheit und galten gegenüber armen Freien als privilegiert. Nicht umsonst legt Homer Achill die oft zitierte Äußerung in den Mund, er wolle lieber sein Dasein als

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Tagelöhner fristen als Herrscher der Unterwelt sein:3 Als unterste soziale Stufe galt also aus Sicht der Oberschicht nicht die eines Sklaven, sondern das Leben eines Tagelöhners, der zwar persönlich frei, jedoch völlig ohne irgendeine Absicherung gegen die Gefahren und Unwägbarkeiten des Lebens war. Ebenso wurde das Los eines freien Bettlers als deutlich beklagenswerter als das eines Sklaven angesehen.4 Nach den Konventionen des homerischen Adels, so kann man aus einer Aussage des Schweinehirten Eumaios erschließen, stand den Sklaven nicht nur die Versorgung mit den nötigen Dingen des Alltags zu, sondern es wurde überhaupt eine freundschaftliche Behandlung durch Herr und Herrin erwartet.5 Zudem hatten die Sklavinnen im Haushalt des Odysseus eine Ausbildung (insbesondere für das Verarbeiten von Wolle) erhalten und konnten somit die im Oikos benötigten Produkte herstellen.6 Interessant ist nun die Beobachtung, daß trotz der überschaubaren gesellschaftlichen Verhältnisse des homerischen Epos eine klare Hierarchie innerhalb der Sklavenschaft erkennbar ist, die aus der Funktion und der Nähe des Einzelnen zum Herrn bzw. zur Herrin resultiert. Insbesondere die namentlich auftretenden Sklaven wie die drei Oberhirten Eumaios, Philoitios und Melantheus sowie die Amme Eurykleia übernehmen nicht nur jeweils eine dramaturgisch wichtige Rolle, sondern sie werden auch durch ihre Lebensumstände als den gemeinen Sklaven und Sklavinnen übergeordnet dargestellt. So betont der Schweinehirt Eumaios nicht nur, daß Odysseus vor seinem Aufbruch in den trojanischen Krieg sich stets sorgsam um ihn persönlich gekümmert habe,7 sondern er führt ein sehr eigenständiges, selbstbestimmtes Leben und verfügt über eigenen Besitz, darunter sogar einen Sklaven.8 Der Gärtner Dolios wiederum lebt mit einer Frau in einer festen Beziehung und hat mit ihr zusammen mehrere Söhne.9 Solch weitgehende Zugeständnisse wie Geschäftsund Eigentumsfähigkeit oder das Leben in einer eheähnlichen Verbindung wurden sicherlich nicht allen Sklaven gewährt, sondern dürften nur in Einzelfällen vorgekommen sein und waren als Belohnungen für besondere Dienste oder Treue gedacht. Eumaios und Philoitios konnten damit rechnen, ein eigenes Haus samt Acker und eine Lebensgefährtin zugestanden zu bekommen.10 Die größtmögliche Belohnung war offensichtlich die Anerkennung eines Sklaven als Sohn, was wohl als eine Art von faktischer Freilassung in Form

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der Adoption zu interpretieren ist und von Odysseus den Hirten Eumaios und Philoitios für ihre Hilfe im Kampf gegen die Freier versprochen wird.11 Die herausgehobene Stellung des Eumaios und des Philoitios wird noch dadurch gesteigert, daß Odysseus nur durch ihre Hilfe die Freier besiegen und somit seine Macht im eigenen Haus wiedererlangen kann. Zudem führen sie zusammen mit Telemachos die Exekution der untreuen Sklavinnen und des Ziegenhirten Melantheus durch,12 wie auch Eurykleia, die Amme des Odysseus, keinerlei Gruppensolidarität mit der Sklavenschaft des Haushalts zeigt, sondern vielmehr nach der Wiedererkennung ihres Herrn geradezu darauf brennt, diesem die Namen derjenigen Sklavinnen zu nennen, die sich mit den Freiern eingelassen hatten.13 Natürlich waren all die genannten Fürsorgemaßnahmen, auch die besonders weitgehenden für die privilegierten Sklaven, in keiner Weise irgendwie rechtlich abgesichert oder von den Sklaven einklagbar, sie beruhten vielmehr allesamt auf den moralisch-gesellschaftlichen Konventionen der Oberschicht und hingen vom guten Willen des einzelnen Herrn ab. Im Gegenzug erwarteten die Herren gerade von den privilegierten Sklaven eine solche Treue, wie sie Eumaios, Philoitios und Eurykleia an den Tag legten. Dies bestätigt ein Vergleich mit dem Verhalten und Schicksal der Sklavin Melantho und des Ziegenhirten Melantheus, die beide gleichsam als Beispiele für „schlechte“ Sklaven dargestellt werden. Melantho war ursprünglich der Liebling Penelopes gewesen, hatte dieses Vertrauen jedoch nicht gerechtfertigt und war ein Verhältnis mit dem Freier Eurymachos eingegangen. Entsprechend zornig zeigt sich Penelope über diese mit Hochmut gepaarte Treulosigkeit und droht Melantho mit der – später ja tatsächlich vollstreckten – Todesstrafe.14 Melantheus wiederum gehörte als oberster Ziegenhirt ebenfalls zu den privilegierten Sklaven, machte jedoch gleichfalls gemeinsame Sache mit den Freiern; umso grausamer fällt seine Hinrichtung aus, die mit mehrfacher Verstümmelung einhergeht und an der – dies ist geradezu symptomatisch – die „guten“ Sklaven Eumaios und Philoitios aktiv beteiligt sind.15 Odysseus, so kann man resümieren, wird von Homer als idealer Haus- und Sklavenherr dargestellt, der seine Sklaven gerecht und fürsorglich behandelt, im Bedarfsfall aber auch konsequent und hart bestraft, ihnen also ihr Verhalten im Guten wie im Schlechten ver-

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gilt. Dieses Idealbild wird im Umkehrschluß durch die Charakteristik der Freier bestätigt, die geradezu als Prototypen des schlechten Herrn fungieren: Zum einen führen sie sich nicht nur gegenüber dem als Bettler verkleideten Odysseus arrogant, herrisch und brutal auf, sondern auch gegenüber der Sklavenschaft,16 zum anderen zwingen sie eine Sklavin zu Arbeiten, für die sie körperlich nicht geeignet ist, und verweigern ihr zu allem Überfluß die nötige Ruhezeit.17 Gibt die Odyssee Aufschluß über die Normen des Adels, erlauben die einige Jahrzehnte jüngeren Erga des Hesiod einen Einblick in die Welt der Klein- und Mittelbauern. Auch hier begegnet – allerdings deutlich weniger ausführlich – der Aspekt der Sklavenfürsorge in Form von Verpflegung, Unterkunft und Arbeitsruhe.18 Bemerkenswert ist dabei, daß diese Maßnahmen allesamt nicht weiter problematisiert, sondern vielmehr als Selbstverständlichkeiten vorausgesetzt werden.

Klassisches Athen Daß auch im Athen19 der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. eine gute Sklavenbehandlung Teil des adligen Selbstverständnisses war, zeigt eine Bemerkung der Klytaimestra im Agamemnon des Aischylos. Zwar ist die genaue Interpretation dieser Stelle umstritten – wahrscheinlich sind einige Verse in der Überlieferung ausgefallen –, doch ihr Inhalt ist eindeutig: In einem altadligen Haushalt wie dem ihrigen, so klärt Klytaimestra hier Kassandra auf, ginge es den Sklaven gut, während hingegen neureiche Herren für ihre harte Sklavenbehandlung bekannt seien.20 Unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt belegt diese Aussage zweierlei: Erstens gehörte eine angemessene Sklavenfürsorge im 5. Jahrhundert zum Standeskodex der traditionellen athenischen Oberschicht und spielte dabei zweitens für die Gruppenidentifikation eine solch wichtige Rolle, daß sie als Merkmal zur Abgrenzung gegenüber gesellschaftlichen Aufsteigern fungierte. Ebenso bewertete die griechische Philosophie der klassischen wie der hellenistischen Zeit grundsätzlich Gewaltakte und Zorneshand-

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lungen gegen andere Menschen als verwerflich. Sie sah sie als Ausdruck von Rohheit und schlechtem Charakter an, und dies umso mehr, wenn sie gegenüber untergeordneten Personen wie Sklaven begangen wurden. Diese Haltung schloß zwar eine strenge Züchtigung und Bestrafung von Sklaven nicht aus, machte jedoch einen berechtigten Anlaß und die Einhaltung des rechten Maßes zur Voraussetzung.21 Diesen Aspekt veranschaulicht die bekannte Erzählung über den Pythagoreer Archytas von Tarent, der nach längerer Abwesenheit bei der Rückkehr feststellen mußte, daß die Sklaven sein Landgut nachlässig bewirtschaftet hatten, aber mit der Begründung auf eine Bestrafung verzichtete, er sei momentan zu zornig.22 Aus dieser und ähnlichen Anekdoten kann man weniger Rückschlüsse auf historische Geschehnisse ziehen als vielmehr zu der Beobachtung gelangen, daß es bei dem Verzicht auf Brutalität gegenüber Sklaven weniger um deren Unversehrtheit als vielmehr um die Tugendhaftigkeit und Selbstbeherrschung des Herrn ging. Wenden wir uns nach diesen allgemeinen Bemerkungen nun den beiden wichtigsten griechischen Philosophen, Platon und Aristoteles, zu. Im Werk Platons spielen Sklaven allgemein eine äußerst untergeordnete Rolle. Die Sklavenfürsorge wird lediglich insoweit thematisiert, als sie Auswirkungen auf die Herrentugend und auf die Stabilität der gesamten Polis hat. Einen Abschnitt seiner Nomoi widmet Platon der Frage der richtigen Sklavenbehandlung; er geht dabei von der Prämisse aus, das Ziel des Herrn müsse es sein, möglichst wohlwollende und gute Sklaven zu haben.23 Nun sei aber zu konstatieren, daß die einen ihre Sklaven mit Knute und Peitsche antrieben und so ständig demütigten, die anderen aber genau entgegengesetzt handelten, Sklaven also offensichtlich ein schwierig zu handhabender Besitz seien. Platon kommt zu dem Schluß, daß es lediglich zwei Faktoren gebe, die für die richtige Sklavenhaltung eine Rolle spielen: Zum einen dürfe man keine größere Menge von Sklaven der gleichen Nationalität halten, um die Gefahr des Widerstands einzudämmen, zum anderen seien sie stets hart, aber gerecht zu behandeln. Der zweite Faktor habe wiederum eine doppelte Zielsetzung: Er sorge für das Wohlwollen der Sklaven ihrem Herrn gegenüber, noch mehr aber sei er wichtig für die Tugendbildung des

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Herrn selbst. Am Auftreten gegenüber schutzlos Ausgelieferten zeige sich nämlich der wahre Charakter eines Menschen, so daß der Verzicht auf Ungerechtigkeit (ἀδικία) und Hochmut (ὕβρις) im Umgang mit den eigenen Sklaven ein Zeichen für einen tugendhaften Charakter sei. Diese Maxime schließe jedoch, so Platon weiter, durchaus eine gerechtfertigte Bestrafung der Sklaven nicht aus, ja sie erfordere eine solche sogar zur Aufrechterhaltung der Disziplin. Daher dürfe der Herr mit seinen Sklaven auch nicht zu vertraulich und ungezwungen umgehen, sondern ausschließlich im Befehlston, um ihnen die Hierarchie immer klar vor Augen zu führen und für deren Wiederherstellung gar nicht erst auf Strafmaßnahmen zurückgreifen zu müssen. Es fällt auf, daß Platon den Sklaven ausgerechnet in den Nomoi gerade keinen gesetzlichen, sondern lediglich einen gesellschaftlichen Schutz in Form einer ethischen Norm zubilligt. Diese Beobachtung verdeutlicht einmal mehr, daß es ihm gerade nicht um die Sklaven geht, sondern vielmehr um die Herren, für deren Tugendhaftigkeit die Sklaven geradezu eine Art von Prüfstein darstellen. Obwohl Aristoteles der Sklaverei deutlich mehr Aufmerksamkeit widmet als sein Lehrer, ist er für unsere Thematik noch weniger ergiebig.24 Die Strenge im Verhältnis Herr – Sklave, die Platons Position kennzeichnet, ist bei ihm gemildert, denn er sieht den Herrn nicht nur in der Pflicht, seinen Sklaven zu belehren und ihm so Anteil an der Tugend zu verschaffen, sondern hält sogar eine Freundschaft zwischen beiden für durchaus möglich.25 Dennoch läßt auch Aristoteles keinen Zweifel daran, daß der Hauptnutzen in dieser Beziehung auf Seiten des Herrn liegt und der Vorteil für den Sklaven ein rein akzidentieller ist.26 Ansonsten schweigt er sich zur Frage der Behandlung und Versorgung von Sklaven weitgehend aus. Er kündigt zwar an, diese in einem späteren Kapitel ausführlicher thematisieren zu wollen, löst dieses Versprechen jedoch leider nicht ein, und so verdient in unserem Zusammenhang lediglich noch die Empfehlung Erwähnung, den Sklaven als Belohnung (ἆθλον) für ihre treuen Dienste – d.h. gleichsam als Motivationsmittel – die Freilassung in Aussicht zu stellen.27

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Deutlich intensiver als Platon und Aristoteles setzt sich Xenophon im Oikonomikos, seiner Schrift zur Frage der möglichst profitablen Führung eines Haushalts, mit der Sklavenfürsorge und ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche Rentabilität auseinander.28 Die Sorgfaltspflicht des Herrn für das Hauswesen allgemein und die Sklaven insbesondere besteht nach Xenophon grundsätzlich darin, daß er die alleinige Verantwortung für den gesamten Oikos trägt; daher habe er nicht nur fachlich sehr versiert zu sein, sondern in Charakter und Tat stets mit gutem Beispiel voranzugehen, sein Einsatz (sowie der seiner Ehefrau) müsse den der Sklaven sogar übertreffen. 29 Die Sklavenbehandlung ist einer der zentralen Punkte der Hauswirtschaft überhaupt, wie Xenophon Sokrates ausdrücklich sagen läßt30 und wie die ausführliche Darlegung in den Kapiteln 12–14 zeigt; allerdings äußert sich Xenophon hier in Person des Ischomachos kaum zu den gemeinen Arbeitersklaven auf seinem Landgut, sondern schwerpunktmäßig zu Charakter, Ausbildung und Behandlung des (ebenfalls unfreien) Verwalters. Ischomachos legt größten Wert darauf, den Verwalter selbst auszubilden, um sicher sein zu können, daß dieser in Abwesenheit seines Herrn das Landgut zuverlässig und fachmännisch führt. Noch wichtiger als alle Fachkenntnisse sei es jedoch, beim Verwalter Zuneigung (εὔνοια) zu erwecken, und zwar dadurch, daß man ihn materiell am Gewinn des Landguts beteiligt und so gegenüber den restlichen Sklaven deutlich privilegiert. Doch auch die einfachen Sklaven sollen für sorgfältiges Arbeiten vom Herrn gelobt oder anderweitig belohnt, bei Fehlverhalten hingegen demonstrativ bestraft werden mit dem Ziel von Besserung und Abschreckung. Diese Maxime der Sklavenbehandlung müsse auch der Verwalter als der ständige Vertreter des Gutsherrn verinnerlichen und konsequent anwenden. An konkreten Belohnungen nennt Ischomachos neben dem Lob des Herrn die Gewährung zusätzlicher Nahrungsportionen und die Zuteilung höherwertiger Kleidung und Schuhe. Sollte der Verwalter dabei ungerecht und parteiisch verfahren, so muß der Herr sofort eingreifen. Überhaupt ist auch der Verwalter in das System von Zuckerbrot und Peitsche eingebunden: Erweist er sich als zuverlässig, so erwarten ihn materielle und ideelle Vorteile seitens des Herrn bis hin zur ehrenhaften Behandlung, wie sie eigentlich nur den Edlen und Angesehenen (καλοί τε καγαθοί)

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zukommt; andernfalls hingegen drohen ihm diverse Körperstrafen, im Wiederholungsfalle die Entfernung von seinem Posten. Neben diesen drei hier paraphrasierten Kapiteln, in denen die Sklavenbehandlung in größerem Zusammenhang thematisiert wird, finden sich des weiteren über das Gesamtwerk verstreute Einzelpassagen, die sich ausdrücklich oder implizit unserem Thema widmen. Auch die Ehefrau des Gutsherren ist mitverantwortlich für die Sklavenfürsorge: Zu ihren Aufgaben gehört die Ausbildung der im Haushalt tätigen Sklavinnen, die Versorgung der Arbeiter mit Kleidung und Mahlzeiten sowie die Pflege erkrankter Arbeiter. Dabei – so Ischomachos – führe gerade die Sorge (πρόνοια) für die Kranken nicht nur zur Wiederherstellung der Arbeitskraft, sondern stärke zudem ihre Anhänglichkeit an den Herrenhaushalt. Dabei solle sich die Ehefrau ebenfalls des Prinzips von Belohnung und Strafe als Hauptmittel der Sklavenführung bedienen.31 Wie der Herr durch den Verwalter so wird sie durch die Wirtschafterin vertreten; die Ratschläge zu deren Charakter und Auswahl entsprechen denen zum Verwalter.32 Überdies empfiehlt Xenophon, die Sklaven durch vorteilhafte Aussichten (ἐλπίδες ἀγαθάι) zu motivieren, damit sie ausharren wollen (ὅπως μενεῖν ἐθελούσι)33,was wohl als Aussicht auf Freilassung zu verstehen ist.34 Schließlich thematisieren die Passagen zur baulichen Einrichtung des Landguts direkt oder indirekt die Sklavenfürsorge: Die Wohnräume sollen so beschaffen sein, daß sie im Sommer kühl, im Winter warm sind. Sklaven und Sklavinnen schlafen in getrennten und abschließbaren Räumen, um sexuelle Kontakte zwischen ihnen kontrollieren zu können. Dabei ist Ischomachos die Gründung von Sklavenfamilien nicht grundsätzlich unlieb, denn dies stärke bei guten Sklaven durchaus ihre positive Gesinnung dem Herrn gegenüber, doch will er sie unbedingt den schlechten Sklaven versagen, da diese ansonsten noch schwerer zu beherrschen seien.35 Im Oikonomikos kommt der Herr mit den einfachen Sklaven kaum in Berührung, dies überläßt er weitgehend seiner Ehefrau und dem Verwalter. Er sorgt lediglich durch entsprechende Ausbildung und Kontrolle beider Personen dafür, daß diese in seinem Sinne agieren. Überhaupt stützt sich Xenophon zur Steigerung der Rentabilität weitgehend auf Methoden der Betriebspsychologie, die er dabei in einem größeren Zusammenhang sieht: Wer auf seinem Landgut

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im Kleinen erfolgreich sei, habe beste Voraussetzungen, dies auch im Großen als Feldherr oder Politiker zu sein.36 Im Sinne dieser Betriebspsychologie spielt der Sklave als Mensch keinerlei Rolle, allein der Nutzen des Herrn ist das Motiv für die entsprechenden Verhaltensregeln Xenophons. Infolge dieses Ansatzes bleiben viele Empfehlungen des Oikonomikos – so die Art der Bestrafungen und der Belohnungen oder der Umfang der Essensrationen – sehr im vagen und werden finanzielle Aspekte wie etwa die Ausgaben für Nahrungsmittel oder Kleidung überhaupt nicht thematisiert. Solche Detailfragen sind für die zentrale Aussageabsicht Xenophons schlichtweg von untergeordneter Bedeutung und werden daher weitgehend ausgeblendet. Eine weitere zentrale Quelle für unsere Fragestellung stellt das erste Buch der pseudo-aristotelischen Oikonomika dar, das wohl Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. verfaßt wurde und zu rund einem Fünftel der Sklavenbehandlung gewidmet ist.37 Ausgangspunkt der Ausführungen ist die Feststellung, daß der für einen Oikos wichtigste Besitz taugliche Sklaven seien, die sich aus Aufsehern und einfachen Arbeitern zusammensetzen. Sklaven, die für selbständigere Tätigkeiten vorgesehen sind, soll man möglichst jung kaufen, um sie dann nach den eigenen Vorstellungen erziehen und ausbilden zu können. Während für die einfachen Sklaven die Versorgung mit ausreichend Nahrung wichtig sei, solle man die privilegierten zusätzlich mit entgegengebrachter Wertschätzung (τιμή) motivieren. Für einen möglichst rentablen und reibungslosen Arbeitseinsatz sei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit, Ernährung und Bestrafung von entscheidender Bedeutung; zu laxe Behandlung führe zu Übermut und Nachlässigkeit der Sklaven, zu große Härte und mangelhafte Versorgung hingegen zögen nicht nur schlechte Arbeitsleistungen und damit eine Schädigung des Herrenvermögens nach sich, sondern seien auch rücksichtslos (βίαιος). Der letztgenannte Punkt ist insofern bemerkenswert, als er über den rein materiellen Aspekt hinausgeht, doch zielt er sicherlich nicht auf ein ethisches Anrecht des Sklaven als vielmehr auf die Tugendhaftigkeit des Herrn ab. Gleiches gilt für die Aussage, es sei gerecht (δίκαιος), allen Sklaven grundsätzlich die Möglichkeit der Freilassung in Aussicht zu stellen. Außerdem – hier wird die Ausrichtung am Herreninteresse wiede-

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rum ganz klar – sei ein solcher Preis (ἆθλον) für den Herrn nützlich (συμφέρον), da er die Sklaven zusätzlich ansporne. Des weiteren empfiehlt die peripatetische Schrift, nicht alle Sklaven gleich, sondern je nach ihrer Leistung zu behandeln, so daß die Tüchtigen mit zusätzlichen Lebensmitteln, Kleidung oder Pausen belohnt, die Schlechten hingegen konsequent bestraft werden; konkretere Angaben fehlen allerdings ebenso wie bei Xenophon. Durch die Erlaubnis, Familien gründen zu dürfen, solle man die Sklaven enger an sich binden, auch seien ihnen die Teilnahme an Opferhandlungen und Arbeitsruhe an Festtagen zu gewähren, denn beides sei mehr der Sklaven als der Freien wegen eingerichtet. Die Begründung ist erstaunlich, denn sie rückt gerade nicht die körperliche Regeneration zur Erhaltung der Arbeitskraft ins Zentrum, sondern billigt den Sklaven die Teilnahme an religiösen Zeremonien und Festen offensichtlich als gewissen Ausgleich für ihr Los der Unfreiheit zu. Mit anderen Worten steht hier ausnahmsweise einmal der Sklave als Mensch im Mittelpunkt einer Fürsorgemaßnahme, nicht als Objekt der Herreninteressen. Als Hauptverantwortlicher für den Oikos müsse der Herr länger arbeiten als die Sklaven.38 Das Haus solle dergestalt angelegt werden, daß es der Gesundheit seiner Bewohner – die Sklaven werden ausdrücklich erwähnt – zuträglich sei, insbesondere habe es im Sommer kühl, im Winter hingegen warm zu sein.39 Nach diesen umfangreichen Ausführungen zur athenischen Landwirtschaft wollen wir abschließend noch einen kurzen Blick auf Handel und Gewerbe werfen.40 Schon im 5. Jahrhundert spielten Sklaven eine wichtige Rolle im Wirtschafts- und Arbeitsleben Athens, wo sie oft relativ selbständig agierten und ihrem Herrn lediglich regelmäßige Abgaben lieferten. Wichtig für das Funktionieren dieser Praxis war die Tatsache, daß das griechische Recht die faktische Eigentums- und Geschäftsfähigkeit von Sklaven kannte und regelte, wenn auch bei weitem nicht so systematisch und ausdifferenziert, wie es später das römische Recht tun sollte (s.u. zum peculium). Zwar ist nicht sicher, ob der Eigenbesitz des Sklaven juristisch vor willkürlichem Zugriff des Herrn geschützt war – die wenigen Hinweise unserer Quellen legen eher die gegenteilige Vermutung nahe –, doch ist zumindest von einer grundsätzlichen fakti-

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schen Respektierung der Verfügungsgewalt des Sklaven durch den Herrn auszugehen, da ein solches Institut nur dann seine motivierende Wirkung entfalten konnte. Die Herren gestanden also manchen Sklaven durchaus ein relativ eigenständiges Leben und Arbeiten zu, taten dies jedoch aus eigenem finanziellen Interesse. Diese Facette der Sklavenfürsorge, die weit über die Grundversorgung des täglichen Bedarfs hinausgeht, wird uns später im Zusammenhang mit dem besser dokumentierten römischen peculium nochmals beschäftigen.

Hellenismus Für die hellenistische Epoche stellt sich die Quellenlage grundlegend anders dar als für das klassische Athen: Liegen für dieses vor allem normative Quellen mit Bezug auf die athenischen Verhältnisse vor, so müssen wir für jene hauptsächlich auf die Papyri zurückgreifen, die in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten aufweisen. Zum einen haben sie den großen Vorteil, daß sie nicht normativer Art sind, sondern Einblicke in den realen Alltag gewähren, zum anderen aber ist ihre Aussagekraft geographisch auf das ptolemäische Ägypten beschränkt, das historische und kulturelle Eigentümlichkeiten aufweist im Vergleich zu den anderen hellenistischen Reichen. Zudem stammen sehr viele für uns relevante Papyri aus dem Zenonarchiv des 3. Jahrhunderts v. Chr., welches eine große Quellenmenge privater und staatlicher Natur überliefert wie Verträge, Briefe und aktenartiges Material, geographisch allerdings noch stärker beschränkt ist als die übrigen Papyri (nämlich auf Fajum) und zudem nur die Verhältnisse im Haushalt eines Mitglieds der Oberschicht widerspiegelt. Die Auswertung dieser Quellengattung für unsere Fragestellung muß also sehr behutsam sein und sich vor unzulässigen Verallgemeinerungen hüten. Als Grundlage wird uns das „Corpus der ptolemäischen Sklaventexte“ dienen, welches alle einschlägigen Papyri vereint und kommentiert.41 Gut überliefert sind (zumindest ursprünglich) umfangreiche Listen, welche die an die Sklaven und die freien Mitarbeiter eines Landguts verteilten Lebensmittel, Kleider und Gelder verzeichnen42 und somit

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zeigen, daß größere Haushalte über eine regelrechte Verwaltung und Buchführung zur Organisation der Sklavenversorgung verfügten. Die Nahrungsmittelrationen scheinen nach Alter und Umfang des Arbeitseinsatzes gestaffelt gewesen zu sein, wurden allerdings auch zur Bestrafung von Vergehen vorübergehend gekürzt. Die Sklaven erhielten qualitativ die gleiche Kleidung wie die freien Arbeiter. Die häufig belegten Geldzahlungen (Opsonion), mittels derer die Sklaven sich ihren Unterhalt selbst finanzierten, belegen, daß im hellenistischen Ägypten die Vermögens- und Geschäftsfähigkeit von Sklaven eine alltägliche Selbstverständlichkeit war. Bemerkenswert sind Beschwerden von Sklaven über ausbleibende Zahlungen und klare Unmutsbekundungen darüber43 – offensichtlich vertraten die Sklaven den Standpunkt, ein (natürlich nicht juristisches) Anrecht auf diese Gelder zu haben, und es ist in den überlieferten Fällen nicht zu erkennen, daß die Herren anderer Meinung gewesen wären. Die Äußerung einer Sklavin an anderer Stelle thematisiert auf bemerkenswerte Weise den Zusammenhang zwischen Sklavenbehandlung und Flucht: Die Schreiberin nennt eine ungerechte Behandlung ausdrücklich als Fluchtmotiv und preist den Empfänger, ihren Herrn, für seinen Gerechtigkeitssinn (er sei μισοπόνηρος).44 Deswegen, so die Schreiberin weiter, denke sie nicht an eine Flucht – eine doch ziemlich unverhohlene Aufforderung an den Herrn, seine Sklaven im eigenen Interesse weiterhin gut zu behandeln! Einige Papyri betreffen Vermietung, Verpfändung oder sonstige zeitweise Überlassung von Sklaven an Dritte oder das Phänomen, daß ein Sklave mehrere Eigentümer hatte.45 In mehreren Fällen gibt es dabei klare Regelungen der Frage, wer für den Unterhalt des Sklaven aufzukommen hatte, in den restlichen Fällen ist davon auszugehen, daß solche Regelungen ebenfalls existierten, jedoch aufgrund des fragmentarischen Zustands dieser Papyri nicht überliefert sind. Den Sklaven wurde auch die Teilnahme am religiösen und gesellschaftlichen Leben zugestanden, wie sich aus der Beobachtung ergibt, daß sie als Mitglieder religiöser Vereine nachweisbar sind 46 und anläßlich besonderer Feste von ihren Herren bisweilen zusätzliche Geldzahlungen, Opfertiere oder Wein erhielten.47 Ebenso sind Sklavenfamilien, teilweise sogar unter Beteiligung eines freien Partners, in den Papyri nachgewiesen.48 Hingegen nicht

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überliefert sind Ausbildungsverträge ptolemäischer Zeit; doch zeigen die nachweisbaren Berufs- und Tätigkeitsbereiche beispielsweise im Herrenhaushalt, in der Finanzverwaltung eines Landguts oder im Textilhandwerk, daß eine nennenswerte Zahl von Sklaven eine Ausbildung erhalten haben muß. Besonders gut ausgebildete und somit privilegierte Sklaven unternahmen weite Geschäftsreisen, auf denen sie selbständig agierten – ein weiterer Beleg für die allgemein anerkannte Geschäftsfähigkeit von Sklaven und ihre wichtige Rolle, die sie auch im Ptolemäerreich in Handel und Gewerbe spielten. In einem Fall ist aufgrund des unfreien Status von Schreiber, Empfänger und der darin erwähnten Personen sogar eine regelrechte „Sklavenkorrespondenz“ überliefert.49 Zum Abschluß dieses Kapitels sei noch ein literarisches und normatives Zeugnis angeführt, der sog. Brief der Theano an Kallisto. 50 Es handelt sich um einen neupythagoreischen Kurztraktat über die richtige Behandlung der Sklavinnen durch ihre Herrin, dessen Datierung unsicher ist und zwischen dem Ausgang des Hellenismus und dem 2. Jahrhundert n.Chr. schwankt. Ziel aller Ratschläge ist es, der Herrin das Wohlwollen (εὔνοια) der Sklavinnen zu erwerben, um einen möglichst unkomplizierten und effizienten Arbeitseinsatz derselben zu gewährleisten. Das Mittel zur Erreichung dieses Ziels sei das rechte Maß zwischen Fürsorge auf der einen Seite und Anwendung von Strafen und Zwang auf der anderen. Physische Ausbeutung und zu geringe Ernährung führten zum genauen Gegenteil und schmälerten letztlich den Gewinn des Herrenhaushalts. Daher sei eine ausreichende Verpflegung absolut unverzichtbar, wobei die Größe der Rationen jedoch von der Arbeitsleistung der Sklavinnen abhängig gemacht werden müsse, also nicht für alle unterschiedslos gleich sein dürfe. Genauso wichtig aber sei die angemessene Bestrafung solcher Sklavinnen, die sich einer Verfehlung schuldig gemacht haben. Dabei seien Zorn und Grausamkeit der Herrin fehl am Platze, vielmehr müsse die Strafe berechtigt und ihre Härte der Verfehlung angemessen sein, da ansonsten eine dauerhafte körperliche Beeinträchtigung, Flucht oder gar Selbstmord der Sklavin zu befürchten seien – hier ist der Appell für eine gerechte Sklavenbehandlung, der uns ja bereits mehrfach begegnet ist, offensichtlich rein materiell motiviert und nicht (auch)

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aus Sorge um die Herrenmoral. Bemerkenswert ist schließlich der Ratschlag der Theano, solche Sklavinnen, bei denen Bestrafungen nicht fruchteten und die sich daher als unbrauchbar erwiesen haben, im Extremfall zu verkaufen – ein Beleg für die im Alltag bisweilen begrenzte Durchsetzbarkeit der theoretisch umfassenden Herrenmacht.

Römische Republik und Kaiserzeit Die Versorgung und Behandlung der Sklaven in der römischen Gesellschaft51 war Teil der patria potestas, also der grundsätzlich absoluten Gewalt des Hausvaters über die freien und unfreien Mitglieder der familia. Diese umfassende Machtstellung war in der Praxis aber in doppelter Weise relativiert: Zum einen war sie untrennbar verbunden mit einer sozial-moralischen Fürsorgepflicht des pater familias für die ihm unterworfenen Personen, zum anderen wurde ihre Ausübung bereits in frührömischer Zeit durch sakralrechtliche Normen und eine gesamtgesellschaftliche Kontrolle, seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. zusätzlich durch das regimen morum der Zensoren überwacht. Insbesondere das Verhalten gegenüber der Ehefrau, die Erziehung der Kinder und eben auch die Behandlung der Sklaven waren Bereiche, die dieser Kontrolle unterworfen waren und in denen der Hausvater bei Verstößen mit Sanktionen rechnen mußte.52 Die römische Literatur und Philosophie entwickelte nun bis zum Ende der Republik den Topos des diligens pater familias, d.h. des um Wohl und Wehe aller freien und unfreien Mitglieder seiner familia besorgten Hausvaters, der seine Macht gemäß dem überlieferten mos maiorum streng, aber gerecht ausübte und seiner Fürsorgepflicht in vollem Umfang nachkam. Wichtigstes Ziel war die Aufrechterhaltung der disciplina, d.h. von Zucht und Ordnung, innerhalb seines Machtbereichs, worin die Voraussetzung für die Stabilität sogar des gesamten römischen Staates gesehen wurde. 53 Die enge Einbindung der Sklaven in den Herrenhaushalt spiegeln zwei Detailbeobachtungen symptomatisch wider: Zum einen vereint der urrömische Terminus familia die beiden Bedeutungen „Familienverband“ und „Sklavenschaft“ in sich, zum anderen gibt es im Latei-

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nischen keinen Begriff für die Kleinfamilie von Vater, Mutter und Kindern.54 Die Einhaltung der beschriebenen Verhaltensregeln diente zugleich als Abgrenzungskriterium der traditionellen Oberschicht von Senatoren und Rittern gegenüber gesellschaftlichen Emporkömmlingen. Es galt das uns bereits bei Aischylos begegnete Verdikt, daß Aufsteiger grundsätzlich ungehobelte Parvenüs seien, die sich unter anderem durch grausame und ungerechte Sklavenbehandlung auszeichneten. Dieses Klischee verwendet besonders ausgiebig Petron in den Satyrica, in denen er den Freigelassenen Trimalchio als das genaue Gegenteil des idealen pater familias und dominus karikiert:55 Einerseits behandelt Trimalchio seine Sklaven hochmütig und roh, andererseits macht er sich in unmöglicher Weise mit ihnen gemein, sorgt also gerade nicht für die nötige Hierarchie und disciplina in seiner familia. Doch auch innerhalb der Oberschicht warf man dem politischen oder juristischen Gegner gerne vor, die eigenen Sklaven schlecht zu versorgen, wie sich in zwei Reden Ciceros zeigt.56 Dadurch wollte man offensichtlich den Gegenspieler diskreditieren und seine Stellung schwächen, was eine grundsätzliche Anerkennung der genannten Normen innerhalb der Oberschicht voraussetzt. Spielt die Sklavenfürsorge bei Cicero ansonsten eine eher untergeordnete Rolle, so ist sie hingegen für die Philosophie Senecas, der die Frage der richtigen Sklavenbehandlung sogar ausdrücklich als einen Bestandteil der Philosophie überhaupt bezeichnet, von erheblich größerer Bedeutung.57 Dabei setzt er die Grundversorgung der Sklaven mit Kleidung und Nahrung als nicht zu hinterfragende Selbstverständlichkeit voraus.58 In größerem Zusammenhang widmet er sich unserer Thematik in seiner 47. Epistel. Der Brief beginnt mit einem ausdrücklichen Lob für den freundschaftlichen Umgang des Briefadressaten Lucilius mit seinen Sklaven. Davon habe er, so Seneca weiter, über gemeinsame Bekannte erfahren, und er preist diese Einstellung als der Klugheit und dem Bildungsstand des Lucilius vollkommen angemessen. Diese Briefpassage zeigt zweierlei: Zum einen die Bedeutung der Sklavenbehandlung für das gesellschaftliche Selbstverständnis der Oberschicht und zum anderen die gegenseitige Kontrolle der Mitglieder derselben in diesem Punkt.

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Im folgenden setzt sich Seneca ausführlich mit der richtigen Sklavenbehandlung auseinander. Grundsätzlich solle man mit seinen Sklaven respektvoll verkehren, da es sich auch bei ihnen um Menschen handele und alle, Herren wie Sklaven, der Herrschaft des Schicksals unterworfen seien, so daß jedem die Gefahr der Versklavung drohe. Auch seien Sklaven ihrem Herrn nicht per se feindlich gesonnen, sondern würden dies erst infolge von grausamer und ungerechter Behandlung. Zudem profitiere der Herr aus einer guten Sklavenbehandlung ganz konkret, da er so Einsatzwille und Treue steigern könne. Zur Verdeutlichung seiner Kernaussage greift auch Seneca auf die Idee des fürsorglichen Hausvaters zurück und preist die vergangenen Zeiten, in denen das Verhältnis zwischen Herr und Sklaven ein viel engeres und geradezu freundschaftliches gewesen sei. Die ideale familia sei für die Sklaven gleichsam ein Staat im Kleinen (pusilla res publica), sie stelle also das Bindeglied zur Gesamtgesellschaft der Freien dar. Für die Bewertung der 47. Epistel ist nun die Beobachtung interessant, daß sie aufgrund ihrer Stellung im gesamten Briefcorpus eingebettet ist in Briefe zur Thematik des vir bonus, also des weisen und gerechten Bürgers. Daraus ergibt sich die Folgerung, daß es Seneca mit seinem Eintreten für eine milde und gerechte Sklavenbehandlung primär nicht um die Sklaven selbst, sondern um die Sittlichkeit ihrer Herren geht, ja noch mehr: Der Brief erschöpft sich nicht in der Funktion eines rein moralphilosophischen Traktats, er ist zugleich eine politische Stellungnahme gegen das zunehmend von Willkür und Grausamkeit geprägte Regiment Neros; das entworfene Bild vom guten Sklavenherrn kann nämlich verstanden werden als Metapher für den guten Herrscher, der Brief somit als doppelter Appell gegen den schlechten (= brutalen) Sklavenherrn wie gegen den schlechten (= tyrannischen) Herrscher.59 Im Gegenzug für eine gute und gerechte Behandlung erwarteten die Herren von ihren Sklaven im übrigen eine entsprechende Dankbarkeit, die sich insbesondere in Treue niederzuschlagen hatte. Beispielhaft wird diese Erwartungshaltung in der 107. Epistel deutlich, in der Seneca seinen Freund Lucilius über die Flucht einiger Sklaven zu trösten versucht. Interessanterweise spielt der finanzielle Verlust in Senecas Brief überhaupt keine Rolle (obwohl dies natürlich ebenfalls ein wichtiger Aspekt der Sklavenflucht war), vielmehr argu-

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mentiert Seneca dergestalt, daß man leider immer mit der Enttäuschung durch andere Menschen rechnen müsse. Allgemeiner gesprochen handelte es sich bei Senecas Plädoyer für eine mitmenschliche Sklavenbehandlung nicht um ein rein abstraktes philosophisches Ideal, sondern vielmehr um eine ganz praktische Handlungsanweisung an die Herren für den effizienten Umgang mit Sklaven. Mißglückte diese Strategie im Einzelfall, waren Enttäuschung und Mißmut entsprechend groß. Ausführliche Berücksichtigung findet die Sklavenfürsorge auch bei den römischen Agrarschriftstellern Cato, Varro und Columella, die zu weiten Teilen auf griechischen und punischen Vorbildern fußen, aber auch genuin römische Traditionen und persönliche Erfahrungen verarbeiten.60 Cato macht recht detaillierte Angaben zu Art und Menge der nötigen Kleidungsstücke sowie der Nahrungsmittel für die Sklaven eines Landguts. Die Essensrationen waren grundsätzlich umso größer, je schwerer ein Sklave körperlich arbeiten mußte, also unabhängig vom Rang eines Sklaven innerhalb der familia.61 Obwohl Cato konkrete Tätigkeiten angibt, die an Feiertagen erledigt werden konnten, sah er offenbar grundsätzlich an solchen Tagen Arbeitsruhe auch für Sklaven vor.62 Auf jeden Fall bezog er die unfreien Mitglieder seiner familia und deren Gesundheit in seine Gebete anläßlich verschiedener religiöser Riten ein,63 und in begrenztem Umfang waren seine Sklaven – insbesondere vilicus und vilica – sogar aktiv an Kulthandlungen innerhalb der familia beteiligt und durften bei bestimmten Anlässen selbst Opfer darbringen.64 Von zentraler Bedeutung für das Funktionieren und den wirtschaftlichen Ertrag eines Landguts sieht Cato den Verwalter, der über umfassende Kenntnisse und einen tadellosen Charakter verfügen mußte und dem Herrn gegenüber direkt rechenschaftspflichtig war. Der vilicus war allgemein für die Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung innerhalb der Sklavenschaft verantwortlich und sollte sich dafür der beiden Mittel Belohnung und Strafe in gerechter Weise bedienen. Insbesondere verteilte er die anfallenden Arbeiten und organisierte die Versorgung der ihm unterstellten Sklaven mit Kleidung und Nahrungsmitteln. Als Stellvertreter des Herrn hatte er gegenüber den anderen Sklaven eine Vorbildfunktion und mußte

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offen sein für die Sorgen und Nöte der Arbeitssklaven, um finanziellen Schaden für den Herrn abzuwehren. Auch war er auf dem Landgut der einzige Sklave, der eine feste Partnerin hatte, und zwar in Person der vilica, die ihm der Herr zuwies und die ihn in seiner täglichen Arbeit unterstützte.65 Varro hingegen beschäftigt sich weniger mit dem Gutsverwalter (vilicus) als mehr mit den unfreien Vorarbeitern (praefecti) der Feldarbeiter, von denen er aber die gleichen Eigenschaften erwartet wie Cato vom vilicus: Sie müssen über ausreichend Fachkenntnisse, Erfahrung und Arbeitseifer verfügen, stets zur Motivation der untergeordneten Sklaven mit gutem Beispiel vorangehen und sollen ihre Untergebenen eher mit Worten als mit Schlägen antreiben und zurechtweisen. Aufgrund der wichtigen Rolle, die diese praefecti für Organisation und Erfolg des Landguts spielen, solle der Herr ihre Motivation durch Privilegien steigern wie die Gewährung eines peculium und die Erlaubnis, mit einer Mitsklavin in einer festen Beziehung zu leben und Kinder zu zeugen. Letzteres, so Varro weiter, führe außerdem dazu, daß die Vorarbeiter fester an das Landgut gebunden würden, d.h. die Gefahr einer Flucht minimiert würde. Als weiteres Mittel der Arbeitsmotivation empfiehlt Varro, sowohl die Vorarbeiter als auch die besonders tüchtigen Feldarbeiter in die Besprechung der anfallenden Arbeiten einzubeziehen, um ihnen so ein Gefühl der besonderen Wertschätzung zu vermitteln. Des weiteren sollten die arbeitsamen Sklaven durch größere Essensrationen, Bevorzugung bei der Kleidung, zusätzliche Freizeit, Zuweisung eines peculium und ähnliche Maßnahmen belohnt und ihre Gunst gegenüber dem Herrn gesteigert werden. Ein peculium – zu denken ist hier sicherlich an einen Bestand von Kleinvieh – binde die Sklaven zudem enger an das Landgut und sichere einen Teil der Sklavenernährung.66 Da die Hirten der Kontrolle des Herrn bzw. des Verwalters aufgrund ihrer abgeschiedenen Lebensweise weitgehend entzogen waren, sollten sie ebenfalls ein peculium erhalten sowie in eheähnlichen Beziehungen leben und Familien gründen dürfen. Überhaupt hätten Sklavenfamilien den Vorteil, daß sie durch den Nachwuchs das Vermögen des Herrn vermehrten.67 Fürsorgemaßnahmen für die einfachen Feldsklaven thematisiert Varro kaum. Abgesehen von den bereits genannten Belohnungen für

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besonderen Fleiß nennt er lediglich den Aufenthaltsraum, der für die Erholung der erschöpften Sklavenschaft bequem einzurichten sei, und Sonnensegel, die den Drescharbeitern Schutz vor der Mittagshitze gewähren sollen.68 Auf die Frage der Gesundheit der Sklaven geht Varro nur am Rande ein, indem er für ungesunde Gegenden den Einsatz von freien Tagelöhnern vorsieht, die Anlage eines Verzeichnisses mit Hausrezepten empfiehlt und im übrigen die Versorgung kranker Sklaven offensichtlich als eine Selbstverständlichkeit voraussetzt.69 Außerdem kalkuliert er eine gewisse Anzahl von Tagen ein, die durch Trägheit und Nachlässigkeit der Sklaven verlorengehen,70 und somit ist er offensichtlich der Meinung, daß allen Zwangs- und Motivationsmitteln zum Trotz doch ein Minimum an Effizienzverlust unvermeidlich sei. Mehr als Cato und Varro stellt Columella den vilicus ins Zentrum seiner Ausführungen, ja das gesamte elfte Buch mit den konkreten Arbeitsanweisungen für die einzelnen Monate des Jahres wendet sich sogar ausdrücklich an ihn. Daher überrascht es nicht, wenn Columella zwei längere Passagen im ersten und elften Buch dem Charakter und den Aufgaben des Verwalters widmet. Der Verwalter – wie auch alle übrigen Sklaven mit Führungsaufgaben – müsse sorgfältig ausgewählt werden und über eine gute Ausbildung verfügen, denn andernfalls bestehe die Gefahr von Mißwirtschaft und finanziellen Einbußen des Herrn. Da er die meiste Zeit des Jahres faktisch an die Stelle des Herrn trete, sei es wichtig, daß er hinsichtlich Charakter und Fähigkeiten dem Ideal des pater familias möglichst nahe komme und die restliche Sklavenschaft in strenger, aber gerechter Zucht halte. Der vilicus soll ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Untergebenen haben und ist in vollem Umfang für die Versorgung und die Arbeitsmoral der anderen Sklaven verantwortlich. Konkret umfaßt seine Fürsorgepflicht alle Aspekte des Arbeitsalltags, die Verpflegung, die Krankenversorgung, die Belohnung der guten und Bestrafung der schlechten Sklaven sowie die Darbringung religiöser Opfer – letzteres unter ausdrücklicher Einbindung der anderen Sklaven. Ein schlechter Verwalter, so Columella, sei sofort durch einen besseren und zuverlässigeren Sklaven zu ersetzen. Dem vilicus ist in der vilica eine dauerhafte Lebenspartnerin beigegeben, deren

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Aufgabenfeld ebenfalls so umfangreich ist, daß Columella diesem das gesamte zwölfte Buch widmet. Sie soll jedoch den Verwalter nicht nur bei der Bewältigung seiner vielfältigen Tätigkeiten helfen, sondern zugleich sein Tun überwachen.71 Der Kontrolle des Verwalters dienen auch regelmäßige Besuche des Herrn, bei denen dieser überprüft, ob die Sklavenschaft von ihren Vorgesetzten gut verpflegt und behandelt wird, und Beschwerden der einfachen Arbeitersklaven über den vilicus entgegennimmt.72 Was nun konkrete Maßnahmen der Sklavenversorgung angeht, legt Columella zunächst einmal Wert auf eine ausreichende und gerechte Verteilung der Nahrungsmittel sowie auf zweckmäßige, d.h. dem Wetter und der jeweiligen Arbeit entsprechende Kleidung.73 Auch sei darauf zu achten, daß in den Aufenthalts- und Schlafräumen der Sklavenschaft, in den ergastula der gefesselten Sklaven und im Krankenzimmer angenehme Temperaturen, ausreichende Beleuchtung und Sauberkeit herrschten; an Feiertagen durften Sklaven sogar eigens für sie vorgesehene Badeanlagen nutzen.74 Das erwähnte Krankenzimmer war ausdrücklich für kranke oder verletzte Sklaven vorgesehen und sollte zum einen deren Arbeitskraft wiederherstellen, zum anderen aber auch ihre Gesinnung dem Herrn gegenüber positiv beeinflussen. Selbst Simulanten solle man durchaus einen oder wenige Tage ausruhen lassen, da dies letztlich billiger komme als die Alternative, einen solchen Sklaven mit Gewalt zur Arbeit zu zwingen und dabei einen tatsächlichen körperlichen Schaden zu riskieren.75 Wie Varro empfiehlt auch Columella für ungesunde Gegenden den Verzicht auf die Bewirtschaftung durch eigene Sklaven und rät statt dessen zur Verpachtung solcher Äcker an freie Bauern.76 Der Steigerung der Arbeitsmotivation und damit – wie Columella ausdrücklich sagt – der Mehrung des Herrenvermögens dienen diverse Prämien bis hin zur Freilassung.77 Von der Gewährung eines peculium an den vilicus zur eigenen Bewirtschaftung rät Columella jedoch im Gegensatz zu Cato und Varro ab, da ein solches von den eigentlichen Aufgaben ablenke und zu Fehlinvestitionen führen könne.78 Daß er ein Meister der Betriebspsychologie ist, zeigen nicht zuletzt folgende Vorschläge: Die Zufahrtswege des Landguts sollten ein unbeschwerliches An- und Abreisen ermöglichen, damit die Sklaven nicht unwillig sind, wenn sie ihren Herrn auf dessen Reisen

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begleiten, zudem sollen sämtliche Arbeiten in bequemer Weise ausgeübt werden können, mengenmäßig überschaubar sein und von dafür geeigneten Sklaven übernommen werden, damit Motivation und Effizienz nicht leiden. Auch solle man selbst die einfachen Arbeitssklaven in Beratungen und Entscheidungen einbinden, um ihnen so den Eindruck von Wertschätzung seitens des Herrn zu vermitteln.79 Während die bisher behandelten lateinischen Quellen normativer Art sind und hauptsächlich Aussagekraft für die Verhältnisse innerhalb der Oberschicht haben, erlauben die Digesten einen Blick auf die tatsächliche Praxis und auf die Verhältnisse in breiteren Bevölkerungskreisen, da sie sich mit konkreten Alltagsproblemen aller sozialen Schichten auseinandersetzen. So stellen die Ausführungen der römischen Juristen zur actio de servo corrupto und zur Haftungsfrage beim Sklavenkauf einen weiteren Beleg für eine Beobachtung dar, die wir bereits im Brief der Theano und bei Varro machen konnten: Die theoretisch weitreichende Disziplinierungs- und Zwangsgewalt des Herrn konnte in der Praxis durchaus an die Grenzen ihrer effizienten und rentablen Durchsetzung stoßen. Dies ist der Grund, warum die Juristen eine negative Beeinflussung eines Sklaven durch Dritte sanktionierten und warum Käufer immer wieder unter fadenscheinigen Gründen einen Sklaven, dessen Benehmen nicht ihren Erwartungen entsprach, an den Verkäufer zurückzugeben versuchten.80 Die juristischen Stellungnahmen zur Behandlung und Versorgung von Sklaven wiederum erlauben Rückschlüsse auf die gesamtgesellschaftlich gültigen Motive, die sich hinter diesen Fürsorgemaßnahmen verbergen, und sollen daher im folgenden näher beleuchtet werden. Eine grundsätzliche Sorgfalts- und Fürsorgepflicht (diligentia) bei der Sklavenbehandlung forderten die Juristen immer dann, wenn es um den Umgang mit fremden Sklaven ging oder aber mehrere Personen an einem Sklaven Eigentums- und/oder Besitzansprüche hatten wie bei Nießbrauch, Vermietung oder Verpfändung. Kam also beispielsweise ein Sklavenbesitzer seiner Sorgfaltspflicht nicht nach, indem er den Sklaven nicht ausreichend ernährte, ihn mißhandelte oder zu Arbeiten zwang, für die er nicht geeignet war, stand dem Eigentümer das Recht auf Klage zu.81 Die Sorgfaltspflicht galt auch

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in die andere Richtung, so daß die Interessen Dritter – beispielsweise die des Nießbrauchers oder des Pfandnehmers – wiederum die Rechte und Willkür des Eigentümers einschränkten.82 Diese Verpflichtung minderte zwar in den genannten Fällen die Gefahr schlechter Versorgung oder Behandlung, hatte jedoch nicht das Wohl des betroffenen Sklaven, sondern die materiellen Interessen der verschiedenen Eigentümer bzw. Besitzer im Blick. Zudem waren Züchtigung, Fesselung oder gar Tötung eines Sklaven auch in den genannten Fällen nicht notwendigerweise mit Sanktionen verbunden, sie mußten dann aber begründet und dem Anlaß angemessen sein; selbst einen völlig fremden Sklaven durfte man schlagen, falls dies seiner Belehrung und Besserung diente.83 Wenn ein Käufer einen Sklaven mißhandelte und dieser floh, blieb er auf dem finanziellen Schaden sitzen und konnte den Verkäufer nicht dafür haftbar machen, da die Flucht durch das Verschulden des Käufers verursacht worden war. Folglich mußte ein Verkäufer einen geflüchteten Sklaven nur dann zurücknehmen, wenn der Käufer beweisen konnte, daß dieser bereits vor dem Kauf ein fugitivus gewesen und nicht infolge schlechter Behandlung durch ihn selbst überhaupt erst zu einem solchen gemacht worden war.84 Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß in Vereinbarungen wie Miet- und Werkverträgen ausdrücklich die Formel ne facias furem vel fugitivum servum meum eine schlechte Behandlung des Sklaven verhindern sollte, da eine solche die Gefahr einer Flucht und damit einer Wertminderung des Sklaven mit sich brachte.85 Für wie selbstverständlich die Ernährung der eigenen Sklaven angesehen wurde, zeigt ein Zitat des Sabinus bei Ulpian: Der Begriff „Vorrat“ (penus) umfaße neben den Nahrungsmitteln für den Hausvater, seine Frau und die Kinder auch die für seine im Umfeld lebende Sklavenschaft.86 In größeren Haushalten – dies hatten wir bereits bei der Beschäftigung mit den hellenistischen Papyri beobachtet – waren offensichtlich sog. libelli familiae zur Verwaltung der Sklavenschaft und zur Organisation ihres Unterhalts sowie eine eigene Infrastruktur für die Sklavenversorgung üblich87. Die Unterhaltskosten insbesondere für Ernährung und Heilung bei Krankheit, die ein Dritter für einen Sklaven ausgegeben hatte, konnten grundsätzlich wieder vom Eigentümer eingefordert werden mit der Begründung, daß diese Ausgaben den Wert des Sklaven er-

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hielten und somit Zuwendungen ins Vermögen des Sklaveneigentümers darstellten.88 Wegen der Grundsätzlichkeit dieser Frage regelten die Juristen in einer großen Menge an Entscheidungen detailliert, wann der Eigentümer und wann der Besitzer eines Sklaven die Kosten für Ernährung und medizinische Behandlung übernehmen mußte.89 Die Juristen plädierten dabei in keiner Weise für einen grundsätzlichen Versorgungsanspruch des Sklaven, sondern regelten Unterhalt und medizinische Betreuung nur insoweit, als es Ansprüche mehrerer Parteien gab, die zu einem Ausgleich gebracht werden mußten. Sie gingen davon aus, daß die entsprechenden Aufwendungen für den Sklaven im Interesse des Herrn bzw. eines Dritten lagen und strebten daher nach deren Absicherung. Und somit beantworteten die Juristen auch die Frage, warum ein Herr einen Sklaven ausbilden ließ, gleichfalls einhellig materialistisch: Einzig zur Wertsteigerung des Sklaven und zur Erhöhung der durch diesen eingebrachten Einkünfte.90 Ähnliches gilt für die vielfältigen Regelungen zum peculium.91 Die Einrichtung als solche war bereits im frühen Rom und den Zwölftafelgesetzen bekannt und spätestens im 3. Jahrhundert v.Chr. weit verbreitet. Der jahrhundertelangen Praxis folgte dann seit der späten Republik infolge der zunehmend wichtigeren Rolle, die Sklaven und ihr Sondergut für die Gesamtwirtschaft spielten, eine juristische Ausgestaltung, die sukzessive die Interessen Dritter abzusichern strebte. Entgegen dem juristischen Grundsatz, daß Sklaven nicht vermögensfähig waren und ihr peculium Eigentum des Herrn war, wurde seit dem 2. Jahrhundert n.Chr. von den Juristen allgemein anerkannt, daß ein Herr faktische Schulden gegenüber seinem Sklaven haben konnte.92 Dieses sog. debitum naturale beruhte auf der naturalis obligatio, d.h. aus den nicht einklagbaren, aber allgemein anerkannten Verbindlichkeiten von und gegenüber Gewaltunterworfenen; nur so waren überhaupt Geschäfte von Gewaltunterworfenen mit Dritten möglich. Mit dem debitum naturale wurde das peculium verrechnet, welches von den Juristen als faktisches Vermögen (patrimonium) des Sklaven angesehen wurde.93 Wie wichtig das Institut des peculium für Handel und Gewerbe der römischen Kaiserzeit war, davon zeugt allein die Tatsache, daß das gesamte 15. Digestenbuch ausschließlich diesem Thema gewidmet ist. Infolge einer solch zentralen Bedeutung tendierten die

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Juristen dahin, das einem Sklaven einmal vom Herrn zugestandene Sondergut möglichst zu bewahren und die Eingriffsmöglichkeiten des dominus weitgehend zu beschränken, um auf diese Weise die finanziellen Interessen Dritter, die in Geschäftskontakt mit dem Sklaven standen, abzusichern. Mit anderen Worten ging es bei der Absicherung erneut nicht um den Sklaven selbst, sondern er war lediglich Nutznießer juristischer Entscheidungen, die auf einen geregelten Handels- und Geschäftsverkehr abzielten. Angesichts des bisher Gesagten ist die juristische Position zum Erstattungsanspruch für Begräbniskosten, die jemand für einen fremden Sklaven aufgewendet hat, umso bemerkenswerter: Hier spielte das finanzielle Interesse des Sklavenherrn für die Juristen keine Rolle, denn unabhängig davon, ob der Eigentümer seinen Sklaven selbst bestattet hätte oder nicht, wurde er zum Ersatz der Kosten verpflichtet.94 Offensichtlich setzten die Juristen in diesem Ausnahmefall die sakralrechtliche Gleichstellung freier und unfreier Verstorbener sowie die damit verbundene moralische Verpflichtung über die rein finanziellen Interessen. Daß die förmliche Bestattung von Sklaven durch den Herrn tatsächlich keine unübliche Praxis war, bezeugen übrigens zahlreiche inschriftliche und archäologische Belege, für die hier nur auf die stadtrömischen Columbarien verwiesen sei.95 Auch Fürsorgemaßnahmen seitens der Herren, bei denen keine Eigeninteressen nachweisbar oder zu vermuten sind, haben in den Digesten ihre Spuren hinterlassen. So wurden offensichtlich miteinander verwandte oder in einem contubernium lebende Sklaven häufig gemeinsam freigelassen bzw. Sklaven testamentarisch ihren natürlichen Verwandten gleichsam zur Familienzusammenführung vermacht, wie zahlreiche Erwähnungen solcher Fälle zeigen.96 Eine besondere und gleichfalls selbstlose Schutzmaßnahme, für die der Herr ggfs. sogar einen niedrigeren Verkaufspreis zu akzeptieren bereit war, stellte die Abrede ne serva prostituatur dar. Diese Vertragsklausel verbot die Verwendung der verkauften Sklavin als Prostituierte und wurde von Juristen wie kaiserlicher Gesetzgebung zunehmend unter Schutz gestellt.97

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Christentum Die christlichen Quellen, die wir abschließend beleuchten wollen, zeichnen sich allgemein dadurch aus, daß keine zusammenhängenden längeren Passagen zur Sklavenfürsorge vorliegen, hingegen sehr viele kurze und verstreute; auch findet sich die Thematik oft in metaphorisch-theologischer Verwendung mit keinerlei Aussagekraft zur sozial-juristischen Sklaverei. Da die Position des Christentums zur Sklaverei von der Forschung jedoch bereits sehr ausführlich untersucht wurde, können und werden wir uns im Folgenden weitgehend auf diese Vorarbeiten stützen, ohne die verstreuten Einzelaussagen der Quellen erneut zusammentragen und analysieren zu müssen. Schon im Neuen Testament98 begegnet die Sklavenfürsorge, so in der Erzählung vom Hauptmann von Capharnaum, der Jesus um Heilung seines erkrankten Sklaven bittet, und in der – für die spätere Auseinandersetzung der Kirchenväter mit der Thematik grundlegenden – Mahnung der Haustafeln an die Herren, daß Gott sie für die Behandlung und Versorgung ihrer Sklaven zur Rechenschaft ziehen werde. Bemerkenswert ist nun, daß die neutestamentlichen und die apostolischen Haustafeln zwar von der vorchristlichen Philosophie und Oikonomik inspiriert sind, sich im Gegensatz zu diesen jedoch in der Frage des Verhältnisses zwischen Herrn und Sklaven nicht nur an den ersteren wenden, sondern auch den letzteren Verhaltensregeln geben. Die Haustafeln behandeln die Sklaven somit nicht als passives Objekt der Fürsorge, sondern nehmen sie vielmehr als eigenständiges Subjekt mit (moralisch-theologischen) Rechten und Pflichten ernst. Mit anderen Worten ergänzen sie die traditionelle Ethik des Herrschens über Sklaven, wie sie in den vorchristlichen Quellen einschließlich dem Alten Testament begegnet, um eine Ethik des Dienens gegenüber dem Sklavenherrn.99 Die Kirchenväter, trotz mancher Differenzen im Detail, sehen im Rückgriff auf Paulus und die Haustafeln grundsätzlich Herren und (christliche) Sklaven als Brüder in Christus, die ihre von Gott zugewiesenen sozialen Rollen gewissenhaft auszufüllen haben. Alle Christen, Freie wie Unfreie, seien Sklaven Gottes und ihm gegen-

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über für ihr Tun und Lassen verantwortlich. Konkret bedeutete dies, daß einerseits die Sklaven ihren Herren – unabhängig von der Behandlung durch diese – zu gehorchen, andererseits die Herren ihren Sklaven gegenüber eine Fürsorgepflicht zu erfüllen hatten. Die traditionelle Hierarchie wird also nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil als gottgewollt betrachtet, immerhin aber insoweit relativiert, als Gott eine allen übergeordnete Wächterrolle einnimmt und jeden Einzelnen nach dem Tod zur Verantwortung zieht. Während die faktische Eigentums- und Geschäftsfähigkeit von Sklaven auch in den christlichen Quellen ihren Niederschlag findet,100 erwähnen die Kirchenväter Sklaven auffallend selten im Zusammenhang mit der Versorgung von Armen und Notleidenden. Offensichtlich waren sie der Meinung, daß Sklaven in der Regel ihren Unterhalt über den Herrenhaushalt abgesichert hatten und in diesem Punkt besser gestellt waren als viele Angehörige der freien Bevölkerung.101 Kommen wir nun nach diesen eher summarischen Bemerkungen zu den einschlägigen Aussagen einzelner Kirchenväter. Während sich die Stellungnahmen des Ambrosius102 zur Sklavenfürsorge weitgehend in allgemeinen Äußerungen der skizzierten Art erschöpfen – ergänzt allerdings um die bemerkenswerte Forderung an die Herren, ihre Sklaven wie ihre Kinder zu erziehen – wird Augustinus konkreter:103 Zum einen nennt er gelegentlich die materielle Versorgung der Sklaven durch den Herrn mit Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft und die Pflege bei Krankheit als Selbstverständlichkeiten, zum anderen äußert er sich immer wieder in seinen Briefen und Predigten, besonders ausführlich aber in seinem „Gottesstaat“ (Aug. civ. 19,16) zur Rolle der familia und zu ihrer Bedeutung innerhalb der göttlichen Weltordnung. Augustinus definiert hier die familia als Abbild der Welt im Kleinen und als Keimzelle des Staates. Daher sei es zur Aufrechterhaltung der göttlichen Weltordnung unbedingte Aufgabe des pater familias, für Zucht und Ordnung innerhalb der familia zu sorgen. Dies beinhaltet nach Augustinus zum einen die Sorge für das materielle und geistliche Wohl aller freien und unfreien Mitglieder, zum anderen aber die Verpflichtung, gegen all diejenigen vorzugehen, die die gottgewollte Ordnung durch ihr Verhalten in Frage stellen – im günstigsten Fall durch verbale Ermah-

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nungen, im Extremfall durch körperliche Züchtigung. Bemerkenswert und im Vergleich zu den vorchristlichen Quellen neu ist der Aspekt der Fürsorge für das seelische Heil der Sklaven, zu der der Herr verpflichtet wird. Der Herr ist verantwortlich dafür, seine Sklaven zum wahren christlichen Glauben zu führen und von heidnischen oder ketzerischen Positionen abzubringen. Auch diese Fürsorgepflicht ist bei entsprechender Renitenz des Sklaven mit Züchtigung verbunden, die nicht nur erlaubt, sondern geradezu zwingend ist, will sich der Sklavenherr nicht am Seelenheil seines Sklaven versündigen und deswegen von Gott zur Verantwortung gezogen werden. Auf der anderen Seite ist der Sklave zu Gehorsam und treuem Dienen selbst einem schlechten Herrn gegenüber verpflichtet, da zum einen jede soziale Stellung gottgewollt sei und zum andern Christus selbst ebenfalls treu bis zum Tod gedient habe. Einzig solchen Befehlen, die gegen den christlichen Glauben verstießen, dürfe (und müsse) sich ein Sklave durch Gehorsamsverweigerung oder Flucht widersetzen. Angesichts einer solchen Position überrascht es nicht, daß Augustinus die Freilassung von Sklaven zwar durchaus als Belohnung für treue Dienste ansieht, sie aber den Herren nicht ausdrücklich nahelegt. Einen aus nichtchristlichen Quellen ebenfalls unbekannten Aspekt stellt des Augustinus’ Forderung an die Herren dar, sich sexueller Übergriffe auf ihre Sklavinnen zu enthalten, da ansonsten das heilige Sakrament der Ehe und die Gottesebenbildlichkeit der Sklavin geschändet würden. Mit der Gottesebenbildlichkeit argumentiert auch Basilius von Caesarea104 gegen eine ungerechte und grausame Sklavenbehandlung überhaupt, die ein Mißbrauch der von Gott verliehenen Machtstellung sei. Zudem empfiehlt er, den Sklaven anläßlich christlicher Feiertage eine Arbeitspause zu gönnen, zum einen aus religiösen Überlegungen, zum anderen aber auch aus Gründen der Regeneration. Überhaupt scheinen viele christliche Herren nur durch das Argument finanzieller Einbußen, die die Erkrankung von überarbeiteten Sklaven mit sich brachte, zur Beachtung der Feiertagsruhe zu bewegen gewesen zu sein, denn auch andere christliche Quellen untermauern ihre religiös begründete Forderung nach Beachtung der

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Feiertagsruhe häufig durch Berichte über Sklaven, die in Eigeninitiative oder auf Befehl des Herrn gegen das Ruhegebot verstießen und dann ernsthaft erkrankten.105 Gregor von Nazianz106 appelliert an die Herren, ihre Sklaven gut und mit Nachsicht zu behandeln, da auch sie selbst nach ihrem Tod auf die Güte Gottes angewiesen seien. Doch – so fügt Gregor hinzu, als fürchte er, das rein theologische Argument könne bei vielen Herren nicht verfangen – habe der Herr auch schon zu Lebzeiten Vorteile von einer solchen Sklavenbehandlung, da seine Sklaven umso williger dienen würden. Gregors überliefertes Testament erlaubt für unsere Fragestellung zwei bemerkenswerte Beobachtungen: Erstens sorgt er durch Geldlegate dafür, daß die schon länger oder nun testamentarisch Freigelassenen auch in Zukunft materiell versorgt sind, zweitens stellt er einer Verwandten, der er zwei seiner Sklavinnen vermacht, vollkommen frei, diese früher oder später freizulassen oder eben nicht, d.h. wie Augustinus empfiehlt auch er die Freilassung nicht ausdrücklich bzw. sieht sie nicht als dem christlichen Glauben geschuldet an. Gregor von Nyssa107 wiederum geißelt in seiner vierten Homilie zwar sehr nachdrücklich Auswüchse der Sklaverei und insbesondere die menschenunwürdigen Umstände auf den Sklavenmärkten, kommt letztlich aber auch nicht über die bereits referierten Positionen hinaus: Die Institution als solche stellt er nicht in Frage, sondern brandmarkt lediglich grausame und ungerechte Sklavenbehandlung als Mißachtung der Gottesebenbildlichkeit der Sklaven, die wie die Herren Menschen seien und Anspruch auf entsprechende Behandlung hätten. Ansonsten tritt auch er dafür ein, daß die Herren ihre Sklaven wie christliche Brüder behandeln sowie ihnen gegenüber Nachsicht üben sollten, da sie selbst ja auch der Nachsicht Gottes bedürften. Gregor von Nyssa bezeichnet dann bemerkenswerterweise die Freilassung doch als einen Akt der christlichen Nächstenliebe, den er den Sklavenherren insbesondere für Ostern ans Herz legt. Und tatsächlich sind Freilassungen belegt,108 die durch die Sorge des Herrn um sein eigenes Seelenheil motiviert waren oder aber auf den Wunsch des Sklaven hin durchgeführt wurden, in ein Kloster eintreten oder ein Kirchenamt übernehmen zu wollen.

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Daneben überliefern die christlichen Quellen gleichsam traditionelle Freilassungsmotive wie Dankbarkeit für langjährige Treue oder für ein besonderes Verdienst des Sklaven. Für Johannes Chrysostomus109 ist der Sklave ein Mensch wie jeder Freie und hat daher grundsätzlich ein Recht auf entsprechenden Respekt. Daher solle das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven ausdrücklich von Gewaltlosigkeit geprägt sein, Körperstrafen dürften ausschließlich dann angewendet werden, wenn das Seelenheil des Sklaven bedroht sei, und auch dann nur als ultima ratio und in maßvoller Weise. Ansonsten schade der Herr nicht nur dem Körper des Sklaven, sondern auch seiner eigenen Seele, da er in unchristlichen Zorn geraten sei. Damit es aber gar nicht erst zu Verfehlungen der Sklaven komme, müßten Lebenswandel und Charakter des Herrn und der Herrin vorbildlich sein. Wer seinen Sklaven gegenüber freundlich und nachsichtig verfahre, habe zudem gute Voraussetzungen, ein solch vorbildliches Verhalten auch seinen Standesgenossen gegenüber an den Tag zu legen und somit dem Ideal der Weisheit nahe zu kommen. Überhaupt seien Sklaven nicht per se schlecht, faul und boshaft, sondern würden es erst infolge der Vernachlässigung durch ihre Herren. Letztere sollten die Sklaven in der Bibel unterweisen und zu einem christlichen Lebenswandel erziehen, sie aber auch als Stütze und Hilfe auf dem Weg zum rechten Glauben ansehen. Für Johannes Chrysostomus ist die ideale Beziehung zwischen einem christlichen Herrn und seinem christlichen Sklaven also die zweier Brüder in Christo, die die ihnen jeweils zufallende gesellschaftliche Rolle nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllten und dafür beide Gott gegenüber verantwortlich seien. Daneben komme den Herren ein solches Verhältnis auch rein praktisch zugute, da die Sklaven dann engagierter und die Sklavenarbeit effizienter seien. Zur materiellen Fürsorge äußert sich der Kirchenvater ebenfalls: Viele Passagen in seinem Werk lassen erkennen, daß Johannes Chrysostomus die Grundversorgung der Sklaven mit Nahrung, Kleidung und Unterkunft und die medizinische Betreuung als eine Selbstverständlichkeit voraussetzt. Dieser kämen zwar nicht alle Herren nach, doch ist sie nach seiner Auffassung eine Fürsorgepflicht, die der Gehorsamspflicht der Sklaven gegenübersteht. Auch

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Sklavenehen schildert Johannes als eine selbstverständliche Institution; bemerkenswert ist jedoch, daß er diese – entgegen ihrer juristischen Nichtigkeit – theologisch einer Ehe freier Partner gleichstellt. Demnach ist der – faktisch weit verbreitete – sexuelle Verkehr eines Herrn mit einer im contubernium lebenden Sklavin für ihn eine Befleckung nicht nur der Ehe des Herrn, sondern auch der der Sklavin.

Fazit: Kontinuitäten und Differenzen Angesichts des langen Untersuchungszeitraums ist es nicht selbstverständlich und daher bemerkenswert, daß die Sklavenfürsorge – je nach Quellengattung und Zeit natürlich in unterschiedlicher Intensität und mit anderer Akzentsetzung im Detail – durchweg eine Rolle spielt und sich hinsichtlich ihrer konkreten Formen klare Kontinuitäten von Homer bis zu den Kirchenvätern zeigen. Die Grundversorgung mit Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Pflege bei Krankheit wird in den normativen und fiktiven Quellen so auffallend oft nur beiläufig erwähnt, daß sie ganz offensichtlich gemeinhin als nicht weiter reflektierte Selbstverständlichkeit angesehen wurde – ein Befund, der in den zahlreichen einschlägigen Regelungen der Papyri und Digesten seine Bestätigung findet. Überhaupt galt die Herrenfamilie durchweg als eine Art soziales Netz, das dem Sklaven grundsätzlich sein Auskommen gewährleistete und ihm insofern ein sorgenfreieres Leben ermöglichte als den meisten Freien. Über die Grundversorgung hinausgehende Fürsorgemaßnahmen wie Ausbildung, Tolerierung von Sklavenfamilien, faktische Eigentums- und Geschäftsfähigkeit sowie Freilassung sind ebenfalls durchgehende Phänomene, die zudem eine Hierarchiebildung innerhalb der Sklavenschaft mit sich brachten. In Form von Belohnung und Strafe nutzen die Oikos- und Agrarschriftsteller das Prinzip von Privilegiengewährung bzw. -verweigerung ganz bewußt zur Steuerung der Sklavenschaft. Die Methoden zur Arbeitsmotivation und Überwachung werden im Laufe der Zeit immer ausgeklügelter und differenzierter, die Sklavenfürsorge wird immer stärker zum zentralen Führungsinstrument mit dem ausdrücklichen Ziel, durch Effizienz- und Rentabilitätssteigerung das Herrenvermögen zu

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mehren. Auch die Papyri und die römischen Juristen sehen die Sklavenfürsorge fast ausschließlich aus dem Blickwinkel finanzieller Interessen des Herrn bzw. Dritter. Trotz des grundsätzlich einhelligen Plädoyers für eine fürsorgliche Sklavenbehandlung sind sich die Quellen ebenso darin einig, daß Gewalt und Zwang durchaus nötig sein konnten. Waren Zucht und Ordnung anders nicht wiederherzustellen und erfolgte sie in angemessenem Umfang, so galt körperliche Züchtigung durchweg nicht nur als legitim, sondern sogar als dringend geboten. Dieses regelrechte Züchtigungsgebot betraf allerdings – das darf nicht übersehen werden – alle dem Hausvater untergeordneten Personen, also außer den Sklaven auch Ehefrau und Kinder. Der vorbildliche Sklavenherr war nach einhelliger Vorstellung einerseits fürsorglich, griff jedoch andererseits im Bedarfsfall streng durch. Dieses Ideal war wichtiger Teil des Selbstverständnisses der griechisch-römischen Oberschicht von Homer an. Anders formuliert: Während die Sklavenfürsorge für die breite Bevölkerung eine reine Notwendigkeit war, um Wert und Arbeitskraft des Sklaven zu erhalten, wurde in der Oberschicht die rein materielle um eine ethische Komponente ergänzt (nicht: ersetzt!). Die Sklavenbehandlung galt auf der Ebene des Individuums als Prüfstein für die Charakterfestigkeit, denn wer sich gegenüber seinen prinzipiell schutz- und rechtlosen Sklaven tadellos verhielt, legte damit einen Beweis seiner Tugendhaftigkeit ab. Auf der gesellschaftlichen Ebene diente die Vorstellung vom idealen dominus zum einen der gruppenidentifizierenden Abgrenzung gegenüber sozialen Aufsteigern, zum anderen der Bekämpfung gleichrangiger Rivalen. Doch war die grundsätzlich umfassende Macht des Herrn nicht nur normativen, sondern auch faktischen Beschränkungen unterworfen. Immer wieder – so konnten wir verschiedenen Quellen entnehmen – kam es im Alltag zu Konstellationen, in der die Herrengewalt nicht bzw. nicht in rentabler Weise umgesetzt werden konnte. Nicht zuletzt resultierte aus den sozialethischen Normen der Sklavenfürsorge – und hier zeigt sich erneut die letztlich pragmatische Stoßrichtung dieser Standesethik – eine Erwartungshaltung gegenüber den Sklaven: Diese hatten die Beachtung der Normen ihrem Herrn gefälligst durch Treue und Wohlgesinnung zu

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danken. Taten sie dies nicht, so reichten die möglichen Reaktionen des Herrn von menschlicher Enttäuschung (Lucilius bei Seneca) über relativ leichte Bestrafung (Oikos- und Agrarschriften) bis hin zur Exekution (Odysseus). Auffallend ist nun, daß die christlichen Quellen das tradierte Idealbild vom Sklavenherrn zwar grundsätzlich übernehmen, dieses jedoch überhaupt nicht mehr oder nur noch am Rande (Johannes Chrysostomus) als Teil einer Standesethik der Oberschicht sehen. Die Vorbildfunktion des Herrn innerhalb seiner familia war nun nämlich nicht gesellschaftlich, sondern primär theologisch verankert, da als völlig neuer Aspekt die Verantwortlichkeit eines jeden Menschen gegenüber Gott eingeführt wurde. Überhaupt brachte das Christentum für die Normen der Sklavenfürsorge einige völlig neue oder doch zumindest anders akzentuierte Positionen mit sich. Es ging von dem Grundsatz aus, daß alle Menschen – freie wie unfreie – Gott gegenüber gleichrangig und nach seinem Ebenbild geschaffen waren. Da zugleich jedoch die Welt- und Gesellschaftsordnung als gottgewollt interpretiert wurde, kam es nun gerade nicht zur Forderung nach Abschaffung der Sklaverei, im Gegenteil: Nicht nur wurde die Institution der Sklaverei zusätzlich legitimiert, sondern selbst der Freilassung wurde eine im Vergleich zu den vorchristlichen Quellen untergeordnete Rolle zugewiesen; einzig Gregor von Nyssa empfahl sie ausdrücklich als ein gottgefälliges Werk. Dennoch blieb das beschriebene christliche Menschenbild nicht ohne Folgen für das Verhältnis zwischen Herr und Sklave. Die überlieferte Struktur der familia übertrug das Christentum auf die Gemeinschaft der Gläubigen, Gott übernahm dabei die Rolle des pater familias bzw. des dominus, dem gegenüber sich jeder zu verantworten hatte. Jeden Christ, ob frei oder unfrei, hatte Gott in seinen sozialen Stand gesetzt und ihm damit bestimmte Rechten und Pflichten zugewiesen. Der in antiken Gesellschaften verbreitete Grundsatz, daß ein Herrscher einer umso stärkeren moralischen Fürsorgepflicht für die ihm untergebenen Menschen unterlag, je absoluter die ihm zugestandene Macht war,110 wurde vom Christentum dergestalt interpretiert, daß der von Gott verliehene Status des Sklavenherrn untrennbar mit einer Fürsorgeverpflichtung gegenüber den Sklaven verbunden war. Daraus er-

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gaben sich für die Frage der Sklavenfürsorge vollkommen neue, dem vorchristlichen Denken völlig fremde Aspekte. Erstens gab es nun mit Gott eine höhere und unabhängige Instanz, der gegenüber der Sklavenherr für sein Tun und Lassen umfassend verantwortlich war. Eine solche Instanz hatte eine ganz andere Qualität als die bisherigen sozial-ethischen Normen der Oberschicht, die zwar eine gegenseitige soziale Kontrolle beinhalteten, jedoch keine eigentliche Verantwortlichkeit des Sklavenherrn mit sich brachten. Zweitens dachte das Christentum die Sklavenfürsorge nicht mehr grundsätzlich vom Herrn aus, sondern nahm die Perspektive des Sklaven gleichberechtigt in den Blick. Zwar konnten wir vereinzelt beobachten, daß auch die nichtchristlichen Quellen von der Zentrierung auf die finanziellen und/oder ethischen Interessen des Herrn gelegentlich abwichen und den Sklaven nicht als reines Objekt, sondern als eigenständigen Menschen ansahen; und natürlich steckten in vielen Einzelfällen altruistische Motive hinter Fürsorgemaßnahmen eines Herrn– man denke nur an die Bereiche Bestattung und Freilassung sowie die Verkaufsklausel ne serva prostituatur – doch lag all diesem eben kein allgemeingültiges Prinzip zugrunde. Ganz anders hingegen das Christentum: So wenig es an der Sklaverei als sozialer und juristischer Institution rüttelte, so sehr baute es die Normen der Sklavenfürsorge auf eine prinzipielle Gleichrangigkeit von Herr und Sklave auf. Anders ausgedrückt: „So bleibt es äußerlich beim alten; innerlich aber ändert sich doch vieles: das Verhältnis von Herrn und Sklaven erlangt einen neuen sittlichen Inhalt, einen neuen religiösen Hintergrund. Milde des Herrn und Treue des Sklaven erscheinen im Heidentum als Ausfluß persönlicher Gutherzigkeit, bei den Christen gehören sie zum Prinzip.“ 111 Der Sklave hatte nun als Mensch ein theologisch begründetes Anrecht auf eine angemessene Versorgung und Behandlung, d.h. diese kamen ihm nicht nur aufgrund reiner Nützlichkeitsüberlegungen oder infolge der Sorge um die Herrenmoral zu. Folglich wurde sexuelle Gewalt gegen Sklavinnen nicht aus Sorge um die Herrentugend verurteilt, sondern aus Respekt vor der Gottesebenbildlichkeit der Sklavin selbst, ja noch mehr: Eine sexuelle Beziehung zwischen einem verheirateten Herrn und einer im contubernium

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lebenden Sklavin galt als zweifache Befleckung des Ehesakraments. Selbst in unvermuteten Zusammenhängen ist der Paradigmenwechsel des Christentums nachweisbar: Körperliche Züchtigung konnte aus christlicher Sicht durchaus primär im Interesse des betroffenen Sklaven (und nicht des Herrn) liegen, nämlich dann, wenn sie zur Rettung seines Seelenheils erfolgte! Drittens wurde die traditionelle Ethik des Herrschens, die den Sklaven lediglich als Objekt des Herrn betrachtete, erstmalig ergänzt um eine Ethik des Dienens; der Sklavenfürsorge seitens des Herrn wurde eine Pflicht zum Gehorchen und treuen Dienen seitens des Sklaven gegenübergestellt. Das Christentum nahm den Sklaven damit erstmals in der Antike grundsätzlich (und eben nicht nur punktuell-konkret) als selbständigen Menschen wahr und als eigenverantwortliches Subjekt ernst. Viertens führte das Christentum ein völlig neues FürsorgeElement ein: die Sorge für das Seelenheil. Der Herr war verpflichtet, sich um den rechten Glauben seiner Sklaven zu kümmern und Heidentum und Häresie zu bekämpfen. Vernachlässigte er diese Aufgabe, so versündigte er sich am Seelenheil der ihm anvertrauten Sklaven und wurde dafür von Gott zur Verantwortung gezogen. Auch war er zuständig für die religiöse Unterweisung seiner Sklaven, womit ihm – dies war ebenfalls ein doppeltes Novum – zum einen eine Bildungsverpflichtung gegenüber seinen Sklaven auferlegt wurde, die zum anderen den Sklaven selbst ins Zentrum stellte und nicht den Herrennutzen. Natürlich bedeuteten die neuen Positionen des Christentums nur einen Wandel auf der rein normativen Ebene und nicht in der alltäglichen Praxis, was auch die christlichen Quellen klar durchblicken lassen: Die häufigen indirekten oder ausdrücklichen Hinweise darauf, daß eine fürsorgliche Sklavenbehandlung neben dem Lohn im Jenseits bereits im irdischen Dasein durchaus materielle Vorteile mit sich brachte bzw. der Verstoß dagegen finanzielle Einbußen zur Folge hatte, zeugen deutlich davon, daß auch christliche Herren letztlich nur mit pragmatischen und eben nicht rein theologischen Argumenten zu überzeugen waren. Im Alltag hatte sich offensichtlich – das kann nicht erstaunen – keinerlei Wandel vollzogen. Dazu trug nicht zuletzt der Umstand bei, daß manche christlichen Normen

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in diametralem Gegensatz zu den Normen des römischen Rechts und der hergebrachten gesellschaftlichen Mentalität standen – man denke nur an die Aspekte Sklavenehe oder sexueller Kontakt des Herrn zu seinen Sklavinnen. Mit anderen Worten stellte das Christentum den bisherigen Einklang von Mentalität und Praxis der Gesellschaft mit dem römischen Recht in Frage mit der Folge, daß es in einigen Punkten zu einer eklatanten Diskrepanz zwischen der tradierten juristisch-weltlichen bzw. gesellschaftlich-weltlichen Position einerseits und der neuen theologisch-geistlichen Position andererseits kam.112 Diese klare Kluft zwischen Norm und Wirklichkeit ändert jedoch nichts an dem Befund, daß das Christentum sich hinsichtlich der Sklavenfürsorge trotz vielfältiger Übernahme traditioneller, teilweise seit Homer gültiger Positionen in einigen wesentlichen Punkten – wie wir sahen, nicht nur auf dem Feld der Sexualität 113 – gegen die althergebrachte Mentalität stellte: Nun standen eben nicht mehr allein der Herr und die Frage der Rentabilität im Zentrum der Betrachtungen, sondern auch die Interessen und Bedürfnisse des Sklaven. Anmerkungen 1

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Zum gesamten Kapitel s. grundsätzlich N. Fisher, Hybris, Status and Slavery, in: A. Powell (Hrsg.), The Greek World, London u.a. 1995, 4484, hier 49-55; H. Strasburger, Zum antiken Gesellschaftsideal (AHAW 1976.4), Heidelberg 1976, v.a. 23-38; J.A. Lencman, Die Sklaverei im mykenischen und homerischen Griechenland (Übersetzungen ausländischer Arbeiten zur antiken Sklaverei 1), Wiesbaden 1966, 243-301; G. Ramming, Die Dienerschaft in der Odyssee, Erlangen 1973, 67-130; G. Wickert-Micknat, Unfreiheit im Zeitalter der homerischen Epen (FAS 30), Wiesbaden 1983, v.a. 173-209. Hom. Od. 23,130-136. Hom. Od. 11,489-491. Hom. Od. 15,486-492. Hom. Od. 15,374-379. Hom. Od. 21,421-423. Hom. Od. 14,62. Hom. Od. 14,449-452. Hom. Od. 24,386-390. Hom. Od. 14,62-64; 14,449-452; 21,213-215.

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Hom. Od. 21,215-216. Hom. Od. 22,435-445; 22,457-477. Hom. Od. 19,498. Hom. Od. 18,321-325; 19,65-69; 19,89-92. Hom. Od. 22,474-477. Hom. Od. 16,108-109; 17,388-389; 18,414-417; 20,318-319; 20,322325. Hom. Od. 20,110-119. Hes. erg. 441-442; 502-503; 559-560; 607-608. Zum gesamten Kapitel s. grundsätzlich J. Andreau/R. Descat, Esclave en Grèce et à Rome, Paris 2006, 157-165; Fisher (s. Anm.1), 55-62; H. Klees, Herren und Sklaven. Die Sklaverei im oikonomischen und politischen Schrifttum der Griechen in klassischer Zeit (FAS 6), Wiesbaden 1975; H. Klees, Sklavenleben im klassischen Griechenland (FAS 30), Stuttgart 1998. Aischyl. Ag. 1042-1046. W.V. Harris, Restraining Rage. The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity, Cambridge (Mass.) u.a. 2001, v.a. 317-336; M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, Bd. 1, 5. Aufl., Göttingen 1978, 141-153. Iambl., vita Pyth. 197; vgl. Cic. rep. 1,59; Tusc. 4,78. Plat. nom. 776b-778a. – Dazu s. auch G.R. Morrow, Plato’s Law of Slavery in Its Relation to Greek Law, Urbana 1939 (ND New York 1976), v.a. 32-43. Zum Folgenden s. auch O. Gigon, Die Sklaverei bei Aristoteles, in: R. Stark u.a., La „Politique“ d’Aristote. Sept exposés et discussions (Entretiens sur l´antiquité classique 11), Genf 1965, 247-276. Aristot. pol. 1255b12-14; 1260b3-7; eth. Nic. 1161b5-6. Aristot. pol. 1278b32-37; 1279a17-21; eth. Nic. 1160b29-30. Aristot. pol. 1330a31-33. Zum Folgenden s. auch S.B. Pomeroy, Slavery in the Greek Domestic Economy in the Light of Xenophon’s „Oeconomicus“, in: Index 17, 1989, 11-18; G. Vogel, Die Ökonomik des Xenophon. Eine Vorarbeit für eine Geschichte der griechischen Ökonomik, Erlangen 1895, v.a. 5559. Dieser Gedanke zieht sich als roter Faden durch die gesamte Schrift; zusammenfassend findet er sich Xen. oik. 12,18-20. Xen. oik. 3,4. Xen. oik. 7,36-38; 7,41; 9,15. Xen. oik. 9,11-13. Xen. oik. 5,16.

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Gegen Klees, Herren (s. Anm.19), 96 und 135 sowie Klees, Sklavenleben (s. Anm.19), 315. Xen. oik. 9,4-5. Xen. oik. 21. Das Folgende bei Ps.-Aristot. oik. 1344a23-1344b21. – Dazu s. auch den umfangreichen Kommentar von R. Zoepffel (Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung, Band 10.2), Darmstadt 2006. Ps.-Aristot. oik. 1345a11-14. Ps.-Aristot. oik. 1345a24-32. Zum Folgenden s. auch Andreau/Descat (s. Anm.19), 140-145; L. Gernet, Aspects du droit athénien de l’esclavage, in: ders., Droit et société dans la Grèce ancienne, Paris 1955, 151-172, hier: 159-164; A.R.W. Harrison, The Law of Athens. The Family and Property, Oxford 1968, 171-177. R. Scholl, Corpus der ptolemäischen Sklaventexte (FAS Beihefte 1), 3 Teile, Stuttgart 1990. – Zum Folgenden s. auch I. Bieżuńska-Małowist, L’esclavage dans l’Égypte gréco-romaine 1: Période ptolémaïque (Archiwum Filologiczne 30), Breslau u.a. 1974; A.I. Pavlovskaja, Die Sklaverei im hellenistischen Ägypten, in: T.V. Blavatskaja/E.S. Golubcova/A.I. Pavlovskaja, Die Sklaverei in hellenistischen Staaten im 3.-1. Jh. v. Chr. Aus dem Russischen übersetzt von M. Bräuer-Pospelova, I. Neander, R. Pollach (Übersetzungen ausländischer Arbeiten zur antiken Sklaverei 3), Wiesbaden 1972, 171-275. Scholl, Corpus, Nr. 98-133. Scholl, Corpus, Nr. 116-118. Scholl, Corpus, Nr. 73. Scholl, Corpus, Nr. 14; 18-21; 26; 49. Scholl, Corpus, Nr. 91-92. Scholl, Corpus, Nr. 103; 119; 208. Scholl, Corpus, Nr. 15; 79; 225. Scholl, Corpus, Nr. 235. Hercher, Epistolographi Graeci, 605f., Nr. VI. – Dazu s. auch Klees, Herren (s. Anm.19), 140f. und die kommentierte Ausgabe von A. Städele, Die Briefe des Pythagoras und der Pythagoreer (Beiträge zur klassischen Philologie 115), Meisenheim 1980, 174-179 und 320-331. Zum gesamten Kapitel s. grundsätzlich S. Knoch, Sklavenfürsorge im Römischen Reich. Formen und Motive (Sklaverei – Knechtschaft – Zwangsarbeit 2), Hildesheim u.a. 2005; Strasburger (Anm.1), 51-96. E. Baltrusch, Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der römischen Republik und frühen Kaiserzeit (Vestigia 41), München 1988, 5-30; C. Fayer, La familia romana. Aspetti giuridici ed antiquari, Teil 1 (Problemi e ricerche di storia antica

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16), Rom 1994, 123-289; M. Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1 (Handbuch der Altertumswissenschaften 10.3.3.1), München 1971, 5083 und 341-352; J. Martin, Formen sozialer Kontrolle im republikanischen Rom, in: D. Cohen (Hrsg.), Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 49), München 2002, 155-172. O. Mauch, Der lateinische Begriff disciplina. Eine Wortuntersuchung, Freiburg i.d. Schweiz 1941, v.a. 46-79; V. Morel, Disciplina, in: RAC 3, 1957, Sp. 1213-1229. H. Grieser, Der Herr und seine Sklaven als Hausgemeinschaft. Das Konzept der familia im westlichen spätantiken und frühmittelalterlichen Christentum, in: A. Holzem u.a. (Hrsg.), Ehe – Familie – Verwandtschaft. Vergesellschaftung in Religion und sozialer Lebenswelt, Paderborn u.a. 2008, 125-143, hier 125. Petron. 27-78. Cic. Phil. 2,73; Pis. 67. Sen. epist. 94,1. Sen. benef. 3,21,2; tranqu. 8,8. U. Eigler, Familiariter cum servis vivere: Einige Überlegungen zu Inhalt und Hintergrund von Senecas Epistel 47, in: T. Baier u.a. (Hrsg.), Seneca: philosophus et magister (Rombach Wissenschaften. Reihe Paradeikmata 4), Freiburg i. Breisgau u.a. 2005, 63-79. Zum Folgenden s. auch N. Brockmeyer, Arbeitsorganisation und ökonomisches Denken in der Gutswirtschaft des römischen Reiches, Bochum 1968, 72-182; S. Diederich, Sklaverei bei den römischen Agrarschriftstellern, in: M.E. Kabadayi u.a. (Hrsg.), Unfreie Arbeit. Ökonomische und kulturgeschichtliche Perspektiven, (Sklaverei – Knechtschaft – Zwangsarbeit 3), Hildesheim u.a. 2007, 149-165; W. Kaltenstadler, Arbeitsorganisation und Führungssystem bei den römischen Agrarschriftstellern (Cato, Varro, Columella) (Quellen und Forschung zur Agrargeschichte 30), Stuttgart u.a. 1978. Cato agr. 25; 56-59; 104. Cato agr. 2,4; 5,1; 138. Cato agr. 134,2; 139; 141,3. Cato agr. 5,3; 83; 143,2. Cato agr. 2; 5,1-5; 142-143. Varro rust. 1,17,4-7; 1,19,3. arro rust. 2,1,26; 2,10,5-6. Varro rust. 1,13,1; 1,51,2. Varro rust. 1,17,2; 2,10,10; 3,17,8. Varro rust. 1,18,2. Colum. 1, praef., 12; 1,7,5; 1,8,1-14; 11,1,3-31. Colum. 1,1,18-20; 1,2,1; 1,7,5-7; 1,8,16-18.

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Colum. 1,8,9; 11,1,19; 11,1,21. Colum. 1,6,3; 1,6,20; 12,3,8. Colum. 11,1,18; 12,1,6; 12,3,7. Colum. 1,7,4-5. Colum. 1,8,5; 1,8,19; 11,1,19. Colum. 1,8,13; 11,1,24. Colum. 1,3,3-4; 1,6,8; 1,6,19; 1,8,15; 1,9,1-6; 4,17,8; 4,18,2; 4,24,21; 11,1,7; 12,2,2. R. Gamauf, Zur Frage „Sklaverei und Humanität“ anhand von Quellen des römischen Rechts, in: H. Bellen u.a. (Hrsg.), Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Akademie 1950-2000 (FAS 35), Stuttgart 2001, 51-72. Nießbraucher: Dig. 7,1,15,1-3 (Ulpian); 7,1,17,1 (Ulpian); 7,1,66pr. (Paulus); 7,4,12,1 (Ulpian); Mieter: Dig. 13,6,5,7 (Ulpian); 13,6,18pr. (Gaius); 19,2,43pr. (Paulus); Pfandnehmer: 9,2,18pr. (Paulus); 3,7,24,3 (Ulpian); sonstiger Dritter: Dig. 1,18,21pr. (Paulus); 6,1,36,1 (Gaius); 9,2,9,2 (Ulpian); 16,3,1,9-10 (Ulpian); 19,1,54pr. (Labeo); 21,1,31,1113 (Ulpian); 21,1,48pr. (Pomponius); 30,108,11 (Africanus); 47,1,2,5 (Ulpian); 47,10,1,3 (Ulpian); 47,10,9,4 (Ulpian); 47,10,25pr. (Ulpian). Dig. 7,1,17,1 (Ulpian); 20,1,27 pr. (Marcellus). Dig. 7,1,23,1 (Ulpian); 9,2,5,3 (Ulpian); 9,2,6pr. (Paulus); 13,7,24,3 (Ulpian); 20,1,27pr. (Marcellus); 30,53,3 (Ulpian); 47,10,15,38-39 (Ulpian). Dig. 21,1,21,3 (Ulpian); 21,1,23 pr. (Ulpian); 21,1,25pr.-6 (Ulpian); 21,1,54pr. (Papinian); 22,3,4pr. (Paulus). Dig. 2,14,50pr. (Ulpian). Dig. 33,9,3pr. (Ulpian). Dig. 32,99pr. (Paulus); 33,7,12,5 (Ulpian). Dig. 3,5,9,1 (Ulpian); 5,3,5pr. (Ulpian); 13,6,18,2 (Gaius); 13,7,8pr. (Pomponius); 15,3,3,1 (Ulpian); 15,3,3,3 (Ulpian); 15,3,3,7 (Ulpian); 15,3,3,10 (Ulpian); 15,3,18pr. (Neratius); 15,3,20pr. (Scaevola); 15,3,21pr. (Scaevola); 25,1,3pr. (Ulpian); 25,1,15pr. (Neratius); 40,7,15pr. (Africanus); 42,5,9,3 (Ulpian). Dig. 3,5,9,1 (Ulpian); 7,1,45pr. (Gaius); 13,6,18,2 (Gaius); 13,7,8pr. (Pomponius); 16,3,23pr. (Modestinus); 19,1,13,22 (Ulpian); 21,1,29,3 (Ulpian); 21,1,30,1 (Paulus); 24,3,7,16 (Ulpian); 25,1,12pr. (Paulus); 25,1,15 pr. (Neratius); 42,5,9,3-5 (Ulpian); 47,2,54,4 (Paulus). Dig. 6,1,29pr. (Pomponius); 6,1,31pr. (Paulus); 17,1,26,8 (Paulus); 18,1,43pr. (Florentinus); 19,5,13,1 (Ulpian). – Dazu s. auch R. Gamauf, Kindersklaven in klassischen römischen Rechtsquellen, in: H. Heinen (Hrsg.), Kindersklaven – Sklavenkinder. Schicksale zwischen Zuneigung und Ausbeutung in der Antike und im interkulturellen Vergleich (FAS 39), Stuttgart 2012, 231-260, hier 235-245.

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Zum Folgenden s. auch Andreau/Descat (s. Anm.19), 133-140; J.J. Brinkhof, Een studie over het peculium in het klassieke Romeinse recht, Nimwegen 1978; A. Kirschenbaum, Sons, Slaves and Freedmen in Roman Commerce, Jerusalem u.a. 1987, v.a. 31-47; I. Zeber, A Study of the Peculium of a Slave in Pre-Classical and Classical Roman Law (Acta Universitatis Wratislaviensis 491), Breslau 1981. Dig. 12,6,64pr. (Tryphonin); 33,8,6,4 (Ulpian); 35,1,40,3 (Javolen). Dig. 15,1,7,6 (Ulpian); 15,1,11,2 (Ulpian); 15,1,32pr. (Ulpian); 15,1,39pr. (Florentin); 15,1,47,6 (Paulus); 33,8,6,4 (Ulpian). Dig. 11,7,31,1-2 (Ulpian); 19,1,13,22 (Ulpian). K. Hasegawa, The Familia Urbana During the Early Empire. A Study of Columbaria Inscriptions (BAR. International series 1440), Oxford 2005; S. Treggiari, Family Life Among the Staff of the Volusii, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 105, 1975, 393-401. Dig. 32,37,7 (Scaevola); 32,41,2 (Scaevola); 34,1,20pr. (Scaevola); 35,1,81pr. (Paulus); 36,1,11,2 (Ulpian); 36,3,18pr. (Scaevola); 40,7,31,1 (Gaius). T.A.J. McGinn, Prostitution, Sexuality, and the Law in Ancient Rome, New York u.a. 1998, 288-319; A. Sicari, Prostituzione e tutela giuridica della schiava. Un problema di politica legislativa nell’impero romano, Bari 1991. Zum Folgenden s. J.A. Glancy, Slavery in Early Christianity, Oxford u.a. 2002, 139-152; Grieser (s. Anm.54), 132-135; H. Gülzow, Christentum und Sklaverei in den ersten drei Jahrhunderten, Bonn 1969, 57-76; G. Kontoulis, Zum Problem der Sklaverei (duleia) bei den kappadokischen Kirchenvätern und Johannes Chrysostomus (Habelts Dissertationsdrucke. Reihe Alte Geschichte 38), Bonn 1993, 30-47; F. Laub, Die Begegnung des frühen Christentums mit der antiken Sklaverei (Stuttgarter Bibelstudien 107), Stuttgart 1982, 83-96. Diesen ganz wesentlichen Unterschied übersieht J.A. Harrill, Slaves in the New Testament. Literary, Social, and Moral Dimensions, Minneapolis 2006, 85-117, wenn er die Gedanken der Haustafeln als reine Adaption vorchristlicher Agrarhandbücher interpretiert. H. Grieser, Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien (5.-7. Jh.). Das Zeugnis der christlichen Quellen (FAS 38), Stuttgart 1997, 97-99; W. Jaeger, Die Sklaverei bei Johannes Chrysostomus, Kiel 1974, 93-95; R. Klein, Die Sklaverei in der Sicht der Bischöfe Ambrosius und Augustinus (FAS 20), Stuttgart 1988, 157 und 166. G. Corcoran, Saint Augustine on Slavery (Studia ephemeridis Augustinianum 22), Rom 1985, 22; Jaeger (s. Anm.100), 27; Klein (s. Anm.100), 206f.; R. Klein, Die Haltung der kappadokischen Bischöfe

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Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa zur Sklaverei (FAS 32), Stuttgart 2000, 71 und 172. Klein (s. Anm.100), 25f. und 32-38. Zum Folgenden s. Corcoran (s. Anm.101), 31-48; Klein (s. Anm.100), 107-109, 178-192 und 204; B.D. Shaw, The Family in Late Antiquity: The Experience of Augustine, in: Past & Present 115, 1987, 1-51, hier 10-18. Zum Folgenden s. Klein (s. Anm.101), 91f.; Kontoulis (s. Anm.98), 163. Grieser (s. Anm.100), 61f. um Folgenden s. Klein (s. Anm.101), 159-165 und 170f.; Kontoulis (s. Anm.98), 271-274 und 278-282. Zum Folgenden s. Klein (s. Anm.101), 205-215, 238-241 und 251-253; Kontoulis (s. Anm.98), 229-238; R. Moriarty, Human Owners, Human Slaves: Gregory of Nyssa, Hom. Eccl. 4, in: Studia Patristica 27, 1993, 62-69. Grieser (s. Anm.100), 147-150. Zum Folgenden s. Jaeger (s. Anm.100), 49-55, 89-106 und 120-132; Kontoulis (s. Anm.98), 320-324 und 332-355. H. Bolkestein, Wohltätigkeit und Armenpflege im vorchristlichen Altertum. Ein Beitrag zum Problem von Moral und Gesellschaft, Utrecht 1939 (ND Groningen 1967), 444ff.; Strasburger (s. Anm.1), 57f. und 118-123. E. von Dobschütz, Sklaverei und Christentum, in: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche 18, 1906, 423-433, hier 428. Dazu s. auch K. Harper, Slavery in the Late Roman World, AD 275-425, Cambridge u.a. 2011, 281-325. Gegen Harper (s. Anm.112), 507.

IV. Das Ende der antiken Sklaverei? Gerhard Kehnscherper: Das Verhältnis der jungen byzantinischen Staatskirche und der römischen Kirche zur Sklaverei, aus: G. Kehnscherper, Die Stellung der Bibel und der alten christlichen Kirche zur Sklaverei, 160–181, Halle © 1957 Max Niemeyer Verlag

Gerhard Kehnscherper

Das Verhältnis der jungen byzantinischen Staatskirche und der römischen Kirche zur Sklaverei Der dritte Abschnitt in der Entwicklung des kirchlichen Verhältnisses zur Sklaverei ist von der Art, daß innerhalb der Staatskirche des Byzantinischen Reiches und auch innerhalb der römischen Kirche augustinischer Prägung die Institution der Sklaverei als eine göttliche Schöpfungsordnung moralisch begründet und theologisch gerechtfertigt wurde. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als die Sklaverei innerhalb der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen durch Selbstauflösung vor allem aus wirtschaftlichen Gründen dem Ende nahe war. In den schnell verweltlichenden Kirchen des Oströmischen Reiches und des Westens wurde das Christentum mißbraucht, um die bestehende Vorrangstellung der herrschenden Kreise und ihren Besitzstand auf jedwede Weise zu mehren, zu festigen und zu sichern. Weil diese kirchliche Haltung in den Jahrhunderten des frühen Mittelalters in weitestem Maße die Öffentlichkeit bestimmte und das gesamte Leben gestaltete, kam es gerade in der Sklavenfrage zu einem tiefen Sündenfall der Kirche. Zur Überwindung der Sklaverei wurde infolge eines primitiven Geschichtsverständnisses innerhalb der Kirche von dieser Kirche selbst nichts mehr getan. Die Überwindung der Sklaverei wurde durch andere, weltliche Kräfte herbeigeführt. […] Vergegenwärtigen wir uns nochmals die einzelnen Abschnitte in der Rechtsauffassung gegenüber Sklaven, wie sie sich im römischen Recht und in der staatlichen Gesetzgebung widerspiegeln:

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a) Das ius civile der alten Zeit war vollkommen konsequent gewesen in der Verneinung jedes Rechtes für Sklaven. Ein Sklave besaß keine persönlichen Rechte und er besaß erst recht keine öffentlichen Rechte; er galt als ‚nicht existierend‘, und sein Zeugnis wurde durch die Folter erzwungen, bzw. beglaubigt. Er besaß vor Gericht keine Verwandtschaft und entbehrte der Fähigkeit zur Ehe. Er konnte weder Vermögen besitzen noch Forderungen stellen. Es wurde die Behauptung der völligen Rechtlosigkeit eines Sklaven und seine Gleichsetzung mit dem Werkzeug oder dem Vieh nur in dem Augenblick auf den Kopf gestellt, wo ein Sklave straffällig wurde, was er nach der bisherigen Definition gar nicht hätte werden können. Die Bestrafung eines straffällig gewordenen Sklaven erfolgte dann erbarmungslos grausam; und vom ‚Sklavenvieh‘ wurde hier mehr verlangt, als von einer freien, menschlichen Persönlichkeit. b) In der fortschreitenden kulturellen Entwicklung wurde durch die Dichter, die Philosophen und besonders durch die Stoa das ius naturale herausgestellt. Das Naturrecht sprach allen Menschen, also auch den Sklaven "Persönlichkeit" zu und bestritt im Prinzip die Berechtigung der Sklaverei. Aber die stoische Philosophie erleichterte das Los der Sklaven nur innerhalb der häuslichen Ordnungen, deren Herren sich zur Stoa bekannten. Sie übte wohl auch in der Kaiserzeit auf die staatliche Gesetzgebung einen gewissen Einfluß aus. Direkt aber hat sie zur Beseitigung dieser fluchwürdigen und von ihr moralisch verabscheuten Institution dennoch nichts getan. c) Die Kaiserzeit begann damit, wenigstens vor Gericht (noch lange nicht in der alltäglichen, brutal verschleierten Praxis) den Sklaven ein gewisses Recht zuzuerkennen. Unter besonderen Umständen gestand die Gesetzgebung den Sklaven sogar die Möglichkeit und das Recht auf Freilassung durch Emanzipation (die vom Sklaven ausging) oder auf Manumission (die vom Herren veranlaßt wurde) zu. Folgende Daten wären hier zu nennen: Bereits unter Kaiser Augustus wird den Herren die Befugnis genommen, Sklaven zum Tierkampf in der Arena oder zum Gladiatorenberuf zu zwingen. In Rom stand die Entscheidung darüber den Stadtpräfekten, in den Provinzen den kaiserlichen Statthaltern zu. Augustus erleichterte die Rechtlosigkeit der Sklaven auch dadurch, daß dieselben Behörden Beschwerden von Sklaven über Grausamkeiten und Willkürakte ihrer Herren anhören mußten. Kaiser Claudius erklärte durch einen Erlaß jeden Sklaven für frei, den sein

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Herr ausgesetzt hatte, wenn er durch Krankheit oder Alter dienstunfähig geworden war. Die von der Stoa beeinflußten Kaiser des 2. Jahrhunderts machten sich um den Rechtsschutz der Sklaven besonders verdient. Man darf dabei aber nicht übersehen, daß sie keineswegs immer von menschlichen Gesichtspunkten geleitet wurden: sondern da schwere Wirtschaftskrisen die römische Gesellschaft erschütterten, schien es ihnen von einiger Wichtigkeit, das unruhige und feindselige Sklavenelement versöhnlicher zu stimmen. Kaiser Hadrian verbot den Verkauf von Sklaven zu schändlichem oder verbrecherischem Gewerbe; er bestrafte willkürliche Mißhandlungen; er entzog den Herren das Recht. Sklaven willkürlich zu töten. Kaiser Antoninus Pius übertrug Präfekten und Statthaltern die Befugnis, Sklaven auf deren begründete Beschwerde hin an andere Herren zu verkaufen. Ferner durften Sklaven, welche im Heiligtum irgendeiner Gottheit um Asylrecht nachgesucht hatten, nicht wieder an ihre Herren ausgeliefert werden. Auch Kaiser Marc Aurel verbot selbst den Verkauf solcher Sklaven an Gladiatorenschulen, die verbrecherisch geworden waren. Kaiser Septimius Severus bestrafte seit dem Jahre 208 die Mißhandlung von Sklaven mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Die Herren wurden verpflichtet, Sklaven nur zu solchen Arbeiten zu verwenden, für die sie erworben waren. Somit durften gebildete Sklaven nicht mehr zu primitiver Handarbeit verwendet werden. Was Hadrian bereits angeregt hatte, das wurde jetzt die Regel: Zeugnisse von Sklaven vor Gericht sollten auch ohne Anwendung der Folter gelten. Besonders wesentlich war die Bestimmung, daß ein Familienrecht der Sklaven anerkannt wurde, indem Verwandtschaften geachtet, Familienbande nicht zerrissen und Mann und Frau nicht von ihren Kindern getrennt werden sollten. Auch konnten Sklaven sich mit Hilfe von Ersparnissen freikaufen. Staatssklaven durften sogar über die Hälfte ihres Vermögens testamentarisch verfügen. Menschenraub zum Zwecke der Sklaverei wurde fortan schwer bestraft. Kaiser Konstantin stellte die absichtliche Tötung eines Sklaven dem Morde gleich (was nur nicht bei der Umbringung seiner Gemahlin mitsamt ihren Sklavinnen im überheizten Bade galt). […]

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Neben diesen gesetzlichen Maßnahmen gehen Bestrebungen einher, Sklaven die Freilassung durch Emanzipation zu erleichtern. Durch gesetzliche Bestimmungen wurde das peculium1 dem Zugriff der Herren im Todesfall oder beim Verkauf von Sklaven an andere Herren entzogen, so daß den Sklavenkindern zugute kam, was der Vater oder Großvater zum Zwecke der erstrebten Freikaufung gespart hatte. Die Rechte der Freigelassenen wurden zudem immer mehr erweitert. Aus besonderen Anlässen (Testamentsbestimmungen, Amnestien und Zweckmäßigkeitsverordnungen der Cäsaren) wurden Scharen von Sklaven freigelassen; und im Jahre 212 verlieh Caracalla allen Freien das römische Bürgerrecht. Nicht unwichtig ist in diesem Zusammenhang das erste Edikt des Kaisers Diokletian gegen die Christen vom 23. Februar 303. Außer dem Befehl zur Zerstörung von christlichen Kirchen und zur Auslieferung, bzw. Verbrennung von heiligen Schriften ordnete es für die christlichen Herren den Verlust von Rang und Standesrechten und für christliche Sklaven den Verlust des Rechtes auf Freilassung an. Diese gesetzlichen Maßnahmen lassen erkennen, daß die Sklaverei im Stadium der Auflösung begriffen war, so daß Overbeck nicht ganz zu Unrecht die Behauptung aufstellen konnte, diese Gesetze seien nicht aus Gründen der Humanität, sondern vielmehr aus Gründen der Staatssicherheit beschlossen worden. Denn im 2. Jahrhundert und besonders im 3. Jahrhundert wird das Römische Reich von schweren Krisen aller Art heimgesucht, und eine korrupte Beamtenbürokratie tat alles, um die Auflösung aller Lebensordnungen zu beschleunigen. […] Durch die Anerkennung der christlichen Kirche als Staatskirche wurden sehr bald viele Christen recht vermögend, und mit der Übernahme und bald auch erfolgten Beanspruchung von Macht, Ehre und Besitz wurde die Kirche selbst ohne besondere Bedenken Besitzerin von vielen Sklaven und sanktionierte damit die gesamte Sklavengesetzgebung im Römischen Reich, wobei nicht vergessen werden darf, daß die erwähnten Erleichterungen gerade die äußersten Unmenschlichkeiten beseitigt hatten. Warum tat die Kirche jetzt nichts, um eine Einrichtung zu beseitigen, welche ihre verderbliche Macht so reichlich bewiesen und den Zorn aller Edeldenkenden heraufbeschworen hatte? Warum

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führte die Kirche jetzt nicht eine neue Gesellschaftsordnung herbei? An Macht hat es der Staatskirche damals nicht gefehlt. […] Alles, was Rechtswissenschaft und Gesetzgebung für die Lockerung der Fesseln der Sklaverei in den drei auf Konstantin folgenden Jahrhunderten im Bunde mit der Staatskirche getan haben, hält keinen Vergleich aus mit dem, was in dieser Beziehung in den drei vorhergehenden, noch heidnischen Jahrhunderten geschehen war. Was aus dieser Zeit besonders ins Auge fällt, ist lediglich die Tatsache, daß die Kirche besonders in Erscheinung trat bei der Freilassung von Sklaven. Die Manumission erfolgte in kirchlicher Form durch einen gottesdienstlichen Akt. Ausdrücklich wurde der Kirche der Vollzug der Freilassung von Sklaven am Sonntag gestattet, und die kirchliche Form der Freilassung erhielt rechtlichen Charakter. Durch diese Bestimmung wurde das Amt der Barmherzigkeit der Kirche besonders herausgestellt.2 Uns erscheint die Haltung der Kirche gerade durch diese kirchlichen Freilassungen, die rechtlichen Charakter bekamen, gefährlich zwiespältig: es wurde in der Öffentlichkeit der Anschein von einer Haltung der Kirche erweckt, die sie ganz und gar nicht einzunehmen willens war! Sodann wurden durch Konstantin im Osten und durch Honorius im Westen Gladiatorenspiele gesetzlich verboten. Schließlich ist zu erwähnen, daß alle Standesunterschiede zwischen Freien und Freigelassenen unter Kaiser Justinian beseitigt wurden. Weitere Schutzmaßnahmen oder Er1eichterung wären aber wohl kaum zu nennen. Andererseits sah die Kirche ebenso wie die Politiker in den großzügigen Freilassungen von Sklaven durch einige Cäsaren eine bedenkliche Verfallserscheinung; wie es denn ja auch in der Tat nicht gelungen war, lediglich durch Sklavenfreilassungen das soziale Problem, soweit es Arbeit und Verdienst betraf, und die wirtschaftlichen Probleme, welche den Staat betrafen, zu lösen. Ob größere Freilassungen von Sklaven stattfanden oder nicht, Sklavenaufstände bedrohten fortgesetzt das Reich, nahmen oftmals bedenkliche Ausmaße an, und eine fortgesetzt sich steigernde Aufsässigkeit der Sklaven wie eine ebenso gefährliche Unzufriedenheit des Freigelassenen gehörten zu den Alltäglichkeiten in dem berstenden Imperium. Hier war es nun die christliche Kirche, die zusammenhielt, was aus den Fugen zu gehen drohte. Und in ihrer Predigt, welche damals als eine neue Methode der Massenlenkung noch einen sehr großen

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Einfluß auf die Gemüter ausübte, schenkte sie dem kranken Staate große, sittliche Kräfte. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Bischof Chrysostomos von Konstantinopel durch sehr mutige3 Predigten die Freien als ‚Sklaven ihrer Leidenschaften‘ bezeichnete.4 Er verlangte von christlichen Herren Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Liebe gegen die Sklaven, und er kam dabei zu der vieldeutigen Schlußfolgerung: "Versagt der Herr diesen Dienst, dann zwingt kein Gesetz den Sklaven mehr, Sklave zu sein." Er betrachtete das Verhältnis der Sklaven zu ihren Herren als einen Familienbund und forderte die Herren auf, ihre Sklaven einen Beruf erlernen zu lassen und sie dann freizulassen! Aber solche Predigten änderten nichts an der Institution der Sklaverei, welche durchaus auch weiterhin die Anerkennung der Kirche erfuhr. Sie änderten nichts an der staatlichen Gesetzgebung, die nur auf die Gewinnmehrung. und Wahrung des Vermögens der Herren zugeschnitten war. Es liegt auf der Linie, welche der jungen Staatskirche recht bald zufiel, wenn sie fortan alles bekämpfte, was sie als Verfallserscheinung innerhalb der Schöpfungsordnung Gottes ansah; sie hielt aber den Staat für die unmittelbare Schöpfung Gottes. […] Der Fall Roms war das Ergebnis des Zerfalls der römischen Sklavenhaltergesellschaft.5 Es war Schuld und Tragik zugleich, daß die christliche Kirche, welche ihrem Gott den Anbruch einer neuen Geschichtsepoche, eine neue Kultur der Barbaren und neue Staatenbildungen neben dem Römischen Staat nicht zutraute, sondern mit dem Erscheinen der Germanen den Untergang der Welt und den Aufstand der Hölle gekommen wähnte, nun die Sklaverei verteidigte, um den Untergang aufzuhalten. […] So sahen erst recht die römischen Häupter der katholischen Kirche in Roms Fall den Untergang der Schöpfung Gottes und in dem Ansturm der Germanen das Ende aller Kultur. Daß diese Germanen von Sklaven und unterdrückten Völkern begeistert begrüßt wurden, wo doch der römische Staat vorgab, die Menschheit vor den Barbaren beschützen zu wollen, das läßt die reaktionäre, sklavenfeindliche Haltung der Kirche vielleicht etwas begreiflicher erscheinen. Sie wähnte, Gottes Schöpfung gegen den Satan verteidigen zu müssen. So kam es zu dieser tragischen Verkehrung, daß die christliche Kirche an der sich selbst auflösenden, unheilvollen

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Institution der Sklaverei festhielt wie an einem Heiligtum! Daher wurde die Gesetzgebung gegen die Sklaven mit Duldung und Unterstützung der Staatskirche grausamer, als sie in heidnischer Zeit gewesen war. […] So wurde das Asylrecht für Sklaven in einem christlichen Gotteshause erst beschränkt und dann aufgehoben6. Was griechisches und römisches Heidentum dem Sklaven in seiner äußersten Bedrängnis nicht versagt hatte, das versagte ihm die christliche Staatskirche auf kaiserlichen Befehl hin. […] Die Donauprovinzen waren durch die Latifundienbesitzer zu Gebieten verwandelt worden, in denen der freie Bauernstand planmäßig vernichtet worden war. Brutale Steuereinzieher hatten die freie Bevölkerung in Stadt und Land verelendet, zum Militärdienst gepreßt und die Mehrzahl der Gewerbetreibenden zu Bettlern gemacht. Als die germanischen ‚coloni‘ nun auf verschiedene Weise in diesen Verelendungsprozeß hineingezogen wurden, kam der Aufstand. Er nahm deshalb so unheimliche Maße an, weil die Riesenhaufen der verelendeten Sklaven in den ‚Barbaren‘ ihre Befreier sahen und ihnen zuliefen. Auch die Desertationen im Heere nahmen einen derartigen Umfang an, daß sich Kaiser Theodosius I. gezwungen sah, scharfe Maßnahmen zu ergreifen, um die Disziplin der gegen die Aufständischen und Sklaven kämpfenden Truppen zu sichern. In den Jahren 379-389 erließ er Gesetze, die den Pächtern (actores) und Verwaltern (procuratores) der Güter Verbrennung bei lebendigem Leibe für das Verstecken von Deserteuren androhten (Cod. Theod. 7,18,2). […] Konstantin ordnete an, daß die Flucht eines Sklaven erneut auf das härteste bestraft würde.7 Ehen oder Geschlechtsverkehr zwischen Freien und Sklaven wurden unmenschlich grausam geahndet.8 Alle auf das Christentum begründeten Emanzipationsforderungen wurden in den christlichen Predigten jener Jahrhunderte schroff zurückgewiesen. Eine Synode von Gangra in Pamphylien beschloß im Jahre 360 ein Verdammungsurteil über jeden, der aus Gründen, der Religion (προφάσει θεοσεβείας), Sklaven von ihren Herren abwendig machen würde (Conc. Gangr. can. 3, Bruns I, 107). Indem die Kirche aber die im Staate bestehende Sklaverei anerkannte, rechtfertigte sie in stillschweigender Selbstverständlichkeit auch solche Dinge, daß z. B. der Herr nach geltendem Recht immer noch befugt war, seinen Sklaven körperlich beliebig zu züchtigen.

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Ebenso wurden die unmenschlich-grausamen Leibesstrafen durch Gliederverstümmelung bei bestimmten Delikten gerechtfertigt. Ausgesetzte Kinder durften zu Sklaven gemacht werden (C.Th. 5,7,1 und 5,8,1). Bis zu Diokletian war der Verkauf von Kindern durch den eigenen Vater erlaubt gewesen; Diokletian hatte ein Verbot erlassen (C.I. 4,43,1). Auch diese Bestimmung wurde wieder aufgehoben. Bei der zunehmenden Verknappung von Sklaven wurde die Aufhebung dieser Bestimmungen, zumal jener über die Versklavung ausgesetzter Kinder, für gewissenlose Händler eine ergiebige Quelle für neue Sklaven. Gerade als die Kirche über Verfolgungen und jede Behinderung in ihrer Kultausübung triumphieren konnte, da sie ihre öffentliche Anerkennung erreicht hatte, wurde die Lage der Sklaven verschlechtert und sogar diese neue Quelle von Sklaven sanktioniert. Wenn die Macht der Kirche bereits vor ihrer Anerkennung so groß war, hätte sie da als Staatskirche nicht um so mehr im Namen Jesu Christi gegen eine so qualvoll und ungerechte Institution vorgehen müssen? Aber gerade durch solche Zeugnisse wird es deutlich, daß die marxistische Geschichtstheorie richtig ist, derzufolge die Entwicklung der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse sich nach eigenen Gesetzen vollzieht. Wohl wurzeln Auftrag und Wesen des Christentums im Religiösen; hier sah die Kirche ihre Sendung. Aber sie war dabei so sehr ein Kind ihrer Zeit und eingebettet in die bestehenden, wirtschaftlichen Verhältnisse und gesellschaftlichen Ordnungen, daß sie das Sklavenwesen gar nicht als sittliches Problem, erst recht nicht als Unrecht empfand, sondern gerade als Staatskirche durch die Verteidigung dieser Institution die göttliche Schöpfungsordnung zu erhalten wähnte. Es ist daher auch eine müßige Behauptung, und man wird, wenn man sie ausspricht, den damaligen Verhältnissen nicht ganz gerecht, von einem Versagen des Christentums in der Sklavenfrage zu sprechen. […] Von den Propheten her hätte die Kirche aber um die sozialen Probleme wissen müssen, wenn ihr eine wissenschaftliche Geschichtserkenntnis auch noch verborgen bleiben mußte. Vom Evangelium her hätte die Kirche sich nicht dazu hergeben dürfen, in der Verteidigung des römischen Kulturerbes ihren göttlichen Auftrag zu erblicken. Sie verleugnete den Gott, den sie verkündigen sollte,

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als sie ihm gleichzeitig nicht zutraute, daß er auch durch die ‚Barbaren‘, also durch die Germanen, seine großen Taten tun und Neues schaffen würde. Der Kirche war durch die Wirksamkeit der Propheten ein Maßstab gegeben, um alle Erscheinungen, auch wirtschaftliche Institutionen wie die Sklaverei, richtig zu beurteilen. Es war das radikale ‚Nein!‘ Gottes zur Sklaverei längst gesprochen; es war ergänzt worden durch die Botschaft Jesu, daß alle Menschen Brüder sind. So durfte die Kirche nicht den falschen Respekt vor der letztlich heidnischen Gesetzgebung eines Staates haben; sie durfte nicht die bestehenden Eigentumsverhältnisse als ‚gottgewollt‘ ansehen. – Hier besteht eine Gesamtschuld, die nicht unausgesprochen bleiben darf. Die Sklaverei wurde schließlich doch abgeschafft; sie wurde durch die wirtschaftliche Entwicklung und mit Hilfe weltlichhumaner Gesichtspunkte überwunden. Dieser Erfolg muß die Kirche um so mehr beschämen, als sie von ihrer Lehre her, daß alle Menschen Gottes Geschöpfe und untereinander Brüder seien, vom ersten Augenblick an die Sklaverei als eine Todsünde hätte bekämpfen müssen. Die Propheten und Jesus hatten deutlich genug gesprochen. Aber einmal lähmte eine falsche Geschichtsauffassung das Verantwortungsbewußtsein in der Kirche, wie sie auch eine rechte Erkenntnis der Dinge behinderte. Als dann sehr bald die römische Aristokratie im Namen Christi für die bestehenden Verhältnisse, insbesondere für die althergebrachten Besitzverhältnisse optiert hatte, war es um das Evangelium geschehen. Nicht das Christentum hat versagt; sondern durch diese unheilvolle Synthese mit dem altrömischen Erbe wurde das Evangelium verraten. […] Es darf aber nicht übersehen werden, daß dieser Umschmelzungsprozeß sich innerhalb der Byzantinischen Staatskirche abspielte, die äußerlich machtvoll dastand und bereit war, die Ehre Gottes mit dem Schwert zu verteidigen. Hätte die werdende Kirche nun mit der ganzen ihr zu Gebote stehenden Autorität die Sklaverei bekämpft und unter Ausnutzung ihres großen Einflusses auf die Massen, späterhin auch auf den Staat und die Kaiser, die Auflösung der Sklaverei vorangetrieben und den erlassenen weltlich-humanen Gesetzen durch sittliche Forderungen und religiöse Weihe um so größeren Nachdruck verliehen, dann hätte sie wohl das getan, was Jesus von Nazareth wollte, als er das große Gnadenjahr zur Sklaven-

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befreiung auf Grund der alten, prophetischen Forderungen ausgerufen hatte. Aber nun war die Kirche in ein rückschrittliches Verhalten geraten, weil sie Gottes Walten in der Geschichte nicht erkannt hatte. So war das Ende dieser Entwicklung im Osten nicht gut. Die Sklaverei blieb als die Geißel der Völker und Menschen im Byzantinischen Reiche mit Duldung der Kirche bestehen. […] Da der Westen des Imperiums sehr bald Kampfplatz und Siegesbeute der germanischen Völker wurde, die auf den Trümmern des Römischen Reiches ihre nationalen Königtümer errichteten, vollzog sich hier die Entwicklung wesentlich anders als innerhalb der Byzantinischen Staatskirche. Jedoch gehört auch diese Entwicklung eindeutig zu der genannten dritten Phase, während der die Kirche die sich bereits auflösende Institution der Sklaverei unter gänzlicher Preisgabe der ursprünglichen Botschaft und Forderung Jesu als eine Schöpfungsordnung verteidigte und theologisch rechtfertigte. […] Hatte sich nun das werdende Papsttum bereits während der ersten großen Erschütterungen des Reiches als Hüterin römischer Kultur und römischen Geistes und als Wahrerin des national-konservativen Römertums gefühlt9, wie Augustin es mit restaurativen Tendenzen maßgeblich bestimmt hatte, so übernahm die Papstkirche das geistige und kulturelle Erbe des Römischen Reiches vollends, als der Westen durch die germanischen Eroberungen zerbrach. Augustin errichtete gewissermaßen auf den Trümmern des römischen Imperiums seinen Gottesstaat. In seiner Bischofsstadt Hippo, deren numidisches Hinterland bereits fast ein Jahrhundert lang in den donatistischen Kämpfen mit heißer, religiöser und nationaler Leidenschaft seine sozialen Forderungen gegen die römische Zwangsherrschaft auskämpfte, erlebte er kurz vor seinem Tode noch die Schrecken der Belagerung durch die germanischen Eroberer. Inmitten dieser Untergangsstimmung entwickelte er die Idee vom Gottesstaat auf Erden, der doch nichts anderes ist, als der stolze Machtwille des heidnischen, römischen Staates in kirchlicher Gewandung. Es gehörten der in vielen Gefahren gehärtete Nationalstolz des Römers und die sieghafte Glaubenskraft des durch Christus über alle irdischen Enttäuschungen zur unzerstörbaren Hoffnung erlösten Menschen dazu, um in dieser, irdisch betrachtet, jämmerlichen Situation den Machtanspruch und das geistige Erbe Roms durch die priesterliche Er-

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neuerung aller seiner Ordnungen für die nachkommenden Jahrtausende zu wahren. […] Wir wiederholen nochmals den für die Konzeption Augustins so wichtigen Gedanken, daß jeder irdische Staat verdorben sei und sich daher böser Mittel bedienen müsse. Wenn aber ein solcher Staat Gott die Ehre gebe, dann werde die Kirche sich nicht scheuen dürfen, den Gesetzen dieses irdischen und sündigen Staates gern zu gehorchen, ‚solange sie auf ihrer irdischen Pilgerfahrt das Leben eines Gefangenen führt‘ und den irdischen Staat erkennt‚ als Verwalterin der Dinge, die zur Erhaltung dieses vergänglichen Lebens dienen; weil beide auf die verheißene Erlösung warteten, ‚müsse von ihnen Einmütigkeit gewahrt werden‘ (Aug. civ. 19,17). Wurde ein Staat in diesem Sinne als eine Schöpfungsordnung Gottes angesehen, so konnte es für Augustin und die spätere Kirche denn auch keine Bedenken geben gegenüber einer so ‚sündigen‘ Institution wie der Sklaverei. Heiligte doch der himmlische Zweck jedes irdische Mittel. – Im Einzelnen wirkt sich die Anerkennung der Sklaverei bei Augustin so aus, daß er den Gedanken an Emanzipation für einen christlichen Sklaven völlig verwirft. […] So wurde es in der Predigt der Kirche sogar üblich, daß die Sklaven unter Hinweis auf das Vorbild und die Leiden Christi zu unbedingtem Ausharren in der Sklaverei auch unter ungerechten Verhältnissen derart angehalten wurden, daß ihnen Emanzipationsbestrebungen untersagt und Emanzipationsgedanken als unchristlich und sündig verboten wurden. Die Kirche ist sogar in dieser durch Augustin angebahnten Richtung ihrer Entwicklung in bezug .auf die theologische und moralische Rechtfertigung der Sklaverei so weit gegangen, daß sie über die Schutzbestimmungen des Alten Testamentes hinwegschritt! Christliche Sklaven sollten ihren Anspruch auf Freilassung nicht etwa damit begründen, daß hebräische Sklaven im siebenten Jahre freigelassen werden mußten (quaest. in Exod. c. 77). Durch solche emanzipatorischen Gelüste werde das Gebot des Paulus an die Sklaven (Eph. 6,5 und I. Tim. 6,1) aufgehoben; denn dort sei verlangt, den Herren untertan zu sein, damit der Name Gottes nicht gelästert werde. Außerdem glaubt Augustin aus der Durchbohrung des Ohres und des Anheftens an den Türpfosten bei solchen Sklaven, die "freiwillig ‚für immer‘ Sklaven bleiben" wollten, schließen zu dürfen, daß das ganze Gebot der Freilassung nach sechs Dienstjahren keine praktische Bedeutung gehabt habe,

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sondern allenfalls nur eine mystische Bedeutung (in mysterio praeceptum).10 Die Ehrlosigkeit der Sklaven ist für Augustin eine Selbstverständlichkeit. […] Mit der bedingungslosen Anerkennung des Staates und seines Rechtes sanktionierte demgemäß die römische Kirche augustinscher Prägung auch alle Unmenschlichkeiten und Härten in der Rechtsprechung und im Strafvollzug gegen Sklaven. […] In der Auflösung der Sklaverei, welche aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen nach dem militärisch-politischen Zusammenbruch des Westens mit großer Schnelligkeit erfolgte, sah die Kirche Untergangserscheinungen und verteidigte daher die alten Institutionen wie eine Gottesordnung. Gegen die feudalherrschaftliche Auffassung der germanischen ‚Barbaren‘ setzte sie den Herrenanspruch und den Eigentumsbegriff des alten römischen Rechtes. Indem sie gegen neue, sich bildende ökonomische und staatliche Auffassungen lediglich die alten, römischen Begriffe als allgemeingültig und ‚christlich‘ verteidigte, wurde sie selbst Sklavenhalterin in großem Maße. Sklaven mußte es nach Augustins Lehre geben, um die Schöpfungsordnung Gottes zu erhalten; und deshalb blieben Sklaven dazu verurteilt, ‚im ewig gleichen, unvermindert harten Joch des niederen Standes‘ (Aug. conf. VII,6) zu leben. Sie hatten bei kärglichster Lebenshaltung möglichst viel zu arbeiten; gegen ihre Weitergabe oder ihren Verkauf war nichts einzuwenden. Da die Institution der Sklaverei als eine Strafe für die Sündhaftigkeit des Menschengeschlechtes angesehen wurde,11 wäre es ja sinnlos, sogar schuldhaft gewesen, sie verbessern zu wollen (en. in ps. I24,7).12 So wird von Sklaven treuer Dienst gefordert: ‚bis die Ungerechtigkeit endgültig verschwindet und alle menschliche Herrschaft und Gewalt ein Ende finden und Gott ist alles in allem‘ (Aug. civ. XIX,15 am Schluß). Das war ein ‚eschatologischer Trost‘, von dem die herrschende Kirche zwar gern und oft Gebrauch gemacht hat, der aber für die armen Sklaven, ‚Abrahams Söhne‘, ‚Gottes Kinder‘ und ‚Miterben Christi‘, ein schwacher Trost war, weil damit der Fortbestand der Sklaverei bis ans Ende der Welt festgehalten und auch von der Großkirche erstrebt wurde. Die Verfälschung des Evangeliums in der Römischen Papstkirche erfolgte dadurch, daß ihre Hierarchie dem Mammon diente und nicht mehr Gott. Die katholische Kirche hat damals die Vertrauensfrage Jesu: Gott oder Mammon? Eindeutig für letzteres beantwortet. Sie tat

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diesen tiefen Fall mit einer frappierenden, theologischen Begründung, die Augustin ihr zur Hand gegeben hatte, indem Römertum mit Christentum identifiziert, weiterhin in der Verfallserscheinung des römischen Staats- und Gesellschaftsverbandes das Wirken Satans und im Ansturm der Germanen das Wüten des Antichrists gesehen und gelehrt wurden. Die Verfälschung des Evangeliums war also letztlich eine politische Entscheidung von größter Tragweite. In Bezug auf die Sklavenfrage wirkte sich diese Optierung der römischen Kirche für Mammon – im weitesten Sinne! – dahingehend aus, daß der Protest der Propheten gegen die Sklaverei als Unehre für Gott abgetan wurde; daß man die sozialethischen Forderungen Jesu nach Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit spiritualisierte und – wenn man gar nicht mit ihrem Realismus fertig werden konnte! – in die Eschatologie verbannte. Schuld an dieser schmerzlichen Entwicklung der byzantinischen, der römischen und späterhin auch der protestantischen Kirchen im Allgemeinen und besonders auch in der Sklavenfrage ist u.a. eine primitive Geschichtsauffassung, die nicht auf christlicher, sondern auf philosophischer, und zwar auf heidnisch-philosophischer Grundlage beruhte.13 Anmerkungen 1

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Unter peculium wird nach römischem Recht dasjenige Vermögen verstanden, welches eine der Gewalt eines anderen unterworfene Person (also ein Hauskind oder ein Sklave, der allerdings nicht ‚persona‘ war) mit Bewilligung oder auch ohne Wissen des Gewalthabers zur eigenen Verwaltung in den Händen hatte. Sozomenos berichtet (Soz. 1,9), daß Konstantin drei Gesetze erlassen habe, welche die rechtliche Gültigkeit der kirchlichen Freilassung bestätigten. Zwei dieser Gesetze aus den Jahren 316 u. 321 sind in den Sammlungen des römischen Rechtes auf uns gekommen. Die Freilassung vollzog sich derart, daß der Herr den Sklaven an der Hand nahm und vor den Altar führte; hier wurde die Urkunde der Manumission verlesen, und der Priester erteilte dem Freigelassenen den Segen. Als im Jahre 321 der Sonntag durch Staatsgesetz zum allgemeinen Feiertag erhoben wurde, an welchem alle geschäftlichen Dinge und gerichtlichen Prozesse ruhten, wurde bereits einige Monate später durch Zusatzbestimmung festgestellt, daß in Bezug auf Manumission durch die Kirche am Sonntag eine Ausnahme bestehe. (Vgl. E. Löning, Geschichte d. dt. Kirchenrechtes, I, Straßburg 1878, 324).

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In einer Predigt, die Möhler zitiert, sagt Chrysostomus (Hom. XVII i. ep. ad Tim.) : „Du sagst: Mein Vater ist Consul. – Was kümmert mich das! Ich nenne einen jeden Sklaven einen Edelmann und einen jeden Herren einen Knecht, wenn ich seinen sittlichen Charakter kenne.“ In einer anderen Predigt, die Möhler leider ohne Stellenangabe zitiert (Ad. Möhler, Vermischte Schriften, ed. Döllinger. Regensb. 1839, II, S. 93), soll er gesagt haben: „Weißt du nun, durch welche Sitten die Würde eines Freigeborenen erworben wird? ‚Sklave‘ und ‚Freier‘ sind nur Namen. Was ist ein Sklave? Ein Name. Wieviele Herren liegen betrunken auf dem Ruhebett, die Sklaven aber stehen nüchtern dabei […] Welchen soll ich nun den Unfreien nennen, den Nüchternen oder den Trunkenen? Jener hat die äußeren Merkmale der Knechtschaft, dieser die inneren. – Ich werde nicht aufhören, euch dieses zu wiederholen, damit ihr alles nach dem wahren Wert beurteilen lernt, und nicht durch den Irrtum der Masse betört werdet, vielmehr genau wißt, was ein ‚Sklave‘ und was ,arm‘ und was ‚unfrei‘ ist.“ Diese zur Klärung einiger geschichtlichen Vorgänge in der damaligen Zeit entscheidend wichtigen Feststellungen werden bestätigt durch HansJoachim Diesner, Studien zur Gesellschaftslehre und sozialen Haltung Augustins. Halle 1954. Er sagt S. 29: „Viele der Unterdrückten mögen auch schon an das Überlaufen zu den Feinden gedacht haben, von denen diese Schicht allein Hilfe erwarten konnte; und tatsächlich deutet auch Augustin selbst eine solche Flucht wenigstens von Sklaven an …“ An einer anderen Stelle (ebd., 43): „Mit welchen Gründen und mit welcher Intensität viele Sklaven an ihrer Freilassung arbeiteten, zeigt […] auch […] der Tadel an den ‚servi fugitivi‘ (ep. 108, 18), die einfach ihren Herren davongelaufen sind und sich den Circumcellionen angeschlossen haben.“ Flüchtete ein Sklave in eine Kirche, so waren die Priester verpflichtet, binnen eines Tages seinem Herren Anzeige zu erstatten. Wenn der Herr versprach, seinem Sklaven zu verzeihen, so mußte er ausgeliefert werden (C.Th. 9,45,5). War ein Sklave flüchtig. wiederaufgegriffen und zwischen zwei angeblichen Eigentümern ein Streit über die Zugehörigkeit entstanden, dann sollte nach Anordnung Konstantins der Sklave auf der Folter den Namen seines Besitzers nennen (C.I. 6,1,6). Durch die Verschärfung der Bestimmungen des Claudischen Senatsbeschlusses, der von Alexander Severus gemildert worden war, verhängte Konstantin wiederum die Todesstrafe über eine Freie, die einen Sklaven ehelichte, und überlieferte ihn selbst dem Scheiterhaufen (C.Th. 9,9,1). – Ist diese Bestimmung an sich schon barbarisch genug, so ist besonders beschämend, daß Sklaven als Denunzianten zugelassen waren

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und, falls ihre Aussage sich bestätigen würde, mit Freilassung belohnt werden sollten. Wie sehr sich die katholische Kirche als Verteidigerin des römischen Erbes fühlte und wie sehr selbst die Päpste als Römer mit ihrem christlichen Gewissen in Konflikt kamen, das wird deutlich in N. I. Golubzowa, Zur Frage der Agonistici und Circumcelliones, Italien zu Beginn des. 5. Jahrhunderts und Alarichs Eindringen in Rom, 1949. Am Anfang es heißt dort (S. 45): „Selbst nachdem den Römern klargeworden war, daß sie keinerlei Hilfe zu erwarten hatten, begannen die Menschen auf eine übernatürliche Rettung zu hoffen. In Rom begann der von der christlichen Religion unterdrückte, aber nicht vernichtete heidnische Kult aufs neue Kraft und Bedeutung zu gewinnen. Es kam die Überzeugung auf, daß die Wiedereinführung der Opferungen für die römischen Götter Rom von allen Nöten erretten könnte. In der Zeit der ersten Belagerung Roms durch Alarich überzeugten, wie Zosimos (Zos. 5,41) erzählt, toskanische Weissager den Präfekten der Stadt Pompejanus davon, daß sie Rom mit Hilfe geheimer Beschwörungen und Opfer vor den Barbaren retten könnten: die Barbaren würden sich sofort zurückziehen, gejagt von Donner und himmlischem Feuer. Wenig fehlte, und die Weissager hätten gefordert, daß die Beschwörungen und Opfer öffentlich vor den Augen der ganzen Stadt durchgeführt werden sollten, was einer öffentlichen Wiedereinführung des heidnischen Kultes gleichgekommen wäre. Es kam so weit, daß selbst der Papst Innozens bereit war; ähnlichen Maßnahmen zuzustimmen! Als aber der Vorschlag der Haruspices dem Senat zur Beurteilung vorgelegt wurde und als die Weissager als obligatorische Bedingung stellten, die Opferung auf dem Kapitol unter der Leitung und Gegenwart von Amtspersonen durchzuführen, da gab die Mehrheit der Mitglieder. des Senates diesen Gedanken auf aus Furcht, die Unzufriedenheit des Kaisers hervorzurufen.“ Diese Ausführungen machen dem Exegeten Augustin keine Ehre Diesner faßt in seiner erwähnten Schrift (Studien zur Gesellschaftslehre) seine Ergebnisse in besonders pointierter Weise zusammen, weil er die Substanz der evangelischen Botschaft verraten sieht (S. 44): "Man könnte nach dieser Augustinischen Formulierung Christus für den ausgesprochenen Parteigänger der Reichen auffassen, der sich durch seine Fürsorge um ihre pax domestica ein Anrecht auf die Dankbarkeit dieser Herren erwirbt." Und S. 43 f.: „Mit anderen Worten: so wie Augustin von den Armen Bedürfnislosigkeit (laboriosa pauperta) und innere Abwendung von den äußeren Gütern verlangt hatte – so fordert er von den Sklaven vor allem den durch inneres ,Training‘ zu erreichenden Verzicht auf die äußere Freiheit (es folgt ein Zitat aus Aug. civ. 19,15). Daß dies bei erschwerten äußeren Bedingungen aus menschlicher Kraft heraus kaum möglich ist, weiß er auch; weshalb er dieser asketischen Übung die

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Blickrichtung nach oben gibt […] Damit wird die Schwere und Bürde der irdischen Sklaverei zugleich aber bagatellisiert; denn ,Sklaven Gottes‘ sind ja im Grunde alle Menschen, zumindest alle Christen.“ So kommt Diesner zu dem Ergebnis (S. 45): „Vom ethischen Gesichtspunkt aus ist hierzu festzustellen, daß Augustin selbst hinter der israelitischen Moral zurückbleibt.“ S. 44: „Jedenfalls ist der unterschiedliche Standpunkt und die verschiedene Bewertung – der Hinweis der Sklaven auf die Nutzlosigkeit irdischer Güter und die Gottgewolltheit ihres Zustandes, und umgekehrt der Herren auf den irdischen, materiellen Nutzen, der ihnen aus der kirchlichen Beeinflussung der Sklaven entsteht – frappierend!“ conditio quippe servitutis iure intellegitur imposita peccatori (Aug. civ. XIX,15). – An keiner Stelle fällt der Rechtfertigungsversuch Augustins so dürftig aus wie hier. Denn die These, daß die Sklaverei Strafe für die Sünde sei, wird in der rauhen Wirklichkeit völlig zu Schanden: die Gottlosen führen vielfach die Frommen in die Sklaverei! Diesner macht darauf aufmerksam, daß der Gedanke, die Sklaverei sei nicht nur wirtschaftlich zweckmäßig und daher notwendig, sondern sie könne sogar ‚verdienstlich‘ und ein ‚Gut‘ sein, bei Augustin stark anklingt (enarrat. in PS. 124) und daß Ambrosius solche Gedanken sogar wiederholt ausgesprochen hat. (Stellenangabe bei Diesner, 44, Anm. 4.) Es sei abschließend nochmals gesagt, daß die in dieser Untersuchung herausgestellten Gesichtspunkte, zu denen die Anregung durch die marxistische Geschichtsphilosophie und die dort angewandten Untersuchungsmethoden gegeben worden ist, einzig und allein von der christlichen Kirche das Ärgernis nehmen können, das sie durch ihre Stellung in der Sklavenfrage die Entwicklung in einer Weise bestimmt, daß darüber das Christentum durch innere Preisgabe seiner Prinzipien ohnmächtig wurde. Als ein Diener der Kirche und damit unter der Schuld der Kirche stehend meinen wir alles gesagt zu haben, was das Versagen der Kirche in einer so wesentlichen Frage entschuldigen könnte. Wenn wir nun allerdings diesen Gesichtspunkt herausstellen, daß die Sklaverei ein notwendiges Stadium in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft war und daher von der Kirche auch als ,notwendig’ empfunden wurde, dann müssen wir um der Wahrheit willen doch mit aller Bestimmtheit sagen: War der Kirche damals eine Einsicht in die gesellschaftliche und geschichtliche Entwicklung, wie wir sie heute besitzen, auch noch nicht verwehrt, und war sie, wie im Hinblick auf das ptolemäische Weltbild, so auch im Hinblick auf das vorhandene Geschichtsverständnis ein Kind ihrer Zeit, so hätte sie dennoch eine bessere Einsicht besitzen können und eine andere Haltung vertreten müssen.

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Denn die alttestamentlichen Propheten hatten, als Offenbarungsträger Gottes ihrer Zeit weit vorauseilend, durch ihre unmittelbare Lebensgemeinschaft mit Gott verkündigt, daß Sklaverei die Ehre Gottes beleidige! Es hatte Jesus Christus, indem er an diese alttestamentliche Prophetie anknüpfte, in seiner Lebensbezogenheit zu Gott den Anspruch der Gottesherrschaft verkündigt, so daß alle Sklaverei ein Ende finden sollte. Die werdende große Kirche hat das alles preisgegeben und die christlichen Gemeinschaften, welche die ursprüngliche Botschaft bewahrt hatten, mit unerbittlichem Fuß zertreten. Diese Schuld kann der alten Kirche nicht abgenommen werden.

Richard Klein: Zum Verhältnis von Herren und Sklaven in der Spätantike, aus: R. Klein, Roma versa per aevum. Ausgewählte Schriften zur heidnischen und christlichen Spätantike, Hrsg. v. R. von Haehling, K. Scherberich, 356–393, Hildesheim © 1999 Georg Olms Verlag

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Zum Verhältnis von Herren und Sklaven in der Spätantike Zahlreich und mannigfach sind die Probleme, welche mit der Sklaverei in der Spätantike verbunden sind. Die unterschiedliche Bewertung beginnt bei der Schätzung der Sklavenzahlen sowie mit der Frage, wo die Unfreien vor allem beschäftigt waren, und erreicht einen besonderen Streitpunkt dann, wenn es gilt, die Abgrenzung von den übrigen Angehörigen der Unterschichten, insbesondere den Kolonen, festzulegen1. Erschwerend kommt hinzu, daß dieser Problemkreis ideologisch verfestigt ist wie kaum ein anderer in der Alten Geschichte. Glaubt man auf der Seite der östlichen Wissenschaft, den Schwerpunkt vor allem auf die Veränderung der sozialen und ökonomischen Verhältnisse und die allmähliche Ablösung der Sklavenarbeit durch den Feudalismus legen zu müssen, so geht es bei kirchlich gebundenen Forschern in hohem Maße darum, wie weit die christliche Lehre von der Gleichheit aller Menschen auch den Unfreien zugute kam. Es ist bekannt, wie sich vor allem katholische Forscher seit den Zeiten von Wallon und Allard um den Nachweis bemühten, daß es das letzte Ziel der Kirchenväter gewesen sei, die Institution der Sklaverei gänzlich zu beseitigen.2 Alle jene Deutungen leiden, abgesehen von den vorgegebenen Prämissen, vornehmlich daran, daß man Herkunft und Bindung der antiken Autoren und darüber hinaus die unterschiedlichen politischen und sozialen Gegebenheiten in den einzelnen Gebieten zu wenig berücksichtigt. […] Neben der Sonderentwicklung der einzelnen Gebiete gilt es, ein Zweites zu berücksichtigen. Es wird mit einem gewissen Recht gesagt, daß das falsche Bild vor allem auf der einseitigen Überlieferung beruhe, die zum großen Teil aus Gesetzestexten und Heiligenviten bestehe3. Daher ist es um so nötiger, neben dem inschriftlichen Material, das nur eine Momentaufnahme wiedergibt, die literarischen Aussagen nicht zu ignorieren. Gerade sie sind geeignet, über alle

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ökonomischen Probleme hinaus einen Einblick zu vermitteln, wie die Herren über die in ihrem Dienste stehenden Unfreien dachten und sie behandelten. Daß hierbei ein Vergleich zwischen heidnischer und christlicher Haltung möglich wird, erhöht zum einen den Reiz der Fragestellung, läßt aber auch Antworten zu über das vieldiskutierte Problem, wie weit die paulinischen Sätze von der Einheit aller in Christus im Zusammenstehen der einzelnen Mitglieder des Hauses verwirklicht wurden. Wenn hierbei allein die italischen und gallischen Gebiete in den Blick genommen werden, so deswegen, weil dort die Sozialstruktur der oberen Stände weitgehend ähnlich war. Zudem finden sich in dem seit frühester Zeit romanisierten und stets nach Italien ausgerichteten Land zwischen Alpen, Rhein und Pyrenäen mehr Belege als andernorts, welche in der Zeit des Umbruchs über das gegenseitige Verhältnis zwischen Herren und Bediensteten wertvolle Aufschlüsse geben. Ausgangspunkt des Vergleichs soll der stadtrömische Senator Symmachus sein, der als Exponent der reichen senatorischen Oberschicht im Westen, aber auch als einer der letzten Vertreter des absterbenden Heidentums sich hierfür wie kaum ein anderer anbietet. Symmachus scheut sich nicht, immer wieder offen zuzugeben, wieviel ihm an der Wahrung der Standesunterschiede gelegen ist. Daher begegnet er allen Schichten, welche nicht der pars melior humani generis (ep. I 52) angehören, mit auffallender Geringschätzung4. Diese trifft die Menge des einfachen Volkes insgesamt, vornehmlich aber die Sklaven, welche er lediglich als Objekte von rein ökonomischem Wert betrachtet5. Dementsprechend reagiert er mit Empörung und Härte bei der Flucht eines Sklaven und bittet einflußreiche Amtsträger, aber auch Freunde um Mithilfe bei der Wiederbeschaffung; denn er ist weit davon entfernt, die fuga servorum für etwas anderes anzusehen als einen materiellen Verlust. Ohne mit einem Wort den Grund für die Flucht aufzugreifen, wird ihm diese zu einem Beweis für servilis nequitia und familiaris improbitas6. Es verwundert nicht, daß bei einer derartigen Einstellung Sklaven in großer Zahl von den villae suburbanae der in Rom weilenden Latifundienbesitzer entwichen und ein unruhiges Räuberleben dem unmenschlichen Dienst in Haus und Feld vorzogen. Symmachus stellt nicht in Abrede, daß die Knechtschaft für Menschen schmählich und schwer erträglich ist, richtet jedoch dessen ungeachtet seine ganze Aufmerksamkeit darauf, daß flüchtige

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Sklaven wieder eingefangen werden und als wertvolle Arbeitskräfte erhalten bleiben. Demgemäß verteidigt er auch jede Art von Strafe gegen säumige actores, welche einer solchen Flucht Vorschub leisten.7 Jene Unfähigkeit des Symmachus, Sklaven als Menschen zu verstehen und ihnen im Alltag auf humane Weise zu begegnen, findet ihre Entsprechung in der rigorosen Einstellung zu fremden Völkern. Wie er im Ernstfall immer wieder die menschliche und soziale Inferiorität der Barbaren betont, so hält er jeden Kompromiß zwischen dem zur Herrschaft über den ganzen Erdkreis berufenen römischen Volk und den von Valentinian I. besiegten Alemannen für undenkbar. Es wäre in der Tat abwegig, wollte man das stolze Selbstbewußtsein des Aristokraten Symmachus und die damit verbundene Gefühllosigkeit gegen das harte Los der Unfreien seinem Festhalten an der heidnischen Götterwelt zuschreiben; denn zum einen finden sich auch unter seinesgleichen gegenteilige Stimmen, wie z. B. von Praetextatus, zum anderen belegen die zahlreichen Mahnungen von Ambrosius und Augustinus, wie wenig sich christliche Sklavenbesitzer von einem solchen Verhalten distanzierten. Die eindringlichen Worte der Bischöfe an ihre Gemeindemitglieder, Sklaven in christlichem Geist zu behandeln und sie nicht allein nach ihrem Kaufpreis einzuschätzen, legen davon Zeugnis ab.8 Ebenso wäre an die ausführlichen Vorhaltungen zu erinnern, welche der Presbyter Salvian in Gallien gegen reiche Herren erhebt, die nicht aufhörten, ihre Sklaven als habgierig und lügnerisch zu beschuldigen, der Schlemmerei ergeben und auf Flucht begierig.9 Für Gallien geben hierüber auch zwei Gedichte Auskunft, die in der Forschung noch wenig Beachtung gefunden haben. Sie stammen von Paulinus von Pella, der sich in seiner Jugend in dem von Feinden noch nicht heimgesuchten Aquitanien seiner großen Besitztümer ungestört erfreuen konnte und zunächst wenig mehr als ein Namenchrist war.10 In den wenigen Zeilen eines Gedichts, das in die Form eines Gebetes an den allmächtigen Herrn und Schöpfer gekleidet ist, bittet er um ein glückliches und ruhiges Leben, das sich im ungestörten Genuß materieller Güter erschöpft. Diesem Ziel dient auch sein Wunsch, niemandes Mißgunst und üble Nachrede zu erregen, aber auch nicht sinnlichen Freuden und üblem Gewinn nachzujagen. Mittelpunkt seines Strebens ist ein blühendes Haus mit wohlgenähr-

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ten Sklaven, treuen Klienten und Bediensteten, die stets eine heitere Miene zeigen. Seine einzige Sorge zielt darauf, daß ihm diese bona unversehrt erhalten bleiben.11 Tiefe Mißachtung der menschlichen Würde eines Untergebenen und rücksichtslose Willkür werden erkennbar, wenn er offen bekennt, daß er sich damals stets mit den Verführungen der Sklavinnen im eigenen Haus zufrieden gegeben, jedoch nie eine freie Frau gegen oder auch mit ihrem Willen begehrt habe. Noch verächtlicher als dieses offene Eingeständnis ist die Begründung, die er anfügen zu müssen glaubt. Er räumt zwar ein, daß er damit einen Fehltritt begangen habe, aber dies zählt für ihn wenig im Vergleich dazu, daß ihm deswegen keine Anklage wegen eines Verbrechens erwachse. Außerdem brauche er nicht zu fürchten, daß er seinen guten Ruf verliere.12 Es besteht kein Zweifel, daß eine solche Ansicht unter seinen Standesgenossen weit verbreitet war. Die scharfen Anschuldigungen, welche Augustinus und Salvian wegen des gleichen Vergehens gegen die patres familiae erheben, bieten hierfür den besten Beweis. Die entrüstete Antwort, welche man in Afrika den wiederholten Mahnungen des Bischofs von Hippo entgegenhielt, ein Herr könne in seinem Haus mit den ancillae verfahren, wie es ihm beliebe, dürfte auch den gallischen Herren leicht von der Zunge gegangen sein. Man hielt eine Sklavin für ein frei verfügbares Besitztum ohne persönliche Rechte, der es einzig aufgegeben war, sich dem Willen dessen zu fügen, dem sie gehörte. Von einer christlich geprägten Rücksicht auf den Sklaven als ein Ebenbild Gottes ist hierbei ebenso wenig zu spüren wie von einem freundschaftlichen Verkehr im Alltag.13 […] Nun darf nicht übersehen werden, daß jene rigorose Härte, wie sie bei Symmachus und Paulinus zu bemerken ist, keineswegs bei allen aristokratischen Landbesitzern üblich war. […] Es ist das auffallende Charakterbild, welches allerdings wesentlich später der Dichter Apollinaris Sidonius von einem reichen gallischen Großgrundbesitzer aus senatorischem Stand zeichnet14. In dem Portrait des Laien Vettius werden dessen humanitas grandis grandiorque sobrietas herausgehoben (ep. IV 9,1). Die erste konkrete Bemerkung über die pudicitia, die im Hause herrscht, gilt in bezeichnender Weise der Dienerschaft. Servi utiles: rustici morigeri, urbani amici. Sein Tisch nährt nicht weniger den Gastfreund als den Klienten. Erneut werden die servi unterschieden in Land- und Stadt-

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sklaven. Während bei den ersteren ihre Arbeitswilligkeit hervorgehoben wird, sind es bei den unfreien Bediensteten in der Stadt Gehorsam, freundschaftlicher Umgang und Zufriedenheit mit ihrem Herrn. Diese Eigenschaften sind die Voraussetzung dafür, daß im Haus wie auf den Feldern eine nutzbringende Arbeit geleistet wird. […] Es bedarf keiner weiteren Erwähnung, wie sehr solche Werte, die auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Herren und Untergebenen schließen lassen, sich von den verächtlichen Bemerkungen unterscheiden, welche Symmachus sofort bereit hat über alles, was sich mit dem Sklavenstand verbindet. […] Der Grund für diesen Wandel der Gesinnung gegen die subiecti wird bei dem illustris vir Vettius unüberhörbar angegeben. Der Dichter charakterisiert seinen Freund als vir sacerdotalis, der eine neue Lebensart pflegt. Sie besteht in der Beschäftigung mit den heiligen Schriften, die seine geistige Nahrung bilden. Häufig liest und singt er die Psalmen und wird als vorbildlicher christlicher Laie zum Gegenbild des palliolum der Mönche (VI 9,3). Aus seiner christlichen Gesinnung entspringen die Tugenden der Menschlichkeit und Besonnenheit, die er zuvörderst im täglichen Umgang mit den Bewohnern seines Hauses praktiziert. Dadurch, daß er keine ungebührliche Betonung der Standesgrenzen kennt und sie nicht einmal auf die Sklaven innerhalb und außerhalb des Hauses anwendet, wird er zum Vorbild für seine Standesgefährten15. Er weiß, daß beide Teile, der Herr wie der Sklave, aufeinander angewiesen sind, und er findet aus christlicher Gesinnung den Weg, der für ein freundschaftliches Auskommen beider Teile und damit für ein Gedeihen des Hauses nötig ist. Humanitas und sobrietas schaffen hierfür die Voraussetzung. […] Jedoch bei allem Entgegenkommen hielt auch Sidonius an einem standesgemäßen Leben fest, das für die Angehörigen der Oberschicht ohne eine stattliche Schar von Sklaven nicht vorstellbar war. Der Besitz von mancipia war ihm geradezu gleichbedeutend mit Ansehen und Würde, worauf die viri nobiles seiner Zeit Anspruch erheben durften. […] Vermitteln die bisherigen Beispiele, die aus dem Kreis der gallischen Oberschicht genommen waren, praktische Auskünfte darüber, wie sich das gegenseitige Auskommen von Freien und Sklaven unter christlichem Einfluß veränderte, so wird mit der aufkommenden asketischen Richtung eine neue Stufe erreicht, auf der

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man zu tieferen Einsichten in die sozialen Lebensverhältnisse gelangte. Die Vertreter dieser viri sancti begnügten sich nicht mehr mit der Beschreibung vorhandener Zustände, von welchen sich manche der christlichen Grundbesitzer zu lösen versuchten, sondern sie forschten nach den Ursachen, welche zum Zusammenbruch der sozialen Ordnung zu führen drohten. Ausgelöst waren jene Erklärungsversuche durch eine dramatische Zuspitzung der Sklavenflucht in der ersten Hälfte des 5. Jh.s, wovon auch die gallischen Länder nicht verschont blieben.16 […] Durch die Ankunft der Germanen bot sich den unterdrückten Bewohnern des Landes, vor allem jenen aus den Unterschichten, den Kolonen und Sklaven, eine weitaus bessere Chance, ihrem beklagenswerten Schicksal zu entgehen. Umgekehrt bemühte man von Seiten der Staatsorgane die fremden Eroberer, soweit sie in römische Dienste getreten waren, um solche Erhebungen niederzuschlagen. Dies war der Fall, als es dem Heerführer Exsuperantius im Jahre 417 gelang, die abgefallene Landschaft Aremorica wieder in seine Hand zu bringen. Dort hatten die Bagauden die Großgrundbesitzer enteignet und sie auf den Feldern, deren Eigentümer sie einst selbst gewesen waren, harte Arbeit verrichten lassen. Der römische Eroberer aber duldete nicht, „daß diese Sklaven ihrer eigenen Sklaven wurden“ (Rut. Nam. 1,216). Die Wiederherstellung der Gesetze durch römische Waffen bedeutete, daß die Sklaven, welche für zwei Jahrzehnte die sozialen Verhältnisse umgekehrt hatten, wieder in ihre früheren Abhängigkeitsverhältnisse zurückkehrten.17 Ein zweites Ereignis läßt schlaglichtartig deutlich werden, wie sehr auch der freie Teil der Bevölkerung bestrebt war, den drückenden Verhältnissen zu entfliehen, diesmal in der Hoffnung, Hilfe bei den Eroberern zu finden. Nicht lange nach dem J. 414 hatte Paulinus von Pella unter dem Druck der Goten Athaulfs seine ausgedehnten Landbesitzungen verlassen müssen und in der kleinen Stadt Bazas in Aquitanien Zuflucht gesucht. Dort aber traf es ihn noch ärger, denn schlimmer als die feindliche Besatzung war der „Volkshaufe der Sklaven“, der sich zusammen mit „böswilligen jungen Menschen, wenn auch freigeboren“, mit Waffengewalt gegen die Stadtbevölkerung bei Ankunft der Feinde erhob und die Ermordung des Adels betrieb. Bei jenen ingenui, mit welchen sich die Sklaven verbanden, ist wohl an die von Steuern und anderen Lasten bedrückte Masse der kleiner Handwerker und Kaufleute zu denken, die dem Abgabendruck zu

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entkommet suchten18. Jene beiden Einzelzeugnisse legen die Vermutung nahe, daß die lapidare Feststellung in den Chronica minora für das Jahr 435 einen tatsächlichen Zustand wiedergibt (MGH AA 9,660): Omnia paene Galliarum servitia in Bacaudam conspiravere. Die Grundbesitzer müssen in der Tat in der ersten Hälfte des 5. Jhs. einen beträchtlichen Teil ihrer Sklaven durch die Flucht verloren haben, auch wenn die staatliche Macht alles daran setzte, diese Bewegung einzudämmen.19 […] Diese Situation bildet den Hintergrund zu der eindringlichen Analyse der moralisch-gesellschaftlichen Verhältnisse, welche der ebenfalls einer wohlhabenden Familie entstammende, aus seiner bedrängten moselländischen Heimat entflohene Priester Salvian von Marseille anstellte. Was seine in dem apologetischen Werk „Über die Vorsehung Gottes“ gegebene Schilderung auszeichnet, ist der klare Blick, mit welchem er die sozialen Hintergründe des Niedergangs erkennt. Er weiß nicht nur zu berichten, wie freie Bauern ihrem unerträglichen Los dadurch zu entgehen suchten, daß sie sich in das Patrocinium mächtiger Herren begaben oder zu den Barbaren flüchteten, noch ausführlicher beschäftigt er sich mit den Vorwürfen, welche die Reichen gegen ihre Sklaven erhoben.20 Auch wenn es ihm im letzten immer darum geht, die Laster der patroni in dunklerem Licht erscheinen zu lassen als die ihrer Untergebenen, so leugnet er auch die vitia servorum nicht; aber er sucht jeweils nach dem Grund, warum die letzteren in dieser Weise handeln, wie allgemein beklagt wird. Diebe sind sie, so gibt er zu, aber sie werden gezwungen zu stehlen, weil ihnen lediglich der übliche Lohn gezahlt wird, der mehr der Gewohnheit als den wirklichen Bedürfnissen entspricht.21 Ihre Schuld verringert sich auch dort, wo man ihnen die steten Gedanken an Flucht vorhält; denn nicht nur ihre Not, sondern auch fortwährende schwere Mißhandlung durch die verschiedenen Aufseher veranlaßt sie dazu, wie Salvian richtig bemerkt. […] Gewiß ist Salvian weit davon entfernt, diese Eigenschaften der Sklaven zu leugnen – als Angehöriger eines angesehenen Hauses dürfte er sie selbst erlebt haben -‚ aber er meint, daß sich die Herren in allen Punkten weit mehr versündigen. Ganz besonders aber kreidet er den Vertretern der Oberschicht zwei Vergehen an, von welchen die Sklaven weitgehend oder völlig frei sind. Zum einen morden die Reichen und Mächtigen ihre Sklaven, ohne eine Strafe fürchten zu müssen; denn sie können sich auf ein Gesetz berufen, das lediglich

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die vorsätzliche Tötung mit einer Waffe verbietet,22 zum anderen hält er es für eine besonders beklagenswerte Unstitte, daß Sklavinnen auch gegen ihren Willen von den Herren zur Unzucht mißbraucht werden. Auch wenn hierbei ein verächtlicher Ton gegen die „Weiber aus dem Sklavenstand“ mitschwingt, da durch ihre Existenz die Heiligkeit der Ehe gröblich verletzt wird, zeigt der Autor doch ein gewisses Verständnis für die vilitas servarum, da er weiß, daß sie häufig gezwungen werden, den schamlosen Gebietern zu gehorchen.23 Immer steht für ihn die moralische Verkommenheit der Herren im Mittelpunkt, so daß das Gefühl entsteht, daß die geringeren Untaten der Sklaven einschließlich der entschuldigenden Erklärung, die er hierfür findet, lediglich als Folie für das eigentliche Anliegen dienen, das wüste Treiben der Reichen und den dadurch drohenden Untergang des Römischen Reiches noch anschaulicher darzustellen. Was das Schicksal der Sklaven selbst betrifft, so ist auch der eifernde Christ Salvian weit entfernt, über Sidonius hinausgehende Forderungen zu erheben. Wenn er zugibt, daß Sklaven durchwegs schlecht und verabscheuungswürdig sind24, so sucht man solche Vorurteile bei den beiden „Laien“ zwar vergebens, aber diese iudicia werden dadurch aufgewogen, daß er sich in die Lage der Ärmsten hineinzufühlen versteht. Man ist übereinstimmend überzeugt, daß es Aufgabe der Herren ist, den Untergebenen Schutz und Fürsorge angedeihen zu lassen, da ihnen so die materielle Lebensgrundlage vermittelt wird. Was bei den ersteren die Mahnung zur Menschlichkeit bezweckt, wird bei dem Sittenprediger Salvian zur Entrüstung darüber, daß sie sich ihrer Verantwortung entziehen. Für beide ist es selbstverständlich, daß nichtswürdige Sklaven eine gebührende Strafe verdienen, welche dazu beiträgt, sie zu bessern.25 Von konkreten, an Schriftquellen orientierten Hinweisen an Herren und Sklaven, wie sie bei den Bischöfen Ambrosius und Augustinus in steter Wiederholung zu finden sind, ist bei dem pessimistischen Geschichtstheologen freilich nichts zu entdecken.26 […] Ein Großteil der im 4. und 5. Jh. in rascher Folge christlich gewordenen Landadeligen hatte die gleichen Praktiken gegen ihre Sklaven und Kolonen beibehalten, wie sie in den Schriften des Symmachus am augenfälligsten greifbar werden. Ihrer Härte und launenhaften Willkür entsprachen Widerwille, Verstellung und stete Fluchtgesinnung auf der Seite der Unterdrückten. Durch die zu-

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nehmende Verschlechterung der sozialen Lage und das immer weitere Eindringen der Barbaren in die gallischen Länder, womit die Bedrängnis der herrschenden Schichten weiter wuchs, ergab sich für die Sklaven die Möglichkeit, sich gewaltsam aus ihrer Abhängigkeit zu lösen und das überkommene Sozialgefüge in Frage zu stellen. Dies ist vor allem dort zu beobachten, wo die Sklaven- und Kolonenwirtschaft am stärksten verbreitet war. Veranlaßt durch jene bedrohliche Situation, aber noch weit mehr beeinflußt durch die christliche Forderung, eine brüderliche Gesinnung gegen alle, auch gegen die sozial abhängigen und unfreien Mitglieder des Hauses, zu verwirklichen, suchten manche unter den nobiles ein neues Verhältnis zu den Sklaven zu gewinnen. Dieses schloß die geistige und materielle Fürsorge ebenso ein wie das Recht zur Zügelung, wenn es im Interesse der übrigen Hausbewohner geboten schien. Freilassungen größeren Stils aber dürfte es in Gallien ebensowenig gegeben haben wie in den übrigen Teilen des Reiches, da eine das übliche Maß übersteigende Zahl von liberti das existenzlose Proletariat nur vergrößert hätte und sicherlich keine Maßnahme im Geist christlicher Brudergesinnung gewesen wäre.27 […] Was den politischen Rahmen angeht, so ist zu bemerken, daß in den Jahren der merowingischen Könige die Institution der Sklaverei ohne wesentliche Änderung erhalten blieb und die Anzahl der Unfreien nicht geringer wurde, sondern sogar noch zunahm. Es gab Sklaven, welche ihren Herren mannigfache Dienste im Haus und in der unmittelbaren Umgebung zu leisten hatten, aber auch solche, welche auf ausgedehnten Ländereien arbeiteten; denn der Großgrundbesitz in seiner spätrömischen Struktur mit der Bewirtschaftung durch abhängige Arbeitskräfte blieb erhalten, auch wenn die Herren wechselten. Der Grund für das Ansteigen der Sklaverei waren vor allem die ständigen Beutezüge, welche die einzelnen Herrscher in die Randgebiete ihrer regna unternahmen. Hierbei raubten sie nach den Worten des Bischofs Gregor von Tours, der einen solchen Zug Theoderichs I. gegen Clermont erwähnt, nicht nur Gold und Silber in beliebiger Menge, sondern auch Vieh, Sklaven und Kleidung im Übermaß28. Wie häufig solche Unternehmungen waren, zeigt die Thematik vom Loskauf Gefangener, welche in den Heiligenviten stets eine zentrale Rolle spielt. Eine Folge war auch das Sinken der Sklavenpreise; denn aufgrund des Weiterverkaufs der in die Unfreiheit Gefallenen war man in der Lage, die Nachfrage der

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Herren besser als zuvor zu stillen. Als rechtliche Grundlage für die Behandlung der Sklaven in jener Zeit zunehmender Gewalt diente den germanischen Nachfolgestaaten des Imperium Romanum das römische Sklavenrecht, das in den verschiedenen leges barbarorum zu einem guten Teil rezipiert wurde29. Ein bezeichnendes Schlaglicht auf die überragende Bedeutung der Sklaverei und die brutale Härte, welche die Unfreien traf, kann an der Veränderung abgelesen werden, welche das Tötungsrecht damals erfuhr. Während in spätrömischer Zeit die Tötung eines Sklaven durch seinen Herrn als homicidium geahndet wurde, wurde das gleiche Delikt im Frankenreich nicht mehr unter Strafe gestellt30. Daher verwundert es nicht, daß Exzesse gegen Unfreie durchaus keine Seltenheit waren. So läßt, wie Gregor erzählt, ein Herr seinem Zorn über zwei entlaufene Sklaven freien Lauf und droht, wenn er sie finde, den einen am Galgen aufhängen, den anderen mit dem Schwert in Stücke hauen zu lassen31. Von einer ähnlichen Willkür weiß der gleiche Bischof an anderer Stelle zu berichten: Ein Herr läßt seinen Knecht eine Fackel so lange halten, bis ein Bein verbrannt ist32. Es gab Züchtigungen jeder Art, welche weit über das verdiente Strafmaß hinaus gingen. Angesichts dieser Methoden ist es nicht auffällig, wenn Sklaven in ihrer Verzweiflung zur Selbsthilfe griffen und sogar vor der Ermordung ihres Herrn nicht zurückschreckten33. Unfreie waren völlig rechtlos, und die weltliche Gesetzgebung, die sich häufig mit der causa servorum befaßte, unternahm keinerlei Anstrengung, um deren Los zu mildern. Wie aber verhielt sich die Kirche angesichts jener zunehmenden Verrohung im Verhältnis von patronus und servus? Zunächst ist auf die karitative Tätigkeit zu verweisen, welche die Bischöfe aufgrund ihrer einflußreichen Stellung, aber auch mit Hilfe ihres Reichtums in den Städten und darüber hinaus ausübten. Schon Sidonius zeichnete den Bischof Patiens von Lyon als einen wahren Vater seiner Gläubigen, der unentgeltliche Getreidespenden an die notleidende Bevölkerung weit über die Grenzen seines Bistums hinaus verteilte und hierbei mehr auf die Gründe der Bedürftigen und weniger auf ihre Person setzte34. Was in den Epitaphien vieler Bischöfe als besondere Tugend gepriesen wird – bereits bei der Wahl verlangte man, daß ein Bewerber humilibus affabilis und misericors sei –, wird in der Zeit Gregors von Tours zu einer institutionalisierten Armenpflege. Die pauperes werden in matriculae eingeschrieben und er-

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halten nach Vorzeigen eines Ausweises regelmäßige Almosen35. Auffällig ist hierbei allerdings, daß in der Gruppe der Armen die Unfreien nicht eigens genannt werden, obwohl viele von ihnen gewiß nicht weniger materielle Not litten. Der Grund liegt darin, daß sie ihren Platz in den Familien hatten und aufgrund ihres unfreien Standes nicht berechtigt waren, an der Liebestätigkeit der Bischöfe teilzuhaben. Da für sie die Herren zuständig waren, kamen sie nicht in den Genuß der Mittel, welche nach der Anordnung der Bischöfe Armenhäusern und Spitälern zugedacht waren. Lediglich an einer Stelle innerhalb des karitativen Wirkens der Bischöfe für die miseri und pauperes finden die Sklaven eine stete Erwähnung. Es ist die pastorale Verpflichtung, Gefangene loszukaufen und ihnen das Schicksal dauernder Versklavung zu ersparen. Was in den Vorschriften für die Bischöfe in besonderer Form niedergelegt ist, wird z.B. von Caesarius von Arles im konkreten Fall in übergroßem Maße praktiziert36. Da aber die Kirche selbst eine nicht unbeträchtliche Menge an Sklaven besaß, wurde der Loskauf von captivi für die Bischöfe nicht selten zu einer Gewissensfrage. Selbst in den Mönchskreisen der Merowingerzeit findet sich noch keine Spur einer Verteidigung der Gleichheit aller Menschen. […] Die Bischöfe selbst waren jedoch nicht bereit, so weit zu gehen, im Gegenteil, sie lassen keinen Zweifel aufkommen, wie sehr ihnen an der Wahrung der Standesgrenzen gelegen war. Sie scheuten sich nicht, bei Würdenträgern des Staates und der Kirche die freie Abkunft zu betonen, während sie umgekehrt rasch zur Hand waren, bei moralischen Vergehen die Abstammung aus dem Sklavenstand verantwortlich zu machen. […] Sehr vorsichtig verhielt sich die Kirche in der Frage der Freilassung. Da die Klöster sich selbst der Sklavenarbeit bedienten, hielt man es für ungerecht, daß die Unfreien das otium libertatis genießen, während die Mönche die tägliche Landarbeit weiterhin verrichten müssen, wohl aber sollten Sklaven, die ein Teil der „Gemeinschaft der Kirche“ sind, besser behandelt werden als die übrigen. Ein Teil ihrer Aufgaben sollte ihnen erlassen werden, damit sie Gott die Wohltaten erweisen könnten, die sie von ihren Priestern empfingen37. Weiterhin hält man es nicht für angemessen, bei der Veräußerung von kirchlichen Gütern bereits Freigewordene wieder in den Sklavenstand zurückzuzwingen, ebensowenig dürften die freigelassenen Nachkommen von Sklaven in den Status ihrer Eltern zurückgeholt

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werden, wie es von den Herren bisweilen gefordert wurde38. Dankbar dürften es die Sklaven und Freigelassenen begrüßt haben, daß die im J. 549 zu Orleans versammelten fränkischen Bischöfe die manumissio in ecclesia als „nationale Gewohnheit“ gegen hartnäckige Versuche mancher Herren verteidigten, ehemaligen mancipia erneut das Joch der Knechtschaft aufzunötigen. Der Hinweis auf den Schutz der Gerechtigkeit durch die Kirche zeigt, wie sehr man darauf bestand, das schlimme Los der Rechtlosen zu beenden.39 Überblickt man insgesamt die Entwicklung in den Ländern Italien und Gallien in der ausgehenden Antike, so mag das, was an zwischenmenschlichen Verbesserungen im Miteinander von Herren und Sklaven erreicht wurde, gering veranschlagt werden. Das Ergebnis ist auch deshalb unbefriedigend, weil man bei den Vertretern der Kirche jene klaren Worte vermißt, wie sie im Osten etwa von Gregor von Nyssa gegen die Einrichtung der Sklaverei oder von Johannes Chrysostomus gegen den Besitz großer Sklavenscharen gesprochen wurden40. Im Gegensatz dazu hütete man sich im Westen auf der Seite der Amtskirche geradezu ängstlich, das System der Unfreiheit auch nur im Geringsten anzutasten. Die Bischöfe sind weit entfernt, an dem Recht der Herren zu rütteln, das diese dazu gebrauchten, um die Arbeitskraft ihrer Bediensteten in jeder Weise auszunützen. Sucht man dennoch den Einfluß christlichen Denkens, dann findet man ihn in einem menschlichen Miteinander oder, etwa bei Salvian, in einem bisher nicht gekannten Verständnis für die Handlungsweise der Sklaven, welches auf der klaren Erkenntnis und rückhaltlosen Offenlegung der veränderten sozialen Verhältnisse beruht. Aber trotz einer weiteren Verschlechterung der Situation wagt man keine grundlegende Diskussion über die Konsequenzen des christlichen Gleichheitsgedankens für die in persönlicher Abhängigkeit lebende Bevölkerungsschicht. Da man die uneingeschränkte Verfügungsgewalt der Herren über ihr Eigentum nicht in Frage stellen will, bleiben die Sklaven selbst vom kirchlichen Einsatz für die inferiores und pauperes ausgeschlossen. Man begnügt sich auf den kirchlichen Synoden, Auswüchse von Willkür und grausamer Behandlung zu beschneiden. Mehr war – von gewissen Mönchskreisen abgesehen – nicht zu erwarten, nicht zuletzt deswegen, weil die Kirche selbst zur Besitzerin vor Sklaven im großen Stil geworden war.

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Bester allgemeiner Überblick noch immer bei W.L. Westermann, The Slave Systems of Greek and Roman Antiquity, Philadelphia 1955 und ders. schon vorher RE Suppl. VI 1935, 894ff. Zur Forschungslage vgl. N. Brockmeyer, Antike Sklaverei, Darmstadt 1979, 16ff. Ein unentbehrliches Hilfsmittel ist die Bibliographie zur antiken Sklaverei im Auftrag der Kommission für Geschichte des Altertums der Akademie der Wissenschaften und der Literatur [Mainz] hrsg. von Heinz Bellen und Heinz Heinen, neu bearbeitet von Dorothea Schäfer und Johannes Deissler, 2 Bde., Stuttgart 2003, auf Grundlage der von Elisabeth Herrmann in Verbindung mit Norbert Brockmeyer erstellten Ausgabe (Bochum 1983). Zusammenfassend dazu J. Vogt, Sklaverei und Humanität. Studien zur antiken Sklaverei und ihrer Erforschung (Historia Einzelschriften 8), Wiesbaden ²1972, 97ff. und R. Klein, Die Sklavenfrage bei Theodores von Kyrrhos: „Die 7. Rede des Bischofs über die Vorsehung“, in: Romanitas-Christianitas, Festschrift. J. Straub, hrsg. v. G. Wirth u.a., Berlin 1982, 586ff. Vgl. S. Lauffer, Die Sklaverei in der griechisch-römischen Welt, in: Gymnasium 86, 1961, 370ff. und H. Nehlsen, Sklavenrecht zwischen Antike und Mittelalter. Germanisches und römisches Recht in den germanischen Rechtsaufzeichnungen I: Ostgoten, Westgoten, Franken, Langobarden, Göttingen 1972, 51ff. Z. B. or. 4,7 und ep. IX 138. Dazu H.O. Kröner, Die politischen Ansichten und Ziele des Q. Aurelius Symmachus, in: Politeia und Res Publica, dem Andenken v. R. Stark, Palingenesia IV, Wiesbaden 1969, 347ff. und A. Kneppe, Untersuchungen zur städtischen Plebs des 4. Jh. n. Chr., Bonn 1979, 158ff. Eine spezielle Untersuchung über das Thema „Symmachus und die Sklaven“ gibt es nicht. Einige zusammenfassende Bemerkungen bei S. Roda, Commento storico al libro IX dell'epistolario di Q. Aurelio Simmaco, Pisa 1981, 184ff. und noch kürzer bei A. Marcone, Commento storico al libro VI dell'epistolario di Q. Aurelio Simmaco, Pisa 1983, 73f. Ep. 6,8: Sed puer vester inconsultis atque ignorantibus nobis urbe discessit, ut est servis familiaris inprobitas. Vestra in manu est, utrum hoc inultum esse patiamini. Über die Bitte um Beihilfe zur Wiedergewinnung entlaufener Sklaven ep. 9,140: Plurimi enim de familia domus meae per fugam elapsi in iis locis, quae sibi commissa sunt, delitescunt. Hos auditis allegationibus procuratoris mei quaeso restituas; convenit enim tuis moribus, et amicitiae nostrae contemplationem gerere et servili nequitiae negare perfugium. Ein Grund für die Flucht ist nicht angegeben.

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Ep. 9,6: Dort wird terror dominorum gegen säumige actores angekündigt. Weiter heißt es: Quare quaeso, ut suggestiones notarii mei, cui adhibenda nonnulla ad praetoriam functionem et debita ab obnoxiis servis eruenda mandavi, iuvare digneris et vicem sollicitudinis meae in curam tuam recipere non recuses. Roda denkt dabei an Kolonen und Halbfreie (s.o. Anm. 5). Ähnlich über die Flucht von Sklaven aus dem Besitz des reichen Gutsbesitzers Bassus ep. 4,48: Nam rebellem servum sibi poscit adduci, ad cuius investigationem nec praecepti caelestis auctoritas nec Africani comitis vigor potuit pervenire: siquidem facti audacis conscius imminentem poenam latebrarum vitavit effugio. Die Hilfe für den Geschädigten ist nötig [...] ne ulterius innocens domus commentis feralibus vilis mancipii terreatur. Zur ständig ansteigenden Sklavenflucht in dieser Zeit vgl. R. MacMullen, Enemies of the Roman Order. Treason, Unrest and Alienation in the Empire, Cambridge/Mass. 1966, 255ff. und H. Bellen, Studien zur Sklavenflucht im römischen Kaiserreich (FAS 4), Wiesbaden 1971, 114f. Zur Meinung des Praetextatus Macr. Sat. I 11.1ff. „Wir alle sind Sklaven“ vgl. A. Cameron, The Date and Identity of Macrobius, in: JRS 56, 1966, 25ff. Über das Verhalten der Bischöfe Ambrosius und Augustinus zu den Sklaven vgl. R. Klein, Die frühe Kirche und die Sklaverei, in: RQ 80, 1985, 272ff. Salv. gub. 4,13ff. und 29. Auf diese Vorwürfe und die Einstellung des Autors zu Herren und Sklaven wird noch einzugehen sein. Über Paulinus von Pella, den Enkel des Dichters Ausonius (Lebenszeit 376-nach 459), vgl. allgemein R. Helm, RE XVIII 4, 1949, 2351ff. s. v. Paulinus 10; J. Fischer, Die Völkerwanderung im Urteil der zeitgenössischen kirchlichen Schriftsteller Galliens unter Einbeziehung des heiligen Augustinus, Heidelberg 1948, 157ff., 206ff; P. Courcelle, Histoire littéraire des grandes invasions germaniques, Paris ³1964, 293ff.; neuerdings ausführlich C. Moussy, Paulin dc Pella. Poème d‘action de grâce et prière. SCh 209. 7ff. und jetzt A. Sciascia, Paolino di Pella: Atti del IV Convegno internazionale dell’ Accademia Romanistica Costantiniana in onore di Mario dc Dominicis, Perugia 1981, 193ff. Paul Pell. 15ff. Adsit laeta domus epulisque adludat inemptis / verna satur fidusque comes nitidusque minister, / morigera et coniunx caraque ex coniuge nati. Es handelt sich um das Gedicht Omnipotens genitor, das unter den Werken des Paulinus von Nola überliefert ist (CSEL 30, 3), aber von P. Courcelle dem Paulinus von Pella zugesprochen wurde (Un nouveau poème de Paulin de Pella, VChr I, 1947, 101ff.). Euch.164-168: […] carumque memor servare pudorem / cedere et ingenuis oblatis sponte caverem, / contentus domus inlecebris famulantibus uti, quippe reus culpae potius quam criminis esse / praeponens famaeque timens incurrere damna. Bezeichnend ist, daß er die Schuld für sein Ver-

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gehen den Verführungen der Sklavinnen zuschreibt, d. h. sich reinzuwaschen versucht. Nach gültigem Recht war der Ehebruch der Frau ein Scheidungsgrund, nicht aber der des Mannes (C.Th. 9,9,1: vgl. 4,16,3; 9,7,1), auch Constantin hat daran nichts geändert. Über die römische Ehegesetzgebung in der Spätantike vgl. J. Vogt, Zur Frage des christlichen Einflusses auf die Gesetzgebung Konstantins des Großen, in: Festschrift L. Wenger II, München 1945, 135ff. und E. Herrmann, Ecclesia in Re Publica. Die Entwicklung der Kirche von pseudostaatlicher zu staatlich inkorporierter Existenz, Frankfurt 1980, 263ff. Augustinus kommt auf dieses Thema im Rahmen seiner zahlreichen Ermahnungen an die Herren öfter zu sprechen, z.B. serm. 153,6 mit der wörtlich eingefügten Rede eines Herrn: Ancilla mea concubina mea est, numquid ad uxorem alienam vado? Numquid ad meretricem publicam vado? An non licet in domo mea facere quod volo? Ähnlich serm. 9,4ff. und 224,3ff. Mit gleicher Schärfe reagieren auf die Verharmlosung in der öffentlichen Meinung Laktanz inst. 6,23,23f., Hieronymus ep. 123,3 und Salvian, gub. dei 4,24ff. bzw. 7,19. Dazu A. Stuiber, Konstantinische und christliche Beurteilung der Sklaventötung, in: JbAC 21, 1978, 65ff. Allgemein zu A. Sidonius vgl. A. Klotz, RE II 1923, 2230ff. und C.E. Stevens, Sidonius Apollinaris and his Age, Oxford 1979 (Nachdruck). Eine gute Einführung bietet A. Loyen, Sidoine Apollinaire I, Poèmes (lat. Text und franz. Übers.), Paris 1960, VIIff. Den politischen und gesellschaftlichen Rahmen schildert K.F. Stoheker, Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, Tübingen 1948, 76ff. Das Verhältnis des Dichters zu den Sklaven zu beschreiben, ist ungleich schwieriger, da noch keine Konkordanz vorliegt (wie zu den Schriften des Symmachus und Ausonius). Das Charakterbild des Vettius zeigt ohne Zweifel eine gewisse Stilisierung, da die neue Lebensart dieses vir sacerdotalis in der Auseinandersetzung mit dem radikal gelebten Christentum der Mönche geschrieben ist (daher das Wortspiel palliolum – paludamentum). Außerdem ist folgendes zu beachten: Es gab damals Bischöfe, welche als ehemals vornehme Laien das Amt als Zuflucht und Pfründe betrachteten, nachdem es keine adäquate Tätigkeit in der Reichsverwaltung mehr gab. Manche von ihnen brachten den Episkopat in Mißkredit. Dazu bes. E. Griffe, La gaule chrétienne à l'époque romaine II, Paris ²1966, 213ff. Die Reaktion auf solche Zustände ist dieser Brief, in welchem das lobenswerte Beispiel eines Mannes gezeichnet wird, der wie ein Priester lebt, ohne selbst einer zu sein (5: Plus ego admiror sacerdotalem virum quam sacerdotem). Nur ein solcher konnte ein „christliches“ Verhältnis zu den Sklaven finden. Die Fluchtbewegung von Sklaven und Kolonen im Römischen Reich verstärkte sich in der zweiten Hälfte des 4. Jh.s, erreichte um die Jahr-

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hundertwende ihren Höhepunkt und dauerte noch bis um die Mitte des 5. Jhs. an. Zu erinnern ist im Westen an die Scharen barbarischer Sklaven, die zu dem Westgoten Alarich flohen (Zos. 5,42,3); im Osten führte das Drängen der Sklaven in Kirchen und Klöster schließlich dazu, daß Theodosius II. sich gezwungen sah, das christliche Asylrecht klar zu definieren (z.B. C.Th. 9,45,5). Hierzu M. Siebold, Das Asylrecht der römischen Kirche mit besonderer Berücksichtigung seiner Entwicklung auf germanischem Boden, München 1930, 33ff. und Bellen (s. Anm.7), 122ff. Über das Unternehmen des Exsuperantius Rut. Nam. 1,213ff.: Er hat die große Erhebung, welche in den Jahren 407-417 tobte, bezwungen, die Gesetze wiederhergestellt, die Freiheit wiedergebracht [...] Et servos famulis non sinit esse suis (1,215; vgl. auch Zos. 6,5,3). Die Rückbeorderung der Westgoten aus Spanien durch Constantius Patricius und ihre Ansiedlung in Aquitanien hatte kein anderes Ziel, als die nördlich wohnenden Bagauden in Schach zu halten. Gewöhnlich wird auch eine Stelle aus der Komödie „Querolus“, die aus dem frühen 5. Jh. stammt, zitiert, wo es heißt, daß die Bauern in den Wäldern am Loireufer eine völlig neue Gesellschaftsordnung errichteten (S. 16, ed R. Peiper). So E.A. Thompson, Bauernaufstände im spätantiken römischen Gallien und Spanien in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit, hrsg. von H. Schneider (WdF 552), Darmstadt 1981, 43ff. Über die Flucht der unterdrückten Schichten zu den germanischen Landesfeinden vgl. Salv. gub. 5,21. Paul. Pell. euch. 331ff. [...] in urbe / Vasatis patria maiorum et ipsa meorum, / et gravior multo circumfusa hostilitate / factio servilis paucorum mixta furori / insano iuvenum licet ingenuorum / armata in caedem specialem nobilitatis. Über die Deutung der ingenui entweder als Plebejer oder als membres de l'aristocratie sénatoriale des cités vgl. C. Jullian, Histoire de la Gaule VIII, Paris 1926, 175 und kurz C. Moussy, Paulin de Pella. Poème d'action de grâce et prière, SCh 209, 162. Auch P. Courcelle denkt an „excitations de quelques jeunes meneurs de bonne famille“ (Histoire litteraire des grandes invasions germaniques, 71). In jenen Jahren gab es in der Aremorica eine weitere Sklavenerhebung, die wohl noch umfassender war. Sie stand unter der Leitung eines gewissen Tibatto (Chron. min. ibid.); gegen sie richteten sich die Unternehmungen des Aetius und seines Unterfeldherrn Litorius, die ebenfalls „die Gesetze wiederherstellten“ (so Merobaudes in seiner Lobrede auf Aetius, poet. 8ff. und Apoll. Sidon carm. 7,246ff.). Vgl. dazu J.F. Drinkwater, Peasants and Bagaudae in Roman Gaule, in: EMC, 1984, 349ff.

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Über den Schutz, den freie Bauern bei einem Mächtigen suchten, um Hilfe gegen die Übergriffe der Franken zu erhalten, gub. 5,38f. Zum Werk Salvians, das zwischen 439 und 451 entstand, jetzt zusammenfassend J. Badewien, Geschichtstheologie und Sozialkritik im Werk Salvians von Marseille, Göttingen 1980, bes. 99ff. Sehr instruktiv auch E. Bordone, La società Romana nel quinto secolo nella requisitoria di Salviano Massiliense, in: Studi dedicati alla memoria di Paolo Ubaldi, Mailand 1937, 316ff. und G. Lagarrigue, Salvien de Marseille, Oeuvres, tome II (Text mit franz. Übers.), Paris 1975, 24ff. (SCh 220). Salv. gub. 4,14: Ac primum servi, si fures sunt, ad furandum forsitan egestate coguntur, quia, etiamsi eis stipendia usitate praestentur, consuetudini haec magis quam sufficientiae satisfaciunt. Wer gegen seinen Willen zum Diebstahl gezwungen wird, ist weniger schuldig. Speziell zum Sklavenproblem bei Salvian vgl. A. Schäfer, Römer und Germanen bei Salvian, Breslau 1930, 67ff. und R. Kaminik, Les esclaves dans les écrits de Salvien de Marseille et les opinions de la littérature ancienne, Annales Univ. Mariae Curiae Sklodovska. Sect. 1, Lublin 1965 [1968], 1ff. (Polnisch mit franz. Resümee). Salv. gub. 4,23: Homicidia quoque in servis rara sunt terrore ac metu mortis, in divitibus adsidua spe ac fiducia impunitatis. Nisi forte iniqui simus, hoc quod divites faciunt ad peccata referendo, quia illi cum occidunt servulos suos, ius putant esse, non crimen. Die Entschuldigung, daß Sklaven selten morden, dürfte wohl im Hinblick auf die Notizen bei Ammian und Sidonius nicht zutreffen, aber es kommt dem Autor hier auf die Antithese zur Straffreiheit der Herren bei einem Tötungsdelikt gegen Sklaven an (nach C.Th. 9,12,1,2: „Eine Strafe erfolgt nur, wenn der Herr seinen Sklaven vorsätzlich und mit einer Waffe tötet. Der Tod als Folge von Schlägen oder Einkerkerung zieht keine Bestrafung nach sich, auch nicht die Tötung nach einem schweren Delikt zur Abschreckung der übrigen Bediensteten.“). Dem Asketen Salvian ist dieses Thema so wichtig, daß er zweimal ausführlich darauf zu sprechen kommt (gub. 4,24-26), wo er mit starker Entrüstung den Herren ihre Schamlosigkeit vorhält, weil sie die fastigia nobilium matrimoniorum in den Schmutz ziehen. Wenn er sagt, daß viele so weit in ihrer impudentia gehen, daß sie ihre Sklavinnen für ihre Ehefrau halten, so stellt er sich hier bewußt gegen die Ansichten mancher Kirchenväter, welche ein lebenslängliches Konkubinat als Ehe betrachteten (Belege bei E. Herrmann-Otto (s. Anm.12), 268ff.). In 7,17-26 prangert er vor allem die sittenlosen Zustände in Aquitanien an. Hier findet er wiederum die Entschuldigung (7,20): […] sed vis ac necessitas quaedam, quia parere impudicissimis dominis famulae cogebantur invitae et libido dominantium necessitas subiectarum erat. Ein solcher Satz kontrastiert z. B. mit der Beobachtung des Joh. Chrysostomus über

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die sexuelle Zügellosigkeit der Sklavinnen, die sich nicht allein mit Fremden einlassen, sondern die Leidenschaft der Herren erregen, um Zwietracht zwischen den Gatten zu säen (virg. 67 [PG 48, 583f.]). Sal. gub. 4,29: Malos esse servos ac detestabiles satis certum est, sed hoc utique ingenui ac nobiles magis execrandi si in statu honestiore peiores sunt. Die konträre Beurteilung entspricht seiner Einschätzung der germanischen Barbaren, deren Moral er einerseits heraushebt, andererseits, wenn er von einzelnen Stämmen spricht, doch erheblich kritisiert (z. B. 4,65). Dazu bes. G. Sterzl, Romanus – Christianus – Barbarus. Die germanische Landnahme im Spiegel der Schriften des Salvian von Massilia und Victor von Vita, Erlangen 1950, 21ff. Salvian, der nirgends die Schuld der Sklaven leugnet, spricht in gub. 6,68 davon: Aut, sicut corrigi ad praesens etiam nequissimi quique servorum solent, modestiam saltim ac disciplinam terror extorsit? Nirgends in seinem Werk spricht Salvian überdies von Freilassung, von grundlegenden Zweifeln an der Einrichtung der Sklaverei ganz zu schweigen. Sie führen vor allem die bekannten Haustafeln aus dem Epheser-, Kolosser- und dem 1. Petrusbrief, aber auch die Mahnungen aus dem 1. Korintherbrief (7,20ff.) und dem Philemonbrief im Munde (vgl. R. Klein, Die Sklaverei in der Sicht der Bischöfe Ambrosius und Augustinus (FAS 20), Stuttgart 1988, 32ff.; 177ff.). Auch Augustinus war von erheblicher Sorge um das weitere Geschick der liberti erfüllt; daher solle es der gute Knecht, wie er sagt, vorziehen, wie ein Sohn im Hause des Herrn zu bleiben (en. ps. 99,7; serm. 59,5). Theodoret von Kyrrhos widmet diesem Problem seine 7. Rede über die Vorsehung und meint, daß der Dienst der Sklaven beneidenswerter sei als der der Herren. Vgl. Klein (s. Anm.2), 595ff. Greg. v. Tours, hist. Franc. III 11: Me sequimini, et ego vos inducam in patriam, ubi aurum et argentum accipiatis, quantum vestra potest desiderare cupiditas, de qua pecora, de qua mancipia, de qua vestimenta in abundantiam adsumatis. Im J. 530 kehrte Theoderichs Bruder Childerich I. nach Spanien zurück mit Gefangenen more canum binos et binos insimul copulatos (Vita S. Eusicii, ed. Duchesne, 534). Hierzu sowie über die Zahl und Bedeutung der Sklaverei im Merowingerreich vgl. Nehlsen (s. Anm.3), 260ff. und F. Graus, Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus und die „Gefangenenbefreiungen“ der merowingischen Hagiographie, in: Jahrb. f. Wirtschaftsgesch. 1, 1961, 77ff. Beispiele für Gefangenenloskauf durch Heilige bei Graus (s. Anm.28), 72. Über die Sklavenpreise etwa D. Claude, Zu Fragen der merowingischen Geldgeschichte, in: VSWG 48, 1961, 239. Der Bischof Remigius von Reims kaufte z.B. einen Mann für 14 Solidi, obwohl seit Justinian ein genereller Preis von 20 Solidi festgelegt war (MGH, Script.

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rer. Merov. 111 339). Über die Rezeption des Sklavenrechts durch die germanischen Nachfolgestaaten wiederum Nehlsen (s. Anm.3) 38ff. Zur römischen Rechtspraxis vgl. etwa C.Th. 9,12,1 vom J. 319 (mit einem langen Katalog von Fällen, die zur Bestrafung des Herrn führen). Dagegen unternimmt die weltliche Gesetzgebung im Frankenreich nichts, um die völlige Mittellosigkeit der Sklaven zu beseitigen. Man überläßt es der Kirche, mit geistlichen Strafen zu drohen. Nach Nehlsen galt das umfassende Herrenrecht seit Ansiedlung der Franken auf römischem Boden, in der lex Salica sind „Sklaven bewußt den Sachen zugeordnet“ (s. Anm.3, 273). Hist. Franc. 3,155. Sie wurden kurz darauf von einem Priester aufgenommen und versorgt. Ebd. 5,3. Bezeichnend das Verhalten des Herzogs Rauching: Wenn der Gequälte schreien oder sich von der Stelle rühren wollte, zog er sogleich das Schwert blank, und während der Unglückliche wimmerte, jauchzte der Herzog vor Freude. Ebd. 7,46: Zwei sächsische Knechte zürnten ihrem Herrn, einem Kaufmann, schon lange und waren ihm schon wiederholt entlaufen, weil er sie oft hart züchtigte. Deshalb durchbohrte ihn der eine in einem Wald, der andere spaltete ihm mit dem Schwert den Kopf. Einer der Mörder wurde gefaßt, gefoltert und am Galgen aufgeknüpft. Sidon. Ep. 6,12,1: [...] qui vivit alieno quique fidelium calamitates indigentiamque miseratus facit in terris opera caelorum. Daher das Lob des Sidonius am Ende des Briefes (6,12): Per omnem fertur Aquitaniam gloria tua; amaris laudaris, desideraris excoleris, omnium pectoribus, omnium votis. Er ist für alle ein bonus sacerdos und bonus pater. Auch Sidonius selbst sorgte als Bischof für die Armen seines Bistums (ep. 4,7,2; 4,17,2). Hierzu J. Tobei, Bischofsamt und Caritas. Das Amtsethos des Bischofs als Pater pauperum im Decretum Gratiani, Diss. Freiburg 1964, 19ff. und bereits früher K.L. Noethlichs, Materialien zum Bischofsbild aus den spätantiken Rechtsquellen, in: JbAC 6, 1973, 39ff. Zu den Epithaphien der Bischöfe, wo die rühmliche Eigenschaft elemosinarius nicht fehlt, vgl. bes. M. Heinzelmann, Bischofsherrschaft in Gallien. Zur Kontinuität römischer Führungsschichten vom 4. bis zum 7. Jh. Soziale, prosopographische und bildungsgeschichtliche Aspekte, München 1976, 162ff. In der Vita des Caesarius, die Cyprian von Toulon und andere Freunde und Schüler zwischen 542/549 gemeinsam verfaßten, wird erzählt, daß der Heilige einmal so viele Gefangene freikaufte, daß sein Ordinator den Vorschlag machte, sie doch durch die öffentliche Fürsorge ernähren zu lassen (vita Caesarii II 8 [MGH SS rer. Merov. III 486]). Auch in den zahlreichen Predigten des Caesarius spielt die redemptio captivorum eine große Rolle. Zum regen Sklavenhandel in der merowingischen und

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Richard Klein

karolingischen Zeit im großen Stil (zugleich Transithandel von Ost nach West), der sich in der Stadt Arles konzentrierte, vgl. C. Verlinden, Wo, wann und warum gab es einen Großhandel mit Sklaven während des Mittelalters? Köln 1950, 1ff. Viele Sklavenhändler waren übrigens Juden. Bezeichnend die Bestimmung des Konzils von Lyon vom J. 583: Wer von den losgekauften Gefangenen sein Lösegeld nicht aufbringen kann, bleibt im Dienste des Bischofs, der ihm zur Freiheit verholfen hatte (C. Declercq, Concilia Galliae A.511–A.695, Turnhout 1968, 232 cn. 2). So auf dem Konzil von Yenne vom J. 517 (can. 8): Mancipia vero monachis donata ab abbate non leceat manumitti; iniustum enim potamus, ut monachis cotidianum rorale opus facientebus servi eorum libertatis otio potiantur. Daraus geht hervor, daß sich die Arbeit der freien Mönche und der Sklaven kaum unterschied. So auf dem Konzil von Orleans vom J. 541 (can. 9 und 32). Es dürfte sich um den Status von Halbfreien gehandelt haben, die zwar niemals einer ordnungsgemäßen Freilassung teilhaftig geworden waren, aber in größerer Entfernung von ihren Herren arbeiteten und im Laufe der Zeit wie Kolonen oder Laeten angesehen wurden (so auch C. Verlinden, L'esclavage dans l'europe medievale, I: Péninsule Iberique-France, Brügge 1955, 683). Can. 7: Et quia plurimorum suggessione conperimus eos, qui in ecclesia iuxta patrioticam consuetudinem a servitio fuerint absoluti, pro libito quorumcumque iterum ad servitium revocari, impium esse tractavimus, ut, quod in ecclesia dei consideratione a vinculo servitutis absolvitur, irritum habeatur [...] Huiusmodi quoque libertas si a quocumque pulsata fuerit, cum iustitia ab ecclesiis defendatur, praeter eas culpas, pro quibus legis conlatas servis revocari iusserunt libertates. Man scheint sich also in diesem Zeitalter der Willkür und Brutalität nicht einmal an die durch die Kirche verfügte Freilassung gehalten zu haben. Daher zu einseitig, wenn es bei Graus (s. Anm.28) heißt, die Kirche habe auf jede Weise die weltlichen Gerichte unterstützt. Hierüber zusammenfassend O. Schilling, Naturrecht und Staat nach der Lehre der Alten Kirche, Paderborn 1914, 78ff.

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Informationen Zum Buch Die Beschäftigung mit der Sklaverei ist eine wichtige Voraussetzung zum Verständnis der antiken Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Die Beiträge dieses Bandes beleuchten die in der Forschung kontrovers diskutierten Themen und eröffnen einen Zugang zu den verschiedenen Aspekten der antiken Sklaverei.

Informationen Zum Autor Elisabeth Herrmann-Otto ist Professorin für Alte Geschichte an der Universität Trier. Ihre Forschungsschwerpunkte sind neben der Sklaverei (einschließlich der antiken Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) die Spätantike, insbesondere die Zeit Konstantins.