161 84 179MB
German Pages 668 [661] Year 1960
I. NÄRAY-SZABÓ ANORGANISCHE CHEMIE • BAND I
ANORGANISCHE CHEMIE BAND I
VON
ISTVÄN
NÄRAY-SZAB0
MIT 34
ABBILDUNGEN
AKADEMIE-VERLAG AKADfiMIAI
•
BERLIN
KIADÖ
VERLAG DER UNGARISCHEN A K A D E M I E BUDAPEST
1959
1959
DER
WISSENSCHAFTEN
Übersetzt
aus dem
Ungarischen
von Dipl.-Ing. A N D R Ä S
BEUCZAY
Lektoriert von BÉLA LENGYEL Kossutbpreisträger, Doktor der chemischen Wissenschaften ZOLTÄN SZABÓ Akademiker Kossutbpreisträger, Doktor der chemischen Wissenschaften
Durchsicht
des d e u t s c h e n
Textes
DR. W A L T E R S C H I C K E I n s t i t u t f ü r Dokumentation der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
VERKAUF
DIESES
EXEMPLARS
NUR
IN
DEUTSCHLAND
GESTATTET
(c)
Akadémiai
Kiadó,
Budapest
1959
Gemeinschafts ausgabe des Akademiai Kiadd, Budapest, V., A l k o t m a n y utca 21 und des Akademie-Verl ages GmbH, Berlin W I, Leipziger Straße 3—4 Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung : Druckerei der Ungarischen Akademie der Wissenschaften Verantwortlicher Leiter: György Bernat Bestellnummer: 8011 Printed in Hungary E S 18 C 4
VORWORT Die internationale chemische Literatur ist reich an guten Lehrbüchern der anorganischen Chemie, die aber mit Ausnahme der bekannten, großen
Handbücher
(GMELIN,
MELLOR,
FHIEND,
PASCAL
und
neuerdings
SNEED—MAYNARD—BRASTED) alle ein- oder zweibändig sind. Daher können sie natürlich keine eingehendere Beschreibung der Elemente und besonders der weniger verbreiteten Verbindungen geben und können nicht als Nachschlagebuch dienen. Andererseits enthalten einige sehr viele solche Informationen, die nur selten oder nur von Spezialisten gebraucht werden. Nicht zuletzt kommt die Tatsache, daß diese Handbücher entweder veraltet oder noch nicht abgeschlossen sind und in absehbarer Zeit nicht abgeschlossen werden können. Natürlich sind die Kosten der Anschaffung der Handbücher fast nur für Institute tragbar. Daher habe ich mich entschlossen, eine »Anorganische Chemie« mittleren Umfanges zu schreiben. Sie enthält möglichst alle, für den Chemiker wichtigen physikalischen und chemischen Tatsachen, die über Elemente und sicher bekannte Verbindungen vorliegen. Die Geschichte, Vorkommen, technologische und Produktionsdaten, physiologisches Verhalten und analytischer Nachweis werden weniger eingehend behandelt. Der Stil ist gedrängt, um Raum zu sparen. Der T e x t enthält nur streng anorganische Verbindungen, also keine solche mit organischen Radikalen. Die Reihenfolge der Elemente und Verbindungen ist dem Periodensysten angepaßt; die Elemente einer Hauptgruppe (oder einer Nebengruppe) werden zunächst nacheinander besprochen, dann ihre Verbindungen ebenfalls zusammen; so ist es leicht, z. B. die Chloride einer Gruppe zu vergleichen. Mit dem Wasserstoff beginnend werden die nichtmetallischen Elemente und dann die Metalle erörtert. Man kann ein Element oder irgendeine Verbindung leicht auffinden, was auch durch ausführliche Sach- und Formelregister ermöglicht wird. Das Buch ist in drei Bände geteilt. Der vorliegende erste Band enthält nach der allgemeinen Einleitung die nichtmetallischen Elemente (Gruppen V I I b — I H b ) und ihre Verbindungen. In der Gruppe I V b kommen auch Zinn und Blei zur Besprechung. Theoretische und physikalisch-chemische Ausführungen sind möglichst beschränkt. Da jedoch viele Chemiker sich mit der neueren Entwicklung der Atomtheorie, Kernchemie und der Theorie der chemischen Bindung nicht befassen konnten, wird zur Einleitung dieses Gebiet in gemeinverständlicher Weise kurz zusammengefaßt. Die Ergebnisse der Molekel- und Kristallstrukturforschung wurden überall berücksichtigt. Die Lanthanide, die seltenen radioaktiven Elemente
VORWORT
6
und die Actinide bzw. Transurane und ihre Verbindungen werden nach dem heutigen Stand der Wissenschaft beschrieben. Auf die physikalischen Konstanten der Elemente und Verbindungen wurde ein besonderes Gewicht gelegt und es wurden die besten zur Verfügung stehenden Werte sorgfältig ausgewählt. Sind bei irgendeiner Verbindung keine physikalischen Konstanten angegeben, so sind sie in der Literatur nicht zu finden. Damit möchte der Verfasser ein kleines Handbuch der anorganischen Chemie bieten, welches für den täglichen Gebrauch möglichst vieler Leser nutzbar ist. Chemiker, Forscher der Grenzgebiete, wie Mineralogen, Geologen, Biologen, Mediziner, Pharmazeuten, Landwirte u. a. werden das Buch zur schnellen Orientation gebrauchen können. Der Klasse der Chemischen Wissenschaften der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, welche die Herausgabe des Buches ermöglichte, gebührt mein aufrichtiger Dank. Dem Übersetzer, Herrn Dipl.-Ing. A . BELICZAY danke ich herzlichst für seine große Arbeit. Der Akademische Verlag, Budapest, stand mir bei der Herausgabe in entgegenkommender Weise zur Verfügung, wofür ich besonderen Dank schulde. Budapest, im Oktober 1959 I.
Ndray-Szabo
INHALTSVERZEICHNIS Einleitung
11
I. Allgemeiner Teil
A) Atome 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.
Die Entwicklung des Elementbegriffs Die ersten Versuche zur Ordnung der Elemente Die Aufstellung des Periodensystems Lang- und kurzperiodiges System Die Beziehungen zwischen den Eigenschaften der Elemente und ihrer Stellung im Periodensystem Die Ordnungszahl Die Atomtheorie Isotopie Neugestaltung der Atomtheorie Positive Strahlen Die Quantentheorie Die Radioaktivität Das Atommodell von RUTHERFORD und BOHR Linienspektren Anregung, Ionisation Die Grenzen der Anwendbarkeit des BoHRschen Modells Röntgenstrahlen Die magnetische Quantenzahl Die Spinquantenzahl
21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.
Die Elektronenkonfigurationen der Elemente Wellenmechanik und Quantenmechanik Das wellenmechanische Atommodell Der Atomkern Die Elementarteilchen Radioaktiver Zerfall Radioaktive Maßeneinheiten. Strahlenschutz Atomkernreaktionen Die künstliche Radioaktivität Die Kernspaltung Der Aufbau des Atomkerns Die künstlichen neuen Elemente Die Natzbarmachung der Atomenergie
62 66 69 70 71 74 78 79 86 86 109 110 111
34. 35. 36. 37.
B) Verbindungen Die zusammenhaltenden Kräfte der Körper Die großen Gruppen der Verbindungen Ionenverbindungen Die Gitterenergie von Ionenverbindungen
114 114 115 117
20. Das PAULI-Prinzip
15 17 18 20 23 24 27 28 36 37 38 40 44 47 49 51 56 59 60 60
8
INHALTSVERZEICHNIS
38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48.
Ionenradien 120 Die Polarisation 124 Isomorphie, Mischkristalle 125 Schwestertypen 129 Die strukturabhängigen Eigenschaften 129 Die physikalischen Eigenschaften der Ionengitter 130 Atomverbindungen. Die kovalente Bindung 131 Die physikalischen Eigenschaften der Atomgitter 136 Atomradien 137 Molekelverbindungen 139 Ubergang zwischen der ionogenen und der kovalenten Bindung. Elektronegativität 140 49. Metallische Gitter, metallische Verbindungen 144 50. Ionengitter mit zusammengesetzten Radikalen 146 51. Hydrate, Ammine, Additionsverbindungen 147 52. Das System dieses Buches 147 53. Die Zahl der anorganischen Verbindungen 151 Literatur zum allgemeinen Teil 151 II. Spezieller Teil Die nichtmetallischen. Wasserstoff
Elemente
und ihre
Verbindungen
155 Schwerer Wasserstoff (Deuterium) 169 Tritium 171 Hauptgruppe Vllb : Die Halogengruppe 173 Fluor 175 Chlor 179 Brom 186 Jod 189 Astat 194 Halogenwasserstoffe 196 Fluorwasserstoff 197 Chlorwasserstoff, Salzsäure 200 Bromwasserstoff 206 Jodwasserstoff 208 Verbindungen der Halogene untereinander 212 Hauptgruppe VIb : Die Sauerstoffgruppe 216 Sauerstoff 218 Ozon 227 Oxydation und Reduktion 230 Schwefel 233 Selen 241 Tellur 245 Polonium 248 Hydride der Sauerstoffgruppe 251 Wasser 251 Wasserstoffperoxyd 269 Schwefelwasserstoff 272 Wasserstoffpolysulfide 277 Selenwasserstoff 279 Tellurwasserstoff 280 Poloniumwasserstoff 282 Oxyde der Halogene 282 Verbindungen der Halogene mit Sauerstoff und Wasserstoff : die Sauerstoffsäuren der Halogene 289 Halogenate und Sulfate des Jods 296 Halogenverbindungen der anderen Elemente der Hautgruppc VIb 298
9-
INHALTSVERZEICHNIS
Oxyde der Elemente der Hauptgruppe VIb Oxyde des Schwefels Oxyde und Sulfoxyde von Selen und Tellur Verbindungen des Schwefels mit Sauerstoff und Wasserstoff und Wasserstoff: Schwefelsäuren Schwefelsäure Die übrigen Schwefelsäuren Verbindungen von Schwefel und Selen mit Sauerstoff und Halogenen Halogenide der Schwefelsäuren Verbindungen des Schwefels mit Sauerstoff, Halogenen und Wasserstoff: Halogenschwefelsäuren Verbindungen von Selen und Tellur mit Sauerstoff und Wasserstoff : Selen- u n d Tellursäuren Hautgruppe Vb : Die Stickstoffgruppe Stickstoff Die L u f t Phosphor Arsen Antimon Wismut Hydride der Elemente der Stickstoffgruppe Halogenide der Elemente der Stickstoffgruppe Verbindungen der Elemente der Stickstoffrguppe mit Halogenen und Wasserstoff Oxyde der Elemente der Stickstoffgruppe Verbindungen der Elemente der Stiekstoffgruppe mit Sauerstoff und Wasserstoff Verbindungen der Elemente der Stickstoffgruppe mit Sauerstoff und Halogenen Schwefelverbindungen der Elemente der Stickstoffgruppe Selenide und Telluride der Elemente der Stickstoffgruppe Verbindungen der Elemente der Stickstoffgruppe mit Schwefel und Wasserstoff (Thiosäuren) Verbindungen der Elemente der Stickstoffgruppe mit Schwefel und Sauerstoff Verbindungen der Elemente der Stickstoffgruppe mit Schwefel, Sauerstoff und Wasserstoff Verbindungen der Elemente der Stickstoffgruppe mit Stickstoff, sowie mit Stickstoff und Sauerstoff Verbindung von Phosphor, Schwefel u n d Sauerstoff Verbindungen des Phosphors mit Schwefel und Halogenen Verbindungen des Phosphors mit Stickstoff und Wasserstoff, sowie mit Sauerstoff Verbindungen des Wismuts mit Phosphor, Arsen und Sauerstoff
306 307 312 316 318 327 332 332 338 339 344 346 352 355 362 366 370 373 389 406 407 423 443 448 455 457 457 458; 459 460 461 461 462.
H a u p t g r u p p e IVb : Die Kohlenstoffgruppe 463 Kohlenstoff 465 Silicium 475 Germanium 479 Zinn 481 Blei 485 Hydride der Elemente der Kohlenstoffgruppe 489 Kohlenwasserstoffe 490 Siliziumwasserstoffe (Silane) 500 Germaniu nWasserstoffe (Germane) 502 Zinn- und Bleiwasserstoff 504 Halogenide der Elemente der Kohlenstoffgruppe 505 Verbindungen der Elemente der Kohlenstoffgruppe mit Halogenen und Wasserstoff 523 Oxyde der Elemente der Kohlenstoffgruppe 528 Oxyde des Kohlenstoffs 529 Oxyde des Siliciums 539 . Oxyde von Germanium, Zinn und Blei 546
40
INHALTSVERZEICHNIS
Verbindungen von Kohlenstoff und Silicium mit Sauerstoff und Wasserstoff . . . . Verbindungen von Germanium, Zinn und Blei mit Sauerstoff und Wasserstoff . . . Verbindungen der Elemente der Kohlenstoffgruppe mit Sauerstoff und Halogenen Sulfide, Selenide und Telluride der Elemente der Kohlenstoffgruppe Verbindungen der Elemente der Kohlenstoffgruppe mit Schwefel und Wasserstoff Verbindungen der Elemente der Kohlenstoffgruppe mit Schwefel, Selen, Tellur sowie Sauerstoff Verbindungen der Elemente der Kohlenstoffgruppe mit Stickstoff Verbindungen der Elemente der Kohlenstoffgruppe mit Stickstoff und Wasserstoff Verbindungen des Kohlenstoffs mit Stickstoff und Halogenen Verbindungen des Kohlenstoffs mit Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. . . . Verbindung des Kohlenstoffs mit Stickstoff und S c h w e f e l . . . . . ' Verbindung des Kohlenstoffs mit Stickstoff, Schwefel und Wasserstoff . Verbindungen von Silicium, Zinn und Blei mit den Elementen der Stickstoffgruppe sowii mit Sauerstoff, Halogenen und Wasserstoff Verbindungen der Elemente der Kohlenstoffgruppe miteinander Verbindungen von Zinn und Blei mit Kohlenstoff und Sauerstoff Verbindungen von Zinn und Blei mit Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff . Verbindung des Bleis mit Silicium und Fluor Verbindungen von Zinn und Blei mit Silicium und Sauerstoff ;Hauptgruppe l i l a : Bor Verbindungen des Bors mit Wasserstoff Verbindungen des Bors mit Halogenen sowie mit Halogenen und Wasserstoff Oxyde des Bors Verbindungen des Bors mit Sauerstoff und Wasserstoff Verbindungen des Bors mit Sauerstoff, Fluor und Wasserstoff Verbindungen des Bors mit Schwefel und Selen sowie mit Wasserstoff Verbindungen des Bors mit Stickstoff sowie mit Stickstoff und Wasserstoff . . Verbindungen des Bors mit Phosphor und Arsen sowie mit Sauerstoff Verbindung des Bors mit Kohlenstoff Literatur zum speziellen Teil Namenregister Sachregister Formelregister Verzeichnis der Tabellen .Internationale Atomgewichte (1957)
552 565 568 572 581 582 587 589 592 594 595 595 596 599 600 601 603 603 604 608 612 615 616 619 620 621 622 623 624 627 632 646 663 664
EINLEITUNG
Alle V e r ä n d e r u n g e n in der N a t u r gehen u n t e r W a h r u n g von zwei großen N a t u r g e s e t z e n v o r sich, die sich l e t z t e n E n d e s zu einem z u s a m m e n f a s s e n lassen. Diese sind das Gesetz von der Erhaltung der Materie u n d das Gesetz von der Erhaltung der Energie. E s ist m e r k w ü r d i g , wie s p ä t diese beiden Gesetze d u r c h die W i s s e n s c h a f t e r k a n n t w u r d e n . LOMONOSSOW bewies i m J a h r e 1756, d a ß bei der O x y d a t i o n v o n Blei das G e s a m t g e w i c h t des in einem geschlossenen R a u m e r h i t z t e n Bleis u n d der L u f t u n v e r ä n d e r t bleibt, d. h. die S u m m e der Gewichte der r e a g i e r e n d e n Stoffe ist gleich der S u m m e der Gewichte der R e a k t i o n s p r o d u k t e . D a s Gesetz v o n der E r h a l t u n g der Materie w u r d e i m J a h r e 1774 d u r c h LAVOISIER a u f g e f u n d e n , n a c h d e m er eine richtige E r k l ä r u n g f ü r die Erschein u n g e n der V e r b r e n n u n g gab u n d diese d u r c h g e n a u e W ä g u n g e n ü b e r p r ü f t e . D a n a c h ist bei j e d e m chemischen V o r g a n g die S u m m e der G e w i c h t e der ents t e h e n d e n S t o f f e gleich der S u m m e der Gewichte der m i t e i n a n d e r r e a g i e r e n d e n Stoffe. Ü b e r die G ü l t i g k e i t s g r e n z e n dieses Gesetzes w u r d e n v o n LANDOLT i m J a h r e 1908 g e n a u e U n t e r s u c h u n g e n a u s g e f ü h r t . E r b e s t i m m t e die Gewichte v o n in geschlossenen Glasgefäßen g e t r e n n t e n u n d d a n n in B e r ü h r u n g gebracht e n , m i t e i n a n d e r r e a g i e r e n d e n S t o f f s y s t e m e n , z. B. Zink u n d K u p f e r s u l f a t lösung, vor u n d n a c h der R e a k t i o n . Die Fehlergrenze der Messung lag u n t e r h a l b 3 • 1 0 ~ 8 g, b e t r u g also 1 • 1 0 _ 7 % ; eine G e w i c h t s v e r ä n d e r u n g k o n n t e n i c h t nachgewiesen w e r d e n . E i n e noch h ö h e r e G e n a u i g k e i t k o n n t e v o n EÖTVÖS err e i c h t w e r d e n , der m i t Hilfe seiner Torsionswaage die Masse ähnlicher S y s t e m e v o r u n d n a c h der R e a k t i o n b e s t i m m t e . O b z w a r er die E m p f i n d l i c h k e i t der Messungen bis auf 1 0 ~ 8 % e r h ö h e n k o n n t e , f a n d a u c h er keine Gewichts Verä n d e r u n g . D a s Gesetz von der E r h a l t u n g der Materie ist also wenigstens bis z u diesen engen Grenzen gültig. D a s Gesetz v o n der E r h a l t u n g der Energie w u r d e erst s p ä t e r f o r m u l i e r t , d e n n erst gegen E n d e des 18. J a h r h u n d e r t s w u r d e e r k a n n t , d a ß a u c h die W ä r m e eine A r t E n e r g i e ist. Die E n t d e c k u n g dieses P r i n z i p s ist das V e r d i e n s t v o n J . ROBERT MAYER (1842) u n d J . P . JOULE (1847). D a n a c h k a n n E n e r g i e
weder
erzeugt, n o c h v e r n i c h t e t w e r d e n ; lediglich die U m w a n d l u n g der einen Energiea r t in eine a n d e r e ist möglich. D e r E n e r g i e v o r r a t des Weltalls ist also u n v e r ä n d e r l i c h . Gleichfalls sind die f ü r die U m r e c h n u n g der verschiedenen Energiea r t e n gültigen F a k t o r e n k o n s t a n t , z. B. ist eine Kilocalorie (kcal) stets gleich 427 M e t e r k i l o g r a m m . Die Vereinigung dieser b e i d e n Gesetze erfolgte d u r c h die Feststellung, d a ß sich Energie in Materie u n d u m g e k e h r t , Materie in Energie u m w a n d e l n k a n n . N a c h der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e m u ß der E n e r g i e a u c h I m p u l s , also Bewe-
12
EINLEITUNG
gungsgröße und Masse zugeschrieben werden. Daß Impuls vorhanden ist, wird z. B. durch den COMPTON-Effekt bewiesen, bei dem ein mit einem Röntgenquant zusammenprallendes Elektron zurückgestoßen wird. Zwischen Materie und Energie besteht folgende, sehr einfache Beziehung: E — nie2, wobei m die Masse in Gramm, c die Lichtgeschwindigkeit (3 • 1010 cm-sec - 1 ) und E die Energie in Erg bedeuten. Danach ist leicht zu berechnen, welchen Gewichtsverlust die sich entwickelnde Energie bei chemischen Reaktionen verursacht. Bei der Entstehung von 1 Mol (18 g) Wasser werden 68,5 kcal frei, diese entsprechen einer Masse von 3,18-10 _ 8 g. Der Gewichtsverlust des reagierenden Systems kann allerdings nicht mehr mit Sicherheit gemessen werden» da die Versuchsfehler viel größer sind.
A)
ATOME
1. Die Entwicklung des Elementbegriffs. Es ist bezeichnend, daß sick der Mensch schon in den ältesten Zeiten mit der Erforschung des Wesens der Materie beschäftigt hat. In den auf uns überkommenen uralten naturphilosophischen Werken nimmt diese Frage sozusagen den wichtigsten Platz ein. Schon die indischen Weden (XII. J h . v. u. Z.) trachteten, die mannigfaltigen Erscheinungen der Welt einheitlich zu erklären, und sie weisen, wenn auch verworren, so doch unmißverständlich, auf eine Ureinheit (»tad ekam«) hin, die sich dann als »Urwasser« neu gestaltet. Die späteren Upanischaden halten schon sowohl die Erde als auch das Wasser für Elemente. Der indische Philosoph K A N A D A , der kurz vor unserer Zeitrechnung lebte, nimmt vier Elemente an, und zwar die Erde, das Wasser, die Luft und das Feuer, und spricht ihnen eine atomare Struktur zu. Zwar ist nicht bekannt, ob eine Verbindung zwischen der alten indischen und der hellenistischen Philosophie bestand, doch ist es eine Tatsache, daß die griechischen Philosophen sehr ähnliche Ansichten vertraten. In den Epen von H O M E R entstammt alles, was besteht, der ewig wallenden Flut des Ozeans, und auch T H A L E S von Milet ( 6 3 0 — 5 5 0 v. u. Z.) hält das Wasser f ü r den Grundstoff aller existierenden Körper, aus dem sie entstehen und in das sie sich am Ende zurückverwandeln. Die klassische indische und noch entschiedener die hellenistische Philosophie gaben sich mit der Zurückführung der Materie auf ein Urelement oder auf wenige Urelemente nicht zufrieden, sondern schufen eine exakte Theorie vom Aufbau der Materie. Schon in der indischen Philosophie taucht der Gedanke auf, daß die Materie nicht unbegrenzt teilbar ist. Davon ausgehend schufen L E U K I P P O S und sein Schüler D E M O K R I T ( 4 7 0 v. u. Z.), wahrscheinlich unabhängig von der indischen Philosophie, die klassische Atomtheorie. Demnach besteht ein jeder Körper, also auch die Materie selbst, aus sehr kleinen, unteilbaren Teilchen — den Atomen —, die infolge ihrer Kleinheit unsichtbar sind. Die Atome bestehen ewig und sind unzerstörbar; sie sind ständig in Bewegung. Es gibt sehr viele, verschiedene Atome. Ein jeder Körper ist aus ihnen so aufgebaut, daß zwischen den Atomen ein leerer Raum bleibt. Die Eigenschaften der Körper sind von der Beschaffenheit und von der Anordnung der Atome abhängig. Später hielten die Philosophen der miletischen Schule entweder ein besonderes, spezifisches Urelement ( A N A X I M A N D R O S ) , oder die Luft oder aber das Feuer für das Grundelement, während in der Folgezeit E M P E D O K L E S ( 4 9 0 — 4 3 0 ' v. u. Z.) vier Elemente annahm: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Sein System wurde auch von A R I S T O T E L E S ( 3 8 4 — 3 2 2 v. u. Z.) übernommen, der J a h r h u n -
16
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
derte später der meistgeschätzte, j a ausschließlich anerkannte Philosoph des antiken und mittelalterlichen Christentums w a r . ARISTOTELES stellte sich die E n t s t e h u n g der vier Urelemente so v o r , daß ein einziger U r s t o f f mit verschiedenen E i g e n s c h a f t e n v e r b u n d e n ist: die Materie ist entweder k a l t oder w a r m u n d dabei zugleich trocken oder f e u c h t . K a l t und trocken ist die Erde, k a l t und f e u c h t ist das Wasser, w a r m und f e u c h t ist die L u f t , w a r m und trocken ist das Feuer. Diese rein spekulative Theorie erfuhr eine U m g e s t a l t u n g , als i m Mittelalter die A l c h i m i s t e n ihre experimentelle A r b e i t begannen (bekanntlich haben die griechischen Philosophen das Experimentieren verachtet); ihnen fehlte jedoch eine einheitliche A n s c h a u u n g . Mit Vorliebe w a n d t e n sie mystische U m schreibungen an, u m »Unberufenen« das Verstehen ihrer W e r k e zu erschweren. Die Ergebnisse der sich etwa über sechs bis sieben Jahrhunderte erstreckenden, ausgedehnten Versuche standen zwar in keinem Verhältnis zur a u f g e w a n d t e n Mühe, doch k a n n m a n nicht leugnen, daß auf chemischem Gebiet viele E r f a h rungen gesammelt wurden. So entdeckten beispielsweise die Alchimisten f ü n f E l e m e n t e (im heutigen Sinn): Phosphor, Arsen, A n t i m o n , W i s m u t und Z i n k . In ihren Schriften bezeichneten sie neben den alten, hypothetischen Elementen den Schwefel, das Salz und das Quecksilber als Träger der Brennbarkeit, der Löslichkeit b z w . der metallischen Eigenschaften. E r s t im 17. Jahrhundert konnte die mit der Renaissance sich entwickelnde naturwissenschaftliche Forschung auch auf dem Gebiet der Chemie Fortschritte machen. Der englische Chemiker ROBERT BOYLE (1626 — 1691) stellte in seinem W e r k »The Sceptical C h y m i s t « das E x p e r i m e n t in den Vordergrund und meinte, die Elemente seien einfache und von Beimischungen völlig freie Stoffe, die nicht aus anderen Stoffen entstehen ; aus ihnen sollten die gemischten K ö r p e r gebildet werden, die letzten Endes wieder in E l e m e n t e zerlegt werden könnten. Diese Definition ist auch heute noch gültig, sie w a r wichtig für die K l a r stellung der B e g r i f f e und der Grundsätze. BOYLE w u ß t e freilich noch nicht, welche chemischen S t o f f e tatsächlich E l e m e n t e sind, doch das konnte nur auf experimentellem W e g e geklärt werden. Die erste umfassende chemische Theorie w a r die Phlogistontheorie v o n :STAHL ( 1 6 6 0 — 1 7 3 4 ) . Besonders die o x y d a t i v e n und r e d u k t i v e n V o r g ä n g e versuchte STAHL durch die A n n a h m e eines in allen S t o f f e n enthaltenen, brennbaren Prinzips zu erklären, welches dann als eine materielle Substanz angenommen und Phlogiston genannt wurde. Viel später wurde dann eine kurze Zeit lang das Phlogiston mit dem Wasserstoff identifiziert. N a c h der Phlogistontheorie sind die Metalle Verbindungen eines M e t a l l o x y d s (»Kalk«) mit dem Phlogiston (es gibt natürlich vielerlei » K a l k e « , d. h. Metalloxyde); beim Verbrennen entweicht aus dem Metall Phlogiston, u n d es bleibt » K a l k « zurück. LAVOISIER zeigte die Unrichtigkeit dieser Vorstellungen, indem er bewies, d a ß das Gewicht des Verbrennungsproduktes größer ist als das des verbrennenden Stoffes. E r übernahm die Definition des E l e m e n t s v o n BOYLE u n d erklärte, das Endergebnis der chemischen A n a l y s e sei das E l e m e n t . I n seinem L e h r b u c h zählt er schon 3 3 Elemente auf, unter ihnen auch die W ä r m e (»calorique«) sowie das L i c h t (»lumière«). E r hielt die damals in freiem Z u s t a n d noch u n b e k a n n t e n Grundstoffe des Fluorwasserstoffs und der Borsäure, ferner
17
2. D I E E R S T E N V E R S U C H E ZUR O R D N U N G D E R E L E M E N T E
Kalk, Magnesia, Baryterde und Tonerde sowie Kieselsäure ebenfalls für Elemente. Die heutige Definition des Elements hat sich gegenüber der klassischen Definition von BOYLE insofern geändert, als man erkannte, daß auch Elemente verändert werden können (Radioaktivität, Kernspaltung). Außerdem stellte sich heraus, daß Elemente, deren Atomgewichte durch einige Einheiten voneinander abweichen (Isotope), sich chemisch identisch verhalten können (siehe Punkt 8). Als Elemente werden heute also Stoffe bezeichnet, die durch kein chemisches Verfahren weiter zerlegt werden können. Die Bombardierung mit Teilchen sowie die zur Trennung der Isotopen gebrauchten Methoden sind physikalische Verfahren. 2. Die ersten Versuche zur Ordnung der Elemente. Bereits LAVOISIER unterschied zwischen metallischen und nichtmetallischen Elementen. Von den in seinem Buch aufgezählten Grundstoffen waren zwar acht damals nur in Form ihrer Verbindungen bekannt, es wurden jedoch in schneller Folge weitere entdeckt: die Platinmetalle, die Alkalimetalle, die Erdalkalimetalle usw., so daß um 1860 bereits 63 Elemente bekannt waren. DÖBEREINER versuchte im Jahre 1829 als erster mit einigem Erfolg einen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften und den Atomgewichten der Elemente zu finden. Er erkannte, daß es in mehreren Fällen möglich ist, je drei einander sehr ähnliche Elemente so zusammenzustellen, daß zwischen ihren Atomgewichten eine einfache Beziehung besteht; das Atomgewicht des mittleren ist nämlich der Mittelwert aus den Atomgewichten der beiden anderen. Der Unterschied zwischen den Atomgewichten beträgt stets ungefähr 16 bzw. 48. Solche Triaden sind nachstehend aufgezählt. Element
Atomgewicht
Li
7
Na
23
K
39
Unterschied
16 16
Element
Atomgewicht
Ca
40
Sr
88
Ba
137
Unterschied
48 49
Element
Atomgewicht
S
32
Se
79
Te
127
Unterschied
47 48
Element
Atomgewicht
C1
35
Br
80
J
127
Unterschied
45 47
Später (1857) stellte ODLING eine Tabelle zusammen, der zwar nicht die Atomgewichte zugrundelagen, deren erste drei Reihen sowie deren 5. und 6. Reihe jedoch den Gruppen Vlla, Via, Va bzw. Ia und IIa des heutigen Periodensystems entsprechen. Im Jahre 1865 entdeckte NEWLANDS das sogenannte Gesetz der Oktaven. Als er die damals bekannten Elemente in der Reihenfolge ihrer Atomgewichte anordnete, fand er an jeder achten Stelle ein ähnliches Element (Tab. 1). Die ersten zwei Oktaven entsprechen beinahe den ersten zwei Perioden unseres heutigen Periodensystems, in der dritten kommen schon mehrere Fehler vor und in den danach folgenden noch mehr (es werden hier nur die ersten fünf Perioden gebracht). 2 N ä r a y . Anorganische Chemie
18
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
Tabelle 1 Die Oktaven von NEWLANDS (mit abgerundeten heutigen Atomgewichten) II Li Be B C N 0
I 7 9 11 12 14 16
F Na Mg AI Si P S
19 23 24 27 28 31 32
Cl K Ca Cr! Ti Mn ! Fe!
35 39 40 52 48 55 56
Co und Ni! 59 Cu 64 Zn 65 Y! 89 In! 115 As 75 Se 79
Br Rh Sr Ce und La ! Zr Di* und Mo! R h und R u !
80 85 88 140 91 143 103
und
139
und und
96 102
* Di = Didym ; wurde später in zwei Elemente, Neodym und Praseodym, getrennt. Die an falschen Stellen stehenden Elemente sind mit Ausrufungszeichen bezeichnet. NEWLANDS konnte einerseits nicht in Betracht ziehen, daß es auch noch unentdeckte Elemente gab, andererseits waren einige der damaligen Atomgewichte falsch. Daher ließen sich seine 62 Elemente nur teilweise richtig ordnen und seine Tabelle fand auch keine größere Anerkennung. BOISBAUDRAN (1863) brachte die Elemente nach ihren Atomgewichten spiralenförmig auf einer Zylinderfläche in Serien mit 8 bzw. 16 Gliedern unter, aber auch auf diese Weise erhielt er kein brauchbares System.
3. Die Aufstellung des Periodensystems. Nach diesen Versuchen stellten im Jahre 1869 M E N D E L E J E W und LOTHAR M E Y E R fast gleichzeitig, jedoch unabhängig voneinander, das periodische System auf, in dem sie die damals bekannten Elemente in der Reihenfolge ihrer Atomgewichte anordneten. In seiner ersten Fassung enthielt das System noch viele Fehler. Beide Forscher haben ihre Tabellen jedoch erfolgreich weiterentwickelt, so daß M E N D E L E J E W im Jahre 1870 das kurzperiodige und das langperiodige System schon in einer von der heutigen kaum abweichenden Form veröffentlichen konnte, aus der sich die heute gebräuchliche Form mit gewissen kleineren Modifizierungen entwickelte. Einer der wichtigsten Vorteile der Tabelle von M E N D E L E J E W bestand darin, daß er mehrere Stellen für Elemente frei ließ, die noch nicht entdeckt waren, dem System zufolge jedoch existieren mußten. Dementsprechend ordnete er in der langperiodigen Tabelle vom Jahre 1869 in der Gruppe 12 Be, Mg, Cd, in der nächsten, 13. Gruppe B, AI, — (Lücke), in der Gruppe 14 C, Si, —, Sn und in der Gruppe 15 N, P, As, Sb ein. In der Reihenfolge der Atomgewichte wäre von den damals bekannten Elementen auf das Zn das As gefolgt (ihre heutigen Atomgewichte sind 65,38 bzw. 74,91), M E N D E L E J E W ließ jedoch zwei Plätze in der Gruppe 13 und 14 unbesetzt, weil das As infolge seiner chemischen und physikalischen Eigenschaften offenbar in die Gruppe 15 gehört. Dadurch entstanden mehrere Lücken, und M E N D E L E J E W konnte die Eigenschaften der in diese Gruppen gehörenden, noch unbekannten Elemente vorhersagen. Die von ihm vorausgesagten Elemente nannte er Ekabor, Ekaaluminium, Ekasilicium, Ekamangan und Dwimangan; sie wurden später tatsächlich entdeckt und Gallium (1875), Scandium (1879), Germanium (1886), Rhenium (1925) und Technetium (1937) benannt. Die Voraussage der Eigenschaften eines unbekannten Elements erfolgte auf Grund der Eigenschaften
19
3. DIE AUFSTELLUNG DES PERIODENSYSTEMS
der o b e r h a l b , u n t e r h a l b u n d beiderseits neben der L ü c k e b e f i n d l i c h e n Elem e n t e . Die d u r c h MENDELEJEW v o r a u s g e s a g t e n Eigenschaften des E k a a l u m i n i u m s m i t den experimentell b e s t i m m t e n Eigenschaften des s p ä t e r e n t d e c k t e n u n d G a l l i u m b e n a n n t e n Elementes sind vergleichsweise in Tabelle 2 gegenübergestellt. Tabelle 2 Vergleich der Eigenschaften des Ekaaluminiums mit denen des Galliums Ekaaluminium
Gallium
Atomgewicht etwa Dichte, g • c m - 3 Atomvolumen, cm3 • g-Atom —1 Dichte des Oxyds, g • c m - 3 Schmelzpunkt des Metalls : niedrig Chemischer Charakter : an der Luft beständig alaunbildend Schwefelwasserstoff scheidet aus seiner Lösung Sulfid ab Siedepunkt des Chlorids : niedriger, als der Siedepunkt von ZnCl2
68 6,0 11,5 5,5
69,72 5,9 11,8
6,44 (Ga 2 0 3 )
29,87°
an der Luft beständig alaunbildend Schwefelwasserstoff scheidet aus seiner Lösung kein Sulfid ab 2 0 1 ° (Siedepunkt von ZnCl2 7 3 0 ° )
Tabelle
3
Das Periodensystem der Elemente mit langen Perioden 1 H
2 He
3 Li
4 Be
5 B
6 C
7 N
8 0
9 F
10 Ne
11 Na
12 Mg
13 AI
14 Si
15 P
16 S
17 CI
18 Ar
19 K
20 Ca
21 Sc
22 Ti
23 Y
37 Rb
38 Sr
39 Y
40 Zr
4Í 42 Nb Mo
55 Cs
56 Ba
57* La
72 Hf
73 Ta
74 W
87 Fr
88 Ra
89** Ac
90 Th
91 Pa
92 U
24 Cr
26 Fe
27 Co
28 Ni
29 Cu
30 Zn
31 Ga
32 Ge
33 As
34 Se
35 Br
36 Kr
43 44 Tc Ru
45 Rh
46 Pd
47 Ag
48 Cd
49 In
50 Sn
51 Sb
52 Te
53 J
54 Xe
75 Re
77 Ir
78 Pt
79 80 Au Hg
81 T1
82 Pb
83 Bi
84 Po
85 At
86 Rn
25 Mn
76 Os
* Lanthanide : 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu 90 91 92 Th Pa "U 2*
93 94 95 96 97 98 99 Np Pu Am Cm Bk Cf Es
100 101 102 Fm Md No
20
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
Mit ähnlichem Erfolg konnte M E N D E L E J E W die Eigenschaften des Scan'diums und des Germaniums vorausbestimmen. Schon dadurch wurde das Periodensystem mit Recht das natürliche System der Elemente genannt. 4. Lang- und kurzperiodiges System. Von Anfang an wurde das Periodensystem in zwei verschiedenen Formen gebraucht, und zwar entweder mit langen oder mit kurzen Perioden.
Abb.
21 Sc 22 Tt 23 V
39 Y kOlr kl Nb
2 V Cr 25 Mn 26 Fe 27 Co 26 Ni
U2 Mo ¡.3 Tc •fïRu Lt5 Rh •>6 Pd
1. Das Periodensystem nach
THOMSEN
und
BOHR
Sowohl die erste Tabelle von L. M E Y E R wie die von M E N D E L E J E W enthielten lange Perioden, die tatsächlich die exaktere Form darstellen; Tabelle 3 zeigt diese Form nach dem heutigen Stand. Wegen der unübersichtlichen Form solcher Tabellen führte man kurzperiodige ein (Tabelle 4 nach M E N D E L E J E W aus dem Jahre 1871). Sie sind bedeutend übersichtlicher, weil alle Perioden gleich lang sind. Im langperiodigen System sind die Haupt- und Nebengruppen trotz ihrer offensichtlichen chemischen Verwandtschaft sehr weit auseinander gezogen. Es bleiben auch sehr viele Lücken offen, die jedoch nicht durch neu zu entdeckenden Elementen auszufüllen sind, sondern nur durch die kurzen Perioden 1, 2 und 3 bedingt werden. Man pflegt deshalb den 14 Lanthaniden einen einzigen Platz einzuräumen, bzw. sie gesondert aufzuzählen.
4. LANG- UND KURZPERIODIGES SYSTEM
21
Einen interessanten Überblick gibt die Darstellungsweise von J . THOMSEN, die von BOHR gebraucht wird; in dieser bleibt jedoch kein Platz für die Atomgewichte, und die wichtigen Gruppen liegen nicht genau untereinander, sondern längs gebrochener Linien (Abb. 1). Tabelle 4 Die kurzperiodige Tabelle von MENDELEJEW (1871) I
II
m
RJO
RO
R*0„
H Li Na K Rb Cs
B
Be Ca
(Cu)
Zn
(Ag)
Ba
Cd
C AI
Mg
Sr
IV RH4 RO2
Ti Y Dy
N
VI RHA ROA 0
P
Si
Cr
V Nb
Zr In
V RH, RA
Sn
As
VII RH R 2 0, F
S
Cl Mn
Se
Fe Co Ni Cu Br
Mo
Sb
VILI R0 4
R u R h P d Ag Te
J
Ce
—
Er
—
(Au)
Hg
Ta
La T1
Pb Th
W
—
Os Ir P t Au
Bi U
Die Gruppe der Edelgase f e h l t verständlicherweise. Die Einreihung von Cu, Ag, Au, Dy, La, E r u n d Ce ist falsch. Die leere Periode n a c h Ce ist überflüssig.
Bei den weiteren Betrachtungen wird auf das meistgebrauchte kurzperiodige System in seiner den heutigen Erkenntnissen entsprechenden Form (Tab. 5) Bezug genommen, welches die verschiedenen Regelmäßigkeiten sehr gut zur Geltung bringt. Das System besteht aus horizontalen Reihen und aus vertikalen Spalten. Die Reihen werden Perioden genannt, die Spalten Familien. In der ersten P e riode befinden sich nur zwei Elemente, Wasserstoff und Helium (früher konnte man den Wasserstoff nicht einreihen, und das Helium war unbekannt). Die zweite und dritte Periode umfassen je 8, die vierte und fünfte je 18 Elemente. Noch länger ist die sechste Periode mit 32 Elementen; die 14 Lanthanide sind in unserer Tabelle unten gesondert aufgeführt. Das ist insofern berechtigt, als sie in ihren chemischen Eigenschaften sehr wenig voneinander abweichen. D i e letzte, siebente Periode, die mit Uran endet, ist offenbar nicht abgeschlossen, da sie lediglich aus 6 natürlichen Elementen besteht. Heute können zehn neue künstliche Elemente nach dem Uran eingereiht werden. Die Daten für das angeblich auch in der Natur vorkommende 43. Element konnten nicht bestätigt werden, wogegen das Alkalimetall 87 aufgefunden wurde; es erhielt den Na men Francium (Fr).
A L L G E M E I N E R T E I L — ATOME
22
v
M
O
3/2), was bedeutet, daß hier die Auffüllung der d-Bahn der M-Schale beginnt, die sich dann über die Atome 2 2 Ti, 23 V, 2 4 Cr, 25 Mn, 5.6Fe, 27C0, 2 8 Ni bis zum 29 Cu fortsetzt, bei dem die d-Bahn und damit die M-Schale komplett wird. Inzwischen kommt es auch vor — wie aus Tabelle 10 ersichtlich ist —, daß sich auf der bereits komplettierten äußeren s-Bahn nach dem V beim ..¿Cr wieder nur ein Elektron befindet. 5
N ä r a y : Anorganische Chemie
66
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
Dagegen führt der Abschluß der M-Schale nicht den Anfang einer neuen Periode herbei, weil hier nur die zweite Hälfte der 4. Periode des kurzperi odigen Systems beginnt, die vom 29Cu bis zum 36 Kr reicht ; das Krypton ist wieder ein Edelgas, und auf der äußeren Schale seines Atoms befinden sich acht Elektronen (zwei s- und sechs p-Elektronen). Die Elemente von 21Sc bis 28Ni werden Ubergangselemente genannt, bei ihnen, befindet sich auf der zweiten Schale von außen eine nicht komplette d-Bahn. Dasselbe wiederholt sich in der 5. Periode, deren erstes Element das 37 Rb ist. Auch hier beginnt nach dem Krypton nicht die Auffüllung der ¿-Bahn der iV-Schale, sondern das 37. Elektron kommt auf eine s-Bahn, welche schon zur O-Schale gehört, was den Anfang einer neuen Periode bedeutet. Das 38 Sr ist, ebenso wie das 20Ca, ein Erdalkalimetall, auch das 39 Y ist in jeder Hinsicht dem 21Sc sehr ähnlich, ebenso wie das 40Zr dem 23 Ti. Der Grundterm des 41Nb jedoch weicht schon von dem des 23V ab; bei dem Nb nämlich befinden sich auf der iV-Schale vier d-Elektronen und auf der O-Schale ein s-Elektron, während das Y-Atom auf den äußeren Schalen drei d- und zwei s-Elektronen trägt. Die Elektronenkonfigurationen der übrigen Elemente des Periodensystems werden nicht mehr so ausführlich behandelt, über sie gibt Tabelle 10 Aufschluß. Es sei nur noch erwähnt, daß der Aufbau der/-Bahn der iV-Schale erst bei dem 58Ce anfängt; diese Bahn kann insgesamt 14 Elektronen fassen.. Die Elektronenstrukturen der mit dem Cerium beginnenden vierzehn Elemente unterscheiden sich tatsächlich lediglich dadurch voneinander, daß die /-Bahn der von außen dritten Schale, also der iV-Schale aufgefüllt wird; die Konfiguration der äußeren Elektronen bleibt völlig unverändert. Deshalb weichen die Lanthanide (Seltene Erden), deren Atomspektren sehr kompliziert und bisher noch nicht genügend bekannt sind, in chemischer Hinsicht nur sehr wenig voneinander ab und sind sogar von physikalischem Gesichtspunkt her einander sehr ähnlich. Die Ausmaße ihrer Ionen z. B. liegen sehr nahe beieinander und zeigen eine regelmäßige Veränderung, indem sie mit der Zunahme der Kernladung langsam kleiner werden, da die Schalen infolge der größeren positiven Ladung näher zueinander gelangen. Auch die Serie der Äctinide, die nach dem Actinium anfängt, besitzt einen ähnlichen Charakter.bisher sind 12 ihrer Glieder bekannt. 22. Wellenmechanik und Quantenmechanik. Das bisher besprochene Bohrsche Atommodell konnte exakt nur auf das Wasserstoffatom angewendet werden; das Vektorenmodell (das nur eine neue Rechnungsmethode darstellt) ermöglichte zwar die prinzipielle Behandlung der Atome mit mehreren Elektronen, ohne daß es sich für quantitative Berechnungen als brauchbar erwiesen hätte. Bezüglich der Quantentheorie erwuchsen auch andere Schwierigkeiten bei der Erörterung der Strahlungseischeinungen, genauer der elektromagnetischen Wellen. Gewisse Erscheinungen, wie die Emission und die Absorption konnte man nur auf Grund der Quantentheorie behandeln, dagegen konnten die Interferenzerscheinungen nur durch die Wellentheorie erklärt werden, die Anwendung der Quantentheorie kam dabei überhaupt nicht in Frage. Diese Duplizität war keineswegs befriedigend, und die Physiker bemühten sich von Anfang an die beiden Theorien aufeinander abzustimmen bzw. irgendwie zusammenzufassen.
22. W E L L E N M E C H A N I K UND QUANTENMECHANIK
67
Die Grundlagen dieser neuen Entwicklung reichen bis auf die Überlegungen von DE B R O G L I E zurück (1924). Es ist bekannt, daß sich die Lichtquanten mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, eine Ruhemasse haben sie nicht. D E B R O G L I E schrieb nun den Lichtquanten Impuls zu, woraus auch folgt, daß zu den sich mit großer Geschwindigkeit bewegenden materiellen Teilchen eine gewisse Wellenlänge gehört. Der Impuls des Photons ist nach der Relativitätstheorie — wenn man die Beziehung e = hv = mc2 betrachtet, aus der die sich bewegende Masse Av/c2 ist — gleich hvfc. Ist dies nach der klassischen Mechanik dem Impuls des materiellen Punktes, mv, gleich (m ist die Masse, v die Geschwindigkeit), d. h. hv — = mv, c so ist, da Xv = c und X = — ist v X = — .
(22.1)
mv
Dies bedeutet, daß dem Teilchen mit der Masse m und der Geschwindigkeit v Wellenlänge zugesprochen werden kann. Eine solche „Materiewelle" ist keine elektromagnetische Welle; ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit u übertrifft die Lichtgeschwindigkeit, da c2 u = — (22.2) v und v stets kleiner als c ist. Nachdem DE B R O G L I E diese Beziehungen erkannt hatte, sagte er die Erscheinung der Elektroneninterferenz voraus. Werden im Falle der zu den Elektronen als Materieteilchen von großer Geschwindigkeit gehörigen Materiewellen die Elektronenmasse sowie die Geschwindigkeit eines mit einer Spannung V (in Volt) beschleunigten Elektrons in (22.1) eingesetzt, so erhält man für deren Wellenlänge ^ A .
(».»)
Demnach ist die Wellenlänge eines mit 150 Volt beschleunigten Elektrons 1 Ä, eines mit 15 000 Volt beschleunigten 0,1 Ä. D A V I S S O N und G E R M E R haben im Jahre 1926 die Richtigkeit der obigen Gleichung (22.3) mittels von Nickel-Einkristallen reflektierten Elektronen experimentell bestätigt. Sehr anschauliche Aufnahmen hat G. P. THOMSON mit durch dünne Metallplatten dringenden schnellen Elektronenstrahlen gemacht. Dabei entstehen den bekannten D E B Y E —SCHERRER-Ringen ähnliche Interferenzen, aus denen mit Hilfe der Gitterkonstante des betreffenden Metalls die Wellenlänge des Elektronenstrahls genau bestimmt werden kann; die erhaltenen Werte stimmen bei schnellen Elektronen mit den berechneten völlig überein. Bei langsamen Elektronen muß noch die ,,Austrittsarbeit" des 5*
•68
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
K r i s t a l l s * berücksichtigt werden, welche einige V o l t b e t r ä g t , w a s bei schnellen E l e k t r o n e n vernachlässigt werden k a n n . Die Elektroneninterferenzen sind heute neben den Röntgeninterferenzen für die S t r u k t u r f o r s c h u n g v o n Wichtigk e i t . Gegenüber den Röntgenstrahlen ist in B e t r a c h t zu ziehen, d a ß die A b s o r p t i o n der E l e k t r o n e n in der Materie viel stärker ist. In gewissen Fällen ist das v o r t e i l h a f t , so z. B . w e n n nur eine Oberflächenschicht untersucht werden soll, da der Elektronenstrahl infolge seiner starken A b s o r p t i o n nicht i n das Innere des Stoffes eindringt. A u c h A u f n a h m e n v o n Gasen und D ä m p f e n können mit Elektronenstrahlen g e m a c h t werden, weil für sie das Streuvermögen der A t o m e sehr hoch ist. A u f solchen A u f n a h m e n sind keine scharfen, sondern breitere Ringe zu sehen; auch ihre Z a h l ist geringer als bei den Röntgeninterferenzen. D e n n o c h k a n n m a n mit ihrer Hilfe die S t r u k t u r v o n Gasmolekeln bestimmen, was schon zu interessanten und wichtigen E r f o l g e n führte. N a c h unseren heutigen Vorstellungen sind das L i c h t q u a n t u n d der materielle P u n k t nur verschiedene F o r m e n derselben Erscheinung. Die Wellen sind bloße Wahrscheinlichkeitsfunktionen. Zur D e u t u n g dieser A u f f a s s u n g m u ß jedoch die ÜEiSENBERGsche Unbestimmtheitsrelation herangezogen werden. Z u einer j e d e n experimentellen B e o b a c h t u n g wird wenigstens die Energie eines L i c h t q u a n t s benötigt. Bei S y s t e m e n mit großer Masse u n d hoher Energie s p i e l t das keine R o l l e ; wollte m a n jedoch z. B . ein A t o m mit dem Elektronenmikroskop b e o b a c h t e n und auf diese Weise die L a g e und den Impuls eines in ihm kreisenden Elektrons bestimmen, so würde das zur B e o b a c h t u n g nötige L i c h t q u a n t die L a g e und die Geschwindigkeit des E l e k t r o n s schon beträchtlich beeinflussen. V o n dieser Überlegung ausgehend zeigte HEISENBERG, d a ß es (abgesehen v o n den experimentellen Schwierigkeiten) auch prinzipiell unmöglich ist, die L a g e und den Impuls oder i m allgemeinen zwei einander zugeordnete K o o r d i n a t e n eines materiellen P u n k t e s mit beliebiger G e n a u i g k e i t gleichzeitig zu bestimmen. Das P r o d u k t der bei der B e s t i m m u n g der beiden K o o r d i n a t e n begangenen Fehler ist gleich dem 47tfachen des PLANGKschen W i r k u n g q u a n t u m s . W i r d die eine B e s t i m m u n g mit sehr großer G e n a u i g k e i t ausgeführt, so vergrößert sich dadurch der Fehler der anderen, d a das P r o d u k t der beiden B e s t i m m u n g e n k o n s t a n t i s t : . Ap-A
q~>4*Jih
(hier b e d e u t e t Ap den bei der B e s t i m m u n g der R a u m k o o r d i n a t e , Aq den bei der B e s t i m m u n g der Impulskoordinate begangenen Fehler). A u f P h o t o n e n angewendet besagt diese T h e s e : j e genauer die Schwingungszahl des P h o t o n s b e k a n n t ist, umso u n b e s t i m m t e r ist seine L a g e . N a c h der heutigen A u f f a s s u n g k a n n m a n bei elementaren A k t e n , welche also mit der Teilnahme eines einzigen Teilchens b z w . Quants s t a t t f i n d e n , nie genau wissen, wo das Teilchen b z w . P h o t o n hingelangt. D a m i t h a t die Quantenmechanik das in der P h y s i k seit uralten Zeiten herrschende K a u s a l p r i n z i p a u f g e g e b e n ; selbstverständlich nur hinsichtlich der elementaren Vorgänge. W e n n viele V o r g ä n g e gemeinsam s t a t t f i n d e n , dann ergibt sich die Wahrschein* Z u m A u s t r i t t des E l e k t r o n s aus d e m K r i s t a l l w i r d eine gewisse E n e r g i e , die A u s trittsarbeit benötigt.
23. DAS WELLENMECHANISCHE ATOMMODELL
69
lichkeit, wo das Photon hingelangt, aus den Gleichungen der Wellentheorie. Die Wellen bedeuten also Wahrscheinlichkeiten. I m Falle der Gegenwart sehr vieler Photonen oder Teilchen stimmt die Wahrscheinlichkeit so gut mit dem nach der kausalen Auffassung berechneten Wert überein, daß sie davon nicht zu unterscheiden ist. Die Unbestimmtheitsrelation und die aus ihr folgende nicht kausale Auffassung stehen also mit unseren makroskopischen Erfahrungen nicht in Widerspruch. Diese Erkenntnisse der theoretischen Physik haben auch die Theorie der chemischen Bindung auf eine neue Grundlage gestellt, worüber später (s. Punkt 44) die Rede sein wird. 23. Das wellenmechanische Atommodell. Aus der Unbestimmtheitsrelation folgt, daß keine Möglichkeit zur experimentellen Bestimmung der Bahnen der im Atom kreisenden Elektronen besteht. Deshalb verzichtet die moderne Physik darauf, die Elektronenbahnen des Atoms zu untersuchen. S t a t t dessen begnügt sie sich mit der Angabe der Wahrscheinlichkeit des Aufenthaltes des Elektrons zu einem gegebenen Zeitpunkt in einem gewissen Volumenelement du. Die Berechnungen werden mit den Methoden der Wellenmechanik ( S C H R Ö D I N G E R ) und der Quantenmechanik ( H E I S E N B E R G , D I R A C USW.) ausgeführt und bedürfen eines großen mathematischen Aufwands; deshalb werden hier nur die Grundprinzipen erläutert. E s hat sich gezeigt, daß die beiden verschiedenen Behandlungsweisen gleichwertig sind. Zu jedem Teilchen gehören Materiewellen. Der Translationsbewegung frei fortschreitender Teilchen entsprechen fortschreitende Wellen; die Energie kann beliebig hoch sein. Führt jedoch das Teilchen in einem Kraftfeld periodische Bewegungen aus, so sind nur gewisse bestimmte Wellenlängen möglich. Ganz wie bei schwingenden Saiten, können auch hier nur die ganzen Vielfachen der Grundfrequenz, die sog. »Eigenwerte«, die Lösungen der Wellengleichung sein. Wellen mit anderen Wellenlängen würden einander infolge der Interferenz auslöschen. Dadurch ergeben sich die mit dem BoHR-Modell deutbaren Beziehungen von selbst. S C H R Ö D I N G E R k a m in folgender Weise zu der von ihm aufgestellten Wellengleichung: Ist W die Wellenfunktion, deren Bedeutung bei der normalen harmonischen Schwingung der Verschiebung analog ist (über ihre atomtheoretische Bedeutung wird weiter unten die R e d e sein), dann kann ausgesagt werden, daß W = tp cos 2nv't
oder W = ip sin 2 n v' t,
oder die beiden Ausdrücke vereinigt: W =
ye27tiv''.
Hier ist y nur von den Raumkoordinaten x, y, z des Punktes abhängig, und bedeutet die Amplitude der stehenden Welle mit gegebenen Koordinaten. Davon ausgehend stellte S C H R Ö D I N G E R eine Differentialgleichung auf, aus welcher die Schwingungszahlen der ausgesandten Spektrallinien berechnet werden können. Die ScHRÖDiNGERsche Gleichung hat jedoch keine mit einer geschlossenen Formel ausdrückbare Lösung, sondern es können mit Hilfe
70
A L L G E M E I N E R T E I L — ATOME
von unendlichen Reihen nur Näherungslösungen gefunden werden. Mit diesen numerischen Rechnungen können wir uns hier nicht beschäftigen. B O H R deutete auf eine sehr wichtige Beziehung zwischen dem Wert der y-Funktion und der Wahrscheinlichkeit hin, daß das Teilchen sich an der durch die Koordinaten bestimmten Stelle befindet; diese Wahrscheinlichkeit beträgt W2 = W-W*, wo W und W* konjugierte komplexe Werte sind. Die Ergebnisse der Wellenmechanik stimmen in jeder Hinsicht mit den aus dem BoHRschen Modell folgenden Tatsachen überein, soweit diese durch Versuche nachgewiesen werden können. Die Tatsachen erhalten natürlich eine andere Bedeutung; man spricht z. B. nicht mehr von Elektronenbahnen, sondern man bestimmt in der Umgebung des Kerns überall die Ladungsdichte. Dadurch zerfließt gleichsam das Elektron zu einer Elektronenwolke, deren Dichte im Normalzustand kugelsymmetrisch ist. Die Entfernung der Stellen größter Dichte entspricht dem Radius der innersten BoHRschen Elektronenbahn. Ist l = 0, so ist die Elektronenwolke des Wasserstoffatoms nicht mehr kugelsymmetrisch, sondern sie nimmt verschiedene, sehr komplizierte Formen an. Mit der Entfernung vom Mittelpunkt, also vom Atomkern, sinkt die Elektronendichte nicht plötzlich auf Null, die Elektronenwolke hat also keine scharfen Grenzen, sondern sie nimmt exponentiell ab, und erreicht Null erst in unendlicher Entfernung. Bei den tatsächlichen Berechnungen kommen freilich die Werte der Quantenzahlen n, l und m vor. Die mit sehr großem Aufwand ausgeführten neueren Berechnungen* ergaben beim Wasserstoffatom genau die den experimentellen Messungen entsprechenden Werte für den Grundterm, die Ionisationsenergie, den Atomradius usw. Aber nicht nur die exakte Aufklärung des Aufbaus des Wasserstoffatoms, sondern auch die des Heliumatoms gelang mit vollem Erfolg; die Wellenmechanik reicht also tatsächlich viel weiter, als das BoHRsche Modell. In chemischer Hinsicht ist das quantenmechanische Modell deshalb sehr wertvoll, weil mit seiner Hilfe jene Art der chemischen Bindung erklärt werden kann, welche nach der auf der Grundlage des BoHRschen Modells stehenden, jedoch auch in der Wellenmechanik gültigen Auffassung nicht gedeutet werden konnte (s. Punkt 39). 24. Der Atomkern. Früher hielt man das Atom für unteilbar. Auch nachdem es sich herausgestellt hatte, daß jedes Atom ein oder mehrere Elektronen enthält, hielt man den übrigen Teil des Atoms, also den Atomkern für unteilbar. In der T a t verändert sich dieser bei gewöhnlichen Verhältnissen nicht, und so konnte man auf seine zusammengesetzte Natur bis zur Entdeckung der Radioaktivität nur auf Grund theoretischer Spekulationen schließen. Aus den radioaktiven Erscheinungen, besonders aus der a-Strahlung, xmd aus der Beobachtung, daß während der Strahlung des Radiums ein schweres radioaktives Edelgas, das Radon (Emanation) und zugleich Helium entsteht, konnten R U T H E R F O R D und S O D D Y die Schlußfolgerung ziehen, daß die Radioaktivität aus dem spontanen Zerfall des radioaktiven Atoms entsteht. * J A M E S —COOLIDGE, s. J . A . A . K E T E L A A R :
Chemical Constitution, A m s t e r d a m , 1953.
25. DIE ELEMENTARTEILCHEN
71
Das Radiumatom mit Atomgewicht 226 zerfällt in ein Radonatom mit Atomgewicht 222 und ein Heliumatom mit Atomgewicht 4. Das Heliumatom wird •zwar aus dem Atomkern in zweifach ionisiertem Zustand ausgestoßen, doch ist dies nicht von Belang, denn die Ionisationsenergie ist neben der hier in Betracht kommenden Energie verschwindend klein. Auch andere radioaktive Atome zerfallen entweder mit a-Strahlung oder mit /^-Strahlung; im letzteren Falle senden sie /^-Teilchen, d. h. Elektronen aus. In beiden Fällen wandelt sich das Atom um, da sich seine Ordnungszahl ändert. Sendet es ein a-Teilchen aus, so nimmt seine Ordnungszahl um .zwei und sein Atomgewicht (dessen abgerundeter Wert bei reinen Isotopen der Massenzahl entspricht) um vier ab. Dagegen bleibt bei /^-Emission das Atomgewicht bzw. die Massenzahl unverändert, während die Ordnungszahl um eins zunimmt. Aus Radium entsteht Radon (Rn) und Helium; die aTeilchen ( H e + + -Ionen) verwandeln sich nämlich durch Elektroneneinfang aus ihrer Umgebung schnell in neutrale Heliumatome. In dieser Weise können sich also Atome in andere Atomarten umwandeln. Dies geschieht jedoch nur Lei den radioaktiven Elementen mit meßbarer Geschwindigkeit, die übrigen Elemente sind stabil. 25. Die Elementarteilchen. Wie durch die Radioaktivität bewiesen wurde, kann der Atomkern in Teile zerfallen, ist also zusammengesetzt. E s gibt demnach auch kleinere Einheiten als den Atomkern, die Elementarteilchen. Von diesen war zuerst nur das Elektron bekannt. Seit längerer Zeit kannte man jedoch auch das positiv geladene Wasserstoffion, H + oder Proton, das bekanntlich ein bloßer Atomkern ist. E s hat eine Masse von 1,0078 Atomgewichtseinheiten, einen Durchmesser von etwa 10 ~ 1 3 cm, und die gleiche Ladung wie das Elektron, d. h. eine Elementarladung, jedoch mit positivem Vorzeichen. Das Proton kommt bei chemischen Vorgängen sehr häufig vor, z.B. in sauren Lösungen. Aus Protonen werden jedoch auch positive Strahlen erzeugt, die bei Beschleunigung mit genügend hoher Spannung durch eine düiine Metallschicht dringen können. CHADWICK entdeckte 1932 ein neues Elementarteilchen, das Neutron, welches mit 1,008 95 fast die gleiche Masse wie das Proton, jedoch keine elektrische Ladung besitzt. Seine Größe ist unbekannt; seine Herstellung kann auf "verschiedenen Wegen erfolgen, z. B . aus mit Radiumemanation gemischtem Berylliumpulver. Neutronen können die Stoffe überraschend leicht durchdringen, so z. B . eine mehrere Meter dicke Bleischicht. Viel wirkungsvoller als durch schwere Atome können Neutronen durch beliebige wasserstoffhaltige Stoffe gebremst werden, da nach den Gesetzen der Mechanik bei einem Zusammenstoß die kinetische Energie des auftreffenden Körpers zum größten Teil durch einen Körper von gleicher Masse übernommen werden kann. Auch in der Natur kommen in kleiner Menge Neutronen vor, die von der Höhenstrahlung herrühren; sie können sich aber nicht anhäufen, da sie mit Atomkernen Teagieren und von diesen eingefangen werden. Die Neutronen sind unstabil und verwandeln sich unter /9-Strahlung in Protonen; ihre Halbwertzeit ^beträgt 12,8 Minuten: In - > JH + _?e .
72
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
I n demselben J a h r f a n d A N D E R S O N in der H ö h e n s t r a h l u n g Teilchen m i t der gleichen Masse wie die E l e k t r o n e n , j e d o c h m i t positiver Ladung,, die positiven E l e k t r o n e n oder Positronen. Eine besonders bemerkenswerte E i g e n s c h a f t ist ihre sehr k u r z e L e b e n s d a u e r . Schon in e t w a 5 • 1 0 - 1 0 S e k u n d e n verlieren sie größtenteils ihre kinetische E n e r g i e u n d w a n d e l n sich b e i m Z u s a m m e n s t o ß m i t einem n e g a t i v e n E l e k t r o n in zwei y - Q u a n t e n m i t 0,5 MeV E n e r g i e u m , was einen t y p i s c h e n F a l l der f r ü h e r e r w ä h n t e n M a t e r i e - E n e r g i e - U m w a n d l u n g d a r s t e l l t . D a g e g e n erzeugt ein P h o t o n m i t einer E n e r g i e v o n 1 MeV beim Z u s a m m e n s t o ß m i t einem schweren A t o m k e r n ein aus einem E l e k t r o n u n d einem P o s i t r o n b e s t e h e n d e s P a a r (Materialisation). D a m i t ist j e d o c h die Reihe der E l e m e n t a r t e i l c h e n bei w e i t e m n i c h t e r s c h ö p f t . Die E r k l ä r u n g der E r s c h e i n u n g e n der /^-Strahlung m a c h t e die A n n a h m e der E x i s t e n z v o n Teilchen o h n e L a d u n g e n n ö t i g , deren Massen p r a k t i s c h gleich Null sind. Diese Neutrinos w u r d e n zuerst v o n P A U L I angen o m m e n . Sie h a b e n eine Geschwindigkeit, die f a s t der des Lichtes gleich ist. I h r e Masse ist n o c h u n b e k a n n t , sie ist j e d o c h u m G r ö ß e n o r d n u n g e n kleiner, als die der E l e k t r o n e n , so d a ß die W i r k u n g der G r a v i t a t i o n bei i h n e n also n i c h t in R e c h n u n g k o m m t . N e u e r d i n g s gelang es, ihre E x i s t e n z auf i n d i r e k t e m Wege, u n d zwar d u r c h den Z u r ü c k p r a l l des das N e u t r i n o e m i t t i e r e n d e n A t o m s z u beweisen. Teilchen v o n m i t t l e r e r Masse (also zwischen der des P r o t o n s u n d der des E l e k t r o n s ) sind die Mesonen. A u c h diese w u r d e n d u r c h A N D E R S O N u n d Mita r b e i t e r zuerst in der kosmischen S t r a h l u n g e n t d e c k t , n a c h d e m der j a p a n i s c h e Gelehrte Y U I C A W A sie schon f r ü h e r v o r h e r g e s a g t h a t t e (siehe weiter u n t e n ) . Sie e n t s t e h e n in den oberen Schichten der A t m o s p h ä r e d u r c h die A u s w i r k u n g v o n aus d e m W e l t r a u m m i t a u ß e r o r d e n t l i c h h o h e r E n e r g i e k o m m e n d e n P r o t o n e n . E s gibt verschiedene M e s o n e n ; das Meson v o n Y U K A W A h e i ß t 7t-Meson. Dieses h a t eine n e g a t i v e L a d u n g u n d seine Masse b e t r ä g t das 275f a c h e der des E l e k t r o n s . E s h a t eine L e b e n s d a u e r v o n 2 • 1 0 " 8 S e k u n d e n u n d eine L a d u n g gleich der E i n h e i t . S t ö ß t es m i t einem A t o m k e r n z u s a m m e n , so z e r s p r i n g t dieser in zahlreiche Teilchen, in der e m p f i n d l i c h e n E m u l s i o n einer p h o t o g r a p h i s c h e n P l a t t e eine s t e r n f ö r m i g e S p u r h i n t e r l a s s e n d . E s gibt a u c h yr-Mesonen ohne L a d u n g . D a g e g e n k ö n n e n die m i t einer positiven L a d u n g s einheit v e r s e h e n e n 7i + -Mesonen wegen der s t a r k e n e l e k t r o s t a t i s c h e n A b s t o ß u n g k a u m in A t o m k e r n e e i n d r i n g e n ; w e r d e n sie a b e r in der E m u l s i o n a b g e b r e m s t , so e n t s t e h e n aus i h n e n n e u e Teilchen, die ¡x+ oder die /¿"-Mesonen (POWELL, 1947) (zugleich e n t s t e h e n a u c h N e u t r i n o s ) . I h r e Masse ist gleich 210 E l e k t r o n e n m a s s e n . Die L e b e n s d a u e r des positiven /^-Mesons b e t r ä g t 2,15 • 1 0 - 6 S e k u n d e n , u n d es zerfällt u n t e r E m i s s i o n eines P o s i t r o n s . E s gibt a u c h 7t°-Mesone o h n e L a d u n g m i t einer Masse v o n 265 E l e k t r o n m a s s e n . Sie e n t s t e h e n b e i m Z u s a m m e n s t o ß eines n ~ - M e s o n s m i t einem P r o t o n , w o n a c h sie sich in S t r a h l u n g auflösen: n~ + p + - > n +
n° - v 2 y .
(Mit y wird ein y - Q u a n t bezeichnet.) E s sind a u c h positive, n e u t r a l e u n d n e g a t i v e Y-Teilchen b e k a n n t . I h r e Masse b e t r ä g t 2200 E l e k t r o n e n m a s s e n , sie sind also schwerer als d a s W a s s e r s t o f f a t o m . D a s n e u t r a l e V-Meson zerfällt in sehr k u r z e r Zeit in zwei
25. DIE ELEMENTARTEILCHEN
73
geladene Teilchen. P O W E L L fand im J a h r e 1 9 4 9 R-Teilchen mit 9 7 8 Elektronenmassen; diese zerfallen in drei geladene Teilchen, und zwar in Jr-Mesonen. Endlich sind noch K-Mesonen bekannt mit 1150 Elektronenmassen. Mit Hilfe des im großen Cyklotron der Universität von Kalifornien erzeugten, äußerst energiereichen Protonenstrahls gelang es, künstliche Mesonen zu erzeugen. Dazu ist ein Protonenstrahl mit einer Energie von wenigstens 200 MeV nötig; mit noch höherer Energie kann jedoch eine bessere Ausbeute erzielt werden. So können Ti-Mesone mit positiver Ladung erzeugt werden, wie 1 9 4 8 von G A R D E N E R und L A T T É S gefunden wurde. J e schwerer der Atomkern ist, den der energiereiche Protonenstrahl trifft, umso höher wird die Ausbeute. In letzter Zeit (Ende 1955) gelang es, durch die Materialisation von y-Strahlen mit ungeheurer Energie (6000 MeV) Paare aus einem positiven und einem negativen Proton herzustellen. Die Eigenschaften des negativen Protons oder Antiprotons sind noch nicht näher bekannt, jedoch gebührt dieser Entdeckung das größte Interesse. Wie P O W E L L sagt, zeigte sich die Natur wieder reicher in ihren Formen als unsere kühnsten Erwartungen. Die vielen verschiedenen Teilchen können theoretisch noch nicht gedeutet werden und es ist höchst wahrscheinlich, daß die Schwierigkeiten nur mit einer völlig neuen Theorie gelöst werden können, ebenso wie vor einem halben Jahrhundert die Quantentheorie und die Relativitätstheorie benötigt wurden. Dieser Weg führt uns vermutlich zu einer viel tieferen Erkenntnis des Aufbaus der Materie. Die wichtigsten Elementarteilchen sind in Tab. 12 zusammengefaßt. Die Entdeckung der neuen Elementarteilchen führte auch schon zu äußerst interessanten Folgerungen betreffs des Aufbaus der Atome. Nicht nur Elektronen können um den Atomkern kreisen, sondern es wurde nachgewiesen, daß das Atom auch ein ¿«-Meson einfangen kann, wodurch es ein verändertes Spektrum ausstrahlt. In sehr kurzer Zeit, nach 1 0 - 8 Sekunden, gelangt dann das /¿-Meson in den Kern; auch sein Röntgen-Spektrum konnte aufgenommen werden. Ähnlich verhält sich auch das yr-Meson. Dagegen läßt sich das Teilchen mit einer größeren Masse als der des Wasserstoffs, das Hyperon, in den Atomkern einbauen, um das Neutron zu ersetzen. Ein völlig neuartiges »Atom« entsteht durch Vereinigung eines Elektrons und eines Positrons, die einander annähernd um ihren gemeinsamen Schwerpunkt umkreisen, und so ein Atom mit einem Atomgewicht von fast Null, ein sogenanntes Positronium, bilden. Die Theorie des Positroniums ist vollständig ausgearbeitet worden; die Wellenlänge seiner Spektrallinien ist genau die doppelte der Wellenlänge der entsprechenden Wasserstofflinien. Obwohl diese Linien — infolge der Seltenheit des Positroniums — noch nicht nachgewiesen werden konnten, fand die Existenz des Positroniums dennoch eine experimentelle Bestätigung. Das Positronium kann in zwei Formen existieren, j e nachdem, ob der Spin seiner beiden Elementarteilchen parallel oder antiparallel ist; der resultierende Spin ist also 0 oder 1. Die Lebensdauer der beiden Formen ist verschieden. Das Orthopositronium mit Spin 1 besteht für 1,40 • 1 0 " 7 Sekunden, das Parapositronium mit Spin 0 dagegen nur für 1 , 2 5 - 1 0 ~ 1 2 Sekunden. M. D E U T S C H hat im J a h r e 1951 experimentell bewiesen, daß diese Lebensdauer
74
ALLGEMEINER T E I L — ATOME
Tabelle
12
Elementarteilchen (als Einheit der Masse gilt die Masse des Elektrons) Positive Teilchen L a d u n g : 4-e
N e u t r a l e Teilchen Ladung : 0
Positron : Masse 1 Stabil Proton : Masse 1836,14 Stabil
Negative Teilchen L a d u n g : —e
Elektron : Masse 1 Stabil Neutron : Masse 1839,0 Halbwertszeit 12,8 Min.
+ /¿-Meson : Masse 210 Halbwertszeit 2 10~ 6 Sek.
Antiproton : Masse ~ 1 8 3 6 —/.t-Meson : Masse 210 H a l b w e r t s z e i t 2 1 0 - 6 Sek.
+ ji-Meson : Masse 275 Halbwertszeit 2 10~ 8 Sek.
ji 0 -Meson: Masse 263 H a l b w e r t s z e i t 2 -10" 1 4 Sek.
—jr-Meson: Masse 275 Halbwertszeit 2 1 0 " 8 Sek.
+ V-Teilchen : Masse 2200 Halbwertszeit 1 I Q - 1 0 Sek.
V 0 -Teilchen : Masse 2200 Halbwertszeit 2 1 0 " 1 0 Sek.
—V-Teilchen : Masse 2200 H a l b w e r t s z e i t 1 1 0 " 1 0 Sek.
Neutrino : Ruhemasse 0 Stabil Photon : Ruhemasse 0 Stabil
richtig i s t : beim radioaktiven Zerfall des Isotops 2 2 Na e n t s t e h t gleichzeitig ein Positron u n d ein y-Quant. Das letztere k a n n registriert w e r d e n ; zugleich k a n n sich das Positron mit dem E l e k t r o n der in seiner Nähe befindlichen Gasmolekel zu einem Positronium vereinigen u n d n a c h 1 0 " 7 Sekunden m i t der Ausstoßung eines y-Quants zerstrahlen, wobei verzögerte P h o t o n e n beo b a c h t e t werden können, die mit einem anderen, vom 2 2 Na-Präparat abgeschirmt e n Zähler nachzuweisen sind. Wird n u n in die G a s a t m o s p h ä r e Stickoxyd gebracht, welches ein ungerades E l e k t r o n besitzt, so stößt das Positronium d a m i t z u s a m m e n u n d das E l e k t r o n t a u s c h t m i t i h m den Platz, wodurch das Orthopositronium von langer Lebensdauer sich in P a r a p o s i t r o n i u m verwandelt u n d in 1 0 " 1 2 Sekunden zerstrahlt, was nicht mehr vom Augenblick seines E n t s t e h e n s zu unterscheiden i s t ; die Koinzidenzen von »langer Lebensdauer« hören auf. 26. Radioaktiver Zerfall. E i n radioaktiver A t o m k e r n k a n n s p o n t a n in zwei K o m p o n e n t e n zerfallen, er ist also zusammengesetzt. F r ü h e r glaubte m a n , daß der A t o m k e r n aus P r o t o n e n u n d Elektronen b e s t e h t , was jedoch
26. RADIOAKTIVER ZERFALL
75
m i t d e n gemessenen m a g n e t i s c h e n M o m e n t e n n i c h t in E i n k l a n g g e b r a c h t w e r d e n k a n n . N a c h der h e u t e gültigen Theorie v o n H E I S E N B E R G ist der A t o m k e r n aus P r o t o n e n u n d N e u t r o n e n z u s a m m e n g e s e t z t , welche z u s a m m e n g e f a ß t Nukleonen g e n a n n t w e r d e n . Bei /^-Strahlung verlassen E l e k t r o n e n d e n A t o m k e r n . Diese e n t s t e h e n j e d o c h n a c h H E I S E N B E R G erst i m M o m e n t des Zerfalls. Die Z a h l der positiven L a d u n g e n des A t o m k e r n s , das heißt seine Ordnungszahl, ist gleich der Z a h l der in i h m e n t h a l t e n e n P r o t o n e n , w ä h r e n d sich seine Massenzahl aus der G e s a m t z a h l seiner P r o t o n e n u n d N e u t r o n e n e r g i b t . D e n l e i c h t e n Wasserstoff ( m i t Massenzahl 1) a u s g e n o m m e n , e n t h a l t e n alle A t o m k e r n e a u c h N e u t r o n e n . I n schweren A t o m e n wird ihre Z a h l i m m e r überwiegender; die Massenzahl des h ä u f i g s t e n I s o t o p s des U r a n s m i t der O r d n u n g s z a h l 92 b e t r ä g t 238; es e n t h ä l t also 146 N e u t r o n e n . E i n zu hohes V e r h ä l t n i s der N e u t r o n e n zu den P r o t o n e n v e r u r s a c h t I n s t a b i l i t ä t . D e r s p o n t a n e Zerfall des A t o m k e r n s ä u ß e r t sich in den E r s c h e i n u n g e n der R a d i o a k t i v i t ä t . E s gibt verschiedene A r t e n des r a d i o a k t i v e n Zerfalls. D e r a-Zerfall ist m i t a - S t r a h l u n g v e r b u n d e n . Der /^-Zerfall ist e n t w e d e r ein m i t A u s s e n d u n g eines n e g a t i v e n E l e k t r o n s oder eines P o s i t r o n s v e r b u n d e n e r Vorgang. Bei r a d i o a k t i v e n E l e m e n t e n k o m m t a u c h die y - S t r a h l u n g o f t v o r , die eine s e h r h a r t e e l e k t r o m a g n e t i s c h e S t r a h l u n g ist. E i n spezieller Fall der l e t z t e r e n ist die K - S t r a h l u n g oder i n n e r e r P h o t o e f f e k t (s. Seite 77). Die Folge einer A r t von y - S t r a h l u n g ist a u c h die sog. innere U m w a n d l u n g , welche sich in der A u s s e n d u n g von /^-Strahlen m i t b e s t i m m t e r Wellenlänge ä u ß e r t . E n d l i c h k o m m t a u c h die neuerdings e n t d e c k t e K e r n s p a l t u n g zwischen d e n s p o n t a n s t a t t f i n d e n d e n r a d i o a k t i v e n V o r g ä n g e n vor. N a c h s t e h e n d w e r d e n die verschiedenen A r t e n der r a d i o a k t i v e n Zerf a l l s v o r g ä n g e einzeln b e s p r o c h e n . a-Zerfall. Viele E l e m e n t e , besonders die m i t h ö h e r e n O r d n u n g s z a h l e n , senden bei i h r e m r a d i o a k t i v e n Zerfall a-Teilchen aus, w o d u r c h die O r d n u n g s zahl des z u r ü c k b l e i b e n d e n A t o m k e r n s u m 2, seine Massenzahl u m 4 a b n i m m t . Der E n e r g i e g e h a l t der d u r c h die A t o m e eines gewissen E l e m e n t s ausgestrahlt e n a-Teilchen ist der gleiche (abgesehen v o n d e m u n t e n e r w ä h n t e n Fall) u n d ihre R e i c h w e i t e n sind in L u f t v o n gleichem Z u s t a n d dieselben. E i n e wichtige B e z i e h u n g h a b e n G E I G E R u n d N U T T A L L * zwischen der Z e r f a l l s k o n s t a n t e (A) u n d der Reichweite des a-Teilchens (r 0 ) e n t d e c k t : log X = A + B log r 0 , worin A u n d B K o n s t a n t e n sind, u n d zwar ist der W e r t von A bei j e d e r radioa k t i v e n Zerfallsreihe ( N e p t u n i u m - , U r a n - , A k t i n i u m - u n d Thorium-Zerfallsreihe) verschieden, w ä h r e n d der W e r t von B s t e t s derselbe bleibt. Die Zerf a l l s k o n s t a n t e ist der H a l b w e r t z e i t (r) u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l , u n d zwar _ jn 2 _ T
~
0,693
~~
«Phil. Mag. 22, 613 (1911); 23 439 (1912).
X
'
76
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
Diese auf experimentellem Wege gefundene Beziehung konnten 1928 und gleichzeitig, doch unabhängig von ihm, G U R N E Y und C O N D O N durch die Wellenmechanik erklären. Das elektrostatische Potential des K e r n s nimmt bei Näherung an den Mittelpunkt hyperbolisch zu, kehrt sich jedoch bei einem bestimmten Abstand um, und im Kernmittelpunkt ist es minimal. Der K e r n wird also durch einen »Potentialwall« umgeben. Wären hier die Gesetze der klassischen Mechanik und Elektrostatik gültig, so könnte ein a-Teilchen den K e r n nur dann verlassen, wenn seine Energie den Gipfel des Potentialwalls übertreffen würde. Nach der Quantenmechanik besteht jedoch auch dann eine gewisse berechenbare Wahrscheinlichkeit für die Befreiung eines a-Teilchens, wenn seine Energie den Gipfel nicht erreicht, und es deshalb einen Potentialwall von gewisser Höhe durchdringen muß; die Wahrscheinlichkeit wird mit der Zunahme der Höhe des Walls kleiner. B e t r ä g t die Energie des a-Teilchens im Kern E und die Gesamthöhe des Potentialwalls U 0 , so nimmt jene Teilhöhe des Potentialwalls, unter welcher das a-Teilchen hindurchschlüpfen muß, mit der Zunahme von E stets ab, und die Wahrscheinlichkeit des Entkommens wird immer größer. Die quantitative Berechnung ergibt gerade die G E I G E R — N u T T A L L s c h e Beziehung. Auch der Kern kann sich in verschiedenen Energiezuständen befinden; diese bilden eine besondere Serie. Der nach der Emission des a-Teilchens zurückbleibende neue Kern befindet sich meistens nicht in Normalzustand, sondern er ist angeregt. Die Rückkehr in den Normalzustand ist mit der Aussendung eines kurzwelligen /UQuants verbunden. Die y-Strahlung ist also sekundären Ursprungs und entsteht erst nach dem Zerfall. Man kann selten auch ein a-Teilchen beobachten, welches aus einem angeregten Atom ausgetreten ist, also eine höhere Energie besitzt; in diesem Falle unterbleibt natürlich die Emission des y-Quants. Die natürlichen Elemente mit Ordnungszahlen über 82 sind alle radioaktiv. So auch das Wismut, wie neuerdings nachgewiesen wurde, nur erfolgt sein Zerfall so langsam, daß seine Halbwertzeit viel größer ist, als das wahrscheinliche Alter der Welt. Auch S a m a r i u m mit der Ordnungszahl 62 ist ein a-Strahler. ß-Zerfall. E i n beträchtlicher Teil der natürlichen radioaktiven Elemente ist /S-Strahler, und zwar sind es teils Elemente mit höheren Ordnungszahlen, Glieder der Uran-, Actinium- und Thoriumreihen, außerdem mehrere radioaktive Elemente mit niedrigeren Ordnungszahlen, wie K a l i u m und Rubidium, ferner, wie neuerdings festgestellt wurde, auch Indium und Neodym; die Halbwertzeiten der beiden letzteren sind sehr groß. Die natürlichen /»-Strahler senden Elektronen mit großer Geschwindigkeit aus. Man kann die maximale Energie der Elektronen, die für das betreffende radioaktive Element charakteristisch ist, bestimmen. E s kommen jedoch nicht nur mit dieser maximalen Energie ausgesandte Elektronen vor, sondern es gibt auch solche mit viel kleinerer Energie. I m /3-Spektrum des R a E ist die Energie kontinuierlich verteilt, bei anderen Elementen k o m m t es jedoch auch vor, daß eine Linie mit einer bestimmten Energie auftritt. Die Deutung der kontinuierlichen Verteilung der Elektronenenergie bereitete Schwierigkeiten. Die Energie aller Atome desselben Elementes ist gleich — kinetische und optische Abweichungen können hier außer acht gelassen werden. Infolge der Verschiedenheit des Energiegehalts der /^-Strahlen GAMOW
26. RADIOAKTIVER ZERFALL
77
sollten also in dem Energiegehalt u n d d a d u r c h auch in der Masse der durch JS-Umwandlung e n t s t a n d e n e n neuen A t o m k e r n e gewisse Unterschiede bestehen. Diese sind jedoch nicht nachzuweisen, die Massen der neuen Kerne sind vollkommen identisch. Was geschieht also m i t der Energie, welche sich aus dem Unterschied zwischen den E l e k t r o n e n mit kleinerer als maximaler Energie u n d denen m i t maximaler Energie ergibt? Zur E r k l ä r u n g stellte P A U L I eine sehr beachtenswerte Theorie auf. D e m n a c h fliegt gleichzeitig mit dem A u s t r i t t des /^-Teilchens, das heißt des Elektrons, auch ein neutrales Teilchen von äußerst kleiner Masse, das sog. Neutrino, aus dem A t o m k e r n , u n d zwar mit einer k a u m kleineren Geschwindigkeit, als der des Lichtes. Infolge seiner sehr kleinen Masse, N e u t r a l i t ä t u n d ungeheuren Geschwindigkeit k a n n das Neutrino beinahe ungehindert Stoffe durchdringen, u n d deshalb direkt nicht nachgewiesen werden. Die ausgesandt e n Neutrinos n e h m e n einen Teil der Zerfallsenergie mit sich, die von verschiedener Größe sein k a n n ; der andere Teil der Energie fällt auf das ausgesandte E l e k t r o n . Die Ruhemasse des Neutrinos ist so klein, daß es bisher nicht gelungen ist, sie nachzuweisen; sein Impuls, der jedoch größer ist, k o n n t e neuerdings auch nachgewiesen werden. Das (künstliche) Isotop des Argons mit der Massenzahl 37 wandelt sich mit .K-Strahlung in 3 'C1 u m , wobei das Chloratom infolge Ausstoßens des Neutrinos zurückgestoßen wird; die Energie b e t r ä g t hierbei 9,6 eV. E s w u r d e n auch künstliche radioaktive Isotope dargestellt, welche »positive E l e k t r o n e n « (Positronen) ausstrahlen. I h r Zerfall geht nach denselben Gesetzen vor sich, wie bei den negativen E l e k t r o n e n ausstrahlenden natürlichen oder künstlichen radioaktiven E l e m e n t e n . Es gibt eine eigentümliche F o r m des /3-Zerfalls, welche der eben beschriebenen entgegengesetzt ist. Bei der als J i - E i n f a n g b e k a n n t e n Erscheinung n i m m t der A t o m k e r n ein E l e k t r o n aus der K-Schale auf, u n d wird zum A t o m mit einer u m eins kleineren Ordnungszahl u m g e w a n d e l t . Infolgedessen wird sein auf der K-Schale leer gewordener Platz durch ein anderes E l e k t r o n aus der Elektronenhülle des A t o m s besetzt. Dabei sendet das neue A t o m charakteristische K-Röntgenstrahlung aus, welche w a h r g e n o m m e n werden k a n n . Diese Erscheinung wurde 1937 v o n A L V A R E Z entdeckt. y-Strahlung. Beim Zerfall radioaktiver A t o m k e r n e k o m m t es oft vor, d a ß h a r t e Q u a n t e n s t r a h l u n g , also solche m i t hohem Durchdringungsvermögen, b e o b a c h t e t wird; diese wurde schon von R U T H E R F O R D y-Strahlung b e n a n n t . Eingehende U n t e r s u c h u n g e n zeigten, d a ß die y-Strahlung kein primärer Vorgang ist. Der A t o m k e r n k a n n sich — ebenso wie die Elektronenhülle des Atoms — in verschiedenen, diskreten Energiezuständen befinden, von welchen der energieärmste stabil ist. Der A t o m k e r n k a n n in einem energiereichen, sog. angeregten Z u s t a n d sein, der jedoch nicht beständig ist, sondern der K e r n k e h r t wieder in seinen N o r m a l z u s t a n d zurück, u n d s t r a h l t den Unterschied zwischen den beiden Z u s t ä n d e n in Gestalt eines y-Quants aus. W e n n der Atomkern ein Teilchen emittiert, k o m m t dieser Fall vor. Die R ü c k k e h r in den N o r m a l z u s t a n d k a n n auch in mehreren S t u f e n erfolgen, wobei y-Strahlen mit verschiedenen, scharf abgegrenzten Wellenlängen aus dem K e r n t r e t e n . Gewisse radioaktive E l e m e n t e zeigen also lineare y-Spektren, die m i t verschied e n e n Methoden gemessen werden können.
78
ALLGEMEINER TEIL — ATOME
E s kommt auch vor, daß das y-Quant aus der Elektronenhülle des Atoms ein Elektron ausstößt und ihm seine Energie übergibt. Solche Elektronen haben also eine ganz bestimmte Energie, und die so entstandene homogene /?-Strahlung erzeugt ein ebenfalls scharf definiertes ^-Spektrum, welches durch Beugung im magnetischen Feld gemessen werden kann. Eine solche Strahlung ist das Ergebnis einer »inneren Umwandlung«. In manchen Fällen kehrt das Atom nach der Emission eines Teilchens nicht sogleich in den Normalzustand zurück, sondern erst nach einer gut meßbaren Zeit, so daß die Halbwertzeit des angeregten Zustandes Sekunden, j a sogar Tage betragen kann. Solche y-Strahlung kommt besonders dann vor, wenn ein Kern mit derselben Ladung (Ordnungszahl) und demselben Atomgewicht einen abweichenden Kernspin besitzt. Diese Kerne werden analog chemisch isomeren Verbindungen, isomere Kerne genannt, weil die Zahl und Qualität der Elementarteilchen dieselbe und nur ihre Anordnung, also der Aufbau des Atomkerns, verschieden ist. 27. Radioaktive Maßeinheiten. Strahlenschutz. Beim Arbeiten mit radioaktiven Präparaten sind einige Maßeinheiten wichtig. Die Strahlungsintensität eines Präparates wird in Curie-Einheiten (C) gemessen. 1 Curie entspricht der Strahlung von 1 g Radium und bedeutet den Zerfall von 3,7 • 10 10 Atomen je Sekunde. Von einem radioaktiven Element mit kurzer Halbwertzeit, also schnellem Zerfall, wird natürlich auch eine kleinere Menge dieselbe Aktivität besitzen, wie 1 g Radium. Deshalb ist die Strahlung der kurzlebigen, künstlich radioaktiven Isotope viel gefährlicher, als z.B. die des Radiums. Bei der Spaltung des Urans, welche im nächsten Abschnitt behandelt wird, entstehen solche radioaktive Isotope in großen Mengen, und ihre Beseitigung bereitet große Schwierigkeiten. Die Einheit der radioaktiven Strahlung ist die Röntgen-Einheit (r), welche in 1 cm 3 trockener, in normalem Zustand befindlicher Luft Ionen von einer elektrostatischen Einheit erzeugt (2,08 • 10 9 Ionen). Ein g Radium in Gleichgewicht mit seinen Zerfallsprodukten entfaltet hinter einem 0,5 mm starken Platinblech in einem Abstand von 1 cm eine Aktivität von 133 r • m i n - 1 . Die Aktivität von m g Radium beträgt also in 133 m einer Entfernung von a cm r • min" 1 . Ein mC (Millicurie) radioaktiver 2 a Substanz entspricht in einer Entfernung von 100 cm je Minute einer Strahlungsmenge von 0,133 • 10~ 4 r. Ein Mensch kann wöchentlich eine Strahlungsmenge von 0,1 r ohne Schaden vertragen; von 25 r an erleidet man ernsten Schaden, 700 r sind tödlich. Wöchentliche Dosen über 0,3 r addieren sich. Beim Arbeiten mit radioaktiven Substanzen muß der radioaktive Stoff — wenn es sich nicht um ein sehr schwaches Präparat handelt — mit Bleiplatten sehr sorgfältig abgeschirmt werden (seltener gebraucht man auch Wolfram). Die mit radioaktiver Arbeit beschäftigten Forscher müssen Schutzmäntel aus bleioxydhaltigem Gummi tragen. Die Arbeit selbst soll in einem speziellen Abzug oder in einem zu diesem Zweck dienenden geschlossenen Glasschrank (sog. dry box) verrichtet werden; mit den Händen darf kein Präparat berührt
28. AT0MKERNREAKTI0NEIS7
79
werden. Selbst bei diesen Maßnahmen ist es k a u m zu vermeiden, daß eine gewisse Strahlungsmenge zum Körper gelangt; deren Größe wird mit kleinen tragbaren Dosimetern gemessen, welche der Forscher immer an seinem Körper tragen m u ß . Besondere Schwierigkeiten bereitet die Fernhaltung der Neutronen, wozu sich am besten eine Schutzschicht aus Wasser oder aus P a r a f f i n eignet. 28. Atomkernreaktionen. Atome können nicht nur von selbst, auf radioaktivem Wege zerfallen, sondern der Atomkern k a n n sich auch infolge äußerer Einwirkungen umwandeln. R U T H E R F O R D war der erste, der im J a h r e 1919 Stickstoff mit a-Teilchen bombardierte u n d bewies, daß dabei Protonen mit sehr großem Wirkungsbereich frei werden. Obwohl m a n nach der damals f ü r richtig gehaltenen Theorie die Umwandlung der Atome f ü r eine Unmöglichkeit hielt, äußerte R U T H E R F O R D dennoch die Ansicht, daß bei der erwähnten Erscheinung der Stickstoff sich in eine andere A t o m a r t , u n d zwar in Sauerstoff umwandelt. Dabei entsteht nicht das gewöhnliche 1 6 0-Atom, sondern 1 7 0 , und gleichzeitig wird ein Proton frei. Diese Umwandlung k a n n durch die folgende Gleichung wiedergegeben werden: + |He = » O + iH . Der obere Index bedeutet die Massenzahl, der untere die Ordnungszahl, also die Kernladung. Die Summe der Massenzahlen m u ß beiderseits gleich sein, ebenso die der Ordnungszahlen. Heute sind bereits über 2000 verschiedene Atomkernreaktionen bekannt, obwohl die Ergebnisse der Atomkernphysik oft geheimgehalten werden. Es gibt sehr viele Typen von Reaktionen. Diese können durch Einwirkung von mit Ladung versehenen Teilchen, neutralen Teilchen oder Quanten mit hoher Energie eintreten. Ferner werden einfache und mehrfache Vorgänge unterschieden; bei letzteren werden von dem entstandenen neuen K e r n unter der Wirkung eines Teilchens mehrere Teilchen emittiert. I n den Atomkern können mit Hochspannung beschleunigte geladene Teilchen eingeschossen werden. Solche sind die natürlichen oder künstlich hergestellten a-Teilchen, Protonen u n d Deuteronen. (Elektronen noch so hoher Energie können Atome nicht umwandeln.) Von den neutralen Teilchen kommen nur die Neutronen in Betracht, die jedoch vielerlei Atomkernreaktionen zustande bringen können. Schließlich wurde noch gezeigt, daß der Atomkern in gewissen Fällen auch durch energiereiche y-Quanten verändert werden kann. Die Atomkernreaktionen können auch in vereinfachter F o r m geschrieben werden, indem m a n die a-Teilchen mit a, die Deuteronen mit d, die Protonen mit p, die Neutronen mit n und die y-Quanten mit y bezeichnet. Die vollständige Bezeichnung der Reaktion geschieht in der oben bei der Umwandlung des Stickstoffs unter der Einwirkung von a-Teilchen angewandten oder abgekürzt auf folgende Weise: Gegen das Eindringen von positiv geladenen Teilchen in den Atomkern wirkt eine elektrostatische Abstoßung, die (nach der klassischen Auffassung) n u r durch energiereiche Teilchen überwunden werden kann. Nach der Quanten-
80
A L L G E M E I N E R T E I L — ATOME
mechanik besteht eine gewisse, wenn auch geringe Wahrscheinlichkeit dafür, daß auch ein Teilchen mit einer kleineren Energie als die Abstoßungsenergie durch die »Potentialwall« dringen kann. Mit Strahlen von entsprechender Intensität wurde bewiesen, daß Atomumwandlungen auch durch Protonen mit sehr niedriger Spannung (10 000 V) ausgeführt werden können; die Ausbeute ist jedoch sehr gering. Gegen ungeladene Teilchen kommt eine Abstoßung nicht zur Geltung, sie können also in beliebige Atomkerne eindringen. Die bisher besprochenen Reaktionen können nur mit Atomen mit kleineren Kernladungen (Ordnungszahlen) ausgeführt werden, wofern nicht energiereiche Teilchen, z. B . mit 40 MeV, angewandt werden. Hier besteht jedoch ein bedeutender Unterschied zwischen der Wirkung von schnellen und der von langsamen Neutronen, was gewohnterweise so ausgedrückt wird, daß der »Wirkungsquerschnitt« des Atomkerns von der Geschwindigkeit der Neutronen abhängt. Es kommt vor, daß der Atomkern Teilchen von bestimmter Energie leicht aufnimmt, auf sie »resoniert«. Die Kernreaktionen mit Neutronen können verschiedener Art sein. Darunter sind auch solche, bei denen der Einfang eines Neutrons das Ausstoßen mehrerer Neutrone bewirkt; man hat es also mit einem mehrfachen Vorgang zu tun. Tab. 13 zeigt die Statistik von etwa 1200 Reaktionen mit der Bezeichnung der eingefangenen und der emittierten Teilchen. Tabelle
13
Die Zahl der bekannten Atomkernreaktionen Emittierte
Teilchen
a p 11 2n
v
Mehrfacher Vorgang . .
E in gef a neene
2 a 67 h
95mNb 95
Nb
96Nb 97
93
42
93
101 Mo 102Mo
43
105Mo 92Tc 93m
Tc
93Xc 94Xc 95ra
Tc
95Xc 96m
Tc
96Xc 97mXc 9,
Tc
98Xc 99Xc 99Xc iooXc ioiXc
102Tc 105Xc
44
94
Ru Ru Ru 103 Ru 105 Ru 106 Ru 107 Ru 97 Rh 9 8Rh "Rh 95 9,
45
iooRh
101
Rh Rh Rh 104m Rh 104 Rh 105 Rh
l02
1Mra
io5Rh
14,6 m 11,5 m >2 m 4,3 m 43,5 m 2,7 h 52,5 m 60 d 20,0 h 51,5 m 4,35 d 91 d 2,6 10« a 1,5 IO6 a 6,04 h 2,12 IO5 a 15,8 s 14,0 m 5 s 10 m 57 m 1,65 h 2,88 d 40 d 4,5 h 1,0 a 4 m 35 m 9 m 4,5 h 20,8 h 4,3 d 210 d 57 m 4,34 m 44 s 45 s 36,5 h
93
der Tabelle 17) Umwandlungsweise Strahlungsart, Energie in MeV
ß~ 1,3; y 0,0415, 0,056, 0,903 ( I U ) ß~ 0,50 y 0,231 (IU) ß~ 0,162 ; y 0,764 ß~ 8% 0,370, 92% 0,750 ; y 0,216—1,187 ß~ 1,27 ; y 0,665 ß~ ß~ 3,2 ß+ 1,15 ; y 0,120, 0,250 ß+ 3,44 ß+ 51% 2,45, 35,8% 2,78, 13,2% 3,99 ; y 0,654, 1,21, 1,54 y 22% 0,264, 39% 0,685, 39% 1,479; e" 0,262 ( I U ) K ß~ 14% 0,41, 3% 0,80, 83% 1,18 ; y 55% 0,139, 26% 0,745, 12% 0,780, 7% 0,850 ß~ 30% 1,2, 70% 2,2 ; y 0,191—2,08 ß~ ß~ K ; ß+ 4,1; y 1,3; e " 0,390 (IU) 88% K ; 12% ß+ 0,800 ; y 1,35, 1,50, 2,0 65% K ; ß+ 2,41 ; y 0,874, 3,27 iC; ß+ 0,68, 0,46 ; y 0,202, 0,578, 0,804, 1,028 ; y 0,039 (IU) K ; y 0,76, 0,932, 1,07 y 0,034 (IU) y 0,312, 0,771, 0,806, 0,842, 1,119 y 0,097 ; e~ 0,096 (IU) K ß- 0,30 ; y 0,65, 0,74 y 0,0020 ; y 0,139 (IU) ß~ 0,292 ß~ 2,2, 2,8, 3,38 ; y 0,542—1,8 ß~ 1,07, 1,32 ; y 0,127-^0,94 ß- 4,4 K ; ß+ 1,2; y 0,145, 0,340, 0,640, 1,11 K ; "/ 0,109—0,570; e~ 0,09, 0,099 ß~ 28% 0,128, 70% 0,207, 3 % 0,70 ; y 0,055—0,650 ß- 100% 1,15 ; y 0,265, 0,726, 0,96 ß~ 0,0392 ß~ ß++ ß 3,3 ; y 0,65 ß+ 0,74 ; y 0,34—1,41 ; e" 0,286 K ; ß+ 0,15—2,62 ; y 0,301—2,379 ; e~ 0,6 K ; y 0,144, 0,286 ; y 0,35 ß+ 1,27, ß~ 1,12 ; y 0,474, 0,626, 0,695, 1,58 y 0,0402 (IU) y 0,77, 0,556 ; y 0,052 (IU) ß~ 1,88, 2.5 ; y 0,556, 1,24 Y 1,30 (IU) | ß~ 65% 0,247, 35% 0,560 ; 20% y 0,310
A L L G E M E I N E R T E I L — ATOME
94
(Fortsetzung Isotop
106
Rh
107
Rh Rh Rh 109 Rh "Pd "Pd lOOPd iox P d 103 Pd «"Pd 108 108
46
109mp¿ îospd nl
47
pd
lllmpd 112Pd 103 A g 104 A g 106
Ag
106 A g 106Ag 107m A g 108A g 109m A g 110m A g 110Ag 111
Ag
112Ag
118 A g 114Ag 116A g
48
104 Cd i°5Cd 107 Cd
•10UCd 113mCd 115mCd ll5
Cd
117n.Cd 117
49
Cd i 07 In 10sn.Jn 109m J n 110m I n U0
m
In In
USmJn 112
In
113mXn 114mJn
der Tabelle
U m w a n d l u n g s weise Strahlungsart, Energie in MeV
Halbwertzeit
30 s 24 m 18 s 9 h