Analyse des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik: Zur Notwendigkeit seiner Weiterentwicklung [1 ed.] 9783428483334, 9783428083336


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German Pages 339 Year 1995

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Analyse des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik: Zur Notwendigkeit seiner Weiterentwicklung [1 ed.]
 9783428483334, 9783428083336

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PETERSTEIN

Analyse des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik

Sozialpolitische Schriften Heft 66

Analyse des Trägerund Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik Zur Notwendigkeit seiner Weiterentwicklung

Von

PeterStein

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Stein, Peter:

Analyse des Träger- und Finanzierungsproblems der Arbeitsmarktpolitik : zur Notwendigkeit seiner Weiterentwicklung I von Peter Stein.Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Sozialpolitische Schriften ; H. 66) Zug!.: Augsburg, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08333-4 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0584-5998 ISBN 3-428-08333-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Meinen Eltern

Inhaltsverzeichnis Einleitung

23

Erstes Kapitel

Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik A. Die Soziale Marktwirtschaft als Referenzsystem der Arbeitsmarkt-

politik..................................................... ......................

B. Die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes und maßgeblicher arbeitsmarktpolitischer Zielbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 34

I. Die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

II. Die Abgrenzung von arbeitsmarktpolitischen Zielen..............

37

C. Die Elemente des Zielsystems.. .......... ...... ... .. .. .. ............. . ... ...

40

I. Die Hauptziele der Arbeitsmarktpolitik .......... ........ .... . .. . .. .

43

1. Die Ziele der aktiven Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

a) Die Beeinflussung der Arbeitsmarktstruktur........ .......

44

b) Die Integration benachteiligter Personengruppen . . . . . . . . .

45

c) Die optimale Allokation von Arbeitskraft.......... ........

48

2. Die Ziele der passiven Arbeitsmarktpolitik.....................

49

II. Zu den Nebenzielen der Arbeitsmarktpolitik................... ....

50

D. Die Struktur des Zielsystems. ... . . . . ........ ..... ...... .. . . ... . ..... .. . . ... .

52

8

Inhaltsverzeichnis

Zweites Kapitel

Die institutionelle und finanzielle Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland A. Das AFG als zentrale Rechtsgrundlage staatlicher Arbeitsmarktpolitik...........................................................................

57

I. Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des AFG . . . . . . . . .

58

II. Die entstehungsgeschichtlichen Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Verabschiedung des AFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

62

B Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

I. Die Instrumente der passiven Arbeitsmarktpolitik.... ..... . .......

67

II. Die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

C. Das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik. . .. ....

74

I. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ..... .. ....

75

1. Überblick über die Reichweite der Weisungsbefugnis des

BMA gegenüber der Bundesanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

2. Die Rechtsaufsicht des BMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

II. Die Bundesanstalt für Arbeit als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts......................................... .... ....

78

1. Die organisationalen Grundlagen des Verwaltungsautbaus der Bundesanstalt für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

79

2. Das Haushaltswesen der Bundesanstalt für Arbeit.. .. .. . .. ....

81

a) Die Verteilung haushaltspolitischer Kompetenzen zwischen der Bundesanstalt und der Bundesregierung . . . . . . . .

82

b) Die Struktur und Reichweite haushaltspolitischer Kompetenzen innerhalb der Bundesanstalt........ ............... .

85

III. Die Länder und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

Inhaltsverzeichnis

9

Drittes Kapitel

Untersuchung der gegenwärtigen Ausgestaltung des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik

A. Bestandsaufnahme globaler Entwicklungstendenzen des Umfangs des Instrumenteneinsatzes seit Verabschiedung des AFG....................

91

I. Die Veränderung der Arbeitsmarktlage.. ....... ...... ...... .. .... ..

91

II. Die Ausgabenentwicklung für den Instrumenteneinsatz der passiven Arbeitsmarktpolitik........................................ ......

94

III. Die Ausgabenentwicklung für den Instrumenteneinsatz der aktiven Arbeitsmarktpolitik.. ............... .. .......... .......... .. . .. ....

98

B. Die Funktionalität des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik hinsiebtlieb eines unter dem Zeitaspekt zweckmäßigen Instrumenteneinsatzes . .. . ........... .. ........ ....... ..... .. . . .. .. 101 I. Die Determinanten der Dynamik arbeitsmarktpolitischer Hand-

lungsbedarfe ..... .... .... ......... .... ... . . .. .. ............. ..... .. . .....

103

II. Die Notwendigkeit und inhaltliebe Ausgestaltung einer an der Dynamik des Arbeitsmarktes ausgerichteten Orientierung der passiven Arbeitsmarktpolitik..... ....... .. . . . ...... ......... .... . ..... 108 1. Die maßgeblichen theoretischen und ordnungspolitischen

Grundlagen passiver Arbeitsmarktpolitik ..... ........ ..........

108

a) Die Möglichkeiten einer Beeinflussung des Arbeitsmarktergebnisses und der Funktionsfähigkeit des Finanzierungssystems durch Veränderungen des Leistungsrahmens passiver Arbeitsmarktpolitik........... ........... . 109 b) Die Möglichkeiten und Grenzen einer konjunkturpolitisch zweckmäßigen Ausgestaltung der passiven Arbeitsmarktpolitik.................. ... .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. .. 112 a) Die "traditionelle" Theorie von der Arbeitslosenver-

sicherung als Konjunkturstabilisator ....... ........ ... ..

114

10

Inhaltsverzeichnis

ß)

Die "neue" Theorie von der Arbeitslosenversicherung als Konjunkturstabilisator........................... ... ... 116

y) Die Notwendigkeit zur Vermeidung diskretionärer

Eingriffe in das Leistungsrecht.............. .... ...... .. . 118

2. Die Praxis der passiven Arbeitsmarktpolitik seit Verabschiedung des AFG........................... ... ................... . ..... 120 a) Die Entwicklung einnahmeseitiger Aktionsparameter . . . . 121 b) Die Entwicklung ausgabenseitiger Aktionsparameter..... 124 III. Die Notwendigkeit und inhaltliche Ausgestaltung einer an der Dynamik des Arbeitsmarktes ausgerichteten Orientierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 132 1. Die maßgeblichen theoretischen und ordnungspolitischen

Grundlagen aktiver Arbeitsmarktpolitik............ ............. 133 a) Die notwendigen Basishypothesen .. .. ................. ... ... 133 b) Die Klassifikation von Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik nach der Art des primär zugrundeliegenden Handlungsbedarfs.. ... ......... .... .. .. ..... ... .............. ... 136 c) Zur Dynamik der Struktur des Handlungsbedarfs im Bereich aktiver Arbeitsmarktpolitik in Abhängigkeit von konjunkturell bedingten Ereignissen................... ...... 142 d) Die Konsequenzen für das Finanzierungssystem .... .... ..

145

2. Die Praxis der aktiven Arbeitsmarktpolitik seit Verabschiedung des AFG .............. .......... ... .. ... ........ ....... ... ..... 149 IV. Die Koordination des Einsatzes von Instrumenten der passiven und aktiven Arbeitsmarktpolitik in der arbeitsmarktpolitischen Praxis.. ..... ... ....... ...... ...... ........... ...... .. .. .. ... .. ... .. ....... 158 1. Konzeptionelle Grundlagen einer zweckmäßigen Koordination und die hieraus abgeleiteten Arbeitshypothesen... .. 158 2. Die bisherige Entwicklung der Schwerpunkte arbeitsmarktpolitischen Handeins in Abhängigkeit von der Arbeitsmarktlage............ .. .... ..................... . ..... ..... .. .......... ...... 162

Inhaltsverzeichnis

II

C. Die Implikationen der gegebenen Verteilung von arbeitsmarktpolitischer Verantwortung unter steuerungstechnischen und ordnungspolitischen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. Die Auswirkungen der gegebenen Verteilung arbeitsmarktpolitischer Lasten zwischen den fiskalischen und parafiskalischen Haushalten auf die Wirksamkeit der Steuerung des Politikbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Zu den theoretischen Grundlagen... ... .... ................ ......

174

2. Die Gestalt suboptimaler Anreizeffekte auf seiten der Entscheidungsträger infolge von fiskalischer Inkongruenz. . ..... 179 II. Die Beeinträchtigungen des materialen Gehalts der Selbstverwaltung aufgrund der gegenwärtigen Verteilung haushaltspolitischer Kompetenzen............ ... ...... .... ............ .... ...... 186 1. Die Grundlegung des Selbstverwaltungsgedankens unter besonderer Berücksichtigung seiner Anwendung in der Arbeitsverwaltung.. ... .. .. . . .. ...... .. . ... .. ...... .. . . ........ .. .. .... 187 2. Der faktische Gehalt materialer Selbstverwaltung innerhalb der Arbeitsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Kritische Würdigung der Praxis arbeitsmarktbezogener materialer Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

D. Die ordnungspolitischen Implikationen der Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Instrumente aus den Sozialversicherungsbeiträgen einer Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Die Anwendbarkeit und Funktion des Sozialversicherungsprinzips im arbeitsmarktpolitischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

II. Das Problem versicherungsfremder Lasten der Arbeitslosenversicherung . . . ....... .. .. . .. ......... ........ .. . . ....... . ........ .... . .. .. . 214 1. Die Grundlagen einer Ableitung von Normen zur Abgrenzung von Versicherungsleistungen .. . .... ..... ... ........ . . ..... . 214

12

Inhaltsverzeichnis

a) Das Vorliegen und die Abgrenzung von Versicherungsleistungen im arbeitsmarktpolitischen Kontext unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts........ ... ... .................... .. 215 a) Allgemeine Vorüberlegungen und Erörterung des

geschichtlichen Hintergrundes... ... ................ .... .. 215

ß)

Unterschiedliche Möglichkeiten einer inhaltlichen Abgrenzung des Äquivalenzprinzips.... .. ... . .... .... .. 219

y) Die laufende Rechtsprechung des Bundesverfassungs-

gerichts...... ... ..................... ................... . ..... 221

b) Die Funktion des Sozialversicherungsbeitrages innerhalb des gewachsenen Systems der sozialen Sicherung . . . . . . . . . 224 a) Die Entwicklungsgeschichte des Sozialbeitrages und

seiner Zweckbestimmung unter besonderer Berücksichtigung des Sozialbeitrages zur Arbeitslosenversicherung... ... .................. . .. ... ................. ...... 224

ß)

Die strukturelle Konsistenz der Arbeitslosenversicherung unter Berücksichtigung der Gestaltungsprinzipien und von Strukturmerkmalen der sozialen Sicherung............ ................. ... ..... . .. ....... ..... ... .... 228

2. Die inhaltliche Abgrenzung von versicherungsfremden Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Methodische Grundlagen der weiteren Vorgehensweise. . 232 b) Die Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips.. .. . 237 a.) Verletzungen des Grundsatzes der Globaläquivalenz

durch Exklusion...... ......... . ..... .................... ... 237

ß)

Verletzungen des Grundsatzes der Globaläquivalenz durch Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

c) Die Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . 253 a) Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf den

Leistungsrahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik . . . 254

ß) Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf den

Leistungsrahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik.. ... 261

Inhaltsverzeichnis

13

3. Eine qualitative und quantitative Evaluation der Problemlage............................................ ....................... 266 a) Zur Qualität der Problemlage: Die Frage einer konsistenten Ausgestaltung von Finanzierungssystemen in der sozialen Sicherung unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Versuch einer Quantifizierung versicherungsfremder Leistungen auf der Grundlage unterschiedlicher Szenanen ................................... ............................ 268 a) Szenario 1: Abgrenzung von Leistungen der aktiven

Arbeitsmarktpolitik bei Orientierung an einer globaläquivalenten Ausgestaltung des Finanzierungssystems 268

ß)

Szenario 2: Abgrenzung sämtlicher arbeitsmarktgestaltender Maßnahmen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik als versicherungsfremde Leistungen 272

III. Zu den verteilungspolitischen Implikationen der gegenwärtigen Ausgestaltung des Finanzierungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Verteilungswirkungen innerhalb der Arbeitslosen-versiche-

rung......... .... ..... ..................... ......... ...... ... ...... .... 277

2. Verteilungswirkungen zwischen der Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung und externen Personen . . . . . . . . . . . . . 280 3. Zu den verteilungspolitischen Konsequenzen einer verstärkten Beteiligung des Steuerfonds an der Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

285

Tabellenanhang

296

Verzeichnis der zitierten Rechtsgrundlagen

306

Literaturverzeichnis

309

Tabellenverzeichnis

Tabellen im Text Tabelle 1:

Die sektorale Verteilung des Erwerbspersonenpotentials West- und Ostdeutschlands in v.H. .................. 105

Tabelle 2:

Kosten der Entlastung des Arbeitsmarktes durch ausgewählte Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Jahr 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Tabelle 3:

Die Entwicklung ausgewählter ARM-Kennziffern von 1980 bis 1989 ................................................. 156

Tabelle 4:

Die Struktur der fiskalischen Wirkungen des Einsatzes von ABM im Jahr 1981........ ......... ........ ..... .. .... .. 181

Tabelle 5:

Die Struktur der fiskalischen Wirkungen des Einsatzes von Vollzeitmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung und von Kurzarbeitergeld im Jahr 1982 .. .... .. 183

Tabelle 6:

Die Leistungen des Bundes zur Finanzierung wiedervereinigungsbedingter Lasten des ostdeutschen Arbeitsmarktes im Bereich der Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . 249

Tabelle 7:

Die versicherungsfremden Leistungen der Jahre 1992 und 1993 auf der Grundlage von Szenario 1 .. . . ... .. . . . . 270

Tabelle 8:

Die Auswirkungen versicherungsfremder Leistungen auf die Beitragssatzgestaltung in den Jahren 1992 und 1993 ··········· ····················· ········· ·············· ····· 272

Tabelle 9:

Die versicherungsfremden Leistungen von 1970 bis 1993 auf der Grundlage von Szenario 2. ....... ..... . .. ... 274

Tabellenverzeichnis

15

Tabellen im Anhang

Tabelle 1:

Die Entwicklung von Beitragsleistungen der Mitglieder (West)......... ..................... ....................... ... .. 296

Tabelle 2:

Die Entwicklung des Leistungsumfangs der passiven Arbeitsmarktpolitik und der Finanzierung von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (West)............. ... .. 297

Tabelle 3:

Die Entwicklung von Indikatoren des Aktivitätsgrades der Arbeitsmarktpolitik in Westdeutschland . .. .. .. .... .. 298

Tabelle 4:

Die Entwicklung inflationsbereinigter Ausgaben für Maßnahmen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik in Westdeutschland (deflationiert) . . . .. .. .. 299

Tabelle 5:

Ausgaben für Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik - Einzelleistungen.. ...... ... .................... . .. .. 300

Tabelle 6:

Ausgaben für Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik - Kurzarbeit, ABM sowie Maßnahmen zur ganzjährigen Beschäftigung..... ...... .. .............. .. ... . 301

Tabelle 7:

Ausgaben für Leistungen der passiven Arbeitsmarktpolitik - Einzelleistungen....... .... .. ...... ... ........ ... . .. 302

Tabelle 8:

Aggregierte Ausgaben und Salden .. ... .... .. .. ..... ...... . 303

Tabelle 9:

Aggregierte Arbeitsmarktstrukturdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Tabelle 10:

Entwicklung der Beschäftigungsäquivalente ausgewählter Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik. .. .. .... 305

Verzeichnis der Schaubilder und Übersichten

Schaubilder

Schaubild 1:

Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Westdeutschland........... ... . ..................... ... .................... ..

92

Schaubild 2:

Die Entwicklung der Leistungsausgaben für Maßnahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

Schaubild 3:

Die Entwicklung der Leistungsausgaben für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik .. ... .... .... .. . . .. ..

99

Schaubild 4:

Die Entwicklung einnahmeseitiger Parameter des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit und von Haushaltssalden der passiven Arbeitsmarktpolitik .... ...... .. .... . 122

Schaubild 5:

Die Anteile der Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (Westdeutschland). ... ................. ... .. 126

Schaubild 6:

Die Wirksamkeit von ausgewählten Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik nach dem Beschäftigungsäquivalent.... ... ......... ........ .. .... .... ..... .. ... .. ... ... .. 151

Schaubild 7:

Die Entwicklung der Anteile aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik an den instrumententenbezogenen Gesamtausgaben.............. .... ...... ................ .... .. 163

Schaubild 8:

Die Entwicklung des Beschäftigungsäquivalents ausgewählter arbeitsmarktpolitischer Instrumente in Relation zum Arbeitslosenpotential.......... ... ...... .......... ..... . 168

Schaubild 9:

Die Entwicklung disponibler und indisponibler Ausgaben der Bundesanstalt...... ...... ................... ....... . . 200

Verzeichnis der Schaubilder und Übersichten

17

Übersichten Übersicht 1:

Die Teilbereiche arbeitsmarktpolitischen Handeins. . .. .

Übersicht 2:

Die Klassifikation der im AFG geregelten Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik nach dem zugrundeliegenden Handlungsbedarf............... .. ............... .. .. .. .. 138

Übersicht 3:

Unterschiede in der Behandlung von Leistungen und Leistungsansprüchen im System der sozialen Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

36

Abkürzungsverzeichnisse

Abkürzungen im Text ABM

Allgemeine Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung

ABM-AO

ABM-Anordnung des Vetwaltungsrats

ARS-Gesellschaft

Gesellschaft zur Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung

Abs.

Absatz

AfA

Ausschuß für Arbeit

AfAS

Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung

AFG

Arbeitsförderungsgesetz

AFKG

Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz

AMP

Arbeitsmarktpolitik

AN

Arbeitnehmer

ANBA

Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit

Art.

Artikel

AtzG

Altersteilzei tgesetz

Aufl.

Auflage

AÜG

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

AVAVG

Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung

BA

Bundesanstalt für Arbeit

BAföG

Bundesausbildungsförderungsgesetz

Abkürzungsverzeichnisse

19

bB

berufliche Bildung

BBiG

Berufsbildungsgesetz

BGBl

Bundesgesetzblatt

BHO

Bundeshaushaltsordnung

BMA

Bundesministerium/Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung

BMF

Bundesministerium/Bundesminister für Finanzen

BMFuS

Bundesministerium für Familie und Senioren

BR-D

Bundesratsdrucksache

BSGE

Bundessozialgerichtsentscheid

BSHG

Bundessozialhilfegesetz

BSP

Bruttosozialprodukt

BT-D

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Bundesverfassungsgerichtsentscheid

bzw.

beziehungsweise

c.p.

ceteris paribus

DDR

Deutsche Demokratische Republik

ders.

derselbe

dies.

dieselbe(n)

d.h.

das heißt

d.Verf.

des Verfassers, der Verfasser

EuGH

Europäischer Gerichtshof

f.

folgende

ff.

fortfolgende

FN

Fußnote

FuU

Fortbildung und Umschulung

GBI

Gesetzblatt der DDR

GG

Grundgesetz

2*

20

Abkürzungsverzeichnisse

ggf.

gegebenenfalls

GKV

gesetzliche Krankenversicherung

GRV

gesetzliche Rentenversicherung

HdFW

Handbuch der Finanzwissenschaft

HdStR

Handbuch des Staatsrechts

HdSW

Handwörterbuch der Sozialwissenschaften

HdWW

Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften

lAB

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

i.d.R.

in der Regel

insbes.

insbesondere

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weitesten Sinne

Jh.

Jahrhundert

KSchG

Kündigungsschutzgesetz

Mio.

Millionen

Mrd.

Milliarden

NF

neue Folge

Reha.

Rehabilitation

RGBI

Reichsgesetzblatt

RNr.

Randnummer

RVO

Reichsversicherungsordnung

s.

Seite

SGB

Sozialgesetzbuch

sog.

sogenannt

StabWG

Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft

STV

Vertrag über die Schaffung einer Währungs- Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland (Staatsvertrag)

Abkürzungsverzeichnisse

SVR

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Tab.

Tabelle

u.a.

unter anderem

v.H.

von Hundert

VRG

Vorruhestandsgesetz

WeimRVerf.

Weimarer Reichsverfassung

WZB

Wissenschaftszentrum Berlin

z.

Ziffer

21

Abkürzungen in Tabellen und Schaubildern ABM

Allgemeine Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung

AL

Arbeitslose

ALG

Arbeitslosengeld

AlgQ

Anteil der Bezieher von Arbeitslosengeld an den gemeldeten Arbeitslosen

AlgAlhiQ

Anteil der Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe an den gemeldeten Arbeitslosen

ALHi

Arbeitslosenhilfe

AlhiQ

Anteil der Bezieher von Arbeitslosenhilfe an den gemeldeten Arbeitslosen

ALQl

Arbeitslosenquote bezogen auf Zahl der abhängig Beschäftigten

Alv

Arbeitslosenversicherung

AMP

Arbeitsmarktpolitik

AN

Arbeitnehmer



Altersübergangsgeld

Bq

Beschäftigungsäquivalent

22

Abkürzungsverzeichnisse

BM

Bildungsmaßnahmen

BZ

Bundeszuschuß gemäß § 187 AFG

DM

Deutsche Mark

DM85

Deutsche Mark zum Geldwert 1985

EvA

Eingliederung von Aussiedlern

EWPglOOO

Erwerbspersonen in Tausend (gesamt)

EWPolOOO

Erwerbspersonen in Tausend (Ostdeutschland)

EWPwlOOO

Erwerbspersonen in Tausend (Westdeutschland)

FuU

Fortbildung und Umschulung

GKV

gesetzliche Krankenversicherung

GRV

gesetzliche Rentenversicherung

KuG

Kurzarbeitergeld

Reha

Rehabilitationsmaßnahmen

Rv

Veränderung der Rücklagen

TDM

Tausend Deutsche Mark

Einleitung Seit 1974 hat sich die Arbeitsmarktlage in mehreren Schritten verschlechtert. Im Zuge dieser Entwicklung ist nicht nur die Zahl der Arbeitslosen angestiegen, sondern es war gleichzeitig eine zunehmende Strukturalisierung des Arbeitslosenpotentials und damit eine Verfestigung der Problemlage festzustellen. Die hiermit verbundene dauerhafte Ausgrenzung einer wachsenden Zahl von Erwerbspersonen hat eine Situation herbeigeführt, die insbesondere auch aus sozialpolitischen Gründen als verbesserungsbedürftig gilt. Daher und wegen der gesamtwirtschaftlichen Folgelasten der Massenarbeitslosigkeit hat die Arbeitsmarktpolitik in dem genannten Zeitraum erheblich an Bedeutung gewonnen, zumal seit der Wiedervereinigung immer deutlicher erkennbar wird, daß die gegebene Arbeitsmarktlage die Gefahr einer Beeinträchtigung des sozialen Friedens in sich birgt. Vor dem Hintergrund dieser Umstände erlangt ein vor beinahe hundert Jahren formuliertes Zitat von Georg Adler erneut an Aktualität: 1 "Die durch die soziale Organisation erzeugte Arbeitslosigkeit arbeitsfähiger und arbeitswilliger Personen hat seitdem wie ein düsteres Fragezeichen auf der bürgerlichen Gesellschaft gelastet; sie hat bisher aller Anstrengungen zu ihrer Beseitigung gespottet, und je grassartiger Gewerbe und Industrie sich entwickeln, je lauter die Stimme der unteren Klassen erschallt, - desto drückender wird diese atra cura der modernen Gesellschaft und desto mehr Bedeutung gewinnt sie fiir die Entwicklung der sozialen Theorieen, welche stellenweise ganz auf dieses Problem radiziert erscheinen."

Die Art und Intensität sozialer Konfliktpotentiale haben in der Gegenwart aufgrund veränderter materialer und sozialer Rahmenbedingungen eine andere Gestalt angenommen als gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Gleichwohl läßt sich für die gegenwärtige wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik feststellen, daß die bestehende Arbeitslosigkeit ein Problem von erstrangiger Bedeutung darstellt. Dieser Sachverhalt spiegelt sich auch in der Entwicklung des arbeitsmarktbezogenen Schrifttums wider, wie sich bereits anband des Umfangs der Forschungsdokumentationen des lAB belegen läßt. 1 G. Adler, Arbeitslosigkeit, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. I, 2. Aufl., Jena 1898, S. 922.

24

Einleitung

Bei einer Durchsicht der besagten Forschungsdokumentationen fällt jedoch auf, daß die "Entwicklung der sozialen Theorien", wozu in dem von Adler gebrauchten Sinne auch die Wirtschaftswissenschaften gehören, sich im arbeitsmarktpolitischen Kontext deutlich auf Untersuchungen beschränkt, die einzelne Interdependenzen innerhalb des Arbeitsmarktgeschehens oder die Einbettung des Arbeitsmarktgeschehens in seinen gesamtwirtschaftlichen Kontext zum Gegenstand haben. Nur vergleichsweise geringes Interesse findet demgegenüber der institutionelle Rahmen, bzw. das Trägersystem, innerhalb dessen arbeitsmarktpolitisches Handeln geplant und durchgeführt wird; dem entsprechenden Abschnitt in der Forschungsdokumentation von 1993 waren 24 von insgesamt 2.432 erfaßten Veröffentlichungen zugeordnet2 . Es kann sicherlich kaum von einer mangelnden Relevanz des institutionellen Rahmens der Arbeitsmarktpolitik als Untersuchungsgegenstand ausgegangen werden, da die Funktionsfähigkeit des mit der Planung und Durchführung betrauten institutionellen Gefüges eine Schlüsselfunktion bei der Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Programme hat, für die allein innerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Bundesanstalt für Arbeit im Jahre 1992 insgesamt rund 108 Mrd. DM3 aufgewendet wurden. Dabei ist die Bedeutung einer gezielten Gestaltung von Träger- und Finanzierungssystemen in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften keineswegs unbekannt: Bereits im Jahre 1930 wurde von F.-K. Mann, einem Soziologen, der gleichzeitig auch als Finanzwissenschaftler tätig war, darauf hingewiesen, daß die Entwicklung und Verteilung des Sozialproduktes in zunehmendem Maße unter dem Einfluß der öffentlichen Wirtschaft stehe. 4 Diese Anregung aufgreifend konstatierte v. Ferber im Jahre 1969: "Betrachten wir ... die Steuerung in der Verteilung des Sozialproduktes, so müssen wir feststellen, daß an die Stelle des Marktmechanismus bürokratisch vermittelte Formen getreten sind, an denen die Entscheidungen in der gesamtwirtschaftlichen Verteilung sich orientieren ... 5 Im Gegensatz zum Marktmechanismus, der ein empirisch lernendes System der Steuerung darstellt, ist die bürokratisch

2 Vgl. den mit "AFG, Gesetzestexte, Gesetzeskommentare, Gesamtdarstellungen, Grundprobleme und Aufgaben der Bundesanstalt" überschriebenen Abschnitt Nr. 43200 in: Bundesanstalt fiir Arbeit, Forschungsdokumentation, Auflage 111993, Nümberg 1993. 3 Einschließlich durchlaufender Mittel, abzüglich Ausgaben fiir arbeitsmarktfremde Zwecke; vgl. BundesanstaltforArbeil, Geschäftsbericht, 1993 Nümberg, S . 81 ff. 4 Vgl. F.-K. Mann, Die Staatswirtschaft unserer Zeit, Jena 1930. 5 Ch. v. Ferber, Der Beitrag der Soziologie zur Sozialreform, in: A. Blind, Ch. v Ferber, H.-J. Krupp, Sozialpolitik und persönliche Existenz, Festgabe fiir H. Achinger, Berlin, 1969,

S. 75.

Einleitung

25

vermittelte Steuerung ein axiomatischfixiertes System6 . Diese Fixierung ist in dem Maße problembeladen, wie materiale und gesellschaftliche Sachverhalte in ihrer Eigenschaft als Umwelt des Trägersystems Veränderungsprozessen unterliegen, die durch das Trägersystem möglicherweise mitvollzogen werden müssen, wenn es seinen funktionalen Bezug gegenüber dem maßgeblichen Politikbereich bzw. gegenüber dem Gemeinwesen nicht -zumindest teilweise - verlieren und in diesem Sinne zu einem historischen Artefakt degenerieren soll; ein entsprechender Forschungsansatz hat daher notwendigerweise geschichtliche Tatbestände und Entwicklungsprozesse zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund dieser Umstände wird unter anderem zu klären sein, inwieweit die durchaus umfangreichen gesetzgebensehen Aktivitäten im arbeitsmarktpolitischen Kontext eher einem kurzfristigen und auf operativer Ebene angesiedelten Schema folgen, oder ob auch eine langfristig angelegte strategisch-konzeptionelle Fortentwicklung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen verwirklicht werden konnte. Die angedeutete Selektivität der arbeitsmarktbezogenen Forschung, die eine Vernachlässigung des Trägersystems7 als Untersuchungsgegenstand zur Folge hatte, ist um so überraschender, weil im einzelwirtschaftlichen Zusammenhang der Forschungsbereich der Organisationsanalyse und -entwicklung als Gegenstück zur Trägersystemanalyse keineswegs als unterentwickelt zu bezeichnen ist. Die Trägersystemanalyse greift dabei über das erwähnte Pendant der betriebswirtschaftliehen Forschung hinaus, da neben die Frage nach einer auf organisationaler Ebene funktionsgerechten Ausgestaltung von formellen und informellen Strukturen der Verteilung von Machtbeziehungen und der Allokation materialer Ressourcen die Frage nach einer systemgerechten Einbindung des politischen Trägersystems in die Wirtschaftsund Sozialordnung des Gemeinwesens tritt. Weiterhin ist festzustellen daß es durchaus auch in der Volkswirtschaftslehre Ansätze gibt, in welchen die Frage nach den institutionellen Voraussetzungen wirksamer Wirtschaftspolitik Berücksichtigung findet. 8 In den Vordergrund des Interesses der vorliegenden Untersuchung soll die Wirksamkeit jener Elemente und Strukturbeziehungen des Trägersystems der Arbeitsmarktpolitik gestellt werden, die für eine funktionsgerechte und systemkonforme Allokation von fmanziellen Ressourcen maßgeblich sind. Ebenda, S. 76. "Unter Trägem der Wirtschafts- und Sozialpolitik verstehen wir Einrichtungen, die legitimiert sind, entweder über die Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu entscheiden und/oder legitimiert sind, über den Einsatz wirtschaftspolitischer Mittel zu entscheiden. • H. Lampert, Volkswirtschaftliche Institutionen, München 1980, S. 16. 8 Vgl. hierzu ausfuhrlieh Ph. Herder-Domeich, Sozialökonomik - Angewandte Ökonomik sozialer Systeme, Baden-Baden 1994. 6

1

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Einleitung

Angesichts dieses Schwerpunktes der Untersuchung ist es sachgerecht, im nachfolgenden den Begriff des Träger- und Finanzierungssystems zu gebrauchen. Es wird aufzuzeigen sein, welche Sachverhalte innerhalb dieses Systems in bezug auf einen systemgerechten und wirksamen Aufgabenvollzug relevant sind und inwieweit das Träger- und Finanzierungssystem auf der Grundlage seiner gegenwärtig gegebenen Ausgestaltung den Anforderungen gerecht werden kann, die sich ihm vor dem Hintergrund seiner Zweckbestimmung, seiner Einbindung in die Wirtschafts- und Sozialordnung und der Entwicklung arbeitsmarktpolitischer Herausforderungen stellen. Als roter Faden, der sich nachfolgend durch die Bearbeitung unterschiedlicher Teilprobleme zieht, kann dabei die Frage gelten, inwieweit es in der Vergangenheit gelungen ist, das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik an die Dynamik maßgeblicher ökonomischer und sozialer Sachverhalte anzupassen. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Zur Bearbeitung der dieser Untersuchung zugrundeliegenden Fragestellung wurde eine Untergliederung in drei Kapitel gewählt. Die ersten beiden Kapitel dienen einer Darstellung des Zielsystems und der gegebenen Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. In dem daran anschießenden, in vier Abschnitte untergliederten Hauptteil der Arbeit erfolgt die Analyse der zu untersuchenden Problernlage. Im ersten Kapitel wird das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik herausgearbeitet, da im Vorfeld einer Trägersystemanalyse notwendigerweise geklärt werden muß, an welchen Werten und Normen das institutionelle Gefüge des an dieser Stelle zur Diskussion stehenden Politikbereiches in seiner Eigenschaft als Produkt gestaltenden Handeins nach allgemein gängiger Auffassung ausgerichtet sein soll. Das trägersystemgestaltende Handeln kann nur dann rational und in sich konsistent sein, wenn es nicht planlos, sondern in einer zielgerichteten Weise erfolgt. Das formell handlungsleitende Zielsystem, das seine wertbezogene Legitimation aus seinem instrumentellen Bezug auf ein übergeordnetes "Leit-Bild" erlangt, bietet dabei gleichzeitig im Rahmen der Trägersystemanalyse jene Kriterien an, die in Gestalt eines Soll-IstVergleiches eine Einordnung real gegebener Sachverhalte sowie eine Ableitung von Handlungsbedarfen ermöglichen. Aus diesen Gründen wird es die Aufgabe des ersten Teils sein, die Struktur des zugrundeliegenden Zielsystems unter Berücksichtigung seiner Legitimationsgrundlagen aufzuzeigen, wobei sich die Ausführungen auf die Darstellung der Bestandteile einer Grundstruktur des Zielsystems beschränkt, die nach der Meinung des Verfassers vor dem Hintergrund der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellung als wesentlich gelten darf. Soweit es notwendig ist, einzelne Werte und Normen sowie deren Legitimationsgrundlage eingehender zu untersuchen, soll

Einleitung

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dies in den nachfolgenden Kapiteln im Kontext der jeweiligen, zu untersuchenden Fragestellung erfolgen. Daran anschließend erfolgt im zweiten Kapitel eine Darstellung der momentan gegebenen Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Zu diesem Zweck wird in einem ersten Abschnitt zunächst die Entstehungsgeschichte der maßgeblichen Rechtsgrundlagen aufgezeigt. Von besonderem Interesse werden dabei materiale und soziale Sachverhalte sein, die in ihrer Eigenschaft als Rahmenbedingung des Entstehungsprozesses, moderierend auf die Ausgestaltung des Träger-und Finanzierungssystems eingewirkt haben. Diese Vorgehensweise soll zum einen erhellen, welche geschichtlichen Tatbestände als ursächlich für die Art des damals entstandenen Normenwerkes gelten können. Zum anderen soll auch erkennbar werden, auf welche Weise und in welchem Maße die damaligen Entstehungsbedingungen von jenen Rahmenbedingungen abweichen, in die das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik heute eingebettet ist. Der zweite Abschnitt ist einer Darstellung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums gewidmet, dessen Finanzierungsmodus im Hauptteil der Arbeit eingehend untersucht werden soll. Im anschließenden dritten Abschnitt wird aufgezeigt, wie das Trägerund Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik aufgebaut ist. Neben einer Darstellung der beteiligten Institutionen und maßgeblicher Elemente des organisationalen Aufbaus wird dabei insbesondere von Interesse sein, wie die haushaltspolitischen Entscheidungs- und Kontrollspannen innerhalb des Träger- und Finanzierungssystems verteilt sind. Das dritte Kapitel ist in seinen Abschnitten nach den Hauptproblemen untergliedert, die in der wissenschaftlichen Diskussion über das Maß an realisierter Zweck- und Wertrationalität des Träger- und Finanzierungssystems erörtert werden. Um zunächst eine Bestandsaufnahme der arbeitsmarktpolitischen Problemlage zu vorzunehmen, wird den Ausführungen des dritten Kapitels in einem ersten Abschnitt A. ein Überblick über die Hauptergebnisse der Arbeitsmarktpolitik seit Verabschiedung des AFG vorangestellt. Die daran anschließende Analyse des Träger- und Finanzierungssystems ist nach folgenden Fragestellungen untergliedert: Zunächst wird in Abschnitt B. auf die Frage einzugehen sein, ob die Struktur von Zahlungsstörneo so gestaltet ist, daß zum richtigen Zeitpunkt für den richtigen Verwendungszweckjene Ressourcen bereitstehen, die notwendig sind, damit das Träger- und Finanzierungssystem seiner Aufgabe gerecht werden kann. Während für den Bereich der passiven Arbeitsmarktpolitik bzw. den ursprünglichen Aktionsrahmen einer Arbeitslosenversicherung bereits in den Fünfziger und Sechziger Jahren theoretisch fundierte Arbeiten vorgelegt

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Einleitung

wurden, beschränken sich neuere, auf die Situation der Bundesanstalt für Arbeit bezogene Arbeiten überwiegend darauf, in einer eher induktiven Vorgehensweise auf der Grundlage vorliegender Arbeitsmarkt- und Haushaltsdaten Problemlagen zu konstatieren. Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Untersuchung der Versuch einer theoretisch fundierten Analyse der Dynamik von arbeitsmarktbezogenen Handlungsbedarfen unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsförderung unternommen werden. Ausgehend von der Annahme, daß die Gestalt eines Träger- und Finanzierungssystems den involvierten Entscheidungs- und Handlungsträgem des Systems jeweils spezifische motivationale Anreize hinsichtlich ihres Tuns und Unterlassens setzt und sich ferner aus der Verteilung von Handlungspotentialen ordnungspolitische Implikationen ergeben können, ist in Abschnitt C. die Frage zu erörtern, ob das Träger- und Finanzierungssystem alsfunktional und ordnungskonform hinsichtlich der aus ihm resultierenden Handlungsanreize und Handlungspotentiale gelten kann. Die Frage einer funktionsgerechten Ausgestaltung des Anreizsystems war insbesondere in den Achziger Jahren Gegenstand mehrerer Forschungsarbeiten, die sich jedoch primär an Fragen der Zweckrationalität orientieren und darüberhinausgehende Implikationen der Wertrationalität im Weber'schen Sinne9 vernachlässigen. Weiterhin wurde in den bisher vorgelegten Arbeiten zu dieser Fragestellung noch nicht berücksichtigt, daß die fiskalischen Wirkungen des Instrumenteneinsatzes u.a. auch davon abhängig ist, ob der Haushalt der Bundesanstalt konsolidiert ist, oder ob der Bund über seine Defizithaftung gegenüber der Bundesanstalt in die Pflicht genommen wird. Die Ergebnisse der vorliegenden Forschungsarbeiten sollen in dieser Untersuchung zusammengefaßt und erweitert werden. Weiterhin werden sie um einen ordnungspolitisch fundierten Ansatz ergänzt werden, in dessen Rahmen die faktische Bedeutung und Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung in der Bundesanstalt dargestellt und kritisch diskutiert wird. Das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik ist ein integraler Bestandteil der Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland. Daher wird in Abschnitt D. zu untersuchen sein, welche 9 "Wie jedes Handeln kann auch das soziale Handeln bestimmt sein, 1. zweckrational: durch Erwartungen des Verhaltens von Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und unter der Benutzung dieser Erwartungen als 'Bedingungen' oder als 'Mittel' fiir rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigene Zwecke, 2. wertrational: durch bewußten Glauben an den- ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie auch immer sonst zu deutenden - unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg. • M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. Auflage, Tübingen 1972, S. 12 (unterstrichene Hervorhebung d.Verf.).

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ordnungspolitischen lmplikationen sich aus der Finanzierung der speziell im AFG geregelten Arbeitsmarktpolitik aus Beitragmitteln ableiten lassen. Da es sich hierbei um einen Ansatz handelt, in dessen Vordergrund wertbezogene Sachverhalte stehen, soll zu diesem Zweck das einschlägige Schrifttum unter besonderer Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Implikationen der momentan gegebenen Struktur des Finanzierungssystems möglichst vollständig ausgewertet werden, um auf der Grundlage dieser Erkenntnisse Modellrechnungen zur Quantifizierung der Problemlage anbieten zu können. Diese Modellrechnungen können sich jedoch wegen der Wertbezogenheit zugrundeliegender normativer Grundsatzentscheidungen nur auf eine Darstellung unterschiedlicher Modelle beschränken.

Erstes Kapitel

Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik Die Kenntnis von Zielen ist eine grundlegende Voraussetzung für rationales Handeln, da vernunftgeleitetes Handeln notwendigerweise zielorientiert und mit der Möglichkeit einer Erfolgskontrolle anband der Feststellung von Zielerreichungsgraden verbunden sein muß. Der Begriff des "Handelns" kann dabei sowohl die Dimension des aktiven "Tuns" beinhalten, wie auch die des "Unterlassens", 1 wobei dahingestellt bleiben soll, ob ein Vorgang des Unterlassens planmäßig gewollt ist oder vielmehr auf Vernachlässigung aufgrund begrenzter Problemlösungskapazitäten zurückzuführen ist. Der organisatorische Aufbau sowohl des Trägersystems als auch des Finanzierungssystems eines Politikbereiches sollte so gestaltet werden, daß die Aufgaben, die durch einzelne Ziele bzw. ein System von Zielen an das Träger- und Finanzierungssystem gestellt werden, unter Verwirklichung eines optimalen Zielerreichungsgrades wahrgenommen werden können. Daher erscheint es notwendig, einer Zielsystemanalyse im Vorfeld einer Träger- und Finanzierungssystemanalyse besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

A. Die Soziale Marktwirtschaft als Referenzsystem der Arbeitsmarktpolitik Als das übergeordnete Referenzsystem für die Ableitung des Zielsystems der Arbeitsmarktpolitik kann in der Bundesrepublik Deutschland die Konzeption bzw. das Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft herangerogen werden. 2 1 Vgl. G. Kleinhenz , Die Ausrichtung der Sozialpolitik auf das Arbeits- und Wirtschaftsleben als Problem einer Sozialreform, in: Zeitschrift fiir Sozialrefonn, Berlin 1971, S. 327. 2 Eine politische KonzepTion wird - im Gegensatz zu einer Ideologie - verstanden als ein gedankliches Leitbild, das durch einen geschlossenen und in sich widerspruchsfreien Zusammenhang von Zielen, Grundsätzen und zielkonformen Institutionen und Maßnahmen konstituiert wird und als Element einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung inhaltlich gestaltungsoffen ist. Vgl. H. Giersch, Allgemeine Wirtschaftspolitik, Wiesbaden 1961, S. 44 f. und S. 135.

A. Die Soziale Marktwirtschaft als Referenzsystem

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Hinsichtlich der Legitimität des Leitbildes der Sozialen Marktwirtschaft als Quelle für die Ableitung untergeordneter Instrumentalziele läßt sich feststellen, daß die Soziale Marktwirtschaft bereits seit Bestehen der Bundesrepublik als demokratisch legitimierter Maßstab für praktisches wirtschaftspolitisches Handeln gelten darf. Dem Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft wird bescheinigt, daß aus ihm eine Wirtschafts- und Sozialordnung hervorgegangen ist, die im besonderen Maße den gesellschaftlichen Grundwerten und den Anforderungen des Grundgesetzes3 gerecht wird. 4 Die Soziale Marktwirtschaft als ein realitätsnahes Leitbild, das ein aufeinander bezogenes Nebeneinander von Wirtschafts- und Sozialordnung ermöglicht, berücksichtigt den Umstand, daß die wirtschaftliche und die soziale Lebenswirklichkeit voneinander abhängig sind:S Soziale Gegebenheiten sind u.a. eine Resultante wirtschaftlichen Handelns, während gleichzeitig wirtschaftliches Handeln als Produktions- und Austauschprozell in einer arbeitsteiligen Wirtschaft immer in einem sozialen Kontext stattfmdet und in seinem Ergebnis durch die Qualität dieses sozialen Kontextes beeinflußt wird. Hinsichtlich der vorliegenden Themenstellung ist es sinnvoll, vor allem zwei Merkmale des Leitbildes der Sozialen Marktwirtschaft hervorzuheben: Zunächst ist festzuhalten, daß die inhaltliche Konkretisierung der Sozialen Marktwirtschaft aufgrund ihrer Eigenschaft als Konzeption gegenüber jeweils aktuellen politischen Bedarfen grundsätzlich offen ist. 6 Diese Eigenart des Leitbildes der Sozialen Marktwirtschaft trägt auch dem Sachverhalt Rechnung, daß das Grundgesetz mit den Artikeln 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 zwar das Prinzip der Sozialstaatlichkeit beinhaltet; gleichzeitig wurde von seiten des Verfassungsgebers jedoch darauf verzichtet, eine bestimmte Verfassung der Wirtschafts- und Sozialordnung vorzuschreiben.

3 Vgl. zur Verfassungswirklichkeit der Sozialen Marktwirtschaft ausfuhrlieh W. Bohling, Wirtschaftsordnung und Grundgesetz, Stuttgart- New York 1981 und U. Karpen, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, Baden-Baden 1990, S. 37 ff. sowie H. Lampert, Die Bedeutung der Gerechtigkeit im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, in: W. Bouke, A. Rauscher (Hrsg .), Gerechtigkeit als Aufgabe, St. Ottilien 1990, S. 132 ff. 4 Vgl. H. Lampen, 1990, Soziale Flankierung der Reformprozesse in der DDR, in: Zeitschrift fur Wirtschaftspolitik, 39 . Jg., Heft 3, S. 379. 5 Vgl. ausfuhrlieh H.-J. Seraphim, Theorie der allgemeinen Volkswirtschaftspolitik, 1. Auflage, Göttingen 1955, S. 142 f. sowie zusammenfassend H. Lampen, "Denken in Ordnungen" als ungelöste Aufgabe, in: Jahrbuch fur Nationalökonomie und Statistik, Bd. 206, 1989a, S. 454. 6 "Zum Wesen des Menschen gehört die geschichtliche Offenheit und die Freiheit, jeweils neue und verschiedenartige Ziele zu setzen, die alle Beriicksichtigung erheischen und uns stets zu einem Ausgleich zwingen." A. Müller-Annack, Genealogie der Sozialen Marktwirtschaft, 1. Auflage, Bern- Stuttgart 1974, S. 2 13.

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1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

Eine weitere Besonderheit der Sozialen Marktwirtschaft liegt darin, daß sie eine Synthese zwischen materialer Freiheit einerseits und den sozialstaatliehen Zielen der sozialen Sicherheit und der sozialen Gerechtigkeit andererseits anstrebt. 7 Die beiden Ideale der Freiheit des Individuums und der sozial verpflichtenden Sozialstaatlichkeit stehen dabei zwar in einer partiell konkurrierenden Beziehung zueinander, jedoch sind sie über den Humanitätsgedanken als gemeinsamen Nenner untrennbar miteinander verbunden; 8 sie sind zwei nichtidentische Teile desselben Ganzen. Aus dem Freiheitsgedanken ergibt sich für die Gestaltung des Wirtschaftslebens die Konsequenz einer primär marktwirtschaftlich geordneten Wirtschaft, weil der freie Wettbewerb als Koordinierungsmechanismus gegenüber alternativen Koordinierungstechniken sowohl ein Optimum an individuellen Handlungsspielräumen als auch ein Optimum an erzielbarer Wohlfahrt verspricht. Die Austauschprozesse auf den einzelnen Teilmärkten sind daher auf der Grundlage des freien Wettbewerbs durch die Träger von Angebot und Nachfrage auszugestalten. Aus der Sozialverpflichtung des Eigentums oder zum Eigentum funktional äquivalenter Besitzstände9 heraus ergibt sich dabei die Notwendigkeit der Berücksichtigung sozialer Ziele. Die marktwirtschaftliche Ordnung der Wirtschaft ist in der Bundesrepublik Deutschland kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck der Realisierung einer am Humanitätsgedanken orientierten Gesellschaftsordnung. Aus diesem Grund sind Ergänzungen einer ausschließlich am Ideal der materialen Freiheit orientierten, rein marktwirtschaftliehen Ordnung von Teilmärkten erforderlich, sofern der ungeregelte freie Wettbewerb zu Ergebnissen führen würde, die auf der Grundlage gesellschaftlicher Vorstellungen von sozialer 7 Vgl. ebenda, S. 293 ff. sowie H. lAmpen, Die Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, II. Auflage, München 1992, S. 85 ff. 8 Vgl. A. Müller-Armack, 1974, S. 212 f. Seraphim sowie auch Eucken weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Mensch stets gleichzeitig Individuum und soziales Wesen ist; vgl. ferner in diesem Sinne H.-J., Seraphim, 1955, S. 142 f. sowie auch W. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 6 . Auflage, Tübingen 1975, S 170 f. Dieser Gedanke läßt sich bis in die Wurzeln neuzeitlicher Ordnungstheorie zurückverfolgen. Vgl. etwa die Ausführungen von A. Smith zum " ... Charakter des Individuums, insoweit er auf die Glückseligkeit anderer einwirken kann" in der 6. Auflage seiner "Theory of Moral Sentiments" von 1789 in: H .-G. Schachtschabel, Adam Smilh- Werke, Bd. I, Theorie der ethischen Gefühle, Frankfurt/M 1949, S. 260 ff. sowie hierzu A.-L. Macjie, Adam Smiths "Theorie der ethischen Gefühle" als Grundlage für seinen "Wohlstand der Nationen", in: H. -C. Recktenwald (Hrsg.), Ethik, Wirtschaft und Staat, Dannstadtl985, S. 151 f. 9 Einkommen und Besitz sind für das Individuum letztendlich deswegen von Bedeutung, weil sie Machtpotentiale eröffnen, indem sie dem Verfügungsberechtigten die Möglichkeit bieten, den eigenen Willen durchzusetzen. Dasselbe gilt auch für Machtpositionen aufgrund von Qualifikation, der Organisationsstellung oder der Leistungsstellung bzw. des Leistungspotentials einer Organisation. Vgl. M. Weber, 1972, S. 28 f. sowie ausführlich H. -J. Seraphim, Theorie der allgemeinen Volkswirtschaftspolitik, 2. Auflage, Göttingen 1963, S. 80 ff.

A. Die Soziale Marktwirtschaft als Referenzsystem

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Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit als unerwünscht bzw. verbesserungsbedürftig gelten. 10 Ferner sind staatliche Eingriffe in den Austauschprozeß von Gütern und Dienstleistungen auf einzelnen Teilmärkten notwendig, wenn deren Funktionsfähigkeitaufgrund der in demjeweiligen Teilmarkt gegebenen Marktverfassung in einem nicht akzeptablen Maß beeinträchtigt ist. 11 Diese Sachverhalte sprechen dafür, die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland einschränkend als "primär" marktwirtschaftlich zu bezeichnen. Aus den Zielen der sozialen Sicherheit und der sozialen Gerechtigkeit leitet sich für die Träger der politischen Verantwortung sozialpolitischer Handlungsbedarf ab, 12 a) falls Gesellschaftsmitglieder aufgrund fortdauernder besonderer Lebensumstände - wie etwa Behinderungen - nicht in der Lage sind, ihre Arbeitskraft zum Zweck der materialen Existenzsicherung zu verwerten, b) sofern für Gesellschaftsmitglieder aufgrund des Eintritts existenzieller Risiken die Möglichkeit gefabrdet ist, ununterbrochen Arbeitseinkommen als materiale Existenzgundlage zu erzielen, c) falls Personen mit den durch den Entwicklungsprozeß der Wirtschaft und Gesellschaft verursachten Anpassungslasten in einer Weise belastet werden, die für das Individuum nicht zurnutbar bzw. nicht ohne Unterstützung durch die Gesellschaft tragbar erscheint sowie d) wenn das durch den Markt erzielte Verteilungsergebnis dem gesellschaftlich anerkannten Verteilungsziel widerspricht. Mit diesen Handlungsbedarfen grenzt sich das Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft von einer rein marktwirtschaftliehen Ordnung ab. Ferner besteht auch gegenüber einer zentral- bzw. verwaltungswirtschaftlichen Ordnung eine deutliche Abgrenzung über die bereits erwähnte primär marktwirtschaftliche Ausrichtung hinaus, da weiterhin auch innerhalb des Staatswesens eine Begrenzung und Dezentralisierung staatlicher Macht institutionalisiert wird. Dies geschieht, indem auf horizontaler Ebene Gewaltenteilung praktiziert wird, während gleichzeitig auf vertikaler Ebene das Staatswesen gerade auch im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich föderativ ausgestaltet wird, 13 sofern das jeweilige Gestaltungsobjekt dies zuläßt. Im Bereich der sozialen Sicherung wird das traditionell in einem territorialen Zusammenhang gesehene Prinzip der föderativen Ausgestaltung des Staatsaufbaus dadurch ergänzt, daß staatliche Verantwortung an Sozialversicherungsträger delegiert wird, die mit ihrer sozialen Selbstverwaltung über ein eigenes demokratisch legiti10 Vgl. A. Müller-Annack, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik, 2. Aufl., Bem- Stuttgart 1976, S. 111 ff. 11 Vgl ebenda, S. 111 f. 12 Vgl. ausfiihrlicher H. Lamper1, Lehrbuch der Sozialpolitik, 3. Aufl., Berlin u .a. 1994, s. 14 ff. 13 Vgl. H. Lampert, 1992, S. 122 f.

3 Stein

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l. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

miertes Organ verfügen. Der am Gedanken einer horizontalen und vertikalen Differenzierung von politischen Handlungs~ und Kontrollspielräumen orientierte Staatsaufbau beinhaltet die Chance einer vergleichsweise hohen Effizienz und Effektivität der öffentlichen Verwaltung, da die Verwaltung durch die mit einer dezentralen und funktionalen Ausdifferenzierung verbun~ dene Arbeitsteilung einen Grad an Komplexität erreichen kann, der in relativ hohem Maße dem Komplexitätsgrad ihrer Gestaltungsobjekte in einer hoch~ entwickelten Gesellschaft gerecht wird.14 Der arbeitsmarktpolitische Handlungsbedarf soll dabei durch Instrumente gedeckt werden, die hinsichtlich der Werte der Sozialen Marktwirtschaft systemkonform sind.l5 Von Interesse für die Beurteilung ·der Systemkonformität arbeitsmarktpolitischer Instrumente sind vor allem auch speziellere Normen, die hinsichtlich der Verwirklichung konstitutiver Grundwerte des Leitbildes der Sozialen Marktwirtschaft einen instrumentellen Charakter haben und gleichzeitig für die Bewältigung arbeitsmarktpolitischer Probleme handlungsleitend sein können.

B. Die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes und maßgeblicher arbeitsmarktpolitischer Zielbereiche Als Hilfsmittel zur Abgrenzung und Systematisierung des speziell für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Teilbereiches innerhalb der Ar~ beitsmarktpolitik soll eine Klassifikation von Zielen dienen, die unterscheidet zwischen Zielen, die für die Arbeitsmarktpolitik unmittelbar von Bedeutung sind und sich daher als arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen 1 bzw. als Hauptziele bezeichnen lassen, da die Erreichung dieser Ziele das primäre Anliegen der Arbeitsmarktpolitik ist sowie arbeitsmarktpolitisch relevanten Zielsetzungen. Letztere Ziele werden in ihrer Eigenschaft als Nebenziele durch eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik gefördert. 14 Die Wirksamkeit von gesellschaftlichen Institutionen hinsichtlich ihrer jeweiligen Zweck· erfiillung ist unter anderem davon abhängig, inwieweit ihre funktionale Differenzierung die Dif· ferenziertheit ihres Gestaltungsobjektes "Gesellschaft" widerspiegelt. Eine komplex strukturierte Gesellschaft benötigt daher auch eine entsprechend komplex strukturierte Staatsverwaltung. Vgl. hierzu N. Luhmann, Wirtschaft als soziales System, in: K.-E. Schenk, Systemanalyse in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Berlin, 1971, S. 168 ff. 15 Der Begriff der Systemkonformität greift über den der bloßen Zielkonformität hinaus. Als systemkonform gelten Instrumente, die der Funktionsflihigkeit des Wirtschaftssystems im Rahmen des "allgemeinen Bauplanes" der Wirtschaftsordnung zuträglich sind. Vgl. E. Tuchtfeld, Zur Frage der Systemkonfonnität wirtschaftspolitischer Maßnahmen, in: H. -J. Seraphim (Hrsg.), zur Grundlegung wirtschaftspolitischer Konzeptionen, Berlin 1960, S. 223; vgl. weiterhin auch sinngemäß auch W. Eucken, 1915, S. 250. 1 Vgl. H. Lampert, J. Englberger, U. Schüle, Ordnungs- und prozeßpolitische Probleme der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1991, S. 22 f.

B. Abgrenzung maßgeblicher arbeitsmarktpolitischer Ziele

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I. Die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Im folgenden soll davon ausgegangen werden, daß Arbeitsmarktpolitik "... sich definieren (läßt) als die Gesamtheit der Maßnahmen, die das Ziel haben, die Arbeitsmärkte als die für die Beschäftigungsmöglichkeiten und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer entscheidenden Märkte so zu gestalten und zu beeinflussen, daß bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Ziele erreicht werden. •2 Der mit dieser noch relativ allgemein gehaltenen Defmition umschriebene Aufgabenbereich einer Arbeitsmarktpolitik im weiteren Sinn läßt sich unterteilen in3 1. die staatliche Arbeitsmarktordnungspolitik, deren Gestaltungsobjekte die Kontrahierungsbedingungen der Marktteilnehmer sind;

2. die verschiedenen Bereiche der Arbeitnehmerschutzpolitik, welche darauf abstellen, die Arbeitsbedingungen gesellschaftlich tolerablen Mindestnormen anzupassen, soweit dies im Einzelfall nicht bereits auf tarifvertraglicher Ebene geschieht; 3. die Beschäftigungs- bzw. Vollbeschäftigungspolitik, die auf wirtschaftspolitischer Ebene mit einer zweckmäßigen Einflußnahme auf die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu einem möglichst hohen Beschäftigungsgrad beitragen soll sowie 4. die Arbeitsmarktausgleichspolitik bzw. nach verbreitetem Sprachgebrauch des einschlägigen Schrifttums "Arbeitsmarktpolitik" im engeren Sinn. Dieser Politikbereich ist innerhalb der Sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik darauf ausgerichtet, a) im Falle des Auftretens von Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage prozeßpolitische Mittel einzusetzen. Dies geschieht hauptsächlich im Rahmen der Arbeitsförderungspolitik bzw. der aktiven Arbeitsmarktpolitik; b) dann eine Beeinflussung der sozialen Begleiterscheinungen des Marktprozesses herbeizuführen, wenn die Berücksichtigung gesellschaftlich anerkannter Normen zu der Einsicht führt, daß die Lebenslage der Marktteilnehmer aufgrund der Qualität des Marktergebnisses korrek2 H. Lampert, Arbeitsmarktpolitik in der Sozialen Marktwirtschaft, in: 0. /ssing (Hrsg.), Zukunftsprobleme der Sozialen Marktwirtschaft, Schriften des Vereins fiir Socialpolitik, N.F., Bd. 116, Berlin 1981, S. 754. Eine ausfiihrlichere Fassung dieser Definition konkretisiert die "bestimmten wirtschafts-und sozialpolitischen Ziele" näher; vgl. H. Lampert, 1994, S . 177. Aus Gründen der Systematik soll an dieser Stelle zunächst die allgemeine Fassung genügen. 3 Vgl. ebenda, S. 754 sowie H. Lampert, 1994, S. 180 ff.

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1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

turhedürftig ist. Dies ist Gegenstand der arbeitsmarktbezogenen Einkommensicherungspolitik bzw. der passiven Arbeitsmarktpolitik bzw. der Sozialhilfe. Das Gesamtsystem der Arbeitsmarktpolitik im weiteren Sinn, mit seinen Elementen und deren Strukturbeziehungen, kann demzufolge durch folgende Übersicht dargestellt werden: Übersicht 1 Die Teilbereiche arbeitsmarktpolitischen Handeins

bezogene Einkommensicherungspolitik bzw.

förderungspolitik bzw.

aktive Arbeitsmarktpolitik

pessive Arbeitsmarktpolitik

Die in Übersicht 1 gewählte Terminologie4 deutet bereits die uneinheitliche Wortwahl innerhalb des Schrifttums an. Wie nachfolgend noch zu erörtern sein wird, bestehen daneben auch hinsichtlich der Abgrenzung und inhaltli4 Auf eine genauere Aufgliederung des Arbeitnehmerschutzes und der Arbeitsmarktordnungspolitik wurde mangels thematischer Relevanz venichtet.

B. Abgrenzung maßgeblicher arbeitsmarktpolitischer Ziele

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eben Ausgestaltung der Zielsysteme einzelner arbeitsmarktpolitischer Teilbereiche unterschiedliche Auffassungen. Vielfach werden die Begriffe "Arbeitsmarktausgleichspolitik" und "Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinn" synonym verwendet. Der Begriff "Arbeitsmarktausgleichspolitik" hat den Vorzug, daß er das Gestaltungsobjekt inhaltlich präziser umschreibt und daß keine Verwechselungen mit dem Oberbegriff "Arbeitsmarktpolitik im weiteren Sinn" auftreten. Andererseits wird der Begriff "Arbeitsmarktausgleichspolitik" in der einschlägigen Literatur relativ selten verwendet, da dieser Sprachgebrauch sich in erster Linie auf grundlegende Arbeiten beschränkt, die eine Darstellung und Analyse weiter Teile der "Arbeitsmarktpolitik im weiteren Sinn" zum Gegenstand haben.s Der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit umfaßt jedoch ausschließlich das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktausgleichspolitik, weswegen in Anlehnung an den gängigen Sprachgebrauch und zur sprachlichen Vereinfachung in den folgenden Ausführungen der Begriff "Arbeitsmarktpolitik" (im engeren Sinn) als Synonym für Arbeitsmarktausgleichspolitik verwendet werden soll.

II. Die Abgrenzung von arbeitsmarktpolitischen Zielen Wie bereits angedeutet, bestehen hinsichtlich der Vorgehensweise bei einer inhaltlichen Abgrenzung der Arbeitsmarktpolitik in qer Literatur unterschiedliche Auffassungen. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung der Arbeitsmarktpolitik von der Beschäftigungspolitik sowie in der Frage, ob auch die arbeitsmarktbezogene soziale Sicherung als Gegenstand der Arbeitsmarktpolitik anzusehen ist. Es erscheint daher sinnvoll, speziell diesen Aspekten im folgenden Aufmerksamkeit zu schenken. Arbeitsmarktpolitik versus Beschäftigungspolitik

Inhaltliche Überschneidungen zwischen der staatlichen Beschäftigungspolitik und der Arbeitsmarktpolitik kommen dadurch zustande, daß die Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik das gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsniveau verändern und auf diese Weise in ihrer Wirkung über den Zuständigkeitsbereich der Arbeitsmarktpolitik hinausgreifen. 6 5

Vgl. etwa H. Lampert, J . Englberger, U. Schüle, 1991 sowie H. Lampert, 1994. Vgl. hierzu H. Lampert, Beschäftigungspolitische Leistungsfähigkeit und Grenzen der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Ph. Herder-Domeich (Hrsg.), Arbeitsmarkt urid Arbeitsmarktpolitik, Schriften des Vereins fiir Socialpolitik, NF, Bd. 127, Berlin 1982, S . 120 ff. 6

1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

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Zur inhaltlichen Abgrenzung der Beschäftigungspolitik von der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinn wird in der Literatur vorgeschlagen, auf die Eigenart des Ansatzpunktes und auf die Qualität der Mittel abzustellen: 7 Die Beschäftigungspolitik zielt darauf ab, über eine Beeinflussung von gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten eine Veränderung des Beschäftigungsniveaus herbeizuführen; die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird demzufolge mittelbar verändert. Dabei kommen Instrumente der Finanzpolitik, der Geldpolitik, der Außenwirtschaftspolitik sowie der Strukturpolitik zum Einsatz. 8 Die Instrumente dieser wirtschaftspolitischen Teildisziplinen haben quantitativen Charakter,9 da lediglich die Daten gesamtwirtschaftlicher Größen verändert werden sollen, nicht aber die Struktur oder Verfassung des Arbeitsmarktes. Aufgrund ihres großen Wirkungsbereiches können die Instrumente der Beschäftigungspolitik auch als generelle Mittel bezeichnet werden. Das Instrumentarium der Beschäftigungspolitik ist nicht ausschließlich auf beschäftigungspolitische Ziele gerichtet, sondern dient auch der Erreichung weiterer wirtschaftspolitischer Grundziele. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, daß er in § 1 StabWG vom 8. Juni 1967 10 das Beschäftigungsziel als grundsätzlich gleichwertig neben die Ziele der Preisniveaustabilität, des außenwirtschaftliehen Gleichgewichts und des stetigen Wirtschaftswachstums gestellt hat. Aufgrund der oben genannten Eigenschaften des beschäftigungspolitischen Instrumentariums mußte der Gesetzgeber im Gegensatz zum Regelungsbereich der Arbeitsmarktpolitik darauf verzichten, im StabWG konkrete Handlungsanweisungen für die Beschäftigungspolitik zu normieren; die gesetzliche Grundlage der Beschäftigungspolitik bietet vielmehr einen eher allgemein gehaltenen Orientierungsrahmen.11 Anders als im Fall der Beschäftigungspolitik läßt sich für die Arbeitsmarktpolitik festhalten, daß ihr Zielsystem primär auf den Einsatz qualitativer und spezieller Instrumente ausgerichtet ist, mit deren Hilfe unmittelbar auf die Strukturvariablen des Arbeitsmarktes eingewirkt wird. Bei der rechtlichen Normierung der Arbeitsmarktpolitik bietet sich dem Gesetzgeber eher die Möglichkeit, konkrete Handlungsanweisungen festzulegen. Vgl. H. Lampert, 1982, S. 119. Vgl. H.-K. Schneider, Beschäftigungs- und Konjunkturpolitik, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. I, Stuttgart u.a. 1988, S . 486 ff. 9 Zur allgemeinen Klassifikation wirtschaftspolitischer Instrumente vgl. zusammenfassend H.-J. Seraphim, 1963 , S. 296 ff. 10 BGBI. I S. 582. 11 Vgl. K.-H. Hansmeyer, Einführung zum Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, in: Nomos-Verlagsgesellschaft (Hrsg.), Das deutsche Bundesrecht, Loseblattsammlung, Bd. II, Baden-Baden 1984, S. II f. 7

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B. Abgrenzung maßgeblicher arbeitsmarktpolitischer Ziele

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Der instrumentelle Charakter von Lohnersatzleistungen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik Hinsichtlich einer inhaltlichen Abgrenzung der Arbeitsmarktpolitik ist auch auf die Frage einzugehen, inwieweit es als zweckmäßig erscheint, das sozialpolitisch orientierte Ziel der sozialen Sicherung als Gegenstand der Arbeitsmarktpolitik zu betrachten. Eine engere Abgrenzung dieses Politikbereichs würde Lohnersatzleistungen zum Zweck einer sozialen Sicherung bei Eintritt von Arbeitslosigkeit nicht als Instrument der Arbeitsmarktpolitik zulassen. So gehen etwa Mertens/Kühl in ihrer Beschreibung der Arbeitsmarktpolitik zunächst gan~ grundsätzlich davon aus, daß "Leistungen an Arbeitslose zur Sicherung ihres Lebensunterhalts oder als Gegenwert für geleistete Beiträge ... an sich nicht zu dem Aktionsraum der Arbeitsmarktpolitik (gehören), da sie keine Vermeidung von Fehlentwicklungen des Arbeitsmarktes, sondern den sozialen Schutz des einzelnen bei Arbeitsplatzverlust bezwecken." 12 Diese Aussage wird dann allerdings gleich anschließend mit dem Hinweis relativiert, daß in der Gestaltung der Leistungsregelungen im Bereich der Lohnersatzleistungen "erhebliche arbeitsmarktpolitische Steuerungsmöglichkeiten" liegen. 13 Für die Einbeziehung von sozialpolitisch motivierten Zielen in das System der unmittelbar für die Arbeitsmarktpolitik relevanten Ziele spricht die prozeßpolitische Bedeutung von Lohnersatzleistungen der passiven Arbeitsmarktpolitik. Aus prozeßpolitischer Sicht erscheint es sinnvoll, die Lohnersatzleistungen der Arbeitsmarktpolitik zuzuordnen, da die Ausgestaltung von Lohnersatzleistungen die Allokation auf dem Arbeitsmarkt beeinflußt. 14 Hierbei kann auf verschiedene Zusammenhänge hingewiesen werden: So wird etwa die Effektivität der Faktorallokation auf dem Arbeitsmarkt dadurch verbessert, daß Lohnersatzleistungen zum Teil die mit der Informationsbeschaffung verbundenen Suchzeiten der Arbeitnehmer finanzieren und damit diesen, für die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes notwendigen Vorgang der Informationsbeschaffung -und Verarbeitung für die Mehrzahl der Arbeitnehmer in maßgeblicher Weise begünstigt. Gleichzeitig wird mit der Gewährleistung von Lohnersatzleistungen die Angebotsmenge dadurch reduziert, daß Sozialeinkommen an die Stelle von Erwerbseinkommen treten. Die genannten Sachverhalte deuten auf eine funktionale Verbundenheit von passiver und aktiver Arbeitsmarktpolitik innerhalb des zugrunde liegenden 12 D. Merrens, J. Kühl, Arbeitsmarkt I: Arbeitsmarktpolitik, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. I, Stuttgart u .a. 1988, S. 287. 13 Vgl. ebenda, 1988, S. 287. 14 Vgl. ebenda.

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1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

leitbildkonformen Gesamtkonzeptes hin. Die passive Arbeitsmarktpolitik soll daher im folgenden als notwendiger Bestandteil eines leitbildkonformen arbeitsmarktpolitischen Gesamtkonzeptes betrachtet werden. l5 Dabei kommt der aktiven Arbeitsmarktpolitik die Aufgabe zu, zunächst die Qualität des Marktergebnisses zu verbessern. Daneben werden im Rahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik, die man auch als "reaktiv" apostrophieren könnte, jene sozialpolitischen Handlungsbedarfe gedeckt, die aufgrund der allokationspolitisch notwendigen Mobilität der Arbeitnehmer sowie aufgrund nicht reduzierbarer Marktunvollkommenheiten und zur Kompensation der Auswirkungen solcher Marktunvollkommenheiten sowie aus konjunkturellen Gründen unvermeidbar sind.

C. Die Elemente des Zielsystems Der Darstellung einzelner Elemente des Zielsystems soll nachfolgend eine Zusammenfassung der wichtigsten Eigenschaften des Arbeitsmarktes als Gestaltungsobjekt vorangestellt werden, um die Rahmenbedingungen und Restriktionen, unter denen der politische Entscheidungsträger zu handeln hat, deutlich zu machen. Diesbezüglich sind vor allem folgende Aspekte von Bedeutung: 1 1. Im Unterschied zu den auf Warenmärkten gehandelten Produkten ist das Gut Arbeitskraft nicht lagerfähig und kann nicht losgelöst von der Person des Arbeitnehmers gehandelt werden.

2. In Dienstleistungs- und Industriegesellschaften ist die Marktteilnahme der Anbieter von Arbeitskraft häufig mangels alternativer Möglichkeiten des

15 Unbeschadet dessen ist es möglich, dem gesellschaftspolitischen Grundziel der sozialen Sicherheit gleichzeitig auch mittelbare arbeitsmarktpolitische Relevanz zuzuordnen: Die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes wirkt sich auch auf den Umfang der fiir sozialpolitische Zwekke bereitstehenden Ressourcen aus und determiniert auf diesem Wege mittelbar das Potential an realisierbarer sozialer Sicherheit; vgl. H. Lampert, J . Englberger, U. Schüle, 1991, S. 25 sowie ausführlich R.-G. Heinze, K. Gretschmann, Folgewirkungen der Beschäftigungskrise auf die sozialen Sicherungssysteme, in: H. Abromeit, B. Blanke (Hrsg.), Arbeitsmarkt, Arbeitsbeziehungen und Politik in den 80er Jahren, Opladen 1987, S. 315 ff. 1 Hinsichtlich der hier nicht ausgefiihrten Eigenschaften des Arbeitsmarktes vgl. ausfiihrlicher G. Kleinhenz, Verfassung und Struktur der Arbeitsmärkte in marktwirtschaftliehen Systemen, in: H. Lampert (Hrsg.), Arbeitsrnarktpolitik, Stuttgart- New York 1979, S. 8 ff. sowie zu Sachverhalten, die vor allem aus der Sicht der Arbeitsmarktordnungspolitik von Interesse sind, G. Brinkmann, Ökonomik der Arbeit, Bd. 2, Stuttgart 1981, S. 252 ff. und zusammenfassend H. Lampen, 1994, S. 179 ff.

C. Die Elemente des Zielsystems

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Einkommenserwerbs nicht freiwillig. 2 Aus Gründen der materiellen Existenzsicherung besteht für breite Teile der Bevölkerung ein Angebotszwang und auf diese Weise eine schicksalshafte Verbundenheit mit den Arbeitsmarktbedingungen. 3 Sofern im Einzelfall die Verwertung von Arbeitskraft als Erwerbsgrundlage nicht möglich ist, entstehen bei einer leitbildkonformen Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik Kosten aufgrund der in dieser Situation notwendigen Sozialtransfers. 3. Die Arbeitsmarktsituation determiniert für den abhängig Beschäftigten den realen Gehalt des Rechtes auf freie Arbeitsplatz- und Berufswahl gemäß Art. 12 Abs. 1 GG sowie die Möglichkeiten zur freien Entfaltung der Persönlichkeit im Rahmen beruflicher Tätigkeit. 4 4. Die Produktivität des in den Unternehmen eingesetzten Kapitals und damit die Effizienz und Effektivität der Unternehmen sowie auch die Leistungsflihigkeit der gesamten Wirtschaft und der Umfang des für die Finanzierung von Sozialtransfers verfügbaren Potentiales sind unter anderem auch davon abhängig, inwieweit die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes ausreicht, um jene personellen Ressourcen bereitzustellen, die zur optimalen Nutzung der materiellen Ressourcen erforderlich sind.

5. Der Arbeitsmarkt ist aus einer Mehrzahl von Gründen m einem besonderen Maße unvollkommen:5 a) Der Arbeitsmarkt zergliedert sich fachlich-beruflich, 6 personell7 sowie räumlich8 und zeitlich in Teilarbeitsmärkte. Die Auswirkungen dieser 2 Vgl. K.- W. Rorhschild, Marletmechanismus und Arbeitsmarlctpolitilc, in: F. BulSchek (Hrsg.), Die ökonomischen Aspekte der Arbeitsmarktpolitik, Wien 1975, S. 16 f. 3 Im Jahre 1992 waren in Deutschland 89,9 % aller Erwerbspersonen abhängig beschäftigt bzw. arbeitslos. Vgl. Bundesminisleriumfor Arbeil und Sozialordnung, 1993, Statistisches Taschenbuch, Tabellen 2.4. und 2.6. 4 Vgl. H. Lampen, 1994, S. 177 f. 5 Vgl. D. Mertens, Der Arbeitsmarlet als System von Angebot und Nachfrage, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 3 1973, S. 229 und H. Lampert, 1994, S. 179 sowie ausfiihrlicher zur Morphologie des Arbeitsmarktes G. Brinkmann, Ökonomik der Arbeit, Bd. 1, Stuttgart 1981, S. 49 ff. und D . Freiburghaus, Zentrale Kontroversen der neueren Arbeitsmarkttheorie, in: M. Bolle, Arbeitsmarkttheorie und Arbeitsmarktpolitik, Opladen 1976, s. 75 ff. 6 Vgl. hierzu D. Schönwilz, Der Wandel der sektoralen und beruflichen Beschäftigungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland, in: H. Lampert (Hrsg.), Arbeitsmarktpolitik, Stuttgart- New York 1979, S. 60 ff. sowie die dort angegebene Literatur. ·, Vgl. hierzu F. Egle, Problemgruppen am Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftsdienst, Heft 7, 1985, s. 608 ff. 8 Vgl. zur regionalen Struktur des Arbeitsmarktes ausfiihrlich P. Hurler, Regionale Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, in: Beiträge aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Bd. 84, Nürnberg 1984, S. 140 ff. sowie K.-H. Adams, H.-F. Eckey, Regionale Beschäftigungskrisen in der Bundesrepublik Deutschland, in: WSI-Mitteilungen, 37. Jg. , Heft 8,

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1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik Zergliederungen werden durch Mobilitätshemmnisse aufgrund erheblicher Transaktionskosten der beruflichen und räumlichen Mobilität9 und aufgrund einer Segmentierung durch die Abgrenzung betriebsinterner ArbeitsmärktelO verstärkt. Hiermit eng verbunden sind Einschränkungen der Markttransparenz und die dadurch verursachten Informationsdefizite der Marktteilnehmer. 11 b) Es bestehen de facto Marktzugangsbarrieren für einen Teil der Anbieter, vor allem da dem Angebot einer spezifischen Arbeitsqualität eine entsprechende - meistens zeitaufwendige - Qualifizierung vorausgehen muß. c) Schließlich ist die Funktionsfahigkeit des Arbeitsmarktes durch die Inflexibilität der Löhne in ihrer Eigenschaft als Marktpreis für den Produktionsfaktor Arbeit eingeschränkt.

Als Ergebnis läßt sich zusammenfassen, daß dem Arbeitsmarkt erstens sowohl aus wirtschaftspolitischer als auch aus sozialpolitischer Sicht eine Schlüsselrolle zukommt und zweitens gleichzeitig aber die Funktionsfiliigkeit des Arbeitsmarktes deutlich eingeschränkt ist. Aus dieser Situation heraus läßt sich die Notwendigkeit ableiten, die Funktionsfiliigkeit des Arbeitsmarktes durch eine geeignete Struktur- und Prozeßpolitik zu verbessern. Daneben lassen sich aus der generellen Notwendigkeit sozialpolitischen Handelns 12 hinsichtlich des arbeitsmarktbezogenen Handlungsbedarfs -unter Ausklammerung arbeitsmarktordnungspolitischer Ziele - die Erfordernisse ableiten, a) das für abhängig Erwerbstätige existenzgefährdende Risiko des Arbeitsplatzverlustes materiell abzusichern, b) die Anpassungs/asten, die den Erwerbspersonen durch den gesellschaftlich erwünschten Entwicklungsprozeß der Wirtschaft entstehen, in einer 1984, S. 474 ff., und W. Mieth, Die Unausgeglichenheit zwischen den regionalen Arbeitsmärkten und die Regionalpolitik, in: Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie fiir Raumforschung und Landesplanung, Bd. 178, Hannover 1988, S. 7 ff. Außerdem sei in diesem Zusammenhang auf die besondere Problemlage in den neuen Bundesländern hingewiesen. 9 Vgl. zu den Ursachen, zur Struktur und zur empirischen Evidenz bestehender regionaler Mobilitätshemmnisse A. Börsch-Supan , Regionale und sektorale Arbeitslosigkeit: Durch höhere Mobilität reduzierbar?, in: Zeitschrift fiir Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Bd. 110, 1990, S. 55 ff. Zur empirischen Evidenz räumlicher Mobilität vgl. umfassend M. Wagner, Räumliche Mobilität im Lebensverlauf, Stuttgart 1989. 10 In Zusammenhang mit der Segmentierung des Arbeitsmarktes formuliert Kerr den Begriff einer "Balkanisierung der Arbeitsmärkte" . Vgl. C. Kerr, The Balkanization of Labor Markets, in: C. Kerr (Hrsg.), Labor Markets and Wage Determination, Berkley 1977, S. 21 ff. 11 Vgl. zum Problem der Informationsbeschaffung im Arbeitsmarktbereich H. Lampert, J. Englberger, U. Schale, 1991, S. 86 ff. 12 Vgl. Abschnitt B. I. in diesem Kapitel.

C. Die Elemente des Zielsystems

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gesellschaftlich als angemessen bewerteten Weise zu kompensieren bzw. gerecht zu verteilen sowie c) Maßnahmen zur Integration von solchen Erwerbspersonen zu ergreifen, die aufgrund ihrer Lebensumstände nur eingeschränkte Möglichkeiten zum Einsatz ihrer Arbeitskraft haben. Es wird bereits an dieser Stelle erkennbar, daß die Gestalt des Zielsystems eine eher aktive, arbeitsmarktgestaltende Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik nahelegt, sofern hierdurch nicht anderweitige Ziele gefaludet werden, wie etwa das einer primär an marktwirtschaftliehen Grundsätzen orientierten Ausgestaltung des Arbeitsmarktprozesses.

I. Die Hauptziele der Arbeitsmarktpolitik Die in Abschnitt B.l. gewählte Definition von Arbeitsmarktpolitik beinhaltete bereits einen Hinweis darauf, daß "bestimmte" wirtschafts- und sozialpolitische Ziele beachtet werden sollen. In den folgenden Ausführungen werden diese Ziele genauer herausgearbeitet.

1. Die Ziele der aktiven Arbeitsmarktpolitik

Ein optimaler Arbeitsmarktausgleich, also die Vermeidung eines unproduktiven Einsatzes von Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt, setzt voraus, daß es durch beide Seiten des Marktes gelingt, "... die vorhandenen Arbeitsplätze unter Berücksichtigung der Neigungen der Arbeitskräfte jeweils mit den geeignetsten, leistungsfähigsten Arbeitskräften zu besetzen, also eine optimale Allokation des Faktors Arbeit zu bewirken." 13 Ferner "... wird die Aufgabe erkennbar, . . . partielle strukturelle Arbeitsmarktungleichgewichte zu verringern oder zu beseitigen. ool4 Der aktiven Arbeitsmarktpolitik kommt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zu, die Struktur von Angebot und Nachfrage sowie den Arbeitsmarktprozeß selbst so zu gestalten, daß ein möglichst optimaler Ressourceneinsatz gewährleistet ist.

13

14

H. Lampen, J. Englberger, U. Schüfe, 1991, S. 23 (Hervorhebung d.Verf.).

Ebenda, S. 24 (Hervorhebung d .Verf.).

44

1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

a) Die Beeinflussung der Arbeitsmarktstruktur Die strukturbezogene Beeinflussung des Arbeitsmarktergebnisses hat insbesondere im Zuge der deutschen Wiedervereinigung an Bedeutung gewonnen.15 Von dem historischen Sonderfall der Wiedervereinigung abgesehen, bestimmen folgende Faktoren die strukturelle Gestalt des Arbeitsmarktes auf der Angebots- und Nachfrageseite: Der Arbeitsmarkt ist in die Fortentwicklung der Wirtschaft eingebunden und damit einem durch technologische und gesellschaftliche Neuerungen geprägten Evolutions- bzw. Entwicklungsprozeß unterworfen. Unter diesen Umständen können unmittelbar durch Veränderungen der Produktionsverfahren und durch Standortveränderungen der Unternehmen, aber auch mittelbar durch Verschiebungen der Preis- und Präferenzstrukturen auf den Märkten für Güter und Dienstleistungen maßgebliche Verschiebungen in der Nachfragestruktur des Arbeitsmarktes eintreten. Diese Verschiebungen haben sowohl eine fachlich-berufliche als auch eine räumliche Dimension. Weiterhin führt die " ... grundlegende Erkenntnis, daß die Gesellschaft nicht die Anzahl von nebeneinander her lebenden homines oeconomici ist, sondern ein Verband sozialer Wesen" 16 zu der Einsicht, daß die Art des Arbeitsangebotes und damit die Bedingungen des Arbeitsmarktausgleichs unter anderem auch durch die Gestalt und Dynamik des kulturellen Werte- und Normensystems unserer Gesellschaft bestimmt werden. Es können daher auch Veränderungen der Angebotsstruktur auf dem Arbeitsmarkt eintreten, indem sich möglicherweise im Zeitverlauf Änderungen der arbeitsmarktrelevanten Werthaltungen der Arbeitnehmer und der heranwachsenden Generation einstellen. Weiterhin kann die Angebotsstruktur durch Migration und durch bevölkerungspolitisch relevante Faktoren beeinflußt werden. Die genannten angebots- und nachfrageseitigen Entwicklungsprozesse können zu struktureller Arbeitslosigkeit17 in Form von Überangeboten spezifischer Arbeitsqualitäten führen. Eine für die strukturelle Arbeitslosigkeit typische Erscheinung ist die, daß auf einzelnen Teilarbeitsmärkten Arbeitslosigkeit zu verzeichnen ist, während gleichzeitig auf anderen Teilarbeitsmärkten Bedarfe an Arbeitskräften nicht gedeckt werden können. Die strukturellen UnVgl. hierzu Abschnitt B. I. im dritten Kapitel H. Giersch, 1961, S. 102. 17 "Strukturelle Arbeitslosigkeit liegt immer dann vor, wenn das Angebot an Arbeitsleistungen bestimmter Art ( ...) die Nachfrage nach eben diesen Arbeitsqualitäten übersteigt und ( ...) nicht genügend mobil ist, um kurzfristig auf anderen Arbeitsmärkten ( . ..) Arbeit zu finden. • H. Lampen, Arbeitslosigkeit, in: H. Lampen (Hrsg.), Arbeitsmarktpolitik, Stuttgart - New York 1979, S. 44. 15

16

C. Die Elemente des Zielsystems

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gleichgewichte werden durch Mobilitätshemmnisse der Anbieter von Arbeitskraft und durch Informationsdefizite der Marktteilnehmer noch stabilisiert. Arbeitsmarktpolitischer Handlungsbedarf wird vor diesem Hintergrund dann induziert, wenn die arbeitsmarktstrukturpolitischen Problemlagen nach allgemeiner Überzeugung aufgrund ihres Ausmaßes und ihrer Beständigkeit einen gesamtgesellschaftlichen Schaden hinsichtlich wirtschafts- oder/und sozialpolitischer Finalziele verursachen, der den mit dem Einsatz von Instrumenten zur Überwindung dieses Zustandes verbundenen Aufwand übersteigt. Der strukturellen ·Gestalt des Arbeitsmarktes entsprechend, kann dieser Handlungsbedarf eine räumliche oder/und beruflich-fachliche sowie eine personengruppenbezogene Dimension haben.

b) Die Integration benachteiligter Personengruppen Dem Aktionsrahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik läßt sich vor dem Hintergrund ihrer Einbindung in ein sozialstaatliches Gesamtkonzept auch das Ziel der Integration benachteiligter Personengruppen 18 zuordnen. Als auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt müssen im Regelfall gelten: körperlich, geistig oder seelisch Behinderte sowie ältere Arbeitnehmer, Frauen, familiär gebundene Personen, ethnische Minderheiten, Personen aus randständigen Regionen, fehlqualifizierte Arbeitnehmer 19 und Personen, die Lücken in ihrer Erwerbsbiographie aufweisen. 20 Diese Personengruppen sind einem besonderen Risiko des Zugangs und des Verbleibs in der Arbeitslosigkeit ausgesetzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Einzelfall mehrere der genannten Faktoren kumulieren, wie das beispielsweise bei Frauen der Fall ist, die aus familiären Gründen zeitweilig aus dem Erwerbsprozeß ausscheiden. 18 Zur Vermeidung des nach Auffassung des Verfassers diskriminierenden und negativ geladenen Begriffs der sogenannten "Problemgruppe" wird im folgenden der Begriff "benachteiligte Personengruppe" verwendet. Diese Formulierung läßt völlig offen, ob im Einzelfall die arbeitsmarktbezogene Benachteiligung oder zumindest deren Auswirkungen durch die betroffene Personengruppe selbst oder durch das soziale bzw. gesellschaftliche Umfeld überwunden werden kann. 19 Dabei kann es sich sowohl um Personen handeln, die aufgrund mangelnder Ausbildung als unqualifiziert gelten müssen, als auch um Personen, die über Qualifikationen verfügen, welche auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik nicht oder zu gering nachgefragt werden. Dazu gehören gegenwärtig vor allem Arbeitnehmer, deren Ausbildung in der ehemaligen DDR erfolgte und deren Qualifikationen durch die Wiedervereinigung entwertet wurden. 20 Vgl. H. Seifert, Öffentliche Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, WSIStudie zur Wirtschafts- und Sozialforschung, Nr. 54, Köln 1984, S. 142 ff., sowie F. Egle, 1985, S. 608 ff. und W. Adamy, W. Hanesch , Erwerbsarbeit und soziale Ungleichheit- Benachteiligung und Ausgrenzung am Arbeitsplatz, in: D. Döring, W. Hanesch, E.-U. Huster (Hrsg.), Armut im Wohlstand, Frankfurt/M 1990, S. 170 ff.

46

1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

Die durch die genannten Sachverhalte bedingte Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt erfüllt den Tatbestand der sozialen Ungleichheit. 21 Es erscheint naheliegend, diese Situation aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit als verbesserungsbedürftig zu werten, wenn man Chancengleichheit und Startgerechtigkeit für alle Gesellschaftsmitglieder als einen Maßstab für die Ausgestaltung der Arbeitsmarktbedingungen anerkennen möchte. Ein entsprechender Handlungsbedarf besteht insbesondere auch dann, wenn Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Übernahme von familiären Aufgaben in den Bereichen der Kindererziehung und der Altenpflege entstehen, da in diesen Fällen eine gesellschaftlich notwendige und gemeinhin als wertvoll erachtete intergenerative Leistungserstellung der Grund für eine gesellschaftlich vermittelte Benachteiligung ist. Eine weitere Möglichkeit, der dauerhaften Arbeitslosigkeit von benachteiligten Personen entgegenzuwirken, besteht darin, die Betroffenen dauerhaft aus dem Erwerbsprozeß auszugliedern und durch eine Verrentung zu alimentieren. Dieser Weg wurde in der Vergangenheit vor allem bei Erwerbspersonen beschritten, die aufgrund ihres Alters keine realistischen Chancen zur Reintegration in den Erwerbsprozeß haben und denen infolgedessen die Gelegenheit angeboten wurde, in den Vorruhestand zu treten. Daneben kann die Ausgestaltung und Handhabung von Ermessensspielräumen bei der Gewährung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten im Sinne einer Ausgliederung benachteiligter Personen genutzt werden. Unter dem Gesichtspunkt einer Verbesserung des materialen Gehalt der arbeitsmarktbezogenen Chancengleichheit wären jedoch Maßnahmen zur Integration gegenüber Maßnahmen zur Ausgliederung vorzuziehen. 22 Obgleich die Bewältigung konjunkturell verursachter Arbeitslosigkeit nicht in das Aufgabenspektrum der aktiven Arbeitsmarktpolitik fällt, 23 können die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Falle des Eintretens vorübergehen21 Soziale Ungleichheit ist dann gegeben, wenn " ... die in der Gesellschaft vorhandenen Belohnungen ... systemarisch ungleich auf die verschiedenen sozialen Positionen ... bzw. auf die Inhaber der Positionen (verteilt werden)." (Hervorhebung d .Verf.) H. Reimann, Basale Soziologie: soziale Ungleichheit, 2. Aufl., Opladen 1983, S. 30. Der Tatbestand der sozialen Ungleichheit ist im vorliegenden Zusammenhang nicht gegeben, wenn jemand gewollt den Marktwert seiner Qualifikationen negativ beeinflußt, da unter diesen Umständen keine systematische Fremdeinwirkung von gesellschaftlicher Seite erfolgt. 22 In diesem Zus!lmmenhang ist es interessant zu sehen, daß Maßnahmen zur Ausgliederung benachteiligter Personen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ursprünglich als Notstandsmaßnahme gedacht waren; während der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 wurde zeitlich befristet eine Neuabgrenzung des Begriffs der Berufsunfähigkeit vorgenommen; vgl. F. Ruhland, Verschiebebahnhof. Der Anteil der Rentenversicherung an der Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit, in: Soziale Sicherheit, Heft 6, 1993, S. 178. 23 Vgl. Abschnitt B. II. in diesem Kapitel.

C. Die Elemente des Zielsystems

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der Unterbeschäftigung dazu genutzt werden, unerwünschte Auswirkungen dieser Arbeitsmarktlage sowohl auf die Struktur des Arbeitsangebotes als auch auf die Lebenslage der betroffenen Arbeitnehmer zu vermeiden, indem geeignete Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Vberbrückung eines vorübergehenden Nachfragedefizites eingesetzt werden. Dies kann durch den Einsatz von Kurzarbeit geschehen oder durch eine Beschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer auf dem zweiten Arbeitsmarkt bzw. durch eine vorübergehende Einbindung in Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung und Umschulung. Im Falle des Eintretens vorübergehender Unterbeschäftigung besteht die Gefahr einer Dequalifizierung arbeitsloser Erwerbspersonen. Ein derartiger Dequalifizierungsprozeß wäre zum einen mit einem Verlust an individuellem Arbeitsvermögen und an gesamtwirtschaftlichem Humankapital verbunden. Zum anderen besteht insbesondere im Falle des Aufeinandertreffens mehrerer arbeitsmarktbezogener Risikofaktoren die Gefahr einer sozio-demographischen Strukturalisierung des Potentials arbeitsloser Erwerbspersonen, die unter diesen Umständen durch ein Anwachsen der Zahl der Langzeitarbeitslosen zutage tritt. Da der Erwerb sozialpolitisch relevanter Anspruchstitel - insbesondere in der Alterssicherung - bei gegebener Ausgestaltung des Systems der sozialen Sicherung sehr stark von der Qualität der Erwerbsbiographie abhängt, ist die materielle Benachteiligung der Betroffenen nicht nur auf das Erwerbsleben beschränkt. Neben ihrer materiellen Benachteiligung sind die Betroffenen in ihrer individuellen Freiheit ferner auch dadurch eingeschränkt, daß in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft die Möglichkeiten zum Erwerb von Wissen, und zur Kommunikation, zur Ausübung von Macht, zur Teilnahme am öffentlichen Leben sowie die soziale Wertschätzung relativ stark oder teilweise gar ausschließlich von der Teilnahme am Erwerbsprozeß abhängig sind. 24 Die Integration benachteiligter Personengruppen ist damit

24 Die Integration von benachteiligten Personengruppen hat demzufolge einen doppelten funktionalen Bezug: 1. Den Betroffenen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine Integration in den Arbeitsmarkt am Erwerbsprozeß teilzunehmen, um materiale Besitzstände zu erwerben. 2. Weiterhin ist die Erwerbsarbeit auch ein wichtiges Medium der sozialen Integration durch die Einbindung in ein über die Berufstätigkeit vennitteltes soziales Gefüge; vgl. G. Schmid, Zur EffiZienz der Arbeitsmarktpolitik: Ein Plädoyer für einen Schritt zurück und zwei Schritte voran, in: J. -J. Hesse (Hrsg.), Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 13, 1982, S. 313 und U. Beck, M. Brater, H.-J. Daheim, Soziologie der Arbeit und Berufe, Reinbek 1980 sowie zusammenfassend U. Beck, Risikogesellschaft. Frankfurt/M 1986, S. 220 ff.

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l. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

auch auf Ziele bezogen, die vor einem verteilungspolitischen Hintergruruf25 auf den Ausgleich von ungleichen Beschäftigungschancen gerichtet sind. 26

c) Die optimale Allokation von Arbeitskraft Eine optimale Allokation des Produktionsfaktors Arbeit ist dann gegeben, wenn Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt einander dergestalt zugeordnet sind, daß aufgrund der Qualität der Zuordnung jeder Anbieter in seiner Eigenschaft als Träger von Arbeitskraft und jeder Nachfrager in seiner Eigenschaft als Träger materieller Ressourcen ein optimales Ergebnis aus dem Einsatz seiner Ressourcen im Sinne seiner individuellen Ziele und Wünsche erwirtschaften kann. Für den einzelnen Anbieter von Arbeitskraft bedeutet dies, daß er seine Qualifikationen bzw. Leistungspotentiale möglichst produktiv nutzen kann; eine optimale Allokation von Arbeit beinhaltet daher auf der instrumentellen Ebene das Ziel der Vermeidung unterwertiger Beschäftigung. Eine Voraussetzung für die Ausschöpfung von Leistungspotentialen ist für den Erwerbstätigen u.a., daß er die Möglichkeit hat, nötigenfalls durch einen Arbeitgeberwechsel einen geeigneten Arbeitsplatz aufzusuchen, ohne daß ihm dabei durch Fluktuationsarbeitslosigkeit27 Kostenrisiken entstehen würden, die er als unüberschaubar oder untragbar bewerten würde; die Reduzierung des mit dem Arbeitgeberwechsel verbundenen Kostenerwartungswertes leistet daher einen Beitrag zur Optimierung der Faktorallokation auf den Arbeitsmärkten. Auf der Nachfrageseite wird dadurch gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit des Eintretens und vor allem des Fortdauems von Effizienzverlusten durch eine Inkongruenz von Stellenanforderungen einerseits und den Qualifikationen der Stelleninhaber andererseits reduziert. Abschließend· ist den Ausführungen zu den Zielen der aktiven Arbeitsmarktpolitik hinzuzufügen, daß dem Träger der politischer Verantwortung im staatlichen Bereich hinsichtlich seiner Möglichkeiten, den Strukturintegrations- und allokationspolitischen Zielerreichungsgrad zu verbessern, Grenzen gesetzt sind. So kann innerhalb der Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland die Gestaltung der lohn- und tarifpolitischen 25

Vgl. G. Schmid, 1982, S. 313. Vgl. P. Stein , Die Stellung behinderter Erwerbspersonen in der Sozialen Marktwirtschaftzum Anspruch der Lebenswirklichkeit von Behinderten, in: Berufliche Rehabilitation, Beiträge zur beruflichen und sozialen Eingliederung junger Menschen mit Behinderungen, 1995, Heft l. 27 Fluktuations- bzw. friktionelle Arbeitslosigkeit " ... liegt vor, wenn Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz aufgeben, um sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen oder/und den Arbeitsplatzwechsel abzuwickeln." H. Lamperl, 1979, S. 40 f. 26

C. Die Elemente des Zielsystems

49

Rahmenbedingungen der Arbeitsmarktpolitik überwiegend als ein durch die Tarifparteien gesetztes Datum angesehen werden.28 Dennoch kann es ebenfalls ein Ziel der aktiven Arbeitsmarktpolitik sein, die Auswirkungen bestehender Lohnrigiditäten auf die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes durch geeignete Transfers zumindest teilweise zu kompensieren, sofern dies im Interesse der Integration benachteiligter Personengruppen fiir sinnvoll gehalten wird. Auch die strukturelle Zergliederung des Arbeitsmarktes muß als ein Faktum angesehen werden. Es kann daher lediglich gestaltend auf die Rahmenbedingungen der Austauschprozesse zwischen den Teilarbeitsmärkten eingewirkt werden.

2. Die Ziele der passiven Arbeitsmarktpolitik

Das System der sozialen Sicherung hat die Aufgabe die Bürger gegen materielle Risiken zu schützen, die mit dem Eintritt von existenzbedrohenden Ereignissen verbunden sind. Ein derartiges existenzbedrohendes Risiko ist die Möglichkeit des Arbeitsplatzverlustes. Weil innerhalb einer primär marktwirtschaftlich gestalteten Wirtschaftsordnung das Risiko des Arbeitsplatzverlustes nicht durch die Gewährleistung eines Rechts auf Arbeit im Sinne einer Beschäftigungsgarantie ausgeschaltet werden kann29 verbleibt lediglich die Möglichkeit, innerhalb des Systems der sozialen Sicherung den Einkommensverlust zumindest partiell auszugleichen, sofern nicht durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik der Eintritt des Arbeitsplatzverlustes verhindert werden kann. Innerhalb der deutschen Wirtschafts- und Sozialordnung wird die Absicherung existenzieller Risiken in erster Linie -jedoch nicht ausschließlich - im Rahmen von Sozialversicherungssystemen durchgefiihrt; die soziale Sicherung im Fall des Verlustes des Arbeitsplatzes erfolgt daher hauptsächlich durch eine als Sozialversicherung ausgestaltete Arbeitslosenversicherung. 30 Die Gewährleistung einer arbeitsmarktbezogenen Einkommensicherung gewinnt vor allem dann fiir das in der Gesellschaft realisierte Maß an sozialer Sicherheit an Bedeutung, wenn die Bedingungen für die Verwertung von Arbeitskraft aus wirtschaftslagenbedingten Gründen ungünstig sind.

28 Vgl. hierzu H. Lampen, J. Englberger, U. Schüle, 1991 , S. 34 ff. sowie zu den geschichtlichen Ursprüngen J. Englberger, Tarifautonomie im Deutschen Reich, Entwicklung des Tarifvertragswesens in Deutschland von 1870171 bis 1945, Berlin 1994. 29 Vgl. hierzu H. Lampen, A. Bossen, Sozialstaat Deutschland, München 1992, S. 85 ff. 30 Vgl. ausführlicher hierzu Abschitt B. II. Ia im dritten Kapitel.

4 Stein

1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

50

Die deutschen Sozialversicherungssysteme sind darauf ausgerichtet, ihren Mitgliedern nach Möglichkeit eine Lebensstandardsicherung zu gewähren, wobei der Grad der Erreichung dieses Ziels in den nach dem Äquivalenzprinzip31 ausgestalteten Systemen vom Umfang der vorher geleisteten Beiträge abhängig ist. In der Arbeitslosenversicherung wird dem Äquivalenzprinzip dadurch Rechnung getragen, a) daß die Dauer des Bezuges von Lohnersatzleistungen von der Dauer der vorangegangenen beitragspflichtigen Beschäftigung abhängig gemacht wird (§§ 106 bis 110 AFG)und b) indem die Höhe der monatlichen Lohnersatzleistungen als Anteil aus dem Nettoeinkommen errechnet wird (§§ 111 bis 115 AFG). Weiterhin wird die Anspruchsberechtigung auch davon abhängig gemacht, ob der Antragsteller arbeitsfähig und arbeitswillig ist. Sofern gegenüber der Arbeitslosenversicherung keine Ansprüche geltend gemacht werden können oder falls die maximale Dauer des Leistungsbezuges überschritten wurde und infolgedessen eine Aussteuerung des Leistungsanspruches gegenüber der Arbeitslosenversicherung erfolgte, können bei Bedürftigkeit und bei Erfüllung der in § 134 AFG festgelegten Voraussetzungen auf einem niedrigeren Niveau Ansprüche an Arbeitslosenhilfe geltend gemacht werden. Daneben kann Sozialhilfe in Anspruch genommen werden, falls das Leistungsnivau der arbeitsmarktbezogenen Einkommensicherung nicht ausreicht, um das soziokulturelle Existenzminimum abzudecken oder falls gegenüber der Arbeitslosenhilfe ebenfalls kein Leistungsanspruch geltend gemacht werden kann. Die nach dem Fürsorgeprinzip ausgestalteten Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe werden aus Steuermitteln fmanziert. Der Schutz des Individuums vor dem existenzgefährdenden Risiko der Arbeitslosigkeit stellt bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung eines geeigneten Sicherungssystems.32 So ist es etwa notwendig, die Transfers vom Umfang und von der Struktur her so zu gestalten, daß sie einen Ausgleich zwischen den allgemein geltenden Vorstellungen von sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit einerseits sowie den Möglichkeiten zur Realisierung materialer Freiheit andererseits verwirklichen.

II. Zu den Nebenzielen der Arbeitsmarktpolitik Zum handlungsleitenden Zielsystem der Träger der Arbeitsmarktpolitik gehören - wie bereits angedeutet - auch solche Ziele, die als arbeitsmarkt31

32

Vgl. hierzu H. Lampen, 1994, S. 221 ff. Vgl. H. Lampen, 1994, S. 418 f.

C. Die Elemente des Zielsystems

51

relevante Ziele33 bzw. als Nebenziele zwar nicht der eigentlichen Zweckbestimmung des Trägersystems zuzurechnen sind, denen jedoch als Randbedingungen maßgeblich sind. Nachfolgend sollen jene Nebenziele arbeitsmarktpolitischen Handeins aufgezeigt werden, denen im weiteren Verlauf der Untersuchung besondere Bedeutung zukommt. Beschäftigungspolitische Nebenwirkungen

Durch den Einsatz von Instrumenten der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik erfolgt eine mengenmäßige Beeinflussung des Beschäftigungsgrades.34 Wenn vorausgesetzt werden kann, daß verschiedene Instrumente der Arbeitsmarktpolitik in unterschiedlicher Weise beschäftigungswirksam sind und wenn man ferner auch davon ausgehen kann, daß ebenfalls der mit dem Instrumenteneinsatz verbundene Aufwand je nach Instrument unterschiedlich ist, so läßt sich aus dieser Situation für die Arbeitsmarktpolitik das Nebenziel ableiten, c.p. den durch den Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente induzierten beschäftigungspolitischen Nutzen zu optimieren, soweit hierdurch nicht die Erreichung anderer Ziele in einer durch den demokratisch legitimierten Entscheidungsträger als unerwünscht bewerteten Weise beeinträchtigt wird. Konjunkturpolitische Nebenwirkungen

Im Hinblick auf eine versicherungstechnische Absicherung des Risikos der Erwerbslosigkeit wird bisweilen angeführt, daß eine als Arbeitslosenversicherung gestaltete soziale Sicherung eine konjunkturpolitisch funktionale Wirkung im Sinne eines "built-in-stabilizers" habe,35 wobei die Qualität dieser Wirkung allerdings unterschiedlich beurteilt wird. Die antizyklische Wirkung einer Arbeitslosenversicherung kann unter idealtypischen Bedingungen darin begründet liegen, daß bei konstanten Beitragssätzen der Arbeitslosenversicherung in Phasen einer Hochkonjunktur dem Wirtschaftskreislauf aufgrund von Beitragsüberschüssen Liquidität entzogen wird, während in Pha33 Hierunter sind nach der an dieser Stelle gewählten Abgrenzung folgende Arten von Zielsetzungen zu verstehen: a) Zielsetzungen, auf die die Arbeitsmarktpolitik indirekt durch die Erreichung oder das Verfehlen arbeitsmarktpolitischer Ziele einwirkt, wie z .B. das Wirtschaftswachstum: b) Zielsetzungen, die zu verfolgen der Arbeitsmarktpolitik aus übergeordneten Gesichtspunkten, z.B. aus dem der sozialen Gerechtigkeit, aufgegeben ist; c) Zielsetzungen, die die Arbeitsmarktpolitik als Nebenbedingungen beachten muß, die sie also nicht beeinträchtigen soll, wie z .B. die Geldwertstabilität. Ebenda, S. 24 f. 34 Vgl. Abschnitt B. II in diesem Kapitel. 35 Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt B. U. im dritten Kapitel.

4•

52

1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

sen einer Konjunkturverschlechterung die aus den Rücklagen finanzierten Ausgabenüberschüsse dem Wirtschaftskreislauf Liquidität zuführen. Inwieweit dieser modellhafte Mechanismus in der Realität gegeben ist, hängt von der Dauer und Intensität konjunktureller Zyklen sowie von Details der organisatorischen Ausgestaltung der Arbeitslosenversicherung ab. Wenn unterschiedliche Gestaltungsformen des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik jeweils verschiedenartige konjunkturpolitische Wirkungen herbeiführen, dann ist es c.p. sinnvoll, die konjunkturpolitische Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung des Sicherungssystems als Nebenziel zu berücksichtigen. Vennögenspolitische Nebenwirkungen

Die für die Aufrechterhaltung einer sozialen Sicherung von den Arbeitnehmern zu erbringenden Aufwendungen beeinträchtigen deren Möglichkeiten zur eigenverantwortlichen individuellen Vermögensbildung; der Spielraum zur Finanzierung privater Vorsorge durch individuelle Vermögensbildung wird eingeengt. Eine Ausweitung der durch Beiträge der Arbeitnehmer [manzierten sozialen Sicherung hat also gerade hinsichtlich des Ziels einer subsidiär gestalteten Einkommensicherungspolitik unter Umständen auch eine kontraproduktive Wirkung. 36 Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, Belastungen von der Versichertengemeinschaft femzuhalten, die die Versicherten finanziell übermäßig belasten.

D. Die Struktur des Zielsystems Zielbeziehungen können auch als vorgegebene Bestandteile des Zielsystems bezeichnet werden, da die Art einer Zielbeziehung prinzipiell einen vom Betrachter unabhängigen Sachverhalt darstellt; dies gilt zumindest dann, wenn im Vorfeld über die inhaltliche Interpretation der Ziele ein Konsens hergestellt werden konnte. Im Falle konkurrierender Zielbeziehungen ist eine Zielgewichtung erforderlich, um eindeutige Handlungsregeln für den Instrumenteneinsatz entwickeln zu können. Da die Zielgewichtung eine vom Betrachter abhängige Bewertung einzelner Ziele voraussetzt, stellen die Zielgewichtungen nonnative Bestandteile des Zielsystems dar. Eine derartige Bewertung 36 Vgl. H. Hensen, Die Finanzen der sozialen Sicherung im Kreislauf der Wirtschaft, Kiel 1955, S. 83 sowie H. Lampert, Probleme der Konjunkturstabilisierung durch die Arbeitslosenversicherung - ein Beitrag zur Reform der Arbeitslosenversicherung, in: Finanzarchiv, 1962, s. 285.

D. Die Struktur des Zielsystems

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von politischen Zielen kann im Rahmen einer wertfreien Wissenschaft nur über das politische System erfolgen. 1 Von wissenschaftlicher Seite können hierbei Erkenntnisse darüber erarbeitet werden, welche Wirkungen durch spezifische Arten der Bewertung von Zielen herbeigeführt werden. Es ist daher im folgenden zu klären, wie sich die Zielbeziehungen innerhalb des Zielsystems gestalten. Weiterhin sollen Kriterien für die Durchführung einer ZieHgewichtung vorgeschlagen werden, um schließlich unter Anwendung dieser Kriterien das bisher unstrukturierte Zielbündel in ein hierarchisch strukturiertes Zielsystem überführen zu können, wobei allerdings in der vorliegenden Arbeit auf eine ausführliche Diskussion der Zielbeziehungen auf der Ebene sämtlicher Einzelziele verzichtet werden muß. Die Beziehungen zwischen den Zielen als vorgegebene Bestandteile des Zielsystems

In Zusammenhang mit der Frage nach der Allokation finanzieller und personeller Ressourcen innerhalb des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik ist in erster Linie von Interesse, wie die Beziehung zwischen den Zielbereichen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik zu beurteilen ist. Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich hinsichtlich der Frage nach einer Zielgewichtung folgende Aussagen ableiten: 1. Harmonische Zielbeziehungen zwischen den Bereichen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik bestehen aufgrund folgender Zusammenhänge: a) Eine wirksam gestaltete aktive Arbeitsmarktpolitik reduziert den Umfang der Arbeitslosigkeit und damit auch den Bedarf an Lohnersatzleistungen im Rahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik. b) Gleichzeitig erhöht eine öffentlich als erfolgreich bewertete arbeitsmarktbezogene soziale Sicherung die Akzeptanz eines primär marktkonform und damit allokationspolitisch zweckmäßig gestalteten Mitteleinsatzes in diesem Politikbereich. 2. Eine konkurrierende Beziehung zwischen dem Instrumenteneinsatz in der aktiven und in der passiven Arbeitsmarktpolitik ist dann gegeben, wenn aufgrund der institutionellen Ausgestaltung des Träger- und Finanzierungssystems beide Politikbereiche aus demselben Haushalt finanziert werden müssen, weil unter diesen Umständen bei knappen Ressourcen zu entscheiden ist, zugunsten welches Zielbereiches in welchem Umfang Mittel einzusetzen sind; die Situation stellt sich bei vordergründiger 1

Vgl. H.-J. Seraphim, 1963, S. 237.

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1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

Betrachtung zunächst als Nullsummenspiel dar. Dieses institutionell bedingte konkurrierende Element ist für den politischen Entscheidungsträger aufgrund der großen Bedeutung haushaltspolitischer Ressourcenknappheit für das politische Tagesgeschäft innerhalb der Politikplanung von relativ großer Unmittelbarkeit. Die Intensität der angedeuteten Konkurrenzbeziehung wird allerdings dadurch eingeschränkt, daß die Rückführung von Arbeitslosen in den Erwerbsprozeß mit den Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu Einsparungen auf seiten der Lohnersatzleistungen sowie zu Beitrags- und Steuermehreinnahmen fübrt;2 unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes ist die Bedingung eines Nullsummenspielsnicht mehr uneingeschränkt gegeben. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sowohl konkurrierende als auch harmonische Beziehungen zwischen aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik bestehen, wobei der Gesamteffekt nicht unabhängig von der Ausgestaltung des arbeitsmarktpolitischen Träger- und Finanzierungssystems beurteilt werden kann.

Die Gewichtung der Ziele als normative Bestandteile des Zielsystems Um eine Annäherung an ein gesamtgesellschaftliches Wohlfahrtsoptimum zu realisieren, wird in der Literatur vorgeschlagen, daß im Fall einer konkurrierenden Zielbeziehung zur Konstruktion einer nutzenmaximierenden Wohlfahrtsfunktion der Instrumenteneinsatz dergestalt zu strukturieren ist, daß der Grenznutzen des Instrumenteneinsatzes zugunsten des einen Zieles den Grenzkosten der Nutzenminderung des anderen Zieles entspricht. 3 Bei der modellhaften Betrachtung dieses an den Opportunitätskosten orientierten Gestaltungsvorschlages ist es jedoch notwendig sich zu vergegenwärtigen, daß die individuellen und gesellschaftlichen sozialen Kosten und Nutzen, die durch die Beeinflussung individueller Lebenslagen zustande kommen können, sich oftmals einer monetären Bewertung entziehen4 und daher aufgrund informationstechnologischer Restriktionen tendenziell übersehen bzw. unter-

Vgl. hierzu ausfiihrlicher Abschnitt C. 1. im dritten Kapitel. Vgl. M.-E. Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, 3. Auflage, Düsseldorf 1983, S. 158 ff und 193 f. 4 So zeigt etwa Kleinhenz auf, daß der von Weisser geprägte und dieser Arbeit zugrundeliegende Lebenslagebegriff Anliegen umfaßt, die " ...als sinnliche, oder unmittelbar mit der physischen Existenz des Menschen zusammenhängende und als geistige, auf Persönlichkeits- und kulturelle Werte, auf sittliche und religiöse Bindungen gerichtete Interessen typologisch katalogisiert werden können." G. Kleinhenz, Probleme wissenschaftlicher Beschäftigung mit der Sozialpolitik, in: Sozialpolitische Schriften, Bd. 23, Berlin 1970, S. 73. 2

3

D. Die Struktur des Zielsystems

55

schätzt werden;5 es besteht in diesem Sinne eine durch mangelnde Operationalisierbarkeit bedingte Unterlegenheit des sozialen Elements der humanen Dimension gegenüber dem rein ökonomischen, wodurch die Vollständigkeit und mithin die Objektivität eines Opportunitätskostenkalküls gefährdet wird. Für die Klärung der Zielgewichtung innerhalb des Zielsystems in der Arbeitsmarktpolitik kann eine genauere Betrachtung der Art der Interdependenzen zwischen den Zielen nützlich sein. Wie in den vorhergehenden Ausführungen bereits dargestellt wurde, wirkt sich der Mitteleinsatz zugunsten des Zielbereichs der aktiven Arbeitsmarktpolitik auch positiv auf die Erreichung von Zielen der passiven Arbeitsmarktpolitik aus; eine aktive, gestaltende Arbeitsmarktpolitik reduziert den Handlungsbedarf im Bereich der passiven Arbeitsmarktpolitik. Weiterhin läßt sich eine Priorität der aktiven gegenüber der passiven Arbeitsmarktpolitik auch aus der sozialpolitisch motivierten Notwendigkeit einer Kompensation von entwicklungsbedingten Anpassungslasten der Arbeitnehmer ableiten. 6 Aufgrund einer stetigen Fortentwicklung der Produktionstechnologie und der Wirtschaft entstehen bei den Arbeitnehmern Anpassungslasten, die durch die Entwertung ihres Arbeitsvermögens, durch Arbeitsplatzverlust und durch Kosten der räumlichen und beruflichen Mobilität bedingt sind. Dieser Sachverhalt läßt arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erforderlich erscheinen, a) um den technischen und wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß zu fördern und b) um der sozialen Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber solchen Gesellschaftsmitgliedern gerecht zu werden, die im Interesse des gesellschaftlichen Fortschritts besondere Anpassungslasten zu tragen haben. Für die Gestalt des arbeitsmarktpolitischen Zielsystems läßt sich hieraus ableiten, daß sozialpolitische Maßnahmen zur Bewältigung von arbeitsmarktbedingten Anpassungslasten zweckmäßigerweise primär so gestaltet werden sollten, daß durch den Einsatz von Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik für den Betroffenen der Zustand der Arbeitslosigkeit verhindert oder überwunden wird, wodurch sowohl dem Ziel a) als auch dem Ziel b) Rechnung getragen werden kann. Wenn eine Bewältigung des Anpassungsprozesses durch den Betroffenen aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, unmöglich ist, dann sollte unter Berücksichtigung von Ziel b) durch geeignete Maßnahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik gewährleistet werden, daß der dem Betroffenen durch den Einkommensausfall entstehende Schaden 5 Vgl. H. Lampen, Notwendigkeit, Aufgaben und Grundzüge einer Theorie der Sozialpolitik, in: Volkswirtschaftliche Diskussionsreihe der Universität Augsburg, Bd. 33 1989, S. 68. Zu den gesamtfiskalischen und individuellen Belastungen durch Arbeitslosigkeit auf der Grundlage verfügbaren empirischen Materials vgl. Ch. Brinkmann, E. Spitznagel, Gesamtfiskalische und individuelle Belastungen durch Arbeitslosigkeit, in: Arbeit und Sozialpolitik, Heft 617, 1988. 6 Vgl. Abschnitt B. I. in diesem Kapitel.

56

1. Kapitel: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik

in einer gesellschaftlich als angemessen Lohnersatzleistungen kompensiert wird.

angesehenen

Weise

durch

Es erscheint ferner auch deswegen als naheliegend, dem Mitteleinsatz im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik gegenüber der passiven Arbeitsmarktpolitik Priorität einzuräumen, da sowohl aus individueller als auch aus gesellschaftlicher Perspektive ein Interesse daran bestehen muß, Humankapitalverluste, die durch Eintritt und insbesondere durch Fortdauer von Arbeitslosigkeit bedingt sind, zu vermeiden. Neben das Ziel einer Vermeidung von Humankapitalverlusten tritt in diesem Zusammenhang das Interesse der beteiligten Fiski und der Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung, die mit der Alimentierung von Arbeitslosigkeit verbundenen Einnahmenausfälle und Kosten zu vermeiden. Angesichts dieser Überlegungen wird für die Ausgestaltung des Zielsystems einer am Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft orientierten Arbeitsmarktpolitik vorgeschlagen, daß dem Mitteleinsatz zugunsten einer die Marktverfassung und den Arbeitsmarktausgleich verbessernden aktiven Arbeitsmarktpolitik gegenüber dem Mitteleinsatz zugunsten von Lohnersatzleistungen im Rahmen einer passiven Arbeitsmarktpolitik Vorrang eingeräumt werden sollte, sofern hierdurch die gemeinhin geltenden Normen der sozialen Sicherung nicht verletzt werden. 7 Der Gedanke einer derartigen Zielgewichtung läßt sich im Grunde genommen bis in die Ursprünge der Auseinandersetzung mit den Anforderungen einer modernen Arbeitsmarktpolitik in der Industriegesellschaft zurückverfolgen. So kommt bereits Adler zu dem Ergebnis, daß "das was (Staat und Kommunen; Anm.d. Verf.) für die unverschuldet Arbeitslosen thun können, ... principiell dreierlei (umfaßt): einmal die Zuweisung ohnehin vorhandener Arbeitsgelegenheit, ... dann die Beschaffung neuer Arbeitsgelegenheit und schliesslich die anderweite Fürsorge für solche, denen trotz alledem keine Beschäftigung gewährt werden kann. "8 7 Bei dieser sehr allgemein gehaltenen Betrachtungsweise darf allerdings nicht übersehen werden, daß die gesellschaftliche Bewertung der einzelnen Ziele und damit auch die Beurteilung des Grenznutzens eines Mineleinsatzes zugunsten des einen und zuungunsten des anderen Zieles auch von den jeweils bereits realisierten Zielerreichungsgraden abhängt; vgl. T. Pütz, Grundlagen der theoretischen Wirtschaftspolitik, 4. Auflage, Stuttgart- New York 1979, S. 84 f. 8 G. Adler, 1898, S. 930; vgl. auch die dort angegebenen älteren Quellen. Vgl. weiterhin fiir die Gesellschaft fiir Soziale Reform W. Zimmennann, Soziale Kolonisation und Arbeitslosenfürsorge, in: Soziale Praxis, 1909, Sp . 1203 ff. Im AVAVG schließlich fand der Gedanke einer Vorrangigkeil aktiver Arbeitsmarktpolitik mit § 36 nur mit der Einschränkung auf die Arbeitsvermittlung Berücksichtigung: "Die Vermittlung in Arbeit oder in Berufsausbildung geht den Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe vor." Dieser Gedanke wurde im AFG zwar nicht wieder explizit aufgegriffen, er läßt sich jedoch aus dem mit "Grundsatz" überschriebenen § I implizit ableiten: "Die Maßnahmen nach diesem Gesetz sind ... darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefOrdert wird ."

Zweites Kapitel

Die institutionelle und finanzielle Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland In diesem Kapitel wird die gegenwärtige Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt. Als Quelle hierfür dient in erster Linie -jedoch nicht ausschließlich- das AFG. Im ersten Abschnitt wird zunächst die Entstehungsgeschichte der Arbeitsmarktpolitik nach dem AFG skizziert, um aus den Entstehungsbedingungen des Gesetzeswerkes ein besseres Verständnis für dessen konzeptionelle Grundlagen und für dessen Funktionsflihigkeit unter den gegenwärtigen Bedingungen zu gewinnen. Anschließend erfolgt im zweiten Abschnitt eine Darstellung des Instrumentariums der Arbeitsmarktpolitik auf der Grundlage des AFG. Im dritten Abschnitt wird das Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik erläutert, damit im darauf folgenden dritten Kapitel eine detaillierte Erörterung und kritische Diskussion dieser rechtlich-institutionellen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik erfolgen kann.

A. Das AFG als zentrale Rechtsgrundlage staatlicher Arbeitsmarktpolitik Der zeitliche Horizont der in dieser Untersuchung behandelten Arbeitsmarktpolitik wird durch die Geltung des AFG abgesteckt, da mit der Verabschiedung des AFG jene normativen Voraussetzungen geschaffen wurden, die den Rahmen der praktischen Arbeitsmarktpolitik der Gegenwart bilden. Das AVAVG als der Rechtsvorgänger des AFG hebt sich inhaltlich deutlich vom heute geltenden Recht ab 1 und ist daher nachfolgend nur soweit von Bedeu-

1 Vgl. hierzu E. Schönfelder, Das Arbeitsförderungsgesetz - Instrument der Beschäftigungspolitik, in: Arbeit, Berufund Arbeitslosenhilfe, Heft 6, 1969, S. 157 ff.

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2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

tung, wie es notwendig sein wird, die Vorgeschichte der heutigen Rechtsgrundlage zu erhellen. In den folgenden Ausführungen wird zunächst in Abschnitt I. unter Berücksichtigung der Ursprünge des heutigen rechtlich-institutionellen Rahmens der Arbeitsmarktpolitik ein rechtsgeschichtlicher Abriß gegeben, bevor in Abschnitt II. die witschaftspolitischen Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Verabschiedung des AFG herausgearbeitet werden. Die Kenntnis der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, unter denen die in ihrer Grundstruktur auch heute noch gültigen Rechtsgrundlagen konzipiert wurden, wird an anderer Stelle zum besseren Verständnis der Ursachen der heute zu beobachtenden Problemlagen hilfreich sein.

I. Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des AFG Die Notwendigkeit einer im aktiven und passiven Bereich koordinierten Ausgestaltung der staatlichen Arbeitsmarktpolitik wurde vom Gesetzgeber erst in der Weimarer Republik -und auch dort vergleichsweise spät- aufgegriffen und am 16. Juli 1927 durch die Verabschiedung eines Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) 2 umgesetzt. 3 Im Mittelpunkt dieses Gesetzeswerkes stand die versicherungstechnische Absicherung des mit Arbeitslosigkeit verbundenen materiellen Risikos im Rahmen einer Sozialversicherung. Der inhaltliche Schwerpunkt des AVAVG lag damit weniger in einer präventiven, auf aktive Gestaltung des Arbeitsmarktes ausgerichteten Politik, sondern es war vielmehr beabsichtigt, insbesondere die sozialen Begleiterscheinungen von Arbeitslosigkeit zu lindern und damit das in den Bereichen der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung bereits entwickelte System der sozialen Sicherung zu vervollständigen. RGBI. S. 187. Zur arbeitsmarktrelevanten Politik im deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik bis zur Verabschiedung des AV AVG vgl. H. Braun, Motive sozialer Hilfeleistungen. Ein Beitrag zur Entwicklung und Kritik der sozialen Sicherung in Deutschland, Frankfurt 1955, S. 66 ff.; V. Siebrechr, Stationen der Arbeitsmarktpolitik, in: Arbeit und Beruf, Heft 10, 1977, S. 303 ff.; W. Adamy, E. Reidegeld, 60 Jahre Arbeitslosenversicherung in Deutschland. Teil 1: Von der Armenfilesorge zur Arbeitslosenhilfe, in: Soziale Sichemeit, Heft 12, 1987, S. 374 ff. sowie ausfUhrlieh K.-Ch. Führer, Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung in Deutschland 1902-1927, Berlin 1990 und die Beiträge in dem Sammelband von H.-P. Benöhr, (Hrsg.), Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der neueren deutschen Rechtsgeschichte, Tübingen 1991. 2

3

A. Das AFG als Rechtsgrundlage

59

Nach der Gründung der Bundesrepublik blieb das AVAVG zwar zunächst als Rechtgrundlage bestehen; 4 es entwickelten sich jedoch zahlreiche Sonderregelungen auf Länderebene. Eine erste Reform, in der vor allem der Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Rechtsgrundlage Rechnung getragen wurde, kam durch das Gesetz zur Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 10. März 19525 zustande. Das AVAVG wurde später mit der sog. "Großen Novelle" am 3. April 19576 ohne konzeptionelle Umgestaltung7 neu bekannt gemacht. Bis zu seiner Ablösung durch das AFG wurde das AVAVG dann allerdings durch insgesamt acht Änderungsgesetze insbesondere im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausgebaut. Inhaltliche Schwerpunkte waren innerhalb dieses Entwicklungsprozesses Ende der 50er Jahre die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft sowie vor dem Hintergrund des fortdauernden Wirtschaftswachstums, des einsetzenden, technologisch bedingten strukturellen Wandels und sinkender Arbeitslosenzahlen vor allem die Förderung der Aus- und Weiterbildung. Die Arbeitsmarktpolitik der 50er und 60er Jahre wird auf der Grundlage der Konzeption des AVAVG auch im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik noch als "reaktiv" bezeichnet, 8 d.h. im Vordergrund des arbeitsmarktpolitischen Handeins stand damals weniger die Absicht, in das Arbeitsmarktgeschehen mit dem Ziel einer Problemvermeidung gestaltend einzugreifen als vielmehr die Bewältigung von bereits aufgetretenen Begleiterscheinungen des Arbeitsmarktprozesses. Sowohl das Phänomen des Arbeitskräftemangels in der ersten Hälfte der 60er Jahre als auch die Erfahrungen mit der 1966 eintretenden ersten Rezession seit Bestehen der Bundesrepublik bestärkten bei Wissenschaftlern und Politikern den Eindruck, daß die Rechtsgrundlagen der Arbeitsmarktpolitik einer konzeptionellen Überarbeitung im Sinne einer "vorausschauenden", aktiv den Arbeitsmarkt gestaltenden Arbeitsmarktpolitik bedurften. 9 Am 26. Januar 1966 wurde die Bundesregierung durch die CDU/CSUFraktion dazu aufgefordert, das AVAVG mit einer Novelle an die aktuellen 4

1965,

Vgl. hierzu G. Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, Tübingen

s. 130 f.

5 BGBI. I S. 123 . 6 BGBI. I S. 321. 7 Neben Erweiterungen des versicherungspflichtigen Personenkreises wurden hauptsächlich Grenzwerte des Leistungs- und Beitragsrechts neu festgelegt; vgl. hierzu die Zusammenfassung bei H. Lampen, 1962, S. 267 ff. 8 Vgl. Ch. Rosenmöller, Arbeitsmarktpolitik im Rückblick, in: Bundesarbeitsblatt, Heft 7-8, 1989, s. 6 f. 9 Vgl. SVR, Expansion und Stabilität, Jahresgutachten, Stuttgart- Mainz 1966, Z. 95.

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2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

arbeitsmarktpolitischen Bedarfe anzupassen. 10 Der Ausschuß für Arbeit (AfA)ll unterbreitete dem Bundestag am 23. Juni 1966 seinen Schriftlichen Bericht über diesen Antrag, 12 in welchem als Ergebnis festgehalten wurde, daß angesichts des technischen Fortschritts und der wirtschaftlichen Entwicklung eine konzeptionelle Neuordnung des A VAVG erforderlich sei. Am 30. August 1966 legte die SPD-Fraktion kurz vor Beginn der Großen Koalition ihren Entwurf eines Arbeitsmarkt-Anpassungsgesetzes dem Bundestag vor. 13 Am 19. November 1967 folgte der erste Regierungsentwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes, 14 in dem die Empfehlung des AfA nach einer völligen konzeptionellen Neuordnung gegenüber dem AV AVG umgesetzt werden konnte. 15 Der Regierungsentwurf wurde im Bundestag am 13. Dezember 1967 erstmalig beraten; die Beratungen wurden am 6. Mai 1969 durch einen Bericht des AfA abgeschlossen.1 6 Mit der Verabschiedung des AFG am 25. Juni 1969 war das bis dahin umfassendste Gesetzeswerk zur Regelung der Arbeitsmarktpolitik entstanden. Ohne an dieser Stelle die Ziele und Aufgaben der Arbeitsmarkpolitik, wie sie in dem mit "Aufgaben" überschriebenen ersten Abschnitt des AFG im einzelnen genannt werden, aufzählen zu wollen, seien die wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Innovationen des AFG 17 kurz umrissen: Neu und gleichzeitig auch für das AFG charakteristisch ist die Idee einer "vorausschauenden" Arbeitsmarktpolitik, 18 die verstärkt auf die Bekämpfung struktureller Arbeitslosigkeit ausgerichtet werden sollte. Das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium wurde zu diesem Zweck stark ausgebaut und spezialisiert; dies gilt insbesondere für den Bereich der berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen. Weiterhin erfolgte im AFG im Bereich aktiver, arbeitsmarktgestaltender Maßnahmen in einem höheren Maße eine Verschmelzung von primär marktwirtschaftlich-funktionalen Zielsetzungen mit sozialstaatliehen Zielen, insbesondere im Bereich der Integration benachteiligter Personengruppen. Hierdurch BT-D V/222. Später umbenannt in •Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung" (AfAS). 12 BT-D V/752. 13 BT-D V/887. Vgl. zur inhaltlichen Ausgestaltung des Gesetzentwurfs W. Behrendt, Der Entwurf des Arbeitsmarktanpassungsgesetzes als Beginn einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, in: R. Bartholomäi u.a. (Hrsg.), Sozialpolitik nach 1945, Bonn-Bad Godesberg 1977, S. 339 ff. 14 BT-D V/2291. 15 Vgl. hierzu V. Gräfin v. Bethusy-Huc , Das Sozialleistungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, Tübingen 1976, S. 174 ff.; J. Kühl, Das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) von 1969, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 3, 1982, s. 252 ff. 16 BT-D zu V/4110. 17 Vgl. hierzu H. Lampert, 20 Jahre ArbeitsfOrderungsgesetz, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 2, 1989c, S. 176. 18 Vgl. ausführlich hierzu W. Hoppe, Der Präventionsgedanke im ArbeitsfOrderungsgesetz, in: Zeitschrift für Sozialreform, Heft 7, 1977, S. 388 ff. 10

11

A. Das AFG als Rechtsgrundlage

61

konnte ein höherer Grad potentiell realisierbarer Systemkonformität im Hinblick auf die Erfordernisse einer Sozialen Marktwirtschaft verwirklicht werden. Weiterhin wurde mit der Institutionalisierung einer Arbeitsmarktund Berufsforschung durch das AFG eine Verbesserung des Umfangs und der Qualität arbeitsmarktpolitisch relevanter Informationspotentiale erreicht. Die weitere Fortentwicklung des AFG seit seiner Verabschiedung war geprägt durch das dramatische Ansteigen der Arbeitslosigkeit in den Jahren 1974175 sowie 1981182 19 und durch die Folgen der Wiedervereinigung sowie den sich hieraus ergebenden Konsequenzen sowohl für den Handlungsbedarf als auch für die Haushaltslage der Bundesanstalt. 20 Obgleich die gesetzgebensehe Tätigkeit bezüglich des AFG, mit zehn Novellen und insgesamt 96 ändernden Gesetzen bis Ende 1993, wohl als intensiv bezeichnet werden kann, läßt sich hinsichtlich der im ersten Abschnitt des AFG kodifizierten grundlegenden konzeptionellen Ebene für diesen Zeitraum ein großes Maß an Kontinuität feststellen. 21 Bisher unverändert blieb § 1 AFG (Ziel des Gesetzes); in § 2 AFG (Arbeitsmarktpolitische Zielsetzung) wurde das Ziel der Bekämpfung illegaler Beschäftigung eingefügt, 22 ferner erfolgte eine Fortentwicklung des AFG durch Einfügung des Ziels der Überwindung geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktstrukturen23 . Maßgebliche Weiterentwicklungen des in § 3 AFG kodifizierten Aufgabenkataloges der Bundesanstalt erfolgten durch die Einfügung von Satz 7 in Absatz 2 (Gewährung von Konkursausfallgeld)24 und durch Erweiterung von Absatz 5 (Einfügung des Rechtes der Bundesregierung, der Bundesanstalt die Durchführung befristeter Arbeitsmarktprogramme durch Verwaltungsvereinbarung zu übertragen)25 . Die letztgenannte Maßnahme führte auch zu einer Erweiterung der Kompetenzen der Bundesregierung gegenüber der Bundesanstalt. Das ausgeprägte Maß an konzeptioneller Kontinuität der Arbeitsmarktpolitik im Bereich der Ausgestaltung des Instrumentariums seit dem Ende der 60er Jahre wird aus politikwissenschaftlicher Sicht mit einer hohen Konsensfähigkeit und einem legitimationsfördernden Charakter des AFG erVgl. Abschnitt A. im dritten Kapitel. Vgl. ausfiihrlicher Abschnitt B. II. 2. im dritten Kapitel. 21 Vgl. hierzu auch D. Webber, Eine Wende in der deutschen Arbeitsmarktpolitik? Sozialliberale und christlich-liberale Antworten auf die Beschäftigungskriese, in: H. Abromeit, B. Blanke (Hrsg,), Arbeitsmarkt, Arbeitsbeziehungen und Politik in den 80er Jahren, Leviathan, Sonderheft 8, 1987, S. 82 f. 22 Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung vom 15. Dezember 1981; BGBI. I S. 1390. 23 Gesetz zur Verlängerung des Versicherungsschurzes bei Arbeirslosigkeit und Kurzarbeit vom 27. Juni 1987; BGBI. I S. 1542. 24 Gesetz über Konknrsausfallgeld vom 17. Juli 1974; BGBI. I S. 1481. 25 Haushalrsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983; BGBI. I S. 1532. 19

20

62

2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

klärt, 26 denn insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik besteht eine weitgehende Konvergenz von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen. Wie in Abschnitt D. des dritten Kapitels noch ausführlicher zu zeigen sein wird, wurde demgegenüber die Regelung des Finanzierungsmodus bereits seit der Vorlage des ersten Entwurfs emes AFG als verbesserungsbedürftig beurteilt.

II. Die entstehungsgeschichtlichen Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Verabschiedung des AFG Die Entstehung des AFG27 fällt zeitlich in eine Phase relativ lang anhaltender wirtschaftlicher Prosperität. Die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer hatte von 20,5 Mio. im Jahr 1960 um 3,5 Mio. auf 24 Mio. im Jahr 1970 zugenommen; dabei wurden 1,5 Mio. ausländische Arbeitnehmer angeworben, um den schnell wachsenden Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Bei Arbeitslosenquoten von weniger als 3 % in den Jahren seit 1959 galt das Vollbeschäftigungsziel in dieser Zeit stets als erreicht. Auch während der Rezession von 1966/67, die aufgrund ihrer Rahmenbedingungen durch eine gezielte antizyklische Konjunkturpolitik schnell überwunden werden konnte, war mit ArbeitSlosenquoten von 0, 7 % und 2,1 % im Jahresmittel keine nachhaltige Gefährdung des Vollbeschäftigungsziels zu verzeichnen. 28 Obgleich der Einzug von Beiträgen für die Arbeitslosenversicherung in der Zeit von August 1961 bis April 1962 ausgesetzt wurde und in der Folgezeit relativ niedrige Beiträge erhoben wurden, die sich in der Zeit bis 1964 auf 1,4 % und ab diesem Zeitpunkt auf 1,3 % beliefen, entstanden bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Rücklagen, die bis Ende 1966 auf das- insbesondereangesichtsdes damaligen Geldwertes- gemeinhin als sehr hoch bewertete Niveau von 6,7 Mrd. DM angewachsen waren. 29 Die dargestellte Entwicklung sowie insbesondere die Erfahrungen mit dem Krisenmanagement während der Rezession von 1966/67 führten sowohl in den Kreisen der politischen Entscheidungsträger als auch in der Wissenschaft zu der Überzeugung, man könne durch antizyklische Politik Vgl. D. Webber, 1987, S. 83. Vgl. zum entstehungsgeschichtlichen Kontext des AFG auch H. Lampen, 1989c, s. 173 ff. 28 Lediglich in den Monaten Februar 1967 und Januar 1968 wurden saisonal beeinflußte Maxima der Arbeitslosenquoten von 3,1 % und 3,2 %erreicht. 29 Vgl. hierzu H. Leder, Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe, 2. Aufl., Stuttgart 1968, s. 9 f . 26

27

A. Das AFG als Rechtsgrundlage

63

jede Rezession in den Griff bekommen; die Stimmung der Wirtschaftspolitiker war durch "Planungs- und Stabilisierungsoptimismus" und den Glauben an die Machbarkeil vieler wirtschaftspolitischer und gesellschaftlicher Abläufe geprägt. 30 Ein für die Entstehungsgeschichte des AFG sicherlich ganz entscheidender Sachverhalt kann darin gesehen werden, daß zu diesem Zeitpunkt die Bundesregierung auch darüber zu befinden hatte, wie die Beitragsüberschüsse der Bundesanstalt zu verwenden seien. Es ging dabei um die Frage, ob der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt bzw. ausgesetzt werden sollte, oder ob die als Lohnersatzleistungen nicht benötigten Mittel für die durch die Dynamik des technischen Fortschritts nötig werdende Anpassung des Arbeitsangebotes an die Nachfragestruktur eingesetzt werden könnten. Vor dem Hintergrund des weit verbreiteten Planungsoptimismus, angesichts der an die Arbeitsmarktpolitik während der sechziger Jahre herangetragenen Handlungsbedarfe, angesichts verhältnismäßig niedriger Sozialabgaben sowie aus pragmatischen Gründen31 erschien dem staatlichen Entscheidungsträger eine auf Arbeitsmarktgestaltung ausgerichtete Mittelverwendung bei gleichbleibender Mittelerhebung als naheliegend. Wie bereits angedeutet, stellten sich der Arbeitsmarktpolitik während der 60er Jahre vor allem zwei Aufgaben, nämlich dem Arbeitsmarkt eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften zuzuführen sowie weiterhin die Struktur des Arbeitsangebotes an den durch den technischen Fortschritt induzierten strukturellen Wandel des Arbeitsmarktes anzupassen. Nach den Vorstellungen des AfA sollte es denn auch das Ziel der anstehenden Gesetzesreform sein, "... angesichts des technischen Fortschritts und der wirtschaftlichen Entwicklung ... die Arbeitsverwaltung nicht mehr überwiegend auf die Beseitigung einer bereits eingetretenen Arbeitslosigkeit sowie deren Folgen zu beschränken, sondern ihr den Auftrag und die rechtlichen Möglichkeiten dafür zu geben, daß sie eine vorausschauende Beschäftigungspolitik treiben kann, durch die bereits dem Eintritt von Arbeitslosigkeit in größerem Umfange vorgebeugt wird . .. 32 Aus diesen Formulierungen im schriftlichen Bericht des AfA vom 23. Juni 1966 wird deutlich, daß dort die Gefahr struktureller Arbeitslosigkeit offenbar als mögliche Ursache für das Entstehen von Arbeitslosigkeit "in größerem Umfange" gesehen wurde und daher der Vorbeugung gegen strukturelle Arbeitslosigkeit eine erstrangige Bedeutung innerhalb einer auf Vollbeschäftigung ausgerichteten Wirtschafts- und Sozialpolitik eingeräumt werden sollte. Infolgedessen wurde konsequenterweise oft 30 31

32

Vgl. J. Kühl, 1982, S. 251. Vgl. hierzu ausfiihrlicher Abschnitt D. II. 2. b) im dritten Kapitel. BT-D V/752.

64

2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

- wie in der oben zitierten Quelle - "Arbeitsmarktpolitik" mit "Beschäftigungspolitik" begrifflich-inhaltlich gleichgesetzt und damit das Instrumentarium einer noch zu schaffenden "vorausschauenden" aktiven Arbeitsmarktpolitik als eine Möglichkeit angesehen, das Problem der Arbeitslosigkeit wirksam und auf Dauer unter Kontrolle zu halten. In diesem Sinne wurde auch von seiten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in dessen Jahresgutachten von 1966 mit dem Titel "Expansion und Stabilität" vorgeschlagen, die Bundesanstalt fiir Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in ein "Bundesamt für Beschäftigung und Strukturpolitik" umzuwandeln. 33 Die Notwendigkeit einer Einbeziehung völlig neuer Ziele und Instrumente in die Rechtsgrundlage der Arbeitsmarktpolitik veranlaßte den Gesetzgeber, der hiermit verbundenen programmatischen Erweiterung der Arbeitsmarktpolitik durch die Verabschiedung eines völlig neuen Gesetzeswerkes unter dem Namen "Arbeitsförderungsgesetz" Rechnung zu tragen; die ehemals primär auf den verwaltungstechnischen Vollzug der passiven Arbeitsmarktpolitik ausgerichtete Bundesanstalt für Arbeitsvennittlung und Arbeitslosenversicherung wurde konsequenterweise umbenannt in "Bundesanstalt für Arbeit". Das durch Planungsoptimismus geleitete Bestreben nach einer Verankerung langfristiger Wirtschaftspläne fand insbesondere auch in der Verabschiedung des StabWG von 1967 seinen Ausdruck, in dessen § 1 Bund und Länder darauf verpflichtet wurden, wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen "... so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftliehen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen." Eine konsequente Umsetzung dieses Zielbündels erforderte unter anderem auch die Ausgestaltung eines Instrumentariums, das auf einer an der Erfüllung des Beschäftigungs- und Wachstumsziels ausgerichteten Beeinflussung des gesellschaftlichen Humanvermögens orientiert ist, wobei angesichts vergleichsweise sehr geringer Arbeitslosenquoten in den 60er Jahren ein "hoher Beschäftigungsstand" im Sinne des StabWG nicht nur einseitig als Verwirklichung von Vollbeschäftigung interpretiert wurde, sondern es wurde in Anbetracht des damaligen Arbeitskräftemangels im Sinne einer allgemeinen Arbeitsmarktausgleichspolitik auch die Notwendigkeit einer gezielten Forcierung des Arbeitsangebotes gesehen, bevor sich gegen Ende der 60er Jahre -verstärkt durch den konjunkturellen Einbruch von 1966/67 - erste sektoraleund regionale Strukturkrisen abzeichneten. Ferner entwickelte sich innerhalb der Großen Koalition unter dem Ein33 Vgl. Vgl. SVR, 1966, Z. 15; dieser Vorschlag wurde von seilen der Bundesanstalt entschieden zurückgewiesen, da die Einrichtung einer Bundesamres gleichbedeutend mit dem Verzicht auf Selbstverwaltung gewesen wäre; vgl. J. Kühl, 1982, S. 253 f.

A. Das AFG als Rechtsgrundlage

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fluß sozialdemokratischer Programmatik ein größerer politischer Druck hinsichtlich des Ziels, durch bildungspolitische Maßnahmen den materialen Gehalt des Grundsatzes der Chancengleichheit und die Möglichkeiten zur Verwirklichung von beruflicher Mobilität zu verbessern. 34 Vor diesem Hintergrund entstanden neben dem AFG auch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 14. August 196935, das Bundesausbildungsförderungesetz (BAföG) vom 26. August 197136 und später schließlich das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vom 7. August 197237 . Eine entstehungsgeschichtlich besonders enge Verbindung besteht dabei zwischen dem AFG und dem BBiG;38 beide Gesetzeswerke wurden auch beinahe zum gleichen Zeitpunkt verabschiedet. In seinem Schriftliche Bericht vom 30. Mai 196939 erläuterte der AfA den Zielkatalog des BBiG; es fmden sich darin Ziele, die auch Gegenstand des AFG sind, wie etwa die Förderung der -hier in erster Linie sozial verstandenen40 - Mobilität, die Anpassung an den strukturellen Wandel der Wirtschaft sowie der enge Kontakt zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das Abrücken von einem lediglich auf Verwaltungsvollzug ausgerichteten Handeln der Bundesanstalt, 41 das unter dem AVAVG in erster Linie auf die Abwicklung von Ansprüchen auf Lohnersatzleistungen aus der Arbeitslosenversicherung fixiert war, wurde nicht nur dadurch begünstigt, daß sich auf wissenschaftlicher Ebene und auf der politischen Führungsebene das Ideal einer "vorausschauenden" Arbeitsmarktpolitik durchsetzte. Die konzeptionelle Fortentwicklung der Rechtsgrundlagen wurde vielmehr auch dadurch gefördert, daß innerhalb des BMA personelle Veränderungen in die Wege geleitet wurden, in deren Zuge auch von der bis dahin gängigen Praxis abgerückt wurde, den Personalbedarf des Ministeriums ausschließlich durch die Re-

34

Vgl. hierzu

C. O.ffe,

furt/M 1975, S. 54 f.

Berufsbildungsreform. Eine Fallstudie über Reformpolitik, Frank-

BGBI. I S. 1112. BGBI. I S. 1409. 37 BGBI. I S. 1393. 38 Vgl. H. Karzer, Schriftliche Erklärung in der 234. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 13 . Mai 1969, S. 12.953. 39 BT-D V/4260. 40 Unter "sozialer Mobilität" wird die Möglichkeit des Individuums verstanden, in eine andere (als höher bewertete) soziale Schicht durch entsprechende gesellschaftlich bewertete Leistungen überzuwechseln. Der sozialen Mobilität kommt nicht nur unter sozialstaatliehen Gesichtspunkten Bedeutung zu (Chancengleichheit, Startgerechtigkeit), sondern sie hat auch die Funktion Marktzugangsbarrieren abzubauen und somit das vorhandene Potential an Humankapital vollständig zu erschließen. 41 Vgl. hierzu V. v. Wahl, E. Zunker, Das Haushaltsrecht der Bundesanstalt fiir Arbeit, in: H. Franke, (Hrsg.), Aufgaben und Praxis der Bundesanstalt fiir Arbeit, Heft 25a, Stuttgart u.a. 1988, s. 12 ff. 35

36

5 Stein

66

2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

krutierung von Verwaltungsjuristen aus der Arbeitsverwaltung zu decken. 42 Gleichwohl setzte sich operativ auf der Vollzugsebene der Fachabteilungen des BMA verwaltungstechnischer Pragmatismus insofern durch, als das vom politischen Entscheidungsträger zunächst favorisierte integrale Modell einer umfassenden gesetzlichen Regelung der später im AFG und im BBiG getrennt kodifizierten Regelungsbereiche von der Ministerialverwaltung erfolgreich zurückgewiesen werden konnte. 43 Das integrale Modell scheiterte an den politisch bedingten zeitlichen Restriktionen des Verfahrens der Gesetzesformulierung und an dem mit der Umsetzung eines integralen Modells verbundenen politischen Koordinierungsaufwand; die Berufsbildung wurde aus dem Gesamtkonzept ausgegliedert und einer speziell für diese Fragen zuständigen, neu eingerichteten Unterabteilung innerhalb der arbeitsmarktpolitischen Abteilung des BMA zur Bearbeitung überantwortet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß auch der Beratungsprozeß im AfA eher einer pragmatischen Dynamik folgte. So wurden in den AfA-Sitzungen Nr. 53 und Nr. 54 im März 1968 zwar Anhörungen von wissenschaftlichen Sachverständigen zu konzeptionellen Grundsatzfragen durchgeführt, jedoch müssen diese Anhörungen wohl eher - im Sinne einer legitimisierenden Funktion - als rein formal charakterisiert werden, da die Grundsatzaussprache über den AFGEntwurf im AfA bereits vor der Sachverständigenanhörung begonnen hatte. 44 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß mit der konzeptionellen Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik im Jahre 1969 ein Schritt getan wurde, der den materialen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen jener Zeit konsequent entsprach. Die praktische Umsetzung und die konzeptionelle Geschlossenheit des Gesamtergebnisses litt jedoch unter Zeitdruck, der vermutlich auch durch politische Umbrüche und die sich hieraus für die Verwaltung ergebenden Unwägbarkeilen verstärkt wurde. Die mit der Gesetzesformulierung beauftragte Verwaltung reagierte auf diese Situation in gewisser Zwangsläufigkeit mit einer pagmatischen Vorgehensweise.

42 Vgl. E. Blankenburg, G. Schmid, H.-P. Treiber, Von der reaktiven zur aktiven Politik? Darstellung und Kritik des Policy-Science-Ansatzes, in: P. Grouian, A. Murswieck (Hrsg.), Handlungsspielräume der Staatsadministration, Hamburg, 1976, S. 260 f. 43 Vgl. ebenda, S. 261 f. 44 "Die Protokolle der internen Sitzungen des AfA vermitteln nicht den Eindruck, als habe eine Sachverständigenanhörung (wissenschaftlicher Sachverständiger; d.Verf.) stattgefunden. Es gibt keine Hinweise darauf, daß eine Sachverständigenanhörung, die ja doch der Kärung grundsätzlicher Fragen dienen sollte, übernsupt durchgefiihrt wurde . ... Nur ein einziges Mal erinnert ein Mitglied an die Sachverständigenanhörung generell und beruft sich bei seinem Diskussionsbeitrag auf die Äußerungen eines wissenschaftlichen Sachverständigen, die dieser ihm gegenüber in einem privaten Gespräch nach der Anhörung gemacht habe (vgl. AfA-Protokoll V/59,5)." A. Weymann, M. Wingens, Soziologisches Wissen im Arbeitsförderungsgesetz. Problemdeutungen, cognitive maps, öffentliche Argumentation; in: Zeitschrift fiir Rechtssoziologie, Heft 2, 1988, s. 223.

B. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik

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B. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik In diesem Abschnitt wird ein Überblick über die Ausgestaltung des Instrumentariums der Arbeitsmarktpolitik auf der Grundlage des AFG vermittelt, wobei es allerdings nicht das Anliegen der folgenden Ausführungen sein kann, die teilweise recht kurzlebige Gesetzgebung des AFG im Detail nachzuzeichnen. Eine genauere Analyse des Instr.Imenteneinsatzes im Geltungsbereich des AFG seit dessen Verabschiedung erfolgt im anschließenden dritten Kapitel der Arbeit.

I. Die Instrumente der passiven Arbeitsmarktpolitik Dem Bereich der passiven Arbeitsmarktpolitik lassen sich Lohnersatzleistungen zuordnen, die bei Eintreten von Arbeitslosigkeit oder bei Zahlungsunfiihigkeit des Arbeitgebers zur Existenzsicherung der betroffenen Erwerbspersonen erforderlich werden. 1 Diese Lohnersatzleistungen sind von ihrer Intention her nicht darauf ausgerichtet, den Arbeitsmarkt zu gestalten, sondern sie sind eine kompensierende Reaktion des Sozialstaates in Hinsicht auf die Gefahr der Entstehung von individuellen und -innerhalb des Familienverbandes - kollektiven Lebenslagen, die angesichts der gesellschaftspolitischen Grundziele der sozialen Gerechtigkeit und der sozialen Sicherheit sowie auch der Erhaltung des sozialen Friedens vom politischen Entscheidungsträger als intolerabel gewertet werden. Nicht alle Lohnersatzleistungen stellen Instrumente der passiven Arbeitsmarktpolitik dar. Von der passiven Arbeitsmarktpolitik abgrenzen lassen sich solche Lohnersatzleistungen, die in einen aktiv orientierten Handlungsrahmen eingebettet sind, wie beispielsweise Unterhaltszahlungen für die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung, da diese Lohnersatzleistungen eine wesentliche Voraussetzung zur Durchführung der entsprechenden Maßnahmen sind und sich mithin von der Zielsetzung her, diesen inhaltlich und systematisch zuordnen lassen.

1 Neben den Lohnersatzleistungen wendet die Bundesanstalt auch die fiir die gesetzliche Kranken- Pflege- und Rentenversicherung fällig werdenden Beitragsleistungen auf(§ 157 Abs. I AFG i.v.V.m. § 166b Abs. 1 AFG). Die Arbeitslosenversicherung übernimmt mithin neben dem Risiko des Verlustes von Erwerbseinkommen infolge von Arbeitslosigkeit auch das sekundäre Risiko des mit Arbeitslosigkeit verbundenen Vorsorgeverlustes in den genannten Zweigen der sozialen Sicherung.

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2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe Sofern ein Versicherter die in den§§ 100 bis lOSe AFG im einzelnen geregelten Voraussetzungen erfüllt, hat er Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Höhe durch einen prozentuellen Anteil des Nettoarbeitsentgeltes bestimmt wird. Die Bezugsdauer richtet ist nach der Dauer der vorausgehenden, eine beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 106 AFG). Die für das Arbeitslosengeld eingesetzten Mittel werden grundsätzlich, d.h. bei konsolidierter Haushaltslage der Bundesanstalt aus den Beiträgen der Versicherten fmanziert. Die in den §§ 134 ff. AFG geregelte Arbeitslosenhilfe stellt eine Existenzsicherung für den Fall dar, daß ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht begründet werden kann. Die Funktion der Arbeitslosenhilfe und deren Stellung innerhalb des Sicherungssystems wird in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1992 konkretisiert. Das Gericht stellte fest, daß "die Arbeitslosenhilfe ... dazu bestimmt (ist), die Lücken zu füllen, die sich aus der Begrenzung des Rechts auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung ergeben; Arbeitslose, die Arbeitslosengeld entweder gar nicht oder infolge Zeitablaufs nicht mehr beanspruchen können, sollen nicht ohne weiteres der Sozialhilfe anheimfallen. "2 Die Arbeitslosenhilfe wird seit 1981 aus Mitteln des Bundes finanziert. Von seiten der Bundesanstalt wird nunmehr lediglich die Mittelverwaltung durchgeführt; ihr war im Zeitraum von 1966 bis 1981 die Finanzierung der Arbeitslosenhilfe übertragen.

Konkursausfallgeld Ein vor allem von der Gestaltung der Finanzierungsseite her eigenständiger Leistungsbereich der passiven Arbeitsmarktpolitik ist das mit dem Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 19743 eingeführte und in den §§ 141a bis 141n und 186b bis 186d AFG geregelte Konkursausfallgeld. Die Mittel für das Konkursausfallgeld werden einschließlich der für die Versicherten zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge und einschließlich der durch die Abwicklung anfallenden Verwaltungskosten in Form einer Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht und über die Berufsgenossenschaften jährlich entrichtet. Haushaltstechnisch ist das Konkursausfallgeld damit vom arbeitnehmerfmanzierten Fonds der Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung abgekoppelt; es handelt sich von der Finanzierungsseite her de facto um eine eigenständige, von den Arbeitgebern fmanzierte "Konkursausfallversicherung", die unter dem Dach der Bundesanstalt verwaltet wird.

2 3

BVerfDE 87,1.4,235 (Hervorhebungen d.Verf.). BGBI. I S. 1481.

B. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik

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II. Die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind darauf ausgerichtet, das Auftreten von Unterbeschäftigung durch (möglichst) vorausschauende arbeitsmarktprozeßgestaltende Maßnahmen zu verhindem oder zumindest zu reduzieren sowie die Allokation von Arbeitskraft zu verbessern. 4 Die im AFG kodifizierten InstrumenteS lassen sich unabhängig von der Systematik des u.a. an haushaltstechnische Kriterien orientierten Kontenrahmens der Bundesanstalt sachlogisch klassifizieren nach - Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsstandes der Arbeitsmarktakteure, - Maßnahmen zur personenbezogenen Förderung in besonderen Lebenslagen, - Maßnahmen zur Förderung der regionalen und beruflichen Mobilität, - Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie - Maßnahmen zur Ausgliederung von Arbeitnehmern aus dem Erwerbsprozeß. Wie im folgenden noch näher zu zeigen sein wird, steht damit im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik ein vielschichtiges und ausdifferenziertes Instrumentarium zur Verfügung, dessen Elemente von ihrer Grundlage her ein flexibles und dem Einzelfall angemessenes Tätigwerden der Arbeitsverwaltung ermöglichen, zumindest sofern die für den Mitteleinsatz erforderlichen Ressourcen nach Umfang und Struktur in geeigneter Weise bereitgestellt werden können. Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsstandes der Arbeitsmarktakteure

Von grundlegender Bedeutung hinsichtlich einer Verbesserung der Markttransparenz ist der unmittelbare Informationsaustausch über Angebot und Nachfrage von Arbeitskraft hauptsächlich -jedoch nicht ausschließlich - im 4 Ausgeschlossen sind dieser Abgrenzung zufolge arbeitsmarktordnungspolitische lnstru· mente, die nach der dieser Untersuchung zugrundeliegenden Systematik primär vor einem beschäftigungspolitischen Zusammenhang gesehen werden (vgl. abweichend hiervon J. Kromphardt, Plädoyer gegen die Reduzierung von Beschäftigungspolitik auf Arbeitsmarktpolitik, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 25 . Jg .• Heft 3, 1992, S. 222), da sie auf die rechtlichen und institutionellen Bedingungen des Arbeitsmarktprozesses Einwirken, nicht aber unmittelbar auf das Arbeitsmarktergebnis selbst. 5 Im folgenden nicht weiter berücksichtigt wird das Verbot der illegalen Beschäftigung, das seinen instrumentellen Bezug in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht aus der Tatsache schöpft, daß durch diese Maßnahme die Menge des Arbeitsangebotes reduziert wird; vgl. ebenda, S. 224 f.

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2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

Rahmen der Tätigkeit einer Arbeitsvermittlung6 • Die öffentliche Arbeitsvermittlung ist unentgeltlich?(§ 21 AFG) und gemeinnützig. Zur Verbesserung des Informationsstandes der Arbeitsverwaltung wurde vom Gesetzgeber ferner in § 8 AFG festgeschrieben, daß für Arbeitgeber eine Mitteilungspflicht besteht, falls Entlassungen in der in § 17 Abs. 1 KSchG bezeichneten Zahl ("Massenentlassungen ") absehbar werden. Die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung8 wurde mit der Einrichtung des 1967 gegründeten Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (lAB) bei der Bundesanstalt fest institutionalisiert(§ 6 AFG). DaslAB hat die Aufgabe, die Bundesanstalt und das BMA mit den für die Durchführung arbeitsmarktpolitischer Aufgaben notwendigen Informationen zu versorgen und den Informationsstand der Öffentlichkeit zu verbessern. Um das lAB bei seiner Tätigkeit zu unterstützen, wurde für Betriebsinhaber und Behörden sowie Erwerbspersonen gegenüber der Bundesanstalt eine Auskunftspflicht eingerichtet(§ 7 AFG). Maßnahmen zur personenbezogenen Förderung in besonderen Lebenslagen Die in den §§ 56 ff. geregelte berufliche Rehabilitation ist darauf ausgerichtet, behinderte Arbeitnehmer in den Erwerbsprozeß zu integrieren, 9 indem für diese Personengruppe besondere Maßnahmen zur Herstellung und zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit getroffen werden. Die Gewährung von Leistungen ist dabei konditional an die Erfolgsaussichten der Maßnahmen gebunden, 10 nicht jedoch an Vorleistungen der geförderten Personengruppe in Form einer bereits bestehenden Versicherungs- bzw. Beitragspflicht Ab 1988 11 wurde der Bundesanstalt die Aufgabe der Eingliederung von Aussiedlern durch die Gewährung von Lohnersatzleistungen und die Finan6 Zu den Grundlagen und der Praxis der Arbeitsvennittlung vgl. ausfuhrlieh K. Maibaum, H. Pfohlmann, M. Rademacher, Die Praxis der Arbeitsvennittlung, in: A. Kohl, A. Streich (Hrsg.), Aufgaben und Praxis der Bundesanstalt fur Arbeit, Heft 14, 3. Auflage, Stuttgart u.a. 1986. 7 Mit geringfugigen Ausnahmen; vgl § 21 Abs. I AFG. 8 Vgl. ausfuhrlieh D. Mertens, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, in: A. Kohl, A. Streich (Hrsg.), Aufgaben und Praxis der Bundesanstalt für Arbeit, Heft 4, Stuttgart u.a. 1971. 9 Vgl. ausführlich H. Franke, Brennpunkt Arbeitsmarkt, Dillingen 1990, S. 217 ff. 10 Vgl. W. Hoppe, 1977, S. 402. 11 Achtes Änderungsgesetz vom 14. Dezember 1987, BGBI. I S. 2602; die Regelungen wurden mit dem Eingliederungsanpassungsgesetz vom 22. Dezember 1989 (BGBI. I S. 2389), dem Staatsvertrag vom 25. Juni 1990 (BGBI. li S. 518) sowie der Zehnten Novelle von 1992 modifiziert.

B. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik

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zierung von Sprachkursen übertragen 12 (§§ 62a bis 62e AFG). Dieser Vorgang wurde durch den Gesetzgeber damit begründet, daß "für eine rasche und erfolgreiche berufliche wie gesellschaftliche Eingliederung ... Deutschkenntnisse die wichtigste Voraussetzung (sind)" 13 . Zum 1. Januar 1993 wurde der weitaus größte Teil der Eingliederungsleistungen durch eine aus Bundesmitteln finanzierte und nunmehr bedürftigkeitsabhängige Eingliederungshilfe ersetzt.

Maßnahmen zur Förderung der regionalen und beruflichen Mobilität Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme und der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (§§ 53 ff. AFG) dienen dem Zweck, Mobilitätsförderung zu betreiben, indem zu den mit einer Arbeitsaufnahme verbundenen Aufwendungen der Arbeitnehmer Zuschüsse geleistet werden (§ 53 Abs. 1 AFG). In den §§ 54 und 55a AFG werden ferner auch die Gewährung von Eingliederungsbeihilfen in Form von Darlehen oder Zuschüssen an Arbeitgeber, sowie Leistungen zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit geregelt. Eine zentrale Stellung innerhalb des Instrumentenbündels der aktiven Arbeitsmarktpolitik nimmt die in den §§ 33 ff. AFG geregelte Förderung der beruflichen Bildung ein, mit deren Hilfe die berufliche Mobilität der Erwerbspersonen verbessert werden soll. Sie untergliedert sich in Maßnahmen zur individuellen Förderung (§§ 40 ff. AFG) sowie Maßnahmen zur institutionellen Förderung (§§50 ff. AFG). Die Maßnahmen zur Förderung der individuellen beruflichen Bildung beinhalten Regelungen zur Ausgestaltung der beruflichen Ausbildung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung. Die Leistungen werden als Zuschüsse und Darlehen für Aufwendungen des Lebensunterhalts, der Sozialversicherung, der Fahrtkosten und der Lehrgangsgebühren gewährt.Die Förderung der beruflichen Ausbildung (§§ 40 bis 40c AFG) soll den Geförderten den Einstieg in das Berufsleben durch die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfen erleichtern; hier besteht eine enge inhaltliche Nähe zu den Regelungsbereichen des BBiG und des BAföG. Im Bereich der beruflichen Ausbildung wird - ebenso wie im BAföG - ein Personenkreis angesprochen, der unabhängig von Vorleistungen zugunsten der Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung Leistungen beanspruchen kann und dies im Interesse einer verbesserten Funktionserfüllung des Arbeitsmarktes und hinsichtlich einer Verbesserung des Potentials an gesellschaftlichem Humankapital auch tun soll. 12 Zur Eingliederungsproblematik vgl. ausführlicher D. Blaschke, Aussiedler und Übersiedler auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftsdienst, Heft 5, 1990. 13 Deutscher Bundestag, BT-D 11/800, Gesetzentwurf, S. 18.

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2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

Mit den Maßnahmen der beruflichen Fortbildung wird demgegenüber eine Qualifizierung von bereits ausgebildeten Beschäftigten innerhalb ihres Berufes angestrebt(§ 42 Abs. 1 AFG), sofern die Maßnahme nicht im überwiegenden Interesse des jeweiligen Arbeitgebers steht (§ 43 AFG). Um die mit der Teilnahme an ganztägigen Lehrveranstaltungen verbundene Einschränkung von Möglichkeiten zur Erzielung von Einkommen zu kompensieren und damit die Teilnahme unter Umständen überhaupt erst zu ermöglichen, wird nach § 44 AFG den Teilnehmern als Kann-Leistung ein Unterhaltsgeld gewährt. Die berufliche Umschulung ist darauf ausgerichtet, Beschäftigten u.a. auch durch die Gewährung von Einarbeitungszuschüssen (§ 49 AFG) den Wechsel in einen anderen Beruf bzw. die berufliche Mobilität zu erleichtern bzw. zu ermöglichen, wobei der Gesetzgeber in§ 47 Abs. 3 AFG ausdrücklich betont, daß der Instrumenteneinsatz soweit als möglich präventiv erfolgen möge. Aufgabe der institutionellen Förderung der beruflichen Bildung ist es gemäß §§50 ff. AFG, Einrichtungen, die mit der Durchführung von beruflichen Bildungsmaßnahmen betraut sind, durch Darlehen und Zuschüsse zu unterstützen, sofern die durchführende Einrichtung sich in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln an den Kosten beteiligt und sofern nicht bereits ein anderer Träger -mit Ausnahme von Sozialhilfeträgem- in der Verpflichtung steht (§ 50 Abs. 2 AFG). Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen Die Maßnahmen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen sind im Gegensatz zu den oben aufgeführten Leistungen unmittelbar darauf ausgerichtet, durch beschäftigungswirksame Ausgaben den Arbeitsmarkt quantitativ hinsichtlich der Menge nachgefragter Arbeitsleistungen zu beeinflussen. Durch eine entsprechende Verteilung der Mittel auf bestimmte Zwecke, Regionen und Personengruppen können dabei auch strukturpolitisch maßgebliche, qualitative Effekte herbeigeführt werden. Mit Hilfe der in den §§ 97 ff. AFG geregelten Allgemeinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung (ABM) werden Beschäftigungsverhältnisse zwischen Arbeitslosen und öffentlichen sowie privaten Arbeitgebern durch die Gewährung von Darlehen oder Zuschüssen aus den Beitragsmitteln der Bundesanstalt gefördert. 14 Notwendige Vorraussetzungen für die Leistungsgewährung sind 14 Vgl. zu den ABM ausführlich W. Blechmann, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: sozialrechtliche Voraussetzungen und arbeitsrechtliche Folgen, Neuwied 1987; W. Schickler, 1989 sowie M. Huebner, A. Kralft, G. Ulrich , 1990, Allgemeine Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung

B. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik

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gemäß §§ 5 ff. ABM-Anordnung 15 die arbeitsmarktliehe Zweckmäßigkeit der Maßnahme sowie die Zusätzlichkeit des Arbeitsplatzes und das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Durchführung der Arbeit. Die Zahlung von KurzarbeitergeJdl6 (§§ 63 ff. AFG) dient dem Zweck, Entlassungen aufgrund von konjunkturell bedingter Unterbeschäftigung dadurch zu vermeiden, daß Kurzarbeitergeld geleistet wird. 17 Das Kurzarbeitergeld ist daher zwar seiner Eigenschaft nach eine Lohnersatzleistung, es soll aber dennoch von seiner Intention her dem Handlungsrahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zugordnet werden, da es im Gegensatz zu den Maßnahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik einen arbeitsmarktgestaltenden Eingriff des Gesetzgebers darstellt und seiner Intention nach auf eine Sicherung von bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen ausgerichtet ist. 18 Der Bekämpfung saisonal bedingter Arbeitslosigkeit dient die Förderung der gan:zjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschajt 19 gemäß §§ 74 ff AFG. Die Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft werden durch eine eigene Umlage der beteiligten Unternehmen finanziert. Maßnahmen zur Ausgliederung von Arbeitnehmern aus dem Erwerbsprozeß

Nach § 1 des 1989 in Kraft getretenen Altersteilzeitgesetzes (AtzG) vom 20. Dezember 198820 förderte die Bundesanstalt den gleitenden Übergang älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand, sofern damit die Einstellung eines Arbeitslosen ermöglicht wurde(§ 1 AtzG). Eine vergleichbare Konstruktion stellte die Förderung des Vorruhestandes durch die Bundesanstalt dar. Nach dem Vorruhestandsgesetz (VRG) vom 13. April 198421 leistete die Bundesanstalt einen Zuschuß in Höhe von 35 % zu - Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit? in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 4,1990. 15 Bundesanstaltfür Arbeit, 1985, ANBA, S. 71. 16 Vgl. zum Kurzarbeitergeld ausfiihrlich 0. Heberer, A. Kuhn, H.-G. Wagner, Kurzarbeitergeld, Winterbauf*

84

. 2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

bei dessen Erfüllung die Arbeitsvetwaltung keinen nennenswerten Entscheidungsspielraum hat. Weitere unmittelbare Einschränkungen der Haushaltsautonomie21 der Bundesanstalt stellen neben der Genehmigungspflicht des Haushalts ferner auch folgende Regelungen dar: a) Die Beschlüsse des Vorstandes über die Vermögensanlagen sind an die Zustimmung des BMA gebunden. 22 b) Die Haushaltsautonomie der Bundesanstalt ist auf der Einnahmenseite ganz erheblich dadurch eingeschränkt, daß in § 174 AFG die Höhe des Reitragssatzes extern, nämlich gesetzlich fixiert ist; ebenso wird nach den §§ 186a und 186b AFG auch die Höhe der Umlagen für den Winterbau und das Konkursausfallgeld extern festgelegt. c) Gemäß § 220 Abs. 1 AFG können Bundesbank und Bundesregierung der Bundesanstalt die Art der Anlage von Rücklagen aus Einnahmeüberschüssen vorschreiben, sofern dies aus währungs- und konjunkturpolitischen Etwägungen heraus als notwendig erscheint. Daneben bestehen folgende mittelbare Einschränkungen der Haushaltsautonomie der Bundesanstalt:23 a) Insbesondere.in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit entfällt ein vergleichsweise großer Anteil der Ausgaben auf gesetzlich normierte Pflichtleistungen. b) Wegen ihrer Einbindung in die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung hat sich die Bundesanstalt an den Eckdaten der Bundesregierung zu orientieren. c) Weitere Möglichkeiten zur Einflußnahme auf den Haushaltsprozeß ergeben sich für die Bundesregierung bzw. die zuständigen Fachministerien daraus, daß sie eigene Vertreter im Vorstand und im Vetwaltungsrat der Bundesanstalt entsendet werden. In der bisherigen Praxis des Haushaltsprozesses läßt sich feststellen, daß vor allem die in § 216 Abs. 3 AFG getroffene Regelung, auf deren Grundlage der BMA den Haushalt der Bundesanstalt eigenständig in Kraft setzen kann, für die Reichweite der haushaltspolitischen Kompetenzen der Bundesanstalt und damit auch für deren arbeitsmarktpolitisches Handlungspotential von zentraler Bedeutung ist.

Vgl. ausfuhrlieber V. v. Wahl, E. Zunker, 1988, S. 22 ff. Vgl. hierzu kritisch G. Wilke, G. Gölz, Die Finanzen der Bundesanstalt fur Arbeit, in: J. Stingl (Hrsg.), Aufgaben und Praxis der Bundesanstalt fur Arbeit, Heft 25, Stuttgart u.a. 1980, s. 41 f. 23 Vgl. G. Bruche , B. Reissen, Die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik. System, Effektivität, Reformansätze, Frankfurt/M - New York 1985, S. 63 f. 21

22

C. Das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik

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b) Die Struktur und Reichweite haushaltspolitischer Kompetenzen innerhalb der Bundesanstalt Der Vorstand stellt den Gesamthaushalt der Bundesanstalt auf; im Gesamthaushalt sind auch die Ausgaben der Landesarbeitsämter sowie der einzelnen Arbeitsämter und sonstigen Einrichtungen der Bundesanstalt enthalten. Bevor der Gesamtbaushalt aufgestellt werden kann, ist es jedoch notwendig, daß zunächst die Verwaltungsausschüsse der einzelnen Arbeitsämter und der Landesarbeitsämter Vorschläge erarbeiten, die dann durch den Verwaltungsrat festgestellt werden (§ 216 Abs. 1 AFG). Bei diesem Vorgang orientieren die einzelnen Ämter sich an den Rahmenvorgaben und Vorstellungen der Führungsebene. Gestaltungsspielräume der einzelnen regionalen Ämter bestehen im Rahmen des zugewiesenen Budgets im Bereich der Kann-Leistungen des AFG. Die Zusammenarbeit auf vertikaler Ebene wird durch Art. ll Abs. 2 Satzung geregelt, wonach Vertreter des Vorstandes und des Verwaltungsrates den Haushaltsplan unter Beteiligung des Präsidenten der Bundesanstalt mit den Präsidenten der Landesarbeitsämter erörtern. Die haushaltspolitischen Gestaltungspotentiale der untergeordneten Ebenen während des Prozesses der Haushaltsaufstellung müssen insgesamt eher skeptisch beurteilt werden. 24 Die Budgets der Landesarbeitsämter und der Arbeitsämter wiederum sind im Bereich der Pflichtleistungen durch die Rechtsgrundlagen und im Bereich der Personalausgaben durch die Stellenplanung der Zentrale bereits vorstrukturiert. 25 Hinsichtlich der Gestaltung der Kann-Leistungen haben die Landesämter die Möglichkeit, über Plafonds zu verfügen, die teilweise in Kooperation mit der Hauptstelle erarbeitet werden. Die weitere Mittelvergabe durch die Landesämter erfolgt durch Kontrolle der fortlaufenden Inanspruchnahme oder im Bedarfsfall durch Kontingentierung. 26 Von besonderem Interesse im vorliegenden Zusammenhang ist die Frage, inwieweit die Bundesanstalt, vorbehaltlich einer Intervention des BMA auf der Grundlage von § 216 Abs. 3 AFG, durch Entscheidungen über die Allokation der Mittel gestaltend auf die Arbeitsmarktpolitik einwirken kann. Der 24 Hinsichtlich der Ausfiihrung von Art. 11 Abs. 2 Satzung existiert eine amtliche Absichtserklärung aus dem ]ahre 1981, wonach " ... die nach der Satzung vorgesehene zentrale Zusammenkunft mit Vertretern der Verwaltungsausschüsse und den Präsidenten der Landesarbeitsämter auf einen Zeitpunkt nach der Haushaltsverabschiedung zu legen ... " ist; o.Verf., Arbeit und Beruf, Heft 5, 1981, (Hervorhebung d.Verf.). 25 Vgl. ausfuhrlieh V. v. Wahl, E. Zunker, 1988, S. 69 ff. 26 Ein hiervon abweichendes Verfahren wurde fiir die Verteilung von Mitteln fiir ABM eingerichtet. Hier wurde den Gebietskörperschaften ein besonderes Mitspracherecht durch die Einrichtung eines eigenen AHM-Ausschusses eingeräumt; vgl. G. Bruche, B. Reissert, 1985, s. 79 f.

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2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

Haushaltsplan hat im arbeitsmarktpolitischen Bereich eine politische Programmfunktion, da zumindest im Bereich der Kann-Leistungen von der Gestaltung des Verteilungsschlüssels die Gewichtung der einzelnen Instrumente abhängig ist. Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu hinterfragen, welche arbeitsmarktpolitischen Gestaltungsspielräume sich für die Arbeitsverwaltung unter Berücksichtigung der oben dargestellten rechtlichen und organisatorischen Begründung sowie angesichts einschlägiger Haushaltsgrundsätze27 im Rahmen einer Einflußnahme auf den Haushaltsprozeß ergeben. Bei der Gestaltung und Abwicklung des Haushalts können generell Gestaltungsspielräume gegeben sein - in zeitlicher bzw. chronologischer, - in sachlicher und - in regional- bzw. strukturpolitischer Hinsicht. Zur zeitlichen Flexibilität der Haushaltsführung ist festzustellen, daß während des Haushaltsjahres die Bundesanstalt an die im Haushalt festgelegte Programmstruktur gebunden ist. 28 Die im Haushaltsplan für die einzelnen Titei29 vorgesehenen Mittel sind unter Anwendung der BHO sowohl sachlich als auch grundsätzlich zeitlich gebunden (§ 45 Abs. 1 BHO). Die zeitliche Bindung an das Haushaltsjahr ist lediglich für Investitionen und Ausgaben aus zweckgebundenen Einnahmen aufgehoben; andere Ausgaben können für übertragbar erklärt werden, wenn sie für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Maßnahme vorgesehen sind (§ 19 Abs. 1 BHO). Da die Mittel in jenem Haushaltsjahr zu verwenden sind, in dem sie eingesetzt wurden, eröffnen sich der Verwaltung außerhalb der Möglichkeit einer Einstellung in die Rücklagen nur sehr eingeschränkt Optionen, durch Ansparen und Übertragen nicht benötigter Mittel, mittelfristig finanzielle Handlungsspielräume innerhalb einzelner Etatposten zu erwerben, die dann im Bedarfsfall kurzfristig genutzt werden könnten. In sachlicher Hinsicht dürfen Mittel gemäß § 45 Abs. 1 BHO grundsätzlich nur für den im Haushaltsplan vorgesehenen Verwendungszweck eingesetzt werden. Ein Übertrag von Mitteln zwischen unterschiedlichen Titeln des Haushaltes ist innerhalb eines engen Rahmens nur dann möglich, wenn gemäß §§ 20 und 46 BHO zwischen den Titeln ein verwaltungsmäßiger oder sachlicher Zusammenhang besteht und die betreffenden Titel daher für Vgl. hierzu ausfuhrlieh V. v. Wahl, E. Zunker, 1988, S . 48 ff. Zur verwaltungsmäßigen Ausfuhrung des Haushalls vgl. ausfUhrlieh F. Kuster, Fachkunde fur den Dienst beim Arbeitsamt, 5. Aufl, Stullgart u.a. 1976, S. 495 ff. 29 Vgl. zum Buchungsplan der der Bundesanstall ausfuhrlieh V. v. Wahl, E. Zunker, 1988, s. 37 ff. 27 28

C. Das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik

87

deckungsfähig erklärt werden können. 30 Aus diesem Grund ist es nicht zulässig, Mittel zwischen Positionen der Kann- und der Pflichtleistungen zu transferieren. Auf diese Weise sind die Bereiche der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik haushaltstechnisch weitgehend voneinander abgeschottet.

Regionalspezifische Dispositionsspielräume durch einen interregionalen Ausgleich von nicht verausgabten Mitteln ergeben sich für die Hauptstelle gegen Jahresende, wenn die Dienststellen per 30. September ihrem Landesamt eine Meldung über das voraussichtliche Ergebnis der Haushaltsführung zu unterbreiten haben und die Landesämter wiederum die Hauptstelle über die nicht verausgabten bzw. noch benötigten Mittel unterrichten, damit von seiten der Hauptstelle im Interesse der Berücksichtigung struktureller Arbeitsmarktungleichgewichte in regionaler Hinsicht ggf. ein entsprechender Mittelausgleich durchgeführt werden kann. Weder die Landesarbeitsämter, noch die Arbeitsämter sind befugt, in ihrem Zuständigkeitsbereich Umwidmungen vorzunehmen, da sie über keinen eigenständigen Haushalt verfügen; sie sind in dieser Hinsicht mithin auf die Hauptstelle angewiesen.

111. Die Länder und Gemeinden Die Gemeinden übernehmen neben Einrichtungen des privaten Rechts eine Trägerfunktion im Rahmen der Durchführung von Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung, denn, "Träger (von ABM; Anm.d.Verf.) ist, wer die Arbeiten für eigene Rechnung ausführt (Regiearbeiten) oder ausführen läßt (Vergabearbeiten) "31 • Das zuständige Arbeitsamt hat unter Abwägung der Interessenlage sowie Leistungsfähigkeit des Trägers und der arbeitsmarktpolitischen Bedarfslage darüber zu befmden, in welchem Umfang eine Bezuschussung der Maßnahme in Frage kommt. 32 Auf der Grundlage dieses Verfahres sind arbeitsmarktpolitische Entscheidungsspannen sowohl auf seiten des Maßnahrnenträgers als auch auf seiten der Arbeitsverwaltung angesiedelt. Ferner übernehmen die Länder und Gemeinden auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vom 30. Juni 196133 eine Trägerfunktion. Nach § 96 BSHG sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe die kreisfreien Städte und Landkreise, wobei die Länder bestimmen können, inwieweit ZuVgl. ebenda, S. 87. W. Schickler, Arbeitsbeschafffungsmaßnahmen, in: A. Kohl, A. Streich (Hrsg.). Aufgaben und Praxis der Bundesanstalt fiir Arbeit, Heft 20b, 3. Aufl. , Stuttgart u.a. 1989, S . 26. 32 Zum Verf!lhren vgl. ausfiihrlicher W. Schickler, 1989, S. 73 ff. 33 In der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 1991, BGBI. I S. 94 ff. 30 31

88

2. Kapitel: Die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik

ständigkeiten auf die Gemeindeebene weiterdelegiert werden können bzw. sollen. Außerdem bestimmen die Länder die Überörtlichen Träger, welche sich im Regelfall aus den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zusammensetzen. Der sachlich zuständige Träger ist gemäß § 103 Abs. 1 BSHG für die Kostenerstattung zuständig. Die Sozialhilfe hat eine Sicherungsfunktion für solche Arbeitslose, die keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe geltend machen können, weil sie keine Versicherungszeiten als Anwartschaften vorweisen können, bzw. deren Leistungsanspruch zur Abdekkung des sozio-kulturellen Existenzminimums nicht ausreicht. Hierbei handelt es sich häufig um Berufsanfänger oder auch Kindererziehende, die nach einer längeren Unterbrechung in das Erwerbsleben zurückkehren möchten. Aussiedler werden demgegenüber so gestellt, als seien sie im Rahmen ihrer Beschäftigung in ihrem Herkunftsland bei der Bundesanstalt versicherungspflichtig gewesen. Demzufolge wird Erwerbstätigkeit im Ausland anders bewertet als Erziehungstätigkeit im Inland. Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt wird nach einer Bedürftigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände gewährt, um das sozio-kulturelle Existenzminimum der Leistungsempfänger abzusichern. Der jeweilige Regelsatz und mithin der Leistungsumfang wird von den einzelnen Bundesländern festgelegt. Die Finanzierung der Sozialhilfe ist Ländersache; die Verteilung der Finanzierungslasten zwischen den Ländern und den Gemeinden wird - abgesehen von an dieser Stelle unwesentlichen Ausnahmen - von den Bundesländern im einzelnen geregelt. Als Gegenleistung für die Hilfe zum Lebensunterhalt können die Sozialhilfeträger von den Leistungsbeziehern nach §§ 19 f. BSHG die Übernahme gemeinnütziger Arbeiten verlangen. Es besteht in diesen Fällen allerdings kein Beschäftigungsverhältnis im üblichen Sinne, da im Fall eines Beschäftigungsverhältnisses die leistungsbezogene Entlohnung ein Ergebnis und Entgelt für den Arbeitseinsatz wäre; demgegenüber ist die Arbeit des Sozialhilfeempfängers eine Gegenleistung für die nach dem Fürsorgeprinzip ausgestaltete Unterstützung. In der Praxis werden derartige Arbeitseinsätze i.d.R. dann erwogen, wenn im Einzelfall Anreize zur Aufnahme einer regulären Beschäftigung geschaffen werden sollen. In der Diskussion um die Bedeutung und Funktionsfähigkeit der Sozialhilfe bzw. speziell der Hilfe zum Lebensunterhalt in Zusammenhang mit der sozialen Sicherung von Arbeitsmarktrisiken ist die Dynamik des Leistungsumfangs von besonderem Interesse. Im Zeitverlauf ist eine deutliche Zunahme der durch Arbeitslosigkeit induzierten Leistungsfälle im Bereich der Hilfe zum

C. Das Träger- und Finanzierungssystem der Arbeitsmarktpolitik

89

Lebensunterhalt festzustellen, wobei die Zahl der Leistungsfälle, bei denen Arbeitslosigkeit als Ursache von Bedürftigkeit angegeben wurde, deutlich größer ist als der Zuwachs an Leistungsfällen der Hilfe zum Lebensunterhalt insgesamt. So haben im Jahr 1980 insgesamt rund 824.000 Haushalte Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen. Davon waren nach dem Erhebungsrahmen des Statistischen Bundesamtes34 81.000 Leistungsfälle durch den Verlust des Arbeitsplatzes verursacht; dies entspricht einem Anteil von 9,8 %. Im Jahr 1990 hatte sich allein in den alten Bundesländern die Anzahl von Haushalten, die Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen, auf 1.663.000 mehr als verdoppelt, 35 während gleichzeitig die Zahl der durch Arbeitslosigkeit verursachten Leistungsfälle um den Faktor 6,3 auf 512.000 angewachsen war; dies entsprach einem Anteil von 31 %. Aus diesen Zahlen, die in ihrer Prägnanz nicht weiter kommentiert werden brauchen, werden zwei Dinge deutlich: 1. Zum einen wird erkennbar, in welchem Umfang die Kommunen zur sozialen Absicherung von Arbeitsmarktrisiken beitragen und welche Belastungen auf diese Weise auf die Kommunen zukommen. Dies gilt vor allem dann, wenn man in Betracht zieht, daß es sich bei den oben dargestellten Zuwachsraten um Durchschnittswerte handelt, die auf das gesamte Bundesgebiet bezogen sind. Es treten jedoch erhebliche interregionale Strukturunterschiede hinsichtlich der Betroffenheit von Unterbeschäftigung auf und zwar nicht nur im Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern. Dabei sind die Kommunen in den strukturschwachen Regionen besonders betroffen; dort müssen die gerade in den strukturschwachen Regionen notwendigen Infrastrukturinvestitionen teilweise zugunsten einer konsumtiven Verwendung kommunaler Haushaltsmittel zurückgestellt werden

2. Ein weiterer Sachverhalt, der aus den dargestellten Zahlen deutlich wird, ist die vor allem in den 80er Jahren vorangeschrittene Strukturalisierung der Arbeitslosigkeit, die sich in einem zunehmenden Anteil von Langzeitarbeitslosen äußert, die aufgrund unzureichender Ansprüche gegenüber der Arbeitslosenhilfe zur Sicherung des sozio-kulturellen Existenzminimums auf Zuschüsse von seiten der Sozialhilfeträger angewiesen sind. Beide Zusammenhänge lassen es als zweifelhaft erscheinen, ob die wiederholt durch das BMF vorgeschlagene Befristung der Arbeitslosenhilfe ein geeignetes Mittel sein kann, um den Begleiterscheinungen einer lang anhaltenden Massenarbeitslosigkeit gerecht zu werden.

Statistisches Bundesamt, Jahrbuch 1992, S. 506 sowie Fachserie 13, 1980. den neuen Bundesländern wurden 1990 insgesamt 134.000 Einzelleistungsfälle registriert; vgl. ebenda, Jahrbuch 1992, S. 506. 34

35 In

Drittes Kapitel

Untersuchung der gegenwärtigen Ausgestaltung des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik In diesem Kapitel wird aufgezeigt, aus welchen Gründen eine Reform bzw. eine Weiterentwicklung des Träger- und Finanzierungssystems der Arbeitsmarktpolitik erforderlich erscheint. Mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung wird bereits angedeutet, daß einerseits Teile des Träger- und Finanzierungssystems als bewährt gelten dürfen und daher weiter ausgebaut werden sollten; hierzu gehört vor allem die soziale Selbstverwaltung der Arbeitslosenversicherung mit ihren Steuerungs- und Mitbestimmungspotentialen. Andererseits wurden zum Zeitpunkt der Verabschiedung des AFG Konstruktionsmängel - teilweise wissentlich - hingenommen, deren Auswirkungen mit der Verschlechterung der Arbeitsmarktlage ab Mitte der siebziger Jahre im zunehmenden Maße zutage getreten sind. Der Analyse des Träger- und Finanzierungssystems soll daher zunächst in einem Abschnitt A. eine Zusammenfassung globaler Entwicklungstendenzen des Arbeitsmarktes sowie der Ausgabenentwicklung in den Bereichen der passiven und der aktiven Arbeitsmarktpolitik vorangestellt werden, damit erkennbar wird, in welchem Maße sich die Rahmenbedingungen arbeitsmarktpolitischen Handeins im Zeitverlauf veränderten und in welchem Umfang sich die Problemlage auf dem Arbeitsmarkt zwischenzeitlich veränderte. In den anschließenden drei Abschnitten wird sodann ausführlicher aufzuzeigen sein aus welchen Gründen das Träger- und Finanzierungssystem als verbesserungsbedürftig gelten muß. Dabei wird in Abschnitt B. zunächst geklärt, inwieweit es im Bereich des Finanzierungssystems in der Vergangenheit möglich war, auf Veränderungen des Umfangs und der Struktur arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarfs in der erforderlichen Weise zu reagieren. Anschließend wird in Abschnitt C. untersucht, welche Konsequenzen sich aus der gegebenen Verteilung arbeitsmarktpolitischer Verantwortung zwischen den am Träger- und Finanzierungssystem beteiligten Institutionen für die Ordnungskonforinität und die Funktionsfähigkeit des Systems ergeben. In Abschnitt D. wird schließlich auf die Frage eingegangen, ob und in welchem

A. Bestandsaufnahme globaler Entwicklungstendenzen

91

Umfang aus den Beitragsmitteln der Bundesanstalt für Arbeit versicherungsfremde Leistungen fmanziert werden und wie dieser Sachverhalt unter Berücksichtigung der normativen Grundlagen der deutschen Wirtschafts- und Sozialordnung beurteilt werden kann.

A. Bestandsaufnahme globaler Entwicklungstendenzen des Umfangs des Instrumenteneinsatzes seit Verabschiedung des AFG I. Die Veränderung der Arbeitsmarktlage Seit 1974 und insbesondere seit Beginn der 80er Jahre ist in der Bundesrepublik ein anhaltend hohes Niveau der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen; in Ostdeutschland weisen die Arbeitslosenzahlen auch im dritten Jahr nach der Wiedervereinigung noch eine steigende Tendenz auf. In den Jahren von 1989 bis 1991 ließ sich in Westdeutschland, gemessen an der Arbeitslosenquote, zwar eine deutliche Verbesserung der Beschäftigungslage feststellen; deren Ursache war jedoch zu einem sicherlich nicht unwesentlichen Teil den Auswirkungen des Wiedervereinigungsprozesses auf die Gütemachfrage in Westdeutschland zuzuschreiben. Seit 1992 und verstärkt im Jahr 1993 sind auch in Westdeutschland aufgrundkonjunktureller Einflüsse wieder steigende Arbeitslosen.iahlen festzustellen; zum Jahresende 1993 waren in Westdeutschland 2,4 Mio. registrierte Arbeitslose zu verzeichnen; hinzu kamen weitere 1,2 Mio. registrierte Arbeitslose auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt. Zur Beurteilung des gesamten Ausmaßes der Unterbeschäftigung sollte ferner auch zur Kenntnis genommen werden, daß nach Prognosen aus dem Jahr 1992 der Umfang der stillen Reserve in den alten Bundesländern für 1993 auf 1,77 Mio. Personen geschätzt wird. 1 Die Zahl der registrierten Arbeitslosen hatte demzufolge 1993 einen Anteil von rund 44 % am Potential der gesamtwirtschaftlichen Unterbeschäftigung in Westdeutschland, das dort einschließlich der stillen Reserve insgesamt rund 4 Mio. Erwerbspersonen umfaßte. 2 Wenn die Leistungsfähigkeit des Arbeitsmarktes richtig einge1 Vgl. Autorengemeinschaft lAB, Der Arbeitsmarkt 1992 und 1993 in der Bundesrepublik Deutschland, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 4 , 1992, S. 459. 2 Die Zahl der registrierten Arbeitslosen kann daher nur mit erheblichen Einschränkungen als Indikator zur Abschätzung der Arbeitsmarktlage und deren Entwicklung herangezogen werden. Im folgenden beschränken sich die Ausführungen hauptsächlich -jedoch nicht aus-

92

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

schätzt werden soll, darf neben dem Niveau der Arbeitslosigkeit seit 1974 die positive Entwicklung der Zahl beschäftigter Erwerbspersonen in Westdeutschland nicht unerwähnt bleiben. Während auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt die Arbeitslosenquote bis 1993 im Jahresdurchschnitt auf 15,8 % angewachsen war und gleichzeitig die Zahl der Erwerbspersonen von 9,6 Mio. im Jahre 1989 auf 7,6 Mio. im Jahre 1993 abgenommen hatte, läßt sich für den westdeutschen Arbeitsmarkt im langfristigen Trend ein anderes Bild nachzeichnen. Schaubild 1 vermittelt einen Überblick über den Entwicklungspfad der Arbeitslosenquoten und der Erwerbstätigenzahlen seit Verabschiedung des AFG in Westdeutschland: Schaubild 1 Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Westdeutschland3

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1982

1984

-

1986

1988

1990

1992

ALQ I

Quelle: Tabelle 9 im Anhang; eigene Berechnungen schließlich - auf die Berücksichtigung der gemeldeten Arbeitslosen, da nachfolgend hauptsächlich die Auswirkungen der Unterbeschäftigung auf den Leistungsrahmen der Arbeitsmarktpolitik auf der Grundlage des AFG im Vordergrund des Interesses stehen. 3 Seit dem lnkrafttreten des Achren Änderungsgesetzes vom 14. Dezember 1987 (BGBI. I, S. 2602) zum I. Januar 1988 müssen Arbeitslose, die keine Unterstützungsleistungen der Bundesanstalt erhalten, ihr Vennittlungsgesuch alle drei Monate ausdrücklich erneuern, ansonsten fallen sie aus der Arbeitslosen-Statistik als Arbeitsuchende heraus.

A. Bestandsaufnahme globaler Entwicklungstendenzen

93

Wie aus Schaubild 1 zu entnehmen ist, war in Westdeutschland seit 1976 ein beinahe stetiger Anstieg der Zahl der Erwerbspersonen zu verzeichnen. Die Zahl der Erwerbspersonen stieg von 27 Mio. im Jahre 1976 um 3,9 Mio. auf 30,9 Mio. im Jahre 1993. 4 Gleichzeitig ist die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen um rund 1,2 Mio. angewachsen; es konnten also ca. 2,2 Mio. Erwerbspersonen zusätzlich durch den Arbeitsmarkt aufgenommen werden. Insofern könnte von einem völligen Versagen des Arbeitsmarktes für diesen Zeitraum wohl kaum die Rede sein, 5 auch wenn das Hauptziel, die Erreichung von Vollbeschäftigung, verfehlt wurde und gleichzeitig die sozialpolitische Problemlage aufgrund einer zunehmenden Strukturalisierung des Arbeitslosenpotentials und dem hiermit verbundenen Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit deutlich zugenommen hat. 6 Ein ausgeprägter arbeitsmarktpolitischer Handlungsbedarf ist gegenwärtig insbesondere für den ostdeutschen Arbeitsmarkt gegeben, zumal dort die Arbeitsmarktlage im Bewußtsein der Öffentlichkeit bisher deutlich hinter den zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung geweckten Erwartungen zurückblieb und wohl auch aus diesem Grund in den ostdeutschen Bundesländern die arbeitsmarktbezogene Problemlösungsdringlichkeit in der Öffentlichkeit als hoch bewertet wird. In den neuen Bundesländern, in denen das Erwerbspersonenpotential von 9,9 Mio. im Jahre 1989 auf 7,6 Mio. im Jahre 1993 zurückgegangen war, wurden zum Jahresende 1993 1,3 Mio. Arbeitslose registriert. 7 Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 17 %. Die stille Reserve wird für den ostdeutschen Arbeitsmarkt des Jahres 1993 auf durchschnittlich 110.000 Personen geschätzt; der Anteil der gemeldeten Arbeitslosen am Potential der gesamtwirtschaftlichen Unterbeschäftigung in Ostdeutschland liegt bei einem Wert von 91 % zumindest noch momentan ganz deutlich über dem entsprechenden Wert in Westdeutschland, da das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit mit seinen Begleiterscheinungen in Ostdeutschland erst noch im Entstehen begriffen ist. 4 IDW, Zahlen der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1994, Tabelle 19. 5 Von diesem Arbeitsmarktergebnis unmittelbar Rückschlüsse auf den Erfolgsgrad arbeitsmarktbezogener Interventionen zu ziehen wäre allerdings unzulässig. Zwar ist es möglich, den Erfolgsgrad der Arbeitsmarktpolitik empirisch - zumindest vergleichsweise - zuverlässig zu operationalisieren (vgl. in diesem Abschnitt weiter unten), jedoch ist es wohl kaum möglich festzustellen, welcher Anteil des Arbeitsmarktergebnisses durch einen selbsttragenden Marktprozeß zustande kam und welcher Anteil kausal auf beschäftigungspolitische Maßnahmen zurückzuführen war. 6 Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt B. Il. 2. b) in diesem Kapitel. 7 Vgl. im folgenden J. Kühl, Arbeitslosigkeit in der vereinigten Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenleitung "Das Parlament", Nr. 35/93, 1993, S. 6 .

94

3 . Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

Die Arbeitslosenquote ist allerdings als Indikator für das Ausmaß der Unterbeschäftigung in Ostdeutschland für die Jahre nach der Wiedervereinigung sehr ungenau, da zunächst ein Teil der Unterbeschäftigung des privatwirtschaftliehen Sektors einschließlich Treuhandunternehmen durch den Einsatz von Maßnahmen der Fortbildung und Umschulung, Altersübergangsgeld und durch ABM sowie durch den - im Grunde zweckfremden, aber wohl situationsangemesseneng - Einsatz von Kurzarbeit aufgefangen wurde. 9 Dabei ist zu beriicksichtigen, daß die Zuordnung von Erwerbspersonen auf den westdeutschen oder ostdeutschen Arbeitsmarkt durch die wachsende Zahl der Westpendler an Trennschärfe verloren hat.

II. Die Ausgabenentwicklung für den Instrumenteneinsatz der passiven Arbeitsmarktpolitik Der für die Lohnersatzleistungen im Rahmen passiver Arbeitsmarktpolitik betriebene finanzielle Aufwand ist von verschiedenen Faktoren abhängig, die zum einen durch die Arbeitsmarktlage vorgegeben sind und die zum anderen durch die Ausgestaltung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen bestimmt werden. Im einzelnen ist der für die passive Arbeitsmarktpolitik betriebene Ressourcenaufwand abhängig - vom Umfang der Unterbeschäftigung, - von den gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen betroffener Personen bezogen auf die Anspruchsberechtigung, den Leistungsumfang und die Leistungsdauer, - von der durchschnittlichen Dauer und der Streuung individueller Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie - von der sozioökonomischen Struktur der von Arbeitslosigkeit betroffenen Personengruppen hinsichtlich des Einkommensniveaus und der durchschnittlichen Dauer der Inanspruchnahme in Abhängigkeit vom Einkommensmveau.

Vgl. ausführlicher Abschnitt B. lll. I. in diesem Kapitel. Zu den besonderen Voraussetzungen und Funktionen der Arbeitsmarletpolitik in den neuen Bundesländern in der Zeit unmittelbar nach der Wiedervereinigung vgl. Ch. Brinkmann, K. Emmerich, V. Gorrsleben, K. Müller, B Völkel, Arbeitsmarletpolitik in den neuen Bundesländern. Braucht der ostdeutsche Arbeitsmarkt arbeitsmarletpolitische Sonderregelungen?, in: WS IMitteilungen, Heft 7, 1992 sowie D. Blaschke, F. Burrler, W. Ka", W. Klauder, H. Leikeb, Der Arbeitsmarlet in den neuen Ländern - Zwischenbilanz und Herausforderungen, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 25. Jg., Heft 2, 1992. 8

9

95

A. Bestandsaufnahme globaler Entwicklungstendenzen

Das folgende Schaubild 2 verdeutlicht die Entwicklung der Gesamtausgaben für passive Arbeitsmarktpolitik sowie für Arbeitslosengeld (ALG) und Arbeitslosenhilfe (ALHi), jeweils im gesamten Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt. Die Zahlungsgrößen wurden in dieser, wie auch in den nachfolgenden Darstellungen für die Zwecke der Längsschnittuntersuchung zu den Preisen von 1985 10 standardisiert. Schaubild 2

Die Entwicklung der Leistungsausgaben für Maßnalunen der passiven Arbeitsmarktpolitik (in Mrd. DM, deflationiert per 1985)

40

35 eitslosenversicherung stehen; die Förderung ist jedoch gemäß § 55a Abs. I AFG an die Bedingung gebunden, daß der Ari>eitslose im Vorfeld mindestens vier Wochen Ari>eitslosengeld oder Ari>eitslosenhilfe bezogen hat und mithin in einem beitragspflichtigen Ari>eitsverhältnis stand. 53 Die Leistungen können als Zuschuß oder Darlehen gewährt werden; im allgemeinen erfolgt die Förderung in Form von Zuschüssen; vgl. ebenda, §53, Z. 6. 54 Vgl. ebenda, §53, z. 4. 55 Vgl. ebenda, §56, Z. 13. 56 Leistungen zur Sicherung des Unterhalts in Form von Übergangsgeld (§ 59 AFG) werden seit dem lokrafttreten des AFKG vom 22. Dezember 1981 nur noch dann geleistet, wenn eine Vorversicherungzeit erfiillt wurde. 57 BGBI. I S . 2261.

16 *

244

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

bereits Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 44 Abs. 1 SGB VI bezogen wird, die mit gewissen Einschränkungen nach Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§50 Abs. 1 SGB VI) gewährt wird. Somit ist bereits durch die gesetzliche Rentenversicherung ein Teil jener Leistungsfälle abgedeckt, bei denen die Behinderung erst im Verlauf des Erwerbslebens eintritt, also erst nach der Erfüllung von Beitragszeiten. 5S Der Bundesanstalt verbleiben subsidiar jene Fälle,_ bei denen mangels ausreichender oder wegen fehlender vorheriger beitragspflichtiger Erwerbstätigkeit noch keine Anspruchstitel gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung erworben werden konnten; die Bundesanstalt ist damit für die Arbeits- und Berufsförderung der Mehrzahl der jüngeren Behinderten zuständig.5 9 Insgesamt wurden 1987 in der Bundesrepublik 84 % aller berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahmen durch die Bundesanstalt fmanziert. 60 Im Jahr 1990 wurden 44,3 % aller berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahmen als Maßnahmen der beruflichen Ersteingliederung ausgewiesen. 61

Die Eingliederung der Spätaussiedler §§ 62a bis 62c Besondere Aufmerksamkeit in ihrer Eigenschaft als politisch verursachte versicherungsfremde Leistungen fanden die Maßnahmen der Bundesanstalt zur Eingliederung von Spätaussiedlern nach §§ 62a ff. AFG sowohl im parlamentarischen Umfeld62 als auch im einschlägigen Schrifttum63. Arbeitslose Spätaussiedler, die in den Aussiedlungsgebieten eine Mindestbeschäftigungszeit erfüllt haben, können zeitlich befristet als Lohnersatzleistung eine

58 Die Sozialämter sind tiir die Rehabilitation von Schwerbehinderten im Arbeitsbereich der Werkstätten fiir Behinderte zuständig; die Unfallversicherungen decken Fälle ab, bei denen die Behinderung auf einen Arbeitsunfall zuriickzufiihren ist; die Versorgungs- und Hauptfiirsorgestellen sind zuständig fiir Kriegs-, Wehr- und Zivildiensbeschädigte; vgl. K. Semlinger, G. Schmid, Arbeitsmarktpolitik fiir Behinderte, Basel u.a. 1985, S. 24 f. 59 Vgl. ebenda, S. 25. 60 Vgl. H. Seewald, Rehabilitationsmaßnahmen 1989, in:Wirtschaft und Statistik, Heft 8,

1989, s. 737.

Vgl. Bundesanstalt }Ur Arbeit, 1991, Berufliche Rehabilitation, S. 41. In Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum Eingliederungsanpassungsgesetz vom 22. Dezember 1989 (BGBI. I S . 2398) wurde in Übereinstimmung mit der Selbstverwaltung der Bundesanstalt fiir Arbeit vom Ausschuß fiir Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages einstimmig die Rückverlagerung der Finanzkompetenz fiir die Sprachförderung auf den Bund gefordert. Dies wurde vom Haushaltsausschuß aus finanzpolitischen Griinden abgelehnt; K. Pröbsting, Die Eingliederung der Aussiedler und Übersiedler in den Arbeitsmarkt, in: Soziale Sicherheit, Heft 3, 1990, S. 83, FN 2. 63 Vgl. G. Buttler, Aussiedler- Ein Gewinn oder Verlust fiir das System der sozialen Sicherung?, in: Arbeit und Sozialpolitik, Heft 8/9, 1989, S. 236; W. Adamy, Einigungsprozeß erfordert aktive Arbeitsmarktpolitik, in: Soziale Sicherheit, Heft 6, 1990, S. 175; K . Koppe, 1993, s. 135 f. 61

62

D. Ordnungspolitische lrnplikationen des Finanzierungsmodus

245

Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen (§ 62a AFG). 64 Die Förderung der Eingliederung von Spätaussiedlern wurde mit dem Achten Änderungsgesetz vom 14. Dezember 1987 eingeführt; die in der ursprünglichen Gesetzesfassung in § 62c AFG geregelte Gewährleistung von Eingliederungsgeld für Teilnehmer an Deutsch-Sprachlehrgängen wurde mit dem Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen von 1992 ersatzlos gestrichen. 65 Seither werden gemäß § 62b AFG lediglich den Trägem von Deutsch-Sprachlehrgängenfür Spätaussiedler, Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge die mit der Durchführung der Lehrgänge verbundenen Kosten erstattet. Der Bundesanstalt sind im Jahre 1992 mit der Finanzierung von Maßnahmen zur Eingliederung von Spätaussiedlern Kosten in Höhe von 3,083 Mrd. DM entstanden;66 über den gesamten Zeitraum seit 1988 hat die Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung für die genannten Maßnahmen insgesamt 13,236 Mrd. DM aufgewendet. Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen §§ 63 bis 99 In der ursprünglichen Fassung des AFG von 1969 wurden gemäß § 93 Abs. 1 AFG67 Leistungen zugunsten von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen allen Arbeitssuchenden gewährt, die sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hatten, unabhängig vom Bestehen einer Vorversicherungszeit. Mit dem AFKG wurde der geförderte Personenkreis ab 1982 auf Personen eingeschränkt, die über Ansprüche an Lohnersatzleistungen verfügen (§ 93 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Die Zweckbestimmung dieser Neuregelung bestand allerdings nicht darin, ein größeres Maß an Globaläquivalenz herzustellen, sondern es sollten im Zuge der damaligen Konsolidierungsmaßnahmen Leistungen eingespart werden. 68

64 Damit wurde eine Regelung gewählt, die sich an der im Fremdrentengesetz ab 1959 gängigen Verfahrensweise orientiert; vg!. W. Albers, Die soziale und wirtschaftliche Eingliederung von Aussiedlern und Übersiedlern, in: Wirtschaftsdienst, Heft 3, 1990, S. 141 f. 65 In der Zeit vom Inkrafttreten des Achten Änderungsgesetzes zum I. Januar 1988 bis zum Inkrafttreten des Eingliederungsanpassungsgesetzes zum I. Januar 1990 wurde den Aus- und Übersiedlern für die Dauer von einem Jahr Arbeitslosengeld gewährt. 66 Insgesamt 95 % der Leistungsfalle wurden durch Spätaussiedler beansprucht; bei den verbleibenden 5 % Jagen Anträge von Asylberechtigten und Kontingentflüchtlingen vor; vgl. Bundesanstaltfür Arbeit, 1992, Geschäftsbericht, S. 44. 67 In der Fassung bis 22. Dezember 1981. 68 Vgl. K. Scheiter, Loseblattsammlung, Stand 1993, § 93, Z . 2. In diesem Fall erfolgte eine Einschränkung des Leistungspotential der Arbeitsforderung zuungunsten von hilfsbedürftigen Personen, die nunmehr durch die Ausrichtung der der ABM auf eine vorangehende Beteiligung am Erwerbsleben benachteiligt werden.

246

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

Die Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Leistungen in den ostdeutschen Bundesländern Fragwürdig ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Globaläquivalenz weiterhin auch die Ausgestaltung der Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in den ostdeutschen Bundesländern aus dem Beitragsfonds der Bundesanstalt. Von wissenschaftlicher Seite her besteht ein breiter Konsens dahingehend, daß die fmanziellen Belastungen der Bundesanstalt aus ihrem Engagement in Ostdeutschland "... einigungsbedingt, d.h. nicht im System der Arbeitslosenversicherung entstanden (sind)"69. Die zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgenommene Regelung wurde zum Zweck ihrer öffentlichen Rechtfertigung mit der zweifelhaften Warnung begründet, 70 "... den Einigungsprozeß in Deutschland durch die Errichtung einer sozialrechtlichen Mauer zu behindern und das Zusammengehörigkeitsgefühl durch eine Diskriminierung im Bereich der sozialen Sicherheit zu stören. "71 Demgegenüber wäre jedoch zu bedenken, daß eine geeignete Regelung des Finanzierungsmodus dergestalt, daß Bundesmittel in adäquater Höhe bereitgestellt werden, wie dies bei den übrigen Auftragsangelegenheiten der Bundesanstalt geschieht, nicht notwendigerweise auch zu einer objektiv oder subjektiv wahrnehmbaren diskriminierenden Behandlung der Leistungsnehmer führen muß; eine Diskriminierung wäre in erster Linie bei einer Differenzierung im Leistungsbereich wahrnehmbar. Bei der Bewältigung arbeitsmarktpolitischer Aufgaben in Ostdeutschland handelt es sich um Lasten der Transformation des Wirtschaftssystems der ehemaligen DDR, die durch die Besonderheiten der deutschen Geschichte verursacht sind, und die deswegen kausal das deutsche Volk als ganzes betreffen und aus diesem Grund kaum speziell den Mitgliedern der westdeutschen Arbeitslosenversicherung anzulasten sind. 72 Dies gilt zumindest für 69 F. Buttler, Alternativen der Arbeitsmarktpolitik. Für eine beschäftigungspolitische Gesamtkonzeption, in: Soziale Sicherheit, 42. Jg., Heft 10, 1993, S. 299. Vgl. in diesem Sinne weiterhin auch die wiederholten Stellungnahmen des SVR in: SVR, 1990, Z. 369, ders., 1992, Z . 358 sowie ders. , 1993, Z . 386. Vgl. ferner auch J . Kühl, BA-Rekordetat von 70,9 Mrd. DM in 1991, in: Arbeit und Beruf, Heft 3, 1991, S. 80. 70 Vgl. die Zusammenfassung einschlägiger Stellungnahmen bei K. Pröbsting, 1990, S. 83. 71 Ebenda. 72 Eine vergleichbare Situation stellte sich in Zusammenhang mit Frage nach der Ausgestaltung der Ansehubfinanzierung in der gesetzlichen Rentenversicherung. In der Frage, ob die Ansehubfinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert werden soll, konstatierte v. Maydell: "Die Aufgabe, die Voraussetzung fiir ein möglichst schnelles Zusammenwachsen der beiden Sozialordnungen zu schaffen, isr eine gesamrsraarliche, die demgemäß aus Sreuermiueln und nicht aus den Haushalten der Sozialversicherung, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden, zu tragen ist. • 8. v. Maydell, Die Rentenversicherung auf dem Wege zur deutschen Einheit, in: Deutsche Rentenversicherung, Heft 7, 1990, S . 393 (Hervorhebungen d .Verf.).

D. Ordnungspolitische lmplikationen des Finanzierungsmodus

247

Leistungen im Rahmen der Arbeitsförderung. Dieser Standpunkt wird im Kern vor allem vom S~ vertreten, der darauf hinweist, "... daß die hohen Belastungen der Arbeitslosenversicherung durch den Strukturwandel im Osten und die damit verbundene Arbeitslosigkeit als Erblast des sozialistischen Regimes anzusehen (sind), die grundsätzlich die Gesamtheit der Steuerzahler zu tragen (hat)" 73 . Dem könne Rechnung getragen werden, indem der Bund der Bundesanstalt Zuschüsse in Höhe der Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im ostdeutschen Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt bereitstelle; 74 damit ist zunächst der Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik angesprochen. Speziell in der Frage nach der Bezuschussung von Lahnersatzleistungen ließe sich auch der Standpunkt vertreten, daß unabhängig von der etwaigen Notwendigkeit einer Anschubfmanzierung in diesem Bereich ähnlich wie in anderen Sozialversicherungszweigen die Durchführung eines Solidarausgleichs auf bundesweiter Ebene legitim wäre, wobei allerdings aufgrund des Phänomens der verdeckten Arbeitslosigkeit in der ehemaligen DDR ein Teil der Arbeitslosen faktisch bereits mit diesem Status in die bundesweite Solidargemeinschaft hineingetragen wurde. Der Sicherungsbedarf ist daher, anders als in den übrigen Sozialversicherungszweigen, wirtschaftssystembedingt verursacht; unter diesen Umständen gehen die erforderlichen Lohnersatzleistungen aus einem Zusammenhang hervor, der ebenfalls eher vor einem übergeordneten Hintergrund der deutschen Geschichte zu sehen ist. Offen bleibt allerdings die Frage, von welchem Zeitpunkt an die bundesweite Solidargemeinschaft in die Verantwortung tritt bzw. getreten ist. Für die in Abschnitt D II 3. durchgeführten Berechnungen wird eine Näherungslösung gewählt, indem die zunächst intensiv eingesetzten Leistungen zugunsten von Kurzarbeitergeld den versicherungsfremden Leistungen zugeordnet werden; dies geschieht unter der Annahme, daß die durch verdeckte Arbeitslosigkeit bedingten Überkapazitäten in den Staatsbetrieben der ehemaligen DDR nach dem Inkrafttreten der WährungsWirtschafts- und Sozialunion - nicht ausschließlich, jedoch hauptsächlich zunächst durch Bedarf an Kurzarbeit zutage getreten ist. In der Behandlung der unterschiedlichen Sozialversicherungszweige im Rahmen des Staatsvertrages (STV) vom 21. Juni 199075 sind insofern Inkonsistenzen innerhalb des Systems der sozialen Sicherung feststellbar, a) als mit Art. 18 Abs. 1 Nr. 1 STV zwar im Hinblick auf die Gestaltung des Finanzierungssystems der Sozialversicherung festgelegt wurde, daß "die Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung einschließlich 13 SVR, 1992, Z. 358. In diesem Sinne argumentiert auch der Verwaltungsrat der Bundesanstalt; vgl. BundesanstaltjarArbeit, 1992, ANBA, S. 538 f . 74 Vgl. SVR 1992, Z. 358. 15 BGBI. D S. 518, bzw GBI. I S. 331.

248

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

der Arbeitsförderung ... vor allem durch Beiträge fmanziert (werden)" (Hervorhebung d. Verf. ), während hinsichtlich der Gliederung des Trägersystems in Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 STV mit dem Vertragstext vereinbart wurde, daß in der damaligen DDR eigenständige Träger zu bilden waren, jedoch exklusive der Arbeitslosenversicherung. Ferner wurde lediglich für die Rentenversicherung mit Art. 20 Abs. 2 STV zugesichert, daß die " ... durch die Überführung entstehenden Mehraufwendungen . . . aus dem Staatshaushalt erstattet (werden). •76 b) In dem der Krankenversicherung gewidmeten Art. 21 Abs. 5 STV wurde vereinbart, daß "die Investitionen bei stationären und ambulanten Einrichtungen . . . aus Mitteln des Staatshaushalts und nicht aus Beitragsmitteln finanziert (werden)." Auch diese Regelung stellt eine Inkonsistenz bezogen auf das Sozi!llversicherungssystem als ganzes dar, sofern man sich der Auffassung anschließen möchte, daß eine Vielzahl der Leistungen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik die Eigenschaft notwendiger, strukturverbessernder Humankapitalinvestitionen haben; Investitionen, die ebenso wie die besagten Investitionen im Gesundheitssektor erforderlich sind, um eine Allgleichung der Leistungsfähigkeit des betreffenden Politikbereiches an westdeutsche Standards zu bewerkstelligen. Lediglich für eine Übergangszeit wurde mit Art. 25 STV für den Fall einer mangelnden Deckungsfahigkeit der Beitragseinnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung vereinbart, daß " ... die Bundesrepublik Deutschland an die Deutsche Demokratische Republik eine vorübergehende Anschubfmanzierung im Rahmen der zugesagten Haushaltshilfe (leistet)." Um den Besonderheiten speziell der arbeitsmarktpolitischen Bedarfe im Zuge des Wiedervereinigungsprozesses Rechnung tragen zu können, wurden in dem bis zum 30. April 1991 geltenden AFGDDR eine Reihe von Sonderregelungen77 berücksichtigt, die eine expansivere Leistungsgewährung im Geltungsbereich des AFG-DDR ermöglichten; einige der Sonderregelungen wurden auch über den 30. April 1991 hinaus aufrecht erhalten. Das Leistungsvolumen des Bundes war für die Arbeitslosenversicherung nach dem Vertragstext zunächst gemäß Art. 28 Abs. 1 STV auf maximal 2 Mrd. DM begrenzt. Am Ende des Haushaltsjahres 1991 wurde der Bundesanstalt aus dem Bundeshaushalt eine einmalige Finanzzuweisung in Höhe von 4 ,894 Mrd DM übertragen, die formal den Rücklagen zugeführt 76 Daneben wurde an die Rentenversicherungsträger der ehemaligen DDR bzw. an die ostdeutschen Bundesländer der reguläre Bundeszuschuß geleistet. Im Endergebnis brauchte der Staatshaushalt nicht unter Rückgriff auf Art. 20 Abs. 2 STV in Anspruch genommen werden, da sich die Finanzen der Rentenversicherungsträger in Ostdeutschland günstiger entwickelten als dies zunächst befürchtet wurde. n Vgl. hierzu die Zusammenfassung sämtlicher Sonderregelungen in: Bundesanstalt for Arbeit, 1992, Förderung der beruflichen Weiterbildung, S. 19.

249

D. Ordnungspolitische hnplikationen des Finanzierungsmodus

wurde; diese Mittel wurden im Jahr 1992 als Auflösung von Rücklagen aufgebraucht. 78 Darüber hinaus übernimmt der Bund für den ostdeutschen Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt die Finanzierung einer Reihe von Leistungen, die von der Bundesanstalt als Auftragsangelegenheiten abgewickelt werden. Wie aus der nachfolgenden Tabelle 6 ersichtlich ist, sind die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Finanzvolumina, abgesehen von den regulär aus Steuermitteln finanzierten Leistungen zur Arbeitslosenhilfe, insgesamt eher von marginaler Bedeutung, da ansonsten der arbeitsmarktpolitische Leistungsrahmen durch die Bundesanstalt mit einem großen Maß an Vollständigkeit abgedeckt wird. Tabelle 6 Die Leistungen des Bundes zur Finanzierung wiedervereinigungsbedingter Lasten des ostdeutschen Arbeitsmarktes im Bereich der Arbeitsmarktpolitik (einschließlich Ost-Berlin, in Mrd. DM)

Leistungsan

1991

1992

1993

liquiditlitshi/fe (einmalige Finanzzuweisung des Bundes)

4,894

0

0

Förderung von Personen mit beeinträchtigtem Sozialverhalten

0,010

0,008

0,0

Leistungen fiir ehemals Selbständige

0,024

0,080

0,061

Leistungen der Arbeitslosenhilfe

0,295

1,489

3,688

Sozialzuschlag zum Arbeitslosengeld bzw. zur

0,181

0,046

0,010

0,001

0,0

0,0

0,001

0,061

0,152

(2J

(2J

0,566

5,406

1,684

4,477

Arbeitslosenhilfe Arbeitslosengeld fiir Über- und Aussiedler sowie Leistungen fiir ehemalige politische Häftlinge Beschäftigungshilfen fiir schwerstvermittelbare Arbeitslose Altersübergangsgeld

Gesamtsumme

Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, 1992 f., ANBA, S. 305; ebenda, 1993, S. 318; dies, 1992 f. , Geschäftsbericht, S. 62

78 Zu einer genaueren Quantiftzierung der Nettoleistungen der Bundesanstalt ftir arbeitsmarkt(um)gestaltende Maßnahmen in ihrem ostdeutschen Zuständigkeitsbereich vgl. Abschnitt D. Il. 3 . in diesem Kapitel.

250

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

Die Venvaltungskosten der Bundesanstalt für Arbeit Einen weiteren Ausgabenposten, der in die oben genannten Bereiche mit einfließt, stellen die Venvaltungskosten dar, weil Verwaltungsaufwand auch dadurch zustande kommt, daß Aufgaben wahrgenommen werden müssen, deren Finanzierung durch die Solidargemeinschaft unter Rückgriff auf den Grundsatz der Globaläquivalenz in Frage gestellt wurde. Weiterhin entstehen der Bundesanstalt Verwaltungskosten auch dadurch, daß sie Auftragsangelegenheiten des Bundes zu übernehmen hat. Demgegenüber werden der Bundesanstalt Verwaltungskosten erstattet, die aus der Durchführung von Auftragsangelegenheiten der Länder und Kommunen entstehen. 79 Ansonsten erhält die Bundesanstalt lediglich vom BMFuS eine Pauschalabgeltung jener Verwaltungskosten, die ihr durch die Verwaltung der Kindergeldleistungen entstehen. 80 Im Jahr 1992 wurde neben den Kindergeldleistungen ein Mittelvolumen in Höhe von 4,426 Mrd. DM zugunsten von Auftragsangelegenheiten verwaltet, 81 ohne daß der Btmdesanstalt hierfür eine Abgeltung geleistet wurde. 82 Die Regelungungen zur Kompensation von Verwaltungskosten erscheinen als inkonsistent, zumal in § 188 AFG explizit geregelt ist, daß Verwaltungskosten, die aus der Abwicklung der Arbeitslosenhilfe und aus der Übertragung weiterer Aufgaben entstehen, nicht erstattet werden. Demgegenüber werden die Verwaltungskosten aus der Umlage für die Produktive Winterbauförderung und aus der Umlage für Konkursausfallgeld pauschal mit den Trägem dieser Leistungen abgerechnet (§§ 186a Abs. 1 und 186c Abs. 2 AFG). Es entsteht der Eindruck, daß der Gesetzgeber Kosten aus Auftragsangelegenheiten des Bundes anders behandelt als Kosten aus Auftragsangelegenheiten, die gegenüber den Ländern und den Arbeitgebern bzw. den Berufsgenossenschaften entstehen. Zusammenfassend läßt sich vor dem Hintergrund der dargestellten Sachverhalte feststellen, daß neben den arbeitsmarktbezogenen Lasten der Wiedervereinigung, vor allem die in dem mit "Beschäftigung und Arbeitsmarkt" überschriebenen Zweiten Abschnitt des AFG (§§ 4 bis 62e) kodifizierten Leistungen Komponenten enthalten, deren Finanzierung aus dem Beitrags79 Vgl. Titel 6/233 01 im Haushaltsplan der Bundesanstalt in: Bundesanstalt for Arbeit, verschiedene Jahrgänge, Haushaltsplan. ~ Die Pauschalabgeltung des BMFuS hatte 1992 ein Volumen von 0,565 Mrd. DM. Das Kindergeld macht einen Anteil von 80 % aller als Auftragsangelegenheit verwalteten Leistungen aus; Vgl. BundesanstaltforArbeit, 1993, ANBA, S. 319. 81 vgl. BundesanstaltforArbeit, 1993, ANBA, S. 319. 82 Damit wird bei 20 % aller Auftragsangelegenheiten auf eine Kompensation des Verwaltungsmehraufwandes verzichtet; Bundesanstaltfor Arbeit, 1993, ANBA, S. 319 .

D. Ordnungspolitische hnplikationen des Finanzierungsmodus

251

fondsder Solidargemeinschaft unter dem Gesichtspunkt der Globaläquivalenz als systemwidrig bezeichnet werden muß; dies gilt insbesondere für den Bereich der Ausbildung und Umschulung. Im Zuge der Forschungsberichterstattung für die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel wurde bereits im Jahre 1974 darauf hingewiesen, daß die Leistungsfinanzierung über eine Sozialversicherung unter Anwendung des Äquivalenzprinzips im berufsbezogenen Bildungsbereich besonders problematisch sei, da insbesondere in diesem Bereich das Auftreten von externen Effekten eine Zurechnung von Leistung und Gegenleistung unmöglich mache. 8J Die im AFG kodifizierten Regelungen zur Förderung beruflicher Bildungs- und Umschulungsmaßnahmen lassen deutlich erkennen, daß von ihrer inhaltlichen Ausgestaltung her das AFG und das beinahe gleichzeitig zum AFG verabschiedete BBiG84 sehr eng miteinander verwandt sind. 85 In der Tat läßt sich belegen, daß der Gesetzgebungsprozeß weniger durch zielgerichtete, planvolle Politikgestaltung als vielmehr durch prozessuralen Pragmatismus geleitet wurde. 86 Der mit der Ausgestaltung des Finanzierungssystems verbundene Systembruch war schon durch den Ausschuß für Arbeit in seinem bereits zitierten Schriftlichen Bericht vom 6. Mai 1969 zur Kenntnis gegeben worden. 87 Im 83 Vgl. F. Edding, Struktur und Finanzierung der Aus- und Weiterbildung, in: Kanunission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Bericht Nr. 11, Göningen 1974, S. 149. 84 Vgl. Abschnin A. II im zweiten Kapitel. 85 Dieser Sachverhalt wird bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 BBiG deutlich: "Berufsbildung im Sinne dieses Gesetzes sind die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. • Das BBiG regelt die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Ausbilder und Auszubildenden. hn Rahmen der durch die ausbildenden Betriebe und die Berufsschulen durchgefiihrten Berufsausbildung (sog. "duales System") tragen die ausbildenden Unternehmen ca. 87 % der Ausbildungskosten, und ca 13 % der Ausbildungskosten werden durch die Haushalte der Länder und Gerneinden übernommen; R. Falk, E.-A. Gärtner, W. Malcher, Streitsache: Finanzierung der Berufsausbildung, Köln 1986, S. 14. 86 Interessante Einsichten in den Prozeß der Gesetzesformulierung vennineln die Untersuchungen von Blankenburg/Schmidfl'reiber, die mit ihrer Arbeit Interviews mit den arn Gesetzesformulierungsprozeß beteiligten Beamten dokumentierten und auswerteten: • Angesichts dieses Dschungels an Zuständigkeiten im Berufsbildungswesen, bei dieser Gernengenlage .. .taten wir uns da noch viel schwerer als beim AFG; da (beim AFG; d.Verf.) hatten wir eine zentralisierte Verwaltung und hier (beim BBiG; d.Verf.) war der Bund allein zuständig. Und dann war da eben ein Finanzierungssystem da; all diese ganze Infrastruktur war ja vorbanden und insofern konnten wir hier (beim AFG; d.Verf.) vielleichter vorankommen als bei dem Berufsbildungsgesetz. • Interview nach E. Blankenburg, G. Schmid, H.-P. Treiber, 1976, s. 262. 87 Der Ausschuß • ... hat sich nur mit erheblichen Bedenken dazu entschlossen, der Regierungsvorlage (in der Finanzierungsfrage; Anrn.d.Verf.) zu folgen. Er teilt an sich die Auffassung des Bundesrates, daß zumindest die im Zweiten Abschnitt geregelten arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Aufgaben (insbesondere Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, und Förderung der beruflichen Bildung) aus Mitteln der Allgerneinheit ... finanziert werden müßten. Er sieht daher in der vorgesehenen einheitlichen Finanzierung noch nicht die endgültige Lösung. • Zu BT-D V/4110, S . 4.

252

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

Zuge der parlamentarischen Beratungen zur Vorbereitung eines Entwurfs des AFG88 wurde die Finanzierung dieser Leistungen aus den Beitragsmitteln bereits im Jahre 1967 beraten. Der damalige BMA hat in seiner Erklärung vor dem Deutschen Bundestag die Bedenklichkeit der beabsichtigten Regelung im Grundsatz anerkannt. 89 Die Beitragsfmanzierung dieser Leistungen wurde durch den BMA aber dennoch unter pragmatischen Gesichtspunkten als zweckmäßig erachtet, weil zum damaligen Zeitpunkt besondere arbeitsmarktstrukturpolitische Bedarfe im Montanbereich zu bewältigen waren und die Rücklagen der Bundesanstalt eine schnellere Aufgabenbewältigung versprachen als die Autbringung von Steuermitteln. 90 Da die Rücklagen der Bundesanstalt inzwischen jedoch schon längst abgebaut sind,91 ist diese Begründung gegenstandslos geworden. Im Ergebnis deutet die vorliegende Untersuchung darauf hin, daß das Maß an ordnungspolitischer Systemgerechtigkeit des Finanzierungssystems dadurch verbessert werden könnte, daß, entsprechend der Vorstellungen des damaligen Ausschusses für Arbeit, die im Zweiten Abschnitt des AFG geregelten Leistungen als Ganzes durch den Staatsbaushalt finanziert werden würden. Leistungskürzungen zum Abbau versicherungsfremder Lasten sollten im Interesse der Erreichung eines hoben Grades an Zielkonformität vermieden werden, da diese Leistungen wichtige Funktionen übernehmen. Die Leistungen der Arbeitsverwaltung, deren Finanzierung mit einer Verletzung des Prinzips der Globaläquivalenz einhergeht, dienen zum einen unmittelbar wirtschaftspolitischen Zwecken oder sie werden zugunsten von Personenkreisen eingesetzt, die aufgrund ihrer individuellen Lebenslage ansonsten gegenüber einem konditional auf vorangehende Erwerbstätigkeit ausgerichteten System der sozialen Sicherung keine Anspruchstitel erwerben könnten. Mit der Wahrnehmung der letztgenannten Aufgabe schließt die Bundesanstalt mit ihrem Leistungsrecht für den arbeitsmarktbezogenen Sicherungsbereich Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte, V/234. "Es wird gesagt, Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Förderung der beruflichen Bildung seien Aufgaben der Allgemeinheit, die aus Steuennitteln und nicht aus Beitragsgeldern zu finanzieren seien. Nun bin ich sicherlich der letzte, der bestreitet, daß diese Betrachtungsweise eine Berechtigung hat. • H. Katzer, Stenographische Berichte V/ 143, S. 7404. 90 "Wollen wir diese Aufgaben, die wir als dringend ansehen, anpacken, oder verzichten wir so lange darauf, bis der Bundeshaushalt eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln gestattet, nur weil uns die jetzige Finanzierung nicht befriedigt? Das ist die Fragestellung, vor der wir stehen und deshalb habe ich mich für diese Art der Finanzierung ausgesprochen." H. Karzer, Stenogra· phisehe Berichte V/143, S. 7404. Nach der Meinung des Verfassers mag man in dieser Äuße· rung auch eine Kapitulation gegenüber politikprozeßbedingen Komplikationen sehen, die sich durch Ausweichstrategien kaum wirksam bewältigen lassen. 91 Vgl. zur Entwicklung der Rücklagen der Bundesanstalt seit Verabschiedung des AFG ausführlicher Abschnitt B. U. 2. a) in diesem Kapitel sowie Tabelle 2 im Anhang. 88

89

D. Ordnungspolitische Implikationendes Finanzierungsmodus

253

zumindest teilweise eine Lücke des Systems der sozialen Sicherung, die im Schrifttum schon seit langem und wiederholt bemängelt wurde92 und deren Bewältigung in dem vorliegenden arbeitsmarktbezogenen Zusammenhang aufgrund harmonischer Zielbeziehungen sowohl aus sozialpolitischer wie auch aus arbeitsmarkt- bzw. wirtschaftspolitischer Sicht geboten erscheint. Die Grenzen der arbeitsmarktpolitischen Leistungsfähigkeit einer konsequent nach dem Grundsatz der Globaläquivalenz gestalteten Arbeitslosenversicherung lassen die Notwendigkeit erkennen, sicherzustellen, daß bei einer Neuregelung des Finanzierungsmodus nicht gleichzeitig der Leistungsrahmen der Arbeitsförderung unter dem Einfluß der fmanzpolitischen Sachzwänge des Bundeshaushaltes eingeschränkt wird. Derartige Einschränkungen könnten bei einer verstärkten Beteiligung des Bundeshaushalts an der Bewältigung arbeitsmarktpolitischer Lasten auch auf indirektem Wege dadurch zustande kommen, daß unter diesen Umständen arbeitsmarktpolitische Ermessens- und Handlungsspielräume im Interesse der Konsolidierung des Bundeshaushaltes instrumentalisiert werden würden, sofern der arbeitsmarktpolitische Handlungsbedarf anderen kürzungsfaltigen Politikbereichen nachgeordnet wird.

c) Die Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität Im Hinblick auf eine nach dem Subsidiaritätsprinzip ausgerichtete Gestaltung des Träger- und Finanzierungssystems hatten die Überlegungen zur methodischen Vorgehensweise in Abschnitt D. II. 2. a) ergeben, daß gemessen an diesem Grundsatz Verbesserungsbedarfe dann vorliegen können, wenn der Solidargemeinschaft Handlungsbedarfe überantwortet werden, die entweder kausal eher in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sehen sind oder wenn die Solidargemeinschaft mit Aufgaben belastet wird, deren Übernahme die Funktionsfabigkeit bzw. unter Umständen sogar die Existenz der Solidargemeinschaft in Frage stellt. In den nachfolgenden Ausführungen soll - getrennt für die aktive und die passive Arbeitsmarktpolitik - aufgezeigt werden, bei welchen aus den Mitteln der Solidargemeinschaft fmanzierten Leistungen vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips der bestehende beitragsfmanzierte Modus als fragwürdig erscheint. Der Versuch einer Abgrenzung von Sicherungsbedarfen, deren Finanzierung im Rahmen einer Arbeitslosenversicherung als fragwürdig erscheint, beinhaltet auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips als Abgrenzungskriterium wertgebundene Grund92 Vgl. zu den geschichtlichen bedingten Ursachen dieser Situation H. Achinger, 1971 , S. 15 ff. sowie weiterhin G. Kleinhenz, 1971 und H. Lampen, 1994, S. 294 ff.

254

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

satzentscheidungen. Es bestehen an dieser Stelle besondere interpretative Spielräume, da arbeitsmarktpolitisch relevante Maßnahmen im Rahmen der sozialen Sicherung gleichzeitig in einem funktionalen Bezug gegenüber allgemeinen, nicht auf die Solidargemeinschaft begrenzten finalen Zielsetzungen stehen, wie etwa dem Ziel der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt, während andererseits der Erfolgsgrad der allgemeinen Arbeitsmarktpolitik auch einkommensicherungspolitisch relevant ist. Die Zurechnung von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten entweder in den Verantwortungsbereich der Solidargemeinschaft oder in eine übergeordnete staatliche Zustäödigkeit kann sich daher in einzelnen Fällen als schwierig erweisen, sofern man sich nicht darauf beschränken möchte, dem Rahmen des historisch Gewachsenen normative Kraft zu verleihen, was letztendlich auch wiederum ein Werturteil darstellen würde und daher im Bemühen um eine wertfreie Analyse nicht zu einer Problemlösung beitragen kann. In den nachfolgenden Ausführungen soll daher der Versuch unternommen werden, unterschiedliche Auffassungen über die Möglichkeit einer Abgrenzung auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips sowie deren Begründungen aufzuzeigen. Weiterhin soll auch aufgezeigt werden, aus welchen entstehungsgeschichtlichen Umstäöden heraus der mit dem AFG übernommene institutionelle Rahmen in seinem Kern entstanden ist, um auf die Relativität der gegenwärtig gültigen Regelungen hinzuweisen. Bei einer Abwägung in Ermessensfragen hinsichtlich einer Zurechnung von arbeitsmarktpolitischen Lasten sollte generell berücksichtigt werden, daß im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung einer Pflegeversicherung gewisse Grenzen der Belastbarkeit mit Sozialversicherungsbeiträgen erkennbar wurden, die vor allem auch bei den Anteilen der Arbeitgeber an den Beiträgen erreicht zu sein scheinen. Dies gilt umso mehr angesichts der zu erwartenden Auswirkungen demographischer Entwicklungen auf die Finanzen der Renten- und Pflegeversicherungsträger.

a) Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf den Leistungsrahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik

Die Arbeitslosenversicherung dient der Absicherung gegenüber den mit einem Arbeitsplatzverlust verbundenen materiellen Risiken im Rahmen einer Versichertengemeinschaft, die die Eigenschaft einer als Sozialversicherung organisierten Solidargemeinschaft hat. Die Gewährleistung von Lohnersatzleistungen bei Verlust der Erwerbsgrundlage aufgrund von Arbeitslosigkeit ist

D. Ordnungspolitische lrnplikationen des Finanzierungsmodus

255

mithin das originäre Aufgabengebiet einer Arbeitslosenversicherung. Bei Darstellungen der Aufgaben einer Arbeitslosenversicherung ist es im Schrifttum gemeinhin unüblich, zwischen unterschiedlichen Teilrisiken, die sich innerhalb des Gesamtrisikos des Arbeitsplatzverlustes zumindest analytisch unterscheiden lassen, zu differenzieren, obgleich man bei einer differenzierten Vorgehensweise möglicherweise zu dem Ergebnis kommen kann, daß die Absicherung spezifischer Teilrisiken die Verantwortungssphären der verschiedenen Träger wirtschafts- und sozialpolitischer Verantwortung in unterschiedlichem Maße tangiert. Diese Überlegungen haben, wie noch zu zeigen sein wird, im Rahmen des parlamentarischen Prozesses zur Verabschiedung des AVAVG von 1927 und in den Verhandlungen der damaligen Reichsregierung mit den Verbänden durchaus eine Rolle gespielt. Bereits zum damaligen Zeitpunkt wurde erkannt, daß sich das Gesamtrisiko der Arbeitslosigkeit zumindest analytisch in Teilrisiken untergliedern läßt, die durch die verschiedenen Ursachen von Arbeitslosigkeit konstituiert werden und daß ferner zu überlegen sei, inwieweit diese Teilrisiken im Interesse einer systemgerechten Ausgestaltung dieses Zweiges der sozialen Sicherung in unterschiedlicher Weise finanziert werden sollten. Auf der Grundlage der in Abschnitt D. II. 2. a) angestellten Vorüberlegungen wäre die Ausgestaltung der arbeitsmarktbezogenen sozialen Sicherung als Sozialversicherung vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips dann in Frage zu stellen, wenn die Verursachung des Handlungsbedarfs in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sehen ist und die Finanzierung dieser Lasten daher stärker in die gesamtgesellschaftliche Verantwortungssphäre fällt, sofern man verhindem möchte, daß die Solidargemeinschaft eines Sozialversicherungsträgers mit der Übernahme der Finanzverantwortung für gesamtgesellschaftliche Aufgaben belastet bzw. überlastet wird. Anders als bei der Absicherung der Risiken des Alters und - zumindest im Regelfall - des Risikos der Krankheit ist das Risiko der Arbeitslosigkeit kein unabwendbarer naturgegebener Sachverhalt, sondern ein Lebensrisiko des in der Erwerbsgesellschaft stehenden Individuums, das zu einem gewissen Anteil im direkten Sinne des Wortes auf arbeitsmarktrelevante gesellschaftliche "Tat-bestände" zurückzuführen ist. Mit ähnlichen Überlegungen wurde bereits in den ersten beiden Gesetzesentwürfen eines AVAVG aus dem Jahre 1923 die Möglichkeit der Berücksichtigung eines Zuschusses in Höhe von 113 der Gesamtausgaben aus öffentlichen Mitteln des Reiches sowie der Länder und Gemeinden durch das damalige Reichsarbeitsministerium begründet. In der maßgeblichen Begründung des Reichsarbeitsministeriums wurde darauf verwiesen, daß Arbeitslosigkeit sehr häufig nicht individuell verschuldet, sondern durch die allgemeine poli-

256

3. Kapitel: Untersuchung des Träger- und Finanzierungssystems

tische und wirtschaftliche Lage verursacht sei. 1 Später zogen sich die öffentlichen Körperschaften unter der Federführung des Reichsarbeitsministeriums allerdings wieder aus der ursprünglich eingräumten Übernahme einer regulären Verpflichtung gegenüber einer neu einzurichtenden Arbeitslosenversicherung zurück. 2 Dieser Rückzug des Reiches und der Länder wurde von beiden Tarifvertragsparteien nur unter dem Eindruck eines drohenden Staatsbankrotts akzeptiert, denn das Reichsarbeitsministerium hatte im weiteren Verlauf des Jahres 1923 erklärt, "... es müsse sofort eine 'Entlastung der Notenpresse' in die Wege geleitet werden "3 . Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen im Vorfeld der Verabschiedung des AVAVG konnte 1926 der Verzicht auf einen festen Reichsanteil durch die Reichsregierung schließlich politisch durchgesetzt werden, indem eine durch das Reich [manzierte Krisenfürsorge für Langzeitarbeitslosigkeit eingeräumt wurde. 4 Die Reichsregierung wollte sich ansonsten nunmehr auf die Gewährleistung einer Defizithaftung beschränken, die allerdings im Gefolge der Weltwirtschaftskrise ab 1930 um Reichszuschüsse erweitert wurde.S Die dargestellten entstehungsgeschichtlichen Zusammenhänge lassen erkennen, daß der Verzicht des Fiskus auf eine Beteiligung an den gesamtwirtschaftlich verursachten Kosten des Arbeitsmarktprozesses von seinem Ursprung her einen Sachverhalt darstellte, der sich aus den wirtschaftlichen und politischen Ausnahmesituationen des Nachkriegsdeutschlands der zwanziger Jahre erklärt und vor diesem Hintergrund kein konzeptionell begründetes, zwingend notwendiges Systemelement darstellt. Im folgenden -wird aufgezeigt, daß sich das Gesamtrisiko des Arbeitsplatzverlustes theoretisch -jedoch kaum empirisch exakt - nach Teilrisiken aufgliedern läßt. Weiterhin soll geklärt werden, ob es einerseits Teilrisiken gibt, die aufgrund der Ursache ihres Eintritts mit einer relativ großen Unmittelbarkeit in den Verantwortungsrahmen der an einem Arbeitsverhältnis beteiligten Vertragspartner fallen und ob sich auf der anderen Seite solche Teilrisiken identifizieren lassen, bei deren Eintritt die den Arbeitsvertrag auflösenden Vertragspartner mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit Opfer von Umständen sind, die sie in einem vergleichsweise geringen Maße unmittelbar selbst zu verantworten haben, da sie wirtschaftslagenbedingt sind und infolgedessen eher in einem übergeordneten Verursachungszusammenhang auf gesellschaftlicher Ebene stehen. Dabei soll nachfolgend von einer Berücksichtigung des eigenständig fmanzierten saisonalen Arbeitsmarktrisikos Vgl. K. Ch. Führer, 1990, S. 289 . Vgl. ebenda, S. 289 f. 3 Ebenda, S . 290. 4 Vgl. ebenda, S. 294. 5 Vgl. T. -M.-J. Gössl, 1992, S. 99 f . 1

2

D. Ordnungspolitische lmplikationen des Finanzierungsmodus

257

abgesehen werden. Es lassen sich dann unterscheiden6 die konjunkturelle Arbeitslosigkeit, die strukturell induzierte Arbeitslosigkeit sowie die Suchbzw. Fluktuationsarbeitslosigkeit?. Die Unterscheidung von Teilrisiken des Einkommensausfalls infolge von Arbeitslosigkeit nach dem zugundeliegenden Kausalzusammenhang

Die Möglichkeit einer Funktionalisierung der Arbeitslosenversicherung zur Bewältigung /wnjunkturell induzierter Beschäftigungsschwankungen ließe sich insoweit befürworten, als -zumindest im modelltypischen Fall- unter der Bedingung der Bildung von Rücklagen, die in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zur Verfiigung stehen, zu einer Verstetigung des erreichten Grades an sozialer Sicherheit beigetragen werden könnte. 8 Eine derartige Funktionalisierung der Arbeitslosenversicherung zugunsten konjunkturpolitischer Ziele würde allerdings die Frage aufwerfen, ob und inwieweit eine primär sozialpolitische Institution, die in erster Linie auf die Erreichung sozialstaatlicher Ziele ausgerichtet ist und die aus Sozialversicherungsbeiträgen fmanziert wird, unter diesen Umständen nicht möglicherweise zugunsten gesamtgesellschaftlicher Ziele zweckentfremdet werde. 9 Die Entwicklung der Arbeitsmarktlage und die hieraus hervorgehende Entwicklung der Finanzen der Bundesanstalt für Arbeit hat außerdem gezeigt, 10 daß unter der seit 1974 gegebenen Situation einer Massenarbeitslosigkeit mit einer Rücklagenbildung in dem notwendigen Maße nicht mehr gerechnet werden kann.l 1 Hinsichtlich des VerursachungsVgl. H. Lampert, 1979, S. 40 ff. Gelegentlich werden die Begriffe der Fluktuationsarbeitslosigkeit und der Sucharbeitslosigkeit synonym verwendet; vgl. beispielsweise K.-W. Rothschild, Theorien der Arbeitslosigkeit, München- Wien 1988, S. 25. Andererseits werden beide Begriffe auch voneinander unterschieden, wobei Fluktuationsarbeitslosigkeit gemeinhin auf unvermeidbare zeitliche Transaktionskosten bezogen wird, während mit dem Begriff der Sucharbeitslosigkeit in Anlehnung an die in neoklassischer Tradition stehenden Suchtheorien darauf hingewiesen wird, daß der Arbeitsuchende unter Umständen bewußt Zeiten der Arbeitslosigkeit hinnimmt, um unter der Randbedingung des Bezuges von Sozialtransfers das Ergebnis des Suchprozesses zu optimieren; vgl. beispielsweise die Zusammenfassung unterschiedlicher begrifflicher Abgrenzungen bei H. Lampert, 1979, S. 40 ff. Für den weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung sollen Fluktuations- und Sucharbeitslosigkeit unter Verzicht auf eine eingehendere Differenzierung nach unterschiedlichen Motivationen der Arbeitsuchenden im Sinne einer "natürlichen" oder "Rest-" Arbeitslosigkeit verstanden werden. In einer weitergehenden Vereinfachung werden im folgenden auch verhaltensbedingt schwer vermittelbare Arbeitslose mit eingeschlossen, im Sinne einer sog. "Bodensatzarbeitslosigkeit"; vgl. ebenda, S. 47. 8 Vgl. Abschnitt B. U. l. b) in diesem Kapitel. 9 Vgl. H. Lampert, 1962, S. 276 f. 10 Vgl. Abschnitt B. U. 2. a) in diesem Kapitel. 11 Sofern nicht gerade die Situation einer Rücklagenbildung infolge von Aussteuerung eines größeren Teils der Arbeitslosen infolge von Langzeitarbeitslosigkeit eintritt, die jedoch kaum als wünschenswert gelten kann. 6

1

17 S1cin

258

3. Kapitel: Untersu

1986

7,705

25,70

3,962

13,21

1,662

13,329

44,46

=>

1987

9,355

27,33

4,984

14,56

1,928

16,267

47,52

~

1988 11,369

28,79

5,173

13,10

2,050

18,592

47,08

17,695

44,81

1989 11 733

30,36

4,391

11 ,36

2,067

18,191

47,07

16,260

42,07 49,34

1990 14,759

34,11

4,633

10,71

2,664

22,057

50,97

21,350

1991 20,171

28,80

19,579

27,95

3 713

44463

62,05

42,438

60,59

1992 28,103

30,83

24,004

26,34

4,277

56,384

61,86

47,443

52,05

1993 25,043

23,16

29,397

27,18

4,174

58,614

54,199

40,631

37,57

Quelle: Tabellen 1 und 2 sowie 4 ff. im Anhang; eigene Berechnungen

Die Anteile der versicherungsfremden Leistungen in Tabelle 9 lassen erkennen, daß die zugrunde liegende Problematik schon von Anfang an in der konzeptionellen Ausgestaltung des AFG angelegt ist, da bereits in den ersten Jahren relativ hohe Werte für die Anteile versicherungsfremder Leistungen

D. Ordnungspolitische Implikationendes Finanzierungsmodus

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erreicht wurden. Für das Jahr 1971 läßt sich auf der Grundlage der Modellannahmen ein Anteil versicherungsfremder Leistungen in Höhe von 62 % nachweisen; dieser Wert wurde erst in den Jahren nach der Wiedervereinigung erneut erreicht. Insofern muß auf der Grundlage der vorliegenden Berechnungen die im Arbeitsförderungsbericht von 1973 vorgetragene Argumentation, wonach eine Änderung des Finanzierungsmodus aufgrundeiner Geringfügigkeit der Problemlage nicht notwendig sei, 46 nachhaltig in Frage gestellt werden. Die These, das AFG weise im Bereich seines Finanzierungssystems konzeptionelle Schwächen auf, wird durch die Beobachtung erhärtet, daß gerade in Zeiten des arbeitsmarktpolitischen "Ausnahmezustandes" gemessen an der Struktur der Finanzströme ein größeres Maß an ordnungspolitischer Systemgerechtigkeit des Finanzierungssystems in der Struktur des Haushalts der Bundesanstalt erkennbar ist. Zumindest in den Jahren vor der Wiedervereinigung nahm der Anteil versicherungsfremder Leistungen in Zeiten ansteigender Arbeitslosigkeit ab, da verstärkt Mittel durch Lohnersatzleistungen gebunden wurden. Vor allem aber wird erkennbar, daß bis 1988 in Jahren, in denen die Gewährleistung von Bundeszuschüssen notwendig wurde, Aufwendungen der Versicherten für arbeitsmarktpolitische Gemeinlasten die geringsten Anteile am maßgeblichen Gesamtaufwand aufweisen. Seit 1990 hat sich die Problemlage infolge der Übernahme von arbeitsmarktpolitischen Aufgaben im ostdeutschen Zuständigkeitsbereich deutlich verschärft und eine von den Größenordnungen her bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht dagewesene Qualität erreicht. Der Bundeszuschuß des Jahres 1992 überschreitet zwar mit 8,941 Mrd. DM zumindest nominal das Niveau von 1981 (8,209 Mrd. DM) und 1982 (7 Mrd. DM), 47 jedoch reicht dieser Betragangesichts der notwendig gewordenen Steigerung des Leistungsvolumens nicht mehr aus, um den Anteil versicherungsfremder Leistungen deutlich abzusenken. Demgegenüber wurde im Jahre 1993 der Anteil versicherungsfremder Leistungen von 52,05 % im Vmjahr auf 37,57 % zurückgeführt und befindet sich damit auf einem Niveau, das letztmalig im Jahre 1983 erreicht wurde. Auf der Grundlage der an dieser Stelle gewählten Abgrenzung wurden in den Jahren von 1990 bis 1993 aus den Beitragszahlungen insgesamt 151,862 Mrd. DM für Zwecke verwendet, deren Bezug zum Versicherungszweck der Arbeitslosenversicherung zumindest als umstritten gelten muß. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der bestehende Finanzierungsmodus unter dem Gesichtspunkt ordnungspolitischer Systemgerechtigkeit als korrekturbedürftig gelten muß. Dies gilt auch dann, wenn man sich auf die im 4