Das Gesamtgeschäft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Analyse, Bewertung und Weiterentwicklung der deliktsspezifischen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Täterschaft und Teilnahme [1 ed.] 9783428544912, 9783428144914

Der Autor widmet sich einem Tatbestand, der in der Literatur – trotz der erheblichen praktischen Bedeutung – bislang kau

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German Pages 233 Year 2015

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Das Gesamtgeschäft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Analyse, Bewertung und Weiterentwicklung der deliktsspezifischen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Täterschaft und Teilnahme [1 ed.]
 9783428544912, 9783428144914

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Schriften zum Strafrecht Band 275

Das Gesamtgeschäft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Analyse, Bewertung und Weiterentwicklung der deliktsspezifischen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Täterschaft und Teilnahme

Von

Benjamin Schnürer

Duncker & Humblot · Berlin

BENJAMIN SCHNÜRER

Das Gesamtgeschäft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Schriften zum Strafrecht Band 275

Das Gesamtgeschäft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Analyse, Bewertung und Weiterentwicklung der deliktsspezifischen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Täterschaft und Teilnahme

Von

Benjamin Schnürer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14491-4 (Print) ISBN 978-3-428-54491-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84491-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis November 2013 berücksichtigt. Mein Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp. Er hat die Wahl eines Themas im Betäubungsmittelrecht angeregt und die individuelle Ausgestaltung der Arbeit stets unterstützt. Mit seinem wachen Verstand, seiner Bescheidenheit und seiner Freundlichkeit wird er mir immer ein Vorbild bleiben. Herrn Prof. Dr. Dieter Dölling danke ich für die Erstellung des instruktiven Zweitgutachtens. Besonderen Dank schulde ich meinen Eltern Christa und Roland Schnürer. Mit all dem, was sie mir auf meinem Lebensweg mitgegeben haben, ist die vorliegende Arbeit zu einem guten Teil auch ihre Leistung. Ich danke ­Johannes Bätz, ohne dessen langjährige Freundschaft ich nicht die Person geworden wäre, die ich heute bin. Dankbar für den fruchtbaren fachlichen Austausch und die Hilfe bei der Korrektur der Arbeit bin ich Dr. Timo Rademacher und Dr. Helena Wirsing. Daneben haben sich Laura Vittorrelli und Sebastian Gorenflo mit ihren Korrekturvorschlägen um die Fertig­ stellung des Manuskripts verdient gemacht. Mein Dank gilt Maximilian Schüßler, der mir mit seiner Herzlichkeit und Anteilnahme während der Promo­ tionszeit zu einem guten Freund geworden ist. Zuletzt danke ich meiner Frau Maika, ohne deren unendliche Geduld und Liebe ich die Arbeit niemals hätte abschließen können. Zusammen mit meinen Eltern ist ihr diese Arbeit gewidmet. Heidelberg, im September 2014

Benjamin Schnürer

Inhaltsübersicht

Einleitung 

15

A. Das Desinteresse der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Die Bedeutung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Teil

Der Begriff des Handeltreibens 

23

A. Die Aufnahme des Begriffs durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Der Begriff in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. Der Begriff in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 D. Die Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu den anderen Tatmodalitäten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Teil

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung 

78

A. Teilnahme auch bei eigenhändiger Verwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 B. Das Fehlen von Eigennützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 C. Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Teil

Bewertung der Rechtsprechung 

92

A. Allgemeine Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Relevanz für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C. Vorzüge der gewählten Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

8 Inhaltsübersicht D. Befürchtung von Strafbarkeitslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 E. Wertungswiderspruch zum Grundstoffüberwachungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 101 F. Keine Entkräftung der grundsätzlichen Kritik am Begriff des Handeltreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . 103 H. Fehlende Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 J. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Teil

Eigener Ansatz 

135

A. Anforderungen an eine Neufassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 B. Die Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft als Ausgangsbasis . . . . . . . . . . . . 136 C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung . . . . . . . . . . . . 145 D. Die Neufassung des Handeltreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 E. Die Folgen der Neufassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Zusammenfassung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 

15

A. Das Desinteresse der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Die Bedeutung in der Praxis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Teil

Der Begriff des Handeltreibens 

23

A. Die Aufnahme des Begriffs durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Der Begriff in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Der Tatbestand im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Strukturelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Umschreibungen der Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Anforderungen an die Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Umsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Umsatz als subjektives Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Begriff des Umsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Bestimmtes Umsatzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4. Betäubungsmittel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5. Unerlaubt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 6. Eigennützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 7. Die Herausnahme einzelner Fälle im Bereich Vorbereitung und Versuch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 8. Die Rechtsfigur der Bewertungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 9. Die Einordnung in die allgemeine strafrechtliche Deliktstypologie . 50 a) Tätigkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Unechtes Unternehmensdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Abstraktes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 10. Zusammenfassung und Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

10 Inhaltsverzeichnis IV. Kritik an der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 V. Das Anfrage- und Vorlageverfahren und die Entscheidung des Großen Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Die Anfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Die Reaktion der übrigen Senate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Die Vorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Die Entscheidung des Großen Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 VI. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C. Der Begriff in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Lückenschließender Auffangtatbestand (Liemersdorf / Miebach) . . . . . . 66 II. Näherbringen des Betäubungsmittels auf dem Weg zum Abnehmer (Roxin, Harzer, Paul) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Gefahr des Betäubungsmittelumsatzes (Gaede, Schwarzburg) . . . . . . . . 69 IV. Objektive Manifestation (Ebert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 V. Erklärungslösung (Oğlakcıoğlu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 D. Die Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu den anderen ­Tatmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Die Auffassung des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Grundsätzliche Möglichkeit eines faktischen Stufenverhältnisses . . . . . 74 III. Faktisches Stufenverhältnis bei § 29 Abs. 1 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Teil

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung 

78

A. Teilnahme auch bei eigenhändiger Verwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 B. Das Fehlen von Eigennützigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 C. Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Der Rechtsprechungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Das Kriterium des Gesamtgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Entwicklungen in anderen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Teil

Bewertung der Rechtsprechung 

92

A. Allgemeine Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Relevanz für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C. Vorzüge der gewählten Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Inhaltsverzeichnis11 I. Vermeidung der Einheitstäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Sachgerechte Abgrenzung anhand des Unrechtsgehalts . . . . . . . . . . . . . 98 D. Befürchtung von Strafbarkeitslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 E. Wertungswiderspruch zum Grundstoffüberwachungsgesetz . . . . . . . . . . 101 F. Keine Entkräftung der grundsätzlichen Kritik am Begriff des Handeltreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . 103 I. Beihilfe trotz eigenhändiger Tatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Akzessorietät der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Vereinbarkeit mit dem Strafgrund der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Feststellung einer Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Förderung der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Die Entscheidungen zum Thema Beihilfe trotz vorheriger ­Sicherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Die Entscheidung des 5. Senats vom 7. Februar 2008 . . . . . 111 bb) Die Entscheidung des 2. Senats vom 3. Februar 2010 . . . . . 113 cc) Schlussfolgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Die Entscheidung vom 5. Mai 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Der Inhalt der Entscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Schlussfolgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Orientierung an einem tatbestandsfremden Kriterium . . . . . . . . . . . . . . 119 H. Fehlende Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Beliebigkeit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . 121 II. Besonders verschärfte Problematik beim Handeltreiben . . . . . . . . . . . . 123 III. Die Unbestimmtheit des Gesamtgeschäft-Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . 125 IV. Keine einheitliche Linie der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 J. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Teil

Eigener Ansatz 

135

A. Anforderungen an eine Neufassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 B. Die Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft als Ausgangsbasis . . . . . . . . . 136 I. Grundaussagen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Einführung auf Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

12 Inhaltsverzeichnis III. Der Inhalt des Gesamtgeschäft-Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Bedeutungsinhalt des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Konkrete oder abstrakte Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 IV. Anforderungen an die Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Art des Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Vorgehensweise des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Vom BGH herangezogene Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Übertragbarkeit auf die Begriffsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung . . . . . . . . . 145 I. Die Lehre vom Organisationsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Grundlegung der Lehre von Schünemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Präzisierung, Weiterentwicklung und dogmatische Fundierung der Lehre von Morozinis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Aufnahme in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Berechtigte Kritikpunkte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Übertragung auf das Handeltreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Handeltreiben als Beispiel bei Schünemann und Morozinis . . . . . . 154 2. Konkrete Anwendung der Grundsätze auf das Handeltreiben . . . . . 156 3. Praktische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Einseitige Fixierung auf organisatorische Strukturen . . . . . . . . . . . . 157 D. Die Neufassung des Handeltreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Zusammenführung der gewonnenen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Vornahme mehrerer Teilakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Verbindungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 IV. Anknüpfungsfähige Teilakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 V. Leistungsfähigkeit des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 VI. Verbindung als Handlung oder Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 E. Die Folgen der Neufassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I. Stärkere Bedeutung der übrigen Begehungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Anbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Ein- und Ausfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 5. Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6. Sonst-In-Verkehr-Bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 7. Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 8. Sich-In-Sonstiger-Weise-Verschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 9. Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 10. Sonstige Tatmodalitäten des § 29 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Inhaltsverzeichnis13 II. Nichterfassung bestimmter Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 III. Handeltreiben als unrechtsschwere Begehungsweise . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Neuordnung nach allgemeinen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Mittäterschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5. Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 V. Vorbereitung, Versuch und Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 VI. Strafzumessungsregeln und Qualifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 VII. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 VIII. Anwendung auf aktuelle BGH-Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Die Aufnahme des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Die nachfolgende Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IV. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Rechtsgüter des Betäubungsmittelrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Die unterschiedlichen Rechtsgutskonzeptionen . . . . . . . . . . . . . 197 b) Relevanz für vorliegende Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Funktion des Handeltreibens im Rahmen des gesetzlichen Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Berücksichtigung kriminalpolitischer Erwägungen . . . . . . . . . . . . . 202 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Zusammenfassung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Gebraucht werden die üblichen Abkürzungen, vgl. Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage, Berlin 2013

Einleitung Fragt man heute in der Wissenschaft nach den aktuell wichtigsten Themen des Strafrechts, so wird man auf Felder wie die objektive Zurechnung, die Untreue, die Strafbarkeit von Unternehmen sowie die Europäisierung des Strafrechts verwiesen.1 Stellt man dagegen Praktikern2 die gleiche Frage, gelangt man schnell zu einem Thema, das in der Wissenschaft bisher kaum Beachtung gefunden hat: die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Kaum eine andere Materie des Strafrechts ist derzeit so häufig Gegenstand von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Alleine seit dem Jahr 2007 finden sich in mehr als 40 Entscheidungen Ausführungen zu dieser Thematik.3 Für die Angeklagten ist in solchen Verfahren von großer Bedeutung, ob sie als Täter oder Gehilfe4 bestraft werden, kommt ihnen doch im letzteren Fall die zwingende Strafrahmenmilderung der §§ 27 Abs. 2 S. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB zugute. Das Höchstmaß der Strafe reduziert sich dann beim Grundtatbestand von fünf Jahren auf drei Jahre und neun Monate. Bei den Qualifikationen fällt die Strafmilderung noch stärker aus. Die Rechtsprechung ist in diesem Bereich im Fluss wie in kaum einem anderen des Strafrechts. In der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs in Strafsachen vom 26.10.20055, in welcher der Begriffsinhalt des Handeltreibens für die Rechtsprechung geklärt wurde, hatten die Bundesrichter betont, dass die Lösung der problematisch erscheinenden 1  Dies zeigen die zahlreichen Veröffentlichungen in diesen Bereichen, vgl. etwa zur objektiven Zurechnung Rotsch, in: Roxin-FS 80. Geburtstag, Band 2, S. 377; Sanchez-Ostiz, in: Roxin-FS 80. Geburtstag, Band 2, S. 316; Seher, in Frisch-FS, S. 207; Schumann, Jura 2008, 408; zur Untreue Bernsmann, GA 2007, 219; Kaatz, ZStW 123 (2011), 447; Volk, in: Hamm-FS, S. 803 sowie Wohlers / Kudlich, ZStW 124 (2012), 1064 (1078 ff.) m. w. N.; zur Strafbarkeit von Unternehmen Wohlers /  Kudlich, ZStW 121 (2009), 711 und 124 (2012), 1064 mit einem Überblick über die zahlreichen Monographien, die in den letzten Jahren zu dieser Thematik erschienen sind; zur Europäisierung des Strafrechts Böse, RW 2012, 172; Perron, in: K ­ üper-FS, S. 429; Sieber, ZStW 121 (2009), 1; Vogel, JZ 2012, 25 sowie Hassemer / Neumann, in: NK-StGB, Vorbemerkungen zu § 1 Rn. 357 m. w. N. 2  Aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit wird im Folgenden das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind stets die Angehörigen beider Geschlechter. 3  Siehe dazu die Auflistung in 3. Teil H. IV. 4  Die Teilnahmeform der Anstiftung spielt in der Praxis kaum eine Rolle. 5  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252.

16 Einleitung

Fälle dieses Tatbestands an der Grenzlinie zwischen Täterschaft und Beihilfe zu suchen sei.6 Die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen hat seitdem erheblich an Bedeutung gewonnen.7 Die Rechtsprechung tendiert dabei zur Beihilfe, insbesondere wenn es um den Transport von Betäubungsmitteln geht (im Rahmen der sogenannten Kurierfälle). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.02.20078 ein bisher unbekanntes Abgrenzungskriterium eingeführt hat: das hinter der konkreten Tat stehende Gesamtgeschäft. In der Wissenschaft haben diese Entwicklungen bisher kaum Beachtung gefunden.9 Dies ist insofern wenig überraschend, als das Betäubungsmittelstrafrecht traditionell vor allem durch die Rechtsprechung geprägt ist. Dagegen herrscht in der Wissenschaft trotz der erheblichen praktischen Bedeutung weitgehendes Desinteresse am Betäubungsmittelstrafrecht.10

A. Das Desinteresse der Wissenschaft Mit Ausnahme Claus Roxins11 hat sich kaum ein renommierter deutscher Strafrechtslehrer intensiver mit dem Betäubungsmittelstrafrecht auseinandergesetzt. Soweit Dissertationen zu diesem Fachgebiet erschienen sind,12 haben sie nur wenig Beachtung erfahren und keiner der Autoren ist in der Folgezeit wissenschaftlich näher in Erscheinung getreten. Die Kommentarliteratur konzentriert sich häufig auf eine systematisch geordnete Darstellung 6  BGH,

Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (266). StRR 2007, 244. 8  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219. 9  Die genannten Entscheidungen schildernd ohne die darin liegende Bedeutung zu erkennen Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 228 ff.; am ehesten die Bedeutung der neueren Entscheidungen wahrnehmend Puppe, JR 2007, 299 („Wendepunkt in der Rechtsprechung zum Drogenkurierdienst“) und Krumdiek, StRR 2007, 110 („innovativer Charakter“ der Entscheidung); zurückhaltender Schlage, AL 2012, 257 (262); neuerdings greifen allerdings einige Kommentare zum BtMG die Entwicklung auf, vgl. Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 414 ff. und ausführlich Weber, BtMG, § 29 Rn. 671 ff.; außerdem die Dissertation von Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtMStrafrechts, S.  581 ff. 10  Kreuzer, in: Miyazawa-FS, S. 177; Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtMStrafrechts, S. 27. 11  Roxin, StV 1992, 517 und StV 2003, 619. 12  Bensch, Begriff des Handeltreibens; Büttner, Verfassungsrechtliche Bewertung des BtM-Rechts; Ebert, Handeltreiben mit BtM; Lang, BtM-Strafrecht; Schwitters, Vorverlagerung beim Handeltreiben; Skoupil, Handeltreiben mit BtM; Wang, Drogenstraftaten und abstrakte Gefährdungsdelikte; Weber, Begriff des Handeltreibens; unmittelbar vor Fertigstellung dieser Arbeit erschien außerdem Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts. 7  Krumdiek,



A. Das Desinteresse der Wissenschaft17

der Rechtsprechung und stellt nur selten deren Vorgehen in Frage. Soweit sich die Literatur in Aufsätzen, Urteilsanmerkungen sowie Beiträgen in Handbüchern und Festschriften mit dem Betäubungsmittelrecht beschäftigt, liegt der Fokus vielfach mehr auf der rechtspolitischen als auf der rechtsdogmatischen Ebene.13 Kritisiert werden das gesetzgeberische Konzept der Totalprohibition, die paternalistische Ausrichtung aufgrund der zugrundeliegenden Universalrechtsgüter sowie Vollzugsdefizite bei der strafrechtlichen Verfolgung.14 Eine Diskussion über die richtige Drogenpolitik hat ohne Zweifel ihre Berechtigung für Gesetzgebung und Kriminalpolitik, ist aber wenig nutzbringend für die praktische Anwendung des BtMG.15 An Beiträgen, die sich mit der Anwendung des geltenden Rechts beschäftigten, herrscht großer Mangel. Insbesondere in Bezug auf die einzelnen Begehungsformen des § 29 Abs. 1 BtMG, wie etwa das Handeltreiben, hat eine konstruktive wissenschaftliche Auseinandersetzung bisher nicht stattgefunden. Dies steht im Kontrast zur in der Strafrechtswissenschaft üblichen hohen Dichte an wissenschaftlicher Befassung auch bei Detailfragen von Delikten, die für die Praxis vergleichsweise unbedeutend sind. Teilweise wurde deshalb bereits von einer „verderblichen Isolation“ des Betäubungsmittelstrafrechts16 oder von einem „Sonder-Kosmos“17 gesprochen. Über die Gründe für dieses Desinteresse der Wissenschaft kann man nur Vermutungen anstellen. Naheliegend ist die These, dass das Betäubungsmittelrecht im Studium der Rechtswissenschaft keine Rolle spielt und deshalb sowohl für Nachwuchsjuristen als auch für Lehrende ein nur wenig Interesse weckendes Rechtsgebiet darstellt.18 Aufgrund seiner Einordnung als „Nebenstrafrecht“ wird man möglicherweise immer noch leicht zur verfehlten Annahme verleitet, gegenüber dem StGB sei das BtMG von geringerer Bedeutung.19 Möglicherweise lässt sich die Ursache auch in einem gewissen 13  Vgl. etwa Hassemer, JuS 1992, 110; Meyer-Mews, StraFO 2013, 147; Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts; Paeffgen, in: BGH-FS aus der Wissenschaft, Band 4, S. 695. 14  Einen Überblick über die wichtigsten Kritikpunkte gibt Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 2 ff.; vgl. außerdem Hassemer, KritV 1993, 198 (202 f.). 15  Nestler betont z. B. selbst, dass es ihm nicht um eine konstruktive Anwendung des geltenden Strafrechts geht, sondern er sich auf eine Kritik der bestehenden Gesetzeslage beschränken möchte, vgl. Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 314. 16  Köhler, MDR 1992, 739; kritisch zu dieser Bezeichnung Weber, BtMG, Vor §§ 29 ff. Rn. 9. 17  Paeffgen, in: BGH-FS aus der Wissenschaft, Band 4, S. 695 (696); zustimmend Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 261. 18  Hassemer, JuS 1992, 110 (112). 19  Ähnlich Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 1.

18 Einleitung

Maß an Resignation finden,20 denn die Rechtsprechung hat sich bisher kaum von der Kritik in der Literatur beeinflussen lassen. Dies hat die Wissenschaft allerdings auch in anderen Bereichen des Strafrechts nicht von einer intensiven Befassung abgehalten. Zu denken ist etwa an die Einordnung von Mord und Totschlag als selbstständige Tatbestände mit den entsprechenden Konsequenzen für Täterschaft und Teilnahme. Klarer identifizierbar ist die Konsequenz dieses Desinteresses. Die Rechtsprechung hat sich im Betäubungsmittelstrafrecht in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend unbeeinflusst von der Wissenschaft entwickelt. Im Gegensatz zum Kernstrafrecht, in welchem der wissenschaftliche Einfluss teilweise sogar so weit geht, dass ganze von der Wissenschaft entwickelte Rechtsfiguren übernommen werden, bezieht sich die Rechtsprechung im Betäubungsmittelstrafrecht vor allem auf die von ihr größtenteils schon in der Zeit des Reichsgerichts21 selbst gefundenen Lösungen. Es mangelt daher am vor allem von der Wissenschaft vorangetriebenen Element der Systematisierung und Prinzipienorientierung. Den wissenschaftlichen Begründungsaufwand im Kernstrafrecht, welcher die deutsche Rechtsprechung z. B. von der französischen oder englischen unterscheidet,22 leistet der Bundesgerichtshof im Betäubungsmittelstrafrecht nicht in gleicher Weise. Eine kritische, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung im Betäubungsmittelstrafrecht ist daher dringend geboten.23

B. Die Bedeutung in der Praxis Dem wissenschaftlichen Desinteresse steht die eminente Bedeutung des Betäubungsmittelstrafrechts im Allgemeinen und des Tatbestands des Handeltreibens im Besonderen gegenüber. Im Jahr 2012 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik 237.150 Straftaten erfasst, die der Betäubungsmittelkriminalität zugeordnet werden können.24 Dabei ist die Zahl der Rauschgiftdelikte mit 4 Prozent in Bezug auf die Gesamtzahl der polizeilich erfassten Straftaten noch vergleichsweise gering.25 Verändert man allerdings den 20  In diese Richtung Lagodony, in: MK-StGB, Einl zu Band 6, Rn. 15, welcher kritisiert, dass sich die Strafrechtsdogmatik „schmollend in die Ecke“ begibt. 21  Der Begriff des Handeltreibens ist im Kern seit der Zeit des RG unverändert geblieben; vgl. Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 13. 22  Schünemann, in: Roxin-FS 70. Geburtstag, S. 1 (5); Vogel, GA 1998, 127 (130); generell das Fehlen einer ausgefeilten Dogmatik in diesen Ländern feststellend Weigend, in: Freund-FS, S. 17 (21). 23  Roxin, StV 1992, 517 (519). 24  Polizeiliche Kriminalstatistik 2012, S. 5. 25  Polizeiliche Kriminalstatistik 2012, S. 15.



B. Die Bedeutung in der Praxis19

Blickwinkel und betrachtet die Daten von den Sanktionen aus, zeigt sich, dass Delikte des Betäubungsmittelstrafrechts insbesondere für das schärfste Sanktionsmittel des Strafrechts, der Freiheitsstrafe, eine besondere Rolle spielen. Ungefähr 15 Prozent der verhängten Freiheitsstrafen werden im Hinblick auf Straftaten nach dem BtMG ausgesprochen.26 Bei langen Freiheitsstrafen sind es sogar 25 Prozent.27 Die praktische Relevanz der Begehungsform des Handeltreibens kann dabei gar nicht überschätzt werden. Verbreitet wird von einem zentralen Tatbestand28 gesprochen, welcher den Kern29 des BtMG bilde, von einem Schlüsselbegriff30 mit herausragender Bedeutung31, welcher die gefahrintensivste32 und wichtigste33 Tatbegehungsweise des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln beschreibe. Seinen Grund findet dies in der traditionell weiten Auslegung des Delikts als jede eigennützige Tätigkeit, die auf Betäubungsmittelumsatz gerichtet ist.34 Objektiv wird jedes beliebige Verhalten erfasst, soweit der Täter subjektiv auf aus eigennützigen Motiven angestrebten Betäubungsmittelumsatz abzielt. Diese weite Fassung des Begriffs führt zu einer großflächigen Überschneidung mit den anderen Tatmodalitäten des § 29 Abs. 1 BtMG, welche in diesem Fall durch die von der Rechtsprechung entwickelte Figur der Bewertungseinheit im Tatbestand des Handeltreibens aufgehen. Trotz der langen Liste von Begehungsformen des § 29 Abs. 1 BtMG ist für die praktische Anwendung vor allem das Handeltreiben relevant. Es wird deshalb als die bedeutsamste strafrechtliche Waffe zur Bekämpfung des illegalen Drogenmarkts angesehen.35 26  Endriß / Kinzig,

NJW 2001, 3217. NJW 2001, 3217 ermittelt diese Zahl bei Freiheitsstrafen von mehr als 5 Jahren; Weber, JR 2006, 139 im Rahmen der Freiheitsstrafen zwischen 5 und 15 Jahren. 28  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 262; Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 1; Malek, BtM-Strafrecht, 2. Kapitel Rn. 86; Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 357; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 245 und 248; ähnlich S ­ trate, ZRP 1987, 314 (315). 29  Niehaus, JR 2005, 192. 30  Endriß / Kinzig, NJW 2001, 3217 (3218); Niehaus, JR 2005, 192. 31  Strate, ZRP 1987, 314; Oğlakcıoğlu spricht sogar von „überragender Bedeutung“, vgl. Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 43. 32  Hügel / Junge / Lander / Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, § 29 BtMG Rn. 4.1; Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 357. 33  Anastasopoulou, Deliktstypen, S.  262; Malek, BtM-Strafrecht, 2. Kapitel Rn. 86; Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 357; Perlchen, in: Erbs / Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 29 BtMG Rn. 5; Rahlf, in: BRAKFS, S. 243 (246). 34  Siehe im Einzelnen dazu 1. Teil B. m. w. N. 35  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 3. 27  Endriß / Kinzig,

20 Einleitung

Man findet nur wenige Tathandlungen im deutschen Recht, deren Verständnis so vielfältige unmittelbare und mittelbare Wirkungen hat wie das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.36 Die Begehungsform ist nicht nur als Grundtatbestand in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG von Bedeutung, an sie knüpfen auch die Versuchsstrafbarkeit gem. § 29 Abs. 2 BtMG, die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gem. § 29 Abs. 4 BtMG und die Strafbarkeit des Umgangs mit Scheindrogen gem. § 29 Abs. 6 BtMG an. Zahlreiche Strafzumessungsregeln und Qualifikationen nehmen auf das Handeltreiben Bezug, so bei Gewerbsmäßigkeit (§ 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG), bei der Gesundheitsgefährdung mehrerer Menschen (§ 29 Abs. 3 Nr. 2 BtMG), bei dem Umgang mit einer nicht geringen Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), bei einer bandenmäßigen Begehung (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), oder der Kombination der beiden letztgenannten Strafschärfungsgründe (§ 30a Abs. 1 BtMG). Schließlich ist auch bei der Bestimmung einer minderjährigen Person (§ 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG) und dem Beisichführen einer Schusswaffe oder sonstiger gefähr­ licher Gegenstände (§ 30 Abs. 2 Nr. 2 BtMG) ein Verweis auf das Handeltreiben enthalten. Außerdem hat das Handeltreiben Auswirkungen auf die internationale Anwendbarkeit des deutsche Strafrechts (§ 6 Nr. 5 StGB), die Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 2b StGB), den erweiterten Verfall und die Einziehung (§§ 33 BtMG, 73d, 74a StGB) sowie die Konkurrenzebene (Bewertungseinheit).37 Auch strafprozessual ist das Handeltreiben bedeutsam. Für die Anordnung der Telefonüberwachung und von Lauschangegriffen im Ermittlungsverfahren ist der Tatbestand des Handeltreiben eine der wichtigsten Anknüpfungstaten (vgl. §§ 100a Abs. 2 Nr. 7, 100c Abs. 2 Nr. 4, 100f Abs. 1 StPO).38 So machten im Jahr 2011 Delikte nach dem BtMG 45,4 Prozent der in Bezug genommen Anlassstraftaten bei der Telefonüberwachung nach § 100a Abs. 2 StPO aus.39 Ein Großteil dürfte dabei an den Tatbestand des Handeltreibens angeknüpft haben.

C. Untersuchungsgegenstand Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Beitrag zur Abhilfe des Defizits mangelnder wissenschaftlicher Auseinandersetzung geleistet werden. In ei36  Weber,

NStZ 2004, 66 (67 f.). JR 2006, 139 (140). 38  Lang, BtM-Strafrecht, S. 210 f.; Niehaus, JR 2005, 192 (192 f.). 39  Eigene Berechnungen anhand der Telefonüberwachungsstatistik des Bundesamts für Justiz – https: /  / www.bundesjustizamt.de / DE / SharedDocs / Publikationen /  Justizstatistik / Uebersicht_TKUE_2011.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Abrufdatum: 12.06.2013). 37  Weber,



C. Untersuchungsgegenstand21

nem wissenschaftlich geordneten Vorgehen und mit dem Anspruch der Systematisierung, welche über die Wiedergabe und Kommentierung von Einzelfällen hinausgeht, wird die Rechtsprechung im Folgenden analysiert und bewertet. Dabei bleibt es nicht bei einer kritischen Betrachtung, vielmehr werden die erkannten Probleme aufgenommen und ein konkreter Vorschlag zur Weiterentwicklung der Rechtsprechung erarbeitet. Anlass und Mittelpunkt dieser Arbeit stellen die Bemühungen der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme dar. Von besonderem Interesse ist dabei das neu eingeführte Kriterium des Gesamtgeschäfts, welches die Entwicklung der Rechtsprechung in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmen dürfte und in der Literatur bisher nur vereinzelt überhaupt wahrgenommen wurde. Die ebenfalls in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnene Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung soll hier nur insoweit behandelt werden, als sie für die im Fokus stehende Fragestellung relevant ist.40 Mit der vorliegenden Untersuchung wird nicht beabsichtigt, das Betäubungsmittelstrafrecht und das dahinter stehende gesetzgeberische Konzept grundsätzlich in Frage zu stellen.41 Sie stellt vielmehr den Versuch dar im Sinne einer dienenden Funktion der Strafrechtswissenschaft für die Rechts­ praxis42 die Entwicklungen in der Rechtsprechung aufzunehmen, sie einer konstruktiven Kritik zu unterziehen und konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Die Zielrichtung der Arbeit ist somit nicht kriminalpolitisch, sondern strafrechtsdogmatisch. So richtig und wichtig die bisherige, fundamentale Kritik aus der Literatur für die Bewertung des Betäubungsmittelstrafrechts sein mag, so hat sie doch zu einer weitgehenden Ablösung von Literatur und Rechtsprechung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln geführt. Gewagt werden soll der Spagat zwischen dogmatischer Konsequenz und Handhabbarkeit in der Rechtspraxis. Die Besonderheiten der zugrundeliegenden Kriminalitätsstrukturen haben die Rechtsprechung zu einer Auslegung veranlasst, die Beweisschwierigkeiten vermeidet. Dazu kommt die im Vergleich zum „klassischen“ Strafrecht unterschiedliche gesetzgeberische 40  Vgl. zu dieser Thematik etwa die Untersuchungen von Bensch, Begriff des Handeltreibens, S.  81 ff.; Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 129 ff.; Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 430 ff.; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn.  471 ff.; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 98 ff. und 203 ff.; Winkler, in: DAVFS, S. 394 (397 ff.). 41  Eine ähnliche Konzeption verfolgt Oğlakcıoğlu in seiner kurz vor Fertigstellung des Manuskripts veröffentlichten Dissertation; vgl. Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 31 ff. 42  Vgl. dazu etwa Kubiciel, Wissenschaft vom Besonderen Teil, S. 104 ff.

22 Einleitung

Konzeption vor allem in Bezug auf die zugrundeliegenden Rechtsgüter, welche in der Literatur häufig unter dem Schlagwort „modernes Strafrecht“ diskutiert wird.43 Diese für die Spruchpraxis in Rauschgiftsachen häufig sehr bedeutsamen Spezifika werden im Folgenden berücksichtigt, ohne dass dabei feststehende dogmatische Grundsätze aufgegeben werden. Der Begriff des Handeltreibens wird dabei nur aus Sicht des Betäubungsmittelrechts behandelt. Zwar hat das Handeltreiben mittlerweile auch Eingang in zahlreiche andere Strafvorschriften gefunden, so in § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG, § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG, §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1, 20a Abs. 1 Nr. 1 KWKG und § 18 Abs. 1 TPG. Zum Begriff in diesen Rechtsgebieten liegen schon zahlreiche Untersuchungen vor,44 welche für das Verständnis des Handeltreibens im Betäubungsmittelrecht wenig Neues ergeben haben.

D. Gang der Untersuchung Beginnen wird die Arbeit mit einer Untersuchung des Begriffs des Handeltreibens (1. Teil). Den größten Raum nimmt dabei die systematische Darstellung der aktuellen Rechtsprechung ein, wobei auch die Entwicklung der Rechtsprechung von den Anfängen des Reichsgerichts bis hin zur Entscheidung des Großen Senats nachgezeichnet wird. Ergänzt wird diese Analyse durch die Sichtweise des Begriffs in der Literatur. Es folgt ein Kapitel mit der Vorstellung der zu dieser Arbeit Anlass gebenden Rechtsprechung im Bereich Täterschaft und Teilnahme (2. Teil). Neben den seit Jahrzehnten geltenden Abgrenzungskriterien wird ein Schwerpunkt auf die sich seit 2007 entwickelnde neue Rechtsprechungslinie zum Gesamtgeschäft gelegt. Thema des folgenden Teils ist eine weitgehend negativ ausfallende Bewertung dieser Rechtsprechung, welche die Notwendigkeit einer Neuinterpretation des Handeltreibens deutlich macht (3. Teil). Im Mittelpunkt des Abschlusskapitels steht ein eigener Ansatz zur Lösung der zuvor aufgeworfenen Problematik, welcher die Figur des Gesamtgeschäfts aufnimmt, sie aber zu einer sowohl in dogmatischer als auch in praktischer Sicht vertretbaren Lösung weiterentwickelt (4. Teil).

43  Vgl. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 215; Hassemer, JuS 1992, 110 (112); Lang, BtM-Strafrecht, S. 2 und 285 ff.; Oğlakcıoğlu, in: Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts, Rn. 3. 44  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S.  26  ff.; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S.  50 ff.; Weber, Begriff des Handeltreibens, S. 107  ff.; zum Begriff im TPG Oğlakcıoğlu, HRRS 2012, 381; vgl. außerdem Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 278.

1. Teil

Der Begriff des Handeltreibens Eine Auseinandersetzung mit den Problemen von Täterschaft und Teilnahme setzt zunächst eine nähere Bestimmung des Begriffs des Handeltreibens voraus. In der über neunzigjährigen Rezeptionsgeschichte hat sich vor allem die Rechtsprechung mit dem Begriff befasst, so dass ihr Begriffsverständnis in den Mittelpunkt dieses Teils der Arbeit gestellt werden soll. Nach einer kurzen Erläuterung dazu, wann und warum der Begriff vom Gesetzgeber in die Rechtsordnung eingeführt wurde (A.), folgt eine ausführliche Darstellung des Begriffsverständnisses der Rechtsprechung (B.). In diesem Abschnitt wird nach einer kurzen Zusammenfassung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs versucht, die sehr unübersichtliche, einzelfallorientierte Judikatur systematisch zu ordnen und anhand der einzelnen Definitionsmerkmale darzustellen. In diesem Rahmen erfolgt auch eine Untersuchung des Umgangs mit allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere des Versuches, sowie eine Einordnung in die strafrechtliche Deliktstypologie. Schließlich wird auch die seit langem an der Rechtsprechung geäußerte Kritik, ihre Aufnahme im Anfrage- und Vorlageverfahren der Jahre 2003 bis 2005 und die Reaktion des Bundesverfassungsgerichts erläutert. Der folgende Abschnitt widmet sich dem Begriffsverständnis der Literatur (C.), bevor die Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu den anderen Begehungsformen erörtert wird (D.).

A. Die Aufnahme des Begriffs durch den Gesetzgeber Im Betäubungsmittelrecht wurde der Begriff des Handels erstmals in der Verordnung über den Verkehr mit Opium vom 15.12.19181 verwendet. § 2 Abs. 1 enthielt eine öffentlich-rechtliche Erlaubnispflicht für den Handel mit Betäubungsmitteln, welche in § 6 durch eine daran anknüpfende Strafvorschrift abgesichert wurde. Hintergrund dieser Regelungen war weniger der Schutz vor Betäubungsmittelabhängigkeit, als die Sicherstellung der Versorgung mit Alkaloiden, die für die Kriegsführung dringend benötigt wurden.2 1  RGBl.

S. 1447. Begriff des Handeltreibens, S. 5; Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 4.

2  Bensch,

24

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Die angesprochene Verordnung wurde schon kurz nach ihrem Inkrafttreten durch die Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln von 20.07.19203 abgelöst, in welcher sich ebenfalls eine an den Begriff des Handeltreibens anknüpfende Strafvorschrift finden lässt (§ 6 i. V. m. § 1 Abs. 1). Bereits zuvor hatte der Gesetzgeber in anderem Zusammenhang den Begriff des Handels verwendet, so in der Kettenhandelsverordnung vom 24. Juni 19164 und der Weinverordnung vom 31. August 19175. Als das Betäubungsmittelrecht mit dem Reichstagsbeschluss vom 30.12.1920 mit dem OpiumG 19206 erstmals in ein Gesetz überführt wurde, tauchte dagegen der Begriff des Handeltreibens in den Strafvorschriften nicht mehr auf.7 Die Rechtsprechung nahm dies zum Anlass, die bloße Vermittlung von Betäubungsmittelgeschäften als straflos anzusehen, da insoweit eine Gesetzeslücke vorliege.8 Dies war der Grund, warum der Begriff des Handeltreibens 1929 in das OpiumG aufgenommen wurde.9 Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 OpiumG 192910 machte sich strafbar, wer mit Stoffen und Zubereitungen ohne die nach § 3 erforderliche Erlaubnis Handel trieb. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes galt das OpiumG 1929 zunächst als vorkonstitutionelles Recht fort (vgl. Art. 123, 125, 74 Nr. 19 GG). Erst mit dem BtMG 197211 wurde das Betäubungsmittelrecht von der Bundesrepublik selbst geregelt. Dabei blieb der Begriff des Handeltreibens unverändert erhalten (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 BtMG 1972). Der Gesetzgeber hielt auch bei der Neuordnung des Betäubungsmittelrechts durch das BtMG 198212 am Begriff des Handeltreibens fest (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG 1982). Bei dieser Gelegenheit wurde der Zusatz „ohne Handel zu treiben“ eingefügt, um das Ver­ hältnis des Handeltreibens zu den nachfolgenden Tatmodalitäten gesetzlich zu klären. Die nachfolgenden gesetzlichen Änderungen, insbesondere durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15.07.199213 und die Neufassung 199414 änderten am Begriff des Handel3  RGBl.

S. 1464. S. 581. 5  RGBl. S. 751. 6  RGBl. 1921, S. 2. 7  Rahlf, in: BRAK-FS, S. 243 (244). 8  RG, Urt. v. 08.05.1929 – II 1158 / 28, RGSt 63, 161 (163). 9  Rahlf, in: BRAK-FS, S. 243 (244). 10  RGBl. I, S. 215. 11  BGBl. 1971 I, S. 2092. 12  BGBl. 1981 I, S. 681. 13  BGBl. I, S. 1302. 14  BGBl. I, S. 358. 4  RGBl.



B. Der Begriff in der Rechtsprechung25

treibens nichts, modifizierten aber die Strafandrohung und fügten zahlreiche Qualifikationstatbestände ein, welche (unter anderem) an den Begriff des Handeltreibens anknüpfen.

B. Der Begriff in der Rechtsprechung I. Rechtsprechung des Reichsgerichts Die Rechtsprechung hat dem Handeltreiben von Beginn an ein weites Verständnis zugrunde gelegt – so schon bei den mit dem Betäubungsmittelrecht nicht in Zusammenhang stehenden Entscheidungen zur Kettenhandelsverordnung vom 24. Juni 1916 und der Weinverordnung vom 31. August 1917. Nach Auffassung des RG ist der Begriff des Handeltreibens im „weitesten Sinne zu verstehen“15. Handeltreiben sei jede eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit.16 Ein ständiger Handelsbetrieb müsse nicht vorliegen, die gelegentliche Vornahme von Handelsgeschäften reiche aus.17 Die Erzielung eines Erfolgs sei nicht vonnöten, auch eine mit entsprechender Zielsetzung vorgenommene Tätigkeit erfülle den Tatbestand. Nach dem Erlass des OpiumG 1929, durch welches die bei der Vorgängerfassung aufgrund einer ablehnenden Entscheidung des Reichsgerichts18 in Frage stehende Tätigkeit des Vermittlers erneut strafrechtlich erfasst wurde, musste sich das RG wieder mit dem Begriff des Handeltreibens beschäftigten. Auch hier betonte es, dass das Handeltreiben „weitest“19 zu verstehen sei. Unter Handeltreiben falle jede eigensüchtige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, gleichviel in welcher Form und unter welchem Namen sie ausgeübt werde.20

II. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der BGH ist dieser Linie gefolgt und definierte das Handeltreiben mit wortgleichen Formulierungen: Unter Handeltreiben sei jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch die nur gelegentliche 15  RG, Urt. v. 18.01.1918 – IV 701 / 17, RGSt 51, 379 (380); ähnlich Urt. v. 23.01.1920 – II 930 / 19, RGSt 54, 94. 16  RG, Urt. v. 18.01.1918 – IV 701 / 17, RGSt 51, 379 (380); Urt. v. 17.09.1918 – IV 419 / 18, RGSt 52, 169 (170); Urt. v. 06.10.1919 – III 246 / 19, RGSt 53, 310 (316); Urt. v. 23.01.1920 – II 930 / 19, RGSt 54, 94. 17  RG, Urt. v. 28.05.1918 – IV 318 / 18, RGSt 52, 58 (61). 18  RG, Urt. v. 08.05.1929 – II 1158 / 28, RGSt 63, 161 (163). 19  RG, Urt. v. 25.04.1932 – 3 D 234 / 32, DJZ 1932, 808. 20  RG, Urt. v. 25.04.1932 – 3 D 234 / 32, DJZ 1932, 808.

26

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

oder einmalige, auch die bloß vermittelnde.21 Auch die Notwendigkeit einer weiten Auslegung betonte der BGH regelmäßig.22 Diese rechtfertige sich durch die Besonderheiten von Betäubungsmittelkriminalität, welche sich durch Arbeitsteilung und Tarnung auszeichne.23 Zur Bewältigung von Beweisschwierigkeiten sei die dargestellte Auslegung notwendig. Über Jahrzehnte hielt der BGH an diesem Verständnis fest, ohne auf die mit dem weiten Verständnis verbundenen Schwierigkeiten überhaupt einzugehen. Erst am 10. Juli 2003 wurde in der Rechtsprechung erstmals Kritik laut. Der 3. Senat zweifelte die weite Auslegung an, insbesondere im Hinblick auf deren Folgen für Handlungen, die eigentlich dem Vorbereitungsund Versuchsstadium zuzurechnen sind. Er richtete einen Anfragebeschluss an die anderen Senate, mit welchem er das Ziel verfolgte, das Handeltreiben enger zu fassen.24 Schließlich musste der Große Senat für Strafsachen entscheiden, welcher entgegen den Forderungen des 3. Senats an der überkommenen Rechtsprechungslinie festhielt.25 Im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität herrsche „regelmäßig Konspiration, Tarnung und ein organisiertes hierarchisches System [vor], das das Risiko der Entdeckung des einzelnen Täters gezielt vom kompetenten Täter höherer Ebene auf die zunehmend schwächeren Täter der unteren Ebenen“ verlagere.26 Die Konsequenz sei, dass häufig nur Einzelakte der Drogeschäfte festgestellt werden können, was ein niederschwelliges Ansetzen des Vollendungszeitpunkts notwendig mache. Obwohl diese Entscheidung in der Sache nichts änderte, ist die Rechtsprechung seit diesem Zeitpunkt in Bewegung, um die mit der weiten Tatbestandsfassung verbundenen Probleme besser in den Griff zu bekommen.

III. Der Tatbestand im Einzelnen 1. Strukturelle Überlegungen Analysiert man die Definition der Rechtsprechung strukturell, lassen sich fünf Tatbestandsmerkmale identifizieren.27 Der Gesetzestext selbst ent21  BGH,

Urt. v. 01.07.1954 – 3 StR 657 / 53, BGHSt 6, 246 (247). Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125). 23  BGH, Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259; Urt. v. 18.09.1979 – 1 StR 384 / 79 (juris), Rn. 5. 24  BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105. 25  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252; siehe dazu 1.  Teil B. V. 4. 26  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (261). 27  A. A. Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 42, welcher von drei Merkmalen spricht, dabei aber das Merkmal der Unerlaubtheit übersieht und den Betäubungs22  BGH,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung27

hält die Merkmale Betäubungsmittel und unerlaubt. Die übrigen Merkmale Tätigkeit, Umsatz und Eigennützigkeit ergeben sich aus dem Begriffsverständnis der Rechtsprechung der Gesetzesformulierung „mit ihnen Handel treibt“. Betrachtet man, wie die Rechtsprechung diese fünf Merkmale in Kontext setzt, fällt auf, dass die üblicherweise bei den anderen Tatbestandsvarianten objektiv zu verstehenden Merkmale Betäubungsmittel und unerlaubt eine subjektive Ausrichtung erhalten. Wenn Handeltreiben jede eigennützige auf den unerlaubten Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit ist, muss ein Betäubungsmittel nicht tatsächlich, objektiv vorliegen. Die Vorstellung des Täters von einem solchen Rauschmittel reicht aus. Der BGH betont in seinen Entscheidungen immer wieder, dass Betäubungsmittel nicht tatsächlich vorhanden oder für den Täter verfügbar sein müssen.28 Auch der Handel mit Scheindrogen erfüllt den Tatbestand.29 Auch das Umsatzerfordernis hat keinen objektiven Charakter. Es genügt, wenn der Täter bei seiner Tätigkeit einen Umsatz mit Betäubungsmitteln anstrebt. Da auch das letzte verbliebene Merkmal der Eigennützigkeit schon aus sich selbst heraus eine subjektive Ausrichtung hat, bleibt als objektives Merkmal allein die Tätigkeit als Tathandlung. Einen Taterfolg enthält der Tatbestand nicht, zumindest wenn man den Erfolgsbegriff in einem engeren Sinne als den Eintritt einer von der Handlung gedanklich abgrenzbaren Wirkung in der Außenwelt und nicht in einem weiteren Sinne als bloße Tatbestandserfüllung sieht.30 Der BGH hat beispielsweise wiederholt entschieden, dass es nicht zu einem konkreten Umsatzgeschäft mit Betäubungsmitteln, dessen Anbahnung oder dem Absatz von Betäubungsmitteln gekommen sein muss.31 Auch auf eine tatsächliche Förderung des erstrebten Umsatzes kommt es nicht an.32 Soweit der BGH umsatz als ein zusammengehöriges Merkmal betrachtet; hinsichtlich des Betäubungsmittelumsatzes ebenso Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S.  431 f. 28  BGH, Urt. v. 01.07.1954 – 3 StR 657 / 53, BGHSt 6, 246 (247); Urt. v. 19.04.1988 – 1 StR 76 / 88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 7. 29  BGH, Beschl. v. 18.12.2012 – 2 StR 457 / 02. 30  Vgl. zu dieser Unterscheidung Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 260. 31  BGH, Urt. v. 15.04.1980 – 5 StR 135 / 80, BGHSt 29, 239 (240); Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278): Urt. v. 19.04.1988 – 1 StR 76 / 88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 7; Beschl. v. 07.07.2006 – 2 StR 184 / 06, NStZ 2007, 100 (101); Beschl. v. 24.10.2006 – 3 StR 392 / 06, NStZ 2007, 531. 32  BGH, Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278); Urt. v. 25.10.1989 – 3 StR 313 / 89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19; ­Beschl. v. 11.06.2001 – 1 StR 111 / 01, wistra 2001, 379.

28

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

missverständlich die Formulierung verwendet, ein konkretes Geschäft müsse „angebahnt“ sein oder „laufen“,33 soll damit kein zusätzliches objektives Erfordernis statuiert, sondern lediglich beschrieben werden, wie das subjektiv anvisierte Geschäft beschaffen sein muss. Soweit der BGH in einer neueren Entscheidung das Handeltreiben daran scheitern ließ, dass die Tathandlung keine Ermöglichung oder Förderung des Umsatzgeschäfts mit sich bringe, sondern lediglich dessen Vorbereitung diene,34 wollte er nichts anderes zum Ausdruck bringen, mag die Formulierung dies auch nahelegen. Andernfalls hätte der erkennende 5. Senat eine wesentliche Grundaussage der seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsprechung quasi „nebenbei“ und ohne Beteiligung der anderen Senate außer Kraft gesetzt. Es handelt sich vielmehr um eine missverständliche, unpräzise Formulierung, wie sie dem BGH in Betäubungsmittelsachen nicht selten unterläuft. Der Täter muss nichts tun, was tatsächlich zur Verbreitung von Betäubungsmitteln führt. Ausreichend ist, wenn die Aktivitäten des Täters auf die Verbreitung des Betäubungsmittels gerichtet sind.35 Der BGH stellt selbst in zahlreichen Entscheidungen fest, dass der Tatbestand des Handeltreibens kein Erfolgsdelikt ist.36 Konsequenterweise bestraft die Rechtsprechung deshalb auch Handlungen, die überhaupt nicht zum erstrebten Betäubungsmittelumsatz führen können, wie z. B. Verhandlungen über den Verkauf von Betäubungsmitteln mit einem verdeckten Vermittler der Polizei.37 Auch ein bestimmtes Tat- oder Handlungsobjekt setzt der Tatbestand nicht voraus. Im Prinzip kann jeder Stoff oder Gegenstand Objekt der Handlung sein,38 soweit die entsprechende subjektive Ausrichtung auf Betäubungsmittelumsatz vorhanden ist. Zwar wird sich die Handlung häufig direkt auf Betäubungsmittel beziehen, notwendige Voraussetzung ist dies jedoch nicht.39 Soweit andere Autoren von einem Tatobjekt Betäubungsmit33  BGH, Beschl. v. 15.06.1994 – 3 StR 54 / 94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 43; Beschl. v. 20.06.1994 – 3 StR 150 / 94, NStZ 1994, 501; Urt. v. 30.01.2001 – 1 StR 423 / 00, NJW 2001, 1289 (1290). 34  BGH, Urt. v. 15.03.2012 – 5 StR 559 / 11, NStZ 2012, 514. 35  BGH, Urt. v. 25.10.1989 – 3 StR 313 / 89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19. 36  BGH, Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278); Urt. v. 25.10.1989 – 3 StR 313 / 89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19: Urt. v. 08.10.1991 – 1 StR 520 / 91, NJW 1992, 381 (382); Beschl. v. 06.11.1991 – 3 StR 406 / 91, NStZ 1992, 191; Urt. v. 20.08.1991 – 1 StR 273 / 91, NJW 1992, 380 (381); Beschl. v. 17.05.1996 – 5 StR 119 / 96, NStZ-RR 1997, 85; Beschl. v. 11.06.2001  – 1 StR 111 / 01, wistra 2001, 379. 37  BGH, Beschl. v. 02.12.1999 – 3 StR 479 / 99, NStZ 2000, 207 (208). 38  Weber, BtMG, § 29 Rn. 222. 39  Weber, BtMG, § 29 Rn. 223.



B. Der Begriff in der Rechtsprechung29

tel sprechen,40 leistet dies Missverständnissen Vorschub, auch wenn dabei in der Sache keine andere Auffassung zum Ausdruck gebracht werden soll. 2. Tätigkeit a) Umschreibungen der Tathandlung Die Rechtsprechung umschreibt die Tathandlung uneinheitlich. Am häufigsten gebraucht sie die Wendung einer auf den Betäubungsmittelumsatz ausgerichtete „Tätigkeit“41, aber auch die Formulierungen „Bemühungen“42, „Bemühen“43, „Bestrebungen“44, „Handlung“45 und „Verhalten“46 finden sich. Gemein ist allen Umschreibungen die Weite der Tathandlung, welche jedes beliebige Tun ausreichen lässt, soweit es auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln abzielt.47 Dass der BGH mit den verschiedenen Formulierungen keine sachlichen Unterschiede zum Ausdruck bringen will, lässt sich 40  Ebert,

Handeltreiben mit BtM, S. 13. Urt. v. 01.07.1954 – 3 StR 657 / 53, BGHSt 6, 246 (247); Urt. v. 21.02.1974 – 1 StR 588 / 73, BGHSt 25, 290 (291); Urt. v. 21.02.1979 – 2 StR 663 / 78, BGHSt 28, 308 (309); Urt. v. 15.04.1980 – 5 StR 135 / 80, BGHSt 29, 239 (240); Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278); Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Urt. v. 12.08.1986 – 1 StR 360 / 86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 4; Urt. v. 08.10.1991 – 1 StR 520 / 91, NJW 1992, 381 (382); Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (256); Beschl. v. 02.06.2006 – 2 StR 150 / 06, NStZ 2006, 577; Beschl. v. 07.07.2006 – 2 StR 184 / 06, NStZ 2007, 100 (101); Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (221); Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460; Beschl. v. 15.02.2011 – 3 StR 491 / 10, NStZ 2011, 459. 42  BGH, Urt. v. 17.07.1997 – 1 StR 791 / 96, BGHSt 43, 158 (161 f.); Beschl. v. 06.11.1991 – 3 StR 406 / 91, NStZ 1992, 191; Urt. v. 14.04.1999 – 3 StR 22 / 99, NJW 1999, 2683 (2684); Beschl. v. 02.12.1999 – 3 StR 479 / 99, NStZ 2000, 207 (208); Urt. v. 15.09.2004 – 2 StR 232 / 04, StV 2005, 271; Urt. v. 01.06.2006 – 1 StR 32 / 06, NStZ 2006, 578. 43  BGH, Beschl. v. 17.05.1996 – 5 StR 119 / 96, NStZ-RR 1997, 85; Beschl. v. 04.05.1999 – 4 StR 153 / 99, StV 1999, 428; Urt. v. 21.11.2000 – 1 StR 433 / 99, NStZ-RR 2001, 148; Urt. v. 30.01.2001 – 1 StR 423 / 00, NJW 2001, 1289 (1290); Urt. v. 03.08.2005 – 2 StR 360 / 04, StV 2005, 666 (668); Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 75 / 10, NStZ-RR 2010, 254. 44  BGH, Urt. v. 04.11.1982 – 4 StR 451 / 82, BGHSt 31, 145 (148). 45  BGH, Urt. v. 15.04.1980 – 5 StR 135 / 80, BGHSt 29, 239 (240); Urt. v. 25.10.1989 – 3 StR 313 / 89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19; Urt. v. 20.08.1991 – 1 StR 273 / 91, NJW 1992, 380 (381); Beschl. v. 11.06.2001 – 1 StR 111 / 01, wistra 2001, 379. 46  BGH, Urt. v. 26.04.1994 – 1 StR 87 / 94, NJW 1994, 2162. 47  Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 16; Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 14. 41  BGH,

30

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

schon aus der undifferenzierten Verwendung und der wechselseitigen Zitierung der Definitionswendungen ablesen. Es handelt sich daher bei den unterschiedlichen Wortschöpfungen lediglich um sprachliche Modifikationen ohne rechtlichen Gehalt. Formelhaft betont die Rechtsprechung, dass jede Tätigkeit mit der entsprechenden Zielrichtung den Tatbestand erfülle.48 Teilweise wird auch die Formulierung alle verwendet.49 b) Anforderungen an die Tathandlung Trotz der umfassenden Formulierungen hat die Rechtsprechung im Lauf der vergangenen Jahrzehnte keineswegs einheitlich und durchgängig jede Tätigkeit für das Handeltreiben ausreichen lassen. Es finden sich mehrere Versuche einzelner Senate, besondere Anforderungen an die Tathandlung zu stellen. So forderte der 3. Senat das Vorliegen eines Verhaltens, das bei natürlicher Betrachtungsweise dem Tätigkeitsbereich eines Händlers zugerechnet werden kann.50 Anlass für diese zusätzliche Anforderung war das Ansichnehmen von Betäubungsmitteln durch Diebstahl, was der Senat für den Tatbestand des Handeltreibens alleine nicht ausreichen lassen wollte. Erst eine weitere auf Veräußerung gerichtete Handlung der durch Diebstahl erlangten Betäubungsmittel sei bei natürlicher Betrachtung die Tätigkeit eines Händlers. Der 2. Senat ist dieser Rechtsprechung ausdrücklich entgegengetreten.51 Für die Annahme von Handeltreiben reiche bereits die bloße Inbesitznahme von Betäubungsmitteln aus, wenn mit dieser eine umsatzfördernde Handlung vorgenommen werde oder eine solche Handlung zumindest beabsichtigt sei.52 Knapp zehn Jahre später hat sich auch der 3. Senat zumindest vom Ergebnis seiner ursprünglichen Entscheidung distanziert.53 Er folgt nun der Rechtsprechung des 2. Senats, dass schon die Inbesitznahme eines Betäubungsmittels mit der Absicht, dieses gewinnbringend zu verwerten, als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln angesehen werden kann. Allerdings erwähnt der Senat auch in dieser Entscheidung das Bild des Tätigkeitsbereichs eines Händlers. Im Unterschied zu seiner vorherigen Entscheidung geht er jedoch nunmehr davon aus, dass es auch dem Bild eines Händlers entspricht, wenn sich der Täter die Betäubungsmittel durch eine strafbare Handlung ver48  Siehe

49  BGH,

02.06.2006 50  BGH, 51  BGH, 52  BGH, 53  BGH,

die Urteile in Fn. 41 dieses Teils der Arbeit. Urt. v. 04.11.1982 – 4 StR 451 / 82, BGHSt 31, 145 (148); Beschl. v. – 2 StR 150 / 06, NStZ 2006, 577. Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278 f.). Urt. v. 20.01.1982 – 2 StR 593 / 81, BGHSt 30, 359 (361 f.). Urt. v. 20.01.1982 – 2 StR 593 / 81, BGHSt 30, 359 (360 f.). Urt. v. 23.09.1992 – 3 StR 275 / 92, NStZ 1993, 44 (45).



B. Der Begriff in der Rechtsprechung31

schaffe. Dennoch taucht das diskutierte Erfordernis bis zum heutigen Tag in keiner anderen Entscheidung des BGH auf und das, obwohl das Kriterium bei konsequenter Anwendung durchaus zur einer Herauslösung zahlreicher für den Handel untypischer Fälle führen könnte.54 Um eine solche Herauslösung zu erreichen, müsste es zunächst gelingen, dem Erfordernis scharfe Konturen zu verleihen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Vorhabens sind angesichts der Schwammigkeit der Formulierung jedoch zweifelhaft.55 Insgesamt muss konstatiert werden, dass sich die Auffassung des 3. Senats in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt hat.56 Ein weiterer Versuch strengere Anforderungen an die Tathandlung zu stellen, ergibt sich aus einer Entscheidung aus dem Jahr 1982. Dort forderte der BGH eine Tätigkeit, die das Rauschgift auf dem Weg zum Konsumenten weiterbringt.57 Im konkreten Fall war nicht auszuschließen, dass der am Rauschgiftgeschäft mitwirkende Angeklagte ernsthaft mit einem Eingreifen der Polizei gerechnet und nur im Vertrauen darauf das Geschäft gefördert hatte. Da der Straftatbestand des Handeltreibens als „missbilligter Erfolg“ einen Vorgang voraussetze, der das Rauschgift auf dem Weg zum Konsumenten weiterbringe, sei der Vorsatz ausgeschlossen, soweit der Handelnde sich lediglich einen Umsatz vorstelle, durch den die Betäubungsmittel der Polizei in die Hände gespielt und damit aus dem Verkehr gezogen werden.58 Unabhängig davon, ob sich dieser Entscheidung objektive Einschränkungen entnehmen lassen oder ob sie lediglich spezielle Anforderungen an den Vorsatz formuliert,59 ist sie jedenfalls eine nicht verallgemeinerungsfähige Einzelfallentscheidung geblieben.60 In keinem weiteren Urteil findet sich das genannte Erfordernis. Der Bundesgerichtshof betont vielmehr in zahlreichen Entscheidungen seine Auffassung, Handeltreiben sei kein Erfolgsdelikt.61 Einen über die auf den Betäubungsmittelumsatz abzielende Tätigkeit hinausgehenden Erfolg fordert er ausdrücklich nicht. 54  Die praktische Bedeutung bezweifelnd aber Wienroeder, in: Franke / Wien­ roeder, BtMG, § 29 Rn. 30. 55  In diese Richtung auch Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 299. 56  So ausdrücklich auch der 3. Senat selbst in BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3  StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105 (107). 57  BGH, Beschl. v. 03.06.1981 – 2 StR 235 / 81, StV 1981, 549. 58  BGH, Beschl. v. 03.06.1981 – 2 StR 235 / 81, StV 1981, 549. 59  In diese Richtung Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 71 mit Verweis darauf, dass der BGH ansonsten eine Versuchsstrafbarkeit hätte annehmen müssen. 60  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 34  f. (Fn. 113) und 169; ähnlich Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 140 f. 61  BGH, Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278); Urt. v. 08.10.1991 – 1 StR 520 / 91, NJW 1992, 381 (382); Beschl. v. 06.11.1991 – 3 StR 406 / 91, NStZ 1992, 191.

32

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Keine Rolle spielt auch die Häufigkeit der Tathandlung. Ob die Tätigkeit einmalig, gelegentlich oder regelmäßig erfolgt hat keine Bedeutung.62 Ein ständiger Umgang mit Betäubungsmitteln oder ein auf Dauer ausgerichteter Geschäftsbetrieb wird nicht vorausgesetzt.63 Gewerbsmäßigkeit muss beim Handeltreiben nicht vorliegen, sondern charakterisiert als Regelbeispiel gem. § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BtMG einen besonders schweren Fall.64 Möglicherweise sind aber Einschränkungen in Fällen zu machen, in denen es sich um eine völlig untergeordnete Tätigkeit handelt. Der BGH hat mehrfach im Zusammenhang mit der Möglichkeit des Handeltreibens durch Förderung fremder Umsatzgeschäfte erklärt, dass es sich dabei nicht um völlig untergeordnete Tätigkeiten handeln dürfe.65 Dies ist in der Literatur vereinzelt so aufgenommen worden, dass der BGH bereits tatbestandlich völlig untergeordnete Tätigkeiten dem Begriff des Handeltreibens entziehen möchte.66 Dies überzeugt aber nicht, denn die Formulierung dient ersichtlich nur der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme.67 Dies zeigt sich schon in der ausschließlichen Verwendung in Zusammenhang mit der Förderung fremder Umsatzgeschäfte, in Fällen also, in denen die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme problematisch ist. In anderen Entscheidungen hat der BGH mehrfach explizit die Formulierung „untergeordnete Tätigkeit“ als Abgrenzungskriterium zwischen Täterschaft und Teilnahme verwendet.68 Wenn der BGH die Formulierung aber als ein solches Abgrenzungskriterium gebraucht, muss er zuvor denklogisch die entsprechende Tätigkeit tatbestandlich unter Handeltreiben gefasst haben. Es handelt sich daher nicht um eine tatbestandliche Einschränkung. 62  BGH, Urt. v. 01.07.1954 – 3 StR 657 / 53, BGHSt 6, 246 (247); Urt. v. 15.04.1980 – 5 StR 135 / 80, BGHSt 29, 239 (240); Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278); Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Beschl. v. 02.06.2006 – 2 StR 150 / 06, NStZ 2006, 577. 63  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 45; Weber, BtMG, § 29 Rn. 243; Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, BtMG, § 29 Rn. 27. 64  Weber, BtMG, § 29 Rn. 204. 65  BGH, Urt. v. 15.04.1980 – 5 StR 135 / 80, BGHSt 29, 239 (240); Beschl. v. 01.07.1988 – 2 StR 330 / 88, NStZ 1988, 507; Urt. v. 28.11.1990 – 3 StR 395 / 90, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 25. 66  Malek, BtM-Strafrecht, 2. Kapitel Rn. 91; Schwitters, Vorverlagerung beim Handeltreiben, S.  33 ff.; Strate, ZRP 1987, 314 (316). 67  Weber, BtMG, § 29 Rn. 245. 68  BGH, Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Beschl. v. 21.07.1993 – 2 StR 331 / 93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39; Beschl. v. 20.12.2000 – 2 StR 468 / 00, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 56; Beschl. v. 15.10.2002 – 3 StR 340 / 02, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 58; Beschl. v. 06.02.2004 – 2 ARs 276 / 03, NStZ-RR 2004, 183 (184).



B. Der Begriff in der Rechtsprechung33

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Rechtsprechung keine besonderen Anforderungen an die Tathandlung stellt, die über das Erfordernis „jede Tätigkeit“ hinausgehen. c) Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen Dementsprechend vielfältig gestalten sich die Erscheinungsformen des Handeltreibens, die der BGH als Tätigkeit hat ausreichen lassen. Abgesehen vom klassischen Fall, welcher sich der juristische Laie unter Handeltreiben vorstellen dürfte, nämlich dem Verkauf von Betäubungsmitteln in Gewinnabsicht, unterfallen zahllose andere Sachverhalte der weiten Fassung der Tathandlung. Da sind zunächst die übrigen Tathandlungen des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG zu nennen, soweit diese in der Absicht durchgeführt werden, eigennützig Betäubungsmittelumsatz zu erzielen. Dies gilt für das Anbauen69, Herstellen70, Einführen71, Ausführen72, Erwerben73 und das Sich-Verschaffen74. Nicht als Tathandlungen in Frage kommen nur das Abgeben und das sonstige Inverkehrbringen. Ersteres erfordert definitionsmäßig eine Übertragung ohne Gegenleistung und kann daher nicht eigennützig erfolgen.75 Zweiteres erlangt nur Relevanz bei der nicht einverständlichen Übertragung. Bei einer solchen ist aber eine Ausrichtung auf Betäubungsmittelumsatz denklogisch ausgeschlossen.76 Daneben können auch andere Tathandlungen des § 29 Abs. 1 S. 1 BtMG mit entsprechender Zielrichtung Handeltreiben darstellen, etwa das Besitzen77 (Nr. 3), Durchführen (Nr. 5), Werben (Nr. 8) sowie das Bereitstellen von Geldmitteln oder anderen Vermögensgegenständen78 (Nr. 13). Die genannten Tatmodalitäten gehen dann 69  BGH, Beschl. v. 12.01.2005 – 1 StR 476 / 04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4; Urt. v. 27.07.2005 – 2 StR 192 / 05, NStZ 2006, 578 (578 f.). 70  BGH, Beschl. v. 01.07.1988 – 2 StR 330 / 88, NStZ 1988, 507; Beschl. v. 02.11.1988 – 2 StR 571 / 88, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 3. 71  BGH, Beschl. v. 02.08.1988 – 5 StR 221 / 88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 2. 72  BGH, Beschl. v. 03.08.1988 – 2 StR 357 / 88, NStZ 1988, 496 (497). 73  BGH, Urt. v. 18.03.1981 – 3 StR 68 / 81 (juris), Rn. 4. 74  BGH, Urt. v. 20.01.1982 – 2 StR 593 / 81, BGHSt 30, 359 (360 f.). 75  Vgl. dazu Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 8 Rn. 3. 76  Vgl. dazu Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 974. 77  BGH, Urt. v. 21.02.1974 – 1 StR 588 / 73, BGHSt 25, 290 (291); Urt. v. 18.03.1981 – 3 StR 68 / 81 (juris), Rn. 4; Urt. v. 02.01.1990 – 1 StR 642 / 89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 20; Urt. v. 29.08.1990 – 3 StR 184 / 90, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 23; Urt. v. 23.09.1992 – 3 StR 275 / 92, NStZ 1993, 44. 78  BGH, Beschl. v. 08.02.1995 – 2 StR 739 / 94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 13 Bereitstellen 1.

34

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

als rechtlich unselbstständige Teilakte des Gesamtgeschehens im Handeltreiben auf und werden zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst.79 Darüber hinaus sind zahlreiche andere Tätigkeiten als Tathandlung denkbar, seien sie im Produktions- oder Vertriebsprozess angesiedelt. Auch Zahlungsvorgänge sind noch vom Handeltreiben umfasst.80 Auch lediglich mündliche Äußerungen können den Tatbestand erfüllen. Die Literatur spricht hier von „verbalem Handeltreiben“81. Meist geht es in diesem Zusammenhang etwa um das Anbieten von Betäubungsmitteln, die Erwerbsbekundung oder, allgemeiner formuliert, um das Führen von Verkaufsverhandlungen.82 Es spielt dabei keine Rolle, ob es tatsächlich zu Umsatzgeschäften kommt, ob der Täter über das angebotene Rauschgift verfügt und ob er eine gesicherte Lieferantenzusage hat.83 Auch reine Hilfstätigkeiten können unter das Handeltreiben fallen,84 da die Rechtsprechung keine Tätigung eigener Umsatzgeschäfte fordert. Auch die eigennützige Förderung fremder Verkäufe erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens,85 z. B. durch Vermittlung86 oder Beförderung der Betäubungsmittel (Kuriertätigkeit)87. Die niedrigen objektiven Anforderungen führen teilweise zu kuriosen Ergebnissen, wenn man sich klarmacht, dass schon die Begrüßung per Handschlag oder das Anbieten einer Zigarette 79  Vgl. dazu etwa Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 16; Malek, BtM-Strafrecht, 2. Kapitel Rn. 89. 80  BGH, Beschl. v. 05.11.1991 – 1 StR 361 / 91, NStZ 1992, 495; Urt. v. 17.07.1997 – 1 StR 791 / 96, BGHSt 43, 158 (162); Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. 81  Eberth / Müller / Schütrumpf, Verteidigung in Betäubungsmittelsachen, S.  28; ähnlich Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 328. 82  Vgl. etwa BGH, Urt. v. 01.07.1954 – 3 StR 657 / 53, BGHSt 6, 246 (247); Urt. v. 12.08.1986 – 1 StR 360 / 86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 4; Urt. v. 15.03.1995 – 2 StR 15 / 95, NStZ-RR 1996, 48; Urt. v. 15.09.2004 – 2 StR 232 / 04, StV 2005, 271; Beschl. v. 07.07.2006 – 2 StR 184 / 06, NStZ 2007, 100 (101); außerdem Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 44; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 328. 83  BGH, Beschl. v. 02.12.1999 – 3 StR 479 / 99, NStZ 2000, 207; Urt. v. 15.09.2004 – 2 StR 232 / 04, StV 2005, 271. 84  BGH, Beschl. v. 04.03.1993 – 4 StR 69 / 93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36. 85  BGH, Urt. v. 15.04.1980 – 5 StR 135 / 80, BGHSt 29, 239 (240); Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Urt. v. 16.10.1990 – 4 StR 414 / 90, NStZ 1991, 91; Beschl. v. 02.06.2006 – 2 StR 150 / 06, NStZ 2006, 577. 86  BGH, Urt. v. 25.10.1989 – 3 StR 313 / 89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19. 87  Exemplarisch BGH, Beschl. v. 04.03.1993 – 4 StR 69 / 93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36.



B. Der Begriff in der Rechtsprechung35

mit der Absicht, im darauffolgenden Gespräch Betäubungsmittel anzubieten, ausreichen kann.88 3. Umsatz Die dargelegte Weite des objektiven Tatbestands wird zumindest teilweise durch subjektive Anforderungen wieder eingeschränkt.89 Den Charakter des Handeltreibens bekommt die Tätigkeit dadurch, dass der Täter mit ihrer Vornahme Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln anpeilt bzw. fördern möchte. Der Umsatz mit Betäubungsmitteln ist der zentrale Bezugsbegriff, sowohl für die objektiv geforderte Tätigkeit, als auch für die später erörterte Eigennützigkeit. a) Umsatz als subjektives Merkmal Betrachtet man die Definitionswendungen der Rechtsprechung, so ist die (rein) subjektive Interpretation des Umsatzerfordernisses keineswegs selbstverständlich. Zwar ist in der Rechtsprechung eindeutig geklärt, dass es nicht tatsächlich zu einem Umsatz mit Betäubungsmitteln gekommen sein muss.90 Eine andere nicht eindeutig geklärte Frage ist aber, ob sich der Umsatzwillen in der Tathandlung manifestieren muss. So definiert der BGH das Handeltreiben in der Entscheidung des Großen Senats als „jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit“91. In anderen Entscheidungen wird von „Bemühungen, die darauf gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern“92 oder von einer „den Umsatz des Betäubungsmittels fördernde[n] Hand­ lung“93, gesprochen. All diese Formulierungen legen durchaus den Schluss nahe, dass die Tathandlung selbst auf Umsatz zielen bzw. eine Zielrichtung objektiv erkennen lassen muss. Diesen Eindruck verstärkt der BGH durch Formulierungen wie es genüge, „wenn die im Rahmen des Handeltreibens entfaltete Tätigkeit, auf die Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere abzielt“94. Auch das BVerfG spricht von der Vor88  Patzak,

in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 71. Handeltreiben mit BtM, S. 15. 90  Siehe dazu die allgemeine Strukturierung in 1. Teil B. III. 1. 91  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (256). 92  BGH, Urt. v. 17.07.1997 – 1 StR 791 / 96, BGHSt 43, 158 (161 f.). 93  BGH, Urt. v. 20.08.1991 – 1 StR 273 / 91, NJW 1992, 380 (381). 94  BGH, Urt. v. 20.08.1991 – 1 StR 273 / 91, NJW 1992, 380 (381); ähnlich Beschl. v. 11.06.2001 – 1 StR 111 / 01, wistra 2001, 379; Urt. v. 15.03.2012 – 5 StR 559 / 11, NStZ 2012, 514. 89  Ebert,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

nahme von Handlungen, in denen das subjektive Ziel (Umsatz-)Geschäfte abzuwickeln, seinen Niederschlag findet.95 Auf Grundlage dieser Wortwahl wäre durchaus eine Auslegung möglich, nach der sich der subjektive Wille, Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln zu tätigen, objektiv in der Tathandlung manifestieren muss. Eine solche dogmatische Konstruktion ist von der Zueignung im Rahmen des Unterschlagungstatbestandes (§ 246 StGB) bekannt. Der BGH ist allerdings einem solchen Verständnis in mehreren Entscheidungen der 80er Jahre explizit entgegengetreten.96 Darin stellt er klar, dass er keine besonderen Anforderungen bezüglich der Erkennbarkeit der Zielrichtung nach außen stellen möchte. So müsse die Tätigkeit nicht nach außen sichtbar auf die Veräußerung der Ware gerichtet sein.97 Es genüge, wenn der Täter nach seiner Vorstellung eine umsatzfördernde Maßnahme vorgenommen habe.98 Neuere Judikate äußern sich zwar nicht ausdrücklich zu dieser Thematik, lassen jedoch erkennen, dass es dem BGH ausreicht, wenn die Zielrichtung den Umständen und nicht der Tathandlung selbst entnommen werden kann. Exemplarisch genannt sei eine der Konstellationen, mit denen sich der Große Senat bei seiner Entscheidung aus dem Jahr 2005 auseinanderzusetzen hatte.99 Der Angeklagte bemühte sich dort, bei zwei Dealern 50 g Kokain zu erwerben. Diese erklärten sich aber nicht bereit zu liefern. Der BGH wertete dies als einen Versuch des Handeltreibens.100 Aus der Tathandlung selbst, nämlich der Erklärung, 50 g Kokain erwerben zu wollen, ergibt sich der Wille, damit Umsatz mit Betäubungsmitteln zu erzielen, nicht. Der Täter könnte die Betäubungsmittel genauso gut für den Eigenkonsum erwerben wollen. Die vom Instanzgericht ausdrücklich festgestellte Absicht des gewinnbringenden Weiterverkaufs kann sich hier nur aus den Einlassungen des Angeklagten oder aus den Umständen ergeben, z. B. aus der großen Menge der nachgefragten Betäubungsmittel. Würde der BGH tatsächlich verlangen, dass sich der Wille, Umsatz zu erzielen, objektiv in der Tathandlung manifestieren muss, hätte er hier keinen Versuch des Handeltreibens annehmen dürfen. 95  BVerfG,

Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193. Urt. v. 20.01.1982 – 2 StR 593 / 81, BGHSt 30, 359 (360 f.); Urt. v. 27.06.1984 – 3 StR 143 / 84 (juris), Rn. 4; in diese Richtung auch Urt. v. 18.03.1981 – 3 StR 68 / 81 (juris), Rn. 4; vgl. dazu außerdem BayObLG, Urt. v. 14.02.1995 – 4  St RR 198 / 94, BayObLGSt 1995, 27 (29). 97  BGH, Urt. v. 20.01.1982 – 2 StR 593 / 81, BGHSt 30, 359 (360 f.); Urt. v. 27.06.1984 – 3 StR 143 / 84 (juris), Rn. 4. 98  BGH, Urt. v. 18.03.1981 – 3 StR 68 / 81 (juris), Rn. 4. 99  Vgl. BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252; außerdem das Endurteil des 3. Senats in BGH, Urt. v. 15.12.2005 – 3 StR 243 / 02, StV 2006, 136. 100  BGH, Urt. v. 15.12.2005 – 3 StR 243 / 02, StV 2006, 136. 96  BGH,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung37

Noch deutlicher zeigt sich das in den Fällen, in denen die Rechtsprechung an den Besitz bzw. die Inbesitznahme von Betäubungsmitteln angeknüpft hat.101 Aus dem Besitz oder der Inbesitznahme allein kann sich objektiv nie ergeben, dass der Betreffende Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln tätigen möchte. Vielmehr sind solche Handlungen objektiv mehrdeutig. Deshalb ist mit der Kommentarliteratur102 davon auszugehen, dass nach der Rechtsprechung eine äußere Manifestation des Umsatzwillens nicht erforderlich ist. b) Begriff des Umsatzes Bei einer Durchsicht der Entscheidungen des BGH fällt auf, dass sich dieser bisher kaum mit dem Inhalt des Umsatzbegriffs beschäftigt hat. Umsatz wird von ihm, wenn überhaupt, in Zusammenhang mit der Tathandlung näher konkretisiert. Eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit ist nach dem BGH dahingehend zu verstehen, dass diese „die einverständliche Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere zum Endziel haben muß“103. Erforderlich ist somit das Abzielen auf eine einverständliche Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere. Die übertragende Person muss dabei keineswegs der Handelnde selbst sein. Es kann sich um eine andere Person handeln, die sich nach Vorstellung des Täters um die einverständliche Übertragung kümmern soll. Der Begriff „einverständliche Übertragung“ ist dabei, an zivilrechtlichen Kategorien gemessen, irreführend. Eine Übertragung kann sich rein begriffsmäßig nur auf etwas beziehen, das vor und nach dem Übertragungsvorgang gleich bleibt. Zivilrechtlich erwirbt der neue Besitzer aber nicht den Besitz des Übergebers, sondern begründet neuen Besitz.104 Davon abgesehen ist die Formulierung „einverständliche Übertragung“ schon unnötig gedoppelt, setzt doch eine dazu Weber, BtMG, § 29 Rn. 487 ff. in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 368; Weber, BtMG, § 29 Rn. 207, 283, 492; Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, BtMG, § 29 Rn. 26; vgl. außerdem Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 15 f. und Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 44. Zwar finden sich selbst in der Kommentarliteratur Formulierungen wie „auf die eigennützige Förderung des Umsatzes eines BtM haben die Tathandlungen abzuzielen“ (Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 364), diese sind aber wohl eher durch eine unpräzise Wortwahl zu erklären, als dass sie tatsächlich eine Aussage im genannten Sinne enthalten sollen. 103  BGH, Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278); Urt. v. 23.08.1989 – 3 StR 120 / 89, BGHR BtMG  § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 18; Urt. v. 25.10.1989 – 3 StR 313 / 89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19; Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris), Rn. 14; ähnlich Urt. v. 12.05.1993 – 3  StR 2 / 93, BGHSt 39, 216 (219). 104  Joost, in: MK-BGB, § 854 Rn. 30. 101  Vgl.

102  Rahlf,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Übertragung begriffsnotwendig selbst voraus, dass sie mit Einverständnis erfolgt.105 Jenseits dieser nuancierten Begriffsanalyse dürfte es dem BGH entscheidend darauf ankommen, dass bei der Übergabe von Betäubungsmitteln Einverständlichkeit vorliegt. Wie Rahlf zutreffend herausgearbeitet hat,106 legt der BGH dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln damit einen anderen Umsatzbegriff zugrunde, als man ihn im UStG findet. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterfallen der Umsatzsteuer u. a. Umsätze, die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Verkürzt für den Zweck des Betäubungsmittelrechts kann man formulieren, dass Umsatz die Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt bedeutet.107 Lieferung wird in § 3 Abs. 1 UStG als die Verschaffung der Verfügungsmacht über den Gegenstand an den Abnehmer legaldefiniert. Der Unterschied zum obigen Begriffsverständnis beim Handeltreiben liegt im Verzicht auf das Erfordernis „gegen Entgelt“. Dieser nicht unerhebliche Unterschied überrascht zunächst, da Umsatz im umgangssprachlichen Sinne wohl kaum ohne Entgelt verstanden werden kann. Fordert man lediglich die einverständliche Übertragung von einer Person auf eine andere, fallen z. B. auch Schenkungen unter den Begriff des Umsatzes. Abgemildert wird diese Feststellung zwar bei Berücksichtigung des Merkmals der Eigennützigkeit. Denn eigennützig handelt nach dem Verständnis des BGH derjenige, welcher vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird.108 Häufig wird sich der Eigennutz aus der Bezahlung bei der Übergabe des Betäubungsmittels ergeben, so dass eine Übertragung gegen Entgelt vorliegt. Soweit es aber um andere persönliche Vorteile geht, läuft das Entgelterfordernis leer. Außerdem muss Eigennützigkeit bei Teilnehmern nicht vorliegen. Es ist nur eine Kenntnis der Eigennützigkeit des Haupttäters erforderlich. Es macht demzufolge durchaus einen Unterschied, ob man unter dem Betäubungsmittelumsatz eine Übertragung gegen Entgelt versteht oder nicht. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der später zu erörternden Fragen, die das Umsatzgeschäft als Bezugsbegriff für die Abgrenzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung sowie Täterschaft und Teilnahme betreffen. Der Umsatzbegriff des BGH hat die Konsequenz, dass die Abgrenzung zur Abgabe alleine über das Merkmal der Eigennützigkeit erfolgt. Die Abgabe wird von der Rechtsprechung definiert als die Übertra105  Rahlf,

in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 367. in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 365 ff. 107  Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 367. 108  BGH, Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 75 / 10, NStZ-RR 2010, 254; siehe 1. Teil B. III. 6. 106  Rahlf,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung39

gung der tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über das Betäubungsmittel frei verfügen kann.109 Reicht auch für den Umsatz beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eine Übertragung ohne Entgelt aus, kann die Abgrenzung nur noch über die Gegenleistung erfolgen, welche bei Beurteilung der Eigennützigkeit die entscheidende Rolle spielt. Ganz offenkundig nicht verlangt wird eine einverständliche Übertragung an den Endkunden. Wenn jede einverständliche Übertragung von einer Person auf eine andere ausreichend sein soll, ist z. B. auch der Verkauf von Betäubungsmitteln an einen Zwischenhändler als Umsatzgeschäft anzusehen. In der Literatur wird teilweise verlangt, dass es sich um eine rechtsgeschäftliche Übertragung handeln müsse.110 Was genau darunter verstanden werden soll, bleibt jedoch offen. Nicht erforderlich ist, dass der Täter eigenen Umsatz tätigen möchte. Auch die Bezugnahme auf fremde Umsatzgeschäfte ist ausreichend, soweit das Erfordernis der Eigennützigkeit gewahrt ist.111 Gerade in diesen Fällen stellen sich besondere Probleme bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Fraglich ist schließlich, welche subjektive Qualität die Ausrichtung auf den Umsatz haben muss. Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage bisher nicht explizit geäußert. In der Kommentarliteratur ist man sich uneinig, ob Absicht112 oder Eventualvorsatz113 genügt. Auch in der Rechtsprechung findet sich keine einheitliche Linie. Einerseits hat sie in Fällen, in denen der Täter die Betäubungsmittel der Polizei in die Hände spielen und damit die Herausnahme der Betäubungsmittel aus dem Geschäftskreislauf erreichen will, das Handeltreiben am Umsatzerfordernis scheitern lassen.114 Dem könnte man ein Absichtserfordernis entnehmen, da solche Täter in der Regel das Risiko des Scheiterns ihrer Bemühungen, Betäubungsmittel dem Geschäftskreislauf zu entziehen, billigend in Kauf nehmen dürften. Andererseits betont der erkennende Senat in dieser Entscheidung, dass es dem Täter „ausschließlich“115 darauf ankomme, der Polizei Hinweise zu liefern. Dies 109  BGH,

Beschl. v. 29.09.1998 – 4 StR 403 / 98, NStZ-RR 1999, 89. BtMG, § 29 Rn. 247. 111  BGH, Urt. v. 15.04.1980 – 5 StR 135 / 80, BGHSt 29, 239 (240); Urt. v. 16.10.1990 – 4 StR 414 / 90, NStZ 1991, 91. 112  Eberth / Müller / Schütrumpf, Verteidigung in Betäubungsmittelsachen, S. 28 f.; Joachimski / Haumer, BtMG, § 29 Rn. 32; Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 172; in diese Richtung auch Weber, BtMG, § 29 Rn. 284 f. 113  Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, BtMG, § 29 Rn. 39; wohl auch Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 394 ff. 114  BGH, Beschl. v. 21.06.2007 – 3 StR 216 / 07, NStZ 2008, 41. 115  BGH, Beschl. v. 21.06.2007 – 3 StR 216 / 07, NStZ 2008, 41. 110  Weber,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

lässt ein billigendes In-Kauf-Nehmen schon wieder fraglich erscheinen. Völlig verwirrt lässt der BGH den Rechtsanwender in einer neuen Entscheidung zur gleichen Thematik zurück, in der er zwar einerseits betont, dass eine Strafbarkeit ausscheide, wenn die Betäubungsmittel der Polizei in die Hände gespielt werden sollen, aber im konkreten Fall doch eine Strafbarkeit annimmt. Letzteres rechtfertigt er mit dem Verweis darauf, dass der Angeklagte „nicht die erforderliche Sorgfalt eingehalten“116 habe, um ein Gelangen der Betäubungsmittel in den Handel zu verhindern. Damit versucht er nichts anderes, als mit Fahrlässigkeitskriterien Vorsatz zu begründen. c) Bestimmtes Umsatzgeschäft Nach der Rechtsprechung muss ein Täter auf ein hinreichend bestimmtes Umsatzgeschäft abzielen. Dies hat sie in zahlreichen Entscheidungen durch unterschiedliche Formulierungen und in verschiedenen Kontexten immer wieder gefordert. Dabei ist allerdings häufig nicht eindeutig, ob sie mit dem Bestimmtheitserfordernis eine Einschränkung auf objektiver oder subjektiver Ebene machen möchte. Teilweise soll die Bestimmtheit bzw. Konkretisierung des Umsatzgeschäfts wohl der Abschichtung von Vorbereitungs- und Versuchskonstellationen dienen, etwa wenn der BGH ausführt, dass ein hinreichend konkreter Bezug zur Tat fehle.117 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der BGH generell häufig das Merkmal des Umsatzes missverständlich objektiv umschreibt, obwohl er von einem subjektiven Verständnis ausgeht. An dieser Stelle sind die Fälle von Interesse, in welchen die Rechtsprechung die Voraussetzungen für das subjektiv anvisierte Umsatzgeschäft machen möchte. Entscheidungen, in denen sich der Täter zwar ein hinreichend bestimmtes Umsatzgeschäft vorstellt, aber objektiv lediglich eine Handlung vornimmt, die im Vorbereitungs- und Versuchsstadium anzusiedeln ist, sollen später behandelt werden.118 Dabei hilft es wenig, auf die vom BGH verwendeten Begrifflichkeiten („hinreichend konkretes Umsatzgeschäft“, „Vorbereitungshandlung“) zu achten. Eine Differenzierung dieser beiden unterschiedlichen Kategorien hat allein danach zu erfolgen, ob die Rechtsprechung objektive oder subjektive Einschränkungen machen möchte. Ein subjektiv nicht hinreichend konkretisiertes Umsatzgeschäft liegt beispielsweise vor, wenn der Täter bloße Voranfragen und allgemeine Angebote abgibt.119 Erst wenn eine bestimmte Bestellung aufgegeben wird, dürfte 116  BGH,

Urt. v. 08.06.2011 – 1 StR 13 / 11 (juris), Rn. 16 f. Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392 (393). 118  Siehe 1. Teil B. III. 7. 119  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 54. 117  BGH,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung41

das erforderliche Maß der Bestimmtheit erreicht sein. Bei Reisen ins Ausland in einen Coffee-Shop ohne Vereinbarung mit dem Inhaber und Konkretisierung der Menge fehlt es z. B. an einem hinreichend bestimmten Umsatzgeschäft.120 Gleiches gilt, wenn es lediglich um die Lieferung von Grundstoffen geht. In zwei jüngeren Entscheidungen121 hat der BGH die Notwendigkeit betont, dass „Tätigkeiten erfolgen, die auf die Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäftes mit Betäubungsmitteln zielen“. Umsatzgeschäft sei bei der Lieferung eines Grundstoffes zunächst allein der Verkauf desselben. Ein konkret genug ins Auge gefasstes Umsatzgeschäft mit Betäubungsmitteln könne zumindest dann nicht angenommen werden, wenn an dem gelieferten Grundstoff weitere Veränderungen vorgenommen werden müssten. Ein alleintäterschaftliches Handeltreiben scheide beim Grundstoffhändler aus. Er könne lediglich Mittäter und Teilnehmer der Tat seines Kunden, des Betäubungsmittelhändlers, sein. Dafür sei nicht ausreichend, wenn der Beteiligte nur allgemein wisse, dass der Stoff im Rahmen des Umsatzes von Betäubungsmitteln verwendet werden soll. Ähnlich hat dies die Rechtsprechung auch schon in einem älteren, ähnlich gelagerten Fall122 gesehen. Danach soll das bloße Wissen der Verwendung des Grundstoffs im Rahmen von Betäubungsmittelgeschäften nicht ausreichen, wenn die entfaltete Tätigkeit nicht darauf abzielt, ein in Gang befindliches konkretes Umsatzgeschäft mit Betäubungsmitteln zu fördern. Das Abzielen auf ein bestimmtes Umsatzgeschäft hat der BGH auch in einer Entscheidung123 verlangt, in der es um die Beschaffung eines Drogenschmugglerfahrzeugs ging, ohne dass dabei konkrete Rauschgiftgeschäfte in Rede gestanden wären. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln setze Tätigkeiten voraus, „die auf die Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäfts mit Betäubungsmitteln zumindest in dem Sinne zielen, dass ein konkretes Geschäft ‚angebahnt‘ ist oder ‚läuft‘ “124. Auf dieser Linie liegt die Entscheidung des Großen Senates, in welcher betont wird, dass ein wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen Vorbereitung, 120  BGH,

Beschl. v. 14.05.1996 – 1 StR 245 / 96, NStZ 1996, 507 (508). Urt. v. 25.10.2001 – 4 StR 208 / 01, BGHSt 47, 134 (136); Urt. v. 03.08.2005 – 2 StR 360 / 04, StV 2005, 666 (668). 122  BGH, Urt. v. 23.04.1993 – 3 StR 145 / 93, NStZ 1993, 444; in diese Richtung auch Beschl. v. 20.06.1994 – 3 StR 150 / 94, NStZ 1994, 501; Beschl. v. 13.05.1998 – 2 StR 491 / 97, BGHR BtMG § 29 Abs. 6 Handeltreiben 1; Beschl. v. 04.04.2006 – 3 StR 91 / 06, NStZ 2007, 102 (103). 123  BGH, Urt. v. 30.01.2001 – 1 StR 423 / 00, NJW 2001, 1289 (1290). 124  BGH, Urt. v. 30.01.2001 – 1 StR 423 / 00, NJW 2001, 1289 (1290); ähnliche Formulierungen finden sich in Beschl. v. 20.06.1994 – 3 StR 150 / 94, NStZ 1994, 501. 121  BGH,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Versuch und Vollendung die Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat sei.125 Wie genau das Umsatzgeschäft bestimmt bzw. konkretisiert sein muss, hat der BGH bisher nicht allgemein beschrieben. Dabei ist dies gerade für die Praxis von besonderer Bedeutung, weil sich daraus ableiten lässt, welche konkreten Feststellungen das Tatgericht treffen muss. In der Rechtsprechung findet sich, soweit ersichtlich, nur eine Äußerung des OLG München zu diesem Thema. Danach können aus dem bloßen Auffinden von Betäubungsmitteln und deren Aufbewahrungsgegenständen keine hinreichenden Feststellungen zu der in Aussicht genommenen Tat getroffen werden.126 Patzak fordert eine konkrete Bestimmung des Umsatzgeschäfts nach Betäubungsmittelart und -menge sowie des Preises.127 Nach Rahlf muss das strafbare Verhalten des Täters nach Mindestzahl der Einzelfälle und nach Art und Mindestmenge eines bestimmten Betäubungsmittels, auch nach Abwicklungsmodalitäten, so konkret bezeichnet werden, dass sich die Tat von anderen gleichartigen Taten genügend unterscheiden lässt.128 Skoupil knüpft vor allem an die Festlegung des Umsatzorts an.129 So wenig sich der BGH mit den näheren Anforderungen an die Bestimmtheit des Umsatzgeschäfts beschäftigt, so wenig konsequent wendet er dieses Kriterium in der Rechtsprechungspraxis an. Es gibt zahlreiche Entscheidungen, in denen Handeltreiben bejaht wurde, aber ein konkretes Umsatzgeschäft nicht identifiziert werden kann. So beabsichtigten zwei Beteiligte in einem Fall aus dem Jahr 2006130, nach Kolumbien zu reisen um sich dort um Lieferanten für den Erwerb großer Mengen von Kokain zu bemühen. Bevor sie zu dieser Reise aufbrachen, besann sich einer der Beteiligten anders, weshalb die Reise nicht stattfand. Hier hat der BGH ausdrücklich festgehalten, dass es in einem solchen Fall zwar nicht an jeder Konkretisierung der beabsichtigen Tat fehle, „wohl“ aber an der Konkretisierung hinsichtlich der Aufnahme von Verhandlungen zwischen (potentieller) Verkäufer- und (potentieller) Käuferseite, die für den Tatbestand des Handeltreibens kennzeichnend sei.131 Er zielt damit explizit nicht auf eine mangelnde Bestimmtheit des in Aussicht genommenen Umsatzgeschäftes ab, sondern betont Anforderungen an die Tathandlung (hier: Aufnahme von Verhandlun125  BGH, 126  OLG

Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (265 f.). München, Beschl. v. 18.09.2008 – 4 St RR 141 / 08, BeckRS 2010,

30553. 127  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 45. 128  Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 328. 129  Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 208 f. 130  BGH, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 StR 377 / 06, StV 2007, 82. 131  BGH, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 StR 377 / 06, StV 2007, 82.



B. Der Begriff in der Rechtsprechung43

gen). Dabei kann man bei einem derartigen Sachverhalt, selbst wenn man das Erfordernis eines konkreten Umsatzgeschäfts weit fasst, kaum ein näher spezifiziertes Umsatzgeschäft feststellen, war zum damaligen Zeitpunkt doch nicht einmal im Ansatz klar, ob ein Lieferant aus Kolumbien gefunden werden kann und wenn ja, um welche Menge und welche Qualität es gehen würde. Natürlich wäre das maßgebliche Umsatzgeschäft in diesem Fall die Weiterverbreitung durch den Beteiligten in Richtung des Endkunden. Aber für die Tätervorstellung im Hinblick auf das anvisierte Umsatzgeschäft spielt die Konkretisierung des Geschäfts mit dem Lieferanten eine wesentliche Rolle. Es ist schlicht unmöglich, das Umsatzgeschäft zu konkretisieren, ohne jegliche Informationen über die Möglichkeit der Beschaffung sowie die Art und die Qualität des zu liefernden Stoffs zu haben. Die mangelnde Bestimmtheit dieses Geschäfts muss deshalb auf das in Aussicht genommene Umsatzgeschäft durchschlagen. Der BGH hat selbst Inkonsequenzen eingestanden, indem er in der Entscheidung des Großen Senats bemerkte, dass die Grenzziehung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung anhand des Kriteriums der Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat bisher nur kasuistisch erfolgt sei.132 Insgesamt erscheint die Eingrenzung des Tatbestands auf subjektiver Ebene anhand des „bestimmten Umsatzgeschäfts“ wenig hilfreich zu sein. Die Ermittlung von subjektiven Merkmalen ist stets stark wertungsabhängig, da auf die Gedanken des Täters nur durch Indizien geschlossen werden kann und diese unterschiedlich interpretiert werden können. Nicht zuletzt deshalb ist die praktische Relevanz des Konkretisierungserfordernisses bisher gering geblieben.133 Die Rechtsprechung stellt daher gerade in neuerer Zeit alleine auf objektive Kriterien im Bereich der Konkretisierung ab und löst die Fälle durch eine Abschichtung bestimmter Tathandlungen in das Vorbereitungs- oder Versuchsstadium.134 4. Betäubungsmittel Erforderlich ist nicht das Abzielen auf irgendeinen Umsatz, sondern auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln. Aufgrund der subjektiven Ausrichtung kann man in diesem Zusammenhang allerdings nicht von Tat- oder Handlungsobjekt sprechen.135 Im Gegensatz zu den anderen Tatmodalitäten muss 132  BGH,

Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (265 f.). Handeltreiben mit BtM, S. 277. 134  Siehe 1. Teil B. III. 7. 135  Dies wird in der Literatur aber vielfach übersehen, vgl. z. B. Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 14; Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 13; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 42. 133  Skoupil,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

der Täter nicht unmittelbar selbst mit Betäubungsmitteln in Kontakt gekommen sein. Maßgeblich ist alleine, dass der für den Umsatz in Aussicht genommene Stoff ein Betäubungsmittel darstellt. Die konkrete Tätigkeit kann sich auf alle möglichen Stoffe und Gegenstände beziehen, die in Zusammenhang mit Betäubungsmittelgeschäften stehen, wie Streckmittel, Tauschgegenstände oder Erlöse.136 Auch der Umgang mit Scheindrogen erfüllt unproblematisch den Tatbestand.137 Auch hier reicht die Vorstellung des Täters, es würde später zu Umsatzgeschäften mit (wirklichen) Betäubungsmitteln kommen. Im Bereich des „verbalen Handeltreibens“ fehlt es sogar gänzlich an einem Handlungsobjekt. Auf welche Betäubungsmittel sich die Vorstellung des Täters beziehen muss, ergibt sich aus dem Gesetz: auf die in der Positivliste der Anlagen I bis III zum BtMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.138 5. Unerlaubt Der angestrebte Betäubungsmittelumsatz muss schließlich „unerlaubt“ sein. Durch das Ausführungsgesetz zum Suchtstoffübereinkommen 1988 hat diese Formulierung die zuvor im Gesetz enthaltenen Worte „ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1“ ersetzt.139 Dadurch sollte deutlich gemacht werden, dass damit nicht nur Verstöße gegen die rein national orientierte Erlaubnispflicht nach § 3 BtMG erfasst werden sollen. Für die größte Zahl der Fälle in der Rechtsprechungspraxis ergibt sich jedoch keine Änderung. Unerlaubt ist der Betäubungsmittelhandel dann, wenn er ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG durchgeführt wird. Die umstrittene Frage, ob die Unerlaubtheit ein Tatbestandsmerkmal darstellt oder lediglich ein allgemeiner Verweis auf die Rechtswidrigkeitsebene darstellt, ist für die Thematik dieser Arbeit ohne Bedeutung.140 6. Eigennützigkeit Schließlich bleibt noch das Merkmal der Eigennützigkeit. Teilweise wird dies als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ähnlich der Vermögensverfü136  Rahlf,

in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 391; Weber, BtMG, § 29 Rn. 222. Urt. v. 01.07.1954 – 3 StR 657 / 53, BGHSt 6, 246 (247); Beschl. v. 06.11.1991 – 3 StR 406 / 91, NStZ 1992, 191; Urt. v. 14.04.1999 – 3 StR 22 / 99, NJW 1999, 2683 (2684); Beschl. v. 11.06.2001 – 1 StR 111 / 01, wistra 2001, 379. 138  Vgl. Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 391. 139  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 8. 140  Vgl. zu diesem bei vielen Tatbeständen diskutierten Problem etwa Rengier, Strafrecht AT, § 8 Rn. 14; speziell zum Betäubungsmittelrecht Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 236 ff. 137  BGH,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung45

gung beim Betrug angesehen.141 Allerdings ist es genauso möglich, dieses Erfordernis aus dem Begriff des Handeltreibens herzuleiten, nämlich als Teilbestandteil dessen.142 Der BGH verwendet beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln für die Eigennützigkeit synonym auch die Formulierungen Eigennutz143 und Eigensucht144. Es wird betont, dass gerade die Eigennützigkeit die Gefährlichkeit und besondere Verwerflichkeit des Handeltreibens ausmache.145 Nach der Rechtsprechung liegt Eigennützigkeit vor, wenn sich der Täter verspricht, durch sein Handeln einen Vorteil zu erzielen.146 Dieser Vorteil kann einerseits materieller Natur sein, wenn er in der Erzielung von Gewinn besteht.147 Häufig verkürzt der BGH die Definition der Eigennützigkeit auf den am häufigsten vorkommenden Fall: „Eigennützig handelt, wer in Gewinnerzielungsabsicht handelt.“148 Die Beweggründe des Täters für die Gewinnerzielung sind dabei ohne Belang.149 Andererseits kann der Vorteil aber auch in einer immateriellen Besserstellung liegen, soweit diese einen objektiven messbaren Inhalt hat und der Empfänger tatsächlich besser gestellt wird.150 Ein „übersteigertes Gewinnstreben“ wie etwa bei den Merkmalen Gewinnsucht und Habgier braucht nicht vorzuliegen, jede auch noch so geringe Gewinnerzielungsabsicht ist ausreichend.151 Ausreichend ist, wenn eine 141  Beisheim,

Eigennutz, S. 164; Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 18. in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 375; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 48; Weber, BtMG, § 29 Rn. 302. 143  Etwa BGH, Urt. v. 19.11.1997 – 2 StR 359 / 97 (juris), Rn. 25; Beschl. v. 15.11.2000 – 2 StR 431 / 00, NStZ-RR 2001, 118; Urt. v. 20.03.2001 – 1 StR 12 / 01 (juris), Rn. 8; Urt. v. 01.06.2006 – 1 StR 32 / 06, NStZ 2006, 578. 144  Etwa BGH, Urt. v. 21.02.1979 – 2 StR 663 / 78, BGHSt 28, 308 (309); Urt. v. 04.11.1982 – 4 StR 451 / 82, BGHSt 31, 145 (147); Beschl. v. 10.04.1984 – 4 StR 172 / 84, StV 1984, 248. 145  Beisheim, Eigennutz, S. 165. 146  BGH, Urt. v. 21.02.1979 – 2 StR 663 / 78, BGHSt 28, 308 (309 f.); Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (126); Beschl. v. 04.05.1999 – 4 StR 153 / 99, StV 1999, 428; Urt. v. 04.08.1999 – 2 StR 100 / 99, NStZ 1999, 572 (573); Urt. v. 01.06.2006 – 1 StR 32 / 06, NStZ 2006, 578; Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 75 / 10, NStZ-RR 2010, 254. 147  Zur Gleichbedeutung von „materiellem Vorteil“ und „Gewinn“ in der Rechtsprechung vgl. Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 381. 148  Vgl. auch Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 374. 149  BGH, Urt. v. 21.02.1979 – 2 StR 663 / 78, BGHSt 28, 308 (310); Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 183; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 378; ­Weber, BtMG, § 29 Rn. 307. 150  BGH, Beschl. v. 04.05.1999 – 4 StR 153 / 99, StV 1999, 428; Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 18. 151  Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 377; Weber, BtMG, § 29 Rn. 306. 142  Rahlf,

46

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Überschussrechnung zwischen dem bezahlten Preis und dem Verkaufspreis einen positiven Saldo ergibt.152 Das fehlt etwa dann, wenn der Täter die Betäubungsmittel verschenkt oder zum Selbstkosten- oder Einstandspreis veräußert.153 Die Eigennützigkeit ist umsatzbezogen zu verstehen.154 Das bedeutet, dass sich außerhalb des Umsatzes ergebende Vorteile nicht ausreichen,155 sondern der durch i. S. d. Eigennützigkeit erzielte Vorteil sich aus dem Umsatz ergeben muss.156 An der Umsatzbezogenheit des Vorteils fehlt es z. B., wenn der Vorteil beim Eigenverbrauch alleine in den durch einen gemeinsamen Einkauf entstehenden günstigeren Konditionen begründet liegt (Mengenrabatt).157 7. Die Herausnahme einzelner Fälle im Bereich Vorbereitung und Versuch Besondere Probleme bereitet der Rechtsprechung seit jeher die Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung. Wenn jede eigennützige Tätigkeit, die auf Umsatz mit Betäubungsmitteln ausgerichtet ist, zur Tatbestandserfüllung führt, bleibt naturgemäß für Vorbereitung und Versuch wenig Raum. Um diese Problematik abzumildern, wendet der BGH seine Definition des Handeltreibens nicht konsequent an, sondern versucht typische Vorbereitungs- und Versuchskonstellationen auszuscheiden. Trotz gegenteiliger Beteuerungen finden sich zahlreiche Entscheidungen, in denen der BGH ohne es ausdrücklich zu sagen, eben doch nicht jede Tätigkeit ausreichen lässt. Nicht gemeint sind damit allerdings die oben genannten Konstellationen, bei denen die Rechtsprechung das Handeltreiben mit Verweis auf den fehlenden Zusammenhang mit einem konkreten Umsatzgeschäft verneint hat.158 So hat der BGH entschieden, dass der Ankauf und die Überführung eines allgemein für Betäubungsmittelgeschäfte vorgesehenen Schmuggelfahrzeugs 152  Rahlf,

in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 377. Beschl. v. 10.04.1984 – 4 StR 172 / 84, StV 1984, 248; Weber, BtMG, § 29 Rn. 304. 154  BGH, Beschl. v. 22.02.1985 – 2 StR 62 / 85, StV 1985, 235; Weber, BtMG, § 29  Rn. 330. 155  BGH, Beschl. v. 22.02.1985 – 2 StR 62 / 85, StV 1985, 235; Urt. v. 09.01.1991 – 2 StR 359 / 90, StV 1992, 65 (66). 156  BGH, Urt. v. 03.07.2003 – 1 StR 453 / 02, NStZ 2004, 457 (458); Beschl. v. 27.03.2012 – 3 StR 64 / 12, NStZ 2012, 516. 157  Weber, BtMG, § 29 Rn. 341. 158  Siehe 1. Teil B. III. 3. c). 153  BGH,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung47

keine Tätigkeit sei, die auf die Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäfts mit Betäubungsmitteln zumindest in dem Sinne ziele, dass sich ein konkretes Geschäft anbahne oder laufe.159 Hier wird die Einschränkung im subjektiven Bereich vorgenommen, nämlich anhand der mangelnden Konkretisierung des Umsatzgeschäfts. Zwar werden in derartigen Entscheidungen teilweise missverständliche Formulierungen verwendet, die auf objektive Einschränkungen hindeuten, de facto sollen damit aber nur subjektive Anforderungen an das vorgestellte Umsatzgeschäft näher beschrieben werden. Gemeint sind an dieser Stelle vielmehr Entscheidungen, in denen der BGH ein Handeltreiben mit der Begründung abgelehnt hat, es handele sich um bloße Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen. Nach den Feststellungen einer Entscheidung aus dem Jahr 1990160 war der Angeklagte mit einem Transportauftrag nach Salzburg geschickt worden. Dort wartete er vergeblich auf das Eintreffen des Rauschgifts. Der BGH hielt in diesem Zusammenhang fest, dass der Angeklagte keine Tätigkeit im Sinne einer tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG entfaltet habe.161 Auch ein unmittelbares Ansetzen liege nicht vor. Soweit man von Eigennützigkeit ausgeht, hätte der BGH nach seiner Definition zu einer Vollendungsstrafbarkeit kommen müssen, hat doch der Kurier mit der Fahrt nach Salzburg eine Handlung vorgenommen, die auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtet war. Dogmatisch überzeugend zu rechtfertigen wäre die Ablehnung der Strafbarkeit bestenfalls noch mit dem Verweis auf die mangelnde Konkretisierung des (subjektiv zu betrachtenden) Umsatzgeschäfts, der BGH hebt in seiner Begründung aber ausdrücklich auf ein Fehlen einer geeigneten tatbestandlichen Ausführungshandlung ab. Dies gilt auch für einen der Sachverhalte, über die der Große Senat 2005162 zu entscheiden hatte. Dort wollte der Angeklagte einen Lieferanten beauftragen, 10.000 Ecstasy-Tabletten zu besorgen und bat deshalb einen Freund, die Telefonnummer des Lieferanten herauszufinden. Der 3. Senat des BGH stellte hier in Umsetzung des Beschlusses des Großen Senats fest, dass zwar eigentlich eine tatbestandsmäßige Handlung vorliege, diese aber noch zu weit im Vorfeld des beabsichtigten, noch nicht näher konkretisierten Drogenumsatzes anzusiedeln sei und deshalb dem Vorbereitungsstadium des Handeltreibens zugerechnet werden müsse.163 159  BGH,

Urt. v. 30.01.2001 – 1 StR 423 / 00, NJW 2001, 1289 (1290). Urt. v. 01.08.1990 – 2 StR 147 / 90, NJW 1991, 305 (306). 161  BGH, Urt. v. 01.08.1990 – 2 StR 147 / 90, NJW 1991, 305 (306). 162  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 und Urt. v. 15.12.2005 – 3 StR 61 / 02 (juris). 163  BGH, Urt. v. 15.12.2005 – 3 StR 61 / 02 (juris), Rn. 4. 160  BGH,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

In einem anderen Fall164, mit dem sich der Große Senat 2005 befasste, ging es dem Angeklagten darum, 50 g Kokain gewinnbringend in Deutschland weiterzuverkaufen. Zu diesem Zweck nahm er mit einem Dealer telefonisch Kontakt auf, welcher sich aber nicht bereit zeigte, die Ware an den Angeklagten abzugeben. Auch von einem weiteren Dealer, den der Angeklagte am gleichen Tage persönlich zum gleichen Zwecke aufsuchte, bekam er nichts. Hier ging der 3. Senat in seiner Entscheidung von einem Versuch aus. Zwar fehle es an ernsthaften Verkaufsverhandlungen mit den vom Angeklagten angesprochenen Dealern, andererseits habe der Angeklagte „durch die telefonische und persönliche Kontaktierung von Dealern mit einer konkreten und ernsthaften Kaufabsicht das als bloße Vorbereitung zu wertende Stadium weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegender Handlungen bereits verlassen“165. In einer ähnlichen Konstellation166 versprach der Angeklagte 50 kg Amphetamin herzustellen und diese an seinen Kunden zu liefern. Allerdings waren dafür noch zahlreiche Hindernisse zu Überwinden. Der Angeklagte hatte Schwierigkeiten bei der Grundstoffbeschaffung, insbesondere fehlten ihm die erforderlichen Geldmittel. Auch das benötigte Labor war noch nicht aufgebaut. Der BGH sah hier den Tatbestand des Handeltreibens noch nicht erfüllt, da die vom Angeklagten genannten Liefermengen und Lieferzeiten einer realistischen Grundlage entbehrten.167 Das Versprechen der Lieferung sei so weit im Vorfeld des in Aussicht genommenen Umsatzgeschäfts anzusiedeln, dass noch nicht einmal der Versuch des Handeltreibens gegeben sei.168 Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass sich der BGH offenkundig wenig an eine Subsumtion der konkreten Fälle unter die von ihm vorgegebene Definition gebunden fühlt, sondern vielmehr typische Vorbereitungsund Versuchskonstellationen im Nachhinein, im Rahmen einer wertenden Betrachtung, wieder aus dem Tatbestand ausscheidet.169 Besonders deutlich wird dies in einem Fall170, in dem der Angeklagte zwei Personen ein Zimmer zum Betrieb einer Cannabis-Plantage vermietete und zu deren Unterstützung Zubehör zum Aufbau einer solchen Plantage in sein Haus brachte. Der BGH hat hierin eine bloße Vorbereitungshandlung gesehen. Er führt 164  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 und Urt. v. 15.12.2005 – 3 StR 243 / 02, StV 2006, 136. 165  BGH, Urt. v. 15.12.2005 – 3 StR 243 / 02, StV 2006, 136. 166  Vgl. BGH, Beschl. v. 07.07.2006 – 2 StR 184 / 06, NStZ 2007, 100. 167  BGH, Beschl. v. 07.07.2006 – 2 StR 184 / 06, NStZ 2007, 100 (101). 168  BGH, Beschl. v. 07.07.2006 – 2 StR 184 / 06, NStZ 2007, 100 (101). 169  So auch Winkler, in: DAV-FS, S. 394 (397). 170  BGH, Beschl. v. 03.08.2011 – 2 StR 228 / 11, NStZ 2012, 43.



B. Der Begriff in der Rechtsprechung49

aus, dass der Tatbestand des Anbauens eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des Handeltreibens entfalte.171 Erst mit einem unmittelbaren Ansetzen zum Anbau, also dem Heranschaffen des Saatguts oder der Setzlinge an die vorbereitete Fläche, sei auch ein unmittelbares Ansetzen zum Handeltreiben denkbar. Dogmatisch erklärbar ist die „Begrenzungsfunktion“ nicht, ist doch der Straftatbestand des Handeltreibens von den anderen Tatbestandsvarianten des § 29 Abs. 1 BtMG unabhängig. Bestenfalls auf Konkurrenzebene kann der Anbau für das Handeltreiben relevant werden. Diese dogmatische Ungereimtheit hat der BGH wohl mittlerweile auch selbst erkannt, stellt er doch in einer ähnlich gelagerten neueren Entscheidung nicht mehr auf die genannte Begrenzungsfunktion ab.172 Das hier beschriebene Vorgehen der Rechtsprechung zeigt sich neuerdings auch in den abstrakten Ausführungen zum Handeltreiben. So betont der BGH in einer Entscheidung im Anschluss an die Definition des Handeltreibens ausdrücklich, dass von den auf Umsatz gerichteten Tätigkeiten solche Handlungen abzugrenzen sind, die als typische Vorbereitungshandlungen im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen.173 8. Die Rechtsfigur der Bewertungseinheit Die weite Fassung des Begriffs bringt es mit sich, dass häufig eine Vielzahl über einen längeren Zeitraum vorgenommener Handlungen jeweils für sich genommen Handelteiben darstellen. Nicht nur der Erwerb eines Betäubungsmittels, sondern auch Akte wie Transport, Besitz und Veräußerung sind bei entsprechender Motivation Handeltreiben. Dabei kommt es häufig zu Überschneidungen mit den anderen Begehungsformen des § 29 Abs. 1 BtMG. Um dieser Sachlage auf Konkurrenzebene Herr zu werden, hat die Rechtsprechung die Rechtsfigur der Bewertungseinheit entwickelt. Alle innerhalb eines Güterumsatzes aufeinanderfolgenden Teilakte werden durch die Bewertungseinheit zu einer einzigen Tat verbunden.174 Die Teilakte sind lediglich rechtlich unselbstständige Tatbestandsverwirklichungen, welche im Handeltreiben aufgehen.175 Bereits die erste den Tatbestand des Handeltreibens erfüllende Handlung (z. B. der Erwerb) deckt alle folgenden Teilakte 171  BGH,

Beschl. v. 03.08.2011 – 2 StR 228 / 11, NStZ 2012, 43. Urt. v. 15.03.2012 – 5 StR 559 / 11, NStZ 2012, 514. 173  BGH, Beschl. v. 03.08.2011 – 2 StR 228 / 11, NStZ 2012, 43; Urt. v. 20.12.2012 – 3 StR 407 / 12, NJW 2013, 1318. 174  BGH, Urt. v. 21.02.1974 – 1 StR 588 / 73, BGHSt 25, 290 (291 f.); Beschl. v. 07.01.1981 – 2 StR 618 / 80, BGHSt 30, 28 (31); Urt. v. 25.11.1982 – 3 StR 384 / 82, BGHSt 31, 163 (165); Beschl. v. 14.04.2010 – 2 StR 70 / 10, NStZ-RR 2010, 216. 175  BGH, Urt. v. 25.11.1982 – 3 StR 384 / 82, BGHSt 31, 163 (165). 172  BGH,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

mit ab. Mitumfasste Teilakte können etwa der Anbau, der Besitz, der Erwerb, die Einfuhr, das Sich-Verschaffen und die Veräußerung sein.176 Aber auch nicht separat in § 29 Abs. 1 BtMG aufgeführte Tätigkeiten, die wegen der entsprechenden subjektiven Zielsetzung aber Handeltreiben darstellen, werden erfasst, etwa Bestellungen, Transporte, Reklamationen und Zahlungsvorgänge.177 Begründet wird diese Rechtsfigur mit der Absicht des Gesetzgebers, in § 29 Abs. 1 BtMG einen möglichst umfassenden Katalog der auf Betäubungsmittelkriminalität abzielenden Begehungsformen zu normieren, wobei er Überschneidungen und Überdeckungen in Kauf genommen habe, ohne dass sich die Frage nach Tateinheit, Tatmehrheit oder Gesetzeskonkurrenz stellen sollte.178 Soweit ein und derselbe Güterumsatz vorliege, komme dem Handeltreiben mit seiner pauschalisierenden Handlungsbeschreibung die Aufgabe zu, die verschiedenen Tätigkeitsakte zu verbinden.179 Dies komme auch in der vom Gesetzgeber nachträglich eingefügten Formulierung „ohne Handel zu treiben“ zum Ausdruck. 9. Die Einordnung in die allgemeine strafrechtliche Deliktstypologie Von Interesse für die weitere Strukturierung ist die Einordnung des Handeltreibens in die allgemeine Deliktstypik. Verbreitet wird das Handeltreiben als Tätigkeitsdelikt180, unechtes Unternehmensdelikt181 und abstraktes Ge176  Weber,

BtMG, Vor §§  29 ff. Rn.  563 ff. m. w. N. BtMG, Vor §§ 29 ff. Rn. 570 ff. m. w. N.; vgl. auch Rahlf, in: MKStGB, § 29 BtMG Rn. 363. 178  BGH, Urt. v. 21.02.1974 – 1 StR 588 / 73, BGHSt 25, 290 (291 f.). 179  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 409. 180  BGH, Besch. v. 17.07.2002 – 2 ARs 164 / 02, NJW 2002, 3486 (3487); Apfel / Strittmatter, Strafverteidigung im BtM-Recht, Rn. 79; Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 69; Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 97; Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 432; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 79; Weber, BtMG, § 29 Rn. 254; außerdem Malek, BtM-Strafrecht, 2. Kapitel Rn. 95 welcher zwar von „Unternehmensdelikt“ spricht, aber sachlich das Tätigkeitsdelikt meint; gleichbedeutend verwendet wird häufig auch die Formulierung „kein Erfolgsdelikt“, vgl. BGH, Beschl. v. 04.12.1981 – 3 StR 408 / 81, BGHSt 30, 277 (278); Urt. v. 08.10.1991 – 1 StR 520 / 91, NJW 1992, 381 (382); BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193; Endriß, NStZ 1998, 463; Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 5, 31, 76, 80; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 283. 181  BGH, Beschl. v. 01.07.1988 – 2 StR 330 / 88, BGHR BtMG § 29 Handeltreiben 9 („Unternehmenstatbestand“); Beschl. v. 24.10.2006 – 3 StR 392 / 06, NStZ 2007, 531 (532); Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 79; Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 125; Endriß, NStZ 1998, 463; Endriß / Kinzig, NJW 2001, 3217 (3218); 177  Weber,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung51

fährdungsdelikt182 bezeichnet. Dabei hat diese Einordnung, anders als offenbar von manchen Autoren angenommen, keine Folgen für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale, sie ist vielmehr die Konsequenz derselben.183 Im Folgenden soll untersucht werden, ob das Handeltreiben unter Zugrundelegung der dargestellten Rechtsprechung den dargestellten Deliktstypen zugeordnet werden kann. Die Rechtsprechung selbst hat bisher nur eine Einordnung als Tätigkeitsdelikt und als unechtes Unternehmensdelikt vorgenommen.184 Zu der Frage, ob das Handeltreiben auch ein abstraktes Gefährdungsdelikt darstellt, hat sie sich nicht geäußert. a) Tätigkeitsdelikt Die Einordnung des Handeltreibens als Tätigkeitsdelikt knüpft an die Aussage der Rechtsprechung an, der Tatbestand erfordere nicht mehr als die Vornahme einer auf Betäubungsmittelumsatz gerichteten Tätigkeit. Anders als bei Erfolgsdelikten haben die Tätigkeitsdelikte keinen explizit nach außen tretenden Erfolg. Tätigkeitsdelikte enthalten lediglich eine Handlung, ohne dass daneben ein Erfolg mit einer räumlich-zeitlich unterscheidbaren Außenwirkung verlangt ist.185 Tathandlung und Vollendung fallen bei ihnen zusammen.186 Die Frage der Kausalität und der objektiven Zurechnung spielt im Gegensatz zu Erfolgsdelikten keine Rolle,187 vielmehr bildet „die Handlung selbst den tatbestandsmäßigen Schlusspunkt“188. Man muss allerdings den Erfolgsbegriff nicht zwangsläufig in dieser Form eines von der bloßen Vornahme der Tathandlung getrennt nach außen tretenden Sachverhalts verstehen. Auch eine weitere Fassung des ErfolgsbeHügel / Junge / Lander / Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, §  29 BtMG Rn. 4.1.1; Körner, NStZ 2000, 95; Joachimski / Haumer, BtMG, § 29 Rn. 27; Krack, JuS 1995, 585 (587); Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 79 f., 129, 236, 238 f.; Wagner / Kallin / Kruse; BtM-Strafrecht, Rn. 36. 182  Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 75; Endriß, NStZ 1998, 463; Malek, BtM-Strafrecht, 2. Kapitel Rn. 135; Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 98; Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 433; Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 5; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 84 f.; ­Weber, BtMG, § 29 Rn. 260. 183  BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105 (107). 184  Vgl. Fn. 181 und 182 dieses Teils der Arbeit. 185  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 158 f.; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 260 und 263; Rengier, Strafrecht AT, § 10 Rn. 7; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 23. 186  Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 63. 187  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 158 f.; Hohn, JuS 2008, 494 (495); Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 103. 188  Maurach / Zipf, Strafrecht AT I, § 20 Rn. 27.

52

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

griffs ist möglich.189 Ein solcher Erfolg im weiteren Sinne190 liegt bereits vor, wenn der Täter den betreffenden Tatbestand verwirklicht.191 Wenn teilweise die Einordnung des Handeltreibens als Tätigkeitsdelikt kritisiert wird,192 haben die Vertreter der Literatur diesen weiten Erfolgsbegriff im Auge. Sie betonen, dass jedes Delikt, auch ein Tätigkeitdelikt, einen Erfolg habe, auch wenn dieser möglicherweise nur in der Handlung selbst liege.193 Diese Aussage ist unbestreitbar zutreffend, wenn man einen weiten Erfolgsbegriff zugrunde legt. Der Deliktstypus Tätigkeitsdelikt hat allerdings nur seine strukturdifferenzierende Überzeugungskraft, wenn man mit ihm einen engen Erfolgsbegriff verbindet. Einem Erfolgsbegriff, der gleichermaßen für alle im Strafrecht normierten Tatbestände gilt, fehlt die ordnende Funktion. Er ist deshalb zur Herausarbeitung von Unterschieden und die nähere Charakterisierung der Delikte unbrauchbar. Legt man dagegen den engen Erfolgsbegriff zugrunde, ist das Handeltreiben ein Tätigkeitsdelikt, wenn man sich an der Definition der Rechtsprechung orientiert. Die Literatur kommt dann zu einem anderen Ergebnis, wenn sie mehr als nur die Vornahme einer Tätigkeit fordert.194 b) Unechtes Unternehmensdelikt Bei der Kategorie Unternehmensdelikt ist zunächst zwischen echten und unechten Unternehmensdelikten zu unterscheiden. Echte Unternehmensdelikte sind solche, bei denen der Gesetzgeber in Anknüpfung an § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB den Begriff „Unternehmen“ verwendet. Bei ihnen hat der Gesetzgeber Versuch und Vollendung gleichstellt, d. h. bereits mit Eintritt in das Versuchsstadium ist das Delikt vollendet.195 Dagegen enthalten unechte Unternehmensdelikte zwar keine solche Formulierung in ihrem Tatbestand, haben aber aufgrund der Struktur des Tatbestands eine ähnliche Ausrichtung.196 Unechte Unternehmensdelikte sind solche, bei welchen die Tathandlung in einem finalen Tätigkeitsbegriff besteht. Für die Tatbestandser189  Jescheck / Weigend,

Strafrecht AT, S. 260. Unterscheidung zwischen dem Erfolg im weiteren und im engeren Sinne vgl. Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 260; Tenckhoff, in: Spendel-FS, S. 347 (356). 191  Maurach / Zipf, Strafrecht AT I, § 20 Rn. 27. 192  Roxin, StV 1992, 517 (519) und StV 2003, 619 (621). 193  Roxin, StV 1992, 517 (519) und StV 2003, 619 (621). 194  Etwa das Näherbringen des Betäubungsmittel auf dem Weg zum Abnehmer Harzer, StV 1996, 336 (337); Paul, StV 1998, 623 (625); Roxin, StV 1992, 517 (519); siehe dazu 1. Teil C. II. 195  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 189. 196  Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 117. 190  Zur



B. Der Begriff in der Rechtsprechung53

füllung reicht es hier aus, dass der Täter mit seinem Verhalten einen bestimmten Erfolg intendiert, ohne dass dieser Erfolg tatsächlich eintreten muss.197 Die Strafbarkeit knüpft hier an die Tendenz an, die mit der an sich ambivalenten Handlung verbunden ist.198 Konsequenz ist eine Vorverlagerung der Strafbarkeit, welche auch schon Fälle erfasst, die materiell dem Versuchsstadium zugehörig sind.199 Typische Beispiele sind der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 Abs. 1 StGB („tätlich angreifen“), das Vortäuschen einer Straftat gem. § 145d Abs. 1 StGB („vortäuschen“), die Falsche Verdächtigung gem. § 164 Abs. 1 StGB („verdächtigen“) und die Wilderei gem. § 292 Abs. 1 Nr. 1 StGB („nachstellen“).200 Es handelt sich dabei um keine vorgegebene gesetzliche Kategorie, sondern um eine wissenschaftliche Figur,201 welche leichteren Zugang und bessere Vergleichbarkeit herstellen soll. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB gilt für die unechten Unternehmensdelikte nicht.202 Heute ist weithin anerkannt, dass alleine aus der Klassifizierung als unechtes Unternehmensdelikt wenig hergeleitet werden kann.203 Ob strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen den in Rede stehenden Delikten vorhanden sind, kann nicht allgemein, sondern nur abhängig von der Auslegung des jeweiligen Delikts bestimmt werden.204 Die Einordnung als unechtes Unternehmensdelikt hat daher vor allem Ordnungsfunktion.205 Rückschlüsse für die konkrete Auslegung können aus dem Deliktscharakter nicht unmittelbar gezogen werden. In der Literatur wird die Einordnung des Handeltreibens als Unternehmensdelikt häufig kritisch gesehen.206 Die Normierung der Versuchsstrafbarkeit in § 29 Abs. 2 BtMG schließe die Gleichstellung von Vollendung 197  Hilgendorf, in: LK-StGB §  11 Rn. 88; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 267; Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 117. 198  Eser / Hecker, in: S / S-StGB, § 11 Rn. 47; Hillenkamp, in: LK-StGB, Vor § 22 Rn. 126. 199  Hillenkamp, in: LK-StGB, Vor § 22 Rn. 126. 200  Eser / Hecker, in: S / S-StGB, § 11 Rn. 47; Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 88; Hillenkamp, in: LK-StGB, Vor § 22 Rn. 126; Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 117. 201  Begründet durch Schröder, in: Kern-FS, S. 457. 202  Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 87. 203  Lackner / Kühl, StGB, § 11 Rn. 19. 204  Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 87; Lackner / Kühl, StGB, § 11 Rn. 19; speziell zum Handeltreiben Weber, BtMG, § 29 Rn. 266. 205  Sowada, GA 1988, 195 (203). 206  Lang, BtM-Strafrecht, S. 196 ff.; Neuhaus, NStZ 2001, S. 39 (41); Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 432 f.; Paul, StV 1998, 623 (624); Roxin, StV 2003, 619; Schwitters, Vorverlagerung beim Handeltreiben, S. 90; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 91 ff.

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

und Versuch beim Handeltreiben aus, ansonsten laufe die Versuchsstrafbarkeit für die Begehungsform des Handeltreibens leer.207 Diese Ansicht übersieht allerdings, dass die Anordnung einer separaten Versuchsstrafbarkeit trotz des Charakters als unechtes Unternehmensdelikt nicht außergewöhnlich ist.208 Ähnliche Fälle finden sich z. B. beim Unterstützen im Falle des sicherheitsgefährdenden Nachrichtendienstes gem. § 109f Abs. 1 Nr. 3 StGB, beim Angreifen im Rahmen der Gefangenenmeuterei gem. § 121 Abs. 1 Nr. 1 StGB und bei der Absatzhilfe gem. § 259 Abs. 1 StGB,209 allerdings kann man beim letztgenannten Beispiel zur Einordnung als unechtes Unternehmensdelikt nur kommen, wenn man entgegen einer verbreiteten Ansicht auf einen Erfolgseintritt verzichtet. Relativierend ist festzustellen, dass die Rechtsprechung keineswegs konsequent alle Versuchskonstellationen der Vollendungsstrafbarkeit unterwirft. Das oben dargestellte eigentlich mit der Definition des Handeltreibens nicht übereinstimmende Vorgehen, Versuchskonstellationen aus dem Handeltreiben herauszunehmen, konterkariert die Einordnung als Unternehmensdelikt. Gerade in jüngerer Zeit hat der BGH mehrmals eine Versuchsstrafbarkeit angenommen. In einem engen Verständnis kann man deshalb nicht mehr von einem unechten Unternehmensdelikt sprechen, da die Rechtsprechung davon zumindest in Einzelfällen abweicht. Mit dem Begriff kann man aber trotzdem nach wie vor schlagwortartig die Tatbestandsstruktur nach der Auslegung der Rechtsprechung erfassen und damit eine hilfreiche Kategorie bilden.210 c) Abstraktes Gefährdungsdelikt Der Kategorie des abstrakten Gefährdungsdelikts ist als Gegenbegriff zum Verletzungsdelikt einerseits und dem konkreten Gefährdungsdelikt andererseits konzipiert. Anders als bei den Verletzungsdelikten wird das zugrundeliegende Rechtsgut nicht unmittelbar verletzt – vielmehr reicht bereits die Gefährdung des Rechtsgutes aus.211 Im Gegensatz zu den konkreten Gefährdungsdelikten gehört das Eintreten einer Gefahr für das zugrundeliegende Rechtsgut nicht zum Tatbestand, sondern es genügt schon die Herbeiführung der generellen Gefährlichkeit.212 Der Gesetzgeber hat erkannt, 207  Lang,

BtM-Strafrecht, S. 196 ff.; Paul, StV 1998, 623 (624). Begriff des Handeltreibens, S. 80 f. 209  Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 81; für die Gefangenenmeuterei Wolters, Unternehmensdelikt, S. 322; kritisch Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 94 f. 210  Weber, BtMG, § 29 Rn. 265. 211  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 162. 212  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 164; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 264; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 29. 208  Bensch,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung55

dass bestimmte Verhaltensweisen erfahrungsgemäß für bestimmte Rechtsgüter allgemein gefährlich sind, und knüpft im Tatbestand des abstrakten Gefährdungsdelikts deshalb an dieses typischerweise gefährliche Verhalten an.213 Die Feststellung eines konkreten Gefahrerfolgs ist entbehrlich.214 Diese Gesetzgebungstechnik zielt auf eine Verhaltenssteuerung im Vorfeld der Rechtsgutsverletzung.215 Handlungen, die Gefahren für das Rechtsgut schaffen, sollen möglichst frühzeitig strafrechtlicher Sanktionierung unterworfen werden.216 Diese Vorverlagerung rechtfertigt sich durch die mangelnde Beherrschungsmacht über das vom Täter geschaffene Risikopotential.217 Typisch für das abstrakte Gefährdungsdelikt ist der frühe Vollendungszeit­ punkt,218 welcher auch beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln festgestellt werden kann. Die Normierung von abstrakten Gefährdungsdelikten wird sowohl allgemein als auch speziell in Bezug auf das Betäubungsmittelrecht kritisch gesehen. Vereinzelt wird aufgrund der stark gelockerten Verbindung zwischen Handlung und Rechtsgut ein erhöhter Legitimationsbedarf ausgemacht.219 Im Betäubungsmittelrecht entzündet sich die Kritik am dahinterstehenden Rechtsgut der Volksgesundheit220 oder, um eine historisch unbelastete Formulierung zu gebrauchen, der allgemeinen Gesundheit.221 Die Gefährdung solcher Universalrechtsgüter ist aufgrund der ihnen immanenten Unbestimmtheit und Vagheit kaum zu ermitteln, weshalb häufig abstrakte Gefährdungsdelikte zu deren Schutz herangezogen werden.222 In dieses Bild fügt sich nahtlos das Handeltreiben ein. Die zugrundeliegenden Rechtsgüter wie die allgemeine Gesundheit und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sind kollektiver Natur. Eine konkrete Gefährdung oder gar Verletzung wird man daher nicht feststellen können. Wenn der Gesetzgeber 213  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 63; Rengier, Strafrecht AT, § 10 Rn. 11; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 29. 214  Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 153. 215  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 64; Bohnert, JuS 1984, 182 (187); Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (767 f.). 216  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 64. 217  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 64. 218  Rengier, Strafrecht AT, § 10 Rn. 14. 219  Hassemer, in: AK-StGB, Vor § 1 Rn. 400; Lang, BtM-Strafrecht, S. 156. 220  Siehe dazu 4. Teil F. IV. 1. a). 221  Es irritiert, dass sowohl in der Rechtsprechung als auch in der strafrechtlichen Literatur nahezu durchgehend der Begriff „Volksgesundheit“ verwendet wird, obwohl dieser vor 1945 zur Rechtfertigung von Regelungen mit nationalsozialistischem Gedankengut wie etwa der Reinheit der Rasse herangezogen wurde, vgl. Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 24. 222  Lang, BtM-Strafrecht, S. 155.

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

es trotzdem für notwendig hält, die verschiedenen Handlungen des § 29 Abs. 1 BtMG unter Strafe zu stellen, sanktioniert er damit die abstrakten Gefahren, die von diesen Verhaltensweisen für die Rechtsgüter ausgehen. Es handelt sich mithin beim Handeltreiben um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. 10. Zusammenfassung und Strukturierung Lässt man das Begriffsverständnis der Rechtsprechung Revue passieren, zeigen sich einige Besonderheiten in der Handhabung des Tatbestands, die sich in dieser Form nur beim Handeltreiben finden lassen. So enthält der Tatbestand des Handeltreibens außer dem sehr weiten Merkmal Tätigkeit keinerlei objektive Voraussetzungen. Jede beliebige Tätigkeit mit der entsprechenden subjektiven Tendenz erfüllt den Tatbestand, gleich welcher Art und Intensität.223 Für objektive Unterscheidungen lässt das Begriffsverständnis der Rechtsprechung keinen Raum.224 Der Begriff der Tätigkeit hat keinen eigenen Inhalt, vielmehr reicht jede beliebige Handlung zur Erfüllung des objektiven Tatbestands aus. Die Rechtsprechung fordert damit nicht mehr als das Vorliegen einer ohnehin allgemein bei jedem Delikt erforderlichen Handlung nach dem strafrechtlichen Handlungsbegriff. Der Täter muss zur Erfüllung nicht mehr tun, als das absolute Minimum für jedes Verbrechen: Er muss eine menschliche Handlung vornehmen.225 Ausgeschlossen bleibt dabei nur noch eine Form des menschlichen Verhaltens: das Unterlassen, woran allerdings beim Handeltreiben über die Figur des unechten Unterlassungsdelikts ebenfalls angeknüpft werden kann. De facto bleibt nach dem Begriffsverständnis des BGH der objektive Tatbestand „leer“. Ein Delikt ohne objektiven Tatbestand ist im Strafrecht ohne Beispiel. Durch den Verzicht auf eine näher bestimmte Tathandlung hat die Rechtsprechung das Handeltreiben seines Kerns beraubt. Zu Recht führen Jescheck / Weigend aus, dass der Kern eines jeden Tatbestandes die Tathandlung ist. Dieser kann durch Umstände näher bestimmt sein, etwa durch ihre Beziehung zu Personen oder Sachen, durch ihren Zusammenhang mit Zeit und Raum oder durch die Art und Weise ihrer Ausführung und durch ihre Verbindung mit anderen Handlungen.226 Dieser „gegenständlich223  So auch Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 299; Wienroeder, in: Franke /  Wienroeder, BtMG, § 29 Rn. 26 ff. 224  Niehaus, JR 2005, 192 (194); Roxin, StV 1992, 517 (518); Strate, ZRP 1987, 314 (316). 225  Vgl. dazu Anastasopoulou, Deliktstypen, S.  70; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rn. 1 ff.; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 218  f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 5. 226  Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 274.



B. Der Begriff in der Rechtsprechung57

reale Kern“227 fehlt beim Handeltreiben. Man kann deshalb von einem entkernten Tatbestand sprechen. Der objektive Anknüpfungspunkt ist beliebig, es entscheiden alleine die verfolgten Ziele des Täters. Bei einem Dealer, der Betäubungsmittel aus seinem Vorrat verkaufen möchte, könnte objektiv an den Anruf möglicher Kunden angeknüpft werden, ebenso wie an die Benutzung der Straßenbahn, um zum Übergabeort zu gelangen, das Begrüßungsritual oder die tatsäch­ liche Aushändigung des Betäubungsmittels. Die Handlung ist vollkommen unspezifisch228 und austauschbar229. Für einen objektiven Beobachter ist häufig nicht im Ansatz erkennbar, dass es sich dabei um ein mit Betäubungsmittelhandel in Zusammenhang stehendes Verhalten handeln soll. Die Austauschbarkeit der Tathandlung führt auch im Rahmen der Qualifika­ tionstatbestände zu Problemen, so z. B. bei § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird danach bestraft, wer mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel treibt und dabei eine Schusswaffe mit sich führt. Nach dem weiten Begriff des Handeltreibens erfüllt eine Person schon dann die Qualifikation, wenn sie z. B. eine Schusswaffe in ihrer Wohnung vorrätig hält und in dieser Zeit dort Betäubungsmittel streckt und verpackt,230 auch wenn dabei überhaupt keine anderen Personen anwesend sind, die mit der Schusswaffe verletzt werden könnten.231 Dass es bei diesem Mangel an objektiven Merkmalen zu Problemen bei Vorbereitung, Versuch und Vollendung kommt, ist nicht überraschend. Der Versuch erfordert unter anderem ein unmittelbares Ansetzen. Ein solches unmittelbares Ansetzen ist aber schon selbst eine Handlung i. S. d. strafrechtlichen Handlungsbegriffs, sodass es (wenn überhaupt) eigentlich nur Fälle der Vollendung geben dürfte. Gleiches gilt für die Hilfeleistung im Rahmen der Beihilfe. Jede Hilfeleistung stellt eine Handlung i. S. d. Tatbestands da, so dass bei konsequenter Annahme von Täterschaft bei eigenhändiger Tatverwirklichung nur Fälle der Täterschaft existieren können. Der objektive Gehalt des Merkmals Tätigkeit lässt eine sachgerechte Abgrenzung der verschiedenen Erscheinungsformen nicht zu.232 Das immer wieder von der Rechtsprechung betonte weite Verständnis wird allerdings dadurch relativiert, dass sie im Bereich von Vorbereitung, Versuch und Vollendung im Einzelfall Handlungen aus dem Tatbestand herausnimmt, die sich als bloße 227  Jescheck / Weigend,

Strafrecht AT, S. 273. in: BGH-FS aus der Wissenschaft, Band 4, S. 695 (718). 229  Harzer, StV 1996, 336 (339). 230  So ausdrücklich BGH, Urt. v. 28.02.1997 – 2 StR 556 / 96, BGHSt 43, 8 mit Anm. Zaczyck, JR 1998, 256. 231  In diese Richtung auch Niehaus, JR 2005, 192 (193). 232  Paul, StV 1998, 623 (624). 228  Paeffgen,

58

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Vorbereitungs- und Versuchshandlungen darstellen. Diese Vorgehensweise folgt keinem allgemeinen Kriterium, sondern einer Wertungsentscheidung im Einzelfall. Die daraus entstehende Kasuistik steht im Widerspruch zum immer wieder betonten Ausreichenlassen „jeder Tätigkeit“. Aufgrund des nicht vorhandenen objektiven Tatbestands erfolgt die erforderliche Konturierung des Handeltreibens allein auf subjektiver Ebene.233 Dabei hat sich die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren bemüht, insbesondere bei der Bestimmtheit des in Aussicht genommenen Umsatzgeschäfts restriktiver vorzugehen. Eine einheitliche Vorgehensweise ist ihr dabei bisher nicht gelungen. Stellt man die Tatbestandsstruktur des Handeltreibens in einem Aufbauschema dar, so ergibt sich folgendes Bild: I. Objektiver Tatbestand: Jede beliebige Tätigkeit i. S. einer Handlung nach dem strafrechtlichen Handlungsbegriff, soweit sie keine typische Vorbereitungsoder Versuchshandlung darstellt II. Subjektiver Tatbestand: 1. Ausrichtung (bei Vornahme der Tätigkeit) auf a. Umsatz b. mit Betäubungsmitteln c. Unerlaubtheit des Umgangs 2. Eigennützigkeit

IV. Kritik an der Rechtsprechung Mit ihrem weiten Begriffsverständnis sieht sich die Rechtsprechung seit Jahrzehnten heftigen Angriffen aus der Literatur ausgesetzt. In kaum einem Bereich des Strafrechts wird sie so eindringlich und einhellig von Literatur kritisiert wie beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Gestützt wird die Definition der Rechtsprechung nur von einigen Kommentatoren aus der Praxis.234 Die Literatur greift bei ihrer Kritik insbesondere die geschilderte ungewöhnliche Weite des Tatbestands auf. Objektiv verlange die Rechtsprechung lediglich eine „Tätigkeit“. Eine sachgerechte Abgrenzung der verschiedenen Erscheinungsformen sei damit nicht möglich.235 Insgesamt sei das Handeltreiben ausschließlich subjektiv ausgerichtet und es handele sich um nichts 233  BGH,

(107).

Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105

234  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 24 und 32; Weber, BtMG, § 29 Rn.  160 ff. 235  Paul, StV 1998, 623 (625).



B. Der Begriff in der Rechtsprechung59

anderes als um Gesinnungsstrafrecht,236 welches allein den „böse[n] Gedanke[n]“ sanktioniere.237 Bestraft werde durch den Tatbestand nicht alleine die Person, die Umsatzgeschäfte tatsächlich tätige, sondern bereits die Person, die das nur beabsichtige.238 Dies führe dazu, dass im Strafverfahren Angeklagter und Verteidiger keinerlei Spielraum im objektiven Bereich hätten.239 In keinem anderen Bereich des Strafrechts werde deshalb so viel gelogen wie in Betäubungsmittelverfahren.240 Diese atypische Konstruktion des Tatbestands mache eine Anwendung der Rechtsinstitute des Allgemeinen Teils unmöglich. Dies gelte z. B. für die Abschichtung von Vorbereitungs- und Versuchskonstellationen.241 Die Ausgestaltung der Tathandlung gebe keine handhabbare zeitliche Grenze zwischen diesen deliktischen Stufen und dem Vollendungseintritt her.242 Das liege schon daran, dass der Anfang der Ausführung nicht näher beschrieben sei und deshalb der Anknüpfungspunkt für das unmittelbare Ansetzen fehle.243 Auch Handlungen, die üblicherweise dem Vorbereitungs- und Versuchsstadium zuzuordnen seien, unterfielen beim Handeltreiben der Vollendungsstrafbarkeit.244 Dies gelte beispielsweise auch für Untauglichkeitsfälle wie etwa den Verkauf von Scheindrogen.245 Die Möglichkeit des Rücktritts sei dem Täter verwehrt.246 Auch für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme sei die Definition ungeeignet. Wenn jede Handlung mit entsprechender subjektiver Tendenz zur Tatbestandserfüllung ausreiche, so sei zumindest unter Anwendung allgemeiner Grundsätze auch jeder Täter des Handeltreibens. Die Definition biete daher keinen Anhaltspunkt für die Abschichtung zwischen Täterschaft und Teilnahme.247 236  Lang, BtM-Strafrecht, S. 203; Neuhaus, NStZ 2001, S. 39 (40); Krumdiek /  Wesemann, StV 2006, 634 (636). 237  Neuhaus, NStZ 2001, 39 (40); Weider, Dealen mit Drogen und Gerechtigkeit, S. 17. 238  Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 359. 239  Strate, ZRP 1987, 314 (316). 240  Strate, ZRP 1987, 314 (315). 241  Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 357 und 364 ff.; Niehaus, JR 2005, 192 (194); Roxin, StV 1992, 517 (518) und StV 2003, 619. 242  Harzer, StV 1996, 336; Krack, JR 2008, 342. 243  Harzer, StV 1996, 336. 244  Lang, BtM-Strafrecht, S. 201; Niehaus, JR 2005, 192 (194); Roxin, StV 1992, 517 (518). 245  Krack, JR 2008, 342. 246  Endriß / Kinzig, NJW 2001, 3217 (3218); Kreuzer, in: Miyazawa-FS, S. 177 (189); Niehaus, JR 2005, 192 (194); Paul, StV 1998, 623 (625). 247  Hassemer, KritV 1993, 198 (203); Liemersdorf / Miebach, MDR 1979, 981 (982); Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 357 und 360 ff.; Niehaus, JR 2005, 192 (194); Paul, StV 1998, 623 (625).

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Letztlich sei der Begriff so weit und unscharf, dass er die Grenze des Zulässigen über den Wortlaut hinaus überschreite.248 Insofern sei das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG verletzt.249 Die Einschränkungsversuche der Rechtsprechung im Einzelfall seien ein Herumkurieren an Symptomen, welches es versäume, die Ursachen des Problems in Angriff zu nehmen.250 Diese Vorgehensweise ähnele einem Puzzle aneinander gelegter Gesichtspunkte, um unterm Strich das gewünschte Ergebnis herbeizuführen.251 Wie der konkrete Einzelfall beurteilt werde, sei kaum vorhersehbar und weitgehend von der persönlichen Auffassung des Tatrichters abhängig.252 Kritisiert wird zudem die zu starke Berücksichtigung von kriminalpolitischen Erwägungen. Grund für die weite Fassung sei das Bemühen, die Personen, die an Rauschgiftgeschäften beteiligt sind, so früh wie möglich der vollen Härte des Strafgesetzes zu unterwerfen.253 Dies sei juristisch illegitim, da nach v. Liszt das Strafrecht „die unübersteigbare Schranke der Kriminalpolitik“ sei.254 Das Handeltreiben mit Betäubungsmittel habe den Bezug zum Rechtsgut der Volksgesundheit verloren.255 Eine zumindest beginnende Konkretisierung einer Gefahr für das Rechtsgut sei nicht erkennbar.256

V. Das Anfrage- und Vorlageverfahren und die Entscheidung des Großen Senats Diese Kritik hat auch die Rechtsprechung nicht unbeeindruckt gelassen. Im Jahr 2003 formulierte der 3. Senat einen Anfragebeschluss, in welchem er Bedenken gegen die weite Fassung des Handeltreibens äußerte und Einschränkungen für erforderlich hielt.257 Er schlug vor, diese Definition durch einen Katalog handelstypischer Tätigkeiten zu ersetzen, welcher sich an der gesetzlichen Definition des Waffenhandels und an den anderen Begehungsformen des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG orientiert. Die anderen Senate standen dieser Lösung jedoch ablehnend gegenüber, wobei der 4. Senat258 248  Endriß / Kinzig,

NJW 2001, 3217 (3218); Harzer, StV 1996, 336 (337). StV 2006, 634 (637); Roxin, StV 2003, 619 (619 f.). 250  Krack, JR 2008, 342 (344). 251  Krumdiek / Wesemann, StV 2006, 634 (638). 252  Niehaus, JR 2005, 192 (194). 253  Roxin, StV 1992, 517 (519). 254  Roxin, StV 1992, 517 (519). 255  Strate, ZRP 1987, 314 (316). 256  Strate, ZRP 1987, 314 (316). 257  BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105; vgl. dazu Gaede, StraFO 2003, 392. 258  BGH, Beschl. v. 27.01.2004 – 4 ARs 23 / 03 (nicht veröffentlicht), zitiert nach: Rahlf, in: BRAK-FS, S. 243 (252). 249  Krumdiek / Wesemann,



B. Der Begriff in der Rechtsprechung61

der Kritik in der Sache zustimmte, aber eine andere Lösung vorschlug, während der 1.259, 2.260 und 5. Senat261 am bisherigen Begriff des Handeltreibens festhalten wollten. Der 3. Senat verfolgte darauf seinen Vorschlag zur Neufassung nicht weiter, hielt aber an seiner Kritik am Begriff des Handeltreibens fest. In einer Vorlage an den Großen Senat nahm er die dem konkreten Fall zugrundeliegende Problematik auf und ließ klären, ob schon der Eintritt in ernsthafte Verhandlungen über Betäubungsmittelgeschäfte für die Tatbestandsverwirklichung ausreicht.262 Der Große Senat bejahte dies und hielt in seiner Entscheidung an der überkommenden Fassung des Handeltreibens fest.263 Obwohl sich in der Sache durch das gesamte Verfahren keine Änderung am Begriff des Handeltreibens ergeben hat, lohnt sich eine nähere Betrachtung der einzelnen Entscheidungen. Einerseits werden in der Begründung des 3. Senats die Probleme des Handeltreibens so deutlich angesprochen wie in der Rechtsprechung niemals zuvor. Andererseits offenbaren sich seit der Entscheidung des Großen Senats neue, restriktive Entwicklungslinien, die unmittelbar mit dem Vorlageverfahren zusammenhängen. 1. Die Anfrage Dem Anfragebeschluss264 liegen verschiedene Sachverhalte zugrunde, in denen die Angeklagten zwar Bemühungen entfalteten, an Betäubungsmittel zu gelangen, diese aber erfolglos blieben. In einem Fall beauftrage der Angeklagte einen Freund, Betäubungsmittel zu beschaffen, in einem anderen erklärte er selbst die Bereitschaft zur Beschaffung. Ein anderer Angeklagter fuhr mehrmals in die Niederlande, um Betäubungsmittel zu erwerben, konnte jedoch dort wider Erwarten keine Geschäfte tätigen. Der Senat stellt zu Beginn fest, dass nach der bisherigen Rechtsprechung diese Fälle als vollendetes Handeltreiben bewertet werden müssten. Die Einordnung, ob die Taten der Angeklagten als Vorbereitungs- oder Versuchshandlung oder als vollendetes Handeltreiben zu werten seien, hänge entscheidend vom Verständnis des Handeltreibens ab. Verstehe man Handel259  BGH, Beschl. v. 25.03.2004 – 1 ARs 21 / 03 (nicht veröffentlicht), zitiert nach: Rahlf, in: BRAK-FS, S. 243 (253). 260  BGH, Beschl. v. 06.02.2004 – 2 ARs 276 / 03, NStZ-RR 2004, 183; vgl. dazu Gaede, HRRS 2004, 165. 261  BGH, Beschl. 22.01.2004 – 5 ARs 46 / 03, DRsp-ROM Nr. 2004 / 4099; vgl. dazu Gaede, HRRS 2004, 165. 262  BGH, Beschl. v. 13.01.2005 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NJW 2005, 1589; vgl. dazu Gaede, HRRS 2005, 250. 263  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252. 264  BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105.

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

treiben als eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, seien auch Handlungen erfasst, die weit im Vorfeld des eigentlichen Umsatzgeschäfts lägen, nur Hilfstätigkeiten darstellten oder ihnen im Rahmen des Geldflusses nachfolgten. Die gegen den weiten Begriff vorgebrachte Kritik der Literatur erweise sich als berechtigt. Die bisherige Auslegung sei zwar nicht von vornherein mit dem Wortlaut unvereinbar, jedoch spreche dieser für eine engere Auslegung. Es entspreche dem Wortsinn des Begriffes besser, nur solche Tätigkeiten zu erfassen, die handelsspezifisch sind. Auch die Versuchsanordnung gem. § 29 Abs. 2 BtMG spreche für ein engeres Verständnis, da nach der bisherigen Auslegung die Versuchsstrafbarkeit keine nennenswerte Rolle spiele. Der Schuldgrundsatz verlange, Handlungen im Vorfeld mit ihrer für das Rechtsgut geringeren Gefährlichkeit auch eine geringere Strafandrohung gem. § 23 Abs. 2 StGB zuzuweisen und die Möglichkeit des Rücktritts zu eröffnen. Die bisherige Rechtsprechung sei auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz problematisch, erweise sich doch das konkrete Ergebnis für den einzelnen Normadressaten aufgrund der großen Weite des Begriffs einerseits und der vielfältigen Einschränkungen der Rechtsprechung im Einzelfall als kaum vorhersehbar. Für die Ausgestaltung der engen Fassung des Handeltreibens präferiert der Senat einen Katalog handelstypischer Tätigkeiten. Die Vorschläge der Literatur für ein engeres Begriffsverständnis hält er für zu weit gehend. Der Katalog solle dabei insbesondere Handlungen im Vorfeld, Hilfstätigkeiten und nachfolgende Geldstransaktionen aussparen. Als Vorbild für die Katalog­ lösung könne § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG a. F. (heute: Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG, Abschnitt 2 Nr. 9) herangezogen werden, in welchem typische Händlertätigkeiten aufgeführt seien.265 Zusammen mit den in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG im Anschluss an die Worte „ohne Handel zu treiben“ aufgezählten Tätigkeiten, welche der Gesetzgeber als typische Teilakte des Handeltreibens angesehen habe, könne Handeltreiben wie folgt verstanden werden: „Mit Betäubungsmitteln treibt Handel, wer diese eigennützig und in der Absicht, ihren Umsatz zu ermöglichen oder zu fördern, ankauft, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft, einführt, ausführt, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsucht, veräußert, anderen überlässt, sonst in den Verkehr bringt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt.“266 Diese Definition verschaffe dem Begriff bereits auf objektiver Ebene eine hinreichende Bestimmtheit und erlaube eine sachgerechte 265  Dieser Gedanke findet sich bereits bei Schwitters, Vorverlagerung beim Handeltreiben, S.  153 ff. 266  BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105 (108).



B. Der Begriff in der Rechtsprechung63

Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung einerseits und Täterschaft und Teilnahme andererseits. Gleichzeitig sei sichergestellt, dass sich an der Strafbarkeit der Drahtzieher und Hintermänner des Drogenhandelns nichts ändere. 2. Die Reaktion der übrigen Senate Anders als in der Literatur, in der zumindest die vorgebrachte Kritik geradezu begeistert aufgenommen wurde,267 folgten die übrigen Strafsenate des BGH dem 3. Senat überwiegend nicht.268 Der 1., 2. und 5. Senat sahen keinen Anlass, vom bisherigen Begriffsverständnis des Handeltreibens abzuweichen. Die Verfassung gebiete keine andere Auslegung, vielmehr bleibe die bisherige Definition im Rahmen des Wortsinns.269 Die vorgeschlagene Kataloglösung überzeuge nicht, da sie zu einer neuerlichen Typisierungskasuistik führe und kein einheitliches Kriterium zur Eingrenzung biete.270 Der 2. Senat plädierte dabei dafür, dem unterschiedlichen Unrechtsgehalt bei den verschiedenen Begehungsweisen durch eine restriktive Anwendung des Begriffs in Grenzfällen Rechnung zu tragen.271 Der 5. Senat zog eine Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit zu Lasten vollendeten Handeltreibens vor.272 Der 4. Senat schloss sich zwar der Kritik an, schlug aber eine andere Lösung vor. Er wollte der bisherigen Definition einen einschränkenden Zusatz anfügen, nach dem nur derjenige Handel treibt, der mit einem anderen eine Einigung über die Lieferung erzielt hat und in der Absicht handelt, aus dem Umsatz Gewinn zu erzielen.273 3. Die Vorlage In seinem Vorlagebeschluss stellte der 3. Senat an den Großen Senat folgende Frage: „Reicht es für die Annahme vollendeten Handeltreibens aus, wenn der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhand267  Roxin, StV 2003, 619 nennt den Anfragebeschluss eine „bahnbrechende Entscheidung von wissenschaftlichem Rang“; dem Ansatz des Senats mit einzelnen Abweichungen folgend Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 177 ff.; kritisch dagegen Weber, NStZ 2004, 66. 268  Vgl. die Übersicht bei Rahlf, in: BRAK-FS, S. 243 (252 f.). 269  BGH, Beschl. v. 06.02.2004 – 2 ARs 276 / 03, NStZ-RR 2004, 183. 270  BGH, Beschl. v. 06.02.2004 – 2 ARs 276 / 03, NStZ-RR 2004, 183. 271  BGH, Beschl. v. 06.02.2004 – 2 ARs 276 / 03, NStZ-RR 2004, 183 (184). 272  So wiedergegeben in BGH, Beschl. v. 13.01.2005 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NJW 2005, 1589. 273  Rahlf, in: BRAK-FS, 243 (252 f.).

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

lungen eintritt, aber keine Einigung mit dem Lieferanten erzielt?“274 Der Senat gab sein Anliegen einer umfassenden Neubestimmung im Vorlagebeschluss auf, da er nach dem Ergebnis des Anfragebeschlusses keine Möglichkeit sah, eine Mehrheit zu gewinnen. An seiner Kritik der weiten Fassung des Handeltreibens hielt er jedoch fest. Der von den anderen Senaten angeführte Einwand der Beweisschwierigkeiten sei kein taugliches Auslegungskriterium und könne die Beibehaltung des Begriffes nicht rechtfertigen. Er verwies erneut auf die gem. § 29 Abs. 2 BtMG gebotene Versuchsstrafbarkeit. Er schlug in diesem Zusammenhang übereinstimmend mit dem 4. Senat vor, weit im Vorfeld liegende Handlungen ohne Bezug zum Umsatzgeschäft nicht dem vollendeten Handeltreiben zu unterwerfen. 4. Die Entscheidung des Großen Senats Der Große Senat für Strafsachen beantwortete die Vorlagefrage in seiner Entscheidung275 positiv. Entgegen der Meinung des 3. Senats soll das Eintreten in ernsthafte Verhandlungen zum Weiterverkauf für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ausreichen. Am überkommenen Begriff des Handeltreibens wurde festgehalten. Für die bisherige Fassung spreche die über siebzigjährige, gefestigte Auslegung, welche bereits das Reichsgericht dem Handeltreiben zugrunde gelegt habe. Bei den gesetzlichen Umgestaltungen im Betäubungsmittelrecht habe der Gesetzgeber stets das Begriffsverständnis der Rechtsprechung vor Augen gehabt, ohne Anlass für Änderungen zu sehen. Für die Beibehaltung des bisherigen Begriffs streite auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber den Begriff des Handeltreibens in verschiedene andere Materien des Nebenstrafrechts übernommen habe und sich dabei am Begriffsverständnis der Rechtsprechung zum BtMG orientieren wollte. Beispiele seien das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Arzneimittelgesetz und das Transplantationsgesetz. Gegen eine Änderung an der Definition werden außerdem kriminalpolitische Gesichtspunkte vorgebracht. Es gebe strukturelle Unterschiede zwischen Betäubungsmittelkriminalität und der „allgemeinen“ Kriminalität. Typisch für die Betäubungsmittelkriminalität seien Konspiration, Tarnung und ein organisiertes hierarchisches System, welches das Risiko der Entdeckung des einzelnen Täters gezielt vom kompetenten Täter höherer Ebene auf die schwächeren Täter der unteren Ebene verlagere. Häufig seien deshalb nur Teilakte des Gesamtgeschehens feststellbar, was der Gesetzgeber zum Anlass genommen habe, mit dem Handeltreiben ein Delikt aufzunehmen, das bereits beim Vorliegen relativ geringer Voraussetzungen erfüllt sei. 274  BGH, 275  BGH,

Beschl. v. 13.01.2005 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NJW 2005, 1589. Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252.



B. Der Begriff in der Rechtsprechung65

Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten sei die Vollendungsschwelle niedrig anzusetzen. Von den gegen die weite Auslegung vorgebrachten Argumenten lässt sich der Große Senat nicht überzeugen. Aus der rein technischen Regelung der Versuchsstrafbarkeit gem. § 29 Abs. 2 BtMG könne nicht hergeleitet werden, dass es auch eine signifikante Zahl von Fällen des Versuchs geben müsse. Diese Regelung habe einen hinreichenden Anwendungsbereich bei den anderen 13 Tatbestandsvarianten. Auch ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot sei, wie vom BVerfG bestätigt, nicht zu befürchten. Das abgestufte Regelungssystem der §§ 29 bis 30a BtMG insbesondere mit seinen minderschweren Fällen gewährleiste schließlich eine mit dem Schuldgrundsatz hinreichend abgestimmte Strafe. Zum Abschluss verweisen die Bundesrichter auf zwei Gesichtspunkte, die in der späteren Rechtsprechungspraxis zu deutlichen Einschränkungen des Handeltreibens führten. Typische Vorbereitungshandlungen, die weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen, sollen nicht einmal die Voraussetzungen des Versuchs des Handeltreibens erfüllen. Zwar sei die Grenzziehung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung bislang nur kasuistisch erfolgt, doch liege ihr häufig das Abgrenzungskriterium der hinreichenden Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat zugrunde. Zweiter Gesichtspunkt soll die Abgrenzung zwischen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe sein. Problematische Fälle könnten im Rahmen dieser Abgrenzung der Beihilfe unterworfen werden, was zur Strafrahmenmilderung nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB führe. 5. Zusammenfassung Mit der Entscheidung des Großen Senats hat sich der BGH für die Beibehaltung des weiten Begriffs des Handeltreibens entschieden, gleichzeitig aber Einschränkungen in den Bereichen Vorbereitung, Versuch und Vollendung einerseits und Täterschaft und Teilnahme andererseits angedeutet. Während das erstgenannte Themenfeld nach der Entscheidung weiterhin eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat, kommt der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme in den letzten Jahren eine zentrale Bedeutung zu. Diese Entwicklungslinie soll daher im zweiten und dritten Teil der vorliegenden Arbeit intensiver verfolgt und bewertet werden. Ohne eine abschließende Einschätzung vorwegzunehmen, kann aber schon hier festgehalten werden, dass der eigentlich problematische Gesichtspunkt des Handeltreibens vom Großen Senat unangetastet bleibt: die Weite des Begriffs in objektiver Hinsicht.

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

VI. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Auch das BVerfG hat sich in mehreren Beschlüssen zum Handeltreiben geäußert.276 Dabei hatte es keine Bedenken gegen die Verwendung des Begriffs und das Verständnis der Rechtsprechung. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG sei der Gesetzgeber nicht gehindert, unbestimmte Rechtsbegriffe heranzuziehen, soweit eine vorhersehbare und einheitliche Rechtsanwendung für den Normadressaten sichergestellt sei.277 Dies sei beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gegeben. Auch der Schuldgrundsatz, welcher aus den Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip folge, sei nicht verletzt, da das Gesetz beim Handeltreiben hinreichende Möglichkeiten zur Verhängung einer schuldangemessenen Strafe eröffne.278

C. Der Begriff in der Literatur Neben der Rechtsprechung hat sich auch die Literatur mit dem Begriff des Handeltreibens beschäftigt. Anders als Vorschläge, die auf eine umfassende Neubestimmung verzichten,279 haben zahlreiche Autoren konkrete – von der Rechtsprechung abweichende – Definitionsvorschläge erarbeitet.

I. Lückenschließender Auffangtatbestand (Liemersdorf / Miebach) Liemerdorf / Miebach schlagen vor, den Tatbestand des Handeltreibens so zu verstehen, dass er nur noch Taten erfasst, die unter keine andere Tatmodalität fallen.280 Mit der Konzeption als lückenfüllendem Auffangtatbestand 276  BVerfG, Beschl. v. 25.02.1993 – 2 BvR 2229 / 92 (juris); Beschl. v. 24.10.1999 – 2 BvR 1906 / 99 (juris); Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193; nicht zur Verfassungsmäßigkeit des Handeltreibens, sondern zu einer Vorlagepflicht aufgrund von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG äußert es sich außerdem in Beschl. v. 17.07.2007 – BvR 1255 / 07, NStZ 2008, 39. 277  BVerfG, Beschl. v. 25.02.1993 – 2 BvR 2229 / 92 (juris), Rn. 2; Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193. 278  BVerfG, Beschl. v. 25.02.1993 – 2 BvR 2229 / 92 (juris), Rn. 5 f.; Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193 (1194). 279  Niehaus deutet eine Lösung nur an, wenn er Handeltreiben für die Fälle der einverständlichen Übertragung von BtM, der Erzielung einer Willensübereinkunft oder der Vermittlung eines BtM-Geschäfts annehmen möchte, vgl. Niehaus, JR 2005, 192 (197); Bensch wählt eine Neufassung, die dem Anfragebeschluss des 3. Senats ähnelt, wenn auch mit Abweichungen im Detail, vgl. Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 177 ff.; in diese Richtung bereits Schwitters, Vorverlagerung beim Handeltreiben, S. 153 ff. 280  Liemersdorf / Miebach, MDR 1979, 981 (984).



C. Der Begriff in der Literatur67

verlören die Abgrenzungsprobleme zwischen Täterschaft und Teilnahme ihre Bedeutung.281 Die in der Aufzählung der Begehungsformen zum Ausdruck kommende Gleichwertigkeit sowie die Entstehungsgeschichte lege diese Auslegung nahe.282 Als historischen Anknüpfungspunkt wählen die beiden Autoren den Anlass für die gesetzliche Übernahme des Handeltreibens im Jahr 1929.283 Der Begriff sei alleine zur Lückenfüllung aufgenommen worden, es müsse deshalb sichergestellt werden, dass die Vermittlung der Hauptanwendungsfall des Handeltreibens bleibe.284 Dieser Lösungsvorschlag lässt den eigentlichen Begriff des Handeltreibens unberührt und beschränkt sich lediglich darauf, die negativen Folgen abzumildern. Sämtliche bisherigen Probleme, sei es die Erfassung weit vorgelagerter Fälle oder die Abgrenzung zur Beihilfe, bleiben bestehen – sie treten nur dann in der Hintergrund, wenn neben dem Handeltreiben noch eine andere Begehungsform verwirklicht ist. Im Übrigen kann man den Vorschlag auch angesichts der geänderten Gesetzesformulierung als überholt betrachten. Seit dem Jahr 1982 enthält das Gesetz nämlich für die nachfolgenden Tatmodalitäten den Zusatz „ohne Handel zu treiben“. Der Gesetzgeber wollte damit klarstellen, dass die in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG genannten Begehungsformen im Handeltreiben aufgehen können, aber auch eine selbstständige Bedeutung haben.285 Damit zeigt der Gesetzgeber, dass er die nachfolgenden Tathandlungen nur als Auffangtatbestände für die Fälle sieht, in denen Handeltreiben nicht vorliegt oder nicht nachgewiesen werden kann.286 Diese Vorrangigkeit des Handeltreibens wird man bei der aktuellen Gesetzesfassung nicht bestreiten können, die vor dieser Änderung vorgeschlagene Lösung von Liemersdorf / Miebach ist deshalb mit der heutigen Gesetzesfassung unvereinbar. Deutlich wird dies auch durch die zahlreichen Qualifikationen, die besonders häufig an das Handeltreiben anknüpfen und andere Begehungsformen aussparen.287

II. Näherbringen des Betäubungsmittels auf dem Weg zum Abnehmer (Roxin, Harzer, Paul) Andere Autoren schlagen eine Modifikation des Begriffs selbst vor und verlangen Einschränkungen im objektiven Bereich. Nach Roxin hat das 281  Liemersdorf / Miebach, 282  Liemersdorf / Miebach, 283  Siehe

1. Teil A.

284  Liemersdorf / Miebach,

MDR 1979, 981 (984). MDR 1979, 981 (984).

MDR 1979, 981 (984). 8 / 3551, S. 36. 286  Weber, Begriff des Handeltreibens, S. 142 f. 287  Ähnlich Lang, BtM-Strafrecht, S. 219. 285  BT-Drucksache

68

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Handeltreiben einen Erfolg, nämlich den Umsatz, welcher nach seiner Meinung bei der „Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere“ vorliegt.288 Andere Handlungen, wie das Einsammeln von Geld oder die Abholung der Ware seien bloße Vorbereitung.289 Ein Versuch liege dagegen vor, wenn der Täter „nach seiner Vorstellung an einen der Übertragung nahe vorgelagerten Punkt gekommen war“.290 In eine ähnliche Richtung geht der Ansatz von Harzer. Ein unbefangener Betrachter verstehe Handeltreiben zunächst so, dass der Täter anderen Personen gegen Entgelt Sachen oder Rechte veräußere.291 Für das Handeltreiben müsse deshalb der Täter in einem auf Entäußerung gerichteten Tun die Sache dem Erwerber näher bringen.292 Soweit der Täter sich die Sache lediglich zur späteren Veräußerung beschaffe, sei ein Versuch anzunehmen. Einen Erfolg in diesem Sinne fordert auch Paul und sieht diesen im Umsatz des Betäubungsmittels bzw. dem „Näherbringen desselben bezogen auf den Abnehmer“.293 Er bezieht sich dabei ausdrücklich auf die Ausführungen von Roxin und Harzer und sieht die Einschränkung als geeignet, an Vorbereitungs- und Versuchshandlungen abzuschichten. Ginge es um Betäubungsmittelimitate, sei ebenso wie bei Verhandlungen über nicht verfügbare Betäubungsmittel keine Vollendung anzunehmen.294 Je nach der subjektiven Einschätzung des Täters zur Vollendungsnähe seines Verhaltens sei lediglich ein Versuch gegeben.295 Auch eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme könne mit dem Vorschlag ohne weiteres geleistet werden.296 Positiv an diesen Lösungsansätzen ist die Vorgabe klarer Kriterien für Vorbereitung, Versuch und Vollendung sowie Täterschaft und Teilnahme. Der Wortlaut legt allerdings keine Konzeption als Erfolgsdelikt, sondern eher eine als Tätigkeitsdelikt nahe.297 Problematisch ist, dass die Vorschläge nur die körperliche Übertragung der Handelsware erfassen.298 Personen, die nicht selbst körperlich mit der Sache in Kontakt kommen, wie z. B. Vermitt288  Roxin,

StV 1992, 517 (519). StV 1992, 517 (519). 290  Roxin, StV 1992, 517 (519). 291  Harzer, StV 1996, 336 (337). 292  Harzer, StV 1996, 336 (337). 293  Paul, StV 1998, 623 (625). 294  Paul, StV 1998, 623 (625). 295  Paul, StV 1998, 623 (625). 296  Paul, StV 1998, 623 (625). 297  BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105 (108). 298  Niehaus, JR 2005, 192 (196). 289  Roxin,



C. Der Begriff in der Literatur69

ler von Betäubungsmittelgeschäften, wären nicht mehr wegen Handeltreibens zu bestrafen.299 Die Erfassung dieser Fälle war jedoch gerade das gesetzgeberische Motiv für die gesetzliche Einfügung des Handeltreibens,300 so dass die Nichterfassung von Vermittlungsbemühungen nicht überzeugt. Gleiches gilt für die Hintermänner, welche häufig Betäubungsmittel nicht selbst berühren und sie deshalb auch nicht in Richtung Abnehmer weiterbringen können. Entgegen dem gesetzgeberischen Willen, welcher eine vollständige Erfassung des Umgangs mit Betäubungsmitteln vorsieht, entstehen nicht vertretbare Strafbarkeitslücken.301 Insgesamt können deshalb die vorgeschlagenen Lösungen nicht überzeugen.

III. Gefahr des Betäubungsmittelumsatzes (Gaede, Schwarzburg) Geringere Anforderungen stellt Gaede, welcher bereits die Gefahr des Betäubungsmittelumsatzes ausreichen lässt. Vollendetes Handeltreiben sei anzunehmen, wenn sich ein Umsatz im Sinne eines konkreten Umsatzgeschäfts tatsächlich angebahnt habe.302 Der Tatbestand erfasse damit „jedes tatherrschaftliche Verhalten, mit dem der Täter eigennützig die Gefahr schafft, dass ein nach dem Handlungskontext erwartbarer konkreter Betäubungsmittelumsatz erfolgt“.303 Versuch sei dagegen anzunehmen, wenn der Täter lediglich zu einer noch ausstehenden Gefahr ansetze.304 Ähnlich hatte bereits 1991 Schwarzburg im Zusammenhang mit dem Thema der polizeilichen Tatprovokation gefordert, Handeltreiben nur bei Tätigkeiten anzunehmen, „die objektiv die Gefahr des Betäubungsmittelumsatzes beinhalten“.305 Ergebnis dieser Fassung wäre ein Ausscheiden des Handeltreibens in Fällen, in denen unter keinen Umständen eine Rechtsgutsverletzung in Betracht kommt, wie z. B. bei bereits erfolgter Sicherstellung der Betäubungsmittel oder dem Umgang mit Betäubungsmittelimitaten.306 Gleiches gilt für Fälle, in denen nur von einer Seite ernsthaft An- oder Verkaufsbemühungen betrieben werden.307 Das dargestellte Gefahrerfordernis deutet das Handel299  BGH, Beschl. v. 10.07.2003 – 3 StR 61 / 02, 3 StR 243 / 02, NStZ 2004, 105 (108); Niehaus, JR 2005, 192 (196). 300  Siehe 1. Teil A. 301  Vgl. Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 152. 302  Gaede, StraFO 2003, 392 (396). 303  Gaede, StraFO 2003, 392 (396). 304  Gaede, StraFO 2003, 392 (396). 305  Schwarzburg, Polizeiliche Tatprovokation, S. 59. 306  Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 153. 307  Gaede, StraFO 2003, 392 (396).

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

treiben von einem abstrakten in ein konkretes Gefährdungsdelikt um.308 Im Gegensatz zu den sonstigen konkreten Gefährdungsdelikten findet dies jedoch im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Der verwendete Gefahrbegriff ist daneben äußerst unbestimmt.309 Wann soll eine Gefahr beginnen und vor allem wie soll mit hinreichender Verlässlichkeit bestimmt werden, wann jemand zu einer solchen Gefahrschaffung unmittelbar ansetzt?

IV. Objektive Manifestation (Ebert) Ebert bestimmt den Begriff des Handeltreibens ähnlich wie bei der Unterschlagung. Handeltreiben sei „jede eigennützige Handlung, die objektiv umsatzbezogen erscheint“.310 Es geht ihm um die Manifestation des Umsatzwillens, ohne dass ein Umsatzerfolg erforderlich ist.311 Er übernimmt die Definition der Rechtsprechung, fügt ihr aber das Erfordernis hinzu, dass die subjektive Tendenz auch objektiv nach außen treten muss. Dabei möchte er die Anforderungen an die Manifestation eng fassen, also Handeltreiben nur annehmen, wenn ein objektiver Beobachter unzweifelhaft auf den Umsatzwillen schließen kann.312 Mehrdeutige und äußerlich neutrale Verhaltensweisen würden damit nicht mehr dem Tatbestand unterfallen.313 Auch Eberts Vorschlag lässt die eigentliche Fassung des Handeltreibens grundsätzlich unberührt. Es soll weiterhin jede Tätigkeit ausreichen, nur muss sie eben auch objektiv umsatzbezogen erscheinen. An der Erfassung von Fällen weit im Vorbereitungsstadium und typischen Hilfstätigkeiten ändert sich nichts, sofern die Umsatzorientierung nach außen tritt.314 Eine wirklich objektive Einschränkung ist mit der von Ebert präferierten Lösung nicht verbunden. Eine solche ist aber erforderlich, wenn man die dargestellten Grundprobleme beseitigen will.

V. Erklärungslösung (Oğlakcıoğlu) Der vor kurzem veröffentlichte Vorschlag von Oğlakcıoğlu wählt einen Mittelweg zwischen den verschiedenen Lösungsmodellen. Wie Gaede hält er die Feststellung eines Umsatzerfolgs für nicht erforderlich, verlangt aber 308  Lang,

BtM-Strafrecht, S. 218. BtM-Strafrecht, S. 218. 310  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 173. 311  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 173. 312  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 174 f. 313  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 175. 314  In diese Richtung auch Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 151. 309  Lang,



D. Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu anderen Tatmodalitäten71

die konkrete Anbahnung des Umsatzgeschäfts, etwa durch ernsthafte Verkaufsverhandlungen.315 Von Eberts Manifestationstheorie übernimmt er die Erkenntnis, dass ein tatsächliches „Auftreten“ des Täters auf dem Drogenmarkt notwendig ist und sich dieses Auftreten bei einem Dritten bemerkbar machen muss.316 Handeltreiben soll deshalb „jede (ausdrückliche oder konkludente) Erklärung mit Umsatzwillen [sein], die ernsthaft auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit Betäubungsmitteln gerichtet ist oder dieses tatsächlich herbeiführt.“317 Unberücksichtigt lässt diese Definition Verhaltensweisen, die nicht direkt vor dem eigentlichen Güterumsatz liegen sowie bloßes „kontaktloses Agieren“.318 Positiv an Oğlakcıoğlus Lösungsmodell ist sein Bemühen, die Tathandlung enger zu fassen, ohne einen Umsatzerfolg vorauszusetzen. Ihm gelingt eine sinnvolle Eingrenzung auf Handlungsweisen, die unmittelbar mit dem Vertragsabschluss zusammenhängen. Allerdings passt die vorgeschlagene Lösung nur für eben diese Fallkonstellationen. Warum die gerade für den Betäubungsmittelhandel so wichtige Vermittlung von Geschäftskontakten nicht vom Tatbestand erfasst sein soll, ist nicht ersichtlich. Außerdem werden durch den Vorschlag undifferenziert sämtliche Personen erfasst, die mit dem Abschluss des Betäubungsmittelgeschäfts befasst sind. Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen Mafiaboss oder einen lediglich untergeordneten Boten handelt, der gegen kleines Entgelt Nachrichten übermittelt.

D. Die Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu den anderen Tatmodalitäten Interessant ist die Frage, welche Stellung das Handeltreiben im Vergleich zu den anderen Tatbestandsvarianten des § 29 BtMG einnimmt. Die Rechtsprechung hat teilweise angenommen, dass das Handeltreiben die verwerflichste Tatalternative des § 29 Abs. 1 StGB darstelle.319 Nimmt man diese Aussage ernst, müsste das Handeltreiben in der Regel schärfer bestraft werden als die anderen Begehungsformen. Diese Frage ist mithin von erheblicher praktischer Relevanz für die Findung des Strafmaßes und deshalb bei den später folgenden Untersuchungen zu berücksichtigen. 315  Oğlakcıoğlu,

Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 495. Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 496. 317  Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 496. 318  Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 407, 501. 319  BGH, Urt. v. 30.01.1980 – 3 StR 471 / 79, NJW 1980, 1344; Beschl. v. 17.04.1986 – 1 StR 172 / 86, NStZ 1986, 368; Beschl. v. 27.07.1999 – 5 StR 316 / 99, NStZ 1999, 625; Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 316  Oğlakcıoğlu,

72

1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

I. Die Auffassung des BGH Besteht also ein faktisches Stufenverhältnis zwischen den verschiedenen Tatmodalitäten, welches das Handeltreiben gegenüber den anderen Begehungsformen besonders hevorhebt? Die Rechtsprechung des BGH zu dieser Frage ist bisher uneinheitlich. Während der 1.320, 3.321 und insbesondere der 5. Senat322 ein faktisches Stufenverhältnis annehmen, bei dem das Handeltreiben regelmäßig im Vergleich zu den anderen Tatbestandsvarianten die schwerere Deliktsvariante bilde, hat der 4. Senat323 darin einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) gesehen. Auch der 3. Senat hat sich in jüngerer Zeit skeptisch geäußert.324 Ein 1999 durchgeführtes Anfrageverfahren seitens des 5. Senats ist ohne abschließende Entscheidung des Großen Senats geblieben.325 Für die Möglichkeit unterschiedlicher Unrechtsgehalte bei Tatbeständen, die verschiedene Begehungsformen mit dem gleichen Strafrahmen belegen, spricht nach Ansicht des 5. Senats schon ein Vergleich zum Tatbestand der schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 StGB), bei dem eine Unterscheidung unbedenklich und sachgerecht sei.326 Gegen die Differenzierung spreche nicht, dass der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen habe, für die regelmäßig schwerere Variante einen höheren Strafrahmen zu eröffnen.327 Vielfach gelte der gleiche Strafrahmen für verschiedene strafbare Verhaltensweisen von teils beträchtlich unterschiedlichem Gewicht.328 Eine sachgerechte 320  BGH, Beschl. v. 17.04.1986 – 1 StR 172 / 86, NStZ 1986, 368; vgl. außerdem die Antwort nach § 132 Abs. 3 S. 3 GVG im Beschl. v. 24.08.1999 (1 ARs 12 / 99) – zitiert nach Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 321  BGH, Urt. v. 30.01.1980 – 3 StR 471 / 79, NJW 1980, 1344; vgl. außerdem die Antwort nach § 132 Abs. 3 S. 3 GVG im Beschl. v. 12. 08.1999 (3 ARs 14 / 99) – zitiert nach Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 322  BGH, Beschl. v. 27.07.1999 – 5 StR 316 / 99, NStZ 1999, 625; Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 323  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361. 324  BGH, Beschl. v. 24.09.2009 – 3 StR 294 / 09, NStZ-RR 2010, 24 (25); der Senat äußert sich jedoch nicht direkt zur hier diskutieren Frage, sondern setzt sich vor allem mit der Berücksichtigung eines „besonders verwerflichen Gewinnstrebens“ des Angeklagten auseinander. 325  Warum die Frage nicht zu einer Vorlage an den Großen Senat geführt hat, ist nicht mehr nachzuvollziehen; offenbar ging der erkennende 5. Senat davon aus, dass die Entscheidung im konkreten Fall nicht zu einem anderen Ergebnis als die Auffassung des 4. Senat führte; vgl. dazu Wilcken, Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen, S. 28. 326  BGH, Beschl. v. 27.07.1999 – 5 StR 316 / 99, NStZ 1999, 625 (626); Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 327  BGH, Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 328  BGH, Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598).



D. Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu anderen Tatmodalitäten73

differenzierte Berücksichtigung bei der Strafzumessung sei vom Gesetzgeber trotzdem gewollt. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot sei darin ebenso wenig zu sehen, wie wenn für die Strafzumessung auf die Gefährlichkeitsgrade der unterschiedlichen Betäubungsmittelarten Bezug genommen werde.329 Allerdings kann auch nach Meinung der befürwortenden Senate die Einordnung des Handeltreibens als besonders verwerfliche Tatvariante eine bloße „Leerformel“ darstellen und damit einen Wertungsfehler begründen.330 Aufgrund der weiten Auslegung erfasse der Tatbestand des Handeltreibens Fälle von ganz unterschiedlichem Gewicht. Ein Wertungsfehler komme insbesondere dann in Betracht, wenn der zu beurteilende Fall an der unteren Grenze des Tatbestands des Handeltreibens anzusiedeln sei und der Tatrichter dies bei der Würdigung des Falles nicht hinreichend berücksichtigt habe.331 Gegen die Annahme eines faktischen Stufenverhältnisses wird seitens des 4. Senats angeführt, dass für sämtliche Tatbestandsvarianten des § 29 Abs. 1 StGB derselbe Strafrahmen vorgesehen sei.332 Der Gesetzgeber habe für das Handeltreiben sowohl beim Grundtatbestand als auch im Bereich der Qualifikationen keine schärferen Sanktionen als etwa für die Herstellung, den Besitz oder die Abgabe gewählt.333 Einem Vergleich von § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG und § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG könne im Gegenteil sogar entnommen werden, dass der Gesetzgeber das Handeltreiben gegenüber der Einfuhr als das weniger schwere Delikt eingestuft habe.334 Die Gegenposition übersehe zudem, dass der Grund für die Strafbarkeit des Handeltreibens die Gefahren seien, die mit dem Verbreiten von Rauschgift verbunden sind.335 Deshalb sei es ausgeschlossen, im Handeltreiben als solchem zugleich ein straferhöhendes Moment zu erblicken.336 Würde man das Handeltreiben generell schärfer bestrafen, hätte dies zur Folge, dass für Fälle des Handeltreibens das jeweils vorgesehene Mindestmaß sowie der untere Bereich des Strafrahmens generell außer Betracht bleiben müssten.337 Dies sei mit den vom 329  BGH, Beschl. v. 27.07.1999 – 5 StR 316 / 99, NStZ 1999, 625 (626); Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 330  BGH, Beschl. v. 27.07.1999 – 5 StR 316 / 99, NStZ 1999, 625 (626); Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 331  BGH, Beschl. v. 27.07.1999 – 5 StR 316 / 99, NStZ 1999, 625 (626); Beschl. v. 23.11.1999 – 5 StR 316 / 99, NJW 2000, 597 (598). 332  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (366). 333  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (366 f.). 334  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (367). 335  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (366). 336  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (367). 337  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (367 f.).

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Unrechtsgehalt höchst unterschiedlichen Erscheinungsformen des Handeltreibens nicht in Einklang zu bringen.338

II. Grundsätzliche Möglichkeit eines faktischen Stufenverhältnisses Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage erfordert eine Abschichtung zweier voneinander getrennter Fragestellungen: Einerseits, ob es tatsächlich solche faktischen Stufenverhältnisse bei Straftatbeständen mit verschiedenen Begehungsweisen bei gleicher Strafandrohung gibt – andererseits, bei Bejahung der vorgenannten Frage, ob gerade bei § 29 Abs. 1 BtMG ein solches Stufenverhältnis vorliegt. Die grundsätzliche Möglichkeit eines faktischen Stufenverhältnisses wird selbst vom 4. Senat nicht angezweifelt und auch von der überwiegenden Literatur339 angenommen. Fahl hat überzeugend herausgearbeitet, dass es bei der Berücksichtigung besonders verwerflicher Deliktsvarianten keineswegs um eine erneute Verwertung von Tatbestandsmerkmalen auf der Strafzumessungsebene geht.340 Abgestellt wird nämlich in Wahrheit nicht auf das Tatbestandsmerkmal selbst, sondern auf den Umstand, dass ein Delikt mehrere ungleichwertige Varianten enthält, welche einen unterschiedlichen Unrechtsgehalt haben.341 Verwirklicht der Täter nun die Alternative mit dem geringeren Unrechtsgehalt, kann dies genauso wenig unberücksichtigt bleiben, wie wenn er die schwerwiegendere Alternative erfüllt. Nicht die verwirklichte Alternative, sondern ihre Beziehung zu den anderen Tatbestandsvarianten ist hier Anknüpfungspunkt. Dieser Umstand ist auf Tatbestandsebene noch nicht berücksichtigt worden. Es geht dort nur um die Erfüllung oder Nichterfüllung der einzelnen getrennt voneinander zu betrachteten Tatbestandsmerkmale. Nicht umsonst wird kaum in Frage gestellt, dass die gleichzeitige Verwirk­ lichung mehrerer Deliktsvarianten auf Strafzumessungsebene ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot berücksichtigt werden kann.342 Auch hier wird nicht auf das Tatbestandsmerkmal selbst, sondern auf den Kontext und die Konstruktion des Tatbestands insgesamt Bezug genommen. Dieses Verständnis von ungleichwertigen Tatbestandsalternativen wird vor allem im Hinblick auf die präjudizielle Wirkung des gesetzlichen Strafrah338  BGH,

Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (368). ausdrücklich Fahl, Bedeutung des Regeltatbildes, S. 39; Theume, in: LKStGB, § 46 Rn. 266. 340  Fahl, Bedeutung des Regeltatbildes, S. 41. 341  Fahl, Bedeutung des Regeltatbildes, S. 41. 342  Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 694; BGH, Beschl. v. 09.02.2010 – 3 StR 15 / 10 (juris). 339  So



D. Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu anderen Tatmodalitäten75

mens kritisiert. Der Gesetzgeber habe für jede Tatbestandsvariante die gesamte Breite des Strafrahmens eröffnen wollen.343 Schreibe man einzelnen Varianten unterschiedliche Unrechtsgehalte zu, so stünde dem Richter bei einer unrechtsschwereren Alternative nur der obere Bereich des Strafrahmens zur Verfügung, während der untere Bereich der milderen Alternative zu überlassen sei.344 Spiegelbildlich hierzu sei bei vergleichsweise milderen Varianten der Rückgriff auf das obere Ende des Strafrahmens verwehrt. Damit werde die vom Gesetzgeber getroffene Unrechts- und Schuldbewertung unterlaufen, da nicht für jede Tatmodalität der gesamte Strafrahmens zur Verfügung stehe.345 Unterschiedliche Unrechtsgehalte seien aus den verschiedenen Tatalternativen nicht abzulesen. Vielmehr habe sie der Gesetzgeber durch den einheitlichen Strafrahmen gleichstellen wollen.346 Die Strafe im konkreten Einzelfall sei deshalb immer nur „aus der Sache selbst“ nach den Umständen des Einzelfalls innerhalb der gesamten Breite des gesetzlichen Strafrahmens zu bilden.347 Auch wenn diese Argumentationslinie auf den ersten Blick, insbesondere aus formaler Perspektive, einiges für sich hat, ist sie bei einer genaueren Betrachtung einzelner Tatbestände nicht aufrecht zu erhalten. So kann es nicht überzeugen, bei der Sachbeschädigung gem. § 303 Abs. 1 StGB es als gleichwertig anzusehen, ob der Täter eine Sache zerstört oder nur beschädigt – ist es doch ein signifikanter, qualitativer Unterschied ob die Brauchbarkeit der betroffenen Sache völlig aufgehoben (wie bei der Zerstörung) oder nur gemindert ist (wie bei der Beschädigung).348 Gleiches gilt für Tatbestände wie § 316 StGB, in denen der Gesetzgeber den gleichen Strafrahmen für eine vorsätzliche und fahrlässige Tatbegehung zur Verfügung stellt.349 Bei § 231 StGB ist der gleiche Strafrahmen für die Teilnahme an einer Schlägerei normiert, unabhängig davon, ob daraus der Tod eines Menschen oder nur eine schwere Körperverletzung resultiert.350 Deutlich wird die Existenz ungleichwertiger Tatbestandsalternativen auch bei § 226 StGB, bei welchem z. B. der Verlust des Sehvermögens auf einem und auf beiden Augen dem gleichen Strafrahmen unterworfen wird.351 343  Wilcken,

Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen, S. 30. Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen, S. 30. 345  Wilcken, Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen, S. 30. 346  Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 130. 347  Wilcken, Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen, S.  29; ähnlich Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 130. 348  Vgl. zu dieser Unterscheidung etwa Lackner / Kühl, StGB, § 303 Rn. 3 und 7. 349  Vgl. zu § 316 StGB auch Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 695. 350  Vgl. zu diesem Beispiel Fahl, Bedeutung des Regeltatbildes, S. 40 zu § 227 StGB a. F. 351  Theume, in: LK-StGB, § 46 Rn. 266. 344  Wilcken,

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1. Teil: Der Begriff des Handeltreibens

Bei diesen Beispielen wird man dem Gesetzgeber kaum die Absicht unterstellen können, dem erkennenden Gericht die Gleichbehandlung der unterschiedlichen Tatmodalitäten vorgeben zu wollen. Häufig dürfte hinter der Gesetzestechnik, ungleichwertige Tatbestandsalternativen dem gleichen Strafrahmen zu unterwerfen, lediglich der Wunsch nach Unkompliziertheit stehen. Würde das gesamte Strafgesetzbuch nach der stark strafrahmendifferenzierenden Technik etwa der §§ 177 und 250 StGB aufgebaut, wäre es deutlich weniger übersichtlich und verständlich. Ganz davon abgesehen grenzt die Annahme, der Gesetzgeber wolle durch die Aufnahme verschiedener Modalitäten eine formale Gleichstellung zum Ausdruck bringen, angesichts der juristischen Fehlgriffe der vergangen Jahre an Naivität gegenüber dem tatsächlichen Ablauf von Gesetzgebungsverfahren. Mit der Folgerung, dem Richter stehe bei solchen ungleichwertigen Tatbestandsalternativen nicht der gesamte, sondern nur ein engerer, der jeweiligen Alternative angemessener Strafrahmen zur Verfügung,352 liegen die Kritiker aber durchaus richtig. So wäre ein Strafmaß am obersten Ende des Strafrahmens bei einer vergleichsweise milden Tatmodalität unzulässig. Allerdings ist eine genaue Bezifferung dieses Teils des Strafrahmens weder abstrakt möglich noch notwendig. Dies wird auch bei anderen Strafzumessungskriterien nicht verlangt. So ist bisher niemand auf die Idee gekommen, beim Handeltreiben bei bestimmten Betäubungsmittelarten im Vorgriff feste Grenzen innerhalb des Strafrahmens des § 29 Abs. 1 BtMG zu ermitteln. Es reicht aus, wenn das erkennende Gericht den Unrechtsgehalt der verwirklichten Alternative im Vergleich zu den anderen Modalitäten in die Wahl der konkreten Strafe einfließen lässt.

III. Faktisches Stufenverhältnis bei § 29 Abs. 1 BtMG Damit bleibt die Frage zu beantworten, ob bei § 29 Abs. 1 BtMG das Handeltreiben in Rahmen eines solchen faktischen Stufenverhältnisses die verwerflichste oder zumindest eine der verwerflichsten Tatmodalitäten beschreibt. Nicht nur vom 1., 3. und 5. Senat, sondern auch von der Literatur353 wird dies verbreitet mit dem Verweis auf die Gewinnerzielungsabsicht angenommen. Eine solche Einordnung ist naturgemäß abhängig von der jeweiligen Auslegung des Begriffs des Handeltreibens. Legt man das derzeitige Verständnis der Rechtsprechung zugrunde, wird man das Handeltreiben kaum als verwerflichste Tatvariante ansehen können. auch Fahl, Bedeutung des Regeltatbildes, S. 42. in: Franke / Wienroeder, BtMG, Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 55 f.; Kotz, in: Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts, Rn. 235; Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn.  327 ff.; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 629; Schlage, AL 2012, 257 (258). 352  So

353  Franke,



D. Stellung des Handeltreibens im Vergleich zu anderen Tatmodalitäten77

Dagegen spricht schon die dargelegte Weite des Tatbestands, nach der jede beliebige Verhaltensweise mit subjektiver Tendenz für die Tatbestandsverwirklichung ausreicht. Auch die Erfassung einer Vielzahl von Handlungen, die eigentlich dem Vorbereitungs- und Versuchsstadium zuzurechnen sind oder eher die Handlung eines Gehilfen als die eines Täters darstellen, ist mit der Annahme besonderer Verwerflichkeit unvereinbar. Der Tatbestand erfasst Handlungen von ganz unterschiedlicher Intensität und keineswegs immer Taten mit besonders hohem Unrechtsgehalt.354 Um ein faktisches Stufenverhältnis annehmen zu können, wäre aber zu fordern, dass das Handeltreiben generell in seiner Schwere gegenüber den anderen Tatbestands­ alternativen heraussticht. Dies ist nicht der Fall.

354  So

ausdrücklich zugestehend Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 629.

2. Teil

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln von besonderer Bedeutung. Da dem Tatbestand aufgrund seiner Weite eine Vielzahl von Tätigkeiten unterfällt und Versuchskonstellationen kaum eine Rolle spielen, ist die Beteiligungsebene für die Rechtsprechung die nahezu einzige Möglichkeit, eine gewisse kategoriale Differenzierung zu erreichen. Die zentrale Bedeutung der Abgrenzung zeigt sich alleine schon in der Zahl der Entscheidungen, in denen sich der BGH seit dem Beschluss des Großen Senats im Jahr 2005 mit Täterschaft und Teilnahme beschäftigt hat. In den mehr als 40 Entscheidungen ging es fast ausschließlich um die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, da mittelbare Täterschaft und Anstiftung aufgrund des weiten Begriffs in der Rechtsprechungspraxis kaum eine Rolle spielen. Da sich die Literatur beim Handeltreiben meist auf Grundsatzkritik beschränkt, findet eine Auseinandersetzung mit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bislang nahezu ausschließlich in der Rechtsprechung statt. Bestenfalls die Kommentarliteratur enthält Ausführungen zu den Abgrenzungsfragen, welche aber nicht mehr als eine Schilderung und Strukturierung der Rechtsprechung enthalten.1 Im Folgenden wird zunächst ein Spezifikum von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben herausgearbeitet: Auch bei eigenhändiger Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale soll Beihilfe möglich sein (A.). Nach einer kurzen Abhandlung der Sonderrolle des Merkmals Eigennützigkeit (B.) werden die verschiedenen Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung näher beleuchtet (C.). Abschließend folgt eine Vorstellung und Analyse der immer stärker an Bedeutung gewinnenden Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft (D.).

1  Vgl. etwa Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 252 ff.; Rahlf, in: MKStGB, § 29 BtMG Rn. 407; Weber, BtMG, § 29 Rn. 616 ff.



A. Teilnahme auch bei eigenhändiger Verwirklichung79

A. Teilnahme auch bei eigenhändiger Verwirklichung Eine Besonderheit beim Handeltreiben ist, dass auch bei der vollständigen eigenen Erfüllung der Tatbestandsmerkmale eine bloße Teilnahmestrafbarkeit, insbesondere Beihilfe, in Betracht kommen soll. In der allgemeinen Dogmatik wird dagegen seit der Einführung des § 25 Abs. 1 StGB („Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst […] begeht.“) davon ausgegangen, dass die eigenhändige Begehung stets eine täterschaftliche Bestrafung nach sich ziehen muss. Wie die Literatur richtig bemerkt, ist eine extrem subjektive Auffassung, wie sie die Rechtsprechung beispielweise im Badewannen-2 und Stachynski-Fall3 vertreten hat, auf dieser Grundlage nicht mehr haltbar.4 Auch wenn der Täter im Interesse oder unter starkem Einfluss eines anderen handelt, ist er stets als Täter zu behandeln, wenn er die Tat eigenhändig ausführt.5 Die Rechtsprechung äußert sich vorsichtiger als die Literatur. Schon vor der Einführung des § 25 Abs. 1 StGB hat sie vertreten, dass eine eigenhändige Begehung „grundsätzlich“ zur Täterschaft führe.6 Auf dieser Linie bleibend hat sie sich auch nach der Einführung des § 25 Abs. 1 StGB offengehalten, von diesem Grundsatz in extremen Ausnahmefällen abzuweichen.7 In der neueren Rechtsprechung tauchen diese Einschränkungen nicht mehr auf.8 Außerdem hat die Rechtsprechung in zahlreichen Zweifelsfällen bei einer eigenhändigen Tatbestandserfüllung stets Täterschaft angenommen.9 Man wird 2  RG,

Urt. v. 19.02.1940 – 3 D 69 / 40, RGSt 74, 84. Urt. v. 19.10.1962 – 9 StE 4 / 62, BGHSt 18, 87. 4  Heine, in: S / S-StGB, Vorbermerkungen zu den §§ 25 ff. Rn. 57 und 59; Hoyer, in SK-StGB, § 25 Rn. 31; Joecks, in: MK-StGB, § 25 Rn. 22; Lackner / Kühl, StGB, Vorbemerkung zu §§ 25 ff. Rn. 5; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 515; in diese Richtung auch Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 42, allerdings ablehnend für den Fall der Begehung von Straftaten in kollektivistischen Gesellschaftssystemen. 5  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1209; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 652 und 692; Krey / Esser, Strafrecht AT, Rn. 871; Puppe, Strafrecht AT, § 22 Rn. 4; Roxin, Strafrecht AT II, § 25 Rn. 42; zurückhaltender Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht AT II, § 47 Rn. 64. 6  BGH, Urt. v. 10.01.1956 – 5 StR 529 / 55, BGHSt 8, 393. 7  BGH, Urt. v. 26.11.1986 – 3 StR 107 / 86, NStZ 1987, 224 (225); Urt. v. 22.07.1992 – 3 StR 35 / 92, BGHSt 38, 315 (316 f.); Urt. v. 03.02.1999 – 2 StR 506 / 98, NStZ-RR 1999, 186 (187). 8  Schild, in NK-StGB, § 25 Rn. 36. 9  Etwa BGH, Urt. v. 07.06.1977 – 1 StR 273 / 77, BGHSt 27, 205; Urt. v. 26.11.1986 – 3 StR 107 / 86, NStZ 1987, 224; Urt. v. 11.09.1990 – 1 StR 390 / 90, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Mittäter 1.; Urt. v. 22.07.1992 – 3 StR 35 / 92, BGHSt 38, 315, vgl. dazu auch Wiegmann, JuS 1993, 1003. 3  BGH,

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2. Teil: Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung

deshalb heute davon ausgehen können, dass auch die Rechtsprechung bei eigenhändiger Begehung stets zur Täterschaft kommt.10 Diese allgemeinen Grundsätze wendet die Rechtsprechung jedoch beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht an. Auch bei Personen, die alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person erfüllen, führt sie regelmäßig eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme durch. Selbst wenn sämtliche Definitionsmerkmale, wie z. B. bei der eigennützigen Förderung fremder Umsatzgeschäfte, vorliegen, soll sich ein täterschaftliches Handeln nicht von selbst ergeben.11 Vielmehr bedürfe es einer Abgrenzung zur Beihilfe nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts. Von einer Abweichung in einem extremen Ausnahmefall, wie in den oben genannten Entscheidungen offengehalten, spricht die Rechtsprechung nicht,12 vielmehr will sie wohl die oben genannten Grundsätze einfach generell nicht auf den Tatbestand des Handeltreibens übertragen. Grund hierfür dürfte sein, dass aufgrund der Weite des Tatbestands ansonsten jegliche Flexibilität verloren ginge und man einer Einheitstäterschaft zumindest nahe käme.13 Weber spricht von einer „Art praktischer Konkordanz zwischen dem Grundsatz der Vermeidung der Einheitstäterschaft und dem Prinzip der Täterschaft bei eigenhändiger Tatbestandserfüllung“.14

B. Das Fehlen von Eigennützigkeit Täter des Handeltreibens kann nur derjenige sein, der selbst eigennützig handelt.15 Zwar kann auch die Förderung fremder Umsatzgeschäfte zur Täterschaft führen, dafür ist aber stets Eigennutz beim Fördernden notwendig. Dies ergibt sich aus allgemeinen Regeln. Subjektive Tatbestandsmerk10  Vorsichtiger Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 58 ff., welcher insbesondere für die Tötungsdelikte Einschränkungen machen möchte. 11  BGH, Beschl. v. 10.10.1988 – 2 StR 539 / 88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 14; Beschl. v. 23.10.1996 – 4 StR 469 / 96, NStZ-RR 1997, 86; Beschl. v. 27.04.1999 – 4 StR 94 / 99, NStZ 1999, 451 (452); Urt. v. 14.12.2005 – 2  StR 466 / 05, NStZ-RR 2006, 88 (89). 12  Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 216. 13  Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 627; Weber, JR 2007, 400 (406). 14  Weber, JR 2007, 400 (406). 15  BGH, Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125 f.); Beschl. v. 08.01.2002 – 3 StR 489 / 01, StV 2002, 255; Beschl. v. 24.09.2002 – 3 StR 292 / 02, StraFO 2003, 145; Beschl. v. 06.03.2008 – 4 StR 33 / 08 (juris), Rn. 3; Beschl. v. 04.08.2009 – 3 StR 305 / 09 (juris), Rn. 6; Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 75 / 10, NStZ-RR 2010, 254; Beschl. v. 19.01.2012 – 2 StR 590 / 11, NStZ 2012, 517; ­Beschl. v. 12.03.2013 – 2 StR 16 / 13, NStZ-RR 2013, 282.



C. Abgrenzungskriterien81

male wie Absichten, Gesinnungen und Tendenzen müssen stets beim Täter in eigener Person vorliegen.16 Die Zurechnung eines Tatbestandsmerkmals gem. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB bei der mittelbaren Täterschaft oder gem. § 25 Abs. 2 StGB bei der Mittäterschaft kommt nur bei objektiven Tatbestandsmerkmalen in Betracht.17 Nicht anders sein kann dies auch bei Merkmalen, die sich zwar wie beim Handeltreiben aus der Umschreibung der Tathandlung ergeben, aber subjektiven Charakter haben.18 Dagegen kann Teilnahme, insbesondere Beihilfe, auch bei fehlender Eigennützigkeit gegeben sein.19 Hier genügt es, wenn das subjektive Merkmal beim Täter vorliegt und der Teilnehmer davon Kenntnis hat.20

C. Abgrenzungskriterien Die Rechtsprechung greift auch beim Handeltreiben auf die allgemeinen Kriterien zurück, die sie üblicherweise zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme heranzieht.21 Die Abgrenzung soll dabei das Ergebnis einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls sein.22 Ausgangspunkte sind dabei die Art des Tatbeitrags23 und die Willensrichtung des 16  Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 12 und 15; Puppe, Strafrecht AT, § 22 Rn. 1; Rengier, Strafrecht AT, § 41 Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, § 25 Rn. 168. 17  Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 321. 18  Schünemann, in: LK-StGB, § 25 Rn. 168. 19  BGH, Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125 f.); Beschl. v. 04.08.2009 – 3 StR 305 / 09 (juris), Rn. 6. 20  Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 321. 21  BGH, Urt. v. 15.05.1984 – 1 StR 169 / 84, NStZ 1984, 413; Urt. v. 26.04.2000 – 3 StR 573 / 99, NStZ-RR 2000, 278 (279); Urt. v. 21.11.2000 – 1 StR 433 / 99, NStZ-RR 2001, 148; Beschl. v. 22.06.2004 – 4 StR 556 / 03, NStZ 2005, 228; Urt. v. 27.07.2005 – 2 StR 192 / 05, NStZ 2006, 578 (579); Urt. v. 14.12.2006 – 4 StR 421 / 06, NStZ 2007, 288 (288 f.); Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531; Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460; Beschl. v. 30.10.2008 – 3 StR 397 / 08, NStZ-RR 2009, 93; Beschl. v. 02.02.2010 – 3 StR 4 / 10, NStZ-RR 2010, 318; Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57; Beschl. v. 11.1.2012 – 5 StR 445 / 11, NStZ-RR 2012, 121 (122). 22  BGH, Urt. v. 15.05.1984 – 1 StR 169 / 84, NStZ 1984, 413; Urt. v. 26.04.2000 – 3 StR 573 / 99, NStZ-RR 2000, 278 (279); Urt. v. 21.11.2000 – 1 StR 433 / 99, NStZ-RR 2001, 148; Urt. v. 14.12.2005 – 2  StR 466 / 05, NStZ-RR 2006, 88 (89); Beschl. v. 06.04.2006 – 3 StR 87 / 06, NStZ 2006, 454 (455); Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531; Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57; Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40 (41). 23  BGH, Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Beschl. v. 04.05.1999 – 4 StR 153 / 99, StV 1999, 428 (428 f.); Urt. v. 27.07.2005 – 2 StR 192 / 05, NStZ 2006, 578 (579); Urt. v. 03.08.2005 – 2 StR 360 / 04, StV 2005, 666 (668).

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2. Teil: Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung

Täters24. Für die Willensrichtung entscheidend ist, ob der Tatbeitrag als bloße Förderung fremden Tuns oder als eigene, vom Täterwillen getragene Tathandlung erscheint.25 Als Anhaltspunkte hierfür werden der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft bzw. der Wille zur Tatherrschaft herangezogen.26 Ob, die Rechtsprechung mit der Berücksichtigung des Grades des eigenen Interesse etwas Ähnliches wie mit dem subjektiven Merkmal der Eigennützigkeit meint, hat sie bislang nicht ausgeführt. Es besteht jedoch eine offenkundige Verwandschaft zwischen den Kriterien. Hinsichtlich der Art des Tatbeitrags unterscheidet die Rechtsprechung danach, ob es sich um eine ganz untergeordnete Tätigkeit handelt.27 Die Rechtsprechung fragt weiterhin häufig, ob der Täter in das Betäubungsmittelgeschäft selbst eingebunden oder damit unmittelbar befasst ist.28 Mittäterschaft soll dann vorliegen, wenn der Beteiligte in der Rolle eines gleichberechtigten Partners mitwirkt.29 In Grenz24  BGH, Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Beschl. v. 04.05.1999 – 4 StR 153 / 99, StV 1999, 428 (428 f.); Urt. v. 27.07.2005 – 2 StR 192 / 05, NStZ 2006, 578 (579). 25  BGH, Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259; Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Beschl. v. 21.07.1993 – 2 StR 331 / 93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39; Urt. v. 03.08.2005 – 2 StR 360 / 04, StV 2005, 666 (668); Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531; Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57. 26  BGH, Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259; Urt. v. 26.04.2000 – 3 StR 573 / 99, NStZ-RR 2000, 278 (279); Urt. v. 21.11.2000 – 1 StR 433 / 99, NStZ-RR 2001, 148; Beschl. v. 22.06.2004 – 4 StR 556 / 03, NStZ 2005, 228; Urt. v. 27.07.2005 – 2 StR 192 / 05, NStZ 2006, 578 (579); Urt. v. 14.12.2005 – 2  StR 466 / 05, NStZ-RR 2006, 88 (89); Urt. v. 14.12.2006 – 4 StR 421 / 06, NStZ 2007, 288 (288 f.); Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531; Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57; Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris), Rn. 22; Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40 (41); Beschl. v. 11.1.2012 – 5 StR 445 / 11, NStZ-RR 2012, 121 (122). 27  BGH, Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Beschl. v. 21.07.1993 – 2 StR 331 / 93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39; Beschl. v. 20.12.2000 – 2 StR 468 / 00, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 56; Beschl. v. 15.10.2002 – 3 StR 340 / 02, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 58; Beschl. v. 22.06.2004 – 4 StR 556 / 03, NStZ 2005, 228; Urt. v. 27.07.2005 – 2 StR 192 / 05, NStZ 2006, 578 (579); Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531; Beschl. v. 02.02.2010 – 3 StR 4 / 10, NStZ-RR 2010, 318. 28  BGH, Urt. v. 23.04.1993 – 3 StR 145 / 93, NStZ 1993, 444; Beschl. v. 21.07.1993 – 2 StR 331 / 93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39; Urt. v. 03.08.2005 – 2 StR 360 / 04, StV 2005, 666 (669). 29  BGH, Urt. v. 15.05.1984 – 1 StR 169 / 84, NStZ 1984, 413; Urt. v. 24.06.1986 – 5 StR 153 / 86, BGHSt 34, 124 (125); Beschl. v. 21.07.1993 – 2 StR 331 / 93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39; Beschl. v. 04.05.1999 – 4 StR 153 / 99, StV 1999, 428 (428 f.); Urt. v. 03.08.2005 – 2 StR 360 / 04, StV 2005, 666 (668).



D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft83

fällen gesteht der BGH dem Tatrichter für die vorgenommene Wertung einen Beurteilungsspielraum zu, soweit das angefochtene Urteil erkennen lässt, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat.30 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der BGH wie im Hauptstrafrecht an einem subjektiven Ausgangspunkt festhält, diesen aber durch die Betonung von Tatherrschaft und Umfang der Tatbeteiligung stark objektiv bestimmt. Als subjektives Kriterium bleibt der Aspekt des Interesses am Taterfolg. Die weiteren verwendeten Formulierungen wie „untergeordnete Tätigkeit“, „selbst eingebunden“, „unmittelbar befasst“ und „Rolle eines gleichberechtigten Partners“ hat der BGH bisher nicht näher konkretisiert und verwendet sie punktuell als Argumentationsmasse, wenn die Begriffe im konkreten Fall passend erscheinen.31 Dies und die Betonung der Rechtsprechung, dass bei der wertenden Betrachtung die Weite des Tatbestands zu berücksichtigen ist,32 sprechen dafür, dass das Wertungselement beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Vergleich zu anderen Delikten besonders stark ausgeprägt ist.33

D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft Wie bereits mehrmals erwähnt, stellt der BGH seit dem Jahr 2007 vermehrt auf ein neues Kriterium bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ab. Es geht dabei insbesondere um die sogenannten Kurierfälle, also um Sachverhalte, in denen der Täter Betäubungsmittel von einem Ort zum anderen transportiert. Diese Fallgruppe bildet seit jeher einen Schwerpunkt der Rechtsprechung zum Handeltreiben. Die Häufigkeit der Befassung des BGH mit diesen Fällen dürfte vor allem darin begründet liegen, dass Transporteure einem besonderen Entdeckungsrisiko unterworfen und deshalb häufig Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind. Besondere Aufmerksamkeit verdient diese Fallgruppe, da die Rechtsprechung nach der Entscheidung des Großen Senats im Jahr 2005 von ihrer Linie, bei Kurieren regelmäßig Täterschaft anzunehmen, ins Gegenteil umgeschwenkt ist, nämlich regelmäßig Beihilfe zu bejahen (I.).34 Dabei hat sie einen neuen Leitbegriff in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellt, 30  BGH,

Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531. diese Richtung zur allgemeinen Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 135. 32  BGH, Urt. v. 26.04.2000 – 3 StR 573 / 99, NStZ-RR 2000, 278 (279). 33  Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 134 f. 34  Vgl. dazu insbesondere Winkler, in: DAV-FS, S. 394 (401 f.). 31  In

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2. Teil: Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung

nämlich das dahinterstehende „Gesamtgeschäft“ (II.). Auch in anderen Fallkonstellationen hat die Rechtsprechung zuletzt eine ähnliche Richtung eingeschlagen, so dass der Kurierrechtsprechung eine Vorreiterstellung zugebilligt werden kann (III.).

I. Der Rechtsprechungswechsel Die regelmäßige Annahme von Täterschaft in Kurierfällen rechtfertigte die Rechtsprechung früher damit, dass nach der Definition des Handeltreibens auch die Förderung fremder Umsatzgeschäfte vom Handeltreiben umfasst sei und damit auch regelmäßig der Transport dem Handeltreiben unterfalle.35 Diese Gesetzesauslegung entspräche der Bedeutung, die dem Transport für den Rauschgifthandel zukomme.36 Lediglich im Einzelfall komme Beihilfe in Betracht, nämlich dann, wenn die Rolle des Transporteurs als ganz untergeordnet anzusehen sei.37 Soweit der Kurier beim Teilakt des Transports im Wesentlichen frei sei, also den Zeitplan, den Transportweg und das Versteck selbst bestimmen könne, scheide Beihilfe aus.38 Zumindest wenn ein Kurier alleine unterwegs sei, habe er vorübergehend Alleingewahrsam bezüglich der Betäubungsmittel und damit Tatherrschaft.39 Bei einer Verknüpfung des Erfolgs der Kuriertätigkeit mit einem entsprechenden Entgelt liege auch ein unmittelbares eigenes Interesse an der Tat nahe.40 Es erklärt sich leicht, warum die frühere Rechtsprechung nach diesen Ausführungen nur ganz vereinzelt bei Kurieren Beihilfe annahm. Der Einsatz von Kurieren im Rahmen von Rauschgiftgeschäften hat regelmäßig für die Hintermänner den Zweck, mit dem Betäubungsmittel selbst nicht in Kontakt zu kommen, sondern entdeckungsgefährdete Handlungen wie den Transport an andere Personen auszulagern. Diese Vorgehensweise funktioniert jedoch nur, wenn die Kuriere ohne direkte Überwachung mit einer 35  BGH, Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259; Urt. v. 23.06.2004 – 2 StR 161 / 04, NStZ 2004, 696. 36  BGH, Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259. 37  BGH, Beschl. v. 27.08.1998 – 1 StR 438 / 98, NStZ-RR 1999, 24; Urt. v. 10.05.2000 – 3 StR 21 / 00, NStZ 2000, 482; Urt. v. 23.06.2004 – 2 StR 161 / 04, NStZ 2004, 696. 38  BGH, Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259; Urt. v. 24.11.1982 – 3 StR 382 / 82, NStZ 1983, 124; Urt. v. 10.05.2000 – 3 StR 21 / 00, NStZ 2000, 482 (482 f.). 39  BGH, Urt. v. 23.06.2004 – 2 StR 161 / 04, NStZ 2004, 696. 40  BGH, Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259; Urt. v. 24.11.1982 – 3 StR 382 / 82, NStZ 1983, 124; Urt. v. 23.06.2004 – 2 StR 161 / 04, NStZ 2004, 696.



D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft85

gewissen Eigenständigkeit tätig werden. Umso stärker die Überwachung und Kontrolle des Kuriers, umso höher das Entdeckungsrisiko für die Hintermänner. Zumindest Alleingewahrsam und damit Tatherrschaft über den Teilakt dürfte nahezu jeder Kurier während des Transports haben. Wenn man auf die faktische Zugriffsmöglichkeit abstellt, kommt man zwangsläufig zu täterschaftlichem Verhalten. Auch sind kaum Fälle vorstellbar, in denen das indiziell für das besondere Interesse an der Tat herangezogene Entgelt bei Erfolg des Transports fehlt, setzt doch bereits die Definition des Handeltreibens Eigennützigkeit voraus, welche regelmäßig aus einer entgeltlichen Vornahme des Transports abgeleitet werden dürfte. Die Wende kam mit der Entscheidung des Großen Senats im Jahr 2005. Den Hinweis, dass für einen Großteil der problematischen Fälle die Lösung an der Grenzlinie zwischen Mittäterschaft und Beihilfe zu finden sei,41 nahmen sich die einzelnen Senate auch in Kurierfällen zu Herzen, in dem sie mehr und mehr zur Annahme von Beihilfe kamen.42 Dabei verwendete die Rechtsprechung zunächst weiterhin die oben dargestellten Kriterien, handhabte sie aber deutlich großzügiger und legte in ihren Formulierungen besonderes Gewicht darauf, dass sich die Annahme von Täterschaft nicht von selbst verstehe. Die explizite Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung kam mit der Entscheidung des 2. Senats vom 28. Februar 200743. Nach deren Leitsatz ist die Tätigkeit eines Kuriers, die sich im Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, als Beihilfe zum Handeltreiben zu werten. Das bisherige Regel- / Ausnahmeverhältnis wird damit umgekehrt. Der typische Kurier ist lediglich als Gehilfe zu bestrafen. Nur wenn über den reinen Transport des Rauschgifts hinausgehende Aktivitäten vorliegen, kommt Täterschaft in Betracht. Interessant ist dabei, wie der Senat diese neue Rechtsprechungslinie einführt. Er weist zunächst darauf hin, dass der weite Begriff des Handeltreibens nicht zur Annahme von Einheitstäterschaft führen dürfe, „indem jede möglicherweise unter das Merkmal des Handeltreibens zu subsumierende Tätigkeit ohne Rücksicht auf ihr Gewicht für das Gesamtgeschehen und auf das Interesse des Beteiligten am Gelingen des Umsatzgeschäfts mit täterschaftlichem Handeltreiben gleichgesetzt wird“.44 Nach der Verdeutlichung 41  BGH,

Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (265). etwa BGH, Urt. v. 14.12.2005 – 2  StR 466 / 05, NStZ-RR 2006, 88 (89); Beschl. v. 21.12.2005 – 2 StR 539 / 05, NStZ 2006, 455; Beschl. v. 02.06.2006 – 2 StR 150 / 06, NStZ 2006, 577; Beschl. v. 15.08.2006 – 4 StR 284 / 06, NStZ-RR 2006, 350; Beschl. v. 25.10.2006 – 2 StR 359 / 06, NStZ-RR 2007, 88; vgl. dazu auch Winkler, in: DAV-FS, S. 394 (402). 43  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219. 44  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (221). 42  Vgl.

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2. Teil: Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung

des Hintergrunds seiner Überlegung wird der BGH schnell konkret: Er fordert bei der Abgrenzung von Mittäterschaft zur Beihilfe eine Bewertung des „konkreten Tatbeitrag[s] für das Umsatzgeschäft insgesamt“ und „nicht allein für den Teilbereich des Transports“.45 Strafbar sei das Handeltreiben und nicht das Transportieren von Betäubungsmitteln. Es komme „für die Annahme täterschaftlicher Verwirklichung dieses Tatbestands jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich eines isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts“ innehabe.46 Abzustellen sei „vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts“ zukomme.47 Auf die früher als maßgeblich erachteten Punkte der finanziellen Honorierung oder einer faktischen Verfügungsmöglichkeit kommt es dem Senat nun ausdrücklich nicht mehr an. Soweit er dies in „Einzelfällen“ anders gesehen habe, halte er daran nicht mehr fest. Die Kuriertätigkeit zeichne sich dadurch aus, dass sie in die hierarchische Organisation des Rauschgiftumsatzes an unterer Stelle einzuordnen sei. Die regelmäßige Annahme von Beihilfe sei deshalb gerechtfertigt. Schließlich formuliert der Senat sogleich Anhaltspunkte, wann ausnahmsweise täterschaftliches Handeltreiben bei Kurieren in Betracht kommen soll. Er fordert dabei „erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten“48, beispielsweise eine unmittelbare Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgifts oder ein sonstiges, eigenes Interesse am Gesamtgeschäft aufgrund einer Umsatz- oder Gewinnbeteiligung. Die reine Kuriertätigkeit soll auch dann täterschaftlich einzuordnen sein, wenn der Kurier in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts eingebunden sei. Im Einzelfall könne auch ein besonderer Einfluss des Transporteurs auf die Art und Menge der Betäubungsmittel sowie auf die Gestaltung der Kurierfahrt für eine über die Beihilfe hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen. In zahlreichen folgenden Entscheidungen hat sich der BGH mit größtenteils wortgleichen Formulierungen an diesen neuen Kriterien orientiert.49 Ungeachtet faktischer Handlungsspielräume hinsichtlich des Transports sei die Kuriertätigkeit regelmäßig als Beihilfe zu werten.50 Die selbstständige Orga45  BGH, 46  BGH, 47  BGH, 48  BGH, 49  Siehe

50  BGH,

Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (222). Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (222). Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (222 f.). Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (223 f.). dazu die Tabelle im 3. Teil H. IV. Beschl. v. 22.12.2011 – 3 StR 371 / 11, NStZ-RR 2012, 120.



D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft87

nisation des Transports reiche für Mittäterschaft nicht aus.51 Bloßer Gehilfe sei ein Kurier insbesondere dann, wenn eine Beschränkung auf einen Transport zwischen selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern oder innerhalb der Sphäre von Lieferanten und Abnehmer-Organisationen stattfinde.52 Der Kurier könne in diesem Fall das Gesamtgeschäft nicht maßgeblich mitgestalten, seine Handlung stelle lediglich eine untergeordnete Hilfstätigkeit dar.53 Einem solchen „reinen Kurier“ gehe es in erster Linie um die Entlohnung für seine Transport-Dienstleistung und nicht um den Umsatz des Betäubungsmittels.54 Diese Tätigkeit zeichne sich dadurch aus, „dass der Kurier in die hierarchische Organisation des Rauschgift-Umsatzes an unterer Stelle einzuordnen“ sei.55 In diese Richtung gehend hat der BGH auch deutlich gemacht, dass eine Gehilfenschaft naheliegt, wenn der Kurier weder zu den Hinterleuten noch zu potentiellen Abnehmern Kontakte hat, sondern lediglich mit seinem Auftraggeber zusammenarbeitet.56 Dabei scheint es sogar eher so, als wolle der BGH die Anforderungen an die Annahme von Mittäterschaft neuerdings noch verschärfen. So soll selbst wenn ein Transporteur einen erheblichen, außergewöhlich großen Aufwand entfaltet und es sich um eine besonders große Menge Rauschgift handelt, lediglich Beihilfe vorliegen.57 Mittlerweile wird man daher von einer gefestigten Rechtsprechung sprechen dürfen.

II. Das Kriterium des Gesamtgeschäfts Von wissenschaftlichem Interesse an dieser Entwicklung ist insbesondere die Verwendung des Kriteriums des „Gesamtgeschäfts“ oder des „Umsatzgeschäftes insgesamt“, wie der BGH die Begriffe abwechselnd und austauschbar in den neueren Entscheidungen gebraucht. Die besondere Bedeutung des Gesamtgeschäfts für die Abgrenzung schwingt zwar auch schon in früheren Entscheidungen mit, etwa wenn der BGH fragt, ob ein „enges Verhältnis zum Rauschgiftgeschäft vorliege“, wofür die „gesamten Umstände […]“ heranzuziehen und „wobei der entscheidende Bezugspunkt das Btm-Geschäft“ sei.58 Derart explizit findet sich dieses neue, tatbestandsspe51  BGH, 52  BGH, 53  BGH, 54  BGH, 55  BGH, 56  BGH,

57  BGH, 05.05.2011 58  BGH,

Beschl. v. 09.11.2011 – 2 StR 450 / 11 (juris), Rn. 2. Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris), Rn. 23. Beschl. v. 28.09.2010 – 3 StR 359 / 10, NStZ 2011, 231; Urt. v. – 3 StR 445 / 10 (juris); vgl. dazu auch Winkler, NStZ 2012, 257. Urt. v. 03.08.2005 – 2 StR 360 / 04, StV 2005, 666 (668).

88

2. Teil: Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung

zifische Kriterium aber erstmals in der oben zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2007. Der BGH hat bisher davon abgesehen, näher zu beschreiben, was er genau unter dem Kriterium versteht. Naheliegend ist es, einen Bezug zum Umsatz aus der Definition des Handeltreibens herzustellen, schließlich verwendet die Rechtsprechung dort regelmäßig die Formulierung „Umsatzgeschäft“. Wie oben gezeigt, versteht der BGH unter Umsatz eine einverständliche Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere.59 Wirft man einen genaueren Blick auf die Zusammenhänge, ergibt allerdings eine Orientierung an dieser Definition wenig Sinn und führt in die Irre. Wenn der BGH von „Gesamtgeschäft“ spricht, meint er offenkundig nicht einen einzelnen Übertragungsakt. Vielmehr hat die Rechtsprechung das Gesamtgeschäft als Gegenbegriff zum jeweils relevanten Teilakt des Transportierens eingeführt, so dass eine Orientierung am jeweils nächsten Übertragungsakt nicht gemeint sein kann. Außerdem spielt, wie oben gezeigt, nach der BGH-Definition des Umsatzes die Entgeltlichkeit keine Rolle, sodass Schenkungen an sich vom Umsatzbegriff erfasst sind. Da die Eigennützigkeit für die Beurteilung des Gesamtgeschäfts in der bisherigen Rechtsprechung ohne Relevanz ist, wären in diesem Fall tatsächlich auch unentgeltliche Geschäfte als Gesamtgeschäfte heranzuziehen. All dies spricht gegen die These, dass der BGH beim Gesamtgeschäft an das Umsatzgeschäft aus der Definition des Handeltreibens denkt. Denkbar wäre ein Verständnis als Absatzgeschäft, also als entgeltlicher Übertragungsakt an den Endkunden. Das wäre insofern naheliegend, als die Rechtsprechung häufig darauf abstellt, ob und inwieweit Personen in den Verkauf von Betäubungsmitteln eingebunden sind.60 Nach dem salopp formulierten Motto „entscheidend ist, was hinten rauskommt“ könnte man als Abgrenzungskriterium durchaus an das konkrete Absatzgeschäft und die Bedeutung der Tatbeiträge des Transporteurs anknüpfen. Allerdings legt schon die Begrifflichkeit „Gesamtgeschäft“ ein solches Verständnis nicht nahe, handelt es doch beim Absatzgeschäft um etwas ganz Konkretes und nicht um ein irgendwie geartetes Gesamtgeschehen. Bei Betäubungsmitteltransporten mit großen Mengen wird es außerdem regelmäßig um eine Vielzahl von einzelnen Absatzgeschäften mit unterschiedlichsten Endkunden gehen, so dass schwerlich von einem „Umsatzgeschäft insgesamt“ gesprochen werden kann. Daneben ist schleierhaft, wie ein Transporteur überhaupt eine wesentliche Rolle für das spätere Absatzgeschäft spielen soll. Dies kann eigentlich nur der Fall sein, wenn er selbst auch am Verkauf beteiligt ist, dann ist er aber nicht mehr Transporteur, sondern Verkäufer und dafür 59  Siehe 60  Siehe

1. Teil B. III. 3. b). 2. Teil C.



D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft89

auch täterschaftlich zu belangen. Nicht umsonst hat sich der 2. Senat in der oben ausführlich dargelegten Entscheidung eindeutig gegen die Position verwahrt, nach der Täterschaft nur dann vorliegen sollte, wenn der Transporteur auch unmittelbar am Absatz beteiligt ist.61 Das Gesamtgeschäft wird man deshalb als Beschreibung eines irgendwie gearteten übergeordneten Geschehens oder einer übergeordneten Struktur verstehen müssen. In diese Richtung lassen sich Formulierungen deuten, in denen der BGH nach der Bedeutung der Transporttätigkeit im „Gesamtge­füge“62 des Rauschgiftgeschäfts fragt oder die Rolle des Kuriers in der „hierarchischen Organisation des Rauschgift-Umsatzes“63 bzw. in der „organisatorisch arbeitsteiligen Struktur“64 thematisiert. Hinweise über das konkrete Verständnis des Gesamtgeschäfts liefert insbesondere eine neuere Entscheidung65, in welcher der Kurier laut Urteilsfeststellungen „erhebliche, über die eines gewöhnlichen Kuriers weit hinausgehende Aktivitäten entfaltet und umfangreiche Investitionen getätigt hat“. Nach den oben genannten Kriterien hätte ein derartiger Sachverhalt eigentlich die Annahme von Täterschaft gefordert. Aufschlussreich ist nun die Begründung, warum der BGH trotz dieser Feststellungen lediglich zur Annahme von Beihilfe kam. So stellte er entscheidend darauf ab, dass der Kurier „auf den Ablauf des eigentlichen, von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts“66 keinen Einfluss gehabt habe. Sinn ergibt dieses Verständnis außerdem, wenn man sich die Ausführungen des BGH in der Entscheidung des Großen Senats vergegenwärtigt. Dort hat er die Besonderheiten der Betäubungsmittelkriminalität herausgearbeitet. So sprach er von einem System, in dem „das Risiko der Entdeckung des einzelnen Täters gezielt vom kompetenten Täter höherer Ebene auf die zunehmend schwächeren Täter der unteren Ebenen verlagert“67 werde. Häufig könnten deshalb nur Teilakte eines „Gesamtgeschehens“ festgestellt werden. Diese Beweisschwierigkeiten seien der entscheidende Grund, warum der Tatbestand des Handeltreibens derart weit ausgelegt werden müsse. Die Bezugnahme auf ein übergeordnetes Gesamtgeschehen ist nicht aus der Luft gegriffen, vielmehr stellt der BGH seit Jahren bei der Rechtsfigur der Bewertungseinheit ebenfalls auf einen solchen einzelaktsübergreifenden 61  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (222); vgl. auch Beschl. v. 30.03.2007 – 2 StR 81 / 07, NStZ-RR 2007, 246 (247). 62  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (222); Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40 (41). 63  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (222). 64  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. 65  BGH, Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris), Rn. 23. 66  BGH, Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris), Rn. 23. 67  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (261).

90

2. Teil: Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung

Sachverhalt ab. Mehrere Tätigkeitsakte werden dabei auf Konkurrenzebene zu einer Tat zusammengefasst, wenn sie sich alle auf einen einheitlichen Güterumsatz beziehen.68 Der Tatbegriff wird zwar nicht unbedingt übereinstimmend mit dem hier vom BGH eingeführten Begriff des Gesamtgeschäfts verstanden, er zeigt aber, dass der BGH zur sachgerechten Handhabung des Betäubungsmittelstrafrechts seit langem die Notwendigkeit sieht, über den Einzelakt hinaus das Gesamtgeschehen zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund wird man folgern dürfen: Dem BGH geht es bei der Verwendung des Begriffs Gesamtgeschäft um das hinter den einzelnen Teilakten stehende „Große-Ganze“, also vom Rauschgifthandel ausgehend von der Produktion bis zum Verkauf an den Endkunden. Er hat dabei das typische Bild organisierter Rauschgiftkriminalität vor Augen und möchte einem einzelnen Transporteur nur dann Täterschaft zuschreiben, wenn dieser für die Gesamtorganisation eine bedeutende Rolle spielt. Soweit er nur ein kleines, austauschbares „Rädchen“ darstellt, soll er lediglich als Gehilfe behandelt werden.

III. Entwicklungen in anderen Fallgruppen Bisher hat der BGH diese neue Rechtsprechung vor allem in Kurierfallen angewendet. Aber auch in anderen Fallgruppen nimmt er in jüngster Zeit vermehrt auf das Kriterium Gesamtgeschäft Bezug: so z. B. in einem Fall, in dem der Täter nicht nur selbst Kurier war, sondern auch andere Kuriere angeworben hatte.69 Auch bei der Lagerung von Betäubungsmitteln hat der BGH das Kriterium des Gesamtgeschäfts angewendet, wobei er ausdrücklich fragt, ob der Beteiligte „wie etwa ein reiner Kurier“ keinen Einfluss auf das eigentliche Umsatzgeschäft nehmen konnte.70 Mittlerweile baut der BGH das Gesamtgeschäft ganz selbstverständlich in seine Textbausteine zu Täterschaft und Teilnahme ein. So hat der BGH jüngst in einem Fall, in dem es ebenfalls um die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe bei der Lagerung von Betäubungsmitteln ging, wie ohne größere Diskussion auf das Kriterium Gesamtgeschäft Bezug genommen.71 Eine andere Entscheidung beschäftigte sich zwar mit einem Kurier, sprach aber allgemein von der Bedeutung von Teilakten für das Gesamtgeschäft und machte durch die Formulierung „hier bei einem Transport“ deutlich, dass Kurierfälle nur ein 68  Siehe

1. Teil B. III. 8. Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40 (41); vgl. auch die ähnlich gelagerten Fälle Beschl. v. 07.08.2007 – 3 StR 326 / 07, NStZ 2008, 40 (41); Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392 (392 f.); Beschl. v. 13.04.2011 – 3 StR 53 / 11 (juris), Rn. 2. 70  BGH, Urt. v. 13.08.2009 – 3 StR 224 / 09 (juris), Rn. 25. 71  BGH, Beschl. v. 11.1.2012 – 5 StR 445 / 11, NStZ-RR 2012, 121 (122). 69  BGH,



D. Die neue Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft91

Anwendungsfall unter vielen für das neue Kriterium Gesamtgeschäft sind.72 Auch bei der Gewährung eines Darlehens73 und beim Kontaktherstellen zwischen an Betäubungsmittelgeschäften beteiligten Personen74 hat der BGH nunmehr auf die Gesamtgeschäft-Rechtsprechung Bezug genommen. Wie so häufig ist aber diese Rechtsprechungslinie nicht ohne Brüche, sprach der BGH in einer anderen Entscheidung doch vom „Umsatzgeschäft insgesamt“ als einem Abgrenzungskriterium „in Kurierfällen“.75 Für eine allgemeine Verwendung des Kriteriums sprechen aber zwei Entscheidungen zum Anbau von Cannabis. Im Jahr 2010 zog der BGH dabei die Mittäterschaft zum Handeltreiben mit dem Hinweis in Zweifel, dass der Angeklagte ohne sonstigen Einfluss auf das „eigentliche Umsatzgeschäft“ gewesen sei.76 Auch wenn hier nicht die typischen Formulierungen „Gesamtgeschäft“ und „Umsatzgeschäft insgesamt“ verwendet werden, spricht doch der Gesamtkontext dafür, dass der BGH hier Rekurs auf die neuere Rechtsprechungslinie nehmen wollte. In einer neueren Entscheidung77, in der es um die Errichtung einer Indoor-Plantage zur Aufzucht von Cannabis-Pflanzen ging, hat der BGH ebenfalls ganz selbstverständlich auf das Kriterium des Gesamtgeschäfts Bezug genommen. Soweit sich die Tathandlung auf den Teilakt des Umsatzgeschäfts beschränke, komme es nicht darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte „hinsichtlich dieses Teilakts“ innehabe.78 Entscheidend sei die „Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts“.79 Mit der Formulierung „Teilakt“ hat der BGH nun seine Kurierrechtsprechung explizit abstrahiert und nicht mehr an das Vorliegen einer Transporthandlung gebunden. Die Kommentarliteratur ist mittlerweile dazu übergangen, die Maßstäbe der Kurierrechtsprechung zu verallgemeinern und für alle Fallgruppen anzuwenden.80 Damit ist nun klar, dass es sich um ein allgemeines Abgrenzungskriterium handelt, welches über die Fallgruppe der Kuriere hinaus generell für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben gelten soll.81 72  BGH,

Beschl. v. 10.11.2011 – 3 StR 355 / 11, NStZ 2012, 518. Beschl. v. 27.04.2010 – 1 StR 124 / 10 (juris). 74  BGH, Beschl. v. 22.08.2012 – 4 StR 272 / 12, NStZ 2012, 375. 75  BGH, Beschl. v. 09.11.2011 – 2 StR 450 / 11 (juris), Rn. 2. 76  BGH, Beschl. v. 07.10.2010 – 3 StR 363 / 10, NStZ-RR 2011, 58 (59). 77  BGH, Urt. v. 01.08.2012 – 5 StR 176 / 12 (juris). 78  BGH, Urt. v. 01.08.2012 – 5 StR 176 / 12 (juris), Rn. 9. 79  BGH, Urt. v. 01.08.2012 – 5 StR 176 / 12 (juris), Rn. 9. 80  Weber, BtMG, § 29 Rn. 627, 635  ff.; die Erweiterung auf andere Fälle der Beteiligung an BtM-Geschäften erwartend Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 418. 81  Dies noch 2007 offen lassend Puppe, JR 2007, 299. 73  BGH,

3. Teil

Bewertung der Rechtsprechung Nachdem im vorangegangenen Teil die neue Linie der Rechtsprechung geschildert wurde, soll in diesem Kapitel deren Bewertung im Mittelpunkt stehen. Dabei ist zunächst die Bedeutung für die Handhabung des Handeltreibens insgesamt in den Blick zu nehmen (A.), bevor die praktische Relevanz insbesondere für den konkreten Strafausspruch herausgearbeitet wird (B.). Anschließend sollen die Vorzüge der Rechtsprechung aufgezeigt werden (C.), bevor die Probleme im Fokus stehen. Dabei ist nicht nur zu bemängeln, dass die grundsätzliche Kritik am Handeltreiben durch die neue Rechtsprechung nicht beseitigt wird (F.), es werden auch neue Probleme geschaffen. Zwar entstehen keine besorgniserregenden Strafbarkeitslücken (D.) und auch der Wertungswiderspruch zum Grundstoffüberwachungsgesetz hat nichts mit der Gesamtgeschäft-Rechtsprechung zu tun (E.). Kritikwürdig sind aber die Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik (G.) und die fehlende Rechtssicherheit (H.). Am Ende dieses Teils steht eine verfassungs- und europarechtliche Bewertung der Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft (I.).

A. Allgemeine Einordnung Fasst man die Entwicklung der Rechtsprechung nach der Entscheidung des Großen Senats im Jahr 2005 kurz zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Der BGH versucht den Problemen, die die weite Fassung des Tatbestands mit sich bringt, verstärkt dadurch zu begegnen, dass er Fallkonstellationen trotz eigenhändiger Begehung als Beihilfe wertet.1 Hatte diese Praxis vor der Entscheidung des Großen Senats noch Ausnahmecharakter, bildet sie heute die Regel. Für den Transport von Betäubungsmitteln ist die Entscheidung vom 28. Februar 2007 ein „Wendepunkt“ in der Rechtsprechung, nimmt der BGH doch seither regelmäßig nur noch Beihilfe an, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen. Instrument dafür ist die neue Ge1  Diese Vorgehensweise wird schon in der Entscheidung des Großen Senats angekündigt; vgl. BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (265); eine ähnliche Entwicklung schon vor der Gesamtgeschäft-Rechtsprechung beobachtend Krack, JR 2008, 342 (343); Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 627; Schlage, AL 2012, 257 (260).



A. Allgemeine Einordnung93

samtgeschäft-Rechtsprechung, die er zwar im Bereich der Kurierfälle entwickelt hat, aber zunehmend auch in anderen Bereichen anwendet. Puppe sieht darin zu Recht das Potential, die Rechtsprechung zum Handeltreiben zu revolutionieren.2 Diese Vorgehensweise hat für die Rechtsprechung den Vorzug, zunächst alle mit Betäubungsmitteln befassten Personen mit entsprechender subjektiver Ausrichtung tatbestandlich zu erfassen und dann flexibel weniger strafwürdig erscheinende Fälle auszuscheiden und lediglich als Beihilfe mit der obligatorischen Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB zu sanktionieren. Der BGH hat sich damit ein Vehikel geschaffen, das es ermöglicht den festgestellten Schwierigkeiten im Bereich der Beweisbarkeit von Betäubungsmittelkriminalität3 Rechnung zu tragen und trotzdem eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Unrechtsgraden herauszuarbeiten.4 Während die mit besonders ausgeprägter krimineller Energie vorgehenden Hintermänner mit ihrem besonderen Einfluss auf das Ablaufen des Gesamtgeschäfts weiterhin als Täter bestrafen werden können, eröffnet sich für die zahlreichen Helfershelfer die Möglichkeit einer milderen Bestrafung. Der fixen Tatbestandsgebundenheit wird ein erhebliches Maß an richterlichem Gestaltungsspielraum entgegengesetzt. Die Rechtsprechung greift dabei mit dem Gesamtgeschäft auf ein außertatbestandliches Kriterium zurück. Alternativen dazu gibt es kaum, möchte man der Entscheidung des Großen Senats folgend an der weiten Definition festhalten und eine Einheitstäterschaft vermeiden.5 Ein innertatbestandliches Kriterium steht nicht zur Verfügung, da die Tathandlung in objektiver Hinsicht („jede Tätigkeit“) keinerlei Differenzierungspotential bietet.6 Setzt die Rechtsprechung den eingeschlagenen Kurs fort, wird es beim Handeltreiben zu einer erheblichen Verschiebung des täterschaftlichen Handeltreibens hin zum Handeltreiben durch Beihilfe kommen. So dürfte es im internationalen Rauschgifthandel eine deutliche höhere Zahl an Personen geben, die untergeordnete Tätigkeiten erbringen, als Zentralfiguren, die eine täterschaftliche Verurteilung fürchten müssen.7 2  Puppe,

JR 2007, 299 (300). dazu die Ausführungen unter 1. Teil B. II. 4  Dies ebenfalls anerkennend Oğlakcıoğlu, in: Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts, Rn. 277; ähnlich schon vor der Gesamtgeschäft-Rechtsprechung Roxin, StV 1992, 517 (518). 5  Trotz dogmatischer Friktionen diesen Weg grundsätzlich rechtfertigend Weber, BtMG, § 29  Rn. 624 f. 6  In diese Richtung auch Oğlakcıoğlu, in: Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts, Rn. 6. 7  Weber, NStZ 2008, 467 befürchtet, der illegalen Rauschgifthandel werde durch die neue Rechtsprechungslinie zu einem „Geschäft von Gehilfen“. 3  Vgl.

94

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

B. Relevanz für die Praxis Welche Tragweite die neue Rechtsprechung für die Bestimmung des konkreten Strafmaßes hat, ist schwierig zu beurteilen. Aus der Sicht Puppes ist für die meisten Angeklagten das Erreichen einer Beihilfestrafbarkeit lediglich ein „Pyrrhussieg“, da sie beim Transport über eine Grenze hinweg gleichzeitig täterschaftlich den mit der gleichen Strafandrohung versehenen Tatbestand der Einfuhr verwirklichen.8 Die praktische Wirkung des Urteils vom 28. Februar 2007 sei gering, da ein Einsatz von Kurieren nur bei der Beförderung über große Strecken und über Landesgrenzen hinweg in Betracht komme.9 Diese verallgemeinernde Aussage erscheint allerdings übertrieben. Zunächst ist zu bezweifeln, dass Kuriere nur über große Strecken und Landesgrenzen hinweg eingesetzt werden. Gerade in funktionierenden Bandenstrukturen organisierter Kriminalität werden die Hintermänner jede Gelegenheit nutzen, auch für kurze, innerstaatliche Strecken auf Kuriere zurückzugreifen, um das Entdeckungsrisiko zu vermindern. In diesen Fällen spielen die Tatbestände der Ein- und Ausfuhr keine Rolle. Allerdings wird bei Transporten ohne Grenzübertritt regelmäßig der Tatbestand des Besitzes erfüllt sein.10 Selbst wenn aber neben der Beihilfe zum Handeltreiben täterschaftlich die Tatbestände der Ein- oder Ausfuhr bzw. des Besitzes verwirklicht sein sollten, müsste die Rechtsprechung zu einem geringeren Strafausspruch kommen, zumindest wenn sie die oben geschilderte Position der Mehrheit der Senate, das Handeltreiben sei eine Form der Tatbegehung mit besonderem Unrechtsgehalt, ernst nimmt. Wird das Handeltreiben nur noch als Beihilfe verwirklicht und die Täterschaft nur noch durch eine andere Tatmodalität begründet, wäre es nur folgerichtig, die Strafzumessung für den Angeklagten günstiger ausfallen zu lassen, wenn nicht besondere, strafschärfende Umstände im Einzelfall vorliegen. Die bisherigen Revisionsentscheidungen des BGH sind allerdings in dieser Hinsicht nicht immer konsequent. So hat er trotz Änderung des Schuldspruches von Täterschaft zu Beihilfe zum Handeltreiben mehrfach den konkreten Strafausspruch aufrechterhalten.11 Verwiesen wurde darauf, dass 8  Puppe, 9  Puppe,

JR 2007, 299. JR 2007, 299; in diese Richtung auch Rahlf, in: BRAK-FS, S. 243

(260). 10  Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 246. 11  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, NJW 2007, 1220 (Ausführungen zum Aufrechterhaltung des Strafausspruchs in BGHSt 51, 219 nicht abgedruckt); Beschl. v. 30.03.2007 – 2 StR 81 / 07, NStZ-RR 2007, 246; Beschl. v. 23.05.2007 – 2 StR 138 / 07 (juris); Beschl. v. 20.06.2007 – 2 StR 223 / 07 (juris); Beschl. v.



B. Relevanz für die Praxis95

der Schuldspruch aufgrund der täterschaftlichen Verurteilung wegen der anderen Begehungsform dem gleichen Strafrahmen zu entnehmen sei.12 Außerdem habe die Vorinstanz bereits strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte auf der untersten Ebene der Drogenorganisation tätig gewesen sei.13 Für das Strafmaß ergeben sich für den Angeklagten in diesen Revi­ sionsverfahren keine Vorteile, insoweit ist die These Puppes zutreffend.14 Zum ganzen Bild gehört es allerdings, auch die zahlreichen Fälle zu berücksichtigen, in denen der BGH den Strafausspruch aufgehoben hat.15 Es könne – so der BGH – in diesen Fällen nicht ausgeschlossen werden, dass eine korrekte Fassung des Schuldspruchs des Ausgangsgerichts auch zu einem geringeren Strafmaß geführt hätte.16 In einer Entscheidung weist er außerdem analog der obigen Argumentation auf den niedrigen Unrechtsgehalt einer Tat hin, die neben der täterschaftlichen Verurteilung wegen Besitzes hinsichtlich des Handeltreibens nur als Beihilfe und nicht als Täterschaft gewertet werden kann.17 Die Umstellung des Schuldspruchs führt hier auch zu einer neuen Strafzumessung durch die Ausgangsinstanz, welche in der Regel einen geringeren Strafausspruch mit sich bringen dürfte. Vielfach hat der BGH über diese Fälle hinaus die zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur gänzlichen Neuentscheidung an die Aus04.07.2007 – 2 StR 267 / 07, NStZ-RR 2007, 320; Beschl. v. 06.09.2007 – 2 StR 331 / 07 (juris); Beschl. v. 30.10.2008 – 3 StR 397 / 08, NStZ-RR 2009, 93; Beschl. v. 19.03.2009 – 4 StR 20 / 09, NStZ-RR 2009, 254; Beschl. v. 10.03.2010 – 2 StR 578 / 09 (juris); Beschl. v. 26.09.2012 – 2 StR 200 / 12 (juris); Beschl. v. 15.11.2012 – 3 StR 378 / 12 (juris). 12  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, NJW 2007, 1220 (1221) (in BGHSt 51, 219 nicht abgedruckt); Beschl. v. 30.03.2007 – 2 StR 81 / 07, NStZ-RR 2007, 246 (248); Beschl. v. 23.05.2007 – 2 StR 138 / 07 (juris), Rn. 7; Beschl. v. 20.06.2007 – 2 StR 223 / 07 (juris), Rn. 5; Beschl. v. 06.09.2007 – 2 StR 331 / 07 (juris), Rn. 6; Beschl. v. 19.03.2009 – 4 StR 20 / 09, NStZ-RR 2009, 254 (255). 13  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, NJW 2007, 1220 (1221) (in BGHSt 51, 219 nicht abgedruckt); Beschl. v. 30.03.2007 – 2 StR 81 / 07, NStZ-RR 2007, 246 (248); Beschl. v. 23.05.2007 – 2 StR 138 / 07 (juris), Rn. 8; Beschl. v. 20.06.2007 – 2 StR 223 / 07 (juris), Rn. 5; Beschl. v. 06.09.2007 – 2 StR 331 / 07 (juris), Rn. 6. 14  Die praktische Bedeutung der neuen Rechtsprechung daher anzweifelnd Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 246. 15  BGH, Beschl. v. 07.08.2007 – 3 StR 326 / 07, NStZ 2008, 40; Beschl. v. 02.02.2010 – 3 StR 4 / 10, NStZ-RR 2010, 318; Beschl. v. 13.04.2011 – 3 StR 53 / 11 (juris); Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40; Beschl. v. 09.11.2011 – 2 StR 450 / 11 (juris); Beschl. v. 22.12.2011 – 3 StR 371 / 11, NStZ-RR 2012, 120; Beschl. v. 04.09.2012 – 3 StR 337 / 12 (juris); Beschl. v. 24.04.2013 – 5 StR 135 / 13, NStZ 2013, 549. 16  BGH, Beschl. v. 02.02.2010 – 3 StR 4 / 10, NStZ-RR 2010, 318; Beschl. v. 13.04.2011 – 3 StR 53 / 11 (juris), Rn. 5. 17  BGH, Beschl. v. 09.11.2011 – 2 StR 450 / 11 (juris), Rn. 4.

96

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

gangsinstanz zurückverwiesen.18 Auch hier kann die neue Rechtsprechungslinie zu einem geringeren Strafausspruch führen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Vorgehensweise des BGH nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbar von ihm entschiedenen Fälle hat. Zahlenmäßig wesentlich bedeutsamer sind Anklagen, über die bereits in den unteren Instanzen abschließend entschieden wird. Wenden die Instanzgerichte das neue Abgrenzungskriterium an, dürften sie in der Regel ebenfalls zu einem niedrigeren Strafausspruch bei Beihilfe im Vergleich zur Täterschaft kommen. Dafür, dass es in der Praxis bereits zu niedrigen Strafen durch die neue Rechtsprechungslinie gekommen ist, sprechen Berichte, nach denen Angeklagte in den betreffenden Strafverfahren mit der Behauptung reagieren, lediglich in den Besitz von Betäubungsmitteln als „Kurzstreckenkurier“ gekommen zu sein, um einer höheren Strafe zu entgehen.19 Trotz aller Relativierung bleibt die widersprüchliche Vorgehensweise des BGH jedoch kritikwürdig. Es dürfte nur in ganz wenigen Fällen überzeugend begründbar sein, trotz der Umstellung des Schuldspruchs die Möglichkeit einer veränderten Strafzumessung auszuschließen. Das gilt etwa dann, wenn man darauf verweisen kann, dass sich die Gesamtstrafe aus 89 Einzelstrafen zusammensetzt und nur eine diese Einzelstrafen von der Veränderung des Schuldspruchs betroffen ist.20 Ansonsten setzt sich der BGH mit seinem Bemühen, Zurückverweisungen zu vermeiden, schon dem ersten Vorwurf der Inkonsequenz aus. Es ergibt wenig Sinn, bei einer derartigen Vielzahl von Entscheidungen mit großem Begründungsaufwand eine neue Rechtsprechungslinie einzuführen, die dann trotz Änderung des Schuldspruchs ohne Konsequenz für die Strafzumessung bleibt.

C. Vorzüge der gewählten Lösung I. Vermeidung der Einheitstäterschaft Ein großer Vorzug der neuen Rechtsprechungslinie ist, dass sie Tendenzen zur Einheitstäterschaft vermeidet. Da der Begriff des Handeltreibens bei der Tathandlung („jede Tätigkeit“) keinerlei Differenzierungspotential bietet, unterliegt dieser Tatbestand stets der Gefahr, auch Hilfstätigkeiten täter18  BGH, Beschl. v. 04.10.2007 – 2 StR 401 / 07 (juris); Beschl. v. 21.11.2007 – 2 StR 468 / 07, NStZ 2008, 285; Beschl. v. 09.01.2008 – 2 StR 527 / 07 (juris); Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57; Beschl. v. 28.10.2010 – 3 StR 324 / 10 (juris). 19  Puppe, JR 2007, 299 (300). 20  Vgl. BGH, Beschl. v. 27.04.2010 – 1 StR 124 / 10 (juris).



C. Vorzüge der gewählten Lösung97

schaftlich einzuordnen.21 Im Extremfall macht diese Vorgehensweise eine Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme hinfällig und führt zu einem Tatbestand, der nur den Einheitstäter kennt. Um die Bedeutung dieses Gesichtspunkts einschätzen zu können, lohnt sich ein kurzer Blick auf das System der Einheitstäterschaft. Der Einheitstäterbegriff ist das Gegenmodell zum differenzierenden Beteiligungssystem im Bereich der Vorsatzdelikte des deutschen Strafrechts (§§ 25 ff. StGB). Eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist danach überflüssig – für jeden Beteiligten stehen die gleichen Rechtsfolgen zur Verfügung.22 Die sich bei der Unterscheidung ergebenden Abgrenzungsprobleme entfallen. Allerdings berücksichtigen auch Einheitstätersysteme den unterschiedlichen Grad der Mitwirkung, freilich auf der Ebene der Strafzumessung.23 Für eine Täterschaft wird grundsätzlich auf Ursächlichkeit abgestellt, so dass das Entfallen der Strafbarkeit aufgrund versuchter Beihilfe, den Akzessorietätsregeln der Teilnahme oder der Einordnung als eigenhändiges Delikt oder Sonderdelikt ausgeschlossen ist.24 In Deutschland liegt den Fahrlässigkeitsdelikten und dem Ordnungswidrigkeitenrecht der Einheitstäterbegriff zugrunde.25 Auf den ersten Blick erscheint die Einheitstäterlösung verführerisch, denn mit ihr wären auf einen Schlag sämtliche Abgrenzungsprobleme, mit denen sich Literatur und Rechtsprechung seit Jahrzehnten abmühen, Vergangenheit. Viele Anhänger des Einheitstäterbegriffs plädieren nicht aus Überzeugung für das Einheitstätersystem, sondern mit dem Verweis auf eben diese Schwierigkeiten bei der Differenzierung im dualistischen Beteiligungssystem.26 Die Vereinfachung trifft allerdings nur für die Tatbestandsebene zu, bei der Strafzumessung werden viele Abgrenzungsfragen wieder relevant.27 Die Strafzumessung ist seit jeher die Domäne des Tatrichters, weshalb eine transparente, einheitliche Abgrenzung nach wissenschaftlich überprüfbaren Kriterien nicht zu erwarten wäre.28 Der einzelne Richter hätte ein großes Maß an Freiheit, dazu Roxin, StV 1992, 517 (518). Beteiligungsmodelle, S. 44. 23  Hamdorf, Beteiligungsmodelle, S. 44; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1175; Ingelfinger, in: HK-GS, § 25 StGB Rn. 1; Kienapfel, JuS 1974, 1 (7). 24  Bock, Jura 2005, 673 (679); vgl. auch Kienapfel, JuS 1974, 1 (6 f.). 25  Vgl. Fischer, StGB, Vor § 25 Rn. 1; Heine, in: S / S-StGB, Vorbermerkungen zu den §§ 25 ff. Rn. 11; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1177; Ingelfinger, in: HK-GS, § 25 StGB Rn. 1; Rengier, Strafrecht AT, § 40 Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 6. 26  Volk, in: Roxin-FS 70. Geburtstag, S. 563. 27  Bock, Jura 2005, 673 (679); Schünemann, in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 10; Volk, in: Roxin-FS 70. Geburtstag, S. 563 (564). 28  Volk, in: Roxin-FS 70. Geburtstag, S. 563 (564). 21  Vgl.

22  Hamdorf,

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3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

welche Gesichtspunkte er wie stark im Rahmen der Strafzumessung gewichten möchte. Gleichzeitig verlören die Tatbestände bei einer Einebnung der Beteiligungsformen an Unterscheidbarkeit in Bezug auf ihren Unrechtsgehalt. Der gesetzliche Strafrahmen als zentrales Kennzeichnungskriterium für das Ausmaß des Unrechts wird nach dem differenzierenden Beteiligungssystem durch Regelungen wie §§ 27 Abs. 2 und 30 StGB modifiziert.29 Finden die diesen Vorschriften zugrundeliegenden Erwägungen erst auf der Strafzumessungsebene Berücksichtigung, gibt es zwischen den verschiedenen Begehungsformen auf der Tatbestandsebene keinen Unterschied, auch einer Hilfsperson wird der Makel des täterschaftlichen Unrechts auferlegt. Der ver­ gröbernde Maßstab der Einheitstäterschaft wird der Unterschiedlichkeit des Unrechts bei den verschiedenen Beteiligungsformen nicht gerecht.30 Problematisch ist dies auch im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot.31 Dem erkennenden Richter steht ein weiterer Strafrahmen zu Verfügung, der nicht durch Milderungsvorschriften wie bei der Beihilfe verkürzt wird. Zentrales Argument gegen den Einheitstäterbegriff bei Vorsatzdelikten ist allerdings das Entgegenstehen der aktuellen Gesetzesfassung. In den §§ 25 ff. StGB hat sich der Gesetzgeber klar für ein differenzierendes Beteiligungssystem entschieden. Für das Handeltreiben bedeutet dies, dass ein Verzicht auf eine Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme weder vom Gesetz gedeckt, noch rechtsstaatlich verantwortbar wäre. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die allgemeinen Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme nicht auch für das Betäubungsmittelstrafrecht Geltung haben sollen. Die Gesetzesformulierung „Handeltreiben“ gibt nichts her, was rechtfertigen könnte, warum es bei diesem Tatbestand nur Täter und nicht auch Gehilfen geben sollte.

II. Sachgerechte Abgrenzung anhand des Unrechtsgehalts Neben der Vermeidung von Einheitstäterschaft überzeugt die Gesamtgeschäft-Rechtsprechung in sachlicher Hinsicht. Vor dieser Rechtsprechungsänderung stand stets das konkrete Umsatzgeschäft im Fokus der Rechtsprechung. Dies war insoweit konsequent, als die subjektive Ausrichtung auf das Umsatzgeschäft das einzige Element der Definition ist, welches den Bezug zu der wirtschaftlichen Betätigung mit Betäubungsmitteln herstellt. Wie oben gezeigt,32 ist damit die einverständliche Übertragung von Betäu29  Paul,

StV 1998, 623 (624). Strafrecht AT, Rn. 1178. 31  Bock, Jura 2005, 673 (679); Jakobs, Strafrecht AT, 21. Abschn. Rn. 6; Schünemann, in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 8. 32  Siehe 1. Teil B. III. 3. b). 30  Heinrich,



C. Vorzüge der gewählten Lösung99

bungsmitteln auf einen anderen gemeint. Erfasst werden sämtliche Konstellationen, in denen Betäubungsmittel in Übereinstimmung mit dem Gegenüber weitergegeben werden. Diese sehr weite, undifferenzierte Ausgestaltung führt neben der weiten Tätigkeitsbeschreibung dazu, dass der Unrechtsgehalt des Handeltreibens sehr unterschiedlich ist. In unterschiedlichsten Konstellationen ist Handeltreiben gegeben, vom kleinen Gehilfen, der Betäubungsmittel ohne weiteres Wissen an den nächsten Dealer weitergibt, bis hin zum Bandenchef, der sämtliche Handelsvorgänge unter Kontrolle hat. In der früheren Rechtsprechungspraxis wurden die Unterschiede der verschiedenen Rollen kaum berücksichtigt, vielmehr stellte der BGH weitgehend schematisch auf die Art und Menge der Betäubungsmittel ab (sogenannte Kilorechtsprechung).33 Dies führte dazu, dass zwischen Kurieren und den eigentlichen Händlern in der Strafhöhe kaum unterschiedliche Strafen verhängt wurden.34 Indem nun die Rechtsprechung stärker Bezug auf das Gesamtgeschäft nimmt, schafft sie in diesem Bereich Differenzierung. Die Beteiligten, die nur eine geringe Relevanz für das Gesamtgeschäft haben, werden lediglich als Teilnehmer bestraft. Die Unterscheidung drückt sachlich die richtige Erkenntnis aus: Der Unrechtsgehalt ist wesentlich höher, wenn die Handlung für das Gesamtgeschäft von Bedeutung ist, als wenn sich das Agieren des Beteiligten dafür als wenig relevant darstellt. Der Unrechtsgehalt der Tat korrespondiert unmittelbar mit der Relevanz für das Gesamtgeschäft. Die Gefahren für die im Betäubungsmittelstrafrecht maßgeblichen Rechtsgüter der allgemeinen Gesundheit und der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft35 sind bei bedeutsamen Handlungen für das Gesamtgeschäft wesentlich stärker ausgeprägt als bei unbedeutenden Verhaltensweisen. Die Risiken, dass Betäubungsmittel in den Wirtschaftskreislauf gelangen, lassen sich wesentlich besser durch eine Bezugnahme auf das Gesamtgeschäft abbilden, als durch den Rekurs auf die nächste anstehende Übertragung. Ohne an dieser Stelle eine weitere Konkretisierung des zugegebener Maßen sehr schwammigen Begriffs der Bedeutung oder Relevanz vorzunehmen,36 lässt sich doch auch in dieser Allgemeinheit der Grundgedanke verdeutlichen, dass Täter, die für das Gelingen des Gesamtgeschäfts bedeutsame Tätigkeiten verüben, wesentlich schwerer zu finden und auszutauschen sind, als Personen, die unbedeutsame Handlungen vornehmen. Die Handlungen der erstgenannten Beteiligten weisen damit eine besondere Gefährlichkeit aus und erfordern eine höhere kriminelle Energie. 33  Winkler,

in: DAV-FS, S. 394. in: DAV-FS, S. 394. 35  Siehe zum Rechtsgut 4. Teil F. IV. 1. a). 36  Siehe dazu 4. Teil A. IV. 1. 34  Winkler,

100

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

D. Befürchtung von Strafbarkeitslücken Strafbarkeitslücken lässt die Vorgehensweise des BGH kaum befürchten. Soweit Weber Strafbarkeitslücken bemängelt,37 wird nicht deutlich, in welchen Fällen diese entstehen sollen. Eine gänzliche Straflosigkeit wäre lediglich in Konstellationen zu besorgen, in denen es um eine versuchte Tat geht, denn einen Versuch der Beihilfe kennt das deutsche Strafrecht nicht. Da die Versuchsstrafbarkeit beim Handeltreiben vom BGH grundsätzlich nur äußerst selten angenommen wird,38 dürfte das Ausmaß der Strafbarkeitslücken außerordentlich gering sein. Aus jüngerer Zeit sind überhaupt nur zwei Entscheidungen bekannt, in denen der BGH die Strafbarkeit wegen Beihilfe hat scheitern lassen, weil nur das Versuchsstadium erreicht wurde.39 In einer der Entscheidungen lässt er dabei sogar ausdrücklich offen, ob nicht lediglich eine Vorbereitungshandlung vorliegt.40 In der Regel geht es beim Handeltreiben vor allem um eine Abgrenzung der Fälle der Vorbereitung zu denen der Vollendung. Bei der Vorbereitung gibt es bei einem Vergleich der Begehung als Täter zur Begehung als Gehilfe keinerlei Unterschiede. Im Übrigen dürften in der Regel selbst bei der Annahme versuchter Beihilfe andere Tatbestände des Betäubungsmittelstrafrechts gegeben sein, etwa die Einfuhr oder der Besitz von Betäubungsmitteln. Nicht gemeint sein kann mit Webers Verweis auf Strafbarkeitslücken das in der Regel geringer ausfallende Strafmaß durch die Strafmilderung gem. § 27 Abs. 2 S. 2 StGB. Dabei handelt es sich offenkundig nicht um eine zur Straflosigkeit führende Lücke, sondern um eine Frage der Strafzumessung. Wenn Weber darüber hinaus bemängelt, der illegale Rauschgifthandel werde mehr und mehr ein „Geschäft von Gehilfen“, in welchem nur noch wenige Köpfe der Organisation als Täter in Betracht kämen,41 mag dies sachlich weitgehend zutreffen, es ist aber nicht ersichtlich, warum diese Folge kritikwürdig sein sollte. Dabei sei dahingestellt, ob eine solche offenkundig auf ein eher umgangssprachliches Verständnis Rekurs nehmende Betrachtung („Drogenhandel als Geschäftsfeld von Gehilfen“) überhaupt eine juristisch tragfähige Argumentationsmasse sein kann. Selbst wenn man dieser Denkweise folgt, wäre festzustellen, dass vor der Rechtsprechungsänderung der Betäubungsmittelhandel ein „Geschäft von Tätern“ war. Durch 37  Weber,

NStZ 2008, 467 und BtMG, § 29 Rn. 722. zum kaum vorhandenen Anwendungsbereich des Versuchs Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 4 Rn. 236 f. 39  Vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460; Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392. 40  BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392 (393). 41  Weber, NStZ 2008, 467. 38  Vgl.



E. Wertungswiderspruch zum Grundstoffüberwachungsgesetz101

die weitgehend differenzierungslose Annahme von Täterschaft gab es eine große Zahl von Händlern, die nach rechtlicher Einordnung nahezu gänzlich ohne Hilfspersonen auskamen. Es dürfte der Lebenswirklichkeit wesentlich besser entsprechen, eine eher kleine Zahl von Tätern anzunehmen, welche die Kontrolle und den Überblick über den Betäubungsmittelhandel haben. Diese werden durch einen großen Kreis von Gehilfen unterstützt, die unterschiedliche Aufgaben wie Transport, Lagerung und Veräußerung übernehmen. Auch dem gesetzgeberischen Konzept, das Betäubungsmittelstrafrecht vor allem gegen Großtäter der organisierten Kriminalität auszurichten, entspricht die neue Rechtsprechung des BGH bestens.42 Keine Rolle spielen kann in diesem Zusammenhang, wie häufig ein solcher Großtäter tatsächlich im Rahmen eines Strafverfahrens einer täterschaftlichen Verurteilung zugeführt werden kann. An der Existenz von täterschaftlich begangenen Taten ändert sich nichts, wenn sie aufgrund von Beweisschwierigkeiten nur selten einer Verurteilung zugeführt werden können.

E. Wertungswiderspruch zum Grundstoffüberwachungsgesetz Problematischer ist das Verhältnis zum Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG), welches den Umgang mit Drogenausgangstoffen regelt. In § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG ist die Beförderung von Grundstoffen als eigenständige Begehungsform unter Strafe gestellt und zwar mit demselben Strafrahmen wie die Tatbegehungsweisen des § 29 Abs. 1 BtMG. Wer lediglich Grundstoffe befördert, ist demnach als Täter unter Zugrundelegung des vollen Strafrahmens zu bestrafen, während der Transporteur von Betäubungsmitteln nach der neuen Rechtsprechung in der Regel lediglich Gehilfe ist und in den Genuss der Strafrahmenmilderung der §§ 27 Abs. 2 S. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB kommt.43 Noch deutlicher wird dieser Wertungswiderspruch beim Versuch, der beim Transportieren von Grundstoffen gem. § 19 Abs. 2 GÜG von Strafe bedroht ist, während bei Betäubungsmitteln die versuchte Beförderung als versuchte Beihilfe straflos bleibt. Sachlich ist diese unterschiedliche Behandlung von Grundstoffen und Betäubungsmitteln nicht erklärbar. Wollte man zwischen diesen beiden Stoffarten differenzieren, wäre vielmehr eine umgekehrte Behandlung, also eine schärfere Sanktionierung des die konkretere Gefahren für die Gesundheit mitbringenden Endprodukts im Vergleich zum Grundstoff, naheliegend. Dieser grundsätzliche, eher theo­retische Wertungswiderspruch relativiert sich aber in der Praxis dadurch, 42  Siehe

dazu im Einzelnen die Ausführungen unter 4. Teil F. IV. 2. Handeltreiben mit BtM, S. 247; Weber, BtMG, § 29 Rn. 722.

43  Skoupil,

102

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

dass bei Betäubungsmitteln wiederum der Besitztatbestand vorliegen wird.44 Außerdem wird auch beim GÜG bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein, dass der Täter mit seiner Transporthandlung nur auf der untersten Ebene der Drogenorganisation tätig war. Zu beachten ist außerdem, dass die sachlich schwer nachvollziehbare unterschiedliche Behandlung im Wortlaut der Delikte selbst angelegt ist. Im Gegensatz zum BtMG enthält § 19 Abs. 1 GÜG neben dem Tatbestand des Handeltreibens eine separate Strafbarkeit der Beförderung. Dies konnte auch bisher schon zu einer schärferen Sanktionierung des Grundstofftransports im Vergleich zum Betäubungsmitteltransport führen, nämlich im Falle der Beförderung aus uneigennützigen Motiven. Bei Betäubungsmitteln greift in dieser Konstellation der Tatbestand des Handeltreibens nicht ein. Bei innerstaatlichen Transporten kommt lediglich eine Besitzstrafbarkeit in Betracht, bei Beförderungshandlungen über die Grenze hinweg auch die Ein- und Ausfuhr. Insbesondere die Besitzstrafbarkeit als Auffangtatbestand45 mit in der Regel geringerem Unrechtsgehalt wird keine gleichwertige Sanktionierung gewährleisten können. Die unterschiedliche Behandlung von Grundstoffen und Betäubungsmitteln ist deshalb Folge der verschiedenen gesetzlichen Regelungen und keine Konsequenz der neuen Rechtsprechungslinie. Ein zwingendes Argument gegen die Gesamtgeschäft-Rechtsprechung stellt sie nicht dar.

F. Keine Entkräftung der grundsätzlichen Kritik am Begriff des Handeltreibens Allerdings kann die Gesamtgeschäft-Rechtsprechung die grundsätzlichen Einwände gegen den Begriff des Handeltreibens nicht entkräften. Begegnet wird lediglich den unerwünschten Folgen, ohne die Ursache des Problems zu beseitigen. Diese ist und bleibt die mangelnde objektive Trennschärfe des Begriffs. Die Konzeption der Rechtsprechung ist, wie bereits herausgearbeitet,46 die eines entkernten Tatbestands. Ohne objektiv umrissene Tathandlung hebt sich das Delikt nicht von dem ohnehin allgemein existierenden Erfordernis einer Handlung i. S. d. Handlungsbegriffs ab. Angesichts der alleinigen subjektiven Ausrichtung des Delikts ist sogar der Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts kaum zu entkräften. Diese dogmatischen Einwände kann der BGH mit seiner neuen Rechtsprechungslinie nicht ausräumen. Er betreibt lediglich Ergebniskorrektur.47 44  Skoupil,

Handeltreiben mit BtM, S. 247 (Fn. 1418). in Körner, BtMG, § 29 / Teil 13 Rn. 1; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 1144; Weber, BtMG, § 29 Rn. 1367. 46  Siehe 1. Teil B. III. 10. 47  Ähnlich Roxin, StV 1992, 517 (518). 45  Patzak,



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik103

Das Vorgehen des BGH erweist sich bei näherer Betrachtung als eine Verwechslung von Ursache und Wirkung. Er versucht einen zu weit geratenen Tatbestand, der bei konsequenter Handhabung keinen Raum für die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme lässt, durch Modifikationen auf der Beteiligungsebene in den Griff zu bekommen. Die Problematik wurzelt aber nicht in der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme, sondern liegt im Inhalt des Begriffs selbst begründet und kann auch nur durch eine Veränderung dessen beseitigt werden. Verdeutlicht wird diese Erkenntnis, wenn man auf einen anderen Bereich der allgemeinen Dogmatik blickt, mit dem der von der Rechtsprechung zugrunde gelegte Begriff des Handeltreibens ebenfalls nicht harmoniert. Die derzeitige Definition des Handeltreibens lässt eine Unterscheidung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung nach allgemeinen Kriterien nicht zu. Soweit die Rechtsprechung trotzdem Vorbereitungs- und Versuchsfälle abschichtet, spricht sie selbst davon, dass sie dem keine festen Kriterien zugrunde legt, sondern ein kasuistisches Vorgehen wählt.48 Wenn ein einzelnes Delikt des besonderen Strafrechts sich nicht mit den allgemeinen Regelungen in Übereinstimmung bringen lässt, liegt das Problem nicht an den allgemeinen Rechtsinstituten, welche für nahezu das gesamte Strafrecht als richtig erkannt wurden, sondern am Inhalt des Delikts selbst, welches in einer Weise interpretiert werden muss, dass es sich mit den allgemeinen Regeln in Übereinstimmung bringen lässt.

G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik Wäre der neueren Rechtsprechung nur vorzuwerfen, dass sie die grundsätzliche Kritik am weiten Tatbestand des Handeltreibens nicht beseitigt, könnte sie angesichts ihrer Vorzüge in puncto Einheitstäterschaft und sachgerechter Differenzierung trotzdem einen Fortschritt zur früheren Rechtslage darstellen. Leider ist das aber nicht der Fall. Vielmehr schafft sie eine Vielzahl neuer Probleme, insbesondere durch eine inkonsistente Anwendung der Regeln des Allgemeinen Teils des StGB, welcher für das Nebenstrafrecht gleichermaßen gilt. Nicht nur wird die Beihilfe angewendet, obwohl der Handelnde alle Tatbestandsvoraussetzungen in eigener Person erfüllt hat (I.), es wird auch die Akzessorietät der Beihilfe missachtet (II.) und mit dem Gesamtgeschäft funktionswidrig ein tatbestandsfremdes Kriterium herangezogen (III.).

48  BGH,

Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252.

104

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

I. Beihilfe trotz eigenhändiger Tatbegehung Die Annahme von Beihilfe trotz eigenhändiger Tatbegehung ist mit der allgemeinen Dogmatik nicht zu vereinbaren. Wie bereits herausgearbeitet wurde,49 wird heute bei allen anderen Delikten sowohl von der Literatur als auch von der Rechtsprechung bei der eigenen Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale stets Täterschaft angenommen. Beim Handeltreiben mit den Betäubungsmitteln ist die Annahme von Beihilfe nach neuerer Rechtsprechung dagegen zumindest in bestimmten Fallgruppen eher die Regel als die Ausnahme. Eine dogmatisch tragfähige Begründung liefert der BGH dafür nicht. Eine extrem subjektive Herangehensweise,50 welche eine relativ freie Interpretation des Täterwillens ermöglichen würde, lehnt die Rechtsprechung zu Recht selbst ab.51 Der dabei vom Rechtsanwender zu ermittelnde Wille ist ein beliebiges Kriterium, wenn er nicht anhand von objektiven Kriterien bestimmt wird.52 Es ist auch sachlich gerechtfertigt, bei eigenhändiger Tatbegehung Täterschaft anzunehmen, hat der Täter dabei doch stets Tatherrschaft in Form der Handlungsherrschaft.53 Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB spricht für eine konsequente Annahme von Täterschaft bei eigenhändiger Tatbegehung. Die Delikte des Besonderen Teils setzten wie selbstverständlich voraus, dass eine die Tatbestandsmerkmale erfüllende Person Täter ist.54 Auch der gesetzgeberische Wille bei Einführung dieser Vorschrift spricht dafür: „Diese begriffliche Bestimmung macht deutlich, dass, wer die Tat selbst begeht, […], stets Täter ist, und nicht etwa wegen fehlenden Täterwillens Teilnehmer sein kann, wie in der Rechtsprechung früher bisweilen angenommen worden ist.“55 Ansonsten bliebe aus dogmatischer Sicht lediglich die Möglichkeit zu behaupten, das Handeltreiben sei aufgrund seiner Besonderheiten nicht entsprechend den allgemeinen Grundsätzen von Täterschaft und Teilnahme zu behandeln. Es ist aber nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber beim Handeltreiben eine Ausnahme von der allgemein auch von der Rechtsprechung als 49  Siehe

2. Teil A. zumindest formale Rückkehr zu einer solchen sieht Roxin in StV 1992, 517 und Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 627; ebenso Niehaus, JR 2005, 192 (194); Krack, JR 2008, 342 (343). 51  BGH, Urt. v. 22.07.1992 – 3 StR 35 / 92, BGHSt 38, 315. 52  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1205; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 23. 53  Krey / Esser, Strafrecht AT, Rn. 871; Roxin, Strafrecht AT II, § 25 Rn. 38. 54  Krey / Esser, Strafrecht AT, Rn. 791; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 5; Wessels /  Beulke, Strafrecht AT, Rn. 508. 55  BT-Drucksache 4 / 650, S. 149. 50  Die



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik105

richtig erkannten Regel zulassen wollte. Aus dem Gesetz ergibt sich eine solche Möglichkeit jedenfalls nicht.

II. Akzessorietät der Beihilfe Von der Rechtsprechung nahezu völlig übersehen wird ein weiteres Problem. Die Beihilfe ist eine akzessorische Rechtsfigur, welche stets auf eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat bezogen sein muss.56 Die Teilnahme ist dabei der Täterschaft stets nachgeordnet: Teilnehmer kann nur sein, wer nicht Täter ist.57 Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass jede Mitwirkung, die nicht Täterschaft ist, ohne weiteres eine strafbare Beihilfe darstellt.58 Die Beihilfestrafbarkeit hat vielmehr besondere Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen. Die Rechtsprechung geht dagegen wie selbstverständlich davon aus, dass falls das Handeln des Beteiligten nicht für eine Täterschaft reicht, jedenfalls Beihilfe gegeben ist.59 Sie übersieht dabei, dass es um eine unterschied­liche Art des Unrechts geht. Bei Täterschaft liegt das Unrechtsurteil in der vorgenommenen Tat selbst begründet, während sich bei der Beihilfe das Unrecht zumindest auch aus dem der Haupttat ableitet.60 1. Vereinbarkeit mit dem Strafgrund der Teilnahme Damit ist die Vereinbarkeit mit dem Strafgrund der Teilnahme angesprochen. Dieser liegt nach herrschender Meinung in der Förderung bzw. Mitverursachung einer rechtswidrigen Haupttat.61 Teile der Literatur möchten dagegen an das Verstricken des Haupttäters in Unrecht anknüpfen.62 Neben 56  Ingelfinger, in: HK-GS, § 27 StGB Rn. 1 und 2; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 551. 57  Schünemann, in: LK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 26, 27 Rn. 4. 58  Schünemann, in: LK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 26, 27 Rn. 4. 59  Lediglich in Einzelfällen hat sich die Rechtsprechung mit den besonderen Voraussetzungen der Beihilfe beschäftigt, siehe dazu die unter 3. Teil G. II. 3. genannten Beispiele. 60  Frister, Strafrecht AT, 25. Kap. Rn. 28; Heine, in: S / S-StGB, Vorbermerkungen zu den §§ 25 ff. Rn. 17a; Joecks, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 26, 27 Rn.  16 f.; Schünemann, in: LK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 26, 27 Rn. 7; ­Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 551. 61  Lackner / Kühl, StGB, § 27 Rn. 8; Joecks, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 26, 27 Rn. 16 f.; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 551. 62  Trechsel, Strafgrund der Teilnahme, S. 32 ff.; die Anknüpfung an das Verstricken des Täters in Schuld wird seit der Einführung des Prinzips limitierter Akzessorietät nicht mehr vertreten, vgl. Frister, Strafrecht AT, 25. Kap. Rn. 27.

106

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

diesen zwei großen Meinungsgruppen werden zahlreiche unterschiedliche Positionen in den unterschiedlichsten Nuancierungen vertreten.63 Fast alle sind sich aber darin einig, dass die Strafbarkeit der Teilnahme maßgeblich vom Unrecht der Haupttat mitbestimmt wird. Dieser Bezug zum Unrecht der Haupttat ist in der GesamtgeschäftRechtsprechung kaum erkennbar. In den meisten Entscheidungen werden allein die Aktivitäten des Gehilfen rund um seine Beihilfehandlung thematisiert, ohne auf die Haupttat einzugehen. Ausführlich erörtert wird das Nichtvorliegen von Täterschaft, die Annahme von Beihilfe erfolgt meist ohne jegliche Begründung.64 Es ist deshalb zu vermuten, dass der Rechtsprechung in der Regel die Unterschiedlichkeit der Unrechtsstruktur gar nicht präsent ist. Diese ist aber Grundlage für die konkreten Voraussetzungen der Beihilfe. Die Annahme von Beihilfe versteht sich nicht von selbst, sondern bedarf eine auf die gesetzlichen Anforderungen der Beihilfe bezogene Begründung. Dies gilt hinsichtlich der Feststellung der Haupttat, der Förderungswirkung der Beihilfehandlung und des Gehilfenvorsatzes. Einen unhinterfragten Übergang von abgelehnter Täterschaft zur Beihilfe könnte bestenfalls eine von einer Verselbstständigung des Teilnahmeunrechts ausgehende Konzeption rechtfertigen, welche vereinzelt vertreten wird.65 Nicht die Förderung der fremden Tat ist danach für die Strafbarkeit der Teilnahme entscheidend, sondern die Schaffung des eigenen tatbestandlichen Unrechts. Ein derartiges Verständnis der Teilnahme hat aber die Rechtsprechung ihren Entscheidungen nicht zugrunde gelegt.66 Außerdem widerspricht diese Auffassung dem Gesetz, welches bei Anstiftung und Beihilfe eindeutig das Erfordernis einer zumindest versuchten Haupttat statuiert und sich auch im Strafrahmen an der Haupttat orientiert.67

Joecks, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 26, 27 Rn. 16 f. m. w. N. belässt es der BGH in seiner die neue Kurierrechtsprechung einführenden Entscheidung bei folgender Formulierung: „Die Kuriertätigkeit des Angeklagten ist, soweit ihm Handeltreiben vorgeworfen worden ist, nur als Beihilfe zu werten“; vgl. BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (220); ebenso BGH, Beschl. v. 30.03.2007 – 2 StR 81 / 07, NStZ-RR 2007, 246 (247). 65  Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 119 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 14. Kap. Rn. 57. 66  Vielmehr hat die Rechtsprechung erkennen lassen, dass sie der herrschenden Meinung zuneigt; vgl. BGH, Urt. v. 01.10.1953 – 4 StR 224 / 53, BGHSt 4, 355 (358). 67  Schünemann, in: LK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 26, 27 Rn. 4. 63  Vgl. 64  So



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik107

2. Feststellung einer Haupttat Diese Überlegungen bilden die Basis für die konkreten Voraussetzungen der Beihilfe. Das von der Rechtsprechung angestrebte Ergebnis der Abschichtung spezifischer Fälle in den Bereich der Beihilfe ist nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nur in einer zweischrittigen Vorgehensweise möglich: Zuerst muss der entsprechende Fall trotz eigenhändiger Verwirklichung des Tatbestands aus diesem ausgeschieden werden, bevor dann in einem separat durchzuführenden Schritt ermittelt wird, ob das Verhalten des Beteiligten zu einer Beihilfestrafbarkeit führen kann. Nachdem oben bereits die Problematik der Herausnahme täterschaftlicher Verwirklichung trotz Eigenhändigkeit geschildet wurde, ist an dieser Stelle vor allem der zweite Punkt von Interesse. Beihilfe kann nur angenommen werden, wenn tatsächlich eine anknüpfungsfähige Haupttat existiert. Das Zustandekommen dieser Tat ist der Taterfolg der Beihilfe.68 Erforderlich ist deshalb zumindest die Nennung der Tat, an die für die Beihilfestrafbarkeit angeknüpft werden soll. Schon dieser geringen Anforderung kommt die Rechtsprechung häufig nicht nach.69 In der oben ausführlich geschilderten Entscheidung, in welcher die Rechtsprechung ihre Gesamtgeschäft-Rechtsprechung einführt, taucht in den rechtlichen Ausführungen die Haupttat kein einziges Mal auf. Lediglich im Sachverhalt wird vage von einem E. gesprochen, welcher dem Angeklagten 5.000 Euro Kurierlohn für je 1 kg Kokain in Aussicht gestellt habe, wenn dieser das Rauschgift von Ghana nach Irland transportiere.70 Weiterhin wird erwähnt, dass E. dem Angeklagten ein Flugticket besorgt und ihn zum Flughafen gebracht habe.71 Wenn E. in diesem Fall der Haupttäter sein soll, bleibt die Frage unbeantwortet, welche Handlung des E. die Haupttat darstellen soll: das in Aussicht stellen der Belohnung, das Besorgen des Flugtickets, das Verbringen an den Flughafen oder die (möglicherweise) von ihm durchgeführte Übergabe des Kokains an den Angeklagten? Die Anknüpfung an eine dieser Handlungen hätte zur Folge, dass bestenfalls sukzessive Beihilfe in Betracht käme, da die Beihilfehandlung des Transports nach Vollendung der Haupttat erfolgte. Anders wäre das nur wenn man eine psychische Beihilfe mit Verweis auf Bestärkung des E. in seinem Tatentschluss konstruieren würde. Möglich ist auch, dass der Senat hier als Haupttat den 68  Joecks,

in: MK-StGB, § 27 Rn. 4. soweit ersichtlich, einzige Entscheidung, in welcher der BGH das Fehlen einer hinreichend konkretisierten Haupttat bemängelt hat, ist BGH, Urt. v. 24.03.2011 – 4 StR 602 / 10 (juris). 70  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (220). 71  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (220). 69  Die,

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3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

bevorstehenden Verkauf der Betäubungsmittel in Irland im Blick hatte. Dazu äußert er sich jedoch in keiner Weise. Der Einwand, Feststellungen zur Haupttat seien entbehrlich, da eine solche ohnehin immer vorliege, kann nicht überzeugen. Die Möglichkeit alleinigen Handels ist auch bei Betäubungsmittelgeschäften nicht von vorneherein ausgeschlossen. Mag dies auch selten vorkommen, ist ein alleiniges Vorgehen jederzeit denkbar, sei es möglicherweise auch nur aufgrund der Tatsache, dass aufgrund des Grundsatzes „in dubio pro reo“ anderen Beteiligten eine Beteiligung nicht nachgewiesen werden kann. Eine genauere Befassung mit der Haupttat ist auch deshalb geboten, weil aufgrund der oben geschilderten Rechtsprechung möglicherweise auch bei dieser Tat keine Täterschaft, sondern nur Beihilfe vorliegt. So ist in dem oben geschilderten Fall nicht ausgeschlossen, dass der dort beschriebene E. selbst nur solche untergeordnete Tätigkeiten erbracht hat, die eine Täterschaft nicht rechtfertigen. In diesem Fall ist zwar möglicherweise „Beihilfe zur Beihilfe“ durch den Angeklagten gegeben.72 Dies führt aber wiederum dazu, dass nähere Feststellungen zur hinter der in Bezug genommenen Beihilfe stehenden Haupttat erforderlich sind. Darüber hinaus erfordert nicht nur die Beteiligungsebene die genaue Bestimmung der Haupttat. Eine geeignete Haupttat ist nur eine solche, die in das Versuchsstadium gelangt ist.73 Auch die Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung verlangt deshalb nähere Ausführungen zur Haupttat. Daneben erfordern auch strafprozessuale Grundsätze eine genaue Bezeichnung des Verhaltens des Haupttäters – wie soll sonst beispielsweise die Anklageschrift ihrer Umgrenzungsfunktion gerecht werden?74 Um erkennbar zu machen, welche Taten von der Verurteilung erfasst sind, ist eine konkrete Bezeichnung des Verhaltens des (Haupt-)Täters erforderlich.75 An diesen Erkenntnissen ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rechtsprechung aufgrund der Grundsätze zur Bewertungseinheit zu Recht festgestellt hat, die Akzessorietät der Beihilfe gebiete auch beim Gehilfen nur eine Tat im Rechtsinne anzunehmen, wenn die Handlungen des Haupttäters zu einer Tat i. S. e. Bewertungseinheit zusammengefasst werden.76 Diese Zusammenfassung befreit das erkennende Gericht nicht davon, konkret festzustellen, an welche Handlung des Haupttäters für die Strafbarkeit an72  Zur grundsätzlichen Möglichkeit dieser Konstruktion vgl. BGH, Urt. v. 08.03.2001 – 4 StR 453 / 00, NJW 2001, 2409 (2410). 73  Zaczyk, in: NK-StGB, § 24 Rn. 122. 74  Vgl. dazu etwa Schneider, in: KK-StPO, § 200 Rn. 1. 75  So auch BGH, Beschl. v. 23.01.1990 – 2 StR 603 / 89, BGHR BtMG § 29 Beweiswürdigung 3. 76  BGH, Urt. v. 13.12.2012 – 4 StR 99 / 12, NStZ-RR 2013, 147 (148).



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik109

geknüpft wird, mögen auch verschiedene andere Handlungen des Haupttäters mit der für den Tatbestand maßgeblichen Handlung am Ende zu einer Bewertungseinheit verbunden werden. Diese Fragestellung ist alleine konkurrenzrechtlicher Art und hat für die Tatbestandserfüllung keine Bedeutung. Dies erkennt auch die Rechtsprechung in ihren Ausführungen zur Frage an, ob der Gehilfe wegen der Unterstützung des Abgebenden oder des Annehmenden strafrechtlich zu belangen ist. Sie verlangt in diesem Zusammenhang eine wertende Betrachtung des Schwerpunkts des jeweiligen Rechtsgutsangriffs und möchte dann die minderschwere Beihilfe gegenüber der anderen zurücktreten lassen.77 Da diese Entscheidung ebenfalls auf Konkurrenzebene getroffen wird, setzt sie eine Feststellung der genauen Umstände der Haupttat voraus. Es wäre schließlich auch verfehlt, wie teilweise vorgeschlagen, an das Gesamtgeschäft als Haupttat anzuknüpfen.78 Dagegen spricht schon die Formulierung in § 27 Abs. 1 StGB („vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat“). Was mit „rechtswidriger Tat“ gemeint ist, ergibt sich unmittelbar aus § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, nämlich nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Anknüpfungsfähige Haupttaten können daher nur gesetzlich normierte Tatbestände sein. Beim Gesamtgeschäft handelt es sich nicht um ein Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, sondern um einen außertatbestandlichen Bezugsbegriff auf Beteiligtenebene. Eine Anknüpfung an diesen Begriff lässt sich daher schon mit dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 StGB nicht vereinbaren. 3. Förderung der Haupttat Noch deutlicher sichtbar werden die Probleme der Rechtsprechung, wenn man sich mit der Förderungswirkung der Beihilfehandlung für die Haupttat befasst. Über die Frage, welche Beziehung die Beihilfehandlung zur Haupttat haben muss, besteht in Rechtsprechung und Literatur keine Einigkeit. Während die Literatur mehrheitlich eine ursächliche Verknüpfung zwischen Gehilfenbeitrag und Erfolg der Haupttat fordert,79 verlangt dies die Rechtsprechung nicht, sondern lässt es ausreichen, dass die Handlung des Haupttäters durch den Gehilfenbeitrag irgendwie gefördert worden ist.80 Die Rechtsprechung verzichtet nicht gänzlich auf eine Kausalbeziehung, sondern 77  BGH,

Urt. v. 13.12.2012 – 4 StR 99 / 12, NStZ-RR 2013, 147 (148). BtMG, § 29 Rn. 710. 79  Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 694; Lackner / Kühl, StGB, § 27 Rn. 2; Roxin, Strafrecht AT II, § 26 Rn. 184; Schünemann, in: LK-StGB, § 27 Rn. 2. 80  RG, Urt. v. 12.04.1937 – 3 D 970 / 36, RGSt 71, 176 (178); BGH, Urt. v. 01.08.2000 – 5 StR 624 / 99, BGHSt 46, 107 (109); Urt. v. 16.11.2006 – 3 StR 78  Weber,

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3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

begnügt sich statt mit einer Verknüpfung zwischen Beihilfehandlung und Erfolg mit einer zwischen Beihilfehandlung und Tatbestandshandlung des Haupttäters.81 Im Bereich eines Tätigkeitsdelikts wie dem Handeltreiben, bei welchem die Vornahme der Tathandlung den „Taterfolg“ darstellt, ergeben sich zwischen Rechtsprechung und herrschender Lehre indes keine Unterschiede.82 Andere Anforderungen formuliert nur die Konzeption einiger Vertreter der Literatur, welche eine Risikoerhöhung für das durch die Haupttat angegriffene Rechtsgut ausreichen lassen wollen.83 Die Rechtsprechung muss sich an den von ihr aufgestellten Anforderungen bzgl. der Verbindung zwischen Tathandlung der Haupttat und Hilfeleistung messen lassen. Im Folgenden soll dargestellt werden, dass sie ihrem eigenen Anspruch vielfach nicht gerecht wird. Da ist zunächst einmal eine Vielzahl von Fällen, in denen sich der BGH – wie gezeigt – überhaupt nicht mit der Haupttat und damit auch nicht mit der Förderungswirkung der Gehilfenhandlung beschäftigt. Dabei formuliert er in neueren Entscheidungen selbst, dass es zur Förderungswirkung grundsätzlich „sorgfältiger und genauer Feststellungen“84 bedarf. In begrüßenswerter Weise hat sich der BGH in einigen Entscheidungen der neueren Zeit intensiver mit den Beihilfevoraussetzungen auseinandergesetzt. Da diese Urteile und Beschlüsse nicht nur anschaulich die Schwierigkeiten einer schlüssigen dogmatischen Begründung hinsichtlich der Förderungswirkung verdeutlichen, sondern auch die zuvor genannten Schwierigkeiten unterstreichen, seien sie nachfolgend ausführlicher geschildert. a) Die Entscheidungen zum Thema Beihilfe trotz vorheriger Sicherstellung Von Interesse ist zunächst der Themenkomplex Beihilfe trotz vorheriger Sicherstellung von Betäubungsmitteln. Ob in diesen Fallkonstellationen eine Beihilfe möglich ist, sehen die verschiedenen Strafsenate des BGH unterschiedlich. Während der 1. und 2. Senat diese Frage bejahen,85 hat der 139 / 06, NJW 2007, 384 (388); aus der Literatur Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT, § 31 Rn. 16; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 582. 81  Baunack, Grenzfragen der Beihilfe, S. 43. 82  Vgl. zu diesem Zusammenhang Fad, Abstandnahme des Beteiligten, S. 199 f. 83  Otto, Strafrecht AT, § 22 Rn. 53; Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 158. 84  BGH, Beschl. v. 25.07.2000 – 4 StR 229 / 00, NStZ-RR 2001, 4; Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris), Rn. 17; Beschl. v. 15.12.2011 – 2 StR 505 / 11, StV 2012, 287. 85  BGH, Urt. v. 28.05.2008 – 1 StR 196 / 08, NJW 2008, 2276 (1. Senat); Urt. v. 16.01.2008 – 2 StR 535 / 07, NStZ 2008, 284 und Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik111

5. Senat sie verneint.86 Exemplarisch seien hier zwei ausführlicher begründete Entscheidungen mit den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalten erläutert. Von Interesse ist dabei nicht dahinterstehende strittige Sachfrage, sondern die Handhabung der Beihilfevoraussetzungen im Einzelnen, welche sich anhand der Entscheidungen gut illustrieren lässt. aa) Die Entscheidung des 5. Senats vom 7. Februar 2008 Auslöser der Diskussion war die Entscheidung des 5. Senats, der erstmals die zuvor kaum problematisierte Linie der Rechtsprechung87 zur Beihilfe nach Sicherstellung in Frage stellte. Es ging dabei um den Transport von Erlösen aus Betäubungsmittelgeschäften. Ein verdeckter Ermittler gaukelte einem in Kolumbien lebenden (hier sogenannten) Hintermann A vor, Erlöse durch den Verkauf von im Auftrag des A geliefertem Kokain erzielt zu haben oder zumindest in allernächster Zukunft zu erzielen. Damit diese zu A gebracht werden konnten, beauftragte dieser den Angeklagten (zusammen mit einem Mitangeklagten), den Erlös als Geldkurier zu ihm zu befördern. Zu diesem Zwecke begab sich der Angeklagte zum Flughafen Frankfurt, wo die Geldübergabe stattfinden sollte. Der verdeckte Ermittler erschien zur Übergabe nicht. Der Senat hob die Verurteilung des Landgerichts wegen vollendetem mittäterschaftlichen Handeltreibens auf. Zwar seien auch Zahlungsvorgänge vom Begriff des Handeltreibens erfasst, unter Berufung auf die Gesamtgeschäft-Rechtsprechung stellte der Senat aber fest, dass der Transport des Erlöses alleine nicht als täterschaftliches Handeltreiben gewertet werden könne.88 Die verbleibende Beihilfe sei nicht vollendet, sondern nur versucht und damit straflos.89 Im Folgenden diskutiert der Senat zwei unterschiedliche in Betracht kommende Beihilfehandlungen: einerseits das erfolglose Bemühen des Angeklagten den Transport stattfinden zu lassen, und andererseits eine psychische Beihilfe durch die Zusage, den Transport vorzunehmen. 368 / 09, NStZ 2010, 522 (2. Senat); in diese Richtung weist auch der 4. Senat, der sich zwar nicht ausdrücklich zu dieser Frage geäußert hat, aber ohne Bemängelung des Schuldspruchs die vorherige Sicherstellung als wesentlichen Strafmilderungsgrund diskutiert, vgl. dazu Beschl. v. 07.02.2012 – 4 StR 653 / 11, NStZ-RR 2012, 153. 86  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. 87  BGH, Urt. v. 26.04.1994 – 1 StR 87 / 94, NJW 1994, 2162; Beschl. v. 17.05.1996 – 5 StR 119 / 96, NStZ-RR 1997, 85; Beschl. v. 09.07.1996 – 1 StR 728 / 95, NStZ-RR 1996, 374. 88  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460. 89  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460.

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3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

Ersteres scheiterte daran, dass eine Beihilfehandlung, die die Herbeiführung des Taterfolgs objektiv fördere oder erleichtere, nach der Sicherstellung der Betäubungsmittel nicht mehr möglich sei.90 Ein Verkaufserlös sei nicht erzielt worden und könne auch nicht mehr erzielt werden.91 Insoweit sei das Bemühen zur Förderung der Haupttat ungeeignet.92 Der Senat hält außerdem eine Beendigung der Haupttat für naheliegend, da der Warenund Geldfluss zur Ruhe gekommen sei.93 Letztlich lässt er diese Frage aber offen, da bereits aus den zuvor genannten Gründen eine Beihilfe ausscheide. Auch eine psychische Beihilfe liege nicht vor. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf allgemeine Grundsätze, welche es verböten, aus der Zusage eines im Ergebnis nutzlosen Gehilfenbeitrags eine psychische Beihilfe zu machen.94 Die Förderung ziele im vorliegenden Fall nicht auf die Psyche des Täters, sondern auf eine Förderung der Tat selbst, welche „physisch“ unterstützt werden solle.95 Infolge der Zusage des Angeklagten sei der Haupttäter A in seiner Psyche nicht weiter bestärkt worden.96 Dem Hintermann sei kein besonderes Gefühl der Sicherheit vermittelt worden.97 Es fehle deshalb auch hier an einer objektiven Förderung der Haupttat.98 Abschließend kritisiert der Senat noch explizit die Entscheidung des 1. Senats aus dem Jahr 199499. Diese vermenge in bedenklicher Weise die tatbestandlichen Voraussetzungen des Handeltreibens und der Beihilfe, indem sie der selbstständigen Prüfung der Beihilfe nicht hinreichenden Raum gebe.100 Eine Anfrage nach § 132 GVG sei aufgrund der unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltung trotzdem nicht erforderlich.101

90  BGH,

Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 92  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 93  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 94  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 95  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 96  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 97  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 98  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 99  BGH, Urt. v. 26.04.1994 – 1 StR 87 / 94, NJW 1994, 2162. 100  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461). 101  BGH, Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 2008, 1460 (1461); die kurz zuvor ergangene, entgegenstehende Entscheidung des 2. Senats (Urt. v. 16.01.2008 – 2 StR 535 / 07, NStZ 2008, 284) sieht der 5. Senat offenbar nicht. 91  BGH,



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik113

bb) Die Entscheidung des 2. Senats vom 3. Februar 2010 Dem gegenübergestellt werden soll eine Entscheidung des 2. Senats aus dem Jahr 2010. Zuvor sei noch kurz die weitere Entwicklung bis zu dieser Entscheidung nachgezeichnet: In einem weniger als einen Monat vor der Entscheidung des 5. Senats ergangenen Urteil hatte der 2. Senat noch ohne Problembewusstsein an die vorherige Rechtsprechungslinie angeknüpft und eine Beihilfe trotz bereits erfolgter Sicherstellung bejaht.102 Im Mai des Jahres 2008 stellte sich nun ausdrücklich der 1. Senat gegen die Position des 5. Senats.103 Erst in der hier angesprochenen Entscheidung im Jahr 2010 äußerte sich auch der 2. Senat wieder und hielt an seiner Position fest.104 Eine Anfrage nach § 132 GVG hielten sowohl der 1. als auch der 2. Senat für entbehrlich, da die Entscheidung des 5. Senats lediglich den Sonderfall der Unterstützung einer nach der Sicherstellung der Betäubungsmittel von den Ermittlungsbehörden zum Schein angeschobenen Geldübergabe betreffe.105 Während der 1. Senat nur relativ knapp auf den Charakter des Handeltreibens als Tätigkeitsdelikt verweist, welches keinen Erfolg voraussetze, lohnt sich eine ausführlichere Befassung mit der erwähnten Entscheidung des 2. Senats aus dem Jahr 2010. Im zugrundeliegenden Sachverhalt geht es um die Bestellung von Betäubungsmitteln des (hier so genannten) Hintermanns B. Diese sollte der (hier so genannte) Kurier C im Auftrag des B bei dem (hier so genannten) Drogenlieferanten D in den Niederlanden abholen. Beim Grenzübertritt nach Deutschland wurde C gefasst und die Betäubungsmittel sichergestellt. B bat, nachdem C nicht pünktlich eintraf, den Angeklagten A, Kontakt zu D aufzunehmen. In einem Telefongespräch teilte A dem D mit, dass C nicht angekommen und sein Telefon ausgeschaltet sei. Der 2. Senat hat hier die Ablehnung der Beihilfe seitens des Landgerichts als rechtsfehlerhaft beanstandet. Eine Beendigung des Handeltreibens liege nicht vor, da A und B die Sicherstellung nicht bekannt gewesen und aus ihrer Sicht deshalb die Vornahme einer auf Betäubungsmittelumsatz gerichteten Tätigkeit weiter möglich sei.106 Für den Gehilfen gelte insoweit nichts anderes als für den Haupttäter. Eine auf den Erfolg abzielende Unterstützungshandlung reiche beim Tatbestand des Handeltreibens aus.107 Welche 102  BGH,

Urt. v. 16.01.2008 – 2 StR 535 / 07, NStZ 2008, 284. Urt. v. 28.05.2008 – 1 StR 196 / 08, NJW 2008, 2276. 104  BGH, Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522. 105  BGH, Urt. v. 28.05.2008 – 1 StR 196 / 08, NJW 2008, 2276; Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522. 106  BGH, Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522. 107  BGH, Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522. 103  BGH,

114

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

Handlung des Angeklagten solchen Unterstützungscharakter habe, gehe zwar aus den getroffenen Feststellungen nicht hervor, es liege aber nahe, diese in dem mit D geführten Telefongespräch zu sehen, jedenfalls wenn der Angeklagte versucht habe, den Aufenthaltsort des Kuriers in Erfahrung zu bringen.108 Auch in der Zusage des Angeklagten gegenüber B, die Kontaktaufnahme durchzuführen, könne man eine strafbare Beihilfehandlung erblicken.109 cc) Schlussfolgerungen Aus den beschriebenen Entscheidungen lassen sich vier verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse gewinnen. Erstens gelingt es dem BGH selbst in Entscheidungen nicht, präzise Feststellungen zur Haupttat zu treffen, in denen er sich ausführlich mit den besonderen Voraussetzungen der Beihilfe befasst. Selbst die begrüßenswertes Problembewusstsein zeigende Entscheidung des 5. Senats lässt im Ungefähren, was die zu fördernde Haupttat sein soll. Ganz offenkundig möchte er an die Tätigkeit des Hintermanns im Zuge der Transportorganisation anknüpfen. Welche Handlung aber genau für die Förderungswirkung als Maßstab dienen soll, bleibt ungeklärt. Dies gilt in noch stärkerem Maße für das Urteil des 2. Senats. Der ursprüngliche Auftrag an den Kurier kann weder durch den Telefonanruf, noch durch die Zusage, die Kontaktaufnahme durchzuführen, gefördert werden. Insofern bleibt nur der Auftrag zur Kontaktaufnahme als Haupttat übrig. Bei dieser wäre aber zunächst noch zu prüfen, ob dieser Auftrag überhaupt als täterschaftliches Handeln oder doch nicht nur als Beihilfe zu werten ist. Zweitens wird durch beide Entscheidungen aufgezeigt, dass in vielen Fällen eine Beihilfestrafbarkeit nicht über eine physische, sondern nur über eine psychische Beihilfe begründbar ist. Die Vornahme des Telefonanrufs kann entgegen der Meinung des 2. Senats die Haupttat nicht fördern, da die Vollendung der Haupttat schon mit der Anweisung des Telefonanrufs stattgefunden hätte. Der 5. Senat stellt in seiner Urteilsbegründung selbst fest, dass bestenfalls die Zusage zur Übernahme des Transports und nicht der Transport selbst als Beihilfehandlung dienen kann. Es geht in beiden Fällen um Konstellationen, die gewöhnlich unter dem Stichwort „sukzessive Beihilfe“ diskutiert werden.110 Da die Haupttat des Täters schon vollendet ist, kann eine Beihilfestrafbarkeit nur über diese in der Literatur weitgehend 108  BGH,

Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522 (523). Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522 (523). 110  Vgl. dazu Fischer, StGB, § 25 Rn. 21 und § 27 Rn. 6 und Joecks, in: MKStGB, § 25 Rn. 201 ff. m. w. N.; in der Literatur wird vielfach nicht schematisch auf die Zeitpunkte von Vollendung und Beendigung abgestellt, sondern anhand des 109  BGH,



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik115

abgelehnte Rechtsfigur konstruiert werden. Auch nach der Rechtsprechung darf aber bei der sukzessiven Beihilfe noch keine Beendigung vorliegen.111 Eine solche dürfte aber, wie der 5. Senat zu Recht anklingen lässt, bei der Sicherstellung von Betäubungsmitteln gegeben sein, sind doch Waren- und Geldfluss zur Ruhe gekommen. Diese Problematik stellt sich immer dann, wenn man an eine der Gehilfenhandlung vorgelagerte Haupttat anknüpft, da man dann mit dem physischen Vollzug des Tatbeitrags nicht mehr fördernd auf die bereits vollendete Haupttat einwirken kann.112 Leichter wäre die Anknüpfung an eine später erfolgte Haupttat. Dies hat der BGH bisher allerdings nicht getan. Sie dürfte regelmäßig nur schwer zu ermitteln sein bzw. zu unkonkret bleiben.113 Die Rechtsfigur der psychischen Beihilfe bietet dem BGH folglich bei Heranziehung einer vorgelagerten Haupttat die einzige Ausweichmöglichkeit. Drittens ist die Konstruktion über die psychische Beihilfe wenig überzeugend.114 Gewiss ist es zutreffend, dass in jeder Übernahme einer Gehilfenhandlung die Billigung der Haupttat steckt. Diese zielt allerdings nicht auf die Psyche des Täters, sondern auf eine physische Unterstützung, wie der 5. Senat zu Recht anmerkt. Nicht ohne Grund hat die Rechtsprechung besondere Anforderungen für das Vorliegen von psychischer Beihilfe formuliert, auf welche der 5. Senat in seiner Entscheidung verweist. Die Beihilfehandlung muss die Haupttat objektiv gefördert oder erleichtert haben und der Gehilfe muss sich dessen bewusst gewesen sein.115 Die bloße Anwesenheit kann nicht ohne weiteres zur Annahme einer psychischen Beihilfe führen.116 Mehr als die bloße Anwesenheit liegt aber in der Entscheidung des 2. Senats nicht vor. Zwar erbringt die in Rede stehende Person mit ihrer Zusage der Kontaktaufnahme einen über die bloße Anwesenheit hinausgehenden Akt. Diese Zusage kann die Haupttat aber nicht mehr objektiv fördern, da diese bereits mit der Erteilung des Auftrags vollendet ist.117 Bereits die Bitte, den Telefonanruf zu tätigen, ist eine Handlung, die eigennützig Charakters der einzelnen Delikte differenziert, vgl. Kindhäuser, Strafrecht AT, § 40 Rn. 11; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 126 ff. 111  BGH, Urt. v. 24.04.1952 – 3 StR 48 / 52, BGHSt 2, 344 (346); Urt. v. 24.06.1998 – 3 StR 128 / 98, NStZ-RR 1999, 208. 112  Vgl. zu dieser Problematik bereits Krack, JuS 1995, 585 (586). 113  Eine Ablehnung der Beihilfestrafbarkeit mit letzterem Argument ausdrücklich in BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392 (393). 114  So auch Krumdiek, HRRS 2008, 288 (290) und StV 2009, 385 (387). 115  BGH, Beschl. v. 20.12.1995 – 5 StR 412 / 95, NStZ 1996, 563 (564). 116  BGH, Beschl. v. 11.05.1999 – 4 StR 162 / 99, NStZ 1999, 451; Beschl. v. 15.12.2011 – 2 StR 505 / 11, StV 2012, 287. 117  Dagegen am Gehilfenvorsatz zweifelnd Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 565.

116

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtet ist, auf die der potentielle Gehilfe ohne Einfluss ist. Das bloße In-Empfang-Nehmen des Auftrags kann keine objektive Förderung der Haupttat darstellen. Viertens zeigt sich in der Rechtsprechung des 1. und 2. Senats eine gefährliche Vermischung der Voraussetzungen des Handeltreibens und der Beihilfe. Für den Gehilfen soll wie für den Haupttäter ein auf den Erfolg abzielendes Verhalten ausreichen.118 Dies steht im Widerspruch zu den allgemeinen Voraussetzungen der Beihilfe, nach denen, auch nach Meinung der Rechtsprechung, die Haupttat gefördert worden sein muss. Allein ein auf die Förderung abzielendes Verhalten kann deshalb nicht ausreichen, es muss sich in irgendeiner Form in der Haupttat, sei diese auch nur ein Tätigkeitsdelikt, niedergeschlagen haben. Der Begriff des Handeltreibens kann daran nichts ändern, er ist nur insofern für die Hilfeleistung relevant, als dass für die Haupttat kein Erfolg eingetreten sein muss. b) Die Entscheidung vom 5.  Mai 2011 Sich näher zu den Voraussetzungen der Beihilfe und der Haupttat geäußert hat sich der BGH auch in einer Entscheidung vom 5. Mai 2011119, diesmal seitens des 3. Senats. aa) Der Inhalt der Entscheidung Zugrunde liegt ein Sachverhalt, in dem zwei Hintermänner eine große Menge Kokain in Griechenland lagerten, welche sie vom (hier sogenannten) I nach Deutschland verbringen lassen wollten. Nach seiner Zusage gewann I hierfür (die hier sogenannten) Angeklagten A, P und S. Zur Gewährleistung eines erfolgreichen Transports sollte zunächst ein Testlauf mit Lebensmitteln durchgeführt werden, um die Häufigkeit und Intensität der Kontrollen zu ermitteln. A mietete ein Fahrzeug an, während sich P um die Buchung der Fährverbindungen kümmerte. S nahm, ohne an der Planung beteiligt zu sein, auf eine kurzfristig geäußerte Bitte des I hin, die Lebensmittel am Zielort in Empfang. Er hatte in der Kenntnis zugesagt, dass es sich um mindestens 100 kg Kokain handelte. Zu einem tatsächlichen Kokaintransport kam es im Weiteren nicht mehr. Das Landgericht hatte A u. a. wegen Handeltreibens in nicht geringer Menge und P und S wegen Beihilfe hierzu schuldig gesprochen. Der Senat hob die Entscheidung des Landgerichts bzgl. A und S auf, gegenüber P wurde sie 118  BGH, 119  BGH,

Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522. Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris).



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik117

aufrechterhalten. Nach seiner Meinung kommt für A und P lediglich eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht. Schrittweise erläutert der BGH, wie man zu dieser kommt. Die Haupttat sei die der Hintermänner, welche durch ihre Bemühungen, den bestehenden Vorrat nach Deutschland bringen zu lassen, Handel getrieben hätten.120 Dies verstehe sich nach den Umständen von selbst und bedürfe keiner besonderen Darlegung.121 I habe durch seine Zusage, den Transport der Drogen zu übernehmen, Beihilfe geleistet.122 Zwar äußerte sich das Urteil des Landgerichts nicht ausdrücklich dazu, ob er die Haupttat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert und erleichtert habe. Dabei bedürfe dies eigentlich sorgfältiger und genauer Feststellungen.123 Die Förderung liege aber im vorliegenden Fall „auf der Hand“, denn die Zusage des I verschaffe dem Haupttäter die Sicherheit, seinen Tatplan wie vorgesehen umzusetzen und erspare ihm weitergehende Maßnahmen.124 A und P hätten ihrerseits zur Beihilfe des I Hilfe geleistet (sogenannte „Beihilfe zur Beihilfe“).125 Mit Berufung auf die Gesamtgeschäft-Rechtsprechung lehnt der BGH im Gegensatz zur Ausgangsinstanz Täterschaft bei A ab, da sich seine Bemühungen, genau wie bei P, auf den Teilakt des Transports beschränkt hätten.126 Dagegen sei für S nicht einmal Beihilfe anzunehmen. In diesem Zusammenhang sei nicht festgestellt, inwieweit S den Entschluss des I und der anderen Angeklagten zur Durchführung der Fahrt noch beeinflussen konnte.127 Eine objektive Förderung der Testfahrt sei nicht zu erkennen. bb) Schlussfolgerungen Positiv an der vorliegenden Entscheidung ist das Bemühen des BGH, die Beihilfe dogmatisch korrekt aus der zugrundeliegenden Haupttat abzuleiten. Er nennt eine Haupttat, an die er anknüpfen möchte, beschreibt die unmittelbare Beihilfe des I und die mittelbare Beihilfe von A und P. In dieser Entscheidung wird erneut deutlich, dass eine Gehilfenstellung nur über die psychische Beihilfe konstruiert werden kann. Eine Förderung durch die Vornahme des Transports oder die Organisation des Transports zieht der BGH nicht einmal in Betracht. 120  BGH, 121  BGH, 122  BGH, 123  BGH, 124  BGH, 125  BGH, 126  BGH, 127  BGH,

Urt. Urt. Urt. Urt. Urt. Urt. Urt. Urt.

v. v. v. v. v. v. v. v.

05.05.2011 05.05.2011 05.05.2011 05.05.2011 05.05.2011 05.05.2011 05.05.2011 05.05.2011

– – – – – – – –

3 3 3 3 3 3 3 3

StR StR StR StR StR StR StR StR

445 / 10 445 / 10 445 / 10 445 / 10 445 / 10 445 / 10 445 / 10 445 / 10

(juris), (juris), (juris), (juris), (juris), (juris), (juris), (juris),

Rn. 14 f. Rn. 15. Rn. 16. Rn. 18. Rn. 18. Rn. 19 f. Rn. 21 ff. Rn. 27.

118

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

Problematisch ist aber auch hier, dass die Haupttat im Ungefähren bleibt. Haupttat sollen die Bemühungen sein, den bestehenden Vorrat nach Deutschland bringen zu lassen. Diese Formulierung legt nahe, dass sich dahinter keine isoliert greifbare Tathandlung, sondern eine Vielzahl von Aktivitäten verbirgt. Der Begriff des Handeltreibens setzt aber eine Tätigkeit voraus, die auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtet ist. Letztendlich stellt schon die Bitte an I, die Betäubungsmittel nach Deutschland zu transportieren, vollendetes Handeltreiben dar. Diese Handlung kann aber durch die Zusage des I nicht mehr gefördert werden, sie ist bereits abgeschlossen. Haupttat kann also nur eine nachfolgende Tätigkeit der Hintermänner sein, wozu der Sachverhalt aber schweigt. Im Gegensatz zur Meinung des Senats versteht sich die Haupttat nicht von selbst, sondern hätte ausführlicher Erörterung bedurft. Verschärft wird das Problem noch durch die Annahme der Kettenbeihilfe bei A und P. Dort bleiben zahlreiche Fragen offen. Knüpft der Senat an die Förderung der Aktivitäten des I oder die der Hintermänner an? Soweit man ersteres zugrunde legt, wie sollen A und P eine bereits abgegebene Zusage (an welche bei I angeknüpft wurde) noch fördern können? Geht man dagegen von einer Anknüpfung an die Hintermänner aus, bleibt offen, wie die Zusagen von A und P für die Hintermänner noch eine über die Zusage des I hinausgehende Hilfe sein sollen, gehen die Hintermänner doch schon mit der Erteilung des Auftrags an I von einer erfolgreichen Delegation des Transportvorgangs aus. 4. Zusammenfassung Der BGH lässt den Rechtsanwender bei den angeführten Entscheidungen mit vielen Fragen und wenigen Antworten zurück. Soweit er sich überhaupt darum bemüht, gelingt es ihm nicht, eine dogmatisch überzeugende Begründung für eine Beihilfestrafbarkeit zu finden. Der Rückzug auf die Figur der psychischen Beihilfe ist ein Kunstgriff, der einer näheren Analyse nicht standhält.128 Ursache des Problems ist die Durchbrechung des Prinzips der Täterschaft bei eigenhändiger Tatbegehung. Durch die Erfüllung des Tatbestands begeht die als Gehilfe eingeordnete Person eigentlich selbst eine Haupttat. An diese (fiktive) Haupttat kann nun aber schon aufgrund der Gesetzesformulierung in § 27 StGB („einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“) nicht angeknüpft werden. Übrig bleibt nur die Anknüpfung an die Haupttat eines anderen. Die Erfassung des 128  Ebenfalls

kritisch Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 562 ff.



G. Inkonsistenzen im Vergleich zur allgemeinen Dogmatik119

eigentlichen Unrechts ist dadurch nicht möglich. Bei stringenter Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Haupttat wären die Beteiligten häufig straflos, was dem BGH aber angesichts der Tatsache unbillig erscheint, dass diese Personen eine eigennützige, auf Betäubungsmittelumsatz gerichtete Tätigkeit erbracht haben. Im Gegensatz zum Handeltreiben in täterschaftlicher Begehungsform ist die Beihilfe nicht tätigkeits- sondern erfolgsorientiert – erfolgsorientiert in dem Sinne, dass die Tathandlung der Haupttat gefördert worden sein muss.129 Erkennt man diese Unterschiede, ist es nur folgerichtig, dass es zahlreiche Fälle gibt, bei denen zwar im Bereich der Täterschaft aufgrund der tätigkeitsgebundenen Definition eine Strafbarkeit existiert, eine solche aber im Bereich der Beihilfe ausscheidet. Der Charakter des Handeltreibens als Tätigkeitsdelikt setzt sich bei der Beihilfe nicht fort.130 Es ist ein Wertungswiderspruch, wenn eine Person, die als Täter ohne weiteres wegen vollendeten Handeltreibens verurteilt werden könnte, nur weil sie aus Restriktionsgesichtspunkten als Gehilfe herabgestuft wird, nun gänzlich straflos bleiben soll. Diese absurde Konsequenz führt umso mehr vor Augen, dass die Abschichtung von Fällen im Bereich von Täterschaft und Teilnahme, ohne Modifikation des Handeltreibens selbst, ein Irrweg ist, dessen ungewünschte Anbindung an eine andere Tat nur durch Kunstgriffe ausgeglichen werden kann.

III. Orientierung an einem tatbestandsfremden Kriterium Mit dem Abstellen auf das Gesamtgeschäft hat sich die Rechtsprechung bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme vom konkreten Tatbestand des Handeltreibens gelöst. Dieser enthält nur die Merkmale Tätigkeit, Umsatz, Betäubungsmittel, Unerlaubtheit und Eigennützigkeit.131 Das Gesamtgeschäft spielt für die Subsumtion, ob ein Verhalten Handeltreiben darstellt, keinerlei Rolle. Mit dem anvisierten Umsatzgeschäft ist nicht das Gesamtgeschehen gemeint, sondern die einverständliche Übertragung von Betäubungsmitteln auf eine andere Person. Beim Gesamtgeschäft geht es dagegen um den übergeordneten Gesamtzusammenhang aller Vorgänge zwischen Produktion und Konsum. 129  Siehe dazu die obigen Ausführungen unter 3. Teil G. II. 3; in diese Richtung auch Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 563. 130  In diese Richtung auch Hügel / Junge / Lander / Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, § 29 Rn. 4.1.3; dabei wird hervorgehoben, dass der weite Begriff des Handeltreibens bei der Beihilfe nicht gelte, da der Begriff der Beihilfe an eigenständige Voraussetzungen anknüpfe. 131  Siehe 1. Teil B. III. 1.

120

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

Ein solcher Griff zu einem tatbestandsfremden Kriterium ist in dieser Form von anderen Delikten nicht bekannt. Man würde beispielsweise nicht auf die Idee kommen, für die Frage, ob eine die Wegnahme vornehmende Person Täter ist, darauf abzustellen, welche Rolle sie für die mit dem Diebstahl (möglicherweise) verbundenen Geschäfte spielt. Nimmt ein Beteiligter die Wegnahme in eigener Person vor, ist es ohne Belang, ob er auch mit dem Weiterverkauf des Diebesgutes befasst ist oder ob er selbst die Gelegenheit des Diebstahls aufgetan hat. Das dahinterstehende Gesamtgeschehen hat beim Diebstahl jedenfalls keine tatbestandseingrenzende Funktion. Das Gesatgeschehen kann bestenfalls für eine Erweiterung des Täterkreises auf nicht am konkreten Wegnahmeakt beteiligte Personen relevant werden. Auch dabei wird aber eine bedeutende Rolle für das Gesamtgeschäft keine Täterschaft auslösen, wenn nicht der Beteiligte auch mit dem einzelnen Diebstahl befasst ist und Tatbeiträge erbringt, die für die konkrete Tathandlung der Wegnahme Bedeutung haben. Voraussetzung für eine Täterschaft ist stets die Befassung mit der Tat in ihrer konkreten, durch den Tatbestand näher bestimmten Form. Das Gesamtgeschehen kann deshalb nur insoweit Relevanz haben, als es Aufschluss über die Bedeutung der Tatbeiträge für die konkrete Tat geben kann. Das Gesamtgeschäft beim Betäubungsmittelhandel wird aber in umgekehrter Richtung relevant. Es steht dabei im Mittelpunkt, welche Bedeutung der vorgenommene Einzelakt, also die konkrete Tat selbst, für das Gesamtgeschehen hat. Beim Diebstahl würde man fragen, ob der Transport des die Wegnahme durchführenden Täters zum Tatort den Diebstahlsvorgang maßgeblich mitbestimmt, während man beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln fragen müsste, ob der Transport von Betäubungsmitteln als konkrete Tat für das Gesamtgeschäft entscheidende Bedeutung hat. Das Gesamtgeschäft ist der Sache nach kein Kriterium zur Ermittlung von Täterschaft und Teilnahme. Die Funktion der Rechtsinstitute von Täterschaft und Teilnahme ist es nämlich, eine strafrechtliche Bewertung von Sachverhalten zu ermöglichen, in denen sich die Tatbestände des besonderen Teils, welche sich grundsätzlich an eine Einzelperson richten („Wer …“),132 nicht unmittelbar anwenden lassen, da mehrere Personen an der Tat beteiligt sind. Fragen von Täterschaft und Teilnahme sind deshalb stets tatbestandsbezogen.133 Sie sind ein Hilfsmittel zum Umgang mit dem jeweiligen Tatbestand bei mehreren Beteiligten, bieten aber keine Möglichkeit, tatbestandsfremde Gesichtspunkte heranzuziehen. Die Einschränkung 132  Heine,

in: S / S-StGB, Vorbermerkungen zu den §§ 25 ff. Rn. 1. Strafrecht AT, Rn. 791; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 5; den Zusammenhang zwischen Tatbestandauslegung und Täterschaft und Teilnahme für den Diebstahl im Einzelnen darlegend Hauck, Drittzueignung und Beteiligung, S. 32, 76 und 81. 133  Krey / Esser,



H. Fehlende Rechtssicherheit121

eines Delikts im Wege der Heranziehung tatbestandsfremder Aspekte widerspricht der Funktion von Täterschaft und Teilnahme.

H. Fehlende Rechtssicherheit Der von der Rechtsprechung eingeschlagene Weg führt nicht nur zu den beschriebenen dogmatischen Verwerfungen, sondern ist auch problematisch bezüglich der Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit richterlicher Entscheidungen.

I. Beliebigkeit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme Indem der BGH das Handeltreiben auf der Beteiligungsebene einzugrenzen versucht, bedient er sich eines Instruments, das eine Freiheit in der Subsumtion beinhaltet wie kaum ein anderer Bereich des materiellen Strafrechts. Wer eine „wertende Betrachtung aller Umstände“ vornimmt, hat großen Spielraum in der Frage, wie stark er die jeweiligen Umstände gewichten möchte. Grundlage dafür ist der subjektive Ausgangspunkt der Rechtsprechung, in dem sie fragt, ob der Beteiligte mit Täterwillen („animus auctoris“) oder Teilnehmerwillen („animus socii“) handelt. Zur Ermittlung dessen orientiert sie sich an Indizien, welche zwar Hinweise für Täterschaft oder Teilnahme geben, aber selbst wenn diese eindeutig in die ein oder andere Richtung deuten, nicht zwangsläufig berücksichtigt werden müssen. Eine Hierarchie zwischen dem Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung sowie der Tatherrschaft bzw. dem Willen zur Tatherrschaft ist nicht vorgegeben.134 Es handelt sich um ein „bewegliches System“135, in welchem die Indizien nicht nebeneinander vorliegen müssen, sondern einander auch ersetzen können. Über dieses System ist eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten problemlos begründbar. Mit der Anerkennung eines nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Tatgerichts hat der BGH dies selbst anerkannt. Auf diese aus dem Verwaltungsrecht bei Prognose- und Wertungsentscheidungen bekannte Figur hat sich in den letzten Jahrzehnten vermehrt auch die revisionsgerichtliche Rechtsprechung in Strafsachen bezogen – neben der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe, etwa bei der Abgrenzung 134  Roxin,

Täterschaft und Tatherrschaft, S. 645. bezeichnet von Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 128 im Anschluss an Wilburgs Lösungsvorschlag zur zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung, vgl. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 529. 135  So

122

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

von Tun und Unterlassen, dem unmittelbaren Ansetzen im Rahmen der Versuchsstrafbarkeit und der Bestimmung, ob ein Beweggrund als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB anzusehen ist.136 Soweit der Tatrichter die entscheidenden Maßstäbe richtig erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, möchte der BGH dessen rechtliche Würdigung nicht überprüfen. Die Rolle der Tatsacheninstanz wird dadurch gestärkt, während die Bedeutung der Revisionsinstanz in ihrer Rolle als Hüterin einer einheit­ lichen Rechtsanwendung zurückgedrängt wird. Dies gerät in Konflikt mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung. Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts ist die Aufgabe der Judikative, welche im Rahmen des bestehenden Instanzenzugs abschließend auch über unbestimmte Rechtsbegriffe zu entscheiden hat.137 Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der Verweis auf den bestehenden Instanzenzug, denn im Gegensatz zum Verwaltungsrecht ist für die Frage des Beurteilungsspielraums nicht bedeutsam, ob letztendlich die Exekutive oder die Judikative abschließend über einen unbestimmten Rechtsbegriff entscheidet – vielmehr geht es um das „fachgerichtliche Binnenverhältnis“ zwischen Tat- und Revisionsgericht.138 Die Letztentscheidung der jeweiligen Rechtsfrage muss dem nach der Prozessordnung für die Problematik als oberste Instanz zuständigen Gericht vorbehalten sein, ansonsten wird die verfassungsrechtliche Garantie des effektiven Rechtsschutzes unterlaufen. Genau dies geschieht, wenn das Revisionsgericht trotz ausdrücklich in der StPO vorgesehener Rechtsschutzmöglichkeiten auf eine eigene rechtliche Bewertung verzichtet.139 Das Letztentscheidungsrecht über Rechtsfragen liegt nach dem Konzept der StPO nicht beim Tatrichter, sondern beim Revisionsrichter.140 Auch einfachgesetzliche Regelungen fordern im Übrigen die volle Überprüfbarkeit von unbestimmten Rechtsbegriffen. Gegen einen Beurteilungsspielraum spricht die Vorschrift des § 337 Abs. 2 StPO, bringt doch der Wortlaut zum Ausdruck, dass die richtige Anwendung von Rechtsnormen vollständig justiziabel ist.141 136  Übersichten über die einzelnen Anwendungsfälle bei Geisler, in: Geppert-FS, S.  113 (115 ff.); Maatz / Wahl, in: BGH-FS, S. 531 (552); Mosbacher, in Seebode-FS, S.  227 (229 ff.); Tolksdorf, in: Meyer-Goßner-FS, S. 523 (526 f.); vgl. für das Strafverfahren Störmer, ZStW 108 (1996), 494 (494 ff.). 137  BVerfG, Beschl. v. 29.10.1975 – 2 BvR 630 / 73, BVerfGE 40, 272 (274 f.); Beschl. v. 15.04.1980 – 2 BvR 970 / 79, BVerfGE 54, 94 (96 f.); Beschl. v. 15.01.2009 – 2 BvR 2044 / 07, BVerfGE 122, 248 (271); vgl. auch Schneider, in: Widmaier-FS, 759 (768) und MK-StGB, § 211 Rn. 768. 138  Geisler, in: Geppert-FS, S. 113 (121). 139  Geisler, in: Geppert-FS, S. 113 (118). 140  Geisler, in: Geppert-FS, S. 113 (126). 141  Geisler, in: Geppert-FS, S. 113 (126); Tolksdorf, in: Meyer-Goßner-FS, S. 523 (530).



H. Fehlende Rechtssicherheit123

Anders als vielleicht auf den ersten Blick zu vermuten, kann die Figur des Beurteilungsspielraums aber den Freiraum des Revisionsgerichts nicht nur begrenzen, sondern auch erweitern. Johannsen hat jüngst in einer ausführlichen Untersuchung nachgewiesen, dass sich der BGH durch seine Rechtsprechung zum Beurteilungsspielraum vereinfachte Möglichkeiten eröffnet, Urteile aufzuheben und zu bestätigen. Eine Widerlegung der tatrichterlichen Begründung anhand von Präjudizien ist nicht vonnöten. Ausreichend ist der Hinweis, der Tatrichter habe nicht alle Umstände auseichend gewürdigt, die Reichweite eines Kriteriums verkannt oder einem Kriterium zu viel Gewicht beigemessen.142 Dadurch hat sich der BGH vom Erfordernis befreit, eine über den Einzelfall hinausgehende, wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werdende Begründung zu geben.143 Johannsen hat dabei in der Betrachtung einer Vielzahl von Einzelentscheidungen sogar nachgewiesen, dass die unterschiedlichen Strafsenate die ihnen gegebenen Freiräume nutzen, um die von ihnen entschiedenen Fälle einer ihrer jeweiligen Grundlinie entsprechenden Lösung zuzuführen.144 Mangels Begründungserfordernis ist dies selbst bei Abweichungen möglich, ohne den Großen Senat anzurufen. Für den Angeklagten bedeutet dies eine erhebliche Rechtsunsicherheit, kann er doch trotz entgegenstehender vergleichbarer Urteile als Täter oder Gehilfe verurteilt werden.145 Insgesamt handelt es sich bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme aus Sicht der Rechtsprechung um ein besonders flexibles Instrument. Vor allem die Tatgerichte haben in ihrer Beurteilung großen individuellen Freiraum, aber auch die Revisionsinstanz kann ohne großen Begründungsaufwand eingreifen. Für den Angeklagten, aber auch für die anderen Prozessbeteiligten, ist das Ergebnis der Abgrenzung kaum vorhersehbar.

II. Besonders verschärfte Problematik beim Handeltreiben Mag man diese Probleme bei der gewöhnlichen Anwendung von Täterschaft und Teilnahme möglicherweise noch als dem Gesetz immanentes, notwendiges Übel ansehen, erhält diese Rechtsunsicherheit im Bereich des Handeltreibens eine besondere Dimension. Es wurde bereits deutlich, dass die Abschichtung von Beihilfekonstellationen trotz eigenhändiger Tatbegehung beim Handeltreiben de facto tatbestandsbegrenzende Funktion hat. Es geschieht letztlich nichts anderes als eine Eingrenzung der Definition des 142  Johannsen,

Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 94 f. in: Geppert-FS, S. 113 (133 f.); Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 93, 161. 144  Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 131. 145  Johannsen, Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 94. 143  Geisler,

124

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

Handeltreibens, in dem weniger gewichtige Fälle aus ihr ausgeschieden werden. Kann man die Notwendigkeit einer wertungsorientierten Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Allgemeinen noch gut über die gesetzlichen Vorgaben der §§ 25 bis 27 StGB begründen, zieht dieses Argument nicht, wenn die Abgrenzung für andere Zwecke genutzt wird. Es handelt sich im Ergebnis um nichts anderes als um eine Modifikation der Tathandlung „durch die Hintertür“. Damit entfällt aber die Basis, welche die Vornahme einer wertenden Betrachtungsweise bei anderen Delikten vertretbar erscheinen lässt. Andere Tatbestände haben im Vergleich zum Handeltreiben eine klar umrissene, charakteristische Tathandlung, welche eine verlässliche Orientierungsmarke für die üblichen Abgrenzungskriterien bietet. Beim Handeltreiben sollen aber nun die Abgrenzungskriterien selbst herangezogen werden um die Tathandlung näher zu konkretisieren. Dieses Vorgehen ist nicht nur zirkulär, sondern eröffnet ungekannte Freiräume im Definitionsbereich der Tathandlung. Bei einem Totschlag ist klar, dass derjenige, der die Tötung vornimmt, stets Täter ist. Erst bei Personen, die die Tötung nicht selbst vorgenommen, aber Beiträge hierfür geleistet haben, die eine täterschaftliche Zuordnung möglich erscheinen lassen, kommt die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme zum Tragen. Was unter der Tathandlung „Tötung eines Menschen“ zu verstehen ist, bleibt von Abgrenzungskriterien des Bereichs Täterschaft und Teilnahme frei. Schon die Frage, was Handeltreiben überhaupt ist, wird damit der ka­ suistischen Behandlung anhand von Wertungsgesichtspunkten ausgeliefert. Dies führt zwangsläufig zur Ausbildung eines kaum noch überblickbaren Fallrechts, welches eine klare Charakterisierung des Handeltreibens nahezu unmöglich macht. Wie soll angesichts der erheblichen Unterschiede einem juristischen Laien noch in wenigen Sätzen erklärt werden, was eigentlich „Handeltreiben“ ist? Anders wird diese Frage von Johannsen gesehen, welcher das Handeltreiben mit Betäubungsmittel als Beispiel dafür sieht, dass es gelingen könne, durch die Entwicklung eines detaillierten Fallrechts ein einheitliches und Rechtssicherheit bietendes System hervorzubringen.146 In der Fallgruppe des Transports durch Kuriere sieht er durch die Ausbildung einer klaren und nachvollziehbaren Rechtsprechungslinie die Ansprüche von Rechtssicherheit erfüllt. Für die Kurierfälle soll dies hier auch gar nicht bestritten werden. Johannsen übersieht dabei jedoch, dass die Kurierfälle nur einen kleinen Teil der Konstellationen ausmachen, die unter das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln fallen. 146  Johannsen,

Teilnahmelehre in der Rechtsprechung, S. 136.



H. Fehlende Rechtssicherheit125

III. Die Unbestimmtheit des Gesamtgeschäft-Kriteriums Zu diesen Problemen kommt noch hinzu, dass auch das in Bezug genommene Kriterium selbst unbestimmt und interpretationsbedürftig ist.147 Der BGH hat sich bisher selbst nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob er mit dem Gesamtgeschäft das Geschäft mit dem Endkunden, das Umsatzgeschäft laut Begriffsdefinition oder den übergeordneten Prozess von Produktion bis zum Konsum meint. Zwar liegt es nahe, aufgrund sonstiger Äußerungen auf letzteren Sachverhalt abzustellen, wie dies in der vorliegenden Arbeit bislang getan wurde. Bei der Einführung eines neuen Kriteriums wäre es aber wünschenswert, dass die Rechtsprechung selbst den Inhalt des Begriffs deutlich bezeichnet. Davon abgesehen bleibt der Begriff auch bei letzterem Verständnis schwammig. Dies bringt die Rechtsprechung indirekt selbst zum Ausdruck, wenn sie für die Frage, wann ein Einzelakt Bedeutung für das Gesamtgeschäft hat, Indizien wie die unmittelbare Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgifts, eine Beteiligung an Umsatz oder Gewinn, das Eingebundensein in eine gleichberechtigte arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts oder den Einfluss des Transporteurs auf die Art und Menge der Betäubungsmittel bzw. die Gestaltung der Kurierfahrt heranzieht.148 Die Rechtsprechung bezieht sich damit sogar zweimal auf Indizien für die Abgrenzung: Nicht nur die Frage, ob Täter- oder Teilnehmerwille vorliegt, wird anhand indizieller Gesichtspunkte wie die Bedeutung des Tatbeitrages, das Interesse am Taterfolg sowie die Tatherrschaft bzw. der Wille zur Tatherrschaft ermittelt. Durch die Bezugnahme dieser Anhaltspunkte auf das Gesamtgeschäft werden diese selbst von den gerade angeführten Indizien mitbestimmt. Für die Abgrenzungsfrage ist folglich ein weitgefächerter Kreis verschiedener Kriterien maßgebend, welcher kaum noch überblickbar ist. Dabei ist ungeklärt, in welcher Rangfolge die unterschiedlichen Kriterien stehen, welcher Gesichtspunkt im Zweifel den Ausschlag geben soll bzw. ob es zwingende Erfordernisse für das Vorliegen für Täterschaft oder Teilnahme gibt. Die Rechtsprechung kann sich vielmehr beliebig aus einem Pool unterschiedlicher Kriterien bedienen und schafft sich so die Freiheit, durch das stärkere Abstellen auf den einen oder anderen Aspekt nahezu jedes Ergebnis begründen zu können. Die Möglichkeiten der individuellen Interpretation werden deutlich, wenn man näher betrachtet, zu welchen Ergebnissen Weber unter Zugrundelegung des Gesamtgeschäft-Kriteriums kommt. Er erkennt das neue Kriterium mit Verweis auf die vergleichbare, etablierte Rechtsfigur der Bewertungseinheit zwar an, kommt aber zu völlig anderen Ergebnissen als die Rechtspre147  Oğlakcıoğlu sieht die Kurierrechtsprechung nur als „plakativ-kasuistische Hülle“, vgl. Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 592. 148  Siehe 2. Teil D. I.

126

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

chung.149 Der Transport sei für das Gesamtgeschäft von zentraler Bedeutung und werde in der Rechtsprechungspraxis unterbewertet, obwohl er nicht weniger wichtig als die Beschaffung oder Weitergabe sei.150 Ohne Beförderung des Betäubungsmittels könne das dahinterstehende Geschäft nicht erfolgreich verlaufen.151 Deshalb begründe eine Herrschaft über den vorgenommenen Einzelakt des Transports in der Regel auch Tatherrschaft hinsichtlich des Gesamtgeschäfts.152 Für die Annahme von Tatherrschaft spreche außerdem die Arbeitsteiligkeit im Drogenhandel.153 Insgesamt machen diese Ausführungen deutlich, dass man aufgrund der Beliebigkeit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme und der Unschärfe des GesamtgeschäftKriteriums zu nahezu jedem Ergebnis kommen kann.

IV. Keine einheitliche Linie der Rechtsprechung Diese zunächst einmal nur theoretischen Gefahren für eine einheitliche Rechtsprechung realisieren sich in der tatsächlichen Rechtsprechungspraxis. Zum Beleg eignet sich dabei eine statistische Aufstellung derjenigen seit dem 28.02.2007 getroffenen Entscheidungen, in welchen der BGH sich explizit mit der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe beschäftigt hat. 154155

Fallgruppe

Mit Bezugnahme auf das Gesamt­ geschäft154

Ohne Bezugnahme auf das Gesamtgeschäft

Transport von BtM (Kurierfälle)

27155

 2156

Anwerbung von Kurieren

44157

149  Weber,

NStZ 2008, 467 (468); Weber, BtMG, § 29 Rn. 636 und 677. NStZ 2008, 467 und BtMG, § 29 Rn. 724; zustimmend Rahlf, in: MKStGB, § 29 BtMG Rn. 419. 151  Weber, BtMG, § 29 Rn. 731. 152  Weber, BtMG, § 29 Rn. 742. 153  Weber, NStZ 2008, 467 (468) und BtMG, § 29 Rn. 735. 154  Sowie die Entscheidung BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 oder anderer das Gesamtgeschäft in Bezug nehmender Entscheidungen. 155  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219; Beschl. v. 30.03.2007 – 2 StR 81 / 07, NStZ-RR 2007, 246; Beschl. v. 23.05.2007 – 2 StR 138 / 07 (juris); Beschl. v. 20.06.2007 – 2 StR 223 / 07 (juris); Beschl. v. 04.07.2007 – 2 StR 267 / 07, NStZ-RR 2007, 320; Beschl. v. 06.09.2007 – 2 StR 331 / 07 (juris); Beschl. v. 04.10.2007 – 2 StR 401 / 07 (juris); Urt. v. 17.10.2007 – 2 StR 369 / 07, NStZ-RR 2008, 54; Beschl. v. 21.11.2007 – 2 StR 468 / 07, NStZ 2008, 285; Beschl. v. 09.01.2008 – 2 StR 527 / 07 (juris); Urt. v. 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07, NJW 150  Weber,



H. Fehlende Rechtssicherheit127 Mit Bezugnahme auf das Gesamt­ geschäft

Ohne Bezugnahme auf das Gesamtgeschäft

Lagerung von BtM

 2158

 1159

Aufzucht von Cannabis-Pflanzen

 2160

Gewährung eines Darlehens

 1161

Vermittlung von BtM-Geschäften

 2162

 3163

Kontaktherstellen zwischen an BtM-Geschäften beteiligten Personen

 1164

 1165

Fallgruppe

Ankauf von BtM

 1166

Bilden einer Einkaufgemeinschaft

 2167

Insgesamt

39164

10000

156157158159160161162163

2008,

1460; Beschl. v. 10.06.2008 – 5 StR 191 / 08 (juris); Beschl. v. 10.03.2009 – 3 StR 36 / 09, NStZ 2009, 394; Beschl. v. 19.03.2009 – 4 StR 20 / 09, NStZ-RR 2009, 254; Beschl. v. 02.02.2010 – 3 StR 4 / 10, NStZ-RR 2010, 318; Beschl. 04.03.2010 – 3 StR 559 / 09 (juris); Beschl. v. 10.03.2010 – 2 StR 578 / 09 (juris); Beschl. v. 28.10.2010 – 3 StR 324 / 10 (juris); Urt. v. 05.05.2011 – 3 StR 445 / 10 (juris); Beschl. v. 09.11.2011 – 2 StR 450 / 11 (juris); Beschl. v. 10.11.2011 – 3 StR 355 / 11, NStZ 2012, 518; Beschl. v. 10.07.2012 – 2 StR 85 / 12 (juris); Beschl. v. 22.12.2011 – 3 StR 371 / 11, NStZ-RR 2012, 120; Beschl. v. 26.09.2012 – 2 StR 200 / 12 (juris); Beschl. v. 15.11.2012 – 3 StR 378 / 12 (juris); Urt. v. 10.04.2013 – 2 StR 604 / 12, NStZ 2013, 551; Beschl. v. 24.04.2013 – 5 StR 135 / 13, NStZ 2013, 549. 156  BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – 3 StR 397 / 08, NStZ-RR 2009, 93; Beschl. v. 08.01.2013 – 5 StR 606 / 12, NStZ 2013, 549; außerdem Beschl. v. 27.03.2012 – 2  StR 573 / 11 (juris), dort ging es aber neben dem Transport hauptsächlich um ­Lagerung, weshalb dieser Fall nur bei den Lagerfällen gezählt wird. 157  BGH, Beschl. v. 07.08.2007 – 3 StR 326 / 07, NStZ 2008, 40; Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392; Beschl. v. 13.04.2011 – 3 StR 53 / 11 (juris); Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40. 158  BGH, Urt. v. 13.08.2009 – 3 StR 224 / 09 (juris); Beschl. v. 11.1.2012 – 5 StR 445 / 11, NStZ-RR 2012, 121. 159  BGH, Beschl. v. 27.03.2012 – 2 StR 573 / 11 (juris). 160  BGH, Beschl. v. 07.10.2010 – 3 StR 363 / 10, NStZ-RR 2011, 58; Urt. v. 01.08.2012 – 5 StR 176 / 12 (juris). 161  BGH, Beschl. v. 27.04.2010 – 1 StR 124 / 10 (juris). 162  BGH, Beschl. v. 10.05.2007 – 5 StR 74 / 07, NStZ 2007, 529; Beschl. v. 02.06.2010 – 5 StR 42 / 10, NStZ 2010, 319; außerdem Beschl. v. 02.02.2010 – 3 StR 4 / 10, NStZ-RR 2010, 318, dort ging es aber neben der Vermittlung hauptsächlich um einen Transport, weshalb dieser Fall nur bei den Kurierfällen gezählt wird. 163  BGH, Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57; Beschl. v. 14.08.2012 – 3 StR 274 / 12 (juris); Beschl. v. 04.09.2012 – 3 StR 337 / 12 (juris).

128

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

Vergleichsweise konsequent wendet der BGH sein neues Abgrenzungskriterium nur in mit Kurieren in Zusammenhang stehenden Fällen an. In den übrigen Fallkonstellationen erscheint eine Bezugnahme auf das Gesamtgeschäft mehr oder weniger zufällig. Selbst bei nahezu identisch gelagerten Fällen nimmt der BGH die Abgrenzung mal mit und mal ohne das Gesamtgeschäft-Kriterium vor. Selbst wenn er es in ähnlich gelagerten Fällen heranzieht, kommt er nicht zwangsläufig zu gleichen Ergebnissen. Bei der Anwerbung von Kurieren hält er einmal Täterschaft für naheliegend,168 während er sonst Beihilfe169 oder sogar nur (straflose) versuchte Beihilfe170 annimmt. Dazu kommen die unterschiedlichen Ergebnisse in gleichgelagerten Fällen mit unterschiedlichen Kriterien, etwa wenn in einem Kurierfall ohne ersichtlichen Unterschied zu anderen Fällen Täterschaft angenommen wird.171 164165166167

Gewiss muss man bei der Bewertung dieser Zahlen die begrenzte Aussagekraft einer solchen, sehr vereinfachenden Betrachtung berücksichtigten und selbstverständlich muss man dem BGH bei der Einführung einer neuen Rechtsprechungslinie zugestehen, dass er in der Anfangszeit noch keine einheitliche Spruchpraxis garantieren kann. Trotzdem lässt sich der Schluss ziehen, dass er sein neu eingeführtes Kriterium auch nach einer Konsolidierungsphase nicht durchgängig verwendet. Die mangelnde Berücksichtigung beschränkt sich dabei nicht einem System folgend auf einzelne Fallgruppen, vielmehr ist sie mehr oder weniger willkürlich. Wenn selbst innerhalb einer Fallgruppe und der einheitlichen Anwendung des Kriteriums unterschied­ liche Ergebnisse herauskommen, wird endgültig deutlich, dass der BGH hier eine reine Einzelfalljurisdiktion betreibt, welcher systematische Kohärenz fehlt.172

164  BGH,

Beschl. v. 22.08.2012 – 4 StR 272 / 12, NStZ 2012, 375. Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531, keine Bezugnahme auf das Gesamtgeschäft trotz ausdrücklicher Zitierung des Urteils vom 28.02.2007; dazu ausführlich Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 237; vgl. außerdem BVerfG, Beschl. v. 17.07.2007 – BvR 1255 / 07, NStZ 2008, 39. 166  BGH, Beschl. v. 19.01.2012 – 2 StR 590 / 11, NStZ 2012, 517. 167  BGH, Beschl. v. 17.04.2012 – 3 StR 131 / 12, StV 2013, 154; Beschl. v. 24.10.2012 – 4 StR 392 / 12, NStZ 2013, 81. 168  BGH, Beschl. v. 07.08.2007 – 3 StR 326 / 07, NStZ 2008, 40 (41). 169  BGH, Beschl. v. 13.04.2011 – 3 StR 53 / 11 (juris), Rn. 2; Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40 (41). 170  BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392 (392 f.). 171  BGH, Urt. v. 18.04.2007 – 5 StR 546 / 06, NJW 2007, 2269 (2273 f.); diese Meinung teilt Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 236. 172  In diese Richtung auch Weber, BtMG, Vorwort S. VI. 165  BGH,



H. Fehlende Rechtssicherheit129

Dies ist aber nur das halbe Bild. Hinzu kommen für die Rechtsprechung vermeintlich „eindeutige“ Fälle, in denen der BGH ohne weitere Problematisierung Täterschaft annimmt. Als Beispiel sei hier eine Entscheidung angeführt, in welcher ohne Problembewusstsein lapidar festgestellt wird, dass in einer auf Gewinn abzielenden Veräußerung Handeltreiben liegt.173 Nimmt man aber die neue Rechtsprechungslinie ernst, müsste der BGH bei jeder Verwirklichung des Tatbestands des Handeltreibens prüfen, ob überhaupt Täterschaft vorliegt. Es wäre zu ermitteln, ob die Veräußerung von Betäubungsmitteln wirklich eine hinreichende Relevanz für das dahinterstehende Gesamtgeschäft hat. Gut illustrieren lässt sich das auch an einem Fall174, bei welchem der BGH ohne weitere Diskussion Täterschaft angenommen hat, weil der Angeklagte im Begriff war, einen Beutel Marihuana aus einer Wohnung in einen Pkw zu verbringen, nachdem er von einem Unbekannten 1000 Euro und einen Wohnungsschlüssel erhalten hatte.175

V. Zusammenfassung Durch die Überführung von Fallkonstellationen in den Bereich der Beihilfe erlangen das Kriterium des Gesamtgeschäfts und die zur Ermittlung herangezogenen Indizien definitionseingrenzende Funktion. Die im Normalfall noch akzeptabel erscheinende Unsicherheit bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme wird hier der konkreten Bestimmung des Inhalts der Tathandlung vorgelagert. Für den Normadressaten hat dies die Konsequenz, dass er kaum noch absehen kann, welche Handlungen ihn zum Handeltreibenden machen, ist diese Frage doch immer von einer wertenden Betrachtung des erkennenden Gerichts abhängig.176 Dazu kommt die Unklarheit des Kriteriums selbst. Anstatt es näher zu konkretisieren, zieht die Rechtsprechung lieber einen Strauß von Indizien heran. Für die Tatgerichte besteht die Schwierigkeit, dass ihre Entscheidungen aufgrund der unklaren obergerichtlichen Rechtsprechung mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind. Der BGH hat es bisher nicht geschafft, eine einheitliche und vorhersehbare Linie in seine Rechtsprechung zu bringen. Weder wendet er seine neue Rechtsprechungslinie in allen Entscheidungen zu Täterschaft und Teilnahme an, noch kommt er bei einer Anwendung des neuen Kriteriums zu einheitlichen Ergebnissen. Eine konsequente Spruch173  BGH, Beschl. v. 09.11.2011 – 1 StR 508 / 11 (juris); vgl. auch Beschl. v. 07.02.2012 – 4 StR 653 / 11, NStZ-RR 2012, 153. 174  BGH, Urt. v. 18.04.2007 – 5 StR 546 / 06, NJW 2007, 2269. 175  Auf diesen Widerspruch hinweisend Weber, BtMG, § 29 Rn. 688. 176  Lang, BtM-Strafrecht, S. 206.

130

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

praxis würde daneben eine Abgrenzung auch in auf den ersten Blick eindeutig gelagerten Fällen erfordern. Die Hoffnungen, dass nach der Entscheidung des Großen Senats ein Schlusspunkt der Auslegungsstreitigkeiten beim Handeltreiben erreicht ist und sich nur noch in Randbereichen Probleme ergeben,177 ist nicht eingetreten.178 Aufgrund der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Entscheidungen wären vielmehr mehrfach sogar erneute Vorlagen an die übrigen Senate erforderlich gewesen.179

I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht I. Verfassungsrecht Fraglich ist, ob die hier aufgezeigten Schwächen der Rechtsprechung so schwerwiegend sind, dass sie auch die Verfassungswidrigkeit zur Folge haben. Dabei ist zwischen den verschiedenen Kritikpunkten zu unterscheiden. Die nachgewiesenen dogmatischen Schwächen sind aus verfassungsrechtlicher Sicht unproblematisch. Es existiert kein Grundrecht, das dem Bürger einen Anspruch auf eine dogmatisch widerspruchsfreie Lösung vermittelt. Die neue Linie ist auch bezüglich des Schuldgrundsatzes, welcher aus den Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, unproblematisch. Das BVerfG hat mehrmals festgestellt, dass das Gesetz unter Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung hinreichende Möglichkeiten zur Verhängung einer schuldangemessenen Strafe bietet.180 Durch die zusätzliche Option, mit dem Gesamtgeschäft weniger relevante Fälle in den Bereich der Beihilfe zu überführen, erweitert die Möglichkeiten der Rechtsprechung, geringere Sanktionen zu verhängen und wirkt insofern im Vergleich zur früheren Rechtsprechung zugunsten des Täters. Problematischer ist die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz in Art. 103 Abs. 2 GG. Dies gilt allerdings nicht im Hinblick auf den Gesetzgeber, welcher mit dem „Handeltreiben“ eine für den juristischen Laien nicht leicht zugängliche Tathandlung in § 29 Abs. 1 BtMG aufgenommen hat. Das BVerfG hat wiederholt ausgeführt, dass der Gesetzgeber auch im Strafrecht auslegungsbedürftige Begriffe verwenden darf.181 Der Einsatz 177  Winkler,

NStZ 2010, 685; ähnlich Rahlf, in: BRAK-FS, S. 243 (257). Handeltreiben mit BtM, S. 293. 179  Dies im Einzelnen darlegend Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 286 ff. 180  BVerfG, Beschl. v. 25.02.1993 – 2 BvR 2229 / 92 (juris), Rn. 5 f.; Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193 (1194). 181  BVerfG, Beschl. v. 25.02.1993 – 2 BvR 2229 / 92 (juris), Rn. 2; Beschl. v. 24.10.1999 – 2 BvR 1906 / 99 (juris), Rn. 2; Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, 178  Skoupil,



I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht131

unbestimmter Rechtsbegriffe sei jedenfalls dann unproblematisch, wenn sich unter Anwendung der gängigen Auslegungsmethoden und einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lasse.182 Entscheidend sei, dass der Einzelne die Möglichkeit habe, das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatliche Reaktion vorauszusehen.183 Das Bestimmtheitsgebot wendet sich aber nicht nur an den Rechtsschöpfer, sondern auch an den Rechtsanwender.184 Die Rechtsprechung darf dem Gesetz kein Verständnis zugrunde legen, welches über den Inhalt einer gesetzlichen Norm hinausgeht.185 Der mögliche Wortsinn stellt die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation dar.186 Das BVerfG hat im weiten Verständnis des Handeltreibens und den damit verbundenen Folgen keine Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG gesehen.187 Es möchte insoweit zwischen Normbestimmtheit und Normintention unterscheiden.188 Der Norm­ adressat genieße keinen inhaltlichen Schutz. Selbst sachlich missglückte Vorschriften seien mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar, soweit für den Adressaten vorhersehbar sei, welche Verhaltensweisen mit Strafe bedroht sind.189 Mag dies vor der Entscheidung des Großen Senats der Fall gewesen sein, steht dies nach der hier angeführten Kritik neu in Frage. Wie gezeigt wurde, ist für Beteiligte kaum noch vorhersehbar, ob sie selbst täterschaftlich die Voraussetzungen des Tatbestands erfüllen oder nur Beihilfe zu einer anderen Tat leisten. Das BVerfG hat sich zu dieser neuen Rechtsprechungslinie bislang noch nicht geäußert. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die verstärkte Unsicherheit ausschließlich zugunsten des Täters auswirkt. Im Vergleich zur früheren Rechtsprechungspraxis kommt es häufiger zur Annahme von Beihilfe. Fälle, in denen es zu einer strengeren Verurteilung des Täters aufgrund des unklaren Abgrenzungskriteriums kommt, sind nicht denkbar. Allerdings ist die NJW 2007, 1193; vgl. außerdem unabhängig vom Handeltreiben Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11 / 85, BVerfGE 75, 329 (341); für das Handeltreiben zustimmend Niehaus, JR 2005, 192 (193). 182  BVerfG, Beschl. v. 25.02.1993 – 2 BvR 2229 / 92 (juris), Rn. 2; Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193. 183  BVerfG, Beschl. v. 25.02.1993 – 2 BvR 2229 / 92 (juris), Rn. 2. 184  Weigend, in: LK-StGB, § 1 Rn. 110 f. 185  BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193; vgl. außerdem unabhängig vom Handeltreiben Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11 / 85, BVerfGE 75, 329 (341). 186  BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193. 187  BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193. 188  BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193. 189  BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193.

132

3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

Anwendung einer Strafvorschrift nicht anhand einer früheren Rechtsprechung zu messen, sondern nach einem allgemeinen Maßstab. Die Rechtsprechung ist in sich uneinheitlich, so dass jedenfalls der Verweis auf eine gefestigte Rechtsprechung hier nicht greift. Insgesamt ist die neuere Rechtsprechung im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot zumindest als problematisch zu bewerten. Trotzdem ist angesichts der täterfreundlichen Ausrichtung der neuen Rechtsprechungslinie die Grenze der Verfassungswidrigkeit noch nicht überschritten. Aber auch unterhalb dieser Grenze darf an der mangelnden Bestimmtheit Kritik geübt werden.190 Das Bestimmtheitsgebot ist als Optimierungsgebot zu verstehen, welches eine Auslegung vorzugswürdig erscheinen lässt, die ein Höchstmaß an Bestimmtheit gewährleistet. Von diesem Anspruch ist der BGH derzeit weit entfernt.

II. Europarecht Teilweise wird angenommen, die Einordnung als Beihilfe verstoße gegen Art. 2 Abs. 1a des EU-Rahmenbeschlusses 2004 / 257 / JI vom 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels191, in welchem die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten enthalten ist, das Befördern von Betäubungsmitteln unter Strafe zu stellen.192 Während bisher der Tatbestand des Handeltreibens die Strafbarkeit des Transports abgedeckt habe, werde die neue BGH-Rechtsprechung dem Rahmenbeschluss nicht mehr gerecht. Da im Rahmenbeschluss in Art. 3 Abs. 1 separat die Verpflichtung zur Bestrafung von Beihilfe und Anstiftung genannt sei, lasse sich aus der Systematik folgern, dass Art. 2 Abs. 1a eine täterschaftliche Erfassung der Beförderung erfordere.193 Dies sei bei einer Einordnung von Kuriertätigkeiten als Beihilfe zum Handeltreiben nicht gegeben. Vor allem bestehe eine Lücke im Fall der versuchten Tat, bleibe der Beteiligte in diesem Fall doch gänzlich straflos, da eine versuchte Beihilfe nicht mit Strafe bedroht ist.194 Die Strafbarkeit der Beförderung wird aber nach derzeitiger Rechtslage nicht nur durch den Tatbestand des Handeltreibens gewährleistet. Bei einer 190  Zur Legitimität des Verweises auf mangelnde Bestimmtheit trotz gegenteiliger Rechtsprechung des BVerfG vgl. Gaede, HRRS 2004, 165 (168). 191  ABl. Nr. L 335 / 8 v. 11.11.2004. 192  So vor allem Weber, NStZ 2008, 467 und BtMG, § 29 Rn. 725; zustimmend Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 248 ff. 193  Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 248. 194  Weber, NStZ 2008, 467.



I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht133

Beförderung über Landesgrenzen hinweg greifen die Tatbestände der Ausund Einfuhr, bei innerstaatlichen Transporten zumindest der Besitztatbestand.195 Soweit Besitz im Einzelfall nicht angenommen werden kann, etwa wenn eine Person lediglich das kurzfristige Verbringen über eine geringfügige Strecke übernimmt, wie z. B. das Holen von Heroin aus dem Nebenzimmer unter Aufsicht des Haupttäters,196 dürfte auch keine Beförderung i.  S.  d. Art. 2 Abs. 1a des Rahmenbeschlusses vorliegen. Denn auch im Rahmen des Beförderungstatbestandes im Rahmenbeschluss wird eine Bagatellgrenze anzunehmen sein, die in derartigen Fällen nicht erreicht sein dürfte. Die Begehungsformen der Ausfuhr, Einfuhr und des Besitzes gewährleisten bei Transporthandlungen die geforderte täterschaftliche Erfassung. Unproblematisch ist, dass die Aus- und Einfuhr (Art. 2 Abs. 1a) und der Besitz (Art. 2 Abs. 1c) als eigenständige Tathandlungen im Beschlusstext genannt werden.197 Würde man annehmen, das deutsche Betäubungsmittelstrafrecht müsse zur Umsetzung des Rahmenbeschluss jede dort separat genannte Tathandlung als Begehungsformen aufnehmen, wäre ein großflächiger Verstoß bei der Umsetzung zu konstatieren. Zahlreiche Begehungsformen des Rahmenbeschlusses in Art. 2 Abs. 1a wie das Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Liefern und Versenden sind in den §§ 29 ff. BtMG nicht genannt, sondern nur durch andere diese Tätigkeiten miterfassende Tatmodalitäten erfasst. Es ist nicht ungewöhnlich und ohne weiteres zulässig, wenn der Gesetzgeber einer europarechtlichen Umsetzungsverpflichtung mit einem anders formulierten Wortlaut nachkommt, soweit die europarechtlich geforderten Standards eingehalten werden. Der einzelne Mitgliedstaat muss für die Umsetzung nicht die gleiche gesetzliche Systematik wie die der europarechtlichen Normen heranziehen. Die Reichweite des Besitztatbestandes in § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ist im Übrigen deutlich weiter als die des Besitzes in Art. 2 Abs. 1c Rahmenbeschluss. Im Rahmenbeschluss wird zusätzlich zum Besitz nämlich noch gefordert, dass der Täter eine unter Art. 2 Abs. 1a genannte Handlung vornehmen möchte. Wenn der deutsche Besitztatbestand aber weiter als der europarechtlich geforderte ist, spricht aus systematischen Erwägungen nichts dagegen, dass damit gleichzeitig ordnungsgemäß die erforderlichen Maßnahmen zur Sanktionierung der Beförderung getroffen wurden.

195  Zu letzterem BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392 (392 f.). 196  BGH, Beschl. v. 25.02.1983 – 3 StR 345 / 82, StV 1983, 200. 197  Kritisch dazu aber Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 249.

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3. Teil: Bewertung der Rechtsprechung

J. Zusammenfassung So begrüßenswert das Vorgehen des BGH zur Vermeidung von Einheitstäterschaft und zu einer dem Unrechtsgehalt entsprechenden Abschichtung weniger schwerer Fälle ist, so kritikwürdig sind die Folgen des eingeschlagenen Weges. Mit der allgemeinen Dogmatik ist die Vorgehensweise nicht in Einklang zu bringen, ist doch schon der Ausgangspunkt verfehlt, trotz vollständiger Erfüllung des Tatbestands Täterschaft abzulehnen. Die Rechtsprechung übersieht außerdem, dass sich bei der Überführung in den Bereich der Beihilfe der Charakter des Handeltreibens ändert. Dabei wird nicht mehr allein an eigenes Unrecht des Handelnden angeknüpft, sondern vor allem an fremdes. Die Akzessorietät der Beihilfe erfordert eine nähere Befassung mit einer anknüpfungsfähigen anderen Tat, welche häufig entweder gar nicht vorliegt oder nicht zu ermitteln ist. Das schlichte Tätigkeitsdelikt des Handeltreibens erfährt eine Erfolgsorientierung – zumindest in dem Sinne von Kausalität zwischen Gehilfenhandlung und Tathandlung der Haupttat. Die notwendigen Feststellungen zur Haupttat trifft die Rechtsprechung in der Praxis nicht und selbst wenn sie sie trifft, kann sie nicht schlüssig darlegen, wie die Beihilfehandlung die Haupttat gefördert haben soll. Abweichend zu anderen Tatbeständen zieht sie mit dem Gesamtgeschäft ein außertatbestandliches Kriterium zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme heran, was im Hinblick auf deren Funktion nicht überzeugt. Die Abschichtung weniger strafwürdiger Fälle als Beihilfe mag zwar zur Vermeidung von Einheitstäterschaft zu begrüßen sein, sie lässt sich aber dogmatisch so nicht rechtfertigen.198 Aufgrund der Beliebigkeit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme und der Unschärfe des Gesamtgeschäft-Begriffs führt dies zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. Dies ist beim Tatbestand des Handeltreibens ein besonderes Problem, da die Herausnahme von Hilfstätigkeiten de facto tatbestandseingrenzende Funktion hat. All dies geschieht vor dem Hintergrund, dass der von der Rechtsprechung gewählte Begriff des Handeltreibens ohnehin problematisch ist und seit Jahrzehnten heftig kritisiert wird. Entkräften kann die Rechtsprechung die Einwände mit dieser ebenfalls äußerst angreifbaren Vorgehensweise nicht. Es ist ihr nicht gelungen, mit ihrer neuen Rechtsprechungslinie eine größere Sicherheit und Verlässlichkeit zu erreichen oder das Betäubungsmittelstrafrecht dem allgemeinen Strafrecht anzunähern.199

198  Ebenso Bensch, Begriff des Handeltreibens, S. 126; Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 216; ebenfalls zweifelnd Fischer, StGB, § 25 Rn. 3. 199  Weber, BtMG, § 29 Rn. 721 ff.

4. Teil

Eigener Ansatz Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass der Tatbestand des Handeltreibens enger gefasst werden muss als von der Rechtsprechung bislang geschehen. Der BGH hat mit dem Verweis auf die Bedeutung des Einzelakts für das Gesamtgeschäft die richtige Richtung eingeschlagen. Tätigkeiten wie das bloße Transportieren stellen noch kein Handeltreiben dar, da diese Teilakte alleine keine entscheidende Bedeutung für das Gesamtgeschäft haben. Problematisch an der Rechtsprechung ist, dass sie dogmatisch inkonsistent im Bereich der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme angesiedelt ist und durch das Fehlen fester Kriterien den Gerichten einen zu großen Spielraum eröffnet. Widerspruchsfrei können die Probleme des Handeltreibens nur durch eine Neufassung des Begriffs des Handeltreibens gelöst werden. Wie ein solcher Neuansatz aussehen könnte, soll in diesem Kapitel erarbeitet werden. Dabei werden zunächst die bisherigen Erkenntnisse zusammengeführt, um Anforderungen an eine Neufassung zu formulieren (A.). Als Basis für den zu entwickelnden Vorschlag sollen die Überlegungen des BGH zum Gesamtgeschäft dienen, die trotz ihrer dogmatischen Probleme in sachlicher Perspektive einen sinnvollen Ausgangspunkt darstellen (B.). Das Gesamtgeschäft-Kriterium offenbart eine erstaunliche Nähe zu der in jüngster Zeit vermehrt diskutierten Lehre vom Organisationsdelikt, welche als Auslegungsanregung genutzt werden soll (C.). Auf diesen zwei Säulen baut die konkrete Neufassung des Handeltreibens auf (D.), welche vielfältige Folgen hat, insbesondere auch für die Anwendung allgemeiner strafrechtlicher Institute (E.). Abschließend wird gezeigt, dass ein solches Vorgehen nicht nur die willkürliche Fortentwicklung einer unbefriedigenden Judikatur, sondern eine folgerichtige Interpretation des Gesetzes anhand der klassischen Auslegungsmethoden darstellt (F.).

A. Anforderungen an eine Neufassung Die Beschäftigung mit den Einschränkungsversuchen der Rechtsprechung hat gezeigt, dass die kasuistische Überführung bestimmter Fälle in den Bereich der Beihilfe dogmatisch nicht überzeugt und über den Einzelfall hin-

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4. Teil: Eigener Ansatz

aus nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt. Eine Neufassung muss deshalb am Begriff des Handeltreibens selbst ansetzen. Erforderlich ist dabei eine objektive Einschränkung, da die Weite des objektiven Tatbestands die Ursache für die dargestellten Probleme ist.1 Wünschenswert ist eine größere Bestimmtheit im Bereich des objektiven Tatbestands, bewegt sich dabei das Handeltreiben doch am Rande des verfassungsrechtlich Zulässigen. Der einschränkende Gesichtspunkt muss daher so genau konkretisiert sein, dass er eine trennscharfe Anwendbarkeit ohne große Wertungsspielräume zulässt. Zu wählen ist eine Fassung, die eine normale Anwendung der Rechtsinstitute des Allgemeinen Teils, insbesondere in den Bereichen Vorbereitung, Versuch und Vollendung sowie Täterschaft und Teilnahme, ermöglicht. Gleichzeitig darf die Neufassung aber nicht so weit gehen, dass sie zu praxisuntauglichen Ergebnissen führt, etwa weil sie die Besonderheiten der Betäubungsmittelkriminalität ignoriert oder die besonders gefährlichen Hintermänner nicht mehr erfasst. Die Neufassung muss beidem gerecht werden: dem Interesse an einer effektiven Verfolgung des Drogenhandels und der Beachtung strafrechtssystematischer Mindeststandards.2 Grundlage des zu entwickelnden Ansatzes ist das gesetzgeberische Konzept der Totalprohibition und der Zweck der gesetzlichen Einfügung des Handeltreibens: das Erfassen von Vermittlern. Letztgenannte Erwägungen korrespondieren mit der bereits in der Einleitung geäußerten Maßgabe, sich nicht völlig von dem bisherigen Verständnis der Rechtsprechung ablösen zu wollen. Ohnehin dürften alle Versuche zum Scheitern verurteilt sein, die jahrzehntelange Auslegungspraxis gänzlich umkehren zu wollen.3

B. Die Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft als Ausgangsbasis Das Gesamtgeschäft überzeugt zwar in sachlicher Hinsicht als Abgrenzungskriterium, ist aber auf der Ebene von Täterschaft und Teilnahme funktionell falsch verortet und in seiner Ausgestaltung zu vage, um eine zuverlässige Herausnahme minderschwerer Fälle aus dem Handeltreiben sicherzustellen. Das sind die wesentlichen Erkenntnisse des dritten Teils dieser Arbeit. Vermeiden lassen sich diese Probleme, in dem man das Gesamtgeschäft-Kriterium von der Beteiligtenebene auf die Ebene der Tatbestandsmerkmale verlagert und so konkret fasst, dass es die nötige Trennschärfe mitbringt. auch Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 159 ff.; Gaede, StraFO 2003, 392 (395). JR 2005, 192. 3  Roxin, StV 1992, 517 (518). 1  So

2  Niehaus,



B. Die Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft als Ausgangsbasis137

Dafür sollen in diesem Kapitel zunächst die wesentlichen Grundaussagen der neuen Rechtsprechungslinie in Erinnerung gerufen werden (I.). Anschließend ist auszuloten, welche Möglichkeiten existieren, um das Gesamtgeschäft in den Begriff des Handeltreibens aufzunehmen (II.). Schließlich geht es um die Konkretisierung des Gesamtgeschäfts: einerseits hinsichlich der Frage, welchen Inhalt der BGH genau mit dem Kriterium verbindet (III.), andererseits darum, welche Anforderungen daraus für die Tathandlung abgeleitet werden können (IV.).

I. Grundaussagen des BGH Der Ausgangspunkt der neuen Rechtsprechung ist, dass sich die Annahme von Täterschaft bei einer vollständigen Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale nicht von selbst versteht.4 Ein selbstständiges Handeln hinsichtlich des isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts oder Tatherrschaft bzgl. dessen zieht nicht automatisch die Tätereigenschaft nach sich. Für den Kurier stellt der BGH deshalb fest, dass im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG das Handeltreiben mit und nicht das Transportieren von Betäubungsmitteln strafbar sei. Das Vorliegen von Täterschaft hänge entscheidend davon ab, ob die konkrete Beteiligungshandlung des Täters Bedeutung für das Gesamtgeschäft habe. Die zentrale Frage für den BGH ist damit die Relevanz der Tathandlung für das Gesamtgeschäft.

II. Einführung auf Tatbestandsebene Wie kann nun dieses Kriterium anders eingeführt werden als auf der Beteiligungsebene? Eine Möglichkeit wäre, es zum Inhalt eines gesetzlich normierten Tatbestandsmerkmals zu machen. Das Handeltreiben enthält nur die Merkmale „Handeltreiben“ mit „Betäubungsmitteln“. Dabei ist der Begriff Betäubungsmittel klar und abschließend in § 1 Abs. 1 BtMG legaldefiniert als die in den Anlagen I bis III zum BtMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. In Betracht kommt deshalb nur eine Inkorporation in das Merkmal des „Handeltreibens“. Man könnte das Kriterium etwa dadurch in die Definition aufnehmen, dass man fragt, ob die auf Betäubungsmittelumsatz gerichtete eigennützige Tätigkeit für das Gesamtgeschäft relevant ist. Sachlich ähnlich prüft das die Rechtsprechung schon bisher, in dem sie das Gesamtgeschäft in Bezug zum jeweiligen Tatbeitrag diskutiert. Der BGH fragt stets, welche Bedeutung die „konkrete Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts“5 hat und fordert in Ku4  Siehe

5  BGH,

dazu 2. Teil D. Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (222 f.).

138

4. Teil: Eigener Ansatz

rierfällen für eine Täterschaft „erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten“6. Ebenfalls vorstellbar ist das Kriterium als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aufzunehmen. Man könnte etwa daran denken die BGH-Rechtsprechung ähnlich wie eine „positive Typenkorrektur“ aufzufassen. Vertreten wurde dies beispielsweise beim Mordtatbestand mit dem Inhalt, dass zusätzlich zur Verwirklichung eines Mordmerkmals die besondere Verwerflichkeit positiv festzustellen ist.7 Beim Handeltreiben wäre dem folgend zusätzlich zur Verwirklichung der Definition zu fragen, ob der Täter eine bedeutsame Stellung für das Gesamtgeschäft innehat. Im Unterschied zur Aufnahme in das Merkmal „Handeltreiben“ wäre dabei die allgemeine Stellung des Täters in der Rauschgiftorganisation entscheidend, losgelöst von der konkreten Tathandlung. Der BGH hat bei der Abgrenzung auf Beteiligungsebene aber regelmäßig an die Bedeutung der konkreten Tathandlung angeknüpft und nicht daran, ob sich der Beteiligte als typischer Rauschgifthändler darstellt. Es geht ihm mit dem neuen Kriterium nicht darum, dem Handeltreiben einen Tätertyp zugrunde zu legen, sondern einzelne Tathandlungen auszuscheiden, die das typische Unrecht des Handeltreibens nicht widerspiegeln. Das Erfordernis der Bedeutung für das Gesamtgeschäft hängt direkt mit der Tathandlung zusammen. Es stellt besondere Anforderungen an sie und ist deshalb am Besten in der gesetzlichen Formulierung der Tathandlung verortet. Die Notwendigkeit der Annahme eines separaten ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals besteht nicht – das Kriterium lässt sich gut aus der Gesetzesformulierung „Handeltreiben“ ableiten.

III. Der Inhalt des Gesamtgeschäft-Kriteriums 1. Bedeutungsinhalt des BGH Welchen Bedeutungsinhalt der BGH mit dem Gesamtgeschäft verbindet, wurde bereits geklärt.8 Es geht um das hinter den einzelnen Teilakten stehende „Große-Ganze“, also den Rauschgifthandel ausgehend von der Herstellung bis zum Verkauf an den Endkunden. Der BGH hat dabei das typische Bild organisierter Rauschgiftkriminalität vor Augen und möchte einem einzelnen Transporteur nur dann täterschaftliches Verhalten zuschreiben, wenn er für die Gesamtorganisation eine bedeutende Rolle spielt. Soweit er 6  BGH,

Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (223 f.). in: Schröder-FS, S. 217; die wesentlich häufiger vertretene negative Typenkorrektur wäre ebenfalls denkbar, da aber die „Bedeutung für das Gesamtgeschäft“ positiv formuliert ist, liegt eine positive Typenkorrektur näher. 8  Siehe 2. Teil D. II. 7  Lange,



B. Die Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft als Ausgangsbasis139

nur eine kleines, austauschbares „Rädchen“ darstellt, soll er lediglich als Gehilfe behandelt werden. 2. Konkrete oder abstrakte Betrachtungsweise Bisher offen geblieben ist die Frage, ob das Gesamtgeschäft abstrakt oder konkret betrachtet werden muss. Die erste Möglichkeit würde darauf abheben, wie sich Betäubungsmittelgeschäfte allgemein darstellen. Alternativ könnte man die Tathandlung aber auch auf das im konkreten Fall vorliegende Gesamtgeschäft beziehen. Die bisher vom BGH getroffenen Entscheidungen äußern sich zu dieser Frage nicht ausdrücklich. Weder in den abstrakten Ausführungen, noch in der konkreten Subsumtion hat er beschrieben, wie das in Bezug genommene Gesamtgeschäft beschaffen sein muss. Diese mangelnde Beschäftigung mit den konkreten Umständen des jeweiligen Falls spricht eher für ein abstraktes Verständnis des Gesamtgeschäftes. Andernfalls hätte der BGH von den Instanzgerichten Feststellungen zur Beschaffenheit des jeweiligen Gesamtgeschäfts einfordern müssen, was er bisher nicht getan hat. Ob solche Feststellungen im Bereich von Betäubungsmittelkriminalität überhaupt möglich wären, ist fraglich. Charakteristisch für Betäubungsmittelkriminalität ist die Bedeutung von Konspiration und Tarnung.9 Häufig bestehen Organisationsstrukturen, die das Entdeckungsrisiko gezielt vom kompetenten Täter höherer Ebene auf die schwächeren Täter der unteren Ebenen verlagern.10 In der Regel wird deshalb das erkennende Gericht nur Teilakte des Gesamtgeschehens feststellen können.11 Angesichts dieser Beweisschwierigkeiten wäre es realitätsfern, die genauen Umstände des Gesamtgeschäfts feststellen lassen zu wollen. Aber nicht nur die Möglichkeit der Feststellung soll hier in Zweifel gezogen werden, sondern auch die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit. Welchen Nutzen sollte eine solche Feststellung überhaupt haben? Gewisse Grundstrukturen sind beim Handel immer gleich und von den Details des jeweiligen Geschäfts unabhängig. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die Funktion des Handels in den Wirtschaftswissenschaften gesehen wird. Als entscheidender Punkt wird dort darauf abgestellt, die bestehenden Spannungen zwischen Produktion und Konsum in räumlicher, zeitlicher, quantitativer und qualitativer Hinsicht auszugleichen.12 Beim Handel geht es stets um die 9  BGH,

Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (261 f.). Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (261 f.). 11  BGH, Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (261 f.). 12  Gabler Wirtschaftslexikon, S. 1371; Meyers Ezyklopädisches Lexikon, Band 11, S. 389; vgl. dazu auch Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 1, S. 880. 10  BGH,

140

4. Teil: Eigener Ansatz

gleichen feststehenden Abläufe wie etwa Transport, Lagerung, Stückelung und Verteilung. Dies gilt auch für den Drogenhandel, bei dem feste Grundmuster existieren, die für alle Betäubungsmittelgeschäfte gelten. Ausgangspunkt ist – vergleichbar einer normalen betriebswirtschaftlichen Lieferkette – der Anbau bzw. die Herstellung der Betäubungsmittel, dann folgt deren Transport, bevor sie an den Abnehmer veräußert werden. Diese unabdingbaren Grundvoraussetzungen werden durch weitere typische Charakteristika ergänzt, wie z. B. An- und Verkaufsakte von Zwischenhändlern, Verarbeitung, Werbemaßnahmen, Finanzierungshandlungen, Zahlungseinforderungen und Lagerung. Da der Rauschgifthandel notwendigerweise diese verschiedenen Tätigkeiten beinhaltet, kann die Bedeutung der Einzelakte auch abstrakt ohne Informationen zum jeweiligen Handelsgeschehen zutreffend eingeschätzt werden. Dabei soll nicht geleugnet werden, dass sich die Geschäftsstrukturen im Einzelfall stark unterscheiden können, etwa wenn man den lose zusammenhängenden regionalen Straßenhandel mit dem mafiös organisierten Rauschgifthandel im internationalen Maßstab vergleicht. Allerdings sind die genannten Grundelemente so allgemein, dass sie vom jeweiligen Milieu und der jeweiligen Organisationsform unabhängig sind. Im Grunde handelt es sich um nicht mehr als die banale Erkenntnis, dass ein Handelsprodukt stets produziert, finanziert, transportiert, gelagert und verkauft werden muss. Eine generalisierte Betrachtung hat darüber hinaus den Vorteil besserer Vergleichbarkeit. Letztendlich garantiert die Feststellung fester, allgemeingültiger Kriterien das Vorliegen von Rechtssicherheit, da es die Bewertungsspielräume des Tatrichters reduziert und die Beurteilung des jeweiligen Falls auch der Revisionsinstanz zugänglich macht. Würde man für das Gesamtgeschäft auf die näheren Umstände des Einzelfalls abstellen, wäre die Beurteilung mehr eine Tatsachen-, als eine Rechtsfrage. Nur Rechtsfragen unterliegen aber der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung und bieten das Potential, in wichtigen Entscheidungen ein einheitliches Vorgehen der Rechtsprechung sicherzustellen.

IV. Anforderungen an die Tathandlung Wenn nun geklärt ist, was der BGH unter dem Begriff Gesamtgeschäft versteht, bleibt freilich noch die entscheidende Frage: Wann hat eine Tathandlung hinreichende Bedeutung für das Gesamtgeschäft? 1. Art des Zusammenhangs Als Vorfrage ist dabei zunächst einmal zu klären, welcher Art des Zusammenhangs mit „Bedeutung“ gemeint ist. Denkbar wäre es, das Gesamtge-



B. Die Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft als Ausgangsbasis141

schäft erfolgsorientiert zu betrachten. Erforderlich wäre dann ein Zustandekommen des Gesamtgeschäfts, für welches der getätigte Einzelakt kausal war. Zu einem Verkauf an den Endabnehmer müsste es tatsächlich gekommen sein, denn nur dann ist der Handelsprozess von der Produktion hin zum Konsum erfolgreich abgeschlossen. Die Tathandlung des einzelnen Beteiligten müsste dann „sine qua non“ für das erfolgreiche Ablaufen des Gesamtgeschäfts sein. Das wäre dann der Fall, wenn das Gesamtgeschäft ohne den Einzelakt nicht denkbar ist, also mit ihm „steht und fällt“. Damit würde man allerdings aus dem Tätigkeitsdelikt ein Erfolgsdelikt machen. Nicht mehr die Vornahme einer auf Betäubungsmittelumsatz abzielenden Tätigkeit würde ausreichen, es wäre darüber hinaus ein erfolgreicher Verlauf des Gesamtgeschäfts erforderlich. Ein solcher ist angesichts der Beweisproblematik im Betäubungsmittelrecht nicht nur häufig kaum festzustellen, er widerspricht auch dem gewachsenen Verständnis des Handeltreibens als Tätigkeitsdelikt. Dieses ist schon im Wortlaut des Tatbestands angelegt. Indem der Gesetzgeber von Handeltreiben spricht, stellt er den Tätigkeitscharakter besonders in den Vordergrund.13 Ein erfolgsorientiertes Verständnis würde daneben den Vorstellungen des BGH zum Gesamtgeschäft widersprechen. Er ist bei den Ausführungen auf der Beteiligungsebene stets bei seinem Begriff des Handeltreibens geblieben, welcher die Vornahme einer Tätigkeit in den Mittelpunkt stellt. Das Gesamtgeschäft diente ihm lediglich als Instrument, einzelne für das Gesamtgeschäft irrelevante Tätigkeiten aus dem Bereich der Täterschaft wieder auszuscheiden. Ein Erfolgsbezug ist dabei nicht zu erkennen. Es kann daher für die Bedeutung nicht darauf ankommen, ob das Gesamtgeschäft tatsächlich gelingt oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die Tathandlung dazu geeignet ist, zum Gelingen des Gesamtgeschäfts beizutragen. Offen bleibt jedoch, wie eng das Verhältnis zwischen Tathandlung und dem abstrakt in den Blick genommene Gesamtgeschäft sein muss. Reicht ein „einfacher“ Zusammenhang zwischen Tathandlung und Gesamtgeschäft aus oder ist ein „qualifizierter“ Zusammenhang erforderlich? Bei letzterem müsste man fordern, dass die Bedeutung der Tathandlung „zentral“ oder „entscheidend“ für das Gesamtgeschäft ist. Im zuerst genannten Fall wäre auch eine im Gesamtkontext bloß untergeordnete Tathandlung ausreichend. Auch wenn diese Unterscheidung aufgrund der starken Relativität der Begrifflichkeiten nur begrenzt aussagekräftig ist, so wird man doch feststellen müssen, dass ein lediglich „einfacher Zusammenhang“ kaum dem nahe kommt, was der BGH erwartet. In diesem Fall wäre nämlich die einschränkende Wirkung des neuen Kriteriums bestenfalls marginal, weil an sich jede Tathandlung für das Gesamtgeschäft in irgendeiner Form relevant sein kann. 13  Ebert,

Handeltreiben mit BtM, S. 32.

142

4. Teil: Eigener Ansatz

Sogar offenkundig völlig untergeordnete Handlungen, wie das Spitzen eines Bleistifts, mit dem ein Händler sich die Adresse eines Kontaktmanns notieren möchte, wären dann für das Gesamtgeschäft als relevant in Betracht zu ziehen. Festzuhalten bleibt daher, dass es um einen qualifizierten, engeren Zusammenhang zwischen Tathandlung und Gesamtgeschäft geht. Die genaue Ausgestaltung dieses Zusammenhangs ist die entscheidende Frage der zu entwickelnden Neufassung. 2. Vorgehensweise des BGH Da der BGH die Bedeutung der Tathandlung für das Gesamtgeschäft im Rahmen der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ermittelt, welche für ihn immer das Ergebnis einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls darstellt,14 legt er dem stets eine konkrete Betrachtungsweise zugrunde. Im Gegensatz zum Bezugsobjekt „Gesamtgeschäft“, welches der BGH wie bereits gezeigt abstrakt versteht, rekurriert der BGH für die Frage der Bedeutsamkeit auf das konkrete Geschehen im jeweiligen Fall. Dabei wird nicht nur die Tathandlung selbst miteinbezogen, sondern auch Umstände, Absichten und Interessen des Handelnden. a) Vom BGH herangezogene Gesichtspunkte Für den Bereich der Kurierfälle hat der BGH eine Reihe von Indizien genannt, bei deren Vorliegen täterschaftliches Handeltreiben in Betracht kommen soll.15 Täterschaft liegt danach nahe bei einer unmittelbaren Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgifts oder wenn der Handelnde ein sonstiges eigenes Interesse am Gesamtgeschäft aufgrund einer Umsatz- und Gewinnbeteiligung hat. Eine über die Beihilfe hinausgehende Beteiligung sei auch dann in Betracht zu ziehen, wenn der Kurier in eine gleichberechtigt verabredete Durchführung des Umsatzgeschäfts eingebunden ist oder er besonderen Einfluss auf Art und Menge der Betäubungsmittel bzw. auf die Gestaltung des Transportvorgangs hat. Wenn sich der Kurier dagegen auf einen Transport zwischen selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern oder innerhalb der Sphäre von Lieferanten und Abnehmer-Organisa­ tionen beschränke, liege lediglich Gehilfenschaft nahe. Dies gelte insbeson14  BGH, Urt. v. 15.05.1984 – 1 StR 169 / 84, NStZ 1984, 413; Urt. v. 26.04.2000 – 3 StR 573 / 99, NStZ-RR 2000, 278 (279); Urt. v. 21.11.2000 – 1 StR 433 / 99, NStZ-RR 2001, 148; Urt. v. 14.12.2005 – 2  StR 466 / 05, NStZ-RR 2006, 88 (89); Beschl. v. 06.04.2006 – 3 StR 87 / 06, NStZ 2006, 454 (455); Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531; Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57; Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40 (41). 15  Siehe 2. Teil D. I. m. w. N.



B. Die Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft als Ausgangsbasis143

dere dann, wenn der Kurier weder zu den Hinterleuten noch zu potentiellen Abnehmern Kontakte habe, sondern lediglich mit seinem Auftraggeber zusammenarbeite. b) Leitbild Die verschiedenen Indizien des BGH lassen sich auf ein bestimmtes Täter-Leitbild beim Handeltreiben zurückführen. Die Rechtsprechung geht hier wiederum von den typischen Strukturen von Betäubungsmittelkriminalität aus, in denen die einzelnen Tathandlungen nur Teile eines breit angelegten Gesamtvorgangs sind, in denen die Drogen vom Produzenten zum Endkunden gebracht werden. In der Regel sind deshalb arbeitsteilig differenzierte Strukturen auszumachen, bei denen aber nur Personen, die selbstständig, mitbestimmend und damit nicht nur völlig untergeordnet handeln, die Sanktionierung als Täter des Handeltreibens verdienen. Führt man dieses Leitbild in einer Kurzformel zusammen, wird man sagen können, dass die relevante Person einen gewissen Grad an Organisationsmacht in Bezug auf das Gesamtgeschäft haben muss. Täter des Handeltreibens soll nur sein, wer auf das Gesamtgeschäft organisatorische Einwirkungsmöglichkeiten hat. Solche Einwirkungsmöglichkeiten wird der Handelnde in der Regel dann haben, wenn er nicht nur den Teilakt des Transportierens, sondern auch den An- und Verkauf der Betäubungsmittel durchführt. Dieses Indiz des BGH passt zu seiner Aussage, dass nicht das Transportieren, sondern das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln strafbar ist. Die bloße Vornahme eines Einzelakts drückt keine Organisationsmacht aus – sie hat für sich genommen keine entscheidende Bedeutung für das Gesamtgeschäft. Bei der Vornahme mehrerer Teilakte liegen organisatorische Einwirkungsmöglichkeiten deutlich näher. Organisationsmacht ist auch vorhanden, wenn eine „gleichberechtigt verabredete Durchführung“ des Umsatzgeschäfts vorliegt oder der Kurier besonderen Einfluss auf Art und Menge der Betäubungsmittel und die Transportgestaltung hat. Ist der Kurier lediglich ein steuerbares Rädchen im System, welches keinen Kontakt und vor allem keinen Einfluss auf die eigentlich entscheidenden Hintermänner hat, ist er mangels Organisationsmacht lediglich Gehilfe. In die gleiche Richtung geht das Merkmal der Umsatz- und Gewinnbeteiligung. Eine solche wird regelmäßig nur für den annähernd gleichberechtigt in die Rauschgiftorganisation eingebundenen Kurier in Frage kommen, die Entlohnung anderer Transporteure dürfte sich auf einen fixen Betrag beschränken. Das hinter der Gesamtgeschäft-Rechtsprechung stehende Leitbild kann daher zutreffend mit dem Begriff Organisationsmacht beschrieben werden.

144

4. Teil: Eigener Ansatz

c) Übertragbarkeit auf die Begriffsebene Fraglich ist allerdings, ob diese Vorgehensweise des BGH auf die Begriffsebene übertragen werden kann. Schwierig ist zunächst, dass die Einordnung Ergebnis einer wertenden Gesamtbetrachtung ist. Letztendlich ist die Zuordnung Folge einer Abwägung aller für und gegen Täterschaft sprechenden Kriterien. Entscheidend sind dabei auch maßgeblich die Umstände der Tat und die Interessenlage des Täters. Eine solche wertende Gesamtbetrachtung der Umstände ist für die Begriffsebene denkbar ungeeignet, fehlt dieser Vorgehensweise doch die Rechtssicherheit. Die Umstände jedes einzelnen Falls sind unterschiedlich, die Streubreite der zu berücksichtigenden Aspekte ist groß und die Vergleichbarkeit gering. Für den konkreten Sachverhalt sind letztlich viele Ansichten vertretbar, die aufgrund der Selbstbeschränkung des BGH mit seiner Rechtsprechung zu Beurteilungsspielräumen von den Revisionsgerichten auch nur eingeschränkt überprüfbar sind. Die Entscheidung über die Erfüllung eines Straftatbestandes würde letztlich in die Hand eines einzelnen Richters gegeben, ohne substanzielle Überprüfungsmöglichkeit. Außerdem würden durch die Einbeziehung von subjektiven Kriterien wie der Interessenlage des Täters subjektiver und objektiver Tatbestand vermischt. Für eine tatbestandliche Fassung sind letztlich Kriterien erforderlich, die einen sicheren Schluss auf die Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft zulassen. Eine solche Leistungsfähigkeit nimmt der BGH für die aufgestellten Kriterien nicht in Anspruch. Er spricht bewusst von Indizien, die in einer Gesamtbetrachtung zur Annahme von Täterschaft führen können. So wird z. B. allein die Tatsache, dass eine Person neben dem Transport auch noch Betäubungsmittel an den Endkunden verkauft, noch nicht zwangsläufig Organisationsmacht ausdrücken. Fallkonstellationen, in denen die Person nur einem detailliert festgelegten Plan eines Hintermanns ohne eigene Entscheidungsfreiheit folgt, dürften insbesondere bei stark abhängigen Personen mit starkem Suchtdruck nicht selten sein. Auch bei Erhalt einer Umsatz- oder Gewinnbeteiligung wird nicht in jedem Fall der Schluss auf organisatorische Einwirkungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Gesamtgeschäft gestattet sein. Andere Kriterien wie die Art und Menge der Betäubungsmittel sind so wenig trennscharf, dass sie sich für eine tatbestandliche Abgrenzung schon aus sich heraus nicht eignen. Bei anderen Indizien ist fraglich, wie diese überhaupt realistisch ermittelt werden sollen. Wann liegt z. B. eine „gleichberechtigt verabredete Durchführung des Umsatzgeschäfts“ vor? Dafür erforderlich wäre die Kenntnis der Stellung des Handelnden in der Rauschgiftorganisation. Wie bereits des Öfteren erwähnt, ist Betäubungsmittelkriminalität aber in besonderem Maße von Konspiration und Tarnung gekennzeichnet. Die Ermittlung der genauen



C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung145

Strukturen von Rauschgiftorganisationen im Rahmen eines Strafprozesses wird nur selten gelingen können. Typischerweise ist in Strafverfahren mit Betäubungsmittelbezug nur die Tathandlung überhaupt bekannt. Weitere Erkenntnisse über die Organisationsstrukturen bestehen nicht und sind, sofern ein Beteiligter nicht als Kronzeuge auftritt, nicht zu erwarten. Ein für die Rechtspraxis zuverlässige Ergebnisse hervorbringendes Vorgehen wird sich deshalb auf die relativ leicht ermittelbare Tathandlung konzentrieren und anhand dieser aufgrund allgemein bekannter Strukturen verlässliche Rückschlüsse ziehen. Eine wertende Betrachtung, wie sie der BGH auf der Ebene von Täterschaft und Teilnahme vornimmt, passt im Übrigen nicht zum Charakter und der Funktion des Tatbestands. Der Tatbestand soll nach heutigem Verständnis das charakteristische Unrecht kennzeichnen.16 Notwendig ist eine plastische, klar einzuordnende Beschreibung des unrechtsbegründenden Verhaltens, so dass der Normappell den Adressaten erreichen kann. Dies kann eine Orientierung an Indizien im Rahmen einer vom Tatrichter vorgenommenen Wertentscheidung nicht leisten. Die Ausgestaltung eines Tatbestandsmerkmals benötigt vielmehr eine fest umrissene Beschreibung, deren Vorliegen eindeutig feststellbar ist.

C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung Bevor versucht werden soll, den Zusammenhang zwischen Tathandlung und Gesamtgeschäft anders als vom BGH vorgeschlagen zu bestimmen, soll noch eine Lehre in den Fokus genommen werden, welcher ganz ähnliche Gedanken wie dem eben formulierten Leitbild des BGH zugrunde liegen: die Lehre vom Organisationsdelikt. Entwickelt wurde diese vor dem Hintergrund der breiten strafrechtlichen Diskussion über die Frage, ob und wie die Handlungen von Organisationen und von Organisationsverantwortlichen strafrechtlich erfasst werden können. Da in Literatur und Rechtsprechung größtenteils die Notwendigkeit einer Einbeziehung von Kollektivgeschehen gesehen wurde, hat man versucht, durch allgemeine rechtliche Konstruktionen wie z. B. im Rahmen der Unterlassungsstrafbarkeit (Garantensonderdelikt) oder bei Täterschaft und Teilnahme (Organisationsherrschaft) diese tatsächlichen Phänomene zu erfassen. Regelmäßig wurde allerdings konstatiert, derartige Versuche seien aufgrund der Einzelaktsorientierung des 16  Jescheck, ZStW 73 (1961), 179 (193); Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 118 ff.; zu den Unterschieden zwischen dem klassischen und dem heute herrschenden Tatbestandsverständis, vgl. Ambos, JA 2007, 1.

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4. Teil: Eigener Ansatz

Strafrechts zum Scheitern verurteilt. Schon Roxin hat in seiner Habilita­ tionsschrift „Täterschaft und Tatherrschaft“ herausgearbeitet, dass der Organisationskriminalität nicht alleine mit den auf Einzeltaten zugeschnittenen Rechtsfiguren von Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe begegnet werden kann.17 Auch zur Schließung dieser Lücke hat sein Schüler Schünemann im Jahr 1993 die Lehre vom Organisationsdelikt vorgestellt.18 Der Gesetzgeber habe „intuitiv“ Tatbestände konzipiert, welche das allgemeine Muster der Einzelaktsbezogenheit im Strafrecht verlassen und Organisationshandeln erfassen.19 Dabei geht es Schünemann nicht um Vorschriften wie die §§ 129 und 129a StGB, welche explizit auf die Beteiligung an einer Organisation abstellen, bei denen es also schon dem Wortlaut nach um die Organisation an sich geht. Vielmehr interessieren ihn Delikte, deren allgemein formulierte Tathandlung nach seiner Meinung typisches Organisationshandeln erfordert. Als wichtiges Beispiel hierfür nennt er das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.20 In diesem Abschnitt soll geprüft werden, ob und wie die Lehre vom Organisationsdelikt für eine Neuinterpretation des Handeltreibens fruchtbar gemacht werden kann. Nach einer Vorstellung von Schünemanns Lehre und deren Weiterentwicklung und Resonanz in der Wissenschaft (I.), wird es anschließend um eine Übertragung auf das Handeltreiben gehen (II.).

I. Die Lehre vom Organisationsdelikt 1. Grundlegung der Lehre von Schünemann Schünemann hat erstmals 1993 seine Ideen zum Organisationsdelikt im Rahmen seiner Ausführungen im Leipziger Kommentar21 vorgestellt. In der Neuauflage des Leipziger Kommentars im Jahr 200722 hat er seine Lehre vom Organisationsdelikt überarbeitet und präzisiert. Von letzteren Ausführungen soll im Folgenden ausgegangen werden. Das Organisationsdelikt wird dabei hauptsächlich in Zusammenhang mit der Anwendbarkeit von § 14 StGB thematisiert. Schünemann führt die Organisationsdelikte als eine Gruppe von Tatbeständen ein, auf die § 14 StGB nicht anwendbar sei, weil es sich bei ihnen nicht um Sonderdelikte handele, 17  Roxin,

Täterschaft und Tatherrschaft, S. 243. in: LK-StGB 11. Aufl., § 14 Rn. 19 ff. 19  Schünemann, in: LK-StGB 11. Aufl., § 14 Rn. 21. 20  Schünemann, in: LK-StGB 11. Aufl., § 14 Rn. 20. 21  Schünemann, in: LK-StGB 11. Aufl., § 14 Rn. 19 ff. 22  Schünemann, in: LK-StGB, § 14 Rn. 20 ff., Vor § 25 Rn. 16 und § 25 Rn. 187. 18  Schünemann,



C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung147

nutzt aber die Gelegenheit, diese Deliktsgruppe näher zu konkretisieren. Schünemann versteht Organisationsdelikte als Gegenbegriff zu den Einzelaktsdelikten. Der Gesetzgeber habe der Masse von Einzelaktsdelikten im Strafrecht einige Organisationsdelikte zur Seite gestellt, welche das spezifische Phänomen des Organisationshandelns erfassen sollen. Während Einzelaktsdelikte die Beschreibungen einer einzelnen Handlung zum Gegenstand haben, enthalten Organisationsdelikte für Schünemann ein Ensemble betrieblicher Abläufe.23 Es handelt sich um Tatbestände, die eine betriebliche Tätigkeit beschreiben und nur Personen erfassen, die diese Tätigkeit insgesamt beherrschen.24 Dementsprechend ist bei ihnen für die Täterschaft nicht die einzelne Handlung entscheidend, sondern Täter ist der, welcher „allein oder mit anderen über diese Abläufe insgesamt die Entscheidungsmacht ausübt, d. h. der der betrieblichen Organisation eines strafrechtlich unerwünschten Erfolges vorsteht“25. Beim Deliktstypus des Organisationsdelikts sei der Fokus von der die einzelnen Teilakte erfüllenden unteren Ebene verlagert auf den beherrschenden Einfluss der Hintermänner am betrieblichen Geschehen.26 Der bloße körperliche Vollzug der Tathandlung soll für die Erfüllung des Tatbestandes eines Organisationsdeliktes nicht ausreichen, vielmehr sei erforderlich, dass die Tathandlung zugleich als Ausübung einer organisatorischen Leitungs- und Entscheidungsmacht verstanden werden könne.27 Schünemann geht davon aus, dass alle auf betriebliche Abläufe ausgerichteten Delikte „im Einklang mit der im Gesetzeswortlaut ausgedrückten, sachlogisch richtigen Intuition des Gesetzgebers“28 als Organisationsdelikte interpretiert werden müssen. Als Beispiele nennt er u. a. die unerlaubte Ausfuhr in § 34 AWG, das Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen oder einer Lotterie (§§ 284, 287 StGB), den Betrieb einer kerntechnischen Anlage (§ 327 StGB) und schließlich das hier relevante Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Eine solche Interpretation knüpfe nicht an allgemeine dogmatische Figuren von Täterschaft und Teilnahme an, sondern sei Ergebnis einer Auslegung der jeweiligen Tatbestände des Besonderen Teils, sei es im StGB oder im Nebenstrafrecht.29

23  Schünemann, 24  Schünemann, 25  Schünemann, 26  Schünemann, 27  Schünemann, 28  Schünemann, 29  Schünemann,

in: in: in: in: in: in: in:

LK-StGB, LK-StGB, LK-StGB, LK-StGB, LK-StGB, LK-StGB, LK-StGB,

§ 14 Rn. 30. § 14 Rn. 30. Vor § 25 Rn. 16. § 14 Rn. 30. § 14 Rn. 30. § 14 Rn. 30. § 25 Rn. 187.

148

4. Teil: Eigener Ansatz

2. Präzisierung, Weiterentwicklung und dogmatische Fundierung der Lehre von Morozinis Eine nähere Präzisierung der Lehre und eine tatbestandliche Ausgestaltung anhand eines konkreten Delikts durch Schünemann hat bisher nicht stattgefunden. Allerdings hat sich sein Schüler Morozinis als Teil seiner Disserta­ tionsschrift im Jahr 2010 darum bemüht, die Lehre vom Organisationsdelikt näher zu fassen. Dabei charakterisiert er das Organisationsdelikt als einen besonderen Tathandlungstyp und knüpft zur Beschreibung der Tathandlung an die Rechtsprechung des BGH zur Organisationsherrschaft an.30 Den von Schünemann gebrauchten sehr abstrakten Begriff der „betrieblichen Tätigkeit“ präzisiert Morozinis wie folgt: Die Tathandlung der Organisationsdelikte betreffe „die Auslösung von regelhaften Abläufen durch Schaffung und Ausnutzung von Rahmenbedingungen, welche (scil. die Auslösung) aufgrund der Ausübung von Weisungs- und Entscheidungsmacht ermöglicht wird“31. Auf diesen Sachverhalt müsse sich auch der Tatbestandsvorsatz beziehen.32 Es gehe beim Organisationsdelikt nicht um die Zurechnung von Handlungen anderer Personen, sondern um die tatbestandliche Erfassung der (eigenen) Ausübung einer Koordinationsfunktion bzw. Vermittlungsmacht.33 Morozinis beschränkt sich nicht auf die allgemeine Charakterisierung, sondern bezieht die Lehre vom Organisationsdelikt auf verschiedene allgemeine Fragen des Strafrechts (Handlungslehre, Rechtsgüterschutz). Außerdem behandelt er die Auswirkungen der Interpretation von Tatbeständen als Organisationsdelikt im Hinblick auf Täterschaft und Teilnahme und Unterlassen. Für Täterschaft und Teilnahme soll das übliche System der §§ 25 ff. StGB gelten. Wer eine betriebliche Tätigkeit im oben genannten Sinne ausübe, sei unmittelbarer Täter i. S. d. § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB. An die Stelle von Handlungsherrschaft bei Einzelaktsdelikten tritt nach Meinung von Morozinis beim Organisationsdelikt die Betriebsherrschaft.34 Für mittelbare Täterschaft, Mittäterschaft und Teilnahme sollen die gleichen Regeln wie beim Einzelaktsdelikt gelten.35 Auch ein unechtes Unterlassungs-Organisationsdelikt hält Morozinis für möglich.36 § 13 StGB gelte für Organisationsdelikte genauso wie für Einzelaktsdelikte. 30  Morozinis, 31  Morozinis, 32  Morozinis, 33  Morozinis, 34  Morozinis, 35  Morozinis, 36  Morozinis,

Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte,

S. 582 f. und 628. S. 583. S. 590 ff. S. 574. S. 600 ff. S. 605. S. 609 ff.



C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung149

3. Aufnahme in der Literatur In der Literatur hat Schünemanns Ansatz ein gemischtes Echo hervorgerufen. Während Radtke37 der Lehre vom Organisationsdelikt ausdrücklich zustimmt, ist sie von Rotsch38, Schlösser39 und Witteck40 kritisiert worden. Ein wichtiger Kritikpunkt ist die Überschreitung des Wortsinns der verwendeten Begriffe.41 Beim Begriff des „Ausführens“ sei z. B. zweifelhaft, ob diesem Begriff tatsächlich die Organisation des Über-die-Grenze-Bringens durch Dritte zugeordnet werden könne.42 Das Bestimmtheitsgebot gebe vor, Straftatbestände möglichst eng zu definieren.43 Die engste Variante sei stets die, welche die Ausführungshandlung erfasse, die unmittelbar zum Erfolg führe.44 Dem werde die Lehre vom Organisationsdelikt nicht gerecht. Weiterhin wird bemängelt, dass kein qualitativer Unterschied zwischen den Tathandlungen der Einzelakts- und Organisationsdelikte erkennbar sei.45 Es gebe keinen sachlichen Grund, warum der Organisator eines Totschlags nicht Täter des § 212 StGB46 oder der Organisator einer Körperverletzung nicht Täter des § 223 StGB47 sein solle. Die Auslegungsmaximen des Organisationsdelikts gerieten deshalb zwangsläufig in Konflikt mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil wesentlich Gleiches ungleich behandelt werde.48 Auch Art. 103 Abs. 2 GG sei betroffen, da die Rechtssicherheit auf eine Verallgemeinerung von Auslegungsmethoden dränge.49 Die Anknüpfung an einzelne Tätigkeitsbegriffe des Besonderen Teils sei schließlich nicht überzeugend.50 Den Vertretern des Organisationsdelikts gehe es vielmehr um ein allgemeines Verantwortungsverständnis, was sich konsequenterweise auch in für alle Tatbestände geltenden Regeln äußern müsse.51 37  Radtke, in: MK-StGB, § 14 Rn. 40; auch Momsen, in: OK-StGB, § 14 Rn. 15 erwähnt die Lehre als Ausnahme zu § 14 StGB. 38  Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 134 f. 39  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121 f. 40  Witteck, Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 183 ff. 41  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121. 42  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121. 43  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121. 44  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121. 45  Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 135; Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 122. 46  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 122. 47  Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 135. 48  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121. 49  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121. 50  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121. 51  Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 121.

150

4. Teil: Eigener Ansatz

Bemängelt wird auch die Vagheit des Kriteriums des organisationsbezogenen Verhaltens.52 Dies ermögliche eine Begrenzung der Täterschaft kaum.53 Am Beispiel des Betreibens einer Anlage gem. § 327 StGB könne man sehen, dass dabei die Sanktionierung jedes konkret handelnden Mitarbeiters bis hin zu Personen in der Unternehmensführung möglich sei.54 Problematisch sei auch das Abstellen Schünemanns auf den umgangssprachlichen Bedeutungsgehalt der Tathandlungen.55 Dies biete keinerlei Gewinn an Rechtssicherheit und gewährleiste keine Ermittlung des eigentlich Verantwortlichen.56 Schünemann stelle insgesamt zu stark auf kriminalpolitische Erwägungen ab.57 Das Strafrecht müsse aber nach v. Liszt „die unübersteigbare Schranke der Kriminalpolitik“58 bleiben.59 Teilweise wird die fehlende dogmatische Einordnung in das System des § 25 StGB bemängelt.60 Es gebe daneben bei Leitungsorganen überhaupt keine Konzentration von Tatmacht und Tatwissen, so dass die eigentliche Tatmacht bei den unteren Ebenen verbleibe und es wenig sachgerecht sei, an die obere Ebene anzuknüpfen.61 Durch das Abstellen auf die „Reflexivität des Wissens“ begründe Schünemann seine Lehre rein subjektiv, was eine gefährliche Parallelität zur subjektiven Theorie mit sich bringe.62 4. Stellungnahme Die geäußerte Kritik ist schon alleine deshalb wenig überzeugend, weil sie den Ausgangspunkt der Lehre vom Organisationsdelikt nicht richtig erkannt hat. Insbesondere Rotsch und Schlösser gehen davon aus, dass es sich um eine Art von Täterlehre handelt.63 Richtigerweise handelt es sich jedoch um eine Lehre vom Tatbestand.64 Es geht darum, ob der Gesetzgeber eine 52  Witteck,

Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 184. Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 184. 54  Witteck, Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 185. 55  Witteck, Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 183. 56  Witteck, Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 183. 57  Witteck, Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 185. 58  Liszt, Strafrechtliche Vorträge und Aufsätze, Band 2, S. 80. 59  Witteck, Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 185. 60  Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 134. 61  Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 134. 62  Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 135. 63  Vgl. bei Rotsch die Einordnung in die Modifikationsebene „Täterschaft und Teilnahme“ – Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 131; bei Schlösser die Einordnung als normativ-soziale Begründungsansatz der Täterschaft – Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 120; vgl. dazu auch Morozinis, Organisationsdelikte, S. 562 und 564. 64  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 562. 53  Witteck,



C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung151

besondere Art von Tathandlungen geschaffen hat, welche an Organisationshandeln anknüpfen.65 Letztendlich handelt es sich um nicht mehr als die Auslegung der jeweiligen Tathandlung, welche die Lehre vom Organisa­ tionsdelikt lediglich insoweit unterstützen will, als sie versucht, für die angesprochenen Delikte Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Lehre vom Organisationsdelikt ist eine Auslegungsanregung, Tathandlungen mit Tätigkeits- und Funktionsbeschreibungen so zu verstehen, dass nicht der körperlich Handelnde die Tathandlung erfüllt, sondern der dahinter stehende Organisator durch sein Organisationshandeln. Die Pauschalität der Kritik ist deshalb überzogen. Die Richtigkeit der Lehre vom Organisationsdelikt kann sich stets nur im Rahmen der Auslegung des jeweiligen Delikts erweisen. Völlig verfehlt ist etwa die Aussage, es gebe keine qualitativen Unterschiede zwischen den verschiedenen Tathandlungen des Besonderen Teils des StGB. Der Wortlaut z. B. bei „töten“ in § 212 StGB und „betreiben“ in § 327 StGB zeigt die Unterschiedlichkeit der Tathandlungen des Besonderen Teils. Während im ersten Fall ein klar umrissener, bildlich vorstellbarer Akt beschrieben wird, legt der Begriff „betreiben“ ein differenzierteres, weniger anschauliches Verständnis nahe. Man muss der Einordnung des § 327 StGB als Organisationsdelikt nicht unbedingt folgen, aber generell die Unterschiede in Wortlaut und Zielrichtung der Tathandlungen des Besonderen Teils des Strafrechts zu leugnen, kann kaum überzeugen. Angesichts der Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Delikte im Besonderen Teil verlangt schon der Respekt vor dem Gesetzgeber, den Unterschieden in der Ausrichtung der Delikte mit offenem Blick nachzugehen. Auch die Behauptung, dass Bestimmtheits- und Analogieverbot sei durch die Überschreitung des Wortsinns der einzelnen Tathandlung verletzt, lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht halten. Beim Handeltreiben beispielsweise könnte ein Verständnis der Tathandlung als Organisationshandeln durchaus eine engere Auslegung hervorbringen als die bisher präferierte Auslegung, die jede Handlung mit entsprechender Zielrichtung ausreichen lässt. Auch hier gilt: nur die Auslegung am konkreten Delikt kann die Frage nach der Überschreitung des Wortlauts und der Bestimmtheit beantworten. 5. Berechtigte Kritikpunkte An anderer Stelle ist die Kritik jedoch berechtigt. Beispielsweise wenn die Vagheit der Tathandlung bemängelt wird. Der Begriff der „betrieblichen Tätigkeit“ ist so abstrakt, dass er kaum sinnstiftend für die konkrete Ausle65  Morozinis,

Organisationsdelikte, S. 562.

152

4. Teil: Eigener Ansatz

gung der jeweiligen Delikte wirken kann. Morozinis merkt deshalb zutreffend an, dass dieser Begriff mit Inhalt gefüllt werden müsse.66 Dies leistet aber zumindest Schünemann nicht hinreichend. Wenn er von einem Ensemble betrieblicher Abläufe spricht, bleibt im Unklaren, an welche Handlung der in Rede stehenden Person angeknüpft werden soll. Genauso im Ungefähren bleibt es, wenn von der Ausübung von Leitungs- und Entscheidungsmacht gesprochen wird. Offenkundig soll sich hier die Tatbestandserfüllung nicht aus einer konkret individualisierbaren Handlung ergeben, sondern aus einer Gesamtschau einer Vielzahl von an sich noch nicht tatbestandsrelevanten Handlungen, welche eine Leitungs- und Entscheidungsmacht ausdrücken. Dazu kommt noch, dass der Begriff „betriebliche Tätigkeit“ insgesamt unglücklich gewählt ist, legt er doch nahe, dass nur legale Organisationen erfasst sein sollen. Diese Aussage möchte aber Schünemann gerade nicht machen, sondern auch illegale Organisationen wie z. B. beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln miteinbeziehen. Morozinis bemüht sich zwar konkreter zu werden, wenn er von der Auslösung von regelhaften Abläufen durch Schaffung und Ausnutzung von Regelhaftigkeit auslösenden Rahmenbedingungen spricht. So deutet hier der Wortlaut Auslösung auf eine konkret fassbare, anknüpfungsfähige Tathandlung hin. Die Formulierung „Schaffung und Ausnutzung von Rahmenbedingungen“ ist dagegen schon wieder vage und wird sich wiederum kaum auf eine konkret feststellbare Handlung zurückführen lassen. Offenkundig aus dem Grundansatz heraus, im Gegensatz zu Einzelaktsdelikten auf eine Gesamtheit von Handlungen beim Organisationsdelikt zu setzen, präferiert insbesondere Schünemann ein Abstellen auf ein breites Spektrum von Organisationshandlungen. Er erweckt den Eindruck, es bedürfte beim Organisationsdelikt einer Mehrzahl von Handlungen im Gegensatz zu einem einzelnen Akt bei „normalen“ Tatbeständen. Dies trägt aber tatsächlich ein erhebliches Maß an Unbestimmtheit in sich. Dabei spielt die Frage, ob auf eine einzelne Handlung oder auf eine Vielzahl von Handlungen abgestellt wird, für eine Charakterisierung des Organisationsdelikts überhaupt nicht die entscheidende Rolle. Insofern ist der von Schünemann aufgebaute Gegensatz irreführend. Die als Organisationsdelikte in Frage kommenden Delikte haben genauso wie andere Delikte eine konkret formulierte Tathandlung, nur kommt bei ihnen hinzu, dass es sich um eine Handlung handeln muss, welche erstens organisatorischen Charakter hat und zweitens Leitungs- und Entscheidungsmacht im Hinblick auf den Gesamtvorgang ausdrückt. Der zentrale Unterschied zu den übrigen Delikten ist, dass bei Organisationsdelikten die bloße unmittelbare, körper66  Morozinis,

Organisationsdelikte, S. 581.



C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung153

liche Vollziehung den Tatbestand nicht erfüllt, sondern ein Organisationshandeln erforderlich ist. Die Notwendigkeit der Individualisierung einer konkret fassbaren Handlung ergibt sich neben der Herleitung aus dem Bestimmtheitserfordernis schon daraus, dass für die Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung sowie Täterschaft und Teilnahme eine fassbare Tathandlung erforderlich ist. Orientiert man sich an einer Vielzahl von Handlungen, wird man kaum einen festen Zeitpunkt des Vollendungseintritts bestimmen können. Vielmehr ergibt sich ein längerer Zeitraum, in dem zwar bereits zur Tatbestandserfüllung geeignete Handlungen ausgeführt werden, diese aber aufgrund der Gesamtschau noch nicht zur Tatbestandserfüllung ausreichen können. Letztendlich bliebe in dieser Konstellation nichts anderes übrig, als den Zusammenhang zwischen Tathandlung und Vollendungseintritt voneinander abzukoppeln. Die hier herausgestellte Notwendigkeit einer klaren Tathandlung soll dabei gar nicht leugnen, dass Organisationshandeln häufig eine Vielzahl von Einzelhandlungen beinhaltet. Allerdings wird sich stets eine Endhandlung finden lassen, in der das bisherige, mehr oder weniger neutrale Verhalten in ein auf das konkrete Delikt bezogenes Organisationshandeln umschlägt. Die letzte Handlung ist der Vollendungszeitpunkt, während die vorgelagerten Tätigkeiten lediglich Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen sind. Ähnliches gilt für Täterschaft und Teilnahme. Möchte man im Bereich der mittelbaren Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB oder Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB zurechnen, benötigt man dafür stets eine fassbare Tathandlung. Ein ganzer Strauß nicht näher bezeichneter Tathandlungen kann nicht zugerechnet werden. Auch für die Ermittlung des Vorsatzes wird eine klar festgelegte Tathandlung als Orientierung benötigt. Zwar muss der Vorsatz nach herrschender Meinung nicht zum Zeitpunkt des Erbringens der Tathandlung vorliegen, sondern dann, wenn der Täter zur Tat unmittelbar ansetzt.67 Wie bereits gezeigt, ist aber gerade zur Festlegung des Versuchsbeginns eine eindeutige Identifizierung der Tathandlung vonnöten. Entscheidend bei Organisationsdelikten ist deshalb nicht eine Ausrichtung auf eine Mehrzahl von Handlungen, sondern vielmehr dass mit der Tathandlung eine gewisse Herrschafts- und Entscheidungsmacht für eine über die konkrete Tathandlung hinausgehende Struktur einhergehen muss. Dies hat auch Morozinis in seinen Ausführungen erkannt, die in diesem Bereich ganz anders als die von Schünemann klingen. Wenn er die „Auslösung von regelhaften Abläufen durch Schaffung und Ausnutzung von Rahmenbedingun­ 67  Vogel,

in LK-StGB, § 15 Rn. 52 f.

154

4. Teil: Eigener Ansatz

gen“68 erwähnt, geht es dabei genau um die angesprochene Endhandlung, die entsprechende Abläufe endgültig in Gang setzt. Festzuhalten ist deshalb: Die Lehre vom Organisationsdelikt enthält die wichtige und für die Auslegung von Tatbeständen hilfreiche Grundaussage, dass es Tatbestände gibt, die an Organisationshandeln anknüpfen. Der daraus gefolgerte Schluss, es bedürfe dazu einer Vielzahl von Handlungen im Gegensatz zu Einzelakten, ist jedoch unzutreffend. Es existiert auch bei Organisationsdelikten eine klare umrissene Tathandlung – mag diese auch nur den Endpunkt einer Vielzahl die Organisationshandlung vorbereitender Handlungen darstellen.

II. Übertragung auf das Handeltreiben 1. Handeltreiben als Beispiel bei Schünemann und Morozinis Sowohl Schünemann als auch Morozinis ordnen das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Organisationsdelikt ein. Die weite Interpretation der Rechtsprechung als „jede von einer bestimmten Tendenz getragene Tätig­ keit“69 lehnen beide ab. Schünemann70 erläutert anhand des Handeltreibens beispielhaft, dass Tatbestandsmerkmale, die eine betriebliche Tätigkeit im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung beschreiben, nur von Personen erfüllt werden können, die diese (Gesamt-)Tätigkeit für sich allein oder in mit­ täterschaftlicher Zusammenwirkung mit anderen beherrschen. Eine solche Interpretation des Handeltreibens scheide völlig untergeordnete Mitwirkungsakte aus dem Tatbestand aus und richte den Tatbestand auf die „kompetenten Täter höherer Ebene“71 aus. Wollte man den verfassungsrecht­ lichen Rahmenbedingungen gerecht werden, sei dies die einzig vernünftige Alternative, müsse man doch ansonsten bei der Einordnung als Einzelaktsdelikt das Handeltreiben als Erfolgsdelikt in dem Sinne interpretieren, dass die Vollendung des Handeltreibens von dem Abschluss einer Einigung mit dem Lieferanten abhängig gemacht werde. Nur bei diesen beiden Auslegungsvarianten sei eine Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme einerseits sowie Vorbereitung, Versuch und Vollendung andererseits möglich. Schünemanns Konzeption des Organisationsdelikts bleibt nicht auf Organisationen beschränkt, ebenfalls erfasst sein soll der Ein-Mann-Unternehmer, also auch ein Kleindealer beim Handeltreiben mit Betäubungsmit68  Morozinis,

Organisationsdelikte, S. 583. in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 16. 70  Vgl. Schünemann, in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 16. 71  Schünemann, in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 16. 69  Schünemann,



C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung155

teln.72 Auch dieser übe eine betriebliche Tätigkeit aus. Anstatt des „kollektiven Scheinrechtsgutes“73 der Volksgesundheit möchte Schünemann die staatliche Bewirtschaftungshoheit als „kollektives Zwischenrechtsgut“74 treten lassen, hinter welchem der Schutz Jugendlicher oder anderweitig nicht frei verantwortlicher Handelnder stehe. Für Morozinis stellt das Handeltreiben einen Archetyp für das Organisationsdelikt dar.75 Er äußert die Überzeugung, dass die Lehre vom Orga­ nisationsdelikt dem Handeltreiben feste Konturen verschaffen werde, soweit die Tathandlung einem Tathandlungstyp zugeordnet werden könne, der mit einem besonderen Täter- bzw. Herrschaftskriterium korrespondiert.76 ­Morozinis nutzt Erkenntnisse, die bisher vor allem im Bereich der strafrechtlichen Konkurrenzlehre relevant wurden. Beim Handeltreiben zieht er dabei die Figur der Bewertungseinheit heran. Es handele sich beim Handeltreiben um einen Tatbestand, in dem der Gesetzgeber eine pauschalisierte Handlungsbeschreibung verwende, die eine Mehrheit von teilweise über einen langen Zeitraum stattfindenden Einzelakten unterschiedlichen Gewichts erfasse.77 Die pauschalisierte Handlungsbeschreibung weise darauf hin, dass beim Handeltreiben nicht eine, sondern typischerweise mehrere Handlungen für die Tatbestandserfüllung nötig seien. Die Vornahme von Einzelhandlungen sei separat sanktioniert. Eine Person, die Betäubungsmittel verkaufe, erfülle nicht den Tatbestand des Handeltreibens, sondern den des Veräußerns. Morozinis hält § 29 Abs. 1 BtMG für einen „alternativen Mischtatbestand“78, welcher einerseits mit dem Handeltreiben auf Organisationshandeln zugeschnitten sei, während er andererseits auch Einzelakte wie Veräußern, Abgeben und Erwerben enthalte. Mehr Orientierung als diese vagen abstrakten Ausführungen liefern einige konkrete Beispiele, die Morozinis im Rahmen seiner weiteren Ausführungen anführt. Der Drogenbaron, der sein Geschäft auf eine bestimmte Region erstrecken wolle und entsprechende Leitlinien seiner „Politik“ den Untergebenen mitteile, erfülle den Tatbestand des Handeltreibens, wenn dabei konkrete Vorkehrungen getroffen seien, unter denen es zu konkreten Veräußerungsakten komme, bei denen der Drogenbaron die regelhaften Abläufe ausnutze.79 Dabei seien keine strengen Anforderungen an den Vorsatz zu 72  Schünemann,

in: LK-StGB, § 14 Rn. 30. in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 16. 74  Schünemann, in: LK-StGB, Vor § 25 Rn. 16. 75  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 558. 76  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 559. 77  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 575. 78  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 585. 79  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 583. 73  Schünemann,

156

4. Teil: Eigener Ansatz

stellen. So brauche ein im Ausland befindlicher Drogenbaron nicht zu wissen, wann und wo Betäubungsmittel verkauft, übereignet und eingeführt werden.80 Ausreichend sei die Kenntnis, dass es verantwortliche Personen in der nachgelagerten Organisation gebe, denen die Abläufe des konkreten Drogengeschäfts bekannt seien.81 Als Täter des Handeltreibens kommen nach Morozinis Auffassung nicht nur der Organisationschef selbst, sondern auch untergeordnete Personen mit Leitungsfunktion in Betracht, wie etwa ein Hauptdealer für Deutschland oder ein für einen engen örtlichen Bereich zuständiger Kleindealer.82 2. Konkrete Anwendung der Grundsätze auf das Handeltreiben Schünemann verlangt, wie bereits dargestellt, bei Organisationsdelikten eine betriebliche Tätigkeit bzw. ein Ensemble betrieblicher Abläufe. Aufgrund des schon kritisierten großen Maßes an Abstraktion83 soll auf eine nähere Beschreibung des Begriffs bei Morozinis zurückgegriffen werden. Morozinis schlägt vor, an die Auslösung von regelhaften Abläufen durch Schaffung und Ausnutzung von Rahmenbedingungen anzuknüpfen.84 Taugliche Tathandlung des Handeltreibenden ist dann eine solche, die regelhafte Abläufe nach sich zieht, aufgrund derer es zu konkreten Veräußerungsakten in Bezug auf Betäubungsmittel kommt.85 Erforderlich ist außerdem, dass diese Auslösung der regelhaften Abläufe aufgrund der Ausübung von Weisungs- bzw. Entscheidungsmacht ermöglicht wird. Wenn ein Gericht wegen Handeltreibens verurteilen möchte, hätte es mithin folgende Punkte festzustellen: (1) das Bestehen von Rahmenbedingungen, welche regelhafte Abläufe hin zum konkreten Betäubungsmittelgeschäft auslösen können, (2) Weisungs- und Entscheidungsmacht des Handelnden innerhalb dieser Struktur, (3) die tatsächliche Auslösung solcher regelhafter Abläufe und (4) dass es zu konkreten Veräußerungsakten mit Betäubungsmitteln gekommen ist. Beispiel: Mafiaboss B weist seine treu dienenden Gehilfen an, in Kolumbien auf bekannten Kokainplantagen Drogen zu erwerben, diese nach Deutschland zu transportieren und in verschiedenen Städten für den Verkauf zu sorgen. Um B zu verurteilen, wäre es mithin erforderlich, folgende Punkte vom Gericht festzustellen: (1) das Bestehen von Organisationsstrukturen, welche B erlauben, 80  Morozinis, 81  Morozinis, 82  Morozinis, 83  Morozinis, 84  Morozinis, 85  Morozinis,

Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte, Organisationsdelikte,

S. 591. S. 591. S. 606. S. 581. S. 583. S. 583.



C. Die Lehre vom Organisationsdelikt als Auslegungsanregung157 sich seiner Gehilfen zu bedienen, (2) eine besonders hervorgehobene Stellung des B, welche ihm Leitungs- und Entscheidungsmacht verschafft, (3) die ausdrück­ liche Anweisung, die entsprechenden Ankauf-, Transport- und Verkaufstätigkeiten auszuführen und (4) die Tatsache, dass es tatsächlich zum Verkauf von Betäubungsmitteln gekommen ist.

3. Praktische Probleme Diese Voraussetzungen leuchten zwar zunächst ein, sind aber mehr auf legale Organisationen und Unternehmen als auf Strukturen von Betäubungsmittelkriminalität zugeschnitten. Morozinis Ausführungen orientieren sich am Bild einer festen Unternehmensstruktur, bei welcher sich quasi schon aus dem Organigramm die hierarchischen Verhältnisse ergeben. Das Funktionieren der Hierarchie wird hierbei schon durch das Bestehen arbeitsrechtlicher Pflichten der Untergebenen abgesichert. Im Bereich von Betäubungsmittelkriminalität bestehen häufig überhaupt keine festen, stabilen Organisationen, sondern es herrschen eher lose und flexible Verbindungen vor. Aus Gründen der Tarnung ist eine Verschleierung der tatsächlichen Organisationsstrukturen an der Tagesordnung, so dass selbst dann, wenn feste Hierarchien bestehen sollten, diese für die Strafverfolgungsbehörden kaum einsehbar sind.86 Gerade die untergeordneten Personen wechseln häufig und haben deshalb kaum Einblick in die übergeordneten Strukturen, so dass auch bei ihnen kein Wissen vorhanden ist, welches sie als Kronzeugen in Aussagen über die strukturellen Gegebenheiten eines Betäubungsmittelrings im Prozess weitergeben können. Die Ermittlung der entsprechenden organisatorischen Rahmenbedingungen dürfte deshalb im Bereich von Betäubungsmittelkriminalität kaum durchführbar sein. Es erscheint daher unmöglich, die oben genannten ersten beiden Voraussetzungen nachzuweisen. Die organisatorischen Rahmenbedingungen und die hierarchischen Verhältnisse werden in der Regel gerichtlich nicht feststellbar sein. 4. Einseitige Fixierung auf organisatorische Strukturen Allerdings ist ohnehin fraglich, ob eine derartige Fixierung auf die Organisation selbst dem Tatbestand des Handeltreibens entspricht. Die Formulierung als Tätigkeitsbegriff legt vielmehr nahe, den Fokus auf organisatorisches Handeln zu legen. Zur Ermittlung einer Organisationsmacht beim Handeltreiben kommt es nicht auf eine Beherrschung einer irgendwie gear86  Siehe

4. Teil B. III. 2.

158

4. Teil: Eigener Ansatz

teten und explizit ermittelten Organisation an. Organisationsmacht drückt sich vielmehr dadurch aus, dass der Täter Handlungen vornimmt, die für den Handel unverzichtbare Beiträge leisten. Die Organisationsmacht ergibt sich also nicht aus dem Bestehen organisatorischer Rahmenbedingungen oder hierarchischer Verhältnisse, sondern durch die Bedeutung der vorgenommenen Handlung für den Betäubungsmittelhandel insgesamt. Dieses Verständnis des Organisationsdelikts wird dem Handeltreiben deutlich besser gerecht, als z. B. das Verständnis von Morozinis, welches eine explizite Feststellung von organisatorischer Rahmenbedingungen und hierarchischen Verhältnissen verlangt. Die hier vorgeschlagene Auslegung hält sich streng am Wortlaut, welcher das Vorhandensein einer Tätigkeit, das „Handeltreiben“, ausreichen lässt und orientiert sich eng am Bezugspunkt der Tätigkeit, nämlich dem Handel selbst. Der Wortlaut des Tatbestands gibt die Organisationsstruktur selbst vor, die im Mittelpunkt stehen muss: die Organisationsstruktur des Handels. Nach dieser Lesart entfällt auch das letzte Erfordernis, die Feststellung von Veräußerungsakten. Dieser Punkt dürfte nämlich ähnliche Schwierigkeiten bereiten, wie die beiden ersten. Insbesondere bei längeren Lieferketten dürfte in vielen Fällen der konkrete Veräußerungsakt, der nicht einmal dem eigentlich die Organisation Kontrollierenden bekannt sein muss, schwer zu ermitteln sein.

D. Die Neufassung des Handeltreibens I. Zusammenführung der gewonnenen Erkenntnisse Das Kriterium Gesamtgeschäft des BGH bietet ein taugliches Grundgerüst für eine Neufassung des Handeltreibens. Entscheidend für das Handeltreiben ist nicht die Verwirklichung eines Teilakts, sondern die Bedeutung der konkreten Handlung für das Gesamtgeschäft. Die nähere Bestimmung nimmt der BGH anhand eines Leitbilds vor, welches Organisationsmacht in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. Insoweit stimmt er mit der Lehre vom Organisationsdelikt überein. Es gibt Tatbestände im Strafrecht, die nicht an die bloße körperliche Vollziehung einer Tathandlung anknüpfen, sondern organisatorisches Handeln in den Mittelpunkt stellen. Klar geworden ist außerdem, dass der zentrale Anknüpfungspunkt die konkrete Beschaffenheit der Tathandlung bleiben muss. Erforderlich ist eine Form der Tathandlung, die einen sicheren Schluss auf Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft zulässt. Der in der Praxis am leichtesten handhabbare Ansatzpunkt ist dabei das Kriterium, welches eine über einen Einzelakt hinausgehende Tätigkeit fordert. Dies lässt sich gut auf die



D. Die Neufassung des Handeltreibens159

Tatbestandsebene überführen. Es stellt klare Anforderungen an die Tathandlung, welche in der Praxis gut feststellbar sind. Insoweit geht das Kriterium über die Formulierung von Indizien hinaus. Es ist nicht Ergebnis einer wertenden Betrachtung des Einzelfalls, sondern enthält klar abstrakt im Vorhinein festgehaltene Kriterien, die mit den konkreten Handlungen des Täters im Einzelfall abgeglichen werden können. Diese Erkenntnis beschränkt sich auch nicht auf Fallkonstellationen mit Kurieren, sondern lässt sich ohne Probleme verallgemeinern. Erforderlich ist eine Tathandlung, welche über den Vollzug eines bloßen Einzelakts wie Transportieren, Ankaufen, Verkaufen, Besitzen etc. hinausgeht. Allerdings kann diese Erkenntnis allein eine trennscharfe, rechtssichere Lösung nicht gewährleisten. Sie bedarf der weiteren Konkretisierung. Was für Verhaltensweisen sind das, die über die Vornahme von Teilakten ­hinausgehen und Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft zeigen?

II. Vornahme mehrerer Teilakte Naheliegend ist es, an die Vornahme mehrerer Teilakte zu denken. So könnte man alle die Personen unter das Handeltreiben fassen, die mehr als einen Einzelakt vornehmen. Werden Betäubungsmittel von einer Person nicht nur transportiert, sondern auch veräußert, wäre das Handeltreiben erfüllt. Beschränkt sich der Beteiligte dagegen auf den Transport, wäre er nicht wegen Handeltreiben strafbar. So einleuchtend diese Überlegung auf den ersten Blick ist, so leicht zeigt sich ihre Unvollkommenheit. Die Vornahme von mehreren Teilakten lässt nämlich keinen Schluss auf Organisationsmacht in Bezug auf das Gesamtgeschäft zu. Bleiben wir beim Beispiel des Transports und der Veräußerung: Diese beiden Handlungen alleine sind für den Gesamtvorgang von der Produktion hin zum Endkunden nicht besonders bedeutend. In der Regel sind Personen, die Aufgaben wie den Transport und Verkauf übernehmen, leicht zu ersetzen, so dass ihr Ausfall in der Handelskette kaum Hindernisse bereitet. Außerdem dürfte ein Verkauf ohne vorheriges Transportieren eher selten stattfinden, geht man nicht vom ungewöhnlichen Fall eines Lagerverkaufs aus. Einen sicheren Schluss von der Verwirklichung mehrerer Teilakte auf Organisationsmacht kann man jedenfalls nicht ziehen, auch wenn durchaus Fälle vorstellbar sind, in denen die Vornahme mehrerer Teilakte mit Organisationsmacht korrespondiert. Im Gegensatz zum Vorgehen des BGH, welcher in einer unmittelbare Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgifts neben dem Transport einen Hinweis auf ein täterschaftliches Vorgehen

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4. Teil: Eigener Ansatz

sieht,87 muss hier ein sicherer Schluss auf die Bedeutung im Gesamtgeschäft gezogen werden. Der BGH zieht den Gesichtspunkt im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung nur als ein Indiz heran. Wenn man sich zuverlässig ausschließlich an der Tathandlung orientieren möchte, ist die Überlegung nicht tragfähig.

III. Verbindungsleistung Ausgangspunkt der weiteren Ausführungen bleibt die Erkenntnis, dass Handeltreiben mehr bedeutet als die bloße Verwirklichung eines Einzelakts. Aber auch der Vollzug mehrerer Teilakte kann nicht ausreichen. Was aber hat nun entscheidende Bedeutung für das Gesamtgeschäft, wenn es nicht die Vornahme eines einzelnen oder mehrerer Teilakte ist? Welche Handlung drückt Organisationsmacht aus, ohne die das Betäubungsmittelgeschäft nicht ablaufen kann? Die Antwort liegt auf der Hand: Wenn es nicht die Teilakte selbst sind, kann es nur die Verbindung der verschiedenen Teilakte sein. Personen, die für die Verbindung der Einzelakte sorgen, stellen das Gelingen des Betäubungsmittelhandels insgesamt sicher. Betäubungsmittel gelangen nur dann vom Produzenten bis zum Konsumenten, wenn Personen existieren, die die handelstypischen Einzelakte miteinander verbinden. Die Ausführung der Einzelakte wie der Transport, die Lagerung oder der Anund Verkauf ist letztlich für das Gesamtgeschäft ohne entscheidende Bedeutung. Sie sind in der Regel leicht vorzunehmen und die handelnden Personen austauschbar. Die verschiedenen Teilakte können problemlos auch von anderen Personen ausgeführt werden, wenn der eigentlich vorgesehene Beteiligte ausfällt. Dagegen kann die Verbindungsperson nicht ohne weiteres ersetzt werden. Ihr Ausfall stellt auch das Gelingen des Drogengeschäfts insgesamt in Frage. Für den Betäubungsmittelhandel entscheidend ist die Existenz von Personen, die entsprechende Kontakte herstellen, verschiedene Handelsstufen überblicken und eventuell ausfallende Einzelfiguren ersetzen. Charakteristisch für das Handeltreiben ist deshalb die Mittlerfunktion, welche durch einen Organisationsakt zumindest zwei Teilakte zusammenführt; der Handeltreibende fungiert als Bindeglied zwischen den Einzelakten im Rahmen von Drogengeschäften. Am Besten wird dies deutlich, wenn man modellhaft ein typisches Betäubungsmittelgeschäft betrachtet, wie es sich für Kokain oder Cannabis mit dem Absatzmarkt Deutschland darstellen könnte. Nach der Produktion werden die Betäubungsmittel durch einen Mittelsmann beim Produzenten (der 87  BGH, Urt. v. 28.02.2007 – 2 StR 516 / 06, BGHSt 51, 219 (223); Beschl. v. 21.11.2007 – 2 StR 468 / 07, NStZ 2008, 285; Beschl. v. 19.03.2009 – 4 StR 20 / 09, NStZ-RR 2009, 254 (255); Beschl. v. 22.08.2012 – 4 StR 272 / 12, NStZ 2012, 375.



D. Die Neufassung des Handeltreibens161

sich etwa in Südamerika befindet) abgeholt und bezahlt. Anschließend werden die Drogen nach Europa transportiert, etwa in die Niederlande oder nach Spanien. Dort findet die Verpackung, Aufteilung, Streckung und Verteilung auf die Regionalmärkte statt. Ein weiterer Kurier transportiert die Betäubungsmittel nach Deutschland, wo er sie einer weiteren Person zur Lagerung übergibt. Diese verkauft die Betäubungsmittel portionsweise an Kleindealer, welche die Drogen dann an den Endkunden weiterveräußern. Typischerweise erfüllen dabei die Personen, die mit den Drogen tatsächlich in Kontakt kommen, nur die von ihnen erwartete Tätigkeit wie Ankaufen, Transportieren, Verpacken, Lagern und Verkaufen. Dagegen kommen die Hintermänner, die das Geschehen steuernd ablaufen lassen, in dem sie z. B. den Kontakt zum Produzenten herstellen, einen Strohmann mit dem Ankauf beauftragen oder einen Kurier losschicken, mit den Drogen selbst häufig überhaupt nicht in Kontakt.

IV. Anknüpfungsfähige Teilakte Wenn als Tathandlung die Verbindungsleistung zwischen zwei betäubungsmittelspezifischen Teilakten in den Mittelpunkt gestellt wird, stellt sich wie von selbst die Frage, welche Handlungen solche anknüpfungsfähige Teilakte darstellen können. Ein Teil dieser Frage lässt sich schon mit einem Blick auf die Auflistung der Tatmodalitäten klären, die der Gesetzgeber selbst in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG aufgeführt hat: der Anbau, das Herstellen, die Einfuhr, die Ausfuhr, die Veräußerung, die Abgabe, das sonstige In-Verkehr-Bringen, der Erwerb und das Sich-In-Sonstiger-WeiseVerschaffen. Dabei passen aber nicht alle zum wirtschaftlichen Verständnis, das dem Gesamtgeschäft zugrunde liegt. Dem Abgeben und dem Sonstigen-In-Verkehr-Bringen fehlt der Geschäftscharakter, so dass deren Verbindung bei einem Tatbestand wie dem Handeltreiben, welcher Eigennützigkeit voraussetzt, nur selten relevant werden dürften. Denkbar sind allerdings Fälle, in denen der die Verbindung Herstellende die Einzelakte erbringende Person täuscht und auf ein Betäubungsmittelgeschäft abzielt, ohne dass diese Tatsache der Person bekannt ist. Beim Sich-In-Sonstiger-Weise-Verschaffen kann dagegen ein Geschäftscharakter gegeben sein; es ist leicht vorstellbar, dass etwa der Diebstahl von Betäubungsmitteln handelsrelevant werden kann. Fraglich ist, ob Anbau und Herstellung zu einem handelsspezifischen Verständnis des Gesamtgeschäfts passen. Wenn mit dem Gesamtgeschäft die Verbindung von Produktion und Konsum gemeint ist, scheinen auf den ersten Blick der diesem Prozess vorgelagerte Anbau und die Herstellung

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4. Teil: Eigener Ansatz

nicht als anknüpfungsfähige Teilakte in Betracht zu kommen. Handel beginnt erst nach Abschluss von Anbau und Herstellung. Allerdings muss nach dem obigen Verständnis nicht der Teilakt selbst handelsrelevant sein, vielmehr muss die tatbestandsrelevante Tathandlung, also die oben geforderte Verbindungsleistung im Bereich des Handels anzusiedeln sein. Dies ist z. B. bei einer Vermittlung zwischen Produktion und Transport ohne weiteres der Fall. Auch beim Anbau und bei der Herstellung handelt es sich somit um anknüpfungsfähige Teilakte. Gleiches gilt für den Enderwerb des Konsumenten, welcher an sich ebenfalls außerhalb des Handels liegt, aber für eine Verbindungsleistung durchaus anknüpfungsfähig ist. Von den weiteren in § 29 Abs. 1 BtMG geregelten Tatmodalitäten stellen nur wenige handelsrelevante Teilakte dar. Handelsrelevant ist z. B. der Besitz gem. Nr. 3, wenn es um die Lagerung von Betäubungsmitteln geht. Auch bei der Werbung nach Nr. 8 ist eine Verbindungsleistung denkbar. Schließlich kann auch das Bereitstellen von Geldmitteln oder anderen Vermögensgegenständen nach Nr. 13 als anknüpfungsfähiger Teilakt für eine Verbindungsleistung dienen. Insgesamt dürfen die Tatmodalitäten nicht als abschließende Auflistung gesehen werden. Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber sie nicht zum Zwecke der vollständigen Erfassung handelsrelevanter Teilakte aufgelistet hat, sondern zur selbstständigen Erfassung besonders sanktionswürdiger Handlungen mit Betäubungsmittelbezug. Ein vollständigeres Bild erhält man, wenn man die oben aufgezeigten Dimensionen des Handels88 mit ihren typischen Tätigkeiten betrachtet. Im Bereich der räumlichen Dimension angesiedelt ist dabei der Warentransport, welchen der Gesetzgeber mit Einfuhr und Ausfuhr in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfasst. Natürlich kann dabei aber nicht das Übertreten der Grenzen entscheidend sein, es geht allein um den Transportvorgang an sich. Im Bereich der räumlichen Dimension kann man auch das Veräußern und Erwerben einordnen, soweit es um den Zwischenhandel und die Verteilung auf verschiedene Länder und Regionen geht. Zeitlich relevant ist die Vorratshaltung, also der Besitz im Sinne einer Lagerung nach Nr. 3. In quantitativer Dimension hat der Gesetzgeber keinen Teilakt explizit normiert, es kommen Tätigkeiten wie Wiegen, Sammeln, Aufteilen, Umpacken und Kommissionieren in Betracht. In der qualitativen Perspektive können Tätigkeiten wie (Aus-)Sortieren, Manipulieren (Mischen, Abpacken), Markieren und Sortimentieren relevant werden. Allerdings ist Vorsicht geboten, damit der Kreis der anknüpfungsfähigen Teilakte nicht unendlich weit gezogen wird. Deshalb sollten nur solche Teilakte einbezogen werden, die einen unmittelbaren Bezug zum Tatobjekt 88  Siehe

4. Teil B. III. 2.



D. Die Neufassung des Handeltreibens163

der Betäubungsmittel haben. Die Vermietung eines Autos für den Betäubungsmitteltransport wäre demzufolge kein tauglicher Teilakt, da dabei ein solcher Bezug fehlt. Andernfalls wäre schon das Kontaktherstellen eines Betäubungsmitteltransporteurs mit einem Autovermieter eine hinreichende Verbindungsleistung. Gleiches gilt für den Vermieter eines Lagerhauses und einen Drogenlageristen. Ohne Bedeutung ist schließlich, ob die Teilakte von einer oder mehreren Personen verwirklicht werden. Zwar fehlt es an einer Verbindungsleistung bei einer Verwirklichung mehrerer Teilakte durch eine Person, aber die Anweisung des Hintermanns an einen Gehilfen, mehrere Teilakte auszuführen, kann ohne Probleme eine taugliche Verbindungsleistung darstellen.

V. Leistungsfähigkeit des Kriteriums Das Merkmal der Verbindungsleistung passt für die gesamte Breite und Vielfalt des Drogenhandels. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sich der Drogenhandel häufig nicht schematisch auf bestimmte Grundstrukturen reduzieren lässt, etwa auf einen internationalen, mafiös organisierten Großhandel und einen regionalisierten, durch Einzeltäter charakterisierten Kleinhandel.89 Beim internationalen Drogenhandel lassen sich neben großen Organisationen und Kartellen, die in ihrer Struktur teilweise Wirtschaftsunternehmen ähneln,90 auch viele kleine selbstständige Einheiten mit lockerem Beziehungsgeflecht feststellen.91 Eine wichtige Rolle spielen dabei professionelle Mittler, die keiner Organisation fest angehören, aber in systematischer Weise Verbindungen herstellen.92 Persönliche Beziehungen sind in den verschiedenen Netzwerken von besonderer Bedeutung, man stellt Kontakt zwischen den verschiedenen Personen her, die man ins Vertrauen gezogen hat.93 Ein beachtlicher Teil der Betäubungsmittel kommt in vergleichsweise geringen Mengen über auswechselbare Einzelpersonen nach Europa („Ameisenhandel“), etwa über die sogenannten Schluckkuriere.94 Der Drogenhandel auf regionaler Ebene ist häufig kaum organisiert, besteht aus vielen Einzelpersonen, die voneinander unabhängig als Dealer arbeiten 89  Kreuzer / Thamm, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 122 f.; Werse, in: Drogenmärkte, S. 7; hinsichtlich der verschiedenen Drogenarten soll hier nicht im Einzelnen differenziert werden, auch wenn dabei teilweise große Unterschiede in den Handelsprozessen erkennbar sind, vgl. Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (44 f.). 90  Stock, in: Drogen – Sucht – Kriminalität, S. 39 (44). 91  Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (22, 33 und 41). 92  Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (22). 93  Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (42 f.). 94  Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (23, 33 f. und 41).

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4. Teil: Eigener Ansatz

und häufig selbst süchtig sind.95 Vieles läuft auch hier über Vermittler („checker“), die Kontakte herstellen und Botschaften übermitteln.96 Soweit Gruppen den regionalen Handel betreiben, sind sie meist klein, flexibel, wandelbar und bestehen aus zeitlich befristeten Partnerschaften.97 Die Marktentwicklung läuft hier häufig von unten nach oben, d. h. ursprüngliche Selbstversorger schließen sich zusammen und bilden Kleinstorganisationen für den Handel.98 Das Kriterium der Verbindungsleistung ist in der Lage, all diese Organisationsformen zutreffend zu erfassen. Die Verbindung der Teilakte lässt sich sowohl im internationalen als auch im regionalen Drogenhandel feststellen. Sie wird gleichermaßen durch den selbstständigen, freischaffenden Vermittler vorgenommen, wie auch durch den einer Organisation vorstehenden Drogenbaron und andere Führungspersonen. Die Verbindung von Teilakten findet nicht nur bei Vermittlungsbemühungen, sondern auch bei Anweisungen in hierarchischen Systemen statt, in denen der Bandenchef sich auf die loyale Ausführung seiner Anordnungen verlässt. Insgesamt dürfte das Handeltreiben nach der vorgeschlagenen Neufassung vor allem zwei Anwendungsbereiche haben: die Vermittlung von Betäubungsmittelgeschäften und die Ausnutzung organisatorischer Strukturen durch Führungspersönlichkeiten. Die erste Fallgruppe passt gut zur Entstehungsgeschichte des Handeltreibens, nach der der Gesetzgeber mit dem Handeltreiben vor allem Vermittler erfassen wollte.99 Beispiel: B ist auf der Suche nach neuen Quellen für seinen Heroinkonsum und spricht den bekannten Vermittler A an. A stellt zwischen B und dem ihm bekannten Dealer C einen Kontakt her, so dass C dem B nun regelmäßig Heroin liefert. Für die Vermittlung erhält A einen festen Anteil des Kaufpreises. A hat hier zwei Teilakte, nämlich Veräußerung durch C und Erwerb des B zusammengeführt und damit eine Verbindungleistung erbracht. Seine Handlungen waren auf Betäubungsmittelumsatz gerichtet und durch den vereinbarten Anteil am Kaufpreis auch eigennützig.

Das Kriterium funktioniert genauso in Fällen, in denen sich der Täter bei seinem Vorgehen einer Organisation bedient. Dabei ist das Vorliegen eines großen mafiös strukturierten Betäubungsmittelrings nicht erforderlich. 95  Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (23); Kreuzer / Thamm, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 161. 96  Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (23); Kreuzer / Thamm, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn.  202 ff. 97  Hess, in: Drogenmärkte, S. 17 (35). 98  Kreuzer / Thamm, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 132 ff. 99  Siehe im Einzelnen 4. Teil F. III.



D. Die Neufassung des Handeltreibens165

Auch in kleineren Strukturen kommt es zur Verbindung verschiedener Teilakte, da auch hier denknotwendig verschiedene Schritte durchgeführt werden müssen. So müssen die Betäubungsmittel zumindest hergestellt und verkauft werden, in der Regel wird auch ein Transport erforderlich sein. Dazu ein Beispiel, wie es sich typischerweise einem deutschen Gericht stellen könnte. Beispiel: A, B, C und D bestreiten ihren Lebensunterhalt mit Betäubungsmittelgeschäften. A transportiert dabei die Betäubungsmittel aus den Niederlanden nach Deutschland, wo er sie B überlasst, welcher die Betäubungsmittel lagert, portioniert und in vorgegebenen Mengen an den Kleindealer C weitergibt. C verkauft die Ware an Betäubungsmittelkonsumenten. D kommt dabei die Aufgabe zu, Kontakte zu den niederländischen Mittelsmännern herzustellen, außerdem sagt er A, wann und wohin er Fahrten durchführen soll und erklärt B, wann und wie viel er an C weitergeben soll. Eine Mittlerfunktion und damit Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft übt in diesem Fall nur D aus. Jede seiner Handlungen (Kontaktherstellen, Fahrtorganisation, Gestaltung der Weitergabe) verbindet zwei betäubungsmittelspezifische Einzelakte miteinander und erfüllt nach der hier vorgeschlagenen Lösung den Tatbestand des Handeltreibens. Welcher Einzelakt bei den verschiedenen Personen vorliegt, ist dabei gar nicht entscheidend. Ob A die Betäubungsmittel bei einer niederländischen Kontaktperson erworben oder sie sich auf andere Weise beschafft hat, kann dahinstehen. Maßgeblich ist, dass eine Person zuvor einen Teilakt wie Anbau, Einfuhr, Sich-Verschaffen oder Veräußerung vorgenommen haben muss, welchen D mit dem Teilakt des A (Erwerb oder Sich-Verschaffen sowie Transport) verbindet. Diese Teilakte des A werden wiederum mit dem Besitz des B verbunden. Schließlich ergibt sich eine dritte Organisationshandlung durch Vermittlung der Weitergabe an C, welcher durch den Verkauf an die Endkunden den Einzelakt der Veräußerung erfüllt.

Denkbar ist nur eine Fallkonstellation, in der die Anknüpfung an eine Verbindungsleistung unmöglich ist: der völlig ohne fremde Hilfe handelnde Alleintäter. Derartige Fälle dürften in der Praxis allerdings extrem selten vorkommen, denn selbst Betäubungsmittel, die in Deutschland produziert werden können, werden in der Regel nicht von einem alleine agierenden Produzenten auch an den Endkunden geliefert. Aber selbst wenn es solche Fälle geben sollte, erscheint es sachgerecht, diese dem Handeltreiben nicht zu unterwerfen. Bei diesem Vorgehen spielt das Handelstypische, nämlich die Verbindung von Produktion und Konsum durch verschiedene, arbeitsteilige Leistungen in räumlicher, zeitlicher, qualitativer und quantitativer Perspektive, gerade nicht die entscheidende Rolle. Der Unrechtsgehalt der Handlungen eines solchen Alleintäters wird zutreffender von den Einzeltatbeständen wie Anbau, Einfuhr und Veräußerung erfasst. Damit soll nicht ausgedrückt werden, dass ein solcher verschiedenste Teilakte vornehmender Alleintäter minder strafwürdig ist als der Verbindungen herstellende Hinter-

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4. Teil: Eigener Ansatz

mann. Ein geringeres Strafmaß ist jedenfalls angesichts des gleichen Strafrahmens nicht zu befürchten, insbesondere wenn man je nach Beschaffenheit des konkreten Falls berücksichtigt, dass durch die Annahme von Tatmehrheit sogar eine härtere Sanktionierung erfolgen kann. Insgesamt erweist sich die Verbindungsleistung als trennscharfes Kriterium, welche Organisationshandlungen klar von Einzelakten abgrenzt. Sie ist verallgemeinerungsfähig und tauglich für die gesamte Breite der Strukturen und Organisationsformen des Drogenhandels. Zwar werden Kritiker einwenden, dass auch manche Teilakte selbst Mittlerfunktion haben und zwei Einzelakte miteinander verbinden. So könnte man auf die Idee kommen, der Veräußerung eine solche Mittlerfunktion zuzuschreiben, da sie gegebenenfalls eine Transporthandlung des Verkäufers mit dem Weiterverkauf des Erwerbers zusammenführt. Dabei würde aber übersehen, dass in diesem Fall nicht der Veräußerungsakt selbst Verkäufer und Erwerber zusammenbringt, sondern die Vermittlung des Kontakts. Dass in einer Vielzahl von Fällen die Vermittlung des Kontakts und die Veräußerung des Betäubungsmittels durch eine Person vorgenommen werden, ist dabei ohne Belang. Für das Handeltreiben alleine entscheidend ist der Vermittlungsakt, weil dieser die für das Handeltreiben typische Verbindungsleistung ergibt.

VI. Verbindung als Handlung oder Erfolg Ist nun mit der Verbindungsleistung ein taugliches Kriterium zur Präzisierung des Handeltreibens gefunden, müssen einige Folgefragen geklärt werden. Offen geblieben ist bisher, ob die Verbindung der verschiedenen Teilakte als Erfolgserfordernis konzipiert ist oder ob dafür eine darauf abzielende Handlung ausreicht. Im ersten Fall müsste die Verbindung tatsächlich erfolgreich gewesen sein, also in der Konstellation der Vermittlung tatsächlich eine Kontaktherstellung stattgefunden haben und die beiden Seiten ihre jeweiligen Teilakte erbracht haben. Soweit es um die Verbindungsleistung in hierarchischen Strukturen geht, müssten die entsprechenden Personen die Anweisung des übergeordneten Hintermannes tatsächlich ausgeführt haben. Lässt man dagegen eine auf die Verbindung abzielende Handlung genügen, wäre schon das Verschaffen von Möglichkeiten der Kontaktaufnahme durch den Vermittler ausreichend. Bei dem sich Untergebenen bedienenden Hintermann würde bereits die Anweisung den Tatbestand erfüllen. Für die letzte Variante spricht die Formulierung des Handeltreibens als Tätigkeitsbegriff. Nicht umsonst wurde das Handeltreiben von Anfang an als Tätigkeitsdelikt und nicht als Erfolgsdelikt interpretiert. Der Wortlaut gibt keinen Anlass, von diesem Verständnis abzuweichen. Auch ist eine zusätzliche Restriktion über die hier durch den Neuansatz vollzogene Ein-



D. Die Neufassung des Handeltreibens167

grenzung des Begriffs hinaus nicht erforderlich. Zu beachten ist auch, dass die Verbindungsleistung nur eine Präzisierung der Tathandlung darstellt, aber diese nicht in ihrem Grundcharakter verändert. Es bleibt eine Tätigkeitsbeschreibung, mit dem Abheben auf die Verbindungsleistung sollen nur solche Handlungen ausgeschieden werden, welche keine Organisationsmacht und damit keine Bedeutung für das Gesamtgeschäft ausdrücken. Auch eine Betrachtung des Unrechtsgehalts der alleinigen Vornahme der Tätigkeiten ohne Erfolg rechtfertigt die Einbeziehung. Schon die Vermittlungsbemühung und die Erteilung der Anweisung schaffen eine signifikante Gefahr des Zustandekommens von Betäubungsmittelgeschäften und charakterisieren die besondere Verwerflichkeit des Handelns des Täters. Eine Abschichtung von Vorbereitung und Versuch bleibt trotzdem möglich. Versuch ist insbesondere denkbar, wenn der Täter die Vermittlungsbemühungen noch nicht abgeschlossen oder seine Anweisungen noch nicht vollständig erteilt hat. Handlungen, die ausgeführt werden, bevor die Vermittlung überhaupt beginnt (z. B. die Suche nach vermittlungswilligen Personen oder geeigneten Händlern für die Erbringung von Teilakten), sind der Vorbereitung zuzurechnen.100 Abschließend darf nicht übersehen werden, dass ein Erfolgserfordernis auch zusätzliche Beweisschwierigkeiten hervorrufen würde. Ob eine Vermittlung erfolgreich war oder die Anweisung ausgeführt wurde, ist in vielen Fällen nur schwer ermittelbar. Gerade die im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität vor allem genutzte Telefonüberwachung wird sich häufig nur die Vermittlungsbemühung oder eine entsprechende Anweisung nachweisen lassen.

VII. Zusammenfassung Fassen wir diese Erkenntnisse zusammen, ergibt sich eine konkrete, in der Praxis gut verwertbare Umschreibung der Tathandlung und der zugrundeliegenden Überlegungen: Handeltreiben ist jede eigennützige, auf den Betäubungsmittelumsatz gerichtete Tätigkeit, in welcher Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft zum Ausdruck kommt. Organisationsmacht lässt sich dabei an Tätigkeiten ablesen, die die verschiedenen betäubungsmittelspezifischen Teilakte miteinander verbinden; entscheidend ist die Verbindungsleistung der auf Betäubungsmittelumsatz gerichteten Tätigkeit. Charakteristisch für das Handeltreiben ist eine Mittlerfunktion, welche durch einen Organisa­ tionsakt zumindest zwei betäubungsmitteltypische Teilakte zusammenführt; 100  Siehe

im Einzelnen zu Vorbereitung und Versuch 4. Teil E. V.

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4. Teil: Eigener Ansatz

der Handeltreibende fungiert als Bindeglied zwischen den Einzelakten im Rahmen von Drogengeschäften. Eine Verwirklichung mehrerer Teilakte durch eine Person ist kein Handeltreiben, weil es hierbei an Organisationsmacht fehlt. Lediglich die Verbindung drückt Organisationsmacht aus. Mit Gesamtgeschäft ist der Prozess gemeint, welcher Produktion und Konsum miteinander verbindet. Grundlegend für diese Auslegung ist das Verständnis, dass im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität bestimmte Teilakte wie Transportieren, Erwerben, Veräußern, Lagern etc. feststehen und in jedem Gesamtgeschäft mit Betäubungsmitteln wiederkehren. Die Vollziehung dieser Einzelakte für sich erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens nicht, vielmehr ist das Typische am Handeltreiben die Verbindung mehrerer solcher Teilakte. Schematisch kann dies wie folgt ausgedrückt werden: I. Objektiver Tatbestand: Jede Tätigkeit, die Organisationsmacht in Bezug auf das Gesamtgeschäft mit Betäubungsmitteln erkennen lässt. Dies sind solche Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, zwei betäubungsmittelspezifische Teilakte miteinander zu verbinden. II. Subjektiver Tatbestand: 1. Ausrichtung (bei Vornahme des Organisationsaktes) auf a. Umsatz b. mit Betäubungsmitteln c. Unerlaubtheit des Umgangs 2. Eigennützigkeit

E. Die Folgen der Neufassung I. Stärkere Bedeutung der übrigen Begehungsformen Erste konkrete Folge der Neufassung des Handeltreibens ist die stärkere Bedeutung der anderen Tatbestände des § 29 Abs. 1 BtMG. Bisher unterfiel die Vornahme der verschiedenen Teilakte mit anschließender Veräußerungsabsicht dem Handeltreiben, da dafür jede beliebige Handlung mit entsprechender subjektiver Tendenz ausreichte. Werden nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz nur noch Tätigkeiten mit Verbindungsleistung erfasst, bleibt für die in § 29 Abs. 1 BtMG normierten Teilakte ein erheblich größerer eigener Anwendungsbereich.



E. Die Folgen der Neufassung169

1. Anbau Dies sieht man zunächst beim Anbau. Er alleine ist als Einzelakt auch bei entsprechender gewinnorientierter Motivation nach der hier vorgeschlagenen Konzeption kein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mehr. Anbau wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich definiert, etwa als die Produktion von Betäubungsmitteln mit landwirtschaftlichen Mitteln101, das Erzielen pflanzlichen Wachstums durch gärtnerische Bemühungen102 oder die Aussaat von Samen und die Aufzucht der Pflanzen103. Da der Anbau keine besondere Kulturform, keinen besonderen Betrieb und besonderen Umfang voraussetzt104 und somit für seine Verwirklichung keine Organisationsmacht erforderlich ist, unterfallen die bisher dem Handeltreiben zuzurechnenden Anbaubemühungen mit Veräußerungsabsicht ausschließlich dem Anbautatbestand. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage erhält also der Anbau eine größere selbstständige Bedeutung und geht nicht mehr regelmäßig im Handeltreiben auf. 2. Herstellung Ähnliches gilt auch für das Herstellen. Herstellen ist in § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG legaldefiniert und umfasst danach dass Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten von Betäubungsmitteln. Das Herstellen als Einzelakt erfüllt nach dem hier vertretenen Ansatz auch bei Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr das Handeltreiben, sondern erlangt in diesen Fällen als Straftatbestand eigenständige Bedeutung. 3. Ein- und Ausfuhr Stärkere eigenständige Bedeutung erlangen durch die Neukonzeption auch die Ein- und Ausfuhr. Einführen ist das Verbringen von Betäubungsmitteln über die deutsche Grenze ins Inland.105 Die Ausfuhr beschreibt dagegen spiegelbildlich das Verbringen ins Ausland.106 Da der Transport als Einzelakt des Gesamtgeschäfts nicht mehr dem Handeltreiben unterfällt, 101  OLG

Hamburg, Urt. v. 14.02.1978 – 2 SS 301 / 77, NJW 1978, 2349. in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 2 Rn. 19. 103  Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 27 f.; Weber, BtMG, § 29 Rn. 49; Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, BtMG, § 29 Rn. 4. 104  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 2 Rn. 20. 105  BGH, Beschl. v. 22.11.1999 – 5 StR 493 / 99, NStZ 2000, 150; Weber, BtMG, § 29 Rn. 845. 106  Weber, BtMG, § 29 Rn. 1008. 102  Patzak,

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4. Teil: Eigener Ansatz

werden Fälle, in denen der Transport über die Grenze führt, zukünftig alleine von den Tatbeständen der Ein- und Ausfuhr erfasst. Der Transport ohne Grenzübertritt in keinem spezifischen Tatbestand unterzuordnen, wird aber in der Regel unter den Besitz fallen. 4. Veräußerung Der bloße Verkauf von Betäubungsmitteln, sei es an den Endkunden oder an einen Zwischenhändler, erfüllt die Tatmodalität des Handeltreibens nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz ebenfalls nicht mehr. An die Stelle des Handeltreibens tritt beim Verkauf von Betäubungsmitteln der Tatbestand der Veräußerung. Veräußern ist die rechtsgeschäftliche, entgeltliche Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel auf eine andere Person zu deren eigenen freien Verfügung.107 Die Veräußerung wird dabei als Spezialfall der Abgabe verstanden, die zusätzlich Entgeltlichkeit voraussetzt.108 Als Anwendungsbereich für das Veräußern blieb bisher aufgrund der weiten Definition des Handeltreibens nur die Konstellation übrig, in der der Täter entgeltlich, aber uneigennützig Betäubungsmittel abgab.109 Nach dem hier präferierten Weg werden auch eigennützige Übereignungen vom Veräußerungstatbestand erfasst. Der bloße Vertragsschluss, ohne dass es zum Umsatz gekommen ist, reicht jedoch, im Gegensatz zur momentanen Auslegung des Handeltreibens110, für die Erfüllung des Veräußerungstatbestands nicht aus. An der für die Veräußerung erforderlichen Besitzübertragung111 fehlt es hier. Der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages stellt nicht einmal den Versuchsbeginn der Veräußerung dar. Aufgrund des Charakters des Tatbestandes als „dingliches Geschäft“ setzt der Versuchsbeginn erst ein, wenn der Täter zur Überlassung des Betäubungsmittels ansetzt.112 5. Abgabe Die Erweiterung eines Tatbestands ergibt sich auch bei der Tathandlung des Abgebens. Abgeben ist die Übertragung der eigenen tatsächlichen Ver107  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 7 Rn. 2; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn.  844 ff.; Weber, BtMG, § 29 Rn. 1035. 108  Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 844 ff. 109  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 7 Rn. 2. 110  Vgl. etwa Weber, BtMG, § 29 Rn. 347 f. 111  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 7 Rn. 5. 112  Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 853.



E. Die Folgen der Neufassung171

fügungsgewalt über Betäubungsmittel an einen anderen mit der Wirkung, dass dieser frei darüber verfügen kann.113 Das Spezifische am Abgeben ist im Gegensatz zum Veräußern und Handeltreiben, dass die Abgabe ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung erfolgt.114 Der Anwendungsbereich des Abgebens würde sich mit der hier vorgeschlagenen Interpretation erweitern, da die Notwendigkeit der Abgrenzung zum Handeltreiben wegfällt. Soweit eine entgeltliche rechtsgeschäftliche Grundlage besteht, ist allerdings das Veräußern einschlägig. Die Abgabe gewinnt zusätzliche Anwendungsfälle nur beim Fehlen eines solchen entgeltlichen Rechtsgeschäfts und gleichzeitigem Vorliegen von Eigennützigkeit. 6. Sonst-In-Verkehr-Bringen Das sonstige Inverkehrbringen erfasst jedes Eröffnen der Möglichkeit, durch welche ein Anderer die tatsächliche Verfügung über den Stoff erlangt und ihn nach eigener Entschließung verwenden kann; kurz gesagt: die Verursachung eines Wechsels der Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel durch einen anderen.115 Änderungen durch die Neuinterpretation sind für diesen Tatbestand kaum zu erwarten, da die aus dem Tatbestand des Handeltreibens herausfallenden Konstellationen bereits durch die Veräußerung und die Abgabe erfasst werden. 7. Erwerb Für den Erwerb gilt ähnliches wie für die Veräußerung. Die Begehungsform erlangt als Einzelakt selbstständige Bedeutung, wenn bei Vorname der Tathandlung Veräußerungsabsicht vorliegt. Erwerben von Betäubungsmitteln liegt vor, wenn der Täter die eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel durch einverständliches Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer im Rahmen eines Rechtsgeschäfts erlangt und die Verfügungsgewalt ausüben kann.116 Der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages genügt genauso wie beim Veräußern nicht. 8. Sich-In-Sonstiger-Weise-Verschaffen Sich-Verschaffen liegt vor, wenn der Täter die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein Betäubungsmittel auf andere Weise als beim Erwerb erlangt, 113  Weber,

BtMG, § 29 Rn. 1089. BtMG, § 29 Rn. 1089, 1093. 115  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 9 Rn. 3. 116  Patzak, in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 9 Rn. 4. 114  Weber,

172

4. Teil: Eigener Ansatz

z. B. durch Diebstahl, Raub oder Erpressung.117 Hier gilt gleiches wie beim Erwerb, soweit die Verschaffens-Handlung mit Veräußerungswillen durchgeführt wird, erhält der Tatbestand nun eigenständige Bedeutung. 9. Besitz Besitz ist das Innehaben eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses mit dem entsprechenden Herrschaftswillen, welche die ungehinderte Einwirkungsmöglichkeit auf das Betäubungsmittel beinhaltet und auf nennenswerte Dauer angelegt ist.118 Häufig wird der Besitz bei den Tatbeständen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG mitverwirklicht, tritt aber aufgrund seines Charakters als Auffangtatbestand zurück.119 Eigenständige Relevanz erhält der Besitz nach der hier vorgeschlagenen Konzeption nun in allen Fällen, in denen es an der Bedeutung der Handlung für das Gesamtgeschäft fehlt, aber der Handelnde die Betäubungsmittel an sich genommen hat. Wie sich im Weiteren noch zeigen wird, dürften dies nicht wenige Fälle sein.120 10. Sonstige Tatmodalitäten des § 29 BtMG Auch die weiteren in § 29 BtMG aufgeführten Tatmodalitäten können größere eigenständige Bedeutung erlangen. Denkbar sind etwa die Tatbestände der Werbung nach Nr. 8 oder das Bereitstellen von Geldmitteln oder anderen Vermögensgegenständen nach Nr. 13.

II. Nichterfassung bestimmter Tätigkeiten Zweite Folge des hier präsentierten Ansatzes ist die Nichterfassung von Einzelakten, die nicht separat in § 29 Abs. 1 BtMG unter Strafe gestellt sind. Schließen zwei Personen z. B. einen schuldrechtlichen Vertrag über die Veräußerung von Betäubungsmitteln, ohne dass der Leistungsaustausch tatsächlich stattfindet, werden sie weder vom Handeltreiben noch von Tatbeständen des Erwerbes bzw. der Veräußerung erfasst, da der Vertragsabschluss keine Verbindungsleistung von einer der beiden Seiten beinhaltet und es an einer tatsächlichen Übertragung fehlt. Auch an einem unmittelbaren Ansetzen zur Veräußerung bzw. zum Erwerb fehlt es beim bloßen Vertragsschluss. 117  Patzak,

in: Körner, BtMG, § 29 / Teil 11 Rn. 3. in Körner, BtMG, § 29 / Teil 13 Rn. 15; Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 1156. 119  Weber, BtMG, § 29 Rn. 1367. 120  Siehe 4. Teil E. II. 118  Patzak,



E. Die Folgen der Neufassung173

Eine Beihilfe zum Handeltreiben kommt nur beim Hinzutreten weiterer Umstände in Betracht. Die Straflosigkeit des Vertragsabschlusses ist allerdings keineswegs bedenklich, sondern korrespondiert durchaus mit der Tatsache, dass der Verkäufer möglicherweise überhaupt keine Betäubungsmittel beschaffen können wird. Es ist gerade typisch für das Strafrecht, dass aufgrund seines fragmentarischen Charakters auch Konstellationen existieren, bei denen eine Strafbarkeit nicht vorliegt. Insgesamt dürfte es nur sehr wenige Fälle geben, bei denen es aufgrund der Neukonzeption zu einer gänzlichen Straflosigkeit kommt. Meist dürfte ein anderer Tatbestand oder eine Beihilfe zum Handeltreiben vorliegen. Hierzu ein Beispiel: Der Transport von Betäubungsmitteln wird mangels Verbindungsleistung nicht mehr vom Handeltreiben erfasst. Zu einer Strafbarkeitslücke kommt es trotzdem nicht, selbst im Fall, dass der Transport nicht über die Grenze erfolgt, also vom Einfuhr- oder Ausfuhrtatbestand erfasst wird. Der Transporteur ist in diesen Fällen jedenfalls wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln strafbar, außerdem kommt eine Beihilfe zum Handeltreiben in Betracht, was später noch ausführlich erörtert wird.121 Gleiches gilt für die zahlreich denkbaren Unterstützungshandlungen im Rahmen von Betäubungsmittelgeschäften wie z. B. der Tätigkeit eines Dolmetschers, Telefondienste, die Ausrüstung mit Waffen oder die Absicherung einer Rauschgiftübergabe gegen unvorhergesehene Zwischenfälle. Hier wird in der Regel zumindest Beihilfe zum Handeltreiben gegeben sein.

III. Handeltreiben als unrechtsschwere Begehungsweise Als Konsequenz der Neuinterpretation wird das Handeltreiben im Vergleich zu den meisten Tatbestandsvarianten des § 29 Abs. 1 BtMG einen erhöhten Unrechtsgehalt aufweisen. Bereits im ersten Kapitel wurde gezeigt, dass es bei verschiedenen Tatmodalitäten im Rahmen eines Delikts ein faktisches Stufenverhältnis geben kann.122 Da nach der hier vorgeschlagenen Auslegung nicht mehr jede beliebige Handlung mit subjektiver Tendenz für die Tatbestandsverwirklichung ausreicht, sondern eine Bedeutung für das Gesamtgeschäft hinzutreten muss, wird dem Handeltreiben stets ein höherer Unrechtsgehalt im Vergleich zu Tatbeständen wie z. B. der Veräußerung, Abgabe, dem Sonstigen-In-Verkehr-Bringen, Erwerb, In-Sonstiger-WeiseVerschaffen und Besitz zukommen. Wer eine Verbindungsleistung erbringt und damit das erfolgreiche Ablaufen des Betäubungsmittelgeschäfts insge121  Siehe 122  Siehe

4. Teil E. IV. 5. 1. Teil D. II.

174

4. Teil: Eigener Ansatz

samt ermöglicht, gefährdet das zugrundeliegende Rechtsgut der allgemeinen Gesundheit stärker als ein Täter, der lediglich einen leicht ersetzbaren Teilakt ausführt. Die Verwirklichung des Tatbestands des Handeltreibens erfordert eine erheblich über dem Durchschnitt liegende kriminelle Energie. Die erhöhte Gefährlichkeit gegenüber einem Täter, dem es lediglich um den Erwerb, die Veräußerung und den Besitz von Betäubungsmitteln geht, tritt deutlich hervor. Handlungen, die das Handeltreiben erfüllen, wecken und unterhalten in besonderer Weise die Nachfrage nach Drogen, beuten die Schwäche und Abhängigkeit besonders leicht beeinflussbarer Personen aus und bilden die Basis für das Funktionieren von organisierter Kriminalität auf internationaler Ebene.123 Gegen eine Einordnung des Handeltreibens als besonders verwerfliche Tatvariante wird teilweise die Systematik der Qualifikationen der §§ 29a ff. BtMG vorgebracht. So habe der Gesetzgeber den Strafrahmen des Handeltreibens in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG im Vergleich zur Einfuhr gem. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG geringer angesetzt.124 Ein solcher Vergleich ist aber problematisch, da § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG anerkannter Maßen eine Vorschrift ist, welche Fälle mit außerordentlich unterschiedlichem Unrechtsgehalt enthält und die Rechtsprechung deshalb in diesem Kontext besonders die Annahme eines minderschweren Falls gem. Abs. 2 für naheliegend hält.125 Aus einer solchen vielgestaltigen Qualifikation wird man kaum Ableitungen für die Grundtatbestände des § 29 Abs. 1 BtMG vornehmen können. Der Gesetzgeber hat mit der Normierung der Qualifikationen der §§ 29a ff. BtMG kein konsistentes, den Unrechtsgehalt der Grundtatbestände nachvollziehendes System geschaffen. Die meisten Vorschriften stellen die Qualifikationsmerkmale wie Bande, Schusswaffe, nicht geringe Menge, Gewerbsmäßigkeit und Minderjährigkeit der zum Umgang mit Drogen bestimmten Person in den Mittelpunkt; die Anknüpfung an die jeweiligen Grundtatbestände erfolgt mehr oder weniger willkürlich. Die Qualifikationen sind Endprodukte einer vielschichtigen Entstehungsgeschichte, bei der häufig in großer Eile ohne genaueres gesetzgeberisches Konzept aufgrund der Notwendigkeit des politischen Kompromisses neue Qualifikationen geschaffen und Handlungen zu besonders schweren Fällen hochgestuft wurden.126 123  In diese Richtung bereits BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 – 2 BvL 43, 41, 63, 63, 70, 80 / 92, 2 BvR 2031 / 92, BVerfGE 90, 145 (186). 124  BGH, Urt. v. 11.02.1999 – 4 StR 657 / 98, BGHSt 44, 361 (366 f.); Wilcken, Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen, S. 28. 125  BGH, Urt. v. 24.11.1982 – 3 StR 384 / 82, BGHSt 31, 163 (169); Patzak, in: Körner, BtMG, § 30 Rn. 3. 126  Kreuzer, in: Miyazawa-FS, S. 177 (190).



E. Die Folgen der Neufassung175

Der Gesetzgeber hat aber in seinen Gesetzesbegründungen nie einen Zweifel gelassen, dass er das Handeltreiben für besonders strafwürdig und verwerflich hält. Trotzdem wäre es übertrieben, dem Handeltreiben allein den höchsten Unrechtsgehalt der Tatvarianten des § 29 Abs. 1 BtMG zuzuschreiben. Insbesondere Anbau und Herstellung sind ebenfalls besonders verwerfliche Verhaltensweisen. Diese beiden Tathandlungen bilden die Grundlage für die Hervorbringung von Betäubungsmitteln, welche dann in den nationalen und internationalen Kreislauf des Drogenhandels fließen. Diese Einordnung lässt sich bereits an der gesetzlichen Systematik ablesen. So hat der Gesetzgeber Anbau und Herstellung zusammen mit dem Handeltreiben den sonstigen Tatmodalitäten vorangestellt und sie nicht mit dem Zusatz „ohne Handel zu treiben“ verbunden. Dies deutet die erhöhte Bedeutung dieser Tatbestände zumindest an.127 Das Handeltreiben nach der hier vertretenen Konzeption ist damit zwar nicht die verwerflichste Tatmodalität des § 29 Abs. 1 BtMG, aber ihr kommt gemeinsam mit dem Anbau und der Herstellung eine besondere Verwerflichkeit im Vergleich zu den anderen Tatbeständen zu. Es handelt sich um ein faktisches Stufenverhältnis, was für die Strafzumessung herangezogen werden kann und muss.

IV. Täterschaft und Teilnahme 1. Neuordnung nach allgemeinen Grundsätzen Eine weitere Folge des hier vorgeschlagenen Ansatzes ist eine Neuordnung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben. Bisher konnte die Rechtsprechung nur unter Inkaufnahme erheblicher dogmatischer Ungereimtheiten überhaupt zur Teilnahme kommen. Beihilfe nahm sie trotz der eigenhändigen Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale des Handeltreibens an. Damit rückte sie auch von der akzessorischen Anknüpfung an eine Haupttat ab. Nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz erhält das Handeltreiben im Bereich Täterschaft und Teilnahme wieder klare Strukturen. Die Tathandlung wird so klar umrissen, dass eine Herausnahme von Fällen eigenhändiger Verwirklichung nicht mehr notwendig ist. Wer die geforderte Verbindungsleistung erbringt, ist immer Täter. Gleichzeitig bleibt für weitere am Tatgeschehen beteiligte Personen die Möglichkeit der Verwirklichung der üblichen Täter- und Teilnahmeformen, namentlich der mittelbaren Täterschaft (§ 25 127  In

Rn. 2.

diese Richtung auch Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, BtMG, § 29

176

4. Teil: Eigener Ansatz

Abs. 1 Var. 2 StGB), Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB), Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB). Dies soll nun an einigen Beispielen verdeutlicht werden. 2. Mittelbare Täterschaft Mittelbare Täterschaft hat beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in der bisherigen Rechtsprechung aufgrund der weiten Fassung des Tatbestands keine Rolle gespielt.128 Nach der hier vorgeschlagenen Auslegung ist eine mittelbare Täterschaft eher vorstellbar, dürfte aber auch selten vorkommen. Erläutert werden soll hier zunächst ein Fall, bei dem ein Defekt beim handelnden Werkzeug vorliegt. Beispiel: Der sich stets im Hintergrund haltende Rauschgiftvermittler V weist seinen Freund F an, den ihm bekannten Rauschgiftdealer D mit der Endkonsumentin E zusammenzubringen. Gegenüber F, welcher von den Rauschgiftaktivitäten des V nichts weiß, begründet er den Auftrag damit, dass die beiden ein nettes Paar abgeben würden. D und E wissen, dass dies ein typisches Vorgehen des V zur Vermittlung von Kontakten ist. V erhält von den Verkaufserlösen des D zehn Prozent. V hat hier nicht selbst einen Organisationsakt mit Verbindungsleistung im Hinblick auf die Veräußerung seitens D und des Erwerbs durch E erbracht. Es kann ihm aber die Verbindungsleistung des F zugerechnet werden, der zumindest objektiv eine auf eine solche Verbindung gerichtete Handlung vorgenommen hat. Die mangelnde Ausrichtung seiner Handlung auf Betäubungsmittelumsatz und der fehlende Vorsatz bzgl. der Verbindung von betäubungsmittelspezifischen Teilakten begründet seine Werkzeugeigenschaft. V hat gegenüber F Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens. Die subjektiven Merkmale der Umsatzausrichtung und Eigennützigkeit sind bei V erfüllt.

Denkbar ist auch die Anwendung der Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“, wenn beim Tatmittler kein Defekt festzustellen ist. Beispiel: Mafiaboss B weist einen seiner treu dienenden Gehilfen G an, den ihm bekannten Rauschgiftdealer D mit dem Endkonsumenten E zusammenzubringen, damit diese Betäubungsmittelgeschäfte tätigen können. Hier fehlt es an einem Defekt bei G, allerdings kann hier über die Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“ zumindest nach der Rechtsprechung trotzdem eine Zurechnung nach § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB erfolgen. Es handelt sich dabei um mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, welche gerade dann Anwendung 128  In einer einzigen Entscheidung erwähnt der BGH am Rande eine „mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“ ohne näher auf den Sachverhalt des Falls einzugehen; vgl. BGH, Beschl. v. 07.05.2008 – 5 StR 634 / 07 (juris).



E. Die Folgen der Neufassung177 finden soll, wenn regelhafte Abläufe in kriminellen Organisationen ausgenutzt werden.129 Die Einzelheiten sind insbesondere in der Literatur umstritten,130 teilweise wird die Rechtsfigur auch ganz abgelehnt.131 Hier genügt die Erkenntnis, dass eine solche Konstruktion nach der vorgelegten Neufassung möglich ist und sich ihre Tragfähigkeit an den konkreten Umständen des jeweiligen Falls erweisen muss.

3. Mittäterschaft Der Anwendungsbereich der Mittäterschaft richtet sich danach, ob man Mittäterschaft nur annimmt, wenn eine Zurechnung eines Tatbeitrags gem. § 25 Abs. 2 StGB erforderlich ist oder man sie auch dann heranzieht, wenn die Täter ihre Tat gemeinsam vornehmen, aber jeder einzelne bereits eine für sich alleine genommen hinreichende Tathandlung erbringt. Konstruktiv liegt zwar auch in letzterem Fall Mittäterschaft vor,132 eine solche Einordnung ist aber ohne wirkliche praktische Konsequenz, kommt man hier doch ohne weiteres auch über die Alleintäterschaft gem. § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB zu einer täterschaftlichen Stellung. Fälle, in denen Einzelpersonen die entsprechende Verbindung nicht alleine erbringen, dürften rar sein. Denkbar ist etwa folgender Fall: Beispiel: Cannabis-Anbauer A ist auf der Suche nach Absatzmöglichkeiten für das von ihm erzeugte Marihuana. V1 und V2 vermitteln regelmäßig Betäubungsmittelgeschäfte gegen entsprechende Provision und beschließen, einen entsprechenden Kontakt für A herzustellen. V1 gibt A zu verstehen, dass er am folgenden Tag ein altes Bahnhofsgelände aufsuchen soll, wenn er einen Zwischenhändler treffen wolle. V2 teilt Zwischenhändler Z mit, dass er am nächsten Tag auf dem genannten Bahnhofsgelände ein gutes Geschäft machen könne. Da hier die Verbindungsleistung zwischen Anbau / Veräußerung seitens des A und Erwerb / Transport / Besitz seitens des Z nicht von V1 oder V2 alleine erbracht wird, kann nur eine Heranziehung von § 25 Abs. 2 StGB mit einer wechselseitigen Zurechnung zur Täterschaft führen. V1 und V2 handeln nach einem gemeinsamen Tatplan und mit jeweils eigenen Tatbeiträgen, so dass Mittäterschaft vorliegt.

Häufiger sind Konstellationen, in denen zwar eine Person die Verbindungsleistung vollständig erbringt, aber eine andere Person die Verbindung begünstigt. In diesen Fällen stellt sich die Problematik der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Fischer, StGB, § 25 Rn. 7 ff.; Wessels / Beulke, Strafrecht AT, Rn. 541. Joecks, in: MK-StGB, § 25 Rn. 143 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 73 ff. 131  Herzberg, ZIS 2009, 576 (576 ff.). 132  Fischer, StGB, § 25 Rn. 11a. 129  Vgl. 130  Vgl.

178

4. Teil: Eigener Ansatz

Beispiel: Cannabis-Anbauer A ist auf der Suche nach Absatzmöglichkeiten für das von ihm erzeugte Marihuana. Vermittler V1 vermittelt regelmäßig Betäubungsmittelgeschäfte gegen entsprechende Provision, kennt aber gerade keinen Zwischenhändler, der Marihuana nachfragt. Er wendet sich deshalb an den Vermittler V2 mit der Bitte, ihm den Namen eines potentiellen Kunden zu nennen. V2 soll dafür die Hälfte der Provision von V1 erhalten. V2 nennt V1 den Namen des Z, so dass V1 schließlich einen Kontakt zwischen A und Z herstellen kann. V1 hat hier die Verbindungsleistung erbracht, so dass er unmittelbarer Täter nach § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB ist. V2 hat unmittelbar keine Verbindung zwischen A und Z hergestellt, so dass für ihn nur eine Zurechnung gem. § 25 Abs. 2 StGB in Betracht kommt. Hier ist nach der Tatherrschaftslehre der Literatur und der animus-Formel der Rechtsprechung zwischen Täterschaft und Teilnahme abzugrenzen. Für die Annahme von Täterschaft spricht nach der Rechtsprechung das Interesse am Taterfolg des V2, der bei Gelingen der Tat seine Provision erhält. Indem er die Verbindung zum potentiellen Kunden erst ermöglicht, erbringt er auch einen bedeutsamen Tatbeitrag. Tatherrschaft wird man ebenfalls annehmen dürfen, da nur mithilfe seiner Information die Tat wie geplant ablaufen kann. Deshalb ist nach der Rechtsprechung eine Täterschaft zu bejahen. Angesichts der zentralen Stellung dürfte auch der überwiegende Teil der Vertreter der Tatherrschaftslehre zu einer Täterschaft kommen. Anders werden das nur diejenigen sehen, die einen Tatbeitrag im Ausführungsstadium oder zumindest eine kommunikative Einwirkungsmöglichkeit fordern.133 An dieser fehlt es hier.

Keine Veränderung zur bisherigen Auslegung des Handeltreibens gibt es bei der Eigennützigkeit. Bei jedem Täter oder Mittäter des Handeltreibens muss Eigennützigkeit in eigener Person vorliegen. 4. Anstiftung Bei der Anstiftung ergeben sich kaum Besonderheiten. Es sind Fälle denkbar, in denen eine Person bei einem Dritten den Tatentschluss zur Vornahme einer Vermittlungshandlung oder Anweisung an einen Untergebenen hervorruft. 5. Beihilfe Einen breiten Anwendungsbereich wird nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz die Beihilfe haben: zunächst in Fällen, in denen ähnlich zum zweiten bei der Mittäterschaft genannten Beispiel Unterstützungshandlungen vorgenommen werden, deren Ausmaß aber nicht zur Annahme von Mittäterschaft ausreicht. 133  Vgl. etwa Bloy, GA 1996, 424 (436); Roxin, Strafrecht AT II § 25 Rn. 198 ff.; Zieschang, ZStW 107 (1995), 361 (369 ff.).



E. Die Folgen der Neufassung179 Beispiel: Gehilfe G sucht für Rauschgiftvermittler V eine Telefonnummer aus einem Adressregister heraus, damit dieser einen Kontakt zwischen Cannabis-Anbauer A und Zwischenhändler Z herstellen kann. Hier ist G keine Zentralgestalt, sondern Randfigur bei der Tatbegehung, er hat kein eigenes Interesse am Taterfolg und sein Tatbeitrag ist untergeordnet. Man wird ihn deshalb nur wegen Beihilfe zum Handeltreiben bestrafen können.

Von besonderem Interesse ist, inwiefern das Verhalten von Personen, die Teilakte vornehmen, eine Beihilfe zum Handeltreiben darstellen kann. Beispiel: Zwischenhändler Z erkundigt sich bei Rauschgiftvermittler V, ob er ihm eine neue Quelle für seine Cannabis-Ankäufe nennen könne. V stellt daraufhin gegen Provision einen Kontakt mit Cannabis-Anbauer A her, welcher ständig auf der Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten ist. Fraglich ist hier, ob A und Z durch die Vornahme der jeweiligen Teilakte eine Beihilfehandlung erbringen. Erforderlich ist dafür gem. § 27 StGB, Hilfe zu leisten, also die Förderung der Haupttat. Dabei ist zunächst einmal entscheidend, auf welchen Teilakt genau abgestellt wird. Während der Anbau auf Seiten des A der Haupttat vorgelagert ist, sind die Veräußerung an Z und dessen Erwerb / Transport / Besitz der Haupttat nachgelagert. Vollendungszeitpunkt der Haupttat ist die Erbringung der Verbindungsleistung, also des Kontaktherstellens zwischen A und Z. Insoweit käme für die Teilakte mit Ausnahme des Anbaus überhaupt nur eine sukzessive Beihilfe in Betracht, deren Zulässigkeit umstritten ist.134 Ohnehin erscheint es nicht zielführend, auf die vorgenommen Teilakte als Hilfeleistung abzustellen, denn wie soll ein Teilakt wie etwa die Veräußerung oder der Erwerb die Tat des Haupttäters fördern, wenn die Verbindungsleistung als reines Tätigkeitserfordernis ausgestaltet ist. Ob die Teilakte ausgeführt werden, ist für das Erbringen der Verbindungsleistung ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr ein anderer Aspekt, welcher von der Vornahme des Teilakts unterschieden werden muss: die Bereitschaft sich überhaupt zusammenbringen zu lassen und anschließend den vorgesehen Teilakt auszuführen. Erst eine nach außen kommunizierte Einstellung ermöglicht es dem V, eine Verbindungsleistung zu erbringen, fördert also insoweit die Haupttat. Die Bereitschaftserklärung ist für die Verbindungsleistung sogar kausal, denn nur wenn V die Möglichkeit der Herstellung einer entsprechenden Verbindung sieht, wird er eine darauf gerichtete Handlung erbringen. Diese erforderliche Bereitschaft geht bei Z klar aus seiner Erkundigung hervor. Bei A lässt sie sich aus der V bekannten ständigen Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten entnehmen. Insgesamt dürfen für die Bereitschaftserklärung keine hohen Anforderungen gestellt werden: die Bereitschaft kann ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht werden, sie wird in der Regel vom Gericht aus der Tatsache geschlossen werden können, dass die beteiligten Personen die Vermittlung geschehen lassen. A und Z können somit wegen Beihilfe zum Handeltreiben belangt werden. 134  Siehe

3. Teil G. II. 3.

180

4. Teil: Eigener Ansatz

Die Personen, zwischen denen die Vermittlung stattfindet, machen sich somit regelmäßig der Beihilfe zum Handeltreiben schuldig. Dies gilt auch für Personen, die sich im Rahmen von Organisationen bereit erklären, einen oder mehrere Teilakte zu erbringen, denn auch diese Bereitschaftserklärung ermöglicht der übergeordneten Person erst, die entsprechenden Teilakte miteinander zu verbinden. Im Gegensatz zu den oben kritisierten Entscheidungen des BGH, in denen eine Beihilfestrafbarkeit künstlich über die psychische Beihilfe konstruiert wurde,135 wird hier an eine klar umrissene Haupttat angeknüpft, nämliche die Vornahme der Verbindungsleistung. Zwar handelt es sich auch hier um eine psychische Beihilfe, sie beschränkt sich allerdings nicht auf die bloße Anwesenheit der Gehilfen am Tatort oder eine allgemeine Billigung der Tat. Durch die ausgedrückte Bereitschaft leisten die angesprochenen Personen vielmehr bewusst einen für die konkrete Ausführung der Tat objektiv notwendigen Beitrag. Ohne die Hilfeleistung wäre die Vornahme der Verbindungsleistung nicht denkbar. Diese Erkenntnis ermöglicht auch eine klare Lösung der bisher in der Rechtsprechung kontrovers diskutierten Konstellation der Beihilfe nach Sicherstellung. Beispiel136: B bestellte in den Niederlanden eine große Menge verschiedener Betäubungsmittel, welche C im Auftrag des B bei Lieferant D abholte. Beim Grenzübertritt nach Deutschland wurde C gefasst und die Betäubungsmittel sichergestellt. B bat, nachdem C nicht pünktlich eintraf, den A, Kontakt zu D aufzunehmen. Die Versuche der Kontaktaufnahme des A scheiterten. Strafbarkeit des A? In der dem Sachverhalt zugrundeliegenden Originalentscheidung hat der BGH gerügt, dass das Instanzgericht bei A zu Unrecht Beihilfe zum Handeltreiben abgelehnt habe. Nach der hier vertretenen Position kommt weder eine Täterschaft noch eine Beihilfe des A in Betracht. Für erste fehlt es an der Verbindungsleistung, diese liegt nur bei B vor. Diese hat B allerdings schon erbracht, bevor C überhaupt in die Niederlande gefahren ist. Eine Förderung dieser Handlung ist daher nicht mehr möglich, da diese schon im Vorfeld komplett erbracht wurde und durch nachträgliche Aktivitäten nicht mehr gefördert werden kann. Eine psychische Beihilfe scheidet ebenfalls aus, da A im Vorfeld der Verbindungsleistung seine Bereitschaft zur Hilfe nicht erklärt hat und im Nachhinein der Tatentschluss des B nicht mehr bestärkt werden kann. A kann somit keine Beihilfe zum Handeltreiben vorgeworfen werden.

Es sei hierbei nochmals darauf hingewiesen, dass die Beihilfe zum Handeltreiben nur dann praktische Bedeutung erlangt, wenn dem Gehilfen nicht noch zusätzlich die täterschaftliche Verwirklichung einer Tatmodalität des § 29 Abs. 1 BtMG vorgeworfen werden kann. In diesem Fall ist die Beihilfe zum Handeltreiben die einzige Sanktionsmöglichkeit. 135  Siehe 136  Vgl.

3. Teil G. II. 4. BGH, Urt. v. 03.02.2010 – 2 StR 368 / 09, NStZ 2010, 522.



E. Die Folgen der Neufassung181

V. Vorbereitung, Versuch und Vollendung Auch im Bereich Vorbereitung, Versuch und Vollendung gewährleistet der vorgeschlagene Ansatz eine dogmatisch saubere und trennscharfe Abgrenzung nach allgemeinen Regeln. Der Anwendungsbereich für den Versuch dürfte angesichts des Charakters des Handeltreibens als unechtes Unternehmensdelikt allerdings auch weiterhin schmal sein. Soweit es um die Vermittlung von Kontakten zwischen Personen geht, die die zu verbindenden Teilakte erbringen, sind Versuchskonstellationen denkbar, wenn der Handelnde von einer mehraktigen Tathandlung nur einen Teil erbracht hat. Beispiel: Rauschgiftvermittler V möchte einen Kontakt zwischen Cannabis-Anbauer A und Zwischenhändler Z herstellen, welcher stets auf der Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten ist. Nach seinem Anruf bei A und bevor er Kontakt mit Z aufnehmen kann, wird er verhaftet. V konnte hier die Verbindungsleistung noch nicht vollständig erbringen, weshalb es an der Vollendung mangelt. Fraglich ist, ob hier ein unmittelbares Ansetzen vorliegt. Unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und mit solchen Tätigkeiten begonnen hat, die auf der Grundlage seiner Vorstellung objektiv geeignet erscheinen, ohne wesentlich weitere Zwischenschritte eine tatbestandsrelevante Beeinträchtigung für das geschützte Rechtsgut herbeizuführen.137 Aufgrund der Tatsache, dass Z regelmäßig zum Abschluss von Geschäften bereit ist, wird die Kontaktaufnahme mit ihm nicht als wesentlicher Zwischenschritt gesehen werden können. V hat mit dem ersten Anruf die Schwelle zum Jetzt-geht-es-los überschritten und eine Rechtsgutgefährdung herbeigeführt. Eine Versuchsstrafbarkeit ist somit zu bejahen.

Fraglich ist, ob ein unmittelbares Ansetzen auch dann vorliegen kann, wenn die Begehung der eigentlichen Tathandlung erst noch bevorsteht. Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. V wird verhaftet, als er gerade den Telefonhörer in die Hand nimmt, um A anzurufen. Im Gegensatz zum vorangegangenen Beispiel dürfte die Handlung des V hier noch dem Vorbereitungsstadium zuzuordnen sein. Er hat hier noch nicht einmal Kontakt zum ersten Beteiligten aufgenommen und damit die Schwelle zum Jetztgeht-es-los noch nicht überschritten.

Ähnliche Fälle lassen sich bei Anweisungen durch Führungspersonen im Rahmen von Organisationen bilden. 137  BGH, Urt. v. 09.09.1975 – 1 StR 264 / 75, BGHSt 26, 201 (202 f.); Urt. v. 16.01.1991 – 2  StR 527 / 90, BGHSt 37, 294 (297); Fischer, StGB, § 22 Rn. 10; im Einzelnen Hillenkamp, in: LK-StGB, § 22 Rn. 87 ff. m. w. N.

182

4. Teil: Eigener Ansatz

Beispiel: Mafiaboss B weist seinen Gehilfen G1 an, die aus Kolumbien transportierten Betäubungsmittel an G2 zu übergeben, welche dieser in Deutschland weiter verkaufen soll. Zu einer Kontaktaufnahme mit G2 kommt es nicht, da dieser, bevor ihn B erreicht, festgenommen wird. Hier ist ähnlich zum vorletzten Beispiel Versuch anzunehmen. B hat mit der Verbindungsherstellung begonnen, sie allerdings mangels Kontaktaufnahme mit G2 noch nicht abgeschlossen. Die Schwelle zum Jetzt-geht-es-los hat er allerdings überschritten und auch das Fehlen wesentlicher Zwischenschritte ist nicht zu bemängeln, da G2 regelmäßig die Anweisungen des B befolgen dürfte.

Eine Herausnahme zusätzlicher Fälle aus der Vollendungsstrafbarkeit, wie das die Rechtsprechung aus Wertungsgesichtspunkten bisher getan hat,138 ist nach der Neufassung des Handeltreibens nicht mehr erforderlich. Der objektive Tatbestand ist durch das neue Kriterium hinreichend eng gefasst.

VI. Strafzumessungsregeln und Qualifikationen Folgen hat die Neufassung des Handeltreibens auch für die Strafzumessungsregeln und Qualifikationen in den §§ 29 ff. BtMG. Insbesondere in Fällen, in denen der Täter trotz Umsatzausrichtung und Eigennützigkeit nur eine andere Begehungsform der Grundtatbestände verwirklicht, welche nicht in den Strafzumessungsregeln und Qualifikationen erwähnt wird, ergeben sich Unterschiede zur bisherigen Rechtslage. Die Strafzumessungsregeln des § 29 Abs. 3 BtMG knüpfen beispielsweise nicht an den Besitz gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG an, so dass insoweit allein die Verwirklichung des Teilakts des Besitzes auch bei entsprechender Umsatzausrichtung und Eigennützigkeit anders als bisher keine entsprechende Strafschärfung auslöst. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erwähnt neben dem Handeltreiben nur das Herstellen, Abgeben und Besitzen. Gleiches gilt für die Tatbestände der §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 30a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BtMG, die jeweils nur eine Auswahl der verschiedenen Teilakte aufführen. Begrenzt wird diese Besserstellung von Tätern, die lediglich Teilakte verüben, durch die Strafbarkeit der Beihilfe zum Handeltreiben, die häufig gegeben sein dürfte.139 Ansonsten erscheint diese Folge aber sachgerecht, ergibt sie sich doch aus der gesetzgeberischen Entscheidung, nicht alle Tatbestände des § 29 Abs. 1 BtMG besonders zu qualifizieren, sondern lediglich einzelne herauszustellen. Eine sinnvolle Einschränkung erfährt die Qualifikation des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, da nach der Neufassung das Mitsichführen einer Schusswaffe 138  Siehe 139  Siehe

1. Teil B. III. 7. 4. Teil E. IV. 5.



E. Die Folgen der Neufassung183

nicht mehr bei jeder beliebigen auf Betäubungsmittelumsatz gerichteten Tätigkeit für die Erfüllung ausreicht, sondern nur auf den Zeitpunkt der Verbindungsleistung abgestellt werden kann.

VII. Konkurrenzen Auf Konkurrenzebene bedeutsam ist die von der Rechtsprechung angewendete Figur der Bewertungseinheit. Fraglich ist, ob diese Rechtsfigur auch nach der hier vorgeschlagenen Lösung noch Bestand hat. Man könnte daran zweifeln, da der Tatbestand nicht mehr derart pauschalisiert gefasst ist, dass er die anderen in § 29 Abs. 1 BtMG aufgeführten Einzelakte umfasst. Vielmehr erlangen die anderen Tatmodalitäten eigenständige Bedeutung. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung auch bei nicht derart pauschalisiert gefassten Tatbeständen die Rechtsfigur der Bewertungseinheit herangezogen hat, so z. B. bei den Absatzdelikten des Betäubungsmittelstrafrechts (z. B. Veräußerung, Abgabe), weil auch dort ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung sei.140 Die Rechtsprechung hat dadurch die Bewertungseinheit vom Begriff des Handeltreibens losgelöst und sie alleine auf das Handlungsobjekt (die Gesamtmenge) bezogen.141 Folgt man diesem Ansatz, kann die Bewertungseinheit auch bei einem modifizierten Begriff des Handeltreibens Geltung behalten. Die hier vertretene Fassung bietet genügend Ansatzpunkte für ein Anknüpfen an den Güterumsatz. Das Gesamtgeschäft steht im Mittelpunkt des hier vertretenen Modells und korrespondiert dabei bestens mit dem einheitlichen Güterumsatz der Bewertungseinheit, welcher für alle Tätigkeiten gleich ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass schon das Gesetz selbst durch die Formulierung „ohne Handel zu treiben“ die Figur der Bewertungseinheit nahelegt. Wenn eine Person neben dem Handeltreiben eine der nachfolgenden Tatmodalitäten erfüllt, soll sie nur wegen des Handeltreibens bestraft werden. Die Figur der Bewertungseinheit ergibt nach der Neuinterpretation nicht weniger Sinn als zuvor. Allerdings wird sich ihre Funktionsweise verändern. Es ist nicht mehr möglich, durch dieselbe Handlung gleichzeitig das Handeltreiben und andere Teilakte wie Einfuhr, Erwerb und Veräußerung zu erfüllen. Nach wie vor denkbar sind aber Fälle, in denen der Täter zunächst Handel treibt (z. B. durch eine Vermittlung des Kontakts zwischen zwei Personen) und anschließend für denselben Güterumsatz einen Teilakt vornimmt (z. B. veräußert). In diesem Fall wäre der Betroffene nur wegen 140  BGH, Beschl. v. 22.01.1997 – 3 StR 608 / 96, NStZ 1997, 243; kritisch Heintschel-Heinegg, in: MK-StGB, § 52 Rn. 44; Rissing-van Saan, in: LK-StGB, Vor § 52 Rn. 45. 141  Rissing-van Saan, in: LK-StGB, Vor § 52 Rn. 45.

184

4. Teil: Eigener Ansatz

Handeltreibens zu bestrafen, während die Veräußerung den Grundsätzen der Bewertungseinheit folgend einen unselbstständigen Teilakt bildet. Dass in solchen Fällen der Teilakt im Handeltreiben aufgehen soll, macht das Gesetz mit seiner Formulierung „ohne Handel zu treiben“ unmittelbar deutlich. Anders als bislang teilweise von der Rechtsprechung angenommen, kann dies aber nicht für den Anbau und die Herstellung gelten, bezieht sich diese Klausel doch auf diese beiden Begehungsweisen ausdrücklich nicht, sondern nur auf die nachfolgenden Tatbestände. Bei einer Verwirklichung des Handeltreibens und des Anbaus ist Tateinheit anzunehmen, was angesichts des besonders hohen und eigenständigen Unrechtsgehalts des Anbaus auch sachgerecht erscheint. Eine Verknüpfung verschiedener Handlungen zu einer Tat liegt aber auch vor, wenn eine Person mehrere Verbindungsleistungen erbringt (z.  B. durch mehrere Weisungen, verschiedene Teilakte miteinander zu verknüpfen).

VIII. Anwendung auf aktuelle BGH-Fälle Nachdem die Auswirkungen der Neufassung allgemein anhand verschiedener Themenfelder aufgezeigt wurden, soll sie nun auf einige aktuelle BGH-Fälle angewandt werden. Unterschiede zur bisherigen Rechtsprechung ergeben sich vor allem bei der Vermittlung von Betäubungsmittelgeschäften. Hier hat der BGH in der letzten Zeit häufig Beihilfe angenommen. Beispiel142: A nimmt von B eine Bestellung über 300 g Kokain an und sagt zu, die nötigen Kontakte zu vermitteln. Dabei will B das Kokain später weiterverkaufen. A soll für die Vermittlung 400 Euro erhalten. Auf Anfrage des A erklärt sich C bereit, das Rauschgift zu besorgen. Beide verabreden, das Kokain in der Wohnung eines Dritten gegebenenfalls vor der Übergabe an B zu strecken. Auf dem Weg zum Übergabeort werden die drei Beteiligten festgenommen. Der BGH hat hier für A Beihilfe zum Handeltreiben angenommen. Der hier vertretene Ansatz kommt zu einer täterschaftlichen Verurteilung. Der Tatbestand ist erfüllt, durch die Vermittlung hat A Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft offenbart; die Verbindungsleistung zwischen dem Erwerb des B und der Veräußerung des C hat A erbracht. Keine Rolle spielt, dass das Geschäft nicht erfolgreich abgewickelt wurde, da das Handeltreiben kein Erfolgsdelikt ist, sondern die bloße Vermittlungstätigkeit ausreicht, soweit sich darin Organisationsmacht zeigt.143 Durch die Anregung der Vermittlungsaktivitäten durch B bzw. die Bereitschaft des C, Drogen zu liefern, leisten beide Personen Beihilfe zum Handeltreiben des A. 142  Vgl. BGH, Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 339 / 10, NStZ-RR 2011, 57; ähnlich Beschl. v. 04.09.2012 – 3 StR 337 / 12 (juris). 143  Siehe insoweit die Ausführungen unter 4. Teil D. VI.



E. Die Folgen der Neufassung185

Notwendig ist allerdings eine genaue Feststellung der Vermittlungsbemühungen. Daran fehlt es im folgenden Fall: Beispiel144: A führt gegen Bezahlung regelmäßig Kuriere eines niederländischen Drogenlieferanten mit Abnehmern von Betäubungsmitteln zusammen. Dabei sorgt A entweder für einen sicheren Ort, an dem der Austausch der BtM und die Übergabe des Kaufpreises erfolgen kann oder er nimmt die BtM vorübergehend selbst in Gewahrsam und nimmt den Austausch von BtM  und Kaufpreis mit den Abnehmern selbst vor. Der BGH hat hier unter Heranziehung seiner neueren Kurierrechtsprechung nur Beihilfe zum Handeltreiben angenommen. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist, ob A selbst den Kontakt zwischen Lieferant und Abnehmer herstellte oder ob dies durch einen Hintermann erfolgte und A nur die Rahmenbedingungen für ein Treffen schafft. Während er im ersten Fall selbst Organisationsmacht in Form einer Verbindungsleitung dokumentiert hätte, kommt im zweiten Fall nur Beihilfe in Betracht. Es fehlt dann an der Verknüpfung von zwei Einzelakten, denn alleine die Bereitstellung einer Örtlichkeit sorgt nicht für die Zusammenführung von Kurier und Abnehmer. Da diese Frage in den Feststellungen der Entscheidung nicht ausdrücklich geklärt ist, ist im Zweifel mit dem BGH Beihilfe anzunehmen.

Interessant sind Fälle, in denen es um die Anwerbung von Personen für die Vornahme von Teilakten geht, etwa um den Transport. Beispiel145: A soll für Hintermann B eine Ladung Heroin von der Türkei nach Deutschland transportieren. A führt allerdings im Folgenden den Transport nicht selbst aus, sondern engagiert die Transporteure C und D. Der BGH hat hier für A unter Anwendung der neuen Rechtsprechung zum Gesamtgeschäft lediglich Beihilfe zum Handeltreiben angenommen. Zum gleichen Ergebnis kommt auch der hier vorgeschlagene Ansatz. Zwar wird A, indem er sich Hilfspersonen bedient, selbst organisatorisch tätig. Ihm selbst obliegt aber nur ein Teilakt, nämlich der Transport. Im Rahmen dessen hat er zwar offenkundig Organisationsmacht, nicht aber im Hinblick auf das Gesamtgeschäft. Eine Verbindungsleistung im Hinblick auf die verschiedenen Teilakte erbringt er nicht. Er kann damit nicht Täter des Handeltreibens sein, sondern leistet lediglich Hilfe zur Verbindungsleistung des Hintermanns B.

Die Erbringung von organisatorischen Tätigkeiten ist alleine noch kein Handeltreiben; hinzukommen muss die Verbindungsleistung, damit die Relevanz für das Gesamtgeschäft gegeben ist. Dies gilt auch, wenn der Handelnde mehrere Teilakte vornimmt. 144  Vgl. BGH, Beschl. v. 02.02.2010 – 3 StR 4 / 10, NStZ-RR 2010, 318; ähnlich Beschl. v. 25.04.2007 – 1 StR 156 / 07, NStZ 2007, 531. 145  Vgl. BGH, Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 270 / 11, NStZ 2012, 40; ähnlich Beschl. v. 30.10.2008 – 5 StR 345 / 08, NStZ 2009, 392.

186

4. Teil: Eigener Ansatz

Beispiel146: A stellt seine Wohnung, die darunterliegende Wohnung und eine eigens im Auftrag des B gemietete Kleingartenanlage als Drogenversteck für den von B geleiteten Schmugglerring zur Verfügung. Im Auftrag des B nimmt er Betäubungsmittel entgegen, lagert diese und gibt sie in ihm vorgegebenen Mengen an andere Beteiligte heraus, die wiederum im Auftrag Bs die Betäubungsmittel an Abnehmer ausliefern. Er erhält dafür monatlich zwischen 700 und 1000 Euro. In diesem Fall hat der BGH die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens aufgehoben und mit dem Hinweis an die Ausgangsinstanz zurückverwiesen, dass die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme erneut durchzuführen sei, wobei eher Beihilfe naheliegen solle. Der hier vorgeschlagene Ansatz kommt zum gleichen Ergebnis, A hat keine Organisationsmacht, die über Teilakte hinausgeht. Dass er mehrere Teilakte wie etwa die Lagerung und die Abgabe erbringt, ist ohne Belang. Die Verbindung zu den Abnehmern stellt nicht er, sondern B her. Er leistet deshalb lediglich Beihilfe zur Verbindungsleistung des B. Außerdem hat er sich täterschaftlich wegen Betäubungsmittelbesitz strafbar gemacht.

F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung Die vorgeschlagene Neuinterpretation des Handeltreibens muss zwangsläufig mit Einwänden rechnen. Lässt die aktuelle Gesetzesfassung wirklich den hier vorgeschlagenen Ansatz zu oder handelt es sich nicht in Wirklichkeit um eine Auslegung contra legem? Die vorliegende Arbeit hat den Weg gewählt, sich für eine Neufassung des Handeltreibens durch die neuen Rechtsprechungstendenzen des BGH und durch die Lehre vom Organisationsdelikt inspirieren zu lassen. In Kenntnis der Probleme des Handeltreibens wurde ein Weg gesucht, der die bekannten Schwierigkeiten vermeidet und zu dogmatisch widerspruchsfreien, praxistauglichen und sachgerechten Ergebnissen führt. Entscheidender Maßstab für eine Begriffsbestimmung wie die des Handeltreibens kann aber immer nur das Gesetz selbst sein. Als Abschluss dieser Arbeit soll deshalb der vorliegende Ansatz unter Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden überprüft werden.147

I. Wortlaut Ausgangspunkt der Auslegung bildet der Wortlaut. Nähert man sich dem Begriff „Handel treiben“ anhand von Wörterbüchern, fällt auf, dass der Terminus kaum eigenständig, sondern stets im Zusammenhang mit „Handel“ und „handeln“ erörtert wird. So definiert der Duden „handeltreibend“ BGH, Beschl. v. 11.1.2012 – 5 StR 445 / 11, NStZ-RR 2012, 121. zur Auslegung des Handeltreibens anhand der klassischen Auslegungsmethoden die ausführliche Untersuchung von Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 23 ff. 146  Vgl. 147  Vgl.



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung187

(als Adjektiv) als „sich mit Handel befassend“148. Ältere Wörterbücher setzten es mit „handlen“149 gleich. Man wird deshalb mit Recht davon ausgehen dürfen, dass die Komponente des „Handels“ den Kern des Aussagegehalts des Begriffs „Handeltreiben“ ausmacht. Dem Element des „Treibens“ kommt nur eine untergeordnete Bedeutung zu, es betont aber, wie Ebert zutreffend herausgearbeitet hat, ein „aktives, fortschreitendes Element“ und stellt damit die Tätigkeit in den Vordergrund.150 Das BVerfG versteht „Treiben“ als ein auf Handel gerichtetes Tun.151 „Treiben“ macht aus dem Substantiv „Handel“ ein Verb, so dass man Handeltreiben weitestgehend übereinstimmend mit „handeln“ verstehen kann. Dabei ist zu beachten, dass das Handeltreiben schon nach dem Wortlaut einen klaren Bezugspunkt hat. Das Gesetz verlangt das „Handeltreiben mit“ etwas, genauer gesagt mit Betäubungsmitteln. Insofern lässt sich bereits dem Wortlaut entnehmen, dass das Handeltreiben in einem wirtschaftlichen Kontext zu verstehen ist. Es geht nicht in einem allgemeinen Sinne um die Ausführung einer Handlung oder darum sich in einer bestimmten Weise zu verhalten, sondern um ein wirtschaftsbezogenes Verhalten, das Handeln mit Betäubungsmitteln. Handel kann man dabei in einem funktionellen Sinne152 verstehen, bei dem die Tätigkeit im Vordergrund steht. Denkbar ist auch ein institutionelles Verständnis als ein „Teilbereich der Wirtschaft, der sich dem Kauf und Verkauf von Waren widmet“ oder schlicht als die „Gesamtheit der Handelsunternehmen“153. Von einem Handel im institutionellen Sinn spricht man bei Betrieben, die sich überwiegend mit Handel im funktionellen Sinn beschäftigen.154 Da das Gesetz Handeltreiben als Verb gebraucht und es als Tathandlung normiert, ist für das gesetzliche Begriffsverständnis innerhalb des § 29 BtMG alleine die funktionale Bedeutung von Interesse. Aber selbst wenn man sich auf einen derartigen wirtschaftsbezogenen, funktionellen Bedeutungsgehalt des Handelsbegriffs beschränkt, bleiben verschiedene Bedeutungsvarianten übrig. In einschlägigen Wörterbüchern und Lexika werden unterschieden: erstens der Verkauf bzw. Vertrieb eines einzelnen Produkts („Der Spargel wird heute für 8 Euro pro Kilo gehandelt.“), 148  Stichwort

„handeltreibend“ bei Duden Deutsches Universalwörterbuch, S. 785. Deutsches Wörterbuch, Band 2, Spalte 44. 150  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 32. 151  BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126 / 05, NJW 2007, 1193. 152  Die Unterscheidung zwischen Handel im funktionellen und institutionellen Sinn findet sich etwa bei Gabler Wirtschaftslexikon, S. 1368; Brockhaus Enzyklopädie, Band 11, S. 799; Grüske / Schneider, Wörterbuch der Wirtschaft, S. 214; ausführlich dazu Müller-Hagedorn, Der Handel, S. 15 ff. 153  Stichwort „Handel“ bei Duden Deutsches Universalwörterbuch, S. 784. 154  Gabler Wirtschaftslexikon, S. 1368. 149  Heyne,

188

4. Teil: Eigener Ansatz

zweitens die Betonung der Gewerbsmäßigkeit des Verkaufs („A handelt mit Spargel.“), drittens Handeln im Sinne von Verhandeln („A handelt nicht. Er bietet die Spargel für einen Festpreis an.“), viertens eine Geschäftsbeziehung herausstellend („A handelt mit dem Spargelerzeuger B.“) und fünftens eine den Wirtschaftsprozess beschreibende Gesamttätigkeit des Händlers zur Verbindung von Produktion und Absatz („Nachdem B die Spargel produziert hat, kümmert sich A um den Handel.“).155 Für den Zweck der Auslegung im Rahmen des § 29 BtMG erweisen sich dabei die Bedeutungsvarianten zwei bis vier als fruchtlos. Gewerbsmäßigkeit hat der Gesetzgeber in § 29 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BtMG als strafschärfendes Regelbeispiel normiert, so dass es schon aus systematischen Gründen keinen Sinn ergibt, den Gedanken der Gewerbsmäßigkeit im Tatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG zu berücksichtigen. Auch die Interpretation von Handeln als Verhandeln scheidet aus, da die Tatsache, ob eine Person nun um den Preis des Betäubungsmittels feilscht oder nicht, kein Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit sein kann. Sanktionswürdig ist vielmehr das Stattfinden des Geschäfts an sich. Auch die Geschäftsbeziehung kann keine Rolle spielen. Für § 29 Abs. 1 BtMG ist entscheidend, dass mit Betäubungsmitteln Handel getrieben wird und nicht, wer der genaue Geschäftspartner dieses Handels ist bzw. ob dabei feste Geschäftsbeziehungen bestehen. Übrig bleiben somit die Bedeutungsvarianten eins und fünf. Das Betonen des Verkaufs und Vertriebs des Einzelprodukts deckt sich dabei noch am ehesten mit dem bisherigen Verständnis des Handeltreibens. Allerdings darf man dabei Verkauf und Vertrieb nicht zu eng verstehen, sonst ist man schnell bei der Bedeutung von Veräußern, was als separate Tathandlung in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG normiert ist. Jedenfalls wird durch diese Bedeutungsvariante auf einen Einzelakt abgestellt. Indem die Rechtsprechung alle eigennützigen Tätigkeiten mit der Ausrichtung auf Betäubungsmittelumsatz einbezieht, dürfte sie in der Regel zutreffend Fälle erfassen, in denen der gewinnbringende Verkauf zumindest das Endziel des Handelnden ist. Umso näher die Tätigkeiten an den Verkauf heranreichen, umso näher ist die Rechtsprechungsdefinition an diesem Bedeutungsgehalt. So macht etwa der Satz „A plant am morgigen Tag, ab 10.00 Uhr in Bahnhofsnähe mit Marihuana zu handeln“ noch durchaus Sinn. Schwieriger wird dies bei nicht direkt auf den Verkauf bezogenen Teilakten wie den Transport. Bei einem Transport gegen Entgelt von Holland nach Deutschland wird man kaum sagen können „A beabsichtigt morgen durch den Transport von Amsterdam nach Aachen mit Marihuana zu handeln“. Geradezu absurd wird es, wenn 155  Vgl. dazu die Stichworte „Handel“ und „handeln“ bei Duden Deutsches Universalwörterbuch, S. 784 und bei Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 390; außerdem Brockhaus Wirtschaft, S. 268.



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung189

man Fälle wie den Diebstahl von Betäubungsmitteln miteinbezieht. Die Rechtsprechung bezieht aber auch die bloße Inbesitznahme von Betäubungsmitteln durch Diebstahl mit ein, wenn mit ihr eine umsatzfördernde Handlung vorgenommen wird oder eine solche Handlung zumindest beabsichtigt ist.156 Die reine Inbesitznahme durch Diebstahl lässt sich mit dem beschriebenen Wortsinn nicht mehr vereinbaren.157 Die Bedeutungsvariante fünf, die auf eine den Wirtschaftsprozess beschreibende Gesamttätigkeit des Händlers zur Verbindung von Produktion und Absatz abzielt, korrespondiert dagegen ohne weiteres mit dem hier entwickelten Ansatz. Wenn Wörterbücher und Lexika Handel als „alle Tätigkeiten, die auf Güteraustausch, also auf die Vermittlung von Produktion und Konsum, innerhalb einer Volkswirtschaft gerichtet sind“158 beschreiben, trifft dies den Kern dessen, was hier durch die Anknüpfung an das Gesamtgeschäft erfasst werden soll. Dies zeigen auch andere Formulierungen, wonach der Handel das „Bindeglied zwischen Produktion und Konsumtion“159 sei und „die Aufgabe [übernehme], räumliche, zeitliche, qualitative und quantitative Diskrepanzen zwischen der Produktion und der Konsumtion auszugleichen“160. Außerdem stimmt eine derartige Interpretation mit einem vielfach betonten Charakteristikum von Handel überein, nämlich der Feststellung, dass die am Handel beteiligten Personen die Güter selbst nicht wesentlich be- und verarbeiten.161 All dies zeigt, dass die hier vorgeschlagene Fassung zwar aus der Perspektive des Wortlauts nicht zwingend, aber zumindest ohne weiteres möglich ist. Jedenfalls liegt sie näher am natürlichen Wort-Sinn-Verständnis als die Definition der Rechtsprechung.

156  BGH, Urt. v. 20.01.1982 – 2 StR 593 / 81, BGHSt 30, 359 (360 f.); vgl. dazu außerdem Urt. v. 23.09.1992 – 3 StR 275 / 92, NStZ 1993, 44 (45). 157  Skoupil, Handeltreiben mit BtM, S. 136 f. 158  Grüske / Schneider, Wörterbuch der Wirtschaft, S. 214; ähnlich Meyers Neues Lexikon, Band 6, S. 107; Wahrig Deutsches Wörterbuch, S. 670. 159  Meyers Neues Lexikon, Band 6, S. 107. 160  Gabler Wirtschaftslexikon, S. 1368; ähnlich Meyers Ezyklopädisches Lexikon, Band 11, S. 389. 161  Brockhaus Enzyklopädie, Band 11, S. 799; Brockhaus Wirtschaft, S. 268; Gabler Wirtschaftslexikon, S. 1368; Meyers Ezyklopädisches Lexikon, Band 11, S. 389.

190

4. Teil: Eigener Ansatz

II. Systematik Aufgabe der systematischen Auslegung ist es, die einzelne Rechtsnorm in den Kontext der gesamten Rechtsordnung zu stellen.162 Zur Wahrung der „Einheit des Rechts“ ist es notwendig, dass logische Widersprüche vermieden und Konflikte unterschiedlicher Normzwecke zu einem gerechten und schonenden Ausgleich gebracht werden.163 Die systematische Auslegung hat dabei verschiedene Aspekte. Ein Aspekt ist die Vermeidung von Redundanz.164 Keine Norm soll überflüssig sein, sondern sie soll jeweils ihren eigenen Anwendungsbereich haben. Daraus leitet sich der Anspruch ab, eine Norm nicht so weit auszulegen, dass sie den Anwendungsbereich einer anderen völlig überdeckt.165 Nach dem momentanen Begriff des Handeltreibens schließt dieser Tatbestand die anderen Tatmodalitäten des § 29 Abs. 1 BtMG weitgehend ein, nämlich dann, wenn der Täter eigennützig auf Umsatz mit Betäubungsmitteln abzielt. Die Begehungsformen sind zwar nicht überflüssig, verbleibt ihnen doch ein eigener Anwendungsbereich in Fällen, in denen diese subjektive Zielrichtung nicht gegeben ist. Doch ihr Anwendungsbereich ist klein. An der geforderten Motivation fehlt es nur in einem geringen Teil der Fälle. Der vorgeschlagene Ansatz führt hingegen dazu, dass die anderen Tatmodalitäten wieder einen signifikanten eigenen Anwendungsbereich erhalten. Die bisherige Rechtspraxis, nach der das Handeltreiben einen Großteil der sonst normierten Einzelakte mit aufnimmt, wird obsolet. Aus systematischer Sicht ergibt sich also durchaus ein Zugewinn, da nach der vorgeschlagenen Lösung das Betäubungsmittelrecht nicht mehr einseitig vom Tatbestand des Handeltreibens dominiert wird, sondern die Vielzahl der im Gesetz aufgeführten Begehungsformen in signifikantem Ausmaß zum Tragen kommt. Außerdem wird durch das Handeltreiben nach der Neufassung eine konkrete, klar umrissene Verhaltensweise beschrieben, genauso wie das bei den anderen Tatbeständen des § 29 Abs. 1 BtMG der Fall ist. Vermieden werden müssen aber nicht nur Redundanzen im Bereich von Tathandlungen, sondern auch in den übrigen Formulierungen des Gesetzes. Problematisch könnte hier die dem Handeltreiben nachfolgende Formulierung „ohne Handel zu treiben“ sein. Das hier bevorzugte Verständnis schließt Fälle aus, in welchen ein Täter gleichzeitig das Handeltreiben und eine andere Begehungsform des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfüllt. Bereits oben wurde 162  Zippelius, Methodenlehre, kens, S. 81. 163  Zippelius, Methodenlehre, 164  Puppe, Kleine Schule des 165  Puppe, Kleine Schule des

S. 36; Puppe, Kleine Schule des juristischen DenS. 36. juristischen Denkens, S. 86 ff. juristischen Denkens, S. 86 ff.



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung191

allerdings herausgearbeitet, dass das Handeltreiben auch beim Vorliegen zeitlich nachfolgender Tathandlung andere Tatmodalitäten als rechtlich unselbstständige Teilakte in sich aufnimmt.166 Die Figur der Bewertungseinheit behält auch nach der Neuinterpretation ihre Berechtigung. Soweit neben dem Handeltreiben im Gesetz nachfolgend genannten Tathandlungen auf den gleichen Güterumsatz gerichtet sind, wird der Täter nur wegen Handeltreibens bestraft. Dies korrespondiert bestens mit der oben ausgeführten Aussage, dass das Handeltreiben neben dem Anbau und der Herstellung die verwerflichste Tathandlung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG darstellt.167 Allerdings ist im Gegensatz zum bisherigen Verständnis der Bewertungseinheit keine Verbindung zwischen Anbau und Handeltreiben sowie Herstellung und Handeltreiben anzunehmen. Diese beiden Tatbestände sollen nach dem Wortlaut der Vorschrift im Gegensatz zu den anderen Begehungsformen nicht im Handeltreiben aufgehen.168 Auch insofern wird die hier vorgeschlagene Lösung der systematischen Konzeption des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG besser gerecht. Ein anderer Aspekt der systematischen Auslegung ist das Postulat der Widerspruchsfreiheit. Widersprüche ergeben sich nach bisheriger Rechtslage vor allem zum Allgemeinen Teil des Strafrechts. Insbesondere im Bereich von Täterschaft und Teilnahme weicht die Rechtsprechung von üblichen Grundsätzen wie der Annahme von Täterschaft bei eigenhändiger Tatbegehung ab. Daneben wird die Akzessorietät der Beihilfe durch den freigiebigen Umgang mit der Haupttat beeinträchtigt. Auch bei der Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung verwickelt sich die Rechtsprechung in Widersprüche. Schließlich steht die Struktur des Tatbestands nach bisheriger Lesart in krassem Gegensatz zu allen anderen Delikten des Strafrechts. Keinerlei objektive Anforderungen, sondern das Ausreichenlassen einer beliebigen Handlung mit subjektiver Ausrichtung – eine solche Art von Tatbestand kennt man in dieser Gestalt sonst nicht. Durch die hier vorgeschlagene Interpretation nähert sich das Delikt des Handeltreibens dem Normalfall an, in dem mit dem Bemühen um eine Verbindungsleistung eine objektive Einschränkung eingefügt wird. Die hier vorgeschlagene Lösung hat somit den Vorzug, dass sie solche Widersprüche zum allgemeinen Strafrecht vermeidet.

III. Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte ist für die Rechtsprechung ein wichtiges Argument für ihr weites Verständnis des Handeltreibens. Der 166  Siehe

4. Teil E. VII. 4. Teil E. III. 168  Ebenso Oğlakcıoğlu, Allgemeiner Teil des BtM-Strafrechts, S. 440. 167  Siehe

192

4. Teil: Eigener Ansatz

Gesetzgeber habe schon bei der gesetzlichen Aufnahme des Handeltreibens ins OpiumG den tradierten Begriff des Handeltreibens vor Augen gehabt.169 Auch bei späteren Änderungen im Betäubungsmittelrecht sei dieses Verständnis des Handeltreibens nicht in Frage gestellt worden.170 Der Gesetzgeber habe einen möglichst vollständigen Katalog der Begehungsformen schaffen wollen und dabei in Kauf genommen, dass sich Tatbestände überdecken und überschneiden können.171 Spricht also die historische Auslegung gegen das hier vorgeschlagene enge Verständnis? Dieser Frage soll im Folgenden anhand eines kurzen chronologischen Überblicks nachgegangen werden. 1. Die Aufnahme des Begriffs In der Geschichte des Betäubungsmittelrechts wird der Begriff des Handeltreibens erstmals in der Verordnung über den Verkehr mit Opium vom 15. Dezember 1918172 verwendet. Diese wurde durch die Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln von 20. Juli 1920173 abgelöst, welche ebenfalls den Begriff des Handeltreibens enthielt. Bereits zuvor hatte der Gesetzgeber in anderem Zusammenhang den Begriff des Handeltreibens verwendet, so in der Kettenhandelsverordnung vom 24. Juni 1916174 und der Weinverordnung vom 31. August 1917175. Schon hier legte die Rechtsprechung dem Begriff ein weites Verständnis zugrunde und definierte das Handeltreiben als eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit.176 Die Ursprünge des Begriffs deuten somit auf ein weites Verständnis hin. Als mit dem OpiumG 1920177 das Betäubungsmittelrecht erstmals in ein Gesetz überführt wurde, lässt sich jedoch der Begriff des Handeltreibens in den Strafvorschriften nicht finden. Gesetzlich aufgenommen in einem strafrechtlichen Zusammenhang hat der Gesetzgeber den Begriff des Handeltreibens erstmals in § 10 Abs. 1 Nr. 1 OpiumG 1929178. Hintergrund war, dass im zuvor geltenden OpiumG 1920 in der Strafvorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1 169  BGH,

Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (259). Beschl. v. 26.10.2005 – GSSt 1 / 05, BGHSt 50, 252 (259). 171  BGH, Urt. v. 21.02.1974 – 1 StR 588 / 73, BGHSt 25, 290 (291 f.); Urt. v. 04.10.1978 – 3 StR 232 / 78, NJW 1979, 1259. 172  RGBl. S. 1447. 173  RGBl. S. 1464. 174  RGBl. S. 581. 175  RGBl. S. 751. 176  RG, Urt. v. 18.01.1918 – IV 701 / 17, RGSt 51, 379 (380); Urt. v. 17.09.1918 – IV 419 / 18, RGSt 52, 169 (170); Urt. v. 06.10.1919 – III 246 / 19, RGSt 53, 310 (316); Urt. v. 23.01.1920 – II 930 / 19, RGSt 54, 94. 177  RGBl. 1921, S. 2. 178  RGBl. I, S. 215. 170  BGH,



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung193

nur Einfuhr, Ausfuhr, Herstellung, Verarbeitung, Erwerb, Veräußerung, Inverkehrbringen, Aufbewahren, Feilhalten und Abgabe unter Strafe gestellt waren.179 Dies stand im Gegensatz zur Erlaubnispflicht in § 2 Abs. 1 OpiumG 1920, welche generell für den Handel mit Opium galt. Dies veranlasste das Reichsgericht dazu, die reine Vermittlungstätigkeit als nicht der Strafvorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1 OpiumG 1920 unterfallend anzusehen, obwohl sie die Erlaubnispflicht gem. § 2 Abs. 1 OpiumG 1920 auslöste.180 Mit der Aufnahme des Handeltreibens sollte diese Gesetzeslücke geschlossen werden. Die Gesetzbegründung nahm ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts Bezug: „[…] In mehreren Strafprozessen, die gegen Personen, die ohne diese Erlaubnis Handelsgeschäfte vermittelten, abhängig gemacht worden sind, ist auf Freispruch erkannt worden, weil in den Strafbestimmungen eine Reihe von strafbaren Betätigungen des Handels aufgeführt seien, das erlaubnislose Vermitteln aber nicht unter Strafe gestellt sei. Nach der Fassung des Entwurfs fällt nunmehr das Vermitteln von Handelsgeschäften ohne besondere Erlaubnis unter das Verbot des erlaubnislosen Handels.“181 Nach Aufnahme des Handeltreibens knüpfte die Rechtsprechung in § 10 Abs. 1 Nr. 1 OpiumG 1929 an das weite Verständnis des Begriff „Handel“ im Erlaubnisvorbehalt und der früheren Notverordnungen an.182 Als Handeltreiben sei jede eigensüchtige, auf den Betäubungsmittelumsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen.183 Es liegt nahe anzunehmen, dass dem Gesetzgeber dieses Begriffsverständnis bekannt war und er sich an diesem auch orientieren wollte. Warum er allerdings nicht einfach anstatt des „Handeltreibens“ das „Vermitteln“ als Begehungsform zur Schließung der Strafbarkeitslücken aufnahm, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht. Einerseits ist denkbar, dass die Vermittlung nicht der einzige Anwendungsbereich des Handeltreibens bleiben sollte. Andererseits könnte sich der Gesetzgeber aber auch einfach ohne besondere Hintergedanken für die Übernahme der gleichen Begrifflichkeit wie beim Erlaubnisvorbehalt entschieden haben, da er durch dieses Vorgehen jedenfalls das akut bestehende Problem der lückenhaften Strafvorschrift gelöst sah. Die letztgenannte Variante erscheint dabei wahrscheinlich, kommt es doch gerade bei kleineren strafrechtlichen Gesetzesnovellen häufig vor, dass der Gesetzgeber ein ganz konkretes Problem lösen möchte und sich dabei über systematische Auswirkungen dieser Änderung überhaupt keine Gedanken macht, geschweige denn solche beabsichtigt. Ein 179  Vgl. zum Ganzen Anselmino / Hamburger, Opiumgesetz, S. 300; Schneidewin, in: Stenglein, Strafrechtliche Nebengesetze, § 8 OpiumG Rn. 8. 180  RG, Urt. v. 08.05.1929 – II 1158 / 28, RGSt 63, 161 (163). 181  RT-Drucksache 4 / 1386, S. 10. 182  Vgl. Schneidewin, in: Stenglein, Strafrechtliche Nebengesetze, § 2 OpiumG Rn. 9. 183  RG, Urt. v. 25.04.1932 – 3 D 234 / 32, DJZ 1932, 808.

194

4. Teil: Eigener Ansatz

Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Übernahme des Begriffs des gefährlichen Werkzeugs aus § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB.184 Selbst wenn der Gesetzgeber aber wirklich den Anwendungsbereich über das Vermitteln hinaus ausdehnen wollte, bleibt offen, ob der Tatbestand des Handeltreibens als umfassender Tatbestand oder als Auffangtatbestand ausgestaltet werden sollte. Die Rechtsprechung hat stets überhaupt nur die erste Variante in Betracht gezogen, nach welcher das Handeltreiben einen Großteil der anderen Tatmodalitäten wie beispielsweise das Anbauen, Verkaufen, Erwerben, Ein- und Ausführen sowie das Besitzen mit abdeckt, soweit dabei Gewinnabsicht vorliegt. Erst auf der Konkurrenzebene treten dabei die anderen Tatmodalitäten zugunsten des Handeltreibens zurück. Ebenso denkbar ist aber die Konzeption als Auffangtatbestand, welcher nur dann tatbestandlich vorliegt, wenn andere Tatbestände nicht eingreifen.185 Angesicht des Einfügens zur Lückenschließung erscheint eine solche Interpretation sogar naheliegender als das umfassende Verständnis der Rechtsprechung. Vertritt man die letzte Variante, bliebe die Vermittlung von Betäubungsmitteln der Hauptanwendungsfall des Handeltreibens. 2. Die nachfolgende Entwicklung Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes galt das OpiumG 1929 zunächst als vorkonstitutionelles Recht fort (vgl. Art. 123, 125, 74 Nr. 19 GG). Erst durch das BtMG 1972186 regelte die Bundesrepublik das Betäubungsmittelrecht neu. Dabei blieb der Begriff des Handeltreibens unverändert erhalten. Die bisherige Fassung des Handeltreibens stellte der Gesetzgeber nicht in Frage, sondern legt unausgesprochen das jahrzehntelange, gewachsene Verständnis der Rechtsprechung zugrunde.187 Für besonders schwere Fälle war nun eine Strafe zwischen einem und zehn Jahren vorgesehen. Dabei wurde eine neue Zielrichtung des Kampfes gegen Betäubungsmittelkriminalität deutlich, in dem der Gesetzgeber die Bekämpfung der Hintermänner hervorhob, die mit ihrem rücksichtslosen Gewinnstreben vom Unglück anderer profitieren.188 Diese gesetzgeberische Grundhaltung lässt sich auch im Gesetzgebungsverfahren des BtMG 1982189 feststellen. Für betäubungsmittelabhängige 184  Vgl. dazu Eser / Bosch, in: S / S-StGB, § 244 Rn. 5; Mitsch, ZStW 111 (1999), 65 (79). 185  In diese Richtung Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 46; Liemersdorf / Miebach, MDR 1979, 981; Schütz-Scheifele, BtM-Strafrecht, S. 24. 186  BGBl. 1971 I, S. 2092. 187  Schlage, AL 2012, 257 (259). 188  BT-Drucksache 6 / 1877, S. 5. 189  BGBl. 1981 I, S. 681.



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung195

Straftäter wurden dabei die Therapiemöglichkeiten erweitert („Therapie statt Strafe“). Dagegen wurde der Strafrahmen für schwere Rauschgiftkriminalität von 10 auf 15 Jahren Freiheitsstrafe erhöht. Gleiches gilt auch für den Strafrahmen des Grundtatbestands, welcher von 3 auf 4 Jahre angehoben wurde. Hintergrund war, dass die Bundesrepublik immer mehr zum Drehund Angelpunkt des international organisierten Rauschgifthandels wurde.190 Der Gesetzgeber wollte mit diesen Änderungen den Fokus des Betäubungsmittelrechts vom einzelnen Drogensüchtigen auf die organisierte Betäubungsmittelkriminalität verschieben. Im Rahmen der Gesetzesänderung zum BtMG 1982 wurde auch der Zusatz „ohne mit ihnen Handel zu treiben“ eingeführt. Damit sollte laut Gesetzesbegründung klargestellt werden, dass die in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG genannten Begehungsformen im Handeltreiben aufgehen können, aber auch eine selbstständige Bedeutung haben.191 Damit gab der Gesetzgeber erstmals ausdrücklich zu erkennen, dass er die anderen Begehungsweisen nur als Auffangtatbestände für Fälle sieht, in denen Handeltreiben nicht vorliegt oder nicht nachgewiesen werden kann.192 Der bei der ursprünglichen gesetzlichen Aufnahme noch naheliegenden Interpretation des Handeltreibens als umfassender Auffangtatbestand ist damit der Boden entzogen. Warum sich allerdings der Zusatz nicht auf den Anbau und die Herstellung bezieht, wird in der Gesetzesbegründung nicht deutlich und ist im Folgenden auch von der Rechtsprechung nicht beachtet worden. 3. Ergebnis Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte spricht keineswegs so eindeutig für ein weites Verständnis, wie von der Rechtsprechung behauptet. Der Gesetzgeber hat sich zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich zum Inhalt des Begriffs geäußert.193 Es erscheint gewagt, wenn die Rechtsprechung ihre Position hauptsächlich mit dem Argument rechtfertigt, dass der Begriff im Vorfeld der Aufnahme ins OpiumG – teilweise in völlig anderem Zusammenhang – weit verstanden wurde. Warum sollte der Gesetzgeber damit beabsichtigt haben, den anderen klar umrissenen und zur damaligen Zeit bereits etablierten Begehungsweisen einen Großteil ihres Anwendungsbereichs zu entziehen? 190  Hügel / Junge / Lander / Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, § 29 BtMG Rn. 1.2. 191  BT-Drucksache 8 / 3551, S. 36. 192  Weber, Begriff des Handeltreibens, S. 142 f. 193  Rahlf, in: MK-StGB, § 29 BtMG Rn. 254.

196

4. Teil: Eigener Ansatz

Stärker wiegt die Einfügung des Zusatzes „ohne Handel zu treiben“, war es doch die Absicht des Gesetzgebers, damit deutlich zu machen, dass die anderen Begehungsformen im Handeltreiben aufgehen können. Auch bei diesem Schritt hat sich der Gesetzgeber jedoch nicht ausdrücklich zum Begriffsverständnis der Rechtsprechung bekannt. Der hier vorgeschlagene Ansatz gewährleistet es genauso wie das bisherige Verständnis, dem Zusatz eine dem gesetzgeberischen Willen entsprechende Funktion einzuräumen. So können neben dem Handeltreiben immer noch Einzelakte vorliegen, wenn dabei auch nicht mehr an dieselbe Tätigkeit angeknüpft wird, sondern an verschiedene Handlungen, etwa die Verbindungstätigkeit eines Vermittlers (Handeltreiben), der bei demselben Gesamtgeschäft noch den Transport über die Grenze übernimmt (Einfuhr). Es lassen sich sogar Argumente finden, die nach historischer Auslegung stärker für die Neufassung als für das Verständnis der Rechtsprechung sprechen. So führt die hier vorgeschlagene Fassung auf den ursprünglichen Sinn als Lückenfüller für das Vermitteln zurück. Zwar geht sie darüber hinaus, in dem sie auch Anweisungen aus hierarchisch geführten Organisationen erfasst. Jedoch würde die Vermittlung nach der Neufassung einen wesent­ lichen Teil des Handeltreibens ausmachen. Auch die mit dieser Auslegung erzielten Ergebnisse passen gut zu den Vorstellungen des (jüngeren) Gesetzgebers. Wenn er vor allem die mit Gewinnstreben handelnden Großhändler erfassen und nicht untergeordnete, meist drogenabhängige Helfer sanktionieren möchte, kann man den Tatbestand des Handeltreibens nicht derart weit interpretieren, wie dass die Rechtsprechung seit Jahrzehnten tut. Aufgrund der hohen Strafrahmen der §§ 29 ff. BtMG ist das Ziel, die „kleinen Täter milde zu ahnden“194, kaum erreichbar. Die Instrumente der minder schweren Fälle und des § 31a BtMG reichen dafür nicht aus.

IV. Sinn und Zweck 1. Rechtsgüter des Betäubungsmittelrechts Verbreitet wird das der Vorschrift zugrundeliegende Rechtsgut als das zentrale Kriterium für die teleologische Auslegung im Strafrecht angesehen. Dies ergibt sich daraus, dass nach herrschender Auffassung das Strafrecht die Aufgabe hat, fremde Rechtsgüter vor deren Verletzung zu schützen.195 194  BT-Drucksache

8 / 3551, S. 35. in: Rechtsgutstheorie, 286; Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 1 ff., 120 ff.; in der Literatur werden auch zahlreiche andere Konzeptionen vertreten, vgl. dazu Lang, BtM-Strafrecht, S.  32  ff. und Pasedach, Verantwortungsbereiche, S.  128 ff. m. w. N.; außerdem Swoboda, ZStW 122 (2010), S. 24 (24 ff.). 195  Hefendehl,



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung197

a) Die unterschiedlichen Rechtsgutskonzeptionen Soweit sich der Gesetzgeber zur Frage des Rechtsguts im Betäubungsmittelrecht geäußert hat, hebt er auf einen ganzen Strauß von Rechtsgütern ab. So möchte er laut Begründung zum BtMG 1972 die Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit abwenden, etwa durch irreparable Schäden der Gesundheit und die daraus folgende Zerstörung der Persönlichkeit, Freiheit und Existenz, insbesondere von jungen Menschen.196 Geschützt werden soll auch die Familie, und zwar vor der durch die Rauschgiftsucht eines Familienmitglieds drohenden „Erschütterung“.197 Schließlich wird auch die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft genannt.198 Beim BtMG 1982 stellt der Gesetzgeber stärker auf das Rechtsgut Volksgesundheit ab. So betont er, dass die Tatbestände des § 29 Abs. 1 BtMG „eine an der Tatschwere, dem Unrechtsgehalt und der Schuld ausgerichtete Einstufung bestimmter Arten von Rauschgiftdelikten als besonders gefährliche und verabscheuungswürdige Angriffe gegen das Schutzgut ‚Volksgesundheit‘ ermöglichen“199 sollen. Aber auch hier werden an anderer Stelle die „sozialen Interessen“ der Gesellschaft hervorgehoben.200 Die Rechtsprechung hat sich zu den zugrundeliegenden Rechtsgütern bislang nur wenig geäußert. Soweit sie dies tut, stellt sie vor allem auf das Rechtsgut der Volksgesundheit ab.201 Der BGH bezog sich dabei vor allem im Rahmen der Strafzumessung auf das Maß der Gefährdung der Volks­ gesundheit.202 Zur Tatbestandsauslegung des Handeltreibens wurde das Rechtsgut der Volksgesundheit erst in der neuen Rechtsprechung und dann auch nur beiläufig herangezogen.203 Das BVerfG hat sich ausführlich in der sogenannten Cannabis-Entscheidung zu den Rechtsgütern des Betäubungsmittelstrafrechts geäußert. Es bestätigt dabei die vom Gesetzgeber vorgebrachten Schutzgüter und sieht es als unproblematisch an, dass auch Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden, die nicht unmittelbar die Gesundheit 196  BR-Drucksache

665 / 70, S. 2; BT-Drucksache 6 / 1877, S. 5. 665 / 70, S. 2. 198  BR-Drucksache 665 / 70, S. 2. 199  BT-Drucksache 8 / 3551, S. 37. 200  BT-Drucksache 8 / 3551, S. 35. 201  Etwa RG, Urt. v. 08.05.1929 – II 1158 / 28, RGSt 63, 161 (164); Urt. v. 28.02.1997 – 2 StR 556 / 96, BGHSt 43, 8 (11). 202  BGH, Urt. v. 29.10.1975 – 3 StR 373 / 75 (juris), Rn. 9; Urt. v. 24.11.1982 – 3 StR 384 / 82, BGHSt 31, 163 (168); Beschl. v. 25.09.1990 – 4 StR 359 / 90, NJW 1991, 307 (309), zustimmend Beulke / Schröder, NStZ 1991, 392; Urt. v. 05.09.1991 – 4 StR 386 / 91, NJW 1992, 380. 203  BGH, Beschl. v. 06.11.1991 – 3 StR 406 / 91, NStZ 1992, 191; Urt. v. 28.02.1997 – 2 StR 556 / 96, BGHSt 43, 8 (11); Urt. v. 14.04.1999 – 3 StR 22 / 99, NJW 1999, 2683 (2685). 197  BR-Drucksache

198

4. Teil: Eigener Ansatz

Einzelner gefährden.204 Ausdrücklich stellt es auch auf die sozialschädlichen Wirkungen ab, die der Umgang mit Drogen beinhaltet.205 Als legitimierender Gemeinschaftsbelang sei außerdem die internationale Kontrolle von Suchtstoffen anzusehen, für welche die Strafvorschriften des BtMG den Beitrag der Bundesrepublik Deutschland darstellten.206 All diesen Äußerungen ist gemein, dass sie vor allem auf Universalrechtsgüter wie die Volksgesundheit (oder besser: allgemeine Gesundheit) und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft abstellen. Zahlreiche Stimmen aus dem Schrifttum lehnen dies insbesonders im Hinblick auf die Volksgesundheit ab.207 Das BtMG sanktioniere eigenverantwortliche Selbstschädigungen und sei deshalb in der derzeitigen Form ein „paternalistisch motiviertes Ausnahmerecht“.208 Einige halten eine strafrechtliche Regelung generell für illegitim und fordern deshalb die Legalisierung von Betäubungsmitteln.209 b) Relevanz für vorliegende Fragestellung Fraglich ist, ob die Frage des Rechtsguts für die konkrete Auslegung des Handeltreibens überhaupt hilfreich sein kann. Das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibena ist nur ein Element im System der Drogenbekämpfung, welches isoliert nur schwer auf abstrakte Rechtsgüter wie die allgemeine Gesundheit und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zurückgeführt werden kann. Für individuelle Rechtsgüter wie die Gesundheit des Einzelnen ist das Handeltreiben sogar noch weniger relevant, wird durch den konkreten Handelsakt doch keine Person in ihrer Gesundheit beeinträchtigt. Bestenfalls mittelbar werden Individualrechtsgüter tangiert, z. B. bei einer Gesundheitsschädigung des Konsumenten am Ende der Handelskette. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen die zugrundeliegenden Rechtsgüter durch die Gesamtheit der in den §§ 29 ff. BtMG normierten Begehungsformen geschützt werden. Er wollte möglichst umfassend den 204  BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 – 2 BvL 43, 41, 63, 63, 70, 80 / 92, 2 BvR 2031 / 92, BVerfGE 90, 145 (174). 205  BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 – 2 BvL 43, 41, 63, 63, 70, 80 / 92, 2 BvR 2031 / 92, BVerfGE 90, 145 (174). 206  BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 – 2 BvL 43, 41, 63, 63, 70, 80 / 92, 2 BvR 2031 / 92, BVerfGE 90, 145 (175). 207  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 270; Hassemer, JuS 1992, 110 (113); Köhler, ZStW 104 (1992), 3 (27 f.); Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 16 und 20 ff. 208  Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 10 und 32; ähnlich Paeffgen, in: BGH-FS aus der Wissenschaft, Band 4, S. 695 (696 ff.). 209  Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 279 ff.



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung199

Umgang mit Betäubungsmitteln unterbinden. Das Handeltreiben ist dabei nur ein Baustein im gesetzgeberischen Konzept. Für den Schutz der allgemeinen Gesundheit ist es bedeutungslos, ob ein Verhalten durch den Tatbestand des Handeltreibens erfasst wird oder von einer anderen Begehungsform des § 29 Abs. 1 BtMG. Mehr Sinn als eine Auslegung anhand des Rechtsguts ergibt für die Einzeltatbestände eine Auslegung im Rahmen der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Bekämpfungsstrategie der Drogenkriminalität. Argumente mit Rechtsgutsbezug gelten in der Regel nur de lege ferenda oder rekurrieren auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelungen. Wenn etwa darauf verwiesen wird, dass der lediglich für den Eigenkonsum Cannabis erwerbende „Kiffer“ niemand anderes schädige als sich selbst und deshalb straflos bleiben müsse,210 lässt sich dieses Ergebnis nicht mit dem geltenden Recht in Einklang bringen. Kaum ein mit Rechtsgütern argumentierender Kritiker bietet tatsächlich ein anderes, eigenes Modell zur strafrechtlichen Rechtfertigung der gegenwärtigen Vorschriften an. Deren Bemühungen zielen vielmehr darauf, entweder die Verfassungswidrigkeit des Betäubungsmittelrechts zu begründen oder auf dessen rechtspolitische Verfehltheit hinzuweisen. Eine solche rein destruktive Behandlung des Problems hilft aber für die Auslegung eines konkreten Tatbestands nicht weiter. Sie bemängelt schon das Vorhandensein des Delikts an sich, ohne auf eine andere Interpretation abzuzielen. Der einfache Rechtsanwender hat im Gegensatz dazu nach unserer verfassungsmäßigen Ordnung das im BtMG zum Ausdruck kommende Konzept hinzunehmen.211 Die hier gefragte Auslegung einer Handlungsform ist insoweit rein technischer Natur, sie baut auf der gegenwärtigen gesetzlichen Konzeption der Totalprohibition auf, ohne diese in Frage zu stellen. 2. Funktion des Handeltreibens im Rahmen des gesetzlichen Konzepts Betrachtet man die Regelung des § 29 BtMG, wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber darum geht, einen möglichst umfassenden Katalog von Verhaltensweisen aufzustellen, um den Umgang mit Betäubungsmitteln einzuschränken.212 Gleichzeitig möchte er aber nicht sämtliche Begehungsformen „über einen Kamm scheren“, sondern möglichst differenziert die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten erfassen. Diese zwei Gesichtspunkte lassen sich unmittelbar der Gesetzesbegründung entnehmen, in der ausgeführt etwa Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 35 f. Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 85. 212  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 261. 210  So

211  Ähnlich

200

4. Teil: Eigener Ansatz

wird: „Nunmehr wird der unrechtmäßige Betäubungsmittelverkehr möglichst differenziert, aber auch vollständig durch die Vorschrift abgedeckt.“213 Der Wunsch nach Differenzierung lässt sich auch an den Strafzumessungsregeln und Qualifikationen ablesen, welche jeweils nur an bestimmte Begehungsformen anknüpfen. Dem Anspruch einer möglichst vollständigen Erfassung wird der hier gewählte Ansatz gerecht, es ergeben sich nach der Neufassung keine Strafbarkeitslücken, da die aus dem Handeltreiben herausfallenden Konstellationen in aller Regel entweder von den anderen Tatbeständen des § 29 Abs. 1 BtMG erfasst werden oder zumindest eine Beihilfe zum Handeltreiben darstellen.214 Nur ganz vereinzelt wird ein betäubungsmittelrelevantes Vorgehen nicht mehr erfasst, wie etwa beim folgenlosen Vertragsabschluss über die Lieferung von Betäubungsmitteln. Wie bereits gezeigt, ist in diesem Fall eine Straflosigkeit berechtigt. Das Maß der Differenzierung wird erhöht, indem den anderen Tatmodalitäten ein größerer Anwendungsbereich zuerkannt wird.215 Das Handeltreiben bildet nach der Neufassung nicht mehr einen nahezu allumfassenden Tatbestand, welcher alle irgendwie mit dem Betäubungsmittelumsatz zusammenhängenden Verhaltensweisen unterschiedslos erfasst. Vielmehr enthält der Tatbestand nun ein differenziertes Unrechtsurteil. Erfasst werden nur solche Personen, die eine besondere Rolle für die Geschäftstätigkeit im Betäubungsmittelhandel spielen. Die Fokussierung auf bestimmte Tätergruppen passt dabei gut zu den Zielen, die der Gesetzgeber in den verschiedenen Gesetzesbegründungen selbst formuliert hat. So betont er in der Gesetzesbegründung zum BtMG 1972216 die „Bekämpfung der illegalen Händler“ und führt im Folgenden aus: „Diese Menschen, die gewissenlos vom Unglück anderer Menschen profitieren, sollen in Zukunft die ganze Schärfe des Gesetzes erfahren. Beobachtungen zeigen, daß sie sich in zunehmenden Maße auch in der Bundesrepublik Deutschland zu Banden zusammenschließen, die wie Spionagedienste organisiert sind. Dabei werden auch Kinder und Jugendliche auf der untersten Stufe des Bandennetzes eingesetzt. In der Regel sind diese bereits süchtig und werden mit sogenanntem Stoff bezahlt, so daß sie willfährige Werkzeuge der Bandenführung darstellen.“ Der Gesetzgeber unterscheidet hier fein zwischen den Hintermännern, welche in Strukturen organisierter Kriminalität agieren, und den Süchtigen, welche Betäubungsmittelstraftaten 213  BT-Drucksache

9 / 500, S. 2. 4. Teil E. II. 215  Siehe 4. Teil E. I. 216  BT-Drucksache 6 / 1877, S. 5. 214  Siehe



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung201

vor allem aufgrund von Suchtdruck und Abhängigkeiten zu den Hintermännern begehen. Während die Zentralfiguren des Drogenhandels mit der ganzen Härte der strafrechtlichen Sanktionen getroffen werden sollen, steht für Drogensüchtige die Ermöglichung einer Therapie im Vordergrund.217 Diesem gesetzgeberischen Konzept entspricht die hier vorgeschlagene Lösung gut, indem sie die für das Gesamtgeschäft bedeutsamen Vermittler und Leitungsfiguren dem Handeltreiben unterwirft und den willfährigen Kleindealern einen geringeren Unrechtsgehalt verkörpenden Teilakt zuordnet. Die Ausrichtung auf die Hintermänner findet sich auch in der Gesetzesbegründung für das BtMG 1982: „Die Verschärfung der Strafvorschriften hat sich voll gegen den aus Gewinnstreben handelnden Großtäter zu richten. Demgegenüber muß die Möglichkeit gewahrt bleiben, die Tat des drogenabhängigen mittleren oder insbesondere des kleinen Täters milde zu ahnden oder überhaupt von Strafe abzusehen.“218 Oder an anderer Stelle: „Die Verbrechenstatbestände des § 29 Abs. 1 sollen eine an der Tatschwere, dem Unrechtsgehalt und der Schuld ausgerichtete Einstufung bestimmter Arten von Rauschgiftdelikten als besonders gefährliche und verabscheuungswürdige Angriffe gegen das Schutzgut ‚Volksgesundheit‘ ermöglichen. Gerade auf der Ebene der Großtäter wird dadurch die präventive und repressive Wirkung des Strafrechts verstärkt werden.“219 Diese Zielvorstellungen lassen sich in der aktuellen Gesetzesfassung am Besten durch den Tatbestand des Handeltreibens umsetzen. Im Vergleich zu den anderen Begehungsformen bietet der Wortlaut einen hervorragenden Anknüpfungspunkt, handelsrelevante Tätigkeiten zu erfassen. Personen, welche eine besondere Rolle beim Zustandekommen von Handelsgeschäften spielen, werden zutreffend von diesem einen besonderen Unrechtsgehalt ausdrückenden Tatbestand erfasst, weil sie den Wirtschaftskreislauf mit gesundheitsgefährdenden Stoffen in Gang setzen und halten und damit Angebot oder Nachfrage schaffen bzw. befriedigen.220 Zentrales Ziel der §§ 29 ff. BtMG ist die Unterbindung des Drogenmarktes mit Mitteln des Strafrechts.221 Die hier vertretene Konzeption trägt der Tatsache Rechnung, dass die Herstellung von Verbindungen zwischen Teilakten die zentrale Klippe ist, die überwunden werden muss, um Betäubungsmittel zu verbreiten. Das Handeltreiben in diesem Sinne ist dabei, neben dem Anbau und der Herstellung, die Begehungsform, die das gesetzgeberische Ziel der Nichtverbrei217  Dölling / Laue, in: Handbuch der forensischen Psychiatrie, S.  497 (498); ­Gössel / Dölling, Strafrecht BT 1, § 44 Rn. 4. 218  BT-Drucksache 8 / 3551, S. 35. 219  BT-Drucksache 8 / 3551, S. 37. 220  Vgl. dazu Niehaus, JR 2005, 192 (196). 221  Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 316.

202

4. Teil: Eigener Ansatz

tung am meisten gefährdet. Die besondere Gefährlichkeit hebt das Handeltreiben gegenüber den übrigen Begehungsformen besonders heraus. Die Neufassung bringt die in der gesetzlichen Intention angelegte phänotypische Differenzierung zwischen Drahtziehern des Betäubungsmittelhandels und bloßen Hilfspersonen zum Tragen.222 Die gesetzgeberische Konzeption kommt dabei auch in der Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zum Ausdruck. Die Voranstellung von Anbau, Herstellung und Handeltreiben gegenüber den anderen Begehungsformen lässt sich so interpretieren, dass bestimmte Tatmodalitäten eine besondere Bedeutung haben. 3. Berücksichtigung kriminalpolitischer Erwägungen Die Rechtsprechung berücksichtigt in ihrer Anwendung der betäubungsmittelrechtlichen Tatbestände regelmäßig auch kriminalpolitische Erwägungen. Fragen der Beschaffenheit der zugrundeliegenden Kriminalität und ihrer Strukturen und die daraus resultierenden Schwierigkeiten für die Beweisbarkeit der Strafbarkeit haben wesentlich zur Entwicklung des Begriffs des Handeltreibens beigetragen. Auch der hier vorgeschlagene Ansatz verschließt sich solchen Fragen nicht, auch wenn eine lückenlose Erfassung aller umsatzorientierten Verhaltensweisen durch den Tatbestand des Handeltreibens abgelehnt wird. Der durch Konspiration und Tarnung bestimmte Drogenhandel lässt in der Regel keinen tieferen Einblick in die Kriminalitätsstrukturen zu. Nur Teilakte des Gesamtgeschehens sind feststellbar. Durch den staatlichen Verfolgungsdruck haben alle Beteiligten ein Interesse an der Verdeckung ihrer Aktivitäten.223 Dokumente stehen in der Regel nicht zur Verfügung, Zeugen sind häufig entweder wenig seriös oder von Gewalt bedroht.224 Deshalb wurde hier eine Tatbestandsfassung abgelehnt, welche eine präzise Ermittlung der Organisationsstrukturen notwendig gemacht hätte.225 Zwangsläufige Folge eines solchen Erfordernisses wäre gewesen, dass in der praktischen Anwendung die eigentlich besonders gefährlich und verwerflich handelnden Hintermänner häufig nicht vom Handeltreiben erfasst worden wären.226 Ist es aber überhaupt legitim, solche Fragen in die Auslegung von Straftatbeständen miteinzubeziehen? Zahlreiche Autoren haben eine Berücksichtigung kriminalpolitischer Erwägungen im Betäubungsmittelstrafrecht dazu Nestler, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts, Rn. 361. Begriff des Handeltreibens, S. 195. 224  Weber, Begriff des Handeltreibens, S. 195 f. 225  Siehe 4. Teil B. III. 2. und C. II. 3. 226  Vgl. Weber, BtMG, § 29 Rn. 183. 222  Vgl.

223  Weber,



F. Die Neufassung als Ergebnis der Auslegung203

kritisiert.227 Hierzu einige grundsätzliche Gedanken: Vom Ansatzpunkt her bilden Dogmatik und Kriminalpolitik ein Gegensatzpaar, da sich die Dogmatik mit dem geltenden Recht („das Recht, wie es ist“) und die Kriminalpolitik mit dem wünschenswerten Recht („das Recht, wie es sein sollte“) beschäftigt.228 Allerdings erliegt die Rechtswissenschaft schon lange nicht mehr der Illusion, dass die Rechtsanwendung in rein logischen Schlussfolgerungen bestehe, welche ein bestimmtes Ergebnis für jeden sich stellenden Sachverhalt geradezu zwangsläufig herbeiführten. Es bestehen stets semantische Spielräume und gesetzliche Unklarheiten, welche dem Rechtsanwender gewisse Interpretationsfreiheiten eröffnen.229 Der Rechtsanwender ist mehr als ein bloßer „Subsumtionsautomat“.230 Für Roxin ist die Rechtsfindung vielmehr ein Akt „schöpferischer Ausarbeitung“ der gesetzgeberischen Zielvorstellungen und damit selbst „Kriminalpolitik im Gewande der Dogmatik“.231 Maßgebend bleiben dabei allerdings immer die Methoden der Auslegung. Kriminalpolitische Erwägungen können nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie sich aus den gängigen Auslegungsmethoden, insbesondere aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes und den kriminalpolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers, ergeben. Die kriminalpolitische Auffassung des jeweiligen Normanwenders darf bei der Gesetzesauslegung naturgemäß keine Rolle spielen.232 Dies ergibt sich schon aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz, welcher dem Richter und damit jedem Rechtsanwender lediglich die Aufgabe überträgt, Gesetze auszuführen.233 Äußere Grenze bildet dabei wie immer der Wortlaut. Die vorgebrachten kriminalpolitischen Erwägungen sind aber, wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, mehr als subjektive Erwägungen des Normanwenders. Auch der Gesetzgeber hat sich wiederholt auf die speziellen Strukturen der Betäubungsmittelkriminalität bezogen. Schon im Gesetz selbst kommt dies zum Ausdruck, wenn man betrachtet, welche Vielzahl von Verhaltensweisen strafbewehrt ist. Dem Gesetzgeber ging es mit diesem breiten Strauß von Tathandlungen darum, allen Formen der Betäubungsmit227  Gaede, HRRS 2004, 165 (169); Krumdiek / Wesemann, StV 2006, 634 (637); Neuhaus, NStZ 2001, S. 39 (41); Roxin, StV 1992, 517 (519) und StV 2003, 619 (620); Schwitters, Vorverlagerung beim Handeltreiben, S. 58. 228  Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 76. 229  Hassemer / Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 91. 230  Hassemer / Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 90; ähnlich Kubiciel, Wissenschaft vom Besonderen Teil, S. 41. 231  Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 76. 232  Ebert, Handeltreiben mit BtM, S. 84; Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 77; Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 503. 233  Hassemer / Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 89.

204

4. Teil: Eigener Ansatz

telkriminalität in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen möglichst umfassend Herr zu werden.

V. Ergebnis Die vorgeschlagene Neufassung wird durch die Auslegungsmethoden Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck gestützt. Sie erfasst im Gegensatz zum bisherigen Verständnis nur solche Fälle, die sich ohne weiteres mit dem üblicherweise dem Handel zugeschriebenen Bedeutungsgehalt vereinbaren lassen. Gut korrespondiert sie mit dem Verständnis des Handels in den Wirtschaftswissenschaften, welches die Verbindung von Produktion und Konsum betont. Systematisch hat der gewählte Ansatz den Vorzug, dass er den übrigen Tatmodalitäten erstmals einen signifikanten Anwendungsbereich einräumt. Dabei behält auch der Zusatz „ohne Handel zu treiben“ einen sinnvollen Bedeutungsgehalt. Soweit zusätzlich zum Handeltreiben eine der nachfolgenden Tathandlungen gegeben ist, soll bei einem einheitlichen Güterumsatz nur der Tatbestand des Handeltreibens vorliegen. Auch teleologisch ergibt die Neufassung Sinn, hält sie sich doch an die im Gesetz zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers, betäubungsmittelrelevante Verhaltensweisen gleichzeitig möglichst umfassend, aber auch differenziert zu erfassen. Dem Handeltreiben wird im Rahmen des BtMG eine sinnvolle Funktion zugewiesen, nämlich für die Verbreitung von Drogen besonders bedeutsame Handlungen hart zu bestrafen. Unter den Tatbestand fallen erstmals nur noch solche Verbindungstätigkeiten, die die Verbreitung von Betäubungsmitteln in einem besonderen Maße befürchten lassen. Dass dabei auch kriminalpolitische Erwägungen berücksichtigt wurden, erscheint deshalb unproblematisch, weil dabei ausschließlich das vom Gesetzgeber vorgegebene Konzept zugrunde gelegt wird. Die historische Auslegung bringt dagegen ambivalente Ergebnisse. Einerseits hat der Gesetzgeber bei den verschiedenen Novellierungen des BtMG nie die Notwendigkeit gesehen, den Begriff des Handeltreibens in Frage zu stellen. Er hat sogar durch den Zusatz „ohne Handel zu treiben“ klargestellt, dass die anderen Tatmodalitäten im Handeltreiben aufgehen können. Andererseits hat er sich nie ausdrücklich zur weiten Interpretation der Rechtsprechung bekannt. Vielmehr spricht der ursprüngliche Sinn der Einführung für eine sich an der Vermittlung orientierende Auslegung, welcher die Neufassung nahe kommt. Auch der gesetzgeberische Wunsch einer scharfen Bestrafung der Hintermänner bei gleichzeitiger Milde gegenüber drogenabhängigen Einzelfiguren wird durch den hier vertretenen Ansatz gut gewährleistet.

Schlussbetrachtung Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass auch unter Zugrundelegung der derzeitigen Gesetzesfassung eine Auslegung des Handeltreibens möglich ist, die mit den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts harmoniert. Insgesamt stellt der vorgeschlagene Lösungsweg sicher nicht die einzig mögliche Interpretation des Begriffs des Handeltreibens dar. Der vorliegende Ansatz kann aber für sich in Anspruch nehmen, ohne weiteres über die gängigen Auslegungsmethoden begründbar zu sein. Angesichts der zahlreichen dogmatischen und praktischen Vorteile gegenüber der bisherigen Interpretation stellt er eine vorzugswürdige Alternative zur etablierten Rechtsprechung dar. Das Abstellen auf das Kriterium der Verbindungsleistung zwischen betäubungsmittelspezifischen Teilakten ist geeignet, den Tatbestand objektiv so einzuschränken, dass er seine nicht begründbare Sonderstellung im Strafrecht verliert und trotzdem mit den kriminalpolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers harmoniert. Die Abgrenzung in den Bereichen Vorbereitung, Versuch und Vollendung sowie Täterschaft und Teilnahme kann unter Zugrundelegung dieser Neufassung nach allgemeinen Kriterien durchgeführt werden. Gleichzeitig führt die Lösung dazu, dass die anderen Begehungsformen einen größeren Anwendungsbereich erhalten und vom Handeltreiben nur noch Fälle mit erhöhtem Unrechtsgehalt erfasst werden, was die besondere Stellung des Tatbestands im Rahmen des § 29 Abs. 1 BtMG rechtfertigt. Die vorgelegte Neufassung ist ein Schritt in das vom Gesetzgeber stets betonte Ziel, das Betäubungsmittelrecht weniger auf den Konsumenten, sondern mehr auf die Verfolgung der Hintermänner des Drogenhandels auszurichten. Gleichzeitig ist aber auch die hier erarbeitete Lösung kein Königsweg für die Lösung der grundsätzlichen Probleme des Betäubungsmittelrechts. Ob das Konzept der Totalprohibition im 21. Jahrhundert noch das geeignete Mittel darstellt, um den Gefahren mit Drogen zu begegnen, ist eine politische und keine rechtliche Frage und muss deshalb auch auf politischer Ebene entschieden werden. Ziel dieser Arbeit war es lediglich, einen Beitrag dazu zu leisten, die zentrale Regelung des Betäubungsmittelstrafrechts in einer überzeugenderen und mit dem allgemeinen Strafrecht besser harmonierenden Weise zu interpretieren. Dabei tut man gut daran, der Vorstellung Belings vom Besonderen Teils des Strafrechts als Bilderbuch zu folgen: „Dem Bilderbuch neue Blätter beifügen oder Zeichnungen ändern oder Bilder herausnehmen kann nur der Gesetzgeber. Sache

206 Schlussbetrachtung

des Juristen ist natürlich, die Bilder richtig zu verstehen und zu hand­ haben.“1

1  Beling,

Lehre vom Tatbestand, S. 7.

Zusammenfassung der Ergebnisse 1.  Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist eines der für die Rechtspraxis wichtigsten Themen des Strafrechts. Aufgrund des traditionellen Desinteresses am Betäubungsmittelstrafrecht hat diese Frage bisher kaum Resonanz in der Wissenschaft gefunden.1 2. Angesichts der hohen Zahl an Verurteilungen und des meist hohen Strafmaßes verdient das Betäubungsmittelstrafrecht mehr dogmatische Aufmerksamkeit. Insbesondere das Verständnis der zentralen Begehungsform des Handeltreibens ist von erheblicher praktischer Bedeutung.2 3.  Seit Jahrzehnten ist der Begriff des Handeltreibens vor allem durch die Rechtsprechung geprägt und wird von dieser sehr weit als jede eigennützige Tätigkeit verstanden, die auf Betäubungsmittelumsatz gerichtet ist. Ungewöhnlich dabei ist, dass, von der Tätigkeit abgesehen, alle Merkmale eine subjektive Ausrichtung erfahren und deshalb über die Strafbarkeit nahezu ausschließlich die Zielrichtung des Täters entscheidet. Da objektiv jede beliebige Tätigkeit ausreichen soll, bleibt der objektive Tatbestand im Grunde „leer“. Dem Delikt fehlt der gegenständlich-reale Kern, weshalb man von einem entkernten Tatbestand sprechen kann.3 4. Die weite Tatbestandsfassung („jede Tätigkeit“) macht eine normale Anwendung allgemeiner Rechtsinstitute wie Vorbereitung und Versuch sowie Täterschaft und Teilnahme unmöglich. Darüber kann auch die kasuistische Herausnahme einzelner Vorbereitungs- und Versuchshandlungen aus Wertungsgesichtspunkten nicht hinwegtäuschen.4 5.  Die seit langem heftig geäußerte Kritik an der Rechtsprechung hat sich der 3. Senat in einem Anfrage- und einem Vorlagebeschluss der Jahre 2003 und 2005 zu eigen gemacht und versucht, eine Änderung der Rechtsprechungslinie herbeizuführen. Mit der Entscheidung vom 26.10.2005 wies der Große Senat für Strafsachen dieses Verlangen zurück und bestätigte den überkommenen Begriff des Handeltreibens.5 1  Siehe

Einleitung A. Einleitung B. 3  Siehe 1. Teil B. III., dabei insbesondere 10. 4  Siehe 1. Teil B. III. 10. und IV. 5  Siehe 1. Teil B. V. 2  Siehe

208

Zusammenfassung der Ergebnisse

6.  Der Große Senat verwies neben der Abschichtung von Vorbereitungsund Versuchskonstellationen auf eine andere Möglichkeit, wie der Weite des Begriffs auch nach dem von der Rechtsprechung zugrunde gelegten Verständnis begegnet werden kann: eine konsequente Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme. Seither hat der BGH vermehrt Beihilfe angenommen. Am 28. Februar 2007 führte er für die Fallgruppe der Kuriere außerdem ein bisher unbekanntes Abgrenzungskriterium ein: das hinter der konkreten Tat stehende Gesamtgeschäft.6 7.  Bezugspunkt für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist damit nicht mehr die konkrete Tathandlung, sondern das hinter dieser stehende Betäubungsmittelgeschäft insgesamt. Entscheidend ist der Gesamtprozess des Rauschgifthandels ausgehend von der Produktion bis zum Verkauf an den Endkunden. Die Rechtsprechung hat dabei das typische Bild organisierter Rauschgiftkriminalität vor Augen und möchte einem einzelnen Transporteur nur dann täterschaftliches Verhalten zuschreiben, wenn er für die Gesamtorganisation eine bedeutende Rolle spielt. Soweit er nur ein kleines, austauschbares „Rädchen“ darstellt, soll er lediglich als Gehilfe behandelt werden.7 8.  Inzwischen hat der BGH das Kriterium des Gesamtgeschäfts über die Kurierfälle hinaus abstrahiert und verwendet es in den unterschiedlichsten Fallkonstellationen. Damit ist klar, dass es sich um ein allgemeines Abgrenzungskriterium handelt, welches generell für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben gelten soll.8 9.  Die Rechtsprechung hat sich auf diese Weise ein Vehikel geschaffen, mit dem sie trotz der weitgefassten Definition zwischen unterschiedlichen Unrechtsgraden differenzieren kann. Sie kann weniger strafwürdig erscheinende Fälle flexibel ausscheiden und als Beihilfe mit der obligatorischen Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB sanktionieren. Während die mit besonders ausgeprägter krimineller Energie vorgehenden Hintermänner mit ihrem besonderen Einfluss auf das Ablaufen des Gesamtgeschäfts weiterhin als Täter bestraft werden können, eröffnet sich für die zahlreichen Helfershelfer die Möglichkeit einer milderen Strafe.9 10. Der Vorzug dieser Lösung besteht darin, dass sie eine vom Gesetzgeber offenkundig nicht gewollte und mit den §§ 25 ff. StGB nicht in Übereinstimmung zu bringende Einheitstäterschaft vermeidet und eine Abstufung zwischen den verschiedenen Unrechtsgraden sachgerecht zulässt. Der Unrechtsgehalt ist höher, wenn die Handlung für das Gesamtgeschäft von 6  Siehe

1. Teil 2. Teil 8  Siehe 2. Teil 9  Siehe 3. Teil 7  Siehe

B. V. 4. und 5. sowie 2. Teil D. I. D. II. D. III. A.



Zusammenfassung der Ergebnisse209

Bedeutung ist, als wenn sich das Agieren des Beteiligten dafür als irrelevant darstellt. Die Relevanz der Tathandlung für das Gesamtgeschäft korrespondiert unmittelbar mit dem Unrechtsgehalt der Tat.10 11. Die Grundprobleme der zu weit geratenen Definition werden durch die Gesamtgeschäft-Rechtsprechung allerdings nicht beseitigt. Dem Tatbestand fehlt aufgrund der Weite in objektiver Hinsicht weiterhin jede Kontur. Eine dogmatisch überzeugende Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung ist nicht möglich. Der BGH betreibt lediglich Ergebniskorrektur und verwechselt Ursache und Wirkung.11 12. Darüber hinaus schafft eine solche Rechtsprechung neue Probleme. Entgegen seiner üblichen Vorgehensweise prüft der BGH auch bei eigenhändiger Tatbegehung, ob lediglich Beihilfe vorliegt. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 25 Abs. 1 StGB legen dagegen nahe, bei eigenhändiger Tatbegehung stets Täterschaft anzunehmen.12 13.  Ferner berücksichtigt die Rechtsprechung nicht ausreichend, dass die Beihilfe eine akzessorische Rechtsfigur ist, welche den Bezug zu einer Haupttat erforderlich macht. Eine beihilfefähige Haupttat lässt sich aus den Feststellungen der zugrundeliegenden Fälle meist nicht entnehmen und wenn doch, dann ist sie nicht hinreichend konkret bestimmt. Darüber hinaus fehlt es häufig an der auch von der Rechtsprechung geforderten Förderungswirkung der Beihilfe, etwa wenn die Haupttat der Gehilfenhandlung vorgelagert ist. Die vom BGH bemühte Rechtsfigur der psychischen Beihilfe ist ein Kunstgriff, welcher nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass eine bereits stattgefundene Tat in der Regel durch die Zusage des Gehilfen, eine nachfolgende Aufgabe zu übernehmen, nicht mehr objektiv gefördert werden kann.13 14.  Ursache des Problems ist die Durchbrechung des Prinzips der Täterschaft bei eigenhändiger Tatbegehung. Durch die Erfüllung des Tatbestands begeht die als Gehilfe eingeordnete Person eigentlich selbst eine Haupttat. Da an diese (fiktive) Haupttat aber nicht angeknüpft werden kann, muss der BGH die Haupttat eines anderen in Bezug nehmen. Eine Erfassung des eigentlichen Unrechts ist dadurch nicht möglich. Bei stringenter Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Haupttat wären die Beteiligten häufig straflos, was dem BGH aber angesichts der Tatsache unbillig erscheint, dass diese Personen eine eigennützige, auf Betäubungsmittelumsatz gerichtete Tätigkeit erbracht haben.14 10  Siehe

3. Teil 3. Teil 12  Siehe 3. Teil 13  Siehe 3. Teil 14  Siehe 3. Teil 11  Siehe

C. F. G. I. G. II. G. II. 4.

210

Zusammenfassung der Ergebnisse

15.  Im Gegensatz zum Handeltreiben in täterschaftlicher Begehungsform ist die Beihilfe nicht tätigkeits- sondern erfolgsorientiert – erfolgsorientiert in dem Sinne, dass die Tathandlung der Haupttat gefördert worden sein muss. Erkennt man diese Unterschiede, ist es nur folgerichtig, dass es zahlreiche Fälle gibt, bei denen es zwar im Bereich der Täterschaft aufgrund der tätigkeitsgebundenen Definition eine Strafbarkeit existiert, eine solche aber im Bereich der Beihilfe ausscheidet. Der Charakter des Handeltreibens als Tätigkeitsdelikt setzt sich bei der Beihilfe nicht fort.15 16. Problematisch ist daneben das Heranziehen des tatbestandsfremden Kriteriums des Gesamtgeschäfts. Dies widerspricht der Funktion von Täterschaft und Teilnahme, da dieses Rechtsinstitut lediglich ein Hilfsmittel zum Umgang mit dem jeweiligen Tatbestand bei mehreren Beteiligten ist, aber keine Möglichkeit zur Heranziehung tatbestandsfremder Gesichtspunkte bietet.16 17. Das Vorgehen führt schließlich zu Rechtsunsicherheit, da das Gesamtgeschäft-Kriterium nur sehr vage durch wenig trennscharfe Indizien konkretisiert und in der Praxis vom BGH nicht einheitlich angewendet wird. Welche Handlungen sie zu Handeltreibenden machen, ist für potentielle Täter überhaupt nicht absehbar, weil diese Frage immer von einer wertenden Betrachtung des erkennenden Gerichts abhängt. Verschärft wird diese Problematik dadurch, dass die Abgrenzung im Fall des Handeltreibens de facto definitionseingrenzende Funktion hat.17 18.  Widerspruchsfrei können die Probleme des Handeltreibens nur durch eine Neufassung des Begriffs des Handeltreibens gelöst werden. Dabei muss der Tatbestand des Handeltreibens enger gefasst werden als bislang von der Rechtsprechung geschehen. Die neue Rechtsprechungslinie bietet dabei einen sachgerechten Ausgangspunkt. Tätigkeiten wie das bloße Transportieren stellen für sich alleine noch kein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln dar, da diese Teilakte für sich genommen keine entscheidende Bedeutung für das Gesamtgeschäft haben.18 19. Den Überlegungen der Rechtsprechung liegt ein Leitbild zugrunde, das Organisationsmacht ins Zentrum der Überlegungen rückt. Es stimmt insofern mit der in der Literatur vertretenen Lehre vom Organisationsdelikt überein. Es gibt Tatbestände im Strafrecht, die nicht an die bloße körper­ liche Vollziehung einer Tathandlung anknüpfen, sondern organisatorisches Handeln in den Mittelpunkt stellen.19 15  Siehe

3. Teil 3. Teil 17  Siehe 3. Teil 18  Siehe 3. Teil 19  Siehe 4. Teil 16  Siehe

G. II. 4. G. III. H. J. B. IV. 2. und C.



Zusammenfassung der Ergebnisse211

20.  Um dem Gesamtgeschäft auf Definitionsebene eine hinreichend trennscharfe Wirkung zukommen zu lassen, muss eine Form der Tathandlung gefunden werden, die einen sicheren Schluss auf Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft zulässt. Der in der Praxis am leichtesten handhabbare Ansatzpunkt ist dabei das Kriterium, welches eine über einen Einzelakt hinausgehende Tätigkeit fordert. Entscheidend für die Neufassung ist daher die Verbindung zweier betäubungsmittelspezifischer Teilakte.20 21. Handeltreiben ist demnach jede eigennützige, auf den Betäubungsmittelumsatz gerichtete Tätigkeit, in welcher Organisationsmacht im Hinblick auf das Gesamtgeschäft zum Ausdruck kommt. Organisationsmacht lässt sich dabei an Tätigkeiten ablesen, die darauf gerichtet sind, verschiedene betäubungsmittelspezifische Teilakte miteinander zu verbinden. Charakteristisch für das Handeltreiben ist eine Mittlerfunktion, welche durch einen Organisationsakt zumindest zwei betäubungsmitteltypische Teilakte zusammenführt; der Handeltreibende fungiert als Bindeglied zwischen den Einzelakten im Rahmen von Drogengeschäften.21 22. Grundlegend für diese Auslegung ist das Verständnis, dass im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität bestimmte Teilakte wie Transportieren, Erwerben, Veräußern, Lagern etc. feststehen und in jedem Gesamtgeschäft mit Betäubungsmitteln wiederkehren. Der Vollzug eines oder mehrerer dieser Einzelakte für sich alleine erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens nicht. Vielmehr ist für das Handeltreiben die Verbindung mehrerer solcher Teilakte typisch.22 23.  Die vorgeschlagene Neufassung hat eine Vielzahl praktischer Konsequenzen. Durch die Verengung des Anwendungsbereichs des Handeltreibens erhalten die übrigen Handlungsmodalitäten eine größere Bedeutung. Auf Betäubungsmittelumsatz gerichtete Tätigkeiten, die keine Verbindungsleistung beinhalten, werden nicht mehr vom Handeltreiben, dafür aber von Tatbeständen wie der Einfuhr, der Ausfuhr, der Veräußerung, dem Erwerb oder dem Besitz erfasst. Nur sehr wenige, dem Betäubungsmittelumsatz weit vorgelagerte Handlungen, wie bloße Anfragen, Bestellungen und Vertragsabschlüsse, bleiben straflos.23 24. Als Folge der Neuinterpretation wird das Handeltreiben außerdem zusammen mit dem Anbau und der Herstellung den höchsten Unrechtsgehalt der Begehungsformen des § 29 Abs. 1 BtMG aufweisen. Es handelt sich um ein faktisches Stufenverhältnis, welches bei der Strafzumessung 20  Siehe

4. Teil 4. Teil 22  Siehe 4. Teil 23  Siehe 4. Teil 21  Siehe

D. I. und III. D. III. D. IV. E. I. und II.

212

Zusammenfassung der Ergebnisse

herangezogen werden kann und muss. Wer eine Verbindungsleistung erbringt und damit das erfolgreiche Ablaufen des Betäubungsmittelgeschäfts insgesamt sicherstellt, gefährdet das zugrundeliegende Rechtsgut der allgemeinen Gesundheit in besonderem Maße und zeigt zudem erhebliche kriminelle Energie.24 25. Allgemeine Rechtsinstitute wie Täterschaft und Teilnahme sowie Vorbereitung und Versuch können unter Zugrundelegung des vorgeschlagenen Ansatzes nach allgemeinen Regeln angewendet werden. Der Neuansatz ermöglicht eine dogmatisch saubere und trennscharfe Abgrenzung, welche sich an der nun näher konkretisierten Tathandlung der Verbindungsleistung orientieren kann.25 26.  Auf Konkurrenzebene behält die Figur der Bewertungseinheit weiterhin einen Anwendungsbereich, obwohl andere Begehungsweisen nicht mehr gleichzeitig neben dem Handeltreiben vorliegen dürften. Ihre Berechtigung behält die Figur aber in Fällen, in denen die verschiedenen Handlungen (z. B. die Erbringung einer Verbindungsleistung als Handeltreiben und der Verkauf als Veräußerung) zwar nacheinander erfolgen, aber den gleichen Güterumsatz betreffen. Das Gesetz selbst gibt durch die Formulierung „ohne Handel zu treiben“ vor, dass in diesem Fall nur die besonders schwerwiegende Modalität des Handeltreibens greifen soll.26 27.  Die vorgeschlagene Neufassung ist keine willkürliche Weiterentwicklung der Rechtsprechung, sondern wird durch die klassischen Auslegungsmethoden gestützt. Hinsichtlich des Wortlauts erfasst sie im Gegensatz zum bisherigen Verständnis nur solche Fälle, die sich ohne weiteres mit dem üblicherweise dem Handel zugeschriebenen Bedeutungsgehalt vereinbaren lassen. So korrespondiert die Lösung gut mit dem Verständnis des Handels in den Wirtschaftswissenschaften, welches die Verbindung von Produktion und Konsum betont.27 28. Systematisch hat der gewählte Ansatz den Vorzug, den übrigen Tatmodalitäten erstmals einen signifikanten Anwendungsbereich einzuräumen. Hierbei behält der Zusatz „ohne Handel zu treiben“ einen sinnvollen Bedeutungsgehalt. Darüber hinaus vermeidet die Neufassung Inkonsistenzen zum allgemeinen Strafrecht, in dem Rechtsinstitute wie Täterschaft und Teilnahme sowie Vorbereitung und Versuch nach allgemeinen Regeln angewendet werden können.28 24  Siehe

4. Teil 4. Teil 26  Siehe 4. Teil 27  Siehe 4. Teil 28  Siehe 4. Teil 25  Siehe

E. III. D. IV., V. und VI. D. VII. F. I. F. II.



Zusammenfassung der Ergebnisse213

29.  Die historische Auslegung spricht zumindest nicht gegen die Neufassung. Zwar hat der Gesetzgeber bei den verschiedenen Novellierungen des BtMG nie die Notwendigkeit gesehen, das Begriffsverständnis der Rechtsprechung beim Handeltreiben in Frage zu stellen. Er hat sogar durch den Zusatz „ohne Handel zu treiben“ klargestellt, dass die anderen Tatmodalitäten im Handeltreiben aufgehen können. Allerdings hat er sich nie ausdrücklich zur weiten Interpretation der Rechtsprechung bekannt. Vielmehr spricht der ursprüngliche Sinn der Einführung für eine sich an der Vermittlung orientierende Auslegung, der die Neufassung nahe kommt. Auch der gesetzgeberische Wunsch einer scharfen Bestrafung der Hintermänner bei gleichzeitiger Milde gegenüber drogenabhängigen Einzelfiguren wird durch den hier vertretenen Ansatz erfüllt.29 30. Auch aus teleologischer Sicht ergibt die Neufassung Sinn, hält sie sich doch an die im Gesetz zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers, betäubungsmittelrelevante Verhaltensweisen möglichst umfassend, gleichzeitig aber differenziert zu erfassen. Dem Handeltreiben wird im Rahmen des BtMG eine sinnvolle Funktion zugewiesen, nämlich für die Verbreitung von Drogen besonders bedeutsame Handlungen hart zu bestrafen. Dass bei der Interpretation auch kriminalpolitische Erwägungen berücksichtigt worden sind, stellt kein Problem dar. Es wurde lediglich dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Konzept gefolgt.30

29  Siehe 30  Siehe

4. Teil F. III. 4. Teil F. IV.

Anhang Gesetzestexte (jeweils in Auszügen)

Verordnung über den Handel mit Lebens- und Futtermitteln und zur Bekämpfung des Kettenhandels Vom 24. Juni 1916 (RGBl. S. 581) § 1 Der Handel mit Lebens- und Futtermitteln ist vom 1. August 1916 ab nur solchen Personen gestattet, denen eine Erlaubnis zum Betrieb dieses Handels erteilt worden ist. § 9 Mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer ohne die erforderliche Erlaubnis entgegen einer nach § 4 Abs. 2 erfolgten Untersagung mit Lebens- und Futtermitteln Handel treibt. Verordnung über Wein Vom 31. August 1917 (RGBl. S. 751) § 5 Der Handel mit Wein ist vom 20. September 1917 ab nur solchen Personen gestattet, denen eine besondere Erlaubnis zum Betriebe des Handels mit Wein durch die von der Landeszentralbehörde bestimmte Stelle erteilt worden ist. […] § 8 Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. […] 2. wer ohne die nach § 5 erforderliche Erlaubnis mit Wein Handel treibt.

Anhang215 Verordnung über den Verkehr mit Opium Vom 15. Dezember 1918 (RGBl. S. 1447) § 2 (1)  Der Handel mit den in § 1 Abs. 1 bezeichneten Gegenständen sowie Erwerb und Veräußerung dieser Gegenstände ist nur denjenigen Personen gestattet, denen eine Erlaubnis von der obersten Verwaltungsbehörde der Bundesregierung oder von der durch diese bestimmten Behörde erteilt wird. […] § 6 Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer den Bestimmungen des § 1, § 2 Abs. 1, § 3, § 4, § 5 Abs. 1 zuwiderhandelt. Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln Vom 20. Juli 1920 (RGBl. S. 1464) § 1 (1)  Der Handel mit Opium, Morphin und den anderen Opiumalkaloiden, Kokain und analog zusammengesetzten Ergoninverbindungen sowie mit den Verbindungen und Zubereitungen, die solche Stoffe enthalten oder daraus hergestellt sind (z. B. Tinkturen, Extrakte, Gemische, Pulver, Tabletten und Lösungen, Dionin, Äthylmorphin, Apomorphin, Dantopon, Laudanon usw., Trivalin, Eumecon usw.) sowie der Erwerb und die Veräußerung der bezeichneten Gegenstände ist nur denjenigen Personen gestattet, denen eine Erlaubnis von der Landeszentralbehörde oder von der durch diese bestimmte Behörde erteilt wird; die bisher erteilten Genehmigungen behalten ihre Gültigkeit. […] § 6 Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder einer dieser Strafen wird bestraft, wer den Bestimmungen des § 1 Abs. 1, § 2, § 3, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 zuwiderhandelt. Gesetz zur Ausführung des internationalen Opiumabkommens vom 23. Januar 1912 – OpiumG 1920 – Vom 30. Dezember 1920 (RGBl. 1921, S. 2) § 2 Die Einfuhr und Ausfuhr der in § 1 genannten Stoffe und Zubereitungen, ihre gewerbsmäßige Herstellung und Verarbeitung, der Handel mit ihnen sowie ihr Erwerb und ihre Veräußerung ist nur den Personen gestattet, denen hierzu die Erlaubnis erteilt worden ist.

216 Anhang § 8 Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird, sofern nicht nach anderen Strafgesetzen eine schwerere Strafe verwirklicht ist, bestraft, 1. Wer die in § 1 Abs. 1 aufgeführten Stoffe und Zubereitungen ohne die in § 2 vorgeschriebene Erlaubnis einführt, ausführt, herstellt, verarbeitet, erwirbt, veräußert oder sonst in den Verkehr bringt oder sie in nicht genehmigten Örtlichkeiten herstellt, verarbeitet, aufbewahrt, feilhält oder abgibt; […] Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) – OpiumG 1929 – Vom 10. Dezember 1929 (RGBl. I, S. 215) i. d. F. des Gesetzes über Reichsverweisungen vom 23. März 1934 (RGBl. I, S. 213), zuletzt geändert am 24. März 1968 (BGBl. I, S. 516) und am 25. Juni 1969 (BGBl. I, S. 645) § 3 (1)  Die Einfuhr und Ausfuhr der Stoffe und Zubereitungen, ihre Gewinnung, ihre gewerbsmäßige Herstellung und Verarbeitung, der Handel mit ihnen, ihr Erwerb, ihre Abgabe und Veräußerung sowie jeder sonstige gleichartige Verkehr mit ihnen ist nur Personen gestattet, denen hierzu eine Erlaubnis erteilt worden ist […] § 10 (1) Mit Gefängnis bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen, wird, sofern nicht nach anderen Strafgesetzen eine schwerere Strafe verwirklicht ist, bestraft, 1. wer die Stoffe und Zubereitungen ohne die im § 3 vorgeschriebene Erlaubnis einführt, ausführt, gewinnt, herstellt, verarbeitet, Handelt mit ihnen treibt, sie erwirbt, abgibt, veräußert oder sonst in den Verkehr bringt oder sie in nicht genehmigten Örtlichkeiten gewinnt, herstellt, verarbeitet, aufbewahrt, feilhält oder abgibt; […] (2)  In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 bis 7 ist der Versuch strafbar. Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) – BtMG 1972 – Vom 22. Dezember 1971 (BGBl. I, S. 2092) § 3 (1)  Die Einfuhr und Ausfuhr der Betäubungsmittel, ihr Anbau, ihre Gewinnung, ihre gewerbsmäßige Herstellung und Verarbeitung, der Handel mit ihnen, ihr Er-

Anhang217 werb, ihre Abgabe und Veräußerung sowie jeder sonstige gleichartige Verkehr mit ihnen ist nur Personen gestattet, denen hierzu die Erlaubnis erteilt worden ist. […] § 11 (1) Mit Gefängnis bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer 1.  Betäubungsmittel ohne die nach § 3 erforderliche Erlaubnis einführt, ausführt, gewinnt, herstellt, verarbeitet, mit ihnen Handel treibt, sie erwirbt, abgibt, veräußert oder sonst in Verkehr bringt, […] Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) – BtMG 1982 – Vom 28. Juli 1981 (BGBl. I, S. 681) § 3 Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln (1)  Einer Erlaubnis des Bundesgesundheitsamts bedarf, wer 1. Betäubungsmittel anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen, erwerben oder 2. […] will. […] § 29 Straftaten (1)  Mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. Betäubungsmittel ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführt, ausführt, abgibt, veräußert, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft […] (2)  In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 und 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

218 Anhang Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG) In der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I, S. 358), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 20 und Art. 4 Abs. 7 des Gesetzes zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes vom 7. August 2013 (BGBl. I, S. 3154) § 3 Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln (1) Einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bedarf, wer 1.  Betäubungsmittel anbauen, herstellen, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen, erwerben oder 2. […] will. […] § 29 Straftaten (1)  Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1.  Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, […] (2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar. (3)  In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1.  in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, 2.  durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet. (4)  Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nr. 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. (5)  Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. (6)  Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung

Anhang219 auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden. § 29a Straftaten (1)  Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. […] 2.  mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben. (2)  In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. § 30 Straftaten (1)  Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer 1.  Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, 2. bis 4. […] (2)  In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. § 30a Straftaten (1)  Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. (2)  Ebenso wird bestraft, wer 1. als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder 2. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. (3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

220 Anhang Rahmenbeschluss 2004 / 757 / JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. Nr. L 335 / 8 v. 11.11.2004) Artikel 2 Straftaten in Verbindung mit illegalem Handel mit Drogen und Grundstoffen (1) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen unter Strafe gestellt werden, wenn sie ohne entsprechende Berechtigung vorgenommen wurden: a)  das Gewinnen, Herstellen, Ausziehen, Zubereiten, Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern – gleichviel zu welchen Bedingungen –, Vermitteln, Versenden – auch im Transit –, Befördern, Einführen oder Ausführen von Drogen; b)  das Anbauen des Opiummohns, des Kokastrauchs oder der Cannabispflanze; c)  das Besitzen oder Kaufen von Drogen mit dem Ziel, eine der unter Buchstabe a) aufgeführten Handlungen vorzunehmen; d) das Herstellen, Befördern oder Verteilen von Grundstoffen in der Kenntnis, dass sie der illegalen Erzeugung oder der illegalen Herstellung von Drogen dienen. (2) […] Artikel 3 Anstiftung, Beihilfe und Versuch (1)  Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um die Anstiftung und die Beihilfe zu einer der in Artikel 2 genannten Straftaten und den Versuch ihrer Begehung als Straftat einzustufen. (2) […]

Literaturverzeichnis Alternativkommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. v. Rudolf Wassermann, Band 1 (§§ 1–21), Neuwied 1990 (zitiert: Bearbeiter, in: AK-StGB) Ambos, Kai, Ernst Belings Tatbestandslehre und unser heutiger „postfinalistischer“ Verbrechensbegriff, JA 2007, S. 1 ff. Anastasopoulou, Ioanna, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, München 2005 (zitiert: Anastasopoulou, Deliktstypen) Anselmino, Otto / Hamburger, Adolf, Kommentar zu dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) und seinen Ausführungsbestimmungen, Berlin 1931 (zitiert: Anselmino / Hamburger, Opiumgesetz) Apfel, Henner / Strittmatter, Georg, Praxiswissen Strafverteidigung im Betäubungsmittelrecht, Münster 2010 (zitiert: Apfel / Strittmatter, Strafverteidigung im BtMRecht) Baumann, Jürgen / Weber, Ulrich / Mitsch, Wolfgang, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl., Bielefeld 2003 (zitiert: Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT). Baunack, Martina, Grenzfragen der strafrechtlichen Beihilfe, Unter besonderer Berücksichtigung der sogenannten psychischen Beihilfe, Berlin 1999 (zitiert: Baunack, Grenzfragen der Beihilfe) Beckscher Online-Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. v. Bernd von HeintschelHeinegg, München, Stand 08.03.2013 (zitiert: Bearbeiter, in: OK-StGB) Beisheim, Carsten E., Eigennutz als Deliktsmerkmal im Strafrecht, Frankfurt am Main 1994 (zitiert: Beisheim, Eigennutz) Beling, Ernst, Die Lehre vom Tatbestand, Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag dargebracht, Tübingen 1930 (zitiert: Beling, Lehre vom Tatbestand) Bensch, Andreas, Der Begriff des Handeltreibens im Betäubungsmittelgesetz, Frankfurt am Main 2005 (zitiert: Bensch, Begriff des Handeltreibens) Bernsmann, Klaus, Alles Untreue? Skizzen zu Problemen der Untreue nach § 266 StGB, GA 2007, S. 219 ff. Beulke, Werner / Schröder, S., Abgabe von Rauschgift und bewußte Selbstgefährdung, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 25.09.1990 – 4 StR 359 / 90, NStZ 1991, S.  393 ff. Bloy, René, Grenzen der Täterschaft bei fremdhändiger Tatausführung, GA 1996, S.  424 ff. Bock, Dennis, Beteiligungssystem und Einheitstätersystem, Jura 2005, S. 673 ff. Bohnert, Joachim, Die Abstraktheit der abstrakten Gefährdungsdelikte, JuS 1984, S.  182 ff.

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Literaturverzeichnis225 Krack, Jörn, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 07.02.2008 – 5 StR 242 / 07 (NStZ 2008, 465), JR 2008, S. 342 ff. Krack, Ralf, Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach deren Sicherstellung – BGH, NJW 1994, 2162, JuS 1995, S. 585 ff. Kreuzer, Arthur, Betäubungsmittelstrafrecht – Gedanken, Befunde, Kritik, in: Festschrift für Koichi Miyazawa, hrsg. v. Hans-Heiner Kühne, Baden-Baden 1995, S.  177 ff. (zitiert: Kreuzer, in: Miyazawa-FS) Kreuzer, Arthur / Thamm, Bernd Georg, Erscheinungsformen von Drogenkriminalität und verwandtem abweichendem Verhalten, in: Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, hrsg. von Arthur Kreuzer, München 1998, S. 185 ff. (zitiert: Kreuzer / Thamm, in: Handbuch des Betäubungsmittelrechts) Krey, Volker / Esser, Robert, Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Stuttgart 2012 (zitiert: Krey / Esser, Strafrecht AT) Krumdiek, Nicole, Abgrenzung (Mit-)Täterschaft / Beihilfe zum Handeltreiben, Kurierdienste, StRR 2007, S. 110 f. – Beihilfe oder (Mit-)Täterschaft?! – Abgrenzungskriterien im Betäubungsmittelrecht, StRR 2007, S. 244 ff. – Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – Abgrenzung des vollendeten zur versuchten (straflosen) Beihilfehandlung, StV 2009, S. 385 ff. – Unerlaubtes Handeltreiben – Anforderungen an die Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, HRRS 2008, S. 288 ff. Krumdiek, Nicole / Wesemann, Horst, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 26.10.2005 – GSSt 1 / 05 (BGHSt 50, 252), StV 2006, S. 634 ff. Kubiciel, Michael, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, Ihre Aufgaben, ihre Methoden, Frankfurt am Main 2013 (zitiert: Kubiciel, Wissenschaft vom Besonderen Teil) Kühl, Kristian, Strafrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl., München 2012 (zitiert: Kühl, Strafrecht AT) Lackner, Karl / Kühl, Kristian, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., München 2011 (zitiert: Lackner / Kühl, StGB). Lang, Wolfgang J. M., Betäubungsmittelstrafrecht – dogmatische Inkonsistenzen und Verfassungsfriktionen, Hamburg 2011 (zitiert: Lang, BtM-Strafrecht) Lange, Richard, Eine Wende in der Auslegung des Mordtatbestandes, in: Gedächtnisschrift für Horst Schröder, hrsg. v. Walter Stree, Theodor Lenckner, Peter Cramer u. a., München 1978, S. 217 ff. (zitiert: Lange, in: Schröder-FS) Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Heinrich Wilhelm Laufhütte, Ruth Rissing-van Saan und Klaus Tiedemann – Erster Band (§§ 1 bis 31), 11. Aufl., Berlin 2003 (zitiert: Bearbeiter, in: LKStGB 11. Aufl.) – Erster Band (§§ 1 bis 31), 12. Aufl., Berlin 2007 – Zweiter Band (§§ 32 bis 55), 12. Aufl., Berlin 2006 (zitiert: Bearbeiter, in: LK-StGB)

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