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German Pages 481 Year 2007
Schriften zu Kommunikationsfragen Band 43
Die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Eine Analyse seiner Existenzberechtigung im Spannungsfeld zwischen Bestandsgarantie und Verzichtbarkeit Von Juliane Lindschau
Duncker & Humblot · Berlin
JULIANE LINDSCHAU
Die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Schriften zu Kommunikationsfragen Band 43
Die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Eine Analyse seiner Existenzberechtigung im Spannungsfeld zwischen Bestandsgarantie und Verzichtbarkeit
Von
Juliane Lindschau
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
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Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 978-3-428-12418-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
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Vorwort Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerät in den letzten Jahren immer wieder öffentlich in die Kritik. Mal geht es um die Erhöhung der Gebühren, mal um den Erwerb teurer Sportrechte oder aber seine Programmpolitik. Ausdrücklich ruft zwar noch niemand nach seinem Ende, sondern zurzeit besteht noch ein politisch-gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Vor dem Hintergrund, dass in der in den letzten Jahren immer wieder aufflammenden Kritik auch unausgesprochen eine Kritik am Dasein des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt mitzuschwingen scheint, bietet es sich – gleichsam vorbeugend – an, der Frage seiner Existenzberechtigung im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung genauer nachzuspüren. Im Wege einer Art juristischen Gedankenexperiment wird daher untersucht, ob neben der Kritik an einzelnen Verhaltensweisen eine mögliche Forderung nach seiner vollständigen Abschaffung überhaupt Erfolg haben könnte oder ob es Gründe – und wenn ja welche – gibt, die der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland entgegenstehen. Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover im Sommersemester 2006 als Dissertation angenommen und für die Veröffentlichung an einzelnen Stellen überarbeitet. Frau Priv.-Doz. Dr. Jutta Stender-Vorwachs danke ich herzlich für die Betreuung meines Dissertationsvorhabens. Sie stand mir stets mit Rat und Anregung zur Verfügung und ließ mir zugleich die erforderliche Freiheit, das erwählte Thema nach eigenen Vorstellungen zu bearbeiten. Ebenfalls danke ich Herrn Prof. Dr. Ulrich R. Haltern für die Übernahme des Zweitgutachtens. Neben der Familie, meinen Freunden und vor allem meinem Freund Jan, die allesamt gelegentliche Schaffens- und Sinnkrisen über sich ergehen lassen mussten und durch ihren steten Rückhalt auf ihre Art ebenfalls zu dieser Arbeit beigetragen haben, möchte ich auch ganz besonders meinen Eltern Dank aussprechen. Ihnen widme ich diese Arbeit in tiefer Verbundenheit für ihre selbstverständliche Unterstützung meines Studiums und meines Dissertationsvorhabens. Hannover im November 2006
Juliane Lindschau
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
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A. Rundfunk – eine Begriffsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
B. Von den Anfängen des Rundfunks bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Die weitere Entwicklung vom Aufkommen des Fernsehens bis zur Digitaltechnik des 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 E. Zusammenfassende Würdigung der Entwicklung des Rundfunks bis zur Legitimitätskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
2. Teil Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
140
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine mögliche Abschaffbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen unter Verzicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
3. Teil Der künftige rechtliche Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
305
A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens . . . . . . . . . . 305 B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
8
Inhaltsübersicht
C. Zur Situation des Hörfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Sachwörterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks A. Rundfunk – eine Begriffsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definition in der heutigen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darbietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Von den Anfängen des Rundfunks bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Beginn und die Weimarer Zeit (1919–1933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Gedanken und Bestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehung der ersten Rundfunkgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teilweise Verstaatlichung des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründung der Reichsrundfunkgesellschaft und weitere aufgezwungene Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompetenzstreitigkeiten zwischen Reich und Ländern . . . . . . . . . c) Folge dieser Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollständige Verstaatlichung des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequenz dieser Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die NS-Zeit (1933–1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Indienstnahme des Rundfunks für die nationalsozialistische Sache. . a) Organisatorische Neugliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Zeit des Wiederaufbaus unter den Besatzungsmächten nach 1945 1. Neuorganisation des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rolle der Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ziele der Neuorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 2. Einzelne Entwicklungen in den Besatzungszonen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Britische Besatzungszone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Amerikanische Besatzungszone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Französische Besatzungszone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geteiltes Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sowjetische Besatzungszone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übergeordneter Gedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Konzept der Rundfunkanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Charakteristika der öffentlich-rechtlichen Anstalt . . . . . . . 2. Besondere Merkmale der Rundfunkanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sonderstellung von Rundfunkanstalt und -aufgaben unter dem Aspekt der Staatsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) In Ansehung der Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) In Ansehung der wahrzunehmenden (öffentlichen) Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Rundfunkanstalt als Sondertyp zwischen Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Selbstverwaltungsrecht als Ausprägung der Programmautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Programmgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insbesondere: Die Gewährleistung der gleichgewichtigen Vielfalt – das Pluralismusgebot im Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgewogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Gebot gleichgewichtiger Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis von Vielfalt und Ausgewogenheit . . . . . . . . . . . . . . b) Der Pluralismusbegriff im Rundfunk und seine Bedeutung . . . . . c) Fehlender Maßstab der Gebotserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Strukturmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Binnenpluralistisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenpluralistisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung für den Binnenpluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Nähere Ausgestaltung des binnenpluralistischen Modells bei der Rundfunkanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rundfunkrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Intendant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Dezentrale Struktur und Gebührenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Betrachtung des Strukturstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis D. Die weitere Entwicklung vom Aufkommen des Fernsehens bis zur Digitaltechnik des 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Veränderungen und das Aufkommen des Fernsehens in den fünfziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung der ARD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neues Medium Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufkommende Kompetenzkonflikte und Klärung grundlegender Rundfunkprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erste Bestrebungen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gründung der „Deutschland-Fernsehen-GmbH“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erste Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Fernseh-Urteil“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klärung der Kompetenzen im Rundfunkbereich . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlegende Aussagen zur Wirkungsweise und Organisation des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gründung des ZDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere neue Rundfunkprogramme in den sechziger Jahren . . . . . . . . . . 1. „Deutschlandfunk“ und „Deutsche Welle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehung Dritter Fernsehprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufkommender Wandel in den siebziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweite Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Mehrwertsteuer“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beginnende Auseinandersetzungen um die Einführung privaten Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technische Entwicklungen beim Kabel- und Satellitenrundfunk und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Politische Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befürworter privaten Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gegner privaten Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einführung des privaten Rundfunks in den achtziger Jahren . . . . . . . . . 1. Dritte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („FRAG“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Entscheidung zugunsten privaten Rundfunks . . . b) Erneute Absage an ein freies Spiel der Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen des Bundesverfassungsgerichtsurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erlass von Mediengesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Modelle des Binnen- und Außenpluralismus . . . . . . . . . . . . . . bb) Bayerisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Start des ersten Privatrundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vermehrung öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme: „3sat“ und „Eins Plus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 4. Fortbestehende Meinungsverschiedenheiten bezüglich privaten Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vierte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Niedersachsen“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vielfaltsdefizite des privaten Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Konstrukt der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fünfte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Baden-Württemberg-Beschluss“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nähere Ausführungen zur Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusätzliche Andeutung einer Entwicklungsgarantie . . . . . . . . . . . . c) Befürchtungen eines Verdrängungswettbewerbes . . . . . . . . . . . . . . 7. Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausbau und Veränderung des dualen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veränderungen durch die Wiedervereinigung – Neuformierung der Rundfunklandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sechste Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („WDR“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausdrückliche Gewährung und Begrenzung der Bestandsund Entwicklungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nordrhein-Westfälisches „Zwei-Säulen-Modell“ . . . . . . . . . . . . . . . 3. Siebte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Hessen3“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Achte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Gebührenurteil“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notwendigkeit eines Festsetzungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren zur Gebührenfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gründung weiterer öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme . . . . . . . 6. Anstieg der Kosten im Rundfunkbereich und Duopolbildung im privaten Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Rundfunks . . 1. Kontinuität und Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Auswirkungen des technischen Fortschritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Momentaner Stand der technischen Verbreitung des Rundfunks in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Digitaltechnik und ihre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlage der Digitaltechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stand der Entwicklung der Digitaltechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Digitales Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Digitaler Hörfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Digitale öffentlich-rechtliche Programmbouquets . . . . . . . . . . dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 103 103 104 105 105 107 107 108 108 109 111 111 112 113 114 114 115 116 117 118 118 119 123 124 125 125 126 127 127 129 129 131
Inhaltsverzeichnis IX. Aktueller Stand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Programmangebot insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Publikumsakzeptanz und finanzielle Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verteilung der Marktanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Verfügung stehende Summe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 132 132 133 133 135
E. Zusammenfassende Würdigung der Entwicklung des Rundfunks bis zur Legitimitätskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
2. Teil Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine mögliche Abschaffbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aussagen des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die generelle (Aus-)Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers . . . . . . . . . a) Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG aa) Primär objektiv-rechtliches Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Primär subjektiv-rechtliches Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Macht des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Medienwirkung im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . (b) Die besondere Wirkung des Rundfunks . . . . . . . . . . (c) Wandel der Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Bedeutung des Rundfunks insgesamt . . . . . . . . . . . . . (a) Im Hinblick auf die Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Im Hinblick auf die Integration unterschiedlicher Ansichten in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Integrationsleistungsfähigkeit des Rundfunks. . (cc) Kein Bedeutungsverlust des Rundfunks als Integrationsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Im Hinblick auf die Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Im Hinblick auf seine Wirtschaftskraft . . . . . . . . . . . (e) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergleich mit der Presse(freiheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Technisch-finanzielle Sondersituation . . . . . . . . . . . . (b) Veränderungen der Presselandschaft . . . . . . . . . . . . . (4) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
141 141 143 144 145 146 148 149 149 149 150 151 152 153 153 155 156 157 158 159 160 161 161 161 163 165
14
Inhaltsverzeichnis (5) Grundrechtstheoretische Überlegungen in Verbindung mit der Bedeutung des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Rundfunkfreiheit im europäischen Kontext . . . . . . . . . . . b) Differenzierung zwischen Ausgestaltung und Eingriff . . . . . . . . . . aa) Der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienend und abgeschwächtes Übermaßverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strengerer Prüfungsmaßstab der ablehnenden Ansicht . . . . . c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums . . . a) Staatsfreiheit, Vielfalt und Ausgewogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berücksichtigung von technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Adäquate Bedingungen im Fall der Zulassung privaten Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die besondere Grenze der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entwicklung und Herleitung des Grundversorgungsbegriffs (1) Anfänge des Begriffs in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entwicklung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Herleitung der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsätzliche Positionierung der Grundversorgung . . . . . . . (1) Analyse der Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ansiedlung zwischen den beiden Extremen einer Mindest- und Vollversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Genauerer Inhalt der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erstes – technikbezogenes – Element der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zweites – inhaltsbezogenes – Element der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Drittes – vielfaltsbezogenes – Element der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Mehrere Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Dynamik der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weiterentwicklung zum Funktionsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Auswertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitere problematische Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . ee) Fortbestehen der gesetzgeberischen Pflicht zur Grundversorgungsgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ökonomischer und publizistischer Wettbewerb . . . . . . . . (2) Befürwortung eines freien Kräftespiels . . . . . . . . . . . . . . .
165 166 167 169 171 173 175 175 175 177 178 178 179 179 180 181 182 182 183 185 185 185 187 187 188 189 190 190 192 193 194 195 195
Inhaltsverzeichnis (3) Ablehnung eines freien Kräftespiels aufgrund Marktversagens bei meritorischen Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Situative Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Besonderheiten des „Rundfunkmarktes“ . . . . . . . . . . (c) Nachfrageabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Nachfragebesonderheiten des Gutes Rundfunk . . . . (e) Bereitstellung meritorischer Güter zum freiwilligen Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Adressat der Gewährleistung der Grundversorgung . . . . . . . (1) Ablehnung einer Übertragbarkeit der Grundversorgungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) These der „neutralen“ Grundversorgung . . . . . . . . . . (b) Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Übertragbarkeit der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Schlussfolgerung aus den Ausführungen zur Grundversorgung im regionalen und lokalen Rundfunkbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schlussfolgerung aus dem Situativcharakter anderer Entscheidungspassagen . . . . . . . . . . . . . (cc) Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verhältnisbestimmung im Sinne funktionaler Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zulässigkeit einer gesetzlichen Verpflichtung privater Veranstalter zur Grundversorgung . . . . . . . . . . (aa) Unzulässiger Eingriff in die Programmautonomie und wirtschaftliche Freiheit . . . . . . . . . . (bb) Potentielle Sichtweise einer ausgestaltenden Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Bisherige Anforderungen an privaten Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Bis hin zur Grundversorgung steigerbare Anforderungen an privaten Rundfunk als Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Weitere Differenzierung zwischen erstmaliger Ausgestaltung und späterer Umgestaltung . . . . (ff) Anforderungsgrenze der Rentabilität . . . . . . . . (gg) Der Rundfunkfreiheit dienend . . . . . . . . . . . . . . (hh) Abgeschwächtes Übermaßverbot im Sinne einer Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ii) Zulässige Aus- bzw. Umgestaltung . . . . . . . . . .
15
196 198 198 198 199 201 202 202 203 203 204 204 205
205 207 208 210 212 213 214 215
217 218 222 225 226 228
16
Inhaltsverzeichnis (3) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Begrenzung durch die Bestands- und Entwicklungsgarantie . . . . aa) Begriffsverständnis und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Garantie der bestehenden Rundfunkanstalten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Einschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kritische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abschließende Betrachtung der Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne einer absoluten Bestandsgarantie . . . . . . . . . . . . III. Aussagen der Länderverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verfassung des Freistaates Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verfassung des Freistaates Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verfassung des Landes Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Verfassung des Freistaates Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen unter Verzicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Praktische Durchführung der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Voraussetzungen der Auflösung von Rundfunkanstalten . . 2. Voraussetzungen der Auflösung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das gemeinsame Fernsehprogramm der ARD-Anstalten (Erstes Deutsches Fernsehen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das ZDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) DLR und DW, Arte, 3sat, Kinderkanal und Phoenix . . . . . . . . . . . d) Dritte Programme und Hörfunkprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässigkeit unterschiedlichen Vorgehens in den einzelnen Ländern a) Kooperativer Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bundestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Homogenitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kooperativer Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aus Rezipientensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aus Veranstaltersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ausgestaltung . . 1. Veränderung des grundlegenden Ordnungsrahmens der Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229 230 230 231 232 232 233 235 236 236 236 237 239 240 240 242 243 245 245 245 247 247 248 248 249 249 250 251 252 253 253 254 255 256 256
Inhaltsverzeichnis
17
2. Zielausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abändernde Ausgestaltung im Sinne einer Umgestaltung . . . . . . . . . 4. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Ausgestaltungsentscheidung . . 1. Der Rundfunkfreiheit dienend – die besondere Grenze der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technikbezogenes Element der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . b) Inhalts- und vielfaltsbezogenes Element der Grundversorgung aa) Die aktuelle Programmleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Programmentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heutiger Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ursachen der momentanen programmlichen Leistungen . . . (1) Finanzielle Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits besetzte Programmbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Scheitern einer Verpflichtung an tatsächlichen Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswirkungen künftiger Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die digitalisierungsbedingte Möglichkeit der Programmvervielfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zunehmende Entgeltfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ablaufbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gleichwohl bestehende Vielfaltshemmnisse . . . . . . (c) Tendenz zur Ausbildung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Schwächung der integrativen Wirkung des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zugangshürde infolge einer Verschlüsselung . . . . . . (f) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fehlende Leistbarkeit von Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . 2. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Alternativmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zusätzliche Zuerkennung von Rundfunkgebühren . . . . . . . . . . . . . aa) Keine prinzipielle Unzulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatliche Subventionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstärkter staatlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gefährdung der Integrationsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Video-producer-/-publishing-Modell am Beispiel Neuseelands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gleichfalls zurückbleibende Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257 258 260 260
2 Lindschau
261 261 262 263 263 264 266 267 268 270 271 272 272 275 276 277 278 278 279 280 281 281 283 283 284 285 287 287 289 290 293 293
18
Inhaltsverzeichnis V.
Die Haltung der Europäischen Union zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Europarechtliche Kompetenzen im Bereich des Rundfunks . . . . . . . . 2. Äußerungen der Europäischen Union zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschließender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294 295 298 301
C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 3. Teil Der künftige rechtliche Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens . . . . . . . . . . I. Im Hinblick auf die Erbringung der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansätze zur Begründung der Erforderlichkeit einer Legitimationsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Rechtfertigungsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung aus Gründen der Grundrechtsbeeinträchtigung . . aa) Wirtschaftliche Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Freiheit der Gebührenzahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ungleiche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstes Grundversorgungselement – technische Erreichbarkeit nahezu der gesamten Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die weiteren Grundversorgungselemente – besondere Berücksichtigung des klassischen Rundfunkauftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Genauere Eingrenzung des anzulegenden Maßstabs . . . . . . . . . . . . b) Momentane Programmleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Erste der ARD und ZDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dritte Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zukünftig fortbestehende Grundversorgungserbringung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – der Vorwurf der Konvergenz . . . . . . . . a) Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Daten zur Entwicklung grober Programmstrukturen . . . . . . . . . . . . c) Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Im Hinblick auf die Staats- (und Partei-)Ferne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interesse des Staates und der Parteien am Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . 2. Präsenz der Politik in den Rundfunkgremien aufgrund der Mitgliederbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die heutige Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates . . . . . . . . . .
305 305 306 306 307 308 308 309 310 310 311 312 312 314 314 315 316 318 319 320 321 322 323 323 324 324
Inhaltsverzeichnis b) Anfänge der politischen Durchdringung unter den Alliierten . . . c) Fortsetzung der Politisierung bei den später gegründeten Anstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusätzliche mittelbare Politisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Freundeskreise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parteipolitische Prägung der anderen Repräsentanten . . . . . . . . . . c) Weitere Politisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Betrachtung der Politisierungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rückblick und Ausblick der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausschlaggebende Gründe zur Konkretisierung des Grundversorgungsauftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bessere Ermöglichung der Aufgabenerfüllung im Hinblick auf die Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überwiegend vage Aufgabenbestimmung in den Rundfunkgesetzen und -staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der neu eingefügte § 11 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befund und Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Größere Transparenz zur Beibehaltung der Akzeptanz . . . . . . . . . . . . 3. Verhinderung einer Fachaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz der Gebührenzahler und privater Rundfunkveranstalter . . . . 5. Europarechtliches Bedürfnis im Zusammenhang mit wettbewerbsund beihilferechtlichen Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Amsterdamer Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Transparenzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zu begrüßende Konkretisierung im europäischen Kontext . . . . . 6. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. In Betracht kommende Maßnahmen zur Konkretisierung . . . . . . . . . . . . 1. Handhabung in zwei anderen westeuropäischen Staaten . . . . . . . . . . a) Rundfunkrechtliche Vorgaben in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rundfunkrechtliche Vorgaben in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . c) Für das deutsche Rundfunksystem ableitbare Ansätze . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit für eine Konkretisierung des Grundversorgungsauftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vom Gesetzgeber vorzunehmende Konkretisierung in den Rundfunkgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befürwortende Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ablehnende Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2*
19 325 325 326 326 327 327 328 329 330 331 332 332 332 333 334 334 336 337 337 339 339 341 342 343 344 344 345 347 351 352 352 352 354
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Inhaltsverzeichnis b) Von den Rundfunkanstalten vorzunehmende Konkretisierung in Form von Selbstverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befürwortende Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ablehnende Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkretisierung durch eine unabhängige Institution . . . . . . . . . . . . d) Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Spannungslage zwischen Ausgestaltungsaufgabe und Konkretisierungsbedürfnis einerseits und Programmautonomie sowie Staatsfreiheit andererseits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Pro und Contra einer Konkretisierung durch die Rundfunkanstalten in Form von Selbstverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . (1) Programmautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ursprüngliches Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Fehlende Effektivität der Arbeit der Rundfunkräte . (b) Kompetenzverteilung innerhalb der Rundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Eigene anstelle fremder Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pro und Contra einer Konkretisierung durch den Gesetzgeber in Form von gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . (1) Weitreichende gesetzgeberische Ausgestaltungsaufgabe (a) Grundversorgungskonkretisierung als Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine genauere Festlegung der Grundversorgung mit Hilfe des finanziellen Rahmens . . . . . . . . . . . . . . (c) Keine Reduzierung der Programmautonomie auf bloßen Vorgabenvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Staatsfreiheit nicht im absoluten Sinne jeglichen Verbotes staatlichen Tätigwerdens . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anstaltsstatus als juristische Person des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Flexibilitätserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schlussfolgerung einer Kombinationslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kombination beider Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subsidiarität gesetzlicher Regelungen bei funktionierender Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die neue gesetzliche Regelung seit dem Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 11 Abs. 4, 5 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tatsächliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verabschiedete Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Veröffentlichte Selbstverpflichtungserklärungen . . . dd) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354 354 355 356 357
357 358 358 360 361 362 363 365 365 365 368 369 370 371 371 372 374 375 376 377 378 379 379 380 383
Inhaltsverzeichnis 3. Möglicher Inhalt eines konkretisierten Grundversorgungsauftrages a) Reduzierung der zu erbringenden Grundversorgung auf eine bloße Kompensationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Forderung nach bloßem Defizitausgleich privater Rundfunkprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beibehaltung der bisherigen Grundversorgungskonzeption. . cc) Dilemma des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . . . dd) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Quantitative und qualitative Vorgaben innerhalb der Programme aa) Prozentuale programmliche Mindestanteilsfestlegung bei Vollprogrammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Definition der Programmbereiche mittels Regelbeispielen cc) Sendezeitbezogene Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Programmkoordination zur Vermeidung zeitgleicher ähnlicher Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Vorgaben hinsichtlich konkreter Sendungen . . . . . . . . . . . . . . ff) Zusätzliche Quote für Dritte Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Weitere Programmquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Qualitätsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Experimentierfreudigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkretisierung im Hinblick auf die geforderte Meinungsvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Programmanzahlfestlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Programme jenseits der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sparten- und Zielgruppenprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . (3) Entwicklungshemmung im Zuge sich wandelnder Interessen und Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kollision mit der Bedeutung des Rundfunks als Integrationsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorschläge zur künftigen Programmstruktur im öffentlichrechtlichen Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zwei nationale Vollprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Option eines auseinandergeschalteten Dritten Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitere Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Strukturreform im Hinblick auf eine Neugliederung der Rundfunklandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konzept einer zentralen Gemeinschafts-Rundfunkanstalt . . . . . . .
21 383 384 384 385 387 388 389 389 391 391 393 394 395 396 396 398 399 399 400 402 402 403 404 405 406 408 410 410 411 412 413 414 415
22
Inhaltsverzeichnis b) Beibehaltung mehrerer Rundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 III. Auswirkungen auf den privaten Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
C. Zur Situation des Hörfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundversorgungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausdifferenziertes Programmangebot anstelle von Vollprogrammen 2. Wandlung des Hörfunks zum Begleitmedium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Grundversorgungserbringung durch private Rundfunkveranstalter im Hörfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Als Grundversorgung einzuordnende Programmleistung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Summe aller öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme . . . . . . . . b) Summe aller Hörfunkprogramme einer Rundfunkanstalt . . . . . . . . 5. Zulässigkeit der Grundversorgungserbringung durch ein Bouquet mehrerer Spartenprogramme im öffentlich-rechtlichen Hörfunk . . . . 6. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beibehaltung der Bedienung aller Programmsparten . . . . . . . . . . . b) Programmzahlbegrenzungen und Quotenfestlegung im Hörfunk . c) Stärkere Abgrenzung zum privaten Hörfunkangebot . . . . . . . . . . . II. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
421 422 422 423 425 427 427 429 429 431 432 432 433 433
D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abl Abl EG Abl Saar Abs. AfP AK AöR ARD ARD-StV Art. Aufl. BadWürttVGH BayMG BayVBl BayVerf BayVerfGH BayVGH BBC Bd. BGBl BK Bl. BMWT BR BrbgVerf BremLMG BR-G BT-Drucks. BVerfGE BVerwGE BW
anderer Ansicht Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt des Saarlandes Absatz Archiv für Presserecht Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland ARD-Staatsvertrag Artikel Auflage Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof Gesetz über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern Bayerisches Verwaltungsblatt Bayerische Verfassung Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof British Broadcasting Corporation Band Bundesgesetzblatt Bonner Kommentar zum Grundgesetz Blatt Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bayerischer Rundfunk Brandenburgische Verfassung Bremisches Landesmediengesetz Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ Bundestags-Drucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Baden-Württemberg
24 C-DVB CLT CSA DB DCMS DDR ders. DFF DIAS dies. Diss. jur. Diss. phil. DJT DLF DLR DLR-StV DÖV DS-Kultur DRADAG DVBl DVB-T DW DW-G E EG
EGMR EMRK endg. epd medien ETSI EU EuGH EuGRZ EV EWG-V FAZ f.
Abkürzungsverzeichnis Cabel Digital Video Broadcasting Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion Conseil Supérieur de l’Audiovisuel Der Betrieb Department for Culture, Media and Sport Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutscher Fernsehfunk Drahtfunk im amerikanischen Sektor dieselbe juristische Dissertation philosophische Dissertation Deutscher Juristentag Deutschlandfunk Deutschlandradio Staatsvertrag über die Körperschaft des deutschen Rechts „Deutschlandradio“ Die Öffentliche Verwaltung Deutschlandsender Kultur Drahtloser Dienst AG Deutsches Verwaltungsblatt Terrestrial Digital Video Broadcasting Deutsche Welle Gesetz über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts „Deutsche Welle“ Entscheidung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957 in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 07.02.1992 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention endgültig Evangelischer Pressedienst medien (vormals epd/Kirche und Rundfunk) European Telecommunications Standards Institute Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992 Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Einigungsvertrag Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.03.1957 Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende
Abkürzungsverzeichnis ff. FG FK Fn. FRAG FS FuR GBl Brem GBl BW GBl DDR GG GRUR GVBl Bay GVBl Berl GVBl Brbg GVBl Hess GVBl MV GVBl Nds GVBl NW GVBl RP GVBl SA GVBl Sachs GVBl SH GVBl Thür GWB HmbMG HPRG HR HR-G i. S. d. i. S. v. JA Jg. JöR n. F. Jura JuS JZ KEF KI.KA KJ KOM K&R
fortfolgende Festgabe Funkkorrespondenz Fußnote Freie Rundfunk Aktiengesellschaft in Gründung Festschrift Film und Recht Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Gesetzblatt für Baden-Württemberg Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Grundgesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Gesetz- und Verordnungsblatt Hessen Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen Gesetz- und Verordnungsblatt Rheinland-Pfalz Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Thüringen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hamburgisches Mediengesetz Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen Hessischer Rundfunk Gesetz über den Hessischen Rundfunk im Sinne des/der im Sinne von Juristische Arbeitsblätter Jahrgang Journal des öffentlichen Rechts, neue Fassung Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs Kinderkanal Kritische Justiz Kommissionsdokumente Kommunikation und Recht
25
26 KtK Lfg. LKV LMG BW LMG NRW Losebl. LRG RP LS LT-Drucks. MDR MDR-StV MG LSA Mirag M&K MMR MP m. w. N. NDR NDR-StV NdsMG NJW Norag NS NVwZ NVwZ-RR NWVBl NWDR NZOA OFCOM Orag ORB ORF OVG PKS RÄndStV RB RBB RBB-StV RB-G
Abkürzungsverzeichnis Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems Lieferung Landes- und Kommunalverwaltung Landesmediengesetz Baden-Württemberg Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen Loseblattsammlung Landesrundfunkgesetz Rheinland-Pfalz Leitsatz Landtags-Drucksache Mitteldeutscher Rundfunk Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk Mediengesetz des Landes Sachsen-Anhalt Mitteldeutsche Rundfunk AG Medien und Kommunikation MultiMedia und Recht Media Perspektiven mit weiteren Nachweisen Norddeutscher Rundfunk Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk Niedersächsisches Mediengesetz Neue Juristische Wochenschrift Nordische Rundfunk AG Nationalsozialismus Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Nordwestdeutscher Rundfunk New Zealand On Air Office of Communication Ostmarken-Rundfunk Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg Österreichischer Rundfunk Oberverwaltungsgericht Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenfernsehen Rundfunkänderungsstaatsvertrag Radio Bremen Rundfunk Berlin-Brandenburg Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts – Radio Bremen –
Abkürzungsverzeichnis RFinStV RGBl RIAS RMVP Rn. RNZ RRG Rs. RStV RTF RTL RuF RundfG MV S. SächsPRG SächsVerf SächsVBl SDR S-DVB SED SFB Slg. SMG SR SRG Stenoprot. st. Rspr. Sürag SWF SWF-StV SWR SWR-StV ThürLMG ThürVerf TVNZ Tz. u. a. Univ. US v. VerwArch
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Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag Reichsgesetzblatt Rundfunk im amerikanischen Sektor Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Randnummer Radio New Zealand Reichsrundfunkgesellschaft Rechtssache Rundfunkstaatsvertrag Radiodiffusion et Télévision Française Radio Télé-Luxembourg Rundfunk und Fernsehen Rundfunkgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern Satz, Seite Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen Sächsische Verfassung Sächsische Verwaltungsblätter Süddeutscher Rundfunk Satellit Digital Video Broadcasting Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sender Freies Berlin Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs Erster Instanz Saarländisches Mediengesetz Saarländischer Rundfunk Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft Stenographisches Protokoll ständige Rechtsprechung Süddeutsche Rundfunk-AG Südwestfunk Staatsvertrag über den Südwestfunk Südwestrundfunk Staatsvertrag über den Südwestrundfunk Thüringisches Landesmediengesetz Thüringische Verfassung Television New Zealand Textziffer und andere Universität United States vom Verwaltungsarchiv
28 VG VPRT VVDStRL
Abkürzungsverzeichnis
Verwaltungsgericht Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer WDR Westdeutscher Rundfunk WDR-G Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk Wefag Westdeutsche Funkstunde AG Werag Westdeutsche Rundfunk AG WRV Weimarer Reichsverfassung Württ-Bad Regbl Württemberg-Badisches Regierungsblatt ZDF Zweites Deutsches Fernsehen ZDF-StV ZDF-Staatsvertrag ZFP Zentrale Fortbildung der Programm-Mitarbeiter, Gemeinschaftseinrichtung ARD/ZDF ZG Zeitschrift für Gesetzgebung ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZögU Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM-RD Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht-Rechtsprechungsdienst
Einleitung Die Meinungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind gespalten. Seine Kritiker bezeichnen ihn beispielsweise gern als „öffentlich-rechtliche Zwangsbeglückung“, „Moloch“1, „Zwangs-Pay-TV“ oder „Wasserkopf“2. Die ARD wurde auch einmal als „neunköpfige Hydra“3 betitelt und so mit der sagenhaften neunköpfigen Seeschlange verglichen, deren abgeschlagene Köpfe doppelt nachwuchsen. Seine Befürworter loben ihn hingegen als „Kulturgut“4 oder „Glaubwürdigkeitsinsel“5 im Zeitalter der Informationsflut. Angesichts derartig unterschiedlicher Beurteilungen in der Gesellschaft stellt sich die Frage, ob sich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner althergebrachten Form auch im 21. Jahrhundert überhaupt noch eine Perspektive bietet oder ob er im Zuge des rasanten technischen Fortschritts mittlerweile ein Relikt vergangener Zeiten darstellt – Zeiten, in denen es nur wenig Rundfunkfrequenzen gab und Vielfalt allein durch öffentlichrechtliche Anstalten garantiert schien. Betrachtet man die der heutigen Situation vorangegangene Entwicklung, so zeigt sich, dass es mit dem Aufkommen neuer Technik im Rundfunkbereich regelmäßig auch zu Diskussionen über die bestehende Rundfunkordnung kommt. So war es schon zu Beginn der achtziger Jahre, als sich im Zuge der verstärkten Weiterentwicklung der Kabel- und Satellitentechnik abzeichnete, dass in absehbarer Zeit mehr Frequenzen für neue Programme zur Verfügung stehen würden. Damals forderte die Mehrzahl der Stimmen, dass das bis dato bestehende „öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol“6 einem 1 Doetz, Presseerklärung des VPRT v. 19.05.1992, zit. nach Kleinsteuber/Kulbatzki/Evers, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Umbruch, S. 23. 2 Thoma, forum medienethik 1/1996, 53, 55. 3 Blätter des Springer-Konzerns und das Verlegerorgan ZV + ZV, zit. nach Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 2. Teil, S. 528. 4 Spital, forum medienethik 1/1996, 59. 5 Holznagel, NJW 2002, 2351, 2355; zuvor bereits Eberle, AfP 1998, 272. 6 Auf die Bundesrepublik insgesamt verteilt betrachtet handelt es sich angesichts eines damaligen Bestandes von neun Landesrundfunkanstalten, ZDF sowie zwei Bundesanstalten genaugenommen nicht um ein Monopol, sondern vielmehr um ein
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dualen System weichen sollte, öffentlich-rechtliche Anstalten folglich nicht ersetzt, sondern ihre Programme lediglich um die privater Veranstalter ergänzt werden sollten7. Nach Meinung einiger sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits während dieser Zeit gänzlich von der Bildfläche verschwinden und stattdessen der Bereich des Rundfunks ähnlich der Presse dem nahezu freien Spiel der Kräfte überlassen werden8. So ist es auch momentan – zu Beginn der dritten Dekade des dualen Systems – wieder. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung kristallisieren sich diverse Möglichkeiten für eine nahezu unbegrenzte Vielzahl von Programmen und neuen Diensten heraus. Möglicherweise sind im Zuge dessen jetzt auch private Anbieter in der Lage, mit ihren Programmen die verfassungsrechtlich geforderte Vielfalt zu bieten und eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunk zu leisten. Parallel zu den wachsenden Möglichkeiten eines erstarkenden privaten Sektors verstärkt sich der Druck auf den Oligopol. Dieses war nur z. T. rechtlicher Natur (z. B. § 3 Abs. 1 S. 2 NDR-StV v. 16.02.1955; Art. 111a BayVerf; § 4 SWF-StV v. 27.08.1951; a. A. bzgl. des SWF Rudolf, Zulässigkeit privaten Rundfunks, S. 37 f.); aber auch wenn die übrigen Landesrundfunkgesetzen keine ausdrücklichen Regelungen trafen, bestand dort ebenfalls ein faktisches Monopol bzw. Oligopol, da die entsprechenden Gesetze nur den regionalen Landesrundfunkanstalten die Rundfunkveranstaltung aufgaben und von anderen Veranstaltern nicht die Rede war. Vgl. hierzu auch Hartmut Grund, DVBl 1969, 481, 483 f.; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 12 f., 41 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 340 ff., zustimmend Klein, Rundfunkfreiheit, S. 13; Maunz, in: Bausch, Organisation des Fernsehens, S. 58. 7 Hierauf verweist auch Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 73 f. Für den Fortbestand des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks und eine bloße Ergänzung durch Programme privater Programme sprachen sich damals u. a. aus Kull, AfP 1977, 251; Oppermann, JZ 1981, 721, 729 f.; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 73, 80; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 139 f.; Scholz, JZ 1981, 561, 563 f.; mit Einschränkung Maunz, in: Bausch, Organisation des Fernsehens, S. 53; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 345 ff., Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 94 f. Die Positionen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen finden sich bei Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 192 ff. 8 Hartmut Grund, DVBl 1969, 481, 485, hielt bereits vor den beginnenden technischen Neuerungen das öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol für verfassungswidrig, da es als milderes Mittel einen „auf Grund staatlicher Lizenzierung im Rahmen staatlicher Richtlinien und Kontrolle arbeitende[n] Privatbetrieb“ gäbe, das weitaus weniger in die private Entfaltungsfreiheit eingreife. Auch Klein, Rundfunkfreiheit, S. 79 f.; ders., Der Staat 20 (1981), 177, 197, hielt es für möglich, dass bei einer gewissen Anzahl privater Programme und der Etablierung einer Vielfalt im Bereich des privaten Rundfunks die Grundversorgung gewährleistenden öffentlich-rechtlichen Anstalten eines Tages, nach einer „nicht zu kurz zu bemessenden Übergangszeit“, obsolet werden könnten; vgl. auch Engels u. a., Mehr Markt, passim; ebenfalls Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 152. Auch bei Karola Grund, Privatrundfunk, S. 62 ff., findet sich Ende der siebziger Jahre die Möglichkeit der Ersetzung des öffentlich-rechtlichen durch privaten Rundfunk.
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öffentlich-rechtlichen Rundfunk zunehmend9. So geriet er in den letzten Jahren immer wieder aufgrund diverser Aspekte in die Kritik. Beklagt wurde nicht nur die immer stärkere Kommerzialisierung der öffentlichrechtlichen Programme und seine Programmausweitung, sondern auch die expansive Ausgabenpolitik der Anstalten. Gerade im Zusammenhang mit der für 2005 geplanten, in letzter Zeit jedoch heftig umstrittenen Gebührenerhöhung zeichnet sich ab, dass es mittlerweile nicht mehr nur allein um die Höhe der Gebühren geht, sondern mit der Gebührenfrage mittlerweile auch die Frage nach einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verknüpft wird, in der übergeordnet zugleich die Frage nach seiner Existenzberechtigung unausgesprochen mitschwingt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es sich bei der Legitimitätskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht um ein allein deutsches Phänomen handelt. Auch in anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Großbritannien, wo sich die BBC, bereits unter der ThatcherRegierung mit der Zerschlagung und Privatisierung bedroht, heute erneut – obwohl es lange nicht danach aussah – im Zuge der so genannten Gilligan-Affäre und dem darauf folgenden Hutton-Bericht in einer Krise befindet10. Auch in den Niederlanden11 und Spanien12 wird der öffentliche Rundfunk in seiner bisherigen Form zum Teil in Frage gestellt. In Frankreich wird ebenfalls über neue Finanzierungs- und Strukturmodelle für den öffentlichen Rundfunk diskutiert, die bis hin zu einer (Teil-)Privatisierung reichen13. In Dänemark wurde 2003 die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt TV2 in eine private GmbH umgewandelt. Kurz zusammengefasst lässt sich der heutige Ausgangspunkt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie folgt darstellen: War die öffentliche Diskussion bis in die achtziger Jahre hinein von der Frage bestimmt, ob man privaten Rundfunk zulassen und das bis dahin bestehende öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol ablösen sollte, so scheint sich heute die Fragestellung umgekehrt zu haben. Die Überlegung ist nicht mehr, ob die Gesellschaft privaten Rundfunk braucht, vielmehr tauchen in diesem Zusammenhang Zweifel am öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf14. Dass dies so kommen 9 Nach Mahrenholz, ZUM 1995, Sonderheft, 508, befindet sich der öffentlichrechtliche Rundfunk in einem „Zustand andauernder Rechtfertigung“. 10 Vgl. hierzu Krönig, in: epd medien Nr. 51 v. 03.07.2004, 29 f.; G. Thomas, FAZ v. 04.10.2003, 46. 11 Hierzu Hendriks, MP 1994, 218 ff. 12 MMR 2004, XXI f.: „Spanien: Pläne für eine Teilprivatisierung von TVE“. 13 Bourgeois, in: epd medien Nr. 2 v. 14.01.2004, 3 ff.; Kammann, in: epd medien Nr. 3 v. 17.01.2004, 3, 5. 14 Vgl. etwa Wissenschaftlicher Beirat beim BMWT, in: BMWT, Gutachten, 16. Bd., S. 2074 ff.; leichte Zweifel am Weiterbestand deuten sich auch bei Marcin-
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würde, prophezeite bereits gegen Ende der siebziger Jahre der damalige Intendant des ZDF von Hase mit den Worten: „Sollte jedoch ein rein kommerzielles Fernsehen in der Bundesrepublik eingeführt werden, so wird – hierauf möchte ich warnend aufmerksam machen – zwangsläufig eines Tages der öffentlich-rechtliche Rundfunk generell in Frage gestellt.“15 Vor diesem grob skizzierten Hintergrund beschäftigt sich diese Arbeit im Kern mit der Frage, ob es Gründe gibt, die der Abschaffung des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland entgegenstehen. Auch wenn derzeit noch ein weitgehender politisch-gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht, und momentan noch niemand ausdrücklich nach seinem Ende ruft, so wird in dieser Arbeit – gleichsam vorbeugend – das Gedankenexperiment juristischer Art versucht, ob neben der Kritik an einzelnen Verhaltensweisen eine mögliche Forderung nach seiner Abschaffung überhaupt Erfolg haben könnte. Möglicherweise stehen einer derartigen Forderung bereits rechtliche Gründe entgegen. Damit wird in einer noch an den Rändern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verhafteten Diskussion einen Schritt weiter gegangen und offen die Frage nach seiner Existenzberechtigung gestellt wie auch beantwortet. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, werden die bestehenden verfassungsrechtlichen Grundlagen auf Bundes- und Länderebene sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunk auf Aussagen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk hin untersucht. Gerade die sog. Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts haben die Ausgestaltung der Rundfunkordnung in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich beeinflusst. Mehr als einmal wurde die Entwicklungsrichtung im Rundfunk nicht von der eigentlich demokratisch legitimierten Volksvertretung auf dem Gesetzesweg entschieden, sondern von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts vorgezeichnet16. Zudem wird die hierzu Stellung nehmende Literakowski, in: Gellner, Neue deutsche Rundfunkordnung, S. 72, an. Fechner, JZ 2003, 224, 227, beispielsweise bezeichnet die Frage nach der zukünftigen Bewahrung der Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als zentrale Frage im Rundfunkbereich. Für eine Abschaffung bzw. Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Hörfunks Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 339 ff.; für eine Privatisierung des ZDF Otto (FDP), Bertelsmann Briefe, Heft 129, Mai 1993, S. 58, 59; gegen eine Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt, allenfalls noch für eine absehbare Übergangszeit VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 32 f.; vgl. auch Meinecke, forum medienethik 1/1996, 49 ff., mit der Vison, im Jahr 2005 würden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten privatwirtschaftlich betrieben. 15 v. Hase, zit. nach M. W. Thomas, Ein anderer Rundfunk, S. 94. 16 Neben den so genannten acht Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 12, 205 ff.; 31, 314 ff.; 57, 295 ff.; 73, 118 ff.; 74, 297 ff.; 83,
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tur ausgewertet. Hinzugezogen werden weiter empirische Daten. Diese werden aus bereits bestehenden Medienanalysen entnommen, da eine solche Leistung – um repräsentativ zu sein – allein nicht zu erbringen ist. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. In einem ersten Teil wird im Hinblick darauf, dass einer so grundlegenden Frage wie der nach der Abschaffbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht ohne den historischen, technischen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Kontext nachgegangen werden kann, die bisherige Entwicklung des Rundfunks unter Einbeziehung möglichst vieler Faktoren dargestellt. Dies erscheint zum Verständnis und zur Heranführung an ein Ergebnis notwendig, da gerade die heutige Rundfunkordnung vielfach als bewusste Reaktion auf die geschichtliche Entwicklung zu verstehen ist. Die Zeiten der Weimarer Republik, sein Missbrauch unter der nationalsozialistischen Diktatur, die Besetzung durch die Alliierten sowie die weiteren politischen und wirtschaftlichen Bewegungen in Deutschland haben den Rundfunk stark geprägt. Ohne eine historische Betrachtung der Anfänge des Rundfunks in der Weimarer Republik und seiner Erstarkung unter dem nationalsozialistischen Regime wird beispielsweise nicht deutlich, weshalb dem Grundsatz der Staatsferne eine so hohe Bedeutung zukommt, die in anderen Ländern wie z. B. in Frankreich so nicht gesehen wird. Ohne eine zumindest schlaglichtweise Darstellung der Zeit vor 1945 werden die besonderen Bemühungen der westalliierten Mächte um den Rundfunk in der Nachkriegszeit nicht verständlich, die wiederum dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Form und das Konzept gegeben haben, in dem er sich heute präsentiert. In die folgende Untersuchung miteinzubeziehen sind darüber hinaus auch die wichtigsten Aussagen der Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Mit Blick darauf, dass der technische Fortschritt immer wieder zu erneuten Auseinandersetzungen um die Organisation des Rundfunks geführt hat, werden schließlich auch technische Aspekte nicht völlig auszuklammern sein. In einem zweiten Teil wird dem in Anbetracht der angedeuteten Entwicklungen nicht undenkbar scheinenden Gedanken einer vollständigen Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachgegangen und zunächst geprüft, inwiefern öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland nach der Bundesverfassung und der Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit einer verfassungsrechtlichen Garantie versehen ist. Im Rahmen dieser Prüfung werden die rechtlichen Anforderungen, die an einen verfassungsgemäßen Rundfunk gestellt werden, genauer herausgearbeitet. Weiter 238 ff.; 87, 181 ff.; 90, 60 ff.) haben auch andere Judikate (exemplarisch seien hier nur BVerfGE 35, 202 ff.; 59, 231 ff.; 95, 163 ff.; 95, 220 ff.; 97, 228 ff.; 97, 298 ff. genannt) den Rundfunkbereich entscheidend geprägt. 3 Lindschau
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wird untersucht, inwieweit die privaten Rundfunkveranstalter in der Lage sind, den zuvor herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Mit dieser Herangehensweise soll eine Antwort darauf gefunden werden, ob öffentlich-rechtlicher Rundfunk in seiner bisherigen Funktion mittlerweile durch privaten Rundfunk ersetzt werden kann, er folglich überflüssig und infolgedessen abzuschaffen ist. In diesem Zusammenhang wird die grundsätzliche Legitimationsfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestellt, die im Wesentlichen auf die ihm zugedachte Aufgabe der Grundversorgung fokussiert. Für den Fall seiner auch künftigen Existenzberechtigung wird im Anschluss in einem dritten Teil analysiert, auf welche Weise sich der zukünftige rechtliche Rahmen präziser gestalten ließe, um dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu einer optimierteren Wirkungsweise und damit auch Akzeptanz im Hinblick auf die ihm zugedachten Aufgaben zu verhelfen.
1. Teil
Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Ohne den geschichtlichen Hintergrund wie auch ohne eine Betrachtung der technischen Entwicklung sowie der weiteren politischen und wirtschaftlichen Bestrebungen ist die momentane Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht nachvollziehbar und lassen sich auch keine begründeten Aussagen zu seiner Existenzberechtigung treffen. Dabei wird im Folgenden chronologisch und nicht etwa geordnet nach Topoi vorgegangen, da nur ein chronologischer Aufbau das Zusammenspiel von technischer Neuerung, den dann einsetzenden politischen wie auch wirtschaftlichen Aktivitäten sowie rechtlicher Reaktionen hierauf verdeutlichen kann. Rechtliche Regelungen, technische Neuerungen, aber auch politisch-wirtschaftliche Bestrebungen und gesellschaftliche Entwicklungen sind im Rundfunkbereich vielfach eng miteinander verwoben. So lassen sich beispielsweise aus dem historischen Kontext, in dem die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergingen, in der im zweiten Teil vorzunehmenden Analyse des in den Entscheidungen vielfach verwendeten Begriffs der Grundversorgung wichtige Schlüsse ziehen. Will man demnach den heutigen Stand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ausgangspunkt für eine Untersuchung zu seiner Notwendigkeit nutzen, so ist eine nähere Betrachtung seines Werdegangs unverzichtbar. Insofern gilt es in diesem ersten Teil, der die Verständnisgrundlage für den weiteren Gang der Arbeit liefern soll, den Bogen von den Anfängen des Rundfunks im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart des 21. Jahrhundert zu spannen. Um im weiteren Verlauf den behandelten Gegenstand des Rundfunks begrifflich erfassen zu können, soll zunächst – gleichsam als vorgezogener Exkurs – eine genauere Bestimmung des dahinter stehenden Inhalts vorgenommen werden.
A. Rundfunk – eine Begriffsbetrachtung I. Entstehung des Begriffs Zusammengesetzt aus den Komponenten „rund“ und „Funk“, sollte der Begriff „Rundfunk“ in Abgrenzung zu dem allgemeinen längsseitigen Funk3*
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
verkehr zwischen Sender und Empfänger die Rundwirkung der von Heinrich Hertz entdeckten elektrischen Wellen besonders hervorheben1. Mutmaßlich von Hans Bredow im Jahr 1919 bzw. 1921 auf einem Vortrag eingeführt2 (ob von ihm auch erfunden, mag dahingestellt bleiben3), war er es jedenfalls, der sich später verstärkt für die Anwendung des deutschen Wortes „Rundfunk“ anstelle des englischen Begriffs „Broadcasting“ oder des Begriffs „Radio“4 einsetzte5. In der amtlichen Terminologie tauchte der „Rundfunk“ allerdings erst in einer Verfügung des Reichspostministers von 1926 auf6, zuvor war er in Abgrenzung zu den übrigen Funkdiensten als „Unterhaltungsrundfunk“ bezeichnet worden. Erfasste der Begriff des Rundfunks in der Anfangszeit mangels Erfindung des Fernsehens nur den Hörrundfunk, so umfasst er heute Hörfunk und zusätzlich auch das Fernsehen7.
II. Definition in der heutigen Zeit Das Grundgesetz selbst liefert keine Definition des Rundfunkbegriffs, sondern setzt ihn voraus. Im Rundfunkstaatsvertrag und in den einfachrechtlichen Gesetzen der Länder findet sich eine Definition, derzufolge Rundfunk „die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleiter oder längs oder mittels eines Leiters“ ist8. Es gilt jedoch zu beachten, dass aus Normen, die im Rang unterhalb der Verfassung stehen, keine zwingenden Schlüsse auf das in der Verfassung zum Ausdruck kommende Verständnis des Rundfunks 1 Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 20; ausführlich Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 162 ff. 2 Für 1921 Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 1 Fn. 1; Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 20; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 24 sowie Bredow selbst in seinen Erinnerungen „Im Banne der Ätherwellen“, Bd. 2, S. 152; a. A., d. h. für 1919 Lerg, Entstehung des Rundfunks, S. 20. 3 Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 24 f. 4 Dieser Terminus entstammt dem lateinischen „radius“, was soviel wie „Strahl“ bedeutet. 5 Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 20; hierzu auch Bredow, Im Banne der Ätherwellen, Bd. 2, S. 165 f. 6 Verfügung des Reichspostministeriums Nr. 393 v. 17.08.1926, Abl 1926, S. 369. 7 BVerfGE 12, 205, 226; Donsbach/Mathes, in: Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, Lexikon Publizistik, S. 476; Fechner, Medienrecht, Rn. 18; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 22, 49 ff.; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 9 Fn. 2; Stern/Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk, S. 15 m. w. N. 8 § 2 Abs. 1 S. 1 RStV; § 2 Nr. 1 LMG BW; § 1 Abs. 2 S. 1 BayMG; § 3 Abs. 1 S. 1 RundfG MV.
A. Rundfunk – eine Begriffsbetrachtung
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gezogen werden können9. Gleichwohl können sie zur Interpretation des Grundgesetzes herangezogen werden10. Die einfachgesetzliche Definition des Rundfunksbegriff stellt jedoch keine abschließende Bestimmung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs dar11, da sich der Rundfunkbegriff nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht in einer ein für allemal gültigen, statischen Definition erfassen lässt. Stattdessen ist er dynamisch zu interpretieren, um auch neuen technischen Möglichkeiten Rechnung tragen und damit der Rundfunkfreiheit ihre normierende Wirkung bewahren zu können12. Nach intensiven Auseinandersetzungen über den genauen Inhalt des Rundfunkbegriffs herrscht heute bezüglich der drei wesentlichen Elemente weitgehend Übereinstimmung13. 1. Allgemeinheit Das den Rundfunk als Massenkommunikationsmittel prägende Element ist seine spezifische Breitenwirkung, dem durch das Merkmal der Allgemeinheit Rechnung getragen wird. Allgemeinheit bedeutet nicht nur eine bloße allgemeine Empfangsmöglichkeit, sondern meint darüber hinaus eine Beliebigkeit und Unbestimmtheit des Empfängerkreises, wobei die tatsächliche Zahl der Rezipienten unerheblich ist14. Weder fehlende Gleichzeitigkeit der Verbreitung eines Programms im Fall individuellen Abrufs15 noch die Notwendigkeit eines vorherigen Vertragsschlusses oder einer Verschlüsselung wie im Fall von Pay-TV16 hindern dieses Merkmal. Wichtig ist, 9 OVG Münster AfP 1977, 289 f.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 194; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 23; Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 26. 10 Lieb, Kabelfernsehen, S. 107, spricht von einer „gewisse[n] osmotische[n] Wirkung“; vgl. auch Gersdorf, AfP 1995, 565, 569; Janik, AfP 2000, 7, 10; auch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 17 Fn. 37, bemerkt, die Verfassung sei in weiten Bereichen auf die Sinnerfüllung durch einfaches Gesetzesrecht angewiesen. 11 So auch Ricker, NJW 1997, 3199; ders., ZUM 2001, 28, 29; Schulz, ZUM 1996, 487, 488. 12 Vgl. BVerfGE 73, 118, 154; 74, 297, 350 f. 13 Eine ausführliche Darstellung des Rundfunkbegriffs findet sich in der Arbeit von Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, passim. 14 Gersdorf, AfP 1995, 565, 569; Hoffmann-Riem, MP 1996, 73, 75; Jarass, AfP 1998, 133, 134; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 27; zustimmend Janik, AfP 2000, 7, 8; Ricker, ZUM 2001, 28, 29. 15 Hesse, BayVBl 1997, 132, 135; Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9, 14; vgl. auch BVerfGE 74, 297, 351; a. A. Bullinger, AfP 1996, 1, 6; Degenhart, ZUM 1998, 333, 341 f.; Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 16 f. 16 Hoffmann-Riem, MP 1996, 73, 75; Jarass, AfP 1998, 133, 134; vgl. auch die einfachgesetzlichen Regelungen hierzu, z. B. § 2 Abs. 1 S. 2 RStV.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
dass allein auf vom Veranstalter vorfabrizierte Inhalte zurückgegriffen werden kann, kein Einfluss auf den Inhalt genommen werden kann17 und dass ein Vertragsschluss im Grundsatz jedem offen steht und zusammen mit der Verschlüsselung nicht dem Ausschluss anderer Nutzer, sondern lediglich der Sicherung der Entgeltentrichtung dient18. 2. Darbietung Die besondere Funktion des Rundfunks für die Meinungsbildung kommt in dem Merkmal der Darbietung zum Ausdruck. Wichtig ist der Bezug zur öffentlichen Meinungsbildung19, d. h. die Angebote müssen zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt oder wenigstens geeignet sein, eine Einwirkung auf Rezipienten muss möglich sein20. Die Form der Inhalte (Bild, Ton, Text) ist hierfür unerheblich21. Zusätzlich wird häufig die Zusammenfassung von Inhalten zu einem planhaft gestalteten, zeitlich geordneten Gesamtprogramm, eine gewisse redaktionelle Leistung in Form eigener Auswahlentscheidung und eine publizistische Aufbereitung gefordert22. Teilweise wird an diesem Erfordernis jedoch Kritik geübt, da eine Manipulationsgefahr auch bei der reinen Zurverfügungstellung von Informationen, beispielsweise durch das Weglassen bestimmter Informationen, bestehe23. 3. Verbreitung Ohne eine Verbreitung würde sich das meinungsbeeinflussende Potential nicht verwirklichen24. Dieses Kriterium ist technologieoffen auszulegen25. Zur Verbreitung muss lediglich eine Funk-Technik eingesetzt werden, d. h. es müssen elektromagnetische Schwingungen eingesetzt werden26. Ob diese 17
Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 82, 89. Hesse, BayVBl 1997, 132, 136; Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9, 11; Fuhr/Krone, FuR 1983, 513, 519; Gersdorf, AfP 1995, 565, 569 f. 19 Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 147; Gersdorf, AfP 1995, 565, 569; Degenhart, Funktionsauftrag, S. 56; Lent, K&R 2003, 502, 503 sowie SchulzeFielitz, AfP 1998, 447, 452, jeweils m. w. N. 20 Hoffmann-Riem, MP 1996, 73, 75; Kresse/Heinze, AfP 1995, 574, 578; Pieper/ Wiechmann, ZUM 1995, 82, 89; Ricker, NJW 1997, 3199, 3200. 21 Jarass, AfP 1998, 133, 134. 22 Degenhart, Funktionsauftrag, S. 57; ders., in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 685; Jarass, AfP 1998, 133, 134 f.; vgl. auch Bullinger, AfP 1996, 1, 7; Eva-Maria Michel, ZUM 1998, 350, 351. 23 Vgl. Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 82, 85. 24 Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9, 12; ders., Pay-TV, S. 52; in diese Richtung auch Ricker, NJW 1997, 3199, 3200. 25 Eva-Maria Michel, ZUM 1998, 350, 353. 18
B. Von den Anfängen bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen
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terrestrisch, längs oder mittels eines Leiters (Kabel) oder über Satellit übermittelt werden und ob die Übermittlung durch analoge Signale oder in digitalisierter Form stattfindet ist allerdings unerheblich27, soweit diese Techniken geeignet sind, die Zugänglichkeit des Angebots an die Allgemeinheit herzustellen. Nach dieser vorweggenommenen Begriffsbetrachtung gilt es nun, einen Blick auf die Anfänge des Rundfunks und seine Entwicklung zu werfen.
B. Von den Anfängen des Rundfunks bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen nach 1945 I. Der Beginn und die Weimarer Zeit (1919–1933) Die Entwicklung des Rundfunks begann 1887/1888 mit der Entdeckung der drahtlosen Verbreitung elektromagnetischer Schwingungen durch den deutschen Physiker Heinrich Hertz28. Sie war aus technischer Perspektive geradezu eine Revolution, wurde dadurch die Möglichkeit geschaffen, Informationen über weite und unwegsame Strecken ohne vorherige Verlegung von Kabeln zu verbreiten29. Von Beginn an lag die Verantwortung für den Rundfunk, der zunächst nur im Bereich des Militär-, See- und Küstenfunks genutzt wurde30, als Unterart des Telegraphenwesens beim Deutschen Reich, zuerst durch Art. 4 Nr. 10, 48, 52 der Reichsverfassung von 187131, später dann durch das Reichsgesetz vom 6. April 189232. Zuständig war in Friedenszeiten die Reichspost. Sie besaß die Funkhoheit, d. h. die alleinige technische Verfügungsgewalt über den Rundfunk. Auch die Weimarer Reichsverfassung33 vom 11. August 1919 sprach dem Reich die Kompetenz für das Post- und Telegraphenwesen zu (Art. 6 Nr. 7, 88 WRV). 26 Vgl. Gersdorf, AfP 1995, 565, 570; Jarass, AfP 1998, 133, 136; Janik, AfP 2000, 7, 8; Ricker, NJW 1997, 3199, 3200. 27 Vgl. Herrmann, Rundfunkrecht, § 17 Rn. 25 f.; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 145; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 48; nach Jarass, AfP 1998, 133, 136, stellt auch ein schmalbandiges Telefonnetz Verbreitung im rundfunkverfassungsrechtlichen Sinne dar. 28 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 1; Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 34. 29 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 133. 30 Hierzu Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 34; Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 35 f. 31 RGBl 1871, S. 64. 32 Gesetz über das Telegraphenwesen des Deutschen Reiches v. 06.04.1892, RGBl 1892, S. 467. 33 RGBl 1919, Bd. II, S. 1383.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Angesichts der nachkriegsbedingten ständigen Umsturzgefahr in den ersten Jahren der Weimarer Republik stand eine Freigabe des Rundfunks an alle zunächst nicht zur Debatte34, hatte er in dieser Zeit nichts demokratisch Befreiendes, sondern zuerst einmal etwas Bedrohliches, das sorgsam gezähmt werden musste35. 1. Erste Gedanken und Bestrebungen Im Folgenden drängte jedoch die Reichspost auf Einführung eines allgemeinen Unterhaltungsrundfunks. Dies geschah zum einen, weil sich die finanziell nicht sonderlich gutgestellte Reichspost vom Rundfunk eine neue Einnahmequelle erhoffte, zum anderen aber auch, weil die Geräteindustrie nach dem vorangegangenen Rundfunkerfolg in Großbritannien und in den USA Interesse zeigte36. Die angespannte Wirtschaftslage der Reichspost, mitverursacht durch die hohe Inflation, erforderte eine privatrechtliche Finanzierung37. Um Umsturzgefahren vorzubeugen und ein „Wellenchaos“ wie zuvor in den USA zu vermeiden, sollte zwar eine staatliche Aufsicht bestehen, gleichzeitig wurde es bereits zu dieser Zeit für nötig erachtet, „den Rundfunk von Regierungen und politischen Parteien möglichst unabhängig zu machen“38, um ihn vor Parteienstreitigkeiten zu bewahren und um seine Popularität und wirtschaftliche Attraktivität nicht von vornherein zu schmälern. Entgegen den Interessen des Reichsministeriums des Inneren strebte die Reichspost einen politisch neutralen Rundfunk ohne Parteienpolitik an und betonte infolgedessen den kulturellen Aspekt des Rundfunks stärker39. Somit wurde in Deutschland der Rundfunk in seinen Anfängen als primär den Allgemeininteressen und nicht den Privatinteressen dienend verstanden40. Gleichzeitig wird durch die Betonung des kulturellen Aspekts deutlich, dass bereits damals der Rundfunk nicht nur als rein technisches Instrument gesehen wurde, sondern zugleich seine kulturellen Dimension und da34 Hesse, Rundfunkrecht, S. 1; Kniestedt, in: Hermann/Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 16. 35 Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 25. 36 Hesse, Rundfunkrecht, S. 2; hierzu auch Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 28, 39. 37 Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 19; Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 84. 38 Bredow, Im Banne der Ätherwellen, Bd. 2, S. 209. 39 Hierzu Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 174 f.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 4. 40 Vgl. auch Hesse, Rundfunkrecht, S. 2; Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 136.
B. Von den Anfängen bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen
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mit seine Zweiseitigkeit41 anerkannt wurde, was auch das Bundesverfassungsgericht später in seinem ersten Rundfunkurteil mit den Worten, der Rundfunk sei „auch ein kulturelles Phänomen“42, bestätigte. 2. Entstehung der ersten Rundfunkgesellschaften Auch wenn sich die Weimarer Republik aufgrund von Unruhen (Wirtschaftskrise der Inflation, Teuerungskrawalle, Widerstand im Ruhrgebiet) im Herbst des Jahres 1923 noch nicht in einer Periode der Festigung befand, gab der Reichspostminister angesichts der drängenden Bestrebungen den bis dahin verbotenen Rundfunk frei43. Weniger aus föderalen, sondern vielmehr aus (reichweite-)technischen und finanziellen Gründen wurde das Reich in neun Sendebetriebe aufgeteilt44. Der Aspekt, dass jeder Kulturkreis seinen eigenen Sender erhalten sollte, wurde bei der Aufteilung jedoch ebenfalls berücksichtigt45. Diese dezentrale Rundfunkorganisation sollte den deutschen Rundfunk bis heute prägen. Am 29. Oktober 1923 eröffnete die „Radio Stunde AG“46 in Berlin den ersten regelmäßigen täglichen Rundfunkprogrammdienst in Deutschland. Nach und nach nahmen zwischen 1923 und 1924 weitere acht privatrechtliche Rundfunkgesellschaften den Betrieb auf47. Bei der Organisation des Rundfunksystem zeichnete sich ebenfalls die Zweiseitigkeit des Rundfunks ab: Die technische Seite oblag der Post, d. h. 41 Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, spricht in diesem Zusammenhang von der „eigenartigen Doppelnatur“ des Rundfunks, S. 21; vgl. später auch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 14, zur „Doppelseitigkeit des Rundfunkbegriffs“. 42 BVerfGE 12, 205, 229; vgl. auch BVerfGE 92, 203, 238. 43 Verfügung Nr. 815, Einführung eines Unterhaltungs-Rundfunks in Deutschland, Nachrichtenblatt des Reichspostministeriums, Jg. 1923, Nr. 117 v. 24.10.1923, S. 885. 44 Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 17; Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 17. Eine genaue Auseinandersetzung mit den Gründen, die in der gegenüber der heutigen Bundesrepublik weitaus zentralistischeren Weimarer Republik zum Aufbau des Rundfunks in regionalisierter Form führte, findet sich bei Papst, in: Först, Rundfunk in der Region, S. 51 ff. 45 Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 16. 46 Später umbenannt in „Funkstunde AG“. 47 Mitteldeutsche Rundfunk AG (Mirag) in Leipzig; Deutsche Stunde in Bayern GmbH in München; Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG (SWR) in Frankfurt a. M.; Nordische Rundfunk AG (Norag) in Hamburg; Süddeutsche Rundfunk-AG (Sürag) in Stuttgart; Schlesische Funkstunde AG in Breslau; Ostmarken-Rundfunk AG (Orag) in Königsberg; Westdeutsche Funkstunde AG (Wefag) in Münster, später Westdeutsche Rundfunk AG (Werag) in Köln; ab 1926 zusätzlich der Zentralsender „Deutsche Welle GmbH“ als Gemeinschaftseinrichtung aller Regionalgesellschaften, der auf langer Welle sendend auch im Ausland empfangbar war.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
die Ausstrahlung des Rundfunks erfolgte durch posteigene Sendeanlagen. Die programmlich-kulturelle Seite, also die inhaltliche Gestaltung, oblag der jeweiligen privaten Rundfunkgesellschaft. Die wirtschaftliche Grundlage bestand im Wesentlichen aus Einlagen der Gesellschafter sowie Anteilen in Höhe von 50–60% an den Rundfunkgebühren, die von der Reichspost erhoben und – nach Abzug des Entgelts für die Genehmigungen und den Senderbetrieb – an die einzelnen Gesellschaften entsprechend ihrer Hörerzahl ausgezahlt wurden48. Bereits kurz nach Aufnahme der Programmdienste wurden Einnahmen mit der Sendung von Werbung erzielt, die im Mai 1924 von der Reichspost „in mäßigem Umfange“ erlaubt worden war49. Die Werbeeinnahmen bereits zu dieser Zeit zur wirtschaftlichen Grundlage zu zählen50, erscheint als voreilig, beliefen sie sich im Jahr 1926 auf nur 0,19% der Gesamteinnahmen aller Rundfunkgesellschaften und erhöhten sich bis 1930 lediglich auf 0,27%51. 3. Teilweise Verstaatlichung des Rundfunks Als im Folgenden die Rundfunkteilnehmerzahlen schneller als erwartet stiegen (am 1. Dezember 1923 waren im gesamten Reichsgebiet erst 467 Hörer registriert, am 1. April 1926 waren es bereits mehr als 1,2 Millionen registrierte Hörer52) und der Einfluss des Rundfunks auf die öffentliche Meinung erkannt wurde, entstand auf Seiten des Staates der Wunsch nach verstärkter staatlicher Kontrolle dieses Mediums. a) Gründung der Reichsrundfunkgesellschaft und weitere aufgezwungene Bedingungen Um mehr Einfluss auf die Mitglieder der einzelnen Regionalgesellschaften zu gewinnen, sollten die einzelnen Rundfunkgesellschaften unter einer Dachorganisation zusammengefasst werden, der sie jeweils ihre Aktienmehrheit von 51% kostenlos zu übertragen hatten53. Die Reichspost sollte 48 Brack, Organisation, S. 9; Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 6; Hesse, Rundfunkrecht, S. 5. 49 Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 137; Heyde, in: Schiwy/ Schütz, Medienrecht, S. 171 f. 50 Vgl. Brack, Organisation, S. 9; Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 6. 51 So der Bericht des Rundfunk-Kommissars des RPM über die Wirtschaftslage des deutschen Rundfunks, zit. nach Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 139 Fn. 91. 52 Kniestedt, in: Hermann/Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 41; Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 116. 53 Hesse, Rundfunkrecht, S. 4; Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 250.
B. Von den Anfängen bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen
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ihrerseits 51% der Anteile an der Dachorganisation erhalten. Um die Regionalgesellschaften zur Gründung einer Zentralorganisation und zur Übertragung der jeweiligen Mehrheiten zu überreden, setzte die Reichspost ein gewichtiges Druckmittel ein: Sie berief sich darauf, keiner einzigen der Regionalgesellschaften eine endgültige Sendeberechtigung erteilt zu haben54. Diese würde sie nur unter gewissen „Bedingungen“ erteilen55. Sich diesem Diktat fügend, schlossen sich die Rundfunkgesellschaften – bis auf die bayerische56 – 1925 zur „Reichsrundfunkgesellschaft“ (RRG) zusammen und übertrugen der RRG und dann der Reichspost die geforderten Anteile. Ob es im Folgenden zwischen der RRG und den einzelnen Gesellschaften zu einer Zusammenarbeit „in voller Harmonie“57 kam, ist angesichts der Umstände eher zweifelhaft. Zumindest mit Blick auf die im weiteren Zeitverlauf hinzutretenden massiven staatlichen Regelungen kann davon dann nicht mehr gesprochen werden. Zusätzlich wurden die Programmgestaltung betreffende Bedingungen aufgestellt. So waren die Rundfunkgesellschaften verpflichtet, im Bereich der politischen Nachrichten nur Material zu verwenden, das ihnen von der Nachrichtenagentur „Drahtloser Dienst AG“ (DRADAG), die dem Reichsministerium des Inneren unterstand, geliefert wurde58. Zudem wurden zur weiteren Kontrolle der Programme neben Kulturbeiräten Überwachungsausschüsse mit weitreichenden Befugnissen, wie z. B. einem Einspruchsrecht gegen Programmteile, geschaffen und ein Rundfunk-Kommissar eingesetzt59. b) Kompetenzstreitigkeiten zwischen Reich und Ländern Wenngleich bereits 1922 Juristen Bedenken gegen die vom Reich beanspruchte umfassende Rundfunkorganisationsgewalt anmeldeten und zu bedenken gaben, für den Programmaspekt des Rundfunks könnten auch die Länder zuständig sein, warteten die Länder, die die kulturelle Bedeutung des Rundfunks nicht gleich erkannten, zunächst die Entwicklung des neuen 54 Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 35; Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 18; hierzu auch Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 50 f.; Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 56. 55 Brief des Reichspostministers an die Vorsitzenden der Aufsichtsräte der Rundfunkgesellschaften vom 22.12.1925, zit. nach Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 251. 56 Diese trat 51% ihrer Geschäftsanteile direkt an die Abteilung München der Deutsche Reichspost ab (Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 49). 57 So Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 20. 58 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 9; Pipke, Rundfunk und Politik, S. 18. 59 Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 40; Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 247 ff.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Mediums ab60, zumal ihnen die bis dato bestehende dezentrale Organisation zugute kam. Zu heftigem Widerspruch kam es dann jedoch im Jahr 1925, als es um die Gründung der RRG ging, da befürchtet wurde, damit die Herrschaft über den Rundfunk endgültig an das Reich abzugeben61. Sie beriefen sich auf ihre Kulturhoheit und vertraten die Ansicht, Art. 6 Nr. 7 WRV betreffe nur den technischen, nicht jedoch den publizistisch-kulturellen Teil des Rundfunks62. Das Reich hingegen begründete seine Zuständigkeit damit, dass der Rundfunk einen Teil des Fernmeldewesens bilde, und verwies auf sein Funkhoheitsrecht und seine Wahrnehmung der Rundfunkaufgabe seit dessen Einführung63. Zu dem letzten – quasi gewohnheitsrechtlich begründeten – Argument wurde noch der Aspekt hinzugefügt, dass angesichts der Wirkung der Rundfunkwellen über die Landesgrenzen hinweg das Reich nicht nur die technische, sondern auch die kulturelle Seite in den Händen halten müsse, um so die gesamtstaatlichen Interessen gegenüber dem Ausland zu wahren64. Kernpunkt des Konflikts war damit wiederum die Doppelnatur des Rundfunks mit einer kulturellen Komponente, auf die sich die Länder beriefen, und einer technischen Komponente, auf die sich das Reich berief und von der aus zugleich auf die kulturelle Seite des Rundfunks übergegriffen werden sollte. Letztendlich einigte man sich auf eine Teilhabe der Länder an der Überwachung der Programmgestaltung. So wurden die Mitglieder der Kulturbeiräte vollständig von den Landesregierungen ernannt, bei den Überwachungsausschüssen waren es immerhin zwei der jeweils drei Mitglieder, das andere Mitglied wurde vom Reichsministerium des Inneren benannt65. Im Gegensatz zu der später ähnlich auftretenden Konfliktsituation ließ man es damals nicht zum offenen Verfassungskonflikt kommen, sondern hielt die Kompetenzfrage offen und bemühte sich um einen Kompromiss, da anderenfalls dem Reichstag als Gesetzgeber Gelegenheit zum Eingreifen gegeben worden wäre. Dies hätte sich sowohl zum Nachteil der Länder (befürchtete Kompetenzbeschneidung) als auch zum Nachteil der Reichsregierung (befürchtete stärkere Einflussnahme der einzelnen Parteien) auswirken können66. 60 Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 30; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 6. 61 Hierzu Bredow, Im Banne der Ätherwellen, Bd. 2, S. 258; Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 58 f. 62 Vgl. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 223 ff. 63 Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 61 f.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 12. 64 Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 63. 65 Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 236; Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 19 f.
B. Von den Anfängen bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen
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c) Folge dieser Regelungen Durch die getroffenen Beteiligungsregelungen besaß die Regierung – vermittelt durch die Reichspost wie auch durch das Reichsministerium – eine weitreichende Entscheidungsbefugnis sowohl bei der RRG als auch bei den einzelnen Rundfunkgesellschaften, auch wenn es noch nicht zu einer staatlichen Lenkung, sondern vorerst nur zu einer staatlichen Einflussnahme im organisatorischen und wirtschaftlichen Bereich gekommen war. Wenngleich die Rundfunkgesellschaften weiterhin privatrechtlich organisiert waren und grundsätzlich eigenständig hätten entscheiden können, so waren sie angesichts der komplizierten Anteilsregelungen strukturell bereits faktisch dem Staat unterworfen. Die noch fehlenden staatlich direkt verordneten Inhalte sollten 1932 hinzukommen. 4. Vollständige Verstaatlichung des Rundfunks Die in der Schlussphase der Weimarer Republik auftretenden autoritären Tendenzen machten auch vor dem Rundfunk nicht halt67. Angesichts einer mittlerweile erreichten Hörerzahl von mehr als vier Millionen68 und der damit einhergehenden Einflussmöglichkeit sollte der Rundfunk zum Sprachrohr der Regierung umfunktioniert werden. Die Bemühungen der Reichspost, den Rundfunk frei von Parteien zu halten und ihm ein Selbstverwaltungsrecht einzuräumen, blieben fruchtlos69, und so kam es 1932 zu einer weiteren Steigerung des staatlichen Einflusses. a) Inhaltliche Vorgaben Zunächst mussten alle Rundfunkgesellschaften das von der DRADAG produzierte Programm „Die Stunde der Reichsregierung“ senden. Weiterhin wurde zusätzlich zum Rundfunk-Kommissar der Reichspost ein Kommissar des Innenministeriums berufen, der fortan für alle programmlichen Belange zuständig sein sollte, d. h. Programme untersagen oder bestimmte Weisungen erteilen konnte70. Zuletzt hatten die Rundfunkgesellschaften die noch in privater Hand verbliebenen Anteile auf die Länder zu übertragen, so dass dann 49% in der Hand der Länder und 51% in der Hand der RRG waren, 66
Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 64. Hesse, Rundfunkrecht, S. 5; hierzu auch Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 75. 68 Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 44. 69 Hesse, Rundfunkrecht, S. 5. 70 Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 104; Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 10. 67
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
deren Geschäftsanteile wiederum zu 51% bei der deutschen Reichspost und zu 49% bei den Ländern (vormals den einzelnen Gesellschaften) lagen71. b) Konsequenz dieser Aktivitäten Der deutsche Rundfunk war damit bereits vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 – ohne gesetzliche Regelungen, nur aufgrund von Entscheidungen der Reichsregierung und Länderregierungen – vollständig verstaatlicht. Die Reichsregierung, wie auch immer sie fortan zusammengesetzt sein mochte, hatte alle Möglichkeiten, den Rundfunk als Staatsinstrument zu benutzen – so oft und so intensiv es gewünscht wurde72. Gerade die letzten Entwicklungen im Jahre 1932 ebneten den dann an die Macht geratenden Nationalsozialisten den Weg.
II. Die NS-Zeit (1933–1945) Schon früh hatten die Nationalsozialisten die Bedeutung des Rundfunks, des „allermodernsten und allerwichtigsten Massenbeeinflussungsinstrument[s]“73 erkannt. Bereits am 6. August 1932 schrieb der „Völkische Beobachter“: „Der Rundfunk ist durch seine Eindringlichkeit und Massenwirkung die stärkste Kulturwaffe, die uns heute zur Verfügung steht“74 und so begannen die neuen Machthaber, dieses Medium für ihre Zwecke zu formen. Dabei hatten die Nationalsozialisten ein leichtes Spiel, ließen sich doch die 1932 erfolgten Änderungen hin zu einem Staatsrundfunk jetzt ohne größere Hindernisse perfekt nutzbar machen. Mit der Machtergreifung der NSDAP 1933 kam es zur schrittweisen Übernahme der Macht im Rundfunk und zu dessen Nutzung als Instrument der totalitären Propaganda. 1. Indienstnahme des Rundfunks für die nationalsozialistische Sache a) Organisatorische Neugliederung Zunächst wurden die bis zu diesem Zeitpunkt beim Reichsministerium des Inneren und bei der Reichspost liegenden Kompetenzen für den Rund71
Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 13; Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 23. Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 95. 73 Goebbels, Mitteilungen der RRG, Sonderbeilage zu Nr. 354 v. 30.03.1933, Bl. 2, zit. nach Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 228. 74 Zit. nach Diller, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, S. 38. 72
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funk durch eine Verordnung75 auf das neugegründete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) unter Joseph Goebbels übertragen. Dadurch verloren u. a. die bis dato mit der Rundfunküberwachung beauftragten Staatskommissare und Rundfunkbeiräte ihre Aufgabe und die Länder ihre Einflussmöglichkeit. Im Folgenden wurde der Rundfunk frei nach dem Motto „ein Volk, ein Reich, ein Rundfunk“76 zentralisiert, indem die Reichsrundfunkgesellschaft die noch zu 49% im Besitz der Länder befindlichen Anteile an den einzelnen Rundfunkgesellschaften erwarb und alle Geschäftsanteile der RRG dann aufs Reich, vertreten durch Goebbels Ministerium, übergingen. Die einzelnen Rundfunksender verloren dadurch ihre Selbständigkeit und wurden als „Reichssender“ zu bloßen Zweigstellen der RRG77. Im weiteren Verlauf wurde neben einer personellen Säuberung78 mittels so genannter „Richtlinien“ der zur Programmkoordination eingerichteten „Reichssendeleitung“ eine sehr genaue Sendezeiteinteilung herbeigeführt79. Das Ganze führte dazu, dass fortan eigene Programminitiativen der Reichssender nicht mehr zugelassen wurden und gipfelte letztlich im Einheitsprogramm des Großdeutschen Rundfunks80. Um des Weiteren die Empfangsmöglichkeiten des Hörfunks zu steigern und die gesamte Bevölkerung optimal zu erreichen respektive zu beeinflussen, mussten sich die Funkfirmen 1933 zur Produktion des Einheitsgerätes „Volksempfänger“81 zusammenschließen, der in hohen Stückzahlen produziert und wesentlich günstiger als herkömmliche Empfangsgeräte angeboten wurde82. Nachteil dieses sonst so günstigen Gerätes für die Rundfunkteilnehmer war jedoch, dass mit ihm weiter im Osten keine über Kurzwelle gesendeten ausländischen Sender, so genannte Feindpropaganda, empfangen 75
Verordnung über die Aufgaben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda v. 30.06.1933, RGBl 1933, I. Teil, S. 449. Lediglich die technische Verwaltung wie beispielsweise der Einzug der Rundfunkgebühren verblieb bei der Reichspost (Kniestedt, in: Hermann/Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 80). 76 Reichssendeleiter Hadamowsky, zit. nach Heimann, in: Lerg/Steininger, Rundfunk und Politik, S. 161. 77 Diller, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, S. 93 ff.; Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 190. 78 Hierzu Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 109 f.; Heimann, in: Lerg/Steininger, Rundfunk und Politik, S. 154 ff.; Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 173 ff. 79 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 172 ff. 80 Diller, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, S. 152, 154. Proklamiert wurde dieser Anfang des Jahres 1939 (Heimann, in: Lerg/Steininger, Rundfunk und Politik, S. 171). 81 Bereits dessen Typennummer „VE 301“ enthielt eine Reminiszenz an den Tag der Machtergreifung am 30.01.1933 und verriet mithin den dahinterstehenden ideologischen Gedanken (Kai Michel, FAZ v. 17.09.2003, N3). 82 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 59 f.
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werden konnte. Dies war jedoch ab 1939 durch eine Verordnung bei Zuchthaus oder gar Todesstrafe ohnehin verboten83. Zwar stieg die Zahl der gemeldeten Rundfunkteilnehmer allein in der Zeit zwischen 1933 und 1939 von vier auf zehn Millionen84, den Volksempfänger an diesem Zuwachs allein teilhaben zu lassen, widerspräche jedoch der Realität85. b) Inhaltliche Ausrichtung Nachdem sich herausstellte, dass Rundfunksendungen, die größtenteils nur aus Wortbeiträgen (Führerreden, Kundgebungen, Appellen etc.) bestanden86 zur Verärgerung und Vertreibung der Hörer führten, wurde zwar das Programm geändert, indem die Musikanteile erhöht und verstärkt leichte Unterhaltungssendungen ausgestrahlt wurden87. Dies sollte jedoch zugleich dem Zweck dienen, die Hörer für die folgende nun subtiler gefasste Propaganda empfangswillig zu machen88. Die Beeinflussung erfolgte nicht allein über den nationalsozialistisch gefärbten, tendenziösen Nachrichtenblock oder Kommentare mit nationalen Tönen, sondern erfolgte als eine Art „Kulturpropaganda“ auch im Hörspiel und im musikalischen Teil89. Es wurde akribisch geregelt, welche Informationen der Bevölkerung in welchen Formulierungen zugänglich gemacht werden sollten und was zu verschweigen war90. Diese Vorgehensweise verdeutlicht, dass schon damals erkannt wurde, inwieweit sich die Meinungsbildung und das allgemeine Stimmungsbild in der Bevölkerung nicht allein durch Nachrichten, sondern vielmehr auch durch Unterhaltung beeinflussen lassen. Umschrieben wurde diese Erkenntnis mit dem Begriff der „Kulturpropaganda“.
83 Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen v. 01.09.1939, RGBl 1939, I. Teil, S. 1683. 84 Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 333. 85 Kai Michel, FAZ v. 17.09.2003, N3. 86 Hierzu Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 277; Riedel, 60 Jahre Radio, S. 54. 87 Hierzu Lersch, Rundfunk in Stuttgart, S. 14. 88 Hierzu Lersch, Rundfunk in Stuttgart, S. 14; Riedel, 60 Jahre Rundfunk, S. 61; zu der nationalsozialistischen Rundfunkbeeinflussung insgesamt vgl. die Ausführungen bei Heimann, in: Lerg/Steininger, Rundfunk und Politik, S. 165 ff. 89 Näher Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 279 f., 303 ff., 318 ff.; vgl. auch Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 23; Riedel, 60 Jahre Radio, S. 58. 90 Diller, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, S. 345 ff.; Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 105.
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2. Auswirkungen Der Rundfunk war in jener Zeit eines, wenn nicht sogar das wichtigste der nationalsozialistischen Propagandainstrumente, ließ sich doch mit ihm schnell und relativ unkompliziert eine breite Masse von Menschen erreichen. Dennoch sollte die Bedeutung der nationalsozialistischen Rundfunkpropaganda für die öffentliche Meinungsbildung insgesamt nicht überschätzt werden. Wenn es zu Kriegsbeginn angesichts der Erfolge deutscher Soldaten auch noch leicht war, überzeugende Propaganda zu verbreiten, so nahm die Glaubwürdigkeit der deutschen Rundfunknachrichten mit den ersten Kapitulationen und großen Verlusten der deutschen Armee immer mehr ab, bis es letztlich soweit kam, dass man sich unabhängig von den öffentlichen Führungsmitteln durch Briefe von Soldaten, Gesprächen mit ihnen und eigene Erfahrungen seine Meinung bildete91. Im Rahmen des Möglichen wussten die Nationalsozialisten gleichwohl als Meister der Demagogie den Rundfunk mit effektvollen Kampagnen perfekt einzusetzen. Einerseits sollte er Ablenkung und Entspannung bieten, andererseits sollte der Rundfunk den Volkszusammenhalt stärken, den Feind negativ darstellen und ein positives Bild Deutschlands vermitteln. Bis zu einem gewissen Grad gelang ihm dies.
III. Die Zeit des Wiederaufbaus unter den Besatzungsmächten nach 1945 Mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 ging die Rundfunkhoheit auf die vier Besatzungsmächte über92 und sollte erst im Jahre 1955 von den Alliierten rückübertragen werden93. Den Deutschen war in Anbetracht der zurückliegenden Geschehnisse und mit Blick auf die besondere Bedeutung des Rundfunks in der Nachkriegszeit als Alltags- und Informationsmedium zwar zunächst jedwede Rundfunktätigkeit untersagt94, die Alliierten wollten die Radiostationen jedoch nicht länger als unbedingt notwendig in eigener Regie betreiben95. Stattdes91
Hierzu Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 114 f. Rudolf, JZ 1953, 1700. 93 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 11; Kniestedt, in: Hermann/ Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 93. 94 Gesetz Nr. 191 der Militärregierung v. 12.05.1945, Kontrolle über Druckschriften, Rundfunk, Nachrichtendienst, Film, Theater und Musik und Untersagung der Tätigkeit des Reichministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, abgedruckt in: Laws and Orders, S. 61. 95 Lersch, Rundfunk in Stuttgart, S. 57. 92
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sen sollte im Zuge des Wiederaufbaus auch der deutsche Rundfunk wiederauferstehen. 1. Neuorganisation des Rundfunks a) Rolle der Post Die Post sollte angesichts Weimarer Erfahrung – dort war sie Ausgangspunkt einer zentralistischen Kontrolle des Rundfunks gewesen – keinen Einfluss bekommen, und so wurden ihre Sendeanlagen entschädigungslos enteignet96. Nach Abgabe der Sender verblieb der Post lediglich der Einzug der Gebühren, der Betrieb des Leitungsnetzes und des Entstörungsdienstes97. Programm und Technik lagen damit in Deutschland zum ersten Mal in einer Hand – und zwar in der Hand der Besatzungsmächte98. Später wurde das Eigentum an den Sendeanlagen auf die neuen Landesrundfunkanstalten übertragen99. b) Ziele der Neuorganisation Während die Alliierten noch über eine Neuorganisation des Rundfunks nachdachten, kam es auf deutscher Seite immer wieder zu restaurativen Bestrebungen. Diese wollten an den Stand während der Weimarer Republik mit vermehrt staatlichem Einfluss anknüpfen und traten den Befürchtungen eines erneuten Missbrauchs mit dem Argument entgegen, es gäbe doch jetzt eine Demokratie, so dass von Seiten des Staates keine Gefahr mehr ausgehen könne100. Für die Besatzungsoffiziere, die nicht viel vom Rundfunk in der Weimarer Zeit wussten, war der deutsche Rundfunk derjenige der Nationalsozialisten101. Sie beließen es im Folgenden daher nicht dabei, an 96 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 20, 24 ff. Riedel, 60 Jahre Radio, S. 78. 97 Hierzu Lersch, Rundfunk in Stuttgart, S. 170; Pipke, Rundfunk und Politik, S. 26. 98 Riedel, 60 Jahre Radio, S. 78. 99 Bredow, Zur Neuregelung des Rundfunks, S. 6; Kniestedt, in: Hermann/Kahle/ Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 87. Im Zuge des in der ersten Rundfunkentscheidung gefundenen Ergebnisses, der Bund sei für die Übertragungstechnik zuständig, hätten die Sendeanlagen grundsätzlich der Bundespost rückübereignet werden müssen. Unter dem Gesichtspunkt des bundesfreundlichen Verhaltens hielt es das Bundesverfassungsgericht aber für angemessen, den Anstalten die bereits betriebenen Sender (Erstes Deutsches Fernsehen sowie die Hörfunkprogramme) zu belassen (BVerfGE 12, 205, 239 f., 249 f.). Die Sender für die Ausstrahlung des ZDF, der Dritten Programme und der privaten Programme stehen jedoch im Eigentum der heutigen Telekom und werden von dieser betrieben. 100 Hierzu Hesse, Rundfunkrecht, S. 9; auf diese Auffassung der Deutschen weist auch Jank, DVBl 1963, 44, 45, hin.
B. Von den Anfängen bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen
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die rundfunkorganisatorischen Traditionen anzuknüpfen, d. h. die vorgefundenen Strukturen einfach unter ihr Regiment zu stellen und geringfügige Änderungen vorzunehmen, sondern organisierten den Bereich des Rundfunks von Grund auf neu. Mit dem Rundfunk sollte ein breiter gesellschaftlicher Prozess zur Bildung demokratischen Bewusstseins initiiert werden102. Gleichwohl fanden sich letztlich auch in der neuen, von den Alliierten geprägten Rundfunkfunkordnung einige Parallelen zum Weimarer Rundfunk in Bezug auf Dezentralität103, Mischfinanzierung sowie Trennung der Kompetenzen wieder. Ein wesentliches Ziel dieser Neuorganisation war es, nach der Erfahrung mit einem staatlich gelenkten Rundfunk als Propagandainstrument den Rundfunk frei von übermäßigem staatlichen Einfluss zu halten und zu verhindern, dass von Staats wegen wieder einzelnen Meinungen Vorrang eingeräumt wurde. Nicht die staatliche Gewalt sollte den Rundfunk kontrollieren, sondern vielmehr sollte in der angestrebten Demokratie, in der alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht104, die öffentliche Meinung der Bevölkerung, bei deren Bildung der Rundfunk künftig helfen sollte, die staatliche Gewalt kontrollieren. Anders als in anderen westlichen Demokratien, denen Missbrauchserfahrungen wie in Deutschland erspart blieben105, wurde dem Prinzip der Staatsfreiheit ein hoher Rang eingeräumt. Neben der Unabhängigkeit spielte aber auch der Gedanke der Meinungsvielfalt eine wichtige Rolle. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten war schließlich nur die eine Lehre, nur eine politische Meinung zugelassen worden. Weiteres Ziel war der Aufbau einer dezentralen Rundfunkorganisation, um der Gefahr eines zentralistischen, staatsgelenkten Rundfunks entgegenzutreten106. Diese Ziele kommen in einer Anordnung der amerikanischen Militärregierung vom 21. November 1947 zum Vorschein, wenn es dort heißt: „Es ist die grundlegende Politik der US-Militärregierung, daß die Kontrolle über die Mittel der öffentlichen Meinung, wie Presse und Rundfunk, verteilt und von der Beherrschung durch die Regierung freigehalten werden müssen [sic].“107 Die beiden Ziele der Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt sollten 101
Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 20. Reichardt, Grundzüge der Rundfunkpolitik, S. 42. 103 In der topographischen Ansiedlung der programmproduzierenden Sender knüpfte man an den Rundfunk der Weimarer Republik an, vgl. hierzu Lerg, Entstehung der deutschen Rundfunktopographie, S. 13 ff.; hierauf verweist auch Kehm, in ZFP, Grundversorgung, S. 20. 104 Vgl. hierzu den später aufgestellten Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG. 105 Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, S. 8. 106 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 18. 107 Zit. nach Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 34. 102
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
später auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum obersten Maßstab für den Rundfunk in Deutschland erklärt werden108. 2. Einzelne Entwicklungen in den Besatzungszonen Beim Aufbau des deutschen Rundfunks versuchte jede Besatzungsmacht zunächst, sich an dem in der Heimat gebräuchlichen Organisationsmodell zu orientieren109, arbeitete jedoch gleichzeitig mit den Deutschen zusammen, so dass sich Stück für Stück die Rundfunkkonzepte in den einzelnen Zonen entfalteten110. So verlief die Entwicklung in den vier besetzten Gebieten zwar unterschiedlich (besonders in Bezug auf Größe und Leistungsfähigkeit der einzelnen Anstalten), führte jedoch mit Ausnahme der sowjetischen Zone zu einer grundlegenden Übereinstimmung. a) Britische Besatzungszone Die Briten orientierten sich an ihrer unabhängigen, zentralistisch aufgebauten BBC („British Broadcasting Corporation“)111, auch wenn sie sonst eher auf dezentrale Strukturen setzten112. Nach ihrem Vorbild schufen sie in ihrem Zonengebiet einen einzigen Sender, den „Nordwestdeutschen Rundfunk“ (NWDR)113. Die wesentlichen Grundstrukturen für den öffentlichrechtlichen Rundfunk in seiner heutigen Form waren dort bereits festgelegt. So gab es an Organen der Mehrländeranstalt NWDR den Hauptausschuss (heute Rundfunkrat), den Verwaltungsrat und den Generaldirektor (heute Intendant). 108 Zur Staatsfreiheit: BVerfGE 12, 205, 260, 262 f.; 31, 314, 325; 57, 295, 320, 333 f.; 73, 118, 152 f., 182 ff.; 74, 297, 324; 83, 238, 296, 322 ff., 330; 87, 181, 197 f.; 90, 60, 88 f.; zur Meinungsvielfalt: BVerfGE 12, 205, 262 f.; 31, 314, 326; 57, 295, 320, 322, 324; 73, 118, 152 f., 159; 74, 297, 324, 326; 83, 238, 296, 315; 87, 181, 198 f.; 90, 60, 88. Als besondere Akzentuierung der Staatsfreiheit im Grundgesetz führt Klein, Rundfunkfreiheit, S. 33, das in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG niedergelegte Zensurverbot an. 109 Herrmann, in: Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 60; Hesse, Rundfunkrecht, S. 9. 110 Vgl. Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 48, 50 f., 54, 77; hierzu auch Jank, Rundfunkanstalten, S. 17 f. Speziell zum deutschen Einfluss beim Aufbau des Rundfunks in der britischen Besatzungszone Görgen, Britischer Einfluß, S. 180 ff. 111 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 18, 23; Kniestedt, in: Hermann/Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 85. 112 Hierzu Kutsch, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 73 f. 113 Verordnung Nr. 118 der Britischen Militärregierung v. 01.01.1948, Abl der Militärregierung Nr. 22. Der NWDR umfasste die Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie die Hansestadt Hamburg.
B. Von den Anfängen bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen
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Später, d. h. im Jahr 1955, kam es angesichts der enormen Größe des NWDR – sein Sendegebiet umfasste mehr als die Hälfte aller Rundfunkteilnehmer aus den westlichen Zonen – und der fehlenden Berücksichtigung der diversen regionalen Eigenheiten zur staatsvertraglichen Auflösung des NWDR114. Dazu könnte auch das Streben der nordrhein-westfälischen Landesregierung nach mehr Einfluss innerhalb einer eigenen Landesanstalt beigetragen haben115. Statt des NWDR wurde durch Landesgesetz der „Westdeutsche Rundfunk“ (WDR) und durch Staatsvertrag zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein der „Norddeutsche Rundfunk“ (NDR) ins Leben gerufen116. b) Amerikanische Besatzungszone Die Amerikaner hatten ähnliche Vorstellungen wie die Briten, favorisierten jedoch eine dezentrale Struktur wie in ihrem Land117. Kommerzielle Sender auf privatrechtlicher Grundlage wie in den USA, wo der Glaube an die Selbstregelungskraft der Wirtschaft von Anfang an stark ausgeprägt war, waren allerdings aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage im Nachkriegsdeutschland nicht möglich118. Auch waren Deutschland nur wenige nutzbare Frequenzen verblieben119. Daher kam es in ihrer Zone zur Gründung von vier Landesrundfunkanstalten120: dem „Bayerischen Rundfunk“ (BR), dem „Hessischen Rundfunk“ (HR), „Radio Bremen“ (RB) und 114 Staatsvertrag über die Liquidation des NWDR und die Neuordnung des Rundfunks im bisherigen Sendegebiet des NWDR v. 16.02.1955, siehe z. B. GVBl Nds 1955, S. 171; GVBl NW 1955. S. 195. Zuvor hatten die Briten mit Erlass der Verordnung Nr. 257 die Verordnung Nr. 118, durch die der NWDR ursprünglich ins Leben gerufen worden war, aufgehoben und somit den Weg für eine Neugründung frei gemacht. 115 Vgl. Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 192; Hesse, Rundfunkrecht, S. 11; ebenfalls Gellner, Ordnungspolitik, S. 37, der diese Entwicklung in der Tendenz liegen sieht, den herrschenden parteipolitischen Kräften verbesserte Einflussmöglichkeiten im Rundfunkbereich zu verschaffen. Hierzu weitergehend unter 3. Teil A. II. 116 Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk Köln v. 25.05.1954, GVBl NW 1954, S. 151; Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk v. 16.02.1955, siehe z. B. GVBl Nds 1955, S. 167. 117 Riedel, 60 Jahre Radio, S. 76; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 192. 118 Vgl. Donsbach/Mathes, in: Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, Lexikon Publizistik, S. 483 f.; Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 27; Hesse, Rundfunkrecht, S. 9. 119 Vgl. Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 36. 120 Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ v. 10.08.1948, GVBl Bay 1948, S. 135; Gesetz über den Hessischen Rundfunk v. 02.10.1948, GVBl Hess 1948, S. 123, 149; Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Radio
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
dem „Süddeutschen Rundfunk“ (SDR), dessen Sendegebiet Teile des späteren Baden-Württembergs umfasste. Organe waren auch hier Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Intendant. In der amerikanischen Zone war damit die Grundlage für eine föderative Rundfunkstruktur geschaffen121. c) Französische Besatzungszone Die Franzosen orientierten sich an ihrer zentralistisch ausgerichteten Rundfunkanstalt RTF („Radiodiffusion et Télévision Française“)122 und gründeten in ihrer Zone die Mehrländeranstalt „Südwestfunk“ (SWF)123 auf dem Gebiet von Rheinland-Pfalz und Teilen des späteren Baden-Württembergs. Im Saarland, das erst 1957 wieder in die Bundesrepublik eingegliedert wurde, trat erst zu diesem Zeitpunkt das saarländische Rundfunkgesetz124 in Kraft. Organe waren jeweils wie in der amerikanischen Zone Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Intendant125. d) Geteiltes Berlin In Anbetracht der Teilung in vier Sektoren besaß Berlin einen Sonderstatus. Neben dem „Berliner Rundfunk“ der Sowjets und einer Zweigstelle des britischen NWDR sendete dort auch der der amerikanische RIAS („Rundfunk im amerikanischen Sektor“)126. 1953 bekam Berlin mit dem „Sender Freies Berlin“ (SFB)127 einen eigenen Rundfunk, der die Zweigstelle des NWDR ersetzte128. Bremen“ v. 22.11.1948, GBl Brem 1948, S. 225; Radiogesetz v. 06.04.1949, WürttBad RegBl 1949, S. 71. 121 Kniestedt, in: Hermann/Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 86. 122 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 27, 29. 123 Verordnung Nr. 187 der Französischen Militärregierung über die Errichtung des „Südwestfunks“ v. 30.10.1948, Journal Officiel 1948, S. 1756. Später wurde der SWF auf eine verbesserte rechtliche Grundlage in Form eines Staatsvertrags der Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern gestellt (Staatsvertrag v. 29.02.1952, GVBl RP 1952, S. 74). 124 Gesetz Nr. 538 über den Saarländischen Rundfunk (SR) v. 27.11.1956, Abl Saar 1956, S. 1549. 125 Hierzu näher Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 140. 126 Riedel, 60 Jahre Rundfunk, S. 81 f.; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 203. Zu Beginn hieß dieser Sender allerdings „DIAS“ (Drahtfunk im amerikanischen Sektor), dies jedoch nur bis September 1946. 127 Gesetz über die Errichtung einer Rundfunkanstalt „Sender Freies Berlin“ v. 12.11.1953, GVBl Berl 1953, S. 1400. 128 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 203.
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e) Sowjetische Besatzungszone In der sowjetischen Besatzungszone wurde die Trennung von Regierung und Rundfunk hingegen nicht zum obersten Gebot bei der Neuorganisation, vielmehr sollten Begriffe wie „Staatsnähe“ und „Zentralisierung“ den dortigen Rundfunk prägen. Es sollte wieder zu einem einzigen straff gelenkten Staatsrundfunk kommen129. Bereits früh begann man daher im Bereich des Rundfunks, gegenüber dem Westen getrennte Wege zu gehen. Zwar wurde im Laufe des Jahres 1945 von einigen Landessendern die Sendetätigkeit wiederaufgenommen und die Leitung des Rundfunkwesens der „Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung“ übertragen, die sowjetische Militärregierung behielt sich aber noch Zensurmaßnahmen vor130. Nachdem es auf dem Gebiet der sowjetischen Zone 1949 zur Gründung der „Deutschen Demokratischen Republik“ gekommen war, wurden im Zuge einer Reform131 die Länder und damit auch die Landessender wieder aufgelöst, föderalistische Tendenzen folglich wieder beseitigt. Stattdessen entstanden weisungsgebundene Regionalsender in den vierzehn neu gegründeten Bezirken, während die Programmgestaltung in Berlin zentralisiert wurde132. Weiter wurde die Rundfunkleitung auf das „Staatliche Rundfunkkomitee“ beim Ministerrat der DDR delegiert133. Ab 1968 gab es jeweils ein Komitee für den Hörfunk und für das Fernsehen, dessen Vorsitzende und Stellvertreter vom Ministerratsvorsitzenden ernannt wurden134. Damit war ein direkter Zugang der Regierung zum Rundfunk hergestellt. Hauptverantwortlich für die politischen Inhalte des Programms war seit den fünfziger Jahren die Abteilung „Agitation und Propaganda“ beim Zentralkomitee der SED („Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“)135. Bereits diese Abteilungsbezeichnung ist Ausdruck der Entwicklung in der DDR: Der Rundfunk wurde wieder als Instrument der ideologischen Beeinflussung benutzt. Es durfte nur eine Meinung geben – die der Partei. So verwundert es nicht, wenn es im Wörterbuch der marxistisch-leninistischen So129
Pipke, Rundfunk und Politik, S. 24. Hierzu Kutsch, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 70 f.; Stein, Fernsehen und Radio in der DDR, S. 32. 131 Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik v. 23.07.1952, GBl DDR 1952, S. 613. 132 Hermann, in: Hermann/Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk, S. 206. 133 Verordnung über die Bildung des Staatlichen Rundfunkkomitees v. 14.08.1952, GBl DDR 1952, S. 733. 134 Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 1 Rn. 188; Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 25; hierzu auch Heyde, in: Schiwy/Schütz, Medienrecht, S. 175. 135 Stein, Fernsehen und Radio in der DDR, S. 37. 130
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
ziologie unter dem Eintrag Massenmedien heißt, diese seien „Führungsund Kampfinstrumente der Partei der Arbeiterklasse und des sozialistischen Staates“136. Formal gewährleistete Art. 27 der Verfassung der DDR zwar die Freiheit des Rundfunks137 und des Fernsehens, die freie Meinungsäußerung sollte jedoch nur „den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß“ erfolgen, wozu es gehörte, die bestehenden politischen und sozioökonomischen Strukturen nicht in Frage zu stellen138. Im Einklang mit der Verfassung konnte das Politbüro der SED daher regelmäßig bindende Weisungen zur Berichterstattung über bestimmte Themen sowie zu bestimmten sprachlichen Regelungen geben; auch Journalist konnte in der DDR nur der werden, der den kaderpolitischen Ausleseprozess bestand139. Bis zum Umbruch im Jahr 1989 sollte es bei dieser durch ein totalitäres Staatssystem geprägten Rundfunkordnung bleiben. 3. Übergeordneter Gedanke In allen drei westlichen Zonen wurden 1948/49 die Rundfunksender durch Verordnungen der Militärregierungen und durch Erlass von Ländergesetzen in der Rechtsform der selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet. Bei der Gründung der Bundesrepublik und der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, in dessen Art. 5 Abs. 1 S. 2 angesichts der belasteten Vergangenheit die „Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk“ anders als in anderen Verfassungen ausdrücklich gewährleistet wurde140, gab es in Westdeutschland insgesamt sechs Rundfunkanstalten141. 136
Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, S. 416. Begrifflich verstand man in der DDR unter Rundfunk nur den Hörfunk (Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 25). Dies zeigt sich auch heute noch beispielsweise in Art. 11 Abs. 2 der Thüringischen Verfassung, wo von der „Freiheit . . . des Rundfunks, des Fernsehens“ gesprochen wird. Entsprechend der in der BRD gebräuchlichen Begriffsdefinition wird unter Rundfunk im Folgenden auch weiterhin Hörfunk und Fernsehen verstanden. 138 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 246. 139 Hierzu Stein, Fernsehen und Radio der DDR, S. 39, 41 ff.; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 247. 140 So kennt beispielsweise die französische Verfassung weder ein Grundrecht auf Rundfunkfreiheit noch auf Meinungsfreiheit. Stattdessen wird in der Rechtsprechung des Conseil Constitutionnel auf Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die in der Präambel der Verfassung genannt wird, Bezug genommen. Die italienische Verfassung erwähnt den Rundfunk zwar ebenfalls nicht, er wird jedoch von der Corte Costituzionale als Form der Meinungsäußerung betrachtet und damit ebenfalls durch Art. 21 Abs. 1 der italienischen Verfassung geschützt. In Großbritannien fehlt hingegen mangels geschriebener Verfassung jegliche verfassungsrechtliche Sicherung der Rundfunkfreiheit. Hierzu Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 105, 109 f., 111. 137
B. Von den Anfängen bis zur Entstehung erster Rundfunkstrukturen
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Trotz geringfügiger Unterschiede entsprachen sie sich im Wesentlichen: Sie alle besaßen als Organe jeweils einen Intendanten, Rundfunkrat und Verwaltungsrat142 und ihnen allen lag das Konzept der Sicherung der Staatsfreiheit sowie der Meinungsvielfalt zugrunde. Hinzu kam mit dem Föderalismus ein weiteres wesentliches Element143. Auf die spezielle Form einer Anstalt war man durch folgende Überlegungen gekommen: Ein ausschließlich staatlicher Rundfunk war angesichts des vorangegangenen Missbrauchs undenkbar. Ein ausschließlich privater Rundfunk war aus finanziellen Gründen in der Nachkriegszeit ebenfalls undenkbar144. Auch passte die bis 1945 beibehaltene handelsrechtliche Form der Rundfunkgesellschaft (AG oder GmbH) nicht mehr zu der sich wieder stärker durchsetzenden Anschauung, der Rundfunk diene der Allgemeinheit145. Als Kompromiss zwischen diesen beiden Extremen bot sich daher das Rechtsinstitut der selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts an, gehört diese juristisch gesehen niemandem, d. h. weder Aktionären oder Gesellschaftern noch dem Staat146. Insgesamt fungierte bei der Neuordnung des Rundfunkwesens letztlich – auch wenn die Westalliierten kein ausdrückliches gemeinsames Konzept für eine Neuordnung des Rundfunkwesens hatten – die britische BBC mit ihrer Organisationsform der „Public Corporation“ als Vorbild. Diese hatte als überparteiliche und gemeinwohlorientierte Rundfunkanstalt weltweit Achtung erlangt147. Sowohl der französische Zentralismus als auch das privatwirtschaftliche System der Amerikaner ließen sich aus Machtbegrenzungs- und finanziellen Gründen in dieser Zeit nicht auf Deutschland übertragen.
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BR, HR, NWDR, RB, SDR, SWF. Allein WDR und NDR besaßen mit dem Programmbeirat zunächst noch ein viertes Organ. Auch heute besteht hinsichtlich des Organgefüges beim WDR noch eine Besonderheit: Gem. §§ 13 Abs. 1 Nr. 4, 28 WDR-G existiert als viertes Organ der Schulrundfunkausschuss, der die Veranstaltung von Bildungssendungen mit Schulcharakter überwacht. 143 So auch Dörr, in: Abele/Fünfgeld/Riva, Werte und Wert, S. 139. 144 Die bis 1945 gebräuchliche privatrechtliche Organisationsform des Rundfunks als AG oder GmbH sollte erst Mitte der achtziger Jahre mit dem Aufkommen des kommerziellen Rundfunks wieder entstehen. 145 Vgl. Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 25. 146 Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 25. Von vereinzelten Stimmen in der Literatur wird dies jedoch anders gesehen und die Rundfunkanstalt der mittelbaren Staatsverwaltung zugeordnet. Weitergehend zu dieser Frage siehe unter C. I. 2. a) aa). 147 Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 8. 142
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur Die Entwicklung des Rundfunks in Westdeutschland kam mit der Gründung des Saarländischen Rundfunks (SR) als der vorerst letzten der nun neun Landesrundfunkanstalten148 im Verlauf der 50er Jahre zum Abschluss. Um den wichtigsten Zielen der Meinungsvielfalt und Staatsfreiheit bei der Neuorganisation Rechnung zu tragen, wurden im Rundfunk bestimmte Strukturen geschaffen, auf die im Folgenden näher einzugehen ist. Vorgreifend ist darauf hinzuweisen, dass die im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschaffenen grundlegenden Strukturen der Nachkriegszeit mit dem Fundament aus Staatsferne, Pluralismus und Föderalismus – von kleineren Modifikationen abgesehen – bis heute nahezu unverändert fortbestehen.
I. Das Konzept der Rundfunkanstalt 1. Generelle Charakteristika der öffentlich-rechtlichen Anstalt Nach Otto Mayers grundlegender Definition einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts ist sie ein „Bestand von Mitteln, sächlichen und persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen Zweck dauernd zu dienend bestimmt sind“149. Die öffentliche Anstalt ist somit eine organisatorisch verselbständigte Einheit, die von einem Anstaltsträger (auch als „Muttergemeinwesen“ bezeichnet, z. B. Bund, Länder oder Gemeinden150) zur Wahrnehmung eigener oder gesetzlich auferlegter Aufgaben eingerichtet wird und mit Hoheitsgewalt, Personal- und Sachmitteln ausgestattet ist151. In Anbetracht dessen, dass die von der Anstalt wahrgenommenen Aufgaben solche des Anstaltsträgers sind und Träger der Anstalt der Staat ist, wird hierbei von mittelbarer Staatsverwaltung gesprochen152. Die vollrechtsfähigen Anstalten, zu denen auch die Rundfunkanstalten zählen, bilden sowohl gegenüber dem Träger als auch gegenüber jedem Dritten eine rechtlich selbständige Einheit mit eigenem Namen, haben eigene Satzungsgewalt und nehmen die ihnen obliegenden Aufgaben eigenverantwortlich wahr153. Im Grundsatz muss der Anstaltsträ148 BR, HR, NDR, RB, SDR, SFB, SR, SWF, WDR. Der RIAS konnte hingegen nicht als deutscher Rundfunk in diesem Sinne gelten, da er formell unter amerikanischer Oberhoheit arbeitete. 149 Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 268. 150 Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 1, 36; Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 303. 151 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 36. 152 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 30, 34.
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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ger Organisation und Aufgaben der Anstalt festlegen, soweit das nicht schon durch Gesetz festgelegt ist oder der Anstalt zur selbständigen Regelung überlassen ist154. Der Anstalt kommt gegenüber dem Muttergemeinwesen ein Anspruch auf eine dem Anstaltszweck entsprechende Mindestalimentierung zu155. Darüber hinaus hat der Anstaltsträger die Rechtsaufsicht über die Anstalt; weitergehende Einwirkungsmöglichkeiten wie z. B. eine Fachaufsicht mit Weisungsbefugnissen oder das Recht zur Entsendung von Vertretern in die Anstaltsorgane können grundsätzlich gesetzlich geregelt werden156. 2. Besondere Merkmale der Rundfunkanstalt Im Gegensatz zu der herkömmlichen Anstalt des öffentlichen Rechts ergeben sich bei der Rundfunkanstalt allerdings einige Abweichungen. a) Sonderstellung von Rundfunkanstalt und -aufgaben unter dem Aspekt der Staatsfreiheit Die bereits angeführte Besonderheit einer Anstalt des öffentlichen Rechts, juristisch gesehen weder im Eigentum Privater noch des Staates zu stehen, wird im Bereich des Rundfunks teilweise anders gesehen. aa) In Ansehung der Organisationsform So qualifiziert ein Teil der Literatur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gleich dem herkömmlichen Anstaltstyp sehr wohl als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung und beruft sich dafür auf die öffentlich-rechtliche Organisationsform157. Diese Ansicht ist im Hinblick darauf, dass nicht alles öffentlich-rechtlich Organisierte zugleich auch staatlich sein muss – man bedenke allein die als öffentlich-rechtliche Körperschaften verfassten Religionsgemeinschaften, die gerade nicht als staatlich anzusehen sind158 – nicht haltbar159. Das Öffentlich-rechtliche ist mit dem Staatlichen nicht 153
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 49 ff.; hierzu auch Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 15 f. 154 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 51. 155 Vgl. Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 154. 156 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 51. 157 Hartmut Grund, DVBl 1969, 481, 482 f., Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 169; Bachof, Verbot des Werbefernsehens, S. 34; Schneider, in: Zehner, Fernsehstreit, Bd. 1, S. 420. 158 Hierzu Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 20; Hesse, Rundfunkrecht, S. 144. 159 So auch Bethge, AfP 1979, 286, 287; vgl. auch VG Mainz JZ 1979, 303, 304.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
identisch160. Nur weil die Anstalt eine öffentlich-rechtliche Form hat, ist sie nicht zwingend Teil der mittelbaren Staatsverwaltung161. Vielmehr stellt die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt eine „staatliche Geburtshilfe“162 (in der Funktion des Gesetzgebers) bei der Erfüllung fremder Angelegenheiten dar. Auch wenn gesetzliche Regelungen eine weisungsunabhängige Arbeit von Rundfunkunternehmen festlegten, wäre es angesichts ihrer Einbindung in staatliche Strukturen wenig schlüssig, den Rundfunk einerseits staatsfrei organisieren zu wollen und ihn andererseits der mittelbaren Staatsverwaltung zu unterstellen163, bei der es sich um eine von selbständigen, d. h. rechtsfähigen Trägern wahrgenommene Verwaltung staatlicher Aufgaben handelt164. Insofern erscheint auch die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Rundfunkurteil missverständlich, in der es heißt165: „Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befasst, wird sie zu einer ‚staatlichen Aufgabe‘.“ Denn zum einen bestünde, verstünde das Gericht die Aufgaben des Rundfunks wirklich als „staatliche Aufgabe“ und würde ihn deshalb der mittelbaren Staatsverwaltung zuordnen, ein Widerspruch zur geforderten Staatsfreiheit des Rundfunks. Zum anderen ist auch zu beachten, dass das Gericht den Begriff der „staatlichen Aufgabe“ im Urteil in Anführungszeichen setzte, den Begriff gerade nicht so verstand, wie er sonst gebraucht wird166. Auch bei der vom Bundesverfassungsgericht gewählten Bezeichnung des Rundfunks als „öffentliche Verwaltung“167 gilt es zu berücksichtigen, in welchem Kontext diese Aussage getroffen wurde. So ging es bei den Ausführungen des Gerichts einmal um Kompetenzzuweisungen, ein anderes Mal um die Verneinung des wirtschaftlichen Charakters der Rundfunkveranstaltung168. 160 Berendes, Staatsaufsicht, S. 69, 96 f.; ders., DÖV 1975, 413, 415; Bethge, Verfassungsprobleme der Reorganisation, S. 84; Peters, in: Dietz/Hübner, FS Nipperdey, Bd. II, S. 889 ff.; vgl. auch Gotzmann, Staatsaufsicht, S. 115. 161 Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 54; Hesse, Rundfunkrecht, S. 150; Lerche, in Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 23; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 21; Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 109 ff.; vgl. auch BVerwGE 70, 310, 316; 85, 148, 153 f. 162 Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 21. 163 Ebenso Berendes, Staatsaufsicht, S. 96; anders Herzog, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 213a. 164 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 30 ff., 34. 165 BVerfGE 12, 205, 243. 166 Vgl. hierzu auch die abweichende Meinung der Richter Geiger, Rinck und Wand in BVerfGE 31, 337, 341. 167 BVerfGE 7, 99, 104; 12, 205, 244, 246; 31, 314, 329.
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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bb) In Ansehung der wahrzunehmenden (öffentlichen) Aufgabe Plausibler erscheint daher demgegenüber das Vorgehen der überwiegenden Literaturmeinung169, die auf den Charakter der von den Rundfunkanstalten wahrzunehmenden Aufgaben abstellt. Da sich der Staat mit Blick auf das Ziel der Staatsfreiheit des Rundfunks in diesem Bereich nicht selbst betätigen darf170 und es ihm daher nicht möglich ist, mit Gründung einer Rundfunkanstalt eine staatliche Aufgabe von der unmittelbaren Staatsverwaltung auf einen Träger der mittelbaren Staatsverwaltung zu übertragen und auszulagern171, werden die Aufgaben des Rundfunks nicht als staatliche Aufgaben eingeordnet. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Rundfunk einerseits aufgrund der zu Beginn knappen Frequenzen und der Gefahr der Ausnutzung nicht allein dem privaten Bereich zu unterstellen ist, andererseits aufgrund der Staatsfreiheit auch nicht dem staatlichen Bereich zuzuordnen ist, werden die Aufgaben des Rundfunks ähnlich wie bei der Presse als „öffentliche Aufgabe“, an deren Erfüllung die Öffentlichkeit maßgeblich interessiert ist172, klassifiziert173. Nur weil diese öffentliche Aufgabe von den öffentlich-rechtlichen 168 Vgl. auch Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 4, der darauf hinweist, dass der Rundfunk aufgrund seiner verwaltungsrechtlichen Organisationsform lediglich zu einer formalen Verwaltungsaufgabe im Sinne einer äußerlich-organisatorischen Verwaltungsaufgabe, nicht jedoch zu einer auch materialen Verwaltungsaufgabe im Sinne einer Verwaltungszuständigkeit werde. 169 BVerfGE 31, 337, 341 im Minderheitsvotum; Berendes, Staatsaufsicht, S. 92, 96; Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 116 f.; Ipsen, DÖV 1974, 721, 724; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 92; Maunz, BayVBl 1972, 169 ff.; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 15 m. w. N.; Peters, in: Dietz/Hübner, FS Nipperdey, Bd. II, S. 889 ff. 170 BVerfGE 31, 314, 329. Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfGE 83, 238, 323 f.; 90, 60, 89 f., in denen darauf verwiesen wird, dass nicht nur von der Exekutive, sondern vielmehr auch von der Legislative staatliche Beeinflussung ausgehen kann, da auch der Gesetzgeber als Teil der Staatsgewalt der öffentlichen Kontrolle unterliegt, die wiederum von der Freiheit der Medien abhängt. 171 Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 16; hierzu auch Berendes, DÖV 1975, 413, 414 f. 172 Vgl. zur Maßgeblichkeit des öffentlichen Interesses als Kriterium bei der Bestimmung der öffentlichen Aufgabe Peters, in: Dietz/Hübner, FS Nipperdey, Bd. II, S. 878; diesbezüglich zustimmend Faller, AfP 1981, 430, 431. 173 Berendes, Staatsaufsicht, S. 93 f. m. w. N.; Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 329; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 36; in die gleiche Richtung tendiert auch Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 41, der die Bezeichnung „öffentliche Aufgabe“ i. S. d. Erzielung einer öffentlichen und politischen Wirkung, d. h. der Mitgestaltung der öffentlichen Meinung versteht; Scholz, JuS 1974, 299, 301, spricht von einer wichtigen Aufgabe im soziologischen und nicht juristischen Öffentlichkeitssinne; Hoffmann-Riem, in: Benda/ Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 19, versteht die „öffent-
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Rundfunkanstalten wahrgenommen wird, entwickelt sich die öffentliche Aufgabe nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe und zu einem Teil mittelbarer Staatsverwaltung174. Vielmehr können öffentliche Aufgaben auch von Privaten erfüllt werden175. Im Gegensatz zur Weimarer Republik, in der die öffentliche Aufgabe des Rundfunks als eine notwendig staatliche Aufgabe begriffen wurde176, folglich der Begriff der öffentlichen Aufgabe damals mit dem Begriff der staatlichen Aufgabe völlig gleichgesetzt wurde, findet sich heute die Idee, dass die Veranstaltung von Rundfunk wegen ihres besonderen Wertes als öffentliche Aufgabe nur von der gesamten Gesellschaft getragen werden darf177, in ihm folglich ein gesteigerter Gemeinwohlbezug zum Ausdruck kommt. Eine derartige Platzierung der Rundfunkaufgaben zwischen privater und staatlicher Seite scheint unter dem Blickwinkel der Bedeutung des Rundfunks für die breite Öffentlichkeit in einer Demokratie als durchaus angemessen. Demnach lässt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mangels Staatlichkeit seiner Aufgaben anders als herkömmliche Anstalten des öffentlichen Rechts nicht der mittelbaren Staatsverwaltung zuordnen. cc) Die Rundfunkanstalt als Sondertyp zwischen Staat und Gesellschaft Dem Verhältnis von Rundfunk und Staat wird durch ein Bildnis des Staates als schützende Hand über dem Rundfunk, die in ihrer Bewegung so gezügelt ist, dass sie nicht zu einer zupackenden oder gar würgenden Hand wird, am ehesten Rechnung getragen. Betrachtet man den Staat somit als Bewacher der Rundfunkfreiheit, der dem Rundfunk lediglich in seiner liche Aufgabe“ als Kürzel für die Einbindung der Medienbetätigung in die Staatszielbestimmungen der Demokratie-, Rechts-, Sozial- und Kulturstaatlichkeit. Nach Lerche, Rundfunkmonopol, S. 90, hingegen gehört der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ zu den verschwommensten, die das ohnehin flüssige Verfassungsrecht anzubieten hat. 174 Vgl. die abweichende Meinung der Richter Geiger, Rinck und Wand, BVerfGE 31, 337, 340 f. 175 Vgl. BVerfGE 31, 337, 339; Maunz, in: Bausch, Organisation des Fernsehens, S. 52; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 147 m. w. N. 176 Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 192. In diesem Zusammenhang weist auch Maunz, BayVBl 1972, 169, 172, zutreffend darauf hin, dass öffentliche Aufgaben nicht nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sondern auch von Privaten (wie z. B. bei der „öffentlichen Aufgabe“ der Presse) erfüllt werden können und öffentliche Aufgaben nicht immer und zugleich auch staatliche Aufgaben sind. 177 Vgl. auch Bethge, Verfassungsprobleme der Reorganisation, S. 80 f.; Lerche, Rundfunkmonopol S. 33; Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 116.
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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Funktion als Gesetzgeber gewisse Grundlagen sichert und ihm einen Organisationsrahmen zur Verfügung stellt, sich ansonsten jedoch zurückhält, dann besteht auch kein Widerspruch zur notwendigen Staatsfreiheit des Rundfunks. Die Rundfunkanstalt stellt insofern einen Sondertyp unter den öffentlichrechtlichen Anstalten dar178 und steht bildlich gesprochen zwischen Staat und Gesellschaft179. b) Rechtsaufsicht Bei der Aufsicht unterscheidet sich die Rundfunkanstalt ebenfalls von anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten. Anders als herkömmliche staatliche oder halbstaatliche Anstalten ist sie von ihrem Muttergemeinwesen, dem Staat, unabhängig und unterfällt der Staatsfreiheit. Dies bedeutet allerdings nicht, dass gar keine Aufsicht notwendig ist180. Der Rundfunk, der nicht selbst Staat im Staate ist, sondern als Anstalt des öffentlichen Rechts seine gesetzlichen Befugnisse von der Staatsgewalt ableitet, unterliegt zwar ebenfalls der demokratischen Kontrolle181. Angesichts der beim Rundfunk zwingend notwendig zu gewährleistenden Staatsfreiheit, die nicht nur eine unmittelbare staatliche Beeinflussung verbietet, sondern auch vor weniger offensichtlicher, mittelbarer Einflussnahme schützt182, ist eine staatliche Aufsicht jedoch nur in sehr eingeschränktem Maße zugelassen183. So unterliegen die Rundfunkanstalten nur der Rechtsaufsicht durch die Regierung, deren Maßnahmen beschränken sich folglich auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle184. Aufsichtsmittel, die die Funktion der jeweiligen Anstalt 178 Forsthoff, Verwaltungsrecht AT, S. 495 Fn. 7; ebenso Hesse, Rundfunkrecht, S. 146 und Ipsen, DÖV 1974, 721, 724, „Sonderstellung“; Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 14, „Sonderform“; Fechner spricht in JZ 2003, 224, 226, von einem „ungewöhnlichen Doppelstatus“ der Rundfunkanstalten. 179 So auch der Titel einer Monographie von Ossenbühl. 180 Ebenso Berendes, DÖV 1975, 413, 417, mit dem Hinweis „Staatsfreiheit“ bedeute nicht gleich „Staatsaufsichtslosigkeit“; vgl. auch Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 823 ff. 181 Hierzu Bredow, Zur Neuregelung des Rundfunks, S. 6 f.; Jank, Rundfunkanstalten, S. 102; vgl. auch VG Mainz JZ 1979, 303; näher zur Herleitung der Staatsaufsicht aus dem Demokratieprinzip und/oder Rechtsstaatsprinzip Gotzmann, Staatsaufsicht, S. 126 ff. 182 BVerfGE 12, 205, 263; 73, 118, 183; 83, 238, 323; 90, 60, 88. 183 BVerfGE 12, 205, 261; 57, 295, 326; 73, 118, 153. 184 Herrmann, Rundfunkrecht, § 14 Rn. 20; Hesse, Rundfunkrecht, S. 176; Jank, Rundfunkanstalten, S. 101; Berendes, DÖV 1975, 413, 417 m. w. N. Eine Rechtsaufsicht ist in den meisten Rundfunkgesetzen bzw. Staatsverträgen vorgesehen, so z. B. heute in Art. 23a BR-G; § 37 NDR-StV; § 39 RBB-StV; § 37 SWR-StV; § 54 WDR-G; § 31 ZDF-StV; § 31 DLR-StV; § 62 DW-G. Nur bei den Anstalten, die noch unter dem Einfluss der Besatzungsmächte errichtet wurden (BR, HR, RB,
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
übernehmen würden, wie beispielsweise die Ersatzvornahme oder die Einsetzung eines Staatskommissars wie in der Vergangenheit185, sind hingegen ausgeschlossen186. Insgesamt darf der Staat nicht durch Maßnahmen der Fachaufsicht, die dem Staat eine eigene Sachentscheidungskompetenz zugestehen würde, in den Rundfunkbetrieb und besonders in den redaktionellen Programminhalt eingreifen187; durch Maßnahmen der Rechtsaufsicht darf das Grundrecht aus Art. 5 I GG nicht angetastet werden188. Primär obliegt die Programmaufsicht den hierfür zuständigen internen Gremien der einzelnen Rundfunkanstalten. Erst dann, wenn die anstaltsinternen Kontrollgremien versagt haben, darf die staatliche Aufsicht eingreifen189. Daneben unterliegen die Rundfunkanstalten der Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe190. Deren Zulässigkeit ist angesichts der Selbständigkeit der Rechnungshöfe gegenüber den Regierungen sowie mit Blick auf ihre streng sachbezogene Aufgabe heute unbestritten. Allerdings beschränkt sich die Kontrolle auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Programmentscheidungen, die von den Anstalten in Übereinstimmung mit ihren gesetzlich vorgegebenen Programmverpflichtungen getroffen werden, entziehen sich angesichts der Einordnung des Rechnungshofes als staatliche Behörde einer Überprüfung191. c) Selbstverwaltungsrecht als Ausprägung der Programmautonomie Um ihre Unabhängigkeit zu stärken, steht der jeweiligen Rundfunkanstalt das Recht der Selbstverwaltung zu192, d. h. das Recht, die Aufgaben in eigeSDR), wurde zunächst auf jegliche Staatsaufsicht verzichtet. Zu den Folgerungen hieraus Herrmann, Rundfunkrecht, § 14 Rn. 3 ff. m. w. N. 185 Siehe unter D. I. 3. a) und 4. a). 186 Gotzmann, Staatsaufsicht, S. 166 m. w. N.; Jank, Rundfunkanstalten, S. 108 f.; Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 129, der jedoch die Ersatzvornahme nicht generell für unzulässig hält, soweit sie die Sachaufgabe Rundfunk nicht beeinträchtige. 187 OVG Berlin DVBl 1969, 881, 882; Brack, Organisation, S. 18; Jank, Rundfunkanstalten, S. 99, 105; Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 124 f. 188 Brack, Organisation, S. 18; Herrmann, Rundfunkrecht, § 14 Rn. 38. 189 VG Mainz JZ 1979, 303, 304 f.; Bremer/Esser/Hoffmann, Rundfunk in der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung, S. 49; Degenhart, ZUM 1997, 153, 158 f.; hierzu Gotzmann, Staatsaufsicht, S. 166 ff.; a. A. Kewenig, Inhalt und Grenzen, S. 132. 190 Siehe z. B. Art. 13 BR-G; § 19 HR-G; § 21 RB-G; § 40 SMG; § 42 WDR-G. 191 Vgl. Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 177.
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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ner Verantwortung wahrzunehmen und dort getrennt von der Staatsverwaltung eigene Entscheidungen zu treffen. Dieses Recht, regelmäßig nur bei Körperschaften des öffentlichen Rechts zu beobachten, ist der herkömmlichen Form der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts eigentlich fremd, stellt folglich eine weitere Besonderheit der Rundfunkorganisation dar193. Neben dem Selbstverwaltungsrecht in wirtschaftlichen Fragen, das sich in einem eigenen Haushalt äußert194, und dem Selbstverwaltungsrecht in personellen195 sowie organisatorischen Fragen196 kommt der eigenständigen Entscheidung in Programmfragen besondere Bedeutung zu. Das den Rundfunkanstalten zugedachte Selbstverwaltungsrecht erweist sich als einfachgesetzliche Umsetzung der grundrechtlichen Autonomie aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und dem daraus resultierenden Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks197. Die Programmautonomie ist Kernelement der Rundfunkfreiheit und gewährleistet, dass Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms Sache des Rundfunks bleiben198. Wurde der Selbstverwaltungsbereich vom Gesetzgeber weiter gezogen, als es von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gefordert wird, kann dem Selbstverwaltungsrecht eine über die grundrechtlich garantierte Programmautonomie hinausreichende Bedeutung zukommen. Andersherum kann sich ein zu kleinräumig gestaltetes Selbstverwaltungsrecht als mit den von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geforderten Freiheiten im Widerspruch stehend erweisen. Jede Rundfunkanstalt hat das Recht und die Pflicht, ihre im jeweiligen Landesrundfunkgesetz festgelegte Aufgabe, Rundfunksendungen für die Allgemeinheit zu veranstalten199, im Rahmen der bestehenden200 – die 192
Siehe z. B. Art. 1 Abs. 1 S. 2 BR-G; § 1 Abs. 1 S. 2 HR-G; § 1 Abs. 2 S. 1 NDR-StV; § 1 Abs. 2 MDR-StV; § 1 Abs. 1 S. 2 RBB-StV; § 1 Abs. 1 S. 2 WDR-G; § 1 Abs. 3 ZDF-StV. Vgl. hierzu auch Berendes, Staatsaufsicht, S. 86 f. m. w. N. 193 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 242; Hartmut Grund, DVBl 1969, 481, 483; Ipsen, DÖV 1974, 721, 724; Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 44; hierzu Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 28 m. w. N. 194 Gounalakis, AfP 2003, 395; Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 35. 195 Vgl. das „Mitarbeiter“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 59, 231 ff. 196 Hierzu Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 330; Leidinger/Libertus, ZG 1988, 97, 106. 197 Vgl. Leidinger/Libertus, ZG 1988, 97, 98 f.; Schreier, Selbstverwaltungsrecht, S. 285, 268. 198 Vgl. BVerfGE 59, 231, 258; 87, 181, 201; 90, 60, 87, 91 f.; 95, 220, 234; 97, 228, 268; 97, 298, 310; Libertus, ZUM 1995, 699, 700 f.; Wendt, in: v. Münch/ Kunig, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 46; Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 34 ff. 199 Siehe z. B. § 1 Abs. 1 MDR-StV; § 1 Abs. 1 NDR-StV; § 2 Abs. 1 S. 1 RB-G. 5 Lindschau
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Rundfunkfreiheit nicht einschränkenden – Gesetze völlig eigenständig und unabhängig, d. h. ohne sich von Dritten oder aber von staatlicher Seite beeinflussen lassen zu müssen, wahrzunehmen. Diese Konstruktion macht sie vom Grundgedanken her zur idealen Besetzung für die Idee eines unabhängigen staatsfreien Rundfunks201. d) Gründung Eine weitere Besonderheit der Rundfunkanstalt ist, dass sie nur durch Gesetz oder normativen Staatsvertrag, nicht jedoch aufgrund eines Gesetzes, d. h. durch einen Verwaltungsakt, gegründet werden kann202. Grund hierfür ist, dass die Ordnung des Rundfunks als eine für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Frage anzusehen ist, die dem Gesetzesvorbehalt unterliegt203. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber verpflichtet, im Bereich der Rundfunkfreiheit positiv eine Ordnung zu schaffen, die gewährleistet, dass die Freiheit ihrer objektiven Zielrichtung entsprechend verwirklicht wird; ihm obliegt die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung204. Dazu gehört sowohl die Entscheidung für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie auch die Errichtung entsprechender Rundfunkanstalten205.
II. Allgemeine Programmgrundsätze Für die inhaltliche Gestaltung wurden – insbesondere auf Betreiben der Amerikaner hin – allgemeine Programmgrundsätze aufgestellt206, die fortan beachtet werden sollten. Obwohl teilweise in den einzelnen rundfunkrechtlichen Regelungen unterschiedlich formuliert207, umfassen sie als Zielwerte im Wesentlichen überall für das Gesamtprogramm die Verpflichtung zur 200
Hierzu Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 32 ff. Dies sollte später auch das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten Rundfunkurteil feststellen (BVerfGE 12, 205, 261). 202 Vgl. BVerfGE 12, 205, 261; Bremer/Esser/Hoffmann, Rundfunk in der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung, S. 65; Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 27; Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 762; vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 99. 203 Vgl. hierzu BVerfGE 57, 295, 320 f., 324; 83, 238, 309 f. Siehe auch unter 2. Teil A. II. 1. b). 204 BVerfGE 73, 118, 153. 205 Ähnlich auch Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 28. 206 Vgl. die Aufstellung bei Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 72 ff. 207 Vgl. z. B. §§ 3, 10, 11 Abs. 3 RStV; Art. 4 BR-G; § 8 MDR-StV; § 4 RBBStV; § 6 SWR-StV; § 15 SMG; §§ 4, 5 WDR-G; §§ 5, 6 ZDF-StV; § 6 DLR-StV; § 5 DW-G. Die in den Rundfunkgesetzen und -staatsverträgen niedergelegten, unterschiedlich formulierten Programmgrundsätze finden sich ebenfalls in den 1971 von 201
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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Ausgewogenheit und Vielfalt208. Für jede einzelne Sendung enthalten sie die Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde, zum Unterlassen von Minderheitendiskriminierungen, zum Eintreten für Freiheit, Gleichheit und Frieden, bei Berichterstattung und Informationssendungen die Verpflichtung zur Sachlichkeit und zu journalistischer Sorgfalt sowie generell die Verpflichtung zur Wahrung der kulturellen Verantwortung des Rundfunks. Ihre essentielle Bedeutung nicht nur für die öffentlich-rechtliche, sondern für die generelle Rundfunkorganisation sollte später auch vom Bundesverfassungsgericht mehrfach betont werden209.
III. Insbesondere: Die Gewährleistung der gleichgewichtigen Vielfalt – das Pluralismusgebot im Rundfunk 1. Vielfalt Große Bedeutung kommt dem Programmgrundsatz der Vielfalt zu, der in den diversen Rundfunkgesetzen normiert ist210. Denn nur wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, sich aus verschiedenen und in jeder Hinsicht unabhängigen Informationsquellen zu unterrichten, besteht die Grundlage zur Bildung einer freien Meinung. Auch eine freiheitliche Demokratie kann nur funktionieren, wenn es mehrere unterschiedliche Meinungen gibt, die in einer gleichberechtigten Diskussion zum Ausgleich gebracht werden können, und wenn allen Stimmen eine Chance zur Äußerung und damit die Möglichkeit gegeben wird, dass aus Minderheiten Mehrheiten werden. Neben der Möglichkeit des „Zu-Wort-Kommens“ für alle Meinungsrichtungen ist auch die Verhinderung einer Konzentration von vorherrschender Meinungsmacht ein wichtiger Aspekt des Vielfaltsgebotes211. Der Rundfunk muss deswegen ein Programm anbieten, in dem nicht nur die Vielfalt der Programmsparten (gegenständliche Vielfalt), sondern auch die Vielfalt der in der Gesellschaft anzutreffenden Meinungen (meinungsmäßige Vielfalt) wie „ein bunter Strauß“212 gewährleistet ist213. Neben der Aufgabe, möglichst den ARD-Anstalten vereinbarten „Grundsätze[n] für die Zusammenarbeit im ARDGemeinschaftsprogramm ‚Deutsches Fernsehen‘“. 208 Ausführlich im Folgenden unter III. 209 BVerfGE 12, 205, 225, 263; 31, 314, 326 f.; 57, 295, 325; 73, 118, 153; 74, 297, 324 ff.; 83, 238, 298 ff. 210 Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BR-G; §§ 6 Abs. 3, 8 Abs. 4 MDR-StV; § 4 Abs. 1 S. 2 RBB-StV; § 3 RB-G; § 16 SMG; § 6 Abs. 4 SWR-StV; § 5 Abs. 4 Nr. 1 WDR-G. 211 Vgl. hierzu Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 118. 212 Herrmann, Rundfunkrecht, § 23 Rn. 10. 213 BVerfGE 83, 238, 315; 87, 181, 198 f.; 90, 60, 88, 90. 5*
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
umfassend zu informieren, gesellschaftlich relevante Themenstellungen aus unterschiedlichen Gebieten anzusprechen und den diversen kulturellen Strömungen nachzugehen, bedeutet das Vielfaltsgebot zugleich, innerhalb eines Themas auf die verschiedenen Aspekte einzugehen214. Darüber hinaus meint Vielfalt jedoch nicht nur gesellschaftliche und politische Meinungsvielfalt, sondern erfasst zugleich auch die kulturelle Vielfalt215. 2. Ausgewogenheit An die Seite des Kriteriums der Vielfalt tritt das genauso wichtige und mit ihm eng verwobene Kriterium der Ausgewogenheit216. Danach muss gewährleistet werden, dass im Programm möglichst alle Auffassungen angemessen zum Ausdruck kommen können, so dass sich ein gewisses Gleichgewicht einstellt217. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Nachrichten oder sonstige politische (Informations-)Sendungen, sondern für das gesamte Programm einschließlich der Unterhaltungsformate, da jede Sendung meinungsrelevante Inhalte vermitteln kann218. Im Gegensatz zur Presse darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine bestimmte Tendenz verfolgen, sondern muss versuchen, alle Meinungen zu berücksichtigen219, also gewissermaßen Neutralität wahren. Einzelne Sendungen dürfen zwar durchaus unausgewogene und extreme Meinungen darstellen220, insgesamt, d. h. in der Zusam214
Wittig-Terhardt, forum medienethik 1/1996, 18, 26. Vgl. Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 121 f. Teilweise wird von bis zu sechs unterschiedlichen Vielfaltsdimensionen (inhaltlich-meinungsbezogener, personen-/gruppen-/institutionenbezogener, gegenständlicher, räumlicher, Genre-/Sparten- sowie Rezeptionsvielfalt) ausgegangen, vgl. Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 176. 216 Dass der Begriff der Meinungsvielfalt trotz seiner Vielschichtigkeit nicht mit dem Kriterium der Ausgewogenheit zu verwechseln ist, betont Wulff, Rundfunkkonzentration, S. 63, unter Verweis auf Dörr. Dieser weist in: Landesmedienanstalten, Sicherung der Meinungsvielfalt, S. 340, zutreffend darauf hin, dass ein Gesamtangebot sehr wohl ausgewogen, aber nicht vielfältig sein kann, genauso wie ein Gesamtangebot vielfältig, aber nicht ausgewogen zu sein braucht. Anders Herrmann, Rundfunkrecht, § 23 Rn. 10. Nach Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 25, steht die Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Ausgewogenheit synonym neben derjenigen zur Meinungsvielfalt. Die Forderung nach Ausgewogenheit findet sich regelmäßig auch in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen umschrieben, siehe z. B. Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BR-G; § 8 Abs. 4 MDR-StV; § 8 Abs. 1 NDR-StV; § 4 Abs. 1 S. 2 RBB-StV; § 16 SMG; § 6 Abs. 4 SWR-StV; § 5 Abs. 4 Nr. 3 WDR-G. 217 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 356. 218 Vgl. BVerfGE 12, 205, 260; 31, 314, 326; 35, 202, 222; 59, 231, 258. 219 BVerfGE 52, 283, 296; 59, 231, 258. 220 Einen Hinweis darauf enthält § 3 S. 2 RB-G. 215
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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menschau mit anderen Sendungen dieser Art, muss sich dann jedoch ein ausgewogenes Meinungsbild darstellen221. Ausgewogenheit umfasst dabei nicht nur die Zusammensetzung des Programms hinsichtlich meinungsmäßiger, sondern auch hinsichtlich gegenständlicher Vielfalt222. Dort wird ebenfalls nicht verlangt, alle Programmsparten gleichwertig zu veranstalten223, sondern als Massenmedium kann der Rundfunk durchaus in gewissem Umfang den Wünschen eines großen Publikums entsprechen und dementsprechend in geringerem Maße Programme für Minderheiten veranstalten224. Gleichwohl darf es nicht dazu kommen, dass nur ein Programmbereich wie beispielsweise der der Unterhaltung laufend berücksichtigt wird, aus anderen Bereichen wie dem der Bildung oder der Information hingegen kaum Sendungen ausgestrahlt werden. 3. Das Gebot gleichgewichtiger Vielfalt Beide, d. h. das Gebot der Ausgewogenheit und das der Vielfalt, wurden später vom Bundesverfassungsgericht zum Gebot der „gleichgewichtigen Vielfalt“ zusammengefasst225. a) Das Verhältnis von Vielfalt und Ausgewogenheit Bezüglich des Verhältnisses der beiden Gebote zueinander wird teilweise davon ausgegangen, Vielfalt sei ein Wesensmerkmal der Ausgewogenheit, letztere sei der Zielwert, zu dem die Vielfalt führe226. Nach anderer Ansicht stellt sich das Verhältnis von Ausgewogenheit und Vielfalt so dar, dass die 221
Hierzu Bethge, AfP 1979, 286; Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 26; Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 15, spricht in diesem Zusammenhang von einer „relativen Tendenzfreiheit“; vgl. auch Schmidt, DVBl 1981, 920, 922. Das Bundesverfassungsgericht spricht von „in sich gleichgewichtigen Programmen“, BVerfGE 73, 118, 159. 222 So auch Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 169. Anders Jarass, Gutachten für den 56. DJT, G 24, der unter Ausgewogenheit nur die inhaltliche Vielfalt versteht. 223 Das Bundesverfassungsgericht verlangt „ein Mindestmaß“ an Ausgewogenheit für den „Inhalt des Gesamtprogramms“, vgl. BVerfGE 12, 205, 263; 31, 314, 326; 57, 295, 325; 73, 118, 153. Zur Ausgewogenheit auch das abweichende Votum BVerfGE 31, 337, 338 f. sowie BVerfGE 73, 118, 156; 83, 238, 297. 224 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 356. 225 BVerfGE 57, 295, 323 f.; 73, 118, 156, 159; 74, 297, 325; 83, 238, 296; 87, 181, 199; 89, 144, 152. 226 Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 171; Laschet, Programmgrundsätze, S. 133, der Vielfalt als erstes Wesensmerkmal von Ausgewogenheit bezeichnet. In diese Richtung auch Wulff, Rundfunkkonzentration, S. 63, 80 f.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Ausgewogenheit den Zweck zur Erreichung einer inhaltlichen Vielfalt darstellt227. Für erstere Ansicht spricht, dass Vielfalt bereits dann vorliegen kann, wenn eine bestimmte Meinung oder ein bestimmtes Programmgenre in erdrückender Weise mehrfach, mehrere andere Meinungen oder Sendungen nur jeweils ein einziges Mal zu sehen bzw. zu hören sind. Das Kriterium der Ausgewogenheit hingegen ist erst dann verwirklicht, wenn die Vielfalt der Meinungen und Gegenstände nicht nur einfach in irgendeinem Verhältnis vorliegt, sondern diese jeweils so häufig oder auch so selten im Rundfunk auftauchen, dass von einer gewissen Gleichmäßigkeit ihres Vorliegens gesprochen werden kann. Wenngleich die Begriffe der Vielfalt und Ausgewogenheit nicht synonym zu gebrauchen sind, so lässt sich doch eine trennscharfe Abgrenzung nicht vornehmen. Die Überschneidung der beiden Programmanforderungen kommt in dem vom Bundesverfassungsgericht geprägten Begriff der „gleichgewichtigen Vielfalt“ zum Ausdruck. b) Der Pluralismusbegriff im Rundfunk und seine Bedeutung Inwieweit der Begriff der Vielfalt mit dem Begriff des Pluralismus228 übereinstimmt, ist nicht ganz unstreitig. Während das Bundesverfassungsgericht regelmäßig den Begriff der (gleichgewichtigen) Vielfalt verwendet229, den Begriff des Pluralismus hingegen regelmäßig nur im Zusammenhang mit der Organisation des Rundfunksystems230, werden beide Begriffe im Schrifttum häufig gleichgesetzt231. Wenngleich dem Pluralismusbegriff eine mehr theoriespezifische Bedeutung zukommt232, so erscheint gegen eine Gleichstellung der Begriffe der Vielfalt und des Pluralismus jedenfalls im Rahmen dieser Arbeit nichts einzuwenden. Ausdrücklich findet sich das Pluralismusgebot für den Rundfunk nicht im Grundgesetz. Angesichts dessen, dass es einen freien und offenen Kom227
Schmitt Glaeser, AöR 112 (1987), 215, 244. Auf die Pluralismus- bzw. Neo-Pluralismustheorien von Carl Schmidt, Ernst Fraenkel und anderen wird im Folgenden nicht näher eingegangen, verwiesen werden kann diesbezüglich auf die Ausführungen bei Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 129 ff. 229 BVerfGE 31, 314, 326; 57, 295, 320, 322, 323 f., 324; 73, 118, 152 f., 156, 159; 74, 297, 324, 326; 83, 238, 296, 315; 87, 181, 198 f.; 90, 60, 88. 230 Vgl. BVerfGE 57, 295, 325 f.; 73, 118, 153; 74, 297, 331, außer im abweichenden Votum BVerfGE 31, 337, 338; ähnlich auch BVerfGE 97, 228, 258. 231 Schellenberg, AöR 119 (1994), 427 f.; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 37. 232 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 129 ff.; Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 61 ff. 228
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munikationsprozess garantiert, was zugleich aus objektiv-rechtlicher Sicht auch Aufgabe des Rundfunks ist, lässt sich das Gebot des Pluralismus unmittelbar aus der Rundfunkfreiheit selbst herleiten233. Zum Teil wird das Pluralismusgebot des Rundfunks auch aus dem Demokratieprinzip und dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet234. Die besondere Bedeutung der Programmgrundsätze der Meinungsvielfalt sowie der Ausgewogenheit kommt in der Neufassung des § 11 RStV durch den Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄndStV) in dessen Abs. 3 zum Ausdruck, da dort dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk deren Berücksichtigung bei der Erfüllung seines Auftrags gesondert aufgegeben wird. c) Fehlender Maßstab der Gebotserfüllung Die Beurteilung, wann diesem facettenreichen Pluralismusgebot angemessen Rechnung getragen wird, erscheint schwierig. Einerseits verlangt das Bundesverfassungsgericht „ein Mindestmaß“ an inhaltlicher Ausgewogenheit235, andererseits fordert es, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in „möglichster Breite und Vollständigkeit“ Ausdruck findet236. Auch wenn diese Aussagen auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, so lässt sich dieser auflösen, wenn die Formulierung „Mindestmaß“ nicht im Sinne eines Minimums verstanden wird, sondern stattdessen davon ausgegangen wird, dass das Gericht damit die Schwierigkeit der messbaren Erfüllung dieser Forderung andeuten wollte. Insofern bietet es sich an, die Forderung nach möglichster Breite und Vollständigkeit als Zielvorgabe, die es anzustreben gilt, anzusehen und unter der Forderung nach einem Mindestmaß eine zwingend einzuhaltende Untergrenze zu verstehen. Darüber hinaus lässt sich die Frage, wann genau gleichgewichtige Vielfalt vorliegt, nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mangels genauer Maßstäbe nicht exakt beantworten. Es handelt sich dabei nur um einen Zielwert, der sich stets nur annäherungsweise erreichen lässt237. Ein exakter Maßstab für Programmanforderungen lässt sich aus dem Gebot gleichgewichtiger Vielfalt per se somit nicht herleiten. 233 Ebenso Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 272; Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 35. 234 Klein, Rundfunkfreiheit, S. 53; vgl. Schellenberg, AöR 119 (1994), 427, 442; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 70 f.; allgemeiner Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 17, nach dessen Aussage die Verfassung vom gesellschaftlichen Leitbild des Pluralismus ausgeht. 235 BVerfGE 12, 205, 263; 57, 295, 325. 236 BVerfGE 57, 295, 320. 237 Vgl. BVerfGE 73, 118, 156, 159, 168.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
IV. Strukturmodelle Vor dem Hintergrund des vorangegangenen Rundfunkmissbrauchs, bei dem es unter den Nationalsozialisten zur präzisen inhaltlichen Ausgestaltung des Rundfunkprogramms gekommen war238, entschloss man sich nach dem Zweiten Weltkrieg, das Pluralismusgebot nicht direkt durch bestimmte Programmvorgaben festzulegen, sondern indirekt mittels der Festlegung bestimmter Organisationsstrukturen sicherzustellen. Von daher erklärt es sich, weshalb den Programmgrundsätzen der Vielfalt und Ausgewogenheit vom Gesetzgeber keine genauen Maßstäbe an die Seite gestellt wurden, sondern in den einzelnen Rundfunkgesetzen lediglich behutsam umschriebene Formulierungen zu finden sind. Als mögliche Organisationsstrukturen standen das Modell eines Binnenpluralismus sowie das eines Außenpluralismus zur Verfügung. 1. Binnenpluralistisches Modell Bei diesem, auch als „Integrationsmodell“ bezeichneten Organisationsmodell wird die Vielfalt der Meinungen und Gegenstände intern, d. h. innerhalb der Programme eines einzelnen Veranstalters, durch Programmbindungen und pluralismusgewährleistende Vorkehrungen bei Personal und Organisation gesichert239. Um eine große Zahl von Informations- und Meinungsträgern zu Wort kommen zu lassen und Einseitigkeit entgegenzuwirken, werden möglichst viele Meinungsrichtungen und Ansichten in das Programm eines Veranstalters integriert; der erwünschte Pluralismus soll dort selbst erzeugt werden240. Vom Rundfunkbetreiber wird ein in sich ausgewogenes Gesamtprogramm verlangt241, die Vielfalt der Meinungen und Inhalte muss angemessen repräsentiert sein. Auch die Abkopplung vom ökonomischen Markt durch eine gemeinwirtschaftlich ausgeformte, nicht gewinnorientierte Finanzierung soll zur Orientierung am Gemeinwohl beitragen242. 238
Siehe bereits unter B. II. 1. Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 189; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 233. 240 Vgl. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 322; Langenbucher, MP 1990, 699, 705. 241 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 233; Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, S. 21; vgl. hierzu auch BVerfGE 57, 295, 326; 74, 297, 326; 87, 181, 203. 242 Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 189; ders., in: Benda/Maihofer/ Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 52. 239
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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2. Außenpluralistisches Modell Bei dem „außenpluralistischen Modell“, auch „Markt-“ oder „Konkurrenzmodell“ genannt, konkurriert eine große Zahl unterschiedlich ausgerichteter Medienprodukte miteinander, so dass gegenständliche wie auch meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit nicht bereits bei jedem einzelnen Veranstalter, sondern erst in der Gesamtbetrachtung aller auf dem Markt agierender Veranstalter gegeben sein muss243. Die Vielfalt wird nach diesem Modell nicht erst mit Hilfe einer bestimmten Gremienzusammensetzung hergestellt, sondern soll sich aufgrund des Wettbewerbs der einzelnen Veranstalter und Programme und der damit verbundenen Orientierung an den Interessen der Rezipienten gleichsam von selbst einstellen244. Anstelle eines Kontrollgremiums obliegt dem Wettbewerb die Aufgabe der Vielfaltssicherung245, rechtliche Rahmenregelungen können jedoch hinzutreten, sofern sie nicht so weitgehend sind, dass sie der Wettbewerbsfunktion schaden. Infolge des Vertrauens auf die Selbstregulierungskraft des Marktes bedarf dieses Modell weniger gesetzgeberischen Tätigwerdens und gesteht dem Veranstalter mehr Freiheit zu. Schlagwortartig lässt sich der Unterschied zwischen dem binnenpluralistischen und außenpluralistischen Modell so beschreiben, dass bei ersterem das Prinzip Vielfalt „im“ Rundfunk, beim letzteren Vielfalt „des“ Rundfunks lautet246. 3. Entscheidung für den Binnenpluralismus In Anbetracht der schlechten wirtschaftlichen Lage und nur weniger nutzbarer terrestrischer Frequenzen in der Nachkriegszeit bestand zunächst keine Möglichkeit der Etablierung so vieler verschiedener Rundfunkveranstalter und Programme, dass sich der für das außenpluralistische Modell notwendige Wettbewerb von selbst einstellen würde. Auch stand man in Europa anders als die Amerikaner der marktwirtschaftlichen Kraft des Wettbewerbs eher skeptisch gegenüber. Aus diesen Gründen fiel die Wahl der Organisationsstruktur beim Rundfunk nicht wie bei der Presse auf das Modell des Außenpluralismus, sondern man entschied sich mit der besonderen 243
Vgl. BVerfGE 57, 295, 326; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 234; Laschet, Programmgrundsätze, S. 130. Siehe auch BVerfGE 83, 238, 315, wonach die Vielfaltsanforderungen an das Gesamtprogramm unabhängig davon gelten, ob sich der Gesetzgeber für ein öffentlich-rechtliches oder privates Rundfunksystem entscheidet. 244 Hierzu Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 51. 245 Vgl. auch Kull, ZUM 1987, 355, 357; Scholz, AfP 1995, 357, 360. 246 Vgl. Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 39.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Anstaltsstruktur und einer speziellen Gremienzusammensetzung für das Modell des Binnenpluralismus. Später sollte das Bundesverfassungsgericht feststellen, daneben seien auch das Modell des Außenpluralismus oder aber Mischformen aus beiden – entweder in sich reinen oder aber jeweils durch Elemente des anderen Modells modifizierten – Modellen möglich; durch welche Art von Rundfunkorganisation die Vielfalt im Rundfunk letzten Endes gesichert werde, ob durch ein binnen- oder ein außenpluralistisches Organisationsmodell, sei dem Gesetzgeber zu überlassen247.
V. Nähere Ausgestaltung des binnenpluralistischen Modells bei der Rundfunkanstalt 1. Rundfunkrat Die Kontrolle über den Rundfunk wurde im Zuge der Neuorganisation dem Rundfunkrat als „ranghöchstem“ Organ der Rundfunkanstalt248 übertragen. In diesem Gremium sitzen Vertreter der verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen249 wie z. B. Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Universitäten, Vertreter aus dem Kultur- und Sportbereich. Die Vertreter werden in der Regel von den Institutionen des öffentlichen Lebens selbst bestimmt und entsandt250 und sollen durch ihre Erfahrungen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen eine Vielfalt der Anschauungen zum Ausdruck bringen251. Die Auswahl der zu beteiligenden gesellschaftlichen Gruppen obliegt dem Gesetzgeber, der bei der Nutzung seines Gestaltungsspielraumes die Gewährleistung der Meinungsvielfalt zu beachten hat252. Auch Mitglieder politischer Parteien oder aus dem staatlichen Bereich können Rundfunkratssitze innehaben, nach der Grundkonzeption der Alliierten ist ihre Anzahl jedoch begrenzt253. 247 Vgl. BVerfGE 12, 205, 261 f.; 57, 295, 321, 325; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 324; 83, 238, 296, 316; 87, 181, 198; 89, 144, 152; 90, 60, 94. 248 BVerfGE 31, 314, 328; Jank, Rundfunkanstalten, S. 93; Ricker, Kompetenzen der Rundfunkräte, S. 42. 249 Eine ausführliche Übersicht der möglichen Interessenvertreter findet sich bei Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 809 ff. 250 Brack, Organisation, S. 19. 251 BVerfGE 83, 238, 333. 252 BVerfGE 83, 238, 334; Hesse, Rundfunkrecht, S. 159. 253 Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 12. So auch das Bundesverfassungsgericht, das in diesem Zusammenhang von einem angemessenen Anteil staatlicher Vertreter in den Organen spricht, eine Beherrschung durch den Staat jedoch mit Art. 5 GG für unvereinbar hält (BVerfGE 12, 205, 263).
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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Diese besondere Konstruktion ersann man, um angesichts der vergangenen Erfahrungen zu verhindern, dass wieder eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe oder Person die Macht im Rundfunk übernehmen konnte. Vielmehr soll die Kollegialstruktur der Rundfunkräte und der diesem Organ innewohnende Zwang zur Einigung und gegenseitigen Rücksichtnahme die Integration vieler Personen und vielfältiger Meinungen bewirken und die gegenseitige Neutralisierung der zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen bestehenden Interessengegensätze ermöglichen254. Die wichtigste Aufgabe des Rundfunkrates ist es daher, mittels seiner besonderen Struktur möglichst alle gesellschaftlichen Strömungen in der Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen255 und den Prozess der Meinungsbildung zur Sicherung der Meinungsvielfalt offen zu halten256. Dem kommt der Rundfunkrat im Wesentlichen dadurch nach, dass er den Intendanten in Programmfragen berät257, wobei das Beratungsergebnis für den Intendanten rechtlich gesehen regelmäßig nicht verbindlich ist258. Daneben besitzt der Rundfunkrat häufig die Befugnis zur Konkretisierung des gesetzlich oder staatsvertraglich festgelegten Programmrechts mittels Richtlinien259. Dabei handelt es sich zumeist um generelle Leitgrundsätze bezüglich der grundsätzlichen Programmausrichtung, die im Wesentlichen die Programmgrundsätze mit anderen Worten darstellen und näher ausführen, ohne dabei jedoch konkrete Vorgaben zu machen260. Hinzu kommt ein Recht zur Programmüberwachung bzw. -kontrolle hinsichtlich solcher Ver254 Herrmann, Rundfunkrecht, § 11 Rn. 31; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 233; Jank, DVBl 1963, 44, 46. 255 So ähnlich formulieren es auch die entsprechenden rundfunkrechtlichen Bestimmungen, wenn es dort heißt, der Rundfunk solle die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks vertreten, siehe z. B. Art. 6 Abs. 1 S. 1 BR-G; § 20 Abs. 1 S. 1 MDR-StV; § 18 Abs. 1 S. 1 NDR-StV; § 12 Abs. 2 S. 1 RBB-StV; § 16 Abs. 1 S. 1 WDR-G; § 32 Abs. 1 S. 1 DW-G. Massive Kritik an der Realisierung dieses Anliegens übt Jank, Rundfunkanstalten, S. 59 ff., der zu dem Schluss kommt, wie alle anderen Formen des Verbänderates könne auch der pluralistische Rundfunkrat nicht als wirkliche Repräsentation der Allgemeinheit angesehen werden. 256 BVerfGE 60, 53, 67. 257 Siehe z. B. Art. 7 Abs. 3 Nr. 7 BR-G; § 18 Abs. 2 S. 1 NDR-StV; § 13 Abs. 1 S. 1 RBB-StV; § 16 Abs. 3 WDR-G; § 20 Abs. 1 ZDF-StV; § 20 Abs. 1 DLR-StV. 258 Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 314; Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 109; hierzu auch Jank, DVBl 1963, 44, 49; Hesse, Rundfunkrecht, S. 162; Ricker, Kompetenzen der Rundfunkräte, S. 24. 259 § 20 Abs. 4 Nr. 2 MDR-StV; § 15 Abs. 3 Nr. 4 SWR-StV; § 32 Abs. 3 Nr. 2 DW-G; § 20 Abs. 1 S. 1 DLR-StV; § 20 Abs. 1 ZDF-StV. Zur Richtlinienkompetenz des ZDF-Fernsehrates Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 107 ff. 260 Vgl. beispielsweise die Richtlinien für die Sendungen des „Zweiten Deutschen Fernsehens“ v. 11.07.1963 in der Fassung v. 22.09.2000.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
stöße, die sich aus der Verfassung, den Rundfunk-Gesetzen sowie Programmlinien ergeben261. Zur Entlastung des Rundfunkrates und zur intensiveren Auseinandersetzung mit Programmfragen besteht die Möglichkeit zur Bildung von Ausschüssen262. Insgesamt kommt dem Rundfunkrat allerdings keine direkte Programmgestaltungskompetenz zu263, trägt doch der Intendant allein für die Programmgestaltung die Verantwortung264, so dass ihm auch die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse zuzugestehen sind. Anderenfalls käme es zu einer Vermischung von Verantwortlichkeiten, Gestaltung und Kontrolle lägen dann in einer Hand265. Das Bundesverfassungsgericht äußert sich im Hinblick auf eine Programmgestaltungskompetenz der Rundfunkanstalten teilweise widersprüchlich. Während es den Rundfunkräten in der vierten Entscheidung zwar eher mittelbare, aber dennoch Einflussmöglichkeiten auf die Programmgestaltung zuschreibt266, geht es im Fernsehurteil davon aus, es sei Sache der Rundfunkräte, die an der Programmgestaltung beteiligten Kräfte darauf zu kontrollieren und dahin zu korrigieren, dass den gesetzlichen Grundsätzen Genüge getan werde267, und führt in der sechsten Rundfunkentscheidung aus, die Bildung der Aufsichtsgremien aus gesellschaftlich relevanten Gruppen habe nicht den Sinn, diesen die Programmgestaltung zu übertragen, sie sollten die für die Programmgestaltung maßgeblichen Organe kontrollieren268. 2. Verwaltungsrat Dem Rundfunkrat wurde mit dem Verwaltungsrat ein weiteres, allerdings kleineres Kontrollgremium zur Seite gestellt, dessen Mitglieder größtenteils vom Rundfunkrat für eine gewisse Zeit gewählt werden, aber anteilig auch von staatlicher Seite besetzt werden können269. Hauptaufgabe dieses Kollegiums ist es, den Intendanten außerhalb der Programmfragen, d. h. beson261 Siehe z. B. Art. 6 Abs. 1 S. 2, 7, Abs. 3 Nr. 8 BR-G; §§ 18 Abs. 2 S. 1, 20 Abs. 2 S. 1 NDR-StV; § 10 Nr. 6 RB-G; § 28 Abs. 1, 3 SMG; § 16 Abs. 4 WDR-G; § 20 Abs. 1 S. 2 DLR-StV; § 20 Abs. 1 S. 2 ZDF-StV. 262 Siehe z. B. in § 10 HR-G; § 24 MDR-StV; § 22 NDR-StV; § 11 Abs. 7 RB-G; § 30 SMG; § 19 SWR-StV. 263 Vgl. Ricker, Kompetenzen der Rundfunkräte, S. 22; Hesse, Rundfunkrecht, S. 164, 166; Schreier, Selbstverwaltungsrecht, S. 117. 264 § 29 Abs. 1 S. 1 MDR-StV; § 35 Abs. 1 S. 2 SMG; § 25 Abs. 1 S. 1 WDR-G. 265 Vgl. auch Hesse, Rundfunkrecht, S. 164. 266 BVerfGE 73, 118, 170. In diese Richtung auch das abweichende Votum zur zweiten Rundfunkentscheidung der Richter Geiger, Rinck und Wand, BVerfGE 31, 337, 340. 267 BVerfGE 12, 205, 262; vgl. auch BVerfGE 60, 53, 65 f. 268 BVerfGE 83, 238, 333.
C. Der erreichte Stand der Rundfunkstruktur
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ders bei technischen und wirtschaftlichen Fragen, zu überwachen270. Er verfügt über keine unmittelbaren programmlichen Einflussmöglichkeiten, kann jedoch mittelbar Einfluss auf das Programm ausüben, da er durch sein Recht auf Haushaltsprüfung und Überwachung der Geschäftsführung letztlich Zugriff auf die gesamte laufende Anstaltstätigkeit einschließlich des Programms hat. Eine pluralistische Zusammensetzung gleich dem Rundfunkrat wird hier nicht für nötig erachtet271, da es im Wesentlichen nicht um programminhaltliche, sondern um wirtschaftliche und technische Fragen geht, für die es in erster Linie mehr auf Sachkenntnis statt auf angemessene Repräsentation der gesellschaftlichen Strömungen ankommt und die eine schnelle Bearbeitung laufender Entscheidungsprozesse fordern. 3. Intendant Der Intendant ist das Exekutivorgan der Anstalt und wird vom Rundfunkoder Verwaltungsrat oder von beiden zusammen für einen begrenzten Zeitraum gewählt272. Er leitet die Anstalt, vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich nach außen und trägt die Programmverantwortung273. Seine Leitungskompetenz übt er im Wesentlichen durch Organisation, Auswahl, Überwachung und Anweisung der Mitarbeiter aus274. Insgesamt ergibt die nähere Ausgestaltung der diversen Rundfunkanstalten folgendes Bild: Der Intendant verfügt angesichts seiner Programmverantwortung als Leiter der Anstalt über eine starke Position, die wiederum jedoch durch die Kontrollbefugnisse des Rundfunkrates (für Programmfragen) und des Verwaltungsrates (für technische und wirtschaftliche Fragen) beschnitten wird. Rundfunk- und Verwaltungsrat haben selbst jedoch grund269
Ausnahmen bestehen beim MDR, NDR und RBB, dort werden die Verwaltungsratsmitglieder ausschließlich vom Rundfunkrat gewählt, § 25 Abs. 1 MDRStV; § 24 NDR-StV; § 19 Abs. 1 RBB-StV. Bei RB wird ein Drittel der Verwaltungsratsmitglieder von den Beschäftigten gewählt, § 12 Abs. 1 RB-G. 270 Siehe z. B. Art. 10 BR-G; § 25 NDR-StV; § 18 RBB-StV; § 21 WDR-G; § 23 Abs. 1 ZDF-StV. 271 Hesse, Rundfunkrecht, S. 168. 272 Siehe z. B. Art. 7 Abs. 3 Nr. 1 BR-G; § 28 Abs. 1 S. 1 NDR-StV; § 22 Abs. 1 RBB-StV; § 16 Abs. 2 Nr. 3 WDR-G; § 26 Abs. 1 ZDF-StV; § 40 Abs. 1 DW-G. Eine Sonderform existiert bei RB, dort wurde die Anstalt bis 1999 anstelle des Intendanten von einem fünfköpfigen Direktorium geleitet, deren Beschlüsse dann der (ebenfalls zum Direktorium gehörende) Intendant ausführte. Heute trägt auch hier der Intendant die Verantwortung, ihm stehen jedoch weiterhin zwei bis vier Direktoren zur Seite, allerdings nicht mehr gleichberechtigt, §§ 15, 16 RB-G. Näher zur früheren Konstellation Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, S. 96 ff. 273 Siehe z. B. heute Art. 12 BR-G; § 29 NDR-StV; § 21 RBB-StV; § 25 WDR-G; § 27 DLR-StV; § 42 DW-G. 274 Hesse, Rundfunkrecht, S. 155.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
sätzlich keine Gestaltungskompetenzen, sondern sind hierfür wiederum auf den Intendanten als treibende Kraft angewiesen. Durch diese wechselseitige Beschneidung von Zuständigkeiten, gegenseitige Kontrolle und Arbeitsteilung wird eine einseitige Machtzusammenballung im Rundfunk verhindert und die Rundfunkfreiheit gesichert275.
VI. Dezentrale Struktur und Gebührenfinanzierung Ebenfalls machtbegrenzend sollte eine dezentrale Struktur des Rundfunkbereichs wirken, die zum Teil bewusst im Gegensatz zum zentralistisch aufgebauten Rundfunk im Dritten Reich konzipiert wurde, sich jedoch auch zwangsläufig aus der Einteilung Deutschlands in Besatzungszonen ergab. Ein Kennzeichen des deutschen Rundfunks ist daher – im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten wie beispielsweise dem zentralistisch aufgebauten französischen Rundfunk – sein föderalistischer Aufbau276. Um auch in finanzieller Hinsicht unabhängig zu sein, also den Aufbau irgendwie gearteter Abhängigkeiten etwa über die Finanzierung zu verhindern, wurde das bisherige Prinzip der Gebührenfinanzierung aufrecht erhalten277. Ein zusätzliches finanzielles Standbein stellten die Einnahmen aus der Ausstrahlung von Wirtschaftswerbung dar. Als erster Nachkriegssender führte der RIAS 1948 wieder die Werbung im (Hör-)Rundfunk ein, die seit der Gründung der Rundfunkgesellschaften in den zwanziger Jahren zum festen Programmbestand gehört hatte, jedoch von den Nationalsozialisten aus dem Rundfunk verbannt worden war278. Weitere Rundfunkanstalten folgten. Den Anfang bei der Sendung von Werbefernsehen machte 1956 der BR, dem bis 1959 auch die anderen Rundfunkanstalten nachkamen279.
VII. Betrachtung des Strukturstandes Der so organisierte Rundfunk sollte aufgrund der – begrenzter staatlicher Rechtsaufsicht unterworfenen – dezentralisierten Anstaltsform, der aufgestellten Programmgrundsätze, der binnenpluralistischen Struktur und der Gebührenfinanzierung mit größtmöglicher Sicherheit sowohl eine einseitige 275 Hesse, Rundfunkrecht, S. 166; hierzu unter dem Stichwort „Gewaltenteilung“ auch Weber, in: Borinski u. a., Rundfunk im politischen und geistigen Raum, S. 69 ff. 276 Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 8. 277 Die Gebühr betrug zu Beginn monatlich 2,– RM bzw. später 2,– DM für den Hörfunk, für das aufkommende Fernsehen ab 1954 dann zusätzlich 5,– DM. 278 Bachof, Verbot des Werbefernsehens, S. 12. 279 Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 85.
D. Aufkommen des Fernsehens bis zur Digitaltechnik des 21. Jahrhunderts
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Beeinflussung durch staatliche als auch durch private Interessen ausschließen und stattdessen als unabhängige Institution allen in der Gesellschaft vorkommenden Strömungen die Möglichkeit zur Hör- und Sichtbarmachung geben. Nach anfänglichem Widerstand konnte sich die Form der Anstalt des öffentlichen Rechts mit einem pluralistisch besetzten Rundfunkrat durchsetzen. Das Ziel der westlichen Besatzungsmächte, einen dezentralen und unabhängigen Rundfunk aufzubauen, schien erreicht. Auch heute noch liegt diese Konzeption dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugrunde.
D. Die weitere Entwicklung vom Aufkommen des Fernsehens bis zur Digitaltechnik des 21. Jahrhunderts I. Veränderungen und das Aufkommen des Fernsehens in den fünfziger Jahren 1. Entstehung der ARD In Anbetracht der ähnlichen Struktur der (zunächst noch) sechs Rundfunkanstalten280 und der daraus folgenden gleichen Interessen und Probleme wurde bald nach Entstehung der ersten Rundfunkanstalten eine organisierte Arbeitsgemeinschaft ins Auge gefasst281. Ihre wesentlichen Ziele sollten sein: gemeinsame Interessenvertretung, Programmabstimmung und -austausch sowie die Veranstaltung von Gemeinschaftssendungen282. Außerdem wollte man den Rundfunk auch auf nationaler und internationaler statt nur auf Länderebene repräsentieren283. Gleichzeitig sollte jedoch alles vermieden werden, was die Unabhängigkeit der einzelnen Rundfunkanstalten beschnitten und wieder zu einer gefährlichen Zentralisierung ähnlich wie bei der Reichsrundfunkgesellschaft in der Weimarer Zeit geführt hätte. Aus diesen Gründen kam es am 9./10. Juni 1950 auf Basis einer Satzung zu einem losen Zusammenschluss ohne eigene Rechtspersönlichkeit284 und am 5. Au280 Die später entstandenen Rundfunkanstalten sollten der ARD im weiteren Verlauf ebenfalls beitreten. 281 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 34; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 212. 282 Vgl. § 2 der ARD-Satzung, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, C IV 1.100. 283 Hesse, Rundfunkrecht, S. 12; siehe zu den Zielen auch § 2 Abs. 1 ARD-Satzung. 284 Hesse, Rundfunkrecht, S. 13, 201; Paschke, Medienrecht, Rn. 388; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 748; a. A. z. B. Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 259 f., der die ARD als Gesellschaft bürgerlichen Rechts be-
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gust 1950 zur konstituierenden Sitzung dieses Zusammenschlusses, der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ (ARD). Die ARD war damals wie heute in hohem Maße dezentral organisiert. Sie verfügt weder über einen Vorstand noch einen Vorsitzenden als Person285. Vielmehr wird jährlich ein Mitglied, d. h. eine Rundfunkanstalt, zur geschäftsführenden Anstalt gewählt286. Deren vertretungsberechtigtes Organ, der Intendant, wird regelmäßig als „ARD-Vorsitzender“ bezeichnet. Dieser vertritt die ARD nach außen und leitet das oberste Beschlussgremium, die „Mitgliederversammlung“, an denen die Intendanten sowie Gremienvorsitzenden (Rundfunkrat und Verwaltungsrat) der jeweiligen Landesrundfunkanstalten teilnehmen287. Die Mitgliederversammlung findet entweder in der vorgenannten Form der „Hauptversammlung“ statt und behandelt Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung288 oder sie findet in Form von „Arbeitssitzungen“ statt, an denen hautsächlich die Intendanten teilnehmen289, und erledigt die laufenden Geschäfte290. Daneben bestehen u. a. „Federführungen“291, eine „Konferenz der Gremienvorsitzenden“292, diverse spezialisierte Fach- und auch Sonderkommissionen293 sowie ein „Gesamtrat“294. Beschlüsse der ARD unterliegen im Grundsatz der Einstimmigkeit295 und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit noch einer Umsetzung durch jede einzelne Anstalt296. zeichnet; vgl. auch Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, S. 25; ebenfalls a. A. Herrmann, Rundfunkrecht, § 16 Rn. 8 ff. m. w. N., der die Organisationsform der ARD dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuordnet; grundlegend zur Frage der Rechtsnatur der ARD Steinwärder, ARD, S. 297 ff. m. w. N., der zu dem Ergebnis kommt, die ARD sei zwar als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet worden, habe sich jedoch mittlerweile zu einer nicht-rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verbandseinheit gewandelt, S. 314 ff. 285 Vgl. hierzu Steinwärder, ARD, S. 65. 286 § 3 Abs. 1 S. 1 ARD-Satzung. Eine Verlängerung um ein weiteres Jahr ist gem. § 3 Abs. 1 S. 2 ARD-Satzung möglich und erfolgt in der Regel auch. 287 § 5 Abs. 2 lit. a) ARD-Satzung. 288 § 5 Abs. 3 S. 2 ARD-Satzung. 289 § 5 Abs. 2 lit. b) ARD-Satzung. 290 § 5 Abs. 3 S. 1 ARD-Satzung. 291 § 3 Abs. 2 ARD-Satzung. 292 § 5a ARD-Satzung. 293 Hierzu Springer, Reform der ARD, S. 39 ff.; Steinwärder, ARD, S. 74 ff. 294 § 2 Abs. 1 lit. d) i. V. m. Anlage 1 ARD-Satzung. 295 § 4 Abs. 3 ARD-Satzung. 296 Hesse, Rundfunkrecht, S. 203, vergleicht die ARD-Beschlüsse insofern mit Staatsverträgen, deren Wirksamkeit ebenfalls noch nicht mit Abschluss des Vertrages, sondern erst mit einer ordnungsgemäßen Transformation in innerstaatliches Recht gegeben ist.
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Die infolge der weitgehend föderalistischen Organisation kleinräumigen und verästelten Strukturen der ARD, die vorgeschalteten Kommissionen, die Art der Beschlussfassung sowie das Erfordernis der gesonderten Umsetzung in den jeweiligen Landesrundfunkanstalten lassen die ARD in ihrem Entscheiden und Handeln insgesamt als kompliziert und infolgedessen als wenig flexibel und effizient erscheinen. Eine weitgehend zentralisierte Organisation würde demgegenüber wesentlich schneller entscheiden können297. In diesem Zusammenhang sind gleichzeitig jedoch strukturbedingte Faktoren wie regionale Vielfalt, ein durch die diversen Interessen ausgewogenes Programm sowie die Integrationswirkung zu bedenken298. 2. Neues Medium Fernsehen Nachdem bereits 1910 erstmalig Bildern übertragen wurden299, die erste öffentliche Präsentation des Fernsehens auf der Funkausstellung 1928 stattfand300 und am 22. März 1935 ein regelmäßiger Programmdienst in Deutschland eröffnet wurde301, kam es erst drei Jahre nach Kriegsende (zunächst war aufgrund der Verwandtschaft der Fernseh- mit der Radar-Technik jede Tätigkeit auf dem Gebiet der Fernsehtechnik verboten) zum Aufbau eines neuen Fernsehversuchsbetriebes beim britischen NWDR. Am 25. Dezember 1952 begann der offizielle Fernsehprogrammdienst des NWDR302. Angesichts hoher Investitions- und Programmkosten einer Produktion eigenständiger Fernsehprogramme303, die die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Rundfunkanstalten überstiegen hätten, trafen die ARD-Landesrundfunkanstalten 1953 mit dem Fernsehvertrag304 die Übereinkunft, ein 297
Ebenso Hesse, Rundfunkrecht, S. 205. Zur Kritik an der Struktur der ARD vgl. auch Kops, in: Kops/Sieben, Organisationsstruktur, S. 38 ff. 298 Näher zu strukturverändernden Bestrebungen und deren Diskussion 3. Teil B. II. 4. 299 Auch die Technik des Fernsehens ist auf die von Heinrich Hertz 1887/88 nachgewiesenen elektromagnetische Wellen gegründet, die nicht nur Töne, sondern auch Bilder drahtlos übertragen können (Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 61; zur Entwicklung des Fernsehens vgl. Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 74 ff.). 300 Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 79; Pipke, Rundfunk und Politik, S. 9. 301 Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 116; Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 85. 302 Pipke, Rundfunk und Politik, S. 9; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 215. 303 Gegenüber den damaligen Kosten für eine Hörfunkprogramm-Minute i. H. v. 25 DM lagen die Kosten für eine Fernsehprogramm-Minute mit 500 DM wesentlich höher (Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 267). 304 Verwaltungsvereinbarung der Landesrundfunkanstalten über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Fernsehens (ARD-Fernsehvertrag) v. 12.06.1953. Später, 6 Lindschau
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gemeinsames Fernsehprogramm zu produzieren, zu dem jede Anstalt gemäß ihrer finanziellen Möglichkeiten einen gewissen Anteil an Sendungen beizutragen hatte305. Für die Veranstaltung des „Deutschen Fernsehens“, das am 1. November 1954 offiziell startete306, wurde eine aus den Intendanten oder deren Beauftragten zusammengesetzte „Ständige Programmkonferenz“ mit einem „Programmdirektor“ genannten Vorsitzenden etabliert, um die Beiträge der einzelnen Landesrundfunkanstalten zu einem Gemeinschaftsprogramm zusammenzufügen307. Ihr beratend zur Seite gestellt wurde der „Fernsehbeirat“, dem je ein Gremienmitglied der beteiligten Rundfunkanstalt angehört308. In der DDR wurde nach dem Ende einer Erprobungsphase von 1952 bis 1955 am 3. Januar 1956 mit dem „Deutschen Fernsehfunk“ (DFF) das offizielle Fernsehprogramm der DDR eröffnet; ein weiteres Programm (DFF II) trat am 3. Oktober 1969 hinzu309. Auch hier kam es im Folgenden wieder zu einem bewussten Einsatz des Rundfunks als politisches Steuerungsinstrument. Die Grundaufgabe des Fernsehens wurde darin gesehen, „bei der geistigen Formung des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft mitzuhelfen“310.
II. Aufkommende Kompetenzkonflikte und Klärung grundlegender Rundfunkprinzipien 1. Ausgangslage Bereits in der Weimarer Republik war es zu Konflikten zwischen Reich und Ländern über die Kompetenz für den Rundfunk gekommen. Diese wurden zwar durch einen Kompromiss beigelegt, die Kompetenzfrage blieb jedoch offen. Zurzeit der Entstehung des Grundgesetzes war zwar die Frage, ob künftig der Bund oder die Länder für den Rundfunk zuständig sein sollten, im Parlamentarischen Rat erörtert worden311, dies hatte jedoch zu keiim Jahre 1959, wurde der Fernsehvertrag noch durch ein Abkommen aller Länder über die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms v. 17.04.1959 abgesichert, vgl. z. B. GVBl Nds 1959, S. 89; GVBl NW 1959, S. 115. 305 Der heutige Verteilungsschlüssel (Nr. 5 Abs. 1 ARD-Fernsehvertrag) für die Sendezeit sieht wie folgt aus: WDR 21,25%; SWR 17,95%; NDR 16,45%; BR 14,7%; MDR 11,45%; HR 7,2%; RBB 7,0%, SR 2,5% und RB 2,5%. 306 Seit 1984 „Erstes Deutsches Fernsehen“. 307 Nr. 3 lit. a), Nr. 4 Abs. 2 ARD-Fernsehvertrag, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, C IV 1.300. 308 Nr. 3 lit. b) ARD-Fernsehvertrag. 309 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 256 f. 310 Adameck, Einheit 17 (11/1962), 75, 77. 311 Parlamentarischer Rat, Hauptausschuss, 29. Sitzung, v. 05.01.1949, S. 351 f.
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nem klaren Ergebnis geführt. Man beließ es im Folgenden daher dabei, dem Bund über Art. 73 Nr. 7 GG die ausschließliche Kompetenz für das Post- und Fernmeldewesen zuzusprechen, ohne den Rundfunk als solchen ausdrücklich zu erwähnen. Da zunächst die alliierten Vorbehaltsrechte gerade im Bereich des Rundfunks weiterhin galten312, kam es noch nicht zu einem Ausbrechen des sich anbahnenden Konflikts, der zusätzlich durch die diversen Rechtsgrundlagen (teils noch aus Reichszeiten, teils von der Alliierten Hohen Kommission oder aber auch den Militärregierungen stammend) verkompliziert wurde. 2. Erste Bestrebungen des Bundes Schon 1949 bekundete die gerade eingesetzte Bundesregierung, die in der bisherigen Rundfunkorganisation ein Instrument der Opposition sah313 – ein Argument, das im weiteren Verlauf von der anderen Seite bei der Diskussion um die Einführung privaten Rundfunks erneut auftauchen sollte314, zum ersten Mal Interesse am Rundfunk, indem von Seiten des Bundesinnenministeriums Entwürfe für eine Regelung des Rundfunkwesens durch ein Bundesgesetz vorgelegt wurden. Nachdem diverse Bemühungen um einen Bundesrundfunk am Widerstand der Alliierten Hohen Kommission sowie der Länder gescheitert waren315, sah der Bund mit der Auflösung der Alliierten Hohen Kommission, der Wiedererlangung teilweiser Souveränität Deutschlands 1955 und der Erschließung neuer Frequenzbereiche, die den Aufbau eines zweiten Fernsehnetzes möglich erscheinen ließen316, seine Möglichkeiten im Rundfunk wachsen. Interesse an einem zweiten Fernsehprogramm bestand auch bei den ARDAnstalten und Privaten wie dem Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Markenartikelverband oder dem Bundesverband Deutscher Zeitschriftenverleger, die sich eine Finanzierung angesichts der Entwicklung in Großbritannien, wo seit 1954 neben der öffentlich-rechtlich organisierten BBC ein zweites kommerziell veranstaltetes Fernsehprogramm ausgestrahlt wurde, über das seit 1956 wieder eingeführte Werbefernsehen versprachen317. 312 Gesetz Nr. 5 über die Presse, den Rundfunk, die Berichterstattung und die Unterhaltungsstätten v. 21.09.1949. 313 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 306. 314 Siehe nachstehend unter D. IV. 2. b) aa). 315 Näher Gellner, Ordnungspolitik, S, 39 f.; Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 35; Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 5; Brack, in: Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 18 f. 316 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 47. 317 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 386; Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 47; Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 84 ff. 6*
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Der Bund bemühte sich – basierend auf Art. 73 Nr. 7 GG, der ihm die ausschließliche Gesetzgebung über das Post- und Fernmeldewesen zusicherte – ebenfalls weiterhin um die Veranstaltung dieses zweiten Programms und so brachte die Bundesregierung im September 1959 erneut einen Entwurf eines Bundesrundfunkgesetzes ein318. Dieses beinhaltete drei Komplexe: die Gründung der Bundesanstalt „Deutsche Welle“, die das außereuropäische Ausland über Deutschland informieren sollte, der Bundesanstalt „Deutschlandfunk“ für ganz Deutschland (d. h. auch bzw. besonders für die DDR) und das europäische Ausland sowie des zweiten Fernsehprogramms „Deutschland-Fernsehen“, das als eine Art Auftraggeber für privatrechtliche Gesellschaften konzipiert war319. Diese drei Bundesanstalten sollten einen „Deutschen Rundfunkverband“ bilden. Im Bundestag fand sich allerdings nur eine Mehrheit für die Bestimmungen des Deutschlandfunks und der Deutschen Welle320, nicht jedoch für das Herzstück des geplanten zweiten Fernsehprogramms. 3. Gründung der „Deutschland-Fernsehen-GmbH“ Nach den jahrelangen vergeblichen Bemühungen um die Durchsetzung eines Bundesrundfunkgesetzes und dem teilweisen Scheitern im Bundestag gelang es dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer im Juli 1960 unter bewusster Umgehung der Länder, den Vertrag zur Schaffung der so genannten „Deutschland-Fernsehen-GmbH“ zu unterzeichnen. Finanzieren sollte sich diese GmbH nur durch Werbeeinnahmen. Den Ländern wurde zwar der Erwerb von Anteilen angeboten, die Anteilsmehrheit sollte jedoch beim Bund bleiben321. Im Gegensatz zur Streitbeilegung durch Kompromiss im Jahre 1925 lehnten es die Länder diesmal jedoch ab, sich mit dem Bund in irgendeiner Weise zu arrangieren und sich an der GmbH zu beteiligen und verwiesen nachdrücklich auf ihre Kulturhoheit. Sie riefen daher zur endgültigen Klärung des schon zu Zeiten der Weimarer Republik aufgebrochenen Konflikts das Bundesverfassungsgericht an.
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BT-Drucks. 3/1434. Hierzu Hillig, in: Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 98. 320 Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts v. 29.11.1960, BGBl 1960, I. Teil, S. 862. 321 Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 1 Rn. 6; Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 14; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 222. Vgl. auch die Ausführungen in BVerfGE 12, 205, 214 ff. 319
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4. Erste Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Fernseh-Urteil“) Die am 28. Februar 1961 ergangene erste Rundfunkentscheidung, das so genannte „Fernseh-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts sollte als „Magna Charta des Rundfunks“ in die Geschichte eingehen322. Das Gericht klärte nicht nur die bis dahin ungeklärte Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, sondern fällte darüber hinaus eine grundlegende Entscheidung über die Rolle des Rundfunks in der Gesellschaft und sein Verhältnis zum Staat. Diese vor mehr als vierzig Jahren vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Prinzipien bestimmen den Bereich des Rundfunks bis heute. a) Klärung der Kompetenzen im Rundfunkbereich Auch wenn dem Bund gem. Art. 73 Nr. 7 GG die ausschließliche Kompetenz für das Post- und Fernmeldewesen323 zusteht, kam das Bundesverfassungsgericht nach Auslegung dieser Vorschrift zu dem Ergebnis, dieser Titel umfasse „nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der so genannten Studiotechnik, nicht aber den Rundfunk als Ganzes“324. Angesichts dessen, dass der Rundfunk „auch ein kulturelles Phänomen“325 sei, seien alle anderen Bereiche des Rundfunks, also der publizistisch-programmliche Aspekt sowie die gesamte Organisation einschließlich der Studiotechnik, Ausfluss der Kulturhoheit und damit gem. Art. 30, 70 ff. und Art. 83 ff. GG Ländersache. Der Hinweis, die Veranstaltung von Rundfunk sei eine überregionale Aufgabe der nationalen Repräsentation, vermochte nach Ansicht des Gerichts ebenfalls keine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache herbeizuführen326. Die Argumentation zeigt gewisse Parallelen zur Weimarer Zeit. Auch dort versuchte das Reich, seine Rundfunkkompetenz mit seiner gesamtstaatlichen, nationalen Verantwortung zu begründen327. Anders als dort war es 322 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 11; Hesse, Rundfunkrecht, S. 16. Die Bedeutsamkeit dieses Urteils lässt sich u. a. auch feststellen, betrachtet man die im zweibändigen Werk von Zehner, Der Fernsehsehstreit, auf knapp 800 Seiten abgedruckten Prozessmaterialien. 323 Seit 1994 heißt es statt „Fernmeldewesen“ jetzt „Telekommunikation“ (BGBl 1994, I. Teil, S. 2245), eine inhaltliche Änderung ging damit nicht einher, BTDrucks. 12/7269, S. 4. 324 BVerfGE 12, 205, 225. 325 BVerfGE 12, 205, 229. 326 BVerfGE 12, 205, 242, 250 ff. 327 Siehe unter B. I. 3. b).
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nun jedoch der zentralen Ebene nicht gestattet worden, sich mit dem bloßen Verweis auf ihre Funkhoheit und Fernmeldekompetenz für den gesamten Rundfunkbereich für zuständig zu erklären. b) Grundlegende Aussagen zur Wirkungsweise und Organisation des Rundfunks Neben den Äußerungen zu den Kompetenzen traf das Gericht jedoch auch grundlegende Aussagen zur Wirkungsweise und Organisation des Rundfunks. So zählte es den Rundfunk „zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln, durch die Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen und diese mitgebildet“ werde328. Indem der Senat den Rundfunk nicht nur als „Medium“, sondern auch als einen eminenten „Faktor“ der öffentlichen Meinungsbildung einstufte329, brachte er zum Ausdruck, dass der Rundfunk nicht bloß als Übermittler von Meinungen und Informationen anderer fungiert, sondern selbst durch Auswahl der zu sendenden Inhalte und der Bestimmung der Art, des Umfangs und des Zeitpunkts der Ausstrahlung zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. Angesichts dieser Wirkungsweise, so das Gericht weiter, müsse durch gesetzliche Regelungen sichergestellt werden, dass alle in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kämen und ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung bestehe330. Mit Blick auf die grundlegende Bedeutung des Rundfunks als Medium und Faktor wie auch auf seinen zurückliegenden Missbrauch bereits in der Weimarer Zeit und durch den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda entwickelte das Gericht das Gebot der Staats- und Gruppenferne des Rundfunks und kam zu dem Ergebnis, der Rundfunk dürfe weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden331. Die vom Bund gegründete und beherrschte Deutschland-Fernsehen-GmbH lieferte jedoch den Rundfunk vollständig dem Staat aus, da die Deutschland-Fernsehen-GmbH jederzeit über einfache Veränderungen des Gesellschaftsvertrags geändert hätte werden können; die so wichtige Rundfunkfreiheit war gesetzlich nicht abgesichert. Damit erwies sich diese Konstruktion insgesamt als verfassungswidrig. Betont wurde – trotz der inhaltlichen Gleichsetzung – ein wesentlicher Unterschied zwischen Presse- und Rundfunkfreiheit. Dieser bestehe darin, dass es im Bereich der Presse eine Vielzahl von miteinander konkurrieren328 329 330 331
BVerfGE 12, 205, BVerfGE 12, 205, BVerfGE 12, 205, Vgl. BVerfGE 12,
260. 260. 262 f. 205, 262.
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den Anbietern gäbe, wohingegen es im Bereich des Rundfunks angesichts der technischen (Frequenzknappheit) und finanziellen Sondersituation (hoher pekuniärer Aufwand) in nächster Zeit zu keiner Vielzahl von Anbietern kommen werde. Angesichts dieser Sondersituation seien besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung der Rundfunkfreiheit erforderlich. Die unter den Alliierten getroffene Entscheidung für eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt mit pluralistisch zusammengesetzten Organen wurde zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der Rundfunkfreiheit als dienlich erachtet332. Damit wurde das in der Nachkriegszeit geschaffene öffentlich-rechtliche Rundfunksystem bestätigt. Da sich die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Rundfunkorganisation besonders auf die technische und finanzielle Sondersituation des Rundfunks stützte, würden künftige Veränderungen in diesem Bereich fortan eine Neubeurteilung erforderlich machen. 5. Gründung des ZDF Die Verantwortung für die Errichtung eines zweiten Fernsehprogramms lag nun wieder uneingeschränkt in den Händen der Länder. Zur Enttäuschung der privaten Interessenten, die sich eine Beteiligung an einem zweiten Fernsehprogramm und dessen Werbeeinnahmen erhofft hatten333, schufen die Länder gemeinsam mit einem jeweils landesrechtlich transformierten Staatsvertrag334 eine ähnlich der Landesrundfunkanstalten konzipierte gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts. Diese sollte bundesweit und unabhängig von den bestehenden ARD-Anstalten ein Fernsehprogramm produzieren und senden335. Das „Zweite Deutsche Fernsehen“ (ZDF) nahm seinen Betrieb am 1. April 1963 auf und sollte einen Kontrast zum bisherigen ARD-Programm bieten336, was eine entsprechende Koordinierung mit der ARD zur Folge hatte.
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BVerfGE 12, 205, 261. Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 61. 334 Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen“ v. 06.06.1961, siehe z. B. GVBl Bay 1962, S. 111; GVBl Nds 1962, S. 2; GVBl NW 1961, S. 269. 335 Riedel, 60 Jahre Radio, S. 94; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 225. Nach Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 38, ist der Begriff der „Länderanstalt“ für das ZDF unscharf und ungenau, handele es sich beim ZDF nach seiner rechtlichen Qualität doch um eine Anstalt jedes vertragsschließenden Landes. 336 Hierzu Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 504 ff.; Donsbach/ Mathes, in: Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, Lexikon Publizistik, S. 488; Ricker/ Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 38. 333
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III. Weitere neue Rundfunkprogramme in den sechziger Jahren 1. „Deutschlandfunk“ und „Deutsche Welle“ Der zuvor durch das teilweise verabschiedete (Rumpf-)Bundesgesetz ins Leben gerufene „Deutschlandfunk“ (DLF) nahm sein Programm am 1. Januar 1962 auf. Am gleichen Tag startete auch die „Deutsche Welle“ (DW) und löste damit das seit 1953 bestehende Provisorium, das im Auftrag der ARD schwerpunktmäßig vom WDR betrieben worden war337, ab. Wenngleich ähnlich wie die bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten organisiert, unterschieden sich DLF und DW jedoch hinsichtlich des Staatseinflusses wesentlich von diesen. So galt bei ihren Rundfunkräten nicht das „pluralistische Modell“, bei dem gesellschaftliche Gruppen dominieren, sondern das „staatlich-politische Modell“, bei dem die Kräfte aus Parlament und Regierung dominierten, die drei Viertel der Ratsmitglieder wählen oder benennen durften338. Ein Grund hierfür wurde in den vorwiegend politischen und repräsentativen Aufgaben dieser Anstalten gesehen339. Zudem finanzierten sich beide Sender in unterschiedlichem Ausmaß über Bundesmittel: Während der DLF zudem Gebühren erhielt, bestritt die nicht für Rundfunkteilnehmer in Deutschland bestimmte DW ihr Programm vollständig mit Bundesmitteln340. Obwohl das Gesetz über DLF und DW zustande kam und dabei unter anderem Bezug auf die Bundeszuständigkeit aus Art. 73 Nr. 1 und 87 Abs. 3 GG genommen wurde341, war die Kompetenz des Bundes zur Errichtung dieser Anstalten angesichts der allgemeinen Länderzuständigkeit für die Rundfunkorganisation durchaus nicht unumstritten342. 337 Diller, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 150. Vgl. auch Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 338 ff., 349 f.; Steinwärder, ARD, S. 232 ff. 338 Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 308, 310. Zur Unterscheidung der Formen des Rundfunkrats in einen pluralistischen und einen staatlichen-politischen Rundfunkrat vgl. insbesondere Jank, Rundfunkanstalten, S. 24 ff. 339 Jank, DVBl 1963, 44, 47. Die staatliche Dominanz bei diesen beiden Sendern hat sich bis heute nur teilweise verändert: So werden nach dem neuen DeutscheWelle-Gesetz vom 16.12.1997 zwar nur noch 7 von 17 Mitgliedern des Rundfunkrates von staatlicher Seite bestimmt, beim Deutschlandradio, der Nachfolgeorganisation des DLF, sind es hingegen von 40 Mitgliedern noch immer 19, die von den Landesregierungen und der Bundesregierung entsandt werden, siehe § 31 DW-G; § 21 Abs. 1 DLR-StV. 340 § 45 DW-G. 341 BT-Drucks. 3/1434, S. 14. 342 Mallmann, JZ 1963, 350 ff., kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass der DLF nichts anderes als ein „überregionaler Bundessender“ ist, für den dem Bund keinesfalls eine Kompetenz zukommen könne, und dass das Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes (der Begriff der „auswärtigen Angelegenheiten“ in Art. 73 Nr. 1 GG
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2. Entstehung Dritter Fernsehprogramme Auch die Landesrundfunkanstalten, die fest damit gerechnet hatten, selbst die Ausstrahlung des zweiten Fernsehprogramms übernehmen zu können, wurden durch die Gründung des ZDF als unabhängige Länderanstalt enttäuscht343. Ihnen wurde daher erlaubt, in ihren Sendegebieten so genannte „Dritte Fernsehprogramme“ einzurichten. Die Voraussetzungen hierfür waren größtenteils bereits durch die Tatsache gegeben, dass die Landesrundfunkanstalten bis zum offiziellen Start des ZDF-Programms provisorisch die Ausstrahlung des zweiten Fernsehprogramms übernommen hatten344. In den Jahren 1964 bis 1969 entstanden daher fünf regionale – als „Dritte“ bezeichnete – Fernsehprogramme345, die anfangs vorwiegend aus den Bereichen Bildung, Regionales und Information sendeten346. Um u. a. Programme gemeinsam zu erwerben oder aber zu tauschen, kam es 1966 zum Abschluss einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung347.
IV. Aufkommender Wandel in den siebziger Jahren 1. Zweite Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Mehrwertsteuer“) Die im ersten Rundfunkurteil aufgestellten Grundsätze bestätigte das Bundesverfassungsgericht zehn Jahre später, am 27. Juli 1971 in seinem zweiten Rundfunkurteil, in dem es sich mit der erstmaligen Umsatzbesteuerung der Rundfunkanstalten durch das Umsatzsteuergesetz348 zu befassen wird eng ausgelegt) insgesamt verfassungswidrig sei. Krause-Ablaß, JZ 1962, 158 ff., legt hingegen Art. 73 Nr. 1 GG weit aus und hält das Bundesrundfunkgesetz nur bezüglich des DLF für verfassungswidrig, die Regelungen zur DW, deren Programm sich nur an das Ausland, nicht jedoch an ein inländisches Publikum richtet, beurteilt er hingegen als grundgesetzkonform. Zum Ganzen auch Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 270 ff.; Libertus, AfP 2000, 1 f., jeweils m. w. N. 343 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 228. 344 Hierzu Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 509; zur provisorischen Ausstrahlung eines zweiten Gemeinschaftsprogramms durch die ARD vgl. auch Steinwärder, ARD, S. 209 ff. 345 Bayerischer Rundfunk mit „BR“, Hessischer Rundfunk mit „Hessen 3“, Norddeutscher Rundfunk, Radio Bremen und Sender Freies Berlin mit „N3“, Westdeutscher Rundfunk mit „West 3“ (heute: „WDR-Fernsehen“), Saarländischer Rundfunk, Süddeutscher Rundfunk und Südwestfunk mit „Südwest 3“. 346 Hierzu Abich, in: Bausch, Königsteiner Gespräche, S. 65 f. 347 Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Dritten Fernsehprogramme v. 07.09.1966. 348 § 2 Abs. 3 S. 2 Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) v. 29.05.1967, BGBl 1967, Teil I, S. 545.
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hatte349. Dabei traf das Gericht eine weitere grundlegende und für den folgenden Verlauf der Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk wichtige Aussage, indem es erstmals feststellte, der Rundfunk sei „zu einem der mächtigsten Kommunikationsmittel und Massenmedien geworden, das wegen seiner weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Mißbrauchs zum Zweck einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden [könne]“350. Ein reiner Marktrundfunk wurde damit eindeutig abgelehnt. Da die Frage der Umsatzbesteuerung im Wege einer Verfassungsbeschwerde von acht Rundfunkanstalten vorgelegt worden war, stellte das Bundesverfassungsgericht außerdem klar, dass die bestehenden Rundfunkanstalten grundrechtsfähig und daher Träger der Rundfunkfreiheit sind351. Begründet wurde die Entscheidung mit der essentiellen Aufgabe der Rundfunkanstalten, die Grundrechte in einem vom Staat unabhängigen Bereich zu verteidigen, so dass hier also gerade nicht die übliche Konfusionslage wie sonst bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorliege, die grundsätzlich als Adressaten nicht Träger der Grundrechte sein könnten352. 2. Beginnende Auseinandersetzungen um die Einführung privaten Rundfunks Gab es bereits zurzeit der Bund-Länder-Auseinandersetzungen zaghafte, aber erfolglose Bestrebungen privater Veranstalter, so spitzte sich der Streit um die Zulassung privater Rundfunkanbieter in den siebziger Jahren immer mehr zu. Motiviert wurde diese Entwicklung vor allem durch zwei miteinander verwobene Aspekte: den technischen Fortschritt, der zur Ausweitung der Übertragungskapazitäten und Vergrößerung der Sendereichweiten über nationale Grenzen hinweg führte, und politische Bestrebungen einschließlich verstärkten Lobbyings privater Interessenten wie beispielsweise der Zeitungsverleger und Werbewirtschaft. a) Technische Entwicklungen beim Kabel- und Satellitenrundfunk und ihre Folgen Bis Anfang der achtziger Jahre konnten mittels herkömmlicher terrestrischer, drahtloser Sendetechnik in jedem Bundesland nur drei bis vier UKW349
BVerfGE 31, 314 ff. BVerfGE 31, 314, 325. 351 BVerfGE 31, 314, 321 f. Seither st. Rspr. vgl. BVerfGE 59, 231, 254; 74, 297, 317 f.; 90, 227, 284. 352 BVerfGE 21, 362, 369 ff. 350
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Programme und drei Fernsehprogramme verbreitet werden353. In den siebziger Jahren kam es zur Entwicklung einer leistungsfähigen Breitbandkabeltechnik (Kupferkoaxialkabel, Glasfaserkabel), mit deren Hilfe man jetzt mehrere Farbprogramme, die es seit der Erfindung des Farbfernsehens 1967 gab, übertragen konnte354. Da sich herausstellte, dass eine flächendeckende Breitbandverkabelung aufgrund der immensen Kosten in absehbarer Zeit nicht erreichbar war355, begnügte man sich bei der Deutschen Bundespost zunächst mit dem großflächigen Aufbau von Kabelinseln. Zur Verbindung griff man auf Fernmeldesatelliten zurück, die im Unterschied zu den Rundfunksatelliten eine geringere Sendefähigkeit aufwiesen und nur zusammen mit einem Kabelnetz nutzbar waren356. Die Möglichkeit zur Ausstrahlung von Kabelfernsehen in dieser Kombination bot sich erstmals im Jahre 1984, als Deutschland neben einem inselartigen Kabelnetz jetzt auch Kanäle auf einem Fernmeldesatelliten zur Verfügung standen. Weiter wurde an bereits seit den sechziger Jahren bestehenden Plänen357 für Satelliten gearbeitet und erhebliche Fortschritte bei der Steigerung der Sendeleistung erzielt, so dass ab Anfang der achtziger Jahre bei entsprechend großen Empfangsanlagen die Möglichkeit bestand, flächendeckende Fernsehprogramme via Satellit direkt an die Empfänger abzustrahlen358. Da die Satelliten die von der Erde gesendeten Signale in einem Richtstrahl („beam“) verstärkt wieder auf die Erde zurückstrahlen359, sich das dabei ausgeleuchtete ellipsenförmige Versorgungsgebiet nicht an Landesgrenzen hält, so dass die Sendefrequenz teilweise auch in anderen Ländern („overspill“) empfangbar ist, kam es zu erheblichen Diskussionen, als die Satellitenpläne des kommerziellen Senders RTL („Radio Télé-Luxembourg“) bekannt wurden, dessen deutschsprachiger overspill auch Teile Deutschlands erreicht hätte360. Befürchtet wurde nicht nur eine Fremdkommerzialisierung, sondern auch die Bedrohung des noch bestehenden Rundfunkmonopols361. 353 Müller-Römer, in: Jarren, Medienwandel – Gesellschaftswandel, S. 147. Ca. 98% der Bevölkerung waren mit drei Fernsehprogrammen versorgt (Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 184). 354 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 78; hierzu Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 184 ff. 355 Monopolkommission, 7. Hauptgutachten 1986/87, BT-Drucks. 11/2677, S. 226 f. Tz. 520. 356 Hesse, Rundfunkrecht, S. 27. 357 Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 188. 358 Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 188; Ziemer, Digitales Fernsehen, S. 119. Der offizielle Beginn des Satellitenfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland ist auf den 01.04.1984 datiert. 359 Riedel, 60 Jahre Radio, S. 106. 360 Näher hierzu Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 2. Teil, S. 929 ff. sowie Gellner, Ordnungspolitik, S. 227 f.
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Wenngleich die unerwünschte Einstrahlung von RTL letztendlich aufgrund des Einflusses der französischen Regierung verhindert werden konnte, so trug die sich in den RTL-Plänen manifestierte Gefahr der Fremdbeeinflussung durch ausländische, deutschsprachige kommerzielle Sender im weiteren Verlauf unter anderem dazu bei, auch in Deutschland ein duales System entstehen zu lassen. Insofern bestätigte sich die bereits Anfang der achtziger Jahre geäußerte These, „der Weltraumfunk [werde] alle nationale[n, sic] Medienlandschaften beeinflussen, wenn nicht [sogar] entscheidend verändern“362. Die Satellitentechnik sollte sich zusammen mit den Forschritten in der Kabeltechnik und den entsprechenden politischen Bestrebungen zum Stein des Anstoßes für die Zulassung von Privatrundfunk entwickeln. b) Politische Auseinandersetzungen aa) Befürworter privaten Rundfunks Mit der Möglichkeit neuer Übertragungswege über Kabel und Satellit mehrten sich die Stimmen, die eine Einführung privaten Rundfunks befürworteten363. Wie auch in anderen Staaten Kontinentaleuropas364 war es in Deutschland die politische Opposition, die sich für eine Zulassung kommerzieller Rundfunkveranstalter einsetzte. CDU-/CSU-Politiker hielten den bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk für einseitig mehr der herrschenden SPD zugetan („Rotfunk“)365 und warfen ihm fehlende Ausgewogenheit vor366. Von privaten Konkurrenzprogrammen versprach man sich eine Berei361
Vgl. Gellner, Ordnungspolitik, S. 227. Riedel, 60 Jahre Radio, S. 106, 108. 363 v. Pestalozza, ZRP 1979, 25, 26 f.; Rudolf, Zulässigkeit privaten Rundfunks, S. 63; Kull, AfP 1977, 251; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 79; Scheuner, AfP 1977, 367, 369; ders., Rundfunkfreiheit, S. 70 ff.; Weber, in: Schnur, FS Forsthoff, S. 467 ff., 487. Detailliert zu den Vorstellungen der einzelnen Parteien, Verbände und anderen gesellschaftlichen Gruppen Gellner, Ordnungspolitik, S. 99 ff.; vgl. auch Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 192 ff. 364 Hierzu Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 94. 365 Näher Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 95; Steinmetz, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 176 f. Dieser Vorwurf sollte Mitte der neunziger Jahre erneut auftauchen, als es um die Abschaffung bzw. grundlegende Reform der ARD ging. 366 Hierzu Diller, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 161; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 549; Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 166 ff. Eine im Auftrag der Rundfunk-Fernseh-Film-Union durchgeführte Emnid-Studie zur inneren Rundfunkfreiheit kam 1979 zu dem Ergebnis, das Meinungsspektrum der Journalisten sei deutlich linkslastig. Auch Noelle-Neumann, Wahlentscheidung in der Fernsehdemokratie, S. 77 ff., befand in ihren umstrittenen Untersuchungen, bei der Berichterstattung über den Wahlkampf 1976 hätten die 362
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cherung der Meinungsvielfalt367 sowie Qualitätsverbesserungen des Programms infolge der gesteigerten Konkurrenz368. Wenngleich als weitere Kritikpunkte die ineffektive Arbeitsweise sowie die zu großzügige Ausgabenpolitik der Rundfunkanstalten moniert wurden, denen man ebenfalls durch private Rundfunkkonkurrenz entgegentreten wollte369, so waren die von dieser Seite gestarteten Angriffe stark politisch motiviert. Die politische Dimension der Auseinandersetzungen um die Einführung privaten Rundfunks zeigt sich beispielsweise anhand des Einleitungsreferates zu den Beschlüssen des SPD-Parteitags 1971, in dem es zu Ausführungen wie „in der Auseinandersetzung um die Kontrolle der Macht im Bereich der Massenmedien . . . [sei] die halbe Schlacht gewonnen“, wenn es gelänge, „dieses öffentlichrechtliche Rundfunkmonopol . . . gegen jeden Versuch der Privatisierung und Kommerzialisierung zu verteidigen“370. Gleichzeitig lässt sich eine Verstärkung dieser Position durch den entsprechenden Lobbyismus seitens privater Interessenten wie z. B. der Gruppe der Zeitungsverleger mit dem Argument, Rundfunk sei „Presse mit anderen Mitteln“371, ebenfalls nicht leugnen. Eine weitere Rolle spielten die bereits erwähnten luxemburgischen Bestrebungen hinsichtlich eines deutschsprachigen Satellitenprogramms, an dem auch deutsche Zeitungsverleger eine Beteiligung beabsichtigten, denen man zuvorkommen wollte372. Weiterhin erhoffte man sich von der Einführung privaten Rundfunks auch wirtschaftliche Vorteile wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder eine Förderung der Kommunikationsindustrie373. Rundfunkanstalten die öffentliche Meinung zugunsten von SPD und FDP beeinflusst. Kritisch allerdings Merten, MP 1983, 449, 455 ff. 367 Vgl. die Zusammenfassung bei Gellner, Ordnungspolitik, S. 167. So auch noch nach Etablierung des dualen Systems Schmitt Glaeser, DVBl 1987, 14, 17, der die Meinung vertrat, die wachsende Zahl privater Rundfunkveranstalter führe nicht nur zu einer Konkurrenz untereinander, sondern beziehe auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgrund seiner teilweisen Werbefinanzierung mit ein. Dadurch werde es bei den Rundfunkanstalten neben der verstärkten Ausstrahlung massenattraktiver Sendungen auch zu einer vermehrten Suche nach Marktnischen und Spartenprogrammen kommen, die bei Ausstrahlung der entsprechenden Zielgruppenwerbung keineswegs unattraktiv sein müssten. Insgesamt würde damit die Informationspalette erheblich bunter werden. Inwieweit sich diese Prognosen mehr als 15 Jahre später bewahrheitet haben, dazu unter 2. Teil B. III. 1. b). 368 Vgl. Karola Grund, Privatrundfunk, S. 77. 369 Hierzu Donsbach/Mathes, in: Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, Lexikon Publizistik, S. 499; vgl. auch Karola Grund, Privatrundfunk, S. 74; Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 16. 370 Zit. nach Gellner, Ordnungspolitik, S. 102. 371 Hierzu Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 211. 372 Hesse, Rundfunkrecht, S. 25; hierzu auch Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 1 Rn. 22 f. 373 Hierzu Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 17; vgl. auch Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 100.
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Zum Teil wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt in Frage gestellt und nur noch als eine Art Notlösung für eine gewisse Übergangszeit angesehen374. Die damals vom medienpolitischen Sprecher der CDU Schwarz-Schilling gestellte Frage „Ist das öffentlich-rechtliche System zu retten?“375 sollte sich fast dreißig Jahre später erneut stellen376. bb) Gegner privaten Rundfunks Gegen die Einführung privaten Rundfunks wurde eine drohende Programmverflachung angeführt377. Begründet wurde dies mit dem gleichen Argument, mit dem später das Bundesverfassungsgericht dem Privatrundfunk Defizite bei der Gewährleistung eines vielfältigem Programms zusprechen sollte378: Kommerzielle Anbieter würden sich über Werbung finanzieren, müssten sich deshalb, um die entsprechenden Werbegelder zu erhalten, an den Einschaltquoten und damit am Massengeschmack orientieren, so dass keine bzw. wenig Minderheitenprogramme gesendet werden würden. Als Folge davon könne sich auch das Programmniveau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verändern379. Gewarnt wurde ferner vor dem dann eintretenden Verlust kultureller Identität. Diesen sah man deshalb voraus, weil trotz der vermehrten Programmanzahl keine gleichzeitige Vermehrung der Film- und Fernsehproduktion abzusehen sei, was wiederum eine verstärkte Einfuhr US-amerikanischer Produktionen zur Folge habe. Auch vor Konzentration im privaten Rundfunk einhergehend mit einer Gefährdung der Meinungsvielfalt und der Unabhängigkeit des Rundfunks wurde gewarnt380. 374
Diesbezügliche Anklänge lassen sich bei Scholz, JZ 1981, 561, 563, finden; vgl. auch Engels u. a., Mehr Markt, passim; Karola Grund, Privatrundfunk, S. 62 ff., Klein, Rundfunkfreiheit, S. 79 f.; ders., Der Staat 20 (1981), 177, 197; Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 152. Dass die duale Ordnung von manchen Politikern möglicherweise nur als Übergang zu einer vorwiegend privatwirtschaftlichen Rundfunkordnung geplant sei, darauf verweist Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 104. 375 epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 97 v. 11.12.1976, 1. 376 Hierzu weitergehend im 3. Teil B. 377 Vgl. hierzu Gellner, Ordnungspolitik, S. 168; Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 217. Sorge um die Qualität der Rundfunkdarbietungen findet sich auch geäußert bei Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 46 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, S. 36 ff.; Schmitz, DÖV 1968, 683, 687; Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 134. Dagegen jedoch Rudolf, Zulässigkeit privaten Rundfunks, S. 72; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 73; Weber, in: Schnur, FS Forsthoff, S. 483 f. Auch Klein, Rundfunkfreiheit, S. 72, 105, wandte sich gegen diese Argumentation, allerdings unter Berufung auf den mündigen Bürger, dem das Recht zukomme, sein Niveau selber zu bestimmen. 378 BVerfGE 73, 118, 155 f. 379 Vgl. Karola Grund, Privatrundfunk, S. 81.
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Als weiteres Argument gegen kommerziellen Rundfunk wurde genannt, mehr Programme würden zu einem erhöhten Fernsehkonsum und dann eventuell auch zur Beeinträchtigung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beitragen. Auch ein Anstieg der Gewalt in den Sendungen aufgrund der dann verstärkten Konkurrenz wurde vorausgesehen. Um das öffentlich-rechtliche System trotz der aufkommenden Veränderungen weiter zu stabilisieren, stützte sich die ablehnende Position auf das Konstrukt der „publizistischen Gewaltenteilung“, eine andere Art von Dualismus, wonach sich die publizistische Macht auf verschieden aufgebaute Träger verteilen sollte: einerseits auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, andererseits auf die privatrechtliche Presse. Bei Zulassung auch privaten Rundfunks wäre dieser Sichtweise zufolge das Gewicht zuungunsten des öffentlich-rechtlichen Teils verschoben worden. Dem Grundsatz der publizistischen Gewaltenteilung sollte das Bundesverfassungsgericht später jedoch den Verfassungsrang absprechen381. Gesicherte Erkenntnisse sowohl zur Untermauerung der Argumente der einen als auch der anderen Seite lagen zu diesem Zeitpunkt nicht vor382, wenngleich es in den USA und Großbritannien bereits privaten Rundfunk gab. Aufgrund unterschiedlicher Verhältnisse ließen sich die dortigen Erfahrungen jedoch nicht einfach auf deutsche Verhältnisse übertragen. Mit der Bandbreite dieser aufgeführten Gründe für und gegen privaten Rundfunk wird sich noch im weiteren Verlauf der Arbeit unter dem Aspekt ihrer Stichhaltigkeit zu befassen sein, wenn es darum geht zu untersuchen, inwieweit dem privaten Rundfunk wirklich negative Wirkungen zukommen und inwieweit sich infolgedessen daraus eventuell eine Rechtfertigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ableiten lässt. c) Auswirkungen Angesichts dieser technischen Neuerungen schlug die von der Bundesregierung 1973 eingesetzte „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems“ (KtK) aufgrund des hohen finanziellen Risikos383 380 So BVerwGE 39, 159, 167; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, S. 37; Lieb, Kabelfernsehen, S. 108; hierzu auch Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 221, 234. 381 BVerfGE 73, 118, 175; 83, 238, 305. Diesbezüglich kritisch äußerte sich zuvor bereits Klein, Rundfunkfreiheit, S. 56 ff.; gegen Verfassungsrang auch bereits Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 54 f. 382 Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 17. 383 Auf dem Preisniveau von 1974 wurden die Kosten für die Errichtung eines Breitband-Verteilnetzes von der KtK bei einem Versorgungsgrad von 53% auf 9 Milliarden DM, bei einem Versorgungsgrad von 74% auf 14 Milliarden DM und bei
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Pilotprojekte zur Erprobung des Kabelfernsehens vor. Vorgreifend lässt sich feststellen, dass mit diesen aufgrund politischer und finanzierungstechnischer Probleme erst im Jahr 1984 – und damit reichlich spät – begonnen wurde384. Denn noch im gleichen Jahr erließen die CDU-/CSU-regierten Bundesländer (die SPD-geführten Länder folgten später unter Zugzwang) neue Mediengesetze, durch die der private Rundfunk zugelassen werden sollte385 und es kam bereits dann zur Entstehung eines dualen Systems mit einem Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk.
V. Einführung des privaten Rundfunks in den achtziger Jahren Hatte sich das bestehende Rundfunksystem in einer relativen Ruhephase nach dem ersten Rundfunkurteil, in dem die monopolartige Stellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom Bundesverfassungsgericht aufgrund der technisch-finanziellen Sondersituation als verfassungsgemäß angesehen wurde, zunächst mehr und mehr verfestigt, brachten die Mitte der siebziger Jahre aufkommenden technischen Neuerungen, die eine Vermehrung der verfügbaren Frequenzen herbeiführten, nicht nur Veränderungen für die Übertragungswege, sondern ebenfalls Veränderungen in der Begründung des Rundfunksystems mit sich. Zum Wegweiser für die weitere Entwicklung des Privatrundfunks sollte die dritte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden. 1. Dritte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („FRAG“) Das am 16. Juni 1981 ergehende dritte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts386 beschäftigte sich mit den Voraussetzungen der Einführung privaten Rundfunks. einer Vollversorgung auf etwa 22 Milliarden DM geschätzt. Zu den Kosten KtK, Telekommunikationsbericht, Anlageband 5, S. 164 ff. 384 Hierzu Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wassermann, Recht der Neuen Medien, S. 260 ff.; Gellner, Ordnungspolitik, S. 179 ff.; Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 94. 385 So 1984 zuerst in Niedersachsen (Landesrundfunkgesetz v. 23.05.1984, GVBl Nds 1984, S. 147), dann in Berlin (Kabelpilotprojektgesetz v. 17.07.1984, GVBl Berl 1984, S. 964), Bayern (Medienerprobungs- und Entwicklungsgesetz v. 22.11.1984, GVBl Bay 1984, S. 445), Schleswig-Holstein (Landesrundfunkgesetz v. 27.11.1984, GVBl SH 1984, S. 214) und im Saarland (Landesrundfunkgesetz v. 28.11.1984, ABl Saar 1984, S. 1249). In Rheinland-Pfalz gab es bereits seit 1980 ein entsprechendes Erprobungsgesetz (GVBl RP 1980, 229). Ab 1985 folgten dann auch die übrigen Länder. 386 BVerfGE 57, 295 ff.
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Vorausgegangen war dem Folgendes: Bereits im Jahr 1967 hatte der Saarländische Landtag eine überarbeitete Fassung des Rundfunkgesetzes verabschiedet387, das privaten Veranstaltern die Verbreitung deutschsprachigen Rundfunks erlaubte. Zum einen wollte man damit dem noch aus der französischen Besatzungszeit stammenden kommerziellen Sender „Europe 1“ mit Blick auf das erste Rundfunkurteil von 1961 eine gesetzliche Grundlage geben388. Zum anderen erhofften sich die beteiligten Parteien eine Verbesserung ihrer finanziellen Lage, da sie mit knapp sechzig Prozent an der Betreibergesellschaft beteiligt werden wollten389. Nachdem es in der Öffentlichkeit zu massiver Kritik an diesem Vorhaben gekommen war390, wurde seitens der Landesregierung davon abgesehen, die gesetzlich vorgesehenen Konzessionen zu vergeben391. In der Folge erhob jedoch die „Freie Rundfunk Aktiengesellschaft in Gründung“ (FRAG)392 Klage auf Lizenzerteilung. a) Grundsätzliche Entscheidung zugunsten privaten Rundfunks Der Streit wurde schließlich durch das Bundesverfassungsgericht entschieden393, indem es feststellte, das Grundgesetz schreibe dem Gesetzgeber zwar keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vor394, da das Grundrecht der Rundfunkfreiheit395 jedoch als „dienendes Grundrecht“ konzipiert sei, demnach der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung diene396, müssten zum Schutz dieser Meinungsbildung wirksame gesetzliche Vorkehrungen getroffen werden397. Diese Vorkehrungen sah das Gericht im saarländischen Rundfunkgesetz als nicht gegeben an und erklärte es daher für verfassungswidrig. Anders als im ersten Rundfunkurteil von 1961, in dem die Möglichkeit, Rundfunk auch in Formen des privaten Rechts zu veranstalten, lediglich in 387 Saarländisches Gesetz Nr. 806 v. 02.12.1964, Abl Saar 1964, S. 1111 i. V. m. Änderungsgesetz Nr. 844 v. 07.06.1967, Abl Saar 1968, S. 558. 388 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 2. Teil, S. 616; Hesse, Rundfunkrecht, S. 23. 389 Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 161; vgl. hierzu auch Schmitz, DÖV 1968, 683. 390 Hierzu Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 165 ff. 391 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 232. 392 Hierzu näher Karola Grund, Privatrundfunk, S. 69 f. 393 Zum vorherigen Instanzenzug Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 11 ff. 394 BVerfGE 57, 295, 321. 395 Zur Durchsetzung des Begriffs der „Rundfunkfreiheit“ Bethge, JZ 1985, 308, 311 Fn. 47 m. w. N. 396 BVerfGE 57, 295, 319 f. 397 Vgl. BVerfGE 57, 295, 319 f., 322, 324 ff. 7 Lindschau
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einem Satz gestreift wurde398, zeichnet sich diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dadurch aus, dass in ihr zwar nicht konkret festgestellt wurde, privater Rundfunk sei mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, sich jedoch gleichwohl aus den Begründungen insgesamt die Zulässigkeit privaten Rundfunks entnehmen lässt399. Deutlich wird dies besonders anhand der getroffenen Aussage, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fordere für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen eine gesetzliche Regelung400, und den dann folgenden Ausführungen, bei denen das Gericht Modelle für den Privatrundfunk entwarf401. b) Erneute Absage an ein freies Spiel der Kräfte Auch in dieser dritten Grundsatzentscheidung wurde erneut hervorgehoben, der Rundfunk dürfe aufgrund seiner Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung nicht den Kräften des Marktes überlassen werden, ein freies Spiel der Kräfte komme also nicht in Frage402. Vielmehr müsse dem Parlamentsvorbehalt Rechnung getragen werden, der Staat müsse eine positive Ordnung schaffen und damit sicherstellen, dass – hier wieder in Anlehnung an das erste Rundfunkurteil – der Rundfunk weder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen noch dem Staat ausgeliefert werde, sondern dass „die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und dass auf diese Weise umfassende Information geboten wird“403. Auf dieses Spannungsfeld von Staatsferne des Rundfunks und staatlicher Funktionsgewährleistungspflicht wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit immer wieder zurückzukommen sein. Vor dem Hintergrund sich abzeichnender neuer Übertragungswege wurde vom Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen, die Notwendigkeit einer ausgestaltenden gesetzlichen Regelung gelte nicht nur für die durch Knappheit der Sendefrequenzen und hohen finanziellen Aufwand bedingte Sondersituation404. Die gesetzgeberische Pflicht zur Schaffung einer positiven Ordnung wurde auch bei Fortfall dieser Sondersituation als begründet angesehen, da den Eigengesetzlichkeiten des Wettbewerbs in Bezug auf Vielfaltssicherung und Entstehung eines „Meinungsmarktes“ allein nicht getraut wurde. 398 399 400 401 402 403 404
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
12, 57, 57, 57, 57, 57, 57,
205, 295, 295, 295, 295, 295, 295,
262. 318, 319, 324 ff., 330 ff. 319. 325 f. 323. 320. 322.
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2. Folgen des Bundesverfassungsgerichtsurteils Das Urteil läutete die Entstehung des heutigen dualen Rundfunksystems ein, das durch die nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen noch weiter ausgeformt werden sollte. a) Erlass von Mediengesetzen Die ab 1984 erlassenen Mediengesetze der einzelnen Länder berücksichtigten die im FRAG-Urteil aufgestellten Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts weitgehend. In den Ländern wurde übereinstimmend jeweils eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit variierender Bezeichnung zur Beaufsichtigung des privaten Rundfunks gegründet, die nach bestimmten festgelegten Grundsätzen Konzessionen zur Rundfunkveranstaltung erteilt und Programmgestaltung sowie Konzentrationsbestrebungen überwacht405. Trotz ihrer Organisationsform als Anstalt des öffentlichen Rechts sind die Landesmedienanstalten keine staatlichen Aufsichtsorgane, sondern sind als staatsferne Kontrollgremien anzusehen406 und unterliegen nur der Rechtsaufsicht durch die jeweilige Landesregierung407. Neben der Auswahl und Zulassung privater Rundfunkveranstalter finden sich in den diversen Landesmediengesetzen auch Regelungen zum Jugendschutz, zur Werbung sowie zur Vielfaltssicherung. Insgesamt erhoffte sich der Gesetzgeber, durch die Einführung des Wettbewerbs als tragendes Element einer freiheitlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung im Rundfunkbereich eine größere Vielfalt sowie eine größere Auswahlfreiheit für den Zuschauer herbeizuführen408. Dieselbe Hoffnung sollte auch das Bundesverfassungsgericht später äußern409. aa) Modelle des Binnen- und Außenpluralismus Während einige Länder für den neuen privatrechtlichen Rundfunk rein außenplurale Modelle vorsahen, d. h. die privaten Programme in ihrer Gesamtheit die Vorgaben zu erfüllen hatten, andere hingegen rein binnen405 Vgl. z. B. § 35 BremLMG; § 34 HmbMG; § 39 NdsMG. Eine Ausnahme hierzu stellt Bayern dar, vgl. unten. 406 BVerfGE 97, 298, 314. In diesem Zusammenhang sei auf die bereits dargelegte besondere Stellung auch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter C. I. 2. a) verwiesen. 407 Vgl. § 42 BremLMG; § 46 HmbMG; § 60 HPRG; § 48 LMG BW. 408 Vgl. die amtlichen Begründungen in LT-Drucks. Nds 10/1120, S. 25 f. 409 BVerfGE 74, 297, 331. 7*
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plurale Modelle bevorzugten, d. h. das Programm eines einzelnen Veranstalters Maßstab war, sahen viele Länder Übergangsmodelle vor, bei denen zunächst das binnenpluralistische Modell mit Veranstaltergemeinschaft oder Programmbeirat u. ä. vorherrschen sollte und ab einer gewissen Programmanzahl dann ein Wechsel zum außenpluralistischen System stattfinden sollte410. bb) Bayerisches Modell In Bayern hingegen bestand eine besondere Situation. Aufgrund eines 1971 vorgelegten Gesetzesentwurfs, der darauf abzielte, den Einfluss des Parlaments und der Parteien auf den Rundfunk zu verstärken411, kam es zur verstärkten Kritik der Öffentlichkeit. Diese sah zum einen die Staatsfreiheit des Bayerischen Rundfunks in Gefahr und befürchtete zum anderen, dass in ähnlicher Weise privater Rundfunk mit ebenso politischen Einflussnahmemöglichkeiten eingeführt werden könnte412. Das Ganze führte letztlich zu einem Volksbegehren. Danach sollten Hörfunk und Fernsehen ausschließlich von öffentlich-rechtlichen Anstalten betrieben werden. Es kam zu einem Kompromiss, aufgrund dessen im Jahr 1973 der Art. 111a in die Bayerische Verfassung (BayVerf) eingefügt wurde413, der in Abs. 2 bestimmte: „Rundfunk wird in öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben.“ Diese besondere Fassung galt es bei der Einführung des privaten Rundfunks und der Fassung eines bayerischen Mediengesetzes zu berücksichtigen, und so etablierte sich in Bayern ein besonderes System, die Kuriosität eines „öffentlich-rechtlichen Privatfunks“414. Rundfunkveranstalter ist dort die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), die ähnlich wie 410 In § 20 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) von 1991 sollte für die Ausstrahlung bundesweiten privaten Fernsehens ebenfalls ein Übergangsmodell vom Binnenpluralismus zum Außenpluralismus festgelegt werden, gem. Abs. 2 sollte die anfängliche Verpflichtung zur Binnenpluralität entfallen, wenn mindestens drei nationale Vollprogramme von verschiedenen Veranstaltern bundesweit verbreitet werden und diese von mehr als der Hälfte der Teilnehmer empfangen werden können. Aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 RStV entfiel dieses Übergangsmodell mit dem Rundfunkstaatsvertrag von 1997. 411 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 111a BayVerf Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 60 ff. 412 Hierzu Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 1 Rn. 10 f.; Montag, Privater oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 181 f. 413 Viertes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Bayern v. 19.07.1973, GVBl Bay 1973, S. 389. 414 So die Überschrift eines Beitrags von Holtz-Bacha, in: Kutsch/Holtz-Bacha/ Stuke, FS Lerg, S. 227: „Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und vom öffentlichrechtlichen Privatfunk in Bayern“.
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eine Landesrundfunkanstalt organisiert ist415 und ein Komplementärmodell zu dem bestehenden Bayerischen Rundfunk bildet416. Rundfunkprogramme, die private Rundfunkanbieter aufgrund öffentlich-rechtlicher Genehmigung durch die BLM erstellen und über deren (von der Post zu Verfügung gestellten) Frequenzen verbreiten, werden in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft dieser Landeszentrale eingebracht417, wobei bis Ende 1998 zwischen Anbieter und Landeszentrale allerdings noch die Ebene der Medienbetriebsgesellschaften geschaltet war, die die öffentlichen Ausschreibungen vornahmen sowie die Auswahlentscheidung trafen418. So stellt die BLM eine Art „öffentlich-rechtliches Dach“ dar, das den Privatsendern überstülpt wird, um aus privatem Rundfunk einen öffentlich-rechtlichen zu machen und damit Art. 111a Abs. 2 BayVerf gerecht zu werden419. Die öffentliche Verantwortung wird vom Organ der BLM, dem Medienrat, wahrgenommen420. Dieser ist ähnlich dem Rundfunkrat der Rundfunkanstalten pluralistisch zusammengesetzt und verkörpert dadurch zwar einerseits ein Element des Binnenpluralismus, stellt andererseits jedoch auch einen Bezug zum Außenpluralismus her, da inhaltliche Ausgewogenheit vom Gesamtprogramm erwartet wird421. Diese Konzeption wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof prinzipiell für verfassungsgemäß erklärt422. Insgesamt werden in Bayern nationale kommerzielle Programme, die in anderen Bundesländern als private Veranstaltungen behandelt werden, als öffentlich-rechtliche Programme der BLM angesehen, obwohl sich an ihnen durch die öffentlich-rechtliche Trägerschaft und Verantwortung nichts Wesentliches ändert. b) Start des ersten Privatrundfunks Nach diversen gescheiterten Anläufen konnte am 1. Januar 1984 mit dem von mehreren großen Zeitungen und Verlagen unterstützten Sender der „Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenfernsehen“ (PKS), später „Sat.1“, im Kabelpilotprojekt Ludwigshafen das erste private Fernsehprogramm auf Sendung gehen und begann ab Anfang 1985 sein Programm via Satellit bundesweit auszustrahlen. Am 2. Januar 1984 startete mit „RTL plus“423 ein weiteres privates Fernsehprogramm im Kabelpilotprojekt, das 415 416 417 418 419 420 421 422
Art. 10 ff. BayMG. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 178. Bornemann, ZUM 1992, 483, 491. Stettner, K&R 1999, 355; vgl. hierzu auch BVerfGE 97, 298, 299 ff. Holtz-Bacha, in: Kutsch/Holtz-Bacha/Stuke, FS Lerg, S. 227. Bornemann, ZUM 1992, 483, 491. Hierzu Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 178. Vgl. BayVerfGH AfP 1977, 334, 340; AfP 1987, 394, 396 f.
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auch terrestrisch von Luxemburg her ausgestrahlt wurde und später via (Fernmelde-)Satellit in die Kabelnetze eingespeist wurde424. Gegründet wurde RTL plus von der luxemburgischen CLT (Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion) und der Gütersloher Bertelsmann AG425. Weitere private Programme („ProSieben“, „Kabel 1“, „VOX“, „RTL II“ etc.) folgten in den Jahren darauf. Im Bereich des Hörfunks waren 1984 „Stadtradio Freiburg“426 und „Radio Weinstraße“427 die ersten privat veranstalteten Hörfunkprogramme. 3. Die Vermehrung öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme: „3sat“ und „Eins Plus“ Außerdem entstanden im Zuge der Entwicklung von Satellitenprogrammen zwei kulturell ausgerichtete Fernsehprogramme. Am 1. Dezember 1984 startete das vom ZDF, dem Österreichischen Rundfunk (ORF) und der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) getragene Vollprogramm „3sat“, das ein Satellitenvollprogramm mit kulturellem Schwerpunkt für den deutschen Sprachraum bietet428. Am 29. März 1986 ging mit „Eins Plus“ ein als „europäisch orientiertes deutschsprachiges Fernseh-Kulturprogramm“429 konzipiertes weiteres öffentlich-rechtliches Programm auf Sendung, das vorrangig von der ARD getragen wurde430. Mit dem später sendenden europäischen Kulturkanal „Arte“431 sollte Eins Plus als eigenständiges Kulturprogramm der ARD aufgegeben und in das 3sat-Programm integriert werden, so dass dann die ARD vierter Partner des Kulturprogramms 3sat wurde432. 423
Vom 01.01.1993 an ohne den Zusatz „plus“. Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 552. 425 Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, S. 268. 426 Widlok, in: Jarren, Politische Kommunikation, S. 138. 427 Stuiber, Medien in Deutschland, 2. Bd., 2. Teil, S. 552. 428 Die allgemeine gesetzliche Grundlage hierfür findet sich heute in § 19 Abs. 1 RStV. Konkret zu dem Programm 3sat äußert sich die „Vereinbarung über das Satellitenfernsehen des deutschen Sprachraums 3sat“, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, C VI 1.302. 429 Nr. 1 S. 1 Verwaltungsvereinbarung der ARD-Landesrundfunkanstalten für das Satellitenprogramm „Eins plus“. 430 Wurde Eins Plus zunächst ohne spezielle Ermächtigung lediglich im Rahmen der allgemeinen Programmaufgaben ins Leben gerufen und erhielt eine konkrete rechtliche Grundlage nur durch die von den Intendanten unterzeichnete vorstehende Verwaltungsvereinbarung, bekam das Programm mit dem RStV von 1987 eine allgemeine gesetzliche Grundlage in Art. 2 RStV (Herrmann, Rundfunkrecht, § 16 Rn. 40) sowie später in § 18 Abs. 1 RStV von 1991. 431 Gründung am 30.04.1991, Sendestart am 30.05.1992. 424
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4. Fortbestehende Meinungsverschiedenheiten bezüglich privaten Rundfunks Als es darum ging, einen gemeinsamen Ordnungsrahmen für den gesamten Rundfunk in Form eines Staatsvertrags zu schaffen, um gleiche Startbedingungen für den Privatrundfunk herzustellen, die Verteilung bundesweit empfangbarer Fernsehprogramme vorzunehmen sowie Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzustellen433, zeigte sich, dass die Meinungsverschiedenheiten für und wider den privaten Rundfunk noch nicht vollständig beigelegt waren. Die Gegner des Privatrundfunks versuchten, seine unerwünschte endgültige Einführung noch dadurch zu verhindern, dass sie das erste Privatfunk zulassende Mediengesetz, das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz, mangels ausreichender Mechanismen zur Sicherung der Meinungsvielfalt für verfassungswidrig erklären lassen wollten434, während die Gegenseite später gegen das WDR-Gesetz vorging435. 5. Vierte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Niedersachsen“) Im „Niedersachsen-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1986436 präzisierte das Gericht anhand der Überprüfung des Niedersächsischen Rundfunkgesetzes seine bereits im FRAG-Urteil skizzierte Idee eines dualen Rundfunksystems, in dem öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk miteinander verknüpft sind. a) Vielfaltsdefizite des privaten Rundfunks Den von Kritikern monierten Vielfaltsdefiziten des privaten Rundfunks, die angesichts der Abhängigkeit von Werbeeinnahmen, ihrerseits wiederum in Korrelation mit den erreichten Einschaltquoten, bestünden, stimmte das Gericht zu und erklärte im Sinne eines systemimmanenten Defizits437 des privaten Rundfunks: „Die Anbieter stehen deshalb vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst massenattraktive, unter dem Gesichtspunkt der Maximierung der Zuschauer- und Hörerzahlen erfolgreiche Programme zu 432 Siehe Verwaltungsvereinbarung der ARD-Landesrundfunkanstalten über die Beteiligung am Satellitenprogramm 3sat v. 01.12.1993, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, C VI 1.303. 433 Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 18. 434 Siehe hierzu im Folgenden unter 5. 435 Vgl. unter VI. 2. 436 BVerfGE 73, 118 ff. 437 Bethge, ZUM 1987, 199, 202, spricht von systemimmanenten Untugenden.
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möglichst niedrigen Kosten zu verbreiten.“438 Minderheitenprogramme, die wie beispielsweise kulturelle Sendungen einen hohen Kostenaufwand verursachten, würden deshalb vernachlässigt werden, obwohl erst mit ihnen die ganze Breite umfassender Information zu erreichen sei. Gleichwohl stufte das Bundesverfassungsgericht den privaten Rundfunk – und damit das ihn zulassende Niedersächsische Landesrundfunkgesetz bis auf einzelne Vorschriften – nicht als verfassungswidrig ein. b) Das Konstrukt der Grundversorgung Um die privaten Rundfunkveranstalter nicht den gleichen strengen Vielfaltsanforderungen zu unterwerfen und damit einerseits ihre Entwicklung zu gefährden, andererseits jedoch nicht die Gefahren einer völligen Deregulierung unberücksichtigt zu lassen, wurde vom privaten Rundfunk zunächst lediglich „ein Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt“ gefordert439. Um jedoch damit nicht zugleich den Qualitätsstandard im Rundfunk gerade in Bezug auf die Pluralitätsanforderungen absinken zu lassen, führte das Hohe Gericht den unbestimmten Begriff der „Grundversorgung“ ein und knüpfte daran folgende höchst interessante und die rundfunkrechtliche Diskussion auf Jahre prägende Konstruktion440: „Solange und soweit“ die „Grundversorgung“ seitens des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet sei, sei es gerechtfertigt, „an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleich hohe Anforderungen zu stellen wie im öffentlichen Rundfunk“441. Die „unerläßliche ‚Grundversorgung‘“ sei in der dualen Ordnung Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, „weil ihre terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und weil sie nicht in gleicher Weise wie private Veranstalter auf hohe Einschaltquoten angewiesen, mithin zu einem 438
BVerfGE 73, 118, 155. BVerfGE 73, 118, 159 f. 440 Vgl. aus der umfangreiche Diskussion zur Grundversorgung, z. B. Berg, AfP 1987, 457 ff.; Bethge, ZUM 1987, 199 ff.; ders., ZUM 1991, 337, 338 ff.; Degenhart, ZUM 1988, 47, 48 ff.; Fuhr; in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 293 ff.; Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 55 ff.; Grawert, AfP 1986, 277, 279 f.; Kresse, ZUM 1996, 59, 60 ff.; Kull, AfP 1987, 462 ff.; Libertus, Grundversorgungsauftrag, passim; ders., ZUM 1995, 699 ff., Niepalla, Grundversorgung, passim; sich verstärkt mit der Frage der Kompetenz zur inhaltlichen Ausgestaltung der Grundversorgung auseinandersetzend; Ory, ZUM 1987, 427, 428 f.; Pukall, Meinungsvielfalt, S. 70 ff.; Ricker, ZUM 1989, 331 ff.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 318 ff., 347 ff.; Scheble, Perspektiven der Grundversorgung, passim; Schmitt Glaeser, DVBl 1987, 14, 18 ff.; ders., DÖV 1987, 837, 838 ff.; Seemann, DÖV 1987, 844, 845 ff.; Starck, NJW 1992, 3257 ff. 441 BVerfGE 73, 118, 158 f. 439
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inhaltlich umfassenden Angebot in der Lage sind“442. Diese Grundversorgungsaufgabe umfasse nicht nur die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung, sondern daneben auch für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik443. Gleichfalls sprach das Gericht vom „klassischen Auftrag“ des Rundfunks, der nicht nur Meinungs- und politische Willensbildung, sondern auch Unterhaltung, über laufende Berichterstattung hinausgehende Information sowie eine kulturelle Verantwortung umfasse444. Dadurch sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk samt seiner besonderen Gebührenfinanzierung gerechtfertigt. Mit diesen grundlegenden Feststellungen des Gerichts manifestierte sich zugleich die bereits angedeutete Änderung der Argumentationsweise: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bezog seine Legitimation aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts nun nicht mehr in erster Linie aus der technischen Sondersituation, die sich nach Ansicht des Gerichts zumindest in Teilen des technischen Bereichs verbesserte445, sondern konnte sich jetzt zugleich auf die ihm zugedachte besondere Aufgabe der „Grundversorgung“ stützen. 6. Fünfte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Baden-Württemberg-Beschluss“) Eine wichtige Rolle spielte auch der kurze Zeit später am 24. März 1987 ergangene Bundesverfassungsgerichtsbeschluss446, in dem es um einige Bestimmungen des Landesmediengesetzes von Baden-Württemberg ging, die u. a. einen Gesetzesvorbehalt der Rundfunkanstalten für Ton- und Bewegtbilder auf Abruf sowie ein Verbot regionaler und lokaler Sendungen enthielten. Die beiden Landesrundfunkanstalten SDR und SWF sahen darin verfassungswidrige Einschränkungen ihrer Freiheiten und Selbstverwaltungsrechte. a) Nähere Ausführungen zur Grundversorgung In seinem Beschluss präzisierte das Gericht die im vorangegangenen Niedersachsen-Urteil erstmals erwähnte Aufgabe der Grundversorgung, indem es ausführte: Der Begriff der Grundversorgung „bezeichne . . . nicht eine 442 Vgl. BVerfGE 73, 118, 157 f. Kritisch zu dieser „erstaunlich unkritischen Einschätzung des öffentlichen Rundfunksystems durch den Senat“ Schmitt Glaeser, DVBl 1987, 14, 19. 443 Eingehend zum Begriff der Grundversorgung unter 2. Teil A. II. 2. d). 444 BVerfGE 73, 118, 158. 445 Vgl. BVerfGE 73, 118, 121 ff. 446 BVerfGE 74, 297 ff.
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Mindestversorgung auf die der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränkt . . . [sei] oder ohne Folgen für die an den privaten Rundfunk zu stellenden Anforderungen reduziert werden könnte“447. Ebenso lasse sich keine Aufgabenteilung derart vornehmen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk alle Programme, die der Grundversorgung zurechenbar seien, veranstalten dürfe und darüber hinausgehende Programme – wie beispielsweise der lukrative Bereich der Massenunterhaltung – dem privaten Rundfunk vorbehalten sei. Die Grundversorgung bestehe im Wesentlichen aus drei Elementen: erstens einer Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen für alle sichergestellt sei, wobei dies bis auf weiteres die herkömmliche terrestrische Technik sei (technikbezogenes Element); zweitens dem inhaltlichen Standard der Programme, der dem klassischen Auftrag des Rundfunks voll entspreche (inhaltsbezogenes Element) und drittens der wirksamen Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt (vielfaltsbezogenes Element)448. Zur Grundversorgung gehöre stets „eine Mehrzahl von Programmen“449. Regionale und lokale Sendungen450, Spartenprogramme451 sowie rundfunkähnliche Kommunikationsdienste (Ton- und Bewegtbilddienste, Textdienste auf Abruf und Zugriff)452 unterfielen hingegen nicht der Grundversorgung. Aber auch in Bereichen jenseits der Grundversorgung könne der öffentlich-rechtliche Rundfunk tätig werden, wurde dem „publizistischen Wettbewerb“ zwischen beiden Systemen seitens des Gerichts doch eine anregende und belebende Wirkung auf das Gesamtangebot sowie eine Stärkung der Meinungsvielfalt zugeschrieben453. Besondere Kritik wurde der Passage des Beschlusses zuteil, in der das Gericht den Bestand der im Zeitpunkt des vierten Rundfunkurteils terrestrisch verbreiteten öffentlich-rechtlichen Programme als Mindestbestand einer unerlässlichen Grundversorgung ansah454. Eine derartige Feststellung kann – bezogen auf den festgesetzten Zeitpunkt des 4. November 1986 – zu Recht als völlig willkürlich bezeichnet werden455, zumal weder eine Programmanalyse erfolgte noch sonst der Versuch irgendeiner Begründung für gerade diesen Bestand unternommen wurde456. 447
BVerfGE 74, 297, 325 f. BVerfGE 74, 297, 326. 449 BVerfGE 74, 297, 326. 450 BVerfGE 74, 297, 327. 451 Vgl. BVerfGE 74, 297, 345 f. 452 BVerfGE 74, 297, 353 f. 453 Vgl. BVerfGE 74, 297, 332. Zum publizistischen Wettbewerb siehe unter 2. Teil A. II. 2. d) ee) (1). 454 BVerfGE 74, 297, 326. 455 Schmitt Glaeser, DÖV 1987, 837, 839. 456 Starck, NJW 1992, 3257, 3258. 448
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b) Zusätzliche Andeutung einer Entwicklungsgarantie Nachdem das Bundesverfassungsgericht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits im vierten Urteil eine Bestandsgarantie vage konturiert hatte, indem es den Gesetzgeber verpflichtete, „die technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen ihrer Erfüllung [scil. der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellten Aufgaben] sicherzustellen“457, deutete es hier mit den Ausführungen, bei der Grundversorgung müsse eine Technik sichergestellt sein, bei der ein Empfang für alle möglich sei, was „bis auf weiteres“ die herkömmliche terrestrische Funktechnik sei458, es bestehe eine „Notwendigkeit, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Anpassung an veränderte Umstände zu ermöglichen“459, weitergehend auch eine Entwicklungsgarantie an460. Dem fügte das Gericht noch eine Finanzierungsgarantie hinzu, dadurch, dass es dem Gesetzgeber aufgab, eine hinreichende Finanzierung der geschützten Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu gewährleisten461. Diese Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, durch die seine Teilhabe an neuen technischen und programmlichen Entwicklungen einschließlich der finanziellen Voraussetzungen sichergestellt werden sollte und die angesichts der nach dem dritten Fernsehurteil zu erwartenden privaten Konkurrenz in dieser Art bereits 1983/84 von der ARD gefordert worden war462, wurde damit vom Bundesverfassungsgericht erstmals vorsichtig aufgestellt. c) Befürchtungen eines Verdrängungswettbewerbes Angesichts der in diesem Beschluss stärker als zuvor zu Tage tretenden Haltung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten des öffentlich-rechtlichen 457
BVerfGE 73, 118, 158. BVerfGE 74, 297, 326. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Gerichts auf S. 350 f. 459 BVerfGE 74, 297, 354. 460 So auch Degenhart, ZUM 1988, 47, 56; Seemann, DÖV 1987, 844, 847; anders Schmitt Glaeser, DVBl 1987, 14, 19 f., der bereits im vierten Rundfunkurteil eine Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angedeutet sieht. 461 BVerfGE 74, 297, 342. Degenhart, ZUM 1988, 47, 52, bezeichnet diese Finanzgarantie als „töricht“, da nichts mehr zur Kostensteigerung reize als eine Kostendeckungsgarantie. 462 Stuttgarter Erklärung der ARD zur Medienpolitik v. 30.11.1983, abgedruckt in: MP 1983, S. 801; Schreiben der ARD-Rundfunkanstalten an die Ministerpräsidenten v. 30.04.1984, abgedruckt in: MP 1984, S. 295. Hierzu auch Bethge, JöR n. F. 35 (1986), 103 ff. 458
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Rundfunks kam die Befürchtung auf, das Bundesverfassungsgericht begünstige den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegenüber dem privaten Rundfunk zu sehr und verhindere durch dessen starken Schutz auf Dauer ein funktionsfähiges duales System463. Mit Wortschöpfungen wie „Expansionsrundfunk“464 und „vorsorglicher Verdrängungswettbewerb“465 wurde diese nach Meinung der Kritiker allzu großzügige Haltung gegenüber dem öffentlichrechtlichen Rundfunk angeprangert. 7. Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens Nachdem sich abzeichnete, dass sich privater Rundfunk zwar nicht aufhalten ließ, öffentlich-rechtlicher Rundfunk durch ihn jedoch gleichzeitig auch nicht übermäßig eingeschränkt werden, sondern weiterhin bestehen würde, konnten sich die Ministerpräsidenten nach langen Diskussionen Anfang April 1987 auf den „Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens“ (RStV) einigen466. Dieser enthielt sowohl (Rahmen-)Regelungen für den privaten Rundfunk als auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie beispielsweise Programmgrundsätze, Jugendschutzregeln, Anforderungen zur Sicherung von Meinungsvielfalt oder aber Werbe-/Sponsoringvorschriften. Der Staatsvertrag sollte nur für bundesweite Fernsehprogramme gelten, für lediglich landesweiten oder lokalen Rundfunk wie auch bei fehlenden Regelungen sollten hingegen die Regelungen der einzelnen Länder gelten467. Mit ihm kam der Aufbau eines dualen Rundfunksystems als ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Rundfunk zu einem vorläufigen Abschluss.
VI. Ausbau und Veränderung des dualen Systems Von dem Zusammenbruch des politischen Systems der DDR Ende der achtziger Jahre und dem Neubeginn in einem vereinten Deutschland in den 463 Besonders scharfe Kritik äußerte Schmitt Glaeser, DÖV 1987, 837 ff., ebenso Kull, AfP 1987, 568 ff., der dem Gericht ein kühles Unverständnis für wirtschaftliche Gegebenheiten und eine dogmatische Inkonsequenz vorwirft; weitere Kritik bei Seemann, DÖV 1987, 844 ff.; Degenhart, ZUM 1988, 47, 56 f. 464 Bullinger, JZ 1987, 928. 465 So Kull, AfP 1987, 568. Dieser Begriff wurde bereits vor der Entscheidung in den achtziger Jahren von Schmitt Glaeser im Zusammenhang mit einer sich abzeichnenden Bestands- und Entwicklungsgarantie benutzt, die er unter Berufung auf das erste Fernsehurteil verfassungsrechtlich für nicht geboten hielt, BayVBl 1985, 98, 102. 466 Siehe z. B. GVBl Bay 1987, S. 249; GVBl Nds 1987, S. 183; Abl Saar 1987, S. 1153. 467 Dieser Anwendungsbereich sollte sich bis heute nicht ändern, vgl. § 1 RStV.
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neunziger Jahren sollte auch der Rundfunkbereich betroffen sein. Des Weiteren kam es zur Programmexpansion des privaten sowie des öffentlichrechtlichen Rundfunks. 1. Veränderungen durch die Wiedervereinigung – Neuformierung der Rundfunklandschaft Der schrittweise Prozess der Wiedervereinigung führte zu einer völlig neuen Rundfunkordnung für die frühere sowjetische Besatzungszone und ehemalige DDR. So wurden im Zuge der aufkommenden politischen Veränderungen innerhalb der DDR zunächst die beiden Staatlichen Komitees für Rundfunk und für Fernsehen im Dezember 1989 aufgelöst. Im Anschluss daran nahm eine Mediengesetzgebungskommisson ihre Arbeit auf, die den Staatsrundfunk mittels eines Beschlusses in einen regierungsunabhängigen Rundfunk als öffentliche Einrichtung überführte468. Mit Inkrafttreten des zwischen Deutschland und der DDR geschlossenen Einigungsvertrages (EV)469 am 3. Oktober 1990 wurde auch Art. 36 EV wirksam. Dieser legte übergangsweise grobe Rahmenbedingungen für die Rundfunkversorgung fest, denenzufolge bis zum 31. Dezember 1991 Hör- und Fernsehfunk in der Rechtsform einer gemeinschaftlichen, staatsunabhängigen, rechtsfähigen Einrichtung470 der neuen Bundesländer weitergeführt werden würden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die Länder eigene Ideen zur Rundfunkorganisation entwickeln und realisieren. Wenngleich die Zeit für eine Neuordnung äußerst knapp bemessen war, so änderte sich die Rundfunklandschaft nach der Wiedervereinigung wie folgt: Die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen riefen per Staatsvertrag den „Mitteldeutschen Rundfunk“ (MDR) ins Leben471, gleichsam zu eine Neuauflage der „Mitteldeutschen Rundfunk AG“ (Mirag), die in der Weimarer Zeit in etwa das gleiche Gebiet umfasste. Das Land Brandenburg entschied sich nach diversen Modellen für die Gründung einer eigenen 468 Hierzu Bullinger, AfP 1991, 465, 468; Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 111, 121; Hoffmann-Riem, AfP 1991, 472, 473. 469 Gesetz v. 23.09.1990 zu dem Vertrag v. 31.08.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einheitsvertrag – und der Vereinbarung v. 18.09.1990, BGBl 1990, Teil II, S. 885. 470 Zur Rechtsnatur dieser Einrichtung vgl. Wilhelmi, Verfassungsrechtliche Probleme, S. 66 f. m. w. N., der sie als rechtsfähige öffentliche Körperschaft mit anstaltlichem Einschlag klassifiziert. Auf rechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Einrichtung und Art. 36 EV verweist Ricker, AfP 1991, 462 ff. 471 Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk v. 30.05.1991, GVBl SA 1991, S. 111; GVBl Sachs 1991, S. 169; GVBl Thür 1991, S. 118.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Rundfunkanstalt, den „Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg“ (ORB)472, während der Sender Freies Berlin (SFB) für Ost-Berlin die Rundfunkgrundversorgung übernahm473. Mecklenburg-Vorpommern hingegen trat dem NDR bei474, was ebenfalls eine teilweise Wiederholung der Rundfunkkonstellation während der Weimarer Republik darstellte, da auch dort Mecklenburg zum „Nordische Rundfunk AG“ (Norag) gehört hatte. MDR und ORB begannen jeweils mit der Ausstrahlung eines Dritten Programms475, der SFB scherte aus dem von der Nordkette NDR und RB produzierten „N3“ aus und startete mit „B 1“ ein eigenes Fernsehprogramm. Mit der Wiedervereinigung wurde der Programmauftrag von DLF und RIAS Berlin – die beide ursprünglich verstärkt die DDR unverfälscht über Deutschland informieren sollten – hinfällig. In der Folge wurden sie zusammen mit dem überregionalen Hörfunkprogramm der ehemaligen DDR „Deutschlandsender Kultur“ (DS-Kultur) zum nationalen Hörfunk „Deutschlandradio“ (DLR) zusammengefasst und der Programmauftrag jetzt auf Information und Kultur ausgerichtet476. Beim DLR handelt es sich zwar abweichend vom sonstigen Typus der Anstalt des öffentlichen Rechts um eine öffentlichrechtliche Körperschaft getragen von ARD und ZDF477, vom Aufbau und Erscheinungsbild her besteht aber im Grunde genommen eine große Ähnlichkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt478. Die neuen Landesrundfunkanstalten traten wenig später der ARD bei und auch Privatrundfunkgesetze wurden in den neuen Ländern entsprechend der dualen Rundfunkordnung in Westdeutschland erlassen479. Infolge der zurückliegenden turbulenten Entwicklungen wurde 1991 mit dem von allen 472 Gesetz über den Rundfunk in Brandenburg v. 06.11.1991, GVBl Brbg 1991, S. 472. 473 Gesetz über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts v. 28.09.1990, GVBl Berl 1992, S. 2219. 474 Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk v. 18.02.1992, vgl. z. B. GVBl MV 1992, S. 78. 475 „MDR Fernsehen“ und „Fernsehen Brandenburg“ (später „ORB-Fernsehen“); heute „rbb Fernsehen“. 476 Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern über die Überleitung von Rechten und Pflichten des Deutschlandfunks und des RIAS Berlin auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts „Deutschlandradio“ – Hörfunk-Überleitungsstaatsvertrag – v. 17.06.1993, vgl. z. B. GVBl Bay 1993, S. 1017; GVBl NW 1993, S. 874. 477 § 1 I DLR-StV. 478 Vgl. § 19 ff. DLR-StV. 479 Gesetz über den privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt v. 22.05.1991, GVBl SA 1991, S. 87; Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen v. 27.06.1991, GVBl Sachs 1991, S. 178; Rundfunkgesetz für das Land MecklenburgVorpommern v. 09.07.1991, GVBl MV 1991, S. 194; Thüringer Privatfunkgesetz v. 31.07.1991, GVBl Thür 1991, S. 255; Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwi-
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sechzehn Bundesländern geschlossenen „Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland“ ein übergreifender Staatsvertrag für das vereinigte Deutschland aufgestellt, der in den grundlegenden Bereichen ein einheitlich geltendes Rundfunkrecht schuf480. Kritik an der abgelaufenen Rundfunkvereinigung von Ost und West entzündete sich vor allem daran, dass hier weder die Möglichkeit zur generellen reformorientierten Neuordnung des Rundfunks im gesamten Bundesgebiet ergriffen wurde, um Diskussionen über die Notwendigkeit eines auf allen Programmgebieten expansiv tätigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angesichts sich stark entwickelnder privater Programme wirksam entgegenzutreten noch ostdeutsche Besonderheiten berücksichtigt wurden. Stattdessen konzentrierte man sich auf die Abwicklung der alten Rundfunkstrukturen der DDR und es erfolgte lediglich eine Festschreibung des im Westen vorherrschenden status quo ante, ohne jedoch die medienrechtlichen Stereotypen der alten Bundesländer auch nur im Ansatz kritisch zu hinterfragen481. 2. Sechste Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („WDR“) Nach einer Novellierung des Gesetzes über den Westdeutschen Rundfunk sowie nach Schaffung des Rundfunkgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, in dem für lokalen Rundfunk ein so genanntes „Zwei-Säulen-Modell“ enthalten war, ergingen hiergegen beim Bundesverfassungsgericht seitens der CDU-Bundestagsfraktion zwei Normenkontrollklagen. Das Bundesverfassungsgericht beurteilte in seiner sechsten Rundfunkentscheidung482 am 5. Februar 1991 jedoch beide Regelungen als mit dem Grundgesetz vereinbar. a) Ausdrückliche Gewährung und Begrenzung der Bestandsund Entwicklungsgarantie Bezogen auf den Passus des WDR-Gesetzes, wonach der WDR ebenso wie andere Rundfunkunternehmen künftig alle Möglichkeiten nutzen durfschen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks v. 29.02.1992, GVBl Berl 1992, S. 151, GVBl Brbg 1992, S. 142. 480 Vgl. z. B. GVBl Berl 1991, S. 310; GVBl Brbg 1991, S. 580; GVBl Nds 1991, S. 311. Vgl. hierzu den Überblick bei Kreile, ZUM 1991, 568 ff. Dieser hat seitdem mehrere Änderungen erfahren, zuletzt durch den siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄndStV) vom 01.04.2004. 481 Bullinger, AfP 1991, 465, 470 ff.; Hoffmann-Riem, AfP 1991, 472, 479 ff. 482 BVerfGE 83, 238 ff.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
te483, führte das Gericht aus, der Staat sei aus Art. 5 I S. 2 GG zur Gewährleistung einer Grundversorgung verpflichtet. Daraus folgerte es nun erstmals ausdrücklich eine bereits in der vierten und fünften Rundfunkentscheidung angedeutete Bestands- und Entwicklungsgarantie, da es mit dieser Gewährleistungspflicht unvereinbar sei, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf seinen gegenwärtigen Entwicklungstand in programmlicher, finanzieller und technischer Hinsicht zu beschränken484. Angesichts der schnellen Entwicklung des Rundfunkwesens und besonders bei der Rundfunktechnik würde eine auf den gegenwärtigen Zustand bezogene Garantie dem Grundversorgungsauftrag nicht gerecht werden. Eine derartige Bestands- und Entwicklungsgarantie ist nach Ansicht des Gerichts verfassungsrechtlich nur solange geboten, wie die privaten Veranstalter den klassischen Rundfunkauftrag nicht in vollem Umfang erfüllen485, bezieht sich demzufolge auf die Grundversorgung, die aber wiederum ebenfalls nicht als statischer, sondern vielmehr als dynamischer Begriff verstanden wird. Gleichzeitig begrenzt das Gericht diese auf die Grundversorgung bezogene Garantie jedoch wieder durch die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks486. Die Erfüllung der Grundversorgung ist also Voraussetzung und Grenze der Bestandsund Entwicklungsgarantie487. b) Nordrhein-Westfälisches „Zwei-Säulen-Modell“ Das im Nordrhein-Westfälischen Rundfunkgesetz vorgesehene „ZweiSäulen-Modell“, bei dem die betriebliche, technische und finanzielle Verantwortung bei einer „Betriebsgesellschaft“ liegen sollte, an der sich größtenteils örtliche Zeitungsverleger aber auch Kommunen beteiligen können sollten und die publizistischen Angelegenheiten von einer „Veranstaltergemeinschaft“, einem Idealverein488, verantwortet werden sollten489, um dem Lokalfunk eine größtmögliche Unabhängigkeit zu sichern, wurde vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich nicht beanstandet. Stattdessen wurde es als zulässige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit gesehen, da das Grundgesetz doch keine Modellkonsistenz verlange490. 483
§ 3 Abs. 3 WDR-G. BVerfGE 83, 238, 298. 485 BVerfGE 83, 238, 299. 486 BVerfGE 83, 238, 299. 487 So auch Berg, MP 1991, 217, 218. Hierzu näher unter 2. Teil A. II. 2. e). 488 Dessen Organisation entspricht im Wesentlichen derjenigen der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. 489 §§ 52 ff. LMG NRW. Kritik an diesem Modell findet sich bei Grawert, AfP 1986, 277, 280 f.; Kull, AfP 1991, 716, 722 f. 490 BVerfGE 83, 238, 324 ff. 484
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Zudem fand in der Entscheidung der Ermessenspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung mehrfach Erwähnung491. 3. Siebte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Hessen3“) In dem Beschluss vom 6. Oktober 1992 ging es um ein Werbeverbot für das Dritte Fernsehprogramm des Hessischen Rundfunks, wogegen dieser mittels einer Verfassungsbeschwerde vorging492. Sie hatte jedoch keinen Erfolg, weil das Bundesverfassungsgericht das gesetzliche Werbeverbot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht als Eingriff, sondern als zulässige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit wertete, da nur ein Anspruch auf überhaupt eine hinreichende Finanzierung, nicht aber auf eine bestimmte Finanzierungsart bestehe493 und nicht ersichtlich sei, dass der Hessische Rundfunk ohne die Werbeerlöse die Veranstaltung von funktionserforderlichen Programmen nicht mehr aufrecht erhalten könne oder gar die Grundversorgung gefährdet sei494. Das Gericht bestätigte zwar erneut den Finanzgewährleistungsanspruch der Rundfunkanstalten495 und konkretisierte dann dessen Konturen weiter, indem es feststellte, nicht jede Programmentscheidung der Rundfunkanstalten sei finanziell zu honorieren496, sondern eine derartige finanzielle Gewährleistungspflicht erfasse nur die Programme, die der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprächen und zu ihrer Wahrnehmung erforderlich seien497. Mit dieser Formel solle ein Ausgleich zwischen der Programmautonomie der Anstalten einerseits und den schutzwürdigen Interessen der Gebührenzahler andererseits, die sonst jegliche Programmentscheidung der Anstalten finanziell mittragen müssten, ohne sich dagegen wehren zu können, erreicht werden498. Gleichzeitig räumte das Bundesverfassungsgericht jedoch selbst ein, dass das Kriterium der (Funktions-)Erforderlichkeit schwierig zu beziffern und verhältnismäßig unbestimmt sei, so dass zum Ausgleich der widerstreiten491 Kull entnimmt der Entscheidung daher für den Gesetzgeber fast „Pleinpouvoir“, vgl. die Überschrift seines Beitrags in AfP 1991, 716. 492 Zur Vorgeschichte ausführlich Stock, JZ 1993, 234 ff. 493 BVerfGE 87, 181, 200. 494 BVerfGE 87, 181, 205. 495 BVerfGE 87, 181, 198. 496 BVerfGE 87, 181, 201. 497 BVerfGE 87, 181, 198, 202. 498 BVerfGE 87, 181, 202; vgl. hierzu auch Dörr, VerwArch 2001, 149, 167. 8 Lindschau
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
den Interessen ein bestimmtes Verfahren der Gebührenentscheidung einzurichten sei499, das allerdings erst Gegenstand der folgenden Entscheidung werden sollte. Wenngleich durch diese Entscheidung klargestellt wurde, dass zwar die Art der Finanzierung in gewissen Grenzen, nicht jedoch der Umfang zur Disposition des Gesetzgebers steht, so muten die Ausführungen des Gerichts zur Umfangsbegrenzung der staatlichen finanziellen Gewährleistungspflicht mittels des Kriteriums der Funktionserforderlichkeit vielfach kryptisch an500. 4. Achte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Gebührenurteil“) Auch in diesem Urteil vom 22. Februar 1994 beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit vielfältigen Aspekten der Rundfunkgebühr. Im Vorfeld hatte es diverse Versuche gegeben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die „Gebührenschraube“ zu Wohlverhalten gegenüber politischen Machtträgern zu veranlassen501. Gleichzeitig gab es immer wieder Forderungen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein auf Einnahmen aus Gebühren zu begrenzen, um unter dem Deckmantel der Finanzierungsdiskussion – gleichsam mit „goldenen Zügeln“502 – das Aufgabenfeld der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu beschränken und auf Nischenprogramme festzulegen. a) Notwendigkeit eines Festsetzungsverfahrens Das Gericht reagierte darauf, indem es feststellte, medienpolitische oder programmleitende Entscheidungen müssten im Wege der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung getroffen werden503, im Gewande von Finanzierungsentscheidungen dürfe nicht auf Programmentscheidungen eingewirkt werden. Es knüpfte an den bereits zuvor festgestellten Befund an, dass weder die Rundfunkanstalten noch der Gesetzgeber allein über die Höhe der Rundfunkgebühr entscheiden könnten und das Begrenzungskriterium der Funktionserforderlichkeit nicht so weit konkretisierbar sei, dass die Rundfunkgebühr dem Betrag nach aus ihm ableitbar wäre504. Durch den engen Zu499
BVerfGE 87, 181, 203, 204 f. Vgl. etwa BVerfGE 87, 181, 203. Näher hierzu unter 3. Teil B. I. 4. 501 Hoffmann-Riem, in: Jarren, Medienwandel – Gesellschaftswandel, S. 28; vgl. hierzu auch Linck, NJW 1984, 2433 ff. 502 Linck, NJW 1984, 2433, 2435; Hoffmann-Riem, JZ 1989, 247, 248. 503 BVerfGE 90, 60, 94. 504 BVerfGE 90, 60, 95. 500
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sammenhang von Programmfreiheit und Finanzausstattung sei das Dilemma strukturell bedingt („Programmentscheidungen haben finanzielle Voraussetzungen, Finanzentscheidungen haben programmliche Konsequenzen“505). Um eine funktionsgerechte Finanzierung bei gleichzeitiger Programmfreiheit zu gewährleisten, stellte das Bundesverfassungsgericht auf eine dem Gegenstand angemessene Verfahrensregelung ab. b) Verfahren zur Gebührenfestsetzung Es kam zu dem Ergebnis, das bisherige Verfahren zur Gebührenfestsetzung sei ungenügend. Dort wurde nämlich die Höhe der Gebühren einfach durch einen Staatsvertrag aller Länder bestimmt, Abweichungen von den Empfehlungen der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF) waren noch nicht einmal zu begründen und auch die Unabhängigkeit dieser Kommission war gesetzlich nicht abgesichert. Nach Meinung des Gerichts sichere das bisherige Procedere weder den Rundfunkanstalten die zur Erfüllung des Rundfunkauftrages erforderlichen Mittel noch schließe es staatliche Einflussnahmen auf die Programmgestaltung wirksam aus506. Nötig sei vielmehr ein gestuftes und kooperatives Verfahren, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel gewährleiste und vor Einflussnahme auf das Programm schütze507. Dabei sprach sich das Gericht für ein sachverständig zusammengesetztes, aber rundfunk- und politikfreies Gremium wie die KEF aus, das die Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten berücksichtige (erste Stufe), anhand des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrages und der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit überprüfe (zweite Stufe) und den Ministerpräsidenten der Länder einen Gebührenvorschlag unterbreite, von dem nur in begründeten Ausnahmen – wie den Informationszugangs- und Vermögensinteressen des Publikums – abgewichen werden könne (dritte Stufe)508. Aufgrund dessen kam es wenig später auch zu einer Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (RFinStV), bei der die Zusammensetzung der KEF geändert und das vom Bundesverfassungsgericht bereits in groben Zügen vorgezeichnete Verfahren zur Gebührenfestsetzung geregelt wurde509.
505 506 507 508 509 8*
BVerfGE 90, 60, 102. BVerfGE 90, 60, 96 f. BVerfGE 90, 60, 102. BVerfGE 90, 60, 102 f. Vgl. §§ 1–7 RFinStV. Kritisch hierzu Hesse, BayVBl 1997, 132, 141 f.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
5. Gründung weiterer öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme Im weiteren Verlauf entstanden mit „Arte“ (1992), dem „Kinderkanal“ (KI.KA) und „Phoenix. Ereignis- und Dokumentationskanal“ (beide 1997) noch weitere bundesweit verbreitete öffentlich-rechtliche Programme. Bei dem Programm Arte („Association Relative à la Télévision Européenne“) handelt es sich um eine durch völkerrechtlichen Vertrag510 zwischen Deutschland und Frankreich gegründete Gemeinschaftsproduktion von ARD und ZDF511 zusammen mit dem französischen Sender „La Sept/ Arte“512. Aufgabe dieses Senders ist es, Fernsehsendungen zu konzipieren und auszustrahlen, die kulturellen und internationalen Charakter haben und geeignet sind, Verständnis und Annäherung der Völker in Europa zu fördern. Die Ermächtigung für die ARD und das ZDF, sich an einem europäischen Fernsehkulturkanal zu beteiligen, fand sich in § 18 Abs. 4 S. 2 des RStV von 1991513. Beim Kinderkanal und Phoenix handelt es sich nicht um Voll-, sondern um Spartenprogramme, d. h. sie richten sich nur an einen begrenzten Teilnehmerkreis und sind auch thematisch begrenzt514. Normativ sind diese beiden Programme in § 19 Abs. 2 RStV verankert515. Während der eine Sender Kindern ein gewalt- und werbefreies qualitativ hochwertiges und breites Fernsehprogramm bieten soll516, handelt es sich bei dem anderen Sender 510 „Vertrag zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Freistaat Bayern, Berlin, Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und der Französischen Republik zum Europäischen Fernsehkulturkanal“ vom 02.10.1992, abgedruckt z. B. in GBl BW 1991, 788. Aufgrund einer Beitrittsklausel (Art. 4) konnten wenig später auch die neuen Länder hinzutreten. 511 ARD und ZDF sind dabei Gesellschafter zu je 50% der „ARTE Deutschland TV GmbH“, § 3 Gesellschaftsvertrag über die ARTE Deutschland TV GmbH. 512 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 279. ARTE Deutschland TV GmbH bildet dabei zusammen mit La Sept/Arte die „Arte G. E. I. E“ (Groupement Européen d’Interetêt Economique; Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung). 513 Heute, d. h. in der Fassung des RStV durch den 7. RÄndStV, § 19 Abs. 6 S. 2 RStV. 514 Vgl. BVerfGE 74, 297, 345. 515 Diese Ermächtigung zur Veranstaltung gemeinsamer (Fernseh-)Spartenprogramme wurde mittels des 3. RÄndStV mit Wirkung zum 01.01.1997 eingeführt. Für den KI.KA und PHOENIX besteht mit der von den Intendanten der Rundfunkanstalten getroffenen „Vereinbarung über die Veranstaltung eines ARD/ZDF-Kinderkanals“ bzw. „Vereinbarung über den Ereignis- und Dokumentationskanal ‚Phoenix‘“ eine konkrete rechtliche Grundlage, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, C VI 1.300 bzw. 1.301. 516 Vgl. § 2 KI.KA-Vereinbarung.
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um eine Art „Parlamentsfernsehen“, bei dem u. a. Parlamentsdebatten, Diskussionen, Dokumentationen und Features übertragen werden517. Neben dem 1992 gestarteten mehrsprachig gesendeten nachrichtenund informationsorientierten Auslandsfernsehprogramm „DW-tv“ der Deutschen Welle wurde von dieser, den Landesrundfunkanstalten und dem ZDF im Jahr 2002 trotz erheblicher wirtschaftlicher Bedenken518 ein weiteres – entgeltpflichtiges – Auslandsfernsehprogramm in deutscher Sprache, „German TV“ zur Verbesserung der medialen Außenrepräsentanz auf den Weg gebracht, das zunächst in den USA als digitales Abonnentenfernsehen verbreitet wird519. 6. Anstieg der Kosten im Rundfunkbereich und Duopolbildung im privaten Rundfunk Im Zusammenhang mit der vermehrten Zulassung privater Rundfunkprogramme kam es infolge der dadurch stärkeren Konkurrenz im Verlauf der neunziger Jahre zu einem Anstieg der Produktions- und Übertragungskosten vor allem im Bereich massenwirksamer Spielfilme und Sportveranstaltungen520. Aufgrund der Ausgabensteigerungen, die nicht vollständig über Gebühreneinnahmen kompensierbar waren, entstand ein erhöhter finanzieller Druck auf öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter. Aber auch im privaten Rundfunk trug diese Entwicklung als ein Faktor dazu bei, dass sich eine immer stärkere Oligopolbildung abzeichnete, die letzten Endes auf ein Duopol zweier Senderfamilien hinauslief. Auf der einen Seite stand dabei die Kirch-Springer-Gruppe mit ProSieben, Sat.1, Kabel 1, N24, DSF, 9Live und Premiere. Auf der anderen Seite stand die Bertelsmann-CLT-Gruppe mit RTL, RTL II, Super RTL, VOX und n-tv. Mit der Insolvenz der Kirchgruppe im Frühjahr 2002 ist der Medienmarkt zwar wieder in Bewegung geraten, dies jedoch nur für eine relativ kurze Zeit. Bei der BertelsmannCLT-Gruppe hat sich im Wesentlichen nichts geändert, angesichts ihres ho517
Vgl. § 2 Abs. 6 Phoenix-Vereinbarung. Vgl. hierzu AfP 2001, 294 f.: „Neues deutsches Auslandsfernsehen startet 2002 in den USA“. Aufgrund zu weniger Abonnenten wird allerdings bereits über eine Einstellung des Programms nachgedacht (epd medien Nr. 41 v. 29.05.2004, 16 f.: „Aus für German TV?“). 519 Siehe Präambel sowie § 1 Abs. 3 der Verwaltungsvereinbarung über den Deutschen Auslandskanal v. 11./14.09.2001, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, C VI 1.304. 520 Vgl. auch BVerfGE 90, 60, 101. Beispielsweise erhielt der Weltfußballverband FIFA für die Fußballweltmeisterschaften der Jahre 1990, 1994 und 1998 zusammen die Summe von 405 Millionen Mark, allein für die Weltmeisterschaft 2002 erhielt er 1,6 Milliarden Mark und für 2006 sogar 1,8 Milliarden Mark (Buchwald, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 2, S. 638). 518
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
hen Gesamtzuschauermarktanteils konnten sie dem Kirch-Imperium nichts für ihren Konzern abgewinnen, da bei ihnen anderenfalls vorherrschende Meinungsmacht angenommen und darauf mit den entsprechenden Sanktionen reagiert worden wäre521. Mittlerweile hat eine Investorengruppe um den Amerikaner Saban einen Großteil des Kirch-Imperiums (ProSieben, Sat.1, Kabel 1, N24) gekauft, der mehr als 40% des deutschen Privatfernsehmarktes ausmacht, und sich der Markt wieder stabilisiert.
VII. Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Rundfunks Betrachtet man rückblickend die Fülle der vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Entscheidungen zum Rundfunkbereich samt ihrer gewichtigen und umfänglichen Inhalte, so wird deren entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Rundfunksystems deutlich. Häufig war es das Bundsverfassungsgericht, das dem Rundfunk seine spezifische Funktion in einer demokratischen Gesellschaft zuschrieb und ihm die zukünftige Entwicklung vorzeichnete. So verwundert die Aussage nicht, die stärkste Prägung des Rundfunksystems durch die höchstrichterliche Rechtsprechung sei – verglichen mit anderen europäischen Ländern – in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt522. 1. Kontinuität und Flexibilität Dabei bewies das Gericht in seinen Urteilen einerseits Kontinuität, indem es beispielsweise immer wieder auf die Medium- und Faktor-Funktion des Rundfunks hinwies523, die Staats- und Gruppenfreiheit proklamierte524 oder aber den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung unter Beachtung bestimmter Konstanten betonte525. Andererseits stellte das Bundesverfassungsgericht vielfach auch Flexibilität unter Beweis, etwa wenn es um den allmählichen Austausch von Begründungen hinsichtlich der Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ging, so z. B. bei dem langsamen Umschwenken von dem mehr und mehr 521
Vgl. die Regelungen zur Vielfaltssicherungen der §§ 25 ff. RStV. Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 99; so auch Hoffmann-Riem, in: Jarren, Medienwandel – Gesellschaftswandel, S. 17. Vgl. hierzu ebenfalls Bethge, ZUM 1987, 199: Die präjudizierende Kraft der Grundsatzentscheidungen ist unleugbar. 523 BVerfGE 12, 205, 260; 59, 231, 257; 73, 118, 152; 74, 297, 323; 83, 238, 296. 524 BVerfGE 12, 205, 262; 31, 314, 325; 57, 295, 320, 322; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 324; 83, 238, 296; 87, 181, 197 f. 525 BVerfGE 12, 205, 261 f.; 57, 295, 321, 325; 73, 118, 153; 74, 297, 324; 83, 238, 296, 316; 87, 181, 198; 90, 60, 94. 522
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unhaltbaren Argument der sich immer weiter abschwächenden technischen Sondersituation hin zu dem umstrittenen Begriff der Grundversorgung526. Ursache dieser Flexibilität ist das Offenhalten der jeweiligen Argumentationsstränge dadurch, dass in beinahe schon auffälliger Weise die Funktion des öffentlichen Rundfunks sowie die Begründungen hierfür regelmäßig von tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung abhängig gemacht werden. Anhand gebrauchter Formulierungen wie „jedenfalls vorerst“527, „nach Lage der Dinge“528, „noch für längere Zeit“529, „bis auf weiteres“530, „unter den derzeitigen Bedingungen“531, „bei dem derzeitigen Entwicklungsstand des dualen Systems“532, „solange und soweit“533 wird der situative Charakter der Entscheidungen deutlich. Durch dieses Offenhalten gegenüber dem Fortschritt sollten „Versteinerungen“ vermieden werden534. Auf die Folgerungen hieraus wird im zweiten Teil der Arbeit eingegangen. 2. Stellungnahme Die vom Bundesverfassungsgericht im Rundfunkbereich eingenommene, teilweise gleichsam gesetzgeberische Funktion ist unter dem Gesichtspunkt 526 BVerfGE 57, 295, 322: zur Notwendigkeit ausgestaltender Regelungen beim Wegfall der Sondersituation; 73, 118, 123 f., 154, 157: wo das Gericht nach der Feststellung einer teilweisen Aufweichung der technischen, nicht aber der finanziellen Sondersituation und dem Eingehen auf die Defizite privater Anbieter dann zur Statuierung eines Grundversorgungsauftrags kommt. 527 BVerfGE 31, 314, 326: jedenfalls vorerst sei im Rundfunk eine dem Pressewesen entsprechende Vielfalt nicht möglich; ähnlich auch BVerfGE 57, 295, 323. 528 BVerfGE 73, 118, 158: nach Lage der Dinge seien die essentiellen Funktionen des Rundfunks in erster Linie als solche der öffentlich-rechtlichen Anstalten anzusehen. 529 BVerfGE 73, 118, 154: noch für längere Zeit bleibe die Zahl empfangbarer Programme auf terrestrische Programme beschränkt. 530 BVerfGE 74, 297, 326: bis auf weiteres sei die Übertragungstechnik, bei der ein Empfang für alle als Merkmal der Grundversorgung sichergestellt sei, die terrestrische Technik. 531 BVerfGE 74, 297, 321 f.: unter den derzeitigen Bedingungen entspreche der private Rundfunk nicht den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG; BVerfGE 83, 238, 311: unter den gegenwärtigen Bedingungen habe der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Grundversorgungsaufgabe. 532 BVerfGE 83, 238, 306; BVerfGE 90, 60, 90: das duale System in seiner gegenwärtigen Form. 533 BVerfGE 73, 118, 158 f.; 74, 297, 325 solange und soweit die Wahrnehmung der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sichergestellt sei. 534 So auch Oppermann, JZ 1981, 721, 728. Nicht zutreffend daher Theurer, FAZ v. 14.11.2003, 13, der von „Uraltentscheidungen“ und „betagten Entscheidungen“ spricht und damit ihre Überholung andeutet.
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des Grundsatzes der Gewaltenteilung durchaus nicht unproblematisch535. Durch diverse höchstrichterliche Urteile wurden grundlegende Aussagen im Rundfunkbereich getroffen und damit zum Teil auch das heute bestehende Rundfunksystem in seinen Grundzügen festgelegt. Angesichts dessen, dass Rundfunk eine für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Frage ist und dem Gesetzesvorbehalt unterliegt, wäre dies jedoch Aufgabe des Gesetzgebers gewesen536. Nach eigener Aussage des Bundesverfassungsgerichts gehört die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung zu den Fragen, die der Gesetzgeber zu regeln hat537. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass den Grundrechten in aller Regel eine Abstraktionshöhe538 zukommt, sie knapp formuliert sind und das Bundesverfassungsgericht dazu berufen ist, diese entsprechend auszulegen, um sie mit Leben zu füllen und auf vielfältige Sachverhalte konkret anwendbar werden zu lassen539. Insofern würde die Funktion des Bundesverfassungsgerichtes540 verkannt, wollte man es bei seinen Entscheidungen allein am vordergründigen Text der Verfassung halten. Für das Verhalten des Bundesverfassungsgerichts spricht auch, dass es zwar kein legislatorisches Mandat besitzt541, jedoch zur Fortentwicklung des Rechts berechtigt ist542. Auch ist zu beachten, dass es gerade im Bereich der Verfassungsauslegung, deren Normen im besonderen Maße offen gehalten sind, zur Aktualisierung und Konkretisierung der Rechtsnormen und damit häufig zwangsläufig auch zu einer gewissen (Richter-)Rechtsetzung kommt543. 535 Darauf verweist auch Hesse, BayVBl 1997, 132, 133; ähnlich Bullinger, JZ 1987, 928, 929 f. Fn. 22. Harsche Kritik an der Verfassungsrechtsprechung im Rundfunkbereich findet sich bei Engel, AfP 1994, 185, 186, demzufolge das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber durch die Statuierung eines Ausgestaltungsvorbehalts bei Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zwecks leichterer Steuerung in diesem Bereich „entmannt“ habe. 536 Hierzu bereits unter C. I. 2. d). 537 BVerfGE 73, 118, 153. 538 Auf den hohen Abstraktionsgrad des Textes verweist auch Säcker, Das Bundesverfassungsgericht, S. 28. 539 Vgl. hierzu auch Bethge, ZUM 1991, 337, 338; ders., Verfassungsrechtliche Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 43. 540 Eine übergreifende verfassungstheoretische Einordnung der Institution Bundesverfassungsgericht findet sich bei Haltern, Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen, passim. 541 So das Hohe Gericht selbst in st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 4, 219, 234; 34, 269, 287 ff.; 96, 375, 394. 542 BVerfGE 96, 375, 394. Scholz, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 16, hält eine begrenzte Fortentwicklung geschriebenen Rechts durch das Bundesverfassungsgericht ebenfalls für legitim. 543 Vgl. hierzu auch Scholz, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 22; Säcker, Das Bundesverfassungsgericht, S. 29.
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Gleichwohl darf dies nicht zu einer offensiven Gestaltungsfunktion des Bundesverfassungsgerichts ausarten544. Damit wird ein grundsätzlich bestehendes Spannungsverhältnis deutlich: Einerseits weist die Verfassung im gewaltenteilenden Rechtsstaat den Verfassungsorganen eigenverantwortliche Handlungs- und Entscheidungsbereiche zu, andererseits bindet das Grundgesetz diese Verfassungsorgane an die Verfassung, über deren Reichweite im Einzelfall letztlich das Bundesverfassungsgericht entscheidet545. Indem das Bundesverfassungsgericht seiner Aufgabe nachkommt, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu interpretieren, der lediglich davon spricht „die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk . . . [wird] gewährleistet“, bleibt es nicht aus, dass über den Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hinausgehende Vorgaben gemacht und bestimmte Grundsätze herausgearbeitet werden, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung zu beachten hat. Zugunsten der vom Bundesverfassungsgericht eingenommenen Position lässt sich anführen, dass das Gericht bis auf wenige Ausnahmen546 im Wesentlichen nur Grundzüge vorzeichnete547. Es zeigte dem Gesetzgeber zwar Optionen auf, die maßgeblichen gesetzgeberischen Entscheidungen wie z. B. die Etablierung eines binnen- oder außenpluralistischen Systems zur Vielfaltssicherung oder aber die Einführung des privaten Rundfunks traf letzten Endes jedoch der Gesetzgeber548. Das Gericht beließ diesem insofern den immer wieder angeführten Entscheidungsspielraum zur näheren Ausgestaltung549 – wenngleich auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, die häufig jedoch sehr weit und grundsätzlicher Natur waren. Dies wird schon allein daran deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht nur selten konkret wurde, was ihm unter dem anderen Blickwinkel der begrifflichen Unbestimmtheit ebenfalls vorgeworfen werden kann550, 544
Scholz, in: Karpen, Richter als Ersatzgesetzgeber, S. 22; hierzu auch Säcker, Das Bundesverfassungsgericht, S. 33 f. 545 Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 504. 546 Gedacht sei hier beispielsweise an die vielfach kritisierte Äußerung in der fünften Rundfunkentscheidung (siehe hierzu bereits unter V. 6. a)), in der das Gericht im Gegensatz zu seiner sonstigen Vorgehensweise ganz konkret den Mindestumfang der Grundversorgung auf die Rundfunkprogramme festlegte, die zum Zeitpunkt des Erlasses der vierten Entscheidung bestanden hatten, BVerfGE 74, 297, 326. Aber auch im Bereich des Gebührenfestsetzungsverfahrens entwickelte das Gericht sehr detaillierte Vorstellungen, vgl. unter VI. 4. 547 Ebenso Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 238b. Anders Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 16, der von „dezidierten und detaillierten Vorgaben, die das Gericht dem Gesetzgeber . . . auferlegt“ spricht. 548 Ebenso Hesse, BayVBl 1997, 132, 133. 549 BVerfGE 12, 205, 261 f.; 57, 295, 321, 325; 73, 118, 153; 74, 297, 324; 83, 238, 296, 316; 87, 181, 198; 90, 60, 94, 101 f.
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und immer bemüht war die Rechtsprechung und damit auch das gesetzgeberische Wirken für die zukünftige Entwicklung offen zu halten. Außerdem sind seine gezogenen Schlussfolgerungen nicht gleichsam aus der Luft gegriffen, sondern aus der Verfassung heraus interpretiert. Häufig kam es dazu, dass der Gesetzgeber Veränderungen der Rundfunklandschaft vornahm (z. B. die Einführung privaten Rundfunks im Saarland), die vom Bundesverfassungsgericht nachträglich zu würdigen waren. Das Bundesverfassungsgericht als „Ersatzgesetzgeber“551 zu bezeichnen, erscheint von daher als zu weitgehend. Insgesamt lässt sich mithin nicht feststellen, dass das Gericht den Grundsatz der richterlichen Selbstbeschränkung, des judicial self-restraint552, außer Acht ließ. Die überspitzt formulierte Warnung, der Bundestag dürfe nicht zum „bloßen Vollzugsorgan verfassungsrichterlicher Sprüche“ degradiert werden553, kann mithin nicht genereller Natur sein, sondern nur auf Einzelfälle bezogen werden. Vorgeworfen wird dem Hohen Gericht auch eine ungleich gewichtete Haltung gegenüber den beiden Rundfunkorganisationen554: So begrenze das Bundesverfassungsgericht das gesetzgeberische Ermessen immer dann, wenn es sich gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk richte, wie beim Baden-Württemberg-Beschluss, wo es u. a. um ein Verbot der Veranstaltung regionaler und lokaler Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ging. Dieser Kritik ist zwar nicht von vornherein jegliche Berechtigung abzusprechen. Gleichzeitig gilt es jedoch, die Situation zum Zeitpunkt der Entscheidung zu beachten, in der den Fähigkeiten des privaten Rundfunks auf dem Gebiet einer vielfältigen umfassenden Berichterstattung vom Bundesverfassungsgericht nicht getraut wurde und die daraus resultierenden Gefahren für das wichtige Gut freier und öffentlicher Meinungsbildung als besonders hoch eingeschätzt wurden. Das wiederholte grundlegende Tätigwerden des Hohen Gerichts lässt sich teilweise auch mit der gesetzgeberischen Blockade rechtfertigen555, anfangs 550
Starck, NJW 1992, 3257, 3258 ff.; ders., in: Burmeister, FS Stern, S. 787 f. Bethge, ZUM 1991, 337, 338; ders., ZUM 1995, Sonderheft, 514; in diese Richtung auch Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 32. 552 Hierzu m. w. N. Haltern, Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen, S. 215 ff. 553 Schmitt Glaeser, DÖV 1987, 837, 839; eine ähnliche Formulierung findet sich bei Scholz, in: Karpen, Richter als Ersatzgesetzgeber, S. 24. 554 So Degenhart, DVBl 1991, 510, 512 f.; ähnlich auch Kull, AfP 1987, 568, 570 f.; Ory, AfP 1987, 466, 467; ders., ZUM 1987, 427, 432. 555 So Fechner, Medienrecht, Rn. 717; vgl. auch Theurer, in: FAZ v. 14.11.2003. 13; generell, d. h. nicht auf den Rundfunkbereich im Besonderen bezogen auch Leutheusser-Schnarrenberger, in: Karpen, Richter als Ersatzgesetzgeber, S. 42. 551
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bedingt durch die Zuständigkeitsstreitigkeiten von Bund und Ländern, später verursacht durch die unterschiedlichen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern. Auch in der momentanen Situation ist davon auszugehen, dass es dem obersten Bundesgericht angesichts der sensiblen Materie und den vielfältigen widerstreitenden Interessen am Rundfunk künftig nicht erspart bleiben wird, das eine oder andere klarstellende Urteil im Rundfunkbereich zu sprechen556. Vor dem Hintergrund der Fülle und Bedeutungsschwere der ergangenen Bundesverfassungsgerichtsurteile im Rundfunkbereich lässt sich auch heute noch die damals von Gustav Heinemann geäußerte Frage stellen: „Wie sähe es eigentlich bei uns aus, wenn es kein Bundesverfassungsgericht gäbe?“557
VIII. Auswirkungen des technischen Fortschritts Mit Blick auf den aufgezeigten Zusammenhang zwischen der Eröffnung gesteigerter Möglichkeiten zur Rundfunkverbreitung infolge der Kabel- und Satellitentechnikentwicklung und der dann folgenden Zulassung privaten Rundfunks stellt sich die Frage, inwieweit von der fortschreitenden Digitaltechnik ebenfalls Impulse für Veränderungen des Rundfunksystems zu erwarten sind. Kabel- und Satellitentechnik erweiterten die Rundfunkübertragungswege gegenüber den vorher zur Verfügung stehenden wenigen terrestrischen Frequenzen und dienten damit als Stein des Anstoßes für die Einführung von Privatrundfunk in den achtziger Jahren. Ausgehend davon ist nicht auszuschließen, dass die durch die Digitalisierung bedingte verbesserte Ausnutzung der bestehenden Übertragungsmöglichkeiten dazu führt, dass für den privaten Rundfunk nun keine faktischen Begrenzungen mehr bestehen und er infolgedessen eine Vielzahl und gegebenenfalls damit auch eine Vielfalt an Rundfunkprogrammen anbieten kann. Welche Auswirkungen die Digitalisierung tatsächlich auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auf sein Verhältnis zum privaten Rundfunk im dualen System und besonders auf den primär den Rundfunkanstalten zugedachten Grundversorgungsauftrag haben wird, ist Gegenstand des zweiten Teils dieser Arbeit. Hier werden zunächst die technischen Neuerungen und Möglichkeiten der Digitaltechnik vorgestellt. 556 Eine ähnliche Prognose findet sich auch bei Dörr, VerwArch 2001, 149, 183. Anders äußert sich hingegen Kleinsteuber, KJ 1993, 6 ff., der angesichts einer wachsenden Kommerzialisierung einhergehend mit länderübergreifenden Medienimperien sowie angesichts der Bestrebungen der Europäischen Union auch in der Medienpolitik davon ausgeht, das Bundesverfassungsgericht werde seiner zentralen Steuerungsfunktion im Rundfunkbereich verlustig gehen. 557 Zit. nach Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 449.
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1. Momentaner Stand der technischen Verbreitung des Rundfunks in Deutschland Zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört nicht nur die Veranstaltung, sondern auch die Verbreitung von Rundfunkprogrammen558, da nach natürlichem Wortsinn und Verständnis „Berichterstattung durch den Rundfunk“ in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch Verbreitung der Berichte durch das technische Medium Rundfunk meint559. Könnte der Rundfunkveranstalter die Rezipienten nicht mit seinen Programmen erreichen, so liefe die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Berichterstattung ins Leere. Momentan steht zur Verbreitung von Rundfunk zum einen die Möglichkeit der drahtlosen Verbreitung, sei es über erdgebundene terrestrische Sender oder aber über Satellitensender, und zum anderen die Möglichkeit der Verbreitung über Kabel offen. Anders als in Ländern wie Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich oder Großbritannien, in denen der terrestrische Empfang noch immer einen hohen Stellenwert einnimmt560, hat in Deutschland der terrestrische Empfang von Fernsehprogrammen stark abgenommen und ist die Kabel- und Satellitentechnik in den Vordergrund getreten. Von 36,35 Millionen Haushalten empfingen zum Jahresende 2002 nur noch 1,92 Millionen (knapp 5,3%) ihre Fernsehprogramme über terrestrischen Empfang und damit über Antenne. Stattdessen erhielt mit 20,63 Millionen Haushalten mehr als die Hälfte (56,8%) die Fernsehprogramme über das Kabelnetz und mehr als ein Drittel (38%), d. h. 13,8 Millionen Haushalte, empfing seine Programme über Satellit561. Damit hat sich die 1987 geäußerte „gewisse Skepsis . . ., ob dieses Medium [scil. der Satellitenrundfunk] in naher Zukunft weite Bevölkerungskreise der Bundesrepublik ansprechen kann“562, nicht erfüllt. Hörfunk hingegen wird auch in Deutschland noch immer fast ausschließlich über terrestrische Sender verbreitet563 und empfangen, Kabel und Satellit spielen nur eine untergeordnete Rolle. Dies liegt größtenteils daran, dass beim Hörfunk der mobile Empfang (beispielsweise im Auto oder Freien) mehr im Vordergrund steht564. 558 Vgl. auch BVerfGE 73, 118, 196 ff.; § 11 Abs. 1 S. 1 RStV; Art. 2 BR-G; § 2 HR-G; § 4 S. 1 NDR-StV; § 3 Abs. 2 RBB-StV; § 23 Abs. 1 SMG; § 3 Abs. 1 WDR-G. Zum Merkmal der Verbreitung bereits unter A. II. 3. 559 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 101; zustimmend Klein, Rundfunkfreiheit, S. 38 f. 560 Der Anteil terrestrisch empfangender Haushalte betrug Ende 2002 in Griechenland 97,0%, in Italien 82,6%, in Spanien 79,6%, in Frankreich 66,1% und in Großbritannien 60,2%, vgl. Limmer, MP 2003, 302, 304. 561 Limmer, MP 2003, 302, 304. 562 Schuster, Meinungsvielfalt, S. 41. 563 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 448.
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2. Die Digitaltechnik und ihre Wirkungen a) Grundlage der Digitaltechnik Bei der Digitaltechnik handelt es sich nicht etwa um einen vierten Übertragungsweg, der zu den bestehenden drei Rundfunkübertragungswegen hinzutritt, vielmehr werden dabei alle Programmsignale, gleich ob sie über terrestrische Frequenzen, Kabel oder Satellit gesendet werden, in einen bestimmten Datencode übertragen. Stark vereinfacht besteht die Grundlage der Digitaltechnik darin, alle Informationen mit Hilfe standardisierter Codes in ein Zahlensystem zu übersetzen, das nur aus den Ziffern 0 und 1 besteht565. Dies vollzieht sich in einem „Play-Out-Center“. Anschließend werden dort unter der Bezeichnung „Multiplexing“ mehrere digitale Programme, deren Anzahl je nach Qualität schwankt, zu einem einheitlichen Transportdatenstrom in einem Datencontainer zusammengefasst566. Dieser Datencontainer, in dem sich digitalisierte Texte, Musik, Sprache oder Bilder befinden, kann dann wie das analoge Programm ohne Qualitätsverlust zum Rezipienten geschickt werden567. Dieser benötigt zum Empfang entweder ein Zusatzgerät, d. h. einen so genannten Decoder („Set-Top-Box“), oder aber einen neuen Fernseher mit einem „Integrated Receiver Decoder“ (IRD)568. Auf der Empfangsseite werden die vorherigen technischen Abläufe wieder aufgehoben: Die im Datencontainer gebündelten, d. h. gemultiplexten Programme werden demultiplext, die Kompression wird rückgängig gemacht und die digitalen Signale werden wieder in analoge Signale umgewandelt569, so dass der Empfänger die Impulse in ihrer ursprünglichen Form (z. B. Text oder Musik) erhält. Konsequenz der Digitaltechnik ist, dass jede Schrift-, Ton- oder Bildinformation in Zeichen zerlegt und damit in eine neue Einheitssprache umgesetzt wird570. So unterscheidet sich nach der Digitalisierung das Fernsehen vom Hörfunk nur noch dadurch, dass seine Datenmenge pro Zeiteinheit etwa hundert Mal so groß wie beim Hörfunk ist571. 564
Hesse, Rundfunkrecht, S. 216. Hierzu Freyer, Digitales Fernsehen, S. 9, 12 ff.; Hesse, BayVBl 1997, 132, 133; Stammler, ZUM 1995, 104. 566 Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 76; Hesse, Rundfunkrecht, S. 287; Weisser, ZUM 1997, 877, 878. 567 Hesse, Rundfunkrecht, S. 287. 568 Grünwald, MMR 2001, 89, 90; Freyer, Digitales Fernsehen, S. 119 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 76. 569 Hierzu Freyer, Digitales Fernsehen, S. 21; Hesse, Rundfunkrecht, S. 287. 570 Stammler, ZUM 1995, 104; vgl. auch Rehbinder, ZUM 1995, 684. 571 Reimers, ZUM 1995, Sonderheft, 523, 527. 565
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
b) Folgen Als eine Folge der Digitaltechnik wird neben verbesserter Bild- und Tonqualität572 Konvergenz, d. h. eine Annäherung bzw. ein Zusammenlaufen573, auf der Netz-574, Geräte-575, Angebots-576 und u. U. auch Nutzerseite577 auftreten578. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass es neben dem Zusammenwachsen auf den verschiedenen Ebenen auch zu einer erheblichen Ausweitung und Ausdifferenzierung kommt579. Zudem steigen die Kanalnutzungsmöglichkeiten580 je terrestrischer Frequenz, Satellitentransponder oder Breitbandkabel, da im Gegensatz zur herkömmlichen analogen Technik im Rahmen der Digitaltechnik nur diejenigen Informationen übertragen werden, die sich im Vergleich zu vorher verändert haben. Alle übrigen, vom Menschen nicht wahrnehmbaren Informationen werden nicht übertragen581. Dies führt zu erheblichen Einsparungen bei der Datenübertragungsrate, zu einer Datenreduktion582, so dass 572 Grünwald, MMR 2001, 89, 90; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 1. Teil, S. 103 f. 573 Duden, S. 567. 574 Vgl. Schoch, JZ 2002, 798, 799; hierzu auch Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, S. 20. 575 Hierzu Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 64; Paschke, Medienrecht, Rn. 11; Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 71. 576 Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, S. 20 ff. Diese digitalisierungsbedingte Konvergenz ist dabei von der in Bezug auf die Rundfunkanstalten vorgebrachten Kritik der inhaltlichen Konvergenz zu unterscheiden. Hierzu siehe unter 3. Teil A. I. 4. 577 Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, S. 23 f. 578 Hiervon geht auch die Europäische Kommission zumindest für die Netzplattformen und Endgeräte in ihrem „Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen“ v. 03.12.1997 aus, KOM (1997) 623 endg. Ausführlicher zum europäischen Konvergenzprozess Kibele, Multimedia im Fernsehen, S. 18 ff. 579 Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, S. 20 f.; Gounalakis, ZUM 2003, 180. 580 Häufig auch mit dem Schlagwort der „Kanalvervielfachung“ umschrieben, das jedoch, wie Bullinger, AfP 1996, 1 Fn. 4, zu Recht bemerkt, nicht ganz genau ist, da es infolge der Digitalisierung nicht zu einer tatsächlichen Vermehrung der Übertragungswege, sondern lediglich zu einer verbesserten Nutzung der vorhandenen Übertragungsmöglichkeiten kommt. 581 Freyer, Digitales Fernsehen, S. 19; Hesse, BayVBl 1997, 132, 133; Wilke, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 751. 582 Freyer, Digitales Fernsehen, S. 20, wehrt sich dabei gegen den häufig verwendeten Begriff der Datenkompression (vgl. z. B. bei Dörr, in: Abele/Fünfgeld/ Riva, Werte und Wert, S. 140; Paschke, Medienrecht, Rn. 9; Rehbinder, ZUM 1995, 684; Wilke, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 751 f.), da es nicht zu einem
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jetzt auf einer Frequenz mehrere Programme (je nach Qualität vier bis zehn digitale Fernsehprogramme583 und mehr als einhundertfünfzig Hörfunkprogramme584) ausgestrahlt werden können. Zukünftig wird daher kein Frequenzmangel mehr herrschen, sondern es werden mehrere hundert Sendeplätze zur Verfügung stehen; mit einer entsprechend ausgerüsteten Satellitenschüssel sollen sogar mehr als tausend Kanäle empfangbar sein585. Mit der neuen Technik können Daten auch in umgekehrter Technik übertragen werden586. Daher sind nun interaktive Dienste wie z. B. Video-OnDemand, bei dem der Rezipient Sendungen, die vom Anbieter ständig auf elektronischen Servern bereit gehalten werden, abrufen kann587, oder interaktive Programmangebote, die eine Mitwirkung des Zuschauers erfordern, möglich588. Allerdings sind bislang kaum Rückkanäle von den Rezipienten zu den Anbietern eingerichtet worden. Die bereitwillige Annahme derartiger interaktiven Angebote erscheint fraglich, bedenkt man, dass die Rezipienten beim Fernsehen seit Jahrzehnten einen passiven Konsum gewöhnt sind und Fernsehen in erster Linie als Mittel zur Ablenkung, Entspannung und Unterhaltung genutzt wird589. Insgesamt wird die Akzeptanz neuer Medienprodukte und -dienste erheblich von einer einfachen Handhabbarkeit abhängen590. c) Stand der Entwicklung der Digitaltechnik aa) Digitales Fernsehen Als „Königsweg“ zum digitalen Fernsehen wird grundsätzlich der Satellitenempfang angesehen, da europaweit im Jahr 2002 bereits mehr als 19 Millionen Haushalte digitale Programme über Satellit („Satellit Digital Video Zusammenrücken der Informationen komme, sondern lediglich nicht erforderliche Informationen bei der Übertragung weggelassen werden würden. 583 Die prognostizierte Anzahl schwankt teilweise erheblich, vgl. Dörr, in: Abele/ Fünfgeld/Riva: Werte und Wert, S. 140; Hesse, Rundfunkrecht, S. 285; Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 10; Ziemer, Digitales Fernsehen, S. 4. 584 Reimers, ZUM 1995, Sonderheft, 523, 526. 585 Hesse, Rundfunkrecht, S. 79. 586 Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 201. 587 In diesem Zusammenhhang fällt das Schlagwort „Jeder Zuschauer sein eigener Programmdirektor“ (Hesse, BayVBl 1997, 132, 133; vgl. auch Wittig-Terhardt, forum medienethik 1/1996, 18, 23 f.). 588 Gersdorf, AfP 1995, 565, 566. 589 Vgl. Opaschowski, Die multimediale Zukunft, S. 27; zur zukünftigen Entwicklung des interaktiven Fernsehens eher vorsichtig urteilend auch Stipp, MP 2001, 369 ff.; Rehbinder, ZUM 1995, 684, 685. 590 So das Ergebnis einer Expertenbefragung zur Mediennutzung in der Zukunft, vgl. Klingler u. a., MP 2003, 490, 491 f.
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Broadcasting“, S-DVB591) empfingen, gegenüber lediglich 4,8 Millionen über Kabelempfang und knapp einer Million über terrestrischen Empfang592. Angesichts dessen, dass der digitale Kabelempfang („Cabel Digital Video Broadcasting“, C-DVB) eine Aufrüstung der Kabelnetze mit hohen Investitionen fordert593, werden auch terrestrischem Digitalfernsehen (genannt DVB-T) Chancen eingeräumt. Als problematisch erweist sich bei DVB-T u. a., dass in der Übergangsphase – um nicht die Haushalte, die bislang nur über terrestrischen Empfang verfügten, im Fall des Umschaltens von analogem auf digitalen Empfang von der Grundversorgung abzuschneiden – analoger und digitaler Rundfunk simultan verbreitet werden müsste. Dies hätte kurzfristig einen erhöhten Bedarf an Frequenzen zur Folge, die jedoch momentan Mangelware sind594. Eine Abhilfemöglichkeit wird möglicherweise in der Funkplanungskonferenz liegen, die im Jahr 2005 die seit 1964 bestehende Verteilung der Frequenzen neu regeln wird595. In diesem Zusammenhang bestimmt § 52a Abs. 2 RStV, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner flächendeckenden Versorgungspflicht bereits durch die Summe der einzelnen Übertragungswege genügt und, um die digitale Übertragungsweise einzuführen, die analoge terrestrische Versorgung zu angemessenen Bedingungen einstellen kann. Für DVB-T spricht, dass – wenngleich auch nur noch etwas mehr als 5% aller Haushalte ausschließlich über terrestrische Antennen mit Rundfunk versorgt werden und die terrestrische Übertragung durch einen Mangel an Frequenzen gekennzeichnet ist – der terrestrischen Übertragung eine technische Reichweite von nahezu 100% der Bevölkerung zukommt, die damit weit größer als die von Kabel oder Satellit ist596. Außerdem kann nur terrestrischer Rundfunk mobil, d. h. auch im Auto, in Bussen, Bahnen und im Freien, empfangen werden. Von dem terrestrischen Digitalfernsehen, genannt DVB-T, erhofft man sich daher einen Anstoß für die Digitalisierung in Deutschland. Diese verläuft momentan eher schleppend – betrachtet man die Zahlen, nach denen sich die Zahl analoger Fernseh-Haushalte Ende 2002 auf 591 DVB-S wurde ebenso wie DVB-C und DVB-T 1994 vom ETSI (European Telecommunications Standards Institute) als europäischer Standard für die jeweilige digitale Fernsehübertragungsweise festgelegt. 592 Vgl. Franz, MP 2003, 463, 464 f.; Limmer, MP 2003, 302, 307. 593 Franz, MP 2003, 463, 464 f. 594 Grünwald, MMR 2001, 89, 91; Hesse, BayVBl 1997, 132, 133; Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 57. 595 Hierauf verweist Hesse, Rundfunkrecht, S. 310. 596 Vgl. Grünwald, MMR 2001, 89, 90.
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32,58 Millionen (89,6%) beläuft und die Zahl digitaler Haushalte zurzeit bei 3,77 Millionen (10,4%) liegt597. Eine mögliche Ursache wird darin gesehen, dass in Deutschland aufgrund des hohen Anteils an Kabel- und Satellitenempfang auch im analogen Bereich bereits ein umfangreiches Programmangebot (in einem bundesdeutschen Haushalt waren Ende 2003 durchschnittlich 41 Fernsehprogramme kostenfrei empfangbar598) besteht, so dass die Anreize des digitalen Empfangs weniger groß sind als in den Ländern, in denen der terrestrische Empfang überwiegt, die Kapazitäten begrenzt sind und infolge des Verlangens nach mehr Programmen eine größere Chance für digitales Fernsehen besteht. bb) Digitaler Hörfunk Im Bereich des Hörfunks, in dem die terrestrische Verbreitung nach wie vor eine große Rolle spielt, stellt sich das bereits angesprochene Problem der fehlenden Frequenzen zur Simultanübertragung mit besonderer Schärfe, kann dort anders als größtenteils beim Fernsehen nicht auf eine Übertragung via Kabel oder Satellit gesetzt werden. Als digitales terrestrisches System gibt es in großen Teilen des Bundesgebiets mittlerweile „Digital Audio Broadcasting“ (DAB), über das – wie auch über Kabel und Satellit – Radioprogramme in digitaler Form verbreitet werden599. Neben höherer Klangqualität erlaubt digitales Radio zusätzliche Anwendungen wie das Sichtbarmachen von Daten, Texten und Bildern auf einem Bildschirm600. Bis heute hat sich die Umstellung von UKW auf DAB trotz eines weiter ausgebauten Angebotes öffentlich-rechtlicher und privater DAB-Programme aufgrund der hohen Preise für DAB-taugliche Geräte allerdings kaum vollzogen. Schätzungsweise gibt es bundesweit maximal 15.000 DAB-Empfangsgeräte gegenüber rund 150 Millionen UKW-Radios601. cc) Digitale öffentlich-rechtliche Programmbouquets 1997/1998 startete das Programmpaket der ARD „ARD Digital“, das die bisher analog verbreiteten eigenen602 und Gemeinschaftsprogramme603, drei 597
FAZ v. 05.11.2003, 22: „Kabel-Riesen greifen die Rundfunkpolitik an“. Darschin/Gerhard, MP 2004, 142. 599 ARD-Jahrbuch 2003, S. 69. 600 Wilke, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 760; vgl. auch ARD-Jahrbuch 2003, S. 72. 601 Vgl. Breunig, MP 2001, 450, 462. 602 Das Erste, sieben Dritte Programme und den Bildungskanal des Bayerischen Rundfunks BR-alpha, vgl. www.ard-digital.de (Stand: 01.10.2004). 603 3sat, Arte, KI.KA, Phoenix. 598
9 Lindschau
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
neue digitale Fernsehprogramme „EinsMuXx“604, „EinsFestival“605 und „EinsExtra“606 sowie 22 digital ausgestrahlte Hörfunkprogramme, einen elektronischen Programmführer607 und den ARD-Online-Kanal608 beinhaltet. Auch das digitale Bouquet des ZDF, „ZDF.vision“, welches das ZDFVollprogramm, die Partnerprogramme609 in digitaler Form sowie drei neue digitale Programmangebote „ZDF.info“610, „ZDF.doku“611, „ZDF.theaterkanal“612, den „ZDF.digitext“613, einen elektronischen Programmführer (EPG), zwei Hörfunkprogramme in digitaler Ausstrahlung614 und Gastprogramme615 enthält, nahm zu dieser Zeit seinen Betrieb auf. Erfasst werden die digitalen Programme von ARD und ZDF von § 19 Abs. 3, 4 RStV. Wird die Tatsache kritisch beurteilt, dass viele Rezipienten noch nicht in der Lage sind, digitale Programmangebote zu empfangen, diese jedoch gleichwohl aus den allgemeinen Gebühren mitfinanziert werden616, ist darauf zu verweisen, dass gerade bei der Rundfunkgebühr das sonst im Gebührenrecht geltende Äquivalenzprinzip keine Anwendung findet; die Rundfunkgebühr ist unabhängig von tatsächlicher Nutzung617. Stattdessen dienen die Gebühren der Finanzierung der „Gesamtveranstaltung“ Rundfunk618, so dass sich daraus nicht das Gebot ableiten lässt, jeder Gebührenzahler müsse das von ihm mitfinanzierte Programmangebot empfangen kön604
Zeitversetzte Ausstrahlung des ersten Programms. Ausgewählte Fernsehfilme und Serien aus ARD-Archiven. 606 Ergänzendes Informationsprogramm mit Nachrichten, Ratgebersendungen, Dokumentationen etc. 607 Dieser führt den Zuschauer über verschiedene Menüebenen zu dem von ihm gewünschten Angebot (vgl. Libertus, ZUM 1996, 394, 395; Weisser, ZUM 1997, 877, 879). 608 Aktuelle Informationen aus der Videotextredaktion und den Internetredaktionen der ARD. 609 3sat, Arte, KI.KA, Phoenix. 610 Ratgeber- und Servicekanal mit zeitversetzter Sendung der einzelnen Programmstunden. 611 Reportagen, Dokumentationen, Hintergrundsendungen, die ebenfalls zeitversetzt ausgestrahlt werden. 612 Aufzeichnungen von Theateraufführungen, die in mehrwöchigen Wiederholungsschleifen gezeigt werden. 613 Erweiterter Videotext, der Zusatzinformationen zum Programm bietet. 614 Deutschlandradio Berlin und Deutschlandfunk, siehe hierzu www.zdf.de (Stand: 01.10.2004). 615 EUROSPORT und Euronews. 616 Die Kosten, die bei ARD und ZDF bislang für die Digitalisierung angefallen sind, werden auf dreistellige Millionenbeträge geschätzt, Hanfeld, FAZ v. 03.03.2004, 40. 617 BVerwG NJW 1999, 2454, 2455. Dagegen auch Ory, AfP 1989, 616, 620. 618 BVerfGE 31, 314, 330. 605
D. Aufkommen des Fernsehens bis zur Digitaltechnik des 21. Jahrhunderts 131
nen. Anderenfalls käme es zur Hemmung von neuen technischen Entwicklungen, die zu Beginn regelmäßig in Pilotprojekten getestet werden und in ihren Anfängen noch nicht von allen Gebührenzahlern empfangen werden können. dd) Bewertung Der so genannte analoge Switch-Off, also der Zeitpunkt, von dem an es kein herkömmlich analoges, sondern nur noch digitales Fernsehen geben soll, wurde in Deutschland auf das Jahr 2010 festgesetzt619; in Großbritannien und den USA hingegen wurde als Zeitpunkt das Jahr 2006 bestimmt. Mittlerweile mehren sich jedoch die Anzeichen, dass diese Zeitpunkte nicht eingehalten werden können. Auch wenn die wirtschaftliche, die technische Entwicklung und auch die Verbraucherakzeptanz nicht so schnell erfolgten, wie ursprünglich vorausgesagt, so ist nur die erste Euphorie verflogen. Digitalisierung und die damit einhergehende Konvergenz ist ein dynamischer Prozess, dessen Ergebnisse erst zum Teil sichtbar sind620. Mittelfristig ist jedoch damit zu rechnen, dass sich die Vorteile der Digitalisierung durchsetzen621. Die Dynamik der Entwicklungen im Bereich der neuen elektronischen Medien lässt sich allerdings nur schwer abschätzen, gerade weil sie nicht nur von technischen Neuerungen, sondern ebenso von der Verbraucherakzeptanz abhängig ist. Letztere wiederum entzieht sich einer exakten Voraussage und hängt ihrerseits von einem Kriterienbündel ab. So lag der Digitalisierungsgrad zum Jahresende 2002 in dem europaweit an der Spitze stehenden Großbritannien bei 37,2%, in Europa durchschnittlich immerhin schon bei 11,1% und in Deutschland trotz der großen Auswahl an verfügbaren analogen Programmen bereits bei 10,4%622. Für das Jahr 2007 wird für Deutschland ein digitaler Verbreitungsgrad von 50–60% prognostiziert623 und davon ausgegangen, dass DVB das analoge Fernsehen über kurz oder lang ablösen wird624, wenngleich sich die Verbreitung des 619 Bericht der Bundesregierung über die Initiative „Digitaler Rundfunk“, BTDrucks. 13/11380, S. 22. 620 Schoch, JZ 2002, 798, 800. 621 Holznagel, NJW 2002, 2352. 622 Franz, MP 2003, 463, 466. Derweil stagniert der analoge Empfang über Kabel europaweit seit 2000, während sich beim analogen Satellitenempfang seitdem sogar leicht rückläufige Tendenzen zeigen (Franz, MP 2003, 463, 464). 623 So eine Studie des US-amerikanischen Beratungsunternehmens Jupiter Research aus dem Jahre 2002; nach einer 2003 veröffentlichten Studie des Basler Prognos-Instituts wird hingegen lediglich von einem weniger als 40%igen Digitalisierungsgrad in Deutschland ausgegangen, zit. nach Franz, MP 2003, 463, 467. 624 Grünwald, MMR 2001, 89. 9*
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Digitalfernsehens im Allgemeinen dann langsamer vollzieht, wenn in einem Fernsehmarkt eine große Auswahl an analogen Fernsehprogrammen besteht625. Vor dem Hintergrund der genannten Zahlen deutet viel darauf hin, dass die Bezeichnung der Digitalisierung – ohne Zweifel ein weiterer Evolutionsschritt im audiovisuellen Medienbereich – als „Revolution des Medienrechts“626 als zu voreilig anzusehen ist.
IX. Aktueller Stand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 1. Das Programmangebot insgesamt Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben ihr Angebot in allen Bereichen erheblich ausgedehnt. So ist allein in der Zeit von 1992 bis 2000 das Gesamtfernsehangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks um 132%, das Gesamtsendeminutenangebot um 232% angestiegen und die Hörfunkleistung nahm in diesem Zeitraum um 58% zu627. Es gibt mittlerweile neben dem Ersten Deutschen Fernsehen der ARD628 und dem ZDF sieben zu Vollprogrammen ausgebaute629 Dritte Programme630, die beiden Spartenprogramme Kinderkanal und Phoenix, die zusammen mit ausländischen Part625 Vgl. zu dieser These und deren Bestätigung anhand von Daten diverser europäischer Fernsehmärkte Franz, MP 2003, 463, 464 ff. 626 So z. B. Paschke, Medienrecht, Rn. 9, 46; Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 9. Eine gewisse Skepsis kommt auch in den Beschlüssen des 64. Deutschen Juristentages zum Medienrecht zum Ausdruck, bei denen nicht von einem tief greifenden Wandel der Nutzungskultur ausgegangen wurde, abgedruckt in AfP 2002, 404. Euphorisch noch die Mitteilung der Kommission „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“ v. 14.12.1999 KOM (1999) 657 endg., S. 1, 4 f. 627 Storr, K&R 2002, 464. 628 Diese hat heute zehn Mitglieder: die Landesrundfunkanstalten Bayerischer Rundfunk (BR), Hessischer Rundfunk (HR), Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), Norddeutscher Rundfunk (NDR), Radio Bremen (RB), Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB); Saarländischer Rundfunk (SR), Südwestrundfunk (SWR),Westdeutscher Rundfunk (WDR) sowie die Bundesrundfunkanstalt Deutsche Welle (DW). Die Bundeskörperschaft Deutschlandradio ist nicht Mitglied der ARD, arbeitet mit ihr jedoch auf Grundlage der „Kooperationsvereinbarung über das Deutschlandradio“ zusammen. 629 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 184; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 1015. 630 „Bayerisches Fernsehen“, „hessen fernsehen“, „MDR FERNSEHEN“, „NDR Fernsehen“ vom NDR und RB, „rbb Fernsehen“ vom RBB, „SÜDWEST Fernsehen“ von SR und SWR, „WDR Fernsehen“ vom WDR. Zudem existiert der 1998 begonnene Bildungsspartenkanal „BR-alpha“ des BR (hierzu Springer, Reform der ARD, S. 72).
D. Aufkommen des Fernsehens bis zur Digitaltechnik des 21. Jahrhunderts 133
nern veranstalteten Programme 3sat und Arte, 61 Hörfunkprogramme631 sowie zwei digitale Programmbouquets. Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland damit über das umfangreichste Angebot von öffentlichen Programmen632 und die ARD belegte bei einem Ranking der 50 größten Medienkonzerne der Welt im Jahr 2001 immerhin Platz 22633. Zutreffend wird im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Programmangebot allerdings darauf verwiesen, dass die Rundfunkanstalten nicht nur aus reinem Expansionsdrang, sondern vielmehr im Interesse der Informationsfreiheit und der Demokratie tätig werden, um ein vielfältiges, umfassendes und ausgewogenes Angebot für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten634. 2. Publikumsakzeptanz und finanzielle Situation a) Verteilung der Marktanteile Infolge der vermehrten Programme kam es zu einem Rückgang der Zuschauerzahl, so dass heute eine gegenüber den Zeiten des „Monopols“ verminderte Publikumsakzeptanz der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme besteht. Konnten ARD, ZDF und die Dritten Programme noch im Jahr 1985 Zuschauerquoten von über 96% vorweisen635, kommt Das Erste der ARD im Jahr 2003 auf einen Marktanteil von 14,1%, das ZDF auf 13,4% und die Dritten auf 13,6%, zusammen beträgt ihr Anteil am TV-Konsum heutzutage lediglich 41,1% gegenüber 44,3% der großen privaten Sender RTL (14,9%), SAT.1 (10,2%), ProSieben (7,0%), RTL II (4,6%), Kabel 1 (4,2%) und VOX (3,4%)636. Im Bereich des Hörfunks steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk etwas besser dar, dort betrug der Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Programme im Jahr 2003 nach Befragungen insgesamt 53,4% gegenüber 45,4% Marktanteil bei der kommerziellen Konkurrenz637. 631
Siehe die Aufzählung unter 3. Teil C. I. Vgl. zu den anderen Programmen in Großbritannien, Frankreich, Australien, Neuseeland und den USA Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 20. 633 Hachmeister/Rager, Wer beherrscht die Medien, S. 31. 634 Vgl. Dörr, VerwArch 2001, 149, 161. 635 Vgl. Darschin, in: Klingler/Roters/Zöllner, Fernsehforschung, Teilbd. 1, S. 33. 636 Vgl. hierzu die Daten bei Darschin/Gerhard, MP 2004, 142, 143 f. 637 Media-Analyse 2004, zit. nach FAZ v. 04.03.2004, 40: „Die Hörigen – Wer, wie, was: Die Radionutzung 2004“. 632
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Zu der verstärkten Konkurrenz durch kommerzielle Anbieter tritt Folgendes hinzu: Gerade die jüngere Generation der 14- bis 29-Jährigen zieht vielfach die Privatsender den öffentlich-rechtlichen Programmen vor. So sind 65% und damit zwei Drittel der Zuschauer, die einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für unverzichtbar halten, älter als fünfzig Jahre638. Bei den unter 29-Jährigen beträgt die öffentlich-rechtliche Senderbindung demgegenüber lediglich 6%. Zwar stimmen die Nutzungsmotive der Jüngeren bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Bezug auf Information und Orientierung noch mit den Motiven der Durchschnittsbevölkerung überein, zur Entspannung und Unterhaltung wird von dieser Gruppe jedoch verstärkt der private Rundfunk genutzt639. Bei den Nutzungsgewohnheiten der Älteren (ab 50-Jährige) zeigt sich, dass diese sowohl Information und Orientierung als auch Entspannung und Spaß stärker als die durchschnittliche Bevölkerung bei den öffentlich-rechtlichen Programmen nachfragen640. Während die öffentlich-rechtlichen Programme gewohnheitsmäßig häufiger von den über 50-Jährigen eingeschaltet werden, sind es bei den 14- bis 29-Jährigen in hohem Maße private Sender. Inwiefern davon ausgegangen werden kann, mit zunehmendem Alter werde automatisch auf öffentlich-rechtliche Sender umgestiegen641, so dass es – auf einen längeren Zeitraum betrachtet – nicht zu einem Aussterben des Publikums des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt, kann angesichts dessen, dass ein Großteil der jüngeren Generation mit Privatfernsehen und dem dualen Rundfunksystem groß geworden ist, insofern also eine veränderte Situation gegenüber früherem Nutzungsverhalten vorliegt, nicht hinreichend beantwortet werden. Soweit ersichtlich, gibt es zu dieser Frage auch noch keine gesicherten Erkenntnisse auf der Grundlage entsprechender Medienforschungen. Einerseits lässt sich die starke Affinität der 14- bis 29-Jährigen zum privaten Fernsehen vor dem Hintergrund einer nicht genau erfassbaren Änderung mit zunehmendem Alter als eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einordnen. Andererseits kann der sich abzeichnende demographische Wandel hin zu einer überalterten Gesellschaft – gesetzt den Fall, es bleibt mit zunehmendem Alter bei geänderten Ansprüchen an den Rundfunk und damit bei einer stärken Nutzung öffentlich-rechtlichen Rundfunks – auch eine größere Chance für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk denn den Privatfunk bedeuten. 638
Darschin/Zubayr, MP 2003, 206, 213. Ridder/Engel, MP 2001, 102, 117. 640 Ridder/Engel, MP 2001, 102, 117. 641 Hierzu Darschin/Zubayr, MP 2003, 206, 212, 214; bezweifelt von Glotz/ Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 101. 639
E. Entwicklung des Rundfunks bis zur Legitimitätskrise
135
b) Zur Verfügung stehende Summe Das Gebührenvolumen, auf das die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten heute zurückgreifen können, lag 2002 bei 6,72 Milliarden Euro642. Hinzu kommt noch der Anteil aus Werbeeinnahmen. Dieser lag noch 1988 bei 35% der Gesamteinnahmen643. Er verzeichnete jedoch aufgrund des verstärkten Wettbewerbs mit den privaten Rundfunkveranstaltern und den durch die größere Programmanzahl sinkenden Zuschauerquoten sowie aufgrund eines allgemeinen Einbruchs des Werbemarktes einen deutlichen Rückgang (1995: 10% der Einnahmen644, 2002: 2,2% der Einnahmen bei der ARD645). Vor dem Hintergrund dieser verhältnismäßig niedrigen Zahlen drängt sich die Möglichkeit auf, künftig im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eventuell völlig auf Werbung zu verzichten und damit ein insgesamt schärferes Profil des öffentlich-rechtlichen Zweigs herzustellen. Angesichts dieser Größenordnungen und einem gleichwohl bestehendem Verlangen nach stetigen Gebührenerhöhungen kommt es nicht von ungefähr zu Aussagen wie Deutschland finanziere das teuerste öffentlich-rechtliche Programmangebot der Welt mit jährlichen Gesamtinvestitionen, welche die anderer Länder deutlich übertreffen646 und in Deutschland bestehe die weltweit üppigste Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks647. Es bleibt jedoch darauf hinzuweisen, dass eine direkte Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, weicht doch das im Gegenzug offerierte Angebot der einzelnen öffentlichen Rundfunkveranstalter stark voneinander ab.
E. Zusammenfassende Würdigung der Entwicklung des Rundfunks bis zur Legitimitätskrise Nicht nur die Anfänge des Rundfunks in der Weimarer Republik und die Erfahrungen während des Dritten Reichs, in denen es ohne gesetzliche Grundlagen zu einer immer stärkeren staatlichen Umklammerung des Rundfunks kam, sondern besonders auch die darauf Bezug nehmenden, gegensteuernden Aktivitäten der Alliierten haben wesentlich zur Bildung des Status quo des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beigetragen. Schließlich hatten 642
ARD-Jahrbuch 2003, S. 306. Vgl. die Zahlen bei Seufert, in: Kohl, Vielfalt im Rundfunk, S. 144. 644 Seufert, in: Kohl, Vielfalt im Rundfunk, S. 144. 645 ARD-Jahrbuch 2003, S. 171. Vgl. auch BVerfGE 90, 60, 101. 646 Vgl. hierzu die Untersuchung von Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 36. 647 Thoma, forum medienethik 1/1996, 53, 54; vgl. auch Hanfeld, FAZ v. 14.10.2003, 46. 643
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
die Besatzungsmächte in Anbetracht dessen, dass die Funkhoheit erst 1955 an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben wurde, ein Jahrzehnt lang Zeit, die rundfunkpolitische Entwicklung in Deutschland zu beeinflussen. In dieser Zeit schufen sie in Zusammenarbeit mit deutschen Rundfunkexperten ein Fundament des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, bestehend aus den wesentlichen Elementen Staatsferne, Pluralismus und Föderalismus, von dem ausgehend dann mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts die Rundfunkordnung in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt wurde. So übernahm das Bundesverfassungsgericht mit seinem ersten Fernsehurteil die Konzeption der Alliierten und betonte neben der zwingend zu gewährleistenden Staatsfreiheit des Rundfunks die Gewährleistung der Meinungsvielfalt. Diese beiden Gebote sind seither oberster Maßstab der Rundfunkpolitik in Deutschland. Während das Gericht anfangs mit Blick auf die bestehende frequenz- und finanzbedingte Sondersituation prinzipiell nur die Organisationsform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für geeignet hielt, für eine ausgewogene Meinungsvielfalt im Rundfunkprogramm zu sorgen und dies zunächst weitgehend unbestritten blieb, änderte sich die Prämisse der Sondersituation mit dem Aufkommen neuer Technik im Bereich der Kabel- und Satellitenübertragung in den siebziger Jahren. Mit der Einführung privaten Rundfunks Mitte der achtziger Jahre schien der öffentlich-rechtliche Rundfunk dann nur noch zu einer Art Notlösung für eine gewisse Übergangszeit zu werden. Die zu seiner Begründung angeführte besondere Situation begann, sich aufgrund des technischen Fortschritts mehr und mehr abzuschwächen, so dass es in den Augen einiger kritischer Beobachter nur noch eine Frage der Zeit war, bis der öffentlich-rechtliche Rundfunk überflüssig werden würde. Der Rundfunk wurde mit der Zulassung privater Rundfunkveranstalter immer stärker als Wirtschaftsgut betrachtet und die regelnde Kraft des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs vielfach als angemessen angesehen, hier ähnlich wie auf dem Pressemarkt eine hinreichende Vielfalt hervorzubringen. Das Bundesverfassungsgericht zeigte sich jedoch gegenüber einem freien Spiel der Kräfte angesichts der großen Bedeutung der Rundfunks für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung in einem demokratischen Staat weiterhin skeptisch und blieb bei der Konzeption eines zur gleichgewichtigen Vielfalt verpflichteten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Stärkung erfuhr der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff der Grundversorgung, deren Sicherstellung angesichts der werbebedingten Defizite des privaten Rundfunks den Rundfunkanstalten aufgegeben wurde. Dadurch wurde deutlich, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch im Zeitalter mehrerer Rundfunkkanäle und -veranstalter eine gewichtige Aufgabe verblieb.
E. Entwicklung des Rundfunks bis zur Legitimitätskrise
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In den ersten Jahren nach Zulassung des privaten Rundfunks stabilisierte sich das duale System nicht zuletzt infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst. Mit der festen Etablierung der privaten Sender auf dem Rundfunkmarkt, den dadurch sinkenden Zuschauerzahlen insbesondere bei der jungen Generation, dem Rückgang der Werbeeinnahmen, den steigenden Rechtekosten und seiner Reaktion der Programmexpansion auf diese Entwicklungen geriet der öffentlich-rechtliche Rundfunk erneut ins Kreuzfeuer der Kritik. Auch wenn er von Seiten des Bundesverfassungsgerichts mit der Aufgabe der Grundversorgung bedacht und mit einer darauf gerichteten Bestands- und Entwicklungsgarantie versehen wurde, gab und gibt es in den immer wieder auftauchenden Reformüberlegungen mitschwingende Stimmen, die ihn für überflüssig halten und auf eine letztlich rein private Rundfunkordnung abzielen. Zusätzlichen Gefahren sieht sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Digitalisierung mit ihrem Versprechen einer Fülle von Programmen und neuen Diensten ausgesetzt. Angesichts der bereits aufgezeigten Möglichkeiten der Digitaltechnik muss er sich der Frage stellen, ob er überhaupt noch zeitgemäß ist. Es ist zu überlegen, ob ihm im modernen Zeitalter der Digitaltechnik und des Internets, in dem eher Informationsüberfluss denn Informationsmangel herrscht, und sich prinzipiell jeder die gewünschten Informationen selbst zusammenstellen kann, in seiner Funktion als grundversorgender Vielfaltsgarant nicht etwas verstaubt-altmodisches anhaftet. Zu diesen rundfunkspezifischen Entwicklungen treten folgende grundlegende, kurz zu skizzierende Tendenzen: So hat sich das Staatsverständnis in den letzten Jahren geändert648. Vielfach wird von einem Wandel des Staates weg vom klassischen Interventions- und Wohlfahrtsstaat hin zu einem Gewährleistungsstaat ausgegangen649. Mit letzterem Begriff wird ein Staat umschrieben, der an seiner konkreten Gemeinwohlverantwortung festhält, die Instrumente zur eigenhändigen, also unmittelbaren Aufgabenerfüllung zwar aufgegeben hat, den prinzipiellen sozialgestalterischen Anspruch des wohlfahrtsorientierten Erfüllungsstaates jedoch in dem Sinne fortführt, dass er auf bestimmte positive gesellschaftliche Verhältnisse und Zustände zielt und sich hierfür in einer Letztverantwortung sieht650. Dieses geänderte Verständnis äußert sich darin, dass sich in den bislang durch ein duales Wirtschaftssystem aus 648 Zum neuen Staatsverständnis und dessen Entwicklung auch Jarren u. a., Öffentlicher Rundfunk im Netzwerk, S. 26 ff.; zum Rückzug staatlicher Steuerung im Rundfunkbereich Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, S. 25 ff. 649 Hierzu m. w. N. ausführlich Franzius, Der Staat 42 (2003), 493 ff. 650 Vgl. Franzius, Der Staat 42 (2003), 493, 494.
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1. Teil: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
einem privaten und einem öffentlichen Wirtschaftssektor gekennzeichneten modernen kapitalistischen Gesellschaften, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk mithin keine Einzelerscheinung darstellte651, Privatisierungstendenzen abzeichnen. Forderungen nach Deregulierung werden in allen Bereichen erhoben652 – so auch im Bereich des Rundfunks. Mehr und mehr wird darauf vertraut, die unsichtbare Hand des Marktes mit einem freieren Spiel der Kräfte und nicht mehr die bisherige streng ordnende und schützende Hand des Staates erledige die in einem Staat notwendigen Aufgaben. Anstatt Leistungen selbst zu erbringen, soll sich der Staat jetzt darauf beschränken, sicherzustellen, dass die Aufgabenwahrnehmung durch Private dem Gemeinwohl verpflichtet bleibt. Eine verstärkte Durchsetzung des Wettbewerbsgedankens im Rundfunk wird durch die Politik der Marktliberalisierung der EU unterstützt. Dieser geht es trotz der Weiterentwicklung von einer Wirtschafts- zu einer Rechtsund Wertegemeinschaft in erster Linie nicht um die Sicherung der Meinungsvielfalt, sondern um die Sicherung des wirtschaftlichen Wettbewerbs und der dortigen Vielfalt653. Das hat ebenfalls Auswirkungen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie auf den Rundfunksektor insgesamt654. Dessen wirtschaftliche Dimension wird immer wichtiger, eine ökonomische Betrachtungsweise setzt sich durch655. Zudem lässt sich eine zunehmende Individualisierung und damit Fragmentierung der Gesellschaft feststellen, in deren Folge unterschiedliche Vorstellungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellt werden656. Dieser sieht sich dazu gezwungen, in der heutigen Zeit, in der sich die Gesellschaft immer weiter ausdifferenziert, als „Rundfunk für alle“ ein Programm anzubieten, mit dem er die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen anspricht und damit zugleich der integrierenden Wirkung des Rundfunks Rechnung zu tragen. 651
Kiefer, in: ZFP, Grundversorgung, S. 27 f. Hierzu auch Schulze-Fielitz, AfP 1998, 447 ff. m. w. N.; Kiefer, in: ZFP, Grundversorgung, S. 28 f. 653 Vgl. auch Dörr, AfP 2003, 202, 209. 654 Hiezu Jarren u. a., Öffentlicher Rundfunk im Netzwerk, S. 25; HoffmannRiem, Erosionen des Rundfunkrechts, S. 56 ff. 655 Vgl. Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, S. 11 f., 58; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158, 172 f., drastisch Stock, in: Kops, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in gesellschaftlicher Verantwortung, S. 41 f.: Rundfunkfreiheit driftet immer mehr in den Bereich des allgemeinen Wirtschaftsrechts ab; vgl. auch RossenStadtfeld, M&K 2002, 481 f. 656 Vgl. Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 24 ff.; Lange, ZUM 1995, Sonderheft, 529, 531; hierzu auch die Untersuchungsergebnisse zur Mediennutzung der Zukunft bei Klingler u. a., MP 1998, 490, 496. 652
E. Entwicklung des Rundfunks bis zur Legitimitätskrise
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Vor dem Hintergrund dieser lediglich grob umrissenen Tendenzen, auf die im Folgenden noch genauer eingegangen werden wird, erscheint es verständlich, warum die duale Rundfunkordnung in ihrer bisherigen Form überhaupt besteht, warum sie heute unter wachsendem Privatisierungs-, Ökonomisierungs-657 und Akzeptanzdruck steht und wie es zur Legitimationskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland kam. Nach diesem Rückblick auf die Anfänge des Rundfunks und seine Entwicklung bis in die heutige Zeit kann nun nach vorn auf zu ziehende Konsequenzen für den in letzter Zeit unter verstärkten Druck geratenen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geblickt und damit die Frage nach seiner Notwendigkeit aufgeworfen werden.
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Stock, JZ 1997, 583, 588.
2. Teil
Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Aufbauend auf den Erkenntnissen zur bisherigen Entwicklung des Rundfunks stellt sich im Folgenden die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem sich wandelnden Umfeld tatsächlich eine Zukunft hat, ob er sich als zwingend notwendig oder aber als überflüssiges Relikt erweist. Wenngleich unter dem verfassungsrechtlichen Begriff des Rundfunks Fernsehen und Hörfunk zu verstehen sind, so folgt aus der begrifflichen Einheitlichkeit nicht zwingend auch eine rechtliche Gleichbehandlung1. Im weiteren Verlauf wird jedoch regelmäßig von beiden Materien zusammen ausgegangen und lediglich dann, wenn unterschiedliche Betrachtungen notwendig sein sollten, gesondert auf den Hörfunk eingegangen. Zu Beginn (Teil A) wird der grundsätzlichen Frage nachgegangen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland überhaupt abschaffbar oder aber in irgendeiner Weise verfassungsrechtlich garantiert ist bzw. seiner Abschaffung zwingende rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Dazu werden anhand des Grundgesetztextes sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und dessen Grenzen die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein verfassungsgemäßes Rundfunkwesen herausgearbeitet und geprüft, inwieweit diese Bedingungen einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegenstehen. Neben Differenzierung und Klärung der dogmatischen Konstruktionen der Rundfunkfreiheit werden die dem Rundfunk zugeschriebenen besonderen Funktionen in ihrer heutigen Bedeutung untersucht sowie die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugedachte Aufgabe der Grundversorgung und dessen Bestands- und Entwicklungsgarantie in Bezug auf eine ausschließlich öffentlich-rechtliche Ausrichtung analysiert. Im weiteren Verlauf (Teil B) erfolgt im Kern eine Subsumtion der tatsächlichen Gegebenheiten unter die zuvor in Teil A herausgearbeiteten rechtlichen Rahmenbedingungen. D. h. es wird untersucht, inwieweit die privaten Rundfunkveranstalter in der Lage sind, die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine Rundfunkordnung gestellt werden, zu erfüllen. 1
Ebenso Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 22.
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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Unter Zuhilfenahme bestehender empirischer Medienanalysedaten wird besonders geprüft, inwieweit beim momentanen Stand der Dinge von Seiten privater Rundfunkveranstalter Leistungen erbracht werden (oder aber zumindest zu erwarten sind), die dem Anspruch einer Grundversorgung gerecht werden. Bevor jedoch zu dieser Frage durchgedrungen werden kann, ist zu klären, wie sich eine Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – so sie denn aufgrund der bestehenden verfassungsrechtlichen Bedingungen möglich erscheint – vollziehen ließe und sich als zulässige gesetzgeberische Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit darstellt. Angestrebtes Ziel dieser Differenzierung – der zunächst in Teil A vorgenommenen Analyse der rechtlichen Bedingungen im Hinblick auf eine normative Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der in Teil B vorgenommenen Betrachtung der Medienwirklichkeit, d. h. der momentanen Programmleistungen der privaten Rundfunkveranstalter im Hinblick auf die Erfüllung der rechtlichen Rahmenbedingungen – ist es, zu verdeutlichen, auf welchen Prämissen die in der öffentlichen Diskussion anzutreffende Meinung, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei unverzichtbar, letztlich genau beruht.
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine mögliche Abschaffbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Die Frage nach Abschaffbarkeit und demzufolge Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland würde sich im Grunde genommen erübrigen, ließe sich feststellen, diese Form des Rundfunks sei in irgendeiner Weise verfassungsrechtlich garantiert. Infolgedessen ist zunächst zu prüfen, inwieweit nicht bereits die Verfassung selbst einen öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunk fordert und daher mit einer Garantie versieht.
I. Aussagen des Grundgesetzes Wörtlich spricht die Verfassung in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nur davon, dass „die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk . . . gewährleistet“ wird. Wäre in Art. 5 I S. 2 GG normiert „Zur Sicherung dieser [scil. Rundfunk-] Freiheit und der Überparteilichkeit des Rundfunks werden die Sendeanlagen durch selbständige Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben, die auch die Sendeprogramme bestimmen“, würde sich die gestellte Frage nach der möglichen Abschaffbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gleichsam
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
von selbst beantworten, zöge man nicht eine Änderung des Grundgesetzes in Betracht. Ein derartiger Text, der die Rundfunkfreiheit an die Betriebsform der öffentlich-rechtlichen Anstalten bindet, lässt sich im Grundgesetz jedoch nicht finden. Allerdings wurde im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates die Form der Rundfunkorganisation durchaus erörtert2. In der Sitzung vom 11. Januar 1949 findet sich dann auch der vom Abgeordneten von Mangoldt vorstehende Antrag geäußert, die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt als ausschließliche Organisation bindend vorzuschreiben, um dem Rundfunk vor dem Hintergrund des in der Vergangenheit erfolgten Machtmissbrauchs eine gewisse Unabhängigkeit vom Staat zu sichern3. Diesem Antrag traten jedoch die Abgeordneten Heuss und Süsterhenn entgegen, da sie es zum einen für falsch hielten, die zukünftige Form des Rundfunks dauerhaft verfassungsrechtlich festzulegen und dies zum anderen als unerwünschte Vorwegnahme der Gesetzgebung beurteilten. Auch der Abgeordnete Eberhardt meinte, es solle darauf verzichtet werden, im Grundgesetz die Gesetze der nächsten zehn Jahre im Voraus zu bestimmen, da es die technische Entwicklung vielleicht bald ermögliche, dass beinahe jeder seine eigene Wellenlänge habe. Insgesamt wollten die Urheber des Grundgesetzes sich die weitere rundfunkrechtliche Entwicklung offen halten und die Möglichkeit eines staatlichen, privaten oder kirchlichen Rundfunks nicht von vornherein ausschließen4. Das vorgefundene öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol wurde vom Grundgesetz nicht verfestigt5. Anders als beispielsweise in Portugal oder Spanien6 lässt sich der deutschen Verfassung direkt keine Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entnehmen7. Angesichts der völlig offenen Formulierung der Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wäre eine Änderung des Grundgesetzes im Falle der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks somit nicht erforderlich8. 2 Vgl. 25. Sitzung des Grundsatzausschusses v. 24.11.1948; 32. Sitzung des Grundsatzausschusses v. 11.01.1949; hierzu Matz, JöR n. F. 1 (1951), 86. 3 32. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats v. 11.01.1949, Stenoprot., S. 41 ff. 4 Hierzu auch Matz, JöR n. F. 1 (1951), 86; Rudolf, NJW 1953, 1700. 5 Grimm, in: Haungs u. a.: Civitas, S. 686. 6 Art. 38 Abs. 5 Portugiesische Verfassung; Art. 20 Abs. 3 der Spanischen Verfassung; vgl. näher Dörr, Rolle des öffentlichen Rundfunks in Europa, S. 21 ff.; Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 112; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 237, 242 f. 7 Vgl auch Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 92 f. 8 Nach Pukall, Meinungsvielfalt, S. 184 f., wäre es mit der freiheitlichen Grundordnung auch nicht vereinbar, eine bestimmte Organisationsform festzuschreiben.
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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II. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Auch wenn dem Grundgesetz selbst keine Festschreibung des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu entnehmen ist, so ist zu untersuchen, ob das Bundesverfassungsgericht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine verfassungsrechtliche Garantie zuerkennt. Denn dem Bundesverfassungsgericht kommt in der Demokratie insbesondere die Aufgabe zu, den Wertvorstellungen und Organisationsprinzipien der Verfassung Geltung zu verschaffen. Bedingt dadurch entwickelt es aus der Verfassung – und besonders aus dem organisationsrechtlichen Gehalt der Grundrechte – für die Gesetzgebung und die einfache Gerichtsbarkeit zum Teil weit reichende Vorgaben, so dass ihm eine gleichsam legislatorische Stellung zukommt. Vorweg sei jedoch Folgendes angemerkt: Viele der im weiteren Verlauf der Arbeit einzubeziehenden Aussagen des Bundesverfassungsgerichts sind bloße obiter dicta, nehmen also als bei Gelegenheit der Entscheidung gemachte Rechtsausführungen nicht an der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG teil9. Gleichwohl kommt den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts angesichts der besonderen Stellung dieses höchsten Gerichts jedenfalls eine faktische Bindungswirkung zu. Sie äußert sich darin, dass die anderen Rechtsanwenderorgane den Entscheidungen freiwillig Folge leisten10, zumal den Gesetzen und Staatsverträgen, die die – wenn auch nur als obiter dicta formulierten – Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts ignorieren, die Nichtigkeitserklärung für den Fall droht, dass sich das Gericht mit der Materie ein weiteres Mal befasst11. Zwar müssen auch Urteile des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Gehalt nicht auf ewig fortbestehen; das Gericht ist an seine eigenen Entscheidungen nicht gebunden12. Weder über die Rechtskraftlehre noch über § 31 Abs. 1 BVerfGG lässt sich eine Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine eigene Rechtsprechung herleiten13. Im Zuge einer aber zumindest mi9 Eine detaillierte Untersuchung kann hier angesichts der Fülle von Aussagen wie auch des noch immer bestehenden Streits, ob § 31 BVerfGG extensiv so auszulegen ist, dass neben dem Tenor und der darin enthaltenen Sachentscheidung auch die tragenden Entscheidungsgründe von der Bindungswirkung erfasst werden (so das Bundesverfassungsgericht in st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 1, 14, 37; 40, 88, 93 m. w. N.) oder ob eine restriktive Auslegung vorzuziehen ist, derzufolge sich die Bindungswirkung lediglich auf die im Tenor enthaltene Einzelfallentscheidung bezieht, nicht vorgenommen werden. 10 Vgl. hierzu Wischermann, Rechtskraft und Bindungswirkung, S. 40 ff., 121 f.; Korioth, Der Staat 30 (1991), 549, 552 f. 11 Kull, AfP 1987, 462, 464. 12 BVerfGE 4, 31, 38 f.; 78, 320, 328; 85, 117, 121. 13 Vgl. ausführlich und m. w. N. hierzu Seyfarth, Änderung der Rechtsprechung, S. 183 ff., 217, ihm zufolge soll eine Änderung der bisherigen bundesverfassungs-
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
nimalen Prognosesicherheit sowie angesichts der bisherigen, in ihren Grundzügen über Jahrzehnte hinweg kontinuierlichen Verfassungsrechtsprechung im Rundfunkbereich werden die wichtigsten Aussagen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Fortgang dieser Arbeit als für die nähere Zukunft weiterbestehend angenommen und auf dieser Grundlage fortführende Gedanken entwickelt. Denn zum einen ist angesichts der in den Kernpunkten konstanten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gerade bei den Grundaussagen eine drastische Kehrtwende nicht zu erwarten. Zum anderen ist es für die vorzunehmende Untersuchung notwendig, gewisse Eckdaten gleichsam als feststehend anzunehmen, da anderenfalls eine gewisse Beliebigkeit der Aussagen die Folge wäre. 1. Die generelle (Aus-)Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Bereits in der ersten Rundfunkentscheidung im Jahre 1961 führt das Bundesverfassungsgericht aus, das bestehende Prinzip der selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts mit pluralistisch zusammengesetzten Organen sei den aufgestellten Grundsätzen zwar dienlich, die einzig mögliche sei diese Organisationsform jedoch nicht14. Auch andere Gestaltungsformen wie z. B. rechtsfähige Gesellschaften des privaten Rechts seien nicht ausgeschlossen, soweit diese in ähnlicher Weise hinreichende Gewähr für ein zu Wort kommen aller gesellschaftlich relevanten Kräfte böten. Das Monopol für die Veranstaltung von Rundfunk wird damit zwar für zulässig und mit Art. 5 GG im Einklang stehend gesehen, gleichzeitig räumt das Gericht jedoch ein, dieses Monopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei nicht zwingend, legt sich folglich nicht auf ein dauerhaftes Monopol fest. Auch in den folgenden Entscheidungen betont es immer wieder, das Grundgesetz schreibe dem Gesetzgeber keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vor, stattdessen es sei vielmehr Sache seiner eigenen Entscheidung, wie er seiner Aufgabe, die Rundfunkfreiheit zu gewährleisten, nachkommen wolle15. Auch das einmal gewählte Modell müsse nicht kongerichtlichen Rechtsprechung nur möglich sein, wenn es sich um eine sog. nachziehende Rechtsprechungsänderung handelt, d. h. der politische Prozess zuvor Änderungsbedarf (z. B. durch ein Gesetzgebungsverfahren) angezeigt hat, oder wenn eine dogmatische Angelegenheit korrigiert werden soll, oder wenn ein freier, offener Prozess ohnehin nicht mehr gegeben ist, der die erste Möglichkeit hervorbringen kann, oder aber wenn die vorherige Entscheidung so falsch war, dass aus ihr eine Bedrohung für das verfasste Gemeinwesen entsteht. 14 BVerfGE 12, 205, 262; zustimmend BVerwGE 39, 159, 167; OVG Hamburg DÖV 1968, 179; OVG Berlin DÖV 1969, 713, 714 f.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 135. 15 BVerfGE 57, 295, 321; 73, 118, 153; 74, 297, 324; 83, 238, 296, 316; 87, 181, 198; 89, 144, 152; 90, 60, 94; 97, 228, 267.
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sistent verwirklicht werden16. Insofern gebe die Verfassung nur ein Ziel – die Freiheitlichkeit des Rundfunkwesens – vor17. Jede Organisationsform, die die Aufgabe des Rundfunks, der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu dienen, gewährleiste, sei insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar. Demnach bestimmt nicht das Grundgesetz, sondern der demokratisch legitimierte Gesetzgeber das Erscheinungsbild des Rundfunks. a) Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Wenngleich auch über die Grundaussage des Bundesverfassungsgerichts, dem Gesetzgeber komme ein Gestaltungsspielraum im Rundfunkbereich zu, Einigkeit herrscht, wird die genaue Reichweite unterschiedlich beurteilt. Dies hängt mit dem Verständnis von der Rundfunkfreiheit zusammen18: Einige halten die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I S. 2 GG für eine vorrangig institutionelle19 bzw. objektiv-rechtliche Garantie und verweisen zur Begründung auf die besondere Bedeutung und Funktion des Rundfunks für die Allgemeinheit in einer freiheitlichen Demokratie. Andere stellen mehr auf den Freiheitsheitsaspekt für den Einzelnen ab, da Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte verkörpern, und verstehen die Rundfunkfreiheit primär subjektiv-rechtlich. Generelle Einigkeit besteht mittlerweile darüber, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine subjektiv-rechtliche Komponente sowie objektiv-rechtliche Elemente innewohnen20. Wie diese aber genau ausgestaltet und zu gewichten sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ursprung des divergierenden Verständnisses ist die Ambivalenz des Art. 5 GG – einerseits weist er Verbindungen zum demokratischen Prinzip auf, andererseits bestehen Beziehungen zur Freiheit des Einzelnen21. Da sich aus dem unterschiedlichen Grundverständnis der Rundfunkfreiheit auch Auswir16
BVerfGE 83, 238, 296, 305, 307 f., 316. BVerfGE 83, 238, 316. 18 Vgl. auch Klein, Der Staat 20 (1981), 177, 186. 19 So noch das Bundesverfassungsgericht in E 12, 205, 261 f.; 31, 314, 326. Das objektiv-rechtliche Element ersetzt im Wesentlichen den zuvor gebrauchten Begriff der institutionellen Freiheit, vgl. Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 27 f.; zur Kritik an der Begrifflichkeit vgl. S. 29 sowie Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 40 ff. 20 Für eine ausschließlich institutionelle Deutung ohne individualrechtliche Elemente allerdings noch Berendes, Staatsaufsicht, S. 65; Krause-Ablaß, JZ 1962, 158, 160. 21 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 2, 8 f. Dieser verweist in diesem Zusammenhang auch auf das „sowohl-als-auch“ der beiden thematischen Grundakkorde. 17
10 Lindschau
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kungen für die Betrachtungsweise der Rundfunkorganisation ergeben22, ist es unausweichlich, die divergierenden Ansichten im Folgenden übergreifend darzustellen. aa) Primär objektiv-rechtliches Verständnis Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist das Grundrecht der Rundfunkfreiheit im Unterschied zu anderen Freiheitsrechten des Grundgesetzes seinem Träger nicht zum Zweck der Persönlichkeitsentfaltung oder Interessenverfolgung eingeräumt, sondern stellt vielmehr eine der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Freiheit dar23. Begründet wird dies mit der wichtigen Funktion der Meinungsfreiheit für die Demokratie, die sich in einem Prozess vollziehe, der ohne die Medien, die Informationen und Meinungen verbreiten und selbst Meinungen äußern, nicht aufrechterhalten werden könne24. Da gerade dem Rundfunk dabei aufgrund seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere Bedeutung zukomme, sei das Grundrecht der Rundfunkfreiheit für das Erreichen von Meinungsfreiheit wesentlich25. Lediglich staatliche Eingriffe auszuschließen und die Rundfunkfreiheit als reines Abwehrrecht gegenüber staatlichem Einfluss anzusehen, würde der Aufgabe der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit nicht gerecht26. Stattdessen bedürfe es daneben einer positiven gesetzlichen Ordnung, die sicherstelle, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck finde. Das Bundesverfassungsgericht versteht mithin die Rundfunkfreiheit nicht primär als rein subjektiv-rechtlich ausgeprägtes Abwehrrecht des Einzelnen gegenüber staatlichen Eingriffen, sondern gesteht ihr angesichts ihrer „dienenden Funktion“ im Interesse einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung auch eine objektiv-rechtliche Dimension zu, aufgrund derer der Gesetzgeber verpflichtet sei, die Rundfunkordnung so auszugestalten, dass dieses Ziel erreicht werde27. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass objektiv-rechtliche Funktionen immer bei solchen Grundrechten relevant werden, deren Sinn nicht 22 Nach Starck, NJW 1992, 3257, 3261, stellt die jeweilige Interpretation der Rundfunkfreiheit die Weichen für die gesamte Gestaltung des Rundfunkrechts. Ähnlich Dörr, in: Landesmedienanstalten: Sicherung der Meinungsvielfalt, S. 338. 23 BVerfGE 57, 295, 319 f.; 59, 231, 257; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 323 f.; 83, 238, 295; 87, 181, 197; 97, 228, 257; BVerwGE 39, 159, 163 f.; zustimmend auch Bethge, NVwZ 1997, 1, 5. 24 BVerfGE 90, 60, 87. 25 BVerfGE 90, 60, 87. 26 BVerfGE 57, 295, 323; 73, 118, 152 f.; 83, 238, 296; 87, 181, 197. 27 BVerfGE 83, 238, 315.
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allein in der Gewährung von Freiheit an sich liegt, sondern in der Erwartung, dass mit dem Gebrauch dieser Freiheit bestimmte, gesellschaftlich besonders wichtige Aufgaben erfüllt werden28. In derartigen Konstellationen kommt dann auch der Begriff der „dienenden Grundrechte“ zum Einsatz29. In den jüngeren Entscheidungen betont das Bundesverfassungsgericht den subjektiven Charakter der Rundfunkfreiheit stärker30. So sieht es beispielsweise neben den zugelassenen Anbietern von Rundfunkprogrammen auch bereits den Bewerber im Zulassungsverfahren als Grundrechtsträger der Rundfunkfreiheit und damit als Inhaber der subjektiv-rechtlichen Rechtsposition aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG an31. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht durch Berücksichtigung der Situation im Zulassungsverfahren, die Auswirkungen auf die spätere Programmfreiheit haben könne. Wenngleich es damit der subjektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit größeres Gewicht als bisher verleiht, ist das Gericht entgegegen teilweise anders lautender Interpretation32 bislang nicht zur Anerkennung eines grundrechtlichen Anspruchs auf Veranstaltung von Rundfunk gekommen33. Eine derartig starke Abkehr von dem bis dato vertretenen Rundfunkfreiheitsverständnis hätte sich stärker manifestieren müssen. Auch von Teilen der Literatur34 wird die Rundfunkfreiheit vorrangig objektiv-rechtlich in ihrer Funktion für die Meinungsbildung und damit die Demokratie beurteilt35. Das Recht des Individuums auf Rundfunkfreiheit steht nicht im Vordergrund und so wird ein subjektives Recht auf Gründung und Veranstaltung eines Rundfunksenders wenn überhaupt nur nach Maß28 Jarras, AöR 110 (1985), 363, 394. Instruktiv zur objektiv-rechtlichen Dimension der Freiheitsrechte auch Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, S. 30 ff. 29 Hierzu Rupp, JZ 2001, 271. 30 BVerfGE 95, 220, 234; 97, 298, 310 ff. 31 BVerfGE 97, 298, 312 f. 32 Dörr/Eckl, NJW 1999, 1925, 1934: der Sache nach werde erstmals die private Rundfunkveranstalterfreiheit anerkannt. 33 Vgl. auch Westphal, MMR 1998, 198, 200; Bornemann/Hepach, K&R 2004, 317, 320 Fn. 38. 34 Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 22 ff., 30, 33, 46; Bethge, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 107 ff.; Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 78 ff.; Dörr, VerwArch 2001, 149, 153, 155; Fuhr, ZUM 1987, 145, 146; Grimm, RuF 1987, 25, 27; Groß, DVBl 1982, 561, 566; Hesse, Rundfunkrecht, S. 65 ff.; Hoffmann-Riem, AöR 109 (1984), 304, 306 ff.; Kübler, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 301; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 34 ff., 51 f., 99 f.; Lieb, Kabelfernsehen, S. 236; Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 138 ff.; Wufka, Verfassungsrechtlich-dogmatische Grundlagen, S. 78 f. 35 In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff der Rundfunkfreiheit als „Funktionsgrundrecht“ (Stock, in: Hoffmann-Riem/Vesting, Perspektiven der Informationsgesellschaft, S. 144). 10*
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gabe entsprechender gesetzlicher Anerkennung für zulässig gehalten36. Hintergrund dieser Haltung ist auch das Misstrauen eines auf der Basis des freien Spiels der Kräfte funktionierenden Rundfunks. bb) Primär subjektiv-rechtliches Verständnis Die Vertreter der vorwiegend subjektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit sehen nach dem klassischen Grundrechtsverständnis auch in der Rundfunkfreiheit in erster Linie ein Recht des Einzelnen auf Rundfunkveranstaltung37, der objektive Gehalt ergänze und sichere den eigentlichen, individualrechtlichen Gehalt38. Nachdem die durch die technisch-finanzielle Sondersituation bedingte besondere gesetzliche Regelung aufgrund des technischen Fortschritts entfallen sei, lebe das originäre Grundrecht auf Rundfunkveranstalterfreiheit, das zuvor zurücktreten musste, wieder auf39. Die Sonderdogmatik des Art. 5 Abs. 1 S. 2 sei mittlerweile nicht mehr zeitgemäß40. Teilweise wird in der Gewährung einer institutionellen Garantie die verkappte Legitimation einer Grundrechtsbeschränkung, für die sich sonst keine Basis fände, gesehen41. Die Rundfunkfreiheit vorrangig als „dienende Freiheit“ zu sehen, wird abgelehnt, da eine Freiheit, die zum 36 Vgl. z. B. Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 30, 33, 46 f.; Bethge, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 109; ders., ZUM 1994, 1, 5; Bornemann/Hepach, K&R 2004, 317, 320; Dörr, in: Landesmedienanstalten, Sicherung der Meinungsvielfalt, S. 427; Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 32, 39; Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 98. 37 Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 709; Engel, AfP 1994, 185 ff.; Engel, in: Hoffmann-Riem/Vesting, Perspektiven der Informationsgesellschaft, S. 163; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 10, 125 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 4 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 40; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 20, 41 f., 117 ff.; ders., Der Staat 20 (1981), 177, 189 ff.; Ricker, AfP 1997, 589, 590; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 88 f.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 140 ff., 153; Schmitt Glaeser; AöR 112 (1987), 215, 240; Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 44 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 106; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 69 ff.; Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 151 f. 38 Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 15; Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 47. 39 So z. B. Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 142 Rn. 120, 125, 145 ff.; Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 19, 39; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 I u. II Rn. 236; Kull, in: Hans-Bredow-Institut, Zukunft des Rundfunks, S. 300; Oppermann, JZ 1981, 721, 726; v. Pestalozza, NJW 1981, 2158, 2160 f.; Scholz, JuS 1974, 299, 303 f. 40 Vgl. Schoch, AfP 1998, 253, 257; kritisch auch Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 645 ff. 41 v. Pestalozza, NJW 1981, 2158, 2163.
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Dienen verpflichte, keine Freiheit mehr sei, sondern zu einer Freiheit nach Maßgabe gesetzgeberischer Ausgestaltung werde42. Stattdessen wird darauf vertraut, dass die Rundfunkfreiheit am besten zum Tragen käme, wenn allen das Recht zur Veranstaltung von Rundfunk offen stünde, folglich ein freier Wettbewerb auch auf diesem Gebiet stattfände. cc) Stellungnahme Zur genaueren Beurteilung der unterschiedlichen Sichtweisen der Rundfunkfreiheit, die wiederum in divergierenden Einschätzungen des Mediums Rundfunk in der heutigen Zeit wurzeln, erscheint es unvermeidlich, zunächst einen Blick auf das dem Rundfunk häufig zugeschriebene besondere Machtpotential zu werfen sowie sich weiter die Bedeutung des Rundfunks insgesamt – d. h. im Hinblick auf die Demokratie, die Integration, die Kultur, seine Wirtschaftskraft – zu vergegenwärtigen. Zudem ist zur Befürwortung eines mehr objektiv- oder aber mehr subjektiv-rechtlichen Grundrechtsverständnisses der Rundfunkfreiheit ein vergleichender Blick auf die dogmatische Behandlung der Pressefreiheit zu werfen, um daraus eventuell Rückschlüsse auch für die Rundfunkfreiheit ziehen zu können. (1) Die Macht des Rundfunks (a) Die Medienwirkung im Allgemeinen Angesichts der Fülle von Informationen sehen sich die Veranstalter von Medien dazu gezwungen, eine Auswahl der zu präsentierenden Informationen zu treffen. Allein durch dieses Selektieren kommt ihnen eine gewisse Machtposition zu, da sie damit bei einer Vielzahl von Menschen das politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Gesamtbild prägen. Denn vielfach vermitteln die Massenmedien Informationen, die dem Einzelnen sonst nicht zugänglich wären. Auch wird sich über in den Medien nicht behandelte Themen in der Regel keine allgemeine Meinung gebildet, da der jeweilig verschwiegene Gegenstand ohne konkrete eigene Berührungspunkte bereits gar nicht ins Bewußtsein der Rezipienten gelangt43. Wird hingegen über ein Ereignis besonders häufig und in einer besonderen Weise berichtet, so bekommt diese Mitteilung in den Augen und Ohren der Rezipienten häufig einen ganz anderen Stellenwert als er ihr sonst zugekommen wäre. Über die Frage des „Ob“ einer Information hinaus entscheiden die 42 Degenhart, DÖV 1981, 960, 963; vgl. auch Scholz, JZ 1981, 561, 566, 568; Starck, NJW 1992, 3257, 3261. 43 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 225.
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Veranstalter von Medien auch, in welcher Form, mit welchem Inhalt und zu welcher Zeit eine Information an die Allgemeinheit gelangt, und erlangen damit eine nicht zu unterschätzende gewichtige Position der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung44. (b) Die besondere Wirkung des Rundfunks Dem Rundfunk wird aus juristischer Sicht vielfach ein besonderes Maß an Authentizität, Glaubwürdigkeit und Suggestionskraft attestiert und infolgedessen eine besondere Macht („Machtinstrument allerersten Ranges“45) zugeschrieben46. Wenn hierfür überhaupt eine Begründung angeführt wird, dann wird auf die besondere Glaubwürdigkeit hingewiesen, die gerade das Fernsehen aufgrund seiner bewegten Bilder erwecke („seeing is believing“)47 sowie die Möglichkeit, in Sekunden ein Millionenpublikum zu erreichen48. Auch das Bundesverfassungsgericht begründet die intensive Wirkung von Fernsehsendungen mit der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks und der Kombination von Bild und Ton sowie aus der ungleich großen Reichweite49. Wenngleich die These der besonderen Wirkungsintensität des Rundfunks schon früher nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß50, so erscheint es frag44 Vgl. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 231; Engel, Medienordnungsrecht, S. 46; auch BVerfGE 12, 205, 260: „Jedes Rundfunkprogramm wird durch die Auswahl und Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben, insbesondere soweit es um die Entscheidung darüber geht, was nicht gesendet werden soll, was . . . vernachlässigt werden kann, und wie das Gesendete gesagt und geformt werden soll.“ Auch die Europäische Kommission bescheinigt besonders dem audiovisuellen Sektor ein großes Einflusspotential, vgl. Mitteilung der Kommission „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“ v. 14.12.1999, KOM 1(999) 657 endg., S. 7. 45 Weber, in: Borinski u. a., Rundfunk im politischen und geistigen Raum, S. 63. 46 BVerfGE 31, 314, 325; 90, 60, 87; Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 40, unter Verweis auf Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 121 f.; Eberle, GRUR 1995, 790, 795; Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, S. 19; Stern/Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S. 42 ff., 51. 47 Vgl. dazu Lieb, Kabelfernsehen, S. 220 ff. m. w. N.; Niewiarra/Fraenkel, NWVBl 1988, 38, 41; Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 82, 88; Engel, Medienordnungsrecht, S. 46. 48 Im Zuge der weit entwickelten Satellitentechnik ist es möglich geworden, in Europa mit einer Fernsehsendung ca. 400 Millionen Menschen zu erreichen (Dörr, in: Abele/Fünfgeld/Riva, Werte und Wert, S. 139). 49 BVerfGE 35, 202, 226 f.; zur großen Breitenwirkung auch BVerfGE 95, 220, 236. 50 Vgl. z. B. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 125 f.; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 47 f.; kritisch später auch Stammler, ZUM 1995, 104, 107.
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lich, inwieweit in der heutigen Zeit, in der Fernsehen und Hörfunk zum Alltag dazugehören51 und nur ein Medium unter vielen sind, die von einer großen Anzahl von Menschen genutzt werden, der Rundfunk auch weiterhin als besonders mächtig anzusehen ist. (c) Wandel der Verhältnisse Bereits Mitte der siebziger Jahre wurde festgestellt, dass die Nebenbeschäftigungen während des Fernsehens zunahmen und dass die Aufmerksamkeit vieler Zuschauer selbst bei Hauptnachrichtensendungen relativ gering war52. Besonders Hörfunk53 aber auch Fernsehen wandelten sich immer mehr zum Begleitmedium, dem heute nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt wird, sondern bei dem verstärkt anderen Tätigkeiten wie unterhalten, essen, lesen oder telefonieren nachgegangen wird54. Dies stellt einen Hinweis auf verringerte Wirkungs- und Einflussmöglichkeiten des Rundfunks dar. Hinzu tritt die veränderte Rolle des Rezipienten gerade im Fernsehbereich: War er zu Beginn des Fernsehens auf das Ein- oder Ausschalten beschränkt, kommt ihm mittlerweile angesichts des stark vergrößerten Programmangebots eine Auswahlmöglichkeit zwischen den einzelnen Programmen zu. Diese programmliche Auswahlentscheidung erhält im Zuge der Digitalisierung mit dem damit einhergehenden verstärkten Pay-TV-Angebot ein noch größeres Gewicht. Sie wird verstärkt von der zeitlichen Entscheidungsfreiheit, da „Near-Video-On-Demand“55 und vor allem „Video-OnDemand“56 es in Zukunft allen Zuschauern ermöglichen werden, zeitlich flexibel bestimmte Sendungen zu konsumieren und ihnen beispielsweise die Möglichkeit geben, Sportereignisse aus verschiedenen Kameraperspektiven 51
Zu diesem Ergebnis kommt die ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation, vgl. van Eimeren/Ridder, MP 2001, 538, 552: Das Fernsehen als Medium habe in den letzten drei Jahrzehnten beträchtlich an Ausstrahlungskraft und Besonderheit verloren und sei alltäglich und selbstverständlich geworden. Zuvor bereits Stammler, ZUM 1995, 104, 107; zustimmend Weisser, ZUM 1997, 877, 882. 52 Vgl. Bessler, in: Bausch, Königsteiner Gespräche, S. 124. 53 Hierzu Bessler, in: Bausch, Königsteiner Gespräche, S. 130 f. 54 Opaschowski, Die multimediale Zukunft, S. 12 ff., 79 f. 55 Dabei werden Informationen in bestimmten periodischen Abständen wiederholt und dem Rezipienten in hoher zeitlicher Disponibilität zur Verfügung gestellt (Gersdorf, AfP 1995, 565, 567; Hoffmann-Riem, MP 1996, 73; näher hierzu Brand, Rundfunk, S. 184 ff.). 56 Dabei wird eine Vielzahl von Beiträgen auf Servern elektronisch gespeichert, diese können vom Rezipienten einzeln zur gewünschten Zeit abgerufen werden (Springer, Reform der ARD, S. 302 f.; vgl. auch Brand, Rundfunk, S. 170 ff.). Einer der ersten Anbieter ist T-Online, die Internet-Filiale der Deutschen Telekom.
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zu verfolgen oder aber bei Spielfilmen verschiedene Handlungsfortgänge zu wählen. Infolge der verstärkten Wahlmöglichkeiten auf Seiten der Rezipienten erscheint ein besonderes Beeinflussungspotential des Rundfunk(-veranstalter)s mittlerweile weniger groß als in den Anfängen, wo nur ein bis drei Programme zur Verfügung standen57. Gleichwohl wird es auch im Zuge der sich durchsetzenden Digitaltechnik bei der massenkommunikationsbedingten Einseitigkeit des Vorgangs58 bleiben. Die Inhalte werden dem Rezipienten weiterhin vorgegeben und die überwiegende inhaltliche Gestaltung und damit auch die Möglichkeit der Beeinflussung wird nach wie vor auf Seiten der jeweiligen Anbieter liegen. Gerade im Bereich des Fernsehens tragen möglicherweise die Verbesserung der Bildqualität, die Vergrößerung des Bildschirms und die immer schnelleren Bildfolgen aber auch dazu bei, dass die Zeit fehlt, Abstand zu nehmen, und infolgedessen Fernsehprogramme von den Rezipienten weniger hinterfragt werden. (d) Folgerung Auch wenn aufgrund der beschriebenen Veränderungen von einem eher abnehmenden Beeinflussungspotential des Rundfunks ausgegangen werden kann, löst bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit der Beeinflussung durch den Rundfunk angesichts der hohen Bedeutung des zu schützenden Gutes der Meinungsbildungsfreiheit Handlungsbedarf aus. In Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrzahl der Bevölkerung Fernsehen als vorrangiges Medium nutzt, diesem aus Rezipientensicht gegenüber anderen Medien eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt59, der Rundfunk sehr viele Menschen erreichen kann und auch erreicht60, bewegten Bilder in Kombination mit Tönen ein besonderer Anschein von Authentizität eigen ist wie auch von einer höheren emotionalen Eindringlichkeit gegenüber geschriebenen Worten und Fotos auszugehen ist und vor dem Hintergrund der aufgezeigten Selektionsfolgen, lässt sich gerade nicht die Schlussfolgerung ziehen, der 57
Vgl. auch Engel, in: Hoffmann-Riem/Vesting, Perspektiven der Informationsgesellschaft, S. 162. 58 Vgl. Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382, 386. 59 Vgl. hierzu Kliment/Brunner, in: Hamm, Zukunft des dualen Systems, S. 318 f., demnach halten 42% der Bevölkerung das Fernsehen für das glaubwürdigste Medium gegenüber 30% bei der Tageszeitung und 12% beim Radio. 60 Für das Jahr 2000 wurde ermittelt, dass Hörfunk und Fernsehen täglich 85% der Bundesdeutschen erreichen, vgl. Ridder/Engel, MP 2001, 102, 105. Im Jahr 2003 saßen an einem durchschnittlichen Wochentag 75% aller Erwachsenen vor dem Fernseher, dabei verbrachten die Bundesbürger im Schnitt drei Stunden und 23 Minuten am Tag vor dem Fernseher (Darschin/Gerhard, MP 2004, 142).
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
153
klassische Rundfunk verliere seine Funktion als Leitmedium für die öffentliche Meinungsbildung61. Die genaue Macht der Medien, das einzelne Individuum in irgendeiner Form zu beeinflussen, ist angesichts der Komplexität der Wirkungsweise von Medienangeboten auf die Rezipienten, die in verschiedener Weise von gesellschaftlichen und situativen Momenten beeinflusst wird, schwierig zu bestimmen62. In der Medienwirkungsforschung hat man sich schon lange von der Vorstellung verabschiedet, man könne die Medienwirkung schlechthin ohne Beachtung von Einzelsituationen untersuchen. (2) Die Bedeutung des Rundfunks insgesamt (a) Im Hinblick auf die Demokratie In der Bundesrepublik Deutschland als demokratischem Staat geht gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke aus. Mithin bedarf es zur legitimen Herrschaftsausübung eines tragenden Willens der Bevölkerung. Dieser Wille aber wiederum muss sich staatsfrei bilden können, anderenfalls würde es an der demokratiebestimmenden Herrschaft des Volkes fehlen. Ein freier und offener Meinungs- und Willensbildungsprozess ist mithin conditio sine qua non für die Ausübung der Volkssouveränität und damit für das Bestehen einer Demokratie63. Dieser Prozess wird neben dem Recht der Meinungsfreiheit, der Presse-, Film- und Informationsfreiheit auch durch die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet, die allesamt für eine freiheitliche demokratische Grundordnung konstituierend sind64. Neben einer freien Meinungs- und Willensbildung setzt Demokratie auch einen informierten Staatsbürger voraus65. Um eigenständige politische Entscheidungen treffen zu können, bedarf der einzelne Bürger umfassender und ausgewogener Informationen. Erst in Kenntnis der bestehenden unterschiedlichen Ansichten kann sich mit diesen auseinandergesetzt und zu einer um61
So aber VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 22. Vgl. hierzu Schulz, ZUM 1996, 487, 492 m. w. N. sowie Ludes, Medienwissenschaft, S. 101, demzufolge es keine eindeutigen Zuordnungen von Medienkonsum, sozialer Differenzierung und Persönlichkeitstypen gibt, so dass der Medieneinfluss auf persönliche Wünsche, Verhaltensmuster, Werte und Normen sowie politische Entscheidungen vielfach gebrochen und neu zusammengesetzt wird. 63 Vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 4; Hoppmann, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, S. 81. 64 Vgl. BVerfGE 7, 198, 208; 10, 118, 121; 20, 56, 97 f.; 35, 202, 221 f.; 59, 231, 266; 90, 60, 87. Vgl. auch BVerfGE 73, 118, 157 f., in der das Gericht von den „essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung“ spricht. 65 Hesse, JZ 1993, 545, 548. 62
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
fassenden Meinungsbildung gelangt werden. Angesichts der heutigen Informationsflut ist er allein regelmäßig damit überfordert, sich die verschiedenen Informationen selbst zu beschaffen. Stattdessen ist er auf die Vermittlung von Informationen anderer angewiesen. Bedenkt man, dass viele Bürger einen Großteil ihrer Informationen aus dem Rundfunk beziehen, auf den sie die meiste Zeit ihrer Mediennutzung verwenden, und bezieht man die enorme Reichweite des Rundfunks sowie die Überlegung mit ein, dass es der dem Rundfunk zugeschriebene Unterhaltungsfaktor ermöglicht, auch solche Rezipienten mit (politischen) Informationssendungen zu konfrontieren, die sich ansonsten nicht dafür interessiert hätten, so wird deutlich, inwiefern dem Rundfunk eine Bedeutung bei der demokratischen Willensbildung der Bevölkerung zukommt. Er informiert den Bürger über das Zeitgeschehen sowie die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und zeigt Hintergründe und Zusammenhänge auf. Indem er Kenntnis von den verschiedenen Meinungen vermittelt, dem Einzelnen und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit gibt, meinungsbildend zu wirken, ermöglicht er die öffentliche Diskussion, hält sie in Gang und stellt so selbst einen wichtigen Faktor der Meinungs- und Willensbildung dar66, deren freier Prozess wiederum Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Staatsordnung ist67. Als reichweitenstarkes Massenkommunikationsmittel stellt der Rundfunk nicht nur eine Verbindung zwischen der Bevölkerung und den Staatsorganen her, er kontrolliert letztere auch68 dadurch, dass er Missstände in staatlichen Bereichen aufzeigen und wirkungsvoller als der Einzelne an die Öffentlichkeit bringen kann und so dazu beiträgt, dass in den betroffenen Bereichen eine verstärkte Kontrolle durch die anderen Gewalten stattfindet69. Zusammengefasst bedeutet dies: Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft ist die öffentliche Meinung, deren Motor der Rundfunk ist70, wobei unter dem vielschichtigen Begriff der öffentlichen Meinung vorliegend mit Herzog lediglich die Summe der in der Bevölkerung vorhandenen und geäußerten Ansichten über beliebige Gegenstände verstanden wird71. Konzentrierte, vorherrschende Meinungsmacht und eine einseitige Einflussnahme auf die öffentliche Meinung bedeuten eine große Gefahr für den gesamten 66
Vgl. BVerfGE 12, 205, 260; 31, 314, 325; 35, 202, 222. Vgl. BVerfGE 20, 56, 98. 68 BVerfGE 35, 202, 222. 69 Vgl. auch Niepalla, Grundversorgung, S. 68; Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 26. 70 Vgl. Engel, AfP 1994, 185, 186; ähnlich Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 283. Zum untrennbaren Zusammenhang von öffentlicher Meinungsbildung und demokratischer Willensbildung auch Hesse, JZ 1993, 545, 548. 71 In: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II GG Rn. 5 Fn. 1. 67
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Staat. Dies erkannten bereits die Alliierten, die den Rundfunk zur Demokratisierung der Bevölkerung einsetzten, worauf der häufig von ihnen im Zusammenhang mit der Rundfunkorganisation gebrauchte Begriff der „reeducation“72 hinweist. Aber auch losgelöst von der Staatsform der Demokratie ist der Rundfunk aufgrund seines engen Zusammenhangs mit der Meinungsäußerung und -verbreitung dadurch, dass mittels des Rundfunks die Möglichkeiten, Meinungen zu äußern und besonders zu verbreiten, verstärkt werden, in das jeweilige politische und gesellschaftliche System eines Staates eingebunden. Der Umgang mit ihm lässt Rückschlüsse auf die den Staat beherrschende politische Idee („Spiegelbild der Staatsform“73) zu74. In einer modernen Demokratie wie in Deutschland, in der eine freie, offene und umfassende Meinungsbildung als Voraussetzung einer demokratischen Ordnung angesehen wird, ist der Rundfunk von staatlichen und gesellschaftlichen Zwängen freizustellen und zu einer umfassenden, d. h. vielfältigen und zugleich ausgewogenen Berichterstattung anzuhalten. In einem autoritär oder totalitär regierten Staat, in dem die Freiheit der Meinungen vielfachen Begrenzungen ausgesetzt ist, wird sich die Organisation des Rundfunks hingegen deutlich unterscheiden75. In diesem Zusammenhang kann auf die Ausführungen zur Rundfunkorganisation während der nationalsozialistischen Diktatur und in der DDR verwiesen werden76, aus denen deutlich wird, dass der Rundfunk in seiner organisatorischen Ausgestaltung im Kleinen das jeweilige politische und gesellschaftliche System eines Staates wiedergibt. (b) Im Hinblick auf die Integration unterschiedlicher Ansichten in der Gesellschaft Dem Rundfunk kommt ferner seit jeher Bedeutung im Hinblick auf die Integration der in der Gesellschaft vorherrschenden divergierenden Meinungen und Strömungen zu. Er bildet ein Forum, auf dem Meinungen artikuliert und Gruppeninteressen repräsentiert werden können. So konstatiert das Bundesverfassungsgericht in seinem zweiten Rundfunkurteil „die Rundfunk72 Vgl. Reichardt, Grundzüge der Rundfunkpolitik, S. 129; Bausch, in: Bausch, Organisation des Fernsehens, S. 88. 73 Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 2. Zweifel an der festen Verbindung zwischen dem System der Medien und der Freiheit und Demokratie finden sich allerdings bei Schwarz-Schilling, in: Hans-Bredow-Institut, Zukunft des Rundfunks, S. 59. 74 Vgl. Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 15. 75 Ebenso Magnus, Rundfunk in der BRD, S. 15; in ähnliche Richtung weisend Weber, in: Borinski u. a., Rundfunk im politischen und geistigen Raum, S. 63. 76 1. Teil B. II. u. III. 2. e).
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anstalten . . . erfüllen . . . integrierende Funktionen für das Staatsganze“77 und äußert wenig später „Hörfunk und Fernsehen gehören in gleicher Weise wie die Presse zu den unentbehrlichen Massenkommunikationsmitteln, denen . . . für die Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen eine maßgebende Wirkung zukommt“78. (aa) Begriffsbestimmung Unter dem juristisch nicht unumstrittenen79 Begriff der Integration ist die Herstellung einer Einheit zu verstehen. Dies allerdings nicht im Sinne eines Gleichmachens unter Aufgabe des den einzelnen Elementen innewohnenden jeweils Eigenen, sondern im Sinne eines Zusammenfügens der einzelnen Elemente, bei dem das jeweils Eigene weiterhin in harmonischer Weise mit den anderen Elementen erhalten bleibt. Das entstehende Ganze ist dabei mehr als die Summe der einzelnen Elemente80. Eine Einigung verschiedener Elemente bei Erhaltung ihres Wesens ist nur möglich, wenn die einzelnen Elemente übereinstimmende Merkmale und Strukturen aufweisen, die es zulassen, sie zu einem Ganzen zusammenzufassen. Angesichts dessen, dass es bei der Integration nicht zu einer Gleichschaltung der verschiedenen Teile kommt, nivelliert die Integration auch nicht einen bestehenden Pluralismus. Mit der Wortschöpfung der „integrativen Pluralismussicherung“81 wird deutlich, dass Integration und Pluralismus nicht unvereinbar sind, sondern der Pluralismus in einer Gesellschaft durch die Integration als „gleichrangiger Kehrwert“82 zusammengehalten wird. Als dynamischer Prozess83 kommt Integration regelmäßig durch die Austragung von Konflikten zustande84, bei der sich dann in Teilen ein Konsens herausbildet, der es ermöglicht, die zuvor verschiedenen Positionen trotz fortbestehender Eigenheiten unter einem übergeordneten Ganzen zusammenzufassen. In diesem Zusammenhang sei auf die bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts entworfene Integrationslehre von Smend verwiesen85. Nach dessen Vorstellung stellt sich die Integration als grundlegender Le77
BVerfGE 31, 314, 329. BVerfGE 35, 202, 222. 79 Hierzu m. w. N. Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 275 ff. 80 Smend, in: Herzog u. a.: Evangelisches Staatslexikon, Bd. I, Stichwort: Integration. 81 So der Titel eines Aufsatzes von Kresse, ZUM 1995, 178 ff. 82 Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 14. 83 Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 18. 84 Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 273. 78
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bensvorgang des Staates dar, da dieser kein ruhendes Ganzes sei, sondern erst durch ein sich täglich wieder erneuerndes Plebiszit lebe. Bei diesem Prozess komme der Öffentlichkeit eine entscheidende Rolle zu. (bb) Integrationsleistungsfähigkeit des Rundfunks Wenngleich dem Rundfunk vom Bundesverfassungsgericht nie explizit ein verfassungsrechtlicher Auftrag zur Integration erteilt wurde, ist seine rundfunkrechtliche Dogmatik an der Bedeutung des Rundfunks als Integrationsinstanz ausgerichtet86. Der Rundfunk hat die Möglichkeit, mit seinen Programmen die unterschiedlichen Standpunkte auf einen gemeinsamen grundlegenden Wertekonsens zu einigen, der für eine funktionierende, handlungsfähige und nicht von Zersplitterungen gelähmte Demokratie von hoher Bedeutung ist87. Diese Fähigkeit ist dem Rundfunk zum einen eröffnet, da er mit seinen weitreichenden Programmen die Mehrzahl der Bevölkerung erreichen kann. Zum anderen gibt er allen gesellschaftlich relevanten Gruppen die Chance zur Teilnahme am Kommunikationsprozess (Forumsfunktion) und kann durch die Wiedergabe der konträren Meinungsrichtungen und ihrer Argumente, das Aufzeigen von Hintergründen, Zusammenhängen und Konflikten Diskussionen initiieren und einen Dialog herstellen, in dem Kontakte zu anderen Bevölkerungsgruppen und kulturellen Anschauungen hergestellt und Verständnis für abweichende Positionen geweckt wird (Vermittlerfunktion). Die Integrationsleistung des Rundfunks bezieht sich auf Themen jeglicher Art und wird nicht nur von politischen Dokumentationssendungen oder Magazinen erbracht, sondern kann auch in Unterhaltungssendungen oder auch Sportereignisübertragungen und -berichten stattfinden88. Diese sind auf ihre 85 Smend, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 136 ff., 170 ff. Hiervon hat sich auch das Bundesverfassungsgericht leiten lassen, vgl. Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 155 ff. 86 Vgl. Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 67; HoffmannRiem, Regulierung, S. 217 f. 87 Zur Integrationsfunktion des (öffentlich-rechtlichen) Rundfunks Saxer, MP 1990, 717 ff. Aussagen zur Integration finden sich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk z. B. in § 11 Abs. 2 S. 2 RStV und § 23 Abs. 2 S. 2 SMG, wo von der Förderung der internationalen Verständigung, europäischen Integration und gesellschaftlichen Zusammenhaltes in Bund und Ländern die Rede ist, vgl. auch § 4 Abs. 3 RBB-StV; § 5 Abs. 3 WDR-G; § 5 Abs. 3 S. 4 ZDF-StV; § 6 Abs. 3 S. 4 DLR-StV, sowie für den privaten Rundfunk z. B. in § 41 Abs. 2 S. 3 RStV; § 19 Abs. 2 S. 2 BremLMG; § 4 Abs. 2 S. 2 HmbMG; § 13 Abs. 1 S. 3 HPRG; § 14 Abs. 2 S. 2 NdsMG. 88 Vgl. hierzu BVerfGE 97, 228, 257. Allgemein zur Integration durch Kommunikation Jarren, M&K 2000, 22, 30 ff.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Art ebenfalls geeignet, die Integration in der Gesellschaft zu fördern89, dadurch, dass gesellschaftliche Wertvorstellungen thematisiert werden. Insgesamt eröffnet der Rundfunk durch sein Programmangebot für die Gesellschaft eine gemeinsame Informations- und Kommunikationsgrundlage, die geeignet ist, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu fördern90. (cc) Kein Bedeutungsverlust des Rundfunks als Integrationsinstanz Bereits seit einigen Jahren lassen sich in der Gesellschaft generelle Tendenzen zur Individualisierung und Ausdifferenzierung feststellen, die einer Integration entgegenlaufen. Im Rundfunk kann diesem Trend aufgrund der digitalisierungsbedingten verbesserten Frequenzauslastung mit einer Vielzahl neuer (Sparten-)Programme verstärkt gefolgt werden. Aufgrund der damit einhergehenden sinkenden Marktanteile und weniger kollektiver Aufmerksamkeit sowie des veränderten Mediennutzungsverhaltens wird es für den Rundfunk immer schwieriger, integrierend zu wirken91. Die einst relativ homogene Fernsehgemeinde ist dabei, sich in immer kleinere, unterschiedlich informierte Teilöffentlichkeiten aufzuspalten92 und so gibt es immer weniger Menschen, die das gleiche Programm gesehen haben und sich darüber austauschen können. Teilweise wird die integrierende Kraft des Rundfunks daher in Zweifel gezogen93. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der Rundfunk nicht nur dann integrierend wirken kann, wenn möglichst ein Großteil der Bevölkerung eine bestimmte Sendung, ein bestimmtes Programm sieht – wenngleich derartige Gemeinschaftserlebnisse auch in heutiger Zeit noch wertvoll sind94. Vielmehr kann die Konsensherstellung auch mit Hilfe mehrerer Programme erfolgen, solange dort alle Meinungsrichtungen zu Wort kommen, die Argumente und Hintergründe der verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen transparent dargestellt werden und versucht wird, einen gesellschaftlichen Diskurs über Themen aller Art zu initiieren. 89 Hierzu BVerfGE 101, 361, 390; vgl. auch Langenbucher, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 335. 90 Vgl. Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag, S. 39; Pöttker, in: Jarren, Politische Kommunikation, S. 185 f. 91 Vgl. Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 16, 45 f.; Saxer, MP 1990, 717, 724; Stolte, ZögU 1996, 464, 466 f. 92 Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 12; hierzu eingehender auch Franz, MP 2003, 463, 466. 93 Negativ zur Integrationskraft des Rundfunks z. B. Groebel u. a., Bericht zur Lage des Fernsehens, S. 14; Wissenschaftlicher Beirat beim BMWT, in: BMWT, Gutachten, 16. Bd., S. 2073. 94 Hierauf verweist auch Ricker, AfP 1998, 437, 439.
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Gerade in einer – nicht nur infolge technischer Veränderungen – auseinanderdriftenden pluralistischen Gesellschaft kommt einer Integrationsinstanz, wie sie der Rundfunk aufgrund seiner großen Reichweite und Universalität verkörpern kann, ein nicht zu unterschätzendes Gewicht zu95. Sollte es eines Tages an der Übereinstimmung über elementare Grundwerte fehlen, so wäre die Verbindung der einzelnen Individuen zu einem übergeordneten Ganzen, mithin die Staatlichkeit der Gesellschaft an sich in Frage gestellt. Aber auch über den nationalen Blickwinkel hinaus ist aus europäischer Perspektive ein fortlaufender Integrationsprozess unabdingbar. Im Zuge eines angestrebten Zusammenwachsens der Mitglieder der Europäischen Union muss in vielen Fragen ein Konsens der unterschiedlichen Gesellschaften bestehen, anderenfalls degeneriert die Europäische Idee zu einer Organisation, in der die einzelnen Länder einander nur durch ihre formale Mitgliedschaft verbunden sind. Insofern verbleibt dem Rundfunk auch in Zukunft seine Stellung als Integrationsinstanz96. Seine integrierende Kraft ist heutzutage, vor dem Hintergrund einer sich immer differenzierter, komplexer und wertpluralistischer entwickelnden Gesellschaft, wichtiger denn je97. (c) Im Hinblick auf die Kultur Dem Rundfunk kommt auch Bedeutung als kultureller Faktor zu98. Beispielsweise können im Hörfunk oder Fernsehen Theaterstücke, (Opern-) Konzerte oder aber Berichte über Kunstausstellungen ausgestrahlt werden und so auch den Teilen der Bevölkerung nahe gebracht werden, die sonst aus finanziellen oder anderen Gründen (z. B. zu große Entfernungen oder Immobilität) derartige kulturelle Veranstaltungen nicht wahrgenommen hätten. Der Rundfunk vermittelt jedoch nicht nur Kultur, indem er beispielsweise über Kunst und Wissenschaft, aber auch volkstümliches Brauchtum berichtet, sondern er ist zugleich selbst im kulturellen Bereich tätig, indem er beispielsweise Aufträge zur Produktion von Sendebeiträgen vergibt, Rundfunkorchester unterhält und diverse Veranstaltungen wie z. B. Konzerte initiiert und fördert99. 95
Vgl. ebenso Grimm, in: Haungs u. a.: Civitas, S. 691 f. Vgl. auch Eberle, GRUR 1995, 790, 795; Pöttker, in: Jarren, Politische Kommunikation, S. 185 f.; Stock, in: Hoffmann-Riem/Vesting, Perspektiven der Informationsgesellschaft, S. 152; in diese Richtung tendierend auch Saxer, MP 1990, 717, 727 f. 97 Langenbucher, MP 1990, 699, 707; Meier, ZUM 1997, 249, 253 f.; Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 18; hierzu auch Rossen-Stadtfeld, M&K 2002, 481, 483. 98 Vgl. hierzu für die Medien insgesamt Fechner, Medienrecht, Rn. 30 ff. 96
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Bei der kulturellen Bedeutung des Rundfunks bleibt es auch vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Änderungen. Anstelle eines diesbezüglichen Bedeutungsverlustes erwächst dem Rundfunk vielmehr eine besondere zusätzliche Aufgabe und Bedeutung im Hinblick auf Europa und eine immer stärkere Durchdringung der einzelnen Nationalstaaten100. Im Zuge einer fortschreitenden Europäisierung, die sich mit ihren Harmonisierungsbestrebungen zunehmend nicht mehr nur auf den politisch-wirtschaftlichen Bereich beschränkt, kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die besondere Aufgabe eines Hüters der nationalen und damit auch kulturellen Identität zu. Zutreffend hält das Bundesverfassungsgericht den Rundfunk daher für ein „auch kulturelles Phänomen“101 und spricht von den „essentiellen Funktionen des Rundfunks für . . . das kulturelle Leben in der Bundesrepublik“102 sowie davon, dass „der klassische Auftrag des Rundfunks nicht nur seine Rolle für die politische Meinungs- und Willensbildung, . . . sondern auch seine kulturelle Verantwortung“103 umfasse. (d) Im Hinblick auf seine Wirtschaftskraft Abschließend sei kurz auf die Bedeutung des Rundfunks als Wirtschaftsfaktor hinzuweisen, die nicht zu unterschätzen ist. So waren Ende 2000 bei den deutschen Rundfunkunternehmen zusammen rund 44.500 feste Mitarbeiter beschäftigt104. Die Bruttowertschöpfung, d. h. der Beitrag der Rundfunkwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), lag 2000 bei 5,9 Milliarden DM und damit bei 0,15%105. Daraus ergibt sich zunächst zwar eine gesamtwirtschaftlich betrachtet relativ geringe Bedeutung als Wirtschaftszweig, gleichwohl ist in die Betrachtung miteinzubeziehen, dass der größte Teil der Nachfrage der Rundfunkwirtschaft mit rund 15,8 Milliarden DM im Inland wirksam wurde und damit dort mittelbar Einkommen und Arbeitsplätze sicherte106. Das gesamte Volumen der Rundfunkwirtschaft, das 1983 ca. 4 Milliarden DM betrug, hat sich auf heute geschätzte 20 Milliarden e verzehnfacht107. 99 Vgl. Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 51; zu den diversen kulturellen Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 15. 100 Zu den Befürchtungen einer Nivellierung besonders kultureller Unterschiede durch Europa vgl. Haltern, Der Staat 37 (1997), 591 ff. 101 BVerfGE 12, 205, 229. 102 BVerfGE 73, 118, 157 f. 103 BVerfGE 74, 297, 324. 104 Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage, S. 21. 105 Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage, S. 61. 106 Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage, S. 64.
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(e) Folgerung Insgesamt verdeutlichen die vorangegangenen Ausführungen im Zusammenhang mit der Bedeutung des Rundfunks besonders für die Demokratie, weshalb der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vielfach ein so hoher Stellenwert eingeräumt und dieser Freiheit eine objektive Dimension hinzugefügt wird, die die Möglichkeit zur gesetzgeberischen Ausgestaltung unter der eng auszulegenden Zielverpflichtung der Sicherung der Rundfunkfreiheit im Hinblick auf die Gewährleistung freier Meinungsbildung beinhaltet. (3) Vergleich mit der Presse(freiheit) Allerdings lässt sich gegen ein hieraus zu folgerndes Überwiegen der objektiv-rechtlichen Dimension anführen, dass das Grundgesetz die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk in einem Atemzug mit der als Individualgrundrecht anerkannten Pressefreiheit108 nennt. Dabei wird der vom Wortlaut vorgenommenen Differenzierung zwischen „Pressefreiheit“ und „Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk“ keine besondere Bedeutung zugemessen109. Außerdem führt das Bundesverfassungsgericht aus, trotz der engeren Fassung des Wortlauts („Berichterstattung“) unterscheide sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit und weist Rundfunk und Presse die gleichen Funktionen in der Demokratie und bei der Integration zu110. Auch die anderen Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG stehen in ähnlicher Form wie das Grundrecht der Rundfunkfreiheit im Dienst der Meinungsfreiheit111 und sind keine reinen Individualrechte und werden dennoch als klassisch-liberale Abwehrrechte anerkannt. Hieraus ließe sich eine rechtlich-dogmatische Gleichbehandlung beider Massenkommunikationsmittel folgern. (a) Technisch-finanzielle Sondersituation Zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung – auf der einen Seite eine freie Presselandschaft mit einem anerkannten Gründungsrecht, 107 Vgl. hierzu FAZ v. 02.03.2004, 41: „Die Reichweite – Medienpolitik in Europa, zwanzig Jahre nach dem ‚Urknall‘“. 108 Vgl. BVerfGE 20, 162, 175 f. 109 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 202, vermutet hinter der terminologischen Unterschiedlichkeit der Vorschriften lediglich sprachästhetische Erwägungen. 110 Vgl. BVerfGE 35, 202, 222; 12, 205, 260 f.; 20, 162, 174. 111 Vgl. BVerfGE 57, 295, 319; 73, 118, 152; 74, 297, 323; 95, 220, 238. 11 Lindschau
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auf der anderen Seite ein stark ausgestaltetes (zunächst rein öffentlich-rechtliches) Rundfunksystem mit einer Rundfunkgründungsfreiheit nur aufgrund entsprechender Gesetze – wurde in den Anfangsjahren des Rundfunks häufig die besondere Situation des Rundfunks herangezogen, die darauf basierte, dass nach dem Krieg nur wenig nutzbare Sendefrequenzen zur Verfügung standen und die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk einen erheblichen finanziellen Aufwand mit sich brachte112. Fraglich ist, ob dieses Argument der technisch-finanziellen Sondersituation, an dem im Zuge der Kabel- und Satellitenentwicklung bereits ab den siebziger Jahren Zweifel angemeldet wurden113 und zu dem sich in der jüngeren Judikatur des Bundesverfassungsgerichts keine Ausführungen mehr finden lassen114, noch im 21. Jahrhundert Bestand hat. Das Frequenzargument kann angesichts digitalisierungsbedingter verbesserter Frequenzauslastung nicht mehr in gleichem Maße herangezogen werden. Eine Knappheit wird allerdings bei der terrestrischen Übertragung auch weiterhin vorherrschen, wenngleich diese durch die Digitalisierung entschärft wird115. Hinsichtlich des Kostenarguments lässt sich zwar ausführen, dass die Kosten zur Etablierung eines neuen Hörfunksenders geringer anzusetzen sind als die eines neuen Printmediums mit vergleichbarer Verbreitung116, und dass auch im Fernsehbereich die Verbreitungskosten pro Programm aufgrund der verbesserten Auslastung der Satellitentransponder und Kabelkanäle sinken117. Dieser Entwicklung steht jedoch ein gleichzeitiger Anstieg der Kosten infolge hoher Anfangsinvestitionen beim Einstieg in den digitalen Rundfunk sowie eine Preisexplosion bei Übertragungsrechten und Spielfilmproduktionen gegenüber. Wenngleich also die technische Sondersituation weitgehend entfallen ist, bleibt es aufgrund der hohen Kostenintensität der Fernsehveranstaltung bei einem großen finan112
BVerfGE 12, 205, 261; 31, 314, 326; 57, 295, 322 f.; BVerwGE 39, 159, 164 ff. 113 BVerwGE 39, 159 ff.; latent auch OVG Münster DÖV 1978, 519, 522; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 114 ff. m. w. N.; v. Pestalozza, NJW 1981, 2158 f.; Scholz, JZ 1981, 561 f.; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 66 ff. m. w. N. 114 Zuletzt BVerfGE 73, 118, 123 f., 154; im Ansatz auch noch BVerfGE 83, 238, 298, 323: „immer noch beschränkte Reichweite“, „fortbestehende Knappheit der Übertragungswege“. 115 Grünwald, MMR 2001, 89, 90; so auch Hesse, Rundfunkrecht, S. 289. 116 Engel, in: Hoffmann-Riem/Vesting, Perspektiven der Informationsgesellschaft, S. 161; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 1109; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 49; Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 151. 117 Hesse, Rundfunkrecht, S. 285; Weisser, ZUM 1997, 877, 881. Auf die Kostenreduktion infolge der effektiveren Nutzungsmöglichkeit der Übertragungswege verweist auch Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 10.
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ziellen Risiko118, das eine größere Hemmschwelle als im Pressebereich darstellt. Dass dem Rundfunk und speziell dem Fernsehen eine gegenüber der Presse höhere Wirkungsintensität aufgrund seiner Kombination aus bewegten Bildern und Tönen und seiner größeren Reichweite eigen ist, so dass auch deshalb eine unterschiedliche Behandlung der beiden Massenkommunikationsmittel gerechtfertigt erscheint, lässt sich aufgrund der Unsicherheiten im empirischen Bereich nicht eindeutig feststellen119. (b) Veränderungen der Presselandschaft Letztendlich ist der Gesetzgeber nicht gezwungen, beide Massenkommunikationsmittel gleich zu behandeln; es obliegt seiner Einschätzung, ob er es bei der Presse für nicht erforderlich hält, gesetzliche Regelungen in dem Maße, wie er es beim Rundfunk unternommen hat, aufzustellen. Im Vordergrund hat dabei stets die Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu stehen. Aus dem Abschwächen der Sondersituation des Rundfunks zumindest im technischen Bereich ließe sich zudem nicht nur folgern, den Rundfunk rechtlich ähnlich liberal wie auch die Presse zu behandeln120. Vielmehr ließe sich prinzipiell auch die umgekehrte Konsequenz, d. h. verstärkte gesetzliche Regelungen auch auf dem Gebiet der Presse, ziehen, bezieht man folgende Entwicklungen mit in die Überlegungen ein: Das Presserecht ist aus der Auseinandersetzung zwischen Obrigkeitsstaat und bürgerlich-liberaler Freiheitsbewegung im 19. Jahrhundert entstanden. Aufgrund dessen wurde es von Beginn an primär als klassisch-liberales Freiheitsrecht des Einzelnen angesehen und auf die Kräfte des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs in einem außenpluralistischen System vertraut. In den letzten Jahrzehnten zeigen sich jedoch auch im Pressebereich trotz einer beeindruckenden Vielzahl publizistischer Einheiten im Zeitungsbereich Konzentrationstendenzen, die Bedenken hervorrufen. So lag die Zahl der Verlagsbetriebe, die Zeitungen herausgeben, 1954 noch bei 624, sank bis 1976 um mehr als ein Drittel auf 403 und lag 2001 bei 355121. Auch die Zahl der Landkreise 118
Vgl. hierzu die Ausführungen bei Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 44 ff. 119 Siehe bereits unter A. II. 1. a) cc) (1) (d). 120 In diese Richtung aber Grundmann, Rundfunkanstalten im Wettbewerb, S. 162 f.; Meier, ZUM 1997, 249, 253; Scholz, AfP 1995, 357, 359; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 47; Weisser, ZUM 1997, 877, 881; angedeutet bereits bei Bullinger, AfP 1985, 1 ff., 14; vgl. auch Weber, in: Schnur, FS Forsthoff, S. 486. 121 Groß, DVBl 1982, 651, 654; Schütz, MP 2001, 602, 625. 11*
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
und kreisfreien Städte, in denen nur eine Zeitung über die lokalen Ereignisse berichtet, so genannte Ein-Zeitungs-Kreise, nahm von 156 (45,4%) im Jahr 1976 auf 246 im Jahr 2001 zu, so dass mittlerweile 55,9% aller Kreise und kreisfreien Städten für die Unterrichtung über das lokale Geschehen auf eine Zeitung angewiesen sind, ohne eine Alternative zur Verfügung stehen zu haben122. In diesem elementaren, den einzelnen Leser konkret betreffenden Bereich erweist sich die Vielfalt für den einzelnen Leser mangels vergleichbarer Möglichkeiten als nicht sonderlich groß. Auch haben Untersuchungen zufolge Zeitungsneugründungen im Wettbewerb gegen etablierte Titel so gut wie keine Chance123. Der freie Wettbewerb in einem außenpluralistischen System scheint folglich nicht auf allen Gebieten die im Zusammenhang mit der Meinungsbildung wünschenswerte Vielfalt hervorzubringen. Von daher ließe es sich ebenso vertreten, im Bereich der Presse, die ebenfalls prinzipiell ausgestaltungsfähig ist124 und nicht notwendig privatwirtschaftlich organisiert sein muss125, verstärkt sichernde gesetzliche Maßnahmen wie im Rundfunk zu etablieren126. Der von Vertretern einer primär subjektiv-rechtlich zu verstehenden Rundfunkfreiheit herangezogene Vergleich mit der Presse kann somit nicht überzeugen. Denn mit Blick auf vorstehende Erörterungen ließe sich durchaus auch eine mehr objektiv-rechtlich dimensioniertere Pressefreiheit andenken. 122
Schütz, MP 2001, 602, 624. Überregionale Tageszeitungen wie beispielsweise „Die Welt“ oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ stellen keine Alternative dar (vgl. Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 1105). 123 Schütz, MP 1994, 168, 171. 124 Schulz, ZUM 1996, 487, 491; Hoeren, Beilage MMR 8/2003, 1, 12; vgl. auch BVerfGE 20, 162, 175 f., wonach sich auch an eine Pflicht des Staates denken ließe, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten; nach BVerfGE 57, 295, 323, genügt es wegen des bestehenden Gleichgewichts auf dem Pressesektor „grundsätzlich“, Bestehendes zu gewährleisten. 125 Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 244 f. m. w. N. 126 Zu derartigen Überlegungen Stock, Zur Theorie des Koordinationsrundfunks, S. 93 ff. Fechner, Medienrecht, Rn. 647, hält es beispielsweise unter dem Stichwort der Einrichtungsgarantie der Pressefreiheit durchaus für möglich, im Falle der Gefährdung der Meinungsvielfalt im Pressewesen ein dem Rundfunkssystem vergleichbares duales Pressesystem einzuführen; vgl. auch Scheble, Perspektiven der Grundversorgung, S. 149. Öffentlich-rechtliche Tageszeitungen für vorstellbar hielt Ende der siebziger Jahre auch der damalige 1. Bürgermeister Hamburgs, Hans-Ulrich Klose, zit. nach M. W. Thomas, Ein anderer Rundfunk, S. 91; hierzu auch Stock, Zur Theorie des Koordinationsrundfunks, S. 94. Eine öffentlich-rechtliche Zeitung wird hingegen heute kaum mehr gefordert. Kritisch zur Leistungsfähigkeit eines freien Pressesystems angesichts der fortschreitenden Pressekonzentration bereits Faller, DB 1983, 1029, 1031.
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(4) Historischer Hintergrund Dass der Rundfunk in seinen Anfängen in Form von Aktiengesellschaften organisiert war127, lässt sich nicht für eine primär individuelle Sicht der Rundfunkfreiheit und ein Grundrecht auf Veranstaltungsfreiheit anführen. Die Gründe für die privatwirtschaftliche Organisation waren überwiegend praktischer Natur, da die zuständige Reichspost nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, die kostspielige und risikoreiche Rundfunkentwicklung im großen Stil in eigener Regie zu übernehmen. Der Staat bediente sich privater Geldgeber, die in der Aussicht auf große Gewinne Gesellschaften in den vom Staat zugeteilten Sendebereichen gründeten und innerhalb kürzester Zeit weiteren staatlichen Bedingungen unterworfen werden sollten. Abgesehen davon lässt sich auch der anfangs geschilderte historische Hintergrund in der Nachkriegszeit, aufgrund dessen es dem Staat zukünftig verwehrt sein sollte, die Meinungs- und Willensbildung des Staates zu beeinflussen, für keine der beiden Auffassungen eindeutig fruchtbar machen, ließe sich für ein subjektiv-rechtliches Verständnis der Rundfunkfreiheit anführen, dass dem Einzelnen jetzt in dem sensiblen Bereich des Art. 5 Abs. 1 GG mehr Rechte gegeben werden sollten, und für eine objektiv-rechtliche Prägung argumentieren, dass aufgrund organisatorisch-institutioneller Maßnahmen dem Rundfunk Raum gegeben werden sollte, sich seiner Bedeutung für die Meinungsfreiheit gemäß entsprechend zu entfalten. (5) Grundrechtstheoretische Überlegungen in Verbindung mit der Bedeutung des Rundfunks Von Gegnern einer primär objektiv-rechtlich verstandenen Rundfunkfreiheit wird zur Begründung ihrer subjektiv-rechtlichen Position vielfach die Aussage des Bundesverfassungsgerichts herangezogen128, Grundrechte seien „in erster Linie individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben. Die Funktion der Grundrechte als objektive Prinzipien besteht in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft . . ., hat jedoch ihre Wurzel in dieser primären Bedeutung [scil. als individuelles Recht]“129. Dem Einspannen dieses Zitats gegen eine primär objektiv-rechtliche Grundrechtsdimension der Rundfunkfreiheit kann jedoch nicht gefolgt wer127
Siehe 1. Teil B. I. 2. Vgl. z. B. Kull, AfP 1981, 378, 380 f., 385; in diese Richtung auch Degenhart, DÖV 1981, 960 ff. 129 BVerfGE 50, 290, 337. 128
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den. Mit Hoffmann-Riem130 ist die vorstehende Aussage des Bundesverfassungsgerichts nicht als Verhältnisbestimmung der objektiv-rechtlichen und subjektiv-rechtlichen Komponente von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen. Vielmehr zeigt sich anhand dieser Entscheidungspassage, dass es sich bei der objektiv-rechtlichen Dimension eines Grundrechtes nicht um eine losgelöste abstrakte Grundrechtsschicht handelt, die beziehungslos, gleichsam aus einem anderem Blickwinkel neben der subjektiv-rechtlichen, individuumsbezogenen Rechtsposition besteht, sondern dass objektiv-rechtliche Elemente ummantelnd zu verstehen sind, die existieren, um den subjektiven Grundrechtselementen den Schutz zu verleihen, den sie benötigen, um sich frei entfalten zu können. Aus dem Schutz der individuellen Rechte durch die Grundrechte heraus entsteht die objektive Dimension eines Grundrechtes, die aus der übergreifenden, die Allgemeininteressen als Summe vieler einzelner Interessen berücksichtigenden Perspektive dazu dient, das Recht des jeweils Einzelnen zu schützen, wobei im Kollisionsfall das Recht eines Individuums hinter den gleichen Rechten vieler Einzelner zurückzutreten hat. dd) Folgerung Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Verbindung der Rundfunkfreiheit zur Meinungsfreiheit des gesamten Volkes und ihrer Bedeutung für die Demokratie würde eine Einordnung dieses Grundrechts als Recht, das primär dem Einzelnen zum alleinigen, unabhängigen Gebrauch zusteht, dem öffentlichen Bezug und der Bedeutung dieses Grundrechts für die Allgemeinheit nicht ausreichend gerecht werden, sichert doch die dienende Funktion der Rundfunkfreiheit die Informationsfreiheit der Bürger131. Angesichts der besonderen Aufgabe und Wirkungsweise des Rundfunks ist daher ein primär objektiv-rechtliches Verständnis dieses Grundrechts zu befürworten. Mit der Konzeption der Rundfunkfreiheit als dienendes Grundrecht kommt die konstituierende Bedeutung des Rundfunks für einen freien Meinungsbildungsprozess und damit für die hierauf aufbauende Demokratie zum Ausdruck, sie führt jedoch nicht zu einer totalen Objektivierung der Rundfunkfreiheit, bei der subjektive Elemente völlig untergehen132. Stattdessen können sich zugelassene Privatfunkveranstalter unstreitig auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen133. Auch haben private Rundfunkveranstalter ein subjektives Zugangsrecht nach Maßgabe der Ausgestaltungsgesetze, was nicht bedeutet, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG deshalb als disponibles Recht in 130
AöR 109 (1984), 304, 306. Dörr, ZUM 1993, 10, 11. 132 So auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 25; ähnlich Hoeren, Beilage MMR 8/2003, 1, 11. 133 BVerfGE 73, 118, 182 f.; 95, 220, 234; 97, 298, 310. 131
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der Hand des Gesetzgebers an Wert verlöre, da sich die gesetzlichen Regelungen stets am Ziel der Rundfunkfreiheit im Interesse der Meinungsfreiheit zu orientieren haben. Mit dem teilweisen Abschwächen der Sondersituation geht zwar eine Stärkung der individualrechtlichen Sichtweise einher, sie führt jedoch nicht zu ihrem Überwiegen. Es bleibt bei einer Veranstalterfreiheit nach Maßgabe entsprechender gesetzlicher Regelungen. Die diesbezügliche gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit, die immer dem Ziel der Rundfunkfreiheit im Interesse einer freien Meinungsbildung verpflichtet ist, verengt sich jedoch infolge der erweiterten Übertragungsmöglichkeiten, so dass dann, wenn der Sicherung der Meinungsbildungsfreiheit durch den Rundfunk auch mit Hilfe bestimmter Zulassungsbeschränkungen und Auflagen Rechnung getragen werden kann, dem Einzelnen ein Recht auf Zulassung durch eine gesetzliche Regelung zustehen kann, nicht jedoch originär aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ohne Rücksicht auf die objektiv-rechtliche Dimension. Die Freiheit des Einzelnen hat mithin hinter der objektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit, die die Rechte aller im Sinn hat, zurückzutreten. Zutreffend wird daher darauf hingewiesen, dass in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die Freiheit „der“ Berichterstattung und nicht die Freiheit „zur“ Berichterstattung gewährleistet wird134. ee) Die Rundfunkfreiheit im europäischen Kontext Mit seinem objektiv-rechtlichen Grundverständnis stellt das Bundesverfassungsgericht im europäischen Raum keine Ausnahme dar. Auch die Verfassungsgerichte anderer EG-Staaten wie in Frankreich, Großbritannien, Italien oder Spanien interpretieren die Rundfunkfreiheit überwiegend objektiv-rechtlich und sind übereinstimmend der Auffassung, der Gesetzgeber sei nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, ausgestaltende Maßnahmen zur Gewährleistung der Vielfalt im Rundfunk zu ergreifen135. Nach ganz herrschender Meinung verbürgt Art. 10 Abs. 1 EMRK, auch wenn eine ausdrückliche diesbezügliche Formulierung fehlt, implizit ein Grundrecht der Rundfunkfreiheit, wird doch in Abs. 1 S. 3 Bezug auf den Rundfunk genommen136. Dieses Grundrecht der Rundfunkfreiheit ist in 134
Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 78. Vgl. Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 106 f., 110, 111 f., 116 f.; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 205 ff., 217 ff., 240 ff., 247 f.; zur Handhabung des Verhältnisses von individualrechtlichem und objektiv-rechtlichem Verständnis des französischen Conseil Constitutionnel und der italienischen Corte Costituzionale vgl. die Ausführungen bei Schellenberg, AöR 119 (1998), 446 f. 136 Dörr, VerwArch 2001, 149, 157 f.; Herrmann, Rundfunkrecht, § 8 Rn. 9; hierzu auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 501. 135
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diversen Entscheidungen des EGMR137 als Individualrecht und damit als Rundfunkveranstaltungsrecht angelegt138 und steht damit der stärker objektiv-rechtlich geprägten bundesverfassungsgerichtlichen Auslegung der vergleichbaren Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entgegen. Während das Bundesverfassungsgericht dem Landesgesetzgeber die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Rundfunkmodellen zugestanden hat, hält der EGMR ein öffentlich-rechtliches Monopol mit Art. 10 EMRK für nicht vereinbar139. Fraglich ist, welche Auswirkungen dies hat. Der EMRK kommt als ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag140 im innerstaatlichen Recht der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu141. Über Art. 6 Abs. 2 EU stellt Art. 10 EMRK allerdings auch ein Gemeinschaftsgrundrecht der Europäischen Union dar142. Zwar gilt der Grundsatz der völkerrechts-143 wie auch gemeinschaftsrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes, zur Auslegung des Grundgesetzes darf die EMRK allerdings nur dann herangezogen werden, wenn dies nicht dazu führt, den Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz einzuschränken oder zu mindern144. Die Heranziehung von Art. 10 EMRK bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hätte zwar positive Auswirkungen für den Rundfunkveranstaltung beabsichtigenden Einzelnen. Eine derartige, Individualrechte in den Vordergrund stellende Sichtweise würde jedoch letztlich der in einem primär objektiv-rechtlichen Verständnis der Rundfunkfreiheit zum Ausdruck kommenden Bedeutung des Meinungsbildungsprozesses für die freiheitlichdemokratische Grundordnung nicht ausreichend Rechnung tragen145. Dem Zugewinn Einzelner stünde eine Minderung für alle Bürger gegenüber; insgesamt ließe sich dann lediglich ein geringeres Schutzniveau im Hinblick auf eine meinungsmäßige und gegenständliche Vielfalt im Rundfunk ge137 EuGRZ 1990, 255, 256 ff. (Groppera); EuGRZ 1990, 261, 262 ff. (Autronic); EuGRZ 1994, 549 ff. (Lentia). Zur Entwicklung der EGMR-Rechtsprechung genauer Dörr u. a., Einflüsse europarechtlicher Entwicklungen, S. 33 ff. 138 Vgl. auch Dörr, ZUM 1995, 14, 17; ders., VerwArch 2001, 149, 157; Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 155; a. A. Rudolf, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 175. 139 EuGRZ 1994, 549 ff. (Lentia). 140 BGBl 1952, Teil II, S. 685, berichtigt S. 953 i. V. m. BGBl 1954, Teil II, S. 14. 141 Vgl. BVerfGE 34, 384, 395; 41, 88, 105 f.; Dörr u. a., Einflüsse europarechtlicher Entwicklungen, S. 152. 142 Vgl. auch EuGH, Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening), Slg. 1991, 4007, 4043, zur durch Art. 10 EMRK garantierten Meinungsfreiheit. 143 Vgl. BVerfGE 6, 309, 362 f. 144 BVerfGE 74, 358, 370; 82, 106, 115; vgl. auch Art. 53 EMRK. 145 Siehe hierzu bereits die vorstehenden Überlegungen unter a) cc) wie auch im Anschluss unter b).
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währleisten. Mithin wird das Bundesverfassungsgericht bei seiner Sichtweise der Rundfunkfreiheit bleiben können146. Vergleichbares gilt auch im Hinblick auf Gemeinschaftsrecht, da auch dort angesichts dessen bislang kein vergleichbarer Grundrechtsschutz existiert147. b) Differenzierung zwischen Ausgestaltung und Eingriff Für diejenigen, die sich aufgrund der darin zum Ausdruck kommenden besonderen Bedeutung des Rundfunks für ein primär objektiv-rechtliches Verständnis der Rundfunkfreiheit aussprechen, enthält das Grundrecht der Rundfunkfreiheit wegen seiner vorwiegend objektiv-rechtlichen Dimension einen weiten Ausgestaltungsvorbehalt. D. h. sie sehen aufgrund der Aufgabe und Eigenart der Gewährleistung mit dem Bundesverfassungsgericht in der Rundfunkfreiheit ein Grundrecht, das zu seiner Wirksamwerdung der Ausgestaltung bedarf148. Die daraufhin geforderte „positive Ordnung“149 ist nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie150 vom Gesetzgeber auszugestalten, „weil sie [scil. die im Rahmen der organisatorischen Ausgestaltung des Rundfunks zu treffenden Entscheidungen], abgesehen von der sachlichen Bedeutung des Rundfunks für das individuelle und öffentliche Leben der Gegenwart, im grundrechtsrelevanten Bereich ergehen und wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind“151. Das zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit Wesentliche muss daher das Parlament selbst bestimmen. Beim gesetzgeberischen Tätigwerden im Bereich der Rundfunkfreiheit wird vom Gericht und der ihm folgenden Literatur152 zwischen Ausgestal146
Dörr, ZUM 1995, 14, 17 f.; ders. u. a., Einflüsse europarechtlicher Entwicklungen, S. 155 f.; vgl. hierzu auch Astheimer/Moosmayer, ZUM 1994, 395, 403 f.; Eberle, AfP 1993, 422, 427; a. A. Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158, 193 ff.: Rundfunkrechtsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts ist europarechtlich nicht zu halten; vgl. auch Bethge, in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 102b, demzufolge die Freiheit des deutschen Gesetzgebers zur Disponierung über das Privatfunksystem gemeinschaftsrechtlich aufgehoben ist. Diese Haltung entspricht auch der von diesen Autoren vertretenen subjektiv-rechtlichen Sichtweise von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. 147 Weitergehend zum Rundfunk in der Europäischen Union unter B. V. 148 BVerfGE 57, 295, 319; 97, 228, 266; zustimmend Bethge, DVBl 1983, 367, 375; Hoffmann-Riem, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 32: Ausgestaltungsgesetze als „Freiheitssicherungsgesetze“; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 158; Rossen, Freie Meinungsbildung, S. 308. 149 BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 324; 83, 238, 296; 87, 181, 198; 90, 60, 88; 95, 220, 236. 150 Vgl. BVerfGE 47, 46, 78 f.; 49, 89, 126 f.; kritisch zu dieser Theorie Haltern/ Mayer/Möllers, Die Verwaltung 30 (1997), 51 ff., 63 ff. 151 BVerfGE 57, 295, 321.
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tungen und Eingriffen differenziert. Während Schrankengesetze einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit zugunsten einer anderen, verfassungsrechtlich ebenfalls geschützten Rechtsposition rechtfertigen153, beziehen sich Ausgestaltungsgesetze, die sich im Übrigen auch bei anderen Grundrechten wie z. B. Art. 14 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 9 Abs. 3 GG finden lassen154, allein auf das zugrunde liegende Grundrecht der Rundfunkfreiheit und schaffen erst Voraussetzungen für Entfaltungen auf diesem Gebiet, dienen folglich der Grundrechtsverwirklichung155. Ausgestaltungen, die dem Freiheitsrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG erst Gestalt geben und in ihm selbst angelegt sind, sind verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie der besseren oder zumindest gleichwertigen Sicherung der Rundfunkfreiheit im Interesse einer freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienen156. Sie bedürfen mangels Eingriffscharakters keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung157. Eingriffe sind demgegenüber am Maßstab der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend oder dem Recht der persönlichen Ehre zu messen und unterliegen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers kraft seines Entscheidungsspielraums führt laut Bundesverfassungsgericht jedoch nicht so weit, dass auch Beschränkungen der Rundfunkfreiheit möglich sind158. Bedenkt man, dass auch Ausgestaltungen für einzelne Rundfunkveranstalter belastend wirken können159, kann diese Aussage des Gerichts nur so verstanden werden, dass eine Ausgestaltung lediglich dann möglich ist und nicht als Eingriff, der an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen ist, angesehen wird, wenn sie trotz im 152 Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 22 ff., 60 ff.; Bethge, in: Fuhr/ Wasserburg/Rudolf, Recht der Neuen Medien, S. 288 f.; ders., DVBl 1983, 367, 374 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, S. 18 Fn. 22; ders., in: Benda/Maihofer/ Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 34; Rossen, Freie Meinungsbildung, S. 285 ff.; Ruck, AöR 117 (1992), 543 ff.; Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 138 ff.; kritisch hingegen Bremer/Esser/Hoffmann, Rundfunk in der Verfassungsund Wirtschaftsordnung, S. 43 ff.; Scholz, JZ 1981, 561 ff. 153 Vgl. BVerfGE 7, 198, 209; 28, 282, 292; 50, 234, 241. 154 Vgl. näher Jarras, AöR 110 (1985), 363, 390 ff. 155 Vgl. Bornemann/Hepach, K&R 2004, 317, 318; Hoffmann-Riem, AöR 109 (1984), 304, 315; Erosionen des Rundfunkrechts, S. 14; Jarras, AöR 110 (1985), 363, 393; Ruck, AöR 117 (1992), 543, 552. 156 Vgl. BVerfGE 57, 295, 319 f.; 74, 297, 334. In diesem Sinne auch HoffmannRiem, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 32. 157 BVerfGE 73, 118, 166. 158 BVerfGE 57, 295, 321. 159 Hoffmann-Riem, AöR 112 (1987), 215, 246; Jarass, Gutachten für den 56. DJT, Rn. 33; nach Hoeren, Beilage MMR 8/2003, 1, 11, ist der Ausgestaltung regelmäßig eine Belastung immanent, bestimmt sie doch das subjektive Recht und beschneidet damit das rahmenlos eingeräumte Freiheitsrecht.
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Einzelfall belastender Auswirkungen das Grundrecht der Rundfunkfreiheit insgesamt nicht beschränkt, sondern in einer Gesamtsicht zu seinem Schutz beiträgt160. Bewegt sich eine gesetzliche Maßnahme jenseits des zur Sicherung der Rundfunkfreiheit Erforderlichen, so stellt sich die Regelung trotz der weitgehenden Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers161 nicht mehr als zulässige Ausgestaltung dar und ist verfassungswidrig162. Dabei bleibt es bei ihrem Charakter der Ausgestaltung, sie schlägt nicht rechtsdogmatisch in einen Eingriff um163. Diese Konzeption ist aufgrund der vorangegangenen Ausführungen zu befürworten, wird doch durch gesetzgeberische Ausgestaltungsregelungen geschützter Freiraum geschaffen, in dem sich subjektive Rechte der Einzelnen optimal entfalten können und somit durch Offenhalten des Meinungsbildungsprozesses für die Allgemeinheit die Funktionsfähigkeit der Demokratie gesichert. aa) Der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienend und abgeschwächtes Übermaßverbot Grundsätzlich ist daher jede gesetzliche Ausgestaltungsmaßnahme lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie der Sicherung der Rundfunkfreiheit im Hinblick auf die Meinungsbildungsfreiheit dient, wobei dem Einschätzungsund Gestaltungsspielraum des Gesetzgeber Rechnung zu tragen ist. Die Orientierung an der Rundfunkfreiheit ist Grund und zugleich Grenze der Ausgestaltung. Aufgrund der allgemeinen rechtsstaatlichen Fundierung wird vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit Hilfe des Ausgestaltungsvorbehalts sonst einschneidendere Beschränkungen vornehmen könne, als wenn sich seine Maßnahmen als Eingriffe an Art. 5 Abs. 2 GG samt Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen müssten164, trotz der Einordnung einer Maßnahme als Ausgestaltung partiell das Übermaßverbot herangezogen165. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass bei anderen 160 161
Vgl. Jarras, AöR 110 (1985), 363, 391 f. BVerfGE 83, 238, 326; 87, 181, 198; 97, 228, 267; BVerfG AfP 1999, 61,
62 f. 162
Ruck, AöR 117 (1992), 543, 549. Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 34; Ruck, AöR 117 (1992), 543, 550; a. A. Rossen, Freie Meinungsbildung, S. 291, 309. 164 Vgl. Bremer/Esser/Hoffmann, Rundfunk in der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung, S. 44 f.; ähnlich auch Ruck, AöR 117 (1992), 543, 550. 165 Jarass, Gutachten für den 56. DJT, Rn. 36; in diese Richtung auch Bremer/ Esser/Hoffmann, Rundfunk in der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung, S. 45; vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 115 Rn. 13; Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 235, allerdings unter Hinweis auf die feh163
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unter Ausgestaltungsvorbehalt stehenden Grundrechten zur Beurteilung ihrer Verfassungsmäßigkeit ebenfalls teilweise auf das Übermaßverbot zurückgegriffen wird166. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einer seiner neueren Entscheidungen eine Modifikation seiner bisherigen diesbezüglichen Aussagen vorgenommen, indem es ausführt, „Gesetze, die die Rundfunkfreiheit ausgestalten, sind dann verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie geeignet sind, das Ziel der Rundfunkfreiheit zu fördern, und die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Interessen ‚angemessen‘ [Hervorhebung v. Verf.] berücksichtigen.“167 Insofern wird auch der subjektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit Rechnung getragen. Die Vornahme einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in abgeschwächter Form, die das Ausmaß der für die einzelnen Grundrechtsträger belastenden Folgen und objektiv-rechtlich geschützte Werte in Beziehung zu den Verbesserungen der Sicherung der Rundfunkfreiheit für die Allgemeinheit setzt, liegt zur wirksamen Kontrolle des Gesetzgebers im Sinn der Staatsferne des Rundfunks und des hohen Verfassungsgutes der Rundfunkfreiheit. In die Bewertung der Rechtmäßigkeit einer Ausgestaltung miteinzufließen hat dabei zum einen, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die bereits herausgearbeitete Entscheidung zugunsten des Allgemeinwohls gegenüber den Interessen des Einzelnen beinhaltet. Zum anderen ist dabei zu berücksichtigen, dass derartige gesetzgeberische Maßnahmen einen Grundrechtsbereich für einen bestimmten, in ihrer Entwicklung noch nicht abzuschätzenden Zeitraum zu gestalten haben, so dass dem Gesetzgeber zum Zeitpunkt ihres Erlasses ein Prognoserisiko zukommt, das sich in einem erweiterten Gestaltungsspielraum niederschlägt. Die Bindungen, denen der Gesetzgeber unterliegt, sind in Abhängigkeit von der Einordnung einer Regelung als Ausgestaltung oder Eingriff unterschiedlich; im Rahmen der Ausgestaltung verfügt der Gesetzgeber über einen erheblich größeren Handlungsspielraum als bei der Schrankenziehung; die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer ausgestaltenden Regelung im Hinblick auf ihre Geeignetheit zur Sicherung der Meinungsbildungsfreiheit genügt168. lende Ausgegorenheit eines derartigen Vorgehens; Hoffmann-Riem, AöR 109 (1984), 304, 316 f.; ders., AöR 112 (1987), 215, 246 f.; anders jedoch in: Benda/Maihofer/ Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 34 Fn. 115; Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 77 Fn. 71. 166 Vgl. BVerfGE 79, 29, 40 f., in der Ausgestaltungsmaßnahmen im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft wurden. Jarass, Gutachten für den 56. DJT, G 27, zieht einen Vergleich zur verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Asylrechts, bei der das Bundesverfassungsgericht forderte, Verfahren, die mit gleichsam konstitutiver Wirkung die Geltendmachung einer grundgesetzlichen Gewährleistung regeln, müssten „sachgerecht, geeignet und zumutbar“ sein (BVerfGE 60, 253, 295). 167 BVerfGE 97, 228, 267.
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Nach Ricker und Schiwy soll der Gesetzgeber bei Ausgestaltungsgesetzen den gleichen Bindungen wie bei Schrankengesetzen unterliegen169. Der in diesem Zusammenhang getätigte Verweis auf das Bundesverfassungsgericht170, auch ausgestaltende Vorschriften müssten geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein, geht allerdings fehl. Das Gericht spricht in der angeführten Passage lediglich davon, die Ausgestaltung müsse zu ihrer Zulässigkeit der besseren oder zumindest gleichwertigen Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen, und prüft im Folgenden, nachdem es das Verbot der Rundfunkanstalten, lokalen und regionalen Rundfunk zu veranstalten, als keine, weil allein dem Schutz privater Anbieter vor Konkurrenz dienende, zulässige Ausgestaltung eingeordnet hat, diese Regelung anhand der Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG171. Erst dort tauchen die Begriffe „geeignet“, „erforderlich“ und „angemessen“ auf. bb) Strengerer Prüfungsmaßstab der ablehnenden Ansicht Die Vertreter einer vornehmlich individualrechtlich ausgeprägten Rundfunkfreiheit stehen einer weitgehenden Ausgestaltungsbefugnis kritisch gegenüber172 und befürworten strengere Maßstäbe, um einer unkontrollierten Beschränkung von Freiheitsrechten entgegenzuwirken. Angesichts der fast unbegrenzten Menge an Übertragungsmöglichkeiten habe jeder potentielle Rundfunkbetreiber einen Anspruch auf Zulassung und Zuteilung einer entsprechenden Übertragungskapazität, so dass ab diesem Moment allein das außenpluralistische Modell mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar sei und dem Gesetzgeber nunmehr kein weitreichender gestalterischer Spielraum zukomme173. Aus der Warte des Individuums sehen sie auch in ausgestaltenden Organisationsgesetzen Auswirkungen auf die subjektiv-rechtliche Position pri168 Vgl. auch Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 234 f. sowie BVerfGE 57, 295, 323 f. 169 Rundfunkverfassungsrecht, S. 136. Vgl. auch Ricker, NJW 1997, 3199, 3203. 170 BVerfGE 74, 297, 334. Ähnlich verfährt auch Kull, AfP 1991, 716, 723. 171 BVerfGE 74, 297, 336 f. 172 Klein, Rundfunkfreiheit, S. 74 f.; ders., Der Staat 20 (1981), 177, 186 ff.; Kull, AfP 1987, 365, 366; ders., AfP 1981, 378 ff.; v. Pestalozza, NJW 1981, 2158, 2162 f.; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 58 ff.; Scholz, JuS 1974, 299, 306; ders., JZ 1981, 561, 566; Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 73 f. Zweifelnd am Festhalten der Unterscheidung von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen mit Blick auf ein sich weiter vernetzendes Medienrecht Eifert/Hoffmann-Riem, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 1, S. 115. 173 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 235 f.; ähnlich bereits zuvor v. Pestalozza, NJW 1981, 2158, 2164; anders BVerfGE 57, 295, 322 f.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
vater Rundfunkveranstalter und damit einen Eingriff, der über Art. 5 Abs. 2 GG zu rechtfertigen sei174. Organisationsgesetze, die beispielsweise privaten Rundfunkveranstaltern zum Schutz der Meinungsvielfalt bestimmte Auflagen machen oder weiterhin die Rundfunkanstalten als Konkurrenz der privaten Veranstalter vorsehen, werden folglich als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG angesehen175, die anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen sind. Dabei sind diese Vertreter zu einer Modifikation ihrer Interpretation der allgemeinen Gesetze gezwungen176, um nicht für notwendig erachtete gesetzliche Regelungen im Rundfunkbereich, die sich speziell mit der Rundfunkfreiheit befassen und beispielsweise bestimmte Meinungen oder Informationen gebieten, an diesem Merkmal scheitern lassen zu müssen177. Im Übrigen sind es dieselben Autoren, die den Gesetzgeber zu Zeiten des öffentlich-rechtlichen Oligopols für verpflichtet hielten, privaten Rundfunk einzuführen178. Eine Auffassung, die von denjenigen, die dem Gesetzgeber einen weiten Ausgestaltungsspielraum zugestehen, abgelehnt wurde179. Mit dem – in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugebilligten – gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung ließe sich eine entsprechende verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers zur Einführung privaten Rundfunks auch nur 174 Scholz, JuS 1974, 299, 306; ders., JZ 1981, 561, 566; ihm folgend Klein, Rundfunkfreiheit, S. 62, 74; vgl. auch Starck, in: Burmeister, FS Stern, S. 795. 175 Vgl. auch Klein, Rundfunkfreiheit, S. 75. 176 Klein, Rundfunkfreiheit, S. 74 f.; hierzu auch Hoeren, Beilage MMR 8/2003, 1, 11. 177 Zutreffend Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 81; Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 136 f. m. w. N.; Ruck, AöR 117 (1992), 543, 556 ff. 178 Kull, AfP 1977, 251 ff.; ders., AfP 1981, 378, 381; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 79; dazu tendierend auch Oppermann, JZ 1981, 721, 727; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 158 f.; Weber, in: Schnur, FS Forsthoff, S. 467 f. 179 BVerwGE 39, 159, 167 f.; OVG Hamburg DÖV 1968, 178, 179; BayVerfGH AfP 1987, 394, 396; Badura, JA 1987, 180, 182; Bethge, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 127; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 181; Lerche, in Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 36 f.; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 99 ff. Das Bundesverfassungsgericht hatte ausdrücklich betont, über eine derartige Pflicht nicht entscheiden zu wollen (BVerfGE 57, 295, 318). Gleichwohl wurde von einigen Literaturstimmen aus anderen Passagen des Urteils geschlossen, das Gericht stelle sich gegen eine derartige Pflicht, da es dem Gesetzgeber die Wahl der Rundfunkorganisation zuspreche (BVerfGE 57, 295, 321, 325) und auch formulierte „Sofern sich der Gesetzgeber für eine Rundfunkorganisation entscheidet, die privaten Rundfunk umfaßt“(BVerfGE 57, 295, 326), was trotz der ausdrücklichen Aussage des Senats, hierüber nicht entscheiden zu wollen, gegen eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers zur Einführung privaten Rundfunks spreche, Schmidt, DVBl 1981, 920, 922; ders., Rundfunkvielfalt, S. 12 f.; a. A. Kull, AfP 1981, 378, 381.
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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schwerlich in Einklang bringen, wäre ihm damit doch eine wesentliche Konstante der Rundfunkordnung bereits vorgegeben. Insofern erfolgte die Zulassung privaten Rundfunks nicht aufgrund eines Gebotes des Grundgesetzes, sondern aufgrund der Entscheidung des jeweiligen Landesgesetzgebers180. c) Schlussfolgerung Insgesamt ist dem Gesetzgeber mit dem Bundesverfassungsgericht und der ihm folgenden Literatur eine weitgehende Gestaltungsfreiheit im Bereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zuzugestehen. Maßnahmen, die der Sicherung der Rundfunkfreiheit im Interesse einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienen, sind als Ausgestaltungen, die lediglich einer abgeschwächten Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegen, einzuordnen, so dass eine umfassendere gesetzgeberische Gestaltungskompetenz als bei der alleinigen dogmatischen Einordnung gesetzlicher Maßnahmen in eine Eingriff-Schranken-Konstruktion anzuerkennen ist. 2. Konkrete Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums Trotz dieser umfassend verstandenen Gestaltungsfreiheit ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der positiven Rundfunkordnung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gebunden und hat einige Aspekte zwingend zu regeln. Im Folgen wird dargelegt, welche der Rundfunkfreiheit immanenten, aus der objektiv-rechtlichen Dimension ableitbaren Prinzipien ihm bei der Gestaltung der Rundfunkordnung Grenzen setzen, um so den Rahmen zu sondieren, in dem sich der Gesetzgeber von Verfassungs wegen zu halten hat und Antwort auf die Frage zu finden, ob er diesen vorgegebenen Rahmen mit einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überschreiten würde. a) Staatsfreiheit, Vielfalt und Ausgewogenheit Der Staat wird nicht nur ermächtigt, Rahmenbedingungen festzusetzen, um die Erfüllung der Medium- und Faktor-Funktion des Rundfunks bei der Meinungsbildung zu sichern181, sondern ist auch verpflichtet, die Rundfunkordnung in einer Weise auszugestalten, die die Erreichung des Ziels der Rundfunkfreiheit, freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu dienen, sicherstellt182. Wenngleich sich die Konstellation, dass die Institu180 181
Vgl. BayVerfGH AfP 1987, 394, 396 m. w. N. Vgl. BVerfGE 83, 238, 322.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
tion, die den Rundfunk in die Gefahr der Vermachtung bringen könnte, zugleich die Garantenstellung dafür übernimmt, dass sich diese Gefahr nicht verwirklichen kann, als riskant darstellt, ist die Übertragung der Gewährleistungsverantwortung auf den Staat keineswegs mit gesteigerter Staatsnähe des Rundfunks gleichzusetzen183. Durch diesen Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit wird die Organisationshoheit des Staates beschränkt. So muss der Gesetzgeber zum einen sicherstellen, dass der Rundfunk weder dem Staat noch einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird184, zugleich ist eine begrenzte Staatsaufsicht vorzusehen185. Zum anderen ist er verpflichtet, die Rundfunkordnung so zu gestalten, dass im Gesamtprogramm sowohl die Vielfalt der Gegenstände als auch die Vielfalt der Meinungen angemessen zum Ausdruck kommt186. Dazu gehört die Aufstellung von Leitgrundsätzen, die im Gesamtprogramm ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten187. Auch sind gesetzliche Vorkehrungen gegen das Entstehen vorherrschender Meinungsmacht188 sowie Maßnahmen gegen Informationsmonopole zu treffen189. Ferner ist der Zugang zur Veranstaltung von Rundfunksendungen gesetzlich zu regeln; es bedarf insoweit Kriterien für die Erteilung der Zulassung, Regeln für die Auswahl mehrerer Bewerber und ein rechtsstaatliches Entscheidungsverfahren190. Insgesamt ist dabei immer der Programmautonomie der Rundfunkveranstalter als Kern der Rundfunkfreiheit Rechnung zu tragen191. Hierin findet der Ausgestaltungsauftrag des Gesetzgebers seine Schranke192. 182 Vgl. BVerfGE 83, 238, 315, 322; vgl. auch BVerfGE 57, 295, 321; Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 81. Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 42, 59, spricht von einer Garantenpflicht des Staates für die Realisierung der Rundfunkfreiheit; vgl. auch Bethge, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 121: Staat als Grundrechtsgarant; ebenso Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 8; ähnlich Stock, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, S. 817: Gewährleistungsverantwortung des Staatswesens; Scholz, JuS 1974, 299, 301 f. 183 Vgl. Rossen-Stadtfeld, in: Donges/Puppis, S. 72. Vgl. bereits die Ausführungen unter 1. Teil C. I. 2. a) cc) sowie im weiteren Verlauf 3. Teil B. II. 2. d) aa). 184 BVerfGE 12, 205, 262; 57, 295, 322, 325; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 324; 83, 238, 296; 90, 60, 88; vgl. auch Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 57. 185 BVerfGE 57, 259, 326; 73, 118, 153; 95, 220, 236. 186 BVerfGE 83, 238, 315. Vgl. auch 1. Teil C. III. 187 BVerfGE 12, 205, 263; 31, 314, 326; 57, 295, 325; 73, 118, 153. 188 BVerfGE 73, 118, 172; vgl. auch BVerfGE 95, 163, 172. 189 BVerfGE 97, 228, 256. 190 BVerfGE 57, 295, 326 f.; 73, 118, 153 f.; 83, 238, 322. 191 Vgl. BVerfGE 73, 118, 182 f.; 87, 181, 201; 90, 60, 87.
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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b) Berücksichtigung von technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Bei der Gestaltung der Rundfunkordnung muss der Gesetzgeber die jeweiligen Rahmenbedingungen berücksichtigen193; er kann nicht losgelöst von technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ein Rundfunkmodell konstruieren, das ein für alle Mal Bestand hat. Stattdessen hat er die einmal gewählte Rundfunkordnung nachzubessern, falls sich abzeichnet, dass die momentane Rundfunkorganisation dem Ziel freier Meinungsbildung bei möglichst geringer Belastung aller Beteiligten nicht mehr ausreichend Rechnung trägt194. Sollte sich also beispielsweise die duale Rundfunkordnung als funktionsuntauglich erweisen195, entsteht für den Gesetzgeber eine Pflicht zur Umgestaltung196. Diese Pflicht wird in Anbetracht des weiten legislativen Gestaltungsspielraums nicht bereits durch ein infolge veränderter Umstände zur Verfügung stehendes verbessertes Organisationsmodell ausgelöst, sondern erst dann, wenn sich die gesetzgeberische Einschätzung der Strukturen im Rundfunkbereich als offensichtlich fehlsam197 erweist. Insofern werden dem legislativen Gestaltungsspielraum auch durch tatsächliche Entwicklungen Grenzen gesetzt. Der Ansicht, aufgrund der digitalisierungsbedingten verbesserten Übertragungskapazitätsauslastungen sei es in der heutigen Zeit nicht mehr mit dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers vereinbar, nur öffentlich-rechtlichem Rundfunk die Veranstaltung von Rundfunk vorzubehalten, auch privater Rundfunk sei zwingend zuzulassen198, kann nach der hier vertretenen Position nur unter der Prämisse gefolgt werden, wenn eine Zulassung privater Rundfunkveranstalter zur Sicherung der Rundfunkfreiheit erforderlich wäre und sich ein rein öffentlich-rechtlich ausgestalteter Rundfunk als funktionsuntauglich im Hinblick auf die Sicherung der Meinungsbildungsfreiheit erweisen würde. In diesem Fall käme es zu einer entsprechenden Ermes192
Vgl. Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 84. Hoffmann-Riem, AöR 109 (1984), 304, 313; ders., Regulierung, S. 109; vgl. auch BVerfGE 73, 118, 154. 194 Zur Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers BVerfGE 73, 118, 203; BVerwGE 75, 318, 322. Vgl. auch BVerfG AfP 1999, 61, 62 f. 195 Dieser Frage wird im 3. Teil A. nachgegangen. 196 Vgl. Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 181. 197 Zu diesem Kriterium BVerwG NJW 1999, 2454, 2456; vgl. auch BayVerfGH AfP 1987, 394, 297. 198 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 47; vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II GG Rn. 236. Auch das EGMR hielt in der Entscheidung Lentia ein öffentlich-rechtliches Rundfunkmonopol für mit Art. 10 EMRK unvereinbar, EuGRZ 1994, 549 ff.; anders der EuGH in der Entscheidung Elliniki Radiophonia, Rs. 260/89, Slg. 1991, I-2925, 2957 ff. 193
12 Lindschau
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
sensreduzierung des Gesetzgebers bis hin zur Pflicht, privaten Rundfunk zuzulassen. Um Missverständnissen vorzubeugen sei darauf hingewiesen, dass eine derartige Pflicht zur Zulassung privater Veranstalter dann lediglich aufgrund der gewandelten Rahmenbedingungen im Vergleich zu den Anfängen des Rundfunks in der Nachkriegszeit bestünde, nicht jedoch bereits von vornherein grundgesetzlich vorgegeben wäre199. Ob nicht auch momentan noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Lage ist, die vom Rundfunk im Zusammenhang mit seiner Bedeutung für die Demokratie, Integration und Kultur erwarteten Leistungen zu erbringen, wird sich im Verlauf der Arbeit herausstellen. c) Adäquate Bedingungen im Fall der Zulassung privaten Rundfunks Für den Fall, dass sich der Gesetzgeber für die Einführung privaten Rundfunks und eine duale Rundfunkordnung entscheidet, darf er die Zulassung privaten Rundfunks nicht von Voraussetzungen abhängig machen, die die Veranstaltung privater Rundfunkprogramme in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen würden200. Diese Aussage des Bundesverfassungsgericht ist im Sinne einer konsequenten und systemgerechten Ausgestaltung der Rundfunkordnung zu sehen201 und korrespondiert mit der Verpflichtung des Gesetzgebers, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wenn er sie ins Leben ruft, auch mit den erforderlichen Qualitäten auszustatten, damit sie ihrer Aufgabe nachkommen können. Kommt der Gesetzgeber aufgrund veränderter Bedingungen zu dem Schluss, neben dem monopolartigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch privaten Rundfunk zuzulassen, dann darf er diesen nicht so sehr beschränken, dass dessen Existenz auf dem Spiel steht. Sollten sich derartige starke gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung erforderlich zeigen, so hat der Gesetzgeber von einer Zulassung privaten Rundfunks abzusehen. d) Die besondere Grenze der Grundversorgung Bei der genaueren Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und den Stimmen in der rundfunkrechtlichen Litera199
Vgl. hierzu vorstehend unter A. II. 1. a) dd). BVerfGE 73, 118, 157; 83, 238, 297, 317. 201 Zum Prinzip der Systemgerechtigkeit im Sinne einer inneren Folgerichtigkeit einer gesetzlichen Regelung Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 33 ff.; im Sinne einer Beachtung vorgefundener normativer Strukturen bei einem nur schrittweisen Wandel Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 152 f. jeweils m. w. N.; vgl. auch Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 19. 200
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tur taucht häufig der Begriff der Grundversorgung auf202, deren Sicherstellung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgegeben wird. Der Begriff der Grundversorgung, der teilweise als „einer der Grundbegriffe der deutschen Rundfunkordnung . . ., wenn nicht [sogar als] der Grundbegriff“ schlechthin bezeichnet wird203, umschreibt die besonderen Anforderungen an den Rundfunk, von denen das Bundesverfassungsgericht bis heute nicht abgerückt ist. Diese bilden eine weitere Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums204. Um den Rahmen, in dem sich der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Rundfunkordnung zu halten hat, genauer abzustecken, ist es im Folgenden unabdingbar, den Begriff der Grundversorgung näher zu untersuchen. aa) Entwicklung und Herleitung des Grundversorgungsbegriffs (1) Anfänge des Begriffs in der Literatur Erstmals taucht der Begriff der „Grundversorgung“ im Zusammenhang mit Rundfunk wohl 1975 bei Herrmann auf205. Dieser bringt ihn primär mit dem Sozialstaatsgebot in Verbindung und ist der Meinung, dieses gewährleiste „eine Grundversorgung mit Rundfunkprogrammen zu sozialen Bedingungen“. Auch bei Klein206, Lerche207, Bullinger208, Stock209 und Scheuner210 findet der Gedanke der Grundversorgung wenig später Beachtung. So hält beispielsweise Klein den Staat aufgrund des Sozialstaats- und Demokratieprinzips für verpflichtet, dafür zu sorgen, dass jedermann eine „Mindest-(Grund-)versorgung“ mit Rundfunk erhalte, so dass sich jedermann ohne weiteres aus dem Rundfunk informieren könne211. Er vertritt – weitergehend als später das Bundesverfassungsgericht – die Auffassung, 202 BVerfGE 73, 118, 157; 74, 297, 324 ff.; 83, 238, 297 ff.; 87, 238, 199; 90, 60, 90. Zur Literatur siehe unter 1. Teil D. V. 5. b). 203 Vgl. Schwarzkopf, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 2, S. 1150. Anders Marcinkowski, in: Gellner, Neue deutsche Rundfunkordnung, S. 71 Fn. 42: Grundversorgung sei nicht mehr als eine „(empirisch ausfüllbare) Leerformel“; dagegen wiederum Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 42. 204 Vgl. auch Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 248. 205 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 297 ff., 322, 332 f., 345 ff., 378. 206 Klein, Rundfunkfreiheit, S. 58 ff. 207 Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 26. 208 Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 94 f. 209 Stock, Zur Theorie des Koordinationsrundfunks, 1981, S. 95 ff., 105 ff. 210 Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 64, 80, der von einer Grundversorgung in „angemessener Form“ spricht, hierzu im Wesentlichen jedoch keine nähere Ausführungen macht. 211 Klein, Rundfunkfreiheit, S. 59 f. 12*
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die Wahrnehmung der Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erübrige gesetzliche Vorkehrungen gegenüber privaten Rundfunkveranstaltern. Außerdem sei die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sichernde Grundversorgung nur für eine gewisse Übergangszeit erforderlich, d. h. solange, bis eine ausreichende Anzahl privater Programme bestünde und es gelänge, auch im privaten Rundfunk die nötige Vielfalt zu etablieren212. Demgegenüber hält Bullinger den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Grundversorgung nicht nur in einer Übergangsphase für notwendig, sondern befürwortet ihn auch in der Endphase, d. h. bei einem etablierten, vielfältigen Privatfunk213. Dieser Grundversorgungsauftrag könne dann jedoch sowohl inhaltlich als auch tageszeitlich begrenzt werden. Auch Stock wendet sich gegen ein interimistisches Konzept der Grundversorgung214. Er rechnet wegen des Interesses der Bevölkerung an einer allgemeinen Grundversorgung auch bei einer Veränderung der Grundstruktur des Rundfunks mit einem Fortbestand der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Insgesamt lässt sich jedoch dieser Literatur noch kein genaues und übereinstimmendes Verständnis der Grundversorgung entnehmen215. (2) Entwicklung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Seinen Anfang in der Rechtsprechung nahm der Begriff der Grundversorgung – in Anführungszeichen gesetzt – erst in der vierten Rundfunkentscheidung vom 4. November 1986216. Dort führt das Bundesverfassungsgericht aus, in der dualen Ordnung sei „die unerläßliche ‚Grundversorgung‘ Sache der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, zu der sie imstande sind, weil ihre terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und weil sie nicht in gleicher Weise wie private Veranstalter auf hohe Einschaltquoten angewiesen, mithin zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind“217. Mit der Aussage „die damit [scil. mit der Grundversorgung] gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben“218 macht es deutlich, dass die Grundversorgung dem Rundfunk die Voraussetzungen sichern soll, die er zur Erfüllung seiner de212 213 214 215 216 217 218
Vgl. Klein, Rundfunkfreiheit, S. 79 f. Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 94 f. Stock, Theorie des Koordinationsrundfunks, S. 105. So auch Niepalla, Grundversorgung, S. 44. BVerfGE 73, 118 ff. BVerfGE 73, 118, 157. BVerfGE 73, 118, 157 f.
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mokratischen und kulturellen Funktion219 benötigt. In der wenig später folgenden fünften Rundfunkentscheidung220 wird ebenfalls starker Bezug auf die Grundversorgung genommen und durch Aufzählung dreier Elemente221 sowie die Vornahme einer Negativabgrenzung zur Mindestversorgung222 eine nähere Begriffsbestimmung vorgenommen, eine genaue Definition erfolgt hingegen nicht. Auch die sechste Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts befasst sich genauer mit der Grundversorgung, geht dabei jedoch vorrangig auf deren Dynamik im Zusammenhang mit der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährten Bestands- und Entwicklungsgarantie ein223. Indem das Gericht erklärt, der Begriff der Grundversorgung sei gegenständlich und zeitlich offen und dynamisch224, liefert es im Ansatz eine Erklärung für die bis dato fehlende genaue Definition des Grundversorgungsbegriffes, die es auch in den folgenden Entscheidungen schuldig bleibt. Stattdessen gibt es lediglich die allgemeine Richtung an, in die der Begriff weist225 und umschreibt ihn damit, dass „im Prinzip dafür Sorge getragen sein muß, daß für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme geboten werden, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags informieren und daß Meinungsvielfalt in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gesichert ist“226. (3) Herleitung der Grundversorgung Die genaue Herleitung der Grundversorgung, die im Grundgesetz selbst nicht auftaucht, variiert. Während das Bundesverfassungsgericht Bezug auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und dessen Normziel nimmt227, ziehen andere das Sozialstaatsprinzip heran228, da nicht nur materielle Güter zur Existenzsicherung des Einzelnen 219
Siehe unter A. II. 1. a) cc) (2) (a) und (c). BVerfGE 74, 297 ff. Siehe hierzu 1. Teil D. V. 6. 221 BVerfGE 74, 297, 326. 222 BVerfGE 74, 297, 325 f. 223 BVerfGE 83, 238 ff. Vgl. bereits 1. Teil D. VI. 2. a). 224 BVerfGE 83, 238, 299. 225 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II GG Rn. 238b. 226 BVerfGE 74, 295, 325. 227 Vgl. BVerfGE 73, 118, 157 f.; 74, 297, 325; 83, 238 LS 1a, 297, 299; 87, 181, 203. Für eine Ableitung aus der Rundfunkfreiheit auch Hesse, BayVBl 1997, 132, 137; Niepalla, Grundversorgung, S. 153. 228 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 332 f., 346; Lieb, Kabelfernsehen, S. 252 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 101. 220
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erforderlich sind, sondern auch die Versorgung mit Informationen als Voraussetzung der Teilnahme am öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess und damit am gesellschaftlichen Leben bedeutsam ist. Häufig wird mit derselben Begründung unter Bezugnahme auf den mündigen Bürger in einem auf dessen Herrschaft fußenden Staat auch das Demokratieprinzip genannt229. Letztlich lässt sich Grundversorgung nicht eindeutig einem bestimmten Verfassungsprinzip zuordnen, bedingen sich doch der offene Prozess der Meinungs- und Willensbildung und eine freiheitliche Demokratie gegenseitig und lässt sich auch dem weit gefassten Sozialstaatsprinzip eine genaue Aussage zur Grundversorgung durch Rundfunk nicht entnehmen, so dass sich die Grundversorgung sowohl in allen drei Elementen verorten lässt wie auch allein Art. 5 Abs. 1 GG entnehmbar ist. bb) Grundsätzliche Positionierung der Grundversorgung (1) Analyse der Begrifflichkeit „Grundversorgung“ taucht als Begriff beispielsweise zwar auch im Bereich des Beamten- und Rentenrechts auf. Angesichts der Andersartigkeit dieser Rechtsgebiete gegenüber dem Rundfunkrecht lassen sich aus der dortigen Verwendung keine Schlüsse auf den Inhalt dieses Begriffes ziehen230. Die zur Präzisierung herangezogenen, semantisch ähnlich gelagerten Begriffe wie „Grundbedürfnis“, „Grundausstattung“ oder „Grundnahrungsmittel“231 deuten darauf hin, dass mit „Grundversorgung“ eine Beschränkung auf das Nötigste oder Wesentliche gemeint sein könnte. Einer derartig weiten Beschränkung auf das Nötigste widerspricht jedoch das Bundesverfassungsgericht, indem es klarstellt, Grundversorgung sei keine „Mindestversorgung“232. Auch wurde der Begriff der Grundversorgung in den ersten Entscheidungen in Anführungszeichen gesetzt verwendet233, was einen Hinweis darauf darstellt, dass der Begriff nicht im Sinne bereits vorhandener 229 Aus beiden zusammen Klein, Rundfunkfreiheit, S. 59; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 68 ff., 73 f.; Starck, in: Burmeister, FS Stern, S. 795 f.; zur dogmatischen Verankerung auch Libertus, MP 1991, 453, 454 ff. 230 Fuhr, ZUM 1987, 145, 151; ders., in: Fuhr/Wasserburg/Rudolf, Recht der Neuen Medien, S. 293. 231 So Kull, AfP 1987, 462, 463. 232 BVerfGE 74, 297, 325 f.; a. A. Starck, NJW 1992, 3257, 3262; ihm zustimmend Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 54a; ähnlich restriktiv auch Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 82; Ricker, ZUM 1989, 331, 334 ff.; Schmitt Glaeser, DÖV 1987, 837, 839. Klein, Rundfunkfreiheit, S. 60, spricht ebenfalls von einer „Mindest-(Grund-)versorgung“. 233 BVerfGE 73, 118, 157; 74, 297, 324.
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Auslegungen verstanden werden sollte, sondern ihm ein eigener Gehalt zukommen sollte234. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass das Gericht mit dem Begriff der Grundversorgung nicht eine Wortschöpfung benutzen wollte, die vollständig konträr zu den mit dieser Begrifflichkeit in Verbindung gebrachten Assoziationen steht. (2) Ansiedlung zwischen den beiden Extremen einer Mindest- und Vollversorgung Die Verwendung des Vorsatzes „Grund-“ spricht jedenfalls nicht für eine umfassende und uneingeschränkte „Voll-“ oder gar „Überversorgung“235. Wenngleich durch die Grundversorgung im Rundfunk eine umfassende öffentliche Meinungsbildung sicherzustellen ist und daher kein Rückzug auf kommerziell nicht bedienbare Randgebiete stattfinden darf, kann die Grundversorgung nicht als vollumfängliche und unbegrenzte Rundfunkversorgung der Bevölkerung verstanden werden. Anderenfalls würde der vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Feststellung, auch „jenseits der Grundversorgung“ könne es öffentlich-rechtliche Programme geben236, der Sinn fehlen, wenn die Grundversorgung bereits alles an Programmen umschlösse. Dem Verständnis von Grundversorgung als einer alle Programmaktivitäten umfassenden Vollversorgung steht ebenfalls entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht bestimmte Programmformen wie beispielsweise Spartenprogramme237 oder lokale und regionale Programme238 gerade nicht von vornherein der Grundversorgung zuordnet239. Gegen ein Verständnis der Grundversorgung als Vollversorgung spricht auch, dass der Begriff der Grundversorgung dann als Aufgabenbestimmung nicht mehr gebrauchsfähig wäre, würde er jede denkbare Rundfunktätigkeit umfassen. Stattdessen indiziert die vom Bundesverfassungsgericht teilweise verwendete Formulierung der „unerlässlichen Grundversorgung“240 eher eine gewisse Begrenzung des Grundversorgungsauftrags auf das zur Meinungsbildung Notwendige241. 234 Vgl. auch Fuhr, ZUM 1987, 145, 151; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 41, 67. 235 Für eine Interpretation der Grundversorgung als Vollversorgung, die jede Form von Rundfunkdarbietungen erfasse, allerdings Fuhr, ZUM 1987, 145, 153; Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 49; ähnlich auch Berg, AfP 1987, 457, 459. 236 BVerfGE 74, 297, 332. 237 BVerfGE 74, 297, 345 f. 238 BVerfGE 74, 297, 327. 239 Ricker, ZUM 1989, 331, 334. 240 BVerfGE 73, 118, 157; 74, 297, 324. 241 Vgl. Bleckmann/Pieper/Erberich, AfP 1997, 417, 420; a. A. Niepalla, Grundversorgung, S. 64.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Grundversorgung als das zur Meinungsbildung Notwendige meint jedoch auch keinen untersten Grad an Rundfunkversorgung, da anderenfalls der später den privaten Veranstaltern aufgegebene „Grundstandard“242 bei einer Gegenüberstellung keinen Sinn ergeben würde. Auch würde die Rückführung auf ein bloßes Minimum nicht der besonderen Funktion des Rundfunks für die Meinungs- und politische Willensbildung, die demokratische Ordnung und seiner kulturelle Verantwortung gerecht werden. Die Wahrheit liegt letztlich zwischen den Extremen Mindest- und Vollversorgung. Mit dem Begriff der Grundversorgung ist eine gewisse Basisgewährleistung an Programmen gemeint, mehr als nur das Nötigste, aber gleichzeitig weniger als die gesamte denkbare Bandbreite des Rundfunks. Den besonderen Funktionen des Rundfunks kann auch dann Rechnung getragen werden, wenn der Begriff der Grundversorgung nicht im Sinne einer qualifizierten Gesamtversorgung mit allen denkbaren Programmen verstanden wird, sondern Grundversorgung als kommunikative „Kernausstattung“, als optimale, aber nicht maximale Versorgung mit Programmangeboten243 aufgefasst wird. Dafür spricht auch die Verwendung des Wortteils „Grund-“ in der Rechtssprache, wie z. B. bei den „Grundrechten“, die dem Einzelnen ja ebenfalls einen gewissen Basisbestand an Rechten verleihen, wenngleich der Wert dieses herangezogenen Vergleichs angesichts mehrerer Bedeutungen des Wortes „Grund-“ eher gering einzuschätzen ist. Aufschlussreich sind auch Zeitpunkt und Umfeld des Auftretens des Grundversorgungsbegriffs. So wurde der Begriff der Grundversorgung im Rundfunkbereich erst erwähnt, als sich eine expansive Ausbreitung des Privatfunks abzeichnete und es um die Entstehung eines dualen Systems sowie das Verhältnis der beiden Rundfunksysteme öffentlich-rechtliche Anstalten einerseits und privat-kommerzielle Veranstalter andererseits ging. Vor dem Hintergrund der vom beginnenden Privatfunk ausgehenden Unsicherheiten für den Rundfunkbereich – gerechnet wurde mit einer allgemeinen Programmverflachung244 – spricht einiges dafür, dass mit dem Postulat der Grundversorgung eine umgrenzte Basis an Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur, ein bestimmtes Niveau im Rundfunk mit Blick auf ein ausgewogenes, vielfältiges und umfassendes Programmangebot für die kommenden ungewissen Zeiten bewahrt werden sollte, um so das Ziel der Rundfunkfreiheit, eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu sichern, weiterhin gewährleisten zu können. 242 243
BVerfGE 73, 118, 159 f. Glotz/Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 90,
101. 244
Siehe 1. Teil D. IV. 2. b) bb).
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cc) Genauerer Inhalt der Grundversorgung (1) Erstes – technikbezogenes – Element der Grundversorgung Das erste Element, demzufolge zur Grundversorgung eine Übertragungstechnik zählt, bei der ein Empfang der Sendungen für alle sichergestellt ist, weist eine Verbindung zur bis dato betonten technischen und finanziellen Sondersituation auf, indem ebenfalls an die Technik angeknüpft wird, um allen Bürgern den Zugang zum Rundfunk zu ermöglichen. Hinsichtlich der verwendbaren Übertragungstechnik ist dieses Element nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offen245. Dies erscheint konsequent, da im Fall einer zukünftigen Überholung der zum Zeitpunkt des Urteils bestehenden Übertragungstechnik anderenfalls u. U. nicht mehr nahezu die gesamte Bevölkerung erreicht wird oder aber die Übertragungsqualität nicht mehr dem allgemeinen Standard entspricht. Die Gewährleistung der Grundversorgung erfordert somit nicht nur, dass überhaupt ein Empfang nahezu für jedermann möglich ist, sondern verlangt darüber hinaus jeweils die Übertragungstechnik, die im Zuge des technischen Fortschritts als erforderlich angesehen werden kann246. Da kein Trend zur Einheitstechnik feststellbar ist247, umfasst die Grundversorgung sowohl die analoge Rundfunkverbreitung über terrestrische Frequenzen, Kabel und Satellit wie auch die sich immer weiter ausbreitende digitale Übertragungstechnik. (2) Zweites – inhaltsbezogenes – Element der Grundversorgung Zur Bestimmung der inhaltlichen Komponente wird Bezug auf den „klassischen Auftrag“ des Rundfunks genommen248. Dieser umfasst nicht nur die Rolle des Rundfunks für die Meinungs- und politische Willensbildung, Unterhaltung und über laufende Berichterstattung hinausgehende Information, sondern auch seine kulturelle Verantwortung249. Die Programme der Rundfunkanstalten haben „umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags“ zu informieren250. 245 Vgl. die Formulierung in BVerfGE 74, 297, 326: „bis auf weiteres“ ist ein Empfang für alle durch „die herkömmliche terrestrische Technik“ gegeben. 246 Vgl. auch Berg, AfP 1987, 457, 461; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 80; Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 86. Hierzu auch BVerfGE 83, 238, 299. 247 Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382, 383. 248 BVerfGE 74, 297, 324 f., 326; 83, 238, 298; 87, 181, 199. 249 BVerfGE 73, 118, 158; 74, 297, 324. 250 BVerfGE 74, 297, 324 f.; 83, 238, 398.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Erst wenn dem Einzelnen möglichst vielfältige Informationen aus den unterschiedlichsten Bereichen vorliegen, kann er sich daraus durch Abwägen der unterschiedlichen Fakten, Ziehen von Verbindungen und Parallelen wie auch Bewertungen seine eigene Meinung bilden. Gegenstände des klassischen Rundfunkauftrages und damit Inhalt der Grundversorgung sind mithin Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur251. Durch die gleichrangige Positionierung des Bereichs der Unterhaltung, gemeint als Programmgegenstand und nicht lediglich Stilmittel252, neben den anderen Inhalten des Rundfunkauftrages wird deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht von einer prinzipiellen Gleichwertigkeit der Inhalte und nicht etwa von einem minderen Rang der Unterhaltung ausgeht253. Schließlich vollzieht sich Meinungsbildung nicht nur durch Nachrichtensendungen, politische Kommentare oder Sendereihen über politische Probleme, sondern ebenso durch Hör- und Fernsehspiele, musikalische Darbietungen oder Unterhaltungssendungen254. Ein Umstand, den sich auch die Nationalsozialisten mit ihrer bereits angeführten Strategie, die Bevölkerung durch ansprechende Unterhaltung empfangsbereit für Propaganda zu machen, zunutze machten255. Auch ist Rundfunk in seiner Funktion als Unterhaltungsmedium für die Sozialisation der Bürger wichtig256. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass auch bestimmte Sportveranstaltungen dem Bereich der Grundversorgung unterfallen, besteht doch an ihnen zum einen ein öffentliches Interesse, so dass über sie mit dem Ziel der Meinungsbildung informiert werden muss, und kommt ihnen über den Unterhaltungswert hinaus eine wichtige gesellschaftliche Funktion im Hinblick auf Identifikationsmöglichkeiten und Anstoß zur Kommunikation in der Bevölkerung zu257. Auch kulturelle Inhalte, denen u. a. literarische Lesungen und Buchkritiken wie auch die Pflege volkstümlicher Brauchtümer (z. B. Karnevals- und Volksmusikveranstaltungen) zuzuordnen sind258, unterfallen aufgrund der besonderen Bedeutung des Rundfunks ins251 Die klassische Aufgabentrias aus Information, Bildung, Unterhaltung und der kulturelle Auftrag finden sich auch in den Rundfunk- sowie Mediengesetzen und werden häufig um den Bereich der „Beratung“ ergänzt, vgl. z. B. § 11 Abs. 2 S. 3 RStV; § 6 Abs. 1 S. 2 MDR-StV; § 5 Abs. 1 S. 2 NDR-StV; § 3 Abs. 5 S. 2 SWRStV; § 17 S. 2 BremLMG; § 3 Abs. 1 S. 1 HmbMG; § 31 Abs. 1 S. 2 LMG NRW. 252 Vgl. Scheble, Perspektiven der Grundversorgung, S. 247. 253 Ebenso Libertus, ZUM 1990, 124. 254 Vgl. BVerfGE 59, 231, 258; vgl. auch BVerfGE 35, 202, 222. 255 Siehe 1. Teil B. II. 1. b). 256 Nach Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382, 390, ist die Unterhaltungsfunktion des Rundfunks bei der Sozialisation vermutlich noch wichtiger als die Funktion eines Mediums politischer Information. Vgl. auch Kresse/Heinze, AfP 1995, 574, 578, die darauf hinweisen, dass Musikvideos das Lebensgefühl von Teilen der jüngeren Bevölkerung prägen. Siehe auch vorstehend unter II. 1. a) cc) (2) (b) (bb). 257 Hierzu auch BVerfGE 97, 228, 257.
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gesamt für die Kultur der Grundversorgung. Diese beschränkt sich somit nicht allein auf den informierenden und bildenden Teil der Programme259. Mit der Bezugnahme auf den klassischen Rundfunkauftrag wurde allerdings lediglich der grobe Rahmen an Inhalten im Hinblick auf eine gegenständliche Vielfalt abgesteckt, hingegen keine detaillierte Bestimmung des Grundversorgungsinhalts in Bezug auf die einzelnen Anteile an Kultur, Information etc. am Programm vorgenommen. (3) Drittes – vielfaltsbezogenes – Element der Grundversorgung Ferner beinhaltet die Grundversorgung die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt, so dass neben Rundfunkprogrammen, die für die breite Masse bestimmt sind, auch solche Programme verbreitet werden, in denen abweichende Meinungen vertreten werden und Minderheiten berücksichtigt werden, folglich Programme gesendet werden, die die Vielfalt der bestehenden Meinungsrichtungen in der Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Nur dann kann sich jeder über die bestehenden Strömungen, Tendenzen und Ansichten informieren260, sich damit auseinandersetzen und eine eigene, fundierte Meinung bilden, deren Vorhandensein in einer Demokratie essentiell ist. Auch kann nur dann der Rundfunk als Mittel gesellschaftlicher Integration wirken, wenn er von der Mehrheitsmeinung abweichende Ansichten darstellt und deren Hintergründe und Zusammenhänge aufzeigt. Ein exakter Maßstab, wann gleichgewichtige Vielfalt gegeben sei, wurde nicht vorgegeben, bei dieser Forderung handelt es sich nach Meinung des Gerichts vielmehr um einen Zielwert, einen Richt- und Annäherungswert, den es anzustreben gilt261. (4) Mehrere Programme Angesichts ihrer besonderen Funktion für die freiheitlich-demokratische Grundordnung haben die Programme somit in möglichster Breite und Vollständigkeit über das Zeitgeschehen sowie über Entwicklungen im Staatswesen und im gesellschaftlichen Leben zu informieren. Da alle erforder258 Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 15. Weiß, MP 1992, 733, 734 ff., unterscheidet Kernzonen, d. h. die direkte Widergabe oder Thematisierung der klassischen darstellenden Künste in Wort, Musik, Tanz und Bild, und Randzonen, in denen es um Alltagskultur geht und Überschneidungen zu anderen Sparten möglich sind. 259 BVerfGE 87, 181, 199; vgl. auch Grimm, RuF 1987, 25, 27. 260 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 321. 261 Vgl. BVerfGE 73, 118, 156, 159, 168. Näher bereits unter 1. Teil C. III. 3. c).
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
lichen Inhalte nur schwerlich in einem einzigen Programm untergebracht werden können262, fordert das Bundesverfassungsgericht für die Grundversorgung eine Mehrzahl von Programmen263. (5) Dynamik der Grundversorgung Angesichts der Tatsache, dass die dem Demokratieprinzip innewohnende öffentliche Meinungs- und Willensbildung kein statischer Zustand, sondern vielmehr ein fortlaufender Prozess ist und dem Rundfunk für diesen Bereich eine wichtige Funktion zukommt, unterliegt nicht nur der Rundfunk selbst dieser ständigen Entwicklung, sondern wird auch die ihm obliegende Grundversorgung, die zugleich die nötigen Voraussetzungen für den Meinungs- und Willensbildungsprozess enthält, diesem dynamischen Vorgang unterworfen264. Damit der Rundfunk seinen Rundfunkauftrag in zeitgemäßer Weise wahrnehmen kann, soll der mit der Grundversorgung gewährleistete Basisbestand durch alle wie auch immer gearteten Entwicklungsstadien hindurch erhalten bleiben. Wenn sich auch die Grundversorgung auf den „klassischen“ Rundfunkauftrag bezieht, was soviel wie „typisch“ oder auch „traditionell“ heißt265, und damit einerseits die traditionellen, hergebrachten Formen und Gegenstände der Programmveranstaltung in einer sich verändernden Umwelt bewahrt, so verschließt sich die Grundversorgung damit andererseits zugleich nicht neuen Programmaktivitäten, weil dies mit der Dynamik im Rundfunkbereich nicht vereinbar wäre266. Vielmehr muss das Programmangebot für neue Publikumsinteressen oder neue Formen und Inhalte offen bleiben267. Zuzustimmen ist allerdings auch Kresse, der im Hinblick auf die Dynamik der Grundversorgung zu bedenken gibt, diese sei keine „Einbahnstraße“ im Sinne einer juristischen Legitimation für ständige Programmvermehrung, sondern eine dynamische Grundversorgung könne ebenso zu einer Einschränkung der Programme führen268. Da die Betonung der Dynamik der Grundversorgung bezweckt, dieser eine flexible Anpassung an tatsächliche 262
Hesse, Rundfunkrecht, S. 121. BVerfGE 74, 297, 326. 264 Vgl. BVerfGE 83, 238, 299; Berg, MP 1987, 737, 738; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 76. Zur Dynamik der Grundversorgung auch Bethge, ZUM 1991, 337, 339. 265 Duden, S. 545. 266 Hierzu Kresse, ZUM 1995, 178, 185; Scheble, ZUM 1995, 383. 267 BVerfGE 83, 238, 299. Vgl. hierzu bereits BVerfGE 74, 297, 346, 353, wo nicht ausgeschlossen wurde, dass neue Programmformen wie z. B. Spartenprogramme oder rundfunkähnliche Kommunikationsdienste in der Zukunft ebenfalls unter die Grundversorgung fallen. 263
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Gegebenheiten und Entwicklungstendenzen zu ermöglichen, kann die Grundversorgung nicht als eine sich ständig ausweitende Versorgung begriffen werden. Vielmehr ist es denkbar, dass es im Zuge auftretender gesellschaftlicher Entwicklungen wie einer breiten Konsensentstehung in bestimmten Bereichen (z. B. in Glaubens- oder Integrationsfragen) dazu kommt, dass die Grundversorgung um dadurch entfallende Aspekte (meinungsmäßiger oder auch programmgegenständlicher Art) zu verringern ist269. (6) Folgerung Grundversorgung für alle270 meint die entwicklungsoffene Veranstaltung mehrerer Programme, die technisch für nahezu die gesamte Bevölkerung erreichbar sind, inhaltlich-gegenständlich wie auch meinungsmäßig vielfältig und ausgewogen sind, dabei anstelle eines gewissen Minimums in allen Lebensbereichen so breit und vollständig wie möglich informieren, ohne gleichzeitig jedoch allumfassend zu sein. Es muss allen etwas geboten werden, d. h. die Interessen und Belange aller Bevölkerungsgruppen und Altersklassen müssen im Programm aufgenommen werden. Die Grundversorgung setzt allerdings auch voraus, dass die Sendungen, die die Grundversorgung ausmachen, zu Zeiten gesendet werden, in denen sie von nahezu der gesamten Bevölkerung gesehen werden können. Auch wenn die tatsächliche Resonanz letztlich eine andere ist, muss die prinzipielle Möglichkeit des Empfangs derartiger Sendungen möglichst allen offen stehen. Dementsprechend ist es unvereinbar, wenn Minderheitenprogramme oder anspruchsvolle Kultursendungen erst spät in der Nacht gesendet werden und so nur von einem kleinen Teil wahrgenommen werden. Denn nur dann, wenn nach Möglichkeit jeder einzelne Bürger angesprochen wird und sich über Zustand und Entwicklung seines gesamten Umfelds umfassend unterrichten lassen kann, ist er in der Lage, mit diesem Wissen als mündiger Bürger zu agieren und am demokratischen Prozess teilzunehmen sowie mit Verständnis gegenüber anderen Auffassungen zu reagieren und Konsensfähigkeit aufzubauen. Insgesamt deckt der Begriff der Grundversorgung alles das ab, was vom Rundfunk von Verfassungs wegen erwartet wird271. Angesichts dessen, dass 268 ZUM 1995, 178, 185; ders., ZUM 1995, 67, 77. Dieser Gedanke findet sich bereits bei Ory, AfP 1991, 402, 403, sowie später AfP 1995, 383, 386, der den dynamischen Begriff der Grundversorgung für Entwicklungen in zwei Richtungen geöffnet sieht; vgl. auch Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 3. 269 Vgl. auch Ory, AfP 1991, 402, 403, nach dessen Ansicht Programme aus dem Grundversorgungsauftrag herausfallen können, weil sie sich inhaltlich von den Programmen der Grundversorgung entfernt haben. 270 BVerfGE 73, 118, 158.
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sie die obersten Richtwerte der Rundfunkfreiheit wie Vielfalt und Ausgewogenheit in meinungsmäßiger und inhaltlicher Hinsicht umfasst, lässt sich die Grundversorgung gewissermaßen als objektiv-rechtliches Kernelement von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG begreifen272. dd) Weiterentwicklung zum Funktionsauftrag Geht es darum, das genaue Tätigkeitsspektrum des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beschreiben, so wird in der Literatur immer häufiger auf den Begriff des „Funktionsauftrages“ zurückgegriffen273, da dieser die funktionale Ausrichtung des Rundfunkverfassungsrechts besser zum Ausdruck bringe274. Anstelle des Begriffs der Grundversorgung, der vorrangig bei der Einführung des privaten Rundfunks zur Entwicklung des dualen Systems genutzt wurde, soll nun mit Hilfe des neuen und unverbrauchten Begriffs275 des Funktionsauftrages das Tätigkeitsfeld der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten festgelegt werden. (1) Auswertung der Rechtsprechung Betrachtet man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, so lässt sich feststellen, dass im Laufe der Zeit die Häufigkeit der Nennung der Grundversorgung abnimmt und stattdessen mehr und mehr auf die „Funktion 271 Ähnlich auch Stock, MP 1991, 133, 136; Rossen, Freie Meinungsbildung, S. 387 ff. 272 So auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 56. Vor dem Hintergrund dessen, dass der einzelne Bürger einer grundversorgenden, umfassend informierenden Rundfunkberichterstattung bedarf, um in einer Demokratie von seinen politischen Grundrechten Gebrauch machen zu können, wird teilweise sogar ein aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgender Anspruch des Bürgers auf Sicherstellung der Rundfunk-Grundversorgung für denkbar gehalten (vgl. Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 61; Pukall, Meinungsvielfalt, S. 74 f.; in Richtung eines aus der Rundfunkfreiheit abgeleiteten Anspruchs auf Rundfunk-Grundversorgung vorsichtig auch Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 125; a. A. Scheble, Perspektiven der Grundversorgung, S. 165, 242). 273 So z. B. Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 18; Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, passim; Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, passim. Für Funktionsauftrag anstelle von Grundversorgung auch Glotz/ Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 101; Holznagel/ Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 42 ff., 55 ff.; positiv auch Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 209. 274 Eifert, ZUM 1999, 595, 598. Nach seiner Ansicht werden dadurch die tradierten Begriffe „Grundversorgung“ und „Entwicklungsgarantie“ zusammengezogen, epd medien Nr. 11 v. 12.02.2000, 3. 275 Vgl. hierzu Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 237 f.
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des Rundfunks“276 und die „essentiellen Funktionen des Rundfunks“277 abgestellt wird. Ist etwas zur Funktionserfüllung nicht zwingend erforderlich, muss es auch nicht zwingend über Gebühren finanziert werden278. Wenngleich es zunächst so aussah, als seien der Funktionsbegriff und der dort ebenfalls erstmalig erscheinende Begriff der Grundversorgung identisch279, so deutet die in derselben Entscheidung wenige Zeilen später niedergelegte Formulierung, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine Gebührenfinanzierung fände seine Rechtfertigung in den essentiellen Funktionen „und“ [Hervorhebung d. Verf.] in der Gewährleistung der Grundversorgung für alle280, darauf hin, dass die beiden Begriffe zwei verschiedene Bereiche erfassen. Dass die „Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ nicht das Gleiche wie die „Grundversorgung“ meint, zeigt sich auch daran, dass das Gericht in seiner siebten Rundfunkentscheidung ausführt, die Veranstaltung regionaler Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterfalle zwar nicht der Grundversorgung, entspreche jedoch den Funktionen des Rundfunks281. In den Äußerungen des Gerichts zur Finanzierung der Rundfunkanstalten, wonach der Gesetzgeber alles zu finanzieren habe, was zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung unerlässlich sei, die Grundversorgung begrenze jedoch nicht das Tätigkeitsfeld der Anstalten, stattdessen könnten diese Art und Umfang ihrer Aufgabenerfüllung bestimmen und hätten dabei Anspruch auf finanzielle Mittel, solange sie sich innerhalb des zur Wahrung ihrer Funktion Erforderlichen hielten282, wird ebenfalls ein weiteres Verständnis der Funktion des Rundfunks als der Grundversorgung deutlich und zeigt sich, dass die Grundversorgung als ein der Funktion unterfallendes Element angesehen wird. Formulierungen wie „der Begriff der Grundversorgung [sei] allein an die Funktion gebunden, die der Rundfunk im Rahmen des von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Kommunikationsprozesses zu erfüllen . . . [habe]“283 und 276
BVerfGE 83, 238, 299; 87, 181, 198. BVerfGE 73, 118, 157; 87, 181, 198. 278 Vgl. BVerfGE 74, 297, 342; 87, 181, 202; 90, 60, 92 ff. 279 BVerfGE 73, 118, 157, derzufolge die unerlässliche Grundversorgung die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik umfasse. Auch in BVerfGE 73, 118, 163, spricht das Gericht bereits von einer „Grundfunktion“ und verweist auf die Passage des Urteils, in der es erstmals Ausführungen zur Grundversorgung macht. 280 BVerfGE 73, 118, 158. Vgl. auch BVerfGE 87, 181, 199 f.: „In der ungeschmälerten Erfüllung der essentiellen Funktionen des Rundfunks und in der Sicherstellung der Grundversorgung unter den Bedingungen des dualen Systems findet sie [scil. die Gebührenfinanzierung] ihre Rechtfertigung . . .“. 281 BVerfGE 87, 181, 204. 282 BVerfGE 87, 181, 203; vgl. auch S. 205. 283 BVerfGE 83, 238, 299. 277
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
die an die im Zusammenhang mit der Grundversorgung erinnernden Satzfragmente „soweit und solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk . . . funktionstüchtig bleibt“, können „die derzeitigen Defizite des privaten Rundfunks . . . hingenommen werden“284 zeigen jedoch wiederum in Richtung einer Übereinstimmung beider Begriffe285. Auch wenn das Gericht nicht genauer ausführt, was unter der Funktion des Rundfunks im Unterschied zur Grundversorgung genau gemeint sei, deutet es an, dass damit die besondere Bedeutung des Rundfunks im Hinblick auf die Meinungs- und Willensbildung und damit auf die Demokratie sowie seine Bedeutung im Hinblick auf die Kultur umschrieben werde286. (2) Kritische Stellungnahme Aufbauend auf diesen eher widersprüchlich denn einheitlich klaren Äußerungen scheint sich die Grundversorgung als eine Art Untereinheit, als ein wohl wesentliches Element der Funktion bzw. Funktionen des Rundfunks darzustellen. Zu bedenken ist jedoch, dass die Funktionen des Rundfunks für die Meinungsbildung und Demokratie, Integration und Kultur bereits größtenteils in den einzelnen Elementen der Grundversorgung verwirklicht werden. Denn bereits diese fordert die Erbringung einer ausgewogenen Berichterstattung unter Berücksichtigung der Vielfalt der Meinungen und behandelten Gegenstände, um Hintergründe klar zu machen und Verständnis für andere Ansichten zu erwecken und einen demokratietragenden Konsens herzustellen. Von daher fragt es sich, inwiefern die verstärkte Betonung der Funktionen des Rundfunks und die Wortschöpfung des semantisch fragwürdigen287 Begriffs des Funktionsauftrages (eine Funktion meint Tätigkeit, Aufgabe oder Zweck288) zu neuen Ergebnissen im Hinblick auf das vom Gesetzgeber in einer Rundfunkordnung zwingend zu Gewährleistende beiträgt. Nach der zustimmungswürdigen Ansicht von Hesse trägt der Begriff des Funktionsauftrages zu keinem neuen Erkenntnisgewinn bei, da dieselben Probleme wie bei der Bestimmung des Grundversorgungsbegriffs bestehen 284 Vgl. BVerfGE 90, 60, 90 f.; auf eine Übereinstimmung deutet auch BVerfGE 90, 60, 93 hin, dort ist die Rede davon, die Rundfunkgebühr solle den öffentlichrechtlichen Rundfunk in den Stand setzen, „die zur Erfüllung seiner Funktion erforderlichen Programme zu verwirklichen und auf diese Weise die Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunk herstellen“. 285 Für ein synonymes Verständnis Mahrenholz, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 253. 286 Vgl. BVerfGE 73, 118, 157 f. 287 Voß, MP 1999, 278, 282. 288 Duden, S. 397.
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bleiben289. Welche spezifischen „Funktionen“ dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk letztlich „aufgetragen“ sind, darüber sagt auch der „Funktionsauftrag“ nichts aus290. Insofern ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten wie bei der Grundversorgung291. Mithin ist davon auszugehen, dass die genannten Funktionen bereits in der Grundversorgung angelegt sind, so dass es zur Bestimmung der Aufgaben des Rundfunks, die der Gesetzgeber durch eine auszugestaltende Rundfunkordnung sicherzustellen hat, auch weiterhin geboten ist, auf den Begriff der Grundversorgung zurückzugreifen, anstatt den übergreifend verstandenen, zwar noch unverbrauchten, aber letztlich im vorliegenden Zusammenhang nicht weiterführenden Begriff des Funktionsauftrages zu bemühen. Denn dieser verdeutlicht lediglich, dass es auf funktionale Zusammenhänge ankommt, und trägt der im Rundfunk vorherrschenden Dynamik Rechnung292. Auch der Differenzierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwischen Funktion(en) und Grundversorgung ist insgesamt zweifelnd gegenüber zu stehen, zumal sie nicht gerade zu einer genaueren Konturierung des Rundfunksystems und der Aufgabenverteilung beiträgt. Es ist davon auszugehen, dass das Gericht mit dem weitgehenden Verzicht auf den Begriff der Grundversorgung in seiner neueren Rechtsprechung nicht zwingend auf die darunter gefasste inhaltliche Konstruktion verzichtete, sondern lediglich beabsichtigte, den in der allgemeinen Diskussion abgenutzten und politisch verbrannten Begriff der Grundversorgung durch das Abstellen auf die Funktion bzw. Funktionen des (öffentlich-rechtlichen) Rundfunks anders zu umschreiben. (3) Weitere problematische Begriffsabgrenzungen Dass sich allein nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht die Begriffe der Grundversorgung, des klassischen Rundfunkauftrages und der essentiellen Funktionen des Rundfunks nicht klar voneinander abgrenzen und definieren lassen293, verdeutlicht auch Folgendes: So ließe sich in Anbe289 Hesse, Rundfunkrecht, S. 128. Ablehnend gegenüber einer Ersetzung des Grundversorgungsbegriffs durch den Begriff des Funktionsauftrages auch Schwarzkopf, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 2, S. 1148 ff. 290 Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 15. Von einer weitgehenden Überlappung und Durchdringung dieser Begriffe geht auch Libertus, MP 1991, 453, 454, aus, ohne jedoch eine vollständige Kongruenz anzunehmen. 291 Vgl. auch Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 21 Fn. 36. Nach Degenhart, Funktionsauftrag, S. 71, handelt es sich um eine Austauschbarkeit der Begründungen für die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 292 Hierzu Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 55. 293 So auch Kresse, ZUM 1995, 178, 181. Versuche finden sich bei Scheble, Perspektiven der Grundversorgung, S. 31 ff., 237 ff. 13 Lindschau
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tracht dessen, dass der „klassischen Rundfunkauftrag“ das inhaltsbezogene von drei Elementen der Grundversorgung umschreibt, dieser als der Grundversorgung unterfallend und somit engere Begriff ansehen294. Gleichzeitig scheint der „klassische Rundfunkauftrag“ jedoch auch wieder weiter zu sein, da vom Bundesverfassungsgericht für Spartenprogramme festgestellt wurde, diese unterfielen aufgrund ihrer thematischen und Teilnehmerbegrenzung zwar für sich genommen nicht der Grundversorgung, könnten jedoch interessante Beiträge enthalten und dadurch den klassischen Auftrag des Rundfunks wahrnehmen295. Aus diesen auf den ersten Blick nicht ganz widerspruchsfreien Aussagen des Gerichts ließe sich höchstens folgern, der klassische Programmauftrag umfasse alles an vielfältigen Programmen, während die Grundversorgung aus diesem vom klassischen Auftrag umfassten Programmangebot nur einen gewissen Teil, und zwar den, der zur umfassenden Meinungsbildung unerlässlich ist, umfasse. Eine derartige Interpretation würde dann auch mit der Ablehnung eines Grundversorgungsverständnisses als Vollversorgung korrespondieren. Die synonyme Benutzung vom klassischen Rundfunkauftrag und den essentiellen Funktionen296 lässt allerdings wiederum Verwirrung aufkommen. ee) Fortbestehen der gesetzgeberischen Pflicht zur Grundversorgungsgewährleistung Vor dem Hintergrund der infolge der Digitalisierung eröffneten Möglichkeit einer unübersehbaren Vielzahl von Programmen privater Veranstalter auch aus dem Ausland stellt sich die Frage, ob und inwiefern der Gesetzgeber in der heutigen Zeit noch verpflichtet ist, bestimmte Inhalte wie beispielsweise Kultur- und Minderheitensendungen und die Art und Weise ihrer Darbietung als Grundversorgung gesetzlich zu gewährleisten. Möglicherweise entsteht angesichts der Fülle an Programmangeboten bereits durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb ein vielfältiges und auch ausgewogenes Rundfunkprogramm, so dass die Vorstellung, der Gesetzgeber müsse ein derartiges Programm durch gesetzliche Vorgaben sicherstellen, mittlerweile antiquiert und überflüssig ist. Für diesen Fall hätte der Gesetzgeber bei seinem Gestaltungsspielraum künftig diese Begrenzung der Grundversorgungsgewährleistung nicht mehr einzuhalten. Bevor auf die im Grunde genommen zwei wesentlichen Positionen zur Rolle des Wettbewerbs in der Rundfunkordnung eingegangen wird, wird dieser genauer spezifiziert. 294 Scheble, ZUM 1995, 383, 384; ähnlich auch Bethge, MP 1996, 66, 67; Stock, JZ 1993, 234, 238, betrachtet beide Begriffe als einander deckend. 295 BVerfGE 74, 297, 345 f.; vgl. auch Kresse, ZUM 1995, 178, 180. 296 Vgl. BVerfGE 73, 118, 158.
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(1) Ökonomischer und publizistischer Wettbewerb Der Faktor Wettbewerb lässt sich in einen ökonomischen und einen publizistischen Wettbewerb aufspalten. Während der ökonomische Wettbewerb als Regelungsinstrument des allgemeinen täglichen Wirtschaftslebens297 durch ein rivalisierendes, erwerbsorientiertes individuelles Vorteilsstreben gekennzeichnet298 ist, bei dem es in erster Linie um die Erwirtschaftung eines Gewinns geht und wirtschaftliche Aspekte wie Angebot und Nachfrage, Umsätze und Gewinne zum Tragen kommen, geht es beim publizistischen Wettbewerb als Spezifikum des Massenmediums Rundfunk hingegen um meinungsmäßige und inhaltlich-gegenständliche Aspekte299. Angesichts dessen, dass die Finanzierung über Werbeeinnahmen oder Entgelte von den erzielten Einschaltquoten abhängt und sich deren Höhe nach dem Inhalt des Programmangebots richtet, das wiederum u. a. davon abhängt, welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, lassen sich ökonomischer und publizistischer Wettbewerb nicht unabhängig voneinander betrachten. Vielmehr findet häufig eine Vermischung der beiden Elemente statt300. Auch eine Trennung dergestalt, dass der private Rundfunk primär auf den ökonomischen Wettbewerb, der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur auf den publizistischen Wettbewerb ausgerichtet sei, lässt sich sowohl angesichts der aufgezeigten Verbindung zwischen beiden Wettbewerbsarten als auch aufgrund der ebenfalls bestehenden Werbefinanzierung der Rundfunkanstalten nicht vornehmen301. Anders sieht dies das Bundesverfassungsgericht, das mit dem Satz „Marktchancen können eine Frage wirtschaftlicher, nicht aber der Meinungsfreiheit sein“302 publizistischen und ökonomischem Wettbewerb trennte. (2) Befürwortung eines freien Kräftespiels Diejenigen, die sich für einen weitgehend unregulierten, dem freien Spiel der Marktkräfte überlassenen Rundfunk aussprechen, sind der Meinung, infolge ökonomischen Wettbewerbs komme es auch zu publizistischem 297
Wulff, Rundfunkkonzentration, S. 100. Kiefer, MP 1995, 109, 110. 299 Vgl. hierzu Preuss Neudorff, Grundversorgung und Wettbewerb, S. 118 ff. 300 Grundmann, Rundfunkanstalten im Wettbewerb, S. 62 f.; Seemann, DÖV 1987, 844, 849 f.; Stammler, ZUM 1995, 104, 110; in diesem Sinne auch Scholz, AfP 1995, 357, 360; so zumindest auch für den Privatfunk Niepalla, Grundversorgung, S. 98. 301 Diesbezügliche Skepsis findet sich auch bei Marcinkowski, in: Gellner, Neue deutsche Rundfunkordnung, S. 54. 302 BVerfGE 74, 297, 334 f. 298
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Wettbewerb, der unterschiedliche Meinungen und Interessen bediene. Sie halten es für nicht mehr erforderlich, vielfältige Inhalte und Meinungen im Rundfunkprogramm durch gesetzliche Regelungen gesondert aufzugeben, sondern vertrauen darauf, dass sich Vielfalt im freien Wettbewerb durch ein freies Spiel der Kräfte von selbst einstellt303. Der Rundfunk werde mit der Digitalisierung und der damit einhergehenden Programmvervielfachung und Individualisierung zu einem ganz normalen Wirtschaftsgut, dessen Programm sich nach der Nachfrage der Rezipienten richte, und bedürfe fortan keiner speziellen Regulierung mehr. Teilweise wird zwar nicht auf jegliche gesetzliche Regulierung verzichtet304, der Schwerpunkt gesetzlicher Regelungen soll dann jedoch auf Negativ-Regelungen, insbesondere zur Missbrauchsabwehr, liegen, um den Medienmarkt weiterhin offen zu halten. (3) Ablehnung eines freien Kräftespiels aufgrund Marktversagens bei meritorischen Gütern Die andere Position bezweifelt nicht nur das Entstehen eines freien ökonomischen Wettbewerbs im Rundfunk, sondern auch, dass sich einhergehend damit ein publizistischer Wettbewerb entwickele. Sie lehnt ein freies Spiel der Kräfte ab und befürwortet weiterhin eine gesetzliche Verpflichtung zur Grundversorgung305. Nach ihrer Ansicht handelt es sich beim Rundfunk nicht um ein Produkt wie jedes andere, das durch den Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage in adäquater Weise bereitgestellt wird. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Rundfunks für die Meinungs- und Willensbildung und damit für die Demokratie kommen Rund303 Hoppmann, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, passim; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 36 ff., 47; Weisser, ZUM 1997, 877, 881, 885; tendenziell einem freien Spiel der Kräfte nicht ablehnend gegenüber steht Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 104; ders., DVBl 1987, 14, 19; Wissenschaftlicher Beirat beim BMWT, in: BMWT, Gutachten, 16. Bd., S. 2047, 2061, 2075; vgl. auch VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 18, demzufolge sich aufgrund der technischen Entwicklung kaum mehr eine rechtlich haltbare Begründung für eine staatliche Daseinsvorsorge in Form einer Rundfunkgrundversorgung finden lasse. 304 Schmitt Glaeser, AöR 112 (1987), 215, 258; ders., DVBl 1987, 14, 19. 305 Vgl. Bethge, MP 1992, 624; Dumermuth, in: Abele/Fünfgeld/Riva, Werte und Wert, S. 58 ff.; Groß, DVBl 1982, 561, 563; Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/ Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 76 ff.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 87, 102 f.; Scheble, Perspektiven der Grundversorgung, S. 161; Schmitz, DÖV 1968, 683, 686 f.; Voß, MP 1994, 50. Kritisch zur Funktion des Marktes als Vielfaltsgaranten auch Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 62 ff.; Preuss Neudorff, Grundversorgung und Wettbewerb, S. 122 ff. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt fest, der Rundfunk dürfe nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden, BVerfGE 31, 314, 325; 57, 295, 322; 73, 118, 158.
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funkprogrammen über die Befriedigung der Interessen des Einzelnen nach Information, Amüsement und Entspannung hinaus besondere Funktionen für das Gemeinwesen zu. Diesen Gemeinschaftsinteressen könne jedoch durch einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb allein nicht Rechnung getragen werden. Bei den geforderten vielfältigen Programmen und besonders bei Bildungs- und Informationsprogrammen handele es sich um „meritorische Güter“306. Dies sind Güter, deren Produktion und Konsum im Interesse der Gemeinschaft liegen, die jedoch trotz der gesellschaftlichen Wünschbarkeit vom Einzelnen nicht genügend nachgefragt werden, um in ausreichendem Maße vom Wettbewerb bereitgestellt zu werden, so dass bei einem reinem Wettbewerb von einer suboptimalen Versorgung mit diesen Gütern auszugehen ist307. Ursache für diese Konstellation ist zum einen, dass die positiven Wirkungen dieser Güter dem Einzelnen nicht in dem Maße zugute kommen, dass er bereit wäre, dafür einen entsprechenden Gegenwert zu leisten, und zum anderen für den Konsumenten nur schwer absehbar ist, inwieweit ihm der Konsum derartiger Güter tatsächlich einen nennenswerten Nutzen bringt308. Dass die Nachfrage nach Bildungs- und Kultursendungen im Rundfunk gering ist, lässt sich mithin nicht allein darauf zurückführen, dass derartige Sendungen auf kein Interesse bei der Bevölkerung stoßen. In diesem Zusammenhang wird auch von positiven Externalitäten oder von externem Nutzen gesprochen, was bedeutet, dass nutzsteigernde Wirkungen für andere bestehen, die nicht adäquat in die Konsum- bzw. Produktionsentscheidung eingehen309. Übertragen auf den Rundfunkbereich meint dies, dass gewisse Inhalte des Rundfunk der Gesamtgesellschaft nutzen, auch wenn sie nicht von allen Rundfunkteilnehmern rezipiert und dem jeweiligen Rundfunkveranstalter abgegolten werden, dass folglich der Gesamtnutzen bestimmter Programme größer ist als der individuelle Nutzen einzelner Rezipienten310.
306 Vgl. Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 115; Kiefer, in: ZFP, Grundversorgung, S. 43. 307 Vgl. Kiefer, in: ZFP, Grundversorgung, S. 42; dies., MP 1995, 109, 111; Schulz/Held/Kops, ZUM 2001, Sonderheft, 621, 630. 308 Vgl. Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 115 f. Gerade bei Medienprodukten handelt es sich um so genannte Erfahrungsgüter, deren Nutzen erst nach dem Konsum bestimmt werden kann (Sjurts, in: Friedrichsen/Seufert, Effiziente Medienregulierung, S. 75; Schulz/Held/Kops, ZUM 2001, Sonderheft, 621, 630). 309 Kruse, in: Friedrichsen/Seufert, Effiziente Medienregulierung, S. 121. 310 Vgl. Seufert, in: Kohl, Vielfalt im Rundfunk, S. 138 f.; Pethig, in: Kohl, Vielfalt im Rundfunk, S. 38 ff.
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(4) Stellungnahme (a) Situative Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Allein mit Hilfe der Verfassungsrechtsprechung lässt sich die Alternative des freien Spiels der Kräfte anstelle einer gesetzlichen Gewährleistung einer Rundfunkgrundversorgung nicht einfach verwerfen – jedenfalls nicht, wenn man mit der ersten Ansicht davon ausgeht, ein „echter Markt“ sei mittlerweile auch beim privaten Rundfunk erreicht. Denn das Gericht äußert sich nicht generell-abstrakt, sondern situationsabhängig zur Möglichkeit eines freien Kräftespiels und macht bei seiner Absage an freie Marktkräfte gerade das Fehlen dieses Marktes zur Vorbedingung seiner Annahme. So führt es aus, von einem Zustand wie bei der Presse, wo es zur Sicherstellung umfassender Information und Meinungsbildung grundsätzlich genüge, Bestehendes zu gewährleisten, sei auf dem Rundfunkgebiet „zumindest vorerst“ nicht auszugehen311, und stellt wenig später erneut fest, „bei dieser Sachlage“ dürfe der Rundfunk nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden312. Man könne die Entwicklung nicht den Kräften des Marktes anvertrauen, zumal „mit einem echten ‚Markt‘ auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden kann“313. Damit verneint es wirtschaftliche Marktkräfte anstelle rechtlicher Sicherungen nur solange, wie es sich beim Rundfunk noch nicht um einen echten Markt handele. Gewisse Zweifel des Gerichts daran, dass es jemals dazu kommen werde, lassen sich jedoch bereits der Formulierung entnehmen, es sei „ungewiß“, ob bei einer Behebung der technisch-finanziellen Sondersituation „im Gesamtprogramm . . . alle oder wenigstens ein nennenswerter Teil der gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen auch tatsächlich zu Wort kommen, ob mithin ein ‚Meinungsmarkt‘ entsteht, auf dem die Vielfalt der Meinungsrichtungen unverkürzt zum Ausdruck gelangt“314. (b) Besonderheiten des „Rundfunkmarktes“ Im Folgenden ist zu untersuchen, ob es sich beim „Rundfunkmarkt“ um einen normalen Produktmarkt handelt oder ob hier Anomalien auftreten, die 311
BVerfGE 57, 295, 323. BVerfGE 57, 295, 323. 313 BVerfGE 73, 118, 158. 314 BVerfGE 57, 295, 323. Kritisch zum Begriff des Meinungsmarktes und einem sich selbst steuernden Meinungswettbewerbs im wirtschaftlichen Sinne vor dem Hintergrund, dass bereits eine Nachfrage nach Meinungen fraglich erscheint und Meinungen nicht im Tausch gegen ein anderes Gut erworben, sondern lediglich abgegeben werden Engel, AfP 1994, 185, 188; ders., Medienordnungsrecht, S. 49. Zum Konzept des Meinungswettbewerbs Hoppmann, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, S. 175 ff. 312
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eine gesetzliche Regelung zur Gewährleistung vielfältiger Inhalte in Bezug auf Gegenstände und Meinungen weiterhin erfordern. Im Bereich des Rundfunks gilt zunächst einmal die Besonderheit, dass es sich bei Fernseh- und Hörfunkprogrammen um Güter handelt, deren Produktionskosten von der Größe der Nachfrage, d. h. von der Zahl der Zuschauer, unbeeinflussbar sind315. Der Fixkostenanteil ist sehr hoch, die variablen Kosten tendieren in Richtung Null316. Um folglich Gewinne zu erwirtschaften und rentabel zu arbeiten, sind Rundfunkunternehmen gerade im kostspieligen und risikoreichen Fernsehgeschäft dazu gezwungen, für gegebene Programmkosten das größtmögliche Publikum oder aber ein möglichst zahlungskräftiges und -williges Publikum zu erreichen. Die Nachfrage nach den produzierten Programmen muss also besonders groß oder aber besonders intensiv sein. Dies gilt sowohl im Fall der direkten Zuschauerfinanzierung mittels Pay-TV, da dort die Einnahmen mit der Anzahl und Zahlungsfähigkeit wie auch -bereitschaft der Abonnenten steigen, als auch bei einer Finanzierung über Werbeeinnahmen, da dort die Werbezeit regelmäßig in Form von Tausenderkontaktpreisen317 vergütet wird, aber auch die Art der erreichten potentiellen Konsumenten miteinbezogen wird318. In Anbetracht dessen, dass Unternehmen zu ihrer Fortexistenz zumindest kostendeckend arbeiten müssen, steht für sie, selbst wenn sie nicht nach maximalem Gewinn streben, der ökonomische Wettbewerb im Vordergrund. Erst bei Wirtschaftlichkeit ihrer Tätigkeit wird es ihnen im Idealfall auf den publizistischen Wettbewerb und damit auf die Herstellung einer möglichst breiten Inhaltspalette im Interesse der Rezipienten und der dahinter stehenden Gemeinschaftsinteressen ankommen. Programmangebote, die keine werbewirksamen Einschaltquoten erzielen, werden von kommerziellen Rundfunkanbietern wenn überhaupt nur in Ausnahmefällen produziert bzw. ausgestrahlt werden, und dies auch nur dann, wenn dies die allgemeine Ertragslage zulässt. (c) Nachfrageabhängigkeit Angebote auf dem publizistischen Markt richten sich demzufolge nach der Nachfrage auf dem ökonomischen Markt319, so dass vorliegende publi315
Hesse, Rundfunkrecht, S. 245; Engels u. a., Mehr Markt, S. 10. Vgl. Sjurts, in: Friedrichsen/Seufert, Effiziente Medienregulierung, S. 76. 317 Preis, den Werbekunden für tausend Personen zahlen müssen, die zur Sendezeit ihrer Werbung zusehen (Prokop, in: Klingler/Roters/Zöllner, Fernsehforschung, Teilbd. 2, S. 958). 318 Vgl. Donges, Rundfunkpolitik, S. 158 m. w. N.; Prokop, in: Klingler/Roters/ Zöllner, Fernsehforschung, Teilbd. 2, S. 958. 319 Donges, Rundfunkpolitik, S. 168. 316
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zistische Interessen nicht bedient werden, wenn diesen nicht zugleich ökonomische Interessen zur Seite stehen. D. h. Minderheitenprogramme werden nur produziert und gesendet, wenn die jeweilige Minderheit entsprechend zahlungskräftig in Bezug auf das Programm (bei Entgeltfinanzierung) oder bestimmte beworbene Produkte (bei Finanzierung über Werbung) erscheint oder aber mit anderen massenattraktiven Programmen so viel Gewinn erzielt wird, dass der privat-kommerzielle Rundfunkveranstalter es sich leisten kann, auch Minderheitsinteressen in Ansätzen zu befriedigen. Kleine Gruppen mit intensiven speziellen Interessen, die nur von kleinen Konsumentengruppen mit nicht überproportional hoher, sondern eher geringer Kaufkraft nachgefragt werden, bleiben tendenziell unberücksichtigt320. Der ökonomische Wettbewerb führt zu einer nur selektiven Bedienung publizistischer Bedürfnisse321; es kommt im Wesentlichen zu einer Vermehrung jener Programmsparten, die die größtmögliche Zuschauerzahl bzw. Zielgruppenausschöpfung in Aussicht stellen322. Dass publizistische Bedürfnisse der Rezipienten nur bedient werden, sofern es sich wirtschaftlich lohnt, ist zwar ein Grundsatz, der auch bei anderen Wirtschaftsgütern des täglichen Lebens Anwendung findet, in denen deshalb keine staatlichen Interventionen erwogen und beispielsweise öffentlich-rechtliche Strukturen als Auffangmechanismen bereitgestellt werden – allerdings handelt es sich beim Rundfunk nicht um ein Produkt wie jedes andere. Aufgrund der ihm zukommenden besonderen Bedeutung für die Meinungsbildung der Bevölkerung und damit für die Demokratie und Integration sind Angebotsdefizite in diesem Bereich schwerwiegender als anderswo. Der Einwand, angesichts des Meinungsspektrums in der Bevölkerung sei Meinungskonzentration kein ökonomisch sinnvolles Verhalten für Wettbewerber auf dem Medienmarkt, so dass diese ihr Programm diversifizieren würden, um möglichst viele Rezipienten an sich zu binden323, beachtet die beschriebenen Zusammenhänge nicht ausreichend. Zudem wird damit übersehen, dass zum einen angesichts der Fokussierung auf Massen wenn überhaupt nur eine Vielfalt dahingehend entstehen würde, die von Großteilen der Bevölkerung getragenen Meinungen und Wünsche zum Ausdruck zu bringen324, nicht jedoch diejenigen von Minderheiten, und zum 320 Vgl. hierzu Kiefer, MP 1995, 109, 111; Stammler, ZUM 1995, 104, 110; Wiechers, Markt und Macht, S. 130. 321 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 79. 322 Groebel u. a., in: Hamm, Bericht zur Lage des Fernsehens, S. 38. 323 Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 41 f.; vgl. Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 128 f.; Kull, AfP 1987, 365, 366. 324 Ebenso Niepalla, Grundversorgung, S. 57; Wiechers, Markt und Macht, S. 129 f.
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anderen die wahrscheinlichere Möglichkeit in der Wahrung von Neutralität liegt325, um so wenig Rezipienten und damit finanzielle Mittel wie möglich zu verlieren. (d) Nachfragebesonderheiten des Gutes Rundfunk Vielfalt wird durch den Wettbewerb mehrerer voneinander unabhängiger Medienunternehmen nur insoweit hervorgebracht werden, wie der individuelle Nutzen dieser Vielfalt für die Verbraucher, ausgedrückt in ihrer Zahlungsbereitschaft, die Produktionskosten dieser Vielfalt übersteigt. Gerade dieser Nutzen lässt sich besonders bei Bildungs- und Kulturprogrammen, wie zu Recht im Zusammenhang mit der Theorie der meritorischen Güter ausgeführt wird, für den einzelnen Rezipienten im Voraus nur schwer feststellen. Auch kann er die langfristigen Vorteile, die sich aus dem Konsum derartiger Güter nicht nur für seinen Meinungsbildungsprozess und kulturellen Horizont, sondern auch für die gesamte Gesellschaft ergeben, nicht genau ersehen. Dem Angebot an Nachrichten-, Informations-, Kultur-, Kinderund Jugendsendungen steht mithin nicht immer eine gleichermaßen hohe Nachfrage gegenüber326. Tatsächlich geht der Ertrag derartiger Güter über die Befriedigung einzelner Interessen hinaus, da die Summe umfassend und vielfältig informierter Bürger in einem auf deren Entscheidungen aufbauenden demokratischen Staat wesensnotwendig ist und auch ein Konsens über Grundwerte nicht allein durch entspannende und unterhaltende Programme herbeigeführt wird. Vielmehr bedarf es hierzu einer kritischen Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten und deren Hintergründen, die sich von der politischen bis zur kulturellen Ebene erstreckt. Der Auffassung, marktwirtschaftliche Strukturen begünstigten die Meinungsvielfalt327, kann daher nicht zugestimmt werden328. Die Rückkopplung an den Rezipientenwillen allein stellt noch keine Gewähr für meinungsmäßige und gegenständliche Vielfalt dar. Eine Abkehr von der bisherigen gesetzlich zu gewährleistenden Grundversorgungsdoktrin zugunsten eines weitgehend freien Wettbewerbs ist somit nicht zu veranlassen. Da ein freier Wettbewerb im Bereich des Rundfunks nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt, ist es müßig zu argumentieren, aus ökonomischer Sicht sei ein staatliches Tätigwerden erst dann legitimiert, wenn die geforderten Leistungen nicht durch die Kräfte des Marktes erbracht werden können. 325 Kritisch ebenfalls Hoffmann-Riem, in: Weiß, Aufgaben und Perspektiven, S. 34; hierzu auch Ricker, epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 35 v. 08.05.1996, 5, 6. 326 Vgl. hierzu näher Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 29; Hasebrink, Fernsehen in neuen Medienumgebungen, S. 44 f. 327 Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 39. 328 So insgesamt auch Grimm, in: Haungs u. a.: Civitas, S. 685 ff.
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(e) Bereitstellung meritorischer Güter zum freiwilligen Gebrauch Auch die Argumentation, die gesetzlich zu sichernde Grundversorgung sei ein „Stück bevormundender Pädagogik“329 oder „staatliche Zwangsfürsorge“330, vermag daran nichts zu ändern. Denn mit der Konzeption einer gesetzlich gewährleisteten Grundversorgung wird nicht verkannt, dass es sich bei den Rezipienten um mündige Bürger handelt, die selbst bestimmen, was sie sehen bzw. hören, da keine Abnahmepflicht und kein Zwang besteht, sich Grundversorgungsprogramme anzusehen oder anzuhören331. Vielmehr wird lediglich die Möglichkeit hierzu offen gehalten332. Allein das Bestehen eines Angebots an meritorischen Gütern trägt dazu bei, dass die angestrebten Voraussetzungen einer funktionierenden freiheitlichen Demokratie verwirklicht werden können. Gezwungen, von diesem Angebot auch tatsächlich Gebrauch zu machen, wird hingegen niemand. Von einer „Zwangsbeglückung“ kann insofern keine Rede sein. Wenn angeführt wird, nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bestehe eine „Freiheitsvermutung“ (in dubio pro libertate), und gerade diese Vermutung verlange im Falle der Ungewissheit, wie sich der Rundfunk in völliger Freiheit verhalten würde, sich dem Experiment zu stellen333, dann müssen diese besonderen Werte, die auf dem Spiel stehen, und das Ausmaß des Risikos, dass diesen Werten Schaden zugefügt wird, berücksichtigt werden und bedacht werden, dass sich Entwicklungen in die falsche Richtung auf diesem Gebiet nur schwer korrigieren lassen. (f) Folgerung Ein freies Spiel der Kräfte wurde bereits bei den Anfängen des Rundfunks von Amateuren und Fabrikanten gefordert, fand jedoch mit Blick auf die USA, wo es infolge der ungeregelten Anfänge des Rundfunks zu einem Wellenchaos kam334, keine Zustimmung. Der Wiederholung der damaligen Forderung ist auch in der heutigen Zeit mit Ablehnung zu begegnen. Die mit einem freien Kräftespiel im Rundfunk einhergehenden Befürchtungen gründen sich mittlerweile zwar nicht mehr auf das Entstehen eines Wellenchaos, stützen sich aber auf entstehende Gefahren für die Meinungsvielfalt, 329
Stürner, AfP 2002, 283, 289; vgl. auch Meier, ZUM 1997, 249, 253. Vgl. Zuck, NJW 1995, 1331, 1332. 331 BVerwG NJW 1999, 2454, 2456; vgl. auch Grimm, RuF 1987, 25, 35. 332 Vgl. auch Grimm, in: Haungs u. a., Civitas, S. 688: Das Ziel ist nicht eine Bevormundung der Rezipienten, sondern gerade umgekehrt ein reichhaltiges Angebot, das . . . jedem die Möglichkeit gibt, eine Auswahl zu treffen, die seinen Bedürfnissen entspricht. Allgemein auch Rossen-Stadtfeld, M&K 2002, 481, 495. 333 v. Pestalozza, NJW 1981, 2158, 2163. 334 Siehe unter 1. Teil B. I. 1. 330
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bedingt durch die Besonderheiten des Rundfunkmarktes, die nicht erwarten lassen, dass sich Vielfalt von selbst einstellt. Unter der Prämisse, ein kulturelles Angebot von Information, Bildung und Unterhaltung als Hilfe für die Orientierung, als Faktor der freien Meinungsbildung und der kulturellen Entfaltung werde auch weiterhin benötigt335, ist die Rolle des Staates als Wächter des pluralen Angebots im Rundfunk auch im Zeitalter der Digitalisierung nicht überholt. Einer Steuerung durch den Markt ist eine Absage zu erteilen, so dass es bei einer rechtlichen statt wirtschaftlichen Lenkung des Rundfunks bleibt. Mithin ist die Gewährleistung einer Grundversorgung im Rundfunk durch gesetzliche Regelungen auch im Zeitalter nahezu unbegrenzter Übertragungswege erforderlich. ff) Adressat der Gewährleistung der Grundversorgung Nachdem geklärt wurde, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung auch weiterhin die besondere Grenze der Grundversorgung zu beachten hat, ist im Folgenden anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu analysieren, wem die Grundversorgung überhaupt aufgegeben ist, ob ihre Gewährleistung strikt an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gebunden ist oder ob sie so systemneutral formuliert ist, dass auch dem privaten Rundfunk die Erbringung und Gewährleistung der Grundversorgung prinzipiell offen steht. Würde das Bundesverfassungsgericht nur den Rundfunkanstalten die noch immer als wichtig erachtete Aufgabe der Grundversorgung zugestehen, so stünde dies einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks trotz des festgestellten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung entgegen. Die Gewährleistung der Grundversorgung würde somit der gesetzgeberischen Entscheidung für ein rein privates Rundfunksystem eine unüberwindbare Grenze entgegensetzen. Über die Aufgabe der Grundversorgung wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk dann mittelbar doch verfassungsrechtlich garantiert. (1) Ablehnung einer Übertragbarkeit der Grundversorgungsaufgabe Ein Teil der Literatur lehnt eine Privatisierbarkeit der Grundversorgung dergestalt, dass auch der private Rundfunk auf sie verpflichtet werden könne, ab336. Dabei lassen sich mehrere Argumentationsstränge ausmachen: 335 Vgl. auch Wittig-Terhardt, forum medienethik 1/1996, 18, 24; Stock, MP 1991, 133, 136.
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So wird die unerlässliche Grundversorgung zum einen für eine Pflichtaufgabe allein des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehalten und als „wesensmäßig öffentlich-rechtlich“ bezeichnet337. Bereits von daher verbiete sich eine Grundversorgung durch Private. Zum anderen seien private Rundfunkveranstalter aufgrund ihrer ihnen aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zustehenden Programmautonomie zwar berechtigt, Programme mit Grundversorgungscharakter zu veranstalten338, sie könnten derartige Programme aufgrund gerade dieser Programmautonomie aber wieder einstellen339. Zur Grundversorgung gehöre nicht nur ihre tatsächliche Erbringung, sondern auch ihre Gewährleistung. Eine gesetzliche Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter zur Grundversorgung sei aber verfassungswidrig340. Insgesamt wird es abgelehnt, der bedeutsamen Aussage des Bundesverfassungsgerichts zur Grundversorgung „Solange und soweit der öffentlichrechtliche Rundfunk die Wahrnehmung der Grundversorgung wirksam sicherstellt, werden an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk geringere Anforderungen gestellt“341 einen Umkehrschluss dergestalt zu entnehmen, öffentlich-rechtlicher Rundfunk habe nur solange die Grundversorgung sicherzustellen und sei hierüber nur noch so lange legitimiert, wie privatem Rundfunk die zugeschriebenen Defizite anhafteten342. (2) Stellungnahme (a) These der „neutralen“ Grundversorgung Die Einordnung der Grundversorgung als Spezifikum des öffentlichrechtlichen Rundfunks wird im Wesentlichen damit begründet, dass sich in 336 Bethge, ZUM 1991, 337, 339; Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 107; Hesse, Rundfunkrecht, S. 127 f.; Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 194. 337 Bethge, MP 1992, 624; ders., ZUM 1995, Sonderheft, 514; ders., MP 1996, 66, 67; a. A. Grawert, AfP 1986, 277, 280; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 97 f.; vgl. auch Kull, AfP 1991, 716, 718. 338 Vgl. BVerfGE 74, 297, 326, derzufolge Grundversorgungsprogramme oder -sendungen nicht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorbehalten werden könnten. 339 Hesse, BayVBl 1997, 132, 139; Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 47; Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 194; Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 18. 340 Bethge, MP 1992, 624. 341 BVerfGE 74, 297, 325; vgl. auch BVerfGE 73, 118, 158 f.; 83, 238, 297, 316; 90, 60, 90 f. 342 Vgl. Bethge, ZUM 1991, 337, 339; Hoffmann-Riem, in: Jarren, Medienwandel – Gesellschaftswandel, S. 30; vgl. auch Berg, AfP 1987, 457, 460; kritisch Stock, MP 1991, 133, 136.
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der Grundversorgungskonzeption die gleichen Bewertungsmuster bündeln, die Anlass zur Betonung der Treuhandfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks waren, also die Substanz der Grundversorgung allein aus der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewonnen wird343. Zwar ist nicht abzustreiten, dass die Inhalte der Grundversorgung größtenteils mit den zuvor dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugedachten Funktionen übereinstimmen, allerdings lässt sich daraus nicht zwingend die Schlussfolgerung ableiten, die Grundversorgung sei vom Bundesverfassungsgericht allein dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugedacht worden. Angesichts der Offenheit des Grundgesetzes in Bezug auf ein Rundfunksystem und der immer wieder betonten Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers für ein Rundfunkmodell bietet sich folgende Überlegung an: Möglicherweise wollte das Bundesverfassungsgericht angesichts des heraufziehenden privaten Rundfunks und der damit absehbaren Änderungen im Rundfunkbereich die bisher dem monopolartig vorherrschenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugeschriebenen Funktionen aus seiner spezifischen Organisationsform herauslösen und sie – gewissermaßen „neutral“ – unter dem Begriff der „Grundversorgung“ verorten, um so der festgestellten Offenheit des Grundgesetzes im Hinblick auf die Organisation des Rundfunks weiterhin Rechnung tragen zu können und zukünftig den Gesetzgeber zum einen nicht allein an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu binden, aber zum anderen zugleich eine Rundfunkversorgung der Bevölkerung im bisherigen Maße sicherzustellen. Ob diese Überlegung zutreffend ist oder ob es sich bei der Grundversorgung tatsächlich um eine Pflichtaufgabe allein des öffentlich-rechtlichen Rundfunks handelt, ist anhand der relevanten Entscheidungspassagen des Bundesverfassungsgerichts im Folgenden genauer zu untersuchen. (b) Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Übertragbarkeit der Grundversorgung (aa) Schlussfolgerung aus den Ausführungen zur Grundversorgung im regionalen und lokalen Rundfunkbereich Zum Teil wird bereits den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, im Bereich des Regional- und Lokalfunks bedürfe es keines über das Programmangebot privater Veranstalter wesentlich hinausgehenden Grundversorgungsangebots der Landesrundfunkanstalten344, die Aussage entnommen, 343 344
Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 41, 43 f. Vgl. BVerfGE 74, 297, 327.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
eine Grundversorgung sei dort bereits durch das Programmangebot privater Veranstalter sichergestellt345. Gesetzt den Fall, eine derartige Interpretation wäre zutreffend, ließe sich dies als eindeutiger Beweis für eine Übertragbarkeit der Grundversorgung auch auf private Veranstalter aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts anführen. Betrachtet man die in Rede stehende Entscheidungspassage allerdings genauer, erscheint die Folgerung einer Grundversorgungserbringung privater Veranstalter im regionalen und lokalen Bereich zweifelhaft. So führt das Gericht aus, „eine zu der landes- oder bundesweiten Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinzutretende eigene Grundversorgung für diesen [scil. regionalen und lokalen] Bereich [sei] nicht eindeutig geboten. Denn die Zahl möglicher Themenstellungen für spezifisch regionale und lokale Sendungen dürfte kaum hinreichen, insoweit die Notwendigkeit eines über das Programmangebot privater Veranstalter wesentlich hinausgehenden breiten und vollständigen Angebots der Landesrundfunkanstalten zu begründen. Auch könnten weder private noch öffentlich-rechtliche Regional- und Lokalprogramme ihre Sendungen ganztägig mit Gegenständen von spezifisch-regionalem oder lokalem Bezug bestreiten; sie dürften sich ohnehin auf einige Stunden am Tag beschränken.“346 Angesichts dessen, dass das Gericht die Zahl möglicher Themenstellungen für spezifisch regionale oder lokale Sendungen als gering einstuft, erscheint es wahrscheinlicher, dass das Gericht davon ausgeht, anstelle einer eigenen Grundversorgung für diesen Bereich könne die geringere Bandbreite auch durch das infolge seiner Werbefinanzierung defizitäre private Programm ersatzweise abgedeckt werden347. Hinzu treten Unstimmigkeiten348, wenn das Gericht eine wirksame Sicherstellung der Berücksichtigung der bestehenden Meinungsvielfalt des jeweiligen engeren räumlichen Bereichs verlangt, und um dies zu erreichen eine Grundversorgung durch die Landesrundfunkanstalten dann für geboten hält, wenn gleichgewichtige Meinungsvielfalt im regionalen und lokalen Rundfunk nicht bereits durch die gesetzliche Ordnung des privaten Rundfunks gleich wirksam sichergestellt wäre. Gerade diese Begriffspaarbildung der gesamten Entscheidungspassage „gleichgewichtiger Vielfalt“ beim privaten Rundfunk und „Grundversorgung“ beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt – abgesehen von der hieran zu übenden Kritik, dass gleichgewichtige Meinungsvielfalt nur das letzte der drei 345 So Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 58; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 55; Ory, AfP 1991, 402, 403; Starck, NJW 1992, 3257, 3259; vgl. auch Seemann, DÖV 1987, 844, 847. 346 BVerfGE 74, 297, 327. 347 Hierzu auch Niepalla, Grundversorgung, S. 130 ff. 348 Vgl. auch Niepalla, Grundversorgung, S. 129; Wilhelmi, Verfassungsrechtliche Probleme, S. 142 f.
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Grundversorgungselemente (technik-, inhalts- und vielfaltsbezogenes Element) darstellt und selbst dieses (vom zweiten Element eines inhaltlichen Standards ganz zu schweigen) angesichts der sonst vom Gericht angenommenen finanzierungsbedingten Defizite nicht unproblematisch bejaht werden kann – dass das Gericht sich zum Zeitpunkt der Entscheidung davor scheute, privatem Rundfunk (und sei es auch nur in dem engeren Regional-/Lokalbereich) ausdrücklich die Erbringung von Grundversorgungsleistungen zuzuerkennen. Darüber hinaus erscheint die Einschätzung des Gerichts, im regionalen und lokalen Rundfunk sei eine Grundversorgung nicht eindeutig geboten, aus verschiedenen Gründen bedenklich349. Insgesamt kann mithin allein aus dieser Entscheidungspassage noch nicht auf eine Übertragbarkeit der Grundversorgung geschlossen werden. (bb) Schlussfolgerung aus dem Situativcharakter anderer Entscheidungspassagen Betrachtet man Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts, wie z. B. die von der Grundversorgung umfassten Funktionen seien „nach Lage der Dinge in erster Linie als solche der öffentlich-rechtlichen Anstalten“ anzusehen350, „unter dieser Bedingung [verwiesen wird zuvor auf die vierte Rundfunkentscheidung, in der es um die Defizite privater Veranstalter ging] . . . obliegt die . . . Grundversorgung der Bevölkerung den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten“351 oder aber die Aussage, „unter den gegenwärtigen Bedingungen“ setze die Erfüllung der Anforderung gleichgewichtiger Vielfalt im Rundfunk voraus, dass die unerlässliche Grundversorgung vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erbracht werde352, so wird deutlich, dass die Rechtsprechung auch in Bezug auf die Grundversorgung einen stark situativen Charakter aufweist353. Wenn das Gericht formuliert, angesichts der „noch immer“ beschränkten Reichweite, programmlichen Vielfalt und Breite des privaten Rundfunks sei der Gesetzgeber verpflichtet, die Grundversorgung durch die Gewährleistung der erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sichern354, zeigt sich, dass das Gericht die 349 Vgl. mit insoweit zutreffenden Argumenten Niepalla, Grundversorgung, S. 133 ff.; Wilhelmi, Verfassungsrechtliche Probleme, S. 143 ff. 350 BVerfGE 73, 118, 158. 351 BVerfGE 83, 238, 299. 352 Vgl. BVerfGE 89, 144, 153. 353 Vgl. generell zum situativen Charakter der Verfassungsrechtsprechung im Rundfunkbereich 1. Teil D. VII. 1. 354 BVerfGE 83, 238, 298.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Aufgabe der Grundversorgung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk deswegen zuordnet, weil zum Zeitpunkt der ersten die Grundversorgung betreffenden Entscheidungen den privaten Sendern in der Anfangsphase noch keine genügend große Sendereichweite zukam, und – worauf besonders in den letzten Entscheidungen allein Bezug genommen wurde – Meinungsund vor allem gegenständliche Vielfalt aufgrund der einschaltquotenorientierten Werbefinanzierung nicht erwartet wurde. Dass das Gericht vorrangig den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Gewährleistung der Grundversorgung heranzieht355, beruht mithin nicht auf rechtlichen, sondern auf faktischen Gründen356. Das Bundesverfassungsgericht spricht davon, mit dem Begriff der Grundversorgung habe es „Aufgaben des Rundfunks“ umschrieben, deren Wahrnehmung „jedenfalls“ durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sichergestellt werden sein müssen357. Die „jedenfalls“-Einschränkung, die auch in dem Satzsegment „mit der Grundversorgungsaufgabe, die der öffentlichrechtliche Rundfunk, jedenfalls unter den gegenwärtigen Bedingungen, im dualen System hat“358 auftaucht, verdeutlicht, dass das Gericht die Sicherstellung der Grundversorgung prinzipiell dem Rundfunk allgemein, d. h. ohne Rücksicht auf eine bestimmte Veranstalterform, aufgibt, allerdings zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidungen davon ausging, aufgrund der dem privaten Rundfunk zugeschriebenen Defizite359 sei zunächst nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk imstande, den mit dem Begriff der Grundversorgung geforderten Standards zu genügen360. Hiermit deckt sich auch die Aussage, Grundversorgung sei keine Grenzziehung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk361. (cc) Befund Insgesamt lässt sich nach Analyse der Rechtsprechung feststellen, auch das Bundesverfassungsgericht hält eine Grundversorgung durch private 355
BVerfGE 73, 118, 157 f.; 74, 297, 324 ff., 322. Grawert, AfP 1986, 277, 280; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 98; vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 238e; Ricker/ Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 332. 357 BVerfGE 74, 297, 325. 358 BVerfGE 83, 238, 311; vgl. auch BVerfGE 73, 118, 158 f.; 83, 238, 316. 359 BVerfGE 73, 118, 155 f.; 83, 238, 311; 87, 181, 199; 90, 60, 90 f. 360 Auch Schmitt Glaeser, AöR 112 (1987), 215, 258, hielt zum damaligen Zeitpunkt „bis auf weiteres“ die Grundversorgung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk für besser aufgehoben. 361 BVerfGE 74, 297, 326; 83, 238, 297 f.; vgl. hierzu auch Schmitt Glaeser, DÖV 1987, 837, 839. 356
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Rundfunkveranstalter immerhin für möglich und nicht von vornherein für völlig undenkbar362. Die Wahrnehmung der Grundversorgung ist nicht verfassungsrechtlich zwingend dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugewiesen363. Auch die vielfach angegriffene Passage der fünften Rundfunkentscheidung364, derzufolge der Bestand der zum Zeitpunkt der vierten Entscheidung verbreiteten öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme der unerlässlichen Grundversorgung zuzurechnen sei365, steht angesichts des herausgearbeiteten situativen Verständnisses des Bundesverfassungsgerichts diesem Ergebnis nicht entgegen. Betrachtet man die Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff der Funktion, so fällt auf, dass häufig nur von der bzw. den Funktionen des Rundfunks, also gewissermaßen neutral, d. h. ohne den Zusatz „öffentlich-rechtlich“, die Rede ist366. Hieraus lässt sich sowohl für den Fall der Synonymität beider Begriffe als auch für den Fall der Einordnung der Grundversorgung als Element eines Funktionsauftrages ebenfalls ein Hinweis darauf ableiten, dass das Gericht von einer Übertragbarkeit der Grundversorgung ausgeht. Wenn Bethge als einer der schärfsten Verfechter der Ansicht, die Grundversorgung sei nicht übertragbar, ausführt, nach den Grunddaten aus Karlsruhe sei die Grundversorgung weder transitorischen Charakters noch sonst in irgendeiner Weise privatisierbar367, so ist dem angesichts der gefundenen Tendenz des Gerichts, seine Aussagen zur Grundversorgungszuordnung nicht auf die Ewigkeit auszulegen, sondern sie unter den Vorbehalt der momentanen Lage zu stellen, um sich so für den Fall der Weiterentwicklung des dualen Systems alle Entscheidungsmöglichkeiten offen zu halten und flexibel agieren zu können, zu widersprechen. Mithin lassen sich die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen eine alleinige Zuordnung der Grundversorgung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk anführen, sondern deuten auf eine Übertragbarkeit der Grundversorgung hin.
362 Ebenso Ory, AfP 1991, 402, 403; ders., AfP 1995, 383, 386; Ricker, 1988, 453, 454; ders., epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 35 v. 08.05.1996, Selmer/Gersdorf, DVBl 1992, 79, 80. 363 Niepalla, Grundversorgung, S. 86; Storr, K&R 2002, 464, 465; vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 238a. 364 Siehe 1. Teil D. V. 6. a). 365 BVerfGE 74, 297, 326. 366 Vgl. BVerfGE 73, 118, 157 f.; 83, 238, 299; 87, 181, 199, 204; anders dings BVerfGE 87, 181, 198, 203; 90, 60, 90 ff. 367 Bethge, ZUM 1995, Sonderheft, 514. 14 Lindschau
NJW 5, 6; auch
aller-
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
(c) Verhältnisbestimmung im Sinne funktionaler Akzessorietät Im Kontext dieser Ausführungen lässt sich nun auch die Beziehung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk in der dualen Rundfunkordnung genauer feststellen. Deren Verhältnis erschließt sich, hält man sich Folgendes vor Augen: Die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dient dem Ziel der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Hierzu bedarf es einer in Bezug auf Meinungen und Inhalte gleichgewichtig vielfältigen und umfassenden Rundfunkberichterstattung, die der Staat zu gewährleisten hat. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, entschied sich der Gesetzgeber auch aufgrund der damaligen technisch-finanziellen Sondersituation für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, denen er mit dem Auftrag zur Grundversorgung aufgab, nahezu alle Bürger mit ausgewogenen und vielfältigen Programmen zu versorgen. Der im Zuge des technischen Fortschritts möglich werdende private Rundfunk konnte aufgrund seiner strukturellen Defizite die hohen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu Beginn nicht erfüllen und wäre von daher prinzipiell nicht zulässig gewesen. Dadurch, dass jedoch bereits der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen grundversorgenden Programmen den wichtigen Funktionen des Rundfunks im Hinblick auf die Meinungsbildung Rechnung trug, konnten an private Rundfunkveranstalter geringere Anforderungen gestellt werden und diese zugelassen werden368. Dreh- und Angelpunkt der deutschen Rundfunkordnung ist mithin die Sicherstellung einer Rundfunkgrundversorgung. Auf ihr – nicht auf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk – baut die Konstruktion eines dualen, aus öffentlich-rechtlichen und privaten Elementen bestehenden Systems auf, und so ist das Augenmerk auf die Erbringung und Gewährleistung der Grundversorgung zu richten. Mithin hängt der private Rundfunk in seiner derzeitigen Form mit abgeschwächten Vielfaltsanforderungen nicht von der reinen Existenz öffentlichrechtlichen Rundfunks369 ab, sondern davon, dass die Rundfunkanstalten der ihnen zu Beginn zugedachten Grundversorgungsaufgabe ordnungsgemäß nachkommen. Solange dies der Fall ist, kann der private Rundfunk von den umfassenden Anforderungen bezüglich Vielfalt und Ausgewogenheit entlastet370 und lediglich auf einen Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt ver368 Vgl. auch Niepalla, Grundversorgung, S. 95: Grundversorgung durch Rundfunkanstalten als „conditio sine qua non“ für privaten Rundfunk mit geringeren Anforderungen; Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 172. 369 So aber Bethge, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 117; Fuhr, ZUM 1987, 145, 150.
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pflichtet werden, wodurch ihm überhaupt erst der kommerziell lohnende Betrieb ermöglicht wird371. Gesetzt den Fall, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stellen – aus welchen Gründen auch immer – die Grundversorgung nicht mehr sicher, sind die zuvor reduzierten Anforderungen an den privaten Rundfunk im Hinblick auf das Normziel des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht mehr tolerierbar und in der Folge anzuheben372. Der Begriff der „funktionalen Akzessorietät“373 – allerdings vorliegend im Sinne einer Abhängigkeit des privaten Rundfunks vom Funktionieren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verstehen – passt insofern besser als der des „einseitig akzessorischen Modells“374 oder der noch drastischere Begriff einer „hinkende[n] duale[n] Ordnung“375, als mit ersterem deutlicher wird, dass das Verhältnis von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk von der Funktionserfüllung, der Erbringung von Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geprägt ist. Wird die Konzeption des Bundesverfassungsgerichts des dualen Systems zweier miteinander verbundener Säulen kritisiert, da die eine (öffentlichrechtliche) Säule als viel stabiler angesehen werde und die andere (private) Säule an diese stabilere Säule gebunden sei und eine Umkehrung dieses Konzeptes nach der Rechtsprechung nicht möglich sei, so dass es sich eher um eine asymmetrische Systemrelation handele376, wird verkannt, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Zeitpunkt der jeweiligen Urteile die größere Fähigkeit zur Grundversorgungsleistung zuspricht, gleichwohl jedoch ein Erstarken des privaten Rundfunks prinzipiell für möglich gehalten wird. 370 So auch Degenhart, ZUM 1988, 47, 48 Fn. 31; Dörr, in: Abele/Fünfgeld/ Riva, Werte und Wert, S. 142; Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 58 f.; StenderVorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 125; Bethge, MP 1996, 66, 67, wobei dessen weiterer Schlussfolgerung, Grundversorgung sei eine Pflichtaufgabe allein des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nicht gefolgt werden konnte. 371 Berg, AfP 1987, 457, 459; Niepalla, Grundversorgung, S. 95; kritisch Degenhart, ZUM 1988, 47, 48 Fn. 31. Eine andere Sichtweise findet sich bei Kull, AfP 1987, 462, 463, demzufolge sich der private Rundfunk ganz anders entfalten könnte, gäbe es die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht. Hierauf wird in diesem Teil unter B. III. 1. b) bb) (2) noch genauer eingegangen. 372 Vgl. Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 58 f.; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 125; Preuss Neudorf, Grundversorgung und Wettbewerb, S. 86. 373 Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 55, 58 f. 374 Fuhr, ZUM 1987, 145, 151. 375 Bethge, ZUM 1991, 337, 338. 376 Vesting, K&R 2000, 161, 163. 14*
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Grundversorgung wird jedenfalls nicht automatisch mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk gleichgesetzt. Die Abhängigkeit des privaten Rundfunks von der Funktionserfüllung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist mithin nicht als unmittelbar, zwingend und dauerhaft anzusehen. Stattdessen besteht für den privaten Rundfunk zumindest die prinzipielle Möglichkeit, dieser mittelbar-faktischen Abhängigkeit zu entkommen, indem er selbst mit seinen Programmen den Standard der Grundversorgung sicherstellt. In diesem Fall würde er unter Umständen die weitere Existenzberechtigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Frage stellen. (d) Zulässigkeit einer gesetzlichen Verpflichtung privater Veranstalter zur Grundversorgung Bei dem gefundenen Ergebnis, in der dualen Rundfunkordnung könnten auch private Rundfunkveranstalter prinzipiell Grundversorgung erbringen, kann jedoch, wie vielfach übersehen wird, nicht einfach stehen geblieben werden. Die rein faktische Erbringbarkeit von Grundversorgung durch Private lässt noch nicht die hierüber begründete Absicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entfallen. Vielmehr muss angesichts des hohen Gutes der Meinungsfreiheit, dem der Rundfunk dient, und vor dem Hintergrund schwer korrigierbarer Fehlentwicklungen sichergestellt sein, dass die Grundversorgung durch einen wie auch immer gearteten Rundfunkveranstalter nicht nur für den Moment, sondern auch für die Zukunft effektiv gewährleistet ist und dass grundversorgende Programme nicht nach Belieben geändert oder eingestellt werden, beispielsweise weil in der Führungsetage entschieden wird, das gesamte Programm völlig neu auszurichten. So fordert das Bundesverfassungsgericht, der Gesetzgeber müsse „die Grundversorgung der Bevölkerung . . . sichern“377. Der anfangs genannten Literaturansicht, die nicht nur die tatsächliche Erbringung von Grundversorgung, sondern auch ihre Gewährleistung fordert und darin ein mitschwingendes Pflichtmoment sieht378, ist insofern zuzustimmen. Ob die gesetzliche Verpflichtung privater Veranstalter zur Erbringung eines vielfältigen und ausgewogenen Programms jedoch wie behauptet verfassungswidrig ist, ist im Folgenden zu prüfen. 377 BVerfGE 83, 238, 298; vgl. auch BVerfGE 87, 181, 199 f.; 90, 60, 90: „Sicherstellung der Grundversorgung“; BVerfGE 73, 118, 158 f.; 83, 238, 316: die Wahrnehmung des Rundfunkauftrags müsse „wirksam sichergestellt“ sein; BVerfGE 74, 297, 324 ff. 378 Bethge, ZUM 1991, 337, 340.
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(aa) Unzulässiger Eingriff in die Programmautonomie und wirtschaftliche Freiheit Gegen eine Verpflichtung privater Veranstalter zur Erbringung von Grundversorgung wird in überwiegend knapper und nicht eingehender begründeter Form angeführt, die ihnen aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zustehende Programmfreiheit würde im Kern beeinträchtigt werden und sie um das Grundelement privatautonomer Gestaltung bringen. Positive Programmpflichten für private Veranstalter seien mit der Rundfunkfreiheit grundsätzlich nicht zu vereinbaren und daher verfassungswidrig379. Auch wird argumentiert, in einer entsprechenden Verpflichtung liege ein unzulässiger Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit privater Rundfunkveranstalter, dies liefe dem Charakter eines gewinnorientierten Unternehmens zuwider380. Die Frage, ob privaten Rundfunkveranstaltern spezielle, den Programminhalt oder dessen Struktur betreffende Vorgaben auferlegt werden können, bedarf angesichts dessen, dass die Programmfreiheit ein wesentliches Element der Rundfunkfreiheit ist, besonderer Prüfung381. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass zur Grundversorgungsgewährleistung durch Private nicht nur die (binnenpluralistische) Alternative in Betracht kommt, jeden einzelnen Veranstalter dazu zu verpflichten, mit seinem Programm bzw. seinen Programmen allein Grundversorgung zu erbringen, wie es bislang beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Fall ist. Stattdessen besteht prinzipiell auch die (außenpluralistische) Möglichkeit, die Sicherung der Grundversorgung dem Privatrundfunk in seiner Gesamtheit aufzugeben, so dass sich die einzelnen Veranstalter untereinander arrangieren müssten, um insgesamt ein umfassendes, vielfältiges Programmangebot zu präsentieren. Allerdings weist letztere Variante erhebliche Probleme auf. So müsste im Sinne einer nahezu gleichmäßigen Belastung aller privaten Veranstalter in einem Land sichergestellt sein, dass nicht die einen Veranstalter allein beliebte, da massenattraktive und leichter refinanzierbare Programmbereiche wie fiktionale/nonfiktionale Unterhaltung oder Sportberichterstattung besetzten, während andere private Veranstalter mit ihrem Programm Kultur379 Bethge, ZUM 1991, 337, 340; ders., MP 1996, 66, 67; ihm zustimmend Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 194; Hesse, JZ 1993, 545, 550; vgl. auch Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 223; Schwarzkopf, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 2, S. 1147; Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 18, allerdings ohne nähere Begründung; ausführlicher Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 218 ff.; vgl. auch Ricker/Schardt, ZRP 1983, 124, 128. 380 Schwarzkopf, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 2, S. 1147; vgl. auch Schoch, JZ 2002, 798, 806, mit der weitergehenden Forderung, privaten Rundfunk von positiven Programmanforderungen völlig freizustellen. 381 So auch Klein, Rundfunkfreiheit, S. 88 f.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
und Bildungssendungen ausstrahlen müssten und dadurch einen wirtschaftlich gesehen vergleichsweise deutlich schwereren Stand hätten. In Betracht kämen beispielsweise Ausgleichszahlungen an diejenigen, die sich letztgenannten Programmgenres mit den damit verbundenen finanziellen Konsequenzen widmen würden. Auch bedürfte es einer Koordinationsstelle, um bei der Vielzahl der Veranstalter eine Bedienung aller Bereiche und Meinungen sicherzustellen. Außerdem erscheint zweifelhaft, ob ein derartiges außenplurales Gesamtprogramm, das letztlich auch aus diversen unabhängig nebeneinanderstehenden Spartenprogrammen für die einzelnen Programmbereichen bestehen könnte, dem Aspekt der Integration, dem im Rundfunk noch immer eine besondere Bedeutung zugemessen wird, ausreichend Rechnung tragen würde. Wenngleich letztere Alternative auch nicht vollständig auszuschließen ist, so kommt im Sinne einer Übertragbarkeit des bisherigen Grundversorgungsniveaus von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die privaten Rundfunkveranstalter angesichts der angedeuteten Bedenken vorrangig die erste (binnenpluralistische) Alternative in Betracht, die für den Einzelnen auch gravierendere Beeinträchtigungen zur Folge hätte. Diese ist auf ihre Verfassungsgemäßheit zu untersuchen. (bb) Potentielle Sichtweise einer ausgestaltenden Regelung Anstatt in Programmverpflichtungen privater Rundfunkveranstalter von vornherein einen Eingriff zu sehen, der über die Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG einer Rechtfertigung bedarf382, kommt nach der vorliegend vertretenen primär objektiv-rechtlichen Ansicht in diesem Fall auch die Möglichkeit einer Ausgestaltung in Betracht383. Denn die gesetzgeberische Entscheidung, künftig auch private Rundfunkveranstalter zur Erbringung von Grundversorgung zu verpflichten, würde in erster Linie die Rundfunkfreiheit im Auge haben und nicht – wie sonst häufig bei Eingriffen im Sine des Art. 5 Abs. 2 GG – zugunsten kommunikationsfremder Rechtsgüter getroffen werden. Zur weiteren Klärung ist ein Blick auf die rechtliche Einordnung der dem Privatfunk bisher unter dem Begriff „Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt“ aufgegebenen Programmgrundsätze384 zu werfen, um von dort aus Fol382 Vgl. Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 112 ff., 217 ff. m. w. N. 383 Vgl. auch Bethge, NJW 1987, 2982, 2983, der die Rundfunkfreiheit neben dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG) unter dem besonderen Vorbehalt gewisser programminhaltlicher Maßstäbe, wozu er graduell unterschiedliche Pflichten zur Ausgewogenheit zählt, stehen sieht, die Möglichkeit einer zulässigen Ausgestaltung jedoch nicht in Betracht zu ziehen scheint. 384 Laschet, Programmgrundsätze, S. 36 ff., ordnet die in den 16 Landesgesetzen enthaltenen rund 50 Programmgrundsätze thematisch in elf Gruppen ein: Wahrheits-
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gerungen für weitergehende Verpflichtungen im Sinne einer Grundversorgung zu ziehen. (cc) Bisherige Anforderungen an privaten Rundfunk Bisher wurde auch beim privaten Rundfunk nicht völlig auf rechtliche Sicherungen verzichtet, um eine Verzerrung des Gesamtangebots trotz der Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Ausgewogenheit durch eine einseitige Ausrichtung privater Programme zu vermeiden385. Weil die Veranstalter privaten Rundfunks in ihrer schwierigen Anfangsphase mit den von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geforderten hohen meinungsmäßigen und gegenständlichen Vielfaltsanforderungen überfordert gewesen wären, die unter dem Begriff der Grundversorgung bereits den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auferlegt waren, und der Gesetzgeber ihnen nach ihrer Zulassung nicht dadurch ihre wirtschaftliche Existenzmöglichkeit wieder nehmen sollte386, wurden an den privaten Rundfunk insgesamt geringere Anforderungen gestellt. So müssen private Rundfunkveranstalter nach Meinung des Gerichts momentan nur einen Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt erbringen. D. h. es muss für alle Meinungsrichtungen, auch diejenigen von Minderheiten, möglich sein, im privaten Rundfunk zum Ausdruck zu gelangen, und es darf nicht zu einem einseitigen, in hohem Maße ungleichgewichtigen Einfluss einzelner Veranstalter oder Programme auf die öffentliche Meinung kommen387. Der Gesetzgeber muss zwar Vorkehrungen treffen, die bestimmt und geeignet sind, ein möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk zu erreichen und zu sichern388. Gleichwohl handelt es sich hierbei um einen reduzierten Vielfaltsstandard, demzufolge jedenfalls keine grobe Einseitigkeit der Programmausrichtung (weder in Bezug auf die Programmgegenstände noch in Bezug auf die dargestellten Meinungen) vorliegen darf. Privater Rundfunk genießt Tendenzschutz – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad389. pflicht, Pflicht zur Ausgewogenheit, Pflicht zur umfassenden Berichterstattung, Sachlichkeitspflicht, Gebot der gegenseitigen Achtung, Pflicht zur Achtung des Art. 5 Abs. 2 GG, Pflicht zur Achtung der internationalen Verständigung und der Einheit Deutschlands, Pflicht zur Achtung der sozialen Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie vereinzelte Programmgrundsätze, die sich nicht genau zuordnen lassen. 385 Vgl. BVerfGE 57, 295, 324; 73, 118, 158; 83, 238, 297, 316 f.; Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 87. 386 Siehe bereits unter A. II. 2. c). 387 BVerfGE 73, 118, 160. 388 BVerfGE 74, 297, 325. 389 Vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 45.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Regelungen des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, in denen private Rundfunkveranstalter unter anderem zur angemessenen Berücksichtigung der Auffassungen der in der Berichterstattung wesentlichen betroffenen Personen und der bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte verpflichtet wurden, sah das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1986 als Ausgestaltungen der Rundfunkfreiheit an390. Auch Laschet kommt nach einer näheren Untersuchung der in den einzelnen Landesrundfunkgesetzen normierten Anforderungen zu dem Schluss, die Programmgrundsätze, die die Rundfunkveranstalter dazu verpflichten, wahrheitsgemäß, ausgewogen, umfassend und sachlich zu berichten und dabei das Gebot der gegenseitigen Achtung einzuhalten, seien nähere Konkretisierungen der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und damit verfassungsgemäß391. Bisher gelten für private Rundfunkveranstalter bezüglich gegenständlicher Vielfalt Regelungen, denen zufolge „Rundfunkvollprogramme . . . zur Darstellung der Vielfalt . . . mit einem angemessenen Anteil an Information, Kultur und Bildung beitragen“ sollen392. Als Zulassungsgrundsatz findet sich beispielsweise „für jedes Vollprogramm ist eine Programmstruktur vorzusehen, die ein vielfältiges Programm, insbesondere der Angebote an Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung dauerhaft erwarten lässt“393. Bezüglich meinungsmäßiger Vielfalt unterliegen die privaten Veranstalter Regelungen, nach denen „inhaltlich die Vielfalt der Meinungen im Wesentlichen zum Ausdruck zu bringen“ ist394. Genauer gesagt müssen „die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen . . . in den Vollprogrammen angemessen zu Wort kommen; Auffassungen von Minderheiten sind zu berücksichtigen“395 und „kein Programm darf einseitig nur einzelne Meinungsrichtungen berücksichtigen oder einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dienen“396. Bezugsobjekt der gegenständlichen Vielfalts390
BVerfGE 73, 118, 166. Laschet, Programmgrundsätze, S. 188, 234; vgl. hierzu ebenfalls Rossen, Freie Meinungsbildung, S. 306 ff. Auch nach Hesse, Rundfunkrecht, S. 245 f., sind die im Rundfunkstaatsvertrag getroffenen Vielfaltsregelungen als gesetzliche Ausgestaltungen anzusehen; vgl. auch Gotzmann, Staatsaufsicht, S. 172; Selmer/Gersdorf, DVBl 1992, 79, 85. 392 § 41 Abs. 2 RStV; § 3 Abs. 2 LMG BW; § 13 Abs. 4 HPRG; § 13 Abs. 4 ThürLMG. 393 § 9 Abs. 1 BremLMG. 394 § 25 Abs. 1 S. 1 RStV; vgl. auch § 18 S. 1 BremLMG; § 14 Abs. 1 S. 1 HPRG; § 23 Abs. 2 S. 1 LMG BW verweist darüber hinaus auf die kulturelle Vielfalt. 395 § 25 Abs. 1 S. 2 RStV; § 18 S. 2, 3 BremLMG; § 14 Abs. 1 S. 1 HPRG; § 31 Abs. 4 S. 2, 3 LMG NRW; § 7 Abs. 1 S. 2 SächsPRG. 391
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
217
regelungen sind grundsätzlich Vollprogramme397, die bereits aufgrund ihrer Definition eine gewisse gegenständliche Vielfalt aufweisen müssen398. Die positiven meinungsmäßigen Vielfaltsanforderungen beziehen sich hingegen regelmäßig nur auf Vollprogramme399, die negativen Anforderungen (keine Meinung einseitig zu vertreten) gelten hingegen für alle Programmformen400. Je nach Organisationsmodell ist jedes einzelne Programm oder die Gesamtheit privater Programme zur Meinungsvielfalt verpflichtet. Betrachtet man die bisherigen in den Landesrundfunkgesetzen getroffenen Regelungen, so zeigt sich, dass die Vorschriften in erster Linie dazu dienen, eine freie, weitgehend unbeeinflusste Meinungsbildung bei den Rezipienten sicherzustellen. Dabei sind sie regelmäßig nicht so detailliert, dass sie den Rundfunkveranstaltern bestimmte Inhalte genau vorschreiben401. Bei ihnen handelt es sich um Regelungen mit Rahmencharakter, die häufig nur einen Beitrag zur Vielfalt enthalten sollen, im Wesentlichen das vorhandene Spektrum darstellen sollen und vielfach nur als „Soll“-Vorschriften gefasst sind, mithin die Veranstalter zwar einschränken, dies jedoch mit Blick auf die Sicherung der Rundfunkfreiheit im Sinne der Meinungsbildungsfreiheit tun und damit allen zugute kommen. Sie werden daher zu Recht als zulässige Ausgestaltungen der Rundfunkfreiheit angesehen. (dd) Bis hin zur Grundversorgung steigerbare Anforderungen an privaten Rundfunk als Ausgestaltung Fraglich ist jedoch, ob sich auch über diese Anforderungen hinaus erhöhte Verpflichtungen bis hin zu einer Grundversorgung für Private noch als zulässige Ausgestaltungen darstellen. Für diese hier im Raum stehende Frage ist besonders die folgende Entscheidungspassage des Bundesverfassungsgerichts wichtig, in der es zu396
§ 18 S. 4 BremLMG; § 31 Abs. 3 S. 4 LMG NRW. Anders jedoch § 31 Abs. 1 S. 2 LMG NRW, „entsprechend der jeweiligen Programmkategorie“. 398 Siehe z. B. § 2 Abs. 2 Nr. 1 RStV; § 2 Abs. 1 Nr. 3 LMG NRW; § 4 Abs. 2 Nr. 2 LRG RP. 399 Siehe z. B. § 25 Abs. 1, 2 RStV; § 14 Abs. 1 HPRG; § 31 Abs. 4 LMG NRW; § 16 Abs. 1 LRG RP; anders z. B. § 18 BremLMG; § 22 Abs. 1 S. 1 RundfG MV. 400 § 14 Abs. 2 HPRG; § 16 Abs. 3 LRG RP. 401 Mehr ins Detail geht § 15 Abs. 1 NdsMG: „Vollprogramme haben die Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen kulturellen Lebens in Niedersachsen darzustellen. Sie müssen einen angemessenen Anteil an Sendungen für Kinder und Jugendliche enthalten.“ 397
218
2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
nächst darlegt, solange und soweit wirksam sichergestellt sei, dass der Rundfunkauftrag jedenfalls vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohne Einbußen erfüllt werde, seien beim Privatfunk daher geringere Anforderungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt, und sodann unter Bezugnahme hierauf ausführt: „Diese Grundsätze erlauben indessen nicht den Schluß, daß der Gesetzgeber die Vielfaltsanforderungen in gegenständlicher und meinungsmäßiger Hinsicht senken müsse [Hervorhebung im Original]. Insbesondere kann dem Niedersachsen-Urteil nicht entnommen werden, daß privaten Veranstaltern nur ein Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt auferlegt werden dürfe.“402 Der Gesetzgeber sei „in der Bestimmung der Programmanforderungen für private Veranstalter frei“, solange er die Grenze (scil. Anforderungen, die die Veranstaltung privaten Rundfunks in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen) nicht überschreite403. Hieraus wird deutlich, dass auch das Bundesverfassungsgericht abgeschwächte Vielfaltsanforderungen im Sinne eines Grundstandards nicht als zwingend erachtet, sondern es verfassungsrechtlich für zulässig hält, bis zur Grenze des Unmöglichmachens privaten Rundfunks erhöhte Anforderungen an private Veranstalter zu stellen. Durch diese Grenze wird zum einen die Konsequenz der Entscheidung für die Zulassung von Privatrundfunk sichergestellt, d. h. wenn er zugelassen wird, darf man ihn nicht durch zu strenge Anforderungen verhindern, dies wäre widersprüchlich und nicht systemgerecht. Zum anderen wird dadurch der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich beim privaten Rundfunk um wirtschaftliche Unternehmen handelt. Bei der gesetzlichen Grundversorgungsverpflichtung Privater würde es sich ebenfalls um eine grundlegende, den Normbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG prägende und konkretisierende Regelung und damit vom Prinzip her um eine Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit handeln. (ee) Weitere Differenzierung zwischen erstmaliger Ausgestaltung und späterer Umgestaltung Bei der in Rede stehenden gesetzgeberischen Entscheidung, private Veranstalter in ihrem Kompetenzgebiet zur Erbringung von Grundversorgung zu verpflichten, würde es sich jedoch genaugenommen nicht um eine erstmalige Ausgestaltung handeln, sondern um eine Änderung der bestehenden ausgestaltenden Entscheidung zugunsten eines dualen Systems mit privatem Rundfunk, der lediglich zu einem Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt verpflichtet ist. Infolgedessen könnte dem bereits bestehenden Rechtebestand der Beteiligten stärkeres Gewicht zukommen als bei einer erstmaligen 402 403
BVerfGE 83, 238, 316. BVerfGE 83, 238, 317.
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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Ausgestaltung, bei der der Grundrechtestatus mit der Ausgestaltung erst geschaffen wird. So wird teilweise zwischen erstmaliger Ausgestaltung und Umgestaltung differenziert404. Anerkennt man die Differenzierung von ausgestaltenden und beeinträchtigenden Regelungen im Rundfunkbereich, so sind auch gesetzliche Umgestaltungen grundsätzlich als abändernde Ausgestaltungen und nicht als Eingriffe zu qualifizieren405. Bis hierhin kann dem gefolgt werden. Dieser Aussage wird jedoch die Einschränkung hintangestellt, eine Umgestaltung sei nur dann allein als abändernde Ausgestaltung einzuordnen, wenn bei dieser Umgestaltung früher ausgestaltete, bestandsgeschützte Rechte nicht unter Vernachlässigung dieses Bestandsschutzes beeinträchtigt würden, anderenfalls sei zugleich ein Eingriff in diese bestandsgeschützten Rechte anzunehmen406. Wurden also durch die erstmalige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit bestandsgeschützte subjektive Rechte geschaffen, dann besteht dieser Ansicht zufolge anders als zuvor bereits Grundrechtssubstanz. Diese kann durch die erneute Ausgestaltung, d. h. die Umgestaltung, verschlechtert werden, so dass rechtsdogmatisch ein Eingriff vorliegt, der jedoch nicht an Art. 5 Abs. 2 GG, sondern lediglich anhand des Übermaßverbotes gemessen werden soll407. Vorstehende Äußerungen werden zwar zum Teil dadurch relativiert, dass Bestandsschutz angesichts der Gestaltungsoffenheit der Medienordnung nur ausnahmsweise bei besonderer Regelung angenommen wird408. Auch wird die Meinung vertreten, selbst in späteren Änderungen der Rundfunkverfassung, wenn beispielsweise die Tätigkeit der Rundfunkveranstalter einer bestimmten Struktur eingestellt werde, liege nicht zwingend ein unzulässiger Eingriff in deren Rundfunkfreiheit und Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit409. Dennoch ist der gesamten Haltung mit Vorsicht zu begegnen. Zwar ist anerkannt, dass gesetzgebe404 Bethge, NVwZ 1997, 1, 5; Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 74; Ruck, AöR 117 (1992), 543, 550 f. 405 Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 158; Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 234. 406 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 34; Ruck, AöR 117 (1992), 543, 550 f. 407 So Ruck, AöR 117 (1992), 543, 550 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 74. Weitergehend, allerdings für den hier entgegengesetzten Fall, Bethge, NVwZ 1997, 1, 4, demzufolge die Entscheidung für privaten Rundfunk als Teil der dualen Rundfunkordnung nicht mehr rückgängig gemacht werden darf, weil sie zur Schaffung privater Grundrechtssubstanz geführt hat, die nicht mehr revisibel ist. 408 Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 34, 40. 409 Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 109 (1984), 304, 314.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
rische Maßnahmen eine doppelte Wirkung entfalten können410, d. h. einerseits der Meinungsbildung der Rezipienten dienen und andererseits belastend wirken411. So äußert beispielsweise das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit Art. 14 GG, Regelungen über Inhalt und Schranken des Eigentums könnten auch subjektive Rechte entziehen, die der Einzelne aufgrund des alten Rechts erworben hatte412; eine neue für die Zukunft geltende objektiv-rechtliche Regelung könne zugleich subjektive Rechte entziehen413. Eine Betrachtungsweise, die in abändernden Ausgestaltungen beim Vorhandensein bestandsgeschützter Rechte zugleich rechtfertigungsbedürftige Eingriffe sieht, ein „Umschlagen“ unzulässiger Ausgestaltungen in einen Eingriff aus Gründen der Verschiedenheit dieser beiden Konstruktionen hingegen ablehnt414, muss sich den Vorwurf einer nicht vollständig konsequenten Dogmatik gefallen lassen. Dies auch besonders im Hinblick darauf, einen Eingriff anzunehmen, eine Rechtfertigung über die Schranke der „allgemeinen Gesetze“ des Art. 5 Abs. 2 GG aber nicht vorzunehmen. Wenngleich sich eine trennscharfe Grenzziehung zwischen Ausgestaltungen und Eingriffen pauschal nicht vornehmen lässt415, so schließen Ausgestaltung und Eingriff einander aus416. Auch wenn der Sichtweise, im Falle von Umgestaltungen bestünden anders als bei einem erstmaligen Kreationsakt bereits Rechtspositionen Einzelner, die zu berücksichtigen seien, ein gewisses Verständnis entgegengebracht werden kann, ist die daraus gezogene Folgerung rechtfertigungsbedürftiger Eingriffe – abgesehen von der dogmatischen Kritik – folgenden Bedenken ausgesetzt: Dem Staat kommt die Letztverantwortung für den staatsfrei funktionierenden Rundfunk als gesellschaftliche Gesamterscheinung zu417. Dieser Verantwortung muss er jederzeit gerecht werden können. Der Gesetzgeber muss sich mit der Konzeption seiner Rundfunkordnung daher immer an der aktuellen Situation orientieren und nachbessern, falls sich aufgrund von Entwicklungen im technischen oder gesellschaftlichen Bereich abzeichnet, dass die momentane Organisation dem vorrangigen Ziel der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung bei möglichst geringer Belastung aller Beteiligten nicht mehr ausreichend Rechnung trägt. 410 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 392; vgl. auch Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 233. 411 Vgl. bereits unter A. II. 1. b). 412 BVerfGE 52, 1, 28. 413 BVerfGE 58, 300, 331. 414 Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 72, sieht Ausgestaltungsgesetze als aliud zu Schrankengesetzen. 415 Vgl. auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 392. 416 Ebenso Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 233. 417 Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 249.
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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Da er auf ein einmal gewähltes Ordnungsmodell nicht festgelegt ist, sondern bei der Ausgestaltung weitgehende Freiheit genießt, sind auch grundlegende Systemwechsel und Umstrukturierungen innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums möglich418. Diese grundsätzliche Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gilt nicht nur für die erstmalige Regelung, sondern auch für spätere Änderungen; anderenfalls wäre der Gesetzgeber gehindert, auf Änderungen zu reagieren419. Müsste der Gesetzgeber bei seinen Aktivitäten auf bestandsgeschützte Rechte Rücksicht nehmen, wobei bereits fraglich ist, wann solche angesichts der Offenheit der rechtlichen Lage im Rundfunkbereich anzunehmen wären, wäre seine Gestaltungsfreiheit hierdurch begrenzt, hätte er sich doch einem schärferen Prüfungsmaßstab zu stellen. Seine Möglichkeit, sich Veränderungen anzupassen, wäre in der Folge reduziert. Mit der einmal gewählten Form würde er sich, gesetzt den Fall, die in Rede stehenden Rechte hätten bereits lange Bestand, unter Umständen sogar für alle Zukunft binden. In diesem Fall könnte er seiner Aufgabe, wechselnden Anforderungen und besseren Einsichten Rechnung zu tragen420, nicht mehr nachkommen. Angesichts dessen, dass sich der Gesetzgeber bei all seinen Maßnahmen – seien es erstmalige Regelungen oder neue Regelungen, die alte Maßnahmen ändern oder aufheben – an die verfassungsrechtlichen Vorgaben bezüglich der Rundfunkfreiheit im Hinblick auf die Gewährleistung einer freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung zu halten hat421, kann der ihm zugestandene weite Gestaltungsspielraum nicht zu Zwecken der Einflussnahme missbraucht werden. Wenngleich prinzipiell auf die Interessen und Rechte anderer auch bei einer Ausgestaltung im Rahmen einer abgeschwächten Verhältnismäßigkeitsprüfung Rücksicht zu nehmen ist, so haben doch im Zuge eines herausgearbeiteten primär objektiv-rechtlichen Verständnisses Beschränkungen einzelner hinter der Optimierung der für die gesamte Bevölkerung wichtigen Rundfunkfreiheit zurückzutreten. Infolgedessen kann mit Vesting der Neugestaltung einer durch den Gesetzgeber bereits ausgestalteten Rundfunkordnung in der Regel keine Eingriffsqualität zugesprochen werden422. Einhergehend damit sind gesetzgebe418 Vgl. BVerfG AfP 1999, 61, 62 f.; in diesem Zusammenhang auch der Ansatz von Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 152 f., 247, demzufolge der Gesetzgeber bei Änderungen generell das Prinzip der Systemgerechtigkeit zu beachten hat, das eine Rücksichtnahme auf vorgefundene normative Strukturen verlangt, im Falle eines vollständigen Systemwechsels jedoch davon abgesehen werden kann. 419 Vgl. BVerfG ZUM 1996, 515, 517, dort allerdings im Zusammenhang mit der Zusammensetzung von Aufsichtsgremien. 420 BVerfG AfP 1999, 61, 62 f. 421 Vgl. BVerfGE 74, 297, 334. 422 Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 234.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
rische Maßnahmen, die die Rundfunkfreiheit ausgestalten, vorrangig an Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als dem spezielleren Grundrecht zu messen; andere Grundrechte wie beispielsweise Art. 12 und 14 GG treten hierhinter zurück423. Zwar würde eine gesetzliche Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter zur Erbringung von Grundversorgung anstelle eines in seinen Anforderungen niedrigeren Grundstandards an diese erhöhte Anforderungen stellen und ihre über mehrere Jahre in einer bestimmten Form vorliegende Programmautonomie verändern. Mit Rücksicht auf die offen zu haltende Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers gerade im Zusammenhang mit Veränderungen des Umfeldes bleibt es jedoch bei der Einordnung einer derartigen Maßnahme als (abändernde) Ausgestaltung. (ff) Anforderungsgrenze der Rentabilität Die bis zur Verpflichtung zur Grundversorgung gesteigerten Anforderungen müssten zu ihrer Zulässigkeit als Ausgestaltung der weiterbestehenden Rentabilität der privaten Veranstalter Rechnung tragen. Während es zurzeit des Aufkommens privaten Rundfunks noch nicht möglich gewesen wäre, an ihn die gleichen Anforderungen wie an die Rundfunkanstalten zu stellen, könnte dies heute, beinahe zwei Jahrzehnte später, angesichts einer festen Etablierung privaten Rundfunks und der Tatsache, dass immer mehr Unternehmen Gewinne verbuchen können, anders aussehen. Fraglich ist, ob die Verpflichtung zur Grundversorgung Anforderungen an den privaten Rundfunk stellt, die seine Veranstaltung in hohem Maße erschweren oder ausschließen. Vergleicht man die durch den Grundversorgungsauftrag an die Rundfunkanstalten gestellten Anforderungen mit denjenigen Anforderungen, die im Rahmen des Grundstandards in Privatfunkgesetzen an kommerzielle Rundfunkveranstalter gestellt werden, zeigt sich, dass sich die gesetzten Maßstäbe in weiten Teilen kaum voneinander unterscheiden. Mag auch die tatsächliche Umsetzung eine andere sein424, auf dem Papier, d. h. von den in den einzelnen Gesetzen her bestehenden Anforderungen, lassen sich etliche Übereinstimmungen feststellen425. Hat der NDR beispielsweise sicherzustellen, dass „in seiner Berichterstattung die Auffassung der wesentlich betroffenen Personen, Gruppen oder 423
Vgl. auch Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 234. Die tatsächlich-faktische Ebene wird Gegenstand der Betrachtung in diesem Teil unter B. III. 1. b) aa) sein. 425 Hierzu auch Hoffmann-Riem, in Weiß, Aufgaben und Perspektiven, S. 27: Die zum Teil wortgleichen Normen können Unterschiedliches in der Realität bedeuten. 424
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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Stellen angemessen und fair berücksichtigt wird“426, so lässt sich im Mediengesetz Sachsen-Anhalts eine wörtliche Wiederholung feststellen, wenn dort „alle Rundfunkveranstalter . . . sicherzustellen [haben], dass in ihrer Berichterstattung die Auffassung der wesentlich betroffenen Personen, Gruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden“427. Auch Formulierungen wie „das Gesamtprogramm darf weder einseitig den Interessen einer Partei oder Gruppe noch Sonderinteressen gleich welcher Art dienen“428 finden im Bereich des Privatfunks fast gleichlautende Übereinstimmung429. Soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk „zur freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung beitragen“ und dabei sicherstellen, „dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen . . . ausgewogen und angemessen Ausdruck findet“430 und wird ausgeführt, „sein Programm dient der Information und Bildung sowie Beratung und Unterhaltung und erfüllt den kulturellen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“431, zeigen sich ebenfalls bemerkenswerte Anlehnungen in den Formulierungen der Landesmediengesetze, denen zufolge „die Vollprogramme zu einer umfassenden Information und freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, der Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen und dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen [haben]“432. Zwar hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben433, den Belangen aller Bevölkerungsgruppen Rechnung zu tragen434 und alle Meinungsrichtungen zu berücksichtigen435. Demgegenüber darf sich der private Rundfunk auf 426 § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NDR-StV; ähnlich auch § 6 Abs. 4 S. 1 SWR-StV: „In allen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse sind die verschiedenen Auffassungen im Gesamtprogramm ausgewogen und angemessen zu berücksichtigen.“ 427 § 13 Abs. 8 S. 1 MG LSA. 428 § 6 Abs. 4 S. 2 SWR-StV; § 8 Abs. 4 S. 2 MDR-StV; vgl. auch § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 NDR-StV. 429 § 18 S. 4 BremLMG; § 31 Abs. 3 S. 4 LMG NRW: „Kein Programm darf einseitig nur einzelne Meinungsrichtungen berücksichtigen oder einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dienen“. 430 § 4 Abs. 1 S. 1, 2 RBB-StV. 431 § 4 Abs. 1 S. 3 RBB-StV; ähnlich auch § 5 Abs. 1 S. 2 NDR-StV, dort allerdings als Soll-Vorschrift gefasst. 432 § 17 S. 2 BremLMG; § 3 Abs. 1 S. 1 HmbMG, allerdings dort auf die Rundfunkprogramme in ihrer Gesamtheit bezogen; § 31 Abs. 1 S. 2 LMG NRW. 433 § 11 Abs. 2 S. 1 RStV; § 23 Abs. 2 S. 1 SMG; ähnlich auch § 4 Abs. 2 S. 1 RBB-StV; § 4 Abs. 2 S. 1 WDR-G. 434 Z. B. § 6 Abs. 3 MDR-StV. 435 § 3 S. 1 RB-G.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
das wesentliche Meinungsspektrum der bedeutsamen Gruppen wie auch Minderheiten beschränken436 und soll teilweise mit einem angemessenen Anteil an Information einen Beitrag zur Darstellung der Vielfalt liefern437, so dass sich durchaus Unterschiede in den Anforderungen feststellen lassen438. Angesichts der insgesamt vorherrschenden relativen Unbestimmtheit und Weite sowohl der den öffentlich-rechtlichen als auch der den privaten Rundfunk betreffenden Regelungen zur gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt, sind derartige Unterschiede zwar mehr als Nuancen, jedoch keine auf den ersten Blick deutlichen Abstufungen zwischen Grundstandard und Grundversorgung, wie anhand der aufgeführten Formulierungsbeispiele deutlich wird. Vor dem Hintergrund einer fehlenden genauen Definition des Grundversorgungsbegriffes scheint sich der Gesetzgeber eindeutiger Aussagen tendenziell enthalten zu haben, um sich nicht der Gefahr des Verdikts der Verfassungswidrigkeit auszusetzen. Anhand einer Verpflichtung des Privatfunks wie „jedes Vollprogramm muss die Vielfalt der Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit zum Ausdruck bringen“439, die sich im Übrigen auch für öffentlich-rechtlichen Rundfunk findet440, wird deutlich, dass der Anspruch an kommerzielle Rundfunkveranstalter zumindest theoretisch nicht zwingend gering angesetzt wird. Auch sonstige Programmgrundsätze, die sich mit der Würde des Menschen, der Achtung anderer Anschauungen, der Wahrheit, sozialer Gerechtigkeit etc. beschäftigen, lassen sich in gleichem Maße auf öffentlich-rechtlicher wie privater Seite finden441. Das Saarländische Mediengesetz legt diese konsequenterweise als allgemeine Vorschriften für beide Rundfunksysteme gemeinsam fest442. Insgesamt ist aus einem Vergleich der Regelungen nicht zu ersehen, dass die Anforderungen infolge einer gesetzlichen Verpflichtung privater Veranstalter zur Grundversorgung gegenüber den zum jetzigen Zeitpunkt bestehenden Anforderungen so drastisch erhöht werden würden, dass privaten Anbietern infolgedessen die Veranstaltung von Rundfunk in hohem Maße erschwert würde oder sie hiervon ausgeschlossen wären. Wenn auch durch 436
Vgl. zuvor unter (cc). Vgl. § 41 Abs. 2 RStV; § 3 Abs. 2 LMG BW; § 13 Abs. 4 HPRG; § 13 Abs. 4 ThürLMG. 438 Vgl. auch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, private Veranstalter seien in der Gestaltung ihrer Programme freier, BVerfGE 87, 181, 202. 439 § 31 Abs. 4 S. 1 LMG NRW. 440 § 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WDR-G: „Der WDR stellt sicher, . . . dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen . . . in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet.“ 441 Siehe z. B. § 31 LMG NRW; § 31 LRG RP; § 8 MDR-StV; § 5 WDR-G. 442 § 15 SMG. 437
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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gesteigerte gesetzliche Anforderungen der Ertrag privater Rundfunkveranstalter gemindert würde, da sie sich nicht mehr im gleichen Maße wie zuvor an massenattraktiven Programmen orientieren könnten und ihnen daher einschaltquotenorientierte Werbeeinnahmen teilweise verloren gingen, so bliebe ihnen nach wie vor die Freiheit, unter Beachtung dieser Vorgaben ihr Programm inhaltlich zu gestalten und Preise und Kosten so zu kalkulieren, dass sich das Unternehmen weiterhin trägt. Dies zumal alle Rundfunkveranstalter gleichermaßen betroffen würden. Dass es sich bei der Verpflichtung zur Grundversorgung um eine rechtliche Konstruktion handelt, aufgrund derer der Betrieb von privatem Rundfunk bereits zur Unwirtschaftlichkeit verurteilt wäre, so dass die Berechtigten nur bei Hinnahme von Verlusten ihr Recht ausüben könnten, ist mithin nicht anzunehmen. Bereits die abgeschwächten Anforderungen unterhalb der Grundversorgung zwingen die Veranstalter zum Verzicht auf ein reines Unterhaltungsprogramm und auf einseitige Informations- und Bildungssendungen443, ohne dass es ihnen von vornherein unmöglich wäre, Rundfunk zu veranstalten. Wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird444 und bereits angedeutet wurde, bestehen bei der Veranstaltung von Rundfunk von vornherein finanzielle Risiken. Dass allein die Konstruktion einer Grundversorgungsverpflichtung losgelöst von anderen Faktoren unzumutbare wirtschaftliche Risiken für private Rundfunkveranstalter schafft, so dass sie automatisch gänzlich unrentabel werden und von ihrer Rundfunkfreiheit nur noch unter Einsatz finanzieller Mittel zur Veranstaltung der geforderten meinungsmäßigen und gegenständlichen Vielfalt in den Programmen Gebrauch machen könnten, erscheint nicht zutreffend. Von daher ist auch die Einschätzung von Hoffmann-Riem, strengere Regeln für Private würden zu ihrem Untergang führen445, sehr pauschal. Die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Grenze im Hinblick auf eine Erhöhung der Anforderungen würde somit nicht zwingend überschritten. (gg) Der Rundfunkfreiheit dienend Als ausgestaltende Regelung müsste die Grundversorgungsverpflichtung Privater ferner geeignet sein, der Rundfunkfreiheit zu dienen. Die gesetzgeberische Entscheidung, künftig auch private Rundfunkveranstalter zur Erbringung von Grundversorgung zu verpflichten, zielt darauf ab, die Möglichkeit freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung für den Fall der Abschaffung öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufrechtzuer443 444 445
Vgl. hierzu BVerfGE 83, 238, 318. Vgl. vorstehend unter (cc). So Herzog, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 238a.
15 Lindschau
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
halten und erweitert momentan das Angebot bisheriger Grundversorgung durch die Rundfunkanstalten, indem es die Realisationschancen verschiedenster kommunikativer Interessen erhöht. Die unter dem Begriff der Grundversorgung gebündelten Anforderungen dienen dem Ziel der Rundfunkfreiheit im Hinblick auf Offenhaltung des Meinungsbildungsprozesses für alle446. Wenn Rundfunkveranstaltern derartige Anforderungen gesetzlich aufgegeben werden, sind sie mithin als der Rundfunkfreiheit dienend einzustufen. Ob frei gestaltete, d. h. nicht speziellen Anforderungen unterworfene, private Sender dem Rezipienten zusätzlich zur Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine größere Vielfalt bieten und sich somit positiver auf die Rundfunkfreiheit im Hinblick auf eine umfassende Meinungsbildung auswirken, wie teilweise vorgebracht wird, ist angesichts der aufgezeigten ökonomischen Besonderheiten im Rundfunkbereich447 und der nicht zu Unrecht immer wieder behaupteten Programmverflachung infolge des verstärkten Wettbewerbs um den Zuschauern zu bezweifeln. Gegen eine gesetzliche Beauftragung Privater zur Erbringung von Grundversorgung ließe sich auch nicht der Grundsatz der Staatsfreiheit anführen, würden ihnen im Wesentlichen die gleichen Anforderungen gesetzlich auferlegt, die auch schon den Rundfunkanstalten als Träger der Rundfunkfreiheit unbeanstandet aufgegeben werden konnten, und diese an das Ziel der öffentlichen Meinungsbildung gebunden, ohne konkret und zu detailliert im Sinne einer bestimmten Haltung auf den Programminhalt Einfluss zu nehmen448. (hh) Abgeschwächtes Übermaßverbot im Sinne einer Angemessenheit Ferner müsste bei der gesetzlichen Beauftragung Privater zur Erbringung von Grundversorgung deren Programmautonomie ausreichend gewahrt bleiben, sich mithin die Ausgestaltung auch im Hinblick auf die angemessene Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Interessen als verfassungsrechtlich zulässig darstellen. Betroffenes Interesse wäre vorliegend die Programmautonomie der privaten Rundfunkveranstalter. Diese beinhaltet als Kernelement der Rundfunkfreiheit das Verbot jeder fremden, nicht nur staatlichen, unmittelbaren und mittelbaren Einflussnahme auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung von Programmen449. Wird privaten Rundfunkveranstaltern vorgeschrieben, mit ihren Programmen alle denkbaren Programmgegenstände zu bedenken und möglichst alle 446
Siehe unter A. II. 2. d) cc) (6). Vgl. vorstehend unter ee). 448 Vgl. auch Engel, Medienordnungsrecht, S. 64. 449 BVerfGE 59, 231, 258; 73 118, 183; 87, 181, 201; 90, 60, 87; 95, 220, 234; 97, 228, 268; 97, 298, 310. 447
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Meinungen, also auch die von Minderheiten, gleichermaßen zu berücksichtigen, haben sie nicht mehr in gleichem Maße wie vorher eine gewisse Tendenzfreiheit, sondern müssen, wie zurzeit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein insgesamt ausgewogen-neutrales Programm zeigen. Ihre Rundfunkfreiheit ist in diesem Fall eingeschränkt. Geht man aber davon aus, dass es bei einem Grundversorgungsauftrag in der bisherigen Ausprägung bleibt, dann ist er nicht so detailliert formuliert, dass er den privaten Veranstaltern Programmvorgaben macht, die deren Programmautonomie völlig außer Kraft setzen. Stattdessen könnten privat-kommerzielle Rundfunkveranstalter weiterhin ihr Programm in dem weit gezogenen Rahmen größtenteils selbst frei gestalten. Abgemildert würden die zum Teil strengeren Verpflichtungen auch durch zu setzende Übergangsfristen, um den Veranstaltern Zeit zu geben, sich mit ihrer zukünftigen Programmplanung darauf einzustellen. Darüber hinaus ist Folgendes miteinzubeziehen: Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts besteht im Falle der binnenpluralistischen Organisation samt internen Rundfunkgremien des Privatfunks die Schwierigkeit, dass der maßgebliche Einfluss auf das Programm dann nicht mehr beim Unternehmer, sondern bei den gesellschaftlichen Kräften des binnenpluralistischen Gremiums liegt, so dass der Privatfunk um das Grundelement privatautonomer Gestaltung und Entscheidung gebracht wird450. Wenn das Gericht auch ausführt, aufgrund dieser Überlegungen könne ein Einfluss der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte von gleicher Intensität und Wirksamkeit wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Bereich des privaten Rundfunks nicht verlangt werden, erachtet es eine derartige (binnenpluralistische) Organisationsform gleichwohl nicht als verfassungswidrig451. Denn es formuliert im Zusammenhang mit der gesetzgeberischen Freiheit bei der Wahl von Rundfunkmodellen: „Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht keinen Zweifel daran gelassen, daß auch für private Anbieter binnenpluralistische Maßstäbe vorgeschrieben werden dürfen“452. Hieraus lässt sich eine Parallele zu der Frage nach der gesetzlichen Verpflichtung privater Veranstalter zur Erbringung von Grundversorgung dergestalt ziehen, dass eine Grundversorgungsübertragung nicht zwingend von der Verfassung geboten ist, weil dem Rundfunkunternehmer dadurch im Gegensatz zu vorher ein Teil seiner Entscheidungsfreiheit genommen wird. Dennoch ist eine derartige Regelung nicht verfassungswidrig, zumal sie der ojektivrechtlich geprägten Rundfunkfreiheit mit Blick auf deren dienende Funktion gegenüber dem hohen Gut der Meinungsbildung nicht abträglich wäre. 450 451 452
171. 15*
BVerfGE 73, 118, 171. Anders Weber, in: Schnur, FS Forsthoff, S. 487. BVerfGE 83, 238, 316, unter Verweis auf BVerfGE 57, 295, 325; 73, 118,
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So hat in die Beurteilung der Angemessenheit einer derartigen Verpflichtung ganz besonders der Gesichtspunkt miteinzufließen, dass die Rundfunkfreiheit nicht in erster Linie eine optimale Gewinnerzielung auf Seiten privater Veranstalter schützt und dieser dient, sondern dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vor allem vorrangig die Meinungsbildung der Rezipienten im Hinblick auf deren Funktion für das Bestehen einer Demokratie im Auge hat453. Bezugspunkt der Rundfunkfreiheit ist damit nicht die Erwerbsfreiheit, sondern die Meinungsbildungsfreiheit. Setzt man daher das Ausmaß der für die einzelnen Grundrechtsträger belastenden Folgen in Beziehung zu den Verbesserungen der Sicherung der Rundfunkfreiheit für die Allgemeinheit, so wird folgendes deutlich: Die Beschränkungen einzelner Rundfunkveranstalter, die nicht dem Ziel einer zweckwidrigen Beeinflussung, sondern der Erhaltung einer umfassenden Basisinformation auf allen Gebieten dienen und sich an publizistischen Kriterien ausrichten, kommen der in einem demokratischen Staat erforderlichen Meinungsbildung der Allgemeinheit zugute. In diesem Zusammenhang ist auf die von Laschet454 zu Recht gezogene Parallele der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Art. 14 GG zu verweisen, wo es heißt „die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung [ist] um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht“455. Bei einer gesetzlichen Grundversorgungsverpflichtung kommt es zwar zu partiellen Einschränkungen der Rundfunkfreiheit der privaten Rundfunkveranstalter, in einer Gesamtsicht trägt eine derartige Regelung allerdings zum Schutz des Grundrechts der Rundfunkfreiheit bei. Die Programmautonomie Privater wird insgesamt nicht in unangemessener Weise vernachlässigt. (ii) Zulässige Aus- bzw. Umgestaltung Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass es sich bei der gesetzlichen Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter zur Erbringung von Grundversorgung um eine verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung handelt. Eine entsprechende Verpflichtung wäre folglich möglich456. 453
Vgl. BVerfGE 83, 238, 315. Siehe hierzu bereits die vorstehenden Ausführungen besonders unter A. II. 1. a) cc) (5). 454 Laschet, Programmgrundsätze, S. 148. 455 BVerfGE 50, 290, 340 f. 456 Vgl. auch Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 98; ebenso Laschet, Programmgrundsätze, S. 147 ff., 150; zwar nicht ausdrücklich, dennoch sich aus seinen Ausführungen ergebend, auch Klein, Rundfunkfreiheit, S. 58 ff., 66, 79 f. Auch Engel, AfP 1994, 185, 190, hält es für möglich, private Veranstalter zur Aufnahme derjenigen Sendungen in ihr Programm zu zwingen, die ansonsten vom Markt nicht
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Wenn also privater Rundfunk an der Grundversorgung beteiligt wird457, ist dies aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht unzulässig. Solange öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten die Grundversorgung gewährleisten, sind private Rundfunkveranstalter jedoch nicht zwingend zur Grundversorgung zu verpflichten, wenngleich eine Neustrukturierung des Rundfunksystems derart, dass nur noch privater Rundfunk bestünde, dieser jedoch gesetzlich dazu verpflichtet wäre, die Erbringung der Grundversorgung sicherzustellen, in vielerlei Hinsicht dem bereits angesprochenen gewandelten Staatsverständnis hin zu einem Gewährleistungsstaat im weitesten Sinne entsprechen würde. Hier würde sich der Staat darauf beschränken, durch entsprechende gesetzliche Verpflichtungen und den Einsatz der Staatsaufsicht sicherzustellen, dass die für die Meinungsbildung der Bevölkerung wichtige Grundversorgung mit Rundfunk durch private Rundfunkveranstalter gewährleistet wird. Klarstellend anzumerken bleibt, dass dem Gesetzgeber, nur weil er auch private Rundfunkveranstalter zur Erbringung von Grundversorgung verpflichten kann, noch keine Pflicht zukommt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen. Grundversorgung erbringende private Programme sind jedoch geeignet, die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage zu stellen, da dann der Gedanke auftaucht, weshalb die Gesellschaft überhaupt noch eines über Gebühren aller Rezipienten finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedarf, wenn die auch weiterhin als wichtig erachtete Aufgabe der Grundversorgung von privaten Anbietern effektiv erfüllt wird. (3) Schlussfolgerung Aufgrund des gefundenen Ergebnisses, dass auch privater Rundfunk in verfassungsrechtlich zulässiger Weise zur Erbringung von Grundversorgung gesetzlich verpflichtet werden kann, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mittelbar-faktisch über den Grundversorgungsauftrag garantiert. zur Verfügung gestellt würden. Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 72, hält die Garantie der Grundversorgung durch private Veranstalter ebenfalls für möglich, schlägt gesetzliche Auflagen oder Verfahren vor, klassifiziert diese jedoch ohne nähere Erläuterung als weite, aber rechtmäßige Eingriffe in die Rundfunkfreiheit der Veranstalter. In eine ähnliche Richtung tendiert auch Karola Grund, Privatrundfunk, S. 42. 457 Im Sächsischen Privatrundfunkgesetz, dessen Anwendungsbereich sich auf die Veranstaltung und Verbreitung von Hörfunk und Fernsehen durch private Veranstalter erstreckt und das öffentlich-rechtlichen Rundfunk lediglich im Zusammenhang mit technischen Übertragungsmöglichkeiten behandelt (§ 1 Abs. 1), ist unter der Überschrift „Grundsätze für die Veranstaltung von privatem Rundfunk“ in § 2 Abs. 2 S. 2 die Rede davon, dass „die in Sachsen veranstalteten Programme . . . in ihrer Gesamtheit zur Grundversorgung durch Unterrichtung, Bildung und Unterhaltung bei[tragen]“.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Ein anderes Ergebnis würde auch mit dem herausgearbeiteten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung im Widerspruch stehen, denn letztendlich bleiben dem Gesetzgeber, der zwingend den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Gewährleistung der Grundversorgung aufrechtzuerhalten hat, zwar noch weitere Entscheidungsspielräume in Details, die große Grundentscheidung wäre ihm damit jedoch indirekt bereits vorgegeben. Nach den vorliegend herausgearbeiteten Grundlinien des Rundfunkrechts, nach denen der Gesetzgeber die freie Wahl hat, wie er das Rundfunksystem gestaltet, solange er bestimmte Kriterien wie z. B. die Staats- und Gruppenferne, ein faires Zugangsverfahren und besonders die Sicherstellung der Grundversorgung berücksichtigt, wäre sein immer wieder vom Bundesverfassungsgericht betonter Entscheidungsspielraum weitgehend sinnlos, würde er sich nicht auch für ein rein privates System entscheiden können, weil er dem privaten Rundfunk die Grundversorgung wegen dessen Programmfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht aufgeben könnte. Bis hierhin sind mithin keine rechtlichen Rahmenbedingungen erkennbar, die der Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegenstehen. e) Begrenzung durch die Bestands- und Entwicklungsgarantie Möglicherweise begrenzt jedoch die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom Bundesverfassungsgericht zugesprochene Bestands- und Entwicklungsgarantie458 den gestalterischen Spielraum des Gesetzgebers dahingehend, dass ihm die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht möglich wäre. aa) Begriffsverständnis und Umfang Unter einer Bestandsgarantie wird im Allgemeinen die Erhaltung und Absicherung des Gegebenen für die weitere Zukunft verstanden459. Die Entwicklungsgarantie meint hingegen die Fortschreibung der Bestandsgarantie in die Zukunft hinein460. 458 BVerfGE 73, 118, 158; 74, 297, 324 f., 354; 83, 238, 298; 90, 60, 91. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie ist auch in der Präambel des Rundfunkstaatsvertrages festgeschrieben. Dass sie nicht auch in den Artikeln des Vertrags selbst festgelegt ist, ist unerheblich, da auch eine Präambel unmittelbar rechtliche Wirkung erzeugt und damit Rechtspflichten begründet (Fuhr, in: Fuhr/Rudolf/Wassermann, Recht der Neuen Medien, S. 268). 459 So Schmitt Glaeser, BayVBl 1985, 97, 98; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 124. 460 Schmitt Glaeser, BayVBl 1985, 97, 99; Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 64; Tettinger, JZ 1986, 806, 807.
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Von der Bestandsgarantie umfasst wird die technische Seite des Rundfunks, da ein Programm, das mangels entsprechender Sendetechnik nicht alle erreichen kann, seinen Auftrag, die Meinungsbildung der Bevölkerung zu ermöglichen, nicht erfüllen kann. In ihrer Ausprägung als Entwicklungsgarantie wird angesichts der Dynamik im Rundfunkbereich die Anpassung an die technische Entwicklung gesichert, so dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Teilhabe an allen neuen technischen Möglichkeiten zu gestatten ist461. Aber auch die programmliche Seite wird von der Bestands- und Entwicklungsgarantie umfasst; das bestehende Programm der Rundfunkanstalten wird gewährleistet, gleichzeitig wird es jedoch auch für neue Publikumsinteressen, Formen und Inhalte offen gehalten462. So stellt sich die Entwicklungsgarantie als eine Art Katalysator für Innovationen dar. Der öffentlich-rechtliche gebührenfinanzierte Rundfunk kann daher technische Neuerungen oder solche aus dem programmlichen Bereich fördern. Von der Garantie werden weiterhin die zur Erfüllung des Grundversorgungsauftrages benötigten finanziellen Mittel umfasst463. bb) Keine Garantie der bestehenden Rundfunkanstalten im Einzelnen Bevor auf die Frage eingegangen wird, inwieweit die Bestands- und Entwicklungsgarantie eine weitere Determinante des bisher herausgearbeiteten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers verkörpert, ist darauf hinzuweisen, dass diese Garantie ebenso wie Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unstreitig kein Bestandsrecht für die einzelne Rundfunkanstalt gewährt464. Der numerus clausus der einzelnen Rundfunkanstalten wird nicht verbürgt465, stattdessen steht die Existenz der einzelnen Anstalt zur Disposition des Gesetzgebers466. Wird moniert, dem Postulat der Staatsfreiheit des Rundfunks werde nicht ausreichend Rechnung getragen, wenn es im freien Belieben des Gesetzgebers stehe, eine Rundfunkanstalt, die er gerade gegründet hat, ohne wei461
BVerfGE 83, 238, 299; vgl. auch Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 136. Vgl. BVerfGE 83, 238, 299. 463 BVerfGE 90, 60, 91. 464 BVerfGE 89, 144, 153; vgl. auch BVerwGE 60, 162, 208; 75, 318, 323; Bachof, Verbot des Werbefernsehens, S. 26 f.; Berg, AfP 1987, 457, 461; Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 93; Geiger, in: Geiger/Mai/Burghart: Öffentlichrechtlicher Rundfunk, S. 25; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 47; Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 26; Scharf, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Duales Rundfunksystem, S. 30; Stern/Bethge, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 30. 465 Vgl. Bethge, JZ 1985, 308; ders., ZUM 1995, Sonderheft, 514, 516. 466 Vgl. BVerfGE 89, 144, 153; Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 94; ders., ZUM 1995, Sonderheft, 514, 516. Zu den Modalitäten einer Auflösung im Einzelnen siehe unter B. I. 1. und 2. 462
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
teres wieder zu beseitigen, da hierdurch dem Staat die Möglichkeit gegeben werde, die Anstalten als Träger der Rundfunkfreiheit unter Druck zu setzen467, so ist darauf hinzuweisen, dass der Beliebigkeit des Gesetzgebers durch die Indienstnahme seiner Maßnahmen für die Rundfunkfreiheit Grenzen gesetzt werden. Getroffene gesetzgeberische Regelungen sind unter dem Aspekt, ob sie der Rundfunkfreiheit dienen, einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Auch ein allgemein anerkanntes Auflösungsrecht zumindest für einzelne Rundfunkanstalten verletzt daher nicht per se das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks. cc) Keine Einschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums Betrachtet man die bisherigen Ausführungen, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt die ihm gewährte Bestands- und Entwicklungsgarantie als eine „Ewigkeitsgarantie“468 entgegensteht, so dass der Gesetzgeber durch diese Garantie in seiner freien Wahl der Rundfunkordnung auf die Erhaltung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschränkt ist. (1) Kritische Anmerkungen In diese Richtung wurde bereits vor der ausdrücklichen Feststellung der Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch das Bundesverfassungsgericht Kritik geäußert469. Verwiesen wurde auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die aus dem Grundgesetz keine bestimmte vorgeschriebene Rundfunkorganisation ableitet und dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum zubilligt. Da somit der Gesetzgeber auch die Möglichkeit habe, Rundfunk nur noch von privatrechtlich organisierten Veranstaltern senden zu lassen, wurde eine dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährte Bestands- und Entwicklungsgarantie mit diesem Ermessensspielraum für unvereinbar gehalten470. 467
Vgl. Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 186, im Zusammenhang mit der für das ZDF vorgesehenen Kündigungsmöglichkeit. 468 So Schmitt Glaeser, DÖV 1987, 837, 840. 469 Ory, AfP 1987, 466, 467; Schmitt Glaeser, BayVBl 1985, 97, 103; Schmitt Glaeser/Degenhart, AfP 1986, 173, 186. Der Bestands- und Entwicklungsgarantie wird teilweise auch eine Kollision mit dem Rechtsstaatsgebot in seiner Ausprägung des Bestimmtheitsgebots vorgeworfen (Schmitt Glaeser, BayVBl 1985, 97, 104; Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 64 ff.). Kritisch auch Degenhart, Jura 1988, 21, 29; Kull, ZUM 1987, 355, 357; Starck, NJW 1992, 3257, 3259. 470 Ähnlich auch Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 67 ff., für den die Garantie eine mit dem gesetzgeberischen, situationsbezogenen Gestaltungsspiel-
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Bei Normierung einer derartigen Garantie werde dem Gesetzgeber die Flexibilität genommen, das Ordnungsmodell des Rundfunks den jeweiligen Änderungen im Rundfunkbereich um der Vielfaltssicherung willen anzupassen. Daher sei die Garantie des öffentlich-rechtlichen Anstaltssystems verfassungswidrig. (2) Stellungnahme Diese Argumentation erscheint auf den ersten Blick einleuchtend und wäre es auch bei näherem Hinsehen geblieben, hätte das Gericht die Bestands- und Entwicklungsgarantie nicht an die Erfüllung der Grundversorgung geknüpft. So führt das Bundesverfassungsgericht aus, die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeute nichts anderes, als die Sicherung der Voraussetzungen, die die Grundversorgung der Bevölkerung möglich machen, und sei verfassungsrechtlich nur geboten, solange die privaten Veranstalter den klassischen Rundfunkauftrag nicht in vollem Umfang erfüllten471. Eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe das Bundesverfassungsgericht für „die Dauer der medienpolitischen Grundentscheidung des Gesetzgebers zugunsten einer dualen Rundfunkordnung“ daraus abgeleitet, dass dieses duale System in seiner Zulässigkeit „von der Funktionstüchtigkeit des öffentlichrechtlichen Rundfunks“ abhänge472. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt eine Bestands- und Entwicklungsgarantie daher nur insoweit zu, wie es um die Erfüllung der Grundversorgung geht. Nicht um seiner selbst willen, sondern nur bezüglich der Erfüllung dieser Funktion wird ihm die Garantie gewährt473. Von daher erscheint auch der Begriff der „Funktionsgarantie“474 passend, unter den raum nicht zu vereinbarende Vorweggestaltung der künftigen Rundfunkordnung bedeutet. Dagegen Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 119 ff. 471 Vgl. BVerfGE 83, 238, 299. 472 BVerfGE 90, 60, 91. 473 So ebenfalls Eberle, GRUR 1995, 790, 795; vgl. auch Ricker, NJW 1988, 453, 454. Dabei lässt sich eine Parallele zur Presse ziehen, der ebenfalls Bestandsschutz zukommt und zwar auch nur insoweit, wie die Presse die mit ihrer Freiheitsgewährleistung verbundenen funktionalen Erwartungen (besonders im Hinblick auf das Vielfaltspostulat) erfüllt, vgl. Stammler, AfP 1987, 659, 660. Kritisch zu dieser Begrenzung Degenhart, DVBl 1991, 510, 513 f., allerdings aufgrund der Annahme, die Rundfunkanstalten könnten ihren Aufgabenbereich weitgehend selbst bestimmen. Inwieweit dies tatsächlich der Fall ist, siehe unter 3. Teil B. II. 2. 474 Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 128; ähnlich für die Presse Stammler, AfP 1987, 659, 660. Eine frühe Erwähnung findet der Begriff der Funktionsgarantie bei
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die Sicherung des Bestandes, der Entwicklung und der Finanzierung gefasst wird und mit dem in weniger missverständlicher Weise die angesprochene Begrenzung der gewährten Garantie auf die Erfüllung einer besonderen Funktion zum Ausdruck gebracht wird. Mithin besteht für den Gesetzgeber trotz dieser dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährten Garantie auch weiterhin ein Gestaltungsermessen bei der Rundfunkorganisation. Seine Entscheidungsfreiheit steht jedoch stets unter dem Vorbehalt der Gewährleistung der Grundversorgung. Da diese Grundversorgung bis dato regelmäßig nur von den Rundfunkanstalten für erfüllbar gehalten wurde, lag es nahe, diesen – ebenfalls zur Sicherung der Grundversorgung – in ihrer Gesamtheit eine Bestands- und Entwicklungsgarantie zuzugestehen. Mit der Entwicklungsgarantie wurde dabei besonders der Dynamik der Grundversorgung Rechnung getragen. Insofern ist diese Bestands- und Entwicklungsgarantie einerseits durch die Sicherung der Grundversorgung ins Leben gerufen worden, gleichzeitig ist sie jedoch auch durch sie bedingt475. Die in Rede stehende Garantie stellt durch ihre ebenfalls bestehende Bindung an die Grundversorgungsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks daher letztlich nur eine zusätzliche Sicherung des dem Gesetzgeber aufgegebenen GrundversorgungsVorbehalts dar und lässt sich als Ausprägung der staatlichen Funktionsverantwortung für den Rundfunk verstehen. Diese zusätzliche Sicherung fällt in dem Moment weg, in dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Grundversorgung mehr leistet. Zu diesem Zeitpunkt stellt die eigentlich als Sicherung konzipierte Garantie eben keine Sicherung des Grundversorgungsvorbehalts mehr dar und muss aus diesem Grund beim öffentlichrechtlichen Rundfunk entfallen. In Bezug auf die Bestands- und Entwicklungsgarantie lässt sich mithin von einer Garantie mit dem Verfallsdatum „solange und soweit“ sprechen476. Denn nur solange und soweit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Grundversorgung mit ihren Programmen erbringen, gilt auch die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährte Bestands- und Entwicklungsgarantie477. Stünde die Garantie hingegen nicht unter dem Vorbehalt einer clausula rebus sic stantibus478 in Form der ErfülKull, AfP 1987, 365, 368, der diesen Begriff ebenfalls im Zusammenhang mit einer möglichen Bestands- und Entwicklungsgarantie gebraucht. 475 So später auch Ory, AfP 1991, 402, 403; vgl. auch Starck, in: Burmeister, FS Stern, S. 785. 476 Ory, AfP 1991, 402, 403; vgl. auch Starck, in: Burmeister, FS Stern, S. 788. 477 Vgl. auch Erster Zwischenbericht der Enquete-Kommission Zukunft der Medien, BT-Drucks. 13/6000, S. 17: „Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundversorgung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugewiesen. Ihre Erfüllung sichert seinen Bestand und garantiert seine zukünftige Entwicklung.“ 478 Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 112.
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lung der Grundversorgung, würde sie durch ihr Festhalten am öffentlichrechtlichen Rundfunk den Gesetzgeber daran hindern, seinen Gestaltungsspielraum neu auszuüben und zur Gewährleistung der Grundversorgung den Rundfunkbereich neu zu organisieren. Wird also im Zusammenhang mit der Bestands- und Entwicklungsgarantie davon gesprochen, diese fixiere die bestehende Rundfunkordnung tendenziell auf Dauer und verfestige die dominierende Stellung des öffentlichrechtlichen Rundfunks479, so ist demgegenüber auf die Begrenzung dieser Garantie durch die Grundversorgungserfüllung seitens der Rundfunkanstalten hinzuweisen. dd) Schlussfolgerung Aus den vorstehend herausgearbeiteten rechtlichen Rahmenbedingungen ergibt sich, dass sich der Gesetzgeber noch immer für einen rein privatrechtlich organisierten Rundfunk ohne jegliche öffentlich-rechtliche Beteiligung entscheiden könnte. Wird bezweifelt, ob die Privatisierung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist und dabei auf die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugestandene Bestands- und Entwicklungsgarantie verwiesen480, so wird zum einen übersehen, dass besagte Garantie nicht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk um seiner selbst willen, sondern nur im Zusammenhang mit der Erfüllung der Grundversorgung zugestanden wird, die wiederum übertragbar ist, und zum anderen, dass der Bestand einer einzelnen Rundfunkanstalt generell nicht gewährleistet wird. Unter dem Blickwinkel der Bestands- und Entwicklungsgarantie als einer zusätzlichen Absicherung der Grundversorgung und unter Beachtung der vorherigen Ausführungen zur Übertragbarkeit der Grundversorgung auf Private lässt sich konsequent zu Ende gedacht folgern, dass in einem derartigen Fall auch der dann grundversorgende private Rundfunk in seinem Bestand und seiner Entwicklung zu garantieren wäre, wiederum allerdings nur solange, wie er seinem Auftrag effektiv nachkäme. Infolge ihrer Bindung an den dynamischen Grundversorgungsbegriff steht damit die Bestands- und Entwicklungsgarantie der prinzipiellen Abschaffbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenfalls nicht entgegen und determiniert in dieser Hinsicht nicht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. 479 480
Degenhart, DVBl 1991, 510, 513. Engel, ZUM 1993, 214, 216.
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f) Abschließende Betrachtung der Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums Mithin sind dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum im Rundfunkbereich zwar verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Der durch Untersuchung dieser Determinanten herausgearbeitete Rahmen, innerhalb dessen sich der Gesetzgeber mit seinen Maßnahmen bewegen muss, hat sich jedoch nicht als so eng herausgestellt, als dass er einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von vornherein entgegenstehen würde. 3. Keine verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne einer absoluten Bestandsgarantie Abschließend lässt sich feststellen, dass das Bundesverfassungsgericht bei aller Affinität zum Modell des binnenpluralistisch organisierten öffentlichrechtlichen Rundfunks nicht so weit gegangen ist, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einer verfassungsrechtlichen Garantie zu versehen. Eine absolute Bestandsgarantie kommt ihm daher nicht zu. Aufgrund der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen es immer wieder deutlich machte, das oberste Ziel gesetzlicher Maßnahmen sei die Sicherung der Rundfunkfreiheit, demzufolge habe der Gesetzgeber dafür zu sorgen, dass das Ziel der Rundfunkfreiheit, freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung zu ermöglichen, erreicht werde, wird deutlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zwar aufgelöst werden kann – aber eben nicht ersatzlos. Der Gesetzgeber muss zwingend Vorsorge treffen für die weitere Versorgung der gesamten Bevölkerung in seinem Gebiet mit einem Rundfunkangebot, das aufgrund seiner Vielfalt und Ausgewogenheit eine freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung ermöglicht481. Bevor nicht wirksame gesetzliche Ersatzsicherungen hinsichtlich der unerlässlichen Rundfunkgrundversorgung geschaffen sind, ist es dem Gesetzgeber nicht gestattet, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gänzlich abzuschaffen. Dies kann er nur, wenn er zugleich sicherstellt, dass in diesem Fall ein anderer dessen Aufgaben in seinem Gebiet übernimmt.
III. Aussagen der Länderverfassungen Nachdem die Position des Grundgesetzes in der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet wurde, stellt sich abschließend die Frage, wie die Verfassungen der Länder, die zum Teil vom Wortlaut des 481
Ebenso Zuck, NJW 1995, 1331, 1332.
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Grundgesetzes abweichen, zu einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stehen. Während auch die überwiegende Zahl der Landesverfassungen keine näheren Angaben zur Rundfunkorganisation enthält, entweder weil bereits die Rundfunkfreiheit keine explizite Erwähnung findet482, sich auf das Grundgesetz bezogen wird483, Art. 5 GG wiederholt wird484 oder lediglich die Rundfunkempfangsfreiheit besonders erwähnt wird485, gibt es neben dem bereits angesprochenen Sonderfall Bayerns sowohl in Sachsen als auch in Thüringen und Brandenburg anders lautende Verfassungen, die explizit zur Rundfunkordnung auf ihrem Gebiet Aussagen treffen. 1. Die Verfassung des Freistaates Sachsen So wird in der Sächsischen Verfassung in Art. 20 Abs. 1 S. 2 wie in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die „Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk“ gewährleistet, in Art. 20 Abs. 2 hingegen heißt es sehr deutlich: „Unbeschadet des Rechts, Rundfunk in privater Trägerschaft zu betreiben, werden Bestand und Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet.“ Prinzipiell ist dadurch in Sachsen zurzeit weder eine gesetzliche Festlegung auf ein rein öffentlich-rechtliches System486 noch auf ein hier in Rede stehendes rein privates System möglich. Während das Grundgesetz so offen formuliert ist, dass es unter Beachtung der herausgearbeiteten Determinanten grundsätzlich eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt erlaubt, wäre dies nach der Sächsischen Verfassung erst nach dem Verfahren der Verfassungsänderung mittels einer zwei Drittel-Mehrheit im Landtag oder einem Volksentscheid (Art. 74 SächsVerf) durchführbar. Weicht ein Grundrecht der Landesverfassung in seinem Gewährleistungsgehalt von dem des Grundgesetzes ab, bedarf es der Prüfung, ob diese Abweichung mit dem höherrangigen Bundesrecht vereinbar ist487. Im Falle 482 Verfassung von Berlin; Verfassung der Hansestadt Hamburg; Verfassung des Saarlandes; Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. 483 Art. 2 Abs. 1 Verfassung des Landes Baden-Württemberg; Art. 5 Abs. 3 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern; Art. 3 Abs. 2 S. 1 Niedersächsische Verfassung; Art. 4 Abs. 1 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen. 484 Art. 10 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt; Art. 10 Verfassung für Rheinland-Pfalz wiederholt nur Art. 5 Abs. 1, 2 GG. 485 Art. 15 Abs. 5 Verfassung der Hansestadt Bremen; Art. 13 Verfassung des Landes Hessen. 486 Vgl. Degenhart, in: Degenhart/Meissner, Verfassung des Freistaates Sachsen, § 7 Rn. 39; ders., LKV 1993, 33, 37. 487 Schuler-Harms, SächsVBl 1997, 1, 4 f.; vgl. auch Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 91.
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einer Unvereinbarkeit käme die Kollisionsregel des Art. 31 GG zum Tragen und das Bundesrecht bräche die entsprechende landesverfassungsrechtliche Regelung; Art. 142 GG, aus dem sich im Umkehrschluss ebenfalls ergibt, dass entgegengesetzte Grundrechte der Landesverfassungen mit dem Grundgesetz unvereinbar sind488, kommt im Wesentlichen nur noch eine deklaratorische Wirkung zu489. Mithin bleibt zu prüfen, inwiefern Art. 20 Abs. 2 SächsVerf mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar ist. Wie gesehen schreibt das Grundgesetz keine bestimmte Rundfunkordnung vor, sondern überlässt dem jeweiligen Landesgesetzgeber die Ausgestaltung des Rundfunks auf seinem Gebiet, wobei allerdings die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen zu beachten sind. Mit einer Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Erwähnung des Rechts für private Veranstalter, Rundfunk zu betreiben, hat der Gesetzgeber seine Entscheidung für ein duales System als eine von mehreren Möglichkeiten der Rundfunkausgestaltung verbindlich auf Verfassungsebene getroffen490. Von daher lässt sich die landesverfassungsrechtliche Regelung nicht als mit dem Grundgesetz unvereinbar einordnen491. Es geht vielmehr um vom Bundesgesetzgeber eröffnete Spielräume, die durch das Landesverfassungsrecht letztlich wahrgenommen werden. Die Sächsische Verfassung gewährt zwar zudem anders als das Grundgesetz in Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht ein Recht auf Zugang zur Veranstaltung von Rundfunk durch den Erlass entsprechender gesetzlicher Regelungen, dies jedoch nicht unbeschränkt und damit möglicherweise zu Lasten der meinungsbildenden Funktion des Rundfunks insgesamt; stattdessen ist der Anspruch auf gesetzliche Zulassung unter dem Vorbehalt der von Art. 5 GG vorgegebenen Funktion zu sehen492. Sollte die duale Rundfunkordnung samt einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Zuge künftiger Entwicklungen des Rundfunkwesens der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht mehr genügend Rechnung tragen und somit als eine zulässige Möglichkeit der Rundfunkausgestaltung ausscheiden, stünde die Sächsische Verfassung mit ihrer Festschreibung gerade dieser Rundfunkordnung im Widerspruch zum Grundgesetz493, denn dass eine Vorschrift aufgrund (unterstellter) Entwicklung der Verhältnisse 488
Hesse, SächsVBl 1994, 73, 74. Vgl. hierzu BVerfGE 36, 342, 362 f. 490 Degenhart, in: Degenhart/Meissner, Verfassung des Freistaates Sachsen, § 7 Rn. 27, 38; vgl. auch Hesse, SächsVBl 1994, 73, 75. 491 Schuler-Harms, SächsVBl 1997, 1, 4 f. 492 Vgl. hierzu Hesse, SächsVBl 1994, 73, 76. 493 Degenhart, in: Degenhart/Meissner, Verfassung des Freistaates Sachsen, § 7 Rn. 39. 489
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nachträglich mit einer übergeordneten Norm in Widerspruch treten kann, ist nicht zu bezweifeln494. Auf die Folgen einer derartigen Entwicklung wird im Zusammenhang mit der Verfassungslage Bayerns eingegangen495. 2. Die Verfassung des Freistaates Thüringen In der Thüringischen Verfassung wird über die Gewährleistung der „Freiheit . . . des Rundfunks“496 hinaus in Art. 12 Abs. 1 Folgendes festgestellt: „Das Land gewährleistet die Grundversorgung durch öffentlich-rechtlichen Rundfunk und sorgt für die Ausgewogenheit der Verbreitungsmöglichkeiten zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Veranstaltern.“ Damit entscheidet sich Thüringen ebenfalls bereits auf der Ebene der Verfassung für ein duales Rundfunksystem und spricht sich neben der zwingenden Zulassung privater Veranstalter zugleich mit bindender Wirkung für ein öffentlich-rechtliches Organisationsmodell des Rundfunks aus, dem die Aufgabe der Grundversorgung aufgegeben wird497. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt dadurch, dass er explizit als Mittel zur Gewährleistung der noch immer als wichtig erachteten498 Grundversorgung vorgesehen wird, anders als im Grundgesetz ein verfassungsrechtlicher Bestandschutz zu499. Mit Blick auf die getroffenen Ausführungen im Zusammenhang mit der ebenfalls abweichenden sächsischen Regelung kann auch Art. 12 Abs. 1 ThürVerf als auf der Grundlage der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehend und als in bundesverfassungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich eingestuft werden500, ist doch nicht ersichtlich, dass sich der (Verfassungs-)Gesetzgeber Thüringens mit der Regelung nicht innerhalb des verfassungsvorgegebenen Rahmens gehalten und die erforderlichen Festlegungen zur Sicherung der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger außer Acht gelassen hat. Eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzt auch hier eine Verfassungsänderung gem. Art. 83 Abs. 1, 2 ThürVerf voraus. 494
Lerche, Rundfunkmonopol, S. 32; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 346 f. Siehe nachfolgend unter 4. 496 Art. 11 Abs. 2 S. 1 ThürVerf. 497 Vgl. auch Jutzi, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 12 Rn. 8, 11. 498 Siehe unter A. II. 2. d) ee) (4) (f). 499 So auch Jutzi, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 12 Rn. 8. 500 Ebenso Jutzi, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 12 Rn. 27. 495
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
3. Die Verfassung des Landes Brandenburg Die Brandenburgische Verfassung formuliert in Art. 19 Abs. 4 S. 1, 2: „Hörfunk und Fernsehen haben die Aufgabe, durch das Angebot einer Vielfalt von Programmen zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Neben den öffentlich-rechtlichen Anstalten sind private Sender aufgrund eines Gesetzes zuzulassen.“ Mit dieser Institutsgarantie für privaten Rundfunk und institutionellen Garantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf dem Gebiet der Verfassung des Landes Brandenburgs wird das duale Rundfunksystem als eine mögliche Ausgestaltungsvariante der Rundfunkordnung verfassungsrechtlich verankert501. Bezüglich des Rundfunkveranstaltungsrechtes gelten die bereits bei der Sächsischen Verfassung gemachten Ausführungen. Insgesamt kann auch hier nicht davon ausgegangen werden, die Regelung Brandenburgs enthalte einen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalt, der vom Gewährleistungsgehalt des Grundgesetzes in unvereinbarer Weise abweiche, so dass Art. 19 Abs. 4 BrbgVerf gem. Art. 31 GG nichtig sei. Stattdessen gilt sie gem. Art. 142 GG unter Zugrundelegung keiner gravierenden Veränderungen weiter. Folglich ist auch in Brandenburg wie schon in Sachsen und Thüringen der öffentlich-rechtliche Rundfunk zulässigerweise verfassungsrechtlich garantiert und kann ohne Änderung der Verfassung (Art. 79 BrbgVerf) nicht abgeschafft werden. 4. Die Verfassung des Freistaates Bayern Auch die bayerische Grundrechtsgewährleistung weicht von der des Grundgesetzes ab, sieht letztere die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Rundfunkorganisationsformen vor, während sich der bayerische Verfassungsgeber in Art. 111a Abs. 2 BayVerf auf die öffentlich-rechtliche Organisation festlegt. Angesichts dessen, dass das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung dem Gesetzgeber die Ausgestaltung der Rundfunkordnung, sei sie öffentlich-rechtlich oder privat oder enthalte sie beide Elemente, überlassen hat, kann Art. 111a Abs. 2 BayVerf als Wahrnehmung des zuerkannten Entscheidungsspielraums auf der Ebene des Landesverfassungsrechts angesehen werden502. Über die Formfestlegung hinaus ergeben 501
Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, S. 86. Vgl. auch Bethge, ZUM 1987, 199, 205: Der Landesgesetzgeber hat es – sei es einfachgesetzlich, sei es durch Verfassungsrecht – in der Hand, sich für eine rein öffentlich-rechtliche Trägerschaft des Rundfunks zu entscheiden; weiterhin ders., Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 29. Hierzu auch Scheble, Perspektiven der 502
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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sich angesichts der mittlerweile gefundenen Regelung503 keine Unterschiede bezüglich der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gegenüber der grundgesetzlichen Regelung, zumal das Bundesverfassungsgericht auch den der BLM zuliefernden privaten Rundfunkanbietern das Grundrecht der Rundfunkfreiheit zugesteht und diese ebenfalls als Rundfunkveranstalter ansieht504 sowie im Rahmen seiner Entscheidung keinen Anstoß an Art. 111a Abs. 2 BayVerf nimmt505. Von daher kann diese Regelung mit dem Grundgesetz, das keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vorschreibt, grundsätzlich als vereinbar angesehen werden506. Auch wenn mit Hilfe der Konstruktion der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien mittlerweile auch private Anbieter Rundfunk zuliefern können, folglich in Bayern privater Rundfunk nicht völlig ausgeschlossen ist, wäre eine vorliegend angedachte Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein völliger Übergang auf private Rundfunkbetreiber aufgrund der durch Art. 111a Abs. 2 BayVerf zum Ausdruck kommenden Entscheidung des Verfassungsgebers für eine Rundfunkordnung in öffentlichrechtlicher Gestalt nicht mit der Bayerischen Verfassung zu vereinbaren507. Zuvor müsste daher prinzipiell die Verfassung im vorgesehenen förmlichen Verfahren mit Zustimmung des Volkes geändert werden (Art. 74, 75 BayVerf)508. Fraglich ist jedoch, wie sich ein weiteres Fortschreiten der technischen aber auch gesellschaftlichen Entwicklung dergestalt, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht länger als erforderlich angesehen werden kann, auf die verfassungsrechtliche Beschränkung der Rundfunkveranstaltung auf öffentlich-rechtliche Träger auswirkt. Unter diesen Umständen, die bereits Grundversorgung, S. 169; Stettner, in: Nawiasky u. a., Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 111a Rn. 30, 34. Inwiefern das BayMG im Einzelnen mit der besondern bayerischen Verfassungslage vereinbar ist, hat hier außer Betracht zu bleiben. 503 Vgl. die Ausführungen unter 1. Teil D. V. 2. a) bb). 504 BVerfGE 97, 298, 311 f. 505 Vgl. ebenfalls Stettner, in: Nawiasky u. a., Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 111a Rn. 34. 506 BVerfG NVwZ-RR 1991, 365; BayVerfGH AfP 1987, 394, 396; BayVBl 1991, 143, 144; Stettner, K&R 1999, 355 ff., passim.; Stettner, in: Nawiasky u. a., Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 111a Rn. 30; zustimmend Bornemann/ Hepach, K&R 2004, 317, 321; Bethge, ZUM 1994, 1, 2, 11. In Richtung einer Verfassungswidrigkeit des Art. 111a Abs. 2 BayVerf tendierend Kresse, ZUM 1992, 353 f.; auch Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 41 f., hält die bayerische Regelung für verfassungsrechtlich bedenklich, ohne jedoch genaue Argumente anzuführen. 507 Vgl. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 59. Nach Ansicht des BayVerfGH AfP 1987, 394, sowie Degenhart, ZUM 1988, 47, 53, wird bereits ein echtes duales System von Art. 111a Abs. 2 BayVerf ausgeschlossen. 508 Vgl. hierzu Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 180 f. 16 Lindschau
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
1977 vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof in Betracht gezogen wurden509, würden – wie vom Gerichtshof zu Recht festgestellt wurde – die entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen jedoch nicht von allein verfassungswidrig werden, da gerade die Verfassung eine verlässliche und beständige Grundlage des Lebens in einem Staat sein soll510. Stattdessen träfe in diesem Fall den Verfassungsgeber die Pflicht zur Anpassung der Rundfunkordnung – allerdings nur, wenn sich die maßgebenden Lebensverhältnisse und Umstände so tiefgreifend und nachhaltig verändert hätten, dass die gesetzliche Regelung und die ihr zugrundeliegende Einschätzung sich als offensichtlich fehlsam erweisen und den gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnissen eindeutig nicht mehr gerecht werden würde511. Vor dem Hintergrund der Beständigkeit der Verfassung müssten diese besonderen Umstände klar erkennbar sein und eine Verfassungsänderung so dringend erscheinen, dass ein Untätigbleiben mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr zu vereinbaren wäre. Wird vorliegend davon ausgegangen, dass sich zwar Veränderungen abzeichnen, diese jedoch nicht eine derartige Intensität erreichen, um den Gesetzgeber zu einer Verfassungsänderung zu zwingen512, bleibt es zunächst bei der Regelung des Art. 111a Abs. 2 BayVerf513 und damit bei einem Hindernis von Verfassungsrang hinsichtlich der in Rede stehenden Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 5. Befund Letztlich werden abweichend vom diesbezüglich offen gehaltenen Grundgesetz in den Verfassungen der Länder Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Bayern Festlegungen der Rundfunkordnung getroffen, die in Bayern ein öffentlich-rechtliches Monopol beibehalten, bei den drei Erstgenannten hingegen auf ein duales Rundfunksystem hinauslaufen, von dessen genauer Regelung auf Verfassungsebene man sich ein erhöhtes Schutzniveau gegenüber DDR-Zeiten erhoffte. In diesen vier Ländern ist daher eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anders als nach der grundgesetzlichen Ausgangslage ohne eine entsprechende Änderung der Verfassung nicht möglich. Dies gilt es im weiteren Verlauf zu berücksichtigen514. 509
BayVerfGH AfP 1977, 334, 340. Vgl. BayVerfGH AfP 1977, 334, 340; AfP 1987, 394, 397. 511 Vgl. BayVerfGH AfP 1987, 394, 397; BVerfGE 41, 269, 283. 512 So auch Stettner, in: Nawiasky u. a., Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 111a Rn. 38. 513 So auch BayVerfGH ZUM-RD 2002, 33 ff., 36. 514 Siehe besonders unter B. I. 3. 510
A. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
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Diese andersartige Regelung auf Verfassungsebene in einigen Bundesländern erstaunt zwar auf den ersten Blick, erweist sich jedoch vor dem Hintergrund, dass der Bundesverfassungsgeber durch die Art der Kompetenzzuweisung (nach der hier das Rundfunkrecht der Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet ist) entschieden hat, ob eine Materie zwingend der gleichförmigen Regelung bedarf oder einer unterschiedlichen Bestimmung durch die Länder überlassen werden darf515, als zulässige Wahrnehmung eröffneter Spielräume. Die dabei auftretenden Divergenzen erweisen sich mithin als Folge des bundesstaatlichen Staatsaufbaus.
IV. Zwischenergebnis Insgesamt lässt sich anders als in einigen Landesverfassungen weder dem Grundgesetz noch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine absolute Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entnehmen, die seiner Abschaffung von vornherein entgegenstehen könnte. Im Bereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG kommt dem Gesetzgeber vielmehr eine weitgehende Entscheidungsfreiheit zu, solange er sich innerhalb des aufgezeigten weitgespannten Rahmens bewegt. Wird der Staat unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für verpflichtet gehalten, gleichwertige „öffentlich-rechtliche“ Ersatzstrukturen zu präsentieren516 und dabei auf das Bundesverfassungsgericht517 verwiesen, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Aussage des Gerichts „er [scil. Der Gesetzgeber] darf aber nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt preisgeben“ im Zusammenhang mit der vorherigen Feststellung gesehen werden muss, derzufolge „unter den gegenwärtigen Bedingungen“ vorausgesetzt wurde, dass die öffentlich-rechtliche Grundversorgung der Bevölkerung vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erbracht wird. Damit wurde die Preisgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an seine Grundversorgungserfüllung geknüpft, nicht jedoch losgelöst davon dem Gesetzgeber vorgeschrieben, derartiges zu unterlassen. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgrund seiner Aufgabe zur Grundversorgung Verfassungsrang zuzuschreiben und in Art. 5 I S. 2 GG eine mittelbare institutionelle Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sehen518, ist nach den vorliegenden Ausführungen zu weitgehend, wenn515
Vgl. hierzu allgemein Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 307. Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 22; in diese Richtung auch Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 49. 517 BVerfGE 89, 144, 153. 518 So sieht es jedenfalls Bethge, ZUM 1991, 337, 340; ders., Verfassungsrechtliche Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 35 f. Für eine institutionelle 516
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
gleich auch folgerichtig, wenn eine Rundfunkgrundversorgung weiterhin für erforderlich gehalten, eine gesetzliche Übertragbarkeit auf private Rundfunkveranstalter jedoch abgelehnt wird. Eine institutionelle Sicherung lässt sich wenn überhaupt nur im Hinblick auf die Rundfunkfreiheit insgesamt, nicht jedoch hinsichtlich bestimmter Organisationsstrukturen annehmen519. Letztlich entscheidend ist also, dass überhaupt eine Rundfunkorganisation besteht – sei sie nun rein öffentlich-rechtlich, rein privat oder dual, die den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für einen freien Rundfunk voll gerecht wird520. Solange diese Kriterien ausschließlich oder zu einem für die Meinungsbildung wesentlichen Teil beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk liegen, unterfällt dieser einem verfassungsrechtlichen Schutz. Die Rundfunkanstalten sind damit nicht um ihrer selbst willen geschützt, sondern lediglich aufgrund ihrer Funktion für die Meinungsbildung. Dieser Schutz kommt ihnen folglich nur solange zu, wie sie dieser Funktion auch nachkommen. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang treffend von einer „verfassungsrechtliche[n] Funktionsgewährleistung des öffentlichrechtlichen Rundfunks“521. Eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist somit grundsätzlich möglich. Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 141; anders ders. jedoch noch in Fernsehen und Hörfunk, S. 360, 362, 367, wo er zwar eine mittelbare und „bedingte“ Sicherung des Bestandes des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Zeit, in der die Grundversorgung anderweitig nicht gesichert ist, anerkannte, es jedoch ablehnte, den Begriff der institutionellen Garantie hierfür zu verwenden, da dieser angesichts der Möglichkeit, dass technische und soziologische Entwicklungen in ferner Zukunft die Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks entfallen lassen, sonst völlig aufgeweicht werde. 519 Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 98; Bachof, Verbot des Werbefernsehens, S. 27, missverständlich allerdings, wenn er dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine mittelbare, begrenzte institutionelle Garantie zuspricht, solange ihnen die „Programmfunktion“ obliegt. Teilweise wird vermutet, mit Begriffen wie Rundfunk „als Institution“ oder „institutioneller Freiheit des Rundfunks“ werde dem Rundfunk nicht eine institutionelle Garantie im strengen Sinne zugeordnet, da diese nur öffentlich-rechtlich geordneten Einrichtungen und Rechtsinstituten vorbehalten sei, sondern damit solle lediglich die objektiv-rechtliche Gewährleistung dieses Grundrechts verdeutlicht werden (Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 32 f.). Siehe auch die Hinweise unter A. II. 1. a). Auf diesen Aspekt ist vorliegend nicht näher einzugehen. Zur institutionellen Freiheit des Rundfunks insgesamt BVerfGE 12, 205, 260 f.; 31, 314, 326. 520 Vgl. auch Bachof, Verbot des Werbefernsehens, S. 26 f.; Bettermann, DVBl 1963, 41, 43; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, S. 21; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 103; in diese Richtung auch Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 81. 521 BVerfGE 89, 144, 153.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen unter Verzicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Aufgrund des im vorangegangenen Teil gefundenen Ergebnisses, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur insoweit ein verfassungsrechtlicher Schutz gewährt wird, wie er ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil die vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Anforderungen an einen verfassungskonformen Rundfunk zu erfüllen vermag, ist Kern der nun folgenden Untersuchung die Frage, ob auch der private Rundfunk bereits jetzt (oder in naher Zukunft) in der Lage ist, diese Anforderungen zu erfüllen. Denn dann gäbe es keine zwingende rechtliche Veranlassung mehr, an einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk festzuhalten. Daher erfolgt hier mit Hilfe von empirischen Medienanalysedaten im Wesentlichen eine Subsumtion der tatsächlichen Gegebenheiten unter die zuvor herausgearbeiteten rechtlichen Rahmenbedingungen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die fortbestehende Gewährleistung der Grundversorgung gerichtet werden. Bevor jedoch zu dieser Frage durchgedrungen werden kann, ist zu klären, wie sich eine Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vollziehen ließe und inwiefern auch ein einzelnes Land für sein Gebiet einen reinen Privatfunk vorsehen könnte, um vor diesem dann plastischeren Hintergrund mit der angesprochenen Untersuchung derartiger Maßnahmen im Hinblick auf ihre Einordung als Ausgestaltung oder Eingriff und ihre Verfassungsmäßigkeit zu beginnen.
I. Praktische Durchführung der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 1. Generelle Voraussetzungen der Auflösung von Rundfunkanstalten Nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung liegt die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in der Hand der Länder522 und hat durch Gesetz oder Staatsvertrag zu erfolgen523. Als actus contrarius muss daher auch die Auflösung einer Rundfunkanstalt durch einen entsprechenden Rechtsakt des bzw. der Muttergemeinwesen erfolgen524. Das gleiche gilt auch für öffentlich-rechtliche Körperschaften wie DLR. 522
Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 286. Vgl. unter 1. Teil C. I. 2. d). 524 Vgl. auch Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 187; Leidinger/Libertus, ZG 1988, 97, 110; Stern/Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S. 82. Vgl. auch Bausch, in: Jasper, Tradition und Reform, S. 372: „Obwohl die obersten 523
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Während bei Einländeranstalten (wie BR, HR, RB, SR oder WDR) zu ihrer Auflösung ein formelles Gesetz erforderlich ist, bedarf es bei Mehrländeranstalten (wie MDR, NDR, RBB, SWR) einer Kündigung des Staatsvertrages, soweit eine Kündigungsmöglichkeit vorgesehen ist, oder aber eines Aufhebungsstaatsvertrages (beispielsweise auch in Fällen, in denen eine Kündigung erst zu einem weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt möglich ist525). Auf die ebenfalls bestehende Möglichkeit, bestehende öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in privatrechtliche Gesellschaftsformen umzuwandeln und infolge dieser Privatisierung in ihrer bisherigen Form zu beseitigen, wie dies beispielsweise 1986 beim französischen Sender TF 1 oder in jüngster Zeit in Dänemark der Fall war, wo Mitte 2003 durch eine neue Mediengesetzgebung die Privatisierung des zweiten öffentlichen Fernsehkanals TV2 beschlossen wurde526, wird vorliegend nicht eingegangen527. Stattdessen ist nur der weitergehende Fall zu betrachten, in dem die Anstalten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme komplett entfallen und nicht in privater Form weiterbetrieben werden. Die Liquidierung der Rundfunkanstalt(en) stellt sich als Entscheidung für eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit als Grundentscheidung der Rundfunkorganisation, die mit grundrechtlichen Aspekten der Rundfunkfreiheit in enger Berührung steht, als wesentlich im Sinne der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts dar528, und unterliegt auch von daher dem Vorbehalt des Gesetzes. Eine derartige Maßnahme ist mithin ausschließlich vom Gesetzgeber zu treffen, zumal dem Rundfunk eine besondere Bedeutung für das Funktionieren der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland zukommt529. Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland eindrucksvolle Maßstäbe für die Rundfunkfreiheit geschaffen haben, die der Staat zu beachten hat, ruhen die bestehenden Rundfunkanstalten rechtlich auf einfachen Landesgesetzen oder Staatsverträgen zwischen den Ländern, die jederzeit geändert werden können.“ 525 Vgl. § 42 RBB-StV: Kündigungsmöglichkeit erstmals zum 31. Dezember 2008. 526 Scheuer, MMR 2003, VII f. 527 Die Möglichkeit der Privatisierung unter Wegfall der Rundfunkgebühr wird von Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 428, in Betracht gezogen, allerdings ohne genauere Angaben hierüber zu machen. Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat beim BMWT, in: BMWT, Gutachten, 16. Bd., S. 2074 f.; Kruse, in: Friedrichsen/Seufert, Effiziente Medienregulierung, S. 136 f. 528 Vgl. hierzu Oppermann, JZ 1981, 721, 727; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 84. Vgl. auch BVerfGE 83, 238, 309 f.: „Die Entscheidung über das Rundfunkmodell [ist] eine für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Frage, die der Gesetzgeber nicht aus der Hand geben . . . darf.“ 529 Vgl. hierzu auch Engel, ZUM 1993, 214, 216.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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2. Voraussetzungen der Auflösung im Einzelnen Während bei den allein von einer Landesrundfunkanstalt betriebenen Rundfunkprogrammen diese im Falle ihrer gesetzlichen oder staatsvertraglichen Auflösung von selbst mangels Veranstalters entfallen, ist bei Programmen, die zusammen mit anderen Anstalten betrieben werden, aus Gründen der Rücksichtnahme im Sinne des Prinzips der Bundestreue530 zunächst der vorgesehene Weg der Aufhebung der getroffenen Vereinbarung zu beschreiten, anstatt den jeweiligen (bei Arte und 3sat ausländischen) Partner durch eine Auflösung vor vollendete Tatsachen zu stellen und ihm nicht die Möglichkeit zur Anpassung seiner Programme an die veränderte Situation zu gewähren. a) Das gemeinsame Fernsehprogramm der ARD-Anstalten (Erstes Deutsches Fernsehen) Um das gemeinsame Fernsehprogramm „Erstes Deutsches Fernsehen“ zu beenden, wäre es nicht ausreichend, von der im Fernsehvertrag vorgesehenen Kündigungsmöglichkeit531 Gebrauch zu machen, da die Landesrundfunkanstalten nach § 1 S. 1 ARD-StV verpflichtet sind, gemeinsam ein Fernsehvollprogramm zu veranstalten. Eine Kündigung des Fernsehvertrages hätte daher lediglich zur Folge, dass eine neue Vereinbarung über ein gemeinsames Fernsehprogramm zu schließen wäre532, das allerdings in Bezug auf Art und Umfang vom bisherigen Programm abweichen könnte. Um die Verpflichtung zur Veranstaltung eines gemeinsamen Fernsehprogramms endgültig zu beenden, bedürfte es vielmehr einer Kündigung des ARD-StV. Dessen Kündigungsmöglichkeit ist ausdrücklich in § 9 ARD-StV vorgesehen. Danach kann der Vertrag von einem Land erstmals zum 31. Dezember 2004 mit einer Frist von einem Jahr in schriftlicher Form gegenüber dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz gekündigt werden. Solange nicht alle anderen Länder innerhalb einer Frist von drei Monaten ebenfalls kündigen (Anschlusskündigung), bleibt der Staatsvertrag weiterhin bestehen. Auch nach Kündigung des ARD-StV bleibt den Rundfunkanstalten das aus der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Programmfreiheit folgende Recht, ein gemeinsames Programm zu veranstalten533. 530
Siehe zum Prinzip der Bundestreue nachstehend unter 3. b). Gem. Ziff. 12 S. 1 des Fernsehvertrages kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Schluss eines jeden Kalenderjahres von den Rundfunkanstalten gekündigt werden, wobei ein Kündigungsgrund nicht vorliegen muss. 532 Vgl. auch Steinwärder, ARD, S. 145. 533 Zuck, NJW 1995, 1331, 1332. 531
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Gegen das gefundene Ergebnis lässt sich auch nicht § 19 Abs. 3 RStV anführen, der weitere gemeinsame Fernsehprogramme der Landesrundfunkanstalten nur aufgrund besonderer staatsvertraglicher Vereinbarungen für zulässig erklärt, da aufgrund der Formulierung „weitere . . . gemeinsame Fernsehprogramme“ deutlich wird, dass von dem staatsvertraglichen Vorbehalt nicht das bereits bestehende und vom Staatsvertrag umfasste Erste Fernsehprogramm erfasst werden soll534. Bei gleichzeitiger Auflösung aller Landesrundfunkanstalten wäre der Zusammenschluss der ARD ohnehin hinfällig. b) Das ZDF Das ZDF würde durch eine Auflösung einer oder aller Landesrundfunkanstalten in seinem Bestand als eigenständige Rundfunkanstalt nicht berührt. Gem. § 33 Abs. 1 ZDF-StV besteht jedoch erstmals zum 31. Dezember 2004 mit einjähriger Frist die Möglichkeit zur Kündigung. Nach Kündigung durch ein Unterzeichnerland besteht der Staatsvertrag unter den übrigen Ländern fort; die Existenz des ZDF endet erst mit der Kündigung des Staatsvertrages binnen Drei-Monats-Frist durch alle Vertragspartner535 oder durch einen entsprechenden Aufhebungsstaatsvertrag. c) DLR und DW, Arte, 3sat, Kinderkanal und Phoenix Gem. § 36 Abs. 1 DLR-StV besteht binnen Jahresfrist erstmals zum 31. Dezember 2004 eine Kündigungsmöglichkeit des DLR-Staatsvertrages. Würden von ihr alle Vertragspartner Gebrauch machen, wäre die Körperschaft Deutschlandradio mitsamt den von ihr veranstalteten Hörfunkprogrammen nicht mehr existent. Bei der Deutschen Welle als Bundesanstalt fielen im Fall ihrer Auflösung durch ein entsprechendes Bundesgesetz auch die von ihr für das Ausland veranstalteten Programme weg. Im Fall des deutsch-französischen Senders Arte ist eine Kündigungsmöglichkeit in Art. 6 des Gründungsvertrages mit einjähriger Frist vorgesehen. Der Kündigung eines Vertragspartners können sich die verbliebenen Vertragsparteien anschließen. Allerdings gilt hier ähnlich wie bei § 1 S. 1 ARD-StV, dass die Landesrundfunkanstalten und das ZDF nach Wortlaut und Systematik des § 19 Abs. 6 S. 2 RStV verpflichtet sind, sich an einem besonderen Programmprojekt wie Arte zu beteiligen536. Im Falle der Vertragskündigung oder einvernehmlichen Aufhebung müsste daher diese Re534 535 536
Vgl. Steinwärder, ARD, S. 147. Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 187 f. So auch Binder, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar, § 19 Rn. 130.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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gelung des Rundfunkstaatsvertrags ebenfalls geändert werden bzw. eine entsprechende Kündigung eingereicht werden. Das von ARD und ZDF gemeinsam mit dem ORF und der SRG veranstaltete Satellitenfernsehprogramm 3sat ist einer Kündigung mit einer Frist von einem Jahr zugänglich537. Ohne Anschlusskündigungen der andern Beteiligten kommt es ebenfalls nicht zu einer Einstellung des Programms, so dass 3sat im Falle einer wirksamen Kündigung nur von ARD und ZDF von den verbleibenden Vertragspartnern ORF und SRG weiter veranstaltet werden könnte. Die Vereinbarung über die Veranstaltung eines ARD/ZDF-Kinderkanals sowie die Vereinbarung über den Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix können ebenfalls mit Jahresfrist gekündigt werden, erstmals zum 31.12.2004538. Anders als bei der Veranstaltung eines gemeinsamen ARDProgramms besteht im Falle von 3sat, Kinderkanal und Phoenix keine Verpflichtung; im Rundfunkstaatsvertrag ist lediglich von „können“ die Rede539. d) Dritte Programme und Hörfunkprogramme Bei den Dritten Programmen, die in Zusammenarbeit mit anderen Ländern betrieben werden, bedarf es einer Auflösung aller beteiligten Landesrundfunkanstalten, ansonsten entsprechender Einstellungsvereinbarungen der am jeweiligen Dritten Programm beteiligten Länder. Diejenigen Dritte Programme, die allein von einer Landesrundfunkanstalt betrieben werden, entfallen mit der Auflösung der jeweiligen Rundfunkanstalt. Ähnlich ergeht es auch den Hörfunkprogrammen, mit Auflösung der Landesrundfunkanstalt fallen die von ihr veranstalteten Radioprogramme weg. 3. Zulässigkeit unterschiedlichen Vorgehens in den einzelnen Ländern Wenngleich die bisherigen Ausführungen auf der Grundlage einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im gesamten Bundesgebiet erfolgten, erscheint es angesichts der Länderkompetenzen für den Bereich des Rundfunks möglich, dass sich beispielsweise ein Land für die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinem Gebiet entscheidet, die entsprechenden Staatsverträge kündigt und die Gesetze ändert, während 537 § 13 Abs. 1 Verwaltungsvereinbarung über das Satellitenfernsehen des deutschen Sprachraums 3sat; Ziff. 7 Verwaltungsvereinbarung der ARD-Landesrundfunkanstalten über die Beteiligung am Satellitenprogramm 3sat. 538 § 12 Abs. 1 KI.KA-Vereinbarung; § 14 Abs. 1 Phoenix-Vereinbarung. 539 Vgl. § 19 Abs. 1 RStV für 3sat; § 19 Abs. 2 RStV für KI.KA und Phoenix.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
sich die übrigen Länder für eine Beibehaltung des dualen Systems entscheiden. Gerade in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Bayern ist ohne Änderung der jeweiligen Landesverfassung eine Abschaffung öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf ihrem Gebiet nicht möglich. Fraglich ist daher, inwieweit ein derartiges uneinheitliches Vorgehen überhaupt zulässig wäre. a) Kooperativer Föderalismus Nach dem in Deutschland geltenden Prinzip des kooperativen Föderalismus540 sind die Länder zur Einigkeit berechtigt, nicht jedoch verpflichtet; es besteht ein Recht der Länder zur Uneinigkeit541. Gleichschaltung und Gleichförmigkeit wird nicht vorausgesetzt542 und so ermöglicht die Bundesstaatlichkeit auf den Gebieten, die in den Kompetenzbereich der Länder fallen, Vielfalt und Verschiedenartigkeit543. Denn indem das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern aufteilt, liegt schon eine Entscheidung darüber vor, welche Bereiche einheitlich zu regeln sind und welche Sachgebiete in unterschiedlicher Weise durch die Länder geregelt werden können. Die Länder sind dort dann nicht verpflichtet, die gleichen gesetzlichen Regelungen zu treffen, sie verletzen nicht den Gleichheitssatz, der nur im Kompetenzbereich des jeweiligen Landesgesetzgebers Geltung erlangt544. Etwaige Ungleichheiten, die dadurch entstehen, dass in den einzelnen Ländern unterschiedliche Regelungen getroffen werden, werden daher grundsätzlich von der im Grundgesetz festgelegten Bundesstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 GG) gedeckt545. Die Verfassungsmäßigkeit einer Maßnahme des Landesgesetzgebers kann mithin nicht allein deswegen angezweifelt werden, weil sie von verwandten Regelungen in anderen Bundesländern abweicht546. Unter dem Vorzeichen des föderalistischen Prinzips sind verschiedene Landesregelungen sogar wünschenswert547. Von vornherein ist ein einheitliches Vorgehen der Länder bei der Gestaltung der Rundfunkordnung durch das Grundgesetz mithin nicht geboten. 540
Vgl. hierzu auch Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 74 ff. Bethge, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 129. 542 Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 38 Rn. 12. 543 Bethge, JZ 1985, 308; ders., ZUM 1987, 199, 204; hierzu auch Badura, JA 1987, 180, 184; allgemein Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 307 ff. 544 Vgl. BVerfGE 32, 346, 360; 33, 303, 352; hierzu auch Bethge, AöR 110 (1985), 169, 200 f.; Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 171 ff. 545 Vgl. Stern/Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S. 26. Vgl. auch BVerfGE 10, 354, 371; 32, 346, 360; 51, 43, 58 f. 546 BVerfGE 32, 346, 360. 547 Ricker, ZRP 1986, 224, 227. 541
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
251
Ein Abweichen eines einzelnen Landes dergestalt, dass es durch Abschaffung seines öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur noch reinen Privatfunk zuließe, erschiene unter diesem Gesichtspunkt ebenso zulässig wie die seit den siebziger Jahren bestehende Entscheidung Bayerns für ein rein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem. So führt der Bayerische Verfassungsgerichtshof aus, aus dem Grundgesetz ergebe sich nicht die Verpflichtung, Art. 111a Abs. 2 BayVerf zu ändern, nur weil sich die Mehrzahl der anderen Länder für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter und damit für ein duales System entschieden haben548. b) Bundestreue Begrenzungen des Gestaltungsspielraums der Länder können sich aus dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Bundestreue ergeben. Dieser verpflichtet die Länder nicht nur gegenüber dem Bund, sondern auch untereinander zur gegenseitigen Abstimmung, Rücksichtnahme und Zusammenarbeit549. Gerade wenn die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum eines Landes begrenzt bleiben, muss der Gesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen550. Im Prinzip ist Rundfunk bereits per se ein überregionaler länderübergreifender Sachverhalt, da sich Rundfunk nicht an Ländergrenzen hält. Nicht allein deshalb, sondern angesichts der komplizierten, vielfach verflochtenen Rundfunkstruktur hat die Entscheidung eines Landes gegen die bestehende Struktur Auswirkungen auf die anderen Länder. Die Konsequenzen eines einzelstaatlichen Vorgehens sind mannigfaltig und können vorliegend nur angedeutet werden. Entscheidet sich ein Land für die Auflösung seiner Rundfunkanstalt, entfallen als eine der Folgen die von dieser Anstalt im Rahmen des ARD-Programms erbrachten Programmteile und müssen von den anderen Ländern ersetzt werden. Gleiches gilt für die anderen in Gemeinschaft erbrachten Programme wie z. B. 3sat. Handelt es sich bei der Rundfunkanstalt um eine gemeinsame Länderanstalt, muss das jeweilig zurückbleibende Land die verbleibenden personellen und finanziellen Strukturen neu organisieren und ist gezwungen zu handeln, um in seinem Gebiet auch weiterhin öffentlichrechtlichen Rundfunk anbieten zu können. Auch sind die übrigen Länder in jedem Fall aufgrund des mit der Auflösung einer Anstalt einhergehenden 548
BayVerfGH AfP 1987, 394, 297. Vgl. BVerfGE 1, 299, 315; 12, 205, 254 f.; 73, 118, 197; BayVerfGH AfP 1987, 394, 297. 550 BVerfGE 4, 115, 140; 12, 205, 254; vgl. auch BVerfGE 33, 303, 352; hierzu auch Schmitt Glaeser/Degenhart, AfP 1986, 173, 178; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 29. 549
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Gebührenwegfalls angesichts des bestehenden Finanzausgleichs zwischen den einzelnen Rundfunkanstalten gezwungen, diesen neu zu ordnen. Je nach Größe und Finanzkraft der wegfallenden Anstalt kann dies erhebliche Konsequenzen haben. Des Weiteren sind diverse Staatsverträge und andere Vereinbarungen zu ändern. Die Entscheidung eines einzelnen Landes gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinem Gebiet verstößt jedoch nicht allein aufgrund der aufgezeigten Auswirkungen über die Landesgrenzen hinweg gegen das Prinzip der Bundestreue, ermöglicht doch das grundgesetzliche Bekenntnis zum Föderalismus gerade eine Vielfalt. Das Prinzip der Bundestreue greift als eine Ausprägung des Missbrauchsverbotes551 nur bei besonders gelagerten Konstellationen ein, in denen schwerwiegende Nachteile drohen. Macht ein Land in korrekter Weise von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch, informiert es die von seiner Entscheidung berührten Länder rechtzeitig in angemessenem Umfang, so dass diese genug Zeit haben, die sich hieraus ergebenden Veränderungen aufzufangen und damit ihre Entscheidung für ein duales Rundfunksystem in ihrem Gebiet weiterhin aufrecht erhalten können, und hat das handelnde Land nachvollziehbare Gründe für sein Handeln, so kann ihm die Abschaffung öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seinem Gebiet nicht unter Verweis auf die Bundestreue verwehrt werden552. c) Homogenitätsgebot Das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verlangt als Ergänzung der föderativen Ordnung ein gewisses Mindestmaß an Homogenität zwischen Bund und Ländern sowie unter den Ländern553; „die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates . . . entsprechen“, was der Bund gem. Art. 28 Abs. 3 GG zu gewährleisten hat. Dass eine abweichend vom sonst bestehenden dualen System rein private Rundfunkordnung den aufgezählten Grundsätzen im Sinne des Grundgesetzes wiederspricht, ist nicht anzunehmen. Zwar kommt dem Rundfunk im Hinblick auf die öffentliche Meinungsbildung und damit für die Demokratie eine nicht unerhebliche Bedeutung zu554, dem Demokratieprinzip lassen sich jedoch keine 551 Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 228 f.; Bethge, ZUM 1987, 199, 204; Stern/Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S. 25. 552 Vgl. hierzu Stettner, in: Nawiasky u. a., Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 111a Rn. 39 sowie die Ausführungen bei Stern/Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S. 26 f., die zu einem ähnlichen Ergebnis kommen – wenngleich es dort mit der erstmaligen Einführung privaten Rundfunks um den umgekehrten Fall ging. 553 Vgl. BVerfGE 9, 268, 279; 24, 367, 390; 36, 342, 361.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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genaueren Aussagen über die Rundfunkorganisation entnehmen als es das Bundesverfassungsgericht aus Art. 5 Abs. 1 GG vermag555. Die Gestaltungsmöglichkeit der Länder im Rundfunkbereich wird durch Art. 28 Abs. 1 GG mithin nicht eingeschränkt. Dies korrespondiert mit dem bereits im Zusammenhang mit den einzelnen Landesverfassungen gefundenen Ergebnis. d) Kooperativer Grundrechtsschutz Gegen ein einzelstaatliches Vorgehen bei der Abschaffung öffentlichrechtlichen Rundfunks könnte jedoch ein anderer Aspekt sprechen. So verdichtet sich das aus dem Föderalismusprinzip ergebende Recht der Länder zur Kooperation gerade bei derartigen länderübergreifenden Sachverhalten zu einer Pflicht zur Kooperation und Koordination556, wenn es um Grundrechtschutz geht, der anderenfalls nicht verwirklicht werden kann557. aa) Aus Rezipientensicht Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Funktion des Rundfunks, den Bürger mit Informationen zu versorgen, die er zu seiner Willensbildung in einem demokratischen Staat benötigt, sowie die Tatsache, dass es aufgrund der hohen Bedeutung des Rundfunks für die Demokratie und Integration des Volkes eines gleichwertigen Informationsstandards im Bundesstaat bedarf558. Konsequenz einer länderweit einmaligen Abschaffung des öffentlichrechtlichen Rundfunks unter Ausschöpfung der aufgezeigten Kündigungsmöglichkeiten wäre in Bezug auf den Grundrechtsschutz beispielsweise, dass für die anderen Länder keine Verpflichtung mehr bestünde, das abweichende, die entsprechenden Staatsverträge kündigende Land weiterhin mit den Programmen des Ersten Deutschen Fernsehens, des ZDF etc. zu versorgen. In der Folge ließe sich argumentieren, in einem derartigen Fall sei mangels umfassender und vielfältiger Informationen die Meinungsbildungsfreiheit der in diesem Land lebenden Bürger beeinträchtigt und das aus 554
Siehe unter A. II. 1. a) cc) (1) und (2) (a). So zu Recht Hesse, SächsVBl 1994, 73. 556 Kritisch zu einer derartigen Handlungspflicht, da damit faktisch die vom Grundgesetz getroffene Kompetenzordnung aufgehoben werde Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 199 ff. 557 Vgl. hierzu Bethge, AöR 110 (1985), 169, 215 ff.; ders., ZUM 1994, 1, 11; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 29; ders., ZRP 1986, 224, 227. Vgl. auch BVerfGE 33, 303, 257 f. 558 Vgl. auch Schmitt Glaeser/Degenhart, AfP 1986, 173, 183. 555
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Gebot der Chancengleichheit in Bezug auf Teilhabe am demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess559 sei verletzt. Der Informationsstandard in den einzelnen Bundesländern wäre nicht mehr gleichwertig. Dabei würde jedoch übersehen, dass der Gesetzgeber eines jeden Landes trotz seines weitreichenden Gestaltungsspielraumes bestimmte Grenzen zu beachten hat560, muss er doch unabhängig von der jeweiligen Rundfunkorganisation die mit der objektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit zum Ausdruck gebrachte besondere Bedeutung der Meinungsbildungsfreiheit berücksichtigen und hat er demzufolge ein ausgewogenes, vielfältiges Rundfunkprogramm sicherzustellen. Mit Hilfe dieses aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ableitbaren vorgeschriebenen „gemeinsamen Standards“ wird Vorsorge dagegen getroffen, dass in den einzelnen Ländern tiefgreifende Unterschiede im Hinblick auf die den demokratietragenden Bürgern durch den Rundfunk zur Verfügung gestellten Informationen bestehen. Solange dieser Standard in einem Land anstelle eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einem dualen System durch ein rein privates Rundfunksystem sichergestellt wird561, liegen keine Voraussetzungen vor, die das Eingreifen kooperativen Grundrechtsschutzes und damit ein ländereinheitliches Vorgehen erforderten. Auch lassen sich in einem derartigen Fall nicht von vornherein faktische Verhältnisse feststellen, die die Grundrechtsausübung im föderalen Staat unsachgemäß erschweren und damit den Wertungen des Art. 3 und Art. 33 Abs. 1 GG widersprechen. bb) Aus Veranstaltersicht Neben der Sicht der Rezipienten ist auch die Chancengleichheit aus Sicht der privaten Rundfunkveranstalter zu betrachten, sind doch beide jeweils Pole des Kommunikationsprozesses562 und als solche von einer Umstrukturierung einer dualen hin zu einer rein privaten Rundfunkordnung rechtlich betroffen. Die in diesem Fall zur Wahrung der vorgegebenen Rahmenbedingungen ins Auge gefasste Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter wurde als grundrechtskonform eingestuft563. Gleichwohl, d. h. auch wenn die jeweils unterschiedlichen Organisationsstrukturen für sich genommen den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechen, kann sich mit Rücksicht auf das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, präzisiert durch Art. 33 Abs. 1 559
Vgl. Libertus, AfP 1998, 149, 152 f. In diese Richtung auch Rudolf/Jutzi, ZRP 1987, 2, 3. 561 Dass dies zumindest aus verfassungstheoretischer Sicht möglich ist, wurde unter A. II. 2. d) ff) (2) (d) herausgearbeitet. 562 Vgl. BVerfGE 57, 295, 319. 563 Siehe unter A. II. 2. d) ff) (2) (d). 560
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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GG, angesichts des föderalistischen Aufbaus der Bundesrepublik die Pflicht zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse ergeben564. Werden die Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von privatem Rundfunk unterschiedlich ausgestaltet, so werden gleichartige Lebenssachverhalte ungleich geregelt und es bestehen uneinheitliche Lebensverhältnisse. Weder Art. 3 Abs. 1 noch Art. 33 Abs. 1 GG verlangen allerdings eine völlige Gleichheit der Lebensverhältnisse. Stattdessen ist eine einheitliche Regelung in den einzelnen Ländern erst dann erforderlich, wenn es einem Veranstalter infolge dieser Unterschiede nicht möglich wäre, privaten Rundfunk zu veranstalten. Nur weil in einem Land, das allein privaten Rundfunk für zulässig erachtet, gegenüber dem sonst geforderten Grundstandard erhöhte Anforderungen an private Veranstalter gestellt werden als in den übrigen, an einem dualen Rundfunksystem festhaltenden Ländern, zugleich in diesem Bereich jedoch kein öffentlich-rechtlicher Konkurrent mehr existiert, ist es dem einzelnen Veranstalter noch nicht unmöglich, Rundfunk zu veranstalten respektive sich seinen Veranstaltungsort in ganz Deutschland zu wählen. Aus dem föderalistischen Prinzip ergibt sich keine Pflicht der Länder zur Vereinheitlichung der Ordnungsmodelle im Rundfunk565. Ein Unitarisierungsgebot im Rundfunkbereich lässt sich auch unter diesem Gesichtspunkt nicht feststellen. e) Folge Zwar werden von Verfassungs wegen bestimmte Vorgaben für jede Rundfunkordnung gemacht, eine über die Einhaltung dieser bereits genannten Grenzen hinausgehende Harmonisierungspflicht der Länder lässt sich aus dem Grundgesetz nicht herleiten566. Stattdessen ist eine uneinheitliche Vorgehensweise der Länder im Rundfunkbereich verfassungsrechtlich zulässig. Die Gefahr der Partikularisierung und Föderalisierung des Bundesrechts567 besteht nicht, da zum einen auch die Länder volle Souveränität besitzen, zum anderen der Föderalismus ausdrücklich im Grundgesetz niedergelegt ist. Die Abschaffung öffentlich-rechtlichen Rundfunks in nur einem Land wäre mithin möglich. Dies harmoniert auch mit dem vom Bundesverfassungsgericht immer wieder stark betonten Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers568 sowie mit der Konzeption des Grundgesetzes, das sich für 564 565 566 567 568
Ebenso Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 79. Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 80. Vgl. auch Rudolf/Jutzi, ZRP 1987, 2. Hierzu auch Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 152 ff. St. Rspr., vgl. allein BVerfGE 57, 295, 321 ff.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
ein Überlassen der Rundfunkmaterie an die Länder und damit für eine föderalistisch bedingte gewisse Unterschiedlichkeit der einzelnen Konzepte ausspricht.
II. Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ausgestaltung Im weiteren Fortgang stellt sich mit Blick auf den Maßstab der Verfassungsmäßigkeitsprüfung die Frage, ob sich die angeführten gesetzlichen Maßnahmen zur Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit oder aber als Eingriff in diese darstellen. 1. Veränderung des grundlegenden Ordnungsrahmens der Rundfunkfreiheit Vor dem Hintergrund, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit seiner Etablierung in der Nachkriegszeit der Bevölkerung zur Information aber auch Unterhaltung stets zur Verfügung stand und bis in die achtziger Jahre hinein eine monopolartige Stellung innehatte, stellt die Entscheidung des Gesetzgebers, diesen vollständig und ersatzlos abzuschaffen, eine grundlegende Entscheidung im Rundfunkbereich dar. Diese würde den Rahmen für die demokratiewichtige Meinungsbildungsfreiheit der Bürger insofern betreffen, als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die jahrzehntelang als verlässliche und glaubwürdige Informationspartner zur Verfügung standen oder aber zumindest den diesbezüglichen Anschein vermittelten, nun entfallen. Der gesetzliche Ordnungsrahmen, innerhalb dessen sich die Rundfunkfreiheit bislang entfalten konnte, würde bei einem Nebeneinander diverser privater Rundfunkveranstalter stark verändert. Aufgrund dessen spräche viel dafür, die Entscheidung für ein zukünftig rein privates Rundfunksystem, mit dem neue („private“) Bedingungen für die Rundfunkfreiheit hergestellt werden würden, als Ausgestaltung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen. Auch das Bundesverfassungsgericht führte im Zusammenhang mit der Beurteilung des Zwei-Säulen-Modells in NordrheinWestfalen569 aus, die Entscheidung für den Ordnungsrahmen, in dem Rundfunk veranstaltet werden kann, sei als Ausgestaltung und nicht als Einschränkung der Rundfunkfreiheit anzusehen570. 569
Siehe unter 1. Teil D. VI. 2. b). BVerfGE 83, 238, 326; ebenso Badura, JA 1987, 180, 182. Anders Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 119, demzufolge die gesetzliche Etablierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten von der Warte eines primär subjektiven Rechts auf Rundfunkveranstaltung als Eingriff zu werten sei. 570
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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2. Zielausrichtung Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass ausgestaltende Maßnahmen nicht anderweitigen, kollidierenden Verfassungspositionen außerhalb des Art. 5 Abs. 1 GG, sondern in erster Linie der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen dürfen571. Wichtig ist die publizistische Dimension. Als ausgestaltende Regelungen zulässig sind gesetzliche Maßnahmen, die der besseren oder zumindest gleichwertigen Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen572. So stufte das Bundesverfassungsgericht das Verbot öffentlich-rechtlicher Programme im regionalen und lokalen Rundfunk gerade nicht als verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung, sondern als Eingriff, der an der Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen sei, ein, da maßgeblicher Grund dieses Verbotes allein der Schutz privater Anbieter vor der Konkurrenz der Rundfunkanstalten sei573. Fraglich ist daher, ob vorrangiges Motiv einer gesetzgeberischen Entscheidung für eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seinem Gebiet der Schutz anderer Rechtsgüter ist574 oder eine derartige Maßnahme in erster Linie der Rundfunkfreiheit zugute kommen soll. Zu bedenken ist dabei, dass sich gesetzgeberische Motive in ihrer Gewichtung im Voraus schwer abschätzen lassen. Würde sich der Gesetzgeber aus der momentanen Situation heraus für eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entscheiden, so ist nicht ausgeschlossen, dass unter anderem auch kommunikationsfremde Motive wie die finanziellen Interessen der bisherigen Gebührenzahler und wirtschaftliche Interessen der sich übermäßig durch die Rundfunkanstalten eingeschränkt fühlenden privaten Rundfunkveranstalter eine Rolle spielen würden. Dass derartige Interessen alleiniger Anstoß für eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind, lässt sich jedoch nicht eindeutig feststellen. Würde der Gesetzgeber zugleich die privaten Veranstalter zur Erbringung von Grundversorgung verpflichten, um den bisherigen Standard im Rundfunk auch ohne die Rundfunkanstalten weiterhin aufrecht zu erhalten, dann würde seine Entscheidung von der theoretischen Warte aus betrachtet die Rundfunkfreiheit zumindest gleichwertig sichern, würde also keine schlechtere Gewähr für freie Meinungsbildung durch den Rundfunk bieten als die zum Zeitpunkt des Erlasses geltenden Vorschriften. Möglicherweise würde der Normgeber auch die Ansicht vertreten, private Ver571 BVerfGE 73, 118, 166; 74, 297, 334; vgl. auch BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 153; 74, 297, 324; 83, 238, 296; 90, 60, 88. 572 Vgl. BVerfGE 74, 297, 334. 573 BVerfGE 74, 297, 334 ff. 574 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in BVerfGE 95, 220, 235. 17 Lindschau
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
anstalter seien in der heutigen Zeit besser geeignet, ein vielfältiges Rundfunkprogramm für die gesamte Bevölkerung zu veranstalten – besonders unter dem Gesichtspunkt, dass sie eventuell politischer Beeinflussung nicht in dem Maße zugänglich sind, wie dies den Rundfunkanstalten mit ihren Gremien vorgeworfen wird575. In diesem Fall würde aus seiner Sicht576, die angesichts der für die Zukunft schwer abschätzbaren Materie einen nicht unerheblichen Prognosespielraum beinhaltet, die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sogar der besseren Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen, was nicht von vornherein als offensichtlich fehlsam einzuordnen wäre. Insgesamt lässt sich nicht ausschließen, dass primäres Motiv bei Ergreifung der in Rede stehenden Maßnahmen die Rundfunkfreiheit und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Medienordnung wäre. 3. Abändernde Ausgestaltung im Sinne einer Umgestaltung Die Etablierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten nach dem Zweiten Weltkrieg stellt sich als erstmalige Ausgestaltung der Rundfunkordnung dar, die der Rundfunkfreiheit diente, weil angesichts der begrenzten Frequenzlage und des hohen finanziellen Aufwands ein ausgewogenes ZuWort-Kommen aller Meinungen nicht anders sichergestellt werden konnte und nur so der demokratiewichtige Willensbildungsprozess offen gehalten sowie eine Konzentration von Meinungsmacht in der Hand einiger weniger finanziell potenter Leute vermieden werden konnte. Bei der in Rede stehenden gesetzgeberischen Entscheidung, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinem Kompetenzgebiet vollständig abzuschaffen, würde es sich bei näherem Hinsehen folglich nicht um eine erstmalige Ausgestaltung handeln. Stattdessen ließe sich diese als Umgestaltung der bestehenden ausgestaltenden Entscheidung für ein duales System aus privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk einordnen. Wie gesehen ist die Ansicht, die im Fall des Bestehens bestandsgeschützter Rechte einer Umgestaltung zugleich Eingriffsqualität zugesteht, abzulehnen577. In der Neugestaltung einer durch den Gesetzgeber bereits ausgestalteten Rundfunkordnung kann in der Regel kein Eingriff gesehen werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache zu bewerten, dass im Fall der 575
Eine Auseinandersetzung damit erfolgt im weiteren Verlauf unter 3. Teil
A. II. 576
Hierzu Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 77: Es genügt, dass die getroffene Regelung in den Augen des Gesetzgebers dazu bestimmt und nach seiner Einschätzung geeignet ist, die Rundfunkfreiheit zu gewährleisten. 577 Hierzu A. II. 2. d) ff) (d) (ee).
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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Abschaffung öffentlich-rechtlichen Rundfunks die einzelne Rundfunkanstalt das ihr zustehende Grundrecht der Rundfunkfreiheit verliert. Nach allgemeiner Meinung steht die Existenz der einzelnen Anstalt zur Disposition des Gesetzgebers und wird es für zulässig gehalten, einzelne Rundfunkanstalten zu beseitigen578 mit der Konsequenz, dass diese nicht mehr Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sind. Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit kann vor dem Hintergrund eines primär objektiv-rechtlichen Grundrechtsverständnisses der Rundfunkfreiheit nur in der jeweils gesetzlich ausgestalteten Form in Anspruch genommen werden. Subjektive Abwehrrechte aus der Rundfunkfreiheit können den Anstalten nur insoweit zukommen, wie die – verfassungsrechtliche Anforderungen aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beachtende – gesetzliche Ausgestaltung die entsprechende Freiheit auch tatsächlich eröffnet579. Wird argumentiert, in einem solchen Fall, in dem ein Träger der Rundfunkfreiheit vom Staat ohne weiteres eliminiert werde, werde die Rundfunkfreiheit in ihrem Wesensgehalt (Art. 19 Abs. 2 GG) verletzt580, wird der immer wieder betonten Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besonders im Kontext sich abzeichnender Veränderungen des Umfelds nicht genügend Rechnung getragen581. Zudem wird verkannt, dass dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit auch bei einer um eine Rundfunkanstalt verringerten dualen Rundfunkordnung oder aber wie hier in Rede stehenden rein privatrechtlichen Ausgestaltung – gesetzt den Fall diese orientiert sich an der dienenden Funktion des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Interesse des Ziels einer freien Meinungsbildung – ein eingriffsfester Kern im Sinne der Wesensgehaltstheorie in ihrer absoluten Ausprägung verbleibt. Stellt der Gesetzgeber sicher, dass die bisher vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erbrachten Funktionen nun durch Private zumindest gleichwertig gesichert werden, wird der Wesensgehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht betroffen. Eine öffentlich-rechtliche Struktur des Grundrechtes ist wie gesehen nicht Inhalt von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG582. Die vorliegend in Frage stehende gesetzliche Maßnahme einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde zwar die Rundfunkanstalten in ihrem durch erstmalige Ausgestaltung nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen (Grundrechts-)Bestand beeinträchtigen, gleichwohl bleibt es 578 Vgl. bereits unter II. 2. e) bb) Hierzu auch Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 21 f. 579 Kull, AfP 1987, 568, 571. 580 Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 186. 581 Zu Recht wird daher später eine verfassungskonforme Interpretation für den Fall, dass die Beseitigung der Rundfunkanstalt im Interesse der Rundfunkfreiheit zur Anpassung des Rundfunks an die fortschreitenden Veränderungen erforderlich ist, in Betracht gezogen, Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 187. 582 Vgl. hierzu auch Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 132 f., 134 f. 17*
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mit Blick auf die offen zu haltende Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers bei technisch-gesellschaftlichen Entwicklungen und in einer Gesamtsicht bei der Einordnung einer derartigen Maßnahme als nachträgliche Ausgestaltung respektive Umgestaltung. 4. Schlussfolgerung Vor dem Hintergrund, dass die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers auch die Entscheidung über die Grundlinien der Medienordnung umfasst und es seiner Verantwortung obliegt, zwischen verschiedenen Modellen zu wählen oder diese zu kombinieren583, ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine rein private Rundfunkordnung insgesamt als ausgestaltende Regelung einzuordnen. Allerdings ist die Möglichkeit der Auflösung einzelner Rundfunkanstalten keine völlig freie gesetzgeberische Entscheidung, sondern ist als Umgestaltung der Rundfunkordnung daran gebunden, dass auch weiterhin das Normziel zumindest gleich gut erreicht wird584. Dies wird im Folgenden näher zu untersuchen sein.
III. Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Ausgestaltungsentscheidung Nachdem bislang festgestellt wurde, welche rechtlichen Determinanten bei einem Übergang von öffentlich-rechtlichem zu privatem Rundfunk zu beachten sind, erfolgt nunmehr mit Hilfe von bestehenden empirischen Medienanalysedaten eine Subsumtion der tatsächlichen Gegebenheiten unter die zuvor herausgearbeiteten rechtlichen Rahmenbedingungen. Unter vorrangiger Berücksichtigung der Sicherstellung der Grundversorgung als besonderer Grenze gesetzgeberischen Handelns wird der Frage nachgegangen, ob privater Rundfunk bereits jetzt faktisch Grundversorgung erbringt, eine diesbezügliche Verpflichtung damit reine Formalität und Absicherung wäre oder aber erwartet werden kann, dass er in näherer Zukunft mit seinen Programmen grundversorgend tätig wird, er einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung mithin ohne übermäßige Anstrengungen nachkommen könnte. Denn sollte auch privater Rundfunk schon jetzt oder aber in absehbarer Zeit den rechtlichen Anforderungen an einen verfassungsgemäßen Rundfunk nachkommen, wäre die Entscheidung der Abschaffung des öffentlichrechtlichen Rundfunks im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungs583
Vgl. BVerfGE 83, 238, 308, 316; Ruck, AöR 117 (1992), 543, 561. Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 106; vgl. auch BVerfGE 74, 297, 334; in diesem Sinne ebenfalls Hoffmann-Riem, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 32. 584
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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gemäß, da das Normziel auch durch allein privaten Rundfunk zumindest gleich gut erreicht würde. In diesem Fall wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk ersetzbar, da er seinen Schutz dann nicht mehr aus seiner alleinigen Aufgabenerfüllung herleiten könnte. 1. Der Rundfunkfreiheit dienend – die besondere Grenze der Grundversorgung Bei der Analyse, inwieweit die momentan vorherrschenden Bedingungen in der deutschen Privatrundfunklandschaft einer Grundversorgungsgewährleistung gemäß der drei Grundversorgungselemente585 nahe kommen, wird im Zuge einer Schwerpunktsetzung das stärker in der aktuellen Diskussion stehende und auch meinungsbildbestimmendere586 Fernsehen im Vordergrund stehen587. a) Technikbezogenes Element der Grundversorgung Zunächst müsste nahezu der gesamten Bevölkerung Deutschlands ein Empfang der wesentlichen Privatsender möglich sein. Die Versorgungsdichte terrestrischen Fernsehens in Deutschland liegt bei mehr als 99%588. Angesichts der sich immer weiter ausbreitenden Digitalisierung und der dadurch besser auslastbaren Sendefrequenzen können mittels terrestrischer Strahlung neben den großen Privatsendern RTL und SAT.1 auf diesem Weg mittlerweile auch private Programme wie beispielsweise ProSieben, Kabel 1 und VOX gesendet werden und werden damit in naher Zukunft ebenfalls diesen hohen Verbreitungsgrad erreichen. Im Zuge der technischen Entwicklung werden die Kapazitäten terrestrischer Übertragungsfrequenzen immer besser ausgenutzt werden können, so dass noch weitere Programme dort Platz finden werden. Aber selbst diejenigen Teile Deutschlands, die in nächster Zeit noch nicht mit digitalem Fernsehen versorgt werden, können private Programme über Kabel (mit 56,8% mehr als die Hälfte der Haushalte) oder Satellit (mit 38% mehr als ein Drittel der Haushalte) empfangen589. Auch diese Verbreitungswege sind in der heutigen Zeit in die Grundversorgung miteinzubeziehen. Relevanter Verbreitungsweg ist damit nicht mehr nur allein die terrestrische Ausstrahlung. Das 585
Vgl. unter A. II. 2. d) cc). Siehe hierzu auch bereits unter A. II. 1. a) cc) (1) (d). 587 Die in Teilen abweichende Hörfunksituation wird unter Berücksichtigung der zum Bereich des Fernsehens gefundenen Ergebnisse im weiteren Verlauf der Arbeit – allerdings in kürzerer Form – Erwähnung finden. Vgl. unter 3. Teil C. 588 Herrmann, Rundfunkrecht, § 30 Rn. 7. 589 Vgl. unter 1. Teil D. VIII. 1. 586
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Argument des Bundesverfassungsgerichts, die finanziellen Aufwendungen der Rezipienten für den Empfang zusätzlicher Programme via Kabel oder Satellit seien so erheblich, dass eine Rundfunkversorgung nahezu der gesamten Bevölkerung zu einem vertretbaren Mitteleinsatz auf Seiten der Empfänger weiterhin ausschließlich auf terrestrischem Wege möglich sei590, ist angesichts des heute im Vergleich zu damals erheblich geringeren Kostenaufwandes für den Empfang über Kabel und Satellit überholt. Angesichts technischer Reichweiten privater deutscher Fernsehsender von beispielsweise 98% (RTL), 97% (SAT.1) oder 95% (VOX, ProSieben)591 im Jahr 2003 kann das technikbezogene Grundversorgungselement, d. h. eine technische Erreichbarkeit nahezu der gesamten Bevölkerung, seitens des privaten Rundfunks bereits zum jetzigen Zeitpunkt als erfüllt betrachtet werden592. b) Inhalts- und vielfaltsbezogenes Element der Grundversorgung Weiterhin müssten auch das inhaltsbezogene Grundversorgungselement (der klassische Rundfunkauftrag) sowie das Erfordernis gleichgewichtiger Vielfalt durch den privaten Rundfunk erfüllt sein. Angesichts dessen, dass sich die beim zweiten und dritten Element der Grundversorgung auftauchenden Schwierigkeiten beim privaten Rundfunk überschneiden und einander ähneln, sind diese beiden Bestandteile der Grundversorgung im Folgenden gemeinsam zu untersuchen. Bislang ist es so, dass zwar der private Rundfunk überwiegend außenpluralistisch organisiert ist, es also auf die Gesamtleistung aller Programme ankommt. Um jedoch von der jeweiligen Landesmedienanstalt zugelassen zu werden, hat ein privater Rundfunkveranstalter ein Konzept vorzulegen, das als Ganzes ein möglichst großes Maß an Vielfalt und Ausgewogenheit in Bezug auf Information, Bildung und Unterhaltung bietet. Ist das Konzept bereits in sich ausgewogen und vielfältig und sind entsprechende Kapazitäten frei, wird dem Veranstalter in der Regel eine Programmerlaubnis gewährt. Ist es jedoch als presseähnliches Tendenzangebot, als Spartenprogramm gestaltet, so kommt es für die Programmerlaubnis auf die Programme der anderen privaten Veranstalter an. Liegt dort ein relativ vielfältig-ausgewogenes Gesamtprogramm vor, ist eine Programmerlaubnis auch für ein Tendenzprogramm möglich. Angelehnt hieran ist für den gegenüber 590
Vgl. BVerfGE 73, 118, 123; 74, 297, 326. Vgl. hierzu Media Perspektiven, Basisdaten 2003, S. 7 f. 592 Auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts besitzen die großen privaten Fernsehsender inzwischen eine Reichweite, die derjenigen der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nahe kommt, BVerfGE 97, 228, 256. 591
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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dem momentan geforderten Grundstandard erhöhten Grundversorgungsanspruch zu prüfen, ob die privaten Rundfunkprogramme bereits für sich allein ein vielfältiges und ausgewogenes Programm im Hinblick auf Programmgegenstände und Meinungen erbringen oder aber – um alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen – zumindest in ihrer Gesamtheit eine Programmleistung vorweisen können, die dem Begriff der Grundversorgung gerecht wird. aa) Die aktuelle Programmleistung (1) Programmentwicklung Zu Beginn privaten Rundfunks strahlten die ersten Privatsender RTL und SAT.1 mangels ausreichender Finanzen593 vorwiegend billige und gleichzeitig massenattraktive Sendungen aus, um ausreichend Werbeeinnahmen für ihr Überleben zu erzielen. Auf in der Produktion aufwendige Informations- oder aber kulturelle Sendungen wurde zu dieser Zeit weitgehend verzichtet. Mit zunehmender Zuschauerakzeptanz und damit einhergehenden steigenden Werbeeinnahmen, wozu auch der Erwerb exklusiver Sportübertragungsrechte beitrug, ging RTL dazu über, das Programm, das bis dato aus amerikanischen (Action-)Serien, Videoclips, erotisch angehauchten Filmen und Magazinen bestanden hatte, qualitativ besser zu gestalten. Im Laufe der Zeit gelang es dem privaten Rundfunk, sich fest zu etablieren, auch wenn seine Ausgangslage schwierig war und der Aufbau eines funktionierenden privaten Rundfunksystems für äußerst fraglich gehalten wurde594. Schließlich musste er im Kampf um die Zuschauergunst gegen die öffentlich-rechtlichen Anstalten antreten, die nicht nur durch die Gebühren finanziell gut ausgestattet waren, sondern auch auf einen großen Bestand an Filmen, Programmkonzepten, Sendematerialien, geschäftlichen Verbindungen, einen enormen Mitarbeiterstab, ein weit gespanntes Korrespondentennetz sowie eine umfangreiche technische Ausstattung zurückgreifen konnten. Fraglich ist, ob am Ende dieser für manche Privatsender fast zwanzigjährigen Entwicklungszeit ein Programm steht, das sich mit dem Begriff der Grundversorgung betiteln lässt. 593
Im Jahr 1986 nahmen sie zusammen nur ca. 60 Millionen DM ein, wohingegen die öffentlich-rechtlichen Anstalten im selben Zeitraum allein über einen Gebührenetat (Einnahmen aus Werbung und sonstigen wirtschaftlichen Betätigungen ausgenommen) von 4,2 Milliarden DM verfügen konnten (Kull, AfP 1987, 568, 569). 594 Schmitt Glaeser, BayVBl 1985, 97, 101.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
(2) Heutiger Stand Betrachtet man die Sendeprofile der großen Privatsender RTL, SAT.1 und ProSieben im Hinblick auf das Vorhandensein gegenständlicher Vielfalt (im Hinblick auf Meinungsvielfalt sind zumindest empirische Nachweise nur schwer zu erbringen), so lässt sich Folgendes feststellen: Der Anteil an Informationssendungen am Gesamtprogramm, worunter nicht nur reine Nachrichtensendungen595, sondern auch (Polit-)Magazine, Dokumentationen, Ratgeber oder auch Diskussionsrunden zu verstehen sind596, liegt im Jahr 2003 bei RTL bei 22,1%, bei SAT.1 bei 17,3% und bei Pro Sieben bei 26,7%597. Der Anteil unterhaltender Sendungen, seien es nonfiktionale Beiträge wie Reportagen, Talkshows, Gameshows und Comedy oder auch fiktionale Beiträge wie Spielfilme und Fernsehserien ist demgegenüber mit 46,1% (RTL), 51,3% (SAT.1) und 48,9% (ProSieben) mehr als doppelt (RTL) bis knapp dreimal (SAT.1) so hoch wie der Informationsanteil. Sportbeiträge werden höchstens mit 2,3% der Sendedauer (RTL) gewürdigt und der Bereich der Musik wird bei SAT.1 und ProSieben mit 0,3% bzw. 0,2% ebenfalls vernachlässigt. Sendungen für Kinder und Jugendliche nehmen 5,1% (ProSieben) und 2,8% bzw. 3,5% (RTL, SAT.1) der Sendedauer in Anspruch. Betrachtet man demgegenüber die Programmleistungen öffentlich-rechtlicher Vollprogramme wie ARD und ZDF, bei denen bereits teilweise die Erbringung von Grundversorgung in Frage gestellt wird598, deutet dies darauf hin, dass von einer Grundversorgungsleistung der einzelnen Privatsender zum momentanen Zeitpunkt noch nicht die Rede sein kann. So ist der Informationsanteil der Öffentlich-rechtlichen mit 43,1% (ARD) und 48,4% (ZDF)599 fast doppelt so hoch wie der des in diesem Bereich mittlerweile stärksten Anbieters ProSieben. Auch die Tatsache, dass ihr Unterhaltungsanteil mit 36,8% (ARD) und 34,9% (ZDF) wesentlich unter dem der großen Privatsender liegt und dadurch ARD und ZDF Bereichen wie Sport (8,6% bzw. 6,0%), Musik (2,0% bzw. 1,7%) sowie Sendungen für Kinder und Jugendlichen (6,0% bzw. 5,2%), deren Schwerpunkt nicht zwingend immer im Unterhaltungs-, sondern auch Informations-, Bildungs- oder Kulturbereich liegen kann, mehr Raum geben können, zeigt schon von der 595
BVerfGE 73, 118, 158; 74, 297, 324. Vgl. die Auflistung bei Krüger, MP 2004, 194, 199. 597 Hierzu Krüger, MP 2004, 194, 199. 598 Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 215; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 90 ff., 221. Kritisch zur Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner bisherigen Form auch Stürner, AfP 2002, 283, 288 f. 599 Krüger, MP 2004, 194, 199. 596
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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Grobstruktur her eine höhere Diversifizierung der öffentlich-rechtlichen Programme in Bezug auf die Programmgegenstände. Die großen privaten Vollprogramme sind folglich zurzeit allein nicht in der Lage, ein umfassendes, vielfältiges und auch ausgewogenes Programm allein im Hinblick auf die Programmgegenstände zu vertreten. Möglicherweise erbringen die Privatsender jedoch in ihrer Gesamtheit ein Programm, das zumindest aufgrund seiner Programmvielfalt dem Grundversorgungsniveau gerecht wird. Bezieht man die Programmleistungen anderer privater Vollprogramme wie z. B. RTL II, VOX oder Kabel 1 mit ein, so zeigt sich, dass auch hier der Unterhaltungsbereich mit über 60% den größten Anteil der Sendezeit ausmacht600. Wenngleich sich auch bei den privaten Fernsehveranstaltern insgesamt ein relativ hoher Informationsanteil messen lässt, so ist dabei zu bedenken, das diese Zahlen noch nichts über die Qualität der Informationen an sich aussagen. Der allgemeine Informationsgrad bei den Nachrichten im Privatfernsehen ist oft um ein vielfaches geringer als der des öffentlich-rechtlichen Fernsehens601. Das Verständnis der privaten Rundfunkveranstalter von Information bezieht sich häufig auf den Alltag, auf Sensationen, Katastrophen und abweichende individuelle Verhaltensformen602 bei gleichzeitiger emotionaler und dramatischer Behandlung dieser Themen und lässt sich von daher eher mit dem Begriff „Infotainment“ bezeichnen603. Darunter sind Informationssendungen zu verstehen, die zwar auch informieren, zugleich jedoch auch infolge einer animativ-aktivierenden Machart unterhalten sollen604. Das besonders anspruchsvolle Informationsformat der Dokumentation und Reportage ist 2002 bei den großen Privatsendern mit 0,9% (SAT.1) bis 2,2% (ProSieben) präsent, während ARD und ZDF auf dieses 600
Vgl. die einzelnen Daten in Media Perspektiven, Basisdaten 2003, S. 20 ff. Krüger/Zapf-Schramm, MP 2003, 102, 111 f. Zur unterschiedlichen Themenverteilung in der Informationssparte auch Kliment/Brunner, in: Hamm, Zukunft des dualen Systems, S. 254 ff. 602 Während im Bereich der nichttagesaktuellen Informationsangebote 2003 in der Zeit von 17.00 bis 1.00 Uhr ARD und ZDF den größten Themenanteil in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte ansiedelten (39,1% bzw. 38,1%), machten bei den Privatsendern RTL, SAT.1 und ProSieben die Bereiche Human Interest, Prominenz, Katastrophen, Kriminalität den größten Anteil aus (46% bzw. 33,3% bzw. 33,2%). Vergleichbares gilt für die Hauptnachrichtensendungen, in denen die Privaten unterhaltsamen, bunten Themen erheblich mehr Platz einräumen als die Öffentlich-rechtlichen, vgl. Krüger, MP 2004, 194, 203 ff. 603 Vgl. hierzu auch Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 14; Blumler/Hoffmann-Riem, MP 1992, 402, 409. 604 Opaschowski, Die multimediale Zukunft, S. 19. 601
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Genre 8,5% bzw. 9,0% ihrer Sendezeit verwenden605. Auch die jüngsten Strukturveränderungen bei ProSieben, durch die der Sender in die bis dato von RTL eingenommene Position des größten Informationsanbieters geriet, werden im wesentlichen von einer Ausweitung der Infotainment-Magazine geprägt606. Nimmt man Spartenprogramme wie die Nachrichtensender n-tv und N24, das Deutsche Sportfernsehen DSF oder aber Musikprogramme wie beispielsweise das deutsche Musikprogramm Viva, die sich mit ihrem Programm vollständig einem bestimmten Programmbereich widmen, mit in die Betrachtung des privaten Gesamtmarktes auf, so zeigt sich, dass das Programmspektrum, das zuvor eine ausgeprägte Einseitigkeit zugunsten des Unterhaltungsteils ergab, in seiner gegenständlichen Vielfalt erweitert wird. Allerdings gibt es weder einen privaten reinen Kulturkanal, in dem neben den darstellenden Künsten in Wort, Bild, Musik und Tanz, die politische, gesellschaftliche und geistige Lebenskultur zur Pflege und Vermittlung deutschen aber auch ausländischen Kulturgutes607 behandelt wird608, oder einen besonderen Bildungskanal, in dem spezifische Sendungen wie beispielsweise Telekolleg oder Schulfernsehen, deren Inhalte auf die Schaffung von Meinungsbildungs- und Gesprächsfähigkeit abzielen609, Raum gegeben wird. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund der vielen Vollprogramme, die verstärkt auf Unterhaltungsformate und sekundär auf mit Information betitelte Programmbeiträge ausgerichtet sind, lässt sich auch bei der Betrachtung des Gesamtprogramms aller Veranstalter noch immer nicht von einem vielfältig-ausgewogenen Programm in Bezug auf die Programmgegenstände sprechen. (3) Befund Diese lediglich übergreifend angedeuteten Strukturen – auf Einzelheiten ist vorliegend nicht weiter einzugehen, anderenfalls müssten entsprechende Studien mangels eigener empirischer Erhebungen weitgehend übernommen werden – werden durch Folgendes ergänzt und bestätigt: Im Hinblick auf das Kulturangebot, das regelmäßig nicht als gesonderte Sparte ausgewiesen wird, ergab eine Untersuchung im Jahr 2002 auf der Basis von zwanzig 605
Vgl. Krüger, MP 2004, 194, 199. Krüger, MP 2004, 194, 197. 607 Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 88. 608 Ebenfalls dem Bereich Kultur zugeordnet werden zum Teil kirchliche Sendungen (Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 86). 609 Vgl. auch Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 90 f.; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 85. 606
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deutschen Fernsehsendern, dass 91% der fast 18 Stunden täglichen Kultursendungen öffentlich-rechtlicher Natur sind und lediglich 9% der Gesamtheit des privatrechtlichen Programm-Marktes zuzuordnen sind610. Bedenkt man, dass der Landesgesetzgeber auch von den privaten Rundfunkprogrammen verlangt, dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen und mit einem angemessenen Anteil an Information, Kultur und Bildung zur Darstellung der Vielfalt beizutragen611, so lässt sich vor dem Hintergrund dieser Daten daran zweifeln, ob überhaupt dem Erfordernis eines Grundstandards gleichgewichtiger Vielfalt ausreichend Rechnung getragen wird. Wenn auch private Sender mit steigenden Einnahmen ihr Angebot im Vergleich zu dem der Anfangsjahre qualitativ haben steigern können, so zeigt sich trotz der anerkennenswerten programmlichen Weiterentwicklung insgesamt, dass von einer Grundversorgungsleistung privater Programme – weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit – bereits im Hinblick auf das zweite Grundversorgungselement, eine inhaltlich-gegenständliche gleichgewichtige Vielfalt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht die Rede sein kann612. Von privater Seite aus kann der klassische Rundfunkauftrag nicht als erfüllt angesehen werden. Eine entsprechende Verpflichtung wäre mithin keine reine Formalität, die bereits Bestehendes lediglich rechtlich absichern würde. Um festzustellen, inwiefern private Rundfunkveranstalter der in Rede stehenden Pflicht zur Grundversorgung – wenn nicht momentan, dann aber in der nächsten Zeit – nachkommen könnten, ist ein Blick auf die Wurzeln der aktuellen programmlichen Leistungen zu werfen. bb) Ursachen der momentanen programmlichen Leistungen Im Zusammenhang mit der Frage nach der Ablösung der Grundversorgung durch ein freies Spiel der Kräfte wurden bereits in abstrakter Weise die Besonderheiten des Rundfunkmarktes ausgeführt613. Die dort gefunde610
Klingler/Neuwöhner, MP 2003, 310, 315. Vgl. unter A. II. 2. d) ff) (2) (d) (cc). 612 Auch das Bundesverfassungsgericht stellt noch im Jahr 1999 in einem Kammerbeschluss über die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde, in der behauptet wurde, ein Vielfaltsgefälle zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk bestünde aufgrund der erheblichen Programmvermehrung nicht mehr, fest, es sei nicht ersichtlich, dass sich an den Verhältnissen seit der achten Rundfunkentscheidung im Jahre 1994 etwas Grundlegendes geändert habe, JZ 2000, 565. Nach Ansicht des VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 17, leistet der private Rundfunk hingegen heute Grundversorgung. In diese Richtung auch Ricker, epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 35 v. 08.05.1996, 5, 6 ff. 613 Siehe unter A. II. 2 d) ee) (4) (b) bis (d). 611
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nen generellen Strukturen können im Wesentlichen als Begründung für die im Hinblick auf eine Grundversorgung nicht als ausreichend erkannten programmlichen Leistungen der privaten Veranstalter herangezogen werden. Sie lassen sich anhand der aktuellen Lage des bundesdeutschen privaten Rundfunks weiter konkretisieren. (1) Finanzielle Strukturen Noch im Jahr 2000 finanzierten sich die bundesweiten Free-TV-Anbieter zu mehr als 90% aus überregionaler Werbung614. Angesichts dieser Finanzierungsstruktur wird klar, weshalb private Rundfunkunternehmen in erster Linie Kontaktmöglichkeiten für Werbeinteressenten vermitteln615, und es nicht wie bei anderen Waren- und Dienstleistungsmärkten zu einem marktförmigen Zusammenspiel zwischen dem anbietenden Veranstalter und nachfragenden Rezipienten kommt616. Da sich die Höhe der Werbeeinnahmen noch immer nach dem TausenderKontakt-Preis bemisst, wenn auch erhöhte Preise für spezielle Zielgruppenwünsche hinzukommen617, kommt es nach wie vor im Wesentlichen darauf an, mit einem Programm eine hohe Einschaltquote zu erreichen und damit möglichst viele Rezipienten als potentielle Konsumenten anzusprechen. Infolgedessen werden bevorzugt massenattraktive Sendungen ausgestrahlt. Massenattraktivität allein ist nicht zwingend als Synonym für geringes Niveau anzusehen, bedingt jedoch eine Darstellungsweise, die möglichst alle Rezipienten zufrieden stellt. Dazu wird auf bewährte Muster und weniger auf ausdifferenzierte, neue Sichtweisen zurückgegriffen. In diesem Zusammenhang wird auch darauf verwiesen, dass im Rundfunk Themenwahl, Dramaturgie und Komposition des Gesamtprogramms von „werbegerechten“ Programmentscheidungen beeinflusst werden und das Kriterium „werbegerecht“ auch verfassungsrechtlich problematische Auswirkungen auf den Inhalt hat, da ein harmonisches, Optimismus verbreitendes, Probleme vertuschendes und die Konsumbereitschaft der Rezipienten förderndes Programmumfeld den Erwartungen der Werbewirtschaft entgegenkommt618. Kritische 614
Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage, S. 84. Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 317; vgl. Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 115; vgl. auch BVerfGE 83, 238, 311: „Aus Sicht der Werbung treibenden Wirtschaft stellt sich das Rundfunkprogramm in erster Linie als Umfeld von Werbesendungen dar.“ 616 Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 317. Zu bedenken ist allerdings, dass auch werbefinanzierter Rundfunk für den Rezipienten keinesfalls kostenlos ist, sondern er indirekt als Verbraucher der beworbenen Produkte und Dienstleistungen zur Kasse gebeten wird. 617 Prokop, in: Klingler/Roters/Zöllner, Fernsehforschung, Teilbd. 2, S. 958. 615
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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Sendungen über tatsächlich bestehende politische und gesellschaftliche Probleme sind daher tendenziell weniger zu erwarten619. Überspitzt formuliert besteht bei Werbung immer die Gefahr, dass das nichtwerbende, allgemeine Programm zum Rahmenprogramm für die Werbung degeneriert.620 Neben Massenprodukten für jedermann werden auch solche Waren oder Dienstleistungen beworben, die nur für eine bestimmte Klientel von Interesse sind. Für solche Produkte ist ein Programm, das sich an eine spezifische Zielgruppe richtet, vorteilhafter, da damit zwar geringere Einschaltquoten erreicht werden, der Anteil angesprochener potentieller Konsumenten jedoch höher als bei einem auf die breite Masse ausgerichteten Programm ist, das hohe Streuverluste hinzunehmen hat621. Auch auf dem Zeitschriftenmarkt existieren mittlerweile Medien für relativ kleine Gruppen, bedingt durch den Wunsch nach zielgruppenspezifischer Werbung622. Von daher wäre es prinzipiell nicht auszuschließen, dass auch werbefinanzierter Rundfunk Minderheitenprogramme produziert und ausstrahlt. Ob damit aber die gesamte Vielfalt an Themen und Meinungen abdeckbar ist, erscheint fraglich. Voraussetzung dafür wäre neben dem Vorhandensein jeweils entsprechender Produkte auch werbungsempfängliche und finanzkräftige Rezipienten. In dem Moment, in dem es um die Interessen kleinerer, finanzschwacher Gruppen ginge oder sich keine größeren Produktanbieter für diese Gruppen fänden, käme es nicht zu den erforderlichen Programmen. Dass das Konzept eines auf spezielle Interessen zugeschnittenen Programms, das sich über entsprechend zielgruppenorientierte Werbung finanziert, nicht voll aufzugehen scheint, zeigt sich daran, dass der Kostendeckungsgrad der privaten Free-TV-Vollprogramme im Jahr 2000 bei 115% lag, während die privaten Spartenprogramme ein Defizit von zusammen 325 Millionen DM erwirtschafteten und damit einen Kostendeckungsgrad von lediglich 78% aufwiesen623. Von der Werbewirtschaft ins Auge gefasst und damit beim Programmangebot bevorzugt berücksichtigt werden auch nur diejenigen, die über eine aktive Kaufkraft verfügen, konsumfreudig sind und zudem als werblich beeinflussbar gelten, d. h. im Regelfall die 14- bis 49-Jährigen624. Über 618
Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 84; vgl. auch Ory, AfP 1987, 466, 470; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 253. 619 Niepalla, Grundversorgung, S. 57. 620 Vgl. Bullinger, ZUM 1985, 121, 125. 621 Vgl. auch Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 120. 622 Vgl. Engel, Medienordnungsrecht, S. 41. 623 Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage, S. 34. 624 Vgl. Sjurts, in: Friedrichsen/Seufert, Effiziente Medienregulierung, S. 81.
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50-Jährige werden damit nur wenig miteinbezogen625, wenngleich sich dies im Zuge einer alternden Gesellschaft, deren Mitglieder immer mehr Wert auf Jugendlichkeit und Aktivität legen, langsam zu ändern scheint. Insgesamt stellt der Verkauf von Zielgruppen an die werbetreibende Wirtschaft sowie der Wettbewerb um Zuschauer einen Desintegrations- und Segregationsfaktor dar626. Dass die Auswirkungen der Werbung auf das Programm genereller Natur und nicht ein spezifisches Problem des Privatfunks sind, zeigte sich im Rahmen einer Studie, in der ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Anteil der Werbung an den Einnahmen des öffentlichen Rundfunks und der Programmstruktur aufgezeigt werden konnte627. Je niedriger sich der Anteil der Werbefinanzierung erwies, desto höher lag der Anteil an Nachrichten, Information, Kultur-, Kinder- und Jugendsendungen an der Gesamtsendezeit. So lag der Anteil dieser Sendungen beim australischen öffentlichen Sender ABC, der sich nicht über Werbung finanziert, bei 80%, beim ZDF mit einer Werbefinanzierung von 20% bei noch 52% und beim französischen öffentlichen Sender France 2, der sich zu 50% über Werbung finanziert, betrug der Anteil dieser besonderen Sendungen nur noch 39%. (2) Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits besetzte Programmbereiche Als mitursächlich für die momentan bestehenden Defizite privater Rundfunkprogramme beispielsweise im Bereich der kulturellen Fernsehangebote oder Dokumentationen könnte sich auch der Aspekt erweisen, dass zum Zeitpunkt des Entstehens privater Rundfunkunternehmen die – zumeist auch aufgrund erhöhten Kostenaufwands weniger attraktiven – Marktsegmente der seriösen, politischen Information oder der kulturellen Sendungen bereits von öffentlich-rechtlichen Sendern besetzt waren. Nicht nur aufgrund zu Beginn knapper finanzieller Mittel könnte es der private Rundfunk deshalb vorgezogen haben, sich auf massenattraktive Unterhaltungsprogramme zu konzentrieren und zunächst billige Spielfilme, Serien sowie Unterhaltungsshows zu senden, da bei den bereits besetzten, nicht nur aus finanzieller Sicht hochwertigeren Programmformaten weniger Chancen der benötigten Akzeptanz vorausgesehen wurden. So hätte eine private Nachrichtensendung vom Format der „Tagesschau“ wahrscheinlich bei den etab625 Vgl. Eberle, GRUR 1995, 790, 794 f.; Kruse, in: Friedrichsen/Seufert, Effiziente Medienregulierung, S. 115; Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 20. 626 Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 57. 627 Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 39.
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lierten Zuschauern in Anbetracht des dafür nötigen Aufwands (Korrespondentennetz etc.) weniger Erfolg gehabt als neue Unterhaltungsformate, die es in der Form noch nicht gab. Die privaten Programmdefizite allein den bereits bestehenden Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in diesen Bereichen zuzuschreiben, ohne sich mit der Frage der Refinanzierbarkeit derartiger Sendungen zu beschäftigen, erscheint jedoch als zu einseitig. Würde sich der öffentlichrechtliche Rundfunk mit seiner Abschaffung aus allen bislang von ihm besetzten Marktsegmenten zurückziehen, dann würde die Nachfrage nach seriöser, umfassender politischen Berichterstattung oder nach Kulturreporten nicht ebenfalls verschwinden, sondern weiterhin bestehen bleiben. Von daher stünde es dem privaten Rundfunk prinzipiell offen, die frei gewordenen Marktbereiche ohne Druck der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz zu besetzen – wenn nicht das Problem der Finanzierbarkeit derartiger Sendungen bestünde. Angesichts der vorherigen Ausführungen kann die Vorhersage getroffen werden, dass sich – bleibt es bei einem hohen Grad der Werbefinanzierung – an den vorgefundenen Programmstrukturen keine größeren Änderungen ergeben werden. (3) Das Scheitern einer Verpflichtung an tatsächlichen Gegebenheiten Bedenkt man, dass der privatrechtliche Rundfunk in seinen Möglichkeiten zurzeit noch überwiegend von den Einnahmen aus der Wirtschaftswerbung abhängig ist, die ihm – anders als die Rundfunkgebühren – nicht dauerhaft in einem gewissen Bestand mehr oder weniger garantiert sind, sondern mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zusammenhängen628, wird die Gefahr deutlich, dass beispielsweise bei einem konjunkturellen Einbruch des Werbemarktes bestimmte, sich weniger rentierende Programme, bei denen es sich in der Regel um in der Produktion teure, hochwertige Kultur- oder sonstige Minderheitensendungen handeln wird, dann nicht mehr produziert und gesendet werden, weil sich der Privatsender sich einen derartigen „Luxus“ dann nicht mehr leisten kann, selbst wenn er es gerne würde. Eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung des privaten Rundfunkveranstalters würde in diesem Fall zwar noch für eine gewisse Zeit eine Aufrechterhaltung der Grundversorgung auch über den Punkt einer rentablen Unternehmensführung hinaus sicherstellen, könnte im Folgenden jedoch die Insolvenz eines Privatsenders nicht verhindern. Das Bundesverfassungsgericht stellte daher – allerdings für den öffentlich-rechtlichen 628 Groß, DVBl 1982, 561, 564; ebenso Heffler, MP 2003, 269 ff., demzufolge die Werbekonjunktur überproportional zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts verläuft.
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Rundfunk, dem es zu diesem Zeitpunkt noch die Grundversorgung aufgab – zu Recht fest, eine überwiegende Finanzierung aus Werbeeinnahmen sei mit der Grundversorgungsaufgabe unvereinbar629. Von daher kann die gesetzliche Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter diese zwar dazu bringen, Grundversorgung zu erbringen, dies jedoch nur solange, wie es ihnen auch wirtschaftlich möglich ist. Der vom Bundesverfassungsgericht geforderten „Sicherstellung“ der Grundversorgung entspräche eine derartige Lösung mithin nicht. cc) Auswirkungen künftiger Veränderungen Vor dem Hintergrund dessen, dass die momentanen Ursachen der Defizite im Wesentlichen strukturell bedingt sind630, erscheint es als möglich, dass der private Rundfunk im Fall von Strukturveränderungen in Zukunft in der Lage sein wird, mit seinen Programmen dauerhaft Grundversorgung zu leisten, so dass eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung nicht ins Leere liefe. Per se ist dem privaten Rundfunk jedenfalls nicht eine geringere Leistungsfähigkeit als den öffentlich-rechtlichen Anstalten zuzusprechen631. Dass auch das Bundesverfassungsgericht die Schwächen des privaten Rundfunks nicht als ihm immanent einstuft, zeigt sich anhand von Formulierungen wie „derzeitige . . . Defizite des privaten Rundfunks“632. (1) Die digitalisierungsbedingte Möglichkeit der Programmvervielfachung Eine der sich bereits momentan abzeichnenden Veränderungen stellt das Aufkommen der Digitaltechnik und deren Verbreitung dar, die den Rundfunk insgesamt in eine neue Entwicklungsphase633 treten lässt. Wie die einzelnen Konsequenzen für den privaten Rundfunk aus dieser Entwicklung aussehen werden, kann zurzeit nicht bis ins letzte Detail prognostiziert werden, die groben Entwicklungslinien können jedoch anhand der bisher vollzogenen Entwicklungsschritte mit einer gewissen Sicherheit vorgezeichnet werden. Die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht aufgrund der Datenreduktion eine verbesserte Ausnutzung der vorhandenen Übertragungsmöglichkeiten und reduziert zugleich die Verbreitungskosten pro Programm, bietet also die Voraussetzungen für das Entstehen vieler neuer Programme. Mit einer 629 630 631 632 633
Vgl. BVerfGE 83, 238, 311. Vgl. BVerwG NJW 1999, 2454, 2456. Ebenso Degenhart, ZUM 1988, 47, 51. BVerfGE 90, 60, 90. Paschke, Medienrecht, Rn. 54.
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höheren Zahl angebotener Programme erhöht sich auch die Chance eines Mehr an inhaltlicher Vielfalt634. Ob die Chance jedoch nutzbar ist, erscheint zweifelhaft, betrachtet man die Entwicklung infolge erweiterter Übertragungswege durch die Fortschritte bei der Kabel- und Satellitentechnik ab Beginn der achtziger Jahre bis heute. So gab es Ende 2000 in Deutschland zwar 94 private Fernsehveranstalter und 209 private Hörfunkveranstalter635. Die wachsende Zahl der Fernsehkanäle führte jedoch nicht zur Programmvielfalt636, sondern – größtenteils bedingt durch die Besonderheiten des Rundfunkmarktes – eher zu einem „more of the same“, zu einer Vervielfachung der bekannten Programmgenres, mit denen risikolos der Großteil der Bevölkerung angesprochen wird und entsprechende Werbeeinnahmen gesichert sind. Angesichts dieser – wenn auch bezogen auf die Vervielfachung der Programme im Vergleich zu den heutigen Möglichkeiten geringer ausgefallenen – abgelaufenen Entwicklung ist auch für die zukünftige Entwicklung anzunehmen, dass die reine Programmvervielfachung allein nicht zu einer inhaltlichen Veränderung führt und die bestehenden Defizite gleichsam von selbst aufhebt. Zwar besteht die zumindest theoretische Möglichkeit, dass infolge der Digitalisierung die bisherigen Defizite des privaten Rundfunks im programmlichen Bereich überwunden werden637, indem beispielsweise jetzt auch einzelne Gruppen – ohne Kampf um Einspeisung in Kabelnetze, Satellitenplätze oder gar knappe terrestrische Frequenzen – ihren eigenen Sender im außenpluralen Modell betreiben können, der auf ihre speziellen Interessen wie z. B. Angeln, klassisches Ballett oder bestimmte Musikrichtungen zugeschnitten ist. Bei der Umsetzung dieser Möglichkeit in die Praxis tauchen jedoch praktische Hindernisse auf: So sind zum einen viele Interessen nur schlecht institutionalisierbar, nicht jede Interessengruppe ist imstande, ein eigenes Fernsehprogramm zur Verbreitung ihrer Interessen und Meinungen auszustrahlen, zum anderen bleiben trotz verringerter Übertragungskosten die personal- und technikbedingten hohen Kosten für die Produktion oder den Einkauf der programmfüllenden Sendungen, die eine hohe 634
BVerfGE 74, 297, 332. Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage, S. 25. Kleinanbieter mit weniger als einer Stunde Programmproduktion pro Woche wurden nicht berücksichtigt. 636 Groebel u. a., in: Hamm, Bericht zur Lage des Fernsehens, S. 38. Dies haben auch die Ausführungen vorstehend unter aa) ergeben. 637 Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 69, 180, erwartet in Anbetracht der Vielzahl von privaten Programmen Programme für Minderheiten sowie aus dem kulturellen Bereich und geht von einer allmählichen Programm- und Meinungsvielfalt in Form des Außenpluralismus aus. 635
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Refinanzierbarkeit bedingen. Ob es wirklich spezielle Programme für bestimmte Bevölkerungsgruppen, Kulturkanäle, Sportkanäle bis hin zu speziellen Bildungskanälen geben wird638, erscheint von daher fraglich. Auch wird von einem Anstieg der aufzuwendenden Kosten für Medieninhalte ausgegangen, da diese nicht im selben Maß mitwachsen wie die Anzahl der Rundfunkveranstalter infolge der verbesserten Übertragungskapazitäten steigt639. Zu monieren wäre auch die geringe Breitenwirkung derartiger spezieller Programme, deren Inhalt anders als bei einem aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzten Vollprogramm aufgrund seiner thematischen Beschränktheit höchstwahrscheinlich kaum gruppenfremden Rezipienten bekannt werden würde. Wenn man sich vom digitalen Fernsehen aufgrund der Ermöglichung einer Vielzahl von Programmen häufig mehr Programmvielfalt verspricht640, wird folglich übersehen, dass Vielzahl nicht unbedingt inhaltliche Vielfalt bedeutet641. Mit einem quantitativen Wachstum einher geht nicht in gleichem Ausmaß eine publizistische Ausdifferenzierung der Inhalte642. Allein aufgrund einer Vielzahl empfangbarer privater Programme kann noch keine Grundversorgung angenommen werden643. Bedeutung kommt wieder der Finanzierbarkeit extravaganter, nicht auf breite Massen zugeschnittener Sendungen und Programme zu. Hinzuweisen bleibt noch auf folgende problematische Entwicklung: Angesichts der hohen Kosten und wirtschaftlichen Risiken gerade im Fernsehbereich, die im Zuge der Digitalisierung und einem sich verknappenden Programmangebot einhergehend mit einer Wertsteigerung der Übertragungsrechte eher zu- denn abnehmen, besteht die Tendenz zur wirtschaftlichen Konzentration zwecks Ausnutzung von Größenvorteilen. Mit einer Medienkonzentration einher geht die Gefahr der Konzentration von Meinungsmacht. Eine von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebene und 2002 veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Medienkonzentration nicht nur die Marktzutrittsbarrieren für neue Unternehmen erhöht und somit den Wettbewerb behindert, sondern auch die Darstellung gegensätzlicher Standpunkte beeinträchtigt und dadurch zur 638 So die Prophezeiung von Scholz, AfP 1995, 357, 358, im Zusammenhang einer wachsenden Anzahl von Kommunikations- und Übertragungsmöglichkeiten. 639 Hierzu auch Donges, Rundfunkpolitik, S. 170. 640 Hierauf verweist Franz, MP 2003, 463. 641 So auch Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 19; Lange, ZUM 1995, Sonderheft, 529, 531; Langenbucher, MP 1990, 699, 707; Trute, VVDStRL 57 (1998), 216, 233. 642 Sjurts, in: Friedrichsen/Seufert, Effiziente Medienregulierung, S. 71. 643 Eine ähnliche Einschätzung findet sich auch in BVerwG NJW 1999, 2454, 2456.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
275
Verarmung des politischen Diskurses in der Öffentlichkeit führt. Die Berichterstattung in den Medien werde inhaltlich immer einheitlicher und der qualitative Wettbewerb zwischen den Medien lasse nach644. Wie groß diese Gefahr ist, wird deutlich, betrachtet man den privaten Fernsehmarkt, der trotz einer Vielzahl von Programmen im Wesentlichen zwischen Bertelsmann und ehemals Kirch (heute Saban) aufgeteilt ist, und das, obwohl es gesetzliche Regelungen zur Vielfaltssicherung gibt. Gleich wie viele Kanalnutzungsmöglichkeiten und Programme es in Zukunft auch geben mag, die dahinter stehenden Veranstalter werden sich angesichts hoher Programmkosten voraussichtlich auf einige wenige beschränken. (2) Zunehmende Entgeltfinanzierung Als eine wesentliche Ursache der Konzentration auf massenattraktive Programme hat sich die finanzielle Struktur im Privatrundfunk erwiesen, der sich infolge der Abhängigkeit von den an Einschaltquoten ausgerichteten Werbeeinnahmen nur indirekt an den Wünschen der Rezipienten orientiert und zwar nur insoweit, wie es den Vorstellungen der Mehrheit entspricht, um diese für ein Rahmenprogramm der Werbung zu interessieren. Auch die Wahrnehmung der eröffneten Möglichkeit neuer vielfältiger Programme infolge einer Aufhebung der begrenzten Übertragungswege wird zu einem großen Teil von der fehlenden Finanzierbarkeit vereitelt. Hinzu kommt, dass sich all die neu hinzukommenden Programme voraussichtlich nicht mehr vollständig über Werbung finanzieren lassen, selbst wenn bei der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dieser als Werbeplattform entfällt und neue Werbekontingente frei werden645. Der Werbekuchen, der bereits in den letzten Jahren durch den Verfall der Werbepreise im Zuge des gesamtwirtschaftlichen Abschwungs immer kleiner geworden ist646, wird auf mehr Programme verteilt werden müssen. Insofern muss nach neuen Finanzierungswegen gesucht und von der ausschließlichen Werbefinanzierung abgerückt werden. 644 Vgl. die Zusammenfassung der Studie „Die gesellschaftsrechtlichen Folgen der Medienkonzentration“ bei Hess, AfP 2002, 488 f.; hierzu auch Paschke, Medienrecht, Rn. 352. 645 Angesichts dessen, dass die Werbezeitbuchungen bei ARD und ZDF häufig auf die besonderen Programmleistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugeschnitten sind und gerade das dort angesiedelte spezielle Publikum für die Werbung interessant ist, ist nicht gesagt, dass die frei werdenden Werbekontingente automatisch dem privaten Rundfunk zufallen (vgl. hierzu Eberle, MMR 2003, 623, 625; Hainer, MP 1994, 54, 56). 646 Vgl. hierzu Hoffmann-Riem, Pay-TV, S. 22 ff.; vgl. auch Heffler, MP 2003, 269 ff.; für 2003 scheint sich die Talfahrt der Werbeerlöse zumindest teilweise abgebremst zu haben, vgl. ders., MP 2004, 242 ff. 18*
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
All diese Dilemmata – wozu auch das einer zwar theoretisch möglichen, aber praktisch leerlaufenden Grundversorgungsverpflichtung gehört – ließen sich möglicherweise mit neuen Finanzierungsformen umgehen. Als eine Finanzierungsalternative zur Werbung sowohl für neue als auch für bereits bestehende Programme stellt sich eine Entgeltfinanzierung (Pay-TV) dar647. (a) Ablaufbeschreibung Herausgebildet haben sich zwei unterschiedliche Formen648: zum einen das „Pay-per-Channel“, auch Abonnentenfernsehen genannt, bei dem eine Bezahlung pro Programmkanal oder mehrerer Kanäle erfolgt und bereits die Möglichkeit der Nutzung, nicht die tatsächliche Nutzung entgeltpflichtig ist, zum anderen das „Pay-per-View“, bei dem pro Programmbeitrag bezahlt wird, die Zahlungsverpflichtung also an die Nutzung der einzelnen Sendung anknüpft und diese getrennt abgerechnet werden kann. Künftig lässt sich die Entgeltfinanzierung besser verwirklichen als bisher, da im Zusammenhang mit der Digitalisierung das analoge TV-Signal im Play-Out-Center nicht nur in ein digitales umgewandelt wird, sondern zugleich vom Veranstalter verschlüsselt wird und dann vom zahlenden Zuschauer mittels eines Decoders samt Conditional Access-System649, zu dem er einen elektronischen Schlüssel („Smart-Card“) erhält, wieder entschlüsselt werden kann650. Digitales Fernsehen ist allerdings nicht zwingend mit Pay-TV gleichzusetzen, auch wenn beispielsweise von den 19,4% der Haushalte mit digitalem Satellitenempfang 2002 in ganz Europa lediglich 3,35% auf frei empfangbares digitales Fernsehen entfielen651 und davon ausgegangen wird, dass zur Refinanzierung der für die Digitalisierung notwendigen Investitionen das Angebot entgeltfinanzierter Programme voraussichtlich deutlich ausgeweitet werden wird652, insofern neben der leichteren technischen Ermöglichung ein weiterer Zusammenhang zwischen zunehmender Entgeltfinanzierung und Digitalisierung besteht. 647 Auf die Möglichkeit einer Rundfunkfinanzierung aus Spenden oder eigenem Finanzaufkommen wird angesichts geringer Realisierungschancen nicht weiter eingegangen. Hierzu Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 76 f. m. w. N. 648 Hoffmann-Riem, Pay-TV, S. 16; Libertus, AfP 1998, 149, 150; Stettner, ZUM 1995, 293, 294; Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 17, gehen hingegen von drei verschiedenen Typen aus, indem sie beim Pay-per-Channel noch einmal differenzieren und die Bezahlung mehrer Kanäle in einem Bouquet als „Payper-Package“ bezeichnen. 649 Näher zu diesem Bereich Freyer, Digitales Fernsehen, S. 112 ff. 650 Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 18; hierzu auch Hesse, ZUM 2000, 183, 187; Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 81. 651 Limmer, MP 2003, 302, 307. 652 Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 15.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
277
(b) Gleichwohl bestehende Vielfaltshemmnisse Fraglich ist, ob die bevorstehende verstärkte Programmfinanzierung über Pay-TV, die nun ähnlich wie bei anderen Produkten auch durch den Marktmechanismus eines Preises eine Verbindung zu den Rezipienten als Nachfragern herstellt, eine Marktstruktur begünstigt, bei der eine Vielzahl von Programmanbietern auf eine Vielzahl von speziellen Interessen reagiert. Möglicherweise käme es daraufhin zu einem höheren Maß an Programmvielfalt in gegenständlicher und meinungsmäßiger Hinsicht, und privater Rundfunk wäre in naher Zukunft in der Lage, tatsächlich Grundversorgung zu leisten. Eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung könnte dieses dann tatsächlich absichern. Zunächst ist festzuhalten, dass sich eine Finanzierung über Entgelte nicht mehr an den Interessen der Werbewirtschaft, sondern gezwungenermaßen an den Rezipienten zu orientieren hat und nicht mehr in erster Linie auf hohe Einschaltquoten angewiesen ist. Insofern ist es vorstellbar, dass für jedes Interesse und jede Meinung ein Programm produziert und verbreitet wird und eine gleichgewichtige Vielfalt eher bei einer Finanzierung über Abonnements oder Einzelentgelte herstellbar ist653. Voraussetzung ist allerdings, dass diejenigen, die diese Interessen und Meinungen teilen oder damit konfrontiert werden wollen, fähig und auch bereit sind, für entsprechende Programme zu zahlen und ihre Anzahl groß genug ist, damit sich ein spezielles Angebot seitens der Rundfunkveranstalter auch lohnt. Wenn sich, wie beispielsweise bei anspruchsvollen Kultursendungen, nur wenig zahlungsbereite Rezipienten finden, wird der Empfang derartiger Sendungen für den Einzelnen entsprechend teuer. Dass sich häufig nur wenig Nachfrage entwickeln wird, hängt mit der Theorie meritorischer Güter zusammen, auf die bereits hingewiesen wurde654. Es ist insgesamt zwar vorstellbar, dass sich anspruchsvolle Programme in einem gewissen Maße durch entgeltfinanzierte Programmformen finanzieren lassen655, dass jedoch die gesamte Breite an Programmgegenständen und Meinungen, die für Programmvielfalt und Grundversorgung erforderlich ist, durch eine Finanzierung über Einzel- oder Abonnemententgelte angeboten werden kann, ist, selbst wenn die gesamten eingesparten Rundfunkgebühren für Pay-TV-Programme aufgewendet werden würden, unwahrscheinlich656. Zudem besteht im Fall von Entgeltfinanzierungen die gleiche Unsicherheit wie bei konjunkturellen Schwankungen des Werbemarktes. Auch hier ist der private 653 Vgl. Bullinger, ZUM 1985, 121, 126. Auch nach Weisser, ZUM 1997, 877, 881, soll sich im Fall von Pay-TV leichter Angebotsvielfalt einstellen. 654 Siehe unter A. II. 2. d) ee) (3) und (4). 655 Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 319. 656 Hierzu auch Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 122 f.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Rundfunkveranstalter nicht davor gesichert, dass seine Kunden infolge knapperer Budgets oder Prioritätsverlagerungen von Fernsehabonnements absehen oder weniger Sendungen ordern, und er infolgedessen die nachfrageschwachen, sich nicht rentierenden Sendungen oder Programme, deren Wahrscheinlichkeit bei Minderheitenprogrammen, die grundsätzlich keine derartige Veränderungen abpolsternde Gewinnmargen erbringen, hoch ist, einstellen muss. In diesem Fall würde hier eine gesetzliche Verpflichtung die aus wirtschaftlichen Erwägungen bedingte schnelle Entscheidung zur Einstellung ebenfalls lediglich hinauszögern. (c) Tendenz zur Ausbildung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft Als problematisch an dieser Finanzierungsform erweist sich darüber hinaus, dass im Fall durchgängiger Entgeltfinanzierung nicht mehr für jeden eine im wesentlichen gleiche Chance besteht, an einem anspruchsvollen und vielfältigen Programmangebot zu partizipieren657 und in diesem Fall nicht mehr auf den (abgeschafften) öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurückgegriffen werden kann. Es entsteht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die es sich leisten können, die gesamte Breite des Programmangebotes einschließlich anspruchsvoller Minderheitenprogramme, welche in ihrer Produktion aufwendig sind und nur von wenigen nachgefragt werden und infolgedessen einen entsprechend hohen Preis besitzen, zu rezipieren. Auf der anderen Seite bleiben diejenigen, denen diesbezügliche finanzielle Mittel nicht zur Verfügung stehen und die infolgedessen nur Sendungen sehen können, mit der die Masse der Bevölkerung angesprochen wird, so dass der Preis für den Einzelnen insgesamt niedrig ausfällt. Informationen dürfen jedoch nicht durchgängig kommerzialisiert werden, so dass nur noch der finanziell Stärkste Zugang zu ihnen hat. Vielmehr muss es im Interesse einer freien Meinungsbildung und damit der Demokratie und im Interesse des Gebotes der Chancengleichheit weiterhin vielfältige, offen stehende Informationsquellen geben, mit denen Meinungen gebildet und überprüft werden können658. (d) Schwächung der integrativen Wirkung des Rundfunks Neben einer möglichen Benachteiligung einkommensschwacher Haushalte wird auch eine Kollision von entgeltfinanziertem Rundfunk mit den ihm innewohnenden integrativen Aspekten angenommen, dadurch dass Pay657
Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 320; zur Benachteiligung einkommensschwacher Gesellschaftsgruppen bei Pay-TV vgl. Kresse, ZUM 1996, 59, 63; vgl. hierzu auch Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 272. 658 Vgl. hierzu BVerfGE 97, 228, 255 ff.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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TV-Programme regelmäßig auf bestimmte Zuschauergruppen zugeschnitten sind659, um dem Kunden, der nur für ein bestimmtes Programmangebot zu zahlen gewillt ist, das anzubieten, wovon er glaubt, dass es ihn interessiert. Auch wenn statt für bestimmte Programme für einzelne Sendungen direkt ein Entgelt zu entrichten ist, wird angesichts der pekuniären Barriere – anders als bei einem Programm, das von vorneherein über einen einheitlichen Gebührensatz finanziert wird, so dass man ohne gesondert berechnete Kosten auch einmal Sendungen rezipieren kann, die auf den ersten Blick nicht dem sonst Bevorzugten entsprechen – erst recht die Bereitschaft schwinden, sich auch einmal mit nicht den eigenen Interessen und Ansichten entsprechenden Sendungen auseinanderzusetzen. Damit wird bei einer Entgeltfinanzierung einhergehend mit den Spezialisierungstendenzen insgesamt der besonderen Funktion des Rundfunks, Rundfunk für alle zu sein und mit den einzelnen Programmen möglichst alle Interessen und Meinungen zu berücksichtigen, um so Verständnis für abweichende Ansichten zu wecken und einen Grundkonsens herzustellen, nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Die Forums- und Vermittlerfunktion des Rundfunks droht verloren zu gehen. (e) Zugangshürde infolge einer Verschlüsselung Auch unter einem anderen Gesichtspunkt erscheint eine Finanzierung über Entgelte mit einer entsprechenden Verschlüsselung des Programms, um privaten Rundfunkveranstaltern die tatsächliche Erbringung von Grundversorgung zu ermöglichen, als nicht unproblematisch. So bemerkt das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit einer Klage gegen die Anknüpfung der Gebührenpflicht an das Bereithalten eines Empfangsgerätes ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nutzung öffentlichrechtlicher Programme und dem Vorschlag, stattdessen diese Programme zu codieren und ihre Nutzung mittels eines Decoders gebührenrechtlich zu erfassen, „bei einer Verweisung auf technisch derart eingeschränkte Empfangsmöglichkeiten [ließe] sich die besondere Funktion, die dem öffentlichrechtlichen Rundfunk im dualen System notwendig obliege, nicht sicherstellen“660. Wesensmerkmal der Grundversorgung sei es laut Bundesverfassungsgericht, inhaltlich alle Bevölkerungsgruppen erreichen zu können, was auch die technische Empfangbarkeit bedinge661. Allerdings beschränke sich 659 Goehrlich, JZ 2000, 566; Kresse, ZUM 1995, 178, 184; Lange, ZUM 1995, Sonderheft, 529, 532; Ory, AfP 1987, 466, 471; Ricker, AfP 1998, 437, 442. 660 BVerwG NJW 1999, 2454, 2455. 661 BVerwG NJW 1999, 2454, 2456, unter Verweis auf BVerfGE 74, 297, 325 f.; 87, 181, 199.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
die Aussage der technischen Empfangbarkeit nicht allein auf die Übertragungstechnik, sondern meine auch, dass die Empfangbarkeit ohne erheblichen technischen oder wirtschaftlichen Aufwand gewährleistet sein müsse662. Dies sieht das Bundesverwaltungsgericht bei einer codierten Verbreitung als nicht erfüllt an und hält deswegen die Möglichkeit der Verknüpfung der Gebührenerhebung mit einer Codierung des Programms für nicht mit der Verfassungsrechtsprechung vereinbar. Auch in der Literatur wird teilweise in der mit Pay-TV einhergehenden Verschlüsselung des zu empfangenden Programms eine erhöhte Zugangschwelle für den Rezipienten gesehen, infolgedessen die allgemeine Empfangbarkeit verneint und ebenfalls eine Kollision mit dem Grundversorgungsauftrag angenommen663. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Zuge der schrittweise erfolgenden Umstellung von analogem auf digitales Fernsehen diejenigen Teile der Bevölkerung, die noch terrestrisch versorgt werden, innerhalb einer gewissen Übergangsfrist ebenfalls gezwungen sind, sich einen Decoder zuzulegen, um weiterhin mit den bestehenden öffentlichrechtlichen Programmen grundversorgt werden zu können. Würde man der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts und der Literatur folgen, so ließe sich auch die Umstellung auf Digitaltechnik und die erforderliche Anschaffung eines Decoders als eine der allgemeinen Empfangbarkeit und damit dem Grundversorgungsauftrag widersprechende erhöhte Zugangshürde ansehen. Angesichts der relativ geringen Kosten, die für einen leicht installierbaren Decoder zu entrichten sind664, kann nicht davon die Rede sein, es handele sich um einen erheblichen technischen oder wirtschaftlichen Aufwand zur Empfangbarkeit. Zieht man ausgehend von diesem Befund eine Parallele zu Entschlüsselungsdecodern im Fall einer Entgeltfinanzierung, so ist angesichts der heutigen Entwicklung dieser Geräte von einer einfachen Handhabbarkeit des Empfangs entgeltpflichtiger verschlüsselter Programme auszugehen und keine die allgemeine Empfangbarkeit hindernde Zugangshürde anzunehmen. (f) Folgerung Insgesamt erscheint es – selbst wenn die infolge des abgeschafften öffentlich-rechtlichen Rundfunks entfallenden Aufwendungen für Gebühren vollständig für Pay-TV aufgewandt werden würden – mehr als fraglich, dass es durch eine Entgeltfinanzierung zu weniger homogenen, breit gefächerteren und anspruchsvolleren privaten Programmen als bisher kommt 662
BVerwG NJW 1999, 2454, 2456. Braun u. a., ZUM 1996, 201, 207; Pukall, Meinungsvielfalt, S. 75; Stettner, ZUM 1995, 293, 299. 664 Diese sind bereits für weniger als hundert Euro erhältlich. 663
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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und eine Grundversorgungsverpflichtung dies wenn nicht bedingen, dann jedoch absichern könnte. Private Rundfunkveranstalter sind auch im Fall von entgeltfinanzierten Programmangeboten dem Diktat des Marktes unterworfen, von Pay-TV gehen wie von der Werbung Gefahren für die Programmgestaltung aus665. Drastisch ausgedrückt wird im Wesentlichen nur das gesendet, was sich auch verkaufen lässt, sei es an die Werbewirtschaft, sei es – im Fall von Pay-TV – an die Rezipienten. Die Tendenz wird damit weiterhin eher in Richtung eines schmalen und einfältigen statt breiten und vielfältigen Programms gehen. Somit ist sich der schon in den achtziger Jahren getätigten Prognose anzuschließen, die die Vorstellung, mit Pay-TV ließe sich ein Programmangebot finanzieren, das sich durch große inhaltliche Vielfalt und Berücksichtigung von Minderheiteninteressen auszeichne, als reine Illusion bezeichnete666. dd) Fehlende Leistbarkeit von Grundversorgung Die weiteren absehbaren künftigen Veränderungen einer fortschreitenden Digitalisierung und Entgeltfinanzierung lassen ebenfalls nicht erwarten, selbst ohne einen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Konkurrenten sei eine Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter zur Erbringung von Grundversorgung erfolgversprechend. Privater Rundfunk, bei dem das Prinzip der Gewinnmaximierung im Vordergrund steht667, wird auch in absehbarer Zukunft nicht in der Lage sein, Grundversorgung dauerhaft zu leisten668. 2. Schlussfolgerung Die Subsumtion der Programmleistungen privater Rundfunkveranstalter unter die rechtlichen Rahmenbedingungen, die an einen verfassungsgemä665 Vgl. auch BVerwG NJW 1999, 2454, 2456; differenzierend Stettner, ZUM 1995, 293, 300. 666 Stammler, AfP 1987, 659, 666. 667 Vgl. Schmitz, DÖV 1968, 683, 687. 668 Ebenfalls Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 19 f.; auch Kiefer, in: ZFP, Grundversorgung, S. 29 ff., 34, kommt nach einem Vergleich beider Rundfunkorganisationen anhand verschiedener Parameter zu dem Ergebnis, aufgrund der großen Unterschiedlichkeit der beiden Organisationen könne der private den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht komplett ersetzen; a. A. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 332 ff.; Springer, Reform der ARD, S. 374, jedenfalls bei mittel- bis langfristiger Perspektive; vgl. auch Engels u. a., Mehr Markt, S. 34 f.; Niewiarra/Fraenkel, NWVBl 1988, 38, 40; Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 134, 193 f., die jedoch gleichwohl an der Verfassungswidrigkeit einer diesbezüglichen Verpflichtung Privater festhält.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
ßen Rundfunk gestellt werden, zeigt, dass zwar der erste Aspekt der Grundversorgung, die technische Erreichbarkeit nahezu der gesamten Bevölkerung mit einer Vielzahl privater Programme, als erfüllt anzusehen ist, der private Rundfunk jedoch im Übrigen zurzeit nicht in der Lage ist, den Anforderungen im Bereich der Grundversorgung nachzukommen. Der Rundfunk hat sich nicht als ein Produkt wie jedes andere herausgestellt, das über das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zur angemessenen Interessenbefriedigung führt. Diese Besonderheit sowie das Gewinnstreben privater Rundfunkveranstalter, die als Marktteilnehmer im wirtschaftlichen Wettbewerb stehen und bei allen Überlegungen – rechtlich nicht zu beanstanden669 – die Kosten-Nutzen-Rechnung miteinzubeziehen haben, lassen auch bei einer Vielzahl von Programmen und einer Entgelt- statt Werbefinanzierung zumindest in absehbarer Zeit kein vielfältiges privates Rundfunkprogramm entstehen. Eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung würde sich mithin nicht lediglich als reine Absicherung darstellen. Selbst wenn Private zur Grundversorgung gesetzlich verpflichtet werden würden und dem auch nachkommen wollen würden, was angesichts des Gewinnstrebens kommerzieller, nach wirtschaftlichen Grundsätzen arbeitender Anbieter tendenziell nicht zu erwarten ist670, kann kein kommerzieller Anbieter dauerhaft die Qualitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks garantieren671, da er immer ökonomischer Realität unterliegen wird. Publizistische Aufgabe und ökonomische Rationalität sind nicht miteinander kompatibel672. Hinzu treten tendenzielle Gefahren einer Spaltung der Gesellschaft. Die Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter, mit ihren Programmen anstelle eines Grundstandards jetzt die Rolle des abzuschaffenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu übernehmen und Grundversorgung zu erbringen, schließt die Veranstaltung von privatem Rundfunk zwar nicht von vornherein komplett aus. Angesichts der ihnen bereits jetzt im Rahmen des Grundstandards aufgegebenen Vielfaltsanforderungen, die zwar unterhalb derjenigen der Grundversorgung liegen, jedoch schon diese GrundstandardErbringung in Frage zu stellen ist, erscheint es sehr unsicher, dass sie noch erhöhten Anforderungen nachkommen. 669
Vgl. Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 176; Schoch, JZ 2002, 798, 805. In diesem Zusammenhang wird von Christensen, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 89, das Argument, kommerzielle Rundfunksender würden nicht die Programmkosten für vom wirtschaftlichen Standpunkt unerwünschte Randgruppen (Ältere, ethnische und sprachliche Minderheiten) aufbringen wollen, als „one of the oldest and most powerful arguments for the safeguarding of public broadcasting“ bezeichnet. 671 Vgl. auch Stolte, ZögU 1996, 464, 473. 672 Eberle, GRUR 1995, 790, 795, ebenfalls kritisch zum Programmangebot der privaten Rundfunkveranstalter und skeptisch gegenüber einer Grundversorgungsleistung der Privaten. 670
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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3. Alternativmodelle Öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann zwar aufgelöst werden, dies darf jedoch nicht ersatzlos geschehen. Der Gesetzgeber muss auch ohne die Rundfunkanstalten dem Ziel der Rundfunkfreiheit, freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung zu ermöglichen, durch Sicherstellung eines Rundfunkangebots, das sich durch Vielfalt und Ausgewogenheit auszeichnet, nachkommen. Die Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter zur Erbringung von Grundversorgung bei Beibehaltung der bisherigen Strukturen erfüllt nicht die Voraussetzung einer wirksamen Ersatzsicherung, da ökonomische Gesetzmäßigkeiten dem widersprechen. Im Folgenden werden alternative Möglichkeiten aufgezeigt und erwogen, inwiefern diese sich im vorgegebenen Rahmen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit halten und zugleich nicht an tatsächlichen Gegebenheiten scheitern. a) Zusätzliche Zuerkennung von Rundfunkgebühren Eine Alternative wäre in Abwandlung der bisher in Betracht gezogenen Lösung die zusätzliche Zuerkennung von Rundfunkgebühren an private Rundfunkveranstalter bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Erbringung von Grundversorgung. Ein gesicherter Bestand an nicht programmbezogener, sondern pauschal entrichteter Gebühren würde den privaten Rundfunk von ökonomischen Realitäten entbinden673 und ihn ohne den Druck einer Refinanzierbarkeit produzierter oder gekaufter und ausgestrahlter nicht-massenattraktiver Sendungen agieren lassen. Schließlich führt auch das Bundesverfassungsgericht aus, „mit der Grundversorgungsaufgabe . . . wäre es unvereinbar . . . überwiegend auf Werbeeinnahmen zu verweisen“674. Zum jetzigen Zeitpunkt, d. h. bei einer Fortexistenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten neben privaten Veranstaltern, ist eine Finanzierung privater Veranstalter aus Rundfunkgebühren de lege lata unzulässig675. Vorliegend geht es jedoch um eine Gebührenfinanzierung privater Anbieter an673 Vgl. Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 2. Teil, S. 521: Die Rundfunkgebühr verhindere, dass die öffentlich-rechtlichen Programme als „Waren“ verkauft werden müssten, um Gewinne zu erzielen. Wird im Zusammenhang mit der Rundfunkgebühr die fehlende Rückkopplung des Marktes und damit die Einrichtung der Angebote auf die Nachfrage der Bürger kritisiert und die Abschaffung dieser „pauschale[n] Zwangsgebühr“ gefordert (Engels u. a., Mehr Markt, S. 10, 35; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 38), so wird übersehen, dass gerade eine Orientierung an der Nachfrage einer Vielfalt im Rundfunk nicht zuträglich ist. 674 BVerfGE 83, 238, 311. 675 § 43 S. 2 RStV; vgl. auch § 15 HambMedienG; § 34 S. 2 RundfG MV; § 43 S. 2 LRG RP; § 30 S. 2 MG LSA.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
stelle eines nicht mehr existenten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so dass die zur Begründung einer Ablehnung einer Gebührenbeteiligung Privater herangezogenen überwiegend verfassungsrechtlichen Argumente vielfach nicht mehr zutreffen676. Fraglich ist, ob die in Rede stehende Finanzierungsform für den Fall der Abschaffung öffentlich-rechtlichen Rundfunks, d. h. de lege ferenda, mit der Verfassung im Einklang stünde. aa) Keine prinzipielle Unzulässigkeit Zu einer (zumindest anteiligen) Gebührenfinanzierung privater Rundfunkveranstalter äußert sich das Bundesverfassungsgericht wie folgt: Es verneint zwar eine aus dem Grundgesetz stammende Verpflichtung, selbst wenn der Gesetzgeber für den privaten Rundfunk ein binnenpluralistisches Modell und ähnliche Vielfalts- und Programmanforderungen wie beim öffentlichrechtlichen Rundfunk vorsähe, enthält sich jedoch einer Bewertung, inwiefern der Gesetzgeber eine Gebührenfinanzierung Privater zulassen dürfe677. Zwar bringt es Rundfunkgebühren regelmäßig mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Verbindung678, dies spricht jedoch nicht von vornherein gegen eine Finanzierung auch privater Rundfunkveranstalter aus Gebühren, da die Karlsruher Richter in ihren Entscheidungen die Grundversorgung aus tatsächlichen Gründen situativ bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verorten. Nach ihrer Ansicht findet die Gebührenfinanzierung ihre Rechtfertigung in der Erfüllung der essentiellen Funktionen und in der Sicherstellung der Grundversorgung679. Mit der staatlichen Gebührenfestsetzung soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Stand gesetzt werden, die zur Erfüllung seiner Funktion erforderlichen Programme zu verwirklichen und auf diese Weise die Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunk sicherzustellen680. Knüpft das Bundesverfassungsgericht die Rundfunkgebühr an die Erfüllung der Grundversorgung und ist diese als „neutral“ anzusehen681, so kann prinzipiell nichts anderes für die Rundfunkgebühr gelten. Angesichts dessen, dass das bisher den Rundfunkanstalten 676 Hierzu Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 198 ff.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 335 f.; gegen einen Gebührenanspruch privater Rundfunkgesellschaften bereits Rudolf, NJW 1953, 1700, 1701, allerdings ohne nähere Begründung. Nach Ansicht von Geiger, in: Geiger/Mai/Burghart, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 42, stellen Rundfunkgebühren ein Entgelt für den Empfang und Genuss bestimmter Programmleistungen dar und ist derjenige, der diese anbietet, gleichgültig in welcher Organisationsform, am Gebührenaufkommen zu beteiligen. 677 Vgl. BVerfGE 83, 238, 329. 678 BVerfGE 31, 314, 330, 343 f.; 73, 118, 158; 83, 238, 310 f.; 87, 181, 199; 90, 60, 90. 679 BVerfGE 73, 118, 158; 87, 181, 199 f.; 90, 60, 90. 680 BVerfGE 90, 60, 93.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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zuerkannte Gebührenprivileg einen Ausgleich für die Verpflichtung zur Gewährleistung der Grundversorgung darstellt, wäre im Fall einer Grundversorgungsverpflichtung Privater eine Gebührenzuerkennung nur folgerichtig. Unter der Prämisse einer theoretisch möglichen Grundversorgungsverpflichtung und -erbringung des privaten Rundfunks ließe sich daher die Behauptung aufstellen, auch privaten Rundfunkveranstaltern sei die Finanzierungsform der Gebühr zuzuerkennen682. Die Argumentationskette, Gebühren dienten der Sicherstellung der Grundversorgung, diese könnten private Anbieter wie gesehen nicht erbringen, so dass ihnen kein Anspruch auf Gebühren zustünde, mündet in einen Teufelskreis. Dieser soll hier gerade durch die Gebührenzuerkennung durchbrochen werden, damit private Veranstalter unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen alle Programmkategorien in vielfältiger Weise anbieten können. bb) Bedenken Eine Gebührenfinanzierung privater Rundfunkanbieter stößt jedoch auf ein anderes Bündel von Bedenken, wie dies bereits im augenscheinlichen Gegensatz einer staatlichen Zwangsgebühr für die Nutzung privatwirtschaftlicher Unternehmensleistungen683 angelegt ist. So umfasst die Rundfunkfreiheit zum einen angesichts der vielfachen Beziehungen zwischen Finanzierung und Programmgestaltung684 auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Rundfunkunternehmen, so dass diese frei darüber bestimmen können, wie sie ihre Rundfunkveranstaltung finanzieren685. Eine gesetzlich angeordnete Gebührenfinanzierung würde von daher Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG widersprechen686. Wird die Finanzierungsform der Gebühr als zusätzliche Möglichkeit neben weiterhin bestehender Werbe681 So der vorliegend eingenommene Standpunkt, siehe hierzu zuvor unter A. II. 2. d) ff) (2) (a) und (b). 682 Vgl. Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 88 Fn. 311; Selmer/ Gersdorf, DVBl 1992, 79, 88. Auch nach Ladeur, ZUM 1993, 385, 391, sowie Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 149, sind Rundfunkgebühren für Private nicht von vornherein unzulässig. 683 Bullinger, ZUM 1985, 121, 122 Fn. 8, der dies rechtlich für nur schwer zu legitimieren hält. 684 Vgl. die Ausführungen unter A. II. 2. d) ee) (4) (b) bis (d). sowie vorstehend unter 1. b) bb) und cc). 685 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 121 m. w. N.; ihm zustimmend Klein, Rundfunkfreiheit, S. 93; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 59. 686 Klein, Rundfunkfreiheit, S. 93; Ricker, epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 35 v. 08.05.1996, 5, 8; vgl. auch Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 284.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
oder Entgeltfinanzierung begriffen, die in Anspruch genommen werden kann, um der übertragenen Grundversorgungsaufgabe gerade mit Blick auf Minderheitenprogramme in wirtschaftlicher Hinsicht nachkommen zu können, würde die Entscheidungsfreiheit in Finanzierungsfragen weiterhin zumindest formell gewahrt bleiben. Allerdings ist mit dem Gebührenprivileg bislang eine verstärkte Kontrolle verbunden. Gesetzt den Fall, privatem Rundfunk würde das Recht zugestanden, die Rundfunkteilnehmer zur Entrichtung von Gebühren heranzuziehen, müsste auch er seine Finanzen einer der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) vergleichbaren Behörde offen legen. Zudem unterläge er bei der Verwendung der Kontrolle der Rechnungshöfe687. Dies würde das Prinzip privatautonomer Unternehmensführung berühren. Als problematisch könnte sich ferner auch der Aspekt erweisen, dass mit der Gebührenfinanzierung neue politische Abhängigkeiten aufgetan werden, liegt doch deren Höhe letztendlich trotz geänderten Verfahrens noch immer in der Hand der Ministerpräsidenten der Länder. Eine Schwierigkeit praktischer Art würde sich weiter aus den verschiedenen Programmformen und Einzugsgebieten ergeben688. Neben rundfunkrechtlichen Bedenken wirf das Alternativmodell einer Gebührenfinanzierung privater Rundfunkanbieter auch in abgabenrechtlicher Hinsicht Probleme auf689. Unabhängig von der genaueren Bewertung dieser Bedenken ist jedoch eine grundsätzlichere Überlegung bei dieser Alternative bedeutsamer: Ein privater Rundfunk, der per Gesetz die gleichen Aufgaben wie der bisherige öffentlich-rechtliche Rundfunk wahrzunehmen hat und bei dem die Rezipienten dafür in ähnlicher Weise wie zuvor im dualen System zur Entrichtung von Rundfunkgebühren verpflichtet werden, um ein Rundfunkangebot in vergleichbarer Weise aufrechtzuerhalten, stellt in einer Gesamtsicht angesichts der sich im Untersuchungsverlauf herausgestellten vielfältigen Schwierigkeiten und Unsicherheiten keine Verbesserung gegenüber dem bestehenden dualen Rundfunksystem aus einem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und einem an wirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten privaten Rundfunk dar. Überspitzt formuliert handelt es sich bei einer derartigen Konstruktion letztlich um eine Fortführung des bisherigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in privatwirtschaftlicher Form. Dieses Alternativmodell ist von daher zu verwerfen. 687 Vgl. auch Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 201; in ähnliche Richtung gehen auch die Bedenken bei Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 284. 688 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. I, II Rn. 239c. 689 Auf abgabenrechtliche Aspekte wird vorliegend nicht näher eingegangen; ausführlicher hierzu Selmer/Gersdorf, DVBl 1992, 79, 81 ff.; vgl. auch Ladeur, ZUM 1993, 385, 392 ff.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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b) Staatliche Subventionierung Eine weitere Alternative zum bisherigen dualen System bestünde darin, bei Verpflichtung des privaten Rundfunks in seiner Gesamtheit zur Grundversorgung diejenigen privaten Spartenkanäle, die anstelle öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten die typischen Minderheitenprogramme anbieten würden, oder aber entsprechende einzelne Sendungen staatlich zu subventionieren690. Dadurch ließe sich im Fall der Werbefinanzierung deren Wirtschaftlichkeit sicherstellen oder im Fall der Entgeltfinanzierung ließen sich die für den Empfang derartiger Sendungen zu zahlenden Entgelte niedrig halten. Den sich aus einer Entgeltfinanzierung ergebenden Gefahren einer Zwei-Klassen-Gesellschaft691 würde entgegengetreten werden. Außerdem könnten derartige Subventionen im Fall einer flexiblen Vergabehöhe die angesprochenen Nachfrageschwankungen abfangen und so dazu beitragen, ein Fehlschlagen einer entsprechenden Verpflichtung zu verhindern und private Grundversorgung sicherzustellen. Die Verwendung allgemeiner Haushaltsmittel zum Zweck der Rundfunkfinanzierung erscheint vor dem Hintergrund der momentan angespannten Finanzlage von Bund und Ländern als wenig wahrscheinlich, ist aber auch unter rechtlichen Aspekten fragwürdig. aa) Verstärkter staatlicher Einfluss In die Betrachtung der Verfassungsmäßigkeit miteinzustellen ist zunächst die Überlegung, dass direkte staatliche Subventionen die Gefahr einer Abhängigkeit der subventionierten Veranstalter zum staatlichen Geldgeber in sich tragen. Über die Zusage von staatlichen Geldern wie auch über die Höhe der Zuteilung ist der Staat versucht, Einfluss in eine bestimmte Richtung der Sendungen und des Spartenprogramms insgesamt zu nehmen692. Teilweise wird eine Rundfunkfinanzierung aus dem öffentlichen Haushalt nicht für grundsätzlich ausgeschlossen gehalten, sofern Sicherungen gegen 690 In diese Richtung Thoma, forum medienethik, 1/1996, 53, 55; HoffmannRiem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 199; aus ökonomischer Sicht Blind, in: Kohl, Vielfalt im Rundfunk, S. 60. In Richtung einer Subventionierung von Rundfunkveranstaltern, die sich als Organ von Minderheiten verstehen, auch Schmitt Glaeser, AöR 112 (1987), 215, 258; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 281; zur staatlicher Subventionierung meritorischer Güter Engel, AfP 1994, 185, 190. 691 Siehe bereits unter B. III. 1. b) cc) (2) (c). 692 Vgl. BVerfGE 20, 56, 102, zur Finanzierung der Parteien aus staatlichen Mitteln, wo ebenfalls eine Einwirkung des Staates auf den Prozess der Meinungs- und Willensbildung befürchtet wurde.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
die Gefährdung der Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter getroffen werden693. Zwar können die Voraussetzungen für den Erhalt staatlicher Zuschüsse anstatt in einem jährlich neu zu erlassenden und gegenüber den wechselnden politischen Konstellationen besonders anfälligen Haushaltsgesetz694 in einem besonderen Gesetz695 detailliert und weitgehend abschließend geregelt werden. Als zusätzliche Sicherung kann eine unabhängige Sachverständigenkommission eingesetzt werden, die zur Vergabe der Gelder eine zu berücksichtigende Stellungnahme abzugeben hat, was allerdings unter dem Gesichtspunkt des Budgetrechts nicht unproblematisch wäre696. Gleichwohl verbleiben dem Staat Bewertungsspielräume, so dass angesichts dieser nicht absehbaren Einflussmöglichkeiten auf den Rundfunk eine staatliche Subventionierung wenn überhaupt nur als ultima ratio in Betracht kommt697. Diese Gefahr staatlichen Einflusses kann zwar durch die entsprechenden gesetzlichen Absicherungen gemildert werden. Sie ist bei der direkten Geldervergabe aus dem Staatshaushalt gleichwohl höher einzustufen als im momentan bestehenden dualen System aus einem rein privatwirtschaftlich finanzierten kommerziellen Rundfunk und einem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei dem die Ministerpräsidenten der Länder einem durch eine unabhängige Sachverständigenkommission festgesetzten Bestand an Gebühren, die aus der Sphäre der Rundfunkteilnehmer stammen, prinzipiell zuzustimmen haben und nur aus genau festgelegten Gründen hiervon abweichen können. Vor diesem Hintergrund stellt sich dieses alternative Modell weder als Verbesserung noch als gleichwertige Sicherung der Rundfunkfreiheit dar.
693 Vgl. Heydt, AöR 100 (1975), 584, 599; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 216; ders., Regulierung der dualen Rundfunkordnung, S. 250 f., jeweils allerdings im Zusammenhang mit einer Ablösung der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem allgemeinen Steueraufkommen Meier, ZUM 1997, 249, 256 f. 694 Vgl. Stern/Bethge, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 48. 695 Heydt, AöR 100 (1975), 584, 600. 696 Vgl. Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 1 Rn. 187. 697 So für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch Jarass, Gutachten für den 56. DJT, G 64 m. w. N.; Karola Grund, Privatrundfunk, S. 51; Radeck, MP 1994, 278, 283; Stern/Bethge, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 48; auch Herrmann, Rundfunkrecht, § 13 Rn. 44, 46, warnt vor einer staatlichen Finanzierung. Gegen eine Rundfunkfinanzierung aus dem öffentlichen Haushalt der Länder oder des Bundes BVerfGE 31, 314 ff. im abweichenden Votum der Richter Geiger, Rinck und Wand, 337, 344. Im Übrigen darf der Staat Sendungen, mit deren Hilfe er eine ihm obliegende Aufgabe wie z. B. auslandsgerichteten Rundfunk (Deutsche Welle) wahrnimmt, aus Staatsmitteln finanzieren, sofern die Unabhängigkeit der Programmbetätigung gesichert ist (Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 216).
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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bb) Gefährdung der Integrationsleistung Abgesehen vom kritischen Aspekt der Staatsfreiheit, dem bei Berücksichtigung deutscher Rundfunkgeschichte ein nicht zu vernachlässigendes Gewicht zukommt, würde es im Fall spezieller einzelner subventionierter Minderheitenprogrammen an einer Breitenwirkung und damit an der vom Rundfunk zu erbringenden Integrationsleistung fehlen. Zwar besteht für die Rezipienten mittlerweile die Möglichkeit, sich ihr eigenes Programm aus diversen, zum Teil auch zeitversetzten Kanälen selbst zusammenzustellen. Auch lässt sich feststellen, dass sie sich immer mehr von den Vorgaben der Programm-Macher lösen, je nach Interesse zwischen unterschiedlichen Programmen hin und her wandern, bis sie an einem Programm gewissermaßen „hängen bleiben“ und es zu einer bruchstückhaften Collage aus verschiedenen Programmen kommt698. Ein großer Teil der Rezipientenschaft ist dazu jedoch nicht in der Lage und verharrt in der in Bezug auf Rundfunkkonsum gewohnt passiven Haltung699. Zudem besteht das Phänomen der Kanaltreue, demzufolge Zuschauer die Tendenz zeigen, die Angebote bestimmter bevorzugter Kanäle eher zu sehen als die anderer Kanäle700. Den Auswahlentscheidungen wird dabei von vornherein nur ein eingeschränktes persönliches Kanalrepertoire aus etwa sieben bis zehn Kanälen zugrunde gelegt701. So entfielen im Jahr 2000 trotz des mit durchschnittlich 38 frei empfangbaren Programmen größten europäischen FreeTV-Angebots fast drei Viertel der Fernsehnutzung (73%) auf sechs Programmangebote: Das Erste, ZDF, die Dritten Programme, RTL, SAT.1 und ProSieben702. Auch steigt die Chance, einen Fernsehzuschauer mit grundversorgungsrelevanten Inhalten wie Information oder Kultur zu erreichen, wenn diese in ein Gesamtprogramm eingebettet sind703. Zwischen den einzelnen Programmblöcken in Vollprogrammen werden zwar mehr und mehr weichere Übergänge geschaffen und die Konfrontation mit etwas Neuem, das ein Interesse weckt, das vorher nicht bemerkt wurde, nimmt einhergehend damit ab. Dennoch kann es bei Vollprogrammen durch das weiter698 Vgl. Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 85; Vesting, medium 1992, 53, 55. 699 Hierzu Rossen-Stadtfeld, M&K 2002, 484 m. w. N. Teilweise wird sogar bezweifelt, ob der einzelne Rezipient überhaupt in der Lage sei, sich aus verschiedenen Programmangeboten umfassend zu informieren, Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 21. 700 Vgl. Hasebrink, Fernsehen in neuen Medienumgebungen, S. 35, mit Hinweisen auf entsprechende Untersuchungen. 701 Hierzu Hasebrink, Fernsehen in neuen Medienumgebungen, S. 37. 702 ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation, vgl. van Eimeren/Ridder, MP 2001, 538, 544. 703 Blumer/Hoffmann-Riem, MP 1992, 402, 406. 19 Lindschau
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
hin bestehende Potpourri unterschiedlicher Programminhalte mit den darin verkörperten jeweiligen Mehrheits- und Minderheitsmeinungen dazu kommen, dass der Rezipient nicht nur innerhalb einer Sendung mit anderen Ansichten konfrontiert wird, sondern durch Zufall vor oder nach seiner ausgewählten Sendung in Kontakt zu einer Sendung kommt, die er aufgrund einer bloßen Auflistung im Rundfunkprogramm hingegen nicht rezipiert hätte, weil er zuvor der Meinung war, derartiges interessiere ihn nicht. Diese Möglichkeit geht bei einem auf Minderheiten ausgerichteten reinen Spartenprogramm verloren. Insgesamt ist auch diese alternative Möglichkeit nicht als gleichwertiger Ersatz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anzusehen, besonders im Hinblick auf die Staatsfreiheit. c) Das Video-producer-/-publishing-Modell am Beispiel Neuseelands In eine andere Richtung der Ersatzsicherung der bisherigen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk wahrgenommenen Aufgaben gehen Überlegungen, in deren Mittelpunkt ebenfalls die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten steht. Anstelle einer Verpflichtung Privater zur Grundversorgung wird jedoch eine öffentliche Behörde gegründet, die im öffentlichen Interesse liegende Sendungen unabhängig vom Typ des Programmanbieters finanziell unterstützt. So könnten anspruchsvolle Sendungen, die sich mangels geringer Nachfrage nicht am Markt durchsetzen, öffentlich ausgeschrieben und an den Veranstalter vergeben werden, der den Anforderungen am besten nachzukommen verspricht. Auch könnten sich Produzenten mit entsprechenden Vorschlägen bei der Vergabebehörde bewerben. Die finanziellen Mittel könnten entweder aus einer weiterhin zu erhebenden Rundfunkgebühr stammen704 oder vom Staat zur Verfügung gestellt werden705. Gerade letztere Alternative ist unter dem Aspekt der Staatsfreiheit nicht unproblematisch, findet sich jedoch in einem Diskussionspapier der EU-Kommission. Darin wurde es als eine Möglichkeit ange704
Kritisch hierzu Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 220. In ähnliche Richtung auch die Überlegungen bei Wiechers, Markt und Macht, S. 191, der auf die staatliche Übernahme von Produktionskosten oder staatliche Subventionen ähnlich der Praxis der Filmförderung setzt, allerdings eher in Richtung einer Privatisierung denn Abschaffung der Rundfunkanstalten zu tendieren scheint. Vgl. auch Gröner, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, S. 351, der neben einer finanziellen Förderung kulturell wertvoller Sendungen vorschlägt, beim Angebot derartiger Sendungen über Pay-TV interessierte, aber einkommensschwache Verbraucher unmittelbar zu unterstützen. Damit würde zwar den unter B. III. 1. b) cc) (2) (c) aufgezeigten Tendenzen zur Ausbildung einer Zwei-Klassengesellschaft entgegengetreten werden, im Übrigen bliebe es hingegen bei den dargestellten Problemen einer Entgeltfinanzierung [B. III. 1. b) cc) (2)]. 705
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
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sehen, die bislang von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wahrgenommenen gemeinwohlorientierten Aufgaben öffentlich auszuschreiben und an den geeignetsten Anbieter zu vergeben, dem seine dadurch entstehenden Mehrkosten dann vom Staat erstattet werden706. Auch in Großbritannien kam ein in diese Richtung gehender Modellvorschlag Mitte der achtziger Jahre auf. Dieser sah vor, die BBC durch ein „Public Service Broadcasting Council“ zu ersetzen, das Produzenten anspruchsvoller Programme durch Zuschüsse unterstützen sollte707. Eine weitere Möglichkeit der finanziellen Ausstattung wäre, die Rundfunkanstalten nicht abzuschaffen, sondern durch Verkauf zu privatisieren und die daraus stammenden Erlöse der neugegründeten öffentlichen Vergabebehörde zur Verfügung zu stellen708. Anstelle einer Untersuchung all dieser im Einzelnen zum Teil voneinander abweichender Ideen ist der Blick auf ein Land zu richten, in dem das Video-producer- (auch Video-publishing- genanntes) Modell in der gebührenfinanzierten Variante verwirklicht wurde, um aus der dort erfolgten Entwicklung Rückschlüsse auf eine eventuelle Verwirklichung in Deutschland zu ziehen. In Neuseeland709 wurde der staatliche Rundfunkanbieter „Broadcasting Corporation of New Zealand“ 1988 in zwei auf kommerzieller Basis arbeitende Staatsunternehmen, „Television New Zealand“ (TVNZ) und „Radio New Zealand“ (RNZ), umgewandelt. Von ihnen wurde erwartet, sich auf dem Markt zu behaupten sowie von ihren Gewinnen eine Dividende an die Regierung zurückzuzahlen. Die Gebührenfinanzierung wurde weiterhin beibehalten und die Gelder fortan von der neu geschaffenen staatlichen Rundfunkbehörde „New Zealand On Air“ (NZOA) verwaltet. Lücken im rein kommerziellen Marktangebot sollten durch öffentlich geförderte Programme geschlossen werden710 und so wurden allen unabhängigen Produktionsfirmen, die qualitativ hochwertige Medieninhalte wie Bildungs-, Kultur-, oder Kindersendungen erzeugen, Subventionen durch NZOA aus den Rundfunkgebühren gewährt. Insgesamt sollte damit anders als beispielsweise in 706 Punkt 2. II. (c) des EU-Diskussionspapiers zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, abgedruckt in: epd medien Nr. 77 v. 03.10.1998, S. 26 ff. 707 Hierzu Blumler/Hoffmann-Riem, MP 1992, 402, 406. 708 Vgl. auch Engels u. a., Mehr Markt in Hörfunk und Fernsehen, S. 36 f., die sich für eine Privatisierung durch Verkauf an das breite Publikum aussprechen und die aus dem Verkauf erlösten Mittel in eine oder mehrere Stiftungen auf Länderebene einbringen wollen, die dann geförderte Aufträge vergibt. 709 Zum Fernsehsystem Neuseelands vgl. Mattern/Künstner, in: Hamm, Zukunft des dualen Systems, S. 157 ff.; Thompson, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 2002/2003, S. 908 ff. 710 Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 23. 19*
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Deutschland, Frankreich oder Großbritannien lediglich ein Mindestangebot an qualitativ hochwertigen Programmen sichergestellt werden711. Allerdings zeigen sich bereits dabei die Ergebnisse wenig ermutigend. Zum einen wird nur ein geringer Teil der geförderten Produktionen in der Hauptsendezeit ausgestrahlt und es lässt sich eine starke kommerzielle Ausrichtung des Fernsehsystems einhergehend mit geringer Qualität und Vielfalt sowie hohen Werbeanteilen am Programm verzeichnen712. Zum anderen bietet die Auftragsvergabe die Möglichkeit der politischen Einflussnahme. Nach der Zerschlagung der Strukturen des öffentlichen Rundfunks erscheint es mithin schwierig, nur mit gezielten Subventionen hochwertige Medieninhalte zu erhalten713. Mittlerweile wurden RNZ und TVNZ daher in Institutionen der Krone (Neuseeland ist eine parlamentarische Monarchie) umgewandelt, die Werbefinanzierung reduziert, eine direkte Finanzierung durch NZOA eingerichtet und beiden eine für öffentlich-rechtlichen Rundfunk typische Satzung mit Verpflichtungen zu Nachrichten-, Bildungs- und Kultursendungen gegeben714. Schon angesichts dieser Erfahrungen erscheint es fraglich, ob ein derartiges Modell eine wirkliche Alternative zum jetzigen System darstellt. Weder das geplante Modell in Großbritannien noch besagtes Diskussionspapier der EU-Kommission konnte sich daher durchsetzen; letzteres wurde nach heftiger Kritik der Mitgliedstaaten zurückgezogen. Aber auch unter anderen Gesichtspunkten ergeben sich Probleme. So wird durch die Vergabe von Aufträgen zur Produktion einzelner Sendungen ein ansonsten durchgängig auf Massenattraktivität und Kommerz ausgerichtetes Programm nur äußerst punktuell aufgewertet. Außerdem muss, um Ausweichreaktionen wie in Neuseeland zu vermeiden, den privaten Veranstaltern detailliert vorgegeben werden, zu welcher Sendezeit welche der beispielsweise von unabhängigen Produzenten hergestellten geförderten Sendungen auszustrahlen sind, um möglichst vielen Rezipienten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme zu geben. Dies berührt angesichts dieser Konkretheit wiederum die Programmautonomie der privaten Veranstalter. Besonders schwer wiegt jedoch folgender Aspekt: Es ist zwar unwahrscheinlich, jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich genügend Produzenten zur Herstellung von sonst nicht existierenden Sendungen beispielsweise aus dem Kultur711
Mattern/Künstner, in: Hamm, Zukunft des dualen Systems, S. 162. Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 31; vgl. auch Thompson, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 2002/2003, S. 910. 713 Holznagel, NJW 2002, 2351, 2355. 714 Thompson, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 2002/2003, S. 909, 913. 712
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und Bildungsbereich finden, und durch das Rundfunkangebot insgesamt eine Rundfunkgrundversorgung geboten wird. Dauerhaft sichergestellt werden, wie es das Bundesverfassungsgericht angesichts der Bedeutung eines in jeder Hinsicht vielfältigen Programms für die Meinungs- und Willensbildung der Bevölkerung fordert, kann es jedoch nicht. Das Modell ist darauf angewiesen, dass sich viele Veranstalter oder unabhängige Produzenten um ausgeschriebene Sendungen bemühen oder mit eigenen Ideen zur Förderung an die Vergabebehörde herantreten. Sollte dies nicht der Fall sein, ist der Grundversorgungsauftrag massiv gefährdet, zumal im Hintergrund keine Rundfunkanstalten mehr stünden, auf die als Reserve zurückgegriffen werden könnte. d) Gleichfalls zurückbleibende Lücke Auch die vorliegend erörterten Alternativmodelle stellen – teils bereits aus Gründen der Kollision mit den verfassungsrechtlich vorgegebenen Determinanten wie der Staatsfreiheit, teils aus tatsächlichen Gründen – keine zumindest gleich wirksame Ersatzsicherung der Rundfunkfreiheit dar. Die bei einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurückbleibende Lücke ließe sich allein durch privaten Rundfunk, in welcher Variante auch immer, zurzeit nicht vollständig schließen.
IV. Zwischenergebnis Die rechtlichen Anforderungen, die an einen verfassungsgemäßen Rundfunk gestellt werden, sind nicht so ausgestaltet, dass sie nur vom öffentlichrechtlichen Rundfunk erfüllt werden können. Stattdessen sind sie so neutral gefasst, dass auch Rundfunk in privater Rechtsform ihnen grundsätzlich gerecht zu werden vermag. Eine Subsumtion der Programmleistungen privater Rundfunkveranstalter unter die rechtlichen Rahmenbedingungen schlägt jedoch zum jetzigen Zeitpunkt wie auch in der nächsten Zeit fehl. Der „Ersatzspieler“ privater Rundfunk kann zwar prinzipiell den „Frontspieler“ öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Hinblick auf die Grundversorgung ablösen. Die privaten Rundfunkveranstalter sind jedoch weder zum jetzigen Zeitpunkt noch in absehbarer näherer Zukunft allein oder in ihrer Gesamtheit in der Lage, dieser Verpflichtung nachzukommen. Von vornherein ist es ihnen zwar nicht unmöglich, Programme zu produzieren und zu verbreiten, die nicht nur dem Massengeschmack huldigen, sondern das breite Spektrum an Themen und Meinungen zum Ausdruck bringen. Vielmehr sind sie – geht es ihnen nicht nur um maximale Gewinnerzielung – zumindest partiell hierzu fähig. Im Fall von Veränderungen des Umfeldes (z. B. Einbrüche auf dem Werbe- oder Abonnentenmarkt infolge konjunktu-
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reller Schwankungen) sind Private allerdings großen Schwierigkeiten ausgesetzt, der Verpflichtung zur Grundversorgung nachzukommen. Bereits von daher hielte sich die gesetzgeberische Entscheidung, öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen und infolgedessen seine Aufgabe von Privaten wahrnehmen zu lassen, nicht mehr in dem von der Verfassung vorgegebenen Rahmen, dessen wichtigste Grenze die Sicherstellung der Grundversorgung darstellt. Inwiefern den weiterhin vom Normgeber zu beachtenden Determinanten der Gruppenferne und Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht im Falle eines rein privaten Rundfunksystems Rechnung getragen werden würde, ist mithin nicht weiter zu untersuchen, wenngleich sich besonders im Hinblick auf letzteren Aspekt Probleme ergeben würden715. Regelungen des Gesetzgebers, mit denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf seinem Gebiet abgeschafft würde, würden der Bindung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG somit nicht gerecht werden und der Rundfunkfreiheit insgesamt nicht dienen, da eine zumindest gleichwertige Sicherung der Rundfunkfreiheit im Hinblick auf eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung bei einem privaten Rundfunk nicht erreicht werden würde. Auch die alternativen Modelle wären nicht in der Lage, die zurückbleibende Lücke des öffentlich-rechtlichen Rundfunks adäquat zu schließen. Eine Ausgestaltung der Rundfunkordnung, die die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beinhaltete, würde sich damit zum jetzigen Zeitpunkt letztendlich als verfassungswidrig herausstellen.
V. Die Haltung der Europäischen Union zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk Angesichts der infolge technischer Fortschritte möglich gewordenen grenzüberschreitenden Rundfunkausstrahlung, des dahinter stehenden erheblichen wirtschaftlichen Potentials wie auch der vom Rundfunk ausgehenden Einflussmöglichkeiten ist mittlerweile der gesamte Bereich des Rundfunks, der ursprünglich in der Alleinverantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten lag, in das Blickfeld der Europäischen Union gelangt. Diese weitet ihre Rundfunkpolitik zunehmend aus716. Vor dem Hintergrund eines zusammenwachsenden Europas erschiene diese Arbeit unvollständig, würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk allein mit Blick auf das nationale (Verfassungs-) 715 Zu bereits im dualen System bestehenden kritischen Tendenzen siehe unter 1. Teil D. VI. 6. 716 Vgl. auch Holmes, in: Craufurd, Culture and European Union Law, S. 169 ff.; Donges, Rundfunkpolitik, S. 198; Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 4 Rn. 69.
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Recht betrachtet und nicht zumindest in Ansätzen auf die diesbezügliche Haltung der Europäischen Union eingegangen werden. Zuvor ist jedoch die kompetenzrechtliche Lage in der gebotenen Kürze näher zu beleuchten, um auf dieser Grundlage die Aussagen der europäischen Organe in ihrer Relevanz einordnen zu können. 1. Europarechtliche Kompetenzen im Bereich des Rundfunks Bereits die Frage, inwieweit der Gemeinschaft überhaupt Regelungsbefugnisse bezüglich des Rundfunks zukommen, ist aufgrund der Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität der Medien, die sie in ein Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und Kultur versetzt717, umstritten718. Eine Rundfunkkompetenz der Gemeinschaft ist nirgendwo ausdrücklich primärrechtlich verankert, müsste jedoch nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EG) vom Vertrag zur Verfügung gestellt sein. Zwar sind der EG angesichts der in ständiger Rechtsprechung vom EuGH vorgenommenen Qualifizierung des Rundfunks als Dienstleistung im Sinne des Art. 50 Abs. 1 EG719, dessen Entscheidungen als zur Vertragsauslegung berufenes Organ720 sich für sämtliche Organe der Mitgliedstaaten als bindend erweisen, mittlerweile im Rundfunkbereich Kompetenzen zum Erlass rechtlicher Maßnahmen zuzugestehen721. Allein deswegen darf die EU allerdings noch nicht jede Frage, die den Rundfunk betrifft, regeln. Dies wird besonders anhand des Art. 151 EG deutlich722. Nach dessen Abs. 1 leistet die Gemeinschaft „einen Beitrag“ zur Entfaltung der „Kulturen der Mitgliedstaaten“, nicht jedoch zu der einen europäischen Kultur. Daraus und aus der Tatsache, dass sie gem. Art. 151 Abs. 2 EG die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten unterstützt und „erforderlichenfalls“ ergänzt, 717
Schwarze, AfP 2003, 209, 217. Hierzu Schwarze, ZUM 2000, 779, 798 ff. 719 EuGH, Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, 409, 428; Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1980, 833, 855; Rs. 352/85 (Kabelregeling/Bond van Adverteerders), Slg. 1988, 2085, 2131, 2137; Rs 260/89 (Elliniki Radiophonia), Slg. 1991, I-2925, 2958; Rs. C-2889 (Stichting Collective Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, I-4007, 4040 f.; Rs. C-353/89 (Kommission./.Niederlande), Slg. 1991, I-S. 4069, 4092 f.; Rs. C-148/91 (Veronica Omroep), Slg. 1993, I-487, 519 f.; Rs. C-34/95, C-35/95, C-36/95 (De Agostini), Slg. 1997, I-3843, 3892 f. Vgl. hierzu Dörr u. a., Einflüsse europarechtlicher Entwicklungen, S. 38 ff.; Holmes, in: Craufurd, Culture and European Union Law, S. 179 ff. 720 Art. 234 Abs. 1 lit. a EG. 721 Vgl. BVerfGE 92, 203, 241; Dörr, K&R 2001, 233; Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 4 Rn. 6. 722 Vgl. auch Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 4 Rn. 6. 718
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
wird deutlich, dass Kompetenzen der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kultur, zu dem auch der audiovisuelle Bereich gehört, nur in begrenztem Umfang bestehen. In erster Linie bleiben auch weiterhin die Mitgliedstaaten zuständig723. So ist der Gemeinschaft gem. Art. 151 Abs. 5 EG auch lediglich der Erlass von unverbindlichen Empfehlungen und Fördermaßnahmen gestattet. Durch die so genannte Querschnittsklausel des Art. 151 Abs. 4 EG, derzufolge die Gemeinschaftstätigkeiten aufgrund anderer Vertragsbestimmungen den kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen haben, wird eine ausdrückliche Verpflichtung der Gemeinschaft statuiert, bei anderen Aktivitäten – beispielsweise im Bereich der Grundfreiheiten oder des Wettbewerbsrechts – kulturelle Aspekte zu berücksichtigen724. Wenngleich demnach gemeinschaftliche Maßnahmen gegenüber dem Rundfunk als kulturellem Phänomen möglich bleiben725, werden dadurch keine neuen Kompetenzen geschaffen726. Stattdessen sind Maßnahmen der Gemeinschaft ob der kulturellen Bedeutung des Rundfunks nun vielmehr engere Grenzen gesetzt727. Auch nach dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Gemeinschaftstreue, demzufolge auf die Interessen der jeweils anderen Seite Rücksicht zu nehmen ist, und für den Fall, dass die Kompetenzlage nicht eindeutig feststellbar ist, auf eine rücksichtslose Wahrnehmung der Kompetenz zu verzichten ist, hat sich die Gemeinschaft mit Rechtsetzungsakten soweit wie möglich zurückzuhalten, wenn gerade im Kern kulturelle Aspekte betroffen sind728. Das in Art. 5 Abs. 2 EG verankerte Subsidiaritätsprinzip, nach dem die Gemeinschaft außerhalb ihrer ausschließlichen Kompetenzen nur dann tätig wird, wenn eine entsprechende Regelung auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht ausreichend wäre und die angestrebten Ziele besser durch gemeinschaftliche Regelungen erreicht werden könnten, ist angesichts dessen, dass umstritten ist, inwieweit die Dienstleistungsfreiheit dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Gemeinschaft unterfällt, nur bedingt geeignet, eine 723 Nach Streinz, Europarecht, § 3 Rn. 135, handelt es sich bei der Kultur aus Art. 151 EG um eine „Beitragskompetenz“ der EG, die sie auf die Ergänzung der Tätigkeit der Mitgliedstaaten beschränkt. 724 Vgl. Schwarze, ZUM 2000, 779, 795. 725 Dörr, Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa, S. 35 f. 726 Frey, ZUM 1999, 528, 529; a. A. Mitteilung der Kommission „Aktion der Europäischen Gemeinschaft zugunsten der Kultur“ v. 27.07.1994, KOM (1994) 356 endg., S. 3, 5, die die Bestimmung kompetenzerweiternd auslegt. 727 Schwarze, ZUM 2000, 779, 795; vgl. auch Dörr, ZUM 1995, 14, 20; ders., Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa, S. 36 f.; Eberle, AfP 1993, 422, 426; in diese Richtung auch BVerfGE 89, 155, 210. 728 Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 4 Rn. 10; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 481; hierzu auch Degenhart, ZUM 1992, 449, 452 f.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
297
wirksame Kompetenzbeschränkung für den Rundfunk betreffende Regelungen darzustellen729. Als kompetenzbeschränkend lässt sich jedoch auch die Demokratiefunktion des Rundfunks heranziehen730. So kommt dem Rundfunk Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu, die wiederum mit der demokratischen Willensbildung in engem Zusammenhang steht731. Angesichts dessen, dass diese beiden Prozesse mangels momentanen spezifisch europäischen Bewusstseins und Bestandes eines europäischen Staatsvolkes nur in den Mitgliedstaaten ablaufen, ist der EG der Zugriff auf diese Prozesse entzogen732. Dies aber eben nur insofern, als es um den unmittelbaren Funktionsbereich des Rundfunks und damit um unmittelbare Auswirkungen auf die Meinungs- und Willensbildung geht. Regelungen, die den Inhalt des Rundfunks und damit auch seine Funktion betreffen, wie z. B. bei der Organisation oder dem Programmauftrag des Rundfunks, unterfallen nicht der Gemeinschaftskompetenz. Regelungen, die nicht der Funktionssicherung des Rundfunks als solcher dienen und daher keine oder jedenfalls nur geringe Auswirkung auf die Meinungs- und Willensbildung haben, können hingegen mangels Bezugs zur demokratischen Funktion des Rundfunks von der Gemeinschaft getroffen werden733. Angesichts der Bedeutung des Rundfunks für die Meinungs- und Willensbildung und damit für die Demokratie der einzelnen Mitgliedstaaten lässt sich der Rundfunk durchaus der nationalen Identität zuordnen734, deren Eigenart insofern auch von der Gemeinschaft zu achten ist735. Auch von der im Dezember 2000 feierlich proklamierten, aber nicht rechtsverbindlichen Charta der Grundrechte der Europäischen Union736, deren Art. 11 Abs. 2 lautet: „Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität wer729 Vgl. auch Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 4 Rn. 14; im Ergebnis ebenso Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 484; allgemein kritisch ebenfalls Dörr u. a., Einflüsse europarechtlicher Entwicklungen, S. 65 ff. 730 Hierzu Hesse, JZ 1993, 545 ff. Ähnlich Dörr u. a., Einflüsse europarechtlicher Entwicklungen, S. 59, allerdings im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue. 731 Siehe unter 2. Teil A. II. 1. a) cc) (2) (a). 732 Hesse, JZ 1993, 545, 548 f. 733 In diesen Kontext werden bei Hesse, JZ 1993, 545, 550, beispielsweise Aspekte des Datenschutzes und Urheberrechts eingeordnet, da bei derartigen Regelungen nicht unmittelbar die meinungsbildende Funktion des Rundfunks im Vordergrund stehe. 734 Vgl. auch die Mitteilung der Kommission „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“ v. 14.12.1999, KOM (1999) 657 endg., S. 9: Die audiovisuelle Industrie „hat entscheidende Bedeutung bei der Vermittlung, Entwicklung und sogar beim Aufbau kultureller Identität“. 735 Art. 6 Abs. 3 EU.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
den geachtet“, gehen gerade im Medienbereich keine kompetenzerweiternden Wirkungen aus737. Schließlich ist in Art. 51 Abs. 2 der Charta festgelegt, dass weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben der Gemeinschaft durch die Grundrechte-Charta begründet noch die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben geändert werden. Zudem zeigt sich dies anhand der Entstehungsgeschichte dieses Artikels738, wurde auf Drängen der deutschen Bundesländer doch kurz vor der Schlussabstimmung des Konvents der Wortlaut von „gewährleistet“ in „geachtet“ geändert, um einer Kompetenzausweitung der Gemeinschaft entgegenzutreten. Insgesamt lässt sich zur Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Rundfunk Folgendes feststellen: Aufgrund der Einordnung des Rundfunks als Dienstleistung sind ihr rechtsetzende Maßnahmen in diesem Bereich nicht grundsätzlich verwehrt. Angesichts der Zweiseitigkeit des Rundfunks als Wirtschafts- aber auch Kulturfaktor wie auch seiner identitätsstiftenden Bedeutung im Zusammenhang mit seiner demokratischen Funktion kommt der Europäischen Gemeinschaft jedoch keine Kompetenz zur Ausgestaltung einer umfassenden Kommunikationsordnung zu; sie kann keine Regelungen bezüglich Organisationsform des Rundfunks und Programmbindungen vorschreiben739. Stattdessen sollte sie sich darauf beschränken, lediglich die unerlässlich notwendigen Rahmenregelungen im Medienbereich zu schaffen740, besonders dort, wo es im Kern um wirtschaftliche Aspekte geht und die Ziele des gemeinsamen Marktes anders nicht erreicht werden können. 2. Äußerungen der Europäischen Union zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk Traditionell ist die Europäische Union stark auf die Herstellung eines liberalisierten Binnenmarktes ausgerichtet, woran die zunehmende Ausrichtung auf eine auch Rechts- und Wertegemeinschaft nichts Grundlegendes ändert741. Daher neigt sie dazu, den Rundfunk verstärkt unter wirtschaft736 Abl EG Nr. C 364 v. 18.12.2000, S. 1. Diese ist auch Bestandteil des Entwurfs für eine EU-Vertragsverfassung. 737 Vgl. auch Schwarze, AfP 2003, 209, 211. 738 Hierzu ausführlich auch Stock, K&R 2001, 289, 294 ff. 739 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 204; ders., in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 225 m. w. N.; Degenhart, ZUM 1992, 449, 453; Dörr, Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa, S. 36; ders. u. a., Einflüsse europarechtlicher Entwicklungen, S. 60. 740 Vgl. Degenhart, ZUM 1992, 449, 453; Dörr, ZUM 1995, 14, 20; ders., AfP 2003, 202, 209. 741 Nach Ansicht von Haltern, Der Staat 37 (1997), 591, 612, war bereits der Pariser EGKS-Vertrag nicht nur hauptsächlich wirtschaftlich gemeint, sondern um-
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
299
lichen Gesichtspunkten zu betrachten. Dementsprechend wird der überwiegend gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk der Mitgliedstaaten als Hindernis einer auf privatrechtlichen Wettbewerbsprinzipien aufbauenden Rundfunkordnung angesehen. Besonders im Zusammenhang mit dem Finanzierungsmodus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt es unter wettbewerbs- und beihilferechtlichen Aspekten aufgrund unterschiedlicher Standpunkte immer wieder zu Konflikten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten742. Allerdings wurde die besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von den Organen der Gemeinschaft in den letzten Jahren verstärkt miteinbezogen. So wurde im Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten als Bestandteil des Amsterdamer Vertrages743 im Jahr 1997 erstmals ausdrücklich die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse jeder Gesellschaft und den Pluralismus in den Medien sowie die Kompetenz der Mitgliedstaaten, ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem einzurichten, anerkannt744. Dieses Protokoll wurde im Jahr 1999 in einer Entschließung des EU-Ministerrates und des Europäischen Rates über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk745 erneut bekräftigt, die wichtige Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betont und den Mitgliedstaaten die öffentlich-rechtliche Auftragsübertragung, -festlegung und -ausgestaltung zugestanden. Ebenfalls wurde in der noch im selben Jahr verfassten Mitteilung der Kommission mit den Worten, die audiovisuelle Industrie sei nicht eine Industrie wie jede andere, sondern sei „ohne Zweifel eine Kulturindustrie par exellence“746, die besondere gesellschaftliche und kulturelle Rolle der audiovisuellen Medien insgesamt wie auch wenig später besonders des öffentlich-rechtlichen Fernsehens betont. Unter Bezugnahme auf das Amsterdaschloss gleichfalls kulturelle Aspekte. Von daher seien die EG-Verträge im Wesentlichen nicht nur ökonomischer Natur. 742 Auf Einzelheiten kann im Rahmen dieser Bearbeitung nicht eingegangen werden. 743 Zu diesem Protokoll auch unter 3. Teil B. I. 5. a). 744 Vgl. auch Hesse, Rundfunkrecht, S. 328. Zuvor hatte bereits das Europäische Parlament in einer Entschließung zur Rolle der öffentlichen Fernsehdienste in einer multimedialen Gesellschaft v. 19.09.1995, Abl EG Nr. C 320 v. 28.10.1996, S. 180, in Ansätzen die Wichtigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten betont und war dafür eingetreten, das öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen durch die nationale und europäische Medienpolitik zu unterstützen. 745 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 25.01.1999 über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Abl EG Nr. C Nr. 30 v. 05.02.1999. 746 Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter, KOM (1999) 657 endg. v. 14.12.1999, S. 9.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
mer Protokoll erfolgte die Aussage, die Zukunft des dualen Systems in Europa hänge davon ab, ob es gelinge, die Rolle der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs und den Mechanismen eines freien Marktes in Einklang zu bringen747. Erneut wurde die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Auftrag festzulegen und auszugestalten wie auch über die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu entscheiden, bestätigt. Die Kommission habe allerdings dafür zu sorgen, dass die getroffenen Festlegungen des Auftrags und der Finanzierung durch die Mitgliedstaaten mit dem Vertrag sowohl im Hinblick auf staatliche Beihilfen als auch auf das Prinzip des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar seien. Der Bericht der „Hochrangigen Gruppe für audiovisuelle Politik“ unter dem Vorsitz des damaligen Kommissars Oreja (so genannter Oreja-Bericht)748 hatte zuvor im Jahr 1998 ebenfalls die wichtige Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei der Förderung der kulturellen Vielfalt jedes Einzelstaates festgestellt und die Entscheidung über den Stellenwert des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks vorrangig in das Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten gelegt. In einer weiteren Mitteilung der Kommission749 wurde Einigkeit demonstriert, das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Hörfunkund Fernsehanstalten zu unterstützen und wieder bekräftigt, die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems, dessen genauer Auftrag sowie Finanzierungsmodalitäten seien Sache der Mitgliedstaaten. Die Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2001 führte die Linie des Amsterdamer Protokolls fort, sprach den Mitgliedstaaten die Definition des öffentlichrechtlichen Auftrags zu und äußerte sich zur eigenen Rolle im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dahingehend, dass sie im Wesentlichen überprüfe, ob die Mitgliedstaaten die Vertragsbestimmungen einhielten und den öffentlich-rechtlichen Sendeauftrag der Rundfunkanstalten lediglich auf offensichtliche Fehler überprüfe, nicht jedoch Art und Qualität eines bestimmten Produkts in Frage stelle750. Eine Entschließung des Rates aus dem Jahr 2002 unterstrich ebenfalls die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und forderte ihn auf, weiterhin seinen wichtigen Beitrag zur Förderung des audiovisuellen Sektors zu leisten751. 747
Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter, KOM (1999) 657 endg. v. 14.12.1999, S. 14. 748 Abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/avpolicy/legis/key_doc/hlg3_de.htm (Stand: 01.10.2004). 749 Mitteilung der Kommission über Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa v. 20.09.2000, KOM (2000) 580 endg., S. 39 ff. 750 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk v. 17.10.2001, Abl EG Nr. C 320 v. 15.11.2001, S. 9.
B. Erfüllbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen
301
In einem Grünbuch aus dem Jahre 2003752 bekräftigte die Kommission erneut die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und akzeptierte das Bestehen dualer Rundfunksysteme in den Mitgliedstaaten, zeigte gleichwohl jedoch die Tendenz, im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, in den sie auch den Rundfunk einordnet, allgemein die Befugnisse der Gemeinschaft auszuweiten. Gerade in letzter Zeit zeigt sich allerdings im Zusammenhang mehrerer Beschwerden des Verbandes Privater Rundfunk- und Telekommunikation (VPRT) gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinsichtlich seiner Gebührenfinanzierung, seiner Online-Aktivitäten, seiner TV-Produktionstöchter sowie des Sportrechtemarktes erneut die Tendenz, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verstärkt unter Wettbewerbs- anstelle Kulturgesichtspunkten zu beurteilen753. Teilweise wird befürchtet, die Grundsätze des Amsterdamer Protokolls würden zukünftig missachtet und es werde insgesamt restriktiver seitens der EU-Kommission gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgegangen. 3. Abschließender Befund Unter Berücksichtigung der Kompetenzlage wie auch der Äußerungen von Seiten der Gemeinschaft lässt sich abschließend feststellen, dass der EU insgesamt nur die Möglichkeit zu Rahmenregelungen – besonders wirtschaftliche Aspekte des Rundfunks betreffend – zukommt754. Sie kann lediglich sicherstellen, dass die Rundfunkordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, so unterschiedlich diese auch ausgestaltet sein mögen, mit den allgemeinen Vertragszielen und besonders dem freien Binnenmarkt übereinstimmen. Di751 Entschließung des Rates zut Entwicklung des audiovisuellen Sektors v. 21.01.2002, Abl EG Nr. C 32 v. 05.02.2002, S. 5. 752 Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse v. 21.05.2003, KOM (2003) 270 endg., S. 12, 13. 753 Hierzu epd medien Nr. 72 v. 15.09.2004, 13: „Schächter warnt vor EU-Politik gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“; ausführliche Hinweise bei Wiedemann, epd medien Nr. 68 v. 01.09.2004, 3 ff.; vgl. auch epd medien Nr. 67 v. 28.08.2004, 25: „Restriktive Rundfunk-Tendenz der EU-Kommission befürchtet“. Unterstützt werden derartige Bedenken auch von der Tatsache, dass der Bereich der audiovisuellen Politik aus der Generaldirektion Bildung und Kultur herausgetrennt und in die Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien eingegliedert wurde. 754 Den Aktivitäten der EU im Rundfunkbereich lassen sich – soweit es darum geht, eine Politik der Mitgliedstaaten im Sinne von „cultural closure“ sowie eine bloß nationale Zielverfolgung im Bereich der audiovisuellen Kulturpolitik zu unterbinden, und soweit letztlich die Mitgliedstaaten dadurch dazu gebracht werden, ihre getroffenen Maßnahmen in diesem Bereich selbst genauer zu begutachten, zu erklären und auch zu verteidigen – in dieser Hinsicht auch positive Aspekte entnehmen, ausführlich hierzu Holmes, in: Craufurd, Culture and European Union Law, S. 170, 198 f.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
rekt kann von europäischer Seite rechtlich gesehen kein Einfluss auf mitgliedstaatliche Rundfunkordnungen samt einem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Rundfunk und besonders auf programminhaltliche Bestimmungen genommen werden. Dies wurde von der Kommission bislang auch weitgehend anerkannt. Allerdings ist es aufgrund der engen Verknüpfung kultureller Elemente mit ökonomischen Grundlagen gerade beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich, über Dienstleistungsvorschriften wie auch beihilferechtliche Aspekte im Zusammenhang mit der Rundfunkgebühr gleichwohl einen gewissen Einfluss auf die in Deutschland prinzipiell den Ländern zugedachte Ausgestaltung der Rundfunkordnung zu nehmen. Zwar bestehen aus europäischer Sicht weiterhin Bedenken gegen vermutete wettbewerbsverzerrende gebühren- oder sonst staatlich finanzierte Ausweitungstendenzen der einzelnen Rundfunkanstalten in den Mitgliedstaaten. Zudem erfolgte in Art. 11 Abs. 2 der Grundrechte-Charta keine explizite Anerkennung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und wurden Entwürfe, die eine stärkere Festschreibung des Public-Service-Charakters des Rundfunks beinhalteten755, in der Endfassung der Charta nicht berücksichtigt. Gleichwohl zeigte sich auf europäischer Ebene in den letzten Jahren eine den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner gesamtgesellschaftlichen und kulturellen, pluralismussichernden Bedeutung respektierende Haltung756. Wenn sich auch Anzeichen dafür mehren, dass die EU gegenüber den Rundfunkanstalten eine wieder restriktivere Politik verfolgen wird, so ist dennoch aus dieser Richtung in absehbarer Zeit eine auf Abschaffung des öffentlichrechtlichen Rundfunks zielende Einflussnahme nicht zu erwarten.
C. Ergebnis Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist weder nach dem Text des Grundgesetzes noch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 755 So beispielsweise der Entwurf von Stock, ZUM 2000, 533, 536: „Der Rundfunk dient der Information durch umfassende und wahrheitsgemäße Berichterstattung und durch die Verbreitung von Meinungen. Er trägt zur Bildung und Unterhaltung bei. Er ist Medium und Faktor des Prozesses freier Meinungsbildung. Er trägt der kulturellen Vielfalt in Europa Rechnung und fördert die europäische Integration. Er nimmt damit eine öffentliche Aufgabe wahr und ist darum unabhängig in der Programmgestaltung. Unbeschadet des Rechts, Rundfunk in privater Trägerschaft zu betreiben, werden Bestand und Entwicklung von Rundfunk in öffentlicher Trägerschaft gewährleistet.“ 756 Nach Meinung von Schwarze, AfP 2003, 209, 212, stärkt die GrundrechteCharta „gleichwohl die Stellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als ‚Garant‘ für den Pluralismus“. Holmes, in: Craufurd, Culture and European Union Law, S. 203, äußert sogar: „By testing public service broadcasting, EC law may strengthen its rationales“.
C. Ergebnis
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zwingend gewährleistet. Dem Gesetzgeber ist keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vorgeschrieben. Der ihm zukommende weite Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung unterliegt zwar bestimmten Grenzen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit, diese sind jedoch systemneutral gefasst, so dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine verfassungsrechtliche Garantie und damit kein absoluter Schutz gewährt wird. Seine Auflösung ist jedoch erst dann möglich, wenn der Gesetzgeber Vorsorge für ein Rundfunkangebot trifft, das aufgrund seiner Vielfalt und Ausgewogenheit weiterhin eine freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung ermöglicht. Daher steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, private Rundfunkveranstalter, die bislang nur abgeschwächten Anforderungen unterlagen, mit den Aufgaben zu betrauen, die bisher den Rundfunkanstalten zugestanden wurden. Die gesetzlichen Ersatzsicherungen müssen allerdings wirksam sein und dürfen nicht an der Realität vorbeigehen. Privater Rundfunk ist weder zum jetzigen noch in näherer Zukunft liegenden Zeitpunkt in der Lage, die besonders wichtige Grundversorgung im Einklang mit den weiteren Rahmenbedingungen wie beispielsweise der Staatsfreiheit dauerhaft zu gewährleisten. Eine fortschreitende Digitalisierung wie auch eine zunehmende Entgeltfinanzierung werden daran nichts ändern. Die gesetzgeberische Einschätzung der fortbestehenden Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Erbringung der Grundversorgung stellt sich mithin nicht als offensichtlich fehlsam, sondern vielmehr auch in einem von der Digitalisierung gekennzeichneten und veränderten Umfeld als zutreffend dar. Maßnahmen zur Ersetzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch private Rundfunkveranstalter würden sich momentan nicht als der Rundfunkfreiheit dienend und damit nicht als verfassungsmäßige Ausgestaltung erweisen. Ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist die Funktion der Rundfunkfreiheit, freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu dienen, gefährdet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann daher zurzeit nicht abgeschafft werden. Er kann dies solange nicht, wie kein anderes Rundfunksystem existiert, dass den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Grundsätzen gerecht zu werden vermag. Somit existiert letztendlich ein relativer Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der sich indirekt durch den Reflex aus der Medienwirklichkeit ergibt, da die momentanen Programmleistungen des privaten Rundfunks den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht genügen.
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2. Teil: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Wie ein Vergleich der Untersuchung in Teil A und Teil B ergibt, ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich in fernerer Zukunft reale Veränderungen ergeben und von daher die momentan noch bestehende Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entfiele. So könnte sich z. B. künftig das Verhältnis der Rezipienten zu Rundfunksendungen dergestalt ändern, dass ihr Nutzen vom Einzelnen besser ersehen wird und ihre Stellung als meritorische Güter abnimmt. Im Zuge des sich durchsetzenden Gedankens, dass für den Empfang von kommerziell veranstaltetem Rundfunk nicht nur indirekt über die beworbenen Produkte, sondern auch direkt über Entgelte zu bezahlen ist, könnte dann die Bereitschaft steigen, auch für Fernsehprogramme zu zahlen, die nicht nur entspannen und unterhalten, sondern auch bilden und sozialisieren. In diesem Fall bestünde die Möglichkeit, mit Minderheitenprogrammen die Gewinngrenze zu überschreiten und Schwankungen in der Nachfrage besser abfedern zu können. Eine Erfolg versprechende Verpflichtung privater Rundfunkanbieter zur Erbringung eines gegenständlich und meinungsmäßig vielfältigen Programms bleibt mithin für die Zukunft möglich. Damit kann auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht unbeschränkt auf eine Existenzberechtigung vertrauen.
3. Teil
Der künftige rechtliche Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Festgestellt wurde bisher, dass die privaten Rundfunkveranstalter die Grundversorgung zurzeit nicht gewährleisten können. Damit ist umgekehrt jedoch noch nicht festgestellt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dem Auftrag der Grundversorgung nachkommen und dass diese den weiter zu beachtenden Grundsätzen der Staats- und Gruppenferne ausreichend Rechnung tragen. Von der Funktionstüchtigkeit des öffentlichrechtlichen Rundfunks hängt jedoch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des dualen Systems ab1, da anderenfalls das bestehende Rundfunksystem den aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgeleiteten Vorgaben nicht Rechnung tragen würde. Im Folgenden ist daher anhand von Programmstatistiken und der Zusammensetzung der Rundfunkräte genauer zu untersuchen, ob die Rundfunkanstalten mit ihren Programmen den von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmen ausfüllen (Teil A). Danach wird anknüpfend an das gefundene Ergebnis der künftige Handlungsrahmen des Gesetzgebers in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk näher beleuchtet (Teil B) sowie abschließend noch kurz auf die Situation beim öffentlich-rechtlichen Hörfunk eingegangen (Teil C).
A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens Bei der Untersuchung der momentanen Aufgabenerfüllung des öffentlichrechtlichen Rundfunks wird besonderes Augenmerk auf die nach wie vor als wichtig erachtete Grundversorgung gerichtet werden, aber auch – im Zusammenhang mit der Beteiligung von Staats- und Parteienvertretern in den Rundfunkräten – auf den Aspekt der Staatsfreiheit eingegangen werden. 1 So das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, BVerfGE 90, 60, 91. 20 Lindschau
306 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
I. Im Hinblick auf die Erbringung der Grundversorgung Im weiteren Verlauf wird zunächst unter dem gleichen Blickwinkel der tatsächlichen Gewährleistung, d. h. wie zuvor bei den privaten Rundfunkveranstaltern, die Grundversorgung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter die Lupe genommen werden. Diese ist nicht nur im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der gesamten Rundfunkordnung von Bedeutung, sondern ihr kommt auch in einem anderen Kontext Gewicht zu, der im Folgenden kurz erörtert werden soll. 1. Ansätze zur Begründung der Erforderlichkeit einer Legitimationsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks So wird immer wieder von einer Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesprochen2 und ist beispielsweise im Zusammenhang mit bestimmten Entwicklungen die Rede davon, die Rechtfertigung für den Erhalt gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten werde untergraben3. Angesichts dessen, dass private Rundfunkveranstalter zur sicheren Erbringung von grundversorgenden Rundfunkprogrammen nicht in der Lage gesehen wurden, könnte gerade dieser Aspekt eine tragende Legitimationsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellen. Fraglich ist jedoch, weshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk zwingend einer Rechtfertigung und besonderen Legitimation bedarf, ließe sich doch argumentieren, dass dem Staat eine grundsätzliche Organisationshoheit zukommt und gerade die Pflege der geistigen und sittlichen Grundlagen des Gemeinwesens Aufgabe des Staates ist. Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung dieser Funktionen leiste, bedürfe seine Existenz ebenso wenig wie das staatliche Erziehungswesen oder die staatliche Kunstförderung irgendeiner zusätzlichen Rechtfertigung4. 2 Statt vieler vgl. Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 110; Lerche, in: Zienske u. a., FS Kriehle, S. 363; Scheble, Perspektiven der Grundversorgung, S. 82; Wilhelmi, Verfassungsrechtliche Probleme, S. 91; zustimmend Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 61, 67. Vgl. auch Mahrenholz, ZUM 1995, Sonderheft, 508, 512, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein vertieftes Nachdenken über seine Legitimation anrät, will er sich nicht darauf verlassen, dass eine Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts es schon richten werde. 3 Blumler/Hoffmann-Riem, MP 1992, 402, 406; vgl. auch Dörr, in: Abele/Fünfgeld/Riva, Werte und Wert, S. 139. 4 Vgl. Kübler, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 279.
A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens
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a) Grundsätzliche Rechtfertigungsüberlegungen In diesem Zusammenhang ist allerdings Folgendes zu bedenken: Das Grundgesetz enthält ebenso wie im Rundfunkbereich kein verfassungskräftiges Bekenntnis zugunsten eines bestimmten Wirtschaftssystems5, sondern ist wirtschaftspolitisch „neutral“6. Aus ihm lässt sich auch kein allgemeines Subsidiaritätsprinzip ableiten, demzufolge der Staat nur handeln darf, soweit die entsprechende Tätigkeit nicht genauso gut von Privaten wahrgenommen werden kann7. Von daher ist es dem Staat grundsätzlich nicht verboten, durch Gründung und Führung öffentlicher Unternehmen am Wirtschaftsleben teilzunehmen, auch wenn er damit einen Fremdkörper im System der marktwirtschaftlichen Ordnung darstellt8. Zum Schutz privater Wirtschaft wird als eine äußere Begrenzung dieser staatlichen Freiheit, gewissermaßen als Rechtfertigung, ein staatliches Tätigwerden zum Zweck des Gemeinwohls verlangt, eine rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit allein zum Zweck der Gewinnerzielung wird als nicht zulässig erachtet9. Hieraus kann die Parallele gezogen werden, dass, wenn es dem Staat nicht generell verschlossen ist, selbst wirtschaftliche Unternehmen zu gründen und zu führen, es ihm auch grundsätzlich nicht verwehrt sein kann, im Rundfunkbereich staatsunabhängige Anstalten des öffentlichen Rechts zu etablieren. Wie andere öffentliche Unternehmen dürfen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten jedoch nur errichtet werden, wenn dies durch verfassungskräftige Gemeinschaftsinteressen gerechtfertigt ist, ohne dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden10.
5
BVerfGE 4, 7, 17 f.; 7, 337, 340; 12, 341, 347; 30, 292, 315; 50, 290, 336 f.; BVerwGE 17, 306, 308; 39, 329, 336 f.; hierzu auch Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 70 ff. 6 Vgl. Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrecht, § 10 Rn. 14; ders., ZHR 146 (1982), 448, 459; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 62; Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrecht, § 18 Rn. 1 m. w. N. 7 BGH DÖV 1974, 785, 786; Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 148 Rn. 58; Badura, ZHR 146 (1982), 448, 459, 461; Herzog, in: Herzog u. a.: Evangelisches Staatslexikon, Bd. II, Stichwort: Subsidiaritätsprinzip; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 66 f.; Thieme, JZ 1961, 280, 281, 284 f.; a. A. Dürig, JZ 1953, 193, 198; Ipsen, NJW 1963, 2102, 2107. 8 Vgl. Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 148 Rn. 57 f. m. w. N., Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrecht, § 18 Rn. 44. 9 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 12 Rn. 402 ff.; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 278 ff. 10 Vgl. auch Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 85; Badura, ZHR 146 (1982), 448, 459, 461. 20*
308 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Stellt man zusätzlich in die Überlegung mit ein, dass der Bereich des Rundfunks mit Zulassung privaten Rundfunks und dem daraus resultierenden Wettbewerb immer stärker von einer wirtschaftlichen Sichtweise dominiert wird, so dass Interessen privater Rundfunkveranstalter stärker Beachtung finden, und berücksichtigt man das sich wandelnde Staatsverständnis hin zu einem Gewährleistungsstaat, ergibt sich das Erfordernis einer Rechtfertigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Lange Zeit als Ausdruck staatlicher Fürsorge allgemein akzeptiert, stellt er sich in einem stärker auf die freie Marktwirtschaft und Verbesserungen im Bereich allgemeiner Daseinsvorsorge durch Privatisierungen vertrauenden Umfeld als eine Abnormität dar, die einer entsprechenden Begründung bedarf. b) Rechtfertigung aus Gründen der Grundrechtsbeeinträchtigung Ein Rechtfertigungsbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnte auch unter dem Aspekt möglicher Grundrechtsbeeinträchtigungen entstehen. aa) Wirtschaftliche Konkurrenz Die Etablierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten mit Grundversorgungsauftrag und Gebührenanspruch stellt sich angesichts der noch immer im Vordergrund stehenden objektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit und der Ablehnung eines Grundrechts auf Rundfunkveranstaltung nicht als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG11, sondern als eine der Rundfunkfreiheit dienende Ausgestaltung dar. Betroffen sein könnten hingegen wirtschaftliche Grundrechte privater Rundfunkveranstalter aus Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG. Um bei der zuvor gezogenen Parallele zu bleiben, bedarf es bei einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand neben der angeführten Grenze des Gemeinwohls einer zusätzlichen Prüfung, inwieweit im Einzelfall grundrechtlich geschützte Positionen entgegenstehen12 und die staatliche Betätigung von daher rechtfertigungsbedürftig ist. Nach der deutschen Wirtschaftsordnung existiert kein Anspruch auf generellen Schutz vor einem Tätigwerden der öffentlichen Hand als Wettbewerber13. Ein grundrechtlicher Konkurrentenschutz auch gegenüber wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand wird privaten Unternehmern 11 Anders Starck, in: Burmeister, FS Stern, S. 795; vgl. auch Neun, Öffentlichrechtlicher Rundfunk, S. 393. 12 Hierzu BVerfGE 4, 7, 17 f.; 7, 377, 400. 13 Vgl. BVerwGE 17, 306, 311.
A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens
309
grundsätzlich verweigert14. Allgemein wird eine staatliche Betätigung nur dann als unzulässiger – und damit rechtfertigungsbedürftiger – Eingriff betrachtet, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand unabhängig vom verfolgten Zweck zu einem Verdrängungs- oder Erdrosselungswettbewerb führt, folglich die Wettbewerbsfreiheit Privater unmöglich gemacht oder unzumutbar eingeschränkt wird15. Diese Grenze existiert wiederum auch im Bereich des Rundfunks, wo privater Rundfunk nicht Bedingungen unterworfen werden darf, die die Grundrechtsausübung wesentlich erschweren oder praktisch unmöglich machen16. Selbst bei einem primär subjektiv-rechtlichen Verständnis der Rundfunkfreiheit und der Anerkennung einer Rundfunkunternehmerfreiheit einhergehend mit der Ablehnung einer weitgehenden Ausgestaltungsbefugnis ist es angesichts der hoch angesetzten Grenze eher unwahrscheinlich, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die zugelassenen privaten Veranstalter in ihrer Wettbewerbsfreiheit so sehr beeinträchtigen, dass sie als Eingriff in deren wirtschaftliche Freiheitsrechte anzusehen sind, und infolgedessen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen. bb) Freiheit der Gebührenzahler Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt jedoch unter dem Aspekt in Betracht, dass für diesen im Fall des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgerätes zwingend Rundfunkgebühren zu entrichten sind. Die Rundfunkgebührenpflicht stellt sich für den einzelnen Rezipienten als rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in seine durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit dar17. Die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG, die nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungen schützt18, und die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, die kein Recht auf kostenlose Information enthält19, werden von der Gebührenpflicht hingegen nicht berührt, solange diese nicht solche Ausmaße annimmt, dass sie die Bürger übermäßig belastet, d. h. er14 BVerfGE 24, 236, 251; BVerwGE 17, 306, 308 ff.; 39, 329, 336 ff.; BVerwG NJW 1995, 2938, 2939. 15 Vgl. hierzu BVerwGE 17, 306, 314; 39, 329, 337; BVerwG DÖV 1996, 250; Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrecht, § 18 Rn. 45 f.; Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 36. 16 BVerfGE 97, 228, 268; vgl. auch BVerfGE 73, 118, 157; 83, 238, 297, 317. 17 BVerfGE 9, 3, 11; BVerfG JZ 2000, 565; vgl. aber Springer, Reform der ARD, S. 166. 18 BVerfGE 4, 7, 17; 30, 250, 271 f.; 38, 61, 102; BVerfG JZ 2000, 565. 19 BVerfG JZ 2000, 565; BVerwGE 29, 214, 218; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 163; Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 144.
310 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
drosselnde Wirkung hat, oder sie aus finanziellen Gründen vom Rundfunkempfang abhält. cc) Ungleiche Behandlung Im Zusammenhang mit der Frage nach den Gründen für eine besondere Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann auch (wenngleich eine Stufe weiter, auf der es nicht mehr allein um die Frage nach einer Rechtfertigung dafür geht, dass überhaupt ein Rundfunksystem öffentlichrechtlicher Art besteht, sondern bereits die Rechtfertigung seiner Privilegien in Rede steht) auf das Gebot der Chancengleichheit nach Maßgabe des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG rekurriert werden20. Hiernach bedarf die Besserstellung eines durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Vergleich zum privaten Rundfunk einer Rechtfertigung, eines sachlichen Grundes, sind doch beide Rundfunkveranstalter und als solche Träger der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. c) Folgerung Auch wenn dem Staat grundsätzlich die Organisationshoheit zusteht und ihm ein weiter Spielraum bei seinen Entscheidungen einzuräumen ist, muss er sich mit seinen Maßnahmen an der Realität orientieren und sich von vernünftigen Erwägungen zugunsten des Allgemeinwohls leiten lassen. In Anbetracht der Berührungspunkte zu anderen Grundrechten und vorstehender grundlegender Überlegungen bedarf der öffentlich-rechtliche Rundfunk samt seiner Sonderrechte einer tragfähigen und vor allem den Erfordernissen der Gegenwart entsprechenden Rechtfertigung21. Dabei wird vielfach die Erbringung der Grundversorgung als Rechtfertigung und Existenzbedingung des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks angesehen22. Im Zusammenhang mit der Rundfunkgebühr äußert das Bundesverfassungsgericht, die Heranziehung Dritter durch eine Geldleistungspflicht sei nur in dem Maß gerechtfertigt, das zur Funktionserfüllung geboten sei23. In Anbetracht dessen, dass die Grundversorgung wenn nicht sogar als deckungsgleich, dann zumindest aber dem Begriff der 20 Vgl. Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 31 f.; auch Schmitt Glaeser, BayVBl 1985, 97, 104. 21 Vgl. auch Tettinger, JZ 1986, 806, 813. 22 BVerfGE 73, 118, 158; 90, 60, 90; BVerwGE 108, 108, 112; Dörr, ZUM 1993, 10, 16; Erster Zwischenbericht Enquete Kommission Zukunft der Medien, BTDrucks. 13/6000, S. 17; Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 88; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 79. 23 BVerfGE 87, 181, 201.
A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens
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Funktion des Rundfunks unterfallend angesehen werden kann24, zeigt sich, dass zunächst überhaupt die Grundversorgungserbringung25 einen gebührenpflichtbedingten Eingriff in die Grundrechte der Rundfunkteilnehmer zu rechtfertigen vermag26. Des Weiteren werden als gleichheitskonform nur die Sonderregelungen zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angesehen, die dafür sorgen, dass er der Aufgabe der Grundversorgung nachkommen kann27. Auch von daher kommt der Frage, inwieweit die Rundfunkanstalten der ihnen zugedachten Grundversorgungsaufgabe tatsächlich gerecht werden, eine hohe Bedeutsamkeit zu. 2. Erstes Grundversorgungselement – technische Erreichbarkeit nahezu der gesamten Bevölkerung Das erste (technikbezogene) Element der Grundversorgung, die technische Erreichbarkeit nahezu der gesamten Bevölkerung Deutschlands, lässt sich angesichts folgender Zahlen als vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfüllt ansehen. Im Jahre 2003 konnten von 33,57 Millionen Fernsehhaushalten in Deutschland 33,51 Millionen ARD und 33,55 Millionen ZDF empfangen28. Die Dritten Programme waren in ihrem Verbreitungsgebiet ebenfalls von nahezu 100% der Fernsehhaushalte empfangbar. Deren bundesweiter Verbreitungsgrad wird infolge des sich ausbreitenden Digitalfernsehens einhergehend mit einer besseren Auslastung der Übertragungswege durch den zunehmenden Erhalt terrestrischer Frequenzen, deren Empfangbarkeit bei mehr als 99% liegt, noch zunehmen29.
24
Hierzu unter 2. Teil A. II. 2. d) dd). Zu außerhalb der Grundversorgung stehenden Programmangebote der Rundfunkanstalten siehe im weiteren Verlauf unter B. II. 3. d) aa). 26 Zur Sicherstellung der Grundversorgung als Rechtfertigung der Gebührenfinanzierung auch BVerfGE 87, 181, 199 f. 27 Selmer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 32; ähnlich auch Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 66: „Grundversorgung als Legitimation der Ungleichbehandlung“. 28 Media Perspektiven, Basisdaten 2003, S. 7. Hierzu bereits 1994 Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 63: Bei ARD, ZDF und den Dritten Programmen liegt der Versorgungsgrad bei rund 99%. 29 Vgl. auch unter 2. Teil B. III 1. a). Im Jahr 2002 konnten beispielsweise bereits die Dritten Programme vom BR und WDR von 91% der Haushalte bundesweit empfangen werden, auch die des NDR und MDR wiesen mit 88% bzw. 84% eine nicht unbeträchtliche Verbreitungsweite auf (ARD-Jahrbuch 2003, S. 353). 25
312 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
3. Die weiteren Grundversorgungselemente – besondere Berücksichtigung des klassischen Rundfunkauftrages Fraglich ist jedoch, inwiefern der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch den beiden anderen Elementen der Grundversorgung, dem klassischen Rundfunkauftrag und der Sicherung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt, in der geforderten Weise nachkommt. Um hierauf eine Antwort geben zu können, ist es im Folgenden unerlässlich, die Programmleistungen der einzelnen öffentlich-rechtlichen Programme zu betrachten und zu bewerten. Dabei wird vorwiegend der inhaltlich-gegenständliche Programmbereich auf die angemessene Berücksichtigung der vom klassischen Rundfunkauftrag geforderten Gegenstände Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur untersucht. Inwiefern der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter im einzelnen Programme sendet, die die gesamte Bandbreite der in der Gesellschaft vorhandenen Meinungen ausgewogen bedenken, ist nur äußerst schwer feststellbar. Schließlich gibt es keine absolute und abschließende Definition von Meinungsvielfalt, da diese einem zeitlichen Wandel unterliegt, von der jeweiligen Gesellschaftssituation abhängt und damit stets einer Wertung bedarf30. Selbst wenn es einen verlässlichen Maßstab der Meinungsvielfalt gäbe, bliebe die empirische Erfassung anders als bei der Feststellung von inhaltlich-gegenständlicher Vielfalt ungleich schwieriger. Die alle Programmgenres durchziehenden Meinungen erweisen sich im Einzelnen als subtil und lassen sich nicht durch einen Blick auf die Programmaufstellung erfassen. Zwar kann nicht pauschal von einer Vielfalt der Gegenstände auf eine Vielfalt der Meinungen geschlossen werden. Allgemein lässt sich jedoch die Vermutung aufstellen, dass im Fall eines im Hinblick auf die behandelten Gegenstände vielfältigen Programms im Sinne des klassischen Rundfunkauftrages auch die verschiedenen Interessen der Bevölkerung und die zu den einzelnen Themen bestehenden Meinungen soweit wie möglich Berücksichtigung finden. a) Genauere Eingrenzung des anzulegenden Maßstabs Bei der Frage der Grundversorgungserbringung privater Rundfunkveranstalter wurde ein Vergleich zu den Programmleistungen öffentlich-rechtlicher Programme gezogen. Aufgrund der festgestellten erheblichen Unter30 Vgl. Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 250; sehr kritisch generell zur gleichgewichtigen Meinungsvielfalt Hoppmann, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, S. 186 f. Dies erkennt auch das Bundesverfassungsgericht, vgl. BVerfGE 73, 118, 156, 159, 168. Näher bereits unter 1. Teil C. III. sowie unter 2. Teil A. II. 2. d) cc) (3).
A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens
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schiede zwischen diesen und der bereits im Hinblick auf eine Grundversorgungserbringung der Rundfunkanstalten erhobenen Zweifeln wurde geschlossen, die privaten Rundfunkanbieter würden zum momentanen Zeitpunkt kein Programm ausstrahlen, das zulässigerweise mit dem Begriff der Grundversorgung überschrieben werden dürfte, da bereits das inhaltsbezogenen Element nicht erfüllt sei. Vorliegend hat demgegenüber eine genauere Untersuchung des herangezogenen Vergleichsgegenstandes öffentlich-rechtlicher Rundfunk stattzufinden. In diesem Zusammenhang gilt es, die inhaltlichen Anforderungen des klassischen Rundfunkauftrags und damit der Grundversorgung anhand der bisherigen Erkenntnisse genauer einzugrenzen. So ist fraglich, inwiefern dem Grundgesetz in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht Vorgaben bezüglich der Gewichtung der aufgezählten Bereiche und der von ihnen jeweils umfassten Sendungen zu entnehmen sind. Mit der Bezugnahme auf Informations-, Bildungs-, Unterhaltungs- und Kultursendungen, die alle zum klassischen Rundfunkauftrag zählen, wird die gegenständliche Vielfalt berücksichtigt. Da das Bundesverfassungsgericht „gleichgewichtige Vielfalt“ fordert31, müssen folglich auch die einzelnen Programmgegenstände in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Nur dann lässt sich auch in inhaltlich-gegenständlicher Hinsicht von gleichgewichtiger Vielfalt sprechen. Aufgrund der gleichrangigen Positionierung der einzelnen Sparten Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur ist prinzipiell von einer gleichen Gewichtung der Inhalte auszugehend, zumal sich Meinungsbildung durch alle vier Bereiche vollziehen kann32. Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dem Grundversorgungsauftrag werde in inhaltlicher Hinsicht nur dann Genüge getan, wenn ein Programm je zu einem Viertel aus informierenden, bildenden, unterhaltenden und kulturellen Sendungen bestehe, wäre angesichts dessen, dass besonders das Fernsehen in erster Linie als Informations- und Unterhaltungsmedium genutzt wird33, als dem Medium Rundfunk innewohnenden Spezifikum nicht genügend Rechnung tragend und an der Realität vorbeigehend einzuordnen34. So verlangt das Bundesverfassungsgericht denn auch lediglich 31
BVerfGE 57, 295, 323 f.; 73, 118, 156; 74, 297, 325; 83, 238, 296; 87, 181, 199; 89, 144, 152. 32 Hierzu bereits unter 2. Teil A. II. 2. d) cc) (2). 33 Beim Fernsehen werden als Nutzungsmotive neben Information an erster Stelle auch Spaß und Entspannung genannt, so ein Ergebnis der ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation 2000, vgl. hierzu Ridder/Engel, MP 2001, 102, 108 f. Vgl. auch Oehmichen/Schröter, MP 2000, 359, 367. 34 In diese Richtung auch Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 218.
314 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
„ein Mindestmaß“ an Ausgewogenheit für den „Inhalt des Gesamtprogramms“35. Wie es auch im Bereich der gleichgewichtigen Meinungsvielfalt nicht gefordert wird, dass die einzelnen Meinungsrichtungen einen genau gleich großen Platz eingeräumt bekommen36, erscheint im Rahmen der Grundversorgung von daher ebenfalls Folgendes ausreichend: In einem Programm werden Information und Unterhaltung in etwa gleich große Anteile eingeräumt. Gleichzeitig finden die Bereiche Bildung und Kultur ebenfalls in angemessener Weise Berücksichtigung, so dass ihr Anteil bei einer Betrachtung der Sendezeitverteilung im Vergleich zu den beiden anderen Sparten nicht nur marginal erscheint, und sich für den durchschnittlichen Betrachter das jeweilige Rundfunkprogramm als relativ ausgewogen darstellt. Geht man davon aus, dass Bezugspunkt der Grundversorgungsleistung im Fall des binnenpluralistisch organisierten Programms das gesamte Programm eines Veranstalters37 und nicht die Gesamtheit aller veranstalteten Programme ist, so darf das Programm einer Rundfunkanstalt keinesfalls von einer Sparte vollständig dominiert sein. Anhand dieses zumindest in Teilen konkreteren inhaltsbezogenen Maßstabes ist die momentane Programmleistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf die Erfüllung des Grundversorgungsauftrages zu überprüfen. Als problematisch erweist sich dabei, dass sich die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Vierteilung der Programminhalte (Information, Bildung, Unterhaltung, Kultur) nicht vollständig in den herangezogenen Programmauswertungen widerspiegelt, in denen Bildungs- und Kultursendungen nicht als gesonderte Kategorien auftauchen, sondern vielfach mit anderen Untereinheiten zusammen unter die Oberkategorie Information, Unterhaltung oder Musik gefasst werden. Gleichwohl soll anhand der gegebenen Programmauswertungen versucht werden, festzustellen, inwiefern die öffentlich-rechtlichen Programme der Grundversorgung nachkommen. b) Momentane Programmleistung aa) Das Erste der ARD und ZDF Im Jahre 2003 wurden beim Ersten der ARD 43,1%, beim ZDF 48,4% der Sendedauer auf die Programmsparte der Information verwendet38. Dabei entfiel ungefähr die Hälfte des Informationsangebotes auf die Programm35 36 37 38
BVerfGE 12, 205, 263; 31, 314, 326; 57, 295, 325; 73, 118, 153. Vgl. hierzu BVerfGE 73, 118, 159 f., 168. Vgl. BVerfGE 83, 181, 203. Krüger, MP 2004, 194, 199.
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form des Magazins (21,1% ARD, 26,0% ZDF), Nachrichten schlugen mit 10,2% (ARD) bzw. 10,0% (ZDF) zu Buche und 8,5% (ARD) bzw. 9,0% (ZDF) der Sendezeitanteile verteilten sich auf die Informationsform Dokumentation, Bericht, Reportage. Der Unterhaltungsbereich nahm beim Ersten der ARD 36,8%, beim ZDF 34,9% der Gesamtsendezeit ein, wobei hierunter nicht anderen Kategorien unterfallende Unterhaltungsleistungen wie beispielsweise eigentlich für Kinder und Jugendliche gedachte Filme oder Serien gefasst wurden, sondern allein der überwiegend aus Talkrunden, Ratespielen, Shows und Magazinen bestehende nonfiktionale sowie der überwiegend aus Spiel- und Fernsehfilmen und Serien bestehende fiktionale Unterhaltungsbereich gezählt wurde. Der nach Information und Unterhaltung größte Bereich des Sports nahm 2003 bei der ARD 8,6%, beim ZDF 6,0% der Gesamtsendezeit ein, wobei im Wesentlichen die meiste Zeit (5,8% beim Ersten, 3,2% beim Zweiten) der Ereignisübertragung gewidmet wurde, 2,1% (ARD) bzw. 1,6% (ZDF) auf Dokumentation, Bericht, Reportagen und 0,6% (ARD) bzw. 1,0% (ZDF) auf die Programmform des (Sport-)Magazins verwendet wurden. Das beim Ersten der ARD 6,0% und beim ZDF 5,2% der Sendezeit einnehmende Kinder- und Jugendprogramm wurde zu 3,7% (ARD) bzw. 4,3% (ZDF) von Filmen- und Serien dominiert, aber auch Programmformen wie das Magazin fanden mit 2,2% (ARD) bzw. 0,5% (ZDF) Berücksichtigung. Der mit 2,0% beim Ersten der ARD und 1,7% beim ZDF kleinste Programmbereich der Musik kam jeweils allein durch Shows bzw. Darbietungen zum Ausdruck. bb) Dritte Programme Bei den Dritten Programmen lässt sich für das Jahr 2002 Folgendes feststellen: Dem Bereich Politik und Gesellschaft wurde im Durchschnitt von allen Programmen 39,3% der Sendezeit gewidmet, wobei das vom NDR und RB zusammen gestaltete Programm mit 51,3% den höchsten und der HR mit 27,7% den niedrigsten Wert aufwies39. Kultur und Wissenschaft waren mit insgesamt 11,8% Sendezeitanteil vertreten, den größten Anteil stellte mit 19,8% der damals noch bestehende SFB, den geringsten Anteil fand man mit 2,8% beim HR. Religiöse Sendungen machten einen Prozentsatz von 0,9% insgesamt aus; Musik wurde am wenigsten vom MDR mit 0,3%, am meisten vom WDR mit 4,2% und insgesamt mit 1,3% der Sendezeit bedacht. Bildung und Beratung kamen insgesamt auf einen Anteil von 5,8%, wobei der HR in seinem Programm mit 14,2% sehr viel Zeit auf diese Kategorie verwendet, der SFB hingegen mit 2,7% vergleichsweise wenig. Dem Sport wurde bei den Dritten Pro39
Zu diesen und den folgenden Zahlen vgl. ARD-Jahrbuch 2003, S. 340 f.
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grammen überwiegend zwischen 2% und 3% der Sendezeit gewidmet (Ausnahme war der BR mit 5,7%). Auf die Bereiche Fernsehspiel, Spielfilm, Unterhaltung und Familie wurden von allen Dritten Programmen im Durchschnitt 35,3% der Sendezeit verteilt, während der WDR auf diese Ressorts nur 20,6% Sendezeit verwandte, waren es beim Dritten Programm des MDR 50,3%. c) Bewertung Anders als bei den Privatsendern RTL, SAT.1 und ProSieben, bei denen Information und Unterhaltung (nonfiktionaler und fiktionaler Art) mit 22,0% zu 48,8% im Verhältnis eins zu zwei steht, lässt sich im Bereich von ARD und ZDF mit 45,8% Informationsanteil und 35,9% Unterhaltungsanteil ein ausgewogeneres Verhältnis dieser beiden wichtigen Bereiche feststellen. Dieses kann – bezieht man zusätzlich noch die unterhaltenden Anteile aus den gesondert aufgeführten Kategorien Sport und Kinder-/Jugendprogramm (allein bei letzter Kategorie bestehen noch einmal 3,9% (ARD) bzw. 4,4% (ZDF) aus Filmen, Serien und Show) mit ein – als nahezu gleichgewichtig, zumindest was die beiden Sparten Information und Unterhaltung angeht, bezeichnet werden40. Von daher ließe sich vertreten, dem Grundversorgungsauftrag sei inhaltlicher Hinsicht ausreichend Rechnung getragen. Fraglich ist jedoch, wie dies bei den vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls im Rahmen der Grundversorgung als wichtig erachteten Bereichen der Bildung und Kultur zu beurteilen ist. Ausgehend von dieser vorgefundenen Sendezeitaufteilung ergäbe sich unter Ausblendung der übrigen Programmkategorien für Bildung und Kultur ein Anteil von 10 bis 15%. Allerdings sind bereits große Teile dieser Sendezeit durch Sport und andere Programmformen wie Programmpräsentationen oder auch Werbung besetzt. Mithin bleibt – sucht man nach einer gesondert ausgewiesenen Bildungs- und Kultursparte – nur ein geringer Teil Sendezeit hierfür übrig. Betrachtet man die Auflistung der Sendeformen, so lässt sich dem Bereich Kultur beispielsweise die Programmkategorie Musik mit 2,0% im Ersten und 1,7% im Zweiten zuweisen. Nimmt man die mit nur bei der ARD mit 0,1% vertretene, unter fiktionale Unterhaltung fallende Bühnenaufführung hinzu, so ergeben sich Kulturwerte von zusammen 1,9%. Ein solcher Wert lässt sich zweifelsohne als marginal bezeichnen und erfüllt nicht den durch die Grundversorgung gestellten Anspruch in diesem Bereich. 40
Daten bei Krüger, MP 2004, 194, 199.
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Zu bedenken ist jedoch, dass sich die Grenzen zwischen Begriffen wie Bildung, Kultur, Unterhaltung und Information nicht trennscharf ziehen lassen41. Anzumerken gilt es in diesem Zusammenhang, dass eine exakte Abgrenzung dieser vier Programmbereiche, die die für eine juristische Bearbeitung notwendige Präzision aufweist, aufgrund der fließenden Strukturen nicht möglich erscheint. Die fehlende Trennschärfe wird anhand von Begriffsschöpfungen wie „edutainment“ und „infotainment“ deutlich. So werden in vielen Sendungen Bildung oder Information mit Unterhaltung in einer Programmform zusammengeführt. Je nach Einschätzung des Beurteilenden wird diese Sendung dann als Informations- oder Unterhaltungssendung ausgewiesen. Bildung muss nicht nur unbedingt in den klassischen Formen Telekolleg und Schulfernsehen medial präsentiert werden42, sondern kann sich ebenso gut in Dokumentationen vollziehen, die beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit 8,5% (ARD) bzw. 9,0% (ZDF) einen großen Anteil ausmachen. Informationssendungen können mithin zur (nicht nur politischen) Bildung beitragen und darüber hinaus auch kulturelle Werte vermitteln. Auch Unterhaltungssendungen können neben der reinen Unterhaltung gleichsam als Nebeneffekt nicht nur informieren, sondern zugleich auch bilden oder ebenfalls zur Pflege und Vermittlung deutschen und auch ausländischen Kulturgutes beitragen wie dies beispielsweise bei Übertragungen von Karnevalsveranstaltungen oder Volksmusiksendungen der Fall ist. Ebenfalls kann unterhaltende Comedy als Satire eine Kunstform darstellen und damit dem Bereich der Kultur unterfallen. Vielfach bietet sich eine Kombination rein bildender Inhalte mit unterhaltenden Elementen an, um die Aufnahme und Akzeptanz bei den Zuschauern zu verbessern. Betrachtet man beispielsweise die Themenstruktur der nichttagesaktuellen Informationsangebote in der Zeit von 17.00 bis 1.00 Uhr43, in der die stärkste Fernsehnutzung stattfindet, so zeigt sich, dass Bereiche wie Kultur/ Wissenschaft, Soziales/Gesundheit und Umwelt/Natur mit 32 Minuten von insgesamt 118 Minuten Sendezeit bei der ARD 27,1% und mit 26 Minuten von 122 Minuten Sendezeit beim ZDF 21,3% ausmachen und damit ein nicht unerheblicher Anteil des Informationsbereiches – zumindest was die nichttagesaktuellen Informationssendungen angeht – den Bereichen Kultur und Bildung im weiteren Sinne gewidmet ist. Berücksichtigt man, dass sowohl ARD als auch ZDF Partner des europäischen Kulturprogramms Arte wie des Satellitenvollprogramms mit kulturel41 Bleckmann/Pieper/Erberich, AfP 1997, 417, 422; Herrmann, Rundfunkrecht, § 10 Rn. 35. 42 Vgl. auch Weiß, MP 1992, 733, 736 f. 43 Hierzu Krüger, MP 2004, 194, 202.
318 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
lem Schwerpunkt 3sat sind44, und Bezugspunkt der Grundversorgungsleistung beim binnenpluralistisch organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Gesamtprogramm eines Veranstalters ist, ließe sich – ohne vorliegend weiter darauf einzugehen – daran denken, die bei diesen Sendern stark vertretenen Leistungen im kulturellen Bereich zumindest teilweise ARD und ZDF positiv anzurechnen. Vergleichbares gilt auch für den Kinderkanal wie auch Phoenix. Bei den Dritten Programmen werden die Bereiche Kultur und Bildung zusammen mit Wissenschaft bzw. Beratung ausgewiesen. Dort lassen sich angesichts hoher Sendezeitanteile (dem Bereich Kultur/Wissenschaft werden von fast allen Dritten Programme mehr als 9% der Sendezeit gewidmet, Ausnahmen sind der HR mit 2,8%, der allerdings bei Bildung und Beratung mit 14,2% einen Spitzenwert einnimmt, und der damalige ORB mit 6,7%; dem Bereich Bildung/Beratung werden im Schnitt 5,8% der Sendezeit zugedacht) keine derartigen Bedenken wie zuvor beim Ersten der ARD und dem ZDF vorbringen. Der Bereich der Information, überwiegend durch das Ressort Politik/Gesellschaft ausgewiesen, und der Bereich der Unterhaltung, zu dem neben Spielfilmen auch Fernsehspiele wie auch ein Großteil der Rubrik Familie zu zählen ist, nehmen zwar größeren Raum als Kultur/ Wissenschaft und Bildung/Beratung ein, sind jedoch gleichwohl bei keinem der Dritten Programme so groß, dass sie als dominierend eingeordnet werden können. Ohne auf jedes einzelne Dritte Fernsehprogramm im Detail einzugehen, kann vor dem Hintergrund der genannten Zahlen insgesamt davon ausgegangen werden, dass ein vielfältiges wie auch ausgewogenes inhaltliches Programmangebot besteht. d) Schlussfolgerung Insgesamt lässt sich somit, was die Grundversorgungsleistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeht, folgende Einschätzung treffen: In den Bereichen Unterhaltung und Information wird dem Grundversorgungsauftrag in inhaltlich-gegenständlicher Hinsicht ausreichend Rechnung getragen. Die ebenfalls von der Grundversorgung geforderten und als wichtig erachteten Inhalte der Bildung und Kultur sind in den hier untersuchten Vollprogrammen nicht in gleichem Maß wie die beiden anderen der Information und Unterhaltung vertreten. Dies wird jedoch auch von der Grundversorgung nicht gefordert. Zum einen kommt es zur Vermischung bildender und kultureller Inhalte mit dem Informations- aber auch Unterhaltungsbereich und zum anderen fehlt es an einer gesonderten Erfassung dieser Inhalte. Daraus kann aller44
Siehe unter 1. Teil D. V. 3. und VI. 5.
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dings nicht per se geschlossen werden, Bildung und Kultur seien im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gar nicht vertreten. Vielmehr stellt sich mit Blick auf die genannten Zahlen und die angestellten Überlegungen heraus, dass bildende und kulturelle Elemente im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keinen so geringen Anteil an der Gesamtsendezeit ausmachen, dass dieser im Vergleich als marginal bezeichnet werden kann und sich das jeweilige Programm als unausgewogen darstellt. Zwar sind Verbesserungen, auf die nachfolgend eingegangen wird, in diesem Bereich möglich und auch nötig – zu denken ist an die verschwindend geringe Zahl von 0,1% Bühnenaufführungen allein beim Ersten der ARD. Der Anteil bildender und kultureller Sendungen an der Gesamtsendezeit wird jedoch nicht als so niedrig eingestuft, als dass deswegen das inhaltsbezogene Element der Grundversorgung, der klassische Rundfunkauftrag, nicht mehr als erfüllt angesehen werden kann. Die öffentlich-rechtlichen Programme lavieren in diesem Bereich an der unteren Grenze, erfüllen den Grundversorgungsauftrag jedoch gleichwohl – wenn auch nur knapp. Angesichts der vielfältigen Inhalte allein aufgrund der Programmstrukturen45 wie auch der jeweiligen Themensetzung innerhalb der einzelnen Programmformen ist unter oben genannter Prämisse46 mangels ersichtlicher, anders lautender empirischer Nachweise davon auszugehen, dass auch im Hinblick auf die geforderte gleichgewichtige Meinungsvielfalt der Grundversorgung nachgekommen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt erweist sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Bestandteil des dualen Systems mithin im Hinblick auf die Grundversorgung nicht als funktionsuntauglich, so dass von daher47 für den Gesetzgeber keine aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende zwingende Pflicht zur Umgestaltung der Rundfunkordnung besteht. 4. Zukünftig fortbestehende Grundversorgungserbringung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – der Vorwurf der Konvergenz Mit Blick auf das gefundene Ergebnis, der öffentlich-rechtliche Rundfunk genüge zwar dem in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich vorgegebenen Rundfunkrahmen bezüglich der Erbrin45 So wird beispielsweise die Sparte der Information nicht nur von Magazinen dominiert (Gegenbeispiel ist der Informationsführer der privaten Veranstalter ProSieben, dessen Informationsanteil von 26,7% mit allein 20,5% durch Magazine geprägt ist), sondern enthält auch einen großen Anteil an Nachrichten und Dokumentationen (vgl. Krüger, MP 2004, 194, 199 sowie vorstehend unter b)). 46 Siehe unter 3. 47 Auf die mögliche Kollision mit der Determinante der Staatsfreiheit des verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmens wird später unter II. gesondert eingegangen.
320 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
gung der Grundversorgung, weise dabei jedoch gerade noch tolerierbare Defizite im Bildungs- und Kulturbereich auf, kommt dem häufig auftauchenden Vorwurf der inhaltlichen „Konvergenz“ eine besondere Bedeutung zu. a) Begrifflichkeit Der Begriff der Konvergenz bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch eine Annäherung, ein Zusammenlaufen48 und bezeichnet dabei zunächst einmal wertungsfrei ganz allgemein einen Prozess der Distanzverringerung und speziell einen Prozess der beiderseitigen Annäherung49. Gemeint ist damit nicht von vornherein eine einseitige Anpassung, d. h. vorliegend ein einseitiger Niveauverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern mit Konvergenz wird ein Prozess des „Sich-aufeinanderzu-Bewegens“ von öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Programmen mit dem Ergebnis einer zunehmenden Ähnlichkeit der Programme bezeichnet50. Gesetzt den Fall, die beiden Organisationen übernähmen von der jeweils anderen nur die wünschenswerten Bereiche, ließe sich Konvergenz auch als positiv begreifen51. Überwiegend wird der Begriff der inhaltlichen Konvergenz hingegen im negativen Sinne gebraucht und den Rundfunkanstalten vorgeworfen, sie würden sich mit ihren Programmstrukturen und ihrem Programmniveau immer mehr den privaten Veranstaltern annähern. Gesetzt den Fall, dieser Vorwurf träfe tatsächlich zu, stünde es angesichts der bereits beim momentanen Stand kritisch eingestuften Grundversorgungserbringung für die nahe Zukunft zu befürchten, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk besonders im Bereich der geforderten bildenden und kulturellen Programmbestandteile die untere Mindestgrenze unterschritte und mithin der Grundversorgung in inhaltlicher Hinsicht nicht mehr nachkäme. In diesem Fall bestünde aufgrund der dann drohenden Funktionsuntauglichkeit des bisherigen Rundfunksystems eine Pflicht des Gesetzgebers, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Rundfunkfreiheit auch weiterhin zumindest gleichwertig zu sichern. Angesichts dieser Über48
Vgl. Duden, S. 567. Marcinkowski, in: Gellner, Neue deutsche Rundfunkordnung, S. 57. 50 Vgl. Schatz, in: Jarren, Politische Kommunikation, S. 67. Zu den Anfängen der Konvergenzhypothese Marcinkowski, in: Gellner, Neue deutsche Rundfunkordnung, S. 51; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 68 ff. Nach Marcinkowski, S. 69, zeichnet sich auch im Bereich der Printmedien Konvergenz ab. Gerade bei den Tageszeitungen werde eine erstaunliche Einheitlichkeit bezüglich Struktur, Präsentation und Themen deutlich. Auch in der unübersehbaren Fülle von Special-Interest-Zeitschriften ließen sich vielfach Zeitschriften mit gleichem oder ähnlichem Inhalt finden. 51 Vgl. auch Kübler, in: Landesmedienanstalten, Sicherung der Meinungsvielfalt, S. 313 f. 49
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legung ist anhand des Ersten der ARD und des ZDF im Folgenden zu prüfen, inwieweit sich über die Jahre hinweg eine inhaltliche Konvergenz der öffentlich-rechtlichen Programme nach unten, d. h. in Abkehr der anzustrebenden Grundversorgung in Richtung privater Rundfunkveranstalter, feststellen lässt. b) Daten zur Entwicklung grober Programmstrukturen Während sich der Anteil der Informationsangebote von ARD und ZDF an der Gesamtsendedauer im Beobachtungszeitraum von 1985 bis 1996 zwischen 33% (1986) und 43% (1990) bewegte, schwankte er bei RTL und SAT.1 im selben Zeitraum zwischen 15% (1985 und 1996) und 25% (1988)52. Zu Beginn der Messungen 1985 betrug der Informationsanteil bei ARD und ZDF 36% und hatte damit gegenüber 15% bei RTL und SAT.1 einen Abstand von 21 Prozentpunkten. Dieser Abstand konnte sich bis 1996 noch vergrößern, da der Informationsanteil bei ARD und ZDF auf 41% stieg, bei RTL und SAT.1 hingegen konstant blieb. Insofern deutet diese Entwicklung eher auf Divergenz denn auf Konvergenz hin. Im Unterhaltungssektor einschließlich Sport schwankte der Anteil bei ARD und ZDF im Beobachtungszeitraum 1985 bis 1996 zwischen 51% (1990) und 59% (1985), bei RTL und SAT.1 zwischen 80% (1985) und 62% (1994). Der Abstand zwischen ARD/ZDF einerseits und RTL/SAT.1 andererseits im Unterhaltungsbereich betrug 1985 angesichts 80% Unterhaltungsanteil bei den Privaten und 59% Anteil bei den Öffentlich-rechtlichen 21 Prozentpunkte und verringerte sich bis 1996 auf 9 Prozentpunkte (ARD/ ZDF: 55% Unterhaltungsanteil, RTL/SAT.1: 64% Anteil an der Gesamtsendezeit). Im Bereich der Unterhaltung einschließlich Sport lässt sich mithin eine konvergente Entwicklung dergestalt feststellen, dass die privaten Veranstalter RTL und SAT.1 ihren zum Sendebeginn sehr hohen Anteil an Unterhaltungssendungen um fast ein Viertel verringerten. Auch in der nutzungsstarken Hauptsendezeit von 19.00 bis 23.00 Uhr blieb der Anteil an Informationen an der Sendedauer bei ARD und ZDF zwischen 1986 und 1996 abgesehen von minimalen Schwankungen konstant bei 41%, wohingegen der Informationsanteil bei RTL und SAT.1 von 23% (1986) auf 10% (1988) sank und dann bis 1996 auf 17% anstieg. Im Unterhaltungssektor näherten sich im selben Sendezeitraum die Anteile von RTL und SAT.1 (68% im Jahr 1986, 78% im Jahr 1988) denen von ARD und ZDF an und lagen 1996 bei 54% für RTL/SAT.1 gegenüber 53% bei ARD/ZDF. 52 Daten bei Krüger, in: Klingler/Roters/Zöllner, Fernsehforschung, Teilbd. 1, S. 165 ff. Ein Überblick über die Programmstrukturen im Zeitraum 1993 bis 2002 findet sich auch in Media Perspektiven, Basisdaten 2003, S. 23. 21 Lindschau
322 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Für das Jahr 2002 lässt sich nun nach einer weiteren Erhebung53 für ARD und ZDF bezogen auf die Gesamtsendezeit ein Informationsanteil von 42,5% ausmachen, der damit nahezu deckungsgleich mit dem für 1993 ermittelten Wert von 42% ist. RTL und SAT.1 weisen im Informationsbereich 2002 einen Anteil von 19% der Sendedauer im Vergleich zu 18% im Jahr 1993 auf. c) Befund Damit lassen sich zwar durchaus gewisse Annäherungstendenzen feststellen – die allerdings weniger aus einer Veränderung der öffentlich-rechtlichen Programmstrukturen zu den Privaten als vielmehr aus dem umgekehrten Fall resultieren, dennoch unterscheiden sich die Profile der Öffentlich-rechtlichen weiterhin wesentlich von den Privaten. So waren ARD und ZDF auch im Jahr 2003 führende Informationsanbieter mit einem Informationsanteil von 45,8% gegenüber 22,0% bei RTL, SAT.1 und ProSieben54. Der Anteil von fiktionaler und nonfiktionaler Unterhaltung machte bei ARD und ZDF insgesamt 35,9% aus, bei den Privaten hingegen lag er bei 48,8%. Auch die Kulturangebote im öffentlichrechtlichen Fernsehen nahmen nicht ab, sondern zu55. Wie schon in den vorherigen Jahren sind die öffentlich-rechtlichen Programme durch eine informationsorientierte Angebotsstruktur gekennzeichnet. Die privaten Programme räumen hingegen weiterhin der Unterhaltung den Vorrang ein, Information und Werbung machen dahinter etwa gleich große Anteile aus. Dies spiegelt sich auch in der Bewertung der Fernsehzuschauer wider: Die öffentlich-rechtlichen Programme sind in den Augen der Nutzer mit weitem Abstand sachlicher, glaubwürdiger, kompetenter, anspruchsvoller, informativer und aktueller, während die Privatsender ein stark emotionales Imageprofil aufweisen und mit Lockerheit, Modernität, Unterhaltsamkeit und Mut in Verbindung gebracht werden56. Nach wie vor decken die deutschen Fernsehzuschauer ihren Informationsbedarf zum größten Teil bei den öffentlich-rechtlichen Programmen, der Anteil der öffentlich-rechtlichen Sender am Informationskonsum der Bevölkerung lag im Jahr 2002 bei 70%57. 53
Vgl. hierzu Media Perspektiven, Basisdaten 2003, S. 23. Krüger, MP 2004, 194, 199. 55 Von 4636 Stunden im Jahr 1992 stieg das Kulturangebot beim Ersten der ARD, dem ZDF, den Dritten Programmen sowie 3sat auf 5319 Stunden im Jahr 1998, vgl. hierzu Dubrau/Oehmichen/Simon, MP 2000, 50. 56 Darschin/Zubayr, MP 2003, 206; Ergebnis der ARD/ZDF-Online-Studie, vgl. hierzu Ridder/Engel, MP 2001, 102, 113. 57 Buß/Darschin, MP 2004, 15, 25 f. 54
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Von einer Konvergenzentwicklung dergestalt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in naher Zukunft den Anforderungen der Grundversorgung besonders in inhaltlicher Hinsicht nicht mehr nachkommt, ist anhand der bisherigen Programmentwicklung somit nicht auszugehen58. Infolgedessen besteht auch in absehbarer Zeit keine Gefahr für die Grundversorgungserbringung durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Eine komplette Funktionsuntauglichkeit der Rundfunkordnung droht aus dieser Richtung nicht, und so ist der Gesetzgeber auch unter diesem Aspekt nicht direkt verpflichtet, Regelungen zum Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu ergreifen.
II. Im Hinblick auf die Staats- (und Partei-)Ferne Möglicherweise ergibt sich jedoch aus einem anderen Grund eine zwingende gesetzgeberische Pflicht zur Umgestaltung der bestehenden Rundfunkordnung und besonders des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. So steht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk angesichts des Anteils an Staats- und Parteienvertretern in den Rundfunkräten oder aufgrund einer weniger offensichtlicheren, mittelbaren Politisierung unter Umständen ein Verstoß gegen das vom Gesetzgeber zu beachtenden Gebot der Staats- und Gruppenferne zu befürchten. Im Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie wird allgemein zum Begriff der Massenmedien ausgeführt, diese stünden in den imperialistischen Staaten unter dem Einfluss der herrschenden bürgerlichen Parteien und würden unter dem Schein der Objektivität und der Vielfalt zur Vermittlung ihrer politischen Ziele genutzt59. Inwiefern sich diese Behauptung beim Medium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks trotz der Bemühungen um seine Neutralität sowohl in Bezug auf staatliche wie auch gruppenspezifische Beeinflussung bewahrheitet und sich daraus eine Pflicht des Gesetzgebers zur Umgestaltung gerade des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ergibt, ist im weiteren Verlauf genauer nachzugehen. 1. Interesse des Staates und der Parteien am Rundfunk Dabei gilt es zunächst zu bedenken, dass Rundfunkprogramme neben Kultur und Unterhaltung auch in nicht geringem Ausmaß politische Mei58 Angesichts dessen, dass das Einordnen von Sendungen in bestimmte Programmkategorien subjektive Bewertungen erfordert, ist es nicht verwunderlich, dass die einzelnen Untersuchungsbefunde variieren. Hinzu treten unterschiedliche Erhebungszeiträume der einzelnen Studien und andere Methoden (genauer zu den Abweichungen und Ursachen vgl. Krüger, in: Klingler/Roters/Zöllner, Fernsehforschung, Teilbd. 1, S. 169 ff.). 59 Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, S. 415. 21*
324 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
nungen beinhalten und ihnen infolge ihrer großen Verbreitung ein besonderer Einfluss auf die öffentliche Meinung zugeschrieben wird. Da die öffentliche Meinung wiederum in einem demokratischen Staat im Fall von Wahlen unmittelbar die Zusammensetzung der Legislative und mittelbar auch die der Exekutive bestimmt und damit festlegt, welchen Parteien wie viel Macht im Staat zukommen soll, ist es nachvollziehbar, weshalb Rundfunkprogramme „ein sehr attraktives Objekt der Begierde der politischen Parteien“60 sind. Wenngleich die politischen Parteien dem gesellschaftlichen Bereich und nicht der Sphäre des Staates zugeordnet werden61, so ist zu beachten, dass die Mitglieder des Parlaments und der Regierung regelmäßig politischen Parteien angehören, so dass der Einfluss durch den Staat und der durch politische Parteien letzten Endes gleichgestellt werden dürfte62. Staatsfreiheit bedeutet somit ausreichende Freiheit auch gegenüber dem Parteien-Staat63. Darüber hinaus unterfallen die Parteien auch dem Gebot der Gruppenferne. 2. Präsenz der Politik in den Rundfunkgremien aufgrund der Mitgliederbesetzung a) Die heutige Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates Betrachtet man beispielsweise die Zusammensetzung des Fernsehrates beim ZDF, bei dem die Regierungen der Länder, die des Bundes und die Parteien zusammen mit 31 der insgesamt 77 Mitglieder bereits mehr als zwei Fünftel der Mitglieder entsenden, den Ministerpräsidenten dann noch das Recht zugestanden wird, aus Dreiervorschlägen der aufgeführten Verbände und Organisationen 25 Mitglieder auszuwählen, und sie zudem 16 Mitglieder aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen auswählen können64, so wird deutlich, wie stark die Politisierung den Rundfunk durchzieht. 60 v. Münch, NJW 2000, 634, 635; zur politischen Attraktivität auch Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 17. 61 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 234. 62 Ebenfalls Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 773; Hoffmann-Riem, AfP 1991, 606, 608; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 234 f.; Jarass, Gutachten für den 56. DJT, G 18. In diesem Zusammenhang ist auch auf BVerfGE 90, 60, 89, zu verweisen, derzufolge die Neigung zur Instrumentalisierung des Rundfunks nicht nur bei der Regierung, sondern auch bei den im Parlament vertretenen Parteien bestehen kann; zustimmend Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 76. Vgl. auch BVerfGE 73, 118, 165. 63 Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 77. Auch nach Mahrenholz, ZUM 1995, Sonderheft, 508, 511, sind Parteinähe und Staatsnähe synonyme Begriffe. 64 § 21 Abs. 1, 3, 4 ZDF-StV.
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b) Anfänge der politischen Durchdringung unter den Alliierten Diese starke Präsenz der Politik hat sich nicht erst in letzter Zeit ergeben, sondern nahm ihren Anfang bereits im Rundfunk der Nachkriegszeit65. Dort waren die Besatzungsmächte nach der vollständigen Vereinnahmung des Rundfunks für die nationalsozialistischen Ziele bei der Neuorganisation des Rundfunks zwar bemüht, die Rundfunkanstalten soweit wie möglich von einer staatlichen und gesellschaftlichen Beeinflussung freizuhalten, angesichts diesbezüglicher zahlreicher Bestrebungen ließ sich dies jedoch nicht vermeiden66. Schon unter alliierter Besatzung kam es besonders in der britischen Zone zu einer verstärkten Politisierung des Rundfunks: neun von sechzehn Sitzen im wichtigsten Kontrollgremium, dem Hauptausschuss des NWDR, waren mit Staats- und Parteivertretern besetzt67. Letztendlich blieb es dann nur bei dem Bemühen, wenigstens eine Mehrheitsbeherrschung durch die Regierung oder eine andere Interessengruppe auszuschließen68. Es zeichnete sich ab, dass selbst diese Bemühungen ab dem Moment, ab dem der Rundfunk wieder in der Hand deutscher Politiker lag, zunichte gemacht werden würden. c) Fortsetzung der Politisierung bei den später gegründeten Anstalten Die politische Durchdringung des neu geordneten Rundfunks verstärkte sich bei der Auflösung des NWDR und Gründung von WDR und NDR weiter. Bei diesen später entstehenden Anstalten setzte sich immer mehr der Gedanke durch, angesichts des Monopols und der besonderen Aufgabe des Rundfunks sei eine staatliche Kontrolle notwendig, die von der legitimierten Volksvertretung, dem jeweiligen Parlament auszuüben sei (parlamentarisches Modell)69. Aufgrund dessen kam es bei den Länderanstalten 65 Nach Bausch, Rundfunk im politischen Kräftespiel, S. 117, blieb schon während der Weimarer Republik der 1923 in Berlin eröffnete „Unterhaltungsrundfunk“ trotz der angestrebten Unabhängigkeit (vgl. das Zitat von Bredow unter 1. Teil B. I. 1.) keine vierzehn Tage ohne politischen Akzent. 66 Zu der noch während der Besatzungszeit beginnenden Einflussnahme der Parteien vgl. Reichardt, Grundzüge der Rundfunkpolitik, S. 46 ff. 67 Zu dieser Entwicklung Kutsch, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 75 ff.; Diller, in: Wilke, Mediengeschichte der BRD, S. 146. 68 Vgl. hierzu das Weisungsschreiben des Direktors des Büros der amerikanischen Militärregierung für Hessen an den hessischen Ministerpräsidenten vom 03.12.1947, abgedruckt in: Berg, Publizistik 1973, 310, 311 f. 69 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 161; hierzu auch Jank, DVBl 1963, 44, 45; Kewenig, Inhalt und Grenzen, S. 30 ff., 34 ff.
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WDR und NDR zur Entsendung von Vertretern in den Rundfunkrat, die von den jeweiligen Landesparlamenten nach dem Grundsatz der Verhältniswahl bestimmt wurden. Wenn auch die Zahl der Abgeordneten im Rundfunkrat begrenzt war, spiegelten sich in den beiden Rundfunkräten letztlich die parteipolitischen Verhältnisse der Landesparlamente wieder70. Diese Anstalten waren infolgedessen partei- und staatsorientierter als ursprünglich vorgesehen. Ähnliches setzte sich später bei der Gründung der Bundesrundfunkanstalten DLF und DW71 sowie beim ZDF72 fort. Ein weiterer Versuch, den Einfluss des Parlaments und der Parteien auf den Rundfunk zu verstärken, erfolgte 1971 durch einen Gesetzentwurf in Bayern73, blieb jedoch infolge der verstärkten Kritik der Öffentlichkeit vergeblich. 3. Zusätzliche mittelbare Politisierung Abgesehen von der staatlich-politischen Einflussmöglichkeit aufgrund der zugebilligten Anzahl der Rundfunkratsplätze, der sich durch Veränderungen der Platzverteilung im Rat entgegentreten ließe, ist eine entsprechende Beeinflussung des Rundfunks auf anderem, weniger offensichtlichen Weg möglich und wird auch praktiziert. a) Die „Freundeskreise“ So kommt es beispielsweise zur Bildung so genannter – gerade beim ZDF bekannt gewordener – „Freundeskreise“. Darunter sind jeweils Versammlungen von Parteimitgliedern bzw. diesen Parteien nahestehenden Personen74 zu verstehen, die sich vor den Ratssitzungen treffen, um eine einheitliche politische Linie vorzubereiten75. Derartige Zusammenkommen sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Ratsarbeit geworden. Bei einer entsprechenden Untersuchung Ende der achtziger Jahre gaben 60% der Mitglieder des ZDF-Fernsehrates an, dass sie als Vertreter der Gruppe, die sie repräsentierten, automatisch einem bestimmten Freundeskreis zuge70 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 2. Teil, S. 779; Herrmann, Rundfunkrecht, § 11 Rn. 16. 71 Siehe auch bereits unter 1. Teil D. III. 1. 72 Vgl. zu der anfänglichen ähnlichen Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 477 ff. 73 Siehe bereits unter 1. Teil B. V. 2. a) bb). 74 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 2. Teil, S. 781; Bullinger, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 142 Rn. 92. 75 Vgl. anschaulich zur Umsetzung in der Praxis Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 490; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 234; Wiechers, Markt und Macht, S. 173.
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ordnet worden seien76. Lediglich 23% der befragten Gremienmitglieder von ARD und ZDF äußerten, sie seien weder selbst Mitglied noch gebeten worden, Mitglied eines Freundeskreises zu werden77. Eine neuere Befragung aus dem Jahr 1998 kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass nach wie vor gut zwei Drittel der Rundfunkräte fraktionsähnlichen Freundeskreisen innerhalb der Gremien angehören78. b) Parteipolitische Prägung der anderen Repräsentanten Abgesehen von diesen „Freundeskreisen“ sind jedoch auch die Repräsentanten der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen häufig parteipolitisch festgelegt. Von daher ist nicht auszuschließen, dass ihre Entscheidungen auch außerhalb vorher abgestimmter Verhaltensweisen parteipolitische Präferenzen beinhalten oder sich zumindest an diesen orientieren und nicht allein den Interessen der Allgemeinheit zugute kommen79. Dadurch besitzen die Parteien oft einen Einfluss in den Rundfunkgremien, der erheblich über die in den Rundfunkgesetzen oder Staatsverträgen festgelegte Anzahl ihrer Vertreter hinausgeht. c) Weitere Politisierungstendenzen Politisierungstendenzen zeichnen sich ebenfalls außerhalb des Rundfunkrats ab. So wurde bereits in den sechziger Jahren kritisiert, Fernsehjournalisten könnten ohne Anbindung an eine der großen Parteien nicht einmal mehr Abteilungsleiter oder Chef eines Außenstudios werden80. Auch der Intendant pflegt der politischen Mehrheit anzugehören oder ihr doch zumindest nahe zustehen81. Der ehemalige Vizepräsident des BVerfG, Mahrenholz, der Gremienmitglied der beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und in einer ARD-Anstalt „member of board“ war, räumte selbst ein, er hätte dazu keine Chance gehabt, wenn er nicht für eine bestimmte 76
Kepplinger/Hartmann, Stachel oder Feigenblatt?, S. 58. Kepplinger/Hartmann, Stachel oder Feigenblatt?, S. 62. 78 Brosius/Rössler/Schulte zur Hausen, Publizistik 2000, 417, 429. 79 Hierzu auch Stein, Fernsehen und Hörfunk in der DDR, S. 31; Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 76. Ronneberger, in: Bausch, Organisation des Fernsehens, S. 22, spricht von einer Osmose des Klimas in den Gremien und dem Klima im parteipolitischen Raum außerhalb der Anstalten. Vgl. auch Wiechers, Markt und Macht, S. 171 ff. 80 So Karl Hermann Flach im Jahre 1967, zit. nach Müller-Doom, Medienindustrie und Demokratie, S. 233 f. 81 Nach Meldung des Focus Nr. 30/2004, S. 143: „Union kann ZDF-Indentanten bestimmen“, besitzen CDU und CSU im neu konstituierten ZDF-Fernsehrat eine Dreifünftel-Mehrheit und könnten damit 2006/2007 den Intendanten bestimmen. 77
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Partei vertrauenswürdig gewesen wäre82. Dabei sei er darin noch nicht einmal ein interessanter Fall, sondern vielmehr Typus gewesen. Faktisch gesehen sei es „normal“, dass, wenn die Besetzung eines Programmdirektorpostens anstehe, in den Zeitungen schon Monate vorher spekuliert werde, wer wohl die größere Nähe zu den im betreffenden Bundesland herrschenden Kräften habe. Die Einflussnahme der Parteien auf den Rundfunk – insbesondere auf wichtige Personalentscheidungen – ist damit unbestreitbar83. 4. Betrachtung der Politisierungsebenen Somit vollzieht sich die Politisierung des Rundfunks auf mehreren Ebenen. Die Vorstellung eines staats- und damit parteifernen Rundfunks scheint mehr Utopie denn Realität zu sein. Das Bundesverfassungsgericht fordert zwar die Begrenzung auf einen „angemessenen Anteil“ staatlicher Vertreter84, dem viele rundfunkrechtliche Regelungen nachkamen und dementsprechend die Vertreter der so genannten gesellschaftlich relevanten Gruppen in die Überzahl hoben85. Das eigentliche Problem dürfte allerdings viel eher darin zu sehen sein, dass es statt eines offensichtlichen staatlichen oder parteilichen Einflusses dann über die Parteicouleur der einzelnen Gremienmitglieder, mögen sie auch ansonsten als Gewerkschaftsmitglieder oder Vertreter kultureller Belange im Rat sitzen, zu einem mittelbaren, schwer fassbaren Einfluss kommt86. Der Rundfunk samt seiner Mitarbeiter kann mithin nicht einseitig als unschuldiges, von der Parteienpolitik von außen infiltriertes Opfer angesehen werden. Stattdessen sind vielfach Organe und Personen in den Rundfunkanstalten selbst für so genannte „Kompromisse“ mitverantwortlich, die in Anpassung an bestehende parteipolitische Konstellationen geschlossen wurden. 82
Mahrenholz, ZUM 1995, Sonderheft, 508, 511. Deussen, forum medienethik 1/1996, 28, 29, spricht in diesem Zusammenhang von „ungenierter Einflußnahme, vor allem der Parteien“. Kritik an der zunehmenden Beeinflussung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Politik findet sich bereits Anfang der achtziger Jahre auch bei Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 90 ff.; vgl. hierzu auch Linck, NJW 1984, 2433, 2436; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 92 m. w. N. 84 BVerfGE 12, 205, 263; 73, 118, 165. 85 Siehe z. B. Art. 6 Abs. 3 BR-G; § 5 Abs. 2 HR-G; § 14 Abs. 1 RBB-StV; § 17 Abs. 1 NDR-StV. 86 In diesem Sinne auch Kewenig, Inhalt und Grenzen, S. 38, der ausführt, auch außerhalb der Parlamente gäbe es sowohl prominente als auch „zuverlässige“ Parteivertreter in ausreichender Zahl. 83
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5. Rückblick und Ausblick der Einflussnahme Die gesamte Politik einschließlich Personen- und Themenwahl benötigt in zunehmendem Maße eine massenmediale Aufbereitung. Ständig werden Meinungsumfragen durchgeführt, um das politische Meinungsbild festzustellen und dementsprechend die mediale Kampagne auszurichten. Eine Wahl in hohe politische Ämter ohne vorherige verstärkte Präsenz in den Massenmedien und besonders im Fernsehen, dem als primäre Nachrichtenquelle für die Mehrheit der Bevölkerung87 die höchste Glaubwürdigkeit zukommt88, ist in den meisten Staaten unmöglich89. Dementsprechend groß ist das Interesse an einer angemessenen Repräsentanz im Rundfunk, die auf verschiedenen Wegen sicherzustellen versucht wird. Trotz anfänglicher Konzeption eines staats- und damit auch parteifernen Rundfunks durch die Alliierten ist es den Parteien und auch dem Staat im Laufe der Jahre durch eine geschickte Personalpolitik gelungen, dennoch Einfluss auf den öffentlichen Rundfunk zu gewinnen. Von der Denaturierung des Idealbildes eines in jeder Hinsicht unabhängigen Rundfunks zu einem mehr und mehr staats- und parteigeprägten Rundfunk hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher kaum Notiz genommen90, sondern hält nach wie vor an der binnenpluralen Struktur für den öffentlichrechtlichen Rundfunk fest91. Inwiefern innerhalb der bestehenden Strukturen diesbezüglich Abhilfe geschaffen werden kann, bleibt fraglich. Ein kompletter Ausschluss der Parteienvertreter92 wäre mit ihrer gesellschaftlichen Bedeutung, die auch in Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG verankert ist, unvereinbar. Zwar wäre es möglich, die in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen den Partei- und staatlichen 87 Castells, The Information Age, Volume II, S. 313, eine Studie (Roper Organization Surveys for the Television Information Service) von 1992 aus den USA zu der Frage, woher die Menschen dort ihre Nachrichten beziehen, zitierend. Zu dem gleichen Urteil kommen für Deutschland auch Pfetsch/Schmitt-Beck/Hofrichter, in: Jarren: Medienwandel – Gesellschaftswandel, S. 302. 88 Roper Organization Surveys for the Television Information Service, America’s Wachtching: Public Attitudes toward Television, New York 1991, Credibility of news source in US, 1959–1991, zit. nach Castells, The Information Age, Volume II, S. 315. 89 Castells, The Information Age, Volume II, S. 317. 90 Vgl. auch Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 GG Rn. 651. 91 Kritische Untertöne werden lediglich in BVerfGE 74, 118, 170, 171 („Die binnenpluralistische Organisation, wie sie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kennzeichnet, ist daher ungeachtet der Schwächen, die auch ihr anhaften, in höherem Maße geeignet . . .“) laut. 92 Für eine Reform der Zusammensetzung der Rundfunkgremien und gegen jeglichen Parteieneinfluss Sänger, in: M. W. Thomas, Ein anderer Rundfunk, S. 110 ff.
330 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Vertretern eingeräumte Anzahl der Sitze zu reduzieren, den benannten mittelbaren Einflüssen ließe sich auf diesem Weg jedoch nicht begegnen. Letztendlich ist es realitätsfremd zu glauben, mit der entsprechenden Organisation könne man den staatlichen wie auch den parteilichen Einfluss völlig ausschließen. Wird in dieser Hinsicht in privatem Rundfunk ein Vorteil gesehen und dort eine geringere staatlich-politische Beeinflussbarkeit angenommen, so ist nicht ersichtlich, weshalb allein die privatwirtschaftliche Ausrichtung eine derartige Einflussnahme von vornherein ausschließen oder gering halten soll. Das Ziel möglichst großer Gewinne kann mit dem großen Einflusses Hand in Hand gehen. Nur weil im Zusammenhang mit privatem Rundfunk nicht in gleichem Maße wie bei den Rundfunkanstalten der Vorwurf der Beeinflussbarkeit laut wird, heißt dies nicht, dass dort keine entsprechenden Tendenzen zu verzeichnen sind. Vielmehr ist Hoffmann-Riem darin zuzustimmen, dass mangels geringerer Transparenz der Entscheidungsprozesse in privatwirtschaftlichen Organisationen entsprechende Mängel nicht in gleicher Weise öffentlich registriert und angeprangert werden93. Zudem stehen gerade in an rein wirtschaftlichen Interessen orientierten Programmen auch Einflussnahmen anderer Art zu befürchten. Ihnen können indoktrinierende Absichten zugrunde liegen, die zwar weniger politisch ausgerichtet sind, dafür aber darauf abzielen, im Zuschauer bestimmte Konsuminteressen wachzurufen und ihn auf bestimmte Werte und Gesellschaftsbilder festzulegen. 6. Folgerung Der staatlich-parteiliche Einfluss stellt sich mithin als durchaus stark dar, wird jedoch heutzutage als nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahrzehnten empfunden94. Ob dies daran liegt, dass der Parteieneinfluss tatsächlich abgenommen hat, oder ob die „Schere im Kopf“ mittlerweile schon so selbstverständlich funktioniert, dass parteilich motivierte diesbezügliche Intervention nur noch vereinzelt aufzutreten braucht, muss vorliegend mangels empirischer Daten dahingestellt bleiben95. In jedem Fall ist – wenn sich auch ein Einfluss des Staates und der Parteien auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht leugnen lässt – die 93
Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 220. Vgl. z. B. die Aussagen zweier Gremienvertreter bei einer Podiumsdiskussion des Kölner Initiativkreises öffentlicher Rundfunk, in: Kops, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in gesellschaftlicher Verantwortung, S. 122 f.; vgl. auch Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 134. 95 Ebenso Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 125, der ausführt, inwiefern die politische Überlagerung der Entscheidungsfindung noch immer gegeben sei, lasse sich schwer abschätzen. 94
A. Ausfüllung des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmens
331
Schlussfolgerung, Staat und Parteien beherrschten die Rundfunkanstalten und würden sie vollumfänglich für ihre Ziele nutzen, zu weitgehend. Zwar sind die einzelnen Rundfunkanstalten von staatlichen und besonders Parteienvertretern durchdrungen. Um ausgehend hiervon automatisch auf einen weitgehenden staatlich-parteilichen Zugriff im Sinne einer Beeinflussung zu schließen, die mit dem Gebot der Staats- und Gruppenferne kollidiert, mangelt es vorliegend an Anhaltspunkten. Von daher lässt sich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner momentanen Ausprägung kein Verstoß gegen das von Verfassungs wegen zu beachtende Gebot der Staatsferne feststellen. Auch unter diesem Aspekt trifft den Gesetzgeber mithin keine direkte Pflicht zur Umgestaltung der bestehenden Rundfunkordnung.
III. Zwischenergebnis Es hat sich gezeigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sowohl was die Grundversorgung angeht als auch im Hinblick auf den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Rundfunkfreiheit, wenn auch nicht im bestmöglichen, so aber – trotz dargelegter vergleichsweise schwacher Leistung in Teilbereichen – im ausreichenden Maße gerecht wird. Auch in der nächsten Zeit sind unter Zugrundelegung der dargelegten Konstanten ohne tiefgreifende Umwälzungen keine diesbezüglichen Veränderungen erwartbar. Damit kann die Feststellung getroffen werden, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk den von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten Rahmen ausfüllt und mithin funktionstüchtig ist. Die duale Rundfunkordnung mit einem den an ihn gestellten Erwartungen nachkommenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk erweist sich somit als nicht so funktionsinadäquat, als dass für den Gesetzgeber, dem ein umfassender Gestaltungsspielraum zuzugestehen ist96, eine zwingende Pflicht zum Ergreifen von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherung der Rundfunkfreiheit besteht. Eine entsprechende Pflicht zur Nachbesserung97 und zur Umgestaltung der Rundfunkordnung träfe den Gesetzgeber erst dann, wenn sich das momentane duale System mit den grundversorgenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als funktionsuntauglich98 und sich die gesetzgeberische Einschätzung der Strukturen im Rundfunkbereich als offensichtlich fehlsam99 erwiese. Dies ist jedoch zurzeit nicht der Fall. 96
Hierzu bereits unter 2. Teil A. II. 1. Zur Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers BVerfGE 73, 118, 203; BVerwGE 75, 318, 322. Vgl. auch BVerfG AfP 1999, 61, 62 f. 98 Vgl. auch Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 181. 97
332 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
In Anbetracht der gleichwohl bestehenden Defizite gerade im Bereich der für die freie Meinungsbildung und damit auch für die Demokratie wichtigen Grundversorgungserbringung ist jedoch die Überlegung aufzuwerfen, inwiefern dem Gesetzgeber dennoch nahe zu legen ist, Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherung der Rundfunkfreiheit als dienender Freiheit zu treffen. Dieser Überlegung soll im Folgenden auch unter Berücksichtung zusätzlich einfließender Gesichtspunkte nachgegangen werden.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Im weiteren Verlauf gilt es zu klären, aus welchen Gründen es überhaupt insgesamt angezeigt ist, verändernde Maßnahmen im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu treffen, auf welches Ziel diese Maßnahmen hinauslaufen sollten und wie sie konkret ausgestaltet werden sollten. In Anbetracht des rundfunkrechtlich sensiblen Bereichs – zu nennen seien hier lediglich die Stichworte Programmautonomie und Staatsfreiheit – erfolgt dabei eine Diskussion der jeweiligen Verbesserungen gegenüber dem status quo und der Risiken im Hinblick auf eine eventuelle Verfassungswidrigkeit.
I. Ausschlaggebende Gründe zur Konkretisierung des Grundversorgungsauftrages Betrachtet man die Frage, inwiefern beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Hinblick auf eine Verbesserung der Sicherung der Rundfunkfreiheit zukünftig Veränderungen vorgenommen werden sollten von mehreren Seiten, so offenbart sich ein Bündel an Gründen. 1. Bessere Ermöglichung der Aufgabenerfüllung im Hinblick auf die Grundversorgung Wenngleich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in inhaltlicher Hinsicht dem auf Vielfalt setzenden Grundversorgungsauftrag ausreichend nachkommt, so hat sich dennoch gerade im Bereich des Bildungs- und Kulturangebotes Verbesserungsbedarf gezeigt. 99 Zu diesem Kriterium BVerwG NJW 1999, 2454, 2456; vgl. auch BayVerfGH AfP 1987, 394, 297.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
333
Nun ließe sich argumentieren, allein deshalb bedürfe es noch keiner rechtlichen Maßnahmen, schließlich müsse der Intendant nur anordnen, mehr Sendungen dieses Inhalts zu produzieren oder aber zu erwerben und dann auszustrahlen. Als problematisch an einer derartigen Sichtweise erweisen sich jedoch die folgenden miteinander verwobenen Gegebenheiten. a) Überwiegend vage Aufgabenbestimmung in den Rundfunkgesetzen und -staatsverträgen Betrachtet man die momentan bestehenden Landesrundfunkgesetze und entsprechenden Staatsverträge, so lässt sich dort zwar regelmäßig eine allgemeine Aufgabenbestimmung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in dem Sinne finden, die Rundfunkanstalt sei zur Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunksendungen auf ihrem Gebiet verpflichtet100. Teilweise lassen sich darüber hinaus noch Festsetzungen der Rundfunkart (ob Hörfunk oder Fernsehen)101, der Programmart (ob Vollprogramm oder Spartenprogramm)102, der Programmzahl für bestimmte Programmarten103 oder aber des Programmschwerpunktes104 finden. Über diese Regelungen hinaus lässt sich jedoch keine genauere Bestimmung des – zumindest zum jetzigen und absehbar zukünftigen Zeitpunkt von den Rundfunkanstalten erfüllbaren – Grundversorgungsauftrages finden. Dies wurde bereits bei dem angestellten Vergleich zwischen den Anforderungen eines Grundstandards an private und den Anforderungen der Grundversorgung an öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter deutlich105. Den Rundfunkanstalten wird lediglich aufgegeben, in ihren Sendungen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische, bundesweite sowie länder- und regionenbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben106. Sie haben mit dem Programm der Information und Bildung sowie Beratung und Unterhaltung zu dienen und dem kulturellen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besonders zu entsprechen107 sowie dafür zu sorgen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der weltanschaulichen, politi100 Vgl. Art. 2 BR-G; § 3 Abs. 1 RBB-StV; § 2 Abs. 1 S. 1 RB-G; § 3 Abs. 1 WDR-G. 101 § 2 Abs. 1 S. 1 DLR-StV; § 2 Abs. 1 ZDF-StV. 102 § 19 Abs. 2 RStV; § 1 S. 1 ARD-StV; § 2 Abs. 1 ZDF-StV. 103 § 19 Abs. 1, 2, 4 i. V. m. Abs. 5, § 19 Abs. 6 RStV; § 2 Abs. 1 S. 1 DLRStV; § 3 Abs. 1, 2 i. V. m. Abs. 3 MDR-StV; § 3 Abs. 1 NDR-StV; § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 SWR-StV; § 1 S. 1 ARD-StV; § 2 Abs. 1 ZDF-StV. 104 § 19 Abs. 1 RStV; § 2 Abs. 1 S. 2 DLR-StV; § 3 Abs. 1 SWR-StV. 105 Siehe unter 2. Teil A. II. 2. d) ff) (2) (d) (ff) und (hh). 106 So z. B. § 6 Abs. 1 S. 1 MDR-StV; § 5 Abs. 1 S. 1 NDR-StV; § 3 Abs. 5 S. 1 SWR-StV. 107 Vgl. beispielsweise § 3 Abs. 5 S. 2 SWR-StV; § 4 Abs. 1 S. 3 RBB-StV.
334 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
schen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen im Gesamtprogramm in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet108. Zudem werden fragmentartig Aussagen des Bundesverfassungsgerichts wiederholt109. b) Der neu eingefügte § 11 RStV Die im Zuge des Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vorgenommene Einfügung eines neuen § 11, der den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bundesweit einheitlich konkretisieren soll, trägt ebenfalls nicht dazu bei, die in den Landesrundfunkgesetzen befindlichen Vorgaben näher einzugrenzen. So werden Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts zur Medium- und Faktorfunktion des Rundfunks für die Meinungsbildung wiederholt (Abs. 1 S. 1). Wie bereits in den Landesgesetzen wird darauf rekurriert, dass vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein umfassender Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben ist (Abs. 2 S. 1). Ohne quantitative Vorgaben wird den Rundfunkanstalten erneut die programmliche Abdeckung der Bereiche Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur vorgeschrieben (Abs. 2 S. 3, 4), wobei gegenüber der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dabei explizit der Programmbereich der Beratung als Bestandteil der Information110, der auch in anderen Landesrundfunkgesetzen aufgezählt wird111, Erwähnung findet. Daneben wird abstrakt die Art und Weise der Aufgabenerfüllung geregelt, indem unter anderem auf die Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Angebote und Programme verwiesen wird (Abs. 3). c) Befund und Folgerung Über generelle Zielvorgaben hinausgehende gesetzliche Vorgaben112, wie die vom Bundesverfassungsgericht zunächst ihnen zugedachte Grundversor108
§ 5 Abs. 4 Nr. 1 WDR-G. § 2 Abs. 1 S. 2 RB-G: Sendungen dienen als Medium und Faktor der freien Meinungsbildung; ähnlich § 4 Abs. 1 S. 1 WDR-G; § 3 Abs. 5 S. 3 SWR-StV: Programme dienen der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung; ähnlich auch § 6 Abs. 1 S. 3 MDR-StV; § 23 Abs. 1 SMG. 110 Amtliche Begründung zum Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, abgedruckt bei Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, A 2.5. 111 Vgl. unter 2. Teil A. II. 2. d) cc) (2). 112 Auf das mit § 11 Abs. 4 RStV neu eingefügte Modell der Selbstverpflichtung der Rundfunkanstalten und eine daraus resultierende mögliche Konkretisierung der Grundversorgung wird im Folgenden unter II. 2. e) cc) im Zusammenhang mit möglichen Lösungsansätzen genauer eingegangen. 109
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
335
gung zu erfüllen sei, bestehen insgesamt folglich nicht. Erkannte Fehlentwicklungen können daher nicht einfach mit Hinweis auf den Auftrag unterbunden werden113. Für die Rundfunkanstalten besteht angesichts ihrer partiellen Werbefinanzierung, die an die Höhe der Einschaltquoten gekoppelt ist, aber auch besonders vor dem Hintergrund ihrer Akzeptanzbedürftigkeit in der Gesellschaft ein real nicht zu unterschätzender Anreiz, ein Programm auszustrahlen, das mit hohen Einschaltquoten zu rechnen hat. Diese lassen sich regelmäßig mit massenattraktiven Sendungen wie Spielfilmen und Shows erzielen. Besteht kein nachprüfbarer Maßstab für die Erfüllung der geforderten Grundversorgung, der den programmverantwortlichen Intendanten als zumindest grobe Vorlage an die Hand gegeben wird, so erscheint es durchaus als möglich, dass mangels genauerer Bestimmungen dem Quotenanreiz nachgegeben wird und sich im Nachhinein nicht genauer nachprüfbar zur Beruhigung darauf berufen werden kann, es würden ja auch Sendungen aus dem Bildungs- und Kulturbereich ausgestrahlt und insgesamt werde ein der Grundversorgung entsprechendes Programm angeboten. Zudem besteht bei den Rundfunkanstalten wie bei jeder Institution ein „Selbstbehauptungsund Ausweitungsinteresse“, das sich – erst recht unter den Bedingungen des Wettbewerbs mit privaten Veranstaltern – gegenüber der ihnen auferlegten Funktion verselbständigen kann114. Vor dem Hintergrund dieser Bedingungen erscheint es unwahrscheinlich, dass gesicherte Verbesserungen im programmlichen Bereich allein durch dementsprechend getroffene Anordnungen des Intendanten erwirkt werden. Dass Verbesserungen notwendig sind, zeigt sich unter dem Gesichtspunkt, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die besondere Aufgabe der Grundversorgung, die im Kontext ihrer Bedeutung für eine umfassenden Meinungsbildung der Bevölkerung gesehen werden muss, gegenwärtig und für die nächste Zeit zugesprochen wird, weil bei privaten Rundfunkveranstaltern strukturell-ökonomische Hindernisse bestehen115. Auch wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk daher nicht auf die Erringung ausreichender Werbeeinnahmen oder Entgelte zur Finanzierung dieses Grundversorgungsprogramms verwiesen. Stattdessen sind ihm die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel garantiert116, über die er als Ausdruck seiner Haushaltsautonomie relativ frei verfügen kann117. 113
Vgl. auch Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 1 Rn. 239. BVerfGE 87, 181, 202. 115 Siehe unter 2. Teil A. II. 2. d) ee) (4) (b) bis (d) und B. III. 1. b) bb) und cc). 116 Zur Finanzgarantie vgl. BVerfGE 74, 297, 342; 87, 181, 198 ff., 90, 60, 91. 117 Hierzu Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 Vor § 11 Rn. 20; vgl. auch BVerfGE 87, 181, 203. 114
336 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Dieses Vorschusses muss er sich auch als würdig erweisen und die gestellten Anforderungen nicht nur am unteren Rand erfüllen, sondern ihnen soweit wie nur möglich nachkommen. Dies wird ihm umso leichter fallen, je genauer seine zu erfüllenden Zielvorgaben sind, da ihm dann klare Maßstäbe zur Gebotserfüllung zur Verfügung stehen. Bereits aus diesem Grund erscheint eine – wie auch immer genau ausgestaltete – Maßnahme, die die den Rundfunkanstalten zugedachte Grundversorgung näher konkretisiert, erforderlich. 2. Größere Transparenz zur Beibehaltung der Akzeptanz Darüber hinaus könnte ein präziserer Grundversorgungsauftrag, dessen Erfüllung sich infolgedessen leichter nachprüfen ließe, zu mehr Transparenz nach außen bei den besonderen Leistungen und dem besonderen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen. Diese Transparenz würde auch einen Beitrag zu einer anhaltenden oder sogar noch steigerbaren Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gesellschaft leisten. Denn für den Fall, dass Inhalt und Umfang der ominösen Grundversorgung klar benennbar sind, kann letztlich in der Öffentlichkeit konkret und verbindlich festgestellt werden, inwieweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Aufgabe wirksam nachkommt. Zudem ließe sich der Bevölkerung präzise offen legen, für welche besonderen Leistungen die gezahlten Gebühren überhaupt verwendet werden. Auch könnte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk dann gegen immer wieder auftretende Angriffe und Vorwürfe wirksamer verteidigen118. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz ist die fortdauernde Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt fraglich. Die Autorität richterlicher Rechtsfortbildung vermag nicht auf Dauer Schwächen und Probleme zu kompensieren119; das Bundesverfassungsgericht kann nicht permanent als „Ausfallbürge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“120 agieren. In diesem Zusammenhang schreibt Bausch: „Es wäre bedauerlich, könnte sich der Rundfunk künftig nur von der dritten Gewalt im Staate geborgen fühlen und wäre er genötigt, seine Rechte unentwegt zu verteidigen.“121 Diesen Zuständen ließe sich mit Hilfe einer konkreteren Aufgabenfassung entgegentreten. 118 119 120 121
Ähnlich auch Kammann, in: epd medien Nr. 3 v. 17.01.2004, 3, 6. Vgl. Vesting, medium 1992, 53. Eifert/Hoffmann-Riem, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 1, S. 104. Bausch, in: Jasper, Tradition und Reform, S. 376.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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3. Verhinderung einer Fachaufsicht Zudem würde ein genauer gefasster Grundversorgungsauftrag dazu beitragen, bei der staatlichen Aufsicht über den Rundfunk, die aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks nur Rechtsaufsicht sein kann122, im Bereich von Programmfragen, auf die sie sich ebenfalls zu beziehen hat123, angesichts der bisherigen unbestimmten, weiten Programmvorgaben den Raum für Auslegungen zu verkleinern und damit letztlich ein Umschlagen von der Rechts- in eine Fachaufsicht zu verhindern124. Angesichts dessen, dass nach herrschender Meinung die staatliche Aufsicht erst dann eingreifen darf, wenn die anstaltsinternen Kontrollgremien versagt haben125, und in der Praxis bisher kaum aufsichtsrechtliches Tätigwerden im Programmbereich vorliegt126, ist diese Gefahr allerdings eher als gering einzustufen. 4. Schutz der Gebührenzahler und privater Rundfunkveranstalter Eine Konkretisierung scheint des Weiteren auch im Hinblick auf den ungebremsten Expansionsdrang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks127 einhergehend mit immer weiter steigenden Rundfunkgebühren sowohl zum Schutz der Gebührenzahler, die bislang alle Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten über ihre Gebührenpflicht finanziell mittragen müssen, als auch zum Schutz privater Rundfunkveranstalter geboten128. Zwar muss den Rundfunkanstalten, abgeleitet aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, lediglich die Finanzierung derjenigen Programme ermöglicht werden, deren Veranstaltung den spezifischen Funktionen der Anstalten nicht nur entspricht, sondern auch zur Wahrnehmung dieser Funktionen erforderlich ist129. Demnach wird der Umfang der Finanzierung durch die spezifischen 122
Vgl. unter 1. Teil C. I. 2. b). Anderenfalls unterfielen weite Teile des Rundfunks im Endeffekt keiner Aufsicht, diese wäre weitgehend inhaltsleer, VG Mainz JZ 1979, 303 f.; vgl. auch Hesse, Rundfunkrecht, S. 177. 124 Zu dieser Gefahr vgl. Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 99 f.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 227 f. 125 Siehe unter 1. Teil C. I. 2. b). 126 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 228. 127 Siehe die Programmübersicht 1. Teil D. IX. 1. Bereits Ende der achtziger Jahre wurde die Breite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als zu weitgehend kritisiert, vgl. Gröner, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, S. 350 f.; und auch 1995 wurde moniert, der Umfang des öffentlich-rechtlichen Gesamtangebotes habe sich weit über das hinaus ausgedehnt, was unter dem Gesichtspunkt der Grundversorgung noch vertretbar erscheine, Stoiber/Biedenkopf, MP 1995, 104, 106. 128 Hierauf verweist auch Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 19 ff. 123
22 Lindschau
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Funktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie durch das Kriterium der Erforderlichkeit begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht räumt allerdings selbst ein, es könne nicht genau bestimmt werden, welchen Programmumfang die Erfüllung der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfordere130. Eine genaue Bestimmung dessen, das zur Wahrung der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanziell jeweils erforderlich sei, bereite erhebliche Schwierigkeiten131. Dass den schutzwürdigen Interessen der Gebührenzahler durch die Formel einer zwingenden Finanzierung nur derjenigen Programme, die der spezifischen Funktion der Rundfunkanstalten nicht nur entsprechen, sondern auch erforderlich sind, ausreichend Rechung getragen wird132, erscheint angesichts der Unbestimmtheit beider Begriffe unwahrscheinlich. Aufgrund der mangelnden Bestimmbarkeit materiellrechtlicher Kriterien stützt sich das Gericht bei der Gebührenfestsetzung auf das Verfahren133. Die dabei eingesetzte „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF) muss bei der Überprüfung des angemeldeten Finanzbedarfs der Rundfunkanstalt gem. § 3 Abs. 1 S. 2 RFinStV entscheiden, ob sich die Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrages halten. Aufgrund des festgestellten nur grob umschriebenen Rundfunkauftrages fehlen jedoch wiederum konkrete Maßstäbe zur Kontrolle, so dass die KEF nicht vollumfänglich nachprüfen kann, inwiefern zusätzlicher Finanzbedarf durch eine funktionsnotwendige Rundfunktätigkeit tatsächlich entstanden ist. Sie sieht daher regelmäßig ein Programm als funktionserforderlich und damit als finanzierungswürdig an, wenn es vom Rundfunkrat der Anstalt gebilligt wurde, obwohl gerade den Rundfunkanstalten eine Neigung zur Ausweitung ihrer Tätigkeiten bescheinigt wurde134. Insgesamt erweisen sich die vorhandenen Restriktionen bei der Rundfunkgebührenfinanzierung zur Vermeidung permanenter und übermäßig starker Programmausweitung auf Kosten der Gebührenzahler mangels näher bestimmten besonderen Rundfunkauftrages als weitgehend wirkungslos. Ein weiter als bisher konkretisierterer Grundversorgungsauftrag der Rundfunkanstalten könnte dazu beitragen, dass die erforderlichen Programme leichter feststellbar wären und infolgedessen nicht zur Erfüllung des Grundversor129
BVerfGE 74, 297, 342; 87, 181, 202; 90, 60, 92. BVerfGE 90, 60, 95; vgl. auch BVerfGE 87, 181, 203. 131 BVerfGE 87, 181, 203; vgl. auch 90, 60, 95. Starck, NJW 1992, 3257, 3260, bezeichnet das Kriterium der Erforderlichkeit als „hinreichend anpassungsfähig . . .“. 132 Vgl. BVerfGE 90, 60, 92. 133 BVerfGE 87, 181, 204; 90, 60, 96 ff. Siehe hierzu auch bereits unter 1. Teil D. VI. 4. b). 134 Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 20 f. 130
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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gungsauftrages bzw. der Funktion135 erforderliche Programme nicht mehr über die programmakzessorischen Gebühren zu finanzieren wären. Eine leichter Hand finanzierbare Programmausweitung wäre mithin nicht mehr im bisherigen Rahmen möglich. Die Gebührenzahler könnten sich auf einen auch real wirksamen Schutz ihrer Finanzen durch die KEF verlassen. Auch für private Rundfunkveranstalter erweist sich ein genauer konturierterer Grundversorgungsauftrag, der zunächst und in der näheren Zukunft den Rundfunkanstalten obliegt, von Vorteil, da infolgedessen das Gebührenprivileg nachprüfbar nur für dem Auftrag entsprechende Rundfunkprogramme benutzt werden darf. Dadurch wäre dann eine rechtswidrige Subventionierung, die die Wettbewerbsinteressen der kommerziellen Anbieter berühren würde, aufgrund konkreterer Maßstäbe leichter feststellbar und abwendbar136. 5. Europarechtliches Bedürfnis im Zusammenhang mit wettbewerbs- und beihilferechtlichen Konflikten Letztlich ergibt sich auch aus europarechtlicher Sicht ein Bedürfnis nach einer Konkretisierung des besonderen Grundversorgungsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. a) Das Amsterdamer Protokoll Im Jahr 1997 verständigten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der EU auf ein Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten, das durch den Amsterdamer Vertrag als Protokoll Nr. 32 in den EG-Vertrag aufgenommen und damit gem. Art. 311 EG Vertragsbestandteil wurde. Darin wurde den Mitgliedstaaten zugestanden, ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit den „zur Erfüllung seines Auftrags erforderlichen Finanzmitteln“ auszustatten. Hintergrund dieser gesonderten Erwähnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer eigenen Protokollerklärung sind die immer wieder auftretenden Konflikte zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und der Europäischen 135
Auf die Frage der Veranstaltung von Programmen die dem insoweit engeren Grundversorgungsauftrag unterfallen und von Programmen, die dem zwar nicht gerecht werden, jedoch dem weiteren Kreis der Funktion unterfallen, so die Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts [hierzu bereits unter 2. Teil A. II. 2. d) dd) (1)], wird im Rahmen des Inhalts der Konkretisierung unter II. 3. d) aa) genauer eingegangen. 136 Vgl. Degenhart, ZUM 2000, 3556, 360; Oreja-Bericht, S. 4, abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/avpolicy/legis/key_doc/hlg3_de.htm (Stand: 01.10.2004). 22*
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Kommission im Hinblick auf eine Vereinbarkeit der Rundfunkgebühren oder auch anderen Finanzierungsformen mit dem Wettbewerbs- und Beihilfenrecht der EG137. So kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Beschwerden privater Veranstalter, die sich aufgrund der besonderen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sei es über Gebühren oder direkt aus dem Staatshaushalt, im Wettbewerb beeinträchtigt fühlten. Wenngleich das Amsterdamer Protokoll klarstellt, eine besondere Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei erlaubt, schafft es damit als lediglich auslegende Bestimmung138 keinen neuen Ausnahmetatbestand und befreit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht von der Bindung an gemeinschaftsrechtliche Beihilfe- und Wettbewerbsregelungen139. Stattdessen wird durch das Protokoll die Anwendung vom Beihilfen- und Wettbewerbsregime gerade vorausgesetzt140 und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur insoweit für gerechtfertigt gehalten, wie die öffentlichen Aufgaben der Rundfunkanstalten von den Mitgliedstaaten „festgelegt und ausgestaltet“ sind. Um folglich festzustellen, welche konkreten Finanzmittel dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in europarechtlich zulässiger Weise zu gewähren sind, bedarf es grundsätzlich einer genauen Beschreibung des Auftrags141. Nur solange die besondere Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks lediglich die Kosten deckt, die zur Erfüllung des besonderen Programmauftrags erforderlich sind, ist dieses Sonderrecht nicht der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung nach den Beihilfevorschriften zu unterziehen142. Ein konkreter gefasster Rundfunkauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde somit das Risiko europarechtlicher Bedenken gegenüber seiner besonderen Finanzierung mindern.
137 So ist umstritten, ob die deutschen Rundfunkgebühren Beihilfen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG darstellen und – gesetzt den Fall, man bejaht dies – ob sie durch die Ausnahmeregelung des Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt sind. 138 Vgl. Schwarze, ZUM 2000, 779, 796 f.; Frey, ZUM 1999, 528, 530; Degenhart, K&R 2000, 49, 54; Dörr, AfP 2003, 202, 206; Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 4 Rn. 19. 139 Frey, ZUM 1999, 528, 530; Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 98 f.; Schwarze, ZUM 2000, 779, 796 m. w. N.; vgl. auch Dörr, AfP 2003, 202, 206; a. A. Eberle, AfP 2001, 477. 140 Glotz/Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 99; Neun, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 320. 141 Vgl. auch Wettbewerbskommissar Monti, zit. nach AfP 2000, 444: „Europäisches Transparenzgebot für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten“, nach dessen Ansicht der Amsterdamer Vertrag dem deutsche Gesetzgeber eine konkrete Auftragsdefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorschreibe; hierzu auch Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 1 Rn. 240. 142 Vgl. Frey, ZUM 1999, 528, 539.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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b) Die Transparenzrichtlinie Im Zuge der dritten Änderung143 der Richtlinie über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (im Folgenden Transparenzrichtlinie)144 wurde die Pflicht zur getrennten Buchführung für Unternehmen eingeführt, denen besondere oder ausschließliche Rechte nach Art. 86 Abs.1 EG gewährt werden, oder die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG betraut sind, für diese Dienstleistungen staatliche Beihilfen in jedweder Form einschließlich Geld- und Ausgleichsleistungen erhalten und in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind145. Allerdings ist eine Änderung dergestalt geplant, statt staatlicher Beihilfen allgemeiner, i. S. v. Dienstleistungen, für die eine Vergütung an die erbringenden Unternehmen gewährt wird, zu formulieren146. „Verschiedene Geschäftsbereiche“ meint beispielsweise auf der einen Seite Dienstleistungen, mit denen das Unternehmen betraut wurde, und auf der anderen Seite jede andere Dienstleistung147. Eine Betrauung liegt vor, wenn dem Unternehmen bestimmte Tätigkeiten als besondere Aufgabe durch einen Hoheitsakt (Gesetz oder sonstiges hoheitliches Handeln) verpflichtend übertragen worden sind148. Zweck der geänderten Richtlinie ist es, mittels getrennter Buchführung Aufschluss über potentielle Quersubventionierungen der Tätigkeiten, die auch von anderen Unternehmen im Wettbewerb erbracht werden, durch öffentliche Mittel zu erlangen149. Die Anwendbarkeit der Transparenzrichtlinie auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist umstritten150. Gesetzt den Fall, ihr unterläge auch der 143 Richtlinie 2000/52/EG der Kommission v. 26.07.2000, Abl EG 2000 Nr. L 193 v. 29.07.2000, S. 75. 144 Richtlinie 80/723/EWG der Kommission über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen v. 25.07.1980, Abl EG 1980 Nr. L 195 v. 29.07.1980, S. 35. 145 Art. 2 Abs. 1 lit. d Transparenzrichtlinie. 146 Vgl. MMR 5/2004, XVIII f. 147 Art. 2 Abs. 1 lit. e Transparenzrichtlinie. 148 Vgl. EuGHE, Rs. 172/80 (Züchner/Bayerische Vereinsbank), Slg. 1981, 2021, 2030; Rs. 66/86 (Ahmed Saeed), Slg. 1989, 803, 853. 149 Vgl. Hain, MMR 2001, 219, 220; Seidel, ZUM 2001, 13; Beck/Münger, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 240 f. 150 Dagegen Seidel, ZUM 2001, 13, 16; Dörr, K&R 2001, 233, 237; Hesse, Rundfunkrecht, S. 331; dafür Europäische Kommission, vgl. fünfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/52/EG der Kommission v. 26.07.2000, Abl EG 2000 Nr. L 193 v. 29.07.2000; Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk v. 17.10.2001, Abl EG Nr. C 320 v. 15.11.2001, S. 10; epd medien Nr. 58 v.
342 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
öffentlich-rechtliche Rundfunk151, was besonders in Anbetracht der ins Auge gefassten Änderung einer Abkehr vom bisher stark umstrittenen Beihilfebegriff der Rundfunkgebühren nicht auszuschließen ist, wäre es ohne eine gegenüber dem jetzigen Zustand konkretisiertere Aufgabenfestlegung nicht möglich, zu unterscheiden, bezüglich welcher Tätigkeiten des öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Betrauung vorliegt152. Die geforderte getrennte Buchführung für die verschiedenen Bereiche wäre in der Folge nicht möglich, ebenso wie auch eine entsprechende Kontrolle zum Scheitern verurteilt wäre. Vor diesem Hintergrund kann von der Transparenzrichtlinie durchaus auch Einfluss auf eine genauere Definition des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgehen153. c) Zu begrüßende Konkretisierung im europäischen Kontext Wenngleich die europarechtliche Thematik vorliegend aus Gründen des Umfangs lediglich angerissen werden konnte, hat sich gezeigt, dass sich auch aus europäischer Sicht eine Konkretisierung des dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden (Grundversorgungs-)Auftrages anbietet154. Auch nach Meinung der Europäischen Kommission sollte der öffentlichrechtliche Auftrag von den Mitgliedstaaten klar, abschließend und angemessen definiert werden155. Eine eindeutige Festlegung der spezifischen Auf28.07.2004, 11, 12: „EU fordert vollständige Umsetzung der Transparenzrichtlinie“; Beck/Münger, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 250; Hain, MMR 2001, 219, 224. Gerade in letzter Zeit befasst sich die Kommission aufgrund entsprechender Vorstöße der Privatsender wieder mit der Transparenz der Finanzen bei ARD und ZDF. 151 Bislang sind die Vorgaben der Transparenz-Richtlinie nur auf Bundesebene durch das Transparenz-Richtlinien-Gesetz umgesetzt worden, das als Bundesgesetz jedoch auf den ausschließlich der Kompetenz der Länder unterfallenden öffentlichrechtlichen Rundfunk nicht angewendet und durchgesetzt werden kann. Hiergegen richtet sich eine Beschwerde des VPRT aus dem Jahr 2003. Mitte des Jahres 2004 erging an die Bundesregierung ein entsprechender Mahnbrief, die Transparenzrichtlinie vollständig in nationales Recht umzusetzen, vgl. epd medien Nr. 58 v. 28.07.2004, 11 f.: „EU fordert vollständige Umsetzung der Transparenzrichtlinie“. 152 Vgl. auch Hain, MMR 2001, 219, 222 f.: Der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitete Grundversorgungsauftrages weist keine ausreichend konkreten Inhalte auf, um als Betrauung, d. h. Übertragung einer besonderen Aufgabe, durchzugehen. 153 In diesem Sinne auch Beck/Münger, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 243; Monti, zit. nach AfP 2000, 444: „Europäisches Transparenzgebot für öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten“; Bethge, in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. 115 f. 154 Ebenso Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 4; Storr, K&R 2002, 464, 473; a. A. Eberle, AfP 2001, 477, 478 f., der eine weiteren Konkretisierung des Auftrags aus europäischer Sicht für nicht gebotenen hält, schließlich sei der Programmauftrag hierzulande durch Gesetz oder Staatsvertrag festgelegt.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
343
gaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde ebenfalls im Oreja-Bericht empfohlen156. Die Notwendigkeit, den Aufgabenbereich des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus europarechtlicher Hinsicht genauer zu bestimmen, wurde auch von den Ländern erkannt und mittels des neu gefassten § 11 RStV umzusetzen versucht157. Wie gesehen gelangte dieser Versuch – zumindest was die gesetzlichen Regelungen der Absätze eins bis drei angeht158 – ebenfalls nicht über generalklauselartige Formulierungen hinaus. Die Notwendigkeit einer Konkretisierung bleibt weiterhin bestehen. 6. Schlussfolgerung Insgesamt erscheint eine Konkretisierung des Aufgabenbereichs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks somit aus mehreren Gründen wünschenswert159. Der Gesetzgeber ist aufgrund seines weiten Gestaltungsspielraums bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung und der festgestellten Funktionstauglichkeit des jetzigen Systems zwar nicht verpflichtet, den Grundver155
Mitteilung der Kommission „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“ v. 14.12.1999, KOM (1999) 657 endg., S. 15; Mitteilung der Kommission über Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa v. 20.09.2000, KOM (2000) 580 endg., S. 40; Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk v. 17.10.2001, Abl EG Nr. C 320 v. 15.11.2001, S. 8 ff. 156 Oreja-Bericht, S. 4, abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/avpolicy/legis/ key_doc/hlg3_de.htm (Stand: 01.10.2004). 157 Begründung zum Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, abgedruckt bei Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, A 2.5. 158 Auf die in Abs. 4 geregelten Selbstverpflichtungserklärungen der Rundfunkanstalten wird unter II. 2. e) cc) (2) genauer eingegangen. 159 Für eine genauere Konturierung der Grundversorgung auch Bullinger, Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, passim.; Kresse, ZUM 1995, 67, 77; Schoch, JZ 2002, 798, 806; ders., VVDStRL 57 (1998), 158, 204; Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 265; die Notwendigkeit, den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu zu bestimmen und klar zu formulieren wird auch gesehen von Glotz/Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 102; a. A. Schwarzkopf, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik in Deutschland, Bd. 2, S. 1155; kritisch zum Erfolg eines genauer definierten und normativ festgelegten Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch Scharf, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Duales Rundfunksystem, S. 32. Nach Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 196, besteht zwar keine rechtliche Notwendigkeit, eine neue, detailliertere Aufgabenumschreibung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorzunehmen, gleichwohl gibt er sich ihr im weiteren Verlauf gegenüber nicht abgeneigt. Auch der Sächsische Landtag knüpfte seine Zustimmung vom 12.12.2000 zum Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag in der Präambel des Zustimmungsgesetzes an die Erwartung der eindeutigen Definition des Grundversorgungsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, GVBl Sachs. 2000, S. 526.
344 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
sorgungsauftrag näher zu konkretisieren. Trotz mangelnder offensichtlicher Fehlsamkeit seiner getroffenen Entscheidung für ein duales Rundfunksystem und für die Beibehaltung der Rundfunkanstalten ist dem Gesetzgeber jedoch – auch wenn das Bundesverfassungsgericht bislang keine expliziten Aussagen zum fehlenden Konkretisierungsgrad des Auftrags des öffentlichrechtlichen Rundfunks getroffen hat – vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nahe zu legen, zur Optimierung der Rundfunkfreiheit den Grundversorgungsauftrag konkreter zu fassen.
II. In Betracht kommende Maßnahmen zur Konkretisierung Im weiteren Verlauf werden verschiedene Grundansätze zur Konkretisierung des zurzeit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten obliegenden Grundversorgungsauftrages herausgearbeitet, um diese im Anschluss daran auf ihre Vor- und Nachteile hin zu diskutieren. 1. Handhabung in zwei anderen westeuropäischen Staaten Bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten empfiehlt sich ein Blick auf andere Staaten Westeuropas wie beispielsweise Frankreich und Großbritannien. Diese beiden Länder bieten sich zum einen für einen Seitenblick aufgrund des vergleichbaren Kulturkreises wie auch aufgrund fehlender Sonderphänomene wie z. B. Silvio Berlusconi an, zum anderen lassen deren ähnliche Strukturen im Rundfunkbereich vermuten, dass dort vergleichbare Probleme vorliegen oder aber einmal vorlagen. Zwar findet beispielsweise das Prinzip der Staatsfreiheit, dem in Deutschland angesichts des erfolgten Missbrauchs unter dem nationalsozialistischen Regime gerade im Rundfunkbereich eine besondere Bedeutung zukommt, in anderen Ländern, in denen sich der Rundfunk abweichend entwickelte oder die eine andere Rundfunkrechtsprechung aufweisen, weniger Beachtung. So wird der Staat in Frankreich eher als Beschützer denn Angreifer der Rundfunkfreiheit gesehen und ist daher im Rundfunkbereich stark präsent160. Auch in Großbritannien behält der Staat zumindest in der Theorie weitreichende Möglichkeiten, die Programmgestaltung zu beeinflussen, von denen er allerdings freiwillig keinen Gebrauch macht161. Maßnahmen, die 160 Vgl. Le Champion, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 1996/1997, S. 53. Hierzu auch Dörr, Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa, S. 41 f. 161 Humphreys, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 1996/1997, S. 96.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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in anderen Ländern ergriffen wurden oder deren Verwirklichung im Raum steht, lassen sich mithin nicht einfach auf den deutschen Rundfunk übertragen. Aus im Ausland vorliegenden Konzepten können aber zumindest Denkansätze für die Bundesrepublik abgeleitet werden. a) Rundfunkrechtliche Vorgaben in Frankreich In Frankreich besteht seit dem Jahr 1982, in dem das bis dahin bestehende staatliche Rundfunkmonopol formell aufgehoben wurde162, ein duales System zwischen öffentlichem163 und privatem Rundfunk. Neben dem französischen Rundfunkgesetz (Loi sur la Liberté de la Communication), das lediglich allgemein ein gegenständlich breites und qualitativ hochstehendes Programm erfordert, werden traditionell sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Rundfunk detaillierte Regelungen getroffen164. So werden den öffentlichen Fernsehprogrammgesellschaften seit 1974 präzise „Lastenhefte“ (Cahiers des Missions et des Charges) auferlegt. Darin wird vom Staat per Dekret im Einzelnen einseitig festgelegt, welche dem öffentlichen Interesse dienende Sendungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums und zeitlichen Senderahmens von einem bestimmten öffentlichen Fernsehprogramm zu erbringen sind165. Neben der numerischen, prozentualen oder nach Zeitanteilen bemessenen generellen Festlegung der Anteile der Sendungen für französische oder europäische Produktionen, der Anteile an Information oder Bildung, werden auch konkrete Vorgaben für bestimmte Programmgegenstände wie beispielsweise Theater- und Opernstücke getroffen sowie bestimmt, dass pflichtige Programmgenres zu günstiger Sendezeit angeboten werden müssen. Für das nationale Vollprogramm France 2 wurden beispielsweise folgende Pflichten bestimmt: 10 Minuten pro Woche müssen Verbraucherschutzinformationen ausgestrahlt werden, Literatur, Geschichte, Kino und plastische Kunst müssen regelmäßig, Musik (insbesonLoi no 82–652 du 29 juillet 1982, Journal officiel du 30 juillet 1982, p. 2431. Dieser besteht im Fernsehbereich aus France Télévision mit den Programmen France 2 (massenattraktives Vollprogramm), France 3 (Vollprogramm mit regionalem Schwerpunkt) und den Bildungs- und Kultursendern France 5 und LaSept/Arte. Im nationalen Hörfunk werden die öffentlichen Programme France Culture, France Info, France Inter, France Musique und Radio Bleue angeboten. 164 Vgl. Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 58 f. Bemerkenswert erscheint dabei sein Befund, dem französischen Denken erscheine die Vorstellung, der öffentliche Rundfunk müsse aufgrund seiner Gebührenfinanzierung höhere Lasten übernehmen als der private Rundfunk, eher fremd, stattdessen werde gerade umgekehrt jede Erleichterung für den privaten Rundfunk, der doch die Frequenzen als öffentliches Gut (domaine public) nutzen dürfe, als problematisch angesehen. 165 Vgl. Donges, Rundfunkpolitik, S. 217; Jarren u. a., Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Netzwerk, S. 77 f. 162 163
346 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
dere junge Talente) muss mindestens zwei Stunden pro Monat, klassische Musik muss mindestens 16 Stunden im Jahr ausgestrahlt werden166. Auf Basis der Lastenhefte werden vom Verwaltungsrat der französischen Programmgesellschaften, dessen zwölf Mitglieder zu zwei Dritteln von der Regierung und der Aufsichtsbehörde CSA („Conseil Supérieur de l’Audiovisuel“) und der Rest von Senat und Nationalkammer (Assemblé National) sowie den Beschäftigten ernannt werden, Leitlinien für die Programmtätigkeit aufgestellt und überwacht167. Auch kommerziellen Sendern werden Vorgaben gemacht. So sind seit 1989 im Mediengesetz für alle Veranstalter detaillierte Mindestquoten für Programminhalte festgelegt, die den „Auftrag für das allgemeine Interesse“ (Mission d’Interêt Général) definieren168. Zusätzlich erteilt der CSA den privaten Veranstaltern weitere spezifische Auflagen im Rahmen der Lizenzverträge, d. h. die Lizenzvergabe wird an den Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung zwischen CSA und Bewerber geknüpft, in der Programmverpflichtungen und Sanktionen festgehalten werden. Kontrolliert wird der gesamte Rundfunk durch den CSA169, der Stellungnahmen zu den cahiers des charges abgibt und die Einhaltung der Pflichten überprüft170. Angesichts dessen, dass neben den Gebühren auch der Staat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht unbedeutende Zuwendungen zukommen lässt171 und das Parlament bis vor kurzem noch jährlich über die Höhe der Rundfunkgebühr und deren Verteilung auf die einzelnen öffentlichen Programmgesellschaften entschied und sich dabei auch daran orientierte, wie ein Veranstalter seine öffentlichen Bindungen erfüllte172, kam den staatlichen Programmauflagen und ihrer Beachtung eine hohe Bedeutung zu. Dies bleibt im Wesentlichen auch weiterhin so. In dem seit dem 1. August 2000 geltenden neuen Kommunikationsgesetz (Loi à la Liberté de Communication)173 wurde nicht nur der öffentliche Rundfunk neu strukturiert174, sondern auch zwischen France 2, France 3, Décret no 94–813, Journal officiel du 18 septembre 1994. Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 206. 168 Mattern/Künstner, in: Hamm, Zukunft des dualen Systems, S. 115. 169 Dieser besteht aus neun Mitgliedern, die zu gleichen Teilen vom Präsidenten der Republik, des Senats und dem der Nationalversammlung ernannt werden. 170 Vgl. auch Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 214. 171 Vgl. Le Champion, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 1996/1997, S. 60 f. 172 Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 60. 173 Loi no 2000–719 du premier août 2000 modifiant Loi no 86–1067 du 30 septembre 1986, Journal officiel du deuxième août 2000. 166 167
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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La Cinquième (heute France 5) und der staatlichen Aufsichtsbehörde, ähnlich wie es zuvor bereits bei privaten Veranstaltern gehandhabt wurde, langfristige Ziel- und Mittelvereinbarungen in Vertragsform (Contrats d’Objectifs et de Moyens) abgeschlossen. Darin werden neben den Lastenheften, die lediglich noch die allgemeinen Aufgaben einseitig festlegen, dem öffentlichen Fernsehen detailliertere Zielvorgaben gemacht. Im Gegenzug zur Verpflichtung des öffentlichen Rundfunks sichert der Staat die Finanzierung zu. Je nach Erfüllung der Zielvorgaben bekommt das öffentliche Fernsehen zudem 0,4 bis 0,6% mehr Finanzbudget jährlich, so dass ein finanzieller Anreiz besteht, den eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich nachzukommen. Zusätzlich wird seitens des Staates jährlich eine Studie der Zufriedenheit durchgeführt, um Attraktivität, Qualität und Ausgewogenheit des französischen Rundfunks zu evaluieren. b) Rundfunkrechtliche Vorgaben in Großbritannien In Großbritannien existiert mit dem Sendestart des privaten Senders ITV (Independent Television, seit 1990 Channel 3) bereits seit 1954 ein duales System175. Der Bereich des öffentlichen Rundfunks wird dabei wesentlich von der BBC bestimmt, die als Vorbild für den deutschen Rundfunk in der Nachkriegszeit diente176. Bei ihr handelt es sich um eine Anstalt des öffentlichen Rechts auf Grundlage von aufeinanderfolgenden „Royal Charters“. Diese sind königliche Konzessionen, die von der Regierung mittels einer dafür eingesetzten Kommission ausgearbeitet und anschließend dem Parlament zur Diskussion vorgelegt werden177, und aufgrund derer die BBC, wie die Bank von England, zu einer staatlichen Institution außerhalb der Weisungsgewalt der Regierung, nicht jedoch des Parlaments wurde178. Trotz ihrer nominellen Abhängigkeit hat die BBC faktisch eine weitgehende Unabhängigkeit erlangt179. 174 So wurden die öffentlichen Fernsehsender France 2, France 3 und La Cinquième unter das Dach einer Holding, deren Alleinaktionär der Staat ist, gestellt, auf die die finanziellen und programmlichen Kompetenzen verlagert wurden. Den einzelnen Programmen wurden unterschiedliche Aufgaben zugewiesen: Während France 2 informationsorientierte Sendungen für die breite Bevölkerungsschicht ausstrahlt und France 3 weiterhin Programme mit regionaler Ausrichtung sendet, soll La Cinquième Programme für Minderheiten anbieten. 175 Hierzu Humphreys, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 1996/1997, S. 95 f. 176 Siehe 1. Teil B. III. 3. 177 Jarren u. a., Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Netzwerk, S. 78. 178 Hachmeister/Rager, Wer beherrscht die Medien, S. 213, 216. 179 Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 67.
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Die zehn Jahre lang geltende Royal Charter von 1995180 legt in eher abstrakter Weise die allgemeinen Ziele, Funktionen, interne Organisation und Finanzierung der BBC sowie ihren Auftrag als Public Service grob fest. Die genauen Aufgabenbeschreibungen werden in einer zehnjährigen Vereinbarung (Agreement) zwischen dem „Department for Culture, Media and Sport“ (DCMS) und dem „Board of Governors“ der BBC181, dessen Mitglieder die gesellschaftliche Kontrolle der BBC ausüben182, getroffen183. Diesen muss das Parlament zustimmen. Im Agreement wird beispielsweise der Umfang des Angebots, d. h. die Anzahl der Fernseh- und Radiokanäle, der regionalen Programme sowie ihr zeitlicher Umfang festgelegt und es werden auch qualitative Programmstandards definiert. Durch die Royal Charter in Verbindung mit dem zwischen der BBC und dem DCMS geschlossenen Agreement ist die BBC dazu verpflichtet, ihre Aufgaben jedes Jahr gegenüber der Öffentlichkeit in einem „Statement of Programme Policy“184 selbst zu konkretisieren. Dabei handelt es sich um eine erweiterte und anspruchsvollere Variante der bis dahin im BBC-Jahresbericht in unterschiedlicher Form veröffentlichten Ziele und Rechenschaftsberichte des Board of Governors. Darin muss die BBC darlegen, wie sie ihre besondere öffentliche Aufgabe, für die Rundfunkgebühren zu zahlen sind, auffasst und wie sie diese erfüllen will185. Die jeweiligen Statements decken ein großes thematisches Spektrum ab und sind sehr heterogen in Bezug auf Präsentationsform und Konkretisierungsgrad186: Während ein Teil allgemein gehalten ist (wie beispielsweise Sicherung eines hohen Qualitätsstandards und Vielfalt der Programme), werden im anderen Teil konkrete Versprechen (wie z. B. 80% der ausgestrahlten Programmstunden werden in Großbritannien produziert, der Anteil an Programmen mit Untertiteln wird erhöht, der Anteil der Mitarbeiter an ethnischen Minderheiten wird auf 10% gesteigert) abgegeben. Gleichwohl bleiben viele Statements relativ nah an der Oberfläche und bedeuten vor allem leicht konkretisierte Varianten der bisherigen Kernverpflichtungen187. Nach Ablauf eines Jahres über180
www.bbc.co.uk/info/policies/charter/pdf/charter.pdf. (Stand: 01.10.2004). Dabei handelt es sich um ein von von der Regierung in Absprache mit der parlamentarischen Opposition und der BBC vorgeschlagenes und vom Kronrat (Queen in Council) eingesetztes zwölfköpfiges Gremium aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Erfahrungen im Medienbereich und eine fundierte Kenntnis der britischen Gesellschaft aufweisen. 182 Art. 8 der Royal Charter; vgl. auch Humphreys, in: Hans-Bredow-Institut, Internationales Handbuch 1996/1997, S. 97. 183 www.bbc.co.uk/info/policies/charter/pdf/agreement.pdf. (Stand: 01.10.2004). 184 www.bbc.co.uk/info/statements (Stand: 01.10.2004). 185 Vgl. auch Donges, Rundfunkpolitik, S. 259 f. 186 Zu den verschiedenen Erscheinungsformen, bei denen sich zumindest vier Varianten herauskristallisieren lassen Woldt, MP 2002, 202, 204 f. 181
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prüft dann der Aufsichtsrat der BBC, der bereits erwähnte Board of Governors, ob und inwieweit die Selbstverpflichtungen der BBC erfüllt wurden. Seine dargelegte Einschätzung („Annual Report and Account“)188 reicht er dann weiter an das Parlament189, das darüber in einem Ausschuss debattiert, wobei die BBC dazu Stellung nehmen kann190. Abgesehen von einer Präsentation in den Jahresberichten der BBC wird der Stand der Selbstverpflichtungen der Öffentlichkeit in speziellen Veranstaltungen oder aber in Kurzform mit der jährlichen Gebührenrechnung per Post übermittelt. Neu wurde im Zuge der wachsenden Kritik an der BBC von der Führung selbst ein „Public value test“ vorgeschlagen, mit dem überprüft werden soll, ob der Sender seine Versprechen erfüllt hat191. Die beschriebene Regelung zielt ab auf eine Konkretisierung der Darstellung des öffentlichen Auftrags192 und soll darüber hinaus für eine stärkere Transparenz und auch für verstärkte Akzeptanz der BBC beim Publikum sorgen. Bislang wird das öffentliche Echo der Selbstverpflichtungen der BBC allerdings als eher gering eingestuft193. Bei einer Sichtung der bisher abgegebenen Statements ergibt sich eine eher expansive Tendenz, nur in Einzelbereichen wirken die Selbstverpflichtungen auch limitierend194, so dass ihnen keine wirklich eingrenzende Funktion zugeschrieben werden kann. Auch werden einer entsprechenden Untersuchung zufolge in der Rechenschaftslegung negative Entwicklungen und die Nichteinhaltung von Versprechen nicht immer angesprochen. Dadurch, dass Parlament, Bevölkerung und Board of Governors beteiligt sind, kommt den Selbstverpflichtungen zwar ein gewisses Druckpotential zu, ihre Nichteinhaltung zieht jedoch, da mit ihnen keine Sanktionen irgendwelcher Art verbunden sind und sie rechtlich nicht bindend sind, prinzipiell keine Konsequenzen nach sich. Im Zuge einer umfassenden Medienreform einhergehend mit dem 2003 verabschiedeten Communication Act wird jetzt die BBC mit der übergeordneten Aufsichtsbehörde „Office of Communication“ (OFCOM) in Teilen erstmalig einer externen Aufsicht, statt bislang allein der BBC-internen Board of Governors, unterworfen. Diese hat das Recht, Geldbußen und an187 188 189 190 191 192 193 194
Woldt, MP 2002, 202, 206. www.bbc.co.uk/annualreport (Stand: 01.10.2004). Art. 18 der Royal Charter. Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 70. Krönig, in: epd medien Nr. 51 v. 03.07.2004, 29 f. Woldt, MP 2002, 202, 204. Woldt, MP 2002, 202, 206 f. So das Untersuchungsergebnis von Woldt, MP 2002, 202, 209.
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dere Maßnahmen für den Fall der Nichteinhaltung bestimmter allgemeiner Standards zu verhängen195. In dem Agreement zwischen BBC und DCMS wird die BBC auch verpflichtet, bei allen beabsichtigten Veränderungen, bei Ausweitungen von Aktivitäten, die ihre Natur betreffen, Stellungnahmen der Öffentlichkeit einzuholen und Kritik wie auch Anregungen aufzunehmen, beispielsweise durch Zuschauerbefragungen vor dem Angebot neuer Dienste196. Die Ergebnisse der öffentlichen Diskussion fließen dann in die Entscheidung des zuständigen DCMS ein, das alle neuen Dienste der BBC genehmigen muss. Es hat bei seiner Entscheidung, bei der es ebenfalls zu einer Anhörung von Vertretern der Industrie, privaten Rundfunkveranstaltern, Aufsichtsbehörden und Verbraucherverbänden kommt, darauf zu achten, dass der neue Dienst mit dem Public Service-Auftrag der BBC kompatibel ist, und es muss prüfen, inwieweit er Auswirkungen auf den Markt hat197. Neben den Programmen der BBC existiert seit 1982 der Public-ServiceSender Channel 4, der zwar werbefinanziert ist, zur Aufrechterhaltung seines detailliert festgelegten Kultur- und Minderheitenauftrags jedoch über ein garantiertes Mindesteinkommen verfügt. In der Lizenz, die Channel 4 erstmals 1993 erteilt wurde, werden unter anderem Zeitvorgaben für bestimmte Programmkategorien (wie z. B. mindest sieben Stunden Bildungsprogramme pro Woche und mindestens 330 Stunden Schulprogramme im Jahr) gemacht und Programmquoten für Eigenproduktionen und Wiederholungen festgesetzt. So dürfen beispielsweise 60% des Programms der Gesamtsendezeit eigenproduziert sein, in der Hauptsendezeit von 18.00 bis 22.30 Uhr müssen es 70% sein und der Anteil an Wiederholungen darf nicht mehr als 40% an der Gesamtsendezeit und 20% während der Primetime betragen. Channel 4 produziert nicht selbst, sondern vergibt die Programmherstellung an unabhängige Produzenten198. Auch die kommerziellen Rundfunksender müssen, um ihre Lizenz zu behalten, bestimmte Anforderungen hinsichtlich Qualität und Vielfalt erfüllen. Ihnen werden bei den Lizenzverträgen umfangreiche mess- und quantifizierbare Programmvorgaben gemacht (z. B. eine bestimmte Stundenzahl an Kindersendungen oder Sendungen religiösen Inhalts) oder sie verpflichten sich in ihren Lizenzanträgen selbst dazu199. Die privaten Rundfunkanbieter 195
Vgl. hierzu Vick/Doyle, MP 2004, 38, 42. Hierzu Jarren u. a., Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Netzwerk, S. 130. 197 Donges, Rundfunkpolitik, S. 255; Jarren u. a., Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Netzwerk, S. 98. 198 Mattern/Künstner, in: Hamm, Zukunft des dualen Systems, S. 99. 199 Mattern/Künstner, in: Hamm, Zukunft des dualen Systems, S. 91; Vick/Doyle, MP 2004, 38, 41; vgl. hierzu auch Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, S. 263. 196
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müssen ihre Programmpolitik detailliert darlegen und belegen, inwieweit die ihnen auferlegten Programmziele erreicht wurden. Für den Fall des Versagens der Selbstregulierung in diesem Bereich besitzt OFCOM das Recht zum Eingreifen. c) Für das deutsche Rundfunksystem ableitbare Ansätze Beim Blick auf die für den öffentlichen Rundfunk geltenden Regelungen in zwei anderen westeuropäischen dualen Rundfunksystemen zeigt sich, dass dort anders als Deutschland nicht bei einem in Grundzügen und allgemeinen Zielen beschriebenen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stehen geblieben wird. Stattdessen werden neben generell-abstrakten gesetzlichen Beschreibungen (wie in der britischen Royal Charter, dem französischen Rundfunkgesetz oder den neueren französischen Lastenheften) genauere Aufgabenbeschreibungen in besonderen Vereinbarungen zwischen öffentlich-rechtlichen Veranstaltern und staatlichen Stellen (Agreement in Großbritannien, Contrats in Frankreich) vorgenommen. Diese scheuen sich nicht, beispielsweise den Umfang des Programmangebotes in Bezug auf Programmanzahl und Programmdauer zu bestimmen und darüber hinaus den öffentlichen Rundfunk anzuhalten, sich selbst zu genau nachprüfbaren qualitativen und quantitativen Standards zu verpflichten, was bis hin zu Details wie einzelner Sendungsformen und ihres Sendezeitraums führen kann. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur im auf Rundfunkgebiet häufiger innovative Wege beschreitenden Großbritannien, sondern selbst im sonst als regulierungsfreundlich einzustufenden Frankreich wird in letzter Zeit dazu übergegangen, anstelle von staatlicher Seite einseitig festgesetzter Auflagen verstärkt vertragliche Selbstverpflichtungen zuzulassen. Wurde bei der anzustrebenden Konkretisierung in Deutschland bislang nur der Gesetzgeber als diesbezüglich Handlungsfähiger ins Auge gefasst, bietet sich angesichts der Konzepte anderer Länder noch ein anderer Akteur an – die Rundfunkanstalten selbst. Diese können ebenfalls durch Selbstverpflichtungen oder vertragliche Vereinbarungen ihren besonderen Auftrag näher eingrenzen. Im weiteren Verlauf wird daher zu überlegen sein, wie sich neben einer entsprechenden gesetzlichen Regelung auch der öffentlichrechtliche Rundfunk an einer konkreteren Fassung seines Grundversorgungsauftrages beteiligen kann. Betrachtet man die zum Teil sehr detaillierten Regelungen in Frankreich und Großbritannien, die nicht nur bestimmte Sendungsformen und deren zeitlichen Umfang, sondern auch den Zeitraum, zu dem derartige Sendungen ausgestrahlt werden müssen, festlegen, so wird im Hinblick auf die – ein Kernelement des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bildende – Programmautonomie der Rundfunkanstalten und die in Deutschland als besonders bedeutsam
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eingestufte Staatsfreiheit ebenfalls zu untersuchen sein, inwiefern derartige Konkretisierungen, die in den beiden anderen Ländern augenscheinlich nicht in Konflikt mit geltendem Recht stehen, in Deutschland rechtlich zulässig sind. 2. Zuständigkeit für eine Konkretisierung des Grundversorgungsauftrages Die Meinungen, wem die Kompetenz zur genaueren Festlegung von Inhalt und Umfang der Grundversorgung einschließlich eventueller Programmbegrenzungen zukommt, sind gespalten. a) Vom Gesetzgeber vorzunehmende Konkretisierung in den Rundfunkgesetzen aa) Befürwortende Position Nach einer Ansicht in der Literatur kann Art und Ausmaß der Grundversorgung einschließlich einer Begrenzung der Programme nur vom Gesetzgeber selbst festgelegt werden200. Auch nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts ist es Aufgabe des Landesrechts, im Einzelnen zu bestimmen, welche Programme zur Grundversorgung gehören und welche nicht201. Zur Begründung wird im Schrifttum zum einen angeführt, bei Anstalten des öffentlichen Rechts gelte generell, dass ihr Aufgabenbereich vom Gesetzgeber bestimmt werde202. Eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Befugnis habe, ihre Aufgaben selbst zu bestimmen, liefe auf eine Selbstreproduktion des umfassend zuständigen Staates hinaus. Dies sei mit anerkannten staatsrechtlichen Grundsätzen unvereinbar203. Dieser organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalt entfalle auch nicht durch die Grundrechtsträgerschaft der Rundfunkanstalt, zumal auch im grundrechtlichen Bereich der Rundfunkfreiheit der Gesetzgeber zum anderen verpflichtet sei, eine posi200 Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 303; Bullinger, JZ 1987, 928, 929; ders., JZ 1987, 257, 259; Degenhart, K&R 2000, 49, 55 f.; ders., ZUM 2000, 356, 359 ff.; Kresse, in: Kops, Finanzierung, S. 147, 155; ders., ZUM 1995, 67, 80; Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 240 ff.; Scherer, ZUM 1998, 8, 16 f.; Starck, NJW 1992, 3257, 3259 f.; ders., in: Burmeister, FS Stern, S. 788, 790 f.; in diese Richtung auch Glotz/Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 101; Ricker, NJW 1988, 453, 455 f. 201 BVerwG NVwZ 1997, 61, 63 f. 202 Degenhart, ZUM 2000, 356, 361; Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 240. 203 Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 27 f.; Ory, AfP 1989, 616, 620.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
353
tive Ordnung zu schaffen, wozu auch die Organisation und Aufgabenregelung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehöre204. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich auf die aus der Wesentlichkeitstheorie205 folgende Verpflichtung des Gesetzgebers verwiesen, in grundlegenden Bereichen (wie beispielsweise im Fall von Grundrechtskollisionen) alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Gerade im vorliegenden Fall der in Rede stehenden Grundversorgungskonkretisierung träfen verschiedene Grundrechtspositionen aufeinander, die des Ausgleichs durch den Gesetzgeber bedürften206. Der mögliche Konflikt gesetzlicher Programmfestlegung mit der den Rundfunkanstalten aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zukommenden Programmautonomie wird gesehen und so werden überwiegend207 lediglich allgemeine Programmbestimmungen, die sich auf die Zahl der Programme sowie eine Festlegung der jeweiligen Grundstruktur dieser Programme beziehen, für zulässig gehalten. Der Normgeber wird auf die Fixierung des Rahmens und der Grundstruktur beschränkt208. Einzelheiten darf er nicht regeln, da sonst von der Programmfreiheit noch viel (Modalitäten der Programmgestaltung), aber nicht genug übrig bliebe209. Die gesetzliche Präzisierung des Grundversorgungsauftrages durch qualitative oder quantitative Beschränkungen wird als zulässige Ausgestaltung eingeordnet, da sie über die Zuordnung der Säulen und die Orientierung für die Rundfunkanstalten zur Effektivierung der Rundfunkfreiheit führen soll210. Die gesetzgeberische Festlegung der Anstalten auf eine bestimmte Zahl strukturell bestimmter Programme sei Voraussetzung und nicht Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit und habe nichts mit manipulativem Einwirken zu tun211. 204
Vgl. auch Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 245, 248 f. Hierzu bereits unter 2. Teil A. II. 1. b). 206 Ory, AfP 1987, 466, 467. 207 Sehr weitgehend Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 322 f. Hierzu im Folgenden unter 3. b) ee). 208 Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 240 f., 244; vgl. auch Fechner, NJW 1997, 3211, 3213; Neun, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 395 ff. Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 781; ders., ZUM 2000, 356, 361, vertraut in diesem Zusammenhang auf numerische Begrenzungen. 209 Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 241. 210 Vgl. Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 83, der sich im Grundsatz nicht gegen eine regulierende Tätigkeit des Gesetzgebers im Bereich der Programmgestaltung ausspricht, jedoch einen anderen Lösungsweg als eine unmittelbare gesetzliche Programmumfangsfestlegung befürwortet, vgl. ZUM 1999, 595, 600 f., siehe später unter c); Degenhart, ZUM 2000, 356, 363; a. A. Neun, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 395 ff.; Fechner, NJW 1997, 3211, 3213, mit einer Einordnung als gerechtfertigte Eingriffe im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. 205
23 Lindschau
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bb) Ablehnende Position Die Gegenposition lehnt eine gesetzliche Festlegung des Grundversorgungsinhalts ab und will aufgrund der Programmautonomie die Entscheidung über Inhalt und Umfang der Grundversorgung allein den Anstalten selbst überlassen212. Erlaubt werden dem Gesetzgeber lediglich generalklauselartig formulierte Programmbindungsnormen213, wie sie regelmäßig in den bestehenden Rundfunkgesetzen zu finden sind. Eine unmittelbare gesetzliche enumerative Festlegung von Zahl und Art der Programme (wie sie beispielsweise im SWR-Staatsvertrag vorliegen) wird abgelehnt214. Derartige Regelungen werden, da eine diesbezügliche Kompetenz den Rundfunkanstalten kraft ihrer Programmfreiheit zugesprochen wird, regelmäßig als rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in die Rundfunkfreiheit angesehen215. Zudem wird befürchtet, gesetzliche Konkretisierungen trügen der dynamischen Komponente der Grundversorgung im von Veränderungen geprägten Multimediazeitalter nicht ausreichend Rechnung216. b) Von den Rundfunkanstalten vorzunehmende Konkretisierung in Form von Selbstverpflichtungen aa) Befürwortende Position Wenn die Notwendigkeit einer Konkretisierung der Grundversorgung erkannt und nicht lediglich darauf vertraut wird, die Rundfunkanstalten kämen ohne weiteres Zutun den an sie im Rahmen des Grundversorgungsauftrages gestellten Anforderungen nach, wie dies überwiegend von der vorstehenden, sich gegen gesetzliche Konkretisierung aussprechenden Ansicht der 211 Lerche, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 243; zustimmend Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 781. 212 Badura, JA 1987, 180, 186; Berg, AfP 1987, 457, 460 f.; ders., MP 1987, 737, 741; Bethge, ZUM 1987, 199, 202; Fuhr, ZUM 1987, 145, 152; Knothe/ Schwalba, MP 1999, 111, 117; in diese Richtung auch Goehrlich/Radeck, JZ 1989, 53, 60; Libertus, ZUM 1995, 699, 700 f.; Niepalla, Grundversorgung, S. 121, 146 f. 213 Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 74 f.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, S. 79. 214 Hesse, BayVBl 1997, 132, 139; so auch Eifert, ZUM 1999, 595, 601; Scharf, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Duales Rundfunksystem, S. 30; Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 58 f. 215 Hesse, JZ 1997, 1083, 1086; vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 57 f. 216 Vgl. Eifert, ZUM 1999, 595, 601; Gounalakis, ZUM 2003, 180, 188 f.; Hesse, BayVBl 1997, 132, 139; Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 130.
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Fall ist, spricht sich ein Teil der Literatur in neuerer Zeit verstärkt für Selbstverpflichtungserklärungen seitens der Rundfunkanstalten aus217. In diesen konkretisieren die Anstalten für sich Inhalt und Umfang der Grundversorgung und erfüllen sie anhand der herausgearbeiteten Maßstäbe in nachvollziehbarer Weise. Der Begriff der Selbstverpflichtungen erscheint dabei paradox218, steht „Verpflichtung“ doch für rechtliche Verbindlichkeit, gemeint ist jedoch regelmäßig eine Unverbindlichkeit, während die Vorsilbe „Selbst“ zwar für Freiwilligkeit steht, häufig jedoch Selbstverpflichtungen gezwungenermaßen ergehen, um beispielsweise einer staatlichen Regelung zuvor zu kommen. Zugunsten von Selbstverpflichtungserklärungen wird angeführt, diese beinhalteten zwar weniger Druck zur Einhaltung der selbst aufgestellten Vorgaben, könnten dafür aber auf mehr Engagement bei der Verwirklichung als bei von „außen“ diktierten Regulierungen hoffen und würden eine größere Sachnähe aufweisen. Zudem respektierten sie die Autonomie der Anstalten219 und seien flexibler, da sie nicht erst in einem Gesetzgebungsverfahren zustande kommen müssten220. Auch seien beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgrund der Grundrechtsträgerschaft der Rundfunkanstalten, ihres ihnen zugestandenen Selbstverwaltungsrechts und ihrer weitgehenden Staatsfreiheit bereits Grundelemente der Selbstregulierung angelegt221. bb) Ablehnende Position Gegenüber von den Rundfunkanstalten zu treffendenden Maßnahmen der Selbstregulierungen äußern sich andere jedoch skeptisch und stellen deren Effizienz in Frage222. Eine gewisse Präzisierung der Aufgaben wird ihnen zugetraut, ihre Eignung zur rechtlich erheblichen Einschränkung des Programmauftrages wird, da Selbstregulierung nur in der Marge der Eigeninteressen der sich selbst Regulierenden funktionieren könne, in Abrede gestellt223. Auch die mangelhaften Durchsetzungsmöglichkeiten im Fall reiner Selbstregulierung werden als Hindernisse angesehen. 217 Gounalakis, ZUM 2003, 180, 189; Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 130 f.; prinzipiell nicht abgeneigt auch Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 283 f.; gegen förmliche öffentliche Selbstverpflichtungen allerdings Schwarzkopf, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 2, S. 1168. 218 Hierzu Di Fabio, JZ 1997, 969, 970. 219 Eberle, MMR 2003, 623, 626. 220 Vgl. Fechner, JZ 2003, 224, 225. 221 Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 273; vgl. auch Ladeur, Die Verwaltung 2003, Beiheft 4, 59, 75. 222 Vgl. Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 302 f.; Neun, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 402 f. 23*
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Verwiesen wird auf bereits existierende Selbstkontrolleinrichtungen im Medienbereich wie z. B. den 1956 gegründeten Deutschen Presserat, dessen Aufgabe es ist, neben dem Schutz der Pressefreiheit und der Wahrung des Ansehens der deutschen Presse insbesondere Missstände im Pressewesen zu bekämpfen. Dieser kann zwar Hinweise, Missbilligungen oder (öffentliche) Rügen aussprechen, eine durchsetzbare Verpflichtung zum Abdruck von Rügen besteht jedoch nicht. Stattdessen ist auf die Kooperationsbereitschaft der Gerügten zu vertrauen, weitergehende Sanktionen können nicht verhängt werden224. Ihm kommt keine Exekutivgewalt zu, vielmehr stellt sich der Deutsche Presserat aus historischen Erfahrungen als eine Art moralische Instanz dar, die Grenzen der Wirksamkeit zeigt225. Auch die 1993 errichtete „Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen“ (FSF), einem Zusammenschluss privater Fernsehveranstalter in Vereinsform zur Förderung des Jugendschutzes, braucht nicht zwingend eingeschaltet werden. Sie kann daher nur Filme überprüfen, die ihr von den Sendern vorgelegt werden, und verfügt lediglich über weiche Sanktionsmöglichkeiten226. Ein weiteres Beispiel ist die Verabredung von Verhaltensgrundsätzen zwischen den Landesmedienanstalten und privaten Rundfunkveranstaltern im Jahr 1998, um die bis dahin umstrittenen Talkshows erträglicher zu gestalten, die ebenfalls wenig Resultate zeigten227. c) Konkretisierung durch eine unabhängige Institution Anstatt hinsichtlich der Konkretisierung der Grundversorgung den Gesetzgeber oder aber die Rundfunkanstalten in die Pflicht zu nehmen, ließe sich – in Anlehnung an die Lösung bei der Frage der Gebührenbemessung – an eine neue, aus unabhängigen Rundfunksachverständigen zusammengesetzte Institution, eine Art Kommission zur Konkretisierung des Grundversorgungsauftrages denken228. Gesetzgeber wie auch Rundfunkanstalten ließen sich dabei so einbinden, dass letztere bei der Kommission in bestimmten Abständen ihren Programmbedarf anmeldeten, diese anhand ihrer 223
Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 202. www.presserat.de/site/beschwer/anleit/index.shtml (Stand: 01.10.2004). 225 Vgl. hierzu Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 96. 226 Groebel u. a., in: Hamm, Bericht zur Lage des Fernsehens, S. 184 f. 227 Vgl. Schwarzkopf, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik in Deutschland, Bd. 2, S. 1160. 228 Eifert, ZUM 1999, 595, 601 f.; vgl. auch Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 99, 108. Von Groebel u. a., in: Hamm, Bericht zur Lage des Fernsehens, S. 188 ff., wird zur Analyse und Bewertung von Programmentwicklungen ein Medienrat vorgeschlagen, der auch Empfehlungen aussprechen kann. Eine ganz andere Lösungsmöglichkeit findet sich bei Gersdorf, AfP 1994, 108, 113, der die Landesmedienanstalten mit der Konkretisierung betrauen will. 224
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aufgestellter Maßstäbe eine Entscheidung träfe, von der der Gesetzgeber dann nur aus nachvollziehbaren, an Art. 5 GG zu legitimierenden Gründen229 abweichen dürfte. Diese Variante böte einen Kompromiss zwischen der Möglichkeit einer gesetzlichen Konkretisierung, die neben der Programmautonomie auch mit der Staatsfreiheit des Rundfunks in Konflikt geraten könnte, und der Möglichkeit einer in Form von Selbstverpflichtungen der Rundfunkanstalten vorzunehmenden Konkretisierung, die im Hinblick auf die Effizienz Probleme aufwerfen könnte. Bevor jedoch die Einrichtung einer weiteren Institution im Rundfunkbereich vorschnell begrüßt wird, ist zunächst in einer Diskussion der bislang lediglich in Kurzform vorgestellten Varianten der gesetzlichen und anstaltlichen Konkretisierung samt angedeuteten Vor- und Nachteilen der Frage nachzugehen, ob und inwiefern nicht bereits mit den vorhandenen Akteuren eine genauere Festlegung von Inhalt und Umfang der Grundversorgung in rechtlich zulässiger und zugleich auch effizienter Weise realisierbar erscheint. d) Diskussion aa) Spannungslage zwischen Ausgestaltungsaufgabe und Konkretisierungsbedürfnis einerseits und Programmautonomie sowie Staatsfreiheit andererseits Ursache der intensiv diskutierten Problematik einer genaueren Bestimmung des momentan den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugedachten Grundversorgungsauftrages ist die darin zum Ausdruck kommende besondere Spannungslage230: Auf der einen Seite verlangt das Grundrecht der Rundfunkfreiheit in seiner objektiv-rechtlichen Dimension eine positive Ordnung. Der Staat respektive der Gesetzgeber wird als Grundrechtsgarant in die Pflicht genommen, durch entsprechende Ausgestaltung der Rundfunkordnung das Normziel des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung, zu gewährleisten. Seiner Verpflichtung zur Gewährleistung einer freien Berichterstattung durch den Rundfunk kommt er zwar im Wesentlichen durch die Etablierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und die Aufstellung bestimmter Programmvorgaben nach231. Genauere gesetzliche Vorgaben hinsichtlich Inhalt und Umfang der zunächst den Rundfunk229
Hierzu Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 205. Hierzu BVerfGE 90, 60, 88 f.; Bethge, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, S. 121; Rossen-Stadtfeld, in: Donges/Puppis, S. 72. 231 So das gefundene Ergebnis vorstehend unter A. III. 230
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anstalten zugedachten Grundversorgung könnten allerdings dazu beitragen, die Rundfunkfreiheit unter verschiedenen Aspekten zu verbessern232. Auf der anderen Seite beinhaltet Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine subjektivrechtliche Dimension, derzufolge die Rundfunkanstalten Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sind. Sie können sich auf das zentrale Element dieses Rechts, auf die Programmautonomie233, berufen, während für den Gesetzgeber, von dessen Regelungen zugleich auch Gefahren für die Rundfunkfreiheit ausgehen können, als Kehrseite der Programmautonomie der Grundsatz der Staatsfreiheit gilt234. Genaue gesetzliche Vorgaben beinhalten die Gefahr staatlicher Beeinflussung des Rundfunkprogramms und können unter Umständen die Programmfreiheit der Rundfunkfreiheit in verfassungswidriger Weise einschränken. Eine vorliegend als optimierend eingeordnete Konkretisierung der Grundversorgung muss sich zwischen den beiden Eckpunkte Programmautonomie und Staatsfreiheit einerseits und Ausgestaltungsvorbehalt andererseits bewegen. Dies erfordert einen schwierigen Balanceakt. Nicht von ungefähr wird daher in dieser Problematik die „aktuelle Gretchenfrage des Rechts“235 gesehen. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, inwieweit sich die zur Disposition stehenden Konkretisierungsmodelle in dieses Spannungsverhältnis einfügen lassen, ohne mit der Staatsfreiheit und der Programmautonomie zu kollidieren. Dabei werden die Argumente für und wider den jeweiligen Ansatz gegenübergestellt und bewertet sowie die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, die häufig nicht ganz eindeutig sind, in ihrem jeweiligen Kontext eingeordnet, um von dort aus zu einem zulässigen und wirksamen Konkretisierungsvorschlag zu kommen. bb) Pro und Contra einer Konkretisierung durch die Rundfunkanstalten in Form von Selbstverpflichtungen (1) Programmautonomie Das wohl gewichtigste Argument für eine allein von den Rundfunkanstalten selbst vorzunehmende Konkretisierung ist die ihnen im Rahmen des 232
Siehe unter B. I. Vgl. BVerfGE 59, 231, 258; 87, 181, 201; 89, 144, 152; 90, 60, 87; 95, 220, 234; 97, 298, 310. 234 Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass Staatsfreiheit und Programmautonomie zwar Übereinstimmungen aufweisen, jedoch nicht synonym verwendet werden können, umfasst die Programmfreiheit weitergehend auch die Unabhängigkeit des Programms von privaten Interessen, vgl. BVerfGE 95, 220, 234. 235 Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 65. 233
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Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zustehende Programmautonomie, derzufolge den Rundfunkanstalten Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme obliegt236. Als Trägern der Rundfunkfreiheit kommt ihnen das Recht der eigenständigen Entscheidung darüber zu, welche Programminhalte und welche Programmformen nötig sind und wie viel Zeit für die jeweiligen Programme aufzuwenden ist, wie groß folglich der Umfang des Programmangebotes ist237. Prinzipiell müsste es von daher der Kompetenz der Rundfunkanstalten unterstellt sein, beispielsweise den Anteil kultureller Sendungen am Gesamtprogramm im Rahmen der Grundversorgung genauer festzulegen und zu entscheiden, wie viele Programme ausgestrahlt werden. Die Programmautonomie stellt sich allerdings nicht als ein absolutes, unantastbares Schutzgut dar, das den Rundfunkanstalten in unbegrenzter Weise gewährleistet ist. Dies wird deutlich, betrachtet man die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts als zur Grundgesetzauslegung berufenes Organ genauer in ihrem Kontext. Zwar ist es richtig, dass den Rundfunkanstalten das Recht zugestanden wird, die Entscheidung über die als nötig angesehenen Inhalte und Formen, die zu ihrer Verwirklichung benötigte Zeit und den Umfang des Programms zu treffen, diese weitgehende Autonomie der Anstalten wird allerdings im darauffolgenden Satz durch Worte wie „grundsätzlich“ sowie „primär“ wieder eingeschränkt238. Die Entscheidung über die Programmanzahl und Programmarten wird vom Bundesverfassungsgericht zwar „primär“, aber eben nur „primär“ und nicht „ausschließlich“ als Sache der Rundfunkanstalten eingeordnet. Gleich im Anschluss äußert es, die den Rundfunkanstalten zugedachten Entscheidungen bedeuten nicht, „dass gesetzliche Programmzahlbegrenzungen mit der Verfassung von vornherein unvereinbar wären“239. Die Rundfunkanstalten sind zwar frei zu entscheiden, wie sie ihre Funktion erfüllen, dies jedoch nur „im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zielsetzung und der gesetzlichen Aufgabenzuweisung“240. Auch können die Rundfunkanstalten nur das bestimmen, „was die verfassungsrechtlich vorgegebene und gesetzlich näher umschriebene Funktion publizistisch erfordert“241. Von vornherein kann die den Kernbereich der Rundfunkfreiheit bildende Programmautonomie zumindest nicht in einer Absolutheit gegen jegliche gesetzliche Begrenzungen verwendet werden. Vielmehr muss sie im Zusam236 237 238 239 240 241
BVerfGE 59, 231, 258; 73, 118, 182 f.; 89, 144, 152; 90, 60, 87. Vgl. BVerfGE 87, 181, 201; 90, 60, 91 f. BVerfGE 87, 181, 201; 90, 60, 91 f. BVerfGE 90, 60, 92. BVerfGE 87, 181, 200 f. BVerfGE 90, 60, 91.
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menhang mit der getroffenen Einschränkung der verfassungsrechtlich vorgegebenen und gesetzlich konkretisierten Funktion gesehen werden. Eine derartige Sichtweise stimmt auch mit dem Verständnis der Rundfunkanstalten als Treuhänder der Gesellschaft242 überein. Schließlich wird den Rundfunkanstalten das Grundrecht der Rundfunkfreiheit nicht um ihrer selbst willen zugestanden, sondern sie dienen mit der Wahrnehmung dieses Rechts, d. h. mit der Veranstaltung von Rundfunk, der Meinungs- und Willenbildung der Gesellschaft. Hierauf abzielende Regelungen können daher durchaus die Programmautonomie als Kernelement der Rundfunkfreiheit beschränken. (2) Ursprüngliches Konzept Für eine genauere Festlegung des Grundversorgungsauftrages innerhalb der jeweiligen Rundfunkanstalt ließe sich folgende Überlegung anführen: Das ursprüngliche Konzept ging angesichts der präzisen inhaltlichen Ausgestaltung des Rundfunkprogramms unter den Nationalsozialisten dahin, bestimmte, unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinwohls wünschenswerte Programminhalte nicht durch gesetzliche Vorgaben durchzusetzen, sondern sich mittels einer entsprechenden Organisation entwickeln zu lassen. Gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertraute man auf die Entstehung möglichst großer meinungsmäßiger und inhaltlicher Vielfalt durch die binnenpluralistische Organisation samt aus diversen Gesellschaftsschichten rekrutierten Gremien243. Vor diesem Hintergrund spräche einiges dafür, in Fortführung des ursprünglichen Konzeptes nicht zu gesetzlich detaillierteren Regelungen überzugehen, sondern auch weiterhin auf das binnenpluralistische Modell in den Rundfunkanstalten zu vertrauen und diese höchstens – anders als bisher – zur Aufstellung und auch Einhaltung von Selbstverpflichtungserklärungen anzuhalten, in jedem Fall mithin die Konkretisierung im anstaltsinternen Bereich anzusiedeln. Dies entspräche anders als eine von außen kommende gesetzliche Regulierung auch dem auf Selbstregulierung abzielenden244 binnenpluralistischen Konzept. Die Beibehaltung des anfänglichen Gedankenganges in Modifikation allein durch die Aufstellung von Selbstverpflichtungserklärungen setzt jedoch die volle Funktionsfähigkeit des jetzigen Modells voraus. 242
Hierzu Hoffmann-Riem, in Weiß, Aufgaben und Perspektiven, S. 22 f. m. w. N. Siehe unter 1. Teil C. IV. Vgl. auch BVerfGE 12, 205, 262 f., in der das Gericht feststellte, die Leitgrundsätze, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten, hätten nicht nur in einer entsprechenden Normsetzung zum Ausdruck zu kommen, sondern müssten sich auch in der Organisationsform widerspiegeln. 244 Hierzu Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 140 ff., 280 ff. 243
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(a) Fehlende Effektivität der Arbeit der Rundfunkräte Gerade im Zusammenhang mit dem Kernelement der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, dem – am Idealbild des viele Facetten abbildenden und auch ins Programm einbringenden Gremiums ausgerichteten – Rundfunkrat, sind etliche Mängel zu konstatieren. So haben die aus Vertretern der verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzten Rundfunkräte regelmäßig neben der Rundfunkratstätigkeit noch andere Ämter inne. Vor diesem Hintergrund werden Vorwürfe dergestalt laut, die Rundfunkratsmitglieder würden angesichts der Nebenamtlichkeit und aufgrund anderweitiger Verpflichtungen kaum oder gar nicht Rundfunk rezipieren245, besäßen folglich kaum einen Überblick über das Gesamtprogramm246. Neben diesen Kritikpunkten und der bereits beleuchteten Politisierung wird auch bemängelt, bei den Rundfunkräten bestehe häufig ein unzulänglicher Sachverstand247. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund, dass sich der Rundfunkrat nur sporadisch trifft248, erscheint eine effektive Arbeit in den Räten, die ja gerade infolge ihrer Zusammensetzung zur meinungsmäßigen und inhaltlichen Programmvielfalt beitragen sollen, fraglich249. Mithin funktionieren bereits die Rundfunkräte als ranghöchstes Organ und Kernelement der binnenpluralistischen Organisationsstruktur nicht wie vorgestellt, wenngleich eine gewisse Eigenkontrolle infolge der verschiedenen im Rat aufeinanderprallenden Interessen nicht geleugnet werden kann. Eine 245
Kepplinger, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, S. 467 f., nach dessen Untersuchungen die Fernsehnutzung der Gremienmitglieder erheblich unter der der Bevölkerung liegt. Vgl. auch Brosius/Rössler/Schulte zur Hausen, Publizistik 2000, 417, 429. 246 Vgl. Groebel u. a., in: Hamm, Bericht zur Lage des Fernsehens, S. 155 f.; Ronneberger, in: Bausch, Organisation des Fernsehens, S. 22. 247 Meier, ZUM 1997, 249, 256; Wiechers, Markt und Macht, S. 165. Kritik am Repräsentationsprinzip des Rundfunkrats ganz allgemein äußert Jank, Rundfunkanstalten, S. 59 ff. 248 Beispielsweise sind beim MDR, NDR und RBB mindestens viermal im Jahr Sitzungen vorgesehen, Art. 5 Abs. 1 S. 1 MDR-StV; Art. 5 Abs. 1 NDR-Satzung; § 15 Abs. 2 S. 1 RBB-StV. Beim SWR sind lediglich drei Sitzungen vorgegeben, Art. 8 Abs. 1 S. 1 SWR-Satzung. Häufig bleibt es lediglich bei der Anzahl dieser gesetzlich vorgegebenen Terminanzahl. Allerdings finden vermehrt Sitzungen der Ausschüsse statt. 249 Vgl. hierzu Wiechers, Markt und Macht, S. 165 m. w. N.; Degenhart, ZUM 1997, 153, 159. Zu dieser Einschätzung tendieren auch die Rundfunkräte selbst, stimmten doch fast zwei Drittel der befragten Rundfunkräte grundsätzlich der Aussage zu, öffentlich-rechtliche Unternehmen von der Größenordnung der Fernsehanstalten könnten in ihrem organisatorischen, finanziellen, personalpolitischen Gebaren nicht durch Gremien von Dilettanten kontrolliert werden, die sich einmal im Monat berieten (vgl. hierzu Kepplinger, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, S. 476).
362 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Fortführung des ursprünglichen Konzepts unter Verzicht auf detailliertere gesetzliche Regelungen und ein Überlassen der Konkretisierung den Rundfunkanstalten selbst ist daher nicht ohne weiteres unter Verweis auf das ursprüngliche Konzept zu befürworten. Gerade die Programminhalte der Bildung und Kultur – zum Vorhandensein meinungsmäßiger Vielfalt konnten angesichts der benannten Schwierigkeiten keine empirisch belegbare Aussagen getroffen werden250 – kommen trotz entsprechender Ratsbesetzung nicht optimal zur Geltung. Mehr und mehr zeigt sich somit, dass die (infolge der ursprünglichen, noch unter den Alliierten getroffenen, Konzeption) getätigte Annahme des Bundesverfassungsgerichts, aus der pluralistischen Zusammensetzung der Rundfunkräte folge automatisch ein vielseitiges und ausgewogenes Rundfunkprogramm, zu vereinfachend ist. Vorwiegend auf eine entsprechende organisatorische Ausformung zu vertrauen, ist angesichts der aufgezeigten Sachlage somit nicht allein erfolgversprechend. (b) Kompetenzverteilung innerhalb der Rundfunkanstalten Zwar ließe sich der Forderung nach mehr rundfunkspezifischen Sachverstand in den Gremien251 durch eine verstärkte Beteiligung unabhängiger Medienfachleute oder aber auch Rezipienten nach dem Prinzip der Auswahl von Schöffen nachkommen252. Gerade durch eine Beteiligung letzterer ließe sich zudem eine Auflockerung der Abgeschlossenheit der Rundfunkanstalten und bessere Verbindung zur Öffentlichkeit herbeiführen. Allein dadurch eine verbesserte inhaltliche Vielfalt herbeizuführen, erscheint fragwürdig, berücksichtigt man die bestehende Kompetenzverteilung in den Rundfunkanstalten, derzufolge dem Rundfunkrat keine Programmgestaltungskompetenz zukommt253. Würde dieser infolge einer verbesserten Zusammensetzung detailliert Einfluss auf den Programminhalt nehmen, käme das bisherige Kompetenzgefüge der Rundfunkanstalt ins Wanken. Schließlich obliegt dem Rundfunkrat die Beratung und Kontrolle der vom Intendanten zu verantwortenden Programmentscheidungen, den er dann nicht mehr voll zur Verantwortung ziehen könnte, wenn er selbst Programmentscheidungen treffen würde, da er in diesem Fall eine Mitverantwortung am Programm tragen würde. Der Intendant, mit der Programmgestaltungskompetenz versehen, ist jedoch mangels genau nachprüfbarer Maßstäbe, nach 250
Vgl. unter A. I. 3. In diese Richtung auch Stock, in: Kops, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in gesellschaftlicher Verantwortung, S. 70 f. 252 Frank, in: Schiwy/Schütz, Medienrecht, S. 354; vorsichtig befürwortend auch Brosius/Rössler/Schulte zur Hausen, Publizistik 2000, 417, 439; vgl. hierzu auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 282 ff. 253 Siehe unter 1. Teil C. V. I. 251
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
363
denen er sein Programm zu verantworten hat, dem bereits aufgezeigten Druck der Quote254, die grundsätzlich mit Erfolg und damit gesellschaftlicher Akzeptanz gleichgesetzt wird, verstärkt ausgesetzt und kann diesem – selbst wenn der Rundfunkrat insgesamt im anfänglich vorgestellten Sinne effektiver arbeiten würde – eben mangels konkret gefasster Vorgaben weitgehend unkontrolliert nachgeben. Dass die tatbestandliche Weite der bisherigen gesetzlichen Programmvorgaben durch die bestehende Organisation innerhalb der Rundfunkanstalt in ausreichendem Maß kompensiert wird255, kann mithin nicht angenommen werden. Die Fortführung des ursprünglichen Konzeptes kann insgesamt nicht gegen detailliertere gesetzliche Regelungen zur Konkretisierung des momentan den Rundfunkanstalten zugedachten Grundversorgungsauftrages angeführt werden. (3) Eigene anstelle fremder Kontrolle Als Vorteil einer Zuordnung der optimierenden genaueren Fassung der Grundversorgung in den Bereich der Rundfunkanstalten erweist sich, dass es sich in diesem Fall um eine interne Selbstkontrolle handelt256, insofern also die Programmautonomie anders als bei gesetzlichen Konkretisierungen von außen prinzipiell nicht berührt wird. Zudem spricht einiges dafür, dass bei einer Überlassung der genaueren Festlegung von Inhalt und Umfang der Grundversorgung an diejenigen, die tagtäglich mit der Programmarbeit befasst sind und mit den Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren sowie den Abläufen in den Rundfunkanstalten vertraut sind, sachnahe und damit auch in der Realität tatsächlich erfüllbare Vorgaben aufgestellt werden. Diese werden in der Folge besser umgesetzt und vor allem auch akzeptiert, allein weil sie nicht von Rundfunkfremden von außen aufoktroyiert sind. Ebenfalls setzen Selbstverpflichtungen ein positives Signal gegenüber der Öffentlichkeit, zeigen die Rundfunkanstalten damit, dass sie ihren Auftrag ernst nehmen und bereit sind, dies nachprüfbar unter Beweis zu stellen. Wenn gegen eine Konkretisierung durch die jeweiligen Rundfunkräte eingewandt wird, diese hätten zu viele Mitglieder, um effektiv arbeiten zu kön254
Hierzu bereits unter I. 1. c). So aber Hesse, Rundfunkrecht, S. 165. 256 Bremer/Esser/Hoffmann, Rundfunk in der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung, S. 55; Kewenig, Inhalt und Grenzen, S. 122; vgl. auch Bethge, Verfassungsprobleme der Reorganisation, S. 30; Stern/Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S. 72; Starck, in. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 136. 255
364 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
nen257, so ist darauf zu verweisen, dass die Zahl der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Parlamentsmitglieder nicht zwingend geringer sein wird. Gleichzeitig ergibt sich dabei allerdings das generelle Problem, das von Grimm treffend mit den Worten „Selbstkontrolle ist stets Kontrolle im Interesse der Systemziele, nicht der Verfassungsziele“ umschrieben wird258. Dass von anstaltsintern vorgenommenen Konkretisierungen tatsächlich die gewünschten begrenzenden Wirkungen ausgehen werden, erscheint angesichts aufeinanderprallender Interessen tendenziell fraglich259. Dies zeigt sich auch anhand der seit längerer Zeit bestehenden Selbstverpflichtungserklärungen in Großbritannien, wo sich eine eher expansive denn limitierende Tendenz bemerkbar macht260. In diesem Zusammenhang ist auf die bei einigen Rundfunkanstalten seit langem bestehende Richtlinienkompetenz der Rundfunkräte zu verweisen261. Damit besteht die Möglichkeit, eine Leitlinie für das Programm vorzugeben262. Auch dabei gilt, dass die Entscheidungsbefugnis des Intendanten angesichts seiner Programmverantwortlichkeit durch die Statuierung detaillierter Vorgaben nicht soweit beschnitten werden darf, dass er für das Programm mangels eigener Gestaltung keine Verantwortung mehr übernehmen kann. Neben der Befugnis zur Aufstellung genereller, abstrakter Leitgedanken wird dennoch auch die Aufstellung eines Programmschemas zugestanden. Dem Intendanten dürfen Einzelheiten lediglich nicht so weitgehend vorgeschrieben werden, dass er keinen Raum mehr bei der Konkretisierung der Beiträge hinsichtlich ihres Inhalts, der zeitlichen Dauer und ihrer Platzierung hat263. Von dieser eröffneten Möglichkeit wurde allerdings kein Gebrauch gemacht, stattdessen wurden die gesetzlichen Programmgrundsätze mit anderen Worten dargestellt, konkrete Vorgaben lassen sich nicht finden. Die Grenzen, die dem Intendanten bei der Programmgestaltung gezogen wurden, entsprechen mithin weitgehend den der bereits in den Rundfunkgesetzen und -staatsverträgen bestehenden Vorgaben und bleiben damit hinter den Möglichkeiten zurück. Aus diesem Befund lässt sich eine mit den vorstehend aufgeführten Befürchtungen übereinstimmende Parallele zu den in Rede stehenden Selbstverpflichtungen ziehen. Hinzu tritt bei reinen Maßnahmen der Selbstregulierung noch der Aspekt, dass sie, selbst wenn sie weitgehende Konkretisierungen und damit einher257 258 259 260 261 262 263
So Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 305. Die Verwaltung 2003, Beiheft 4, 9, 17. Siehe unter I. 1. c). Vgl. unter II. 1. b). Siehe hierzu unter 1. Teil C. V. 1. Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 107. Vgl. Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 108 f.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
365
gehende Beschränkungen enthielten, nicht mit staatlichem Zwang unmittelbar durchsetzbar sind264, sondern auf ihre freiwillige Einhaltung vertraut werden muss. Die Vorteile der Selbstverpflichtungen werden durch die bevorstehenden Effizienzdefizite weitgehend aufgezehrt. cc) Pro und Contra einer Konkretisierung durch den Gesetzgeber in Form von gesetzlichen Regelungen (1) Weitreichende gesetzgeberische Ausgestaltungsaufgabe Gewichtigstes Argument für eine Einordnung der in Rede stehenden Konkretisierung der Grundversorgung in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers ist seine Ausgestaltungsaufgabe. Aufgrund der objektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit, die vom Gesetzgeber eine positive Ordnung fordert, ist er verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass den Rundfunkteilnehmern ein in Bezug auf Meinungen und Inhalte vielfältiges und ausgewogenes Programm zur Meinungs- und Willensbildung zur Verfügung steht265. Wie der Gesetzgeber seinem Verfassungsauftrag der Sicherstellung einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung im Einzelnen nachkommt, unterliegt seiner gesetzgeberischen Freiheit. Nicht nur die Wahl eines bestimmten Rundfunkmodells, sondern die genaue Ausgestaltung dieses Rundfunkmodells hinsichtlich der zu erfüllenden Aufgaben und der zu gewährleistenden Finanzierung wird von dem ihm zugebilligten Gestaltungsspielraum im Rundfunkbereich erfasst266. Zu berücksichtigen hat der Gesetzgeber dabei allerdings die verfassungsrechtlichen Determinanten267. (a) Grundversorgungskonkretisierung als Ausgestaltung Gerade die Grundversorgung umfasst ein sowohl inhaltlich (klassischer Rundfunkauftrag) als auch meinungsmäßig vielfältiges und ausgewogenes Rundfunkangebot, das für nahezu die gesamte Bevölkerung empfangbar ist. Sie stellt sich damit letztlich als objektiv-rechtliches Kernelement der gesetzgeberisch zu gewährleistenden Rundfunkfreiheit dar268. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen verpflichtet, sicherzustellen, dass der Bevölke264 265 266 267 268
Fechner, JZ 2003, 224, 225. Vgl. BVerfGE 57, 295, 320; 74, 297, 324; 83, 283, 296, 315; 90, 60, 88. Vgl. BVerfGE 87, 181, 198; 90, 60, 94. Hierzu bereits unter 2. Teil A. II. Vgl. unter 2. Teil. A. II. 2. d) cc) (6).
366 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
rung zur Meinungsbildung ein ausgewogenes und vielfältiges Rundfunkprogramm offen steht. Ihm wird zu diesem Zweck eine weitreichende, lediglich an bestimmte verfassungsrechtliche Vorgaben gebundene Ausgestaltungsbefugnis zugestanden. Von daher ist nicht einzusehen, warum dies gerade nicht für die inmitten der Rundfunkfreiheit stehende, die gewünschten Werte auf sich vereinigende Grundversorgung gelten soll, solange der Gesetzgeber bei der näheren Ausgestaltung in Form von Aufgabenzuweisungen die wesentlichen Elemente der Grundversorgung weiterhin zum Ausdruck bringt und diese nicht etwa auf eine Mindestversorgung reduziert sowie die Determinanten der Programmautonomie und der Staatsfreiheit hinreichend beachtet. Zwar tragen die Rundfunkanstalten der Grundversorgung auch in der momentanen Situation noch ausreichend Rechnung, in der regelmäßig generellabstrakte materielle Regelungen vorliegen und stattdessen auf die rundfunkrechtliche Organisation vertraut wird, um das zur Meinungsbildungsgewährleistung gewünschte Rundfunkprogramm zu erbringen. Gleichwohl besteht ein festgestellter Verbesserungsbedarf im Hinblick auf nicht optimal präsentierte Inhalte wie auch auf Programmausweitungen, deren Vorteile im Hinblick auf die Grundversorgung bei gleichzeitiger Berücksichtigung der beispielsweise für die Rundfunkteilnehmer einhergehenden Belastungen fraglich sind. Eine genauere Festlegung der Grundversorgung in Bezug auf inhaltliche Bestandteile und Gesamtumfang würde als Voraussetzung der Rundfunkfreiheit dazu beitragen, die Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramm zu optimieren, da die Rundfunkanstalten genaueren Zielvorgaben mit gebündelten Kräften erleichtert nachkommen könnten. Sie hätten infolge der Verweisungsmöglichkeit auf eine konkrete Aufgabenerfüllung als Grundversorgungsleistende einen stärkeren Stand und könnten damit ihre gesellschaftliche Akzeptanz steigern, was auch zu einer vermehrten Rezeption entsprechender öffentlich-rechtlicher Grundversorgungsprogramme führen könnte. Insgesamt wären bessere Leistungen besonders im Hinblick auf mehr Bildungs- und Kultursendungen und damit auch hinsichtlich einer verstärkten Berücksichtigung von Minderheitsinteressen erwartbar. Zudem bestehen angesichts der zurzeit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugedachten Grundversorgung und deren Kopplung an eine Gebührenfinanzierung denkbare grundrechtliche Kollisionslagen mit den Grundrechten der Rundfunkteilnehmer wie auch privater Rundfunkveranstalter269. Diese sind, da sie im grundrechtsrelevanten Bereich liegen, als wesentliche Entscheidungen vom Gesetzgeber zum Ausgleich zu bringen. Auch wenn eine mögliche Kollision mit Rechtsgütern Dritter Motiv für eine erstrebens269
Vgl. bereits unter I. 1. 4.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
367
werte Konkretisierung der Grundversorgung ist, so würde diese in erster Linie zur Sicherung der Rundfunkfreiheit im Interesse einer freien individuellen und öffentlichen Rundfunkfreiheit stattfinden, um im Schwerpunkt die Rundfunkfreiheit insgesamt zu stärken270. Die dabei zugleich ins Auge gefasste Programmzahlbegrenzung gerät auch nicht in Konflikt mit den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, Verbote von Beiträgen zur geistigen Auseinandersetzung hätten die Meinungsfreiheit noch nie sichern oder gar fördern können und stellten keine zulässigen Ausgestaltungen der Rundfunkfreiheit dar271; die Garantie der Rundfunkfreiheit verwehre es dem Gesetzgeber prinzipiell, die Veranstaltung bestimmter Rundfunkprogramme zu untersagen oder andere Maßnahmen zu treffen, welche die Möglichkeit verkürzten, durch Rundfunk verbreitete Beiträge zur Meinungsbildung zu leisten272. Schließlich stellt sich ein Programmverbot, dass sich gezielt auf ein bestimmtes Programm bezieht, anders dar als eine Programmzahlbegrenzung, die den Anstalten noch Spielräume offen lässt. Zudem ist dem Gesetzgeber die Untersagung bestimmter Rundfunkprogrammveranstaltungen „prinzipiell“, aber nicht „generell“ verwehrt. Eine entsprechende gesetzgeberische Prognose im Hinblick auf die beabsichtigten Verbesserungen im Bereich der Rundfunkfreiheit läge trotz der – in anbetracht des hohen Stellenwerts der berührten Programmautonomie und des Grundsatzes der Staatsfreiheit zu stellenden – strengen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit nicht neben der Sache, wie sich aus den Darlegungen ergibt. Insgesamt lassen sich gesetzliche Konkretisierungen der Grundversorgung grundsätzlich als Ausgestaltung einordnen273. Wie weit diese genau gehen darf und welche Grenzen dabei zu beachten sind, um verfassungsrechtlich zulässig zu sein, wird im Folgenden unter den Gesichtspunkten der Programmautonomie und Staatsfreiheit erörtert. 270
So ebenfalls Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 83. BVerfGE 74, 297, 332, 335. 272 BVerfGE 74, 297, 332. 273 Ebenso Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 24, der in diesem Zusammenhang eine Parallele zur Freiheit von Lehre und Forschung aus Art. 5 Abs. 3 GG und staatlich mitgestalteten Studien- und Prüfungsordnungen zieht, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 85, 95 ff.) ebenfalls keine Eingriffe darstellen; Degenhart, ZUM 2000, 356, 361, 363; Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 83; Lerche, FG Kübler, S. 240 ff.; vgl. auch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge die Funktion der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in ihren Grundzügen verfassungsrechtlich festliegt und durch die Rundfunkgesetze der Länder konkretisiert wird (BVerfGE 87, 181, 200). 271
368 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Zuvor sei jedoch auf Folgendes hingewiesen: (b) Keine genauere Festlegung der Grundversorgung mit Hilfe des finanziellen Rahmens In jedem Fall scheidet es aus, über die Vorgabe eines bestimmten Finanzrahmens eine genauere Eingrenzung des zurzeit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugedachten Grundversorgungsauftrages vorzunehmen und ihn zu einem stärker grundversorgungsorientierten Programmverhalten zu veranlassen. Wenn es dem Gesetzgeber auch grundsätzlich nicht versagt ist, Entscheidungen zu treffen, die als Ausgestaltungen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinen Funktionsbereich betreffen274, so muss er dabei den Gesetzgebungsweg beschreiten. Er darf folglich nicht mit Hilfe der Entscheidung der Gebührenfestsetzung einen gewissen Druck ausüben und so die Rundfunkordnung ausgestalten. Strukturveränderungen im Rundfunkbereich dürfen nicht mit der Verringerung der finanziellen Mittel erzwungen werden; die Gebührenfestsetzung darf weder direkt noch indirekt zu Zwecken der Programmlenkung oder der Gestaltung der Rundfunkordnung benutzt werden275. Bezeichnend für die Verknüpfung von Finanzierung und Programmautonomie ist in diesem Zusammenhang der Ausspruch, an der Frage der Gebühren entscheide sich die Frage der Rundfunkfreiheit276. Von daher kommt eine vertragliche Bindung wie in Frankreich, wo sich der öffentliche Rundfunk zur Erfüllung detaillierter Zielvorgaben verpflichtet und der Staat im Gegenzug die Finanzierung zusichert, nicht in Betracht. Abzulehnen ist auch der Vorschlag von Knothe und Schwalba, mit Hilfe der Gebührenbemessung und deren Sozialverträglichkeit zumindest einer übermäßigen Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegenzutreten277. Zwar bliebe die Entscheidung über die vorzunehmenden Einsparungen und damit über die Inhalte in diesem Fall bei den Anstalten, der Begriff der Sozialverträglichkeit ist allerdings äußerst schwer zu bestimmen, so dass fraglich wäre, bei welchem Ausmaß an Expansionen die KEF mit Verweis auf die fehlende Sozialverträglichkeit einer erneuten Gebührenerhöhung eingriffe. Zudem würde damit auch nicht der als problematisch eingestuften Teilvernachlässigung bildender und kultureller Inhalte entgegengetreten. 274 275 276 277
Ebenso Dörr, VerwArch 2001, 149, 165. Vgl. BVerfGE 74, 297, 342; 83, 238, 310; 87, 181, 202; 90, 60, 92 ff. Bausch, zit. nach: Langenbucher, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 329. MP 1999, 111, 117.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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(c) Keine Reduzierung der Programmautonomie auf bloßen Vorgabenvollzug Voraussetzung einer Einordnung der gesetzlichen Grundversorgungskonkretisierung als verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung ist, dass die darin getroffenen Festlegungen nicht so weit gehen, den Rundfunkanstalten kaum mehr Freiraum bei ihrer Programmgestaltung zuzugestehen und sie lediglich die gesetzlichen Vorgaben umsetzen zu lassen. Wenn auch die Programmautonomie keinen absoluten Schutz gegen jegliche gesetzliche Programmregelungen bietet, so stellt sie eine beachtenswerte Grenze des Ausgestaltungsauftrags des Gesetzgebers dar, jenseits derer eine unzulässige Ausgestaltung vorliegt278. Im Zusammenhang mit der Gebührenfestsetzung führt das Bundesverfassungsgericht aus, es sei schwierig festzustellen, welche Programme für die Funktionserfüllung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und welche Mittel dafür wiederum erforderlich seien. Eine externe Definition der zur Funktionserfüllung erforderlichen Mittel scheide aus, da die Funktionserfüllung gerade in den internen Freiheitsraum der Rundfunkanstalten falle. Es bestehe zwar die Möglichkeit, die Funktion abstrakt festzulegen, die Funktionserfüllung dürfe nach Art und Weise nicht soweit festgelegt werden, dass sie nicht mehr Gebrauch einer Freiheit, sondern Vollzug eines vorgegebenen Rahmens wäre. Dies stünde sonst im Widerspruch zur Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG279. Gesetzt den Fall, die jeweiligen Landesgesetzgeber würden den ihrem Gebiet unterfallenden Rundfunkanstalten eine bestimmte Anzahl an Hörfunk- und Fernsehprogrammen vorgeben und festlegen, welche Programmstrukturen diese Programme aufzuweisen haben, etwa dergestalt, dass in bestimmten Zeiträumen anteilig Programmgegenstände (Information, Bildung, Unterhaltung, Kultur) vorgeschrieben würden, bliebe den Rundfunkanstalten noch immer genügend Freiraum, dieses Rahmenschema im Einzelnen konkret auszufüllen. Sie hätten weiterhin die Freiheit zu entscheiden, welche Sendung mit welchem konkreten Inhalt sie zu welchem genauen Zeitpunkt ausstrahlen. Der gesetzliche Rahmen wäre damit nicht so eng gezogen, dass ihnen diese Freiheit nur noch als Rudiment verbliebe. Die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Interessen würden angemessen berücksichtigt, so dass auch der subjektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit Rechnung getragen würde. 278
Vgl. auch Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 84; BVerfGE 87, 181, 198: Der Gesetzgeber ist gehalten, die grundrechtliche Freiheit der Rundfunkanstalten zu respektieren. 279 Vgl. BVerfGE 90, 60, 95; vgl. auch Gounalakis, AfP 2003, 395, 397 f. 24 Lindschau
370 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Dem Gesetzgeber ist es daher nicht von vornherein verwehrt280, ausgestaltende Regelungen im Programmbereich der Anstalten vorzunehmen, solange er dabei der Programmautonomie der Rundfunkanstalten in ihrem hohen Rang ausreichend Rechnung trägt und nicht derartig weitreichende und detaillierte Anordnungen trifft, die den Anstalten einen so geringen Spielraum überlassen, der die Bezeichnung „Programmautonomie“ nicht mehr verdient und infolge derer die Rundfunkanstalt zu einem bloßen „Vollzugsorgan“281 gesetzgeberischer Vorgaben herabgestuft wird. Die Programmanzahl wie auch deren Grundstruktur darf der Normgeber vorgeben, konkrete Einzelheiten hingegen nicht festlegen, anderenfalls bliebe vom Kern der Rundfunkfreiheit nicht genug übrig282. Auch das Bundesverfassungsgericht führte aus, „programmleitende Entscheidungen“ seien dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht versagt283. (d) Staatsfreiheit nicht im absoluten Sinne jeglichen Verbotes staatlichen Tätigwerdens Bei der angedachten gesetzgeberischen Rahmensetzung besteht auch kein Konflikt mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit, bedeutet dieser doch Freiheit des Rundfunks von der Herrschaft des Staates, nicht Freiheit von der Beteiligung des Staates284 überhaupt. Funktionssichernde gesetzliche Programmvorgaben werden als zulässig erachtet285, allerdings darf der Staat respektive der Gesetzgeber keinen bestimmenden Einfluss, sei er unmittelbarer oder aber mittelbarer Art, auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms erhalten286. Die in Rede stehende gesetzliche Konkretisierung hinsichtlich Programmanzahl und groben Programmschemas soll der verbesserten Sicherstellung der Grundversorgung dienen. Sie erlaubt angesichts ihres Rahmencharakters gleichzeitig weder unmittelbaren noch mittelbaren staatlich-politischen Einfluss auf die inhaltliche Programmgestaltung, sondern stellt sich als meinungsneutral dar. Ein bestimmtes Ergebnis ist mit den angedachten Regelungen nicht erzwingbar. Würde man jede programmbezogene Regelung als Verstoß gegen die Staatsfreiheit des Rundfunks ansehen, wäre in diesem Bereich kaum eine verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung denkbar287. 280
Vgl. hierzu auch Lerche, in: Bullinger/Kübler, Rundfunkorganisation, S. 26. Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 26. 282 Vgl. auch Lerche, FG Kübler, S. 241. 283 BVerfGE 90, 60, 94. 284 Kewenig, Inhalt und Grenzen, S. 37. 285 BVerfGE 90, 60, 89. 286 Vgl. BVerfGE 83, 238, 322 f., 330; 90, 60, 87 ff.; vgl. auch BVerfGE 73, 118, 182 f.; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 158. 287 Hoeren, Beilage MMR 8/2003, 1, 16. 281
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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Dass die Funktion des Rundfunks, der freien individuellen und öffentlichen Rundfunkfreiheit zu dienen, durch die in Rede stehenden gesetzlichen Maßnahmen gefährdet wird und daher die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dort ihre Grenze findet288, ist nicht ersichtlich. (e) Folgerung Insgesamt lässt sich die angedachte gesetzliche Regelung als zulässige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit begreifen. Bei der strikten Berücksichtigung der Vorgaben der Verfassung erweist sich die staatliche Ausgestaltungsmacht als nicht so weitgehend, dass sie die Erreichung des Ziels freier individueller und öffentlicher Willensbildung gefährdet – im Gegenteil. Auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kann aufgrund des bei den Rundfunkanstalten bestehenden Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresses „die Bestimmung dessen, was zur Funktionserfüllung erforderlich ist, . . . nicht den Rundfunkanstalten allein obliegen“289. Außerdem hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk laut Gericht „auf die Verwirklichung von Programmen, die für diese Funktion [scil. ein dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechendes Angebot] nicht erforderlich sind, von Verfassungs wegen keinen Anspruch“290. Würde die Bestimmung darüber, welche Programme zur Erfüllung des Auftrags als erforderlich einzustufen sind, allein bei den Rundfunkanstalten liegen, so wäre die vorgenommene Differenzierung zwischen erforderlichen und nicht erforderlichen Programmen zur Programmbegrenzung angesichts des den Anstalten innewohnenden Ausweitungsinteresses als unsinnig anzusehen. (2) Anstaltsstatus als juristische Person des öffentlichen Rechts Ebenfalls für eine Konkretisierung des momentan den Rundfunkanstalten zugedachten Grundversorgungsauftrages lässt sich die organisationsrechtliche Betrachtungsweise anführen. So gilt generell für juristische Personen des öffentlichen Rechts, und damit auch für die vom Gesetzgeber geschaffenen Rundfunkanstalten, dass ihr Aufgabenfeld von vornherein abgesteckt ist und sie nur dort tätig werden dürfen, wo ihnen vom Gesetzgeber Kompetenzen zugesprochen wurden291. Anders als natürlichen Personen oder 288
Vgl. BVerfGE 83, 238, 310. BVerfGE 87, 199, 202. 290 BVerfGE 90, 60, 92. 291 Vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 12; Degenhart, ZUM 1998, 333, 334; Grundmann, Rundfunkanstalten im Wettbewerb, S. 22; Hoffmann-Riem, in: Donges/Puppis, Zukunft, S. 32. 289
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dem Staat steht ihnen kein universaler Wirkungskreis offen und kommt ihnen keine Kompetenz-Kompetenz zu. Die jeweilige gesetzliche Aufgabenbestimmung wirkt mithin als „Pflicht und Rahmen“292. Das den Rundfunkanstalten zugestandene Selbstverwaltungsrecht293 vermag als einfachgesetzliche Ausformung der grundrechtlichen Programmautonomie über die gesetzliche Aufgabenumgrenzung – gesetzt den Fall, diese ist verfassungskonform gerade im Hinblick auf die Programmautonomie – regelmäßig nicht hinwegzuhelfen, ist es doch prinzipiell auf den gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich begrenzt294. Zwar ist zu bedenken, dass die Rundfunkanstalten anders als andere öffentlich-rechtliche Institutionen nicht Teil der organisierten Staatlichkeit sind, sondern einen grundrechtlichen Anspruch auf Wahrung ihrer Autonomie in dem von ihnen wahrgenommen Bereich der Rundfunkfreiheit besitzen. Ihnen muss daher der entsprechende Freiraum gelassen werden. Dies steht, wie gesehen, einer gesetzlichen Regelung in Form von genaueren Aufgabenumgrenzungen hingegen nicht von vornherein entgegen. (3) Flexibilitätserwägungen Als problematisch an gesetzlichen Konturierungen der Grundversorgung samt Programmzahlfestlegungen erweist sich, dass diese zu starr ausgeformt sein können, um der dynamischen Komponente der Grundversorgung in dem Maß flexibel Rechnung zu tragen, dass sie sich nicht als starke Beschränkung erweisen295. Denn auch wenn die vom Gesetzgeber normierte Aufgabenbeschreibung zum Zeitpunkt ihrer Aufstellung zutreffend sein sollte, so kann doch nicht vorhergesehen werden, wie sich der Rundfunk insgesamt entwickelt. Auf infolgedessen auftretende Veränderungen im Grundversorgungsbereich könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk dann trotz seiner ihm im Hinblick auf die Erfüllung der Grundversorgung gewährten Entwicklungsgarantie nicht schnell genug reagieren. Denn zunächst müsste der gesetzlich festgelegte Aufgabenbereich durch erneute Beschluss292
Herrmann, Rundfunkrecht, § 10 Rn. 1. Siehe unter 1. Teil C. I. 2. c). 294 Schreier, Selbstverwaltungsrecht, S. 340; Grundmann, Rundfunkanstalten im Wettbewerb, S. 25; vgl. auch Herrmann, Rundfunkrecht, § 9 Rn. 32 ff.; siehe z. B. die ausdrücklich einschränkenden Formulierungen in § 1 Abs. 1 RBB-StV sowie § 1 Abs. 2 S. 1 SWR-StV „im Rahmen dieses Staatsvertrags“; § 1 Abs. 2 DW-G „im Rahmen der folgenden Bestimmungen“. 295 Hierzu Hesse, Rundfunkrecht, S. 129, 133; ders., JZ 1997, 1083, 1085; Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 102; Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 94 f., Gounalakis, AfP 2003, 395, 396; Knothe/Schwalba, MP 1999, 111, 113. 293
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fassung im Parlament verändert werden, um beispielsweise neue Programme zuzulassen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk liefe damit Gefahr, von der Entwicklung überholt zu werden, zu einem Außenseiter des Mediengeschehens ohne nennenswerte Beachtung zu werden und die als wichtig erachtete Grundversorgung, zu deren Erbringung er zurzeit allein in der Lage ist, nicht mehr in vollem Umfang erfüllen zu können296. Dies wäre der Rundfunkfreiheit gerade nicht dienlich. Selbst wenn wie in § 3 Abs. 3 S. 1 SWR-StV auf die Bestands- und Entwicklungsgarantie Bezug genommen wird und weitere Programme trotz der Programmzahlfestlegung als zulässig angesehen werden, wenn eine entsprechende staatsvertragliche Vereinbarung besteht, kann eine derartige Konstruktion angesichts dessen, dass sich Aushandlung und Ratifizierung von Staatsverträgen häufig über Monate hinziehen297, die Flexibilitätsbedenken nicht ausräumen. Die gleichfalls ins Auge gefasste Konkretisierungsmöglichkeit durch die Rundfunkanstalten in Form von in bestimmten Abständen abzugebenden Selbstverpflichtungserklärungen wäre in Bezug auf eine erhöhte Flexibilität zwar prinzipiell von Vorteil. Sie würde sich allerdings, da derartige Selbstverpflichtungen rechtlich nicht bindend sind und infolgedessen genauso flexibel wieder geändert oder abgesetzt werden können, hinsichtlich der angestrebten effektiven Konkretisierung als Nachteil erweisen. Um dieser Problematik fehlender Flexibilität bei einem Tätigwerden des Gesetzgebers zu entgehen, bieten sich folgende Lösungsmöglichkeiten an: Entweder wird dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Situation in Anbetracht des dynamisch verstandenen Grundversorgungsauftrags in Verbindung mit der Entwicklungsgarantie ein grundrechtlicher Anspruch darauf zugestanden, den Aufgabenbereich zu erweitern298. Oder die gesetzliche Regelung muss so offen formuliert sein, dass sie auch dem Wandel der Zeit und Umstände gerecht wird. In jedem Fall würde jedoch die angestrebte genauere Fassung der Grundversorgung verfehlt werden, sei es, dass vorhandene genauere Festlegungen über den grundrechtlichen Anspruch überwunden würden, sei es, dass die gesetzlichen Bestimmungen von vornherein zu vage blieben. Fraglich ist, wie sich vor diesem Hintergrund die rundfunkrechtliche Dynamik beibehalten und dennoch eine Konkretisierung herbeiführen lässt. Betrachtet man die ins Auge gefasste gesetzliche Konkretisierung in Form von Programmzahlbegrenzungen und Programmstrukturvorgaben, so stellt 296 297 298
Vgl. auch BVerfGE 83, 238, 303. Hierzu auch Hesse, JZ 1997, 1083, 1085 f. Schreier, Selbstverwaltungsrecht, S. 271 f.; vgl. Hesse, Rundfunkrecht, S. 133.
374 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
sich diese als Rahmenregelung dar, die den Rundfunkanstalten bereits im Hinblick auf deren Programmautonomie genug Raum lässt, um innerhalb dieses groben Rahmens nach eigener Einschätzung der Rundfunkentwicklung Entscheidungen treffen zu können. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich im Rundfunkbereich so umwälzende technische oder gesellschaftliche Entwicklungen vollziehen, dass dieser Rahmen bei voller Ausschöpfung nicht mehr ausreicht, den Entwicklungen im Hinblick auf die Grundversorgungserbringung Rechnung zu tragen. Um dann schnell Abhilfe zu schaffen, könnte in den Rundfunkgesetzen die Möglichkeit vorgesehen werden, in gesetzlich bestimmten Abständen anhand eingereichter Lageeinschätzungen der Rundfunkanstalten zu überprüfen, inwieweit der vorgegebene Rahmen der Realität gerecht wird und bei negativem Befund die Bestimmungen innerhalb einer vorgegebenen Frist entsprechend anzupassen. Zwar wären die Rundfunkanstalten in dem Fall, dass die für die Grundversorgung als verfassungsrechtliche Determinante notwendigen Programminhalte und der erforderliche Programmumfang außerhalb des gesetzlichen Rahmens lägen, aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, d. h. dem Kerngedanken der Grundversorgung in Verbindung mit der Entwicklungsgarantie berechtigt, dennoch tätig zu werden, falls der Gesetzgeber den Rahmen nicht anpasste, die gesetzlichen Regelungen würden gleichwohl gewisse Wirkungen dadurch zeigen, dass das Ganze nachprüfbar und transparent in geregelten Bahnen verliefe. Insgesamt könnte so der dynamischen Grundversorgung und daran geknüpften Entwicklungsgarantie sowie der bundesverfassungsgerichtlichen Forderung nach einer Wettbewerbsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks299 Rechnung getragen werden. Wettbewerbsfähigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht als Selbstzweck, als Wachstum um jeden Preis gemeint, um mit gegebenenfalls expandieren Privatsendern an Größe mithalten zu können, sondern diese Äußerung ist im Hinblick auf die Grundversorgungserbringung zu sehen300. Denn die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Rundfunkanstalten verhindert die Marginalisierung ihrer Programme und einhergehend damit eine Marginalisierung und „Vernischung“ der mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen vermittelten Grundversorgung301. e) Schlussfolgerung einer Kombinationslösung Betrachtet man den bisherigen Diskussionsverlauf, zeichnet sich ein Überwiegen der Argumente für eine vorwiegende Kompetenz des Gesetz299 300 301
Vgl. BVerfGE 74, 297, 332; 87, 181, 203; 90, 60, 90. Ähnlich hierzu Ory, AfP 2000, 214, 215. Vgl. hierzu auch im Folgenden unter 3. a) bb).
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
375
gebers bei der genaueren Ausgestaltung der Grundversorgung ab. Gesetzliche Konkretisierungen vermögen, so sie denn den Status einer Rahmenregelung nicht überschreiten und hinreichend flexibel angelegt sind, den zurzeit den Rundfunkanstalten zugedachten Grundversorgungsauftrag in effektiver Weise zu optimieren. Sie können jedoch aufgrund des hohen Stellenwertes der Programmautonomie der Rundfunkanstalten nicht soweit gehen, Details zu regeln302, so dass den Rundfunkanstalten infolgedessen der bloße Vorgabenvollzug verbleibt. Wegen des Grundsatzes der Staatsfreiheit müssen programmliche Festschreibungen zudem inhaltlich offen formuliert sein303. Konkretisierungen durch die Rundfunkanstalten stellen zwar ein milderes Mittel gegenüber einer Fremdsteuerung durch den Gesetzgeber dar, diese sind jedoch nicht mit staatlichem Zwang unmittelbar durchsetzbar. Stattdessen muss auf ihre freiwillige Einhaltung vertraut werden, was angesichts der aufgezeigten Kollision eigener mit Gemeinwohlinteressen eher fraglich erscheint. Allerdings weisen die Rundfunkanstalten aufgrund jahrzehntelanger Befassung eine größere Sachnähe zum Gegenstand der Konkretisierung auf und können sich im Hinblick auf die Programmfreiheit detailliertere Ziele aufgeben. Zudem lassen eigene Vorgaben auf eine gesichertere Akzeptanz und daher auch bessere Umsetzung innerhalb der Anstalten als bei von außen getätigten Vorgaben hoffen. Auch gegenüber der Öffentlichkeit kann durch eigene Festlegungen des Auftrags der Rundfunkanstalten der Vorsatz zum Ausdruck gebracht werden, ständig an Verbesserungen des Auftrags zu arbeiten und sich Bewertungen offen zu stellen. aa) Kombination beider Ansätze Um diese Vorteile anstaltsinterner Vorgaben mit den Effizienzvorteilen gesetzlich bindender Vorgaben zu nutzen, bietet es sich an, beide Ansätze im Sinne einer regulierten Selbstregulierung, d. h. einer Verknüpfung von Fremd- und Eigensteuerung304, miteinander zu kombinieren, wobei der Schwerpunkt auf die Regulierung zu legen ist305. Der Gesetzgeber trifft dabei in den Bereichen, in denen in Eigenregie der Rundfunkanstalten keine Besserung erwartet werden darf, zum einen generelle, jedoch zugleich 302
Vgl. auch Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 193. Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 189. 304 Vgl. näher hierzu Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung 2003, Beiheft 4, 253, 255; Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, S. 50 ff.; HoffmannRiem, Regulierung, S. 155. 305 In Richtung einer Kombination auch Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 104 ff.; Fechner, JZ 2003, 224, 225, 228; Schoch, JZ 2002, 798, 806; Kleinsteuber, KJ 1993, 18; vgl. auch Ladeur, Die Verwaltung 2003, Beiheft 4, 59, 75. 303
376 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
konkretisierende Rahmenregelungen. Er verpflichtet die Rundfunkanstalten zum anderen, darüber hinausgehende eigene Regelungen zu treffen. Die Rundfunkanstalten setzen die gesetzlichen Regelungen im Rahmen ihrer Autonomie einerseits konkret um. Sie verpflichten sich andererseits, um die Dynamik im Rundfunkbereich gerade bei detailkonkreten Regelungen zu berücksichtigen, in bestimmten Zeitabständen – weitergehender als es die gesetzlichen Regelungen vermögen – zur Erreichung bestimmter Ziele. Die Details des momentan dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugedachten Grundversorgungsauftrages liegen mithin in der Programmfreiheit der Rundfunkanstalten. Um für eine stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit306 zu sorgen, werden die Selbstverpflichtungen veröffentlicht. Während über die Einhaltung und Umsetzung gesetzlicher Vorgaben die Rechtsaufsicht wacht, ist die Erfüllung der selbst eingegangenen Verpflichtungen nicht nur anstaltsintern zu offenbaren, sondern die Selbstevaluierung in bestimmten Zeitabständen hat ebenfalls gegenüber der Öffentlichkeit stattzufinden, wobei sicherzustellen wäre, dass von dieser Selbstevaluation genügend Notiz genommen würde, um eine wirkungsvolle Kontrolle zu garantieren. Anderenfalls ließe sich – zumindest was die Überwachung der Vorgabenerfüllung angeht – über ein unabhängiges, gesellschaftlich verankertes Sachverständigengremium anstelle der allgemeinen diffusen Öffentlichkeit nachdenken307. Zur Konkretisierung ist ein spezielles, neu einzurichtendes unabhängiges Sachverständigengremium308 aufgrund des aufgezeigten möglichen wechselseitigen Zusammenspiels der vorhandenen Akteure jedenfalls nicht erforderlich. bb) Subsidiarität gesetzlicher Regelungen bei funktionierender Selbstregulierung Parallel zum Interventionsrecht der Rechtsaufsichtsbehörde (in der Regel die Staatskanzlei), die nach allgemeiner Meinung regelmäßig erst dann eingreifen darf, wenn die anstaltsinternen Kontrollgremien versagt haben309, ließe sich allerdings als weitere Lösungsmöglichkeit auch daran denken, zunächst den Rundfunkanstalten die Möglichkeit zu geben, den – zumindest 306
So auch die Forderung von Rossen-Stadtfeld, in: Donges/Puppis, S. 79 f. Vgl. auch Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 139 ff.; in Richtung einer externen Überwachung auch die EU-Kommission in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk v. 17.10.2001, Abl EG Nr. C 320 v. 15.11.2001, S. 9; vgl. auch Brosius/Rössler/Schulte zur Hausen, Publizistik 2000, 417, 439 f. 308 So die anfangs unter c) angestrengte Überlegung. 309 1. Teil C. I. 2. b). 307
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
377
in absehbarer Zeit – ihnen obliegenden Grundversorgungsauftrag eigenständig zu konkretisieren. Erst für den Fall, dass dies scheitert, würde der Gesetzgeber eingeschaltet werden. Dem Gesetzgeber käme damit in diesem Modell ebenso wie im vorherigen durchaus eine Rolle zu, anstelle eines Zusammenspiels beider Akteure würde der Gesetzgeber hier nicht neben, sondern hinter den vorrangig agierenden Rundfunkanstalten positioniert. Demnach würden die in der Kompetenz des Gesetzgebers angesiedelten und für zulässig befundenen Maßnahmen zusätzlich zu den darüber hinausgehenden detaillierteren eigenen Vorgaben von den Rundfunkanstalten nach einer entsprechenden gesetzgeberischen Aufforderung getroffen werden. Der Gesetzgeber behielte sich jedoch vor, verpflichtend tätig zu werden, sollte sich nach Ablauf einer bestimmten Anlaufzeit herausstellen, dass sich die gegenüber einer Konkretisierung durch die Rundfunkanstalten geäußerten Kritikpunkte bestätigen und eine mangelnde Effizienz im Hinblick auf eine optimierte Grundversorgungserfüllung festzustellen ist. Diese hinter den Selbstverpflichtungen stehenden gesetzlichen Auffangregelungen als „staatliche Drohpotentiale“ einzustufen310, erscheint als eine zu einseitige Sichtweise311. Schließlich soll durch eine derartige Konstruktion gerade den Anstalten selbst die Möglichkeit gegeben werden, ohne gesetzliche, die Rundfunkautonomie berührende Regelungen die Grundversorgung genauer zu fassen. Betrachtet man diese ebenfalls mögliche Lösung, so zeigt sich, dass ein derartiges Vorgehen zwar im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes im Vergleich zur vorherigen Lösung ein größeres Risiko böte. Gleichzeitig würde jedoch die grundrechtlich verankerte Programmfreiheit der Rundfunkanstalten stärker berücksichtigt. Zudem würde eine derartige Konstruktion, bei der der Staat zunächst auf die Selbstregulierung der Handlungsträger vertraut, mit dem bereits skizzierten Wandel des Staatsverständnisses hin zu einem Gewährleistungsstaat im weitesten Sinne korrespondieren. cc) Die neue gesetzliche Regelung seit dem Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag In diesen Kontext ist die seit Inkrafttreten des Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrages am 1. April 2004 geltende neue gesetzliche Regelung einzuordnen. 310
So die Einordnung von Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 96, vgl. auch S. 155. 311 Vgl. auch Kammann, in: epd medien Nr. 3 v. 17.01.2004, 3, 5: Selbstverpflichtungen als Chance.
378 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
(1) § 11 Abs. 4, 5 RStV Neben den, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht näher eingrenzenden gesetzlichen Ausführungen des § 11 Abs. 1 bis 3 RStV312, werden in dessen Abs. 4 die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und Deutschlandradio verpflichtet, ihren jeweiligen Auftrag in zu veröffentlichenden Satzungen oder Richtlinien in allgemeingültiger Weise rechtsverbindlich näher auszugestalten und zu konkretisieren. Zudem sollen Bestimmungen zu Form, Inhalt und Verfahren von so genannten Selbstverpflichtungserklärungen313 getroffen werden314. Auf dieser Grundlage sollen sodann im Zwei-Jahres-Rhythmus die eigentlichen, vom Intendanten in Abstimmung mit den Gremien erarbeiteten, programmlichen Selbstverpflichtungserklärungen öffentlich315 abgegeben werden, in denen konkrete Programmziele benannt werden. Erwartet wird, dass die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages herausgearbeitet und im Detail fortentwickelt werden. Außerdem sollen konkrete Aussagen zu den besonderen Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht (Benennung des Umfanges einzelner Programmelemente) getroffen werden316. In den zweijährlichen Erklärungen (erstmals zum 1. Oktober 2004) soll nach Art einer Selbstevaluation317 zugleich über die Erfüllung des jeweiligen Auftrages, über Qualität und Quantität der Angebote und Programme berichtet werden. Die Berichte sollen so abgefasst werden, dass sie nachvollziehbar sind und auch eine Nachprüfung zulassen, inwiefern die Selbstverpflichtungen praktisch umgesetzt wurden. Damit stimmt die an das Verfahren bei der BBC angelehnte Neuregelung mit der zweitgenannten, den Subsidiaritätsgedanken gesetzlicher Regelungen befürwortenden Lösungsmöglichkeit überein. Zunächst wird den Rundfunkanstalten die Chance gegeben, ihren Auftrag genauer festzulegen. Da das Modell von Selbstverpflichtungen einschließlich vorheriger konkreter Zielsetzungen in dieser öffentlichen Weise im deutschen Rundfunkrecht neu 312
Siehe bereits unter I. 1. b). Der Begriff der „Selbstverpflichtungserklärung“ kommt im Staatsvertragstext selbst nicht vor. 314 Amtliche Begründung zum Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, abgedruckt bei Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, A 2.5. Hierzu ebenfalls Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 4, 27. 315 Überwiegend angedacht ist eine Veröffentlichung im Internet. 316 Amtliche Begründung zum Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. 317 Beispielsweise wird in den Programmrichtlinien des Saarländischen Rundfunks unter Punkt III der Rundfunkrat als Gremium zur Überprüfung der Einhaltung der abgegebenen Erklärungen genannt. 313
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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ist318, behalten sich die Länder in § 11 Abs. 5 RStV weiterhin vor, nach drei Jahren, d. h. im Jahr 2007, zu überprüfen, inwieweit das staatsvertraglich festgesetzte Verfahren angewandt wurde, welche Ergebnisse erzielt wurden und ob die Praxis der Selbstverpflichtungserklärungen den Erwartungen an eine Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrages ausreichend Rechnung trägt319. (2) Tatsächliche Umsetzung (a) Verabschiedete Richtlinien Am 30. März 2004 wurden beispielsweise die Richtlinien für die geforderten programmlichen Selbstverpflichtungen von der ARD-Hauptversammlung für das ARD-Gemeinschaftsprogramm verabschiedet320. Federführend für die Selbstverpflichtungserklärungen sowie die Berichte über die Erfüllung des Auftrags ist die aus den Intendanten oder deren Beauftragten zusammengesetzte Ständige Programmkonferenz der ARD, wobei jedoch auch die Rundfunkgremien der Landesrundfunkanstalten beteiligt werden321. In diesen Richtlinien wird neben Anforderungen an die Programmgestaltung und Onlineangebote der Auftrag der ARD in der geforderten allgemeingültigen Weise näher umschrieben. Dies geschieht, indem beispielsweise die Medium- und Faktorfunktion des Rundfunk festgestellt wird, die Programmbereiche Information, Bildung und Beratung wie auch die Vermittlung eines vielfältigen kulturellen Angebotes benannt werden, darauf hin318 Bei den meisten Rundfunkanstalten gab es auch vor der Neuregelung des Rundfunkstaatsvertrages auf freiwilliger Basis – auch Leitlinien oder Grundsätze genannte – interne Richtlinien. Zudem wurden intern jährliche Jahres- und Rechenschaftsberichte abgeliefert, in denen neben einem programminhaltlichen Teil auch über Zahlen Rechenschaft abgelegt wurde (Siehe z. B. § 4 Abs. 6 RBB und § 23 Abs. 4 SMG). 319 Vgl. hierzu auch die Amtliche Begründung zum Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. 320 Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm, abgedruckt in: epd medien Nr. 25 v. 03.04.2004, 25 ff. 321 Zum genauen Ablauf des Verfahrens vgl. Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm, II (2), abgedruckt in: epd medien Nr. 25 v. 03.04.2004, 25 ff. Beim ZDF berät sich der Fernsehrat hierüber aufgrund einer schriftlichen Vorlage des Intendanten. Die Selbstverpflichtungen werden vom Intendanten in eigener Verantwortung gegenüber dem Fernsehrat abgegeben und veröffentlicht. Die Prüfung und Feststellung, ob die zwei Jahre zuvor abgegebenen Selbstverpflichtungserklärungen eingehalten worden sind, nimmt dann der Fernsehrat vor. Vgl. § 3 Abs. 4 Satzung der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen“ in der Fassung v. 09.07.2004, abrufbar unter www.zdf.de (Stand: 01.10.2004).
380 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
gewiesen wird, dass die Bedürfnisse von Mehrheiten und Minderheiten berücksichtigt werden, ein Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen zu geben ist und die europäische Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt gefördert werden sollen. Damit und mit Aussagen wie die ARD verbreite und fördere Bildungsangebote, vermittele und fördere Kultur, Kunst und Wissenschaft wird zwar in ausführlicherer Weise, letztlich jedoch lediglich das wiederholt und zusammengefasst, was bereits in den Grundsätzen über die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen“322 wie auch in den Rundfunkgesetzen und -staatsverträgen an Aufgabenbestimmungen und Programmgrundsätzen festgelegt ist323. Vergleichbares lässt sich auch bei den bereits zuvor bestehenden Richtlinien des ZDF in der jetzt neuen Fassung vom 19.03.2004 feststellen324. Auch dort wird in genereller Weise die Wahrnehmung des besonderen Auftrags durch die Sendungen des ZDF umschrieben. (b) Veröffentlichte Selbstverpflichtungserklärungen Im Hinblick auf die so genannten Selbstverpflichtungserklärungen325 lässt sich Folgendes feststellen: Die ARD verpflichtet sich bezüglich des klassischen Rundfunkauftrages326, dass Informationsangebote in ihrem Gesamtprogramm den größten Anteil ausmachen. Für ihr Gemeinschaftsprogramm nennt sie die konkrete Zahl von mindestens 40% Informationsanteil, worin die Sportinformation mit rund 10% noch nicht enthalten sei. Auch im Hauptabendprogramm wird es vielfältige Informationsangebote geben. Tagesaktuelle Informationssendungen sollen im Ersten mit mehr als sechs Stunden täglich vertreten werden. An jedem Wochentag wird es im Hauptabendprogramm Hintergrundund Analyseformate wie Dokumentationen etc. geben. Mehr als 600 Dokumentarfilme, Dokumentationen, Features und Reportagen werden 2005/2006 322
Abgedruckt bei Ring, Medienrecht, C IV 1.303. Vgl. z. B. Art. 4 Abs. 1 BR-G; § 5 Abs. 1 NDR-StV; § 4 RBB-StV; §§ 2 Abs. 1, 3 RB-G; § 23 SMG; § 4 WDR-G. 324 Richtlinien für die Sendungen des „Zweiten Deutschen Fernsehens“ vom 11. Juli 1963 in der Fassung von 19.03.2004, abrufbar unter www.zdf.de (Stand: 01.10.2004). 325 Die genaue Bezeichnung variiert. Während sie bei der ARD „Leitlinien für die Programmgestaltung der ARD 2005/2006“ heißen (entsprechend auch beim NDR), nennt sie das ZDF „Programm-Perspektiven des ZDF 2004–2006“. Die genannten Dokumente von ARD und ZDF sind abgedruckt in FK Nr. 39/2004, 10 ff. bzw. 21 ff. 326 Punkte 1 bis 4 (Information, Kultur, Bildung/Beratung, Unterhaltung) der Leitlinien für die Programmgestaltung v. 14.09.2004. 323
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eingesetzt. Hinsichtlich der Sparte Kultur beabsichtigt die ARD ihre Rolle als Kulturmedium und -faktor auszubauen. Die momentanen Sendeplätze der Kulturmagazine werden überprüft, nach 23.00 Uhr sollen sie nicht mehr ausgestrahlt werden. Zudem wird die aktuelle Kulturberichterstattung in den Hauptnachrichtensendungen weiter ausgebaut. Häufig finden sich gerade im Kulturbereich Verweise auf die Programme von Arte und 3sat. Eine ähnlich konkrete Quote wie bei den Informationen wird nicht gesetzt, obwohl gerade hier Defizite aufgezeigt werden konnten. Auch im Bereich Bildung und Beratung werden abgesehen von allgemeinen Formulierungen und der Nennung einzelner Sendungen mit dem Versprechen, diese beizubehalten, keine darüber hinausgehenden Zusagen gemacht, zu welchen Sendezeiten wie viele Bildungs- und Beratungssendungen ausgestrahlt werden. Im Unterhaltungsbereich werden genaue Aussagen hinsichtlich der Produktion bestimmter Staffeln sowie Sendetermine für Krimis getätigt. Das ZDF strebt eine Mischung seines Hauptprogramms aus rund der Hälfte Information, rund einem Drittel Fiktion sowie jeweils rund 7% Show-Unterhaltung, Sport und Kinderprogramm an327. Bildungs- und Kultursendungen werden bei dieser Verteilung nicht ausdrücklich aufgezählt. Hinsichtlich des Informationsbereichs sollen wesentliche Teile in der Hauptsendezeit zwischen 19.00 und 23.00 Uhr platziert werden, die tagesaktuelle Information wird rund sechs Stunden pro Tag einnehmen. In der Sparte Kultur wird das ZDF im Hauptprogramm regelmäßig große Musikbzw. Bühnenprogramme ausstrahlen und dabei Eckdaten der Kulturgeschichte markieren, ferner werden Literaturprogramme weiterentwickelt. Die ZDF-Programmarbeit bleibt für Nachwuchskräfte offen, es wird angestrebt, deren Produktionen auffälliger im Programm zu platzieren. Im Bereich Bildung und Beratung wird die Aussage von jährlich über 500 historischen, Wissens-, Natur- und politischen Dokumentationsterminen im Hauptprogramm nicht mit in die Selbstverpflichtung aufgenommen. Dort werden lediglich Bereiche und einzelne Themenschwerpunkte genannt, zu denen Dokumentationen ausgestrahlt werden sollen. Im Bereich der Unterhaltung soll unter anderem Innovation gewährleistet werden, dadurch dass neue Themen, Autoren, Regisseure, Produzenten und Darsteller verwendet werden. Weiterhin sollen Parallelausstrahlungen im ZDF- und im Ersten Programm durch verstärkte Absprache zu vermeiden gesucht werden. Insgesamt lassen sich die jüngst formulierten Selbstverpflichtungserklärungen der Rundfunkanstalten nicht lediglich als „Ritual“328 bezeichnen. 327
Punkt 1 der Programm-Perspektiven v. 13.09.2004. Zu den folgenden Bereichen Information, Kultur, Bildung/Wissen/Service, Entspannung/Unterhaltung vgl. Punkt 2 bis 6. 328 So Lilienthal, epd medien Nr. 73 v. 18.09.2004, 3, 4.
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Denn am Beispiel von ARD und ZDF lassen sich zum Teil gute Ansätze im Hinblick auf eine Konkretisierung ihres Auftrages feststellen. So etwa, wenn konkrete Aussagen in einzelnen Bereichen bezüglich Sendezeiten und Quantität der Sendungen getroffen werden. Häufig wird jedoch in allgemeinen Umschreibungen und hehren Worten verharrt329 und sich lediglich generell zu verantwortungsbewussten, qualitativ hochwertigen Programmen bekannt. Die Mitte September 2004 abgegebenen Erklärungen sind zwar detaillierter als die bisherigen gesetzlichen Programmgrundsätze und verabschiedeten Richtlinien der Rundfunkanstalten. Sie sind aber häufig genauso wenig nachprüfbar in dem Sinne, dass am Ende festgestellt werden kann, ob das jeweilig formulierte Ziel erreicht wurde. Zwar ist zuzugeben, dass sich das Programm der nächsten zwei Jahre nicht in allen Einzelheiten exakt vorherbestimmen lässt. Auffallend ist allerdings, dass gerade in den Bereichen explizite, nachprüfbare Aussagen getroffen werden, in denen die Erfüllung der Grundversorgungserfüllung nicht in Frage gestellt wird, wie z. B. im Bereich der Information. In anderen Sparten wie dem Bildungsund Kulturbereich finden sich derartige prozentuale Mindestanteilsfestlegungen oder Angaben in Stunden wie auch Absichten der Sendeplatzverteilung tendenziell weniger. Zu der Aussage, das ZDF biete das umfangreichste Kulturprogramm im deutschen Fernsehen330, kann beispielsweise nur gelangt werden, indem zum Hauptprogramm der Kulturverbund mit 3sat, Arte und dem ZDF.theaterkanal hinzugezogen wird. In einer Gesamtbetrachtung der vorgenommenen Selbstverpflichtungserklärungen zeigt sich, dass diese trotz Verbesserungen im Hinblick auf einen in Teilen konkreteren Rundfunkauftrag hinter den zur Lösung der aufgezeigten Probleme erforderlichen genaueren Festlegungen zurückbleiben. Im Wesentlichen wird der status quo festgeschrieben, limitierende Tendenzen im Programmbereich lassen sich – ähnlich wie bei der BBC331 – nicht feststellen. Wenn sich das ZDF zur Einfrierung der Anzahl seiner digitalen Kanäle bekennt332, gibt es damit lediglich die ohnehin staatsvertraglich festgesetzte Begrenzung des § 19 Abs. 4 RStV wieder. Zudem bleibt weiter fraglich, inwiefern die genannten konkreten – und daher nachprüfbaren – Erklärungen der Rundfunkanstalten eingehalten werden, dies auch durch die internen Rundfunkräte in objektiver Weise nachgeprüft und eine mögliche Zielverfehlung bekannt gemacht wird. Bei der BBC hat sich schließlich he329 Harte Worte findet Lilienthal, epd medien Nr. 73 v. 18.09.2004, 3. Er bezeichnet die Selbstverpflichtungen als neue Form der Selbstdarstellung, in der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Volksbeglückungsmaschine geriere, bei dem viel Eigenlob im Spiel sei. 330 Punkt 3 der Programm-Perspektiven. 331 Vgl. vorstehend unter 1. b). 332 Punkt 8 der Programm-Perspektiven.
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rausgestellt, dass negative Entwicklungen und die Nichteinhaltung von Versprechen bei der Überprüfung nicht immer angesprochen werden. dd) Ausblick Es zeigt sich, dass die Gesetzgeber der Länder anstelle sofortiger gesetzlicher Maßnahmen zur Konkretisierung der Grundversorgung in Form von Rahmenregelungen in Kombination mit detaillierteren eigenen Vorgaben der Rundfunkanstalten selbst zunächst den Versuch wagen, auf die Selbstregulierungskräfte der Rundfunkanstalten zu vertrauen. Die (vom Staat per Gesetz initiierte) Selbstregulierung der Rundfunkanstalten hat prinzipiell Vorrang. Gerade in dem erwähnten Abs. 5 des § 11 RStV kommt jedoch eine gewisse skeptische Vorsicht des Gesetzgebers gegenüber dem Funktionieren der Selbstverpflichtungserklärungen zum Ausdruck333. Auch in der Protokollerklärung des Freistaates Sachsen zu § 11 wurde sich vorbehalten, aufgrund der Erfahrungen mit Selbstverpflichtungen zu prüfen, ob Fernsehund Hörfunkprogramme der in der ARD zusammengefassten Rundfunkanstalten staatsvertraglich quantitativ zu regeln seien334. Insgesamt werden weitergehende gesetzliche Regelungen zur Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrages nicht von vornherein ausgeschlossen. Dies ist vor dem Hintergrund der diskutierten Nachteile einer Konkretisierung durch die Rundfunkanstalten in Form von Selbstverpflichtungen auch anzuraten, wenngleich erstere angedeutete Lösungsmöglichkeit angesichts (wie gezeigt unbegründeter) Befürchtungen in Bezug auf Programmautonomie und Staatsfreiheit politisch schwieriger durchzusetzen wäre. Mit Blick auf die generellen Schwierigkeiten einer Selbstkontrolle und die widerstreitenden Interessen erscheinen so weitgehende genauere Festlegungen des Grundversorgungsauftrages, wie sie aufgrund der angeführten Gründe erforderlich wären, in Eigenregie der Rundfunkanstalten als unwahrscheinlich. Dies zeigt sich in Ansätzen bereits bei den veröffentlichten Selbstverpflichtungserklärungen, wobei ihre tatsächliche Umsetzung dahingestellt sei. Von daher wird im Folgenden von dem zuerst genannten kombinierten Ansatz gesetzlicher Rahmenregelungen und Detailregelungen der Rundfunkanstalten ausgegangen und werden mögliche Inhalte aufgezeigt. 3. Möglicher Inhalt eines konkretisierten Grundversorgungsauftrages Nach diesen Überlegungen zur Zuständigkeit einer Konkretisierung der Grundversorgung bleibt zu klären, wie der zukünftige Aktionsradius des öf333 334
Vgl. auch Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11 Rn. 28. Abgedruckt in Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 11.
384 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
fentlich-rechtlichen Rundfunks im Rahmen einer Konkretisierung abzustecken ist. Zuvor, d. h. vor dem Eingehen auf konkrete Vorschläge, ist ein kritischer Blick auf das folgende, immer wieder propagierte grundsätzliche Programmkonzept für den öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu werfen. Dabei kristallisieren sich auch bereits Leitlinien einer Konkretisierung heraus. a) Reduzierung der zu erbringenden Grundversorgung auf eine bloße Kompensationsfunktion aa) Forderung nach bloßem Defizitausgleich privater Rundfunkprogramme Angesichts dessen, dass sich auch der private Rundfunk im Vergleich zu seinen Anfängen beachtlich entwickelt hat und gerade im Unterhaltungsbereich ein breites Angebot vorzuweisen hat, wird vielfach die Meinung vertreten, künftig solle sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Programmen auf solche Inhalte konzentrieren, die vom privaten Rundfunk aufgrund der beschriebenen strukturellen Abhängigkeiten mangels entsprechender Wirtschaftlichkeit nicht erbracht werden. Er habe sich im Rahmen der Grundversorgungswahrnehmung auf eine bloße Kompensation der dortigen Defizite zu beschränken335. Diesem Kompensationsgedanken ist zuzugestehen, dass er sich zumindest in Ansätzen in der Konzeption der Grundversorgung und auch der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederfinden lässt. Denn solange und soweit die Grundversorgung durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk erbracht wird, sind die Anforderungen an den privaten Rundfunk in Bezug auf die Breite des Programmangebotes und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt zu reduzieren336. Auch äußert das Gericht, Ungleichgewichtigkeiten seitens privaten Rundfunks, die nicht gravierend seien, ließen sich solange hinnehmen337. Nach Ansicht von Schmitt Glaeser ist es letztendlich nichts anderes als Kompensation, wenn der Senat (nicht gravierende) Ungleichgewichtigkeiten im privaten Rundfunk für hinnehmbar hält, soweit in den öffentlich-recht335 Klein, Rundfunkfreiheit, S. 89; Schmitt Glaeser, DVBl 1987, 14, 19; Scholz, JZ 1981, 561, 564; Starck, NJW 1992, 3257, 3262 f.; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 93, Wiechers, Markt und Macht, S. 194; für eine Beschränkung auf bildende und kulturelle Inhalte für die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bleibende Übergangszeit auch VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 34. 336 BVerfGE 73, 118, 158 f.; 74, 297, 325; 83, 238, 297. 337 BVerfGE 73, 118, 159; 83, 238, 316.
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lichen Programmen die Vielfalt zum Ausdruck kommt338. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass gerade angesichts dieser, von Schmitt Glaeser in Klammern gesetzten, „nicht gravierenden“ Ungleichgewichtigkeiten noch kein Bedürfnis nach einer Kompensation besteht, zumal die Sicherung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt nicht arithmetisch festzustellen ist, sondern als Zielwert aufzufassen ist339. Insofern besteht kein Anlass, dem Gericht etwaige Widersprüche in dieser Hinsicht aufzuzeigen340. bb) Beibehaltung der bisherigen Grundversorgungskonzeption Stattdessen ist die Konzeption der Grundversorgung als eine gewisse „Basisgewährleistung“ allgemein empfangbarer vielfältiger Inhalte und Meinungen, momentan (noch) durch die Rundfunkanstalten, zu verstehen341, der bestimmte, nicht allzu große Ausmaße annehmende Unvollständigkeiten beim Privatfunk nichts anhaben können. Eine Kompensation in dem Sinne, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk genau die Defizite gezielt ausgleicht, die ihm der private Rundfunk hinterlässt, lässt sich dem hingegen nicht entnehmen. Anderenfalls könnten nicht nur die kommerziellen Rundfunkveranstalter künftig zumindest indirekt über die Programmpalette des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestimmen342, sondern darüber hinaus stünde es zu befürchten, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der sich auf ein hochwertiges, meinungs- und bildungsorientiertes Angebot beschränkt, zu einem Nischenprogramm all derjenigen Programmgegenstände und Meinungen verkümmert, die vom Privatfunk mangels ausreichender Nachfrage nicht gesendet werden. Ein derartiges Programm wäre im Vergleich zu vorher einseitiger und auch für die breite, stark an Unterhaltung interessierte Masse unattraktiver. Bei einem Rückzug in Nischen oder auf eine Hochkultur würde im weiteren Verlauf nur noch eine bestimmte Klientel das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rezipieren. Ein Großteil der Bevölkerung, denen derartige Nischensendungen wie aus dem Bildungsbereich zu anspruchsvoll wären oder an deren Interessen vorbeigingen, würde sich den privaten Free-TV- und Pay-TV-Programmen zuwenden. Damit würde die Chance verspielt, mit einem durch die Kombination aus Unterhaltungs-, Informations-, Bildungs- und Kulturangeboten attraktiven Programm diejenigen Bevölkerungsschichten zu erreichen, 338
Schmitt Glaeser, AöR 112 (1987), 215, 257. Vgl. BVerfGE 73, 118, 159 f., 168. 340 Vgl. auch Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 87; Scholz, JZ 1981, 561, 563. 341 Vgl. ebenfalls Niepalla, Grundversorgung, S. 109: Grundversorgung als selbständige Basisfunktion. 342 Vgl. auch Voß, MP 1999, 278, 283; Niepalla, Grundversorgung, S. 109. 339
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die sonst keinen Zugang zu letztgenannten Angeboten finden. Zugleich könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Gewährleistung für eine umfassende öffentliche Meinungsbildung mehr bieten343 und würde seinem Anspruch, Rundfunk für alle zu sein, nicht mehr gerecht. Grundversorgung meint jedoch, dass Programme für die „Gesamtheit“ der Bevölkerung angeboten werden, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags (zu dem auch der Bereich der Unterhaltung gehört) informieren und Meinungsvielfalt herstellen und sichern344. Auch durch qualitativ hochwertige Unterhaltungssendungen können gesellschaftliche Ziele erreicht werden345, diese können „Transportfunktion“346 für anspruchsvolle Inhalte haben. So lehnt es ebenfalls das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ab, den Begriff der Grundversorgung als eine Grenzziehung oder Aufgabenteilung dergestalt zu begreifen, dass die Rundfunkanstalten nur noch für den informierenden und bildenden, die privaten Rundfunkveranstalter für den unterhaltenden Programmteil zuständig sind347. Grundversorgung beschränkt sich nicht auf den informierenden und bildenden Teil des Programms348. Auch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus Rundfunkzwangsgebühren findet ihre Rechtfertigung in der Gewährleistung der Grundversorgung „für alle“349, so dass eine Versorgung lediglich der Bevölkerungsteile, die nicht vom Privatfunk versorgt werden, mit einem Gebührenzwang für alle problematisch wäre, ganz zu schweigen von der notwendigen Akzeptanz in der Gesellschaft. Außerdem könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Stellung als Integrationsinstanz350 nicht mehr in ausreichender Hinsicht nachkommen351, da er mit seinem Programm nur noch einen kleinen Teil der Bevölkerungsschichten sowie Minderheiten anspräche, einen Großteil der Bevölkerung jedoch nicht mehr erreichte. 343 Ebenso Hesse, Rundfunkrecht, S. 125; vgl. auch Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 118; hierzu ebenfalls Stock, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, S. 812 f. 344 Vgl. BVerfGE 74, 297, 325; 83, 238, 298; vgl. auch BadWürttVGH, ZUM 1995, 151, 155. 345 Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 24. 346 So Springer, Reform der ARD, S. 151. 347 BVerfGE 83, 238, 297 f. 348 BVerfGE 87, 181, 199. 349 BVerfGE 73, 118, 158. 350 Vgl. bereits unter 2. Teil A. II. 1. a) cc) (2) (b) wie auch im Folgenden unter d) bb) (4). 351 Insoweit widersprüchlich VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 34, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf einen Kultur- und Bildungsfaktor reduzieren will, gleichwohl am zu verfolgenden Ziel der Integration festhält.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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Ingesamt kann die vom Bundesverfassungsgericht zum jeweiligen Entscheidungsmoment in erster Linie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugeschriebene Aufgabe der Grundversorgung mithin nicht allein eine Ergänzungsfunktion defizitärer privater Programme beinhalten352. Grundversorgung meint kein Nischenangebot für das vom privaten Rundfunk Ausgesparte353. cc) Dilemma des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Letztendlich offenbart sich in dieser gesamten Frage eine gewisse Zwangslage. Diese wird dadurch hervorgerufen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf der einen Seite ständig durch die Ausstrahlung hinreichend massenattraktiver Sendungen dafür sorgen muss, dass er genug Rezipienten anzieht und so seinem Anspruch, Teil eines Rundfunks für alle zu sein, gerecht wird, da er anderenfalls die gesellschaftliche Akzeptanz sowie die Gebührenlegitimation verlieren würde354. Auf der anderen Seite muss er jedoch ein klares, deutlich von privaten Rundfunkprogrammen unterscheidbares Profil aufweisen, das nicht nur massenattraktive Unterhaltung, sondern gleichwohl auch anspruchsvolle Sendungen aus allen Bereichen auch für Minderheiten bietet. Denn anderenfalls würde er ebenfalls die (Gebühren-)Legitimation, die sich an seine besondere Grundversorgungsfunktion knüpft, verlieren. So darf die Massenattraktivität bestimmter Programminhalte nicht den größten Raum im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einnehmen und alle anderen Programminhalte verdrängen355. Ein Blick auf die Quote ist erlaubt, darf hingegen nicht zum alleinigen Bewertungsmaßstab werden. Diesbezüglich hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine schmale Gratwanderung zu absolvieren, um weder marginalisiert zu werden noch seine Unterscheidbarkeit einzubüßen356. Wie schwierig diese Gradwanderung ausfallen kann, zeigt sich am Beispiel des umstrittenen Kaufs der ca. 70 Millionen teuren Fußballbundesliga352 Ebenfalls Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 74; Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 118; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 223; Libertus, Grundversorgungsauftrag, S. 96 f.; vgl. auch Niepalla, Grundversorgung, S. 109 f.; Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 319; Ricker-Müller-Malm, ZUM 1987, 208, 210; Trute, VVDStRL 57 (1998), 216, 235; Stender-Vorwachs, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“, S. 125. 353 Kirchhof, in: Abele/Fünfgeld/Riva, Werte und Wert, S. 17. 354 Eifert/Hoffmann-Riem, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 1, S. 99; Stolte, Bleibt Fernsehen Fernsehen, S. 28; Voß, MP 1999, 278, 283. 355 Ricker, ZUM 1989, 331, 335 f.; Ricker/Müller-Malm, ZUM 1987, 208, 210. 356 Hierzu auch Blumler/Hoffmann-Riem, MP 1992, 402, 407; Deussen, forum medienethik 1/1996, 28, 36; Eifert/Hoffmann-Riem, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 1, S. 100; Hendriks, MP 1994, 218, 221. 25*
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Übertragungsrechte im Jahr 2003. Einerseits ließe sich diesbezüglich argumentieren, angesichts dessen, dass die vorherige Berichterstattung privater Rundfunkveranstalter in diesem Bereich ebenfalls nicht als mangelhaft zu bezeichnen war und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Recht zur Kurzberichterstattung geblieben wäre357, so dass das auch an Sportveranstaltungen bestehende öffentliche Interesse358 befriedigt hätte werden können, hätten die dafür eingesetzten erheblichen finanziellen Mittel besser für mehr Kultur- und Minderheitensendungen sowie vermehrte Eigenproduktionen verwendet werden können359. Andererseits bedarf der öffentlichrechtliche Rundfunk zwingend einer ihn und seine Finanzierung über Gebühren tragenden gesellschaftlichen Akzeptanz, so dass er auch Sendungen auszustrahlen hat, die einen massenattraktiven Charakter aufweisen. Nur so lässt sich Grundversorgung für alle und ein Programm für möglichst vielfältige Interessen herstellen. dd) Folgerung Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll bei Wahrnehmung der Grundversorgung „auch“, aber eben nicht „nur“ kompensieren360. Er kann also zwar durchaus als eine Art „Lückenfüller“ gegenüber dem finanzierungsbedingt teilweise publizistisch defizitären privaten Rundfunk auftreten, allerdings nur, solange er nicht auf diese Rolle reduziert wird. In anderen dualen Fernsehsystemen wie beispielsweise in Frankreich und Großbritannien wird eine Beschränkung des öffentlichen Rundfunks auf die Programme, die von privaten Veranstaltern nicht angeboten werden, ebenfalls abgelehnt361. Stattdessen besteht Konsens darüber, dass öffentliches Fernsehen massenattraktiv sein muss, um „Fernsehen für alle“ zu bieten362. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann zwar die Funktion eines Gegengewichtes zu einer kommerziellen Medienordnung zugeschrieben werden363. Auch ist er als wichtig anzusehen, um den zu Konzentrationen neigenden Medienmarkt in der Balance zu halten364. Wenn er von daher ge357
§ 5 RStV. Vgl. hierzu BVerfGE 97, 228, 257. 359 In diese Richtung Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 319 f. 360 In diesem Sinne auch Glotz/Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 93. 361 Mattern/Künstner/Zirn, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 24. 362 Vgl. auch Oreja-Bericht, S. 2, abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/ avpolicy/legis/key_doc/hlg3_de.htm (Stand: 01.10.2004). 363 Degenhart, K&R 2000, 49, 55. Vgl. auch für das ZDF Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 123 f.: öffentlich-rechtlicher Rundfunk als nationales Gegengewicht zu den global agierenden Medienkonzernen. 358
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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halten ist, sich vom Programm des privaten Rundfunks deutlich abzuheben und den Inhalten und Meinungen so weit wie möglich Raum zu geben, die in kommerziellen Rundfunkprogrammen kaum oder gar nicht berücksichtigt werden, so kann er aus den genannten Gründen nicht allein auf derartige Gegenstände beschränkt werden. Ein wirkliches Gegengewicht kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur dann darstellen, wenn er mit seinen Programmen viele Rezipienten erreicht, nicht aber, wenn er sich im Abseitsbereich befindet, in den er bei einer Kompensationskonstruktion zwangsläufig geraten würde und aus dem er nur schwerlich wieder entkommen könnte. Eine im Zuge der Aufgabenkonkretisierung vorzunehmende Reduzierung der Grundversorgung auf eine bloße Kompensation der privatrechtlichen Defizite ist mithin abzulehnen. Stattdessen bleibt es dabei, dass zur Grundversorgung neben der Ausstrahlung hochwertiger und möglicherweise nur für einen kleinen Teil des Publikums interessanter Informations-, Bildungsund Kultursendungen auch massenattraktive Unterhaltungssendungen gehören, um dem Anspruch einer ausgewogenen Mischung aus vielfältigen Inhalten und Meinungen nachzukommen. b) Quantitative und qualitative Vorgaben innerhalb der Programme Im Folgenden werden einige Vorschläge zur genaueren Festlegung der zurzeit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgegebenen, nicht auf eine bloße Kompensation privatrechtlicher Defizite degenerierten Grundversorgung unterbreitet. Diese reichen von Vorgaben in quantitativer Hinsicht wie Programmquoten für die gesamte wie auch einzelne Sendezeit bis zu Vorgaben in qualitativer Hinsicht wie der Erarbeitung und Festlegung von Qualitätsstandards. aa) Prozentuale programmliche Mindestanteilsfestlegung bei Vollprogrammen Es hat sich gezeigt, dass im Hinblick auf das inhaltliche Element der Grundversorgung dieses nicht allein dann erfüllt ist, wenn die geforderten informierenden, bildenden, unterhaltenden und kulturellen Inhalte zu exakt gleichen Anteilen vorliegen. Stattdessen reicht es ebenfalls aus, wenn Information und Unterhaltung in etwa gleich große Anteile eingeräumt werden, die Bereiche Bildung und Kultur jedoch ebenfalls in angemessener Weise Berücksichtigung finden, so dass ihr Anteil bei einer Betrachtung der Sendezeitverteilung im Vergleich zu den beiden anderen Sparten nicht nur marginal erscheint. Um zu erreichen, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk 364
Scharf, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Duales Rundfunksystem, S. 28 f.
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mit seinen Vollprogrammen gerade bei der Berücksichtigung letztgenannter Programmbereiche nicht am unteren Rand des Zulässigen bewegt, sondern diese einen optimierten Stellenwert erreichen, bieten sich entsprechende quantitative programmliche Mindestvorgaben an. Möglich ist, diese gesetzlich bzw. staatsvertraglich absolut durch Stunden- und Minutenvorgaben oder aber relativ durch prozentuale Sendezeitanteile auszugestalten. Dabei erweisen sich prozentuale Anteile als vorteilhafter dahingehend, dass sie im Fall von Sendezeitverringerungen nicht angepasst werden müssen. Fraglich ist, welchen Programmbereichen welcher prozentuale Mindestanteil einzuräumen ist, um alle Programmbereiche angemessen und ausgewogen zu berücksichtigen. Wie bereits dargelegt, wird eine gleichmäßige Aufteilung auf jeweils 25% nicht verlangt365. Um den realen Nutzungserwartungen der Bevölkerung beim Fernsehen Rechnung zu tragen, zugleich aber auch die als wichtig erachteten Bildungs- und Kulturinhalte nicht zu vernachlässigen, erscheint es als angemessen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesetzlich aufzugeben, mindestens ein Viertel, d. h. 25% der Gesamtsendezeit eines Rundfunkvollprogramms den Programmgegenständen Bildung und Kultur zu annähernd gleichen Teilen vorzubehalten und die darüber hinausgehende Sendezeit den Bereichen Information und Unterhaltung möglichst gleichmäßig zu widmen. Die Anteilsverteilung ist dabei nicht punktgenau einzuhalten, geringfügige Abweichungen nach oben oder unten sind möglich, wobei in gewissen Abständen eine Kontrolle darüber stattfinden sollte, ob die Abweichungen beispielsweise stets zugunsten der Unterhaltung auf Kosten von Bildung oder Kultur gehen. Diese gegenständlichen Programmquoten sind nicht nur für die beiden nationalen Vollprogramme ARD und ZDF, sondern auch für die sich mittlerweile zu Vollprogrammen entwickelten Dritten Programme verbindlich, gesetzt den Fall, letztere bleiben in ihrer bisherigen Form und Anzahl bestehen366. Wird den Rundfunkanstalten per Gesetz oder Staatsvertrag aufgegeben, mit ihren Vollprogrammen jeweils derartige Programmquoten zu erfüllen, so wird ihnen ein gegenüber den bisherigen Vorgaben präziserer Auftrag erteilt. Gleichwohl stellt sich diese Regelung als grober Rahmen dar, innerhalb dessen den Rundfunkanstalten weiterhin das Recht zukommt zu entscheiden, mit welchen kulturellen Sendungen genau sie die Marge ausfüllen367. Auch der Staat erhält mit einer derartigen Regelung keinen Einfluss 365
Vgl. unter A. I. 3. a). Hierzu im Folgenden näher unter d) cc) (2). 367 Gegen eine feste Relation der Kategorie Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 21 f., der bereits „Soll“-Vorschriften für zu weitreichende staat366
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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auf den Inhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms dergestalt, dass er die öffentliche Meinungsbildung in irgendeiner Weise beeinflussen kann. bb) Definition der Programmbereiche mittels Regelbeispielen Um den Rundfunkanstalten die Programmplanungen im Hinblick auf die Erfüllung der Programmbereichsvorgaben und damit die Grundversorgungsgewährleistung zu erleichtern und ihnen zu ermöglichen, sich gegen aufkommende Kritik mit konkreten, objektiven Zahlen verteidigen zu können, sind die geforderten Programmbereiche Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur genauer zu definieren368. Anhand genauerer Einordnungskriterien ließe sich zudem eine verbesserte Überprüfbarkeit erreichen und vermeiden, dass dem Staat weitreichende Beurteilungsspielräume eröffnet werden369. Da sich gerade unbestimmte Begriffe wie der der Kultur nur schwer in exakter Weise definieren lassen sowie häufig Überschneidungen zwischen den einzelnen Bereichen bestehen, bietet es sich an, bestimmte genauer beschriebene Sendungsformate etwa in der Art von Regelbeispielen nach ihrem Schwerpunkt bei den jeweiligen Programmbereichen aufzuzählen. Dabei könnte sich an bereits bestehenden Sendungsformaten orientiert und diese als abstrakte Umschreibung als einzelnes Regelbeispiel benannt werden. So ließen sich die von den Rundfunkanstalten angebotenen Programme besser und eindeutiger in die jeweilige Kategorie einordnen, da eine genauere Vergleichbarkeit gegeben wäre. cc) Sendezeitbezogene Vorgaben Zusätzlich zu den auf das gesamte Vollprogramm bezogenen Anteilsfestlegungen sind weitergehende Konkretisierungen in Bezug auf die Sendezeit erforderlich. Dies verdeutlicht folgende Überlegung: Auch wenn die bisheliche Bindungswirkungen hält, sehen diese doch für den Regelfall eine Bindung vor und erlauben nur im atypischen Einzelfall eine Abweichung (S. 93). Positiv besonders zu einer Kulturquote Stölzl, in: epd medien Nr. 45 v. 12.06.2004, 35, 38 f. 368 Ebenso Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 94, mit Hinweisen auf Definitionsversuche; Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 315 f.; allein für den Begriff der Kultur Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 149. Ob ihr Vorschlag, statt Kultur „eindeutige“ Bezeichnungen wie Theater, Musik, Literatur und Kunst zu verwenden, weiterhilft, ist bereits angesichts der gleichfalls bestehenden Unbestimmtheit des begrifflichen Inhalts von Kunst zu bezweifeln. 369 Hierzu BVerfGE 73, 118, 183.
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rigen Vorgaben verwirklicht werden und tatsächlich mehr als ein Viertel oder mehr der 24-stündigen Sendezeit den Bereichen Kultur und Bildung gewidmet wird, diese sechs Stunden jedoch in der Zeit von 0.00 bis 6.00 Uhr gesendet werden, während zur Hauptsendezeit (Primetime), d. h. in der Zeit von 19.00 bis 23.00 Uhr keinerlei bildende oder kulturelle Sendungen vertreten sind, lässt sich nicht von einem vielfältig-ausgewogenen Programm in dem Sinne sprechen, dass für den Rezipienten innerhalb eines kurz gefassten Zeitraums verschiedene Programmbereiche zur Auswahl stehen. Insofern ist zusätzlich zu einer genauen Bereichsdefinition und prozentualen Mindestanteilsfestlegung auch die Sendeplatzbelegung in Form eines Programmschemas gesetzlich bzw. staatsvertraglich vorzugeben. Dabei sind zum einen die Zuschauergewohnheiten zu berücksichtigen, die zu unterschiedlichen Tageszeiten bestimmte Erwartungen an das Fernsehprogramm stellen. Zum anderen ist darauf zu achten, dass auch beispielsweise im Vorabendprogramm wie auch zur Primetime neben unterhaltenden und informierenden Sendungen ebenfalls die Bereiche der Bildung und Kultur berücksichtigt werden. Die unterschiedlichen Interessen und auch Meinungen müssen sich so weit wie möglich zu jeder Sendezeit im Programm widerspiegeln. Es darf nicht dazu kommen, dass so genannte Minderheitensendungen wie die Übertragung von Theaterstücken auf Sendeplätze weit in die Nacht verlagert werden. Per Gesetz ließen sich für festgelegte Zeiteinheiten ebenfalls prozentuale Mindestanteilsfestlegungen vornehmen, die nicht ein Abbild des auf das Gesamtprogramm bezogenen Vorschlags darstellen, sondern durchaus Veränderungen nach oben oder unten anhand der wechselnden Zuschauererwartungen im Tagesverlauf aufweisen. Dabei dürfen diese Abweichungen nicht soweit gehen, dass der momentane Zustand erreicht wird. Das Programmschema muss so beschaffen sein, dass jedes öffentlich-rechtliche Vollprogramm zu jedem Sendezeitraum ein sowohl informatives und unterhaltendes als auch bildendes und kulturelles Angebot vorzuweisen hat. Durch derartige sendezeitbezogenen Programmanteilsfestlegungen wird der den Rundfunkanstalten vorgegebene Rahmen enger als bei der zuvor auf das gesamte Vollprogramm ausgelegten Quote gezogen. Sie können daher nicht mehr so frei wie zuvor bestimmen, ob die den gesamten Vormittag nur informatives Programm wie Nachrichten, Reportagen oder Magazine senden, was letzten Endes ohnehin nicht im Sinne der aus der Verfassung abgeleiteten Grundversorgung liegt. Gleichwohl bleibt ihnen aber die Entscheidung, welche Sendungen sie in den festgelegten Zeiträumen wählen, um den festgesetzten Mindestquoten zu entsprechen und wie sie diese gestalten. Dadurch, dass Zeiträume und nicht Zeitpunkte vorgegeben wer-
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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den und es sich um prozentuale Mindestanteile handelt, die auch kleinere Abweichungen nach oben und unten erlauben, und nur Programmbereiche, nicht aber spezielle Sendungen vorgegeben werden, werden keine Einzelheiten vorgeschrieben und ist das vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk letztlich ausgestrahlte Programm nicht als fremdbestimmt anzusehen. Den Rundfunkanstalten steht auch weiterhin ein Entscheidungsspielraum zu, der den Namen der Programmautonomie zu Recht trägt370. dd) Programmkoordination zur Vermeidung zeitgleicher ähnlicher Inhalte Um diese Absicht, den Rundfunkteilnehmern zur gleichen Zeit die Wahl zwischen verschiedenen Programminhalten zu ermöglichen, zu verstärken, sollte vermieden werden, dass auf den verschiedenen öffentlich-rechtlichen Programmen zur gleichen Zeit ähnliche Sendeformate laufen. Stattdessen sollte zu möglichst jedem Zeitpunkt ein Alternativangebot hinsichtlich des Programmbereichs bestehen. Dies setzt eine entsprechende Abstimmung der öffentlich-rechtlichen Programme untereinander voraus – besonders was Das Erste der ARD und das ZDF angeht. Während früher zu diesem Zweck ein- bzw. zweijährige Koordinierungsabkommen geschlossen wurden371, enthalten heute § 3 ARD-StV sowie § 2 Abs. 2 ZDF-StV das als Soll-Vorschrift formulierte Gebot, sich vor Veränderungen des Programmschemas des einen Programms mit dem jeweils anderen Programm abzustimmen. Sinn und Zweck dieser Bestimmungen ist es zu vermeiden, dass „aufgrund einer unabgestimmten Programmgestaltung von ARD und ZDF die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingeschränkt wird“372. Weitergehend ließe sich daran denken, besonders ARD und ZDF per Staatsvertrag zu verpflichten, ihr Programmschema so auszugestalten, dass zu möglichst keiner Zeit Sendungen des gleichen Programmbereichs in beiden Programmen gleichzeitig laufen. Darüber hinausgehende Festlegungen wären zu detailliert und ließen sich mit der Programmautonomie nicht vereinbaren. Ein derartiger gesetzlicher Anstoß zu einer Programmabstimmung ist auch bei den mittlerweile überwiegend bundesweit über Kabel und Satellit 370
Vgl. hierzu bereits vorstehend unter 2. d) cc) (1) (a), (b) und (c). Damit wurde der Verpflichtung zum Kontrastprogramm des damaligen § 22 Abs. 4 ZDF-StV nachgekommen (Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 157). Das erste Koordinierungsabkommen zwischen ARD und ZDF wurde 1963 geschlossen. Ihm folgten im Ein- bzw. Zweijahresrhythmus weitere Abkommen bis zum Beginn der neunziger Jahre. Insgesamt zum Themenbereich der Koordination Bullinger, Koordination im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 372 Amtliche Begründung zum Rundfunkstaatsvertrag von 1991, Art. 2 § 3 und Art. 3 § 2, vgl. Nds. Landtag Drucks. 12/1970, S. 107, 111. 371
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empfangbaren Dritten Programme im Hinblick auf eine verbesserte Programmvielfalt zu begrüßen. Damit ließe sich sicherstellen, dass beispielsweise zur Hauptsendezeit nicht allein massenattraktive Unterhaltungssendungen auf allen Pogrammen laufen. Insgesamt muss es darum gehen, dass jeder Rezipient in einem bestimmten Zeitraum beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Sendung so weit wie möglich nach seinem Geschmack findet, gleichgültig, ob es sich dabei um einen Entspannung suchenden Büroangestellten, eine kulturinteressierte Homöopathin, einen weiterbildungshungrigen Rentner oder aber eine am aktuellen Weltgeschehen interessierte Schülerin ist. ee) Vorgaben hinsichtlich konkreter Sendungen Über die beschriebenen prozentualen Anteilsfestlegungen bezüglich des gesamten Vollprogramms wie auch einzelner Sendezeitabschnitte kommt auch die Vorgabe einer Mindestanzahl oder Mindestsendezeit für ganz bestimmte Sendungen in Betracht. Ähnlich wie beispielsweise in Frankreich ließe sich möglicherweise auch in Deutschland gesetzlich festlegen, dass jedes Vollprogramm wöchentlich eine bestimmte Anzahl an Opern- und Theateraufführungen, kirchlichen Sendungen, Ratgebersendungen u. ä. zu senden hat, wobei auch hier eine gleichmäßige Verteilung auf alle Sendezeiten, d. h. nicht nur während der Nachtzeiten, zu beachten wäre373. Anders als bei den prozentual festgelegten Programmbereichen, mit denen den Rundfunkanstalten per Gesetz oder Staatvertrag lediglich vorgegeben wird, wie viele Sendungen welchen Schwerpunktcharakters, ob also informierender, unterhaltender, bildender oder aber kultureller Art, in welchen Zeiträumen insgesamt zu senden sind, verbleibt ihnen im Fall einer derartigen gesetzlichen Regelung nur noch wenig Spielraum. Denn damit würde der konkrete Themenbereich aus dem beispielsweise weiten Feld der Kultur schon sehr genau eingegrenzt. Das ZDF müsste dann z. B. nicht nur einen bestimmten Anteil seiner Sendungen aus dem kulturellen Bereich beziehen, sondern müsste zudem ganz konkret mit beispielsweise zwei Opernaufführungen und drei Konzerten, womöglich davon noch zwei klassischer Art, pro Woche Vorgaben befolgen, die ihm zwar noch Spielräume offen ließen wie die Frage, ob es „Tristan und Isolde“ oder aber „La Traviata“ ausstrahlt. Derartige Festlegungen würden die jeweilige Rundfunkanstalt jedoch gefährlich nahe in Richtung eines bloßen Vollzugsorgans genau kategorisierter Programmvorgaben rücken. Von daher sind derartige Vorgaben lediglich als Selbstverpflichtungen der Rundfunkanstalten verfassungsrechtlich zulässig. 373
Vgl. Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 322 f.
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ff) Zusätzliche Quote für Dritte Programme Unter der Prämisse der Beibehaltung der Dritten Programme in ihrer bisherigen Anzahl374 ist zu überlegen, inwiefern diesen neben den allgemein für öffentlich-rechtliche Vollprogramme geltenden Programmquoten eine zusätzliche Quote aufzuerlegen ist. Nach einer Untersuchung im Jahr 1997 lag das Verhältnis regionaler zu nicht regionalen Inhalten bei den Dritten Programmen häufig bei weniger als eins zu vier375, obwohl gerade der Bereich national und auch international ausgerichteter Programme durch Das Erste der ARD sowie das ZDF als Kontrastprogramm376 in angemessener Weise abgedeckt wird377. Vor dem Hintergrund, dass Grundversorgung vorliegend nicht als maximal mögliche Vollversorgung verstanden wird, sind Dritte Programme, die lediglich eine weitere Spielart bereits vorhandener nationaler Vollprogramme mit einem geringen Landesbezug darstellen, nicht als erforderlich anzusehen. Um weiterhin als Teil der Grundversorgung zu bestehen, ist ein verstärkter inhaltlicher Bezug zum jeweiligen Sendegebiet zu fordern. Die Dritten Programme müssen mehr landes- und regionalspezifische Sendungen anbieten, zumal sie durch eine spezifische Ausrichtung den in ihrem Gebiet lebenden Rezipienten zusätzliche Identifikations-, Informations- und Integrationsmöglichkeiten bieten können378. Um dies sicherzustellen, bietet es sich an, den Dritten Programmen aufzuerlegen, dass beispielsweise mehr als die Hälfte aller ausgestrahlten Sendungen einen Bezug zum Sendegebiet des Dritten Programms aufweisen müssen, unabhängig davon, ob es sich um Information, Bildung, Unterhaltung oder Kultur handelt. Damit verbleibt den Rundfunkanstalten weiterhin ein Spielraum, wie sie im Einzelnen ihr Programm gestalten. Abgesehen davon, dass der Programminhalt einen Landesbezug aufweisen muss, wird kein konkreter Einfluss auf den Programminhalt genommen. Die Rundfunkanstalten selbst können in Eigenregie über diese Quote hinausgehen oder sich zu spezielleren Ausformungen ihrer Sendegebietsverantwortlichkeit verpflichten, beispielsweise für den Zeitraum ihrer Selbstverpflichtungen zusagen, eine Dokumentationsserie über einen bestimmten Landstrich zu produzieren und auszustrahlen. 374
Hierzu genauer unter d) cc) (2). Vgl. hierzu Ricker, ZUM 1998, 181, 182. 376 So bei Verwirklichung einer zielgenauen Programmkoordination (vorstehend unter dd)). Zum Kontrastelement vgl. auch unter d) cc) (1). 377 Vgl. Ricker, ZUM 1998, 181, 184. 378 Vgl. Bethge, MP 1996, 66, 72. 375
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Zugleich wird dadurch die Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesteigert, können doch angesichts dessen, dass die Dritten Programme mittlerweile auch in die Kabelnetze anderer Bundesländer eingespeist und über Satellit verbreitet werden379, diese häufig auch außerhalb des eigentlichen Sendegebietes empfangen werden und so den Föderalismus in Deutschland mit seinen Gemeinsamkeiten und Unterschieden von verschiedenen Seiten abbilden. gg) Weitere Programmquoten Über den gegenständlichen Bereich hinaus sind weitere Programmquoten denkbar: so etwa zur Produktionsart (Eigen-, Auftrags- oder Fremdproduktionen380), zur Programmherkunft381 oder aber auch zur Ausstrahlungsart (Erstausstrahlung oder Wiederholung382). Hierauf wird jedoch aus Raumgründen sowie im Zuge einer Schwerpunktsetzung auf den primären inhaltlichen Bereich nicht näher eingegangen. hh) Qualitätsstandards Um gerade im Bereich der Unterhaltung eine stärkere Profilierung gegenüber den unterhaltungsorientierten privaten Rundfunkveranstaltern zu erreichen, kommt in Abkehr von Einschaltquoten als alleiniges Erfolgskriterium die Erarbeitung bestimmter messbarer Qualitätsstandards, einer Art Qualitätsquote – allerdings nicht im Sinne elitärer Hochkultur – in Betracht383, um so mittels eines Verfahrens eine Sendung besser bewerten zu können384. 379
Kritisch hierzu Ricker, ZUM 1998, 181 ff. Zur Eigenproduktionsfähigkeit als Garant für die ökonomische und publizistische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit für deren Unverzichtbarkeit vgl. Biervert, ZUM 1998, 19, 23. 381 Vgl. Art. 4, 5, 6 Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit v. 03.10.1989, Abl EG Nr. L 289 v. 17.10.1989, S. 83, berichtigt in Abl EG Nr. L 331 v. 16.11.1989, S. 51, geändert durch Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 30.06.1997, Abl EG Nr. L 202 v. 30.07.1997, S. 60. 382 Wiederholungen bereits ausgestrahlter Sendungen sind zwar nicht per se unzulässig, erhöhen sie doch, wenn sie beispielsweise zu anderer Sendezeit ausgestrahlt werden, für andere Rundfunkteilnehmer die Möglichkeit, sich diese Sendungen ebenfalls anzusehen. Um jedoch eine möglichst große Vielfalt zu erreichen, ist darauf zu achten, dass die Zahl der wiederholten Sendungen nicht allzu große Ausmaße annimmt. 383 Vgl. Rossen-Stadtfeld, in: Donges/Puppis, S. 78 f. m. w. N.; Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 280 ff.; Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 96 f., 111. 380
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In eine aufzustellende Bewertungsskala könnten beispielsweise Kriterien wie fernsehgerechte Umsetzung des Themas, formale Innovationen, handwerkliche Professionalität, Vielseitigkeit, Programmprofil, öffentliche Resonanz und ökonomische Rentabilität einfließen385. Die Einschaltquoten sollten dabei jedoch nur ein Kriterium unter vielen darstellen. Nicht alles was hohe Zuschauerzahlen vorzuweisen hat, hat gleichzeitig auch Qualität386. Zur Vermeidung meinungslenkender Bestrebungen politischer Natur unter dem Mantel der Qualität387 könnte den Rundfunkanstalten per Gesetz aufgegeben werden, diese Standards zu erarbeiten. Hierzu laufen bereits verschiedene interne Projekte der Rundfunkanstalten388. Anhand dieser Qualitätsstandards ließen sich im Folgenden beispielsweise Unterhaltungssendungen grob einordnen, und so könnte dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk per Gesetz aufgegeben werden, nur noch bzw. einen bestimmten Prozentsatz an Sendungen mit einem im oberen Bereich rangierenden Standard auszustrahlen. Zwar führt das Bundesverfassungsgericht aus, Aktivität, Lebendigkeit, Einfallsreichtum, Sachlichkeit, Fairness oder künstlerisches Niveau, mithin alles, was die Qualität von Rundfunksendungen ausmacht, ließen sich nicht rechtlich verordnen oder regeln389. Das Ganze erfolgt jedoch in dem Kontext der Beschäftigung freier Mitarbeiter und dem Gedanken, ohne personelles Substrat ließe sich das geforderte Programm ohnehin nicht verwirklichen. Diese Aussage lässt sich demzufolge nicht von vornherein gegen die ins Auge gefasste Regelung anführen. Letztlich ließe sich durch eine messbare überdurchschnittliche Qualität die Vorbildfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stärker herausstellen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte als Qualitätsmaßstab für das gesamte Rundfunksystem gelten390 und könnte dadurch auch private Rundfunkanbieter in diese Richtung motivieren. Zugleich behielten die Rundfunkanstalten bei der Auswahl und Gestaltung der Sendungen weiterhin 384 Ein Modell findet sich z. B. bei Krähenbühl, MP 2002, 314 ff., dort werden die Kosten pro Minute, der Marktanteil sowie interne und externe Programmbewertungen berücksichtigt. 385 Hierzu Buchwald, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik, Bd. 2, S. 620. Eine Übersicht unterschiedlicher TV-Qualitätskriterien für verschiedene Angebote findet sich bei Breunig, MP 1999, 94, 99. 386 Vgl. Blumler/Hoffmann-Riem, MP 1992, 402, 411. 387 Diese Befürchtung hegt Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 73 Fn. 171. 388 Hierzu Breunig, MP 1999, 94, 102 ff. 389 BVerfGE 59, 231, 259. 390 Vgl. auch Kiefer, MP 1995, 109, 113. Lerche, in: Zienske u. a., FS Kriehle, S. 360, zählt zur notwendigen Essenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenfalls ein durchgehendes Mindestniveau, räumt jedoch zugleich dessen schwierige Bewahrung ein.
398 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
einen Spielraum, der den Begriff der Programmautonomie verdiente. Auch zu einer abzulehnenden Auferlegung der staatlichen Auffassung von qualitativ wertvollen oder nützlichen Sendungen391 käme es infolge einer Standarderarbeitung in den Rundfunkanstalten nicht. ii) Experimentierfreudigkeit Angesichts der Tatsache, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht direkt von den Einschaltquoten abhängt, sondern stattdessen über einen gewissen gesicherten Gebührenbestand verfügt, kann er mit neuen innovativen und in ihrer Publikumswirkung noch unbekannten Programmformen experimentieren. Er kann gewisse Risiken eingehen, um sich neue Programmgebiete zu erschließen und um sich damit vom herkömmlichen Programm des privaten Rundfunks abzuheben. Darin liegt ein Vorteil gegenüber privaten Veranstaltern. Diese können derartige Experimente aufgrund ihrer werbe- und damit einschaltquotenabhängigen Finanzierung nur mit Blick auf eine breite Zuschauerakzeptanz vornehmen, haben insofern also nur einen sehr eingeschränkten Aktionsradius und können sich eine derartige Risikobereitschaft demnach – im doppeldeutigen Sinn – nicht leisten. Diesen Vorteil sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk nutzen, anstatt wie bisher den Privaten den Vortritt zu lassen, die besonders im Unterhaltungsbereich immer neue – in den grundlegenden Dingen sich jedoch auf gewohntem Terrain und Niveau bewegende – Programmformate hervorbringen. Zwar sind altbewährte Sendungen und Formate beizubehalten, diesen sind jedoch auch experimentelle Programmformen zu einem Potpourri hinzuzufügen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss daher dazu bewegt werden, mehr und systematischer in die Entwicklung überraschender und riskanter Formate sowie den Aufbau eigener Stars, Drehbuchautoren, Images usw. zu investieren392, um sich unterscheidbar zu machen, sein eigenes Profil zu schärfen, aber auch den Rundfunk insgesamt voranzubringen. Dies kann durch entsprechende gesetzliche bzw. staatsvertragliche Regelungen nur angestoßen werden, indem der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Experimentierfreudigkeit aufgefordert wird. Die Einzelheiten sind den Rundfunkanstalten selbst überlassen. Sie können beispielsweise zusagen, innerhalb eines Selbstverpflichtungszeitraumes eine bestimmte Anzahl junger Talente aus verschiedenen Bereichen zu fördern. 391 392
Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 73. Vesting, K&R 2000, 161, 170.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
399
c) Konkretisierung im Hinblick auf die geforderte Meinungsvielfalt Betrafen die vorangehenden Konkretisierungsvorschläge regelmäßig den inhaltlich-gegenständlichen Bereich der Grundversorgung, so ist fraglich, inwiefern sich das dritte Element der Grundversorgung, die Sicherung der Meinungsvielfalt, genauer bestimmen lässt. Erwies sich bereits die Feststellung, inwieweit zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem Programm gleichgewichtige Meinungsvielfalt vorherrscht, als schwierig bis unmöglich393, so gilt dies erst recht für eine Regelung, die für längere Dauer Kriterien aufzustellen hat, anhand derer das Vorliegen von Meinungsvielfalt unzweifelhaft nachgeprüft werden kann. Das Meinungsspektrum in der Bevölkerung ist einem ständigen Fluss unterworfen. Es ist so facettenreich, dass es nicht möglich ist, eine gesetzliche Umschreibung zu finden, die konkret genug ist, dass anhand von ihr bestimmt werden kann, ob dieses Meinungsspektrum in einem Programm abgebildet wird. Stattdessen muss darauf vertraut werden, dass sich infolge der Beteiligung vieler verschiedener Personen in unterschiedlichen Einheiten der diversen Rundfunkanstalten von selbst Meinungsvielfalt in den einzelnen Programmen einstellen wird und diese mit dem Bestehen inhaltlich-gegenständlicher Vielfalt zu vermuten ist. Gegebenenfalls können die Rundfunkanstalten selbst hierzu einige Ausführungen machen; gesetzlich verbindlich lässt sich die Meinungsvielfalt nicht erfassen und regeln. Weder die Meinungsvielfalt noch deren Widerpart, die vorherrschende Meinungsmacht, können anhand bestimmter, messbarer Kriterien eindeutig festgelegt werden, sondern lassen sich wenn überhaupt nur wertend beurteilen394. Sie entziehen sich einer genauen Festlegung auf Zahlen oder Einheiten. Daher verwundert es nicht, dass bei den vielfaltssichernden Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag zur Verhinderung von Meinungskonzentration395 zum einen auf das Kriterium der Marktanteile zurückgegriffen wurde, um von dort auf den Grad fehlender Meinungsvielfalt zu schließen, zum anderen mit Vermutungen gearbeitet wird, die genügend Raum für eine wertende Beurteilung lassen396. d) Programmanzahlfestlegungen Nachdem im Rahmen der Kompetenzen geklärt wurde, dass der Gesetzgeber prinzipiell berechtigt ist, die Zahl der von den Rundfunkanstalten 393 394 395 396
Siehe unter A. 3. BVerfGE 73, 118, 156, 159; Renck-Laufcke, ZUM 2003, 109. §§ 25 ff. RStV. § 26 Abs. 2 RStV.
400 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
ausgestrahlten Programme festzulegen, soll des Weiteren genauer untersucht werden, wie diese Festlegungen aussehen können. Dabei werden zu Beginn grundsätzliche Fragen vorab geklärt, um dann zu konkreten Vorschlägen zu gelangen. aa) Programme jenseits der Grundversorgung Fraglich ist zunächst, ob und inwieweit der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk generell aufgeben kann, lediglich Programme zur Grundversorgung, nicht aber darüber hinaus als so genannte Zusatzversorgung397, zu veranstalten. Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, auch jenseits der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe der Gesetzgeber grundsätzlich die freie Veranstaltung von Rundfunkprogrammen durch Rundfunkanstalten zu gleichen Bedingungen zuzulassen398. Die Grundversorgung begrenze nicht das Tätigkeitsfeld der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter399. Die dahinter stehende Überlegung ist zum einen, der im Rundfunkbereich vorherrschenden Dynamik Rechnung zu tragen. Vereinfacht ausgedrückt soll verhindert werden, dass – wird dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein die Veranstaltung und Verbreitung von Grundversorgungsprogrammen zugestanden und unterfallen bestimmte neuartige Programmformen oder Dienste zu Beginn noch nicht der unerlässlichen Grundversorgung – sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in diesen Bereichen nicht betätigen darf. Damit verpasst er möglicherweise Entwicklungen, die er später, wenn diese Bereiche dann im Zuge technisch-gesellschaftlicher Veränderungen der Grundversorgung unterfallen, als momentan Grundversorgungsgewährleistender nur schwer nachholen kann400. Zum anderen erhöht jedes öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot selbst dann, wenn es nicht der Grundversorgung unterfällt, die Vielfalt und trägt zur publizistischen Konkurrenz bei401. 397 So der Begriff bei Bullinger, JZ 1987, 928, in Anlehnung an Kull, AfP 1987, 462, 464. Kritisch zu diesem Komplex unter verschiedenen Aspekten Bullinger, JZ 1987, 928, 930; ihm zustimmend Pukall, Meinungsvielfalt, S. 76; Kresse, ZUM 1995, 67, 74; ders., ZUM 1995, 178, 187; Mahrenholz, in: Assmann u. a., FG Kübler, S. 265. 398 Vgl. BVerfGE 74, 297, 332. 399 BVerfGE 87, 181, 203. 400 Vgl. hierzu BVerfGE 74, 297, 353; ähnlich auch Hoffmann-Riem, Pay-TV, S. 67. 401 Vgl. BVerfGE 74, 297, 332 f., 354; vgl. auch Hoffmann-Riem, Pay-TV, S. 66 f.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 355; Scheble, ZUM 1995, 383, 387.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
401
Beide Begründungsstränge sind hinsichtlich ihrer Stichhaltigkeit genauer zu durchleuchten. So wird die erste Überlegung, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die Ermöglichung von Aktivitäten außerhalb der Grundversorgung nicht seine Dynamik zu nehmen und von zukünftigen Entwicklungen abzuschneiden, bereits von der an die Grundversorgung gekoppelten Entwicklungsgarantie402 erfasst. Diese trägt der Dynamik der Grundversorgung Rechnung und gestattet dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Teilhabe an neuen technischen oder programmlichen Entwicklungen immer dann, wenn diese als dem Bereich der Grundversorgung unterfallend angesehen werden können. Sie erfasst jedoch aus ihrer Natur heraus auch den vorgelagerten Bereich, so dass dann, wenn sich abzeichnet, dass bestimmte Programmformen in nicht allzu ferner Zukunft dem Grundversorgungsbereich zugeordnet werden können, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch das Recht zugestanden wird, sich dort zu betätigen. Wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk darauf beschränkt, Grundversorgung zu erbringen, kann aufgrund der Entwicklungsgarantie und der sie berücksichtigenden genannten Vorkehrungen, in gesetzlich bestimmten Abständen unter Zuhilfenahme eingereichter Lageeinschätzungen der Rundfunkanstalten die Übereinstimmung gesetzlicher Annahmen und tatsächlicher Entwicklung zu überprüfen403, der Dynamik gleichwohl in ausreichendem Maß Rechnung getragen werden. Zugleich wird verhindert, dass die Rundfunkanstalten unter dem diffusen, gegenüber der Grundversorgung weiterreichenderen Begriff des Funktionsauftrages präventiv jegliche programmliche Möglichkeiten als Zusatzversorgung für sich in Anspruch nehmen404. Denn letztendlich kann bei keiner Aktivität völlig ausgeschlossen werden, dass die Entwicklung eines Tages dahin geht, gerade diese als Grundversorgung einzuordnen. Der zweiten Überlegung, auch Zusatzangebote trügen zur Vielfalt bei, ist zwar prinzipiell zuzustimmen, allerdings ließen sich mit einer derartigen Argumentation beispielsweise auch mehrere nationale öffentlich-rechtliche Vollprogramme nach Art des ZDF rechtfertigen. Schließlich hätte doch jedes Programm, würde es von einer anderen Rundfunkanstalt veranstaltet, Unterschiede in der Art und Weise der Darstellung aufzuweisen und würde damit eine gewisse Vielfalt begründen. Es ist zwar richtig, dass der öffent402 Hierzu auch BVerwG NVwZ 1997, 61, 62: Die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedeutet notwendig im übertragenen Sinn auch eine Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst. 403 Vgl. unter 2. d) cc) (3). 404 Auf die Fragen der Finanzierung derartiger Angebote wird vorliegend nicht näher eingegangen. 26 Lindschau
402 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
lich-rechtliche Rundfunk wettbewerbsfähig bleiben muss und er daher nicht statisch auf bestehende Grundversorgungsprogramme festzulegen ist. Die Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch kein losgelöstes Ziel an sich, sondern in Rückkopplung an die Erbringung der Grundversorgung als objektiv-rechtliches Kernelement der Rundfunkfreiheit zu sehen405. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk berechtigt sein sollte, auf allen Feldern tätig zu werden, auf denen sich auch private Rundfunkanbieter bewegen, nur um mit ihnen in einen Wettbewerb zu treten. Ist ein Grundversorgungsbezug im Sinne der Sicherstellung einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung nicht ersichtlich, besteht für die Rundfunkanstalten kein zwingendes Recht, dem privaten Angebot noch ein öffentlich-rechtliches entgegenzusetzen. Insgesamt ist es dem Gesetzgeber daher nicht verwehrt, den öffentlichrechtlichen Rundfunk allein auf die Grundversorgung der Bevölkerung im Sinne einer gewissen Basisgewährleistung zu verweisen und die Verwirklichung lediglich zusatzversorgender, in nächster Zeit nicht in den Bereich der Grundversorgung hineinwachsender Programme abschlägig zu bescheiden406. bb) Sparten- und Zielgruppenprogramme Des Weiteren gilt es zu klären, ob im Fernsehbereich weiterhin nur Vollprogramme oder aber im Zuge der sich immer stärker ausdifferenzierenden Gesellschaft auch Spartenprogramme der Grundversorgung unterfallen, so dass diese bei einer Programmzahlfestlegung vom Gesetzgeber ebenfalls zu berücksichtigen wären. (1) Begrifflichkeit Anders als bei auf Universalität angelegten Vollprogrammen407, mit denen „ein Rundfunkprogramm mit vielfältigen Inhalten, in welchem Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden“408 gemeint ist, werden unter Spartenprogrammen solche Rundfunkangebote verstanden, die nicht die bei einem Vollpro405
Siehe bereits unter 2. d) cc) (3). In diese Richtung auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 355 f.; vgl. auch Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7 Rn. 104: Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages ist der öffentlichrechtliche Rundfunk berechtigt, weitere Programme neben der Grundversorgung zu veranstalten (Zusatzversorgung). 407 Glotz/Groebel/Mestmäcker, in: Hamm, Fernsehen auf dem Prüfstand, S. 92. 408 So die einfachgesetzliche Bestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 RStV. 406
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
403
gramm erlangte gesamte Breite des Programmspektrums enthalten. Sie beschränken sich auf eine oder mehrere Angebotsgruppen409, stellen mithin „ein Rundfunkprogramm mit im Wesentlich gleichen Inhalten“410 dar. Das Verhältnis von Sparten- zu Zielgruppenprogrammen wird unterschiedlich beurteilt und reicht von strikter Unterscheidung über partielle Überschneidungen bis hin zur Identität411. Berücksichtigt man, dass mit der Fixierung auf einen bestimmten Programminhalt zugleich häufig spezifische Rezipientengruppen angesprochen werden und umgekehrt sich bestimmte Gruppen von ähnlichen Inhalten angezogen fühlen, spricht viel dafür, von einer weitgehenden Übereinstimmung der Begriffe auszugehen412. (2) Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts spricht sich nicht generell gegen eine Verspartung aus. Zwar lassen sich nach Ansicht des Gerichts im Jahr 1987 Spartenprogramme nicht der unerlässlichen Grundversorgung zurechnen, da sie sich nur an einen begrenzten Teilnehmerkreis richten und auch thematisch begrenzt sind, so dass sie für sich genommen umfassende Information und Meinungsbildung nicht ermöglichen413. Es vertritt jedoch die Ansicht, von Spartenprogrammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien Beiträge zu erwarten, die von privaten Anbietern nicht zu erwarten seien, wie beispielsweise Programme im Kultur- und Bildungsbereich. Auch durch derartige Programme könne die Angebotsbreite erhöht und der klassische Auftrag des Rundfunks wahrgenommen werden. Ein Verbot der Veranstaltung von Spartenprogrammen sei demzufolge ein Eingriff in Art. 5 I S. 2 GG. In der siebten Rundfunkentscheidung führt das Gericht diese Linie fort, indem es darauf hinweist, Bezugsgröße der Auftragsverwirklichung sei das gesamte Programm einer Rundfunkanstalt, nicht jedes einzelne Programm; einzelne Programme könnten „durchaus gegenständliche Schwerpunkte setzen oder bestimmte Zielgruppen ins Auge fassen“414. Geht man von der zuvor für zulässig gehaltenen Beschränkung der Rundfunkanstalten auf Angebote aus dem Grundversorgungsbereich aus, so müss409 Hartstein u. a., Rundfunkstaatsvertrag-Kommentar, B 5 § 2 Rn. 28; siehe auch die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 RStV; vgl. auch BVerfGE 74, 297, 345: „thematisch begrenzt“. 410 § 2 Abs. 1 Nr. 2 RStV. 411 Zu den einzelnen Ansichten Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 99 ff. 412 Neun, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, S. 95; Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 103; vgl. auch Dumermuth, in: Abele/Fünfgeld/Riva, Werte und Wert, S. 86 Fn. 356. 413 BVerfGE 74, 297, 345 f. 414 BVerfGE 87, 181, 203. 26*
404 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
ten sich Spartenprogramme in der heutigen Zeit aufgrund eines gewandelten Umfeldes entweder bereits als Grundversorgung oder aber als in diesen Bereich bald hineinwachsend erweisen, damit der Gesetzgeber auch deren Veranstaltung bei der Festlegung der Programmanzahl einer Anstalt zwingend zu berücksichtigen hätte. (3) Entwicklungshemmung im Zuge sich wandelnder Interessen und Erwartungen Für sich allein genommen stellen Spartenprogramme keine Grundversorgung dar, denn sie enthalten, selbst wenn sie für nahezu die gesamte Bevölkerung empfangbar sind, lediglich ein begrenztes Programmspektrum und ermöglichen keine umfassende Information aus den verschiedensten Bereichen. Allerdings kommt es bei der Erfüllung der Grundversorgung durch den binnenpluralistisch ausgestalteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch nicht darauf an, dass jedes einzelne Programm diesem Auftrag gerecht wird. Anderenfalls ließe sich Grundversorgung grundsätzlich nur mit Vollprogrammen erbringen. Dies ist aber nirgendwo vorgegeben415. Maßgebend ist stattdessen das Gesamtprogramm416. Allein von der Grundversorgungskonstruktion her – der Integrationsaspekt sei zunächst außen vor gelassen – spricht mithin nichts dagegen, auch die Veranstaltung von Spartenprogrammen zuzulassen, wenn bei einer Gesamtschau aller Programme einer Rundfunkanstalt, mögen diese auch Spartenprogramme sein, umfassende Information aus verschiedensten Bereichen sowie die Vielfalt der Meinungen ausgewogen dargeboten wird417. Die generelle Annahme, Grundversorgung sei allein durch Vollprogramme erfüllbar, würde auch mit der im Rundfunk vorherrschenden Dynamik kollidieren, an der sich das Recht zu orientieren hat. Nach der diese Dynamik umsetzenden Entwicklungsgarantie des Bundesverfassungsgerichts, die es den Rundfunkanstalten ermöglichen soll, die zurzeit ihnen übertragene Grundversorgung auch unter sich ändernden Rahmenbedingungen zu erfüllen, muss das Programmangebot der Rundfunkanstalten für neue Publikumsinteressen oder neue Formen offen bleiben418. Nimmt man an, eines 415
Hoffmann-Riem, Pay-TV, S. 88. BadWürttVGH ZUM 1995, 151, 154; vgl. auch Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 817; Vesting, medium 1992, 53, 56. Hierzu bereits unter 1. Teil C. IV. 1. 417 Ebenso Jarass, Gutachten für den 56. DJT, G 56. 418 BVerfGE 83, 238, 299; hierzu auch Betz, MP 1997, 2, 7, Braun u. a., ZUM 1996, 201, 205 f.; Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 194 f., 220 f. 416
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
405
Tages wandelten sich die Rezipientenbedürfnisse dergestalt, dass gemischte Vollprogramme nicht mehr nachgefragt würden, würde eine auf die Vermittlungsform der Vollprogramme beschränkte Grundversorgung mangels Interesses leer laufen. In diesem Fall könnten sich Spartenprogramme als zeitgerechte Wahrnehmung des Grundversorgungsauftrages erweisen419, um auch die Bevölkerungsteile weiterhin zu erreichen, die für herkömmliche Vollprogramme nicht mehr empfänglich sind. Vielfach wird mittlerweile davon ausgegangen, die Gesellschaft habe sich im Zeitalter des vermehrten Wohlstandes entzerrt und in unterschiedliche Lebensweisen und Interessen individualisiert wie auch pluralisiert. Hiervon sei mittlerweile auch das Mediennutzungsverhalten erfasst, mit der Folge, dass auf allgemeine Interessen zugeschnittene und diese vollumfänglich befriedigende Produkte nicht mehr zeitgemäß seien und nicht mehr nachgefragt würden. Aus diesem Grund seien Spartenprogramme anders als noch vor einigen Jahren zwingend dem Bereich der unerlässlichen Grundversorgung zuzurechnen, zumal diese im Zuge der Digitalisierung beim Rundfunk jetzt auch in technischer Hinsicht in großem Ausmaß möglich seien420. (4) Kollision mit der Bedeutung des Rundfunks als Integrationsinstanz Gegen die Veranstaltung von Spartenprogrammen durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wird angeführt, diese liefen der Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zuwider421 und schwächten die integrative Wirkung der Vollprogramme422. Anders als Vollprogramme, die die Vielfalt unterschiedlicher Programmgegenstände und Meinungen in einer ausgewogene Gesamtdarstellung brächten und damit die integrative Wirkung des Rundfunks vermittelten423, erschwerten Spartenprogramme eine umfassende Meinungsbildung. Sie trügen eher zur weiteren Spaltung der Gesellschaft denn zu ihrer Integration bei424, sprächen sie doch von vornherein ganz bewusst nur bestimmte Themen und damit regelmäßig 419
Ebenso Hoffmann-Riem, MP 1996, 73, 75. Vgl. Bethge, MP 1996, 66, 69; Betz, MP 1997, 2, 7; Braun u. a., ZUM 1996, 201, 206; Hesse, BayVBl 1997, 132, 139; ders., Rundfunkrecht, S. 126; Holznagel/ Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 54; ebenfalls in diese Richtung tendierend Libertus, AfP 1998, 149, 150 f. 421 Bleckmann/Pieper/Erberich, AfP 1997, 417, 420; vgl. auch Ory, AfP 1995, 383, 385. 422 Starck, in: Burmeister, FS Stern, S. 792. 423 Vgl. Kresse, ZUM 1995, 178, 182. 424 Kresse, ZUM 1995, 178, 184; ders., ZUM 1996, 59, 65; Bleckmann/Pieper/ Erberich, AfP 1997, 417, 423. 420
406 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
auch nur eine bestimmte Gruppe an, nicht jedoch die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle sich daher besser auf seinen Integrationsauftrag besinnen und sich vorrangig um eine Weiterentwicklung seiner Vollprogramme kümmern425. Da Spartenkanäle mangels Ermöglichung umfassender Meinungsbildung nicht zur Grundversorgung gehörten426, solle weiterhin am Auftrag der Grundversorgung durch Vollprogramme festgehalten werden427. Zusätzliche Spartenprogramme werden unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht allenfalls in Bereichen für zulässig gehalten, die von privaten Veranstaltern nicht besetzt werden (können), wie im Bereich klassischer Kultur und Bildung428. (5) Stellungnahme Kernelement der weitgehenden Ablehnung öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme insbesondere als Grundversorgung ist die Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks429. Fraglich ist jedoch, ob es eine derartige spezifische Integrationsfunktion als Element der Grundversorgung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Sinne eines verfassungsrechtlichen Auftrages überhaupt gibt, so dass Spartenprogramme von daher als unzulässig anzusehen sind. Betrachtet man die vom Bundesverfassungsgericht explizit zur Integration getätigten Aussagen430, so fällt auf, dass das Gericht eher feststellend denn fordernd formuliert. Ein ausdrücklicher, verfassungsrechtlich-normativer Auftrag zur Integration wird seitens des Gerichts weder an den Rundfunk insgesamt noch speziell an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellt431. Selbst wenn es einen verfassungsrechtlich ableitbaren normativen Integrationsauftrag gäbe, müsste dieser angesichts des aus Sicht des Grundgesetzes 425
Kresse, ZUM 1995, 178, 184. Bleckmann/Pieper/Erberich, AfP 1997, 417, 423; vgl. auch Stettner, ZUM 1995, 293, 299. 427 Ricker, AfP 1998, 437, 439. 428 Kresse, ZUM 1995, 67, 76; ders., ZUM 1996, 59, 62; Starck, in: Burmeister, FS Stern, S. 792; dagegen Braun u. a., ZUM 1996, 201, 205. Auch Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 366, 428, kommt, wenngleich mit einem differenzierteren Begründungsansatz, zu diesem Ergebnis. 429 Vgl. Bleckmann/Pieper/Erberich, AfP 1997, 417, 420; Kresse, in: Kops, Finanzierung, S. 155; ders., ZUM 1995, 178, 183; Meier, ZUM 1997, 249, 254; Ory, AfP 1995, 383, 385. Hierzu auch Spital, forum medienethik 1/1996, 59, 61. 430 BVerfGE 31, 314, 329; 35, 202, 222. Hierzu bereits unter 2. Teil A. II. 1. a) cc) (2) (b). 431 Vgl. auch Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 67 f.; Hoffmann-Riem, Pay-TV, S. 92 ff.; ders., Regulierung, S. 217 ff.; a. A. Ricker, AfP 1998, 437, 438. 426
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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offen gestalteten Rundfunksystems für den Rundfunk insgesamt, sei er öffentlich-rechtlich oder aber privatrechtlich organisiert, gelten. Anderenfalls würde hierdurch eine Fokussierung der Rundfunkordnung auf die Beteiligung eines öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunks bedingt. Stattdessen kommt dem Rundfunk in Anbetracht seiner Stellung als Massenmedium mit der Möglichkeit, über räumliche Grenzen hinweg eine Vielzahl von Menschen zu erreichen, bereits aus sich heraus eine Bedeutung für die Integration der aus verschiedenen Individuen bestehenden Gesellschaft zu. Dabei handelt es sich gleichsam um eine Integration in realer Ausprägung, ohne dass es hierfür eines speziellen Auftrages bedürfte. Gleichwohl kommen in den verschiedenen Zielsetzungen der Rundfunkfreiheit die reale Stellung des Rundfunks als Integrationsinstanz unterstützende integrative Aspekte zum Ausdruck, wenn im Kernelement des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG – der Grundversorgung – der Rundfunk die Gesamtheit der Bevölkerung mit Programmen versorgen muss, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrages informieren und gleichgewichtige Meinungsvielfalt sichern. Diese auch schon im Rundfunk selbst angelegten integrativen Aspekte können in Vollprogrammen, die sowohl Mehrheits- als auch Minderheitsinteressen mit Themen aus allen Bereichen gerecht zu werden versuchen, prinzipiell leichter und effektiver verwirklicht werden als in thematisch und gruppenbezogen eher einseitig ausgerichteten Spartenprogrammen432. Auch kann eine Organisation wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die in finanzieller Hinsicht nicht auf hohe Einschaltquoten bestimmter gesellschaftlicher Gruppen angewiesen ist, erleichtert integrative Wirkungen erzeugen433, so dass von daher ein Bonus für öffentlich-rechtliche Vollprogramme anzuerkennen ist434. Es gilt jedoch zu bedenken, dass Integration eine Rezeption der entsprechenden Programme voraussetzt. Ist das im Zuge sich wandelnder Rezeptionsbedingungen der Rundfunkteilnehmer nicht mehr der Fall, da diese dazu übergehen, nur noch solche Programme zu akzeptieren, die auf spezielle Interessen zugeschnitten sind, müssen die Programmkonzepte angepasst und verstärkt Spartenprogramme gesendet werden435, auch wenn diese im Hinblick auf eine Integration nicht die optimale Lösung darstellen. In diesem Fall ist darüber nachzudenken, wie dennoch Integration – wenn auch in abgeschwächter Form – bewirkt werden kann. 432
Vgl. hierzu ebenfalls Stölzl, in: epd medien Nr. 45 v. 12.06.2004, 35, 37. Vgl. auch Jarren, M&K 2000, 22, 39. 434 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 122: Rundfunkanstalten als Garanten eines pluralistischen und integrativen Rundfunks. 435 Vgl. Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 221; hierzu auch Eifert, epd medien Nr. 11 v. 12.02.2000, 3, 4. 433
408 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
So wären Übergänge zwischen den einzelnen Sparten, die durch die Zusammenführung von Personen mit gleichen Interessen immerhin eine Art Integration im Kleinen bewirken436, mittels Querverweisen zu schaffen, damit diese nicht undurchlässig nebeneinander bestehen, sondern miteinander vernetzt werden. Genaueres müsste allerdings den insofern sachnäheren Rundfunkanstalten überlassen werden. Sich einer auf verschiedenen Faktoren beruhenden generellen Verspartungstendenz mit einer Schwerpunktsetzung allein auf Vollprogramme entgegenzustellen, würde sich daher letztlich als kontraproduktiv erweisen437. So ist auch der zur Grundgesetzinterpretation berufenen Verfassungsrechtsprechung an keiner Stelle zu entnehmen, dass allein Vollprogramme diesen Zielen gerecht werden können438. Anderenfalls würde ein im Hinblick auf die Programmformen statischer Zustand geschaffen, der mit der dynamischen Grundversorgung und der Entwicklungsgarantie nicht zu vereinbaren wäre. In einer flexiblen Gesellschaft kann es kein (gleichsam statisches) „Dauerangebot“ zur Integration geben, der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss daher beständig nach neuen Formen suchen und entsprechende Angebote unterbreiten439. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist der Ansicht, die Spartenprogramme aufgrund der Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks generell nicht der Grundversorgung unterordnen will, eine Absage zu erteilen. (6) Folgerung Gesetzt den Fall, angesichts der unzweifelhaft stattfindenden grundsätzlichen Individualisierung der Gesellschaft würde sich diese Tendenz auch im Rundfunkbereich abzeichnen, und hätte dies eine teilweise Abkehr des Publikums von traditionellen Vollprogrammen zur Folge, dann wären auch Spartenprogramme der Grundversorgung zuzuordnen. Bei der Einrichtung öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme wäre jedoch dann darauf zu achten, dass diese nicht zu einer Unausgewogenheit des Gesamtprogramms führen. Im Bereich der – zumindest momentan noch – am unteren Rand des gerade Zulässigen präsentierten Bildung und Kultur in den Vollprogrammen würde sich genug Spielraum zeigen, um beispielsweise Kultur436
Hierzu Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 299. So aber Kresse, ZUM 1996, 59, 65. 438 Ebenso Hoffmann-Riem, Pay-TV, S. 94; Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 302. Auch nach Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags, S. 20 ff., besteht kein normativer Auftrag zur Integration der Sparten in einem Vollprogramm. 439 Jarren, M&K 2000, 22, 37. 437
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oder Bildungsspartenkanäle einzurichten, während allein Unterhaltung offerierende Programme zum jetzigen Zeitpunkt zur Unausgewogenheit führen würden und daher abzulehnen wären. Eine völlige Abkehr von Vollprogrammen hin zu einer Vielzahl von Sparten- und Zielgruppenprogrammen bei allen Rundfunkanstalten, die die gesamte Breite der Themen und Interessen auf eigenen Kanälen bedienen, ist abzulehnen. Denn auch wenn damit insgesamt ein ausgewogenes Gesamtprogramm bestünde und die Programme dadurch, dass sie nicht die ganze Breite an Informationen und Meinungen darstellen, sondern sich auf bestimmte Inhalte konzentrieren würden, diese wesentlich genauer und tiefgehender präsentieren und damit die Vielfalt verstärken könnten440, sind negativ suboptimale Integrationsleistungen des Rundfunks wie auch ein dafür in Kauf zu nehmender immenser Gebührenanstieg anzuführen. Vielfalt kann nicht unbegrenzt von einem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk geleistet werden, der Grundversorgung nicht als maximale Vollversorgung441 zu erbringen hat. Zudem würde es die Verwirklichung der im Rundfunk angelegten integrativen Aspekte erheblich erschweren, stünde inmitten des Gesamtangebotes der jeweiligen Rundfunkanstalten kein Vollprogramm mehr. So ließe sich an öffentlich-rechtliche Spartenprogramme, die Teilfunktionen des Hauptprogramms verstärken, nicht jedoch ersetzen, denken442. Die entsprechende Handlungsintention der Rundfunkanstalten dürfte in jedem Fall nicht die Tatsache sein, dass private Rundfunkanbieter diese Programmstrategie einschlagen, sondern einer derartigen Entscheidung wären real geänderte Rezipientenerwartungen größeren Ausmaßes zugrunde zu legen. Betrachtet man die Marktanteilsverteilung im Jahr 2003, so lässt sich aufgrund der Tatsache, dass bereits mehr als 70% allein auf das traditionelle Angebot aus öffentlich-rechtlichen Vollprogrammen ARD, ZDF und den Dritten wie auch aus den großen privaten Vollprogrammen RTL, SAT.1, ProSieben443 entfallen, wenn auch zwischen den einzelnen Angeboten zunehmend hin- und hergewandert wird444, aber die Fernsehnutzungsdauer nicht aufgrund fehlender Bedürfnisbefriedigung abnimmt445, zum einen feststellen, dass die Rezipienten nach wie vor die Programmform des ge440 Hierzu Poll, Fernsehspartenprogramme, S. 295 f.; Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 51. 441 Siehe unter 2. Teil A. II. 2. d) bb) (2). 442 Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, S. 51. Für öffentlich-rechtliche Spezialprogramme mit spartenmäßigen Schwerpunkten in gewissem Umfang auch Stock, in: Hoffmann-Riem/Vesting, Perspektiven der Informationsgesellschaft, S. 149. 443 Vgl. hierzu die Zahlen bei Darschin/Gerhard, MP 2004, 142, 143 f. 444 Vgl. 2. Teil B. III. 3. b) bb).
410 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
mischten Vollprogramms zu akzeptieren scheinen. Zum anderen lässt sich ausgehend hiervon die Prognose treffen, dass sich im Bereich des Fernsehens trotz der digitalisierungsbedingten erwartbaren Programmvermehrung zumindest in der nächsten Zeit nicht so gravierende Veränderungen abzeichnen, dass der vorrangig auf Grundversorgung mittels Vollprogrammen ausgelegte gesetzliche Rahmen nicht mehr als realitätskompatibel angesehen werden kann. Vollprogramme werden auch weiterhin einen gesicherten Platz im Programmangebot haben. Von daher sind Spartenprogramme im Fernsehbereich zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch nicht zwingend der Grundversorgung zuzuordnen, sondern lediglich in dem ihr vorgelagerten Bereich anzusiedeln. Der Gesetzgeber hat sie bei seiner Programmzahlfestlegung jedoch in jedem Fall zu berücksichtigen. Dies könnte dergestalt geschehen, dass den Rundfunkanstalten zunächst die Grundversorgung in Form der herkömmlichen Fernsehvollprogramme aufgegeben wird, dem Länderverbund der ARD wie auch der Rundfunkanstalt des ZDF die Option zur Veranstaltung einer bestimmten Anzahl von Spartenprogrammen neben dem bisherigen jeweils einen Vollprogramm und eine Verbindung dieser Programmformen im Sinne eines Netzwerkes zugestanden wird, sollten sich maßgebliche Änderungen der Rezipientengewohnheiten abzeichnen, wofür bestimmte Faktoren herauszuarbeiten wären. Dadurch würde zum einen eine Anpassung der Grundversorgung an ein verändertes Umfeld gewährleistet, zugleich wäre eine Programmausweitung ohne entsprechende Begründung nicht möglich. cc) Vorschläge zur künftigen Programmstruktur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen De lege ferenda ließe sich bezüglich des künftigen öffentlich-rechtlichen Fernsehangebotes zulässigerweise Folgendes festlegen: (1) Zwei nationale Vollprogramme Unter dem Gesichtspunkt, dass das Gemeinschaftsprogramm der ARD durch Zulieferung der einzelnen Programmteile von den Landesrundfunkanstalten, deren Programmdirektoren wiederum verschiedene Neigungen und Programmvorstellungen haben446, regionale Vielfalt in allen Sparten si445 Lag die durchschnittliche Sehdauer im Jahr 2001 bei 192 Minuten, stieg sie auf 201 Minuten im Jahr 2002 und erhöhte sich nochmals um 2 Minuten im Jahr 2003. Auch die Tagesreichweite stieg kontinuierlich an, vgl. Darschin/Gerhard, MP 2004, 142. 446 Abich, in: Bausch, Königsteiner Gespräche, S. 62.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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cherstellen kann, und damit durch die Präsentation der verschiedenen föderalen Facetten in einem homogenen Programm integrativ wirken kann, ist ein Fortbestand des Vollprogramms Das Erste zu befürworten447. Die Pluralität der Anstalten und Länder muss sich jedoch auch wirklich im täglichen Programm widerspiegeln. Dies sicherzustellen, muss dem Verantwortungsbereich der Rundfunkanstalten anheim gegeben werden. Demgegenüber bietet ein zweites nationales, jedoch anders strukturiertes Fernsehvollprogramm nach Art des ZDF Ausweich- und Kontrastmöglichkeiten und kann zu einem befruchtenden Wettbewerb der beiden Programme untereinander führen448. Voraussetzung ist allerdings, das zweite Vollprogramm bietet tatsächlich Kontrast und Alternativen. Dies kann durch die bereits erwähnte zu intensivierende Programmkoordination gewährleistet werden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist dem Vorschlag nur eines bundesweit verbreiteten Fernsehprogramms449 kritisch gegenüberzustehen; zwei nationale Vollprogramme stellen sich nicht als sinnlose Übererfüllung des Programmauftrags dar. (2) Option eines auseinandergeschalteten Dritten Programms Vorstehend wurde eine Länderquote von mindestens 50% landesspezifischer Sendungen mit Blick auf zusätzliche Informationen über das eigene Bundesland einhergehend mit kleinräumig verstärkter Identifikation wie auch Integration befürwortet450. Sollte sich die Erfüllung der vorgeschlagenen Quote in den jeweiligen Dritten Programmen als zu schwierig und eventuell auch zu kostspielig erweisen, so dass allein deshalb die Rundfunkgebühr verstärkt angehoben werden müsste, ließe sich staatsvertraglich die Option vereinbaren, in Abstimmung mit den Rundfunkanstalten eine je447
Vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 105, 107; Springer, Reform der ARD, S. 377 f. 448 Vgl. hierzu Bethge, ZUM 1995, Sonderheft, 514, 518; ders., Verfassungsrechtliche Position, S. 106 f.; Zuck, NJW 1995, 1333. Auch Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 784, rechnet die Vollprogramme der ARD und des ZDF der unerlässlichen Grundversorgung zu. 449 In diese Richtung Doetz, in einer medienpolitischen Diskussionsrunde am 05.03.2004, abgedruckt in MP 2004, 106, 108, 119. Auch Prüfig, Zukunft der Grundversorgung, S. 233, hält die Einstellung eines der nationalen Programme für vertretbar; Uphoff, Fernsehmarkt und Grundversorgung, S. 222, tendiert zu einer schrittweisen Privatisierung des ZDF. Das 1995 veröffentlichte Stoiber/BiedenkopfThesenpapier zur Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunk befürwortete eine Abschaffung des Gemeinschaftsprogramms zugunsten einer Stärkung der Dritten Programme, MP 1995, 104, 106 f. 450 Siehe unter b) ff).
412 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
weils selbständige Programmstruktur der Dritten Programme aufzugeben451, auch wenn dadurch die föderale Kulturhoheit452 nicht mehr so deutlich wie bisher zum Ausdruck käme. Es könnte dazu übergegangen werden, statt sieben verschiedener Dritter Programme ähnlich wie in Frankreich mit „France 3“ ein einziges Länderprogramm auszustrahlen, das aus einem von allen Rundfunkanstalten gemeinsam gestalteten Mantelprogramm nicht länderbezogene Sendungen bestünde und jeweils auseinandergeschaltete länderspezifische Fenster enthielte. Diese wären von den Rundfunkanstalten für ihr Sendegebiet zu produzieren. Noch weitergehend könnte auch daran gedacht werden, diese Fenster nicht in ein eigenes bundesweit ausgestrahltes Mantelprogramm, sondern stattdessen in das bereits bestehende, ähnlich strukturierte Erste Programm der ARD zu implementieren. Denn dieses hat bereits zurzeit den Anspruch, unterschiedliche Regionen unter dem Dach eines Gemeinschaftsprogramms wiederzugeben. Dadurch, dass das außerhalb dieser Landesfenster liegende Programm weiterhin spezifische Landesprägungen aufweisen würde, bliebe es bei einer Einblickgewährung in andere Bundesländer und Darstellung des Föderalismus in seiner Gesamtheit. (3) Weitere Programme Bezüglich der zusätzlich zu den bisher genannten Programmen veranstalteten Angebote – zu denken sei an 3sat und Arte, Kinderkanal und Phoenix, BR-alpha wie auch die Digitalprogramme von ARD und ZDF – lässt sich folgender Vorschlag machen: Die zusammen mit ausländischen Partnern veranstalteten Programme 3sat und Arte sind zunächst beizubehalten. Im Übrigen ist den in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und dem ZDF für die Veranstaltung bundesweit verbreiteter neuer Programme eine bestimmte Zahlengrenze vorzugeben. Von den Rundfunkanstalten kann dann entschieden werden, mit welchen Programmangeboten diese Marge konkret ausgefüllt wird. So könnten die bewährten Programme Kinderkanal und Phoenix weiterbetrieben werden, auch Teile der neuen Digitalprogramme ließen sich darunter fassen. Die Berechtigung letzterer allein aufgrund der Annahme, digitaler Rundfunk würde ohne gleichzeitig präsentierte neue Inhalte nicht akzeptiert werden, da die qualitativen Verbesserungen bei den herkömmlichen Programmen häufig auf den ersten Blick nicht wahrgenommen würden, ist jedoch fragwürdig. 451 In diese Richtung Bethge, ZUM 1995, Sonderheft, 514, 518; vgl. auch Doetz, in einer medienpolitischen Diskussionsrunde am 05.03.2004, abgedruckt in MP 2004, 106, 111; Springer, Reform der ARD, S. 443; VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 36. 452 Zuck, NJW 1995, 1331, 1332.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
413
Neue Programmangebote wären – ähnlich der bisherigen Regelung des § 19 Abs. 4 RStV für die digitalen Programme von ARD und ZDF – nur dann zulässig, wenn dafür andere wegfielen. So ließe sich künftig ein klares und übersichtliches öffentlich-rechtliches Fernsehangebot schaffen, die nicht unbegrenzt erweiterbaren finanziellen Kräfte der Rundfunkanstalten könnten effizienter eingesetzt werden und zugleich würde auch der Dynamik, die nicht als Einbahnstraße im Sinne einer immer stärkeren Programmausweitung zu verstehen ist453, Rechnung getragen. Um auch gravierenden Veränderungen der äußeren Umstände mit einer entsprechenden Rundfunkordnung gerecht werden zu können, böte es sich an, hier ebenfalls innerhalb bestimmter zeitlicher Abstände eine Überprüfung des bestehenden gesetzlichen Rahmens vorzunehmen454. e) Schlussfolgerung Abschließend lässt sich feststellen, dass der Gesetzgeber, um dem bestehenden Konkretisierungsbedürfnis Rechnung zu tragen, von seinem Ausgestaltungsspielraum im Zusammenhang mit der Programmautonomie der Rundfunkanstalten wie auch dem Grundsatz der Staatsfreiheit zulässigerweise dergestalt Gebrauch machen kann, dass er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zunächst auf den Bereich der Grundversorgung beschränkt und dann als Obergrenze die Anzahl der Programme wie auch deren Charakter als Voll- oder Spartenprogramm festlegt. Weiterhin ist es ihm erlaubt und auch nahe zu legen, zur Sicherstellung eines vielfältig-ausgewogenen Programms für die gesamte Bevölkerung, das weder allein mit Sendungen für elitäre Hochkulturen privatrechtliche Defizite kompensiert noch in seinen Konturen gegenüber dem Angebot privater Anbieter verschwimmt, prozentuale Mindestanteilsfestlegungen der Bereiche Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur vorzunehmen, wobei er diese Bereiche mit Hilfe von Regelbeispielen näher bestimmt. Darüber hinaus kann er als Rahmenbestimmung die Programmquoten kleinräumiger auf bestimmte Zeiteinheiten festlegen wie auch eine länderspezifische Mindestquote für die Dritten Programme aufstellen, ohne dass er dabei meinungsbeeinflussend auf den Inhalt einwirkt. Eine derartig weitgehende staatlich-politische Einflussnahme und inhaltliche Ausrichtung des Programms wie im Dritten Reich ist mit den befürworteten Vorschlägen in keinem Fall verbunden. Schließlich handelt es sich größtenteils um weitmaschige Bestimmungen neutraler Art zur Verbesserung der Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Interesse der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. 453 454
Vgl. unter 2. Teil A. II. 2. d) cc) (5). Siehe hierzu bereits unter 2. d) cc) (3).
414 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Lediglich anregen kann der Gesetzgeber die jeweiligen Rundfunkanstalten, eine verbesserte Programmabstimmung vorzunehmen, Qualitätsstandards zu erarbeiten sowie experimenteller vorzugehen, um den Rundfunk weiterzuentwickeln. Auch Verbesserungen im Bereich der Meinungsvielfalt sind den Rundfunkanstalten vorbehalten. Diese sind gehalten, die gesetzlichen Rahmenverpflichtungen wie auch darüber hinausgehende Anregungen in zu veröffentlichenden Selbstverpflichtungen umzusetzen und zu erfüllen. Weiter reichende, detailliertere Anforderungen sind als Ausdruck der Programmfreiheit den Rundfunkanstalten zu überlassen, die in genaueren Programmfragen durch jahrzehntelange Befassung mit der Materie eine größere Sachkompetenz aufweisen. Diese sind weiterhin frei zu entscheiden, mit welchen Sendungen sie das in Grundzügen vorgegebene grobmaschige Programmschema ausfüllen, beispielsweise welche Programmpräsentation, Moderatoren, Dokumentarfilmer, Schauspieler und Themendarstellung sie hierfür wählen. Letztlich wird durch die angedachten Vorgaben die Gestaltungsfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Vergleich zu vorher zwar eingeschränkt, dem steht jedoch ein nicht unerheblicher Zugewinn auf Seiten der Rundfunkfreiheit gegenüber, so dass die Neuregelung sich insgesamt als verfassungsgemäß darstellt. 4. Strukturreform im Hinblick auf eine Neugliederung der Rundfunklandschaft Neben inhaltlichen Reformen wird auch – nicht erst in letzter Zeit455 – eine Strukturreform angedacht456. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines Bestandes von neun Landesrundfunkanstalten, die in Bezug auf Größe und Leistungsfähigkeit unterschiedlich ausgeprägt sind, was sich auf die Einteilung Deutschlands in verschiedene Besatzungszonen und die damit einhergehenden politischen Gegebenheiten zu dieser Zeit zurückführen lässt457. Neben dem strukturbedingt höheren Organisationsaufwand und damit einhergehenden größeren Finanzbedarf ist vor allem der Gesichtspunkt kritisch zu betrachten, dass angesichts vieler Rundfunkanstalten der einzelnen Länder die Schwierigkeit besteht, sich bei anstehenden Entscheidungen 455 Eine Neugliederung des Rundfunks wurde bereits Ende der sechziger Jahre als „sinnvolle Zukunftsaufgabe“ bezeichnet (so der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn, zit. nach Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 2. Teil, S. 645). 456 Beispielsweise wird die Zusammenlegung von SDR und SWF in der Präambel des SWR-StV als „Beitrag zur notwendigen Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland“ bezeichnet. 457 Siehe unter 1. Teil B. III. 2.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
415
schnell auf einen gemeinsamen Standpunkt zu einigen. Dies wiederum birgt die Gefahr in sich, dass sich bei Veränderungen im schnelllebigen Rundfunkbereich, die grenzübergreifend einer gesetzlicher Grundlage bedürfen, die Einigung der Länder untereinander so in die Länge zieht, dass sich die letztendlich ergehende Regelung als bereits überholt oder aber nicht weitgehend genug herausstellt. Um Abhilfe zu schaffen, stehen unterschiedliche Konzepte in der Diskussion, auf deren Einzelheiten vorliegend angesichts der Fülle an Vorschlägen nicht näher einzugehen ist458. Stattdessen werden lediglich die Grundzüge einer zukünftigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkstruktur skizziert. a) Konzept einer zentralen Gemeinschafts-Rundfunkanstalt Die am weitesten gehende Möglichkeit, anstelle der neun einzelnen Landesrundfunkanstalten eine von allen Ländern gemeinsam gegründete Gemeinschafts-Rundfunkanstalt, hätte den Vorteil einer leichteren Organisation. Denn dann müssten die verschiedenen Vorstellungen der diversen Landesrundfunkanstalten nicht immer zum Ausgleich gebracht werden und blieben häufig Entscheidungen nicht auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners stehen. Ein derartiges Modell wäre allerdings als Verstoß gegen die Föderalstruktur der BRD einzuordnen, da in der Zuordnung der Rundfunkkompetenz zum Länderbereich zugleich ein Gebot zu sehen ist, den Rundfunk nicht zu zentralisieren, sondern ihn entsprechend dem Länderföderalismus dezentral aufzubauen459. In Anbetracht der Erfahrungen mit einem schon in der Weimarer Republik faktisch zentralisierten Rundfunk, dem sich anschließenden offiziell zentralisierten Reichsrundfunk des Dritten Reichs und der dort zusammengeballten Rundfunkmacht460 gilt es, durch Dezentralisation die Potentiale des Rundfunks auf mehrere Träger zu verteilen, um so die Gefahr eines Missbrauchs durch den jeweiligen Machthaber zu erschweren461. Von daher ist als Ausgangspunkt der Überlegungen festzuhalten, dass in jedem Fall föderative Strukturen im Rundfunkbereich bestehen müssen. Diesen Aspekt, das Gebot einer föderalistisch geprägten dezentralen Orga458
Eine umfassende Darstellung der verschiedenen Vorschläge zu einer Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, besonders der ARD, findet sich bei Kops, in: Kops/Sieben, Organisationsstruktur, S. 48 ff., 72 ff. sowie Springer, Reform der ARD, S. 307 ff. 459 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 291; ders., Rundfunkrecht, § 6 Rn. 45. 460 Hierzu 1. Teil B. I. und II. 461 Vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 104: Die Bundesstaatsstruktur schließt zentralistische Einheitslösungen nach Art eines Reichsrundfunks aus.
416 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
nisation des Rundfunks, gilt es den vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung zu beachtenden Grundsätzen462 hinzuzufügen. Angesichts dessen, dass momentan und auch in absehbarer Zeit dem öffentlichrechtlichen Rundfunk die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Vorgaben obliegt, bedarf es folglich der Existenz mehrerer selbständiger öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten463. b) Beibehaltung mehrerer Rundfunkanstalten Gegenüber den bereits angeführten Nachteilen der bisherigen Rundfunkstruktur lässt sich als Vorteil von neun unterschiedlich ausgestatteten Rundfunkanstalten der Aspekt anführen, dass angesichts unterschiedlicher Ideen und Vorstellungen in den jeweiligen Rundfunkanstalten eine größere Anzahl von Rundfunkanstalten auch zu einer größeren Vielfalt des Rundfunkprogramms führt. Besonders kleine Anstalten lassen sich als Beitrag zur regionalen Vielfalt einordnen464. Zudem tragen mehrere Anstalten zu einem Wettbewerb auch innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, das das Organisationsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit mehreren Rundfunkanstalten auf Landesebene gerade den föderalistischen Aufbau des Bundesstaats widerspiegelt. Eine Zusammenlegung einiger Rundfunkanstalten, beispielsweise durch eine Angliederung kleiner Rundfunkanstalten wie RB oder des SR an größere Einheiten, würde Einbußen bei der Vielfalt befürchten lassen, ohne zugleich unbedingt finanzielle Entlastung zu bringen. Größere Einheiten bedeuten nicht zwangsläufig Einsparungen465. So ist nicht auszuschließen, dass kleinere Einheiten für sich gesehen effizienter arbeiten können, da sie flexibler und besser steuerbar agieren können. Dies deckt sich mit der Feststellung der KEF, die Kosten pro hergestellter Sendeminute seien bei größeren Anstalten nicht zwangsläufig geringer466. Wenngleich sich aufgrund der angestellten Betrachtungen die föderale Struktur samt unterschiedlich großer und leistungsstarker Einheiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als eine Errungenschaft des Gesamtstaats darstellt und sich für das einzelne Land ebenfalls als positiv erweist, so darf der Föderalismus nicht so kleinteilig ausgeprägt sein, dass er sich 462
Siehe hierzu unter 2. Teil A. II. 2. So auch Bethge, MP 1996, 66, 71. 464 Vgl. Scharf, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Duales Rundfunksystem, S. 32; ähnlich auch Dörr, K&R 2000, 294. 465 Vgl. ebenfalls Dörr, ZUM 1993, 10, 17: Nennenswerte Einspareffekte sind durch Zusammenschlüsse nicht zu erwarten; Hesse, BayVBl 1997, 132, 143. 466 Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, Neunter Bericht, Tz. 422. 463
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
417
selbst blockiert und schnelle durchgreifende Entscheidungen auf nationaler Ebene verhindert. So gilt es abzuwägen zwischen effektiverer Organisation im Hinblick auf eine verbesserte Handlungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt und unter Umständen auch finanziellen Einsparungen (etwa durch den Abbau verzichtbarer Doppelstrukturen und sinkende Fixkosten) einerseits und den möglichen Einschnitten im Bereich der inhaltlichen und meinungsmäßigen Vielfalt, wie sie durch allesamt gebührenfinanzierte, in ihrem Sendegebiet, ihrer Größe und Finanzkraft unterschiedliche Rundfunkanstalten hervorgebracht werden kann. Angesichts der vorangegangenen Anregungen zur stärkeren Nutzung der Vorzüge des bestehenden Systems wird einer effektiveren Organisation gegenüber den potentiellen Auswirkungen auf die Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein geringerer Stellenwert eingeräumt und mithin einer Strukturreform mit dem Inhalt der Schaffung größerer Einheiten die Vordringlichkeit abgesprochen. Bislang fusionierten zum einen die beiden Sendeanstalten SWF und SDR 1998 zum „Südwestrundfunk“ (SWR)467 und beendeten damit die aus der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen resultierende geographisch und größenmäßig nicht gerade glückliche Aufteilung des Landes BadenWürttemberg. Zum anderen erfolgte im Jahr 2003 eine Fusion vom SFB und ORB zum „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB)468. Vor diesem Hintergrund scheint die Entwicklung dahin zu tendieren, von dem im Rundfunkbereich bisher bestehenden Föderalismus, der sich darin äußerte, dass fast jedem Land eine eigene Rundfunkanstalt zur Verfügung stand469, zu einer zwar noch dezentralen Rundfunkorganisation mit allerdings abnehmender Anzahl an Rundfunkanstalten überzugehen. Gesetzt den Fall, dieser Trend bewahrheitet sich470, sollte in Anbetracht der für gewichtiger erklärten Vielfaltsvorzüge verstärkt darauf geachtet werden, den Besonderheiten der in den Anstalten zusammengeschlossenen einzelnen Bundesländer Rechnung zu tragen, folglich den Föderalismus auch weiterhin, wenn auch 467
Staatsvertrag über die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt „Südwestrundfunk“ v. 31.05.1997, GBl BW 1997, S. 300; GVBl RP 1997, S. 261. Von Scherer, ZUM 1998, 8, 19, als erster richtiger Schritt zu neuer ARD-Struktur begrüßt; ähnlich auch Fechner, JZ 2003, 224, 228. 468 Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg v. 25.06.2002, GVBl Brbg 2002, S. 138, GVBl Berl, S. 332. 469 Ausnahmen stellten vor den erfolgten Zusammenschlüssen MDR (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) und NDR (Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) dar. 470 Kritisch Hesse, BayVBl 1997, 132, 143, der einer Strukturreform ähnliche Chancen wie der in Art. 29 GG vorgesehenen Neugliederung des Bundesgebietes einräumt. 27 Lindschau
418 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
nicht organisatorisch, dann jedoch programminhaltlich zu gewährleisten. Eine Optimierung unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann nicht allein das Ziel sein471 Ebenfalls zu berücksichtigen sind historisch gewachsene Grenzen und Kulturräume472.
III. Auswirkungen auf den privaten Rundfunk Auch wenn nun der öffentlich-rechtliche Rundfunk infolge der Konkretisierung des Grundversorgungsauftrages noch besser in der Lage sein wird, der Grundversorgungsaufgabe nachzukommen, und damit private Veranstalter weiterhin ihre Programme unter dem Schwerpunkt der Gewinnmaximierung veranstalten können, unterliegen sie nach wie vor positiven Programmanforderungen hinsichtlich gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt473. Anderenfalls besteht die Gefahr einer verfassungswidrigen „Verzerrung des Gleichgewichts im Gesamtprogramm“474. Zudem lassen sich Fehlentwicklungen in diesem Bereich nur schwer rückgängig machen475. Gleiches gilt für die Regelungen zur Verhinderung von Medienkonzentration, um Verzerrungen zugunsten einer bestimmten Meinungsrichtung zu vermeiden476. Außerdem gilt es zu beachten, dass neue technologische Möglichkeiten auch neue Formen und Wege der Einflussnahme eröffnen477, so dass Gefahren für die Meinungsbildung eher zu- denn abnehmen478. Die positiven Wirkungen eines objektiv berichtenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfen nicht durch einseitige und zugleich mächtige private Rundfunkunternehmen wieder zunichte gemacht werden. 471 In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf die überspitzte Aussage von v. Sell: „Am billigsten ist, konsequent zu Ende gedacht, gar kein Rundfunk.“, FK Nr. 13/1995, 1, 3. 472 Vgl. hierzu Springer, Reform der ARD, S. 428 ff. 473 Für eine völlige Freistellung der Privaten von positiven Programmanforderungen und lediglich Anforderungen bezüglich Sorgfaltspflichten, Gegendarstellungsrecht, Jugend- und Datenschutz zulassend Schoch, JZ 2002, 798, 806. 474 Vgl. BVerfGE 57, 295, 324; 83, 238, 297, 316 f. 475 BVerfGE 57, 295, 323; 73, 118, 160; 95, 163, 173. 476 Für Beibehaltung vielfaltssichernder Maßnahmen im Privatfunk vgl. auch Wulff, Rundfunkkonzentration, S. 67; sogar das sonst sehr liberale Konzept des VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 28, spricht sich zur Monopolverhinderung für weiterhin geltende medienspezifische Sonderregelungen aus. Vgl. hierzu auch Stock, JZ 1997, 583, 585 ff. 477 Zu neuen Gefährdungslagen für die Meinungsvielfalt beim digitalen Rundfunk Hesse, Rundfunkrecht, S. 290 ff.; Holznagel, Spezifischer Funktionsauftrag des ZDF, S. 80 ff.; Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 136 ff. 478 Vgl. hierzu BVerfGE 95, 163, 173: „Es auch ist nicht ersichtlich, dass das Gebot der Vielfaltssicherung durch neuere Entwicklungen an Gewicht verlieren könnte.“ Hierzu auch Dörr, Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa, S. 58 f.
B. Maßnahmen zur Optimierung der Sicherung der Rundfunkfreiheit
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Ob in Anbetracht der kritisch gewürdigten Leistungen privater Rundfunkveranstalter ebenfalls über genauere gesetzliche Vorgaben hinsichtlich des zu erfüllenden Grundstandards nachzudenken ist, oder ob bei ihnen stattdessen zukünftig auf mehr Selbstverantwortung und -kontrolle zu setzen ist479, um dadurch in jeder Hinsicht vielfältigere Angebote zu erlangen, ist eine Frage, der im Rahmen dieser Bearbeitung nicht weiter nachgegangen werden kann. Selbst wenn es dabei bleiben sollte, dass allein den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genauere Anforderungen auferlegt werden, kommt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Sei es, weil ihnen nur im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Grundrechtsfähigkeit zuerkannt wird480, sei es – selbst wenn man den Gleichheitssatz in seiner objektiven Ausprägung für anwendbar hält481, weil die unterschiedliche Behandlung durch das Privileg der Gebührenfinanzierung der Rundfunkanstalten gerechtfertigt wird482. Es kann jedoch festgestellt werden, dass trotz der aufgezeigten bestehenden Schwächen privater Veranstalter diese im heutigen Rundfunksystem beizubehalten sind. Wenngleich für den Gesetzgeber aufgrund der Funktionstüchtigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keine Pflicht zur Beibehaltung des dualen Systems samt einem privaten Rundfunk besteht483, so kommt dem privaten Rundfunk nach dem Konzept der strukturellen Diversifikation484 eine besondere Bedeutung zu. Danach werden unterschiedliche Strukturelemente in der Erwartung kombiniert, die jeweiligen unterschiedlichen Stärken und Schwächen würden sich wechselseitig ausgleichen485. Beispielsweise lässt sich die staatlich-parteiliche Einflussnahme im Bereich des binnenpluralistisch konzipierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die noch unterhalb einer Verletzung des Gebotes der Staatsfreiheit bleibt, unter Umständen von einem stark an ökonomischen Kriterien ausgerichteten, als kommerzielles Unternehmen konzipierten privaten Rundfunk abmildern. Auch unter dem Vielfaltsaspekt ist eine Bereicherung durch den auf anderen Voraussetzungen aufbauenden Privatfunk denkbar. So erwartet das Bundesverfassungsgericht 479
VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 30. BVerfGE 78, 101, 102. 481 Bethge, ZUM 1991, 337, 341; Degenhart, ZUM 1997, 153, 155 ff. 482 Vgl. auch Hoeren, Beilage MMR 8/2003, 1, 18. 483 Siehe unter 2. Teil A. II 2. b) und 3. Teil A. III. 484 Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, S. 38 f.; hierzu auch Eifert, ZUM 1999, 595, 596 ff. 485 Zu den freiheitsstiftenden Wirkungen vorhandener Alternativen vgl. Oppermann, JZ 1981, 721, 730. 480
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420 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
selbst bei äußerlich ähnlichen Sendungen inhaltliche Abweichungen und andere Schwerpunktsetzungen innerhalb der Sendung, je nach dem, ob die Sendung in öffentlich-rechtlicher oder aber privater Verantwortung angeboten wird. Es führt aus: „Selbst wenn Breite und Struktur der [scil. öffentlich-rechtlichen und privaten] Programme im ganzen übereinstimmen, können sich doch die Art der Darstellung und die Behandlung der Themen wesentlich voneinander unterscheiden.“486 Private Programmangebote tragen, auch wenn sie nicht das gesamte Spektrum möglicher Inhalte und Meinungen abdecken, in den Bereichen, in denen sie finanzierungsbedingt stark präsent sind, wie etwa bei der Unterhaltung oder aber auch den Nachrichten, auf ihre Weise dazu bei, den Rezipienten einen vielfältigen Rundfunk insgesamt zu präsentieren. So ist beispielsweise nicht für jeden Rundfunkteilnehmer ein qualitativ hochwertiger, anspruchsvoll gemachter und interessante Aspekte beleuchtender Fernsehfilm im Bereich der Unterhaltung ungleich attraktiver und ansprechender als ein billiger, klischeebedienender amerikanischer Actionfilm. Über eine Abschaffung des privaten Rundfunks ist im Zuge der Ökonomisierung des Rundfunks wie auch rundfunkübergreifender allgemeiner Privatisierungstendenzen sowie angesichts der festen Etablierung privaten Rundfunks487 nicht ernsthaft nachzudenken.
IV. Zwischenergebnis Nachdem eine Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgrund nicht deutlich überwiegender Vorteile gegenüber den Nachteilen als nicht zwingend erforderlich angesehen wurde, zeichnet sich für den zukünftigen rechtlichen Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Folgendes ab: Eine genauere Fassung der zurzeit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten obliegenden Grundversorgung kann zu einer verbesserten Erfüllung infolge überprüfbarerer, konkreterer Maßstäbe der Gebotserfüllung führen. Darüber hinaus kann sie eine größere Transparenz nach außen, verbunden mit Akzeptanzaufwertung in der Bevölkerung zur Folge haben sowie sich als hilfreich im Hinblick auf wettbewerbs- und beihilferechtliche Konfliktsituationen erweisen. Die – angesichts des die verfassungsrechtlichen Vorgaben ausfüllenden bisherigen Systems – nicht zwingend notwendigen, aber doch anzuratenden Konkretisierungen sollten vor dem Hintergrund der Spannungslage zwischen der Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers als Grundrechtsgarant einerseits und der Programmautonomie der Rundfunkanstalten und Staatsfreiheit des Rundfunks andererseits in einem 486 487
BVerfGE 74, 297, 333. Vgl. auch Eifert, ZUM 1999, 595, 596.
C. Zur Situation des Hörfunks
421
Zusammenspiel der Akteure Gesetzgeber und Rundfunkanstalten erfolgen. Bevorzugterweise sollte der Gesetzgeber dabei unter Berücksichtigung der Dynamik Rahmenregelungen wie Anzahl der Grundversorgungsprogramme, Mindestprogrammquoten für bestimmte Sparten in gewissen Zeitspannen vorgeben und die Rundfunkanstalten anhalten, Einordnungs- und Qualitätskriterien zu erarbeiten, experimentierfreudiger zu sein und verstärkt Programmkoordinationen vorzunehmen. Zwar ist es ihm auch möglich, den Rundfunkanstalten mit ihren Selbstverpflichtungen insgesamt bei der angedachten Grundversorgungskonkretisierung den Vortritt zu lassen. Der Gesetzgeber kann sich den eigenen Einsatz lediglich für ein Fehlschlagen dieser Lösung im Hinblick auf die erwarteten Optimierungen vorbehalten, wie dies in der Neufassung des § 11 RStV zum Ausdruck kommt, in dem die Rundfunkanstalten verpflichtet sind, in eigener Regie mittels so genannter Selbstverpflichtungen eine Konkretisierung vorzunehmen. Dies stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, muss aber im Hinblick auf die bei Selbstregulierungen generell auftretenden Schwierigkeiten – verwiesen sei auf Interessenkollisionen wie auch fehlende Verbindlichkeit – unter Vorbehalt gesehen werden. Inwieweit sich die gegenüber letzterer Lösung ins Feld geführten Gründe in Zukunft tatsächlich realisieren oder aber den geforderten Änderungen vollständig Rechnung getragen wird, kann vorliegend angesichts der ständigen Dynamik im Rundfunkbereich und der relativen Neuheit dieser Vorgehensweise zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesichert bewertet werden. Angesichts der erörterten Fassung der Mitte September 2004 abgegebenen Erklärungen ist die gewählte Lösung allerdings eher kritisch zu betrachten488. Sollen die Veränderungen auf eine tatsächliche Konkretisierung des Grundversorgungsauftrages hinwirken, um der bestehenden Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in optimaler Weise gerecht zu werden, ist daher der aufgezeigten Alternative gesetzlicher Rahmenregulierung kombiniert mit detailorientierter Selbstregulierung der Vorzug zu geben.
C. Zur Situation des Hörfunks Abschließend soll auch der Hörfunk nicht unerwähnt bleiben. Dort stellt sich die Situation in Teilen anders dar als beim Fernsehen, so dass von daher die Frage auftaucht, inwieweit dort der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiterhin in tatsächlicher Hinsicht unersetzbar bleibt.
488
Siehe unter 2. e) cc) (2) (b) und dd).
422 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
I. Grundversorgungserbringung 1. Ausdifferenziertes Programmangebot anstelle von Vollprogrammen Bereits in den ersten Nachkriegsjahren begann man bei den Rundfunkanstalten im Zuge des Aufbaus neuer Hörfunkfrequenzen von einem Radiovollprogramm, das im Laufe des Tages das breite Spektrum von beispielsweise Nachrichten, Hörspielen, bunten Abenden (Musik aller Richtungen), Vorträgen, Diskussionen, Schul- und Sportfunk abdeckte489 und das versuchte, als Integrationsprogramm damit ein möglichst breites Publikum auf einem Sendeplatz zu erreichen490, dazu überzugehen, dieses Angebotsspektrum stärker auszudifferenzieren. Man fing an, Programmangebote zu kreieren, die spezieller auf die einzelnen Hörererwartungen zugeschnitten waren491. Mit dem Aufkommen privater Rundfunkveranstalter, deren kommerzielle Radioangebote durchgängig als populäres, auf hohe Einschaltquoten zugeschnittenes Tagesbegleitprogramm angelegt sind492, verstärkte sich diese Entwicklung noch493. Mittlerweile stellen sich daher die Hörfunkangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überwiegend nicht mehr als gemischte Vollprogramme dar. Statt dessen kann jede Rundfunkanstalt auf einen bunten Strauß mehrerer – die Bandbreite reicht von vier bis acht – Programme verweisen, die als Nachrichten- und Informationsprogramme, Kultur- und Bildungsprogramme, Jugendprogramme, Klassikprogramme oder aber Musikprogramme konzipiert sind494. Das integrierte öffentlichrechtliche Hörfunkvollprogramm verlor demgegenüber an Bedeutung495. 489
Hierzu Bessler, in: Bausch, Königsteiner Gespräche, S. 134. Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 20. 491 Vgl. hierzu ausführlicher Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 30 ff.; Jenke, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik in Deutschland, Bd. 2, S. 646 f. 492 Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 14. Hierfür hat sich der Begriff des „Formatradios“ eingebürgert, dessen Merkmale ein sehr hoher Musikanteil sowie ein spezifisches Programmdesign sind (hierzu sowie zu den verschiedenen Typen vgl. Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 14 ff.). 493 Vgl. Kresse, ZUM 1995, 178; Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 1073, 1075. 494 Der BR betreibt momentan sechs Hörfunkprogramme („Bayern1“, „Bayern2Radio“, „Bayern 3“, „Bayern 4 Klassik“, „B5 aktuell“, „Ausländerprogramm“), der HR verfügt über acht Hörfunkprogramme („hr1“, „hr2“, „hr3“, „hr4“, „hr-xxl“, „hr-info“, „hr-klassik“, „hr-chronos“), der MDR hat sieben Hörfunkprogramme („MDR 1 RADIO SACHSEN“, „MDR 1 RADIO SACHSEN-ANHALT“, „MDR 1 RADIO THÜRINGEN“, „MDR info“, „MDR Figaro“, „JUMP“, „SPUTNIK“), der NDR unterhält acht Hörfunkprogramme („NDR 1 – Welle Nord“ für Schleswig-Hol490
C. Zur Situation des Hörfunks
423
2. Wandlung des Hörfunks zum Begleitmedium Hintergrund dieser Diversifizierungstendenzen ist die gewandelte Funktion und Nutzung des Hörfunks. So nahm mit dem Siegeszug des Fernsehens die Bedeutung des Hörfunks als umfassendes Vollprogramm ab. Anstatt wie noch in den fünfziger Jahren überwiegend am Abend gemeinsam Radio zu hören und sich im voraus über das laufende Programm zu informieren496, wird das Radio mittlerweile über den Tag verteilt eher zufällig und ungezielt497 eingeschaltet. Der Hörfunk hat sich zu einem bloßen „Nebenbeimedium“498 gewandelt, das zwar immer noch häufig (im Jahr 2003 rezipierte der durchschnittliche Bundesbürger 196 Minuten Hörfunk, die Tagesreichweite lag bei 79,0%499) genutzt wird500, Radiohören erfolgt jedoch regelmäßig neben anderen Tätigkeiten wie Autofahren, Arbeiten oder Essen501. Bei der Befragung von Radiohörern, inwieweit sie mit bestimmten Aufmerksamkeitskategorien jeweils in verschiedenen Alltagssituationen Radio nutzen, stellte sich heraus, dass 57,5% aller Radionutzungsvorgänge Nebenbeicharakter haben, bei der die Konzentration primär auf anderen Aktivitäten liegt und das Radio als angenehmer Rahmen nebenher läuft502. stein, „NDR 1 – Niedersachsen“, „NDR 1 – Radio MV“ für Mecklenburg-Vorpommern, „NDR Hamburg-Welle 90,3“, „NDR 2“, „Radio 3“, „NDR Info“, „N-Joy“), RB betreibt vier Hörfunkprogramme („Bremen Eins“, „Nordwestradio“, „Funkhaus Europa“, „Bremen Vier“), RBB unterhält sieben Hörfunkprogramme („Radio EINS“, „Radiomultikulti“, „RADIOkultur“, „infoRADIO“, „88acht“, „Antenne Brandenburg“, „Fritz“), der SR verfügt über fünf Hörfunkprogramme („SR 1 Europawelle“, „SR 2 KulturRadio“, „SR 3 Saarlandwelle“, „SR 4“, „UnserDing“), der SWR hat acht Hörfunkprogramme („SWR1 Baden-Württemberg“, „SWR1 Rheinland-Pfalz“, „SWR2“, „SWR3“, Heimatradio „SWR4 Baden-Württemberg“, „SWR4 RheinlandPfalz“, „DASDING“, „Cont.Ra“), der WDR verfügt über fünf Hörfunkprogramme („Eins Live“, „WDR 2“, „WDR 3“, „WDR 4“, „WDR 5/Funkhaus Europa“). 495 Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 12. 496 Bessler, in: Bausch, Königsteiner Gespräche, S. 129. 497 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 1070; Oehmichen, MP 1995, 547, 548. 498 Widlok, in: Jarren, Politische Kommunikation, S. 145; so auch Hasebrink, in: Jarren, Politische Kommunikation, S. 159. 499 Klingler/Müller, MP 2003, 414, 415. Zum Vergleich: die durchschnittliche Sehdauer lag im selben Zeitraum bei 199 Minuten, die Tagesreichweite des Fernsehens lag bei 84,5%. 500 Nach wie vor entfällt mit 41% der täglichen Mediennutzung im Jahr 2000 ein beachtlicher Teil auf den Hörfunk (Ridder/Engel, MP 2001, 102, 105). 501 Vgl. hierzu bereits unter 2. Teil A. II. 1. a) cc) (1) (c). Das Phänomen der abnehmenden Aufmerksamkeit beginnt zwar mittlerweile auch beim Fernsehen (vgl. Opaschowski, Die multimediale Zukunft, S. 12 ff., 79 f.), diesbezüglich bleibt es jedoch bislang noch bei einem deutlichen Unterschied zwischen beiden Medien. Ebenso Springer, Reform der ARD, S. 231. 502 Vgl. Oehmichen, MP 2001, 133, 136.
424 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Selbst bei den 34,4% Nutzungsvorgängen, die mit dem Etikett „bewusstes Radiohören“ belegt werden, wird sich dem Radio nur insoweit zugewandt, wie es erlaubt, nebenher andere Dinge nebenbei zu tun. Angesichts dessen, dass den Programminhalten von den Hörern häufig nur ein geringer Teil der Aufmerksamkeit zugewandt wird, werden an diese nicht allzu hohe Anforderungen gestellt, indem ständig Inhalte und Form der Präsentation wechseln503. Anderenfalls wäre der Hörer permanent dazu gezwungen, seine Aufmerksamkeit, die er größtenteils auf andere Tätigkeiten ausgerichtet hatte, zurück zum Radio zu wenden, um sich über den Inhalt der Sendung zu orientieren und um zu überprüfen, ob das gerade ablaufende Programm überhaupt noch den vorgefassten Erwartungen entspricht. Im Hinblick auf diese Eigenart der Hörfunknutzung wird – anders als beim Fernsehen – ein immer wieder wechselndes Hörfunkvollprogramm mithin durch seine unruhige Art weniger akzeptiert werden, als es bei einem beständigen Programm, das sich auf eine bestimmte Sparte konzentriert, der Fall ist. Die Tendenz zum Umschalten beim Hörfunk ist daher sehr gering, der Bundesbürger hört durchschnittlich nur 1,5 Programme am Tag, 64% der Hörer bleiben am Tag im Durchschnitt bei einem Programm504. Die Hörer zeigen große Programmtreue und wählen ihr Radioprogramm regelmäßig nach der Klangfarbe aus, d. h. danach, welche Art von Musik dort gespielt wird. Als wichtig wird die „Durchhörbarkeit“ eingeordnet505, so dass ein Vollprogramm, das abwechselnd aus allen Programmbereiche etwas anbietet, insgesamt nicht den Hörervorlieben entspricht und im heutigen Hörfunk angesichts der gewandelten Mediennutzung nicht mehr erwünscht ist506. Allein das gewandelte Hörfunkverständnis hin zu einem Begleitmedium, d. h. einer anderen Art der Nutzung, vermag ein gänzliches Entfallen des Grundversorgungsaspektes für den Hörfunk nicht zu begründen, bleibt der Hörfunk doch weiterhin eine wichtige und auch mächtige Informationsquelle der Bürger. Diesbezügliche Anhaltspunkte lassen sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auch nicht entnehmen. Möglicherweise sind jedoch aufgrund der geänderten Erwartungen an den Hörfunk, der immer stärkeren Ausdifferenzierung des Programms und der starken Entwicklung privater Hörfunkangebote – im Jahr 2003 existierten in Deutschland 245 private Hörfunkprogramme507 – mittlerweile auch pri503
Hierzu Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 1070. Klingler/Müller, MP 2003, 414, 423. 505 Engel, Medienordnungsrecht, S. 69; vgl. auch Oehmichen, MP 1995, 547: Radio als Klangteppich, als akustische Kulisse. 506 Vgl. hierzu auch Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 13. 507 ARD-Strukturreform, abgedruckt in epd medien Nr. 5 v. 24.01.2004, 24, 33. 504
C. Zur Situation des Hörfunks
425
vate Anbieter in ihrer Gesamtheit in der Lage, dem fortbestehenden Grundversorgungserfordernis im Hörfunk Rechnung zu tragen, so dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk dort als überflüssig erweist. 3. Mögliche Grundversorgungserbringung durch private Rundfunkveranstalter im Hörfunk Bei einem Blick auf das Angebot bundes- und landesweit veranstalteter privater Hörfunkangebote zeigt sich, dass diese überwiegend auf die unter 50-Jährigen als relevante Werbezielgruppe zugeschnitten sind und regelmäßig musikdominiert sind508, wobei zumeist lediglich populäre leichte Musik gespielt wird509. Spezielle Kultur- oder Informationsprogramme finden sich demgegenüber so gut wie gar nicht. Nach Erkenntnissen der ARD Kulturstudie 1999 hat der kommerzielle Hörfunk mit seinen damals nahezu 200 Sendern nur wenige Kulturprogramme hervorgebracht, so dass Kultur im Hörfunk nahezu gleichzusetzen sei mit den öffentlich-rechtlichen Angeboten510. Den Erwartungen eines inhaltlich vielfältigen Programms werden die kommerziellen Angebote damit zurzeit nicht gerecht511. Möglicherweise kann jedoch, anders als beim Fernsehen, zukünftig Grundversorgung durch private Anbieter erbringbar sein512, so dass bei einem Rückzug der öffentlich-rechtlichen Anstalten aus dem Hörfunkbereich die entstehenden Lücken durch entsprechende Programmangebote der privaten Veranstalter – hierzu im Zuge einer Sicherstellung gesetzlich verpflichtet – geschlossen werden würden. Für eine abweichende Beurteilung im Hörfunkbereich könnte die Tatsache angeführt werden, die Veranstaltung von Hörfunk erfordere nicht den Einsatz so hoher finanzieller Mittel wie dies im Fernsehbereich der Fall sei. Zugleich sind allerdings auch die erwartbaren Werbeeinnahmen im Hörfunk geringer als beim Medium Fernsehen513. Angesichts der bestehenden Finan508 Ein Überblick über die bundes- und landesweit verbreiteten kommerziellen Radios in Deutschland, ihre Programmformate sowie die angestrebten Zielgruppen findet sich bei Breunig, MP 2001, 450, 452 ff. 509 Ausnahmen wie das bundesweit über Kabel und Satellit, aber auch in Großstädten terrestrisch verbreitete Klassik-Radio oder aber das in Berlin und Brandburg empfangbare JazzRadio 101,9 sind nicht geeignet, von den Annahmen abzuweichen. 510 Vgl. hierzu Dubrau/Oehmichen/Simon, MP 2000, 50. 511 Ebenso Breunig, MP 2001, 450, 464. 512 Diese Möglichkeit findet sich bei Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 236 f., 334 ff. 513 Im Jahr 2003 lag der Bruttoaufwand an Werbung beim Hörfunk bei 916 Millionen Euro, während er beim Fernsehen einen Betrag von 7,4 Milliarden Euro ausmachte. Die Nettoumsätze lagen beim Hörfunk bei 579 Millionen Euro, beim
426 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
zierung des kommerziellen Hörfunks aus Werbeeinnahmen514, deren Höhe sich nach der Zuhörerquote bemisst, sind Gewinne aus den Werbeeinnahmen nur zu erwarten, wenn das Programm eine möglichst große Zielgruppe gut ausschöpft515. Spezielle Kulturprogramme oder auch umfassende Informationsprogramme verzeichnen hingegen zum einen keine großen Reichweiten516 und erweisen sich darüber hinaus zum anderen auch als kostspielig517. Ein journalistisch und kulturell anspruchsvolles Programm, das nicht ohne erheblichen Kostenaufwand hergestellt werden kann, jedoch nur ein verhältnismäßig kleines Zielpublikum interessiert, lässt die für ein Privatradio ausschlaggebende Kosten-Nutzen-Rechnung nicht aufgehen518. Es wird demzufolge von diesem, dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit folgend, regelmäßig nicht in dem Umfang angeboten werden, wie es die Grundversorgung erfordert. Entsprechende gesetzliche Verpflichtungen Privater zur Veranstaltung bestimmter Programme, um insgesamt Grundversorgung zu erbringen519, würden angesichts dieser ökonomischen Gegebenheiten in der Realität leer laufen520. Die Argumentation, Defizite bestünden bei den Privaten nur, weil die entsprechenden Gebiete bereits vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk besetzt waren521, wurde bereits beim Fernsehen angesichts primärer Finanzierungsprobleme verworfen522.
Fernsehen betrugen sie mit rund 3,9 Milliarden Euro ebenfalls ein Vielfaches, vgl. Heffler, MP 2004, 242, 243, 247. 514 Ca. 90% der Gesamterträge stammen aus Werbeaufwendungen (Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage, S. 81). 515 Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2, 2. Teil, S. 1074. 516 Der Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Kultur- und Informationsprogramme lag im Jahr 2002 in ihrem Sendegebiet regelmäßig unter 2% (vgl. ARD-Jahrbuch 2003, S. 348 ff.). 517 Vgl. Jenke, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik in Deutschland, Bd. 2, S. 659. Nach Auskunft der ARD beträgt das Verhältnis der Aufwendungen für kultur- oder informationsgeprägte Programme im Vergleich zu einem musikorientierten Rockoder Popradio ca. 4 : 1 (ARD-Strukturreform, abgedruckt in epd medien Nr. 5 v. 24.01.2004, 24, 33). 518 Jenke, in: Schwarzkopf, Rundfunkpolitik in Deutschland, Bd. 2, S. 659. 519 So Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 336, für den Fall, dass bestimmte Programmsparten doch nicht durch privaten Rundfunk abgedeckt werden. 520 In diesem Zusammenhang kann auf die Äußerungen unter 2. Teil B. III. 2. verwiesen werden. A. A. Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 236, demzufolge auch private Veranstalter Jugend, Kultur- oder Infoprogramme erbringen können. 521 In diese Richtung Brenner, Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages, S. 236, 335. 522 2. Teil. B. III. 1. b) bb) (2).
C. Zur Situation des Hörfunks
427
Das für privaten Fernsehfunk gefundene Ergebnis einer in absehbarer Zeit in tatsächlicher Hinsicht nicht denkbaren Grundversorgungsleistung Privater lässt sich somit auf den Hörfunk weitgehend übertragen. Auch dort wird es die für kommerziell betriebene Radiostationen wichtige KostenNutzen-Relation nur in den seltensten Fällen zulassen, neben massenattraktiven Programmen aus populärer leichter Musik zugleich qualitativ hochwertige, anspruchsvolle, umfassende und infolgedessen regelmäßig auch nicht unerheblich kostenintensive Kultur-, Bildungs- und Informationsprogramme für ein vergleichsweise kleines Zielpublikum herzustellen. 4. Als Grundversorgung einzuordnende Programmleistung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk Nach den bisherigen Ausführungen obliegt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk damit momentan und in nächster Zeit die Grundversorgung nicht nur im Bereich des Fernsehens, sondern auch für den Hörfunkbereich trifft ihn eine entsprechende Pflicht. Demnach hat er Programme anzubieten, die nahezu die Gesamtheit der Bevölkerung erreichen, dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechen und auch meinungsmäßige Vielfalt aufweisen. Fraglich ist, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk – die Programme von Deutschlandradio und Deutscher Welle523 bleiben außer Betracht – diesem Erfordernis nachkommt. Angesichts dessen, dass im Bereich des Hörfunks der terrestrischen Übertragung nach wie vor ein sehr hoher Stellenwert zukommt, dort die Reichweite praktisch 100% beträgt524, das technikbezogene Element mithin als erfüllt betrachtet werden kann, und sich das dritte Element der Grundversorgung, die Meinungsvielfalt, gesondert nur schwer feststellen lässt525, steht im Folgenden vorrangig die inhaltliche Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramm im Mittelpunkt. a) Summe aller öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme Betrachtet man die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme, so ergibt sich folgendes Bild526: Der Anteil der Musik macht mit 523 Deutschlandradio strahlt zwei bundesweit empfangbare Programme aus (Deutschlandradio Berlin, Deutschlandfunk), die Deutsche Welle sendet ihr Programm in Deutsch und 29 Fremdsprachen im europäischen und außereuropäischen Ausland (ARD-Jahrbuch 2003, S. 323). 524 Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 63. 525 Hierzu bereits unter A. I. 3. 526 Vgl. ARD-Jahrbuch 2003, S. 333.
428 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
61,4% gegenüber 37,9% Wortanteil den größten Anteil am Gesamtprogramm aus. Der Bereich der ernsten, klassischen Musik nimmt 15,9% des Gesamthörfunkangebotes ein, die Kategorie der leichten Musik (Rock-/Popmusik und Unterhaltungsmusik) umfasst 40%. Die Sparte Information (und Service) ist mit 28,9% vertreten, Kultur und Bildung stellen 6,5% der Gesamtsendezeit und die Sparte der Unterhaltung nimmt einen Umfang von 8,0% ein. Zieht man die erfassten Kategorien Rock-/Popmusik, Unterhaltungsmusik und (Wort-)Unterhaltung zusammen, so bildet der Bereich allgemeiner Unterhaltung mit 48% nahezu die Hälfte des Gesamtangebotes aller Hörfunkangebote der Rundfunkanstalten. Ein knappes Drittel der Gesamtsendezeit wird dem Bereich der Information gewidmet. Vor dem Hintergrund, dass Radiohörer in erster Linie fast ausschließliche Musikunterhaltung präferieren (43,0%), an zweiter Stelle fast ein Drittel der Hörer (30,3%) aktuellen Informationen/Nachrichten das größte Interesse zuwendet, an dritter Stelle wiederum Musik und unterhaltsame Moderation von 23,6% der Hörer bevorzugt wird527, kristallisiert sich heraus, dass unterhaltende Musik bei zwei Dritteln der befragten Hörer auf das größte Interesse stößt. Ihr kommt damit gegenüber dem Bereich der Information ein erhöhter Stellenwert bei der realen Nutzung zu. Diese Tatsache ist auch bei der Beantwortung der Frage, inwieweit ein inhaltlich ausgewogenes Grundversorgungsprogramm vorliegt, zu berücksichtigen. Anderenfalls stünde zu befürchten, dass weite Teile des Programms am Publikum vorbei gesendet würden. So erscheint es im Hörfunkbereich vertretbar, das inhaltliche Element der Grundversorgung dann als erfüllt anzusehen, wenn der Bereich der musikalischen Unterhaltung im Vergleich zur Information einen größeren Anteil der Sendezeit ausmacht, diese jedoch nicht dominiert und zugleich wie beim Fernsehen die Bereiche Bildung und Kultur in angemessener, nicht nur marginaler Weise ebenfalls Berücksichtigung finden. Angesichts dieses modifizierten Maßstabes stoßen weder der hohe Musikanteil, der in weiten Teilen der Unterhaltung zuzurechnen ist, noch die Höhe des Informationsanteils auf Kritik – jedenfalls, was die Summe aller Hörfunkangebote angeht. Als problematisch könnte sich jedoch erweisen, dass die zusammen ausgewiesenen Bereiche Bildung und Kultur hingegen nur einen Anteil an der Gesamtsendezeit aller ARD-Hörfunkprogramme von 6,5% ausmachen. Allerdings ist zu bedenken, dass auch klassische Musik zu einem erheblichen Teil als dem Bereich der Kultur unterfallend angesehen werden kann, deren Anteil am Gesamtprogramm immerhin 15,9% beträgt, so dass der genannte Anteil nicht als marginal einzustufen ist. 527
Vgl. Oehmichen, MP 2001, 133, 139.
C. Zur Situation des Hörfunks
429
Damit genügt die Summe der Hörfunkangebote aller Rundfunkanstalten dem Grundversorgungsauftrag, wenngleich ähnlich wie bereits beim Fernsehen im Bereich Bildung und Kultur, in denen sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk eher an der unteren Minimalgrenze bewegt, Verbesserungsbedarf besteht. b) Summe aller Hörfunkprogramme einer Rundfunkanstalt Schlüsselt man den Gesamtbefund auf einzelne Rundfunkanstalten auf, so zeigen sich teilweise Übereinstimmungen bei der Sendezeitverteilung528, teilweise sind die einzelnen Programmbereiche im Gesamtangebot einer Rundfunkanstalt ausgewogener vertreten529. Wenn auch bei einigen Rundfunkanstalten ein sehr hoher Anteil an Unterhaltung und nur geringer Anteil an Kultur/Bildung wie auch Klassik vorliegt530, so ist letzterer Befund zwar kritisch zu würdigen, angesichts der nicht eindeutig abgrenzbaren Programmbereiche lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei feststellen, eine Grundversorgung im Hinblick auf das inhaltsbezogene Element, den klassischen Rundfunkauftrag, sei nicht erfüllt. Mithin kann für die Summe aller Hörfunkangebote der jeweiligen Rundfunkanstalten festgestellt werden, dass sie insgesamt für sich Grundversorgung gewährleisten, wobei nicht in allen Fällen ein diesbezügliches Optimum erreicht wird. 5. Zulässigkeit der Grundversorgungserbringung durch ein Bouquet mehrerer Spartenprogramme im öffentlich-rechtlichen Hörfunk Betrachtet man allerdings die einzelnen Hörfunkprogramme531, so zeigt sich, dass das traditionelle, bunt gemischte Vollprogramm im öffentlichrechtlichen Hörfunk mittlerweile die Ausnahme geworden ist. Stattdessen 528 So beim HR (26,1% Information, 52% Unterhaltung, 5,2% Kultur/Bildung, 16,1% Klassik); NDR (25,5% Information, 57,7% Unterhaltung, 6,5% Kultur/Bildung, 10,1% Klassik); WDR (25,6% Information, 42,8% Unterhaltung, 10,1% Kultur/Bildung, 20,8% Klassik), vgl. ARD-Jahrbuch 2003, S. 332 f. 529 Beim BR z. B. stellt sich die Statistik folgendermaßen dar: 34,8% Information, 37,2% Unterhaltung, 7,4% Kultur/Bildung, 19,8% Klassik; vgl. auch RB: 29,8% Information, 36,3% Unterhaltung, 12,8% Kultur/Bildung, 20,4% Klassik. 530 So beim MDR (26,7% Information, 62,5% Unterhaltung, 3,2% Kultur/Bildung, 7,2% Klassik); SWR (20,9% Information, 67,5% Unterhaltung, 5,7% Kultur/ Bildung, 5,3% Klassik). 531 Eine Statistik sämtlicher ARD-Hörfunkprogramme findet sich im ARD-Jahrbuch 2003, S. 324 ff.
430 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
überwiegen musikdominierte Tagesbegleitprogramme532 und Programme, die sich entweder auf spezielle Zielgruppen wie Jugendliche533 oder aber bestimmte Sparten wie z. B. Information534, Kultur535 oder Klassik536 spezialisiert haben, mit denen alle Altersgruppen angesprochen werden537. Für den binnenpluralistisch organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt die Maxime, die Vielfalt der Meinungen und Gegenstände intern, d. h. innerhalb eines Programms zu gewährleisten, indem möglichst viele Meinungsrichtungen und Gegenstände in das Programm eines einzelnen Veranstalters eingebunden werden. Mit Programm ist allerdings das Gesamtprogramm einer Rundfunkanstalt und nicht ein einzelnes Programm gemeint538. Allein von daher spricht prinzipiell nichts dagegen, den meinungsmäßige und inhaltliche Vielfalt umfassenden Grundversorgungsauftrag, der auf absehbare Zeit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegt, mit dem Gesamtprogramm einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zu erfüllen. Fraglich ist jedoch, ob damit auch ein weitgehender Verzicht auf traditionelle Vollprogramme und stattdessen ein Programmbouquet aus einzelnen Spartenprogrammen gemeint ist. Für den Bereich des Fernsehens wurde letztere Möglichkeit, wenn auch Grundversorgung nicht zwingend Vollprogramme voraussetzt, angesichts anderer Nutzungserwartungen und aufgrund schwächerer Integrationswirkungen abgelehnt. Stattdessen wurde sich weiterhin für eine Schwerpunktsetzung auf öffentlich-rechtliche Vollprogramme, allenfalls umrahmt von entsprechenden Spartenprogrammen, ausgesprochen539. Im Bereich des Hörfunks könnte dies angesichts der gewandelten Nutzungsgewohnheiten der Hörer jedoch anders zu beurteilen sein. Aufgrund der beschriebenen Entwicklung entsprechen konventionelle Vollprogramme, die in einer bunten Mischung wechselnd informative, bildende, unterhaltende und kulturelle Inhalte anbieten, nicht mehr den Interessen der meisten Rezipienten, für die sich das Radio häufig als reines Begleitprogramm darstellt. Eine Grundversorgungserbringung überwiegend in Form von Vollprogrammen, ergänzt durch einige wenige Spartenprogramme, würde an den realen Nutzungsgewohnheiten der Rezipienten vorbei532
Z. B. Bayern 3, Bremen Vier, SWR3. Z. B. JUMP, N-Joy, UnserDing. 534 Z. B. B 5 aktuell, hr-info; MDR info. 535 Z. B. hr2, MDR Figaro, SWR2. 536 Z. B. Bayern 4 Klassik, hr-klassik, WDR 3. 537 Vgl. hierzu die nach Altersgruppen aufgeschlüsselten Marktanteile der öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme im ARD-Jahrbuch 2003, S. 346 ff. 538 Vgl. BVerfGE 57, 295, 326; 87, 181, 203; ebenso Holznagel/Vesting, Spartenund Zielgruppenprogramme, S. 61; kritisch Ory, AfP 2000, 214 f. Siehe bereits unter 1. Teil C. IV. 1. und 3. Teil B. II. 3. d) bb) (3). 539 B. II. 3. d) bb) (6). 533
C. Zur Situation des Hörfunks
431
gehen, voraussichtlich nur wenig genutzt werden und mangels Akzeptanz mithin ihren Zweck verfehlen540. Auch hier gilt, dass es nicht Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten sein kann, Positionen zu halten, die durch die Evolution des Mediensystems längst unterspült worden sind541. Wenngleich Vollprogramme mit verschiedenen Inhalten übergreifend unterschiedliche Gesellschaften ansprechen und insofern den integrativen Aspekten des Rundfunks verstärkt Rechnung tragen können, so sind sie dazu nur in der Lage, wenn sie auch rezipiert werden. Um den Preis einer weiter gewährleisteten, alle Bürger ansprechenden Grundversorgung zur Sicherung einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sind bei der Integrationsleistung Abstriche hinzunehmen. Die Schwerpunktsetzung auf Spartenund Zielgruppenprogramme im Hörfunk ist zu tolerieren. Allerdings ist gleichwohl darauf hinzuwirken, dass die einzelnen Hörfunkprogramme nicht streng abgegrenzt und beziehungslos nebeneinander bestehen, sondern verbindende Durchgänge zwischen den Programmen geschaffen werden. Wichtiges Mittel hierbei sind ansprechend gestaltete Hinweise auf bestimmte Sendungen anderer Programme der Rundfunkanstalt542. Sichergestellt werden könnte dies gegebenenfalls durch eine als Rahmenregelung ausgestaltete gesetzliche Vorgabe ergänzt durch eigene Zusagen der Rundfunkanstalten. 6. Schlussfolgerung Beim öffentlich-rechtlichen Hörfunk ist angesichts seiner gegenüber dem Fernsehen bereits vollzogenen Wandlung zum Begleitmedium bei der Beurteilung der Programmleistungen im Hinblick auf die Grundversorgungserbringung nicht nur die Summe der einzelnen Hörfunkprogramme einer Rundfunkanstalt zu berücksichtigen. Stattdessen ist auch ein Bouquet mehrerer Sparten- und Zielgruppenprogramme in Anpassung an die veränderte Situation nicht zu beanstanden, solange damit im Sendegebiet einer Rundfunkanstalt ein ausgewogenes, möglichst alle Interessen und Meinungen beinhaltendes Gesamtprogramm besteht. Im Vergleich zu einem sehr großen Raum einnehmenden musikalischen Unterhaltungsanteil lässt sich bei manchen Rundfunkanstalten ein nur geringer Bildungs- und Kulturanteil feststellen543. Auch tauchen immer wieder 540 Ebenso Holznagel/Vesting, Sparten- und Zielgruppenprogramme, S. 54; einer Zielgruppendifferenzierung insgesamt nicht ablehnend gegenüber BadWürttVGH ZUM 1995, 151 ff. 541 Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 291. Vgl. auch unter B. II. 3. d) bb) (3) und (5). 542 In diese Richtung auch Oehmichen, MP 1995, 547, 553. 543 Siehe vorstehend unter 2. b).
432 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Vorwürfe auf, teilweise seien manche öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme von den privaten nicht zu unterscheiden544. Dies lässt sich besonders im Bereich der musikdominierten Tagesbegleitprogramme nicht von der Hand weisen. Daher ist dem Gesetzgeber anzuraten, entsprechend tätig zu werden, auch wenn sich die bisherige duale Rundfunkordnung mit einem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch im Bereich des Hörfunks nicht als funktionsuntauglich erwiesen hat. a) Beibehaltung der Bedienung aller Programmsparten Vorab ist einer Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramms auf lediglich diejenigen Sendungen, die von den Privatradios nicht erbracht werden, unter Verweis auf die abgelehnte Kompensationsfunktion eine Absage zu erteilen545. Stattdessen kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch weiterhin massenattraktive Musikprogramme veranstalten, ist doch auch die musikvermittelte Unterhaltung Gegenstand des klassischen Rundfunkauftrages und damit Element der Grundversorgung. Ein großer Teil der Rezipienten kann hierüber erreicht und damit – in Verbindung mit dem Effekt des seltenen Umschaltens – die Möglichkeit genutzt werden, auch solche Bevölkerungsgruppen mit unabhängigen Informationen aller Art (besonders auch aus dem Bereich der Politik) zu versorgen, die diesen sonst weitgehend uninteressiert gegenüberstehen und insgesamt wenig Informationsangebote konsumieren546. b) Programmzahlbegrenzungen und Quotenfestlegung im Hörfunk Inwiefern angesichts der momentanen Anzahl von 61 Hörfunkprogrammen, von denen 58 auf die ARD entfallen, an eine gesetzliche Programmzahlvorgabe für die einzelnen Anstalten zu denken ist, ist unter dem Gesichtspunkt, dass eine UKW-Vollversorgung bei lediglich 48 Programmen gewährleistet ist547 und dass bei dem momentan noch geringen Grad der Kabel- und Satellitenverbreitung beim Hörfunk nicht all diese Programme für jedermann empfangbar sind, schwierig zu beantworten. In jedem Fall dürfte die der einzelnen Rundfunkanstalt gewährte Programmanzahl nicht so gering sein, dass ein trotz der Verspartung ausgewogenes und auch die regionalen Besonderheiten gerade bei Mehr-Länder-Anstalten berücksichtigendes Gesamtprogramm nicht mehr möglich würde. Zudem müssten auch 544 545 546 547
So beispielsweise schon früh Bullinger, ZUM 1985, 121, 126 f. Hierzu bereits unter B. II. 3. a) bb). Hasebrink, in: Jarren, Politische Kommunikation, S. 170. ARD-Strukturreform, abgedruckt in epd medien Nr. 5 v. 24.01.2004, 24, 33.
D. Ergebnis
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hier Mechanismen verankert werden, um der Dynamik und der diese zum Ausdruck bringenden Entwicklungsgarantie des Rundfunks gerecht zu werden. Abgesehen davon bieten sich in jedem Fall prozentuale Mindestquoten für das Gesamtprogramm einer Anstalt an, um sicherzustellen, dass der Grundversorgungsauftrag auch weiterhin nicht nur am unteren Rand erfüllt wird. c) Stärkere Abgrenzung zum privaten Hörfunkangebot Um eine deutlichere Unterscheidung zu Hörfunkangeboten privater Veranstalter herbeizuführen, ließe sich Folgendes etablieren: In massenattraktiven Sparten wie musikorientierten Tagesbegleitprogrammen könnten den Hörergewohnheiten angenäherte, kurze, gleichwohl aber einen kompetenten Überblick an Informationen vielfältigster Art offerierende Nachrichten ausgestrahlt sowie vertiefende Hinweise auf andere öffentlich-rechtliche Programme und dortige besondere Angebote (wie z. B. Hörspiele, Konzertübertragungen oder Reportagen) gegeben werden. Hierauf haben die Rundfunkanstalten durch eigene Vorgaben hinzuwirken.
II. Zwischenergebnis Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt auch angesichts veränderter Nutzungsgewohnheiten der Radiohörer der ihm zumindest in absehbarer Zeit zugedachten Grundversorgung im Bereich des Hörfunks ebenfalls nach, wenngleich Verbesserung möglich und auch anzuraten sind. Vor dem Hintergrund, dass von privaten Anbietern keine besonders dem inhaltlichen Aspekt der Grundversorgung insgesamt genügenden Programme zu erwarten sind, erweist sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in dieser Hinsicht als künftig notwendig und damit unverzichtbar.
D. Ergebnis Insgesamt füllt der öffentlich-rechtliche Rundfunk den von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gespannten verfassungsrechtlichen Rahmen aus. Er erbringt mit seinen Programmen sowohl im Bereich des Fernsehens wie auch dem des Hörfunks Leistungen, die in empfangstechnischer, inhaltlich-gegenständlicher sowie meinungsmäßiger Hinsicht dem hohen Anspruch der Grundversorgung in ausreichendem Maß gerecht werden, ohne dass er zugleich trotz einiger Bedenken mit dem ebenfalls zu beachtenden Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks kollidiert. 28 Lindschau
434 3. Teil: Künftiger rechtlicher Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Da sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht als offensichtlich funktionsuntauglich herausstellt, besteht für den Gesetzgeber zwar keine unmittelbare Pflicht, das bestehende duale Rundfunksystem samt öffentlich-rechtlichem Rundfunk, in dem die faktisch gesenkten Anforderungen an private Rundfunkanbieter von einem Funktionieren des öffentlich-rechtlichen Zweiges abhängen, umzugestalten. Allerdings ist dem Normgeber angesichts des in Teilbereichen (wie dem inhaltlichen Aspekt der Grundversorgung) sichtbar gewordenen Verbesserungsbedarfs sowie angesichts des aufgeführten Bündels verschiedener Gründe eine Überarbeitung des bestehenden gesetzlichen Rahmens für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzuraten. Diese sollte darauf abzielen, die in absehbarer Zeit weiterhin den Rundfunkanstalten obliegende Grundversorgung mittels Programmautonomie wie auch Staatsfreiheit respektierenden gesetzlichen Rahmenregelungen genauer zu fassen. Detaillierte, autonomiekollidierende Regelungen wie auch Regelungen, zu denen die Rundfunkanstalten infolge größerer Sachnähe besser in der Lage sind, sollten vom Gesetzgeber den Anstalten in Form von Selbstverpflichtungserklärungen überlassen werden. Ein derartiges Konzept regulierter Selbstregulierung mit dem Schwerpunkt auf ersterem Element als zukünftige rechtliche Rahmenregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist dem Gesetzgeber aufgrund seines ihm zugedachten Ausgestaltungsspielraums in verfassungsrechtlich zulässiger Weise möglich und trägt zur Optimierung der vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erbrachten momentan unersetzlichen Leistungen im Sinne der Rundfunk- und damit Meinungsbildungsfreiheit bei. Der Gesetzgeber sollte daher nicht zögern, die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mittels des dargelegten Konzepts regulierter Selbstregulierung genauer zu fassen, um ihn so insgesamt zu stärken.
Ausblick Nach mehr als achtzig Jahren öffentlich-rechtlichen Rundfunks – wenn auch nicht in der Form, in der er sich heute darstellt, aber öffentlich im Sinne von nicht privat1 – lässt sich zu Beginn des von zunehmender Digitalisierung geprägten 21. Jahrhunderts feststellen, öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist momentan und auch in absehbarer, näherer Zukunft nicht abschaffbar, sondern zwingend notwendig, um dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen der Rundfunkfreiheit gerecht zu werden. Seine fortbestehende Existenzberechtigung leitet sich jedoch nicht aus einer verfassungsrechtlichen Garantie her, sondern ergibt sich daraus, dass er momentan der Einzige ist, der die allgemein geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Rundfunk zum jetzigen Zeitpunkt wie auch in nächster Zeit angesichts der Defizite privater Rundfunkveranstalter erfüllt. Zurzeit steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk mithin nicht zur Disposition. Dem Rundfunkexperten Hans Bausch ist daher zuzustimmen, wenn er in Bezug auf das Rundfunksystem in der Bundesrepublik Deutschland schreibt: „Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Bis jetzt hat sich das heutige Rundfunksystem institutionell und funktionell bewährt; es ist aber keinesfalls mit einem Garantieschein für seine ungeschmälerte Existenz in der Zukunft ausgestattet.“2 Wenngleich diese Bemerkung vor Einführung des privaten Rundfunks getroffen wurde, also in einer Zeit, in der noch das öffentliche Rundfunkmonopol statt des dualen Systems bestand, lässt sich dennoch feststellen, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch heute noch bewährt. Der Legitimationsdruck auf ihn ist zwar angesichts der privaten Konkurrenz und des technischen Fortschritts gestiegen, sein Expansionsdrang ist in vielen Bereichen zu bremsen und insgesamt kann ihm auch jetzt – mehr als 20 Jahre nach der oben angeführten Bemerkung – kein Garantieschein ausgestellt werden. Es bleibt jedoch dabei: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist trotz aller Kritik angesichts seiner eminent wichtigen Bedeutung für die 1 Die privatrechtliche Organisation der ersten Rundfunkanstalten in den zwanziger Jahren kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie von Anfang an durch den Staat, insbesondere mittels der Reichspost, dominiert wurden (Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht, S. 192). 2 Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 1. Teil, S. 12. 28*
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Ausblick
Meinungsbildung und damit auch für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland unersetzlich und somit für die nächsten Jahre unverzichtbar. So stimmten nach der von ARD und ZDF initiierten Studie Massenkommunikation 2000 insgesamt 84% der Befragten der Auffassung zu, dass die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehprogramme auch in den nächsten 10 Jahren unverzichtbar bleiben; bei den jüngeren Menschen waren es immerhin noch 73%3. Da es neben der gesellschaftlichen Akzeptanz auch eines dauerhaften und tragfähigen politischen Konsenses über die zukünftige Rolle und Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedarf, ist es beruhigend zu erfahren, dass sich auch die Ministerpräsidenten der Länder auf ihrer Jahreskonferenz 2003 dafür aussprachen, den öffentlichrechtlichen Rundfunk als Garant der Grundversorgung auf lange Sicht zu sichern4. Es ist davon auszugehen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner heutigen Form – ursprünglich installiert als Antwort auf die Erfahrungen der Weimarer Republik und des Dritten Reiches – in einem von Digitalisierung und anderen rasanten technisch-gesellschaftlichen Entwicklungen geprägten Umfeld gegenüber einem mächtigen privaten Rundfunk als Garant einer meinungsmäßigen und inhaltlich-gegenständlichen gleichgewichtigen Vielfalt auch weiterhin seine Notwendigkeit bewahren wird.
3 Vgl. hierzu Ridder/Engel, MP 2001, 102, 122. Vgl. auch die Beschlüsse des 64. Deutschen Juristentages zum Medienrecht, abgedruckt in AfP 2002, 404, bei denen sich für eine Beibehaltung des dualen Systems mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Garant ausgewogener Information ausgesprochen wurde. 4 Ergebnisprotokoll der Jahreskonferenz 2003 in München, TOP 5 Nr. 1.
Zusammenfassung in Thesen 1. Dem Gesetzgeber ist keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vorgeschrieben. Aufgrund des primär objektiv-rechtlichen Verständnisses von der Rundfunkfreiheit als einer dienenden Freiheit enthält das Grundrecht der Rundfunkfreiheit einen weiten gesetzgeberischen Ausgestaltungsvorbehalt. 2. Bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung hat der Gesetzgeber insbesondere die Grundversorgung zu gewährleisten und den Grundsatz der Staatsferne zu beachten. Der Begriff der Grundversorgung umfasst im Kern die Aufgabenstellung an den Rundfunk, die Meinungsbildung der gesamten Bevölkerung durch eine angemessene Versorgung mit Programmen zu sichern, welche in ausgewogener Weise eine Vielfalt an Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur enthalten. 3. Die Grundversorgung ist keine Pflichtaufgabe allein des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Auch private Rundfunkveranstalter können in verfassungsrechtlich zulässiger Weise zur Erbringung von Grundversorgung verpflichtet werden. 4. Da die Grenzen des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraums (Grundversorgung und Staatsferne) systemneutral gefasst sind und der Gesetzgeber allein an diese Grenzen gebunden ist, kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach der Bundesverfassung und der Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein absoluter Schutz in der Form zu, dass er in irgendeiner Weise verfassungsrechtlich garantiert ist. 5. Eine Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nach den rechtlichen Rahmenbedingungen möglich. Sie dürfte allerdings erst erfolgen, wenn wirksame gesetzliche Ersatzsicherungen hinsichtlich der unerlässlichen Rundfunkgrundversorgung geschaffen sind und die Staatsferne gesichert ist. 6. Ein uneinheitliches Vorgehen der Länder bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung ist bundesverfassungsrechtlich möglich. Das gilt auch bei einer Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Landesebene. Weder der Grundsatz der Bundestreue noch Gründe des Grundrechtsschutzes stünden einer derartigen Entscheidung entgegen.
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Zusammenfassung in Thesen
7. Zum jetzigen Zeitpunkt sind private Rundfunkveranstalter nicht in der Lage, gerade die wichtigste Voraussetzung für einen verfassungsgemäßen Rundfunk, die Grundversorgung, dauerhaft zu gewährleisten. Auch absehbare Neuerungen wie die fortschreitende Digitalisierung und eine zunehmende Entgeltfinanzierung werden daran nichts ändern. 8. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann daher zurzeit nicht abgeschafft werden. Er kann dies solange nicht, wie kein anderes Rundfunksystem existiert, dass den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Grundsätzen gerecht zu werden vermag. Mithin existiert ein relativer Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieser ergibt sich indirekt durch den Reflex aus der Medienwirklichkeit, da die momentanen Programmleistungen des privaten Rundfunks den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht genügen. 9. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt den herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Anforderungen der Grundversorgung nach und entspricht auch dem Grundsatz der Staatsferne. Die dabei festzustellenden Defizite sind noch tolerierbar. Der Gesetzgeber ist daher zurzeit nicht verpflichtet, in diesem Bereich Änderungen vorzunehmen. 10. Dem Gesetzgeber ist anzuraten, den momentan dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabenbereich zu konkretisieren. Dies ist aus Gründen der programmlichen Defizite, einer größeren Transparenz der besonderen Leistungen der Rundfunkanstalten, des Schutzes der Gebührenzahler vor weiteren finanziellen Belastungen und der privaten Rundfunkveranstalter vor weiterer Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie aus Gründen der bestehenden europarechtlichen Bedenken gegenüber seiner besonderen Finanzierungsweise geboten. 11. Vorzugswürdiges Konzept zur Konkretisierung des Grundversorgungsauftrags ist das einer regulierten Selbstregulierung. Dabei trifft der Gesetzgeber zum einen Rahmenregelungen hinsichtlich der inhaltlichen Grundstruktur sowie der Zahl der Programme und verpflichtet zum anderen die Rundfunkanstalten, darüber hinausgehende Einzelheiten eigenständig mittels öffentlicher Selbstverpflichtungserklärungen genauer zu regeln. 12. Dieses Zusammenspiel der beiden Akteure (Gesetzgeber und Rundfunkanstalten) trägt der besonderen Spannungslage aus Ausgestaltungsaufgabe und Konkretisierungsbedürfnis einerseits und Programmautonomie und Staatsferne andererseits Rechnung. Eine so verstandene Konkretisierung stärkt damit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und verbessert zugleich die Sicherung der Rundfunkfreiheit.
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Sachwortverzeichnis 3sat 102, 133, 251, 412 – Auflösung 249 – Beginn 102 Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 30, 141 ff., 175 ff., 203, 230 ff., 236, 237 ff., 243 f., 245 ff., 249 ff., 256 ff., 303 f. – Nach den Länderverfassungen 236 ff. – Tatsächliche Durchführung 245 ff. Akzeptanz 133 ff., 336, 385 ff. Allgemeine Handlungsfreiheit 309 Alliierte 49 ff., 83 Amerikanische Besatzungszone 53 Anstalt des öffentlichen Rechts 56 ff. ARD 79 ff. – Auflösung 247 f. – Digitalprogramme 129 f., 412 – EinsExtra 130 – EinsFestival 130 – EinsMuXx 130 – Entstehung 79 – Erreichbarkeit 311 – Fernsehprogramm 81 f. – Hauptversammlung 80 – Hörfunkprogramme 432 – Mitgliederversammlung 80 – Organisation 79 f. – Politisierung 326 f. – Programmentwicklung 321 f. – Programmkoordination 393 f. – Programmquoten 390 – Programmstruktur 314 f. – Selbstverpflichtung 379 ff. – Sendezeitverteilung 82
– Vorsitzender 80 – Zuschauerquoten 133 Arte 102, 116 f., 241, 412 – Auflösung 248 f. – Beginn 116 Auflösung von Rundfunkanstalten 231 f., 245 ff. Aufsicht – Über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk 63 f. – Über den privaten Rundfunk 99 Ausgewogenheit 66 ff., 175 f., 313 f. Außenpluralistisches Modell 73, 99 f., 213 Bayerische Landeszentrale für neue Medien 100 f. Bayerischer Rundfunk 89, 100 f., 132, 316, 412, 422, 429 – Auflösung 246 – Beginn 53 Bayern – Rundfunkfreiheit 240 ff. – Sondermodell 100 f. BBC 52, 57, 83, 291, 347 ff. Begleitmedium siehe Hörfunk Bertelsmann-CLT-Gruppe 117 f. Bestandsgarantie – Begriff 230 f. – Entwicklung durch die Rechtsprechung 107, 112 – Grenze gesetzgeberischen Spielraums 232 ff. – Verhältnis zur Grundversorgung 230, 233 ff.
Sachwortverzeichnis Bestandsgarantie absoluter, verfassungsrechtlicher Art 203, 229 f., 236, 243 f., 302 f. Bestandsrecht einzelner Rundfunkanstalten 231 f., 258 f. Bezahlfernsehen siehe Pay-TV Binnenpluralistisches Modell 72 ff., 99 f., 213, 227, 231 f., 258 f., 314 Brandenburg Rundfunkfreiheit 240 Britische Besatzungszone 52 Bundespost 50, 91, 101 Bundesrundfunkanstalten 326 Bundestreue 247, 251 f. Bundesverfassungsgericht – Achte Rundfunkentscheidung („Gebührenurteil“) 114 f. – Änderung der Rechtsprechung 143 f. – Besondere Rolle 118 ff. – Dritte Rundfunkentscheidung („FRAG“) 96 ff. – Erste Rundfunkentscheidung („Fernsehurteil“) 85 ff. – Fünfte Rundfunkentscheidung („Baden-Württemberg-Beschluss“) 105 ff. – Sechste Rundfunkentscheidung („WDR“) 111 ff. – Siebte Rundfunkentscheidung („Hessen3“) 113 f. – Vierte Rundfunkentscheidung („Niedersachsen“) 103 ff. – Zweite Rundfunkentscheidung („Mehrwertsteuer“) 89 f. Cabel Digital Video Broadcasting 128 C-DVB siehe Cabel Digital Video Broadcasting Charta der Grundrechte der Europäischen Union 297 f., 302 DAB siehe Digital Audio Broadcasting Dänemark 31, 246 Darbietung 38 Datenreduktion 126, 272 f.
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DDR siehe Deutsche Demokratische Republik Decoder 125, 279 f. Deutsche Demokratische Republik 55 f., 82, 109 ff. Deutsche Welle 41, 84, 88, 117, 132, 427 Deutscher Fernsehfunk 82 Deutscher Presserat 356 Deutsches Reich 39 Deutschland-Fernsehen-GmbH 84 f. Deutschlandfunk 84, 88, 110 Deutschlandradio 110, 132, 248, 427 Dezentrale Rundfunkorganisation 41 Digital Audio Broadcasting 129 Digitaler Hörfunk 129 Digitales Fernsehen 128 ff. Digitalisierung 125 ff., 272 ff. Digitaltechnik siehe Digitalisierung DRADAG 43, 45 Dritte Programme 33, 249, 395 f. – Änderungsvorschlag 411 f. – Entstehung 89 – Erreichbarkeit 311 – Programmquoten 315, 395 f. – Zuschauerquoten 133 Duales Rundfunksystem 92, 210 ff. – Frankreich 345 ff. – Großbritannien 347 ff. DVB-T siehe Terrestrisches Digitalfernsehen Edutainment 317 EG 294 ff., 339 ff. – Art. 151 295 f. – Beihilfe 299, 340 f. – Dienstleistung 295 – Diskussionspapier zu alternativen Rundfunkmodellen 290 f. – Entschließung des Europäischen Parlaments 299 – Entschließung des Rates 299, 300 – Grundrechte-Charta 297 f., 302
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Sachwortverzeichnis
– Kompetenzen im Rundfunkbereich 295 ff. – Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags 339 ff. – Mitteilung der Kommission 132, 150, 296, 297, 300, 341, 343 – Oreja-Bericht 300, 342 f. – Politik der Marktliberalisierung 138, 301 – Protokoll 299 ff., 339 ff. – Subsidiaritätsprinzip 296 f. – Transparenzrichtlinie 341 f. Eigentumsfreiheit 309 f. Einheitsvertrag 109 Eins Plus 102 Elektromagnetische Schwingungen 36, 38 f. Elektronischer Programmführer 130 Empfangsgerät 47, 192 EMRK 167 f. Entwicklungsgarantie – Begriff 230 f. – Entwicklung durch die Rechtsprechung 107, 112 – Grenze gesetzgeberischen Spielraums 232 ff. – Reformbedingte Flexibilitätsprobleme 372 ff., 401, 432 ff. – Verhältnis zur Grundversorgung 230, 233 ff. Errichtung von Rundfunkanstalten 66, 88 Erstes Deutsches Fernsehen 82, 133, 247, 314, 410, 412 Europäische Gemeinschaft siehe EG Europe 1 97 Fachaufsicht 64, 337 Fernmeldehoheit 44, 83 ff. Fernsehen 81 f. – Begleitmedium 151 – Besondere Wirkung 150 f., 152 f., 163 – Digital 127 ff., 276
– Entwicklung 81 f., 90 f. – Konsumverhalten 127 – Künftige Programmstruktur 410 ff. – Markt 275 – Zuschauerquoten 133 Finanzierung 78, siehe auch – Anforderungen 114 ff., 130 f. – Beginn des Rundfunks 42 – Entgelte der Teilnehmer 275 ff. – Europarecht 339 ff. – Hörfunk 425 f. – Rechtfertigung der Gebühren 105, 386 – Rundfunkgebühren – Staatliche Subventionierung 287 ff. – Umfangspflicht 337 f. – Werbung 113, 195 ff., 271 f. Finanzierungsgarantie 113 Föderalismus 57, 250 ff., 415 ff. Forumsfunktion 157, 259 Frankreich 31, 56, 124, 167, 344, 345 ff., siehe auch Französische Besatzungszone Französische Besatzungszone 54 Freies Spiel der Kräfte 90, 98, 138, 195 ff., siehe auch Wettbewerb Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen 356 Freundeskreise 326 ff. Funktionsauftrag 190 ff. Gesetz Nr. 191 der Militärregierung 49 Gesetz Nr. 5 über die Presse 83 Gesetz Nr. 538 über den Saarländischen Rundfunk 54 Gesetz Radiogesetz 54 Gesetz Saarländisches Gesetz Nr. 806 97 Gesetz über den Hessischen Rundfunk 53 Gesetz über den privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt 110
Sachwortverzeichnis Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen 110 Gesetz über den Rundfunk in Brandenburg 110 Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk Köln 53 Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ 53 Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Bremen 53 f. Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts 84, 88 f. Gesetz über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts 110 Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik 55 Gesetz v. 23.09.1990 zu dem Vertrag v. 31.08.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands 109 Gesetz Viertes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Bayern 100 Gesetzgebungskompetenz siehe Kompetenzen im Rundfunkbereich Gleichheitsgrundsatz 310 Großbritannien 31, 56, 83, 124, 167, 291, 344, 347 ff., siehe auch BBC Grundrechtsfähigkeit der Rundfunkanstalten 90, 419 Gründung – ARD 79 ff. – Bundesrundfunkanstalten 84 – Landesrundfunkanstalten 52 ff., 109 f. – Private Rundfunkveranstalter 101 f.
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– Recht auf 147 f. – Reichsrundfunkgesellschaft 42 f. – Rundfunkanstalt allgemein 60, 66 – ZDF 87 Grundversorgung – Adressat 203 ff. – Begriffsbestimmung 182 f., 189 f. – Eingrenzung des Maßstabs 312 ff. – Gesetzgeberische Gewährleistungspflicht 194 ff. – Herleitung 181 f. – Hörfunk 427 ff. – Inhaltsbezogenes Element 185, 262 ff., 312 ff. – Kompensationsfunktion 384 ff. – Konkretisierung – Gründe 332 ff. – Kompetenz 352 ff. – Vorschläge 389 ff., 410 ff., siehe auch Optimierungsmaßnahmen – Neutralität 204 ff. – Rechtfertigungsgrund 310 f. – Tatsächliche Erfüllung durch öffentlich-rechtlichen Rundfunk 311 ff. – Tatsächliche Erfüllung durch private Veranstalter 260 ff. – Technikbezogenes Element 185, 261 f., 279 f., 311 – Übertragbarkeit 205 ff. – Vergleich zum Grundstandard 222 ff. – Verhältnis zum Funktionsauftrag 190 ff. – Verhältnis zum klassischen Rundfunkauftrag 193 f. – Verpflichtung privater Veranstalter 212 ff. – Verwendung durch das Bundesverfassungsgericht 104 ff., 180 f., 205 ff. – Verwendung in der Literatur 179 f. – Vielfaltbezogenes Element 187, 262 ff., 312
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Sachwortverzeichnis
Hessischer Rundfunk 53, 82, 89, 132, 246, 318, 422 Homogenitätsgebot 252 f. Hörerzahl 42, 48 Hörfunk – Angebote 422 f., 424 – Auflösung von Programmen 249 – Begleitmedium 152, 423 f. – Besondere Wirkung 151 f. – Digitaltechnik 192 – Kabeltechnik 432 – Konkretisierung der Grundversorgung 431 ff. – Marktanteile 133 – Nutzung 423 f. – Programmstruktur 427 f. – Satellitentechnik 432 – Spartenprogramme 422 – Terrestrik 124 – Veranstalter 273 – Vollprogramme 422, 424 Individualisierung der Medienrezeption 138, 158, 196, 408 Informationsfreiheit 133, 309 Infotainment 265, 317 Integrated Receiver Decoder 125 Integration 155 ff., 278 f., 289 f., 386, 405 ff. – Auftrag 157 f., 406 f., siehe auch Integrationsfunktion – Begriff 156 f. – Modelle 72 f., 75 – Rundfunk als Integrationsinstanz 157 ff. Integrationsfunktion 405 ff. Intendant 77 f., 327 Interaktive Programmangebote 127 Kabel 1 102, 117, 133, 261 Kabelempfang 124, 128 Kabeltechnik 90 f., 124 KEF 115, 286, 368
Kinderkanal 116 – Auflösung 249 – Beginn 116 Kirch-Gruppe 117 Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems/ KtK 95 Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs siehe KEF Kompetenzen – Bei der Konkretisierung der Grundversorgung 352 ff. – Im Rundfunkbereich 39, 43 f., 47, 82 ff., 88, 295 ff. Konvergenz 126, 319 ff. Kooperation der Länder 253 f. Koordination von ARD und ZDF 393 f. Kultureller Aspekt 40 f., 44, 159 f. Länderverfassungen 236 ff. – Bayern 240 ff. – Brandenburg 240 – Sachsen 237 ff. – Thüringen 239 Landesmedienanstalten 99 Meinungsbildung 149 ff., 152 ff., 167, 171, 186, 210, 228, 365 f. – Beeinflussung im Nationalsozialismus 49 – Beeinträchtigung bei unterschiedlichem Ländervorgehen 253 f. – Rundfunk als Faktor 86 – Sicherstellung bei Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 225 f., 236 – Sicherstellung durch Grundversorgung 183 f. – Spartenprogramme 405 f. Meinungsvielfalt siehe Vielfalt Meritorische Güter 197, 277 Mirag 41, 109 Mittelbare Staatsverwaltung 9 ff.
Sachwortverzeichnis Mitteldeutscher Rundfunk 72, 82, 109 f., 132, 246, 316, 422 Modellkonsistenz 112 Multiplexing 125 Nachkriegszeit 49 ff. Nationalsozialismus 46 ff. Near-Video-On-Demand 151 Neuorganisation 50 f., 58 Neuseeland 290 ff. Neutralität 68 f., 200 f., 323 Niederlande 31 Norag 110 Norddeutscher Rundfunk 53, 57, 77, 82, 89, 110, 132, 246 Nordwestdeutscher Rundfunk 52 f., 54, 81 Öffentliche Aufgabe 61 f. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk siehe auch Rundfunk – Abschaffung siehe Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Akzeptanz 133 ff., 336, 385 ff. – Empfang 311 – Entstehung 41 ff. – Entwicklung der Programmstruktur 321 f. – Finanzvolumen 135 – Grundrechtsfähigkeit 90, 419 – Legitimation 306 f. – Optimierungsmaßnahmen 389 ff. – Organe 57, 74 ff. – Programmangebot 132 – Programmleistung 314 ff. – Selbstverwaltungsrecht 64 f., 371 – Stellung im dualen System 210 ff. – Verbesserungsvorschläge siehe Optimierungsmaßnahmen Optimierungsmaßnahmen – Mindestanteilsfestlegungen 389 ff. – Programmkoordination 393 f.
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– Programmzahlfestlegungen 399 ff., 410 ff. – Qualitätsstandards 396 ff. – Quote für Dritte Programme 395 f. – Sendezeitvorgaben 391 ff. – Sendungsvorgaben 394 Orag 41 Organisation des Rundfunks 86 f., 155, 415 f., siehe auch Rundfunk Zentrale Anstalt Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg 110, 417 Partei 323 ff. Pay-per-Channel 276 Pay-per-View 276 Pay-TV 199, 275 ff. Phoenix 116 f., 412, 249 Play-Out-Center 125, 276 Pluralismus siehe Vielfalt Politisierung 323 ff. Presse 68, 73 f., 161 ff. Pressefreiheit 86 f., 161 ff. Private Rundfunkveranstalter – Anfänge 92 ff., 96 ff., 101 f. – Duales System 210 ff. – Finanzierung 268 ff., 283 ff. – Grundstandard 215 ff. – Grundversorgung 203 ff., 208 f., 212 ff., 217 ff., 225 ff., 425 ff. – Konkurrenz 117 – Konzentrationstendenzen 274 f. – Programmleistung 263 ff. – Programmstrukturentwicklung 321 f. – Rundfunkfreiheit 166 f. – Sondersituation Bayern 100 f., 240 ff. – Veranstalterzahl 273 – Vielfaltsdefizite 103 f., 263 ff. – Zulassung 262 – Zulassungspflicht 177 Privatisierung 246
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Sachwortverzeichnis
Programmautonomie 64 ff., 176, 204, 213, 226 ff., 353 f., 357 ff., 368, 369 ff., 375, 393, 397 f. Programmentscheidungen 114 f., 268 f., 337 f., 362 f. Programmfreiheit 114 f., 213 f., 353 f., 358, 376 f., 414, siehe auch Rundfunkfreiheit Programmgrundsätze 66 ff., 75, 215 ff., 222 ff., 364 Programmkoordination 393 f. Programmrichtlinien 75 f., 378 ff. Programmverschlüsselung 276, 279 f. Propaganda 46, 48 f. ProSieben 102, 117, 261 – Programmstruktur 264 ff. – Zuschauerquoten 133 Publikum siehe Akzeptanz Publizistische Gewaltenteilung 95 Radio siehe Hörfunk Radio Bremen 53, 77, 82, 89, 110, 132, 246, 423 Radio Stunde AG 41 Rechnungshof 64 Rechtsaufsicht 63 f., 337 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe Bundesverfassungsgericht Regulierte Selbstregulierung 375 ff., 383 Reichspost 40 ff. Reichsrundfunkgesellschaft 42 ff. Reichsverfassung 39 Rezipient 133 ff., 151 f. RIAS 54, 58, 78, 110 RTL 91, 101, 117, 261 f., 263 – Programmentwicklung 263, 321 f. – Programmstruktur 264 ff. – Zuschauerquoten 133 RTL II 102, 117, 133, 264 ff. Rundfunk – Alternativmodelle 283 ff.
– Anfänge 39 ff. – Anstalt 57, 58 ff. – Bedeutung für die Demokratie 153 ff. – Begriff 35 ff. – Kosten 117 f. – Kulturfaktor 159 f. – Politisierung 323 ff. – Strukturmodelle 72 ff. – Wettbewerb 195 ff. – Wirkungsweise 86, 90, 149 ff. – Wirtschaftsfaktor 160 – Zentrale Anstalt 414 ff. Rundfunk Berlin-Brandenburg 77, 82, 132, 246, 417, 423 Rundfunkänderungsstaatsvertrag, siebter 71, 377 ff. Rundfunkfreiheit – Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 141 f. – Ausgestaltung 169 f., 171 ff., 214 ff., 218 ff., 256 ff., 365 ff. – Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers 144 ff. – Bundesländer 236 ff. – Dienende Freiheit 97, 146 f., 166 f., 210, 288 – Eingriff 169 f., 173 f., 213 f. – Europäischer Kontext 167 ff. – Grenzen der Gestaltungsfreiheit 175 ff., 220 f., 230 ff., 236 – Objektiv-rechtliches Verständnis 145 ff., 166 f., 214 ff. – Subjektiv-rechtliches Verständnis 145 f., 148 ff., 166 f., 213 f. – Träger 90 – Umgestaltung 218 ff., 258 f. – Vergleich zur Pressefreiheit Rundfunkgebühren 114 ff. – Beihilfe 339 ff. – Festsetzungsverfahren 114 f., 288, 338 – Gebührenzahler 113, 130 f., 309 f., 337 ff.
Sachwortverzeichnis – Grundversorgungsbegrenzung 368 f. – Private Veranstalter 283 ff. – Umfangsbegrenzung 337 f. Rundfunkgesellschaften 41 ff. Rundfunkhoheit 49 Rundfunkorganisation 59 f., 97 f., 99 ff., 109, 142, 144 f., 177 f., 236 ff., 249 ff., 414 ff. Rundfunkrat 74 ff., 324 ff., 361 f. Saarländischer Rundfunk 54, 58, 82, 132, 246, 423 Sachsen Rundfunkfreiheit 237 ff. SAT.1 101, 117, 261 f., 263 – Programmentwicklung 263, 321 f. – Programmstruktur 264 ff. – Zuschauerquoten 133 Satellit Digital Video Broadcasting 127 f. Satellitenempfang 124, 127 Satellitentechnik 90 f., 124 S-DVB siehe Satellit Digital Video Broadcasting SED 55 f. Selbstregulierung siehe Selbstverpflichtungen Selbstverpflichtungen 354 ff., 378 ff. – ARD 379 ff. – Begriff 354 – Contra 355, 361 ff., 364 f., 365 ff. – Dritte Programme 395 ff. – Frankreich 346 f. – Großbritannien 348 ff. – Pro 354 f., 358 ff., 363 f. – ZDF 380 Selbstverwaltungsrecht 64 f., 371 Sendeanlagen 50 Sender Freies Berlin 54, 89, 110, 417 Set-Top-Box 125 Sowjetische Besatzungszone 55 f. Spanien 31, 124, 167 Spartenprogramme 116, 269, 402 ff. – Begriff 402 f.
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– Bundesverfassungsgerichtsäußerungen 403 f. – Grundversorgung 403 ff., 408 ff. – Hörfunk 429 ff. – Kostendeckungsgrad 269 Staatsferne 51 f., 59 ff., 86, 175 f., 231 f., 285 f., 287 f., 323 ff., 337, 344, 357 f., 370 f. Staatsfreiheit siehe Staatsferne Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland 110 f. Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens 108 Strukturmodelle 74 ff. Süddeutscher Rundfunk 54, 417 Südwestfunk 54, 417 Südwestrundfunk 82, 132, 246, 417, 423 Super RTL 117 Switch-Off 131 Technik 90 f., 123 ff. Terrestrisches Digitalfernsehen 128 f. Thüringen Rundfunkfreiheit 239 f. Transparenzrichtlinie 341 f. UKW 90 f., 129 Verfassungen der Länder siehe Länderverfassungen Verfassungsrechtliche Garantie siehe Bestandsgarantie absoluter, verfassungsrechtlicher Art Vermittlerfunktion 157, 279 Verordnung Nr. 118 der Britischen Militärregierung 52 Verordnung Nr. 187 der Französischen Militärregierung über die Errichtung des „Südwestfunks“ 54 Verordnung Nr. 257 53 Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen 48
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Sachwortverzeichnis
Verordnung über die Aufgaben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda 47 Verschlüsselung siehe Programmverschlüsselung Verstaatlichung des Rundfunk 42 ff. Verwaltungsrat 76 f. Video-producer-/-publishing-Modell 290 ff. Video-On-Demand 127, 151 Vielfalt 51, 72 ff., 98, 121, 176, 187, 384 f. – Begriff 67 ff. – Besonderheiten des Rundfunkmarkts 201 ff. – Defizite des privaten Rundfunks 103 f., 266 f. – Digitalisierung 274 – Hörfunk 427 ff. – Mehrere Rundfunkanstalten 416 f. – Öffentlich-rechtlicher Rundfunk 312 ff. – Optimierung 395, 399, 400 ff. – Privater Rundfunk 215 ff. – Programmgrundsatz 67 ff. – Spartenprogramme 409 Volksempfänger 47 Vollprogramme 216 f., 223, 405, 407, 409 f., 410 f. – Im Hörfunk 422, 430 – Kostendeckungsgrad 269 – Programmquoten 389 ff. Vorherrschende Meinungsmacht 67, 176, 274 f. VOX 102, 117, 133, 261
Wefag 41 Weimarer Republik 39 ff., 51 Werag 41 Werbung 42, 78, 94, 135, 200, 268 ff., 275 f. Wesentlichkeitstheorie 169, 246, 353 Westdeutscher Rundfunk 53, 57, 82, 89, 111 f., 246, 423 Wettbewerb 73, 106, 164, 194 ff., 270, 274 f., 308 f., 416, siehe auch Freies Spiel der Kräfte ZDF – Auflösung 248 – Digitalprogramme 130, 412 – Erreichbarkeit 311 – Gründung 87 f. – Politisierung 324, 326 f. – Programmentwicklung 321 f. – Programmkoordination 393 f. – Programmquoten 390 – Programmstruktur 314 f. – Selbstverpflichtung 379 ff. – ZDF.digitext 130 – ZDF.doku 130 – ZDF.info 130 – ZDF.theaterkanal 130 – ZDF.vision 130 – Zuschauerquoten 133 Zielgruppenprogramme siehe Spartenprogramme Zwei-Klassen-Gesellschaft 278 Zwei-Säulen-Modell Nordrhein-Westfalen 112