Alterssicherung in der Europäischen Union V: Alterssicherung in den Niederlanden. Eine institutionelle und empirische Analyse. Hrsg. von Diether Döring / Richard Hauser [1 ed.] 9783428493326, 9783428093328

In dieser Arbeit wird die Leistungsfähigkeit des Alterssicherungssystems in den Niederlanden aus ökonomischer Sicht anal

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Alterssicherung in der Europäischen Union V: Alterssicherung in den Niederlanden. Eine institutionelle und empirische Analyse. Hrsg. von Diether Döring / Richard Hauser [1 ed.]
 9783428493326, 9783428093328

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Sozialpolitische Schriften

Band 70/V

Alterssicherung in der Europäischen Union V Alterssicherung in den Niederlanden Eine institutionelle und empirische Analyse Von

Kay Pöhler

Duncker & Humblot · Berlin

KAY PÖHLER

Alterssicherung in den Niederlanden

Sozialpolitische Schriften Heft 70/V

Alterssicherung in der Europäischen Union V Herausgegeben von Prof. Dr. Diether Döring Prof. Dr. Richard Hauser

Alterssicherung in der Europäischen Union V Alterssicherung in den Niederlanden Eine institutionelle und empirische Analyse

Von KayPöhler

Duncker & Humblot · Berlin

Diese Arbeit entstand mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Alterssicherung in der Europäischen Union. - Berlin : Duncker und

Humblot (Sozialpolitische Schriften ; ... )

5. Pöhler, Kay: Alterssicherung in den Niederlanden. -1999

Pöhler, Kay:

Alterssicherung in den Niederlanden: eine institutionelle und empirische Analyse / von Kay Pöhler. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Alters sicherung in der Europäischen Union; 5) (Sozialpolitische Schriften; H. 70) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09332-1

D30 Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0584-5998 ISBN 3-428-09332-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Geleitwort der Herausgeber Die vorliegende Studie ist Bestandteil eines großen vergleichenden Forschungsprojekts, das von der Volkswagen-Stiftung, der Hans-Böckler-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung von 1991 - 1995 gefördert wurde. Aufgabe des Forschungsprojekts ist die vergleichende Analyse der Alterssicherungssysteme der Länder der Europäischen Union in institutioneller und empirischer Hinsicht. Es wurde ein funktionaler Ansatz gewählt, um ebenso die Kernsysteme wie auch zusätzliche Sicherungsregelungen erfassen zu können. Bei der Analyse der Systemwirkungen stehen die Ziele der Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung sowie die Frage einer gleichberechtigten sozialen Sicherung von Frauen im Vordergrund. Weitere Schwerpunkte der Arbeit des Projekts bilden die Analyse der Umverteilungswirkungen, die empirische Darstellung der Einkommenslage der Altenbevölkerung, der Versuch einer typologischen Einordnung der verschiedenen nationalen Systeme sowie der Betrachtung künftiger Entwicklungspfade der Alterssicherung in der Europäischen Union. Die wissenschaftliche Leitung des Projekts liegt bei Prof. Dr. Richard Hauser und Prof. Dr. Diether Döring. Es wird in Kooperation zwischen dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität und der Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main durchgeführt. Mit der Arbeit von Kay Pöhler wird ein weiterer Band einer Reihe von nationalen Analysen vorgelegt. In absehbarer Zeit werden weitere Landesstudien sowie ein vergleichender Band folgen. Den Herausgebern ist bewußt, daß vergleichende Projekte häufig durch die Förderungsraster der in Frage kommenden Institutionen fallen. Umso mehr gebührt unser Dank den drei genannten Stiftungen dafiir, daß sie gemeinsam die Förderung unseres Vorhabens übernommen haben. Wir danken fiir die vorzügliche Zusammenarbeit. Frankfurt am Main, im März 1999 Prof Dr. Richard Hauser Johann Wolfgang Goethe-Universität

Prof Dr. Diether Döring Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main

Vorwort Die vorliegende Arbeit über die Alterssicherung in den Niederlanden entstand als Dissertation am Fachbereich Wirtschaftenwissenschaften der lohann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Rahmen des ForschWlgsprojekts "Alterssicherung in der Europäischen Gemeinschaft" (ASEG-Projekt). Grundkonzept Wld Aufbau dieser Arbeit Wld vergleichbarer Länderstudien wurden in vielen gemeinsamen ProjektsitzWlgen Wld Diskussionen entwickelt. Für den wertvollen Gedankenaustausch möchte ich mich bei allen Projektmitgliedern bedanken. Der Dank gilt besonders den Projektleitern Prof. Dr. Richard Hauser, der die Arbeit als Doktorvater betreut hat, Wld Prof. Dr. Diether Döring. Aber auch die übrigen Kollegen haben innerhalb Wld außerhalb der offiziellen DiskussionsrWlden maßgeblich zu dieser Arbeit beigetragen. Es sind dies Dr. Ulrike Ahrens, Lydia Hubert, Dr. Ute Klammer, Dr. Sotirios Nitis. Susanne Rechmann. Dr. Gabriele Rolf, Dr. Heinz StapfWld Frank Tibitanzl. Die Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die finanzielle UnterstützWlg der Hans-Böckler-StiftWlg, der ich ein dreijähriges Promotionsstipendium verdanke, Wld der Volkswagen-StiftWlg, die die Sachmittelausstattung des Projektes finanziert hat. Als ausländischer Betrachter war ich in ganz besonderem Maße auf die UnterstützWlg von einheimischen Kennern der niederländischen Sozialpolitik angewiesen. Wichtige Informationen, AnregWlgen Wld Kontakte verdanke ich den Mitarbeitern der interdisziplinären Fachgruppe Soziale Sicherheit an der Katholischen Universität Brabant in Tilburg Wlter der LeitWlg von Prof. Dr. los Berghman. Hervorheben möchte ich dabei Prof. Dr. lohn Schell, der mir aus juristischer Perspektive wertvolle Hinweise geben konnte, die das Verständnis des niederländischen Alterssicherungssystems erleichtert haben, Wld Prof. Dr. Ruud Muffels für die Unterstützung beim empirischen Teil der Arbeit. Dank gebührt aber auch vielen Mitarbeitern im niederländischen Sozialministerium Wld den zahlreichen Institutionen der Sozialpolitik, die mir den Zugang zu Informationsmaterial eröffnet haben, das mir ohne diese Hilfe verborgen geblieben wäre. An der letzten Reifephase der Arbeit haben besonders Susanne Rechmann, Ute Klammer Wld Frank Tibitanzl mitgewirkt, denen ich für das große Engagement Wld viele nützliche Kommentare dankbar bin; ebenso Monika Horn für

8

Vorwort

sorgfältiges Korrekturlesen. Dank auch an jene, die mich während der langen Zeit begleitet und mitunter erlitten haben. Meine Eltern haben mich bei meinem Vorhaben jederzeit, nicht nur finanziell, in großzügiger Weise unterstützt. Ihnen gilt mein ganz besonderer Dank und mein Gedenken.

Kay Pöhler

Inhaltsverzeichnis

1.

Einleitung

31

2.

Ziele der Alterssicherung .......................................................................... 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Betrachtung von Alterssicherungssystemen........................................................................................................ 2.2 Ausgewählte Zielbereiche der Alterssicherung ............................... 2.3 Auswahl der zugrundezulegenden Ziele .......................................... 2.3.1 Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen ............................................................................ 2.3.2 Vermeidung von Armut im Alter .................................. 2.3.3 Verringerung von Einkommensunterschieden innerhalb der Ruhestandsgeneration ............................................. 2.3.4 Leistungsangemessenheit der Alterseinkommen 2.3.5 Soziale Sicherung von Frauen ...................................... 2.3.6 Fazit ..............................................................................

37

3.

Rahmenbedingungen der Alterssicherung ................................................. 3.1 Ökonomische, demographische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen 3.1.1 Ökonomische Rahmenbedingungen ............................ . Ausgangspunkt ............................................................ . 3.1.1.1 3.1.1.2 Überblick über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung 3.1.1.2.1 Die gesamtwirtschaftliche Produktion und ihre Verwendung ................................................................................... . 3.1.1.2.2 Preise, Löhne und Zinsen ............................................ . 3.1.1.3 Wirtschafts struktur ...................................................... . 3.1.1.4 Der Arbeitsmarkt 3.1.1.4.1 Erwerbsbeteiligung ..................................................... .. ............................ .. 3.1.1.4.2 Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ............................. .. 3.1.1.4.3 Die Rolle Älterer am Arbeitsmarkt Öffentliche Finanzen und Wirtschaftspolitik .............. .. 3.1.1.5 Demographische Rahmenbedingungen ....................... .. 3.1.2 Die allgemeine Entwicklung ....................................... .. 3.1.2.1 Fertilität ....................................................................... . 3.1.2.2 Mortalität 3.1.2.3 Eheschließungen und -auflösungen ............................ .. 3.1.2.4 Migration ..................................................................... . 3.1.2.5 Konsequenzen für den Umfang und Altersaufbau der 3.1.2.6 niederländischen Bevökerung ...................................... .

37 38 40 41 42 44 45 46 47 49 50 50 50 51 51 56 60 62 62 65

69 69

71 72 74 76

78 79 80

10

Inhaltsverzeichnis

3.2

4.

5.

3.1.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen ....................... . Die Entwicklung der Sozialausgaben, insbesondere für Alterssicherung und ihre Finanzierung ............................................................ . 3.2.1 Einnahmen und Ausgaben für soziale Sicherung 3.2.l.l Umfang und Struktur der Sozial ausgaben im europäischen Kontext 3.2.1.2 Finanzierungsstruktur des niederländischen Systems der sozialen Sicherung ............. ....... ......... ...... .............. ....... 3.2.2 Ausgaben- und Einnahmenentwicklung im Bereich der Alterssicherung ............................................................. Die Entwicklung der Ausgaben für Alterssicherung und 3.2.2.1 ihre Bestimmungsfaktoren ............................................ 3.2.2.2 Zur Entwicklung von Finanzaufwand und Mittelaufbringung ........................................................................ 3.2.2.2.1 AOW ............................................................................. 3.2.2.2.2 Die privaten und öffentlichen Zusatzrentensysteme 3.2.2.2.3 Die Vorruhestandsregelungen VUT .............................

Rechtsgrundlagen, Grundprinzipien und historische Entwicklung des Systems der Alterssicherung .......................................................................... 4.1 Rechtsgrund1agen der sozialen Sicherung .............. ......................... 4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien der Alterssicherung 4.2.1 Ursprung und Entwicklung bis zum Ende des II. Weltkrieges ........................................................................... 4.2.2 Die Entwicklung nach dem II. Weltkrieg: Das Zustandekommen des AOW ........................................................ 4.2.3 Grundprinzipien des AOW Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung in den Niederlanden 5.1 Einordnung der Alterssicherung in das Gesamtsystem der sozialen Sicherung in den Niederlanden .................................... ................... 5.l.l Überblick über das Gesamtsystem der sozialen Sicherung in den Niederlanden .................... ...... ............................ 5.1.1.1 Sicherungsbereiche ....................................................... 5.1.1.2 Träger und Organisation ............................................... 5.1.2 Der Aufbau der Alterssicherung in funktionaler Betrachtung ............................................................................... 5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung ............................... 5.2.1 Anspruchsvoraussetzungen und Deckungsgrad 5.2.1.1 Anspruchsvoraussetzungen ........................................... 5.2.1.1.1 Altersgrenze .................................................................. 5.2.1.1.2 Pflichtversicherung und Kreis der versicherten Personen 5.2.1.l.3 Freiwillige Versicherung .............................................. 5.2.1.1.4 Sonderbestimmung ....................................................... 5.2.1.1.5 Übergangsbestimmungen .............................................. 5.2.1.1.6 Individualisierung des Rentenanspruchs ...................... 5.2.1.2 Deckungsgrad ............................................................... 5.2.2 Die Leistungen des AOW: Erstfestsetzung und Niveauanpassung im Zeitablauf .. ........... ......................................

81 84 84 84 88 90 90 97 97 99 100 102 102 103 103 107 112 114 114 114 114 118 121 125 125 125 126 127 128 129 129 130 130 132

Inhaltsverzeichnis 5.2.2.1

Leistungsbestandteile des AOW und Erstfestsetzung der Renten ........................................................................... 5.2.2.1.1 Basisbetrag und Urlaubsgeld ........................................ 5.2.2.1.2 Die Zuschlagregelung ................................................... 5.2.2.1.3 EineIternnorm .......................... ..................................... 5.2.2.1.4 Gleichstellung von unverheirateten Paaren und Ehepaaren ................................................................................... 5.2.2.1.5 Zusammenfassung ........................................................ 5.2.2.2 Anpassung der Bestandsrenten ..................................... 5.2.2.3 Stellung der AOW-Renten im Einkommensgefiige und ............................. Kaufkraftentwicklung im Zeitablauf 5.2.3 Im Kemsystem vorgesehene Möglichkeiten und Grenzen der Kumulation von Rentenzahlungen ......................... 5.2.4 Übertragbarkeit von Leistungen und Leistungsansprüchen bei Wanderungen .......................................................... 5.2.5 Die Finanzierung der Ausgaben ................................... 5.2.5.1 Ausgaben und Finanzierungsstruktur ........................... 5.2.5.2 Beitragspflicht und Bemessungsgrundlage ................... 5.2.5.3 Tarif .............................................................................. 5.2.5.4 Staatszuschüsse ............................. ..... ........................... 5.2.5.5 Finanzierungsverfahren ................................................ 5.2.6 Zusammenfassung ........................................................ 5.3 Zusatzrentensysteme ........................................................................ 5.3.1 Zusatzrentensysteme in der privaten Wirtschaft 5.3.1.1 Grundlagen: Entwicklung, Organisation und gesetzlicher Rahmen ......................................................................... 5.3.1.1.1 Zur Entwicklung der Zusatzreiltensysteme im privaten Sektor ........................................................................... . 5.3.1.1.2 Gesetzlicher Rahmen 5.3.1.1.3 Organisation ................................................................ . 5.3.1.2 Versicherter Personenkreis, Anspruchsvoraussetzungen und Deckungsgrad ....................................................... . 5.3.1.3 Leistungen und Leistungsberechnung .......................... . 5.3.1.3.1 Altersrenten ................................................................ .. 5.3.1.3.1.1 Dienstzeit ..................................................................... . 5.3.1.3.1.2 Anrechenbares Gehalt 5.3.1.3.1.3 Typen von Zusatzrentenregelungen 5.3.1.3.2 Hinterbliebenenrenten ................................................. . 5.3.1.3.3 Anpassung der Leistungen .......................................... .. 5.3.1.3.4 Probleme bei der Sicherung und Übertragbarkeit von Ansprüchen ....................................................................... . 5.3.1.4 Finanzierung ................................................................ . 5.3.2 Zusatzrenten im öffentlichen Sektor: Der Allgemeine Bürgerliche Pensionsfonds ABP .................................. . 5.3.2.1 Grundlagen: Rechtliche Grundzüge und geschichtliche Entwicklung ................................................................. . 5.3.2.2 Versicherter Personenkreis, Anspruchsvoraussetzungen und Deckungsgrad ...................................................... ..

11 132 133 134 136 137 137 138 139 142 144 147 147 148 150 152 152 153 154 155 155 155 156 158 161 166 166 167 167 170 173 174 175 178 180 181 182

12

Inhaltsverzeichnis

5.4

5.3.2.3 Leistungen und Leistungsberechnung ........................... 5.3.2.3.1 Altersrenten .................................................................. 5.3.2.3.2 Hinterbliebenenrenten und weitere Leistungen 5.3.2.3.3 Anpassung der Leistungen ............................................ 5.3.2.4 Finanzierung ................................................................. Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion oder Alters........................................ sicherungsfunktion im erweiterten Sinne 5.4.1 Soziale Sicherung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit ................................................................................ 5.4.1.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad ............................................................................... 5.4.1.1.1 Das Krankenkassengesetz ZFW .................................... 5.4.1.1.2 Das Allgemeine Gesetz fiir besondere Krankheitskosten AWBZ .......................................................................... 5.4.1.2 Zu Reformansätzen im niederländischen Gesundheitswesen ........................................................................... . 5.4.1.3 Finanzaufwand und Mittelaufbringung ........................ . 5.4.2 Weitere unspezifische Sicherungsregelungen auf staatlicher und kollektivrechtlicher Ebene .......................... . 5.4.2.1 Soziale Sicherung bei Erwerbsunfähigkeit .................. . 5.4.2.1.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad .............................................................................. . 5.4.2.1.1.1 Das Allgemeine Erwerbsunfähigkeitsgesetz AAW 5.4.2.1.1.2 Das Gesetz über die Erwerbsunfähigkeitsversicherung 5.4.2.1.2

5.5

WAO .................................................................................. .

Zahl der Leistungsempflinger, Finanzaufwand und Mittelaufbringung ................................................................... 5.4.2.1.3 Reformen im Bereich der Erwerbsunfähigkeitsversicherungen ...... ............ ....... .................. ................... 5.4.2.2 Soziale Sicherung fiir Hinterbliebene unter 65 Jahren: Das Allgemeine Witwen- und Waisengesetz AWW 5.4.2.2.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad ............................................................................... 5.4.2.2.2 Zahl der Leistungsempfänger, Finanzaufwand und Mittelaufbringung ................................................................... 5.4.2.3 Die allgemeine Sozialhilfe nach dem ABW .................. 5.4.2.3.1 Anspruchsvoraussetzungen und Leistungen ................. 5.4.2.3.2 Zahl der Leistungsempfänger, Finanzaufwand und Mittelaufbringung ................................................................... 5.4.2.4 Die Vorruhestandsregelungen VUT ............................. 5.4.2.4.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad ............................................................................... 5.4.2.4.2 Inanspruchnahme, Finanzaufwand und Mittelaufbringung ........................................................................ Typologische Einordnung des niederländischen Alterssicherungssysterns

184 184 186 187 187 189 189 190 190 191 193 193 196 196 196 196 199 201 202 203 203 206 208 208 210 211 211 212 213

Inhaltsverzeichnis

6.

7.

Steuerliche Behandlung von Beitragsleistungen und Aiterstransfereinkommen 6.1 Grundzüge der niederländischen Einkonunensteuer ...................... . 6.1.1 Steuerpflicht ................................................................ . 6.1.2 Einkonunensbegriff, Bemessungsgrundlage und Tarif 6.2 Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Leistungen nach dem AOW .............................................................................................. . 6.2.1 Steuerliche Behandlung der Beiträge ........................... . 6.2.2 Steuerliche Behandlung der Leistungen ...................... . 6.2.3 Steuersystematische Aspekte ....................................... . 6.3 Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Leistungen bei Zusatzrentensystemen ....... .......... .... ........... ................ ........... ..... .......... ...... 6.3.1 Steuerliche Behandlung von Beiträgen ......................... 6.3.2 Steuerliche Behandlung von Leistungen ...................... 6.3.3 Steuerprivilegien von Zusatzrentenfonds und Versiche.. ...... ................................... ............ rungsgesellschaften Analyse der Sicherungsergebnisse auf der Grundlage von Modellfallen .. 7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen .......................... 7.1.1 GrundfragesteIlungen und Indikatoren ......................... 7.1.1.1 Der Indikator relatives Rentenniveau ........... ......... ....... 7.1.1.2 Zur Festlegung einer Armutsgrenze .......................... .... 7.1.1.3 Zur Evaluierung der sozialen Sicherung von Frauen 7.1.2 Annahmen..................................................................... 7.1.2.1 Grundannahmen ............................................................ 7.1.2.2 Landesspezifische Annahmen ....... ....... ...... .............. ..... ... ...... ...... ....... ......................... 7.1.2.2.1 Bruttorenteneinkonunen 7.1.2.2.2 Bruttoverdienst ............................................................. 7.1.2.2.3 Abgaben auf den Bruttoverdienst ........ .... .... ....... .......... 7.1.2.2.4 Abgaben auf das Bruttorenteneinkonunen .................... 7.2 Ergebnisse der Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen ................................................................................................ 7.2.1 Relative Rentenniveaus von Ledigen ................. ..... ... ... 7.2.1.1 Zur Bedeutung des Einkonunensfaktors ...... .... ............. 7.2.1.2 Zur Bedeutung des Zeitfaktors ............ ...... ................ ... 7.2.1.2.1 Der Faktor Erwerbszeit ................................................. 7.2.1.2.2 Der Faktor Wohnzeit .................................................... 7.2.1.3 Die Bedeutung des individuellen Erwerbsverlaufs 7.2.1.4 Zur Entwicklung der relativen Rentenniveaus von Bestandsrentnern .......................................................... 7.2.2 Relative Rentenniveaus von Ehepaaren ........................ 7.2.2.1 Methodische Vorbemerkungen insbesondere zum Konzept von Äquivalenzskaien ........................................... 7.2.2.2 Relative Rentenniveaus von Einverdienerehepaaren .. 7.2.2.3 Relative Rentenniveaus von Zweiverdienerehepaaren 7.2.3 Absicherung im Hinterbliebenenfall ............................. 7.2.4 Zum Einfluß der Zusatzrenten auf die relativen Rentenniveaus von Ledigen und Ehepaaren

13

218 218 218 219 223 223 224 226 227 228 229 229 230 230 230 231 232 234 234 234 236 236 237 239 243 244 244 244 248 248 250 252 253 257 257 259 262 264 267

14

Inhaltsverzeichnis Annahmen Relative Rentenniveaus von Einverdienerehepaaren Relative Rentenniveaus von Zweiverdienerehepaaren und Ledigen ........................................................................ . Exkurs: Vergleich mit den Einkommensersatzraten nach 7.2.5 Eurostat ........................................................................ . Zusammenfassende Bewertung der Modellrechnungsergebnisse 7.3.1 Einkommensstetigkeit .................................................. . 7.3.2 Armutsvermeidung ...................................................... . 7.3.3 Soziale Sicherung von Frauen ..................................... .

267 270

Umverteilungswirkungen im niederländischen Alterssicherungssystem 8.1 Dimensionen der Umverteilung ....................................................... 8.2 Umverteilungselemente in der gesetzlichen und kollektiven Alterssicherung ......................................................................................... 8.2.1 Konzeptionelle Schwierigkeiten bei der Messung von Umverteilung ................................................................ 8.2.2 Umverteilungselemente im AOW ................................. 8.2.2.1 Gliederung von Umverteilungselementen .... ................. 8.2.2.2 Historisch abgeschlossene Regelungen ........................ 8.2.2.3 Umverteilungsrelevante Regelungen fiir die Gesamteinkommensverteilung ....................................................... 8.2.2.4 Anspruchserwerb und Beitragszahlung ........................ 8.2.2.5 Gruppenspezifische Differenzen beim Bezug von Leistungen .... ................................................................ 8.2.3 Verteilungsrelevante Diskrepanzen im Bereich der Zusatzrentensysteme ..................................................... 8.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse der institutionellen Betrachtung ...... ........ ................ ..................................... 8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW 8.3.1 Zur Begründung einer quantitativen Umverteilungsanalyse ...... ........... .............. ...... ...... ............. ...... 8.3.2 Erkenntnisziel, Referenzmaßstab und Annahmen 8.3.2.1 ZumErkenntnisziel ....................................................... 8.3.2.2 Indikator und Referenzsystem ...................................... 8.3.2.3 Annahmen zu den institutionellen, demographischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ............................ 8.3.3 Vertikale und horizontale Umverteilungseffekte 8.3.3.1 Die Ergebnisse der Modellrechnungen im Überblick 8.3.3.2 Vertikale Verteilungsunterschiede ................................ 8.3.3.2.1 Vertikale Verteilungsunterschiede am Beispiel des Modellfalls des ledigen Mannes ....... ........ ............. ....... 8.3.3.2.2 Vertikale Verteilungsunterschiede bei weiteren Haushaltstypen .............. ........ ........................ .... ........... ......... 8.3.3.3 Horizontale Verteilungsunterschiede ............................ 8.3.3.3.1 Der Einfluß von Beitragszeiten und Lebenserwartung 8.3.3.3.2 Farnilienstand und intrafarniliäre Erwerbsaufteilung 8.3.3.4 Sensitivitätsanalysen .....................................................

289 289

7.2.4.1 7.2.4.2 7.2.4.3

7.3

8.

272 276 279 279 281 284

291 291 293 293 297 299 300 304 306 312 314 314 315 315 318 320 325 325 326 326 328 333 333 336 338

Inhaltsverzeichnis 8.3.4 9.

Zusannnenfassung der Ergebnisse

Die Einkommenssituation der älteren Bevölkerung in den Niederlanden aus empirischer Sicht ........................................................ ..... ...... .... ........ ........ 9.1 Ausgangspunkt: Zur Motivation einer empirischen Betrachtung 9.2 Hypothesen über die Einkommenssituation alter Menschen und Überblick über den Stand der bisherigen empirischen Forschung 9.2.1 Hypothesen aus Sicht der institutionellen und modellfallbezogenen Betrachtung ................................................. 9.2.2 Die einkommensmäßige Situation der älteren Bevölkerung in anderen empirischen Studien ........................ 9.3 Zur Methodik .................................................................................. 9.3.1 Das niederländische Sozio-ökonomische Panel: Konzept und Definitionen ........................................................... 9.3.2 Abgrenzungen innerhalb dieser Studie ......................... 9.4 Zur sozio-demographischen Struktur .............................................. 9.5 Die Zusannnensetzung des Einkommens ........................................ 9.5.1 Problemstellung ............................................................ 9.5.2 Die Einkommenszusannnensetzung nach Haushaltstypen 9.5.3 Die Verteilung der Einkommensarten auf die Haushalte . 9.6 Die relativen Wohlstandspositionen verschiedenener Personengruppen ................................................................................................... 9.6.1 Vergleich von Personen in Rentner- und Nichtrentnerhaushalten ..................................................................... 9.6.2 Zur Sensitivität der Ergebnisse ..................................... 9.6.3 Die Versorgungslage von Frauen im Rentenalter 9.7 ZurEinkommensverteilung ............................................................. 9.7.1 Verteilungsunterschiede zwischen Personen in Rentnerund Nichtrentnerhaushalten .......................................... 9.7.2 Verteilungsunterschiede zwischen Personen in Rentnerhaushalten bei unterschiedlichen Altersgruppen ............... .............................................................................................. 9.8 Armut 9.8.1 Einige Vorbemerkungen ............................................... Die Verbreitung von Armut unter Personen in Rentner9.8.2 und Nichtrentnerhaushalten .......................................... 9.8.3 Die Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten bei unterschiedlichen Altersgruppen ......... 9.9 Der Beitrag von Steuern und Transfers zur Einkommensverteilung und zur Vermeidung von Armut im Alter ........................ ................ 9.9.1 Ausgangspunkt ............................................................. 9.9.2 Zur Wirkung von Steuern und Transfers auf die Einkommensverteilung ............... ................................. ....... 9.9.3 Der Beitrag von Steuern und Transfers zur Armutsvermeidung ..................... .................... .... ...... ................ 9.9.3.1 Vergleich zwischen Rentner- und Nichtrentnerhaushalten und zwischen Rentnerhaushalten unterschiedlicher Altersgruppen ............................................................... 9.9.3.2 Effektivität und Effizienz des Alterssicherungssystems

15 342 344 344 345 345 346 350 350 353 354 358 358 360 368 373 374 379 381 384 385 389 392 392 395 400 402 402 403 407 407 410

16

Inhaltsverzeichnis 9.10 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

10.

11.

Probleme und Herausforderungen für das niederländische System der Alterssicherung ............................................................................................. 10.1 Vorbemerkung ............. ... ........ ..... ... ........... ........ ........ ...................... 10.2 Problemlagen im AOW ................................................................... 10.2.1 Die Anpassung der AOW-Renten ................................. 10.2.2 Familienpolitisches Leitbild des AOW ......................... 10.3.3 Anpassungsfähigkeit gegenüber dem Prozeß der Individualisierung .................................................................. 10.3 Problemlagen im Bereich der Zusatzrenten ..................................... 10.3.1 Inflexibilität der Endlohnregelungen ............................ 10.3.2 Lücken bei der Sicherung von Anwartschaften bei vorzeitigem Ausscheiden .............................................. 10.3.3 Die finanzielle Anfälligkeit ........................................... 10.4 Die demographische Herausforderung ............................................ 10.4.1 Determinaten der Altersausgabenquote ........................ 10.4.2 Prognosen zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung 10.4.2.1 Studien zur Einschätzung der zukünftigen demographischen Entwicklung ..... ..... .... ................. ................ .... 10.4.2.2 Die Annahmen der CBS- und WRR-Varianten 10.4.2.3 Die Ergebnisse im Vergleich ........................................ 10.4.3 Mögliche Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Finanzierungslasten der Alterssicherung .. 10.4.3.1 Szenarien zur zukünftigen ökonomischen Entwicklung in den Niederlanden .......................................................... 10.4.3.2 Zukünftige finanzielle Belastung der Alterssicherungssysteme ................................................................ . Schlußfolgerungen ....................................................... . 10.4.3.3 Diskussionslinien und Lösungsvorschläge .................. . 10.4.4 Strategische GrundfragesteIlungen .............................. . 10.4.4.1 10.4.4.2 Vorschläge zur Lösung der zu erwartenden Finanzierungsprobleme ............................................................. . ................................................. . 10.4.4.2.1 Die Anpassungspolitik 10.4.4.2.2 Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage .............. . 10.4.4.2.3 Die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters .................................................................. . 10.4.4.2.4 Beurteilung ..................................................... . 10.4.4.2.5 Weitere Vorschläge Zusammenfassung .... .............................................. ..... . 10.4.5 Schlußbetrachtung

413 416 416 417 417 418 419 420 421 421 422 423 423 424 424 425 426 429 429 431 433 433 434 435 435 436 438 439 440 441 443

Anhang

450

Literaturverzeichnis

489

Sachwortverzeichnis

501

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen Tabellen Tab. 3.1

Bruttoinlandsprodukt und Arbeitsproduktivität 1980 - 1992

53

Tab. 3.2

Die Verwendung des Bruttoinlandsproduktes

54

Tab. 3.3

Erwerbs-, Arbeitslosen- und Aktivenquoten 1960 - 1992

63

Tab. 3.4

Kemdaten des Arbeitsmarktes 1960 - 1992

68

Tab. 3.5

Entwicklung des Altersaufbaus 1945 - 1992

Tab. 3.6

Entwicklung von Fruchtbarkeit und Sterblichkeit 1950 - 1992

75

Tab. 3.7

Fernere Lebenserwartung von Männem und Frauen in verschiedenen Lebensaltern 1992 ...............................................................

77

Tab. 3.8

Ausgaben für soziale Sicherheit in den Ländern der EU in Prozent des BIP 1980 - 1992 ......................................................................

86

Tab. 3.9

Die Ausgaben für soziale Sicherung nach Funktionen in Prozent des BIP 1992 .......................................................................................

87

Tab. 3.10

Determinanten der Ausgabenentwicklung im Bereich der Alterssicherung 1980 - 1992 ...................................................................

94

Tab. 3.11

Einnahmen und Ausgaben für Leistungen nach dem AOW 1980 - 1992 ...................................................................................

98

Tab. 3.12

Einnahmen und Ausgaben der Zusatzrentenversicherungen (1980 - 1992) .................................................................................

100

Tab. 4.1

Wichtige Gesetze auf dem Gebiet der sozialen Sicherung mit dem Jahr der Einfiihrung .......................................................................

110

Tab. 5.1

Übersicht über den Finanzaufwand für die Teilbereiche der sozialen Sicherheit in den Niederlanden .....................................................

117

Tab. 5.2

Deckungsgrad im AOW (1985 - 1992)

l31

Tab. 5.3

Monatliche AOW-Rentenbeträge pro Person (Stand 1.1.1992)

l33

Tab. 5.4

Kaufkraftentwicklung der AOW-Rente bei verheirateten AOW-Rentenbeziehem im Vergleich zu einem verheirateten, alleinverdienenden Arbeitnehmer mit Mindestlohn ...............................

140

Tab. 5.5

Durchschnittliche Leistung fiir Altersrentner im Verhältnis zum durchschnittlichen Erwerbseinkommen (1960-1992) ....... ....... ......

Tab. 5.6

Einnahmenstruktur im AOW 1991 und 1992 Die Entwicklung der Beiträge zum AOW zwischen 1986 und 1992 ...............................................................................................

Tab. 5.7

2 Pöhler

...............................

.. ....... ............. ...........

73

141 148 151

18 Tab. 5.8

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen

Tab. 5.9

Entwicklung der Teilnehmerzahl und der Zahl der Rentenfalle in Branchen- und Unternehmensrentenfonds (1974 - 1991) ............ .. Einnahmen und Ausgaben im ABP (1980 - 1992) ...................... ..

Tab. 5.10

Sozialausgaben fiir Gesundheit 1980 - 1992

Tab. 5.11

Leistungsempfanger und Ausgaben in AA W und WAO 1980 - 1992 ................................................................................. .. 201

Tab. 5.12

Leistungsempfanger und Ausgaben im A WW (1980 - 1992)

207

Tab. 5.13

Leistungsempfanger und Ausgaben im ABW (1980 - 1992)

210

Tab. 6.1

Tarifstufen und Steuersätze der niederländischen Einkommensteuer (Stand 1992) ...................................................................... .. 225

Tab. 7.1

Den Modellrechnungen zugrunde liegende jährliche AOWRentenbeträge fiir 1992 ................................................................ . 237

Tab. 7.2

Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage am Beispiel eines Ledigen mit 1 APW-Einkommen ................................................ .. 240

Tab. 7.3

Die Beitragssätze zu den Volksversicherungen 1992

241

Tab. 7.4

Die Beitragssätze zu den Arbeitnehmerversicherungen 1992

242

Tab. 7.5

Relative Rentenniveaus von Ledigen im Jahre 1992 (40 Erwerbsjahre, 50 Wohnjahre) ................................................................... ..

247

Tab. 7.6

Relative Rentenniveaus von Ledigen und Einverdienerehepaaren nach dem Äquivalenzeinkommenskonzept .................................. .. 261

Tab. 7.7

Relative Rentenniveaus von Ein- und Zweiverdienerehepaaren nach dem Haushaltseinkommenskonzept .............................................. . 263

Tab. 7.8

Einkommensersatzraten fiir Ledige und Ehepaare im AOW nach Eurostat-Berechnungen (1989) ............................................ . 277

Tab. 7.9

Nettoersatzraten fiir Ledige und Ehepaare mit Zusatzrente nach Eurostat-Berechnungen (1989) .................................................... ..

278

Tab. 7.10

Einkommensarmut bei unterschiedlichen Modellfallkonstellationen ..

283

Tab. 8.1

Rentenleistung und Beitragsbelastung fiir die ledige Person 1992 (Modellfall 1a) ............................................................................. .. 324

Tab. 8.2

Die interne Verzinsung im AOW für unterschiedliche Modellhaushalte ....................................................................................... . 325

Tab. 8.3

Interne Ertragsraten fiir den ledigen Mann bei alternativen Annahmen ......................................................................................... . 339

Tab. 9.1

Anzahl der Personen in Haushalten nach Alter des Haushaltsvorstandes, Haushaltstyp und Geschlecht

355

Tab. 9.2

Anteil der Personen in Haushalten nach Alter des Haushaltsvorstandes, Haushaltstyp und Geschlecht (in % aller Personen in Haushalten) ....................................................... .....................................

356

Tab. 9.3

Anteile verschiedener Einkommenskomponenten am durchschnittlichen Bruttohaushaltseinkommen nach Haushaltstypen, differenziert nach Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten (in %)

362

164

188 ................................ . 194

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen

Tab. 9.4

Tab. 9.5

Tab. 9.6

19

Anteile verschiedener Einkommenskomponenten am durchschnittlichen Bruttohaushaltseinkommen nach dem Alter des Haushaltsvorstands, differenziert nach Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten (in 0/0) ............ .......................... .. .. .................. ............... ... .... 366 Anteile der Haushalte, die die jeweilige Einkommensart beziehen, nach Haushaltstypen, differenziert nach Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten (in % aller Haushalte des jeweiligen Haushaltstyps) ....................................................................................... 369 Anteile der Haushalte, die die jeweilige Einkommensart beziehen, nach dem Alter des Haushaltsvorstands, differenziert nach Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten (in % aller Haushalte des jeweiligen Haushaltstyps ) ............................................... 372

Tab. 9.7

Relative Wohlstandspositionen von Personen in Rentnerhaushalten im Vergleich zum Durchschnitt aller Personen in Nichtrentnerhaushalten nach Haushaltstyp und Alter ........................................

375

Tab. 9.8

Sensitivitätsanalyse in bezug auf die relativen Wohlstandspositionen von Personen in Rentnerhaushalten im Vergleich zum Durchschnitt aller Personen in Nichtrentnerhaushalten ......................................

380

Tab. 9.9

Relative Wohlstandspositionen von alleinstehenden Frauen im Vergleich zu alleinstehenden Männem nach Altersgruppen (in %) ............................................................................................. 381

Tab. 9.10

Relative Wohlstandspositionen von Alleinstehenden im Vergleich zu Personen in Ehepaarhaushalten nach Altersgruppen (in %) Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten und Personen in Nichtrentnerhaushalten

386

Tab. 9.12

Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten nach Altersgruppen und Haushaltstyp

390

Tab. 9.13

Die verwendeten Armutsgrenzen im Vergleich mit nationalen Referenzgrößen des Jahres 1990 ...................................................

394

Tab. 9.14

Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten bei unterschiedlichen Armutsgrenzen

396

Tab. 9.15

Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten bei unterschiedlichen Armutsgrenzen unter Verwendung der modifizierten OECD-Skala ................................ 398

Tab. 9.16

Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten nach dem Alter des Haushaltsvorstandes ............................................... 401

Tab. 9.17

Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten nach Altersgruppen und Haushaltstyp

Tab. 9.18

Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten nach Altersgruppen und Haushaltstyp vor und nach Steuern und Transfers ............................................................ 406

Tab. 9.19

Die Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten bei unterschiedlichen Armutsgrenzen vor und nach Steuern und Transfers .............................................. 408

Tab. 9.11

383

404

20 Tab. 9.20 Tab. 9.21

Tab. 9.22 Tab. 10.1 Tab. 10.2 Tab. A-3.1 Tab. A-3.2 Tab. A-4.1 Tab. A-5.1 Tab. A-5.2 Tab. A-7.l Tab. A-7.2

Tab. A-7.3 Tab. A-7.4 Tab. A-7.5 Tab. A-7.6

Tab. A-7. 7

Tab. A-7.8

Tab. A-7.9

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten vor und nach Steuern und Transfers .................................................... Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten (Vorstand 65 Jahre oder älter) bei unterschiedlichen Armutsgrenzen vor und nach Steuern und Transfers ........ ....... .................... ........... Effektivität und Effizienz der Armutsvenneidung durch Transfers und Abgaben bei unterschiedlichen Armutsgrenzen ............ ......... Annahmen über die demographischen Komponenten in den ................................ Bevölkerungsprognosen von CBS und WRR Ergebnisse der Bevölkerungsprognosen von CBS und WRR Übersicht über die Beitragsentwicklung in wichtigen Systemen der sozialen Sicherung (1980 - 1992) ........ ... ...... .... ................. .... ........ Beitragsbemessungsgrenzen, Versicherungspflichtgrenzen und Obergrenze Kompensationszuschlag (1980 - 1992) ...................... Entwicklung der AOW-Rentenbeträge 1957 - 1992 Der Zusammenhang zwischen Brutto- und Nettobeträgen beim Basisbetrag der AOW-Rente (Stand 1.1.1992) .............................. Überblick über die größten obligatorischen Branchenrentenfonds .............................................................................................. Relative Rentenniveaus für Ledige mit 40 bzw. 20 Erwerbsjahren ................. bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 (AOW, alle Pfade) Relative Rentenniveaus für Ledige in Abhängigkeit der Erwerbsdauer bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 (AOW, alle Pfade) ............................................................................................ Relative Rentenniveaus für Ledige in Abhängigkeit der Wohndauer im Jahre 1992 (AOW, alle Pfade) .................................................. Relative Rentenniveaus für Ledige in Abhängigkeit vom Erwerbsverlaufbei einer Erwerbsdauer von 40 Jahren im Jahre 1992 (AOW) ........................................................................................... Relative Rentenniveaus für ledige AOW-Rentner bei voller Wohnzeit nach 20jähriger Rentenlaufzeit bei Lohnanpassung Relative Rentenniveaus für ledige AOW-Rentner bei voller Wohnzeit nach 20jähriger Rentenlaufzeit bei Preisniveauanpassung Relative Rentenniveaus für Einverdienerehepaare mit 40 Erwerbsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 nach dem Haushaltseinkommenskonzept (AOW, alle Pfade) ........................ Relative Rentenniveaus für Einverdienerehepaare mit 40 Erwerbsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 nach dem Äquivalenzeinkommenskonzept (AOW, alle Pfade) ..................... Relative Rentenniveaus für Zweiverdienerehepaare mit jeweils 40 Erwerbsjahren und gleichem Einkommen bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 nach dem Haushaltseinkommenskonzept (AOW, alle Pfade) ............................................................................................

409

411 412 426 428 450 451 452 452 453 454

455 456

457 458

459

460

461

462

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen Tab. A-7.1 0 Relative Rentenniveaus rur Zweiverdienerehepaare mit jeweils 40 Erwerbsjahren und gleichem Einkommen bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 nach dem Äquivalenzeinkommenskonzept (AOW, alle Pfade) ............................................................................................ Tab. A-7.11 Relative Rentenniveaus fiir Zweiverdienerehepaare (Mann 40 Erwerbsj., volles Einkommen; Frau 20 Erwerbsj., halbes Einkommen) bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 nach dem Haushaltseinkommenskonzept (AOW, alle Pfade) ........................ Tab. A-7.l2 Relative Rentenniveaus rur Zweiverdienerehepaare (Mann 40 Erwerbsj., volles Einkommen; Frau 20 Erwerbsj., halbes Einkommen) bei voller Wohnzeit irnJahre 1992 nach dem Äquivalenzeinkommenskonzept (AOW, alle Pfade) ....................................... Tab. A-7.l3 Relative Rentenniveaus und relative Wohlstandspositionen rur Hinterbliebene im Jahre 1992 (AOW, alle Pfade) ......................... Tab. A-7.14 Relative Rentenniveaus rur Einverdienerehepaare mit 40 Versicherungsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992/AOW und Zusatzrente (alle Pfade) ................................................................. Tab. A-7.l5 Relative Rentenniveaus rur Ledige mit 40 Versicherungsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992/AOW und Zusatzrente (alle Pfade) .................................................................................... Tab. A-7.16 Relative Rentenniveaus rur Zweiverdienerehepaare mit jeweils 40 Versicherungsjahren und gleichem Einkommen bei voller Wohnzeit im Jahre 1992/AOW und Zusatzrente (alle Pfade) ........................ Tab. A-8.1 Rentenleistung und Beitragsbelastung im Rahmen der Umverteilungsanalyse beim Einverdienerehepaar 1992 (stationäre Bevölkerung) ................................................................................. Tab. A-8.2 Rentenleistung und Beitragsbelastung im Rahmen der Umverteilungsanalyse beim Zweiverdienerehepaar 1992 (stationäre Bevölkerung) ................................................................................. Tab. A-8.3 Rentenleistung und Beitragsbelastung im Rahmen der Umverteilungsanalyse bei einer ledigen Person 1992 (nichtstationäre Bevölkerung) ................................................................. Tab. A-8.4 Rentenleistung und Beitragsbelastung im Rahmen der Umverteilungsanalyse beim Einverdienerehepaar 1992 (nichtstationäre Bevölkerung) ........................ .............. ......... ......................... ......... Tab. A-8.5 Rentenleistung und Beitragsbelastung im Rahmen der Umverteilungsanalyse beim Zweiverdienerehepaar 1992 (nichtstationäre Bevölkerung) ................................................................. Tab. A-8.6 Die interne Verzinsung im AOW rur unterschiedliche Modellhaushalte (nichtstationäre Bevölkerung) ....................................... Tab. A-9.l Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten nach Altersgruppen und Haushaltstyp Tab. A-9.2 Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten nach dem Alter des Haushaltsvorstandes ...............................................

21

463

464

465 466

467

468

469

470

471

472

473

474 475 476 477

22 Tab. A-9.3

Tab. A-9.4 Tab. A-9.5

Tab. A-9.6

Tab. A-9.7

Tab. A-9.8

Tab. A-9.9

Tab. A-9.10

Tab. A-9.11 Tab. A-9.12

Tab. A-9.13

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen

Relative Wohlstandspositionen von Personen in Rentnerhaushalten im Vergleich zum Durchschnitt aller Personen in Nichtrentnerhaushalten nach Haushaltstyp und Alter (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) ...................................... Relative Wohlstandspositionen von alleinstehenden Frauen im Vergleich zu alleinstehenden Männern nach Altersgruppen (in %) (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) Relative Wohlstandspositionen von Alleinstehenden im Vergleich zu Personen in Ehepaarhaushalten nach Altersgruppen (in %) (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten und Personen in Nichtrentnerhaushalten (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten nach Altersgruppen und Haushaltstyp (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten bei unterschiedlichen Armutsgrenzen (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten nach dem Alter des Haushaltsvorstandes (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) ............................................... Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten nach Altersgruppen und Haushaltstyp (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten nach Altersgruppen und Haushaltstyp (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) Die Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten bei unterschiedlichen Armutsgrenzen vor und nach Steuern und Transfers (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive) ............................................... Verbreitung von Armut unter Personen in Rentnerhaushalten vor und nach Steuern und Transfers (personenbezogene Nettoäquivalenzeinkommensperspektive)

478 479

480

481 482

483

484

485 486

487

488

Übersichten Übers. 5.1 Übers. 5.2 Übers. 6.1 Übers. 8.1

Organisation der sozialen Sicherung Übersicht über die wichtigsten Strukturmerkmale der niederländischen Alterssicherung ................................................................... . Der Aufbau der niederländischen Einkommensteuer Verteilungsrelevante Elemente im AOW

119 216 220 296

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen

Übers. 8.2

Modellfälle zur Umverteilung

23 317

Abbildungen Abb.3.1 Abb.3.2 Abb.3.3 Abb.3.4 Abb.3.5 Abb.3.6 Abb.3.7 Abb.3.8 Abb.5.1 Abb.6.1 Abb.7.1 Abb.7.2 Abb.7.3 Abb.7.4 Abb.7.5

Abb.7.6 Abb.7.7 Abb. 7.8 Abb. 7.9

Abb.7.10

Das Wachstum des BIP (1980 - 1992) Die Entwicklung des Preisniveaus (1980 - 1992) Die Lohnentwicklung zwischen 1980 und 1992 Die Entwicklung des Zinsniveaus 1980 - 1992 Die Wirtschaftsstruktur nach Sektoren (Wertschöpfungs- und Beschäftigtenanteil 1980 und 1992) ................................................. . Die Arbeitslosenquote in den Niederlanden 1980 - 1992 Die Ausgaben fiir die Sozialschutzfunktionen in den Niederlanden als Anteile am BIP 1980 - 1992 .................................................... Die Finanzierungsstruktur des Systems der sozialen Sicherung in den Niederlanden 1980 - 1992 ...................................................... Aufbau der Alterssicherung in den Niederlanden Der niederländische Einkommensteuertarif 1992 Relative Rentenniveaus rur Ledige mit 40 bzw. 20 Erwerbsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 (alle Pfade) ............................ Relative Rentenniveaus rur Ledige in Abhängigkeit von der Erwerbszeit (volle Wohnzeit, alle Pfade) .......................................... Relative Rentenniveaus fiir Ledige in Abhängigkeit von der Wohnzeit ( alle Pfade) .................................................................... Relative Bruttorentenniveaus rur Ledige mit voller Wohnzeit in Abhängigkeit vom Erwerbsverlauf(1992) .................................... Relative Bruttorentenniveaus fiir Ledige mit 40 Erwerbsjahren und voller Wohnzeit nach 20 Jahren (Standardpfad und Maximalpfad) .............................................................................................. Relative Rentenniveaus fiir Einverdienerehepaare mit 40 Erwerbsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 (alle Pfade) Relative Rentenniveaus rur Hinterbliebene im Jahre 1992 (alle Konstellationen) ............................................................................ Relative Rentenniveaus rur Einverdienerehepaare mit Zusatzrente bei 40 Versicherungsjahren und voller Wohnzeit im Jahre 1992 (Haushaltseinkommenskonzept, alle Pfade) .................................. Relative Rentenniveaus rur Zweiverdienerehepaare mit jeweils 40 Erwerbsjahren und gleichem Einkommen bei voller Wohnzeit im Jahre 1992/AOW und Zusatzrente (Haushaltseinkommenskonzept, alle Pfade) ...................................................................................... Relative Rentenniveaus fiir Ledige mit 40 Versicherungsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992/AOW und Zusatzrente (alle Pfade) ..................................................................................................

52 56 57 59 60 66 88 90 122 222 246 250 251 253

255 259 266

271

273

275

24 Abb.8.1 Abb.8.2

Abb.8.3

Abb.8.4

Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen 326 Interne Ertragsraten eines Ledigen (Modellfall 1a) Vertikale Ungleichbehandlung bei Ledigen (Differenzen der internen Ertragsraten gegenüber dem jeweiligen Durchschnittsverdienerhaushalt mit 1 APW ............................................................ . 329 Vertikale Ungleichbehandlung bei Ehepaaren (Differenzen der internen Ertragsraten gegenüber dem jeweiligen Durchschnittsverdienerhaushalt mit 1 APW ................................................................ . 331 Horizontale Ungleichbehandlung bei Ledigen (Differenzen zu den internen Ertragsraten des Ledigenmodellfalls la) bei den jeweiligen Einkommensniveaus) .................................................................... . 334

Abb.8.5

Horizontale Ungleich behandlung bei Ehepaaren (Differenzen zu den internen Ertragsraten des Ledigenmodellfalls 1a) bei den jeweiligen Einkommensniveaus) .................................................................... . 336

Abb.9.1 Abb.9.2

358 Anteile der Personen in Haushalten nach dem Haushaltstyp Die Zusammensetzung des Einkommens bei Rentner- und Nichtrentnerhaushalten nach Haushaltstypen ........................................ . 361

Abb.9.3

Die Zusammensetzung des Einkommens bei Rentner- und Nichtrentnerhaushalten nach dem Alter des HHV ................................ . 368 Verteilungsunterschiede zwischen Personen in allen Rentnerund Nichtrentnerhaushalten .......................................................... . 387 Verbreitung von Armut unter Personen in Rentner- und Nichtrentnerhaushalten ......................................................................... . 395

Abb.9.4 Abb.9.5

Abkürzungsverzeichnis AAW

Algemene Arbeidsongeschiktheidswet (Allgemeines Erwerbsunfähigkeitsgesetz )

Abb. ABP

Abbildung

ABPW

Algemeen Burgerlijk Pensioenwet (Allgemeines Bürgerliches Pensionsgesetz)

Abs. ABW

Absatz Algemene Bijstandswet (Allgemeines Sozialhilfegesetz)

AKW

Algemene Kinderbijslagwet (Allgemeines Kindergeldgesetz)

Alleinerz. alleinst.

Alleinerziehende( r)

Alleinst. AMF

Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (Allgemeiner Bürgerlicher Pensionsfonds)

alleinstehende e) Alleinstehende(r) Algemeen Mijnwerkerfonds (Allgemeiner Rentenfonds für Bergarbeiter)

AMP

Algemeen Militair Pensioenfonds (Allgemeiner Rentenfonds Streitkräfte)

ANW

Algemene Nabestaandenwet (Allgemeines Hinterbliebenengesetz) Algemene Ouderdomswet (Allgemeines Altersversicherungsgesetz)

AOW APW

der

Average Production Worker (Durchschnittlicher Industriearbeiter nach OE CD-Definition)

Art.

Artikel

ASEG

Alterssicherung in der Europäischen Gemeinschaft (Forschungsprojekt)

Aufl. AVO

BBG

Auflage Aanvullend Voorzieningen Gebruik Onderzoek (Untersuchung über die Inanspruchnahme ergänzender Versorgungsleistungen) Algemene Wet Bijzondere Ziektekosten (Allgemeines Gesetz für besondere Krankheitskosten) Algemene Weduwen- en Wezenwet (Allgemeines Witwen und Waisengesetz) Beitragsbemessungsgrenze

Bd.

Band

Ben

Beneficiaries (Rentenempfänger)

BIP

Bruttoinlandsprodukt

AWBZ AWW

26

Abkürzungsverzeiclmis

BPF

Wet verplichte deelneming in een bedrijfspensioenfonds (Gesetz über die obligatorische Teilnahme an einem Branchenrentenfonds)

BRPF

Wet verplichte deelneming in een beroepspensioenfonds (Gesetz über die obligatorische Teilnahme an einem Berufsrentenfonds)

BSP

Bruttosozialprodukt

bzw.

beziehungsweise

c. p.

ceteris paribus

ca.

circa

CBS

Centraal Bureau voor de Statistiek (Zentrales Statistisches Amt der Niederlande)

CDA

Christen Demokratisch Appel (Christlich-Demokratischer Apell; Christdemokraten)

CPB

Centraal Planbureau (Zentrales Planungsamt der Niederlande)

CRvB

Centrale Raad van Beroep (Zentrales Berufungsgericht)

CSP

Center for Social Policy (Antwerpen)

d. h.

das heißt

D66

Democraten 66 (Demokraten 66; Linksliberale)

dass.

dasselbe

ders.

derselbe

dies.

dieselbe(n)

e.d.

en dergelijke (und dergleichen)

ebd.

ebenda

ECU

European Currency Unit

Ed.

Editor

EG

Europäische Gemeinschaft

Einverd.

Einverdienerhaushalt

Emp

Employment (Beschäftigung)

et al.

et altera (und andere)

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

Eurostat

Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWU

Europäische Währungsunion

f

florijn (Gulden)

FVP

Fonds Voorheffing Pensioenverzekering (Fonds für die Vorauserhebung zur Zusatzrentenversicherung)

GAK

Gemeenschappelijk Administratie Kantoor (Gemeinsame Verwaltungsgeschäftsstelle der Branchenverbände)

HHV

Haushaltsvorstand

Hrsg.

Herausgeber

Abkürzungsverzeichnis

27

IB

Wet op de Inkomstenbelasting (Gesetz über die Einkommensbesteuerung)

Ifo IHS

Institut für Wirtschaftsforschung

IOAW

Wet Inkomensvoorziening Oudere en gedeeltijk Arbeidsongeschikte werkloze Werknemers (Gesetz über die Einkonmlenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger. arbeitsloser Arbeitnehmer)

IOAZ

Wet Inkomensvoorziening Oudere en gedeeltijk Arbeidsongeschikte gewezen Zelfstandigen (Gesetz über die Einkommenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger. ehemaliger Selbständiger)

IRES

Institut de Recherches Economiques et Sociales (Paris)

Individuele Huursubsidie (Individuelle Mietsubventionsgesetze )

J.

Jahr(e)

Jg.

Jahrgang

Komp.

overhevelingstoeslag (KompensationsZllschlag)

KUB

Katholieke Universiteit Brabant (Tilburg)

LB

Wet op de Loonbelasting (Lohnsteuergesetz)

led.

ledig

LEK

Lebenseinkommen

LIS

Luxembourg Income Study Project

LPL

Leyden Poverty Line

Mio.

Million( en)

MISSOC

Mutual Information System on Social Protection (System zur gegenseitigen Information über den Sozial schutz)

MOOZ

Wet medefinancierung oververtegenwoordiging oudere ziekenfondsenverzekerden (Gesetz über die Mitfinanzierung eines überproportionalen Anteils Älterer unter den Versicherten in Krankenkassen)

MPf

Maximalpfad

Mrd.

Milliarde( n)

MRN

modifiziertes relatives Rentenniveau

Nr.

Nummer

nr.

nummer (Nummer)

NR.HH

Nichtrentnerhaushalt( e)

NS

Nationale Spoorwegenpensioenfonds (Zusatzrentenfonds für Angehörige der staatlichen Bahngesellschaft)

o. ä. 0.0. o. V.

oder ähnliche(n) ohne Orts angabe ohne Verfasser

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

OSV

Organisatiewet Sociale Verzekering (Organisationsgesetz über die Sozialversicherungen)

p. a.

per annum

28

Abkürzungsverzeiclmis

PE

Pension Expenditure (Renten ausgaben)

Pers.

Personen

Pkt.

Punkt

Pop

Population (Bevölkerung)

PS

Periodiek voor sociale verzekering. sociale voorzieningen en arbeidsrecht

PSW

Pensioen- en Spaarfondsenwet (Renten- und Sparfondsgesetz)

PvdA

Partij van de Arbeid (Partei der Arbeit; Sozialdemokraten)

RHH

Rentnerhaushalt( e)

RRN

relatives Rentenniveau

Rww

Rijksgroepsregeling werkloze werknemers (Reichsgruppenregelung fiir arbeitslose Arbeitnehmer)

S.

Seite(n)

SCP

Sociaal en Cultureel Plan bureau (Soziales und kulturelles Planungsamt)

SDS

Stichting Dienstverlening Samenwerkingsverband (Stiftung fiir Dienstleistung und gemeinsame Zusammenarbeit)

SEP

Socio-Economisch Panel (Sozio-ökonomisches Panel des CBS)

SER

Sociaal-Economische Raad (Sozialökonomischer Rat)

SPf

Standardpfad

SPL

Subjective Poverty Line

SVB

Sociale Verzekeringsbank (Sozialversicherungsbank)

SVr

Sociale Verzekeringsraad (Sozialversicherungsrat )

Tab.

Tabelle

TBA

Wet Terugdringing Beroep op Arbeidsongeschiktheidsregelingen (Gesetz zur Zurückdrängung der Inanspruchnahme von Erwerbslmfahigkeitsregelungen)

TW

Toeslagenwet (Zuschußgesetz)

u. ä.

und ähnliche(s)

u. a.

und andere / unter anderem

Übers.

Übersicht

Untern.

Unternehmen

usw.

und so weiter

v. a.

vor allem

VDR

Verband Deutscher Rentenversicherungsträger

verh.

verheiratet

vgl.

vergleiche

vH

von Hundert

Vj.

Versicherungsjahre

Vol.

Volume (Band)

29

Abkürzungsverzeiclmis

VUT

Regeling inzake Vervroegde Uittreding (Regelung in Sachen vorzeitigen Ruhestands)

VVD

Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (Volkspartei fiir Freiheit lind Demokratie; Rechtsliberale)

WAM

Wet Aanpassingsmechanismen Minimul11loon en sociale uitkeringen (Gesetz über den Anpassungsmechanisl11l1s fiir den Mindestlohn lind die Sozialleistungen)

WAO

Wet op de Arbeidsongeschiktheidsverzekering Erwerbsunfähigkeitsversicherung)

Wj.

Wohnjahre

WKA

Wet Koppeling met Afwijkingsl110gelijkheden (Gesetz über die Koppelung von Mindestlohn und Sozialleistungen an die Lohnentwicklung mit der Möglichkeit der Abweichung)

Wohnz.

Wohnzeiten

WP

relative Wohlstandsposition

WRR

Wetenschappelijke Raad voor het Regeringsbeleid (Wissenschaftlicher Sachverständigenrat in Sachen Regierungspolitik)

WTZ

Wet op de toegang tot ziektekostenverzekering (Gesetz über den Zugang zur Krankenkostenversicherung)

WW z. B.

(Gesetz

über

die

Werkloosheidswet (Arbeitslosenversicherungsgesetz) zum Beispiel

ZFW

Ziekenfondswet (Krankenkassengesetz)

ZV

Zweiverdienerhaushalt

ZW

Ziektewet (Krankengeldgesetz)

Zweiverd.

Zweiverdienerhaushalt

Hinweis zur Umrechnung Für das Jahr 1992, das Referenzjahr der institutionellen Betrachtung, gelten folgende Umrechnungskurse (nach Kaufkraftstandards): IDM 1f 2,275 f Quelle:

1.126 f; 0,888 DM; 1 ECU.

Statistisches Bundesamt (1994), S. 159.

1. Einleitung Die Alterssicherung ist in letzter Zeit immer häufiger Gegegenstand der Diskussion in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Die Blickwinkel sind dabei höchst unterschiedlich: Fragen der Alterssicherung werden sowohl im Rahmen der gegenwärtigen Standortdebatte diskutiert als auch im Hinblick auf die zukünftige finanzielle Belastung, die angesichts des demographischen Wandels zu erwarten ist, und der Verteilung der Anpassungslast zwischen den Generationen. Auf der anderen Seite wird aber auch gefragt. ob das Alterssicherungssystem unter sich wandelnden Lebensstilen und veränderten Erwerbsmustern noch zu angemessenen Sicherungsergebnissen führtl. Damit rücken grundsätzliche Fragestellungen nach der Ausgestaltung von Alterssicherung mehr und mehr in den Mittelpunkt. Die Europäische Integration hat in dem Zusammenhang dazu beigetragen, daß Erfahrungen und Lösungsmuster in anderen europäischen Ländern zunehmend Beachtung finden. Vor diesem Hintergrund stellen die Niederlande ein besonders interessantes Studienobjekt dar, nicht nur aufgrund der räumlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Nähe. Der Grund ist vielmehr. daß die Niederlande in der Alterssicherung einen völlig anderen Grundansatz verfolgen als Deutschland und die meisten anderen europäischen Länder. Dies gilt für die Aufgabenverteilung zwischen staatlicher, kollektiver und privater Alterssicherung, aber auch im Hinblick auf die Leistungsausgestaltung und die Finanzierung in den einzelnen Teilsystemen. Das niederländische Alterssicherungssystem dient zuweilen als Leitbild, zumindest aber als Orientierungsmuster für eine grundlegende Umgestaltung der Alterssicherung. Je nach sozialpolitischer Couleur wird dabei der hohe Anteil privatrechtlich organisierter und nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanzierter Sicherung betont oder aber der universelle Mindestsicherungscharakter in den Vordergrund gestellt. Wenngleich das niederländische Alterssicherungssystem im deutschsprachigen Raum in seinen Grundzügen keineswegs unbekannt ist, so fehlt bislang jedoch eine umfassende und systematische Analyse des Gesamtsystems aus ökonomischer Sicht. Bisherige Arbeiten im deutschsprachigen Raum konzentrieren sich meist auf die Analyse einzelner Teilbereiche des Systems, in der Regel auf das staatliche System, wie etwa Casmir in seiner vergleichenden Studie über

I Zu einem Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion in Deutschland vgl. etwa RalflWagner (1996), S. 23 - 28.

32

I. Einleitung

Rentensysteme in verschiedenen Ländern 2 . Vernachlässigt wird dabei insbesondere der Bereich der betrieblichen Alterssicherung, der in den Niederlanden eine große Rolle spielt, jedoch aufgrund der Vielzahl von Ausgestaltungen auch in den Niederlanden selbst in vielen Bereichen noch unzureichend erforscht ist 3. Der Landesbericht von Pieters gibt einen umfassenden Überblick über die institutionellen Grundlagen der Alterssicherung, allerdings aus rein juristischer Perspektive 4. In empirischen Untersuchungen zur Einkommenssituation alter Menschen werden die Niederlande häufiger behandelt, in der Regel im Rahmen eines Mehrländervergleichs 5, doch fällt in den Fällen notwendigerweise die Analyse der institutionellen Grundlagen und sonstigen Rahmenbedingungen sehr knapp aus. Insgesamt mangelt es daher an einer sowohl institutionell umfassenden als auch empirisch gestützten Gesamtbetrachtung der Alterssicherung in den Niederlanden aus ökonomischer Sicht. Diese Lücke aufzufüllen, ist das Ziel dieser Arbeit. Erforderlich ist daher eine weitreichende Betrachtung möglichst aller auf die Absicherung des sozialen Risikos Alter abzielenden monetären und realen, expliziten und impliziten Transfers auf der Grundlage eines funktionalen Ansatzes 6 . Eine ökonomisch ausgerichtete Betrachtung kann sich jedoch nicht auf eine reine Deskription der Sicherungseinrichtungen beschränken, sondern muß den Blick auf die Ergebnisse richten. Daher wird versucht, die Verteilungs- und Um verteilungs vorgänge abzubilden, aus empirischer Sicht ein umfassendes Bild von der ökonomischen Situation der Altenbevölkerung zu vermitteln, gegenwärtige und absehbare Problemlagen der Alterssicherung aufzuzeigen und die Diskussionen besonders im Hinblick auf die zu erwartenden Finanzierungsprobleme aufgrund des demographischen Wandels wiederzugeben. Aus diesen Bemerkungen wird schon deutlich, daß verteilungspolitische Fragestellungen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Dabei geht es konkret darum, in welcher Weise das Alterssicherungssystem eine Einkommensverstetigung gewährleistet und Armut im Alter vermeidet. Einen dritten Schwerpunkt bildet die immer wichtiger werdende Frage nach der sozialen Sicherung von Frauen. Eine Diskussion solcher Zielvorstellungen ist unerläßlich, da sie als wichtige Referenzmaßstäbe dienen, an denen sich die Darstellung und spätere 2 Vgl. Casmir (1989).

3 So wurde erst Mitte der 80er Jahre bekannt, daß fast 20 % der Arbeitnehmer über keine oder nur sehr unzureichende Zusatzrentenansprüche verfügten. Bis dahin war man von einer lückenlosen Deckung ausgegangen. 4 Vgl. Pieters (1991). 5 Vgl. aus international vergleichender Sicht exemplarisch Tsakloglou (1994) oder van den Bosch et al. (1993). In der ebenfalls international vergleichenden Arbeit von Kohl sind die Niederlande im empirischen Teil als einziges der fünf behandelten Länder ausgeblendet. Vgl. Kohl ( 1994). 6 Vgl. zu den Ansätzen beim Vergleich von Systemen sozialer Sicherung Hauser (1991), S. 195 - 223.

I. Einleitung

33

Beurteilung des Alterssicherungssystems weitgehend orientiert. Eine kurze Zieldiskussion bildet daher in Kapitel 2 den Auftakt der Arbeit. Eine entscheidende Voraussetzung fiir das Verständnis von Alterssicherung bildet die Kenntnis der Rahmenbedingungen. Wirtschaftliche, demographische und gesellschaftliche Entwicklungen bestimmen über die Ausgaben und Einnahmen in den einzelnen Teilsystemen und über den finanziellen Spielraum fiir die Alterssicherung generell. In Kapitel 3 wird die Entwicklung der wichtigsten Faktoren in den Niederlanden seit Beginn der 80er Jahre nachgezeichnet, die die gegenwärtige Situation der Alterssicherung wesentlich geprägt haben. Dabei werden Tendenzen sichtbar, die einen Anpassungsbedarf fiir die Zukunft erkennen lassen. Von besonderer Bedeutung ist in dem Zusammenhang - ähnlich wie in den meisten anderen europäischen Ländern - die demographische Entwicklung. An die Darstellung der wirtschaftlichen. demographischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen schließt sich in einem weiteren Abschnitt eine Betrachtung der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung des Sozialleistungssystems im allgemeinen und des Alterssicherungssystems im besonderen an. Hier werden insbesondere die Faktoren deutlich. die die Entwicklung der Altersausgabenquote seit Anfang der 80er Jahre bestimmt haben. In Kapitel 4 werden die Rechtsgrundlagen der sozialen Sicherung in den Niederlanden vorgestellt und die historische Entwicklung auf dem Gebiet der Alterssicherung behandelt. Im Mittelpunkt steht das staatliche System nach dem Allgemeinen Altersversicherungsgesetz AOW (Algemene Ouderdomswet), das in seiner Entstehung und in seinen Grundprinzipien richtungweisend war fiir die Ausgestaltung des gesamten Systems der sozialen Sicherung, wie es heute in den Niederlanden besteht. Das nachfolgende Kapitel 5 ist das umfangreichste dieser Arbeit. Es enthält nach einem kurzen Überblick über das Gesamtsystem der sozialen Sicherung eine Darstellung aller an der Alterssicherung beteiligten Systeme. Dem funktionalen Ansatz folgend reicht die Betrachtung von Systemen mit spezifischer Alterssicherungsfunktion bis zu unspezifischen Sicherungsfonnen bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit. die in besonderem Maße von alten Menschen in Anspruch genommen werden. Im Mittelpunkt steht eine ausfiihrliche institutionelle Analyse der wichtigsten Teilbereiche der Alterssicherung. Dies ist zum einen das AOW. das als "Kernsystem", d. h. als größtes, obligatorisches und staatlich organisiertes System der Alterssicherung anzusehen ist. Den zweiten Teilbereich bilden die vielfältigen Zusatzrentensysteme auf betrieblicher, beruflicher oder branchenübergreifender Ebene. Eingehend behandelt werden dabei fiir beide Teilbereiche die wichtigsten institutionellen Regelungen auf der Leistungs- wie auf der Beitragsseite. Es geht insbesondere um die Regelungen zum Anspruchserwerb, um den einbezogenen Personenkreis. die Ausgestaltung der Leistungen, die Anpassung von Rentenleistungen und -anwartschaften auf der einen sowie um die Finanzierung und Beitragsge3 Pöhler

34

I. Einleitung

stalhmg auf der anderen Seite. Soweit möglich folgt die Darstellung der einzelnen Teilbereiche einem gleichbleibenden Muster. Doch können die Zusatzrenten aufgrund der Vielfalt an Ausgestaltungen und der mangelnden Datenlage nicht mit derselben Detailliertheit behandelt werden wie das AOW. Die Darstellung muß sich daher in manchen Fällen auf ein höheres Aggregationsniveau beschränken. Dies ist weitgehend unproblematisch, solange gewährleistet ist, daß ein insgesamt treffendes Bild der Zusatzrentenbereichs - nach Maßgabe des gegenwärtigen Forschungsstandes - vermittelt wird. Abgerundet wird das institutionelle Kapitel durch eine typologische Einordnung des Alterssicherungssystems. Entscheidend fiir die Bewertung der Versorgungslage alter Menschen sind nicht die Brutto-, sondern die Nettoeinkommen. Neben den Sozialabgaben ist deshalb auch die Einkommensbesteuerung zu berücksichtigen. In den Niederlanden kommt hinzu, daß die Bemessung der Einkommensteuer und die der wichtigsten Sozialabgaben besonders eng miteinander verknüpft sind. Dies macht eine systematische Behandlung der Einkommensbesteuerung geradezu unerläßlich. In Kapitel 6 wird daher ein Überblick über die niederländische Einkommensteuer gegeben. Der Schwerpunkt liegt auf der einkommensteuerlichen Behandlung von RentenleiShmgen und Vorsorgeaufwendungen. Das Steuerkapitel bildet eine weitere wichtige Voraussetzung fiir die nachfolgend anzustellenden Berechnungen. Kapitel 7 markiert den Übergang zur quantitativen Analyse. Auf der Grundlage der institutionellen Betrachtung wird mit Hilfe von Modellrechnungen untersucht, zu welchen Sicherungsergebnissen das Alterssicherungssystems fuhrt und welche Einflußgrößen dafiir maßgeblich sind. Als Indikator dient das Versorgungsniveau von Haushalten beim Eintritt in den Ruhestand, das fiir eine Vielzahl von Konstellationen makroökonomischer, erwerbsbiographischer und sozio-ökonomischer Faktoren berechnet wird. Daraus läßt sich ableiten, welche Haushalte, welche Erwerbsmuster und welche Einkommensbezieher im niederländischen Alterssicherungssystem besonders begünstigt werden und in welchen Bereichen sich Problemlagen abzeichnen. Die Betrachtung bezieht sich vornehmlich auf das staatliche AOW. Zusatzrenten werden in ausgewählten Fällen jedoch ebenfalls einbezogen.

Steht im 7. Kapitel die leistungsseitige Betrachtung im Mittelpunkt, so wird in Kapitel 8 die Analyse um die simultane Einbeziehung der Beitragsseite erweitert. Hier geht es um die Betrachtung der interpersonellen Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem. Methodisch erfolgt die Analyse aus zwei Blickwinkeln. Zunächst werden im Rahmen einer qualitativen Betrachtung möglichst umfassend die umverteilungsrelevanten Regelungen im staatlichen Kernsystem und im Bereich der Zusatzrenten erfaßt und in ihrer Wirkungsrichhmg dargestellt. In einem zweiten Schritt werden in Anlehnung an die vorherigen Modellfallberechnungen, horizontale und vertikale Umverteilungseffekte

1. Einleitung

35

fiir bestimmte erwerbsbiographische, haushaltsspezifische und makroökonomische Konstellationen quantitativerfaßt. Der quantitative Teil konzentriert sich dabei auf das Kernsystem der Alterssicherung, das AOW. Das 9. Kapitel bildet einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt dieser Arbeit. Hier wird der bisherige Analyserahmen verlassen und die Versorgungssituation der älteren Menschen aus empirischer Sicht beleuchtet. Die Berechnungen beruhen auf dem jüngsten Datensatz des niederländischen Zentralen Statistischen Amtes CBS fiir 1990, der im Rahmen des Luxembourg Income Study-Projekts fiir international vergleichende Zwecke aufbereitet wurde. Im Vordergrund stehen Fragen nach der relativen Einkommensposition von älteren Menschen im Vergleich zu Personen im erwerbsfähigen Alter, der Verbreitung von Armut und der Einkommenssituation von Frauen im Alter. Ein direkter Vergleich mit den institutionell gestützten Modellrechnungen in Kapitel 7 ist jedoch aus einer Reihe von methodischen Gründen nicht möglich, insbesondere deshalb, weil hier nicht hypothetische, sondern reale Vorgänge abgebildet werden und das Spektrum der einbezogenen Einkommen wesentlich breiter ist. Doch läßt sich zumindest ersehen, ob und in welchen Fällen aus der institutionellen Analyse abgeleitete Hypothesen auch aus empirischer Sich~ haltbar sind. Kapitel J0 widmet sich besonderen Problembereichen der niederländischen Alterssicherung, die sich aus der vorangehenden Analyse erkennen lassen. Besonderes Augenmerk gilt der demographischen Entwicklung und den zu erwartenden finanziellen Belastungen fiir die gesamte Alterssicherung. Vor dem Hintergrund der jüngsten Prognosen werden dabei die gegenwärtig diskutierten Anpassungsmaßnahmen ausfiihrlich vorgestellt. Die Betrachtung schließt in Kapitel J J mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit. Zwei Bemerkungen sind noch vorwegzuschicken. Zum einen ist festzuhalten, daß sich die gesamte Untersuchung auf den Stand des Jahres 1992 bezieht. Dies gilt insbesondere fiir die institutionellen Regelungen und die darauf beruhenden Modellrechnungen. Das Referenzjahr wurde besonders im Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit anderen europäischen Ländern gewählt. Späteren Änderungen wurde jedoch - soweit möglich - Rechnung getragen. In den Niederlanden vollziehen sich sozialpolitische Veränderungen in der Regel in einem längeren Prozeß. Fundamentale Reformen im Alterssicherungssystem, wie sie vereinzelt in südeuropäischen Ländern stattfanden, sind in den Niederlanden gegenwärtig nicht zu erwarten. Die Untersuchung gibt daher nicht nur eine Momentaufnahme wieder, vielmehr dürften die Ergebnisse bis ins nächste Jahrtausend kaum entscheidend an Gültigkeit verlieren. Die zweite Bemerkung betrifft die Einbettung in einen internationalen Vergleich. Diese Arbeit ist Bestandteil eines Vergleichs von Alterssicherungssystemen, der sich im Rahmen des Forschungsprojekts "Alterssicherung in der 3·

36

I. Einleitung

Europäischen Gemeinschaft" (ASEG-Projekt) auf alle Länder der EU erstrecke. Die Vergleichbarkeit erfordert einige begriffliche, konzeptionelle und methodische Konzessionen, die innerhalb einer Landesstudie fiir sich genommen zunächst nicht ohne weiteres nachvollziehbar sein mögen oder gar entbehrlich wirken können. Ebenso wären ohne den vergleichenden Rahmen einige inhaltliche Schwerpunkte anders zu setzen. Die Vergleichsperspektive ist daher stets präsent, selbst wenn sie nicht immer explizit zum Ausdruck kommt. Dies mag manchmal etwas irritieren - vielleicht aber kann es der Arbeit auch einen zusätzlichen Charme verleihen.

7 Wenn im folgenden von EU die Rede ist, bezieht sich dies, wenn nichts anderes erwähnt wird, auf die Staatengemeinschaft vor dem Beitritt von Österreich, Schweden und Finnland. Auch in diesem Fall gilt also der Rechtsstand von 1992.

2. Ziele der Alterssicherung 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Betrachtung von Alterssicherungssystemen Die Analyse von Alterssicherungssystemen erfordert zunächst eine KlarsteIlung darüber, welche Kriterien der Betrachtung zugrunde liegen sollen. Die politische Diskussion orientiert sich häufig an Gegensatzpaaren wie Versorgungs- versus Versicherungsprinzip oder Steuer- versus Beitragsfinanzierung. Derartige Struktur- und Organisationsprinzipien sind jedoch keine Werte an sich, sondern dienen der Verwirklichung von bestimmten Zielen, die mit einem Alterssicherungssystem verfolgt werden. Eine Offenlegung von Zielen muß daher am Anfang einer Analyse von Alterssicherungssystemen stehen, wenn man verhindern will, daß Struktur- oder Organisationsprinzipien unkritisch zur Norm erhoben werden. Dies gilt um so mehr, wenn man sich im Rahmen eines internationalen Vergleichs bewegt, da die Grundprinzipien von Land zu Land sehr stark 'voneinander abweichen können. Ziele eignen sich daher am ehesten als Bewertungsmaßstäbe fiir eine Evaluierung von existierenden Alterssicherungssystemen. Präzise formulierte und operational definierte Zielsetzungen sind nach Schmäh! Voraussetzung sowohl fiir die Beurteilung der Alterssicherungssituation der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen als auch auch fiir eine zieladäquate Ausgestaltung und Auswahl von Maßnahmen und deren Erfolgskontrolle I. Ziele bilden demnach einen Referenzrahmen, mit dessen Hilfe bestehende Situationen beurteilt werden können und woraus sich Forderungen nach Veränderungen begründen lassen2. Methodisch stellt sich dabei das Problem. daß die Auswahl der Ziele nicht ohne Werturteile auskommt 3. Definiert man Ziele von Alterssicherungssystemen als Anforderungen, die von gesellschaftlich relevanten Gruppen an ein AIterssicherungssystem gerichtet werden4 , so ließe sich das Auswahlproblem mit Hilfe eines gesellschaftlichen Konsenses zu lösen versuchen. Dabei wäre zu klären, worin sich ein solcher Konsens manifestiert. Für die Bundesrepublik 1 Vgl. Schmäh/(l981), S. 647. 2 Ähnlich auch Schmähl (1980), S. 224. 3 Methodologisch spricht man hierbei von Werturteilen im Basisbereich; vgl. etwa Berg/Cassel (1992), S. 182 - 184. 4 Vgl. He/berger/Wagner (1981), S. 249.

38

2. Ziele der Alterssicherung

wird verschiedentlich auf einen Zielkatalog abgestellt, der im Rahmen einer vom Sozialbeirat eingesetzten Wissenschaftlergruppe erarbeitet wurde 5. Selbst wenn man akzeptiert, daß darin der gesellschaftliche Konsens angemessen zum Ausdruck kommt, bleibt die Frage nach dem optimalen Zielwert danach ebenso Gegenstand einer gesonderten werturteilsbehafteten Entscheidung wie die nach dem Gewicht, das man den ausgewählten Zielen beimessen sollte6 . Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Problematik soll hier deshalb nicht erst der Versuch unternommen werden, ein Zielsystem aufgrund eines gesellschaftlichen Grundkonsenses zu ermitteln. Vielmehr werden fiir die Analyse ganz bestimmte Ziele ausgewählt, anhand derer das niederländische Alterssicherungssystem betrachtet und im Hinblick auf die Zielerreichung sowie auf daraus ableitbare mögliche Problemlagen hin überprüft werden soll. Natürlich darf die Auswahl solcher Ziele nicht völlig willkürlich erfolgen, sondern sollte zumindest durch ein hohes Maß an sozialpolitischer Relevanz begründet sein. Dennoch bleibt festzuhalten, daß eine solche Auswahl - wie gut sie auch immer begründet sein mag - eine Entscheidung ist, die auf Werturteilen beruht, auf Werturteilen, die damit auch auf die Ergebnisse der Untersuchung und eine daraus gewonnene Beurteilung eines Alterssicherungssystems einwirken 7.

2.2 Ausgewählte Zielbereiche der Alterssicherung Im Bereich der Alterssicherung stehen verteilungspolitische, genauer gesagt auf die Einkommensverteilung ausgerichtete Zielsetzungen im Vordergrund, dennoch sind dies keineswegs die einzigen, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind 8 . So entwickelt Wagner für staatliche Rentensysteme 9 , den Kernbereich des gesamten Alterssicherungssystems, neben dem genannten distributiven Zielbereich noch drei weitere, die mit jenem in enger Wechselwirkung stehen und zum Teil instrumentellen oder Nebenzielcharakter haben. Wagner unterscheidet somit die folgenden Zielbereiche, die sich aus einer Reihe von Einzelzielen zusammensetzen 10:

5 Vgl. Krupp (1984), S. 57 - 58. Ähnlich auch der Zielkatalog bei Helberger/Wagner (1981), S 250 - 251. 6 Vgl. Helberger/Wagner (1981), S. 250. 7 So schreiben auch Hauser und Wagner, daß jede Umschreibung des Ziels der sozialen Sicherung im Alter auf Werturteilen beruhe, die aus wissenschaftstheoretischer Sicht keines Beweises fähig seien. Vgl. Hauser/Wagner (1992), S. 583. 8 Vgl. etwa Schmähl (1981), S. 647, ders. (1977), S 23 oder auch Casmir (1989), S. 45. 9 Wagner spricht in der Folge meist von sozialer Rentenversicherung. Aus den grundsätzlichen Erwägungen am Anfang des Abschnitts geht jedoch hervor, daß die Ziel bereiche durchaus auf eine allgemeinere Anwendung ausgelegt sind; vgl. Wagner (1984),26. 10 Vgl. Wagner(1984),S.26-49.

2.2 Ausgewählte Zielbereiche der Alterssicherung

39

Verteilung der Einkommen, allgemeine soziale Gesichtspunkte, Funktionsfähigkeit des Rentensystems und Auswirkungen auf gesamtwirtschaftliche Ziele. Zu den allgemeinen sozialen Gesichtspunkten zählen nichtmonetäre Zielsetzungen, wie die Erhaltung der Gesundheit oder die Integration älterer Menschen in das familiäre und gesellschaftliche Leben. Letzteres kann selbst wiederum einen Beitrag zu weiteren hierunter gefaßten Einzelzielen, etwa der Stabilität von Ehe und Familie und der Legitimation des politischen Systems leisten 1I. Zur Funktionsfähigkeit des Rentensystems l2 gehört als erstes die Wahrung eines finanziellen Gleichgewichts. Von zentraler Bedeutung ist, mit welchen Mitteln das Gleichgewicht erreicht wird. Die entscheidenden Handlungsparameter bilden das Leistungsvolumen und die Gestaltung der dafür erforderlichen Mittelaufbringung l3, wobei zwischen den distributiven Zielen und dem Ziel einer nicht zu hohen, ausgewogenen finanziellen Belastung der Erwerbstätigen Zielkonkurrenz bestehen kann. Einnahmen und Ausgaben des Rentensystems sind von einer Reihe gesamtwirtschaftlicher, demographischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen abhängig, je nach Ausgestaltung des Systems in unterschiedlichem Ausmaß. Gleichzeitig kann das Alterssicherungssystem selbst Einfluß auf einzelne dieser Determinaten ausüben, wenn beispielsweise eine übermäßig hohe Abgabenbelastung das gesamtwirtschaftliche Wachstum beeinträchtigt. Aufgrund der hier nur skizzierten engen Abhängigkeiten ist die Funktionsfähigkeit eines Rentensystems um so eher gewährleistet, je weniger das System durch Änderungen der genannten Rahmenbedingungen in seiner finanziellen Stabilität bedroht wird. Alterssicherung ist Teil der Sozialpolitik und als solche eingebunden in die allgemeine Wirtschaftspolitik. Somit hat sie Auswirkungen auf weitere gesamtwirtschaftliche Ziele zu beachten l4 . Dazu zählen die bekannten stabilitätsund wachstumspolitischen Ziele, wie Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, angemessenes Wirtschaftswachstum und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht, allokative Ziele wie die Forderung nach ordnungspolitischer Neutralität des Rentensytems oder nach kostengünstiger Bereitstellung der Versicherungs-

11 Vgl. auch die weiteren Ausführungen bei Wagner (1984), S. 35 - 39. 12 Vgl. Wagner (1984), S. 39-41. 13 Bei Wagner "Niveau und Struktur der finanziellen Belastung durch das Rentenversicherungssystem"; Wagner (1984), S. 39. 14 Vgl. auch Schmähl (1981), S 656 - 658.

40

2. Ziele der Alterssicherung

leistung und weitere verteilungspolitische Ziele l5 . Die Forderung nach möglichst geringen unerwünschten Nebenwirkungen ist damit Ausdruck des Effizienzpostulats im Sinne wirtschaftspolitischer Rationalität I 6. Die soeben angesprochenen Zielbereiche werden an verschiedenen Stellen der Arbeit, insbesondere bei der Diskussion der Problemlagen der Alterssicherungssysteme l7 , Gegenstand der Betrachtung sein. Im Mittelpunkt steht indes der verteilungspolitische Zielbereich. Auf diesen wird im folgenden Abschnitt näher einzugehen sein. An dieser Stelle sei angemerkt, daß die genannten Zielbereiche und Einzelziele für staatliche Alterssicherungssysteme entwickelt worden sind. Dennoch läßt sich der Anwendungsbereich auch auf andere Systeme oder auf das Gesamtsystem der Alterssicherung als Ganzes ausweiten.

2.3 Auswahl der zugrundezulegenden Ziele Unter verteilungspolitischer Perspektive werden Alterssicherungssysteme mit einer Reihe von Zielsetzungen in Verbindung gebracht. Zu den am häufigsten genannten zählen 18: die Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen, die Vermeidung von Armut im Alter, 15 Mit Blick auf den Gesamtkomplex verteilungspolitIscher Ziele wird deutlich, daß das AIterssicherungssystem wirtschaftspolitisch gesehen selbst Instrumentalcharakter hat; vgl. Wagner (1984), S. 41. 16 Vgl. auch Berg/C'asse! (1992), S. 228; zur Abstimmung von Alterssicherungspolitik und allgemeiner Wirtschaftspolitik vgl. auch Schmäh! (1977), S 23. Wagner differenziert hierbei in bezug auf das Ziel der Einkommenslllllverteilung noch einmal zwischen Effektivität einer Maßnahme, d. h. ob und in welchem Ausmaß das Ziel erreicht wird, und Effizienz, d. h. ob das Ziel mit dem geringstmöglichen Aufwand erreicht wird; vgl. Wagner (1984), S 41 - 42. 17 Vgl. Kapitel 10 der Arbeit 18 Vgl. dazu aus dem deutschsprachigen Raum zur Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen Wagner (1984), S. 30 - 33, Döring (1992a), S 3, He!berger/Wagner (1981), S. 268 - 270, Casmir (1989), S. 80 - 82, Krupp (1984), S 58 oder Schmäh! (1981), S. 647. Zur Arrnulsverrneidung vgl. etwa Krupp (1984), S 58. Döring (1992a), S. 4, Schmähl (1981), S. 647 und Casmir (1989), S 78 - 80. Wagner faßt dieses Ziel als spezielle Ausprägung von Bedarfsgerechtigkeit auf; vgl. Wagner (1984), S. 84. ähnlich Helberger"Wagner (1981), S 273 - 274. Zur Verringerung von Einkommensunterschieden vgl. Kl'llpp (1984), S 58. IJöring (1992), S 4. HelbergeriWagner (1981), S. 273 und Schmähl (1977), S 35. Zur Leistungsangemessenheit vgl. z. B. Krupp (1984), S. 58, Casmir (1989), S 87 - 89; Wagner spricht von Leistungsgerechtigkeit der Einkommensumverteilung, vgl. Wagner (1984), S. 44 - 48, ebenso Helberger/Wagner (1981), S. 270 - 272. Zur sozialen Sicherung von Frauen vgl. insbesondere Rolj!Wagner (1992), S. 281 283 sowie auch Schmähl (1981), S. 649, Mager (1991), S. 606 - 607 und C'asmir (1989), S. 82 84. Vgl. außerdem die Zusammenstellung bei Kohl (1994), S 75, die auch über den deutschsprachigen Raum hinausgeht Die soziale Sicherung von Frauen wird inzwischen sogar in gängigen finanzwissenschaftlichen Lehrbüchern als wichtiger Problem bereich von Alterssicherung behandelt; vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer (1994). S 272.

2.3 Auswahl der zugrundezulegenden Ziele

41

die Verringenmg von Einkommensunterschieden innerhalb der Ruhestandsgeneration, die Leistungsangemessenheit der Alterseinkommen und - in letzter Zeit zunehmend - die soziale Sicherung von Frauen. 2.3.1 Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen

Alterssichenmgssysteme gewähren monetäre Leistungen an Personen im Alter und bieten somit einen Ersatz fiir Einkommen, das während der Erwerbsphase bezogen wurde. Insofern zielen Alterssicherungssysteme wenigstens der Tendenz nach auf eine Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen. Die Verstetigung kann dabei durchaus unterschiedliche Ausmaße annehmen. Die häufig postulierte Lebensstandardsichenmg, sei es in Form der Absichenmg des vor Eintritt des Ruhestands erreichten oder aber des erwerbslebensdurchschnittlichen Lebensstandards, erfordert dabei einen hohen Verstetigungsgrad 19. Mit dem Ziel der Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen ist in erster Linie die Frage nach dem Absicherungsniveau fiir Menschen im Alter angesprochen. Bedeutsam ist aber auch, wann die kollektive Übernahme der Einkommensverstetigung einsetzen soll. Dabei geht es mithin um die Gestaltung der Altersgrenze20 . Die Verstetigung kann sich zudem nicht nur auf den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand beschränken. Im Zeitablauf erfordert eine Aufrechterhaltung des Sichenmgsniveaus die Anpassung der Rentenleistungen an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, d. h. letztlich eine Entscheidung darüber, inwieweit die Ruhestandsgeneration an dieser Entwicklung partizipieren so1l21. Zur Messung der Einkommensstetigkeit ist es erforderlich, die Einkommenssituation der Rentner mit einer Bezugsgröße zu vergleichen, die die Einkommenssituation in der aktiven Phase abbildet. Daher muß zunächst geklärt werden, welche Einkommensbestandteile herangezogen werden sollen. Üblicherweise wird das Renteneinkommen aus den betrachteten Alterssichenmgssystemen zum Arbeitseinkommen in Beziehung gesetzt 22 . Zudem ist zwischen einer Brutto- und Nettobetrachtung zu unterscheiden. Letztere ist die entscheidende, wenn es um die Verstetigung von Einkommen unter dem Aspekt

19 Döring bezeichnet die weitgehende Absicherung eines gegebenen Lebensstandards als eine maximale "(Niveau)-Lösung" im Rahmen eines Konzepts von Alterssicherung, das auf eine Spiegelung des Erwerbseinkommens im Alter abzielt. Ygl. Döring (1992a). S. 3. 20 Ygl. Wagner (1984), S. 31. 21 Ygl. dazu Wagner (1984), S. 31 - 32. 22 Vgl. etwa Eurostat (1991 a), S. I.

42

2. Ziele der Alterssicherung

einer Aufrechterhaltung eines bestimmten Sicherungsniveaus geht 23 . Andererseits erlaubt eine Bruttobetrachtung die Herausarbeitung von spezifischen systemimmanenten Funktionsweisen eines Alterssicherungssystems ohne Verzerrungen durch das Abgabensystem. Des weiteren ist nach der Periodizität der zu vergleichenden Einkommen zu unterscheiden: so können die Sicherungsergebnisse unterschiedlich ausfallen, je nach dem, ob auf das letzte Jahreseinkommen oder das Lebenseinkommen Bezug genommen wird. Schließlich ist zur Beurteilung des Sicherungsniveaus der Einfluß unterschiedlicher Haushaltsstrukturen zu beachten. Will man diesen Einfluß bereinigen, so ist eine - wiederum werturteilsbehaftete - Entscheidung darüber notwendig, welches Gewicht man den einzelnen Haushaltsangehörigen beimißt. Dies erfolgt mit Hilfe von ÄquivalenzskaIen, auf die später noch genauer eingegangen wird24 . Diese hier angerissenen Probleme sind im übrigen nicht allein im Zusammenhang mit der Messung von Einkommensstetigkeit von Belang. Die grundsätzlichen Probleme, wie die Definition des Einkommens, die Periodenabgrenzung und die Bestimmung der Bezugseinheit, stellen sich im Prinzip für alle hier diskutierten verteilungspolitischen Zielsetzungen 25 .

2.3.2 Vermeidung von Armut im Alter Die Vermeidung von Armut im Alter ist anerkanntermaßen eine der Hauptzielsetzungen von Alterssicherungssystemen, was sich nicht zuletzt auch aus historischem Blickwinkel bestätigen läßt26 . Auch eine auf Einkommensverstetigung gerichtete Grundorientierung kann durchaus zur Armutsvermeidung beitragen, sie jedoch nicht in jedem Fall gewährleisten, wenn Haushalte schon in der Erwerbsphase arm oder armutsgefahrdet waren27 . Zu unterscheiden ist zunächst zwischen absoluter und relativer Armut. Absolute Armut ist dadurch gekennzeichnet, daß Personen in einer gegebenen Gesellschaft nicht über die zur Lebenserhaltung notwendigen Güter verfugen, was 23 Vgl. auch Wagner (1984), S. 33. 24 Vgl. insbesondere Abschnitt 7.2.2.1. 25 So behandeln beispielsweise aus dem Bereich der Finanzwissenschaft Musgrave/Musgrave/Kullmer die angesprochenen Problembereiche in ähnlicher Weise als grundsätzliche Probleme bei der Durchführung praktischer Verteilungspolitik; vgl. MusgraveiMusgrave/Kullmer (1987), S. 127 - 128. 26 Vgl. dazu auch Abschnitt 4.2.1 dieser Arbeit zur historischen Entwicklung der Alterssicherung in den Niederlanden. Auch zu Beginn der Rentengesetzgebung in Deutschland spielten Mindestsicherungselemente eine wesentliche Rolle. Erst mit der Rentenreform von 1957 fand der Übergang von einem "gemischten" zu einem an der "Beitragslogik" orientierten System statt; vgl. dazu Döring (1 992a), S. 4 - 13. 27 Vgl. Döring(l992a), S. 4 oder Wagner (1984); S. 34.

2.3 Auswahl der zugrundezulegenden Ziele

43

über kurz oder lang zum Tode durch Verhungern, Erfrieren o. ä. fuhren müßte. Diese Form der Armut kann in den entwickelten Industrienationen weitgehend als überwunden angesehen werden. Zudem würde eine solch enge Betrachtungsweise das Ausmaß der AImut im Hinblick auf die helTSchenden sozialstaatlichen Prinzipien deutlich unterschätzen. Aus dem Grunde wird sie hier nicht weiter behandelt. Das Konzept der relativen Armut knüpft demgegenüber an einem zu definierenden sozio-kulturellen Existenzminimum an, das am Wohlstandsniveau der Gesellschaft ausgerichtet ist und in den Ländern der EU beträchtlich über einer absoluten Armutsgrenze liegt 28 . Wenn in dieser Arbeit nachfolgend von Armut die Rede ist, so ist dies, falls nichts anderes erwähnt ist, immer im Sinne von relativer Armut zu verstehen. Um herauszufinden, wer als arm anzusehen ist und wer nicht, wird zwischen einer Ressourcen- und einer Lebenslagendefinition unterschieden. Nach der Ressourcendefinition liegt Armut dann vor, wenn Individuen oder Haushalte nicht in ausreichendem Maße über finanzielle Ressourcen verfugen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß eine ausreichende Verfugbarkeit finanzieller Ressourcen den Erwerb der erforderlichen Güter des Grundbedarfs erlaubt. wobei nicht ausgeschlossen ist, daß eine unsachgemäße Verwendung der Mittel dennoch zu Unterversorgung in bestimmten Lebensbereichen fuhren kann. Die konkrete Anwendung der Ressourcendefinition erfordert eine Reihe von Entscheidungen, die in der Regel nicht ohne Werturteile zu treffen sind. Nur stichwortartig seien hier genannt 29 : die Abgrenzung der Betrachtungseinheit (Individuum, Haushalt); Annahmen darüber, in welcher Weise die Ressourcen innerhalb von Haushalten zwischen den Mitgliedern verteilt werden und in welchem Maße Vorteile gemeinsamer Haushaltsfuhrung anzunehmen sind; die Abgrenzung der zugrundegelegten Ressourcen (Einkommen, Vermögen, Realtransfers): sollten Schulden einbezogen werden, in welcher Weise ist die Verfugbarkeit öffentlicher Güter und Dienste zu berücksichtigen? die angemessene zeitliche Dimension, d. h. die Entscheidung darüber, wie lange eine Ressourcenknappheit andauern muß, um jemanden als arm einzustufen. Im Gegensatz dazu stellt die Lebenslagendefinition von Armut auf zu definierende Mindeststandards in zentralen Lebensbereichen ab. Hier wären normative Setzungen in noch größerem Ausmaß erforderlich als bei der Ressourcendefinition. Aufgrund der Operationalisierungsprobleme im Hinblick auf eine Entwick28 Vgl. zu bei den Konzepten z. B. Hauser/Hübinger (1993), S 69 und insbesondere im Hinblick auf ihre Eignung in international vergleichenden Arbeiten Hauser (1984), S. 338 - 348. Verwiesen sei darüber hinaus zur Diskussion von Armutskonzepten und zur Festlegung von ArnlUtsgrenzen auf Townsend (1993), S 27 - 63, 29 Vgl. dazu Hauser (1984), S, 334 - 336,

44

2. Ziele der Alterssicherung

lung von geeigneten sozialen Indikatoren erscheint die Lebenslagendefinition

fiir unsere Zwecke wenig geeignet30 , Im folgenden wird somit der Ressourcen-

begriff von Armut zugrundegelegt, wobei das Einkommen als zentraler Indikator gilt. Betrachtungseinheit sind Haushalte, Wählt man das Einkommen als Armutsindikator, so ist als nächstes festzulegen, welcher Anteil eines Durchschnittseinkommens das sozio-ökonomische Existenzminimum repräsentieren soll. Auch hierbei handelt es sich um eine stark werturteilsbehaftete, gleichwohl aber unvenneidliche Entscheidung31 . Im Rahmen internationaler Vergleiche, in dem auch diese Arbeit zu sehen ist, bietet sich angesichts der Untauglichkeit institutionell abgeleiteter Grenzen und in Ennangelung einer allgemein konsensfähigen Bestimmung die Verwendung mehrerer Armutsgrenzen an, Gebräuchlich sind solche von 40 %, 50 % und 60 %32, die im Rahmen der empirischen Berechnungen herangezogen werden 33 , Auf jeden Fall ist es sinnvoll, die verwendeten Armutsgrenzen mit institutionell festgelegten Mindeststandards in den betrachteten Ländern, z. B, Mindestlöhnen oder Sozialhilfesätzen, in Beziehung zu setzen.

2.3.3 Verringerung von Einkommensunterschieden innerhalb der Ruhestandsgeneration Eine dritte mögliche verteilungspolitische Zielsetzung bezieht sich auf die Verringerung von Unterschieden in der Einkommensverteilung innerhalb der Ruhestandsgeneration. Angestrebt ist damit eine Angleichung der Einkornrnensverteilung im Vergleich zur Verteilungsstruktur der Erwerbseinkommen 34 , Wenn auch dieses Ziel nicht explizit allen Alterssicherungssystemen zugrunde liegt, so ist doch ganz allgemein zu fragen, wie die Einkommensverteilung im Alter aussieht und in welcher Weise die Ausgestaltung der Alterssicherungssysteme zu einer Beeinflussung der Verteilung beitragen35 , Die Bedeutung einer solchen Zielsetzung wird in der niederländischen Diskussion um Anpassungsvarianten der Alterssicherungssysteme angesichts des demographischen Wandels deutlich werden36 , 30 Vgl. dazu Hauser (1984), S. 336 - 337. Dies gilt insbesondere für Vergleiche über mehrere Länder. 31 Vgl. Hauser (1984), S. 348. 32 Vgl. Hauser (1984), S. 351 - 352. 33 Vgl. Kapitel 9. Bei der Modellfallanalyse (vgl. Kapitel 7) wird aus Gründen der Übersichtlichkeit hingegen nur mit einer Annutsgrenze gearbeitet, da keine Aussage über das Ausmaß an Annut angestrebt wird, was nur auf empirischem Wege möglich ist. 34 Vgl. Döring (I 992a), S. 4. 35 Vgl. Krupp (1984), S. 58. 36 Vgl. Abschnitt 10.4.

2.3 Auswahl der zugrundezulegenden Ziele

45

2.3.4 Leistungsangemessenheit der Alterseinkommen Unter dem Aspekt der Leistungsangemessenheit oder Leistungsgerechtigkeit eines Alterssicherungssystems wird der Grad der Übereinstimmung von individuellem Finanzierungsbeitrag und bezogener Leistung behandelt, häufig unter dem Postulat der Beitragsäquivalenz37 . Das Konzept der Beitragsäquivalenz ist auf eng am Versicherungsprinzip ausgerichtete Systeme wie die Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland zugeschnitten. Wird Beitragsäquivalenz aber nicht als eine anzustrebende VerteilungsnOlm, sondern vielmehr als Referenzmaßstab fiir eine Analyse von Ve11eilungswirkungen verstanden, so lassen sich mit Hilfe dieses Konzepts auch fiir andere Typen von Alterssicherungssystemen relative Begünstigungen oder Benachteiligungen fiir einzelne Bevölkerungsgruppen herausarbeiten 38 . Beitragsäquivalenz kann einmal im Sinne einer absoluten Beitragsäquivalenz aufgefaßt werden, wonach die Swnme der auf einen bestinunten Zeitpunkt diskontierten Beiträge mit der Sunune der auf denselben Zeitpunkt diskontierten Leistungen übereinstimmen muß. Ein solcher Ansatz kann aber insbesondere fiir wnlagefinanzierte Systeme nur unter bestimmten demographischen und gesamtwirtschaftlichen Annahmen sinnvoll interpretiert werden. Aus dem Grunde wird häufig ein kohortenspezifischer Ansatz verwendet. Nach diesem Konzept erfordert Beitragsäquivalenz, daß lediglich die Relation der Rentenansprüche innerhalb einer Alterskohorte der Relation der Beiträge derselben Kohorte entspricht. Dieses wird auch als strukturelle Beitragsäquivalenz bezeichnet 39 . Die strukturelle Beitragsäquivalenz wird bei der Diskussion der intragenerationalen Verteilungswirkungen des niederländischen Alterssicherungssystems noch von großer Bedeutung sein40 . Das Konzept der Beitragsäquivalenz ist unter Operationalisierungsaspekten nicht unproblematisch. Schwierigkeiten bereitet insbesondere die Abgrenzung von Umverteilung und versicherungsimmanentem Risikoausgleich etwa im Hinblick auf die Beurteilung einer höheren Lebenserwartung von Frauen. Neben diesem intragenerationalen Aspekt 41 bestehen ähnliche Probleme auch aus intergenerationaler Sicht42 . Hier ist nicht von vornherein klar, inwieweit durch veränderte Geburtenraten hervorgerufene oder aufgrund von Schwankungen in 37 Vgl. Helberger/Wagner(1981), S. 271 und Wagner (1984), S 44. 38 Vgl. Kapitel 8 der Arbeit. 39 Vgl. etwa Wagner (1985), S 167 unter Berufung auf Meinhold. Zu beiden Konzepten vgl. auch Meinhold (1985), S 15 - 17. 40 Vgl. dazu Kapitel 8. 41 Im Sinne von imerpersoneller UnIVerteilung des Lebenseinkommens innerhalb 'einer AIterskohorte; vgl. Wagner (1985), S. 146. 42 Im Sinne von interpersoneller Umverteilung zwischen verschiedenen Alterskohorten; vgl. Wagner (1985), S. 146.

46

2. Ziele der Alterssicherung

der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eingetretene Veränderungen des Beitrags-Leistungsverhältnisses unter dem Gesichtspunkt der Leistungsangemessenheit zu beurteilen sind 43 . Auf diese Problembereiche wird in Kapitel 8 noch näher eingegangen. 2.3.5 Soziale Sicherung von Frauen Alterssicherungssystemen liegen mehr oder weniger deutlich bestimmte familienpolitische Leitbilder zugrunde. So gewährleistet beispielsweise die Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland in der Regel eine zufriedenstellende Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung sowohl im Alter als auch im Hinterbliebenenfall, wenn eine lange, kontinuierliche Vollzeiterwerbsbiographie und eine stabile Ehe vorliegen. Sie orientiert sich somit an einem traditionellen Familienbild, wonach der Mann kontinuierlich vollzeiterwerbstätig ist und die Frau die Tätigkeiten im Haushalt übemimmt 44 . Eine solche Ausrichtung wirft aber dann Probleme auf, wenn Erwerbs- und Familienbiographien immer weniger diesem Leitbild entsprechen, so etwa in Fällen von Scheidung langdauernder Hausfrauenehen oder bei Alleinerziehenden, die nicht dauerhaft einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen können45 . Vor dem Hintergrund des Aufbrechens traditioneller Familienbiographien tritt daher die soziale Sicherung von Frauen stärker in den Mittelpunkt. Trotz einer in allen EU-Ländern zu beobachtenden Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit weichen nach wie vor die Erwerbsprofile von Männem und Frauen häufig stark voneinander ab. Erwerbsbiographien von Frauen zeichnen sich im Durchschnitt durch eine kürzere und diskontinuierliche Erwerbsdauer, geringere Einkommen und eine beträchtlich höheres Maß an Teilzeitbeschäftigung aus 46 . Hervorzuheben ist in dem Zusammenhang besonders der Umstand, daß die üpportunitätskosten der Kindererziehung oder der häuslichen Pflege von Familienangehörigen nach wie vor fast ausschließlich von Frauen getragen werden. Dazu zählen nicht nur aktuelle Einkommenseinbußen, die aus der Aufgabe oder der Einschränkung der Erwerbstätigkeit entstehen; hinzu kommt außerdem ein Verlust 43 VgL Wagner(1984),S.46-47. 44 VgL Rolj7Wagner (1992), S 281. 45 VgL Rolj7Wagner(1992), S 281. 46 So lag die Erwerbsquote (ausgedrückt als Anteil der Erwerbspersonen - Beschäftigte und Arbeitslose - in Prozent der erwerbsfähigen Personen über 14 Jahren) in den Ländem der EU 1991 unter den Männem bei 67,5 %, unter den Frauen bei nur 42,6 %. Hinsichtlich der Frauenerwerbsbeteiligung sind die Unterschiede zwischen den Ländem zum Teil beträchtlich, etwa zwischen Dänemark (61,1 %) und Spanien (31,9 %). Insgesamt gingen in den Ländem der EU knapp 96 % der erwerbstätigen Männer einer Vollzeittätigkeit nach, hingegen nur 71 % der erwerbstätigen Frauen; bei verheirateten Frauen lag der Anteil mit knapp 65 % noch niedriger. VgL EurosIal (1993a), S. 54, 60 und 132. Besonders zur Entwicklung der Frauenerwerbsbeteiligung in den Ländem der EU vgL Knaulh (1992), S 7 - 25.

2.3 Auswahl der zugrundezulegenden Ziele

47

an Einkommenserzielungskapazität, der durch einen mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit einhergehenden Dequalifizierungsprozeß hervorgerufen wird. Je stärker einem Alterssicherungssystem eine erwerbszentrierte Grundorientierung innnewohnt, umso größer ist die Gefahr, daß solche Gefährdungslagen über die Erwerbsphase hinaus in die Ruhestandsphase fortwirken. Es stellt sich demnach die Frage, wie Alterssicherungssysteme mit derartigen Tatbeständen umgehen, d. h. ob und in welchem Maße sich diese auf die originären Sicherungsziele wie Armutsvermeidung und Verstetigung des Lebenseinkommensverlaufes auswirken. Daneben ist von Bedeutung, inwieweit AIterssicherungssysteme den beobachtbaren Veränderungen in familialen Lebensformen, z. B. bei zunehmenden Scheidungsfällen, Rechnung tragen. Auf der anderen Seite gehen von Alterssicherungssystemen auch Anreize auf das Erwerbsverhalten von Frauen aus, je nach dem, wie entscheidungsrelevante Tatbestände, z. B. Ehe und Kindererziehung, im Alterssicherungssystem honoriert werden47 . Aus allokativer Sicht ist somit zu beachten, welche verhaltensinduzierenden Wirkungen von der Ausgestaltung eines Systems ausgehen, wobei für eine Beurteilung vorher zu entscheiden ist, ob eine F.örderung der Erwerbstätigkeit oder eine Begünstigung der Nichterwerbstätigkeit erwünscht ist. Die Analyse erfolgt zum einen anhand von Modellfällen, die Erwerbsverläufe von Frauen, wenn auch nur schematisch, abbilden und deren Ergebnisse Aufschluß darüber geben, inwieweit das untersuchte Alterssicherungssystem besonderen Lebenslagen von Frauen gerecht wird. Darüber hinaus wird die Absicherung von Frauen auch auf empirischem Wege untersucht. 2.3.6 Fazit Innerhalb dieser Untersuchung werden nicht alle der hier skizzierten verteilungspolitischen Zielsetzungen in gleichem Maße Berücksichtigung finden. Die Analyse wird sich statt dessen schwerpunktmäßig auf drei der fünf genannten Ziele konzentrieren. Aufgrund ihrer relativ guten Meßbarkeit und der weithin anerkannten Bedeutung sind dies zum einen die fundamentalen Ziele der Verstetigung von Lebenseinkommensverläufen und der Vermeidung von Altersarmut. Angesichts der in jüngster Zeit nicht nur hierzulande stärker in den Mittelpunkt tretenden Frage nach der sozialen Sicherung von Frauen soll dieser Aspekt einen dritten Schwerpunkt der Analyse bilden. Zudem ist die Forschung auf diesem Gebiet zumindest in international vergleichender Perspektive noch relativ wenig fortgeschritten. 47 Diesen allokativen Zielzusammenhang betonen Rolf und Wagner im Zusammenhang mit der Begründung eines "Voll Eigenständigen Systems" der Altersvorsorge für Deutschland; vgl. RolPWagner (1992), S. 281 - 283.

48

2. Ziele der Alterssicherung

Diese Auswahl bedeutet nicht, daß die übrigen Ziele rur die nachfolgende Betrachtung keine Rolle mehr spielen. Sie werden vielmehr in einzelnen Kapiteln, insbesondere im Rahmen der Umverteilungsanalyse, behandelt. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen aber die folgenden drei Ziele 48 : Die Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen. Die Vermeidung von Armut im Alter. Die soziale Sicherung von Frauen.

48 Der Zielkanon liegt dem gesamten ASEG-Forschungsprojekt zugrunde.

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung Alterssicherung bedeutet eine Übertragung von Ressourcen von Aktiven zu Postaktiven. Art, Umfang und Struktur des Ressourcentransfers hängen ab von den insgesamt zur Verfügung stehenden gesamtwirtschaftlichen Ressourcen, vom Umfang des Transferbedarfs und von den gesellschaftlichen Grundentscheidungen über die institutionelle Ausgestaltung des Transfers. Damit ist klar, daß Alterssicherung nicht losgelöst von den sie bestimmenden Rahmenbedingungen betrachtet werden kann, die sich in ökonomische, demographische, gesellschaftliche und institutionelle Faktoren aufteilen lassen. Diese bestimmen das Umfeld, in dem Alterssicherung stattfindet und deren Veränderungen zu Anpassungen in den Alterssicherungssystemen Anlaß geben können. Dabei darf nicht vergessen werden, daß umgekehrt auch von der Alterssicherung selbst Wirkungen auf die Volkswirtschaft ausgehen. Zu denken ist etwa an die Belastung des Faktors Arbeit mit Beiträgen auf Seiten der Einkommensentstehung. Dadurch wird die funktionale und insbesondere die personale Einkommensverteilung beeinflußt. Die Einkommensverteilung wiederum nimmt Einfluß auf die Einkommensverwendung, so auf Umfang und Struktur von Konsum und Ersparnis I; dies wiederum hat Konsequenzen für Konjunkturverlauf und Wachstum. Die vielfliltigen Wirkungen der Alterssicherung auf die Volkswirtschaft stehen hier jedoch nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es hier umgekehrt um die Bedeutung, die die ökonomischen und sonstigen Rahmenbedingungen als Datenkranz für die Alterssicherung selbst haben. Im folgenden soll daher die Entwicklung in den Niederlanden seit Anfang der 80er Jahre wiedergegeben werden. Dabei werden in einem ersten Schritt zunächst die wesentlichen, für die Alterssicherung relevanten Rahmenbedingungen dargestellt, wobei zwar in allen Fällen ein Bezug zur Alterssicherung gegeben ist, dieser aber nicht jedesmal quantifizierbar ist. Jedoch wird in einem zweiten Schritt versucht, die Entwicklung des Anteils für Altersausgaben am Bruttoinlandsprodukt mit Hilfe einiger weniger Bestimmungsfaktoren zu erklären und in ihrer Bedeutung zu quantifizieren. Die einzelnen Determinanten bauen auf den zuvor behandelten Faktoren auf, stellen aber notwendigerweise eine Aggregation dar und können so nur ein vereinfachtes Bild der tatsächlichen Entwicklung wiedergeben.

I So kann man unterstellen, daß Lohn- und Transfereinkommen zu einem höheren Maße konsumiert werden als Gewinneinkommen. 4 Pöhlcr

50

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

3.1 Ökonomische, demographische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen 3.1.1 Ökonomische Rahmenbedingungen 3.1.1.1 Ausgangspunkt

Der zur Disposition stehende Umfang an Ressourcen ergibt sich aus der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung einer Periode. Dabei sei an die Mackenrothsche Feststellung erinnert, wonach aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß 2. Das Postulat trifft natürlich auch auf die Alterssicherung als ein Teilbereich des Sozialaufwandes zu. Gesamtwirtschaftlich bedeutet der Satz von Mackenroth, daß allein die aus der Produktion der jeweiligen Periode gespeiste Konsumsumme zur Verteilung zwischen den Aktiven und Nichtaktiven, darunter den Älteren, zur Verfügung steht. Je nach gewähltem Finanzierungsverfahren erfolgt dabei die Übertragung von "Ziehungsrechten,,3 an der Konsumsumme durch Beiträge oder Steuern auf das Einkommen der Aktiven (Umlageverfahren) oder durch deren Ersparnis (Kapitaldeckungsverfahren). In bei den Fällen wird das Verfügungsrecht der Aktiven an der von ihnen erzeugten Gütermenge zugunsten der Alten eingeschränkt. Ergänzend wäre hinzuzufügen, daß die Obergrenze des Konsums, damit auch des Sozialaufwandes nicht das Volkseinkommen (Nettosozialprodukt zu Faktorkosten), sondern das Bruttosozialprodukt bildet, wenn man bedenkt, daß unterlassene Reinvestitionen zumindest kurzfristig einen über das Volkseinkommen hinausgehenden Konsum ermöglichen. Zudem besteht in einer offenen Volkswirtschaft die Möglichkeit, durch Verschuldung gegenüber dem Ausland die inländische Verwendung über das erzeugte Sozialprodukt hinaus auszudehnen; dies würde sich in einem negativen Außenbeitrag niederschlagen4 . Beides wäre aber vermutlich nur in geringem Umfang und auch nicht auf Dauer möglich 5. Jedoch erhöht wirtschaftliches Wachstum das Volkseinkommen und die Konsumsumme und erweitert so den Verteilungsspielraum auch längerfristig. Als wichtige ökonomische Ralunenbedingungen sind daher Höhe und Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Produktion und deren Aufteilung auf die einzelnen Aggragate der Verwendung zu betrachten. Entscheidend ist des weiteren die Entwicklung der Zinsen und der Lohnsumme, die auf der Einkommens2 Vgl. Mackenroth (1952), S. 267. Zur kritischen Bewertung einer daran anknüpfenden Interpretation im Hinblick auf eine allokative Gleichwertigkeit von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren vgl. Homburg (1987), S. 66 - 71 und die dort angegebene Literatur.

3 Petersen (1991), S. 19. 4 Vgl. dazu Homburg (1987), S 67. 5 Soz. B. HauseriWagner(1992), S. 585.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

51

entstehWlgsseite die Ansatzpunkte des Ressourcenentzugs, d. h. der FinanzieTWlg der AlterssicheTWlgsleistWlgen darstellen. Damit ist zugleich die zentrale BedeutWlg des Arbeitsmarktes angesprochen, wo über den FinanzieTWlgsaspekt hinaus auch über das LeistWlgsvolumen entschieden wird. Die EntwicklWlg des Preisniveaus ist eine weitere fundamentale gesamtwirtschaftliche Größe, die neben anderen gesamtwirtschaftlichen Effekten direkt die Kaufkraft der Bestandsrenten bestimmt Wld zudem die Höhe der Rentenansprüche beeinflussen kann. Je nach AusgestaltWlg des AnpassWlgsverfahrens kann sich so die relative Einkommensposition von Rentnern verändern. 3.1.1.2 Überblick über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung

3.1.1.2.1 Die gesamtwirtschaftliche Produktion und ihre Verwendung Die gesamtwirtschaftliche EntwicklWlg in den Niederlanden seit Anfang der 80er Jahre verlief insgesamt wenig dynamisch. Zwischen 1980 Wld 1992 stieg das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen6 nominal um 67 % auf 563 Mrd. f. In konstanten Preisen nahm es im selben Zeitraum um lediglich 25 % zu; dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 1,87 %. Damit gehören die Niederlande in der EU zu den Ländern mit Wlterdurchschnittlichem Wachstum innerhalb des BetrachtWlgszeitraums. Aus AbbildWlg 3.1 ist der Konjunkturverlauf ersichtlich. Die EntwicklWlg ist durch zwei Rezessionen gekennzeichnet. Die erste, zu Anfang der 80er Jahre, wurde ausgelöst durch eine Reihe von ÖlpreiserhöhWlgen, die zweite geht auf die Dollarkrise von 1987 zurück. Der nach der letzten Rezession einsetzende AufschWWlg ging mit Beginn der 90er Jahre bereits wieder in eine leichte AbschWWlgphase über.

6 Aus Gründen der statistischen Verfügbarkeit wird hier mit dem Inlandskonzept, d. h. dem an der Güterproduktion ansetzenden Konzept, und nicht mit dem eigentlichen Einkommenskonzept, dem Sozialprodukt, gearbeitet, das für unsere Zwecke sicher das angemessenere Aggregat wäre.

52

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Das Wachstum des BIP 1980 - 1992 (prozentuale jährliche Änderung) Prozent 15 1,----------------------------------------------------, 10

o -5

L -_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

~

1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 Jahre

I- BIPreal D BI~

Abbildung 3.1

Ein Maß fiir die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft stellt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf dar. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung in Preisen von 1985 betrug in den Niederlanden im Jahre 1980 29.041 f und stieg auf 33.646 f im Jahre 1992 (+ 16 %); dies entpricht einer durchschnittlichen jährlichen Zunahme um 1,23 % im angegebenen Zeitraum. Das geringere Wachstum im Vergleich zum Wachstum des absoluten BIP in konstanten Preisen drückt das Wachstum der Bevölkerung aus. Unter den Ländern der EU nehmen die Niederlande damit einen Mittelplatz ein und liegen zwischen Italien und dem Vereinigten Königreich 7. Noch geringer fällt das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts je erwerbstätiger Person 8 aus. Dieses Aggregat gibt die durchschnittliche gesamtwirtschaftliehe Arbeitsproduktivität wieder. Die Arbeitsproduktivität ist seit 1980 insgesamt um lediglich 9,6 % oder 0,77 % im Mittel pro Jahr gewachsen, mit einer der niedrigsten Raten unter den EU-Ländern9.

7 Gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in jeweiligen Preisen errechnet über Kaufkraftparitäten. Vgl. Statistisches Bundesamt (1994). S. 160. 8 Erfaßt werden darunter Personen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, Selbständige und mithelfende Familienangehörige; vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S: 101. 9 Zu vergleichenden Zahlen für die relativ dynamische Phase zwischen 1987 und 1992 vgl. Eurostat (1994), S. 44. Danach ist für die Niederlande eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von I % ausgewiesen, die nur von Luxemburg unterboten wird.

53

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

Tabelle 3.1 Bruttoinlandsprodukt und Arbeitsproduktivität 1980 - 1992 Kennzahlen (in Preisen von 1985)

Werte in f

Wachstum (1980 - 92)

durchschnitt!. jährliche Wachstumsrate

1980

1992

reales BIP/Einwohner

29.041

33.646

15,85 %

1,23 %

reales BIPlErwerbstätige

78.886

86.459

9,65%

0,77 %

reales BIP/Arbeitsjahr

84.810

95.717

12,86 %

1,01 %

Quellen: OECD (1993a), S. 11 - 28, Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 128, Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 23 und eigene Berechnungen.

Mißt man die Produktivität nicht in erwerbstätigen Personen, sondern in standardisierten Arbeitsjahren lO , so ergibt sich ein Wachstum von immerhin 12,9 %. In dieser Angabe drückt sich der Trend zu vermehrter Teilzeitarbeit aus. Darüber hinaus hat sich die tarifliche Arbeitszeit im Betrachtungszeitraum verringert, wenngleich in einem bescheidenen Tempo von etwa 0,6 % pro Jahr I I. Beide Effekte zusammen haben bewirkt, daß die Arbeitszeit pro Person stärker gefallen ist als in den meisten anderen europäischen Ländern 12. In der Arbeitsstundenproduktivität nehmen die Niederlande in der EU eine Spitzenstellung ein 13.

10 Unter einem Arbeitsjahr versteht man die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Die Diskrepanz zur personenbezogenen Betrachtung gibt Aufschluß über das Ausmaß von Teilzeitarbeit. Vg!. Buunk (1989), S. 184 und Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 99. 11 Vg!. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S 128 für die 80er Jahre. 12 Nach einer Studie des niederländischen Sozialministeriums hat dieser Umstand dazu geführt, daß die Niederlande zwischen 1970 und 1990 im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern (Westdeutschland, Dänemark, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Belgien und Italien) in bezug auf das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von Platz 2 auf Platz 6 zurückgefallen ist, jedoch in der Stundenproduktivität einen Spitzenplatz behaupten konnten. Vg!. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1995), S. 17 - 18. 13 So lag das Bruttoinlandsprodukt pro Arbeitsstunde 111 den Niederlanden 1987 um 13 % über dem in Westdeutschland. Vg!. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1995), S. 39.

54

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Tabelle 3.2 Die Verwendung des Bruttoinlandsproduktes Werte in Mio. f zu laufenden Preisen

Jahr

(in Klammem Anteile in % des nominalen BIP) BIP

1980

1992

Privater

Staats-

Brutto-

Verbrauch

verbrauch

investitionen

Exporte

Importe

342.514

210.091

59.557

71824

172.276

173.381

(100)

(61,3)

(17,4)

(21,5)

(50,3)

(50,6)

563.220

339.520

81.500

114.980

294.430

269.270

(100)

(60,3)

(14,5)

(20,4)

(52,3)

(47,8)

Quelle: OECD (I 994a), S. 373.

Blickt man auf die Verwendungsseite, so läßt sich generell feststellen, daß die Binnennachfrage insgesamt unterproportional gewachsen ist l4 . Zu Beginn der 80er Jahre ging der private Verbrauch und damit auch der gesamte Endverbrauch real zuriick und erreichte erst Mitte des Jahrzehnts wieder den Wert des Jahres 1980; seither entwickelt sich der private Konsum in etwa im Einklang mit dem realen Bruttoinlandsprodukt. Verantwortlich fiir die insgesamt verhaltene Entwicklung waren in erster Linie die geringen Lohnsteigerungen, besonders zu Beginn der 80er Jahre, und die AusgabenkÜfzungen der öffentlichen Hand. Dabei wurden die öffentlichen Investitionen stark zurückgefahren. Der dadurch bedingte Nachfrageausfall konnte nur zum Teil durch den Anstieg der privaten Bruttoinvestitionen in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre kompensiert werden. Seit drei Jahren verharren diese allerdings auf dem Niveau von 1990. Insgesamt ist die volkswirtschaftliche Bruttoinvestitionsquote l5 auf 20,4 % im Jahre 1992 gesunken; damit liegen die Niederlande dennoch leicht über dem EU-Durchschnitt (19,5 %). Der Rückgang der Binnennachfrage ging einher mit einem deutlichen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Sparquote 16, die von 11,6 % im Jahre 1980 auf inzwischen 14,3 % (1992) angestiegen ist. Damit haben die Niederlande eine der

14 lu den hier angeführten Aggregaten vgl. im einzelnen OECD (I992a), S. 367 - 393 und OECD (1994a), S. 373 - 399. Allerdings sind die leitreihen aufgrund einer Generalrevision nur bedingt vergleichbar. 15 Anteil der Bruttoinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen. 16 Das Verhältnis von gesamtwirtschaftlicher Ersparnis am gesamten verfügbaren Einkommen nach Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

55

höchsten Sparquoten in der EUI7. Während die öffentlichen Haushalte im Betrachtungszeitraums entspart haben, ist die Ersparnis der Unternehmen und der privaten Haushalte stark angestiegen. Zu dieser Entwicklung haben ganz entscheidend die Vermögenszuwächse der Zusatzrentenfonds beigetragen. In den Niederlanden entfallen etwa 80 % der privaten Ersparnis auf Lebensversicherungsgesellschaften und Zusatzrentenfonds. Eine wesentliche Stütze der Konjunktur bildete die Auslandsnachfrage. Verantwortlich fiir den Außenhandelsüberschuß ist die dynamische Exportentwicklung seit 1982, die in erster Linie mit der weltweiten Konjunkturbelebung zusammenhing und durch eine gemäßigte Lohnentwicklung in den Niederlanden begünstigt wurde. Der nominale Exportwert ist im Betrachtungszeitraum um 70 % gestiegen, während der Importwert von Gütern und Dienstleistungen nur um 55 % zugenommen hat. Offenkundig wird dabei die enge außenwirtschaftliche Verflechtung der Niederlande. Der Handel mit Gütern und Dienstleistungen erreicht einen Wert von über 50 % des Bruttoinlandsproduktes. Nachhaltige Impulse fiir den Exportanstieg von einstmals gut 30 % in den 50er Jahren gingen von der Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes aus; zur Zeit entfallen über 70 % des Exportvolumens auf Länder der EUI8. Dem seit 1981 bestehenden Überschuß im Außenbeitrag und in der Leistungsbilanz (1992: 12.878 Mio. f)19 steht ein Defizit in der Kapitalbilanz gegenüber. Eine große Rolle spielen die umfangreichen Direktinvestitionen niederländischer Konzerne. Seit Mitte der 70er Jahre übersteigen die Direktinvestitionen im Ausland deutlich die Investitionen von ausländischen Unternehmen in den Niederlanden20 . Darüber hinaus vergrößerte in den letzten drei Jahren der Saldo der Portfolioinvestitionen21 die Forderungen gegenüber dem Ausland22 . Hierunter fallen auch die Anlagen der niederländischen Zusatzrentenfonds. Per saldo findet damit jedes Jahr in bedeutendem Maße ein Nettokapitalexport statt, der sich beispielsweise im Jahre 1992 auf 10 Mrd. f belief. Die Niederlande gehören damit zu den größten Auslandsinvestoren weltweit. Die wachsende Ersparnis wird somit in zunehmendem Maße im Ausland investiert, 17 Vgl. OECD (1994), S. 374. Die Sparquote für alle EU-Länder lag Statistisches Bundesamt (1994), S. 181.

1992 bei 8,4 %; vgl.

18 Vgl. im einzelnen Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 326. 19 Vgl. Statistisches Bundesamt (1994), S. 18S. 20 Der Umfang des Überschusses der Direktinvestionen von niederländischen Unternehmen im Ausland gegenüber denen von Ausländern in den Niederlanden betrug seit 1974 regelmäßig zwischen I und 2 % des Volkseinkommens; vgl. Buunk (1989), S 33 und Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 333. 21 Dazu zählen v. a. Käufe und Verkäufe von Aktien ohne Beteiligungsabsicht, festverzinsliche Wertpapiere und Investmentzertifikate.

22 Dieser umfaßte 1992 eine Erhöhung der Forderungen in Höhe von 14,7 Mrd. f. Allerdings ist die Tendenz hier lange nicht so deutlich wie bei den Direktinvestitionen. Vgl. Statistisches Bundesamt (1994), S. 18S.

56

3. Rahrnenbedingungen der Alterssicherung

ein Aspekt, der im Zusammenhang mit den Anlagefonnen der Zusatzrentenfonds an anderer Stelle noch aufgegriffen wird23 . Insgesamt befindet sich das Land seit Jahrzehnten in einer Nettogläubigerposition gegenüber dem Ausland.

3.1.1.2.2 Preise, Löhne und Zinsen Die Entwicklung des Preisniveaus ist eine der zentralen ökonomischen Größen, an denen sich die Erwartungen und Handlungen der Wirtschaftssubjekte orientieren. Ein direkter Einfluß auf die Alterssicherung ergibt sich dadurch, daß der Realwert von Ansprüchen und Leistungen gemindert wird, falls nicht ein ausreichender Anpassungsmechanismus vorgesehen ist. Die Entwicklung des Preisniveaus 1980 - 1992 (Preisindex fur die Lebenshaltung; prozentuale jährliche Änderung) Prozent

15 ,-------------------------------------------------------, 10 5,7 2,8

4,1

3,1 0,8

0,2

1,1

-0,4 -5

L -_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

1980

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

~

1992

Jahre

Quellen: EurosIal (I 993b), S. 73 und dass. (I 994a), S. 101. Abbildung 3.2

In den Niederlanden haben sich die Verbraucherpreise, besonders seit 1983, sehr moderat entwickelt. 1987 sank sogar erstmals seit 1939 das Preisniveau im Vergleich zum Vorjahr. Legt man die Jahre zwischen 1987 und 1992 zugrunde, sind die Niederlande mit einem Anstieg von insgesamt 12,7 % das preisstabilste Land in der EU vor Belgien und der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings lagen die Preissteigerungsraten in den letzten beiden Jahren wieder leicht über dem Durchschnitt des Betrachtungszeitraums von 2,7 % p. a .. Zur Preisstabilität haben entscheidend die niedrigen Lohnabschlüsse der letzten 10 Jahre beigetragen. Zudem ließ die gesamtwirtschaftliche Nachfrageentwicklung nur wenig 23 VgL Abschnitt 10A

57

3.1 Ökonomische, demographische, geselischaftliche Bedingungen

Rawn für Preiserhöhungen. Von monetärer Seite her hat die gemäßigt monetaristische Politik 24 der niederländischen Zentralbank, die sich stark an die Politik der Bundesbank angelehnt hat, dämpfend auf die Preisentwicklung eingewirkt. Der Lohn bildet die zentrale, häufig sogar die ausschließliche Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur Alterssicherung. Auf der anderen Seite wird in den Fällen, in denen die Altersrenten, seien es Rentenansprüche oder Bestandsrenten, an die Erwerbseinkommen gekoppelt sind, auch das laufende oder zukünftige Leistungsvolwnen durch die Lohnentwicklung bestimmt. Die Lohnentwicklung zwischen 1980 und 1992 (Bruttolöhne, prozentuale jährliche Änderung) Prozent 15 .---------------------------------------------------------,

10 5

o -5

L -____________________________________________________

1980 198 1 1982

1983

1984

1985

1986

~

1987 1988 1989 1990 199 1 1992

Jahre [0 Löhne (real) _ Löhne (nominal)

Anmerkung: Berechnungen auf der Grundlage des Index für den durchschnittlichen tariflichen Stundenlohn eines Industriearbeiters_ Quelle: Danmarks Statistik (1993), S. 122 nach Angaben von OECD, Main Economic Indicators, Eurostat, Data for Short-term Economic Analysis und nationalen statistischen Publikationen_

Abbildung 3.3

Nachdem der Staat lange Zeit versucht hatte, die Lohnentwicklung durch direkte Eingriffe in die Tarifpolitik zu steuem 25 , wurde diese Politik 1983 unter dem ersten Kabinett Lubbers (CDA) aufgegeben. Seither sind die Tariflöhne nur sehr verhalten gestiegen, wie Abbildung 3.3 anhand der Tariflohnentwicklung in der Industrie illustriert. Berücksichtigt man den Anstieg der Lebenshaltungskosten, so zeigt sich, daß die Kaufkraft der Löhne kawn zuge24 Vgl. Buunk (1989), S. 96. 25 Zu einem Überblick über die Lohnpolitik in den Niederlanden von der Nachkriegszeit bis zum Ende der 80er Jahre vgl. Buunk (1989), S. 151 - 153.

58

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

nommen hat; dreimal mußten sogar reale Einbußen hingenommen werden. So liegen die Reallöhne des Jahres 1992 nur um 3 % über denen von 1980. Die Belastung der Lohneinkommen mit Einkommensteuer und Sozialabgaben ist in den Niederlanden im internationalen Vergleich sehr hoch. So entfielen 1992 auf den Bruttolohn eines durchschnittlichen Industriearbeiters26 im Durchschnitt 38,8 % an Abgaben, zum überwiegenden Teil (29 %) als Sozialabgaben. Damit haben die Niederlande zusammen mit Dänemark die höchste Abgabenbelastung in der EU. Allerdings besteht das hohe Belastungsniveau schon seit Jahren und ist in den letzten 10 Jahren nur geringfügig gestiegen 27 . Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß zu den Tariflohnsteigerungen übertarifliche Zahlungen, etwa Überstundenzuschläge, Provisionen usw., hinzutreten, die in Abbildung 3.3 nicht erfaßt sind. Wie wir später sehen werden, ist es für die Entwicklung der relativen Einkommensposition von Rentern im Vergleich zu Erwerbstätigen im Zeitablauf sehr bedeutsam, inwieweit die inzidentielle Komponente bei der Rentenanpassung berücksichtigt wird 28 . Für die Beitragskalkulation von Alterssicherungssystemen, die auf dem Kapitaldeckungsverfahren aufbauen, ist neben der Lohnentwicklung die Entwicklung des Marktzinses am Kapitalmarkt von Bedeutung. In einer kleinen offenen Volkswirtschaft wie der der Niederlande ist die Zinsentwicklung im hohen Maße von außenwirtschaftlichen Faktoren abhängig, namentlich dem Dollarkurs und der Zinsentwicklung in den USA.

26 Verheirateter Einverdiener mit mittlerem Einkommen und 2 Kindern. Vgl. OECD (I 994b), S.87. 27 So lag die durchschnittliche Belastung mit Einkommensteuer und Sozialabgaben 1983 im vergleichbaren Fall bereits bei 38 %; vgl. OECD (1987), S. 87. 28 Dieser Aspekt wird im Zusammenhang mit der Anpassung der staatlichen Renten an die Lohnentwicklung besonders im Hinblick auf zukünftige Finanzierungsprobleme intensiv diskutiert. Vgl. dazu exemplarisch etwa Commissie Financiering Oudedagsvoorziening (1987), S. 135 - 139 oder Werenschappelijke Raad voor her Regeringsbeleid (1993), S. 140 - 145, sowie insbesondere Abschnitt 7.2.1.4 dieser Arbeit.

59

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

Die Entwicklung des Zinsniveaus 1980 - 1992 (Effektivzins fur langfristIge Anleihen) Prozent

14

!

10

t/

12 !

...--a-.

8 6

o

--~. -.

1980

--.------.--...---

1981

1982

1983

1984

.--... ----.... --... 1985

I... Effektivzins (real)

1986 Jahre

1987

1988

.- ----- --.- ~

1989

.. ~:~iv~s (nominal)

1990

1991

1992

I

Anmerkung: Zur Ermittlung der realen Zinsentwicklung wurde der Deflator des BIP herangezogen. Quelle: Danmarks Statistik (1993), S. 128 nach Angaben von OECD, Main Economic Indicators, Eurostat, Data for Short-term Economic Analysis und nationalen statistischen Publikationen sowie eigene Berechnungen.

Abbildung 3.4

ZWlächst stellt sich das Problem, welcher Zinssatz als Indikator der Marktentwicklung zugrundegelegt werden soll. Angesichts der Tatsache, daß die Kalkulation auf lange Zeiträume ausgerichtet ist, erscheint der Zins fiir langfristige Anleihen ein angemessener Repräsentant. Aus AbbildWlg 3.4 geht hervor, daß der reale Effektivzins mit Ausnahme der Schwankungen zu Beginn der 80er Jahre fast durchgehend um die 6 % betrug. Damit lag das Zinsniveau fiir langfristige Anlagen um gut 5 % über der durchschnittlichen jährlichen Reallohnwachstumsrate. In den niederländischen Zusatzrentensystemen orientieren sich die RentenleistWlgen in den meisten Fällen am Endlohn und sind darüber hinaus häufig lohnindexiert. Geringes Lohnwachstum bei einem anhaltend hohen Zinsniveau wirken so stabilisierend auf den erforderlichen Beitragssatz. Insofern waren die Rahmenbedingungen fiir die Zusatzrentensysteme in den letzten 10 Jahren auch besonders günstig. So ist das Beitragsaufkommen in diesem Zeitraum auch praktisch konstant geblieben29 .

29 Vgl. Abschnitt 3.2.2.2.

60

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

3.1.1.3 Wirtschaftsstruktur

Strukturelle Verändenmgen in der sekt oralen und branchenmäßigen Wertschöpfung und damit verbundene Auswirkungen auf die Beschäftigung sind aus Sicht der Alterssichenmg dann von Bedeutung, wenn damit die Relation zwischen Einnahmen und Ausgaben eines Sichenmgsträgers gestört wird. Dies ist für universelle Sichenmgssysteme wenig relevant, kann jedoch gravierende Finanzienmgsprobleme für kategoriale, branchen- oder unternehmensbezogene Sichenmgsträger, wie im Bereich der Zusatzrenten anzutreffen, aufwerfen. Überdies können die mit dem Strukturwandel verbundenen beschäftigungsseitigen Anpassungsprozesse zu vermehrten Frühverrentungsmaßnahmen fuhren, die dann das Alterssichenmgssystem als Ganzes betreffen würden. Die Wirtschafts struktur nach Sektoren (Wenschöpfungs- und Beschäftigtenanteil 1980 und 1992) 1980

1992

31,4

Wenschopfwlgsantell

30,9

Beschafttgtellamell

WerlschopflU1gsantell

BeschäftJgtenanteu

r::O=-L-an-cd-wl-ns-ch-af\:--O:--lnd-u-str-Ie.-D-I~-,st-Ie-Ist-un-g~---',

Anmerkung: Der Wertschöpfungsanteil weist den Anteil der einzelnen Sektoren an der Bruttowertschöpfung zu Marktpreisen aus, der Beschäftigtenanteil umfaßt die zivilen Erwerbstätigen. Quellen: Zusammenstellung nach Statistisches Bundesamt (1994), S. 169, Eurostat (1994a), S. 139, OECD (1990), S. 333.

Abbildlmg 3.5

Abbildung 3.5 illustriert den sektoralen Strukturwandel seit 1980. Gnmdsätzlieh folgt die Entwicklung der in anderen Industrieländern, wonach der tertiäre Sektor zu Lasten des sekundären Sektors an Bedeutung gewinnt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Anteils der Sektoren an der gesamtwirtschaflichen Wert-

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

61

schöpfung als auch bezüglich des Anteils an der Beschäftigung. Der primäre Sektor, Land- und Forstwirtschaft und Fischerei, weist in den Niederlanden einen im europäischen Vergleich noch immer überdurchschnittlich hohen Anteil an Produktion und Beschäftigung auf; aufgrund eines anhaltenden Produktivitätszuwachses hat dessen Wertschöpfungsanteil sogar leicht zugenommen. Deutlich schneller als das Bruttoinlandsprodukt ist die Produktion im Dienstleistungssektor gestiegen. Aufgrund eines geringeren Produktivitätswachstums hat dort die Beschäftigung gegenüber 1980 erheblich zugenommen. So ging die im Betrachtungszeitraum festzustellende Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung um etwa 30 % fast ausschließlich auf den Dienstleistungssektor zurück 30 . Inzwischen ist der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor der höchste in der EU. Dazu hat die starke Ausweitung im Handelsgewerbe sowie bei den kommerziellen Dienstleistungen wesentlich beigetragen. Kennzeichnend für die Niederlande ist zudem der große Umfang nichtkommerzieller, öffentlich finanzierter Dienstleistungen, insbesondere die gesamten staatlichen Leistungen und die sozialen Dienstleistungen. Auf den Bereich nichtkommerzieller Dienste entfällt gegenwärtig mehr als 1/3 des Beschäftigungsvolumens 31 . Allerdings ist hier seit Mitte der achtziger Jahre die Expansion angesichts der Finanzknappheit der öffentlichen Haushalte stark eingeschränkt worden. Die Entwicklung im industriellen Sektor war während des Betrachtungszeitraums durch zwei Phasen geprägt. Etwa seit Beginn der siebziger Jahre wuchs die Produktion langsamer als die Arbeitsproduktivität, die Beschäftigung im industriellen Sektor ging demzufolge zurück. Hiervon waren v. a. Branchen mit einem hohen Anteil gering bezahlter Arbeitskräfte, wie z. B. die Textilindustrie, betroffen. Der Rückgang der Beschäftigung fiel in diesen Branchen zumeist deutlicher aus als in anderen europäischen Ländern, der Strukturwandel setzte damit in den Niederlanden relativ früh ein32 . In der Industrie kam der Rückgang jedoch Mitte der achtziger Jahre zum Stillstand; seither ist selbst in strukturbelasteten Branchen wieder eine leichte Zunahme der Beschäftigung festzustellen. Dieser Prozeß wurde in vielen Branchen von nur noch geringen Produktivitätszuwächsen begleitet. Per saldo hat sich die Zahl der abhängig Beschäftigten im industriellen Sektor zwischen 1980 und 1991 um 74.000 oder um 5 % erhöht33 .

30 So stieg zwischen 1980 und 1991 die Zahl der Arbeitnehmer im Dienstleistungssektor von 2,9 Mio. auf 4 Mio. (+ 38 %); im Produzierenden Gewerbe dagegen nahm die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nur geringfügig von 1,5 auf 1.6 Mio. zu. Vgl. Statistisches Bundesamt (1990), S. 42 und dass. (1994), S. 48. 31 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 149. 32 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 35. 33 Vgl. Statistisches Bundesamt (1990), S. 42 und dass. (1994), S. 48.

62

J Rahmenbedingungen der AlterssIcherung

3.1.1.4 Der Arbeitsmarkt

Von ganz entscheidender Bedeutung für die Alterssicherung sind die Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Der Umfang der Beschäftigung ist neben der allgemeinen Einkommensentwicklung der zentrale Faktor für die finanzielle Tragfalllgkeit von Alterssicherungsleistungen. Darüber hinaus bauen in erwerbsbezogenen Systemen die Ansprüche auf den Ergebnissen des einzelnen am Arbeitsmarkt auf, so daß auf diese Weise auch der zukünftige Leistungsumfang von Arbeitsmarktentwicklungen berührt wird. Die Entwicklung von Umfang und Struktur der Beschäftigung während der 80er und zu Beginn der 90er Jahre folgt in den Niederlanden in groben Zügen der internationalen Entwicklung, zeigt jedoch darüber hinaus gegenüber anderen Ländern eine Reihe von Besonderheiten. Vorweg ist zu bemerken, daß die Betrachtung des niederländischen Arbeitsmarktes durch eine Vielzahl von nebeneinander verwendeten statistischen Konzepten verschiedener offizieller Stellen, beispielsweise zur Arbeitslosigkeit, erschwert wird. Zudem wurde 1987 die Erhebungsmethode zur Beschäftigungsstatistik des Zentralen Statistischen Amtes CBS vollständig umgestellt, so daß die hier angeführten Zeitreihen nur unter Vorbehalt betrachtet werden sollten.

3.1.1.4.1 Erwerbsbeteiligung Kennzeichnend für den niederländischen Arbeitsmarkt ist eine nach wie vor vergleichsweise niedrige Erwerbsbeteiligung. Zwar nahm besonders in den letzten Jahren die Erwerbsbeteiligung zu, so daß das Land mittlerweile sogar eine über dem EU-Durchschnitt liegende Erwerbsquote aufweist 34 , doch ist dieser Zuwachs v. a. auf eine Vielzahl kleiner Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen. Nach einer von der OECD seit neuestem verwendeten Definition, die nur Personen, die mindestens 12 Stunden pro Woche arbeiten (wollen), als Erwerbspersonen erfaßt, lassen die Niederlande denn auch nur noch Spanien und Irland hinter sich35 .

34 Die Niederlande haben inzwischen die fünfthöchste Erwerbsq'uote unter den Ländern der EU, nachdem das Land 1980 noch an 9. Stelle lag. Vgl. Statistisches Bundesamt (1994), S. 46 und dass. (1990), S. 42. 35 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelgenheid (1994), S. 119.

63

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

Tabelle 3.3

Erwerbs-, Arbeitslosen- und Aktivenquoten 1960 - 1992 a) 1960

1971

1980

199O

1991

1992

59,5

58,4

57,8

59,3

60,1

60,8

Erwerbsquote Männer

93,3

86,1

78,5

74,6

74,9

75,6

Erwerbsquote Frauen

26,2

30,3

36,7

43,5

44,9

45,7

Registrierte Arbeitslose in % der Erwerbspersonen

0,7

1,3

4,0

5,9

5,4

5,4

Arbeitslosenquote Männer

0,8

1,4

3,8

5,4

4,9

4,8

Arbeitslosenquote Frauen

Erwerbspersonen in % der Bevölkerung zw. 15 und 64 Jahren (Erwerbsquote)

0,4

0,9

4,5

6,8

6,4

6,1

Erwerbstätige in % der Gesamtbevölkerung (Aktivenquote)

36,0

36,2

36,5

37,7

38,4

38,8

Abhängige Personen in % der Gesamtbevölkerung (Inaktivenquote)

64,0

63,8

63,5

62,3

. 61,6

61,2

Anmerkung: a)Die Zahlen bis einschließlich 1980 sind aufgrund einer kompletten Umstellung der Erhebungsmethode nur bedingt mit denen ab 1990 vergleichbar. Quelle: Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 111.

Ursächlich fiir den zwnindest lange Zeit bestehenden Rückstand war die geringe Erwerbsbeteiligung von Frauen. Noch 1980 lag diese auf einem Niveau, das fiir weniger entwickelte Länder wie Irland, Griechenland und Spanien charakteristisch war. Im vergangenen Jahrzehnt ist der Anteil der Frauen, die sich fiir eine Erwerbstätigkeit entschieden haben, um mehr als 1/4 gestiegen. Hervorgerufen wurde dieser Anstieg nahezu ausschließlich durch verheiratete Frauen. So stieg deren Erwerbsbeteiligung zwischen 1960 und 1991 von 7 % auf 49 %36. Gegenwärtig machen Verheiratete etwa die Hälfte der erwerbstätigen Frauen aus, sind damit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (60 %) aber immer noch unterrepräsentiert. Typisch ist nach wie vor eine Erwerbsunterbrechung von Frauen aufgrund von Kindererziehung. Ausdruck dafiir ist das Absinken der Erwerbsquote von Frauen zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr von etwa 80 % auf etwa 65 %. Frauen mit einem Kind zwischen 0 und 4 Jahren sind zur Zeit zu etwa 24 % erwerbstätig. Allerdings hat sich das Bild seit den 60er Jahren merklich gewan36 Vgl. Hooghijemstra/Niphuis-Nell (1993), S. 20 - 22.

64

3. Rahrnenbedingungen der Alterssicherung

delt, zum einen durch eine geringere Geburtenzahl, aber auch dadurch, daß immer mehr Frauen nach der Erwerbsunterbrechung eine Beschäftigung, in der Regel auf Teilzeitbasis, aufnehmen und zudem ein zunehmender Anteil kurz nach der Schwangerschaft weiterarbeitet. Damit zeigt sich bei Frauen eine Tendenz zur Verstetigung der Erwerbsbiographie auf einem höheren durchschnittlichen Niveau, jedoch mit einem nach wie vor deutlichen Abstand zur Erwerbsbeteiligung von Männem. Bei MälUlern hat die Erwerbsquote in Abhängigkeit vom Lebensalter einen umgekehrt U-förmigen Verlauf. Bis zum 40. Lebensjahr steigt sie mit zunehmendem Alter an, danach sinkt sie zunächst langsam und nimmt ab dem 55. Lebensjahr scharf ab. Als Gründe fiir den Wandel im Erwerbsverhalten besonders bei Frauen werden eine Reihe von ökonomischen lmd sozio-kulturellen Motiven genaJUlt. Wichtige ökonomische Gründe sind ein gestiegenes Ausbildungsniveau und damit einhergehende höhere Opportunitätskosten der Nichterwerbstätigkeit, verbunden mit einem verbreiteten Wunsch nach Teilzeitarbeit auf der Arbeitsangebotsseite und ein zunehmender Bedarf an flexiblen Arbeitskräften v. a. im Dienstleistungssektor auf der Arbeitsnachfrageseite 37 . Die hohe Teilzeitbeschäftigtenrate ist ein weiteres Spezifikum des niederländischen Arbeitsmarktes. Gegenwärtig gehen etwa 33 % der Erwerbstätigen einer Teilzeitbeschäftigung nach, dies ist bei weitem der höchste Anteil in der EU38. Zu 70 % entfällt die Teilzeitbeschäftigung auf Frauen, hierunter in erster Linie auf Verheiratete, unter denen drei von vier Beschäftigten einer Teilzeitarbeit nachgehen. Doch ist auch unter den Männern die Teilzeitbeschäftigtenrate mit etwa 16 % weit höher als in anderen Ländern der EU. Als Gründe fiir den hohen Teilzeitanteil an der Beschäftigung werden die relativ weiten Spielräume des Arbeitsrechts einerseits und der stark ausgebaute Kündigungsschutz fiir Vollzeitbeschäftigte andererseits angeführt. Darüber hinaus spielt die große Bedeutung des Dienstleistungssektors eine entscheidende Rolle, in dem der Anteil an Teilzeitbeschäftigung traditionell höher ist als im industriellen Sektor39 . Der in dem Zusammenhang häufig geäußerten Vermutung, Frauen seien aufgrund von Teilzeitarbeit in besonders starkem Maße konjunkturellen Beschäftigungsrisiken ausgesetzt, wird jedoch gerade durch den letztgenaJUlten Umstand entgegengewirkt. So zeigen Untersuchungen des CBS, daß die Fluktuation im jährlichen Stellenzuwachs bei Frauen wesentlich geringer ist als bei Männern40 . Der Umstand, daß Frauen vornehmlich teilzeitbeschäftigt sind, hat allerdings aufgrund institutioneller Faktoren, wie wir später 37 Vgl. HooghijemstralNiphuis-Nell (1993), S. 22 - 25. 38 Dänemark als Land mit der zweithöchsten Teilzeitrate liegt nur bei 23 % (Zahlen von 1991). Zu diesen und weiteren Daten zur Teilzeitbeschäftigung vgl. Eurostat (1993a), S. 132 - 133 sowie HooghijemstralNiphuis-Nell (1993), S. 52. 39 Vgl. Hooghijemstra/Niphuis-Nell (1993), S. 62. 40 Vgl. dazu Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 113.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

65

sehen werden, bedeutsame Implikationen im Hinblick auf die von Zusatzrentensystemen gewährte Absicherung41 . Mindestens ebenso gewichtig wie die ökonomischen Gründe war eine veränderte gesellschaftliche Einstellung zur Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, die bis in die sechziger Jahre durch den starken konfessionellen Einfluß geprägt war. Dies hat dazu geführt, daß sich die traditionelle Rollenverteilung in den Niederlanden länger halten konnte als in vergleichbaren Ländem42 . So ist trotz allem die Erwerbsbeteiligung von Frauen im internationalen Maßstab noch immer recht bescheiden, besonders dann, wenn sie in vollen Arbeitsjahren ausgedrückt wird43 . Dazu mag auch beigetragen haben, daß die staatliche Arbeitsmarkt-, Steuer- und Sozialpolitik in dem Zusammenhang lange Zeit eine passive Rolle gespielt hat. Erst mit Beginn der neunziger Jahre gewinnen Überlegungen an Bedeutung, die Erwerbsbeteiligung von Frauen gezielt zu fordern44 . Verfolgt man die Entwicklung über einen längeren Zeitraum, so fällt auf, daß sich die Erwerbsquote insgesamt in den letzten 30 Jahren praktisch kaum verändert hat4 5. Das bedeutet, daß die gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen gerade ausgereicht hat, um den Rückgang in der Erwerbsbeteiligung von Männern zu kompensieren, der v. a. durch vorzeitigen Ruhestand und durch längere Ausbildungszeiten hervorgerufen wurde 46 . Vor diesem Hintergrund ist von einer zunehmenden Erwerbsbeteiligung von Frauen allein noch keine nennenswerte Entlastung für die Alterssicherungsysteme zu erwarten.

3.1.1.4.2 Beschäftigung und Arbeitslosigkeit Trotz der insgesamt niedrigen Erwerbsbeteiligung hatten die Niederlande während der 80er Jahre mit einem gewaltigen Beschäftigungsproblem zu kämpfen, wie Abbildung 3.6 zeigt.

41 Vgl. Kapitel 5.3.1.2.2 sowie Hooghijemstra/Niphuis-Nell (1993), S. 63. 42 Vgl. dazu Hooghijemstra/Niphuis-Nell (1993), S 27. 43 Gemessen in Arbeitsjahren liegt die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den Niederlanden sogar neich hinter der in Irland und Italien, die, gemessen in Personen, eine weitaus geringere Erwerbsbeteiligung aufweisen. Vgl. dazu Hooghijemslra/Niphuis-Nell (1993), S. 25. 44 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 137. 45 Legt man statt der Erwerbspersonen die Zahl der tatsächlich Erwerbstätigen zugrunde, so ist sogar eine rückläufige Entwicklung festzustellen. Die Quote (in den Niederlanden Nettobeteiligungsquote genannt) sinkt von 59,1 % auf 56,9 % bezogen auf die Personen im erwerbsfähigen Alter. Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 111. 46 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1992), S. 87. 5 Pöhler

66

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Die Arbeitslosenquote in den Niederlanden 1980 - 1992 (Registrierte Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen)

16

Statist. Bruch

Prozent

14

14 ,3

14,5

1983

1984

12 10 8

6 4 2 0

1980 1981

1982

1985

1986 1987 Jahre

1988

1989

1990

199 1 1992

Anmerkung: Die Beschäftigungsstatistik wurde 1987 komplett umgestellt. Die Arbeitslosenquoten ab 1988 sind daher nur sehr eingeschränkt mit den vorhergehenden vergleichbar. Zudem bestehen zum Teil gravierende Abweichungen zu Zahlen in anderen internationalen Quellen, aber auch gegenüber anderen offiziellen nationalen Zahlen. Die hier verwendeten Daten beziehen sich auf Veröffentlichungen der OECD und von Eurostat. Die Zahlen ab 1988 stimmen weitgehend mit denen des Zentralen Statistischen Amtes CBS überein. Abweichende Angaben veröffentlicht das Zentrale Planungsamt CPB. Quellen: Danmarks Statistik (1994), S 121 nach Daten von OECD und Eurostat, Statistisches Bundesamt (1990), S. 44. Zum Vergleich auch Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid(1994), S. 128 und Eurosial (1994a), S 146. Abbildung 3.6

Wenngleich gerade bei der Arbeitslosenquote ein Vergleich über die Zeit aufgrund definitorischer und erhebungstechnischer Änderungen nur sehr eingeschränkt möglich ist47 , so läßt sich dennoch festhalten, daß in der ersten Hälfte der 80er Jahre die Unterbeschäftigung stark angewachsen ist, gegen Mitte des letzten Jahrzehnts jedoch ein Wandel eingesetzt hat, der zu einem allmählichen Abbau der Unterbeschäftigung geführt hat. Unter den von Arbeitslosigkeit Betroffenen sind Jugendliche, Frauen, Ausländer und v. a. Personen mit niedriger Ausbildung überrepräsentiert. Allerdings zeichnen sich in jüngster Zeit Strukturveränderungen ab. In den letzten Jahren gingen besonders viele Vollzeitarbeitsplätze in Industrie und Baugewerbe verloren, so daß 47 Zur Illustration sei hier nur auf die drei unterschiedlichen Abgrenzungen zur Arbeitslosigkeit verwiesen, die in den Anmerkungen zu Tabelle 3.4. vermerkt sind.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

67

die traditionellen männlichen Arbeitnehmer mit mittlerer AusbildWlg zunehmend von Arbeitslosigkeit bedroht sind48 . Im Vergleich mit anderen Ländern der EU weisen die Niederlande inzwischen wieder eine Wlterdurchschnittliche Arbeitslosenquote auf, nachdem das Land in der ersten Hälfte der 80er Jahre zu den Ländern mit den höchsten Arbeitslosenquoten zählte49 . Die BeschäftigWlgsentwicklWlg verlief somit günstiger als in den meisten anderen europäischen Ländern. Zwischen 1980 Wld 1992 stieg die Zahl der Erwerbstätigen um über 700.000 Personen oder um 14 %, seit 1960 sogar um 42 %. Wie schon an anderer Stelle vermerkt, hat maßgeblich der DienstleistWlgssektor mit seinen hinter dem Produktionswachstum zurückbleibenden Produktivitätszuwächsen zur BeschäftigWlgsausweitWlg beigetragen, während die Beschäftigoog im industriellen Sektor erst seit 1985 wieder expandierte. Der ZWlahme beschäftigter Personen steht ein starker Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit gegenüber. So nahm seit 1960 die Beschäftigoog gemessen in vollen Arbeitsjahren, d. h. bereinigt um den Einfhill von Teilzeitarbeit, lediglich um 29 % zu, gemessen in ArbeitsstWlden sogar nur um 5 %50. Der Anstieg der Zahl beschäftigter Personen ist in den Niederlanden somit bei einem beinahe Wlveränderten Arbeitsvolumen durch eine massive UmverteilWlg von Arbeit in Form von TeilzeitbeschäftigWlg Wld Verkürzung der normalen Arbeitszeit erreicht worden. Einen Eindruck von der globalen BeschäftigWlgsentwicklWlg vermittelt Tabelle 3.4. Hier zeigt sich, daß die Zahl der Erwerbspersonen angestiegen ist. So hat sowohl die Zahl der Arbeitslosen als auch die der Beschäftigten trendmäßig zugenommen. Hervorgerufen wurde dies in erster Linie durch das Wachstum des Erwerbspersonenpotentials, d. h. der BevölkerWlg zwischen 15 Wld 64 Jahren. Das Erwerbspersonenpotential hat seit 1980 um 10,5 % zugenommen. Für die ökonomische Tragfähigkeit sozialer LeistWlgen, nicht zuletzt der AlterssicherWlg, ist die Aktivenquote von BedeUtWlg, die den Anteil erwerbstätiger Personen an der GesamtbevölkerWlg mißt. Gegenwärtig erreicht die Aktivenquote einen Wert von knapp 39 % (vgl. Tabelle 3.3); sie ist damit in den letzten Jahren leicht angestiegen. Jedoch ist festzustellen, daß seit Beginn des JahrhWlderts die Aktivenquote eine bemerkenswerte Konstanz aufwies Wld nur geringfügig in einem Intervall zwischen 36 Wld 39 % schwankte, trotz aller StrukturverschiebWlgen, die im Laufe der Zeit stattgefunden habens 1.

48 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 116. 49 Allerdings sind hier die Zahlen aus den genannten Gründen mit noch größerer Vorsicht zu behandeln als bei einem Vergleich über die Zeit im Lande selbst. 50 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 111. 51 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 112. S·

68

3. Rahrnenbedingungen der Alterssicherung Tabelle 3.4

Kerndaten des Arbeitsmarktes 1960 - 1992 a) in 1. 000 Personen 1960

1971

1980

1990

1991

1992

11.487

13.195

14.150

14.952

15.184

15.295

Bevölkerung 15-64 Jahre

7.009

8.272

9.362

10.228

10.294

10.349

Erwerbspersonen b)

4.169

4.835

5.416

6063

6.189

6.296

Erwerbstätige c)

4.140

4.773

5.168

5.644

5.790

5.885

419

400

411

217

358

334

336

282

523

493

481

Bevölkerung

Arbeitslose Erwerbspersonend) Registrierte Arbeitslosee)

29

62

Arbeitssuchende ohne Stellet)

Anmerkungen: a) Die Zahlen bis einschließlich 1980 sind aufgrund einer kompletten Umstellung der Erhebungsmethode nur bedingt mit denen ab 1990 vergleichbar. b)Personen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben oder suchen. c)Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (einschließlich mithelfender Familienangehöriger) oder als Selbständige tätig sind. d)Erwerbspersonen ohne Beschäftigung über 12 Wochenstunden einschließlich der nicht bei den Arbeitsämtern registrierten Arbeitssuchenden, aber ohne die eingeschriebenen, aber nicht aktiv nach Arbeit Suchenden. e)Eingeschriebene Arbeitslose, die nicht eine Stunde pro Woche arbeiteten, und eine Arbeit für mindestens 20 Wochenstunden suchen. t) Personen, die sich aktiv um eine Arbeit bemühen, auch auf anderem Wege als über die Arbeitsämter, und verfügbar sind, um eine Arbeiststelle anzutreten bzw. eine Stelle angetreten, aber die Arbeit noch nicht aufgenommen haben. Quelle: Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 110.

Blickt man auf die Struktur der Erwerbstätigen nach ihrer beruflichen Stellung, so sind in den Niederlanden mit 89 % (5,7 Mio. Personen) ein im europäischen Maßstab relativ großer Anteil abhängig beschäftigt (EU-Durchschnitt: 82,5 %). Der Anteil der Selbständigen liegt dementsprechend niedrig bei knapp 10 % der Erwerbstätigen (EU-Durchschnitt: 15 %). Die Niederlande zeigen damit eine ähnliche Berufsgruppenstruktur wie die reichen Länder Deutschland, Dänemark und Luxemburg 52 .

52 Zu den Zahlen vgl. Statistisches Bundesamt (1994), S. 47. Die Zahlen beziehen sich auf 1991.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

69

3.1.1.4.3 Die Rolle Alterer am Arbeitsmarkt Seit Mitte der siebziger Jahre hat sich die Arbeitsmarktposition von älteren Arbeitnehmern vor dem Hintergrund der weltweiten Rezession merklich verschlechtert. Zudem wurde eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um ältere Arbeitnehmer zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu bewegen. Dazu zählen in erster Linie die zu der Zeit geschaffenen Vorruhestandsregelungen VUT (Regeling inzake Vervroegde Uittreding), aber auch eine großzügige Gewährung von staatlichen Erwerbsunfähigkeitsrenten53 . Durch diese Regelungen wurde besonders das Erwerbsverhalten von älteren männlichen Arbeitnehmern nachhaltig beeinflußt. So sank die Erwerbsbeteiligung von Männern zwischen 60 und 64 Jahren von einstmals 85 % (1960) auf inzwischen nur noch 27 % (1990)54; von den noch Aktiven in dieser Altersgruppe sind etwa 45 % selbständig. Die starke Inanspruchnahme der verschiedenen Formen des Vorruhestandes stellt einen wesentlichen Faktor für die rückläufige Erwerbsbeteiligung von Männern insgesamt dar. Demgegenüber ist die allerdings ohnehin niedrige Erwerbsbeteiligung von älteren Frauen offenbar kaum berührt worden: in der Altersgruppe zwischen 60 und 64 Jahren blieb sie mit 10 % seit 1960 unverändert, stieg jedoch in der Altersgruppe zwischen 55 und 59 Jahren im Zuge des allgemeinen Anstiegs der Frauenerwerbsbeteiligung von 14 % ( 1960) auf inzwischen 28 % (1990)55. Jenseits der Altersgrenze ist nur noch ein geringer Teil der Älteren erwerbstätig. Waren kurz nach dem Krieg noch etwa 20 % der über 65jährigen zur Erwerbsbevölkerung zu rechnen, sind dies gegenwärtig nur noch etwa 1,5 %. Nach Schätzungen des CBS sind noch etwa 4 % der Personen zwischen 65 und 75 Jahren erwerbstätig, darunter v. a. Selbständige, die über keine ausreichenden Zusatzrentenansprüche verfiigen 56 . 3.1.1.5 Öffentliche Finanzen und Wirtschaftspolitik

Ausgaben für Alterssicherung bilden, zumindest in der staatlichen Ausgestaltungsform, einen Teilbereich der öffentlichen Finanzen und sind insofern eng an die finanziellen Spielräume des öffentlichen Sektors insgesamt gebunden. Dies trifft nicht nur auf das staatliche AOW und den bedeutendsten Zusatzrentenfonds für Beamte zu. Aufgrund der Verzahnung der Zusatzrenten mit der AOW-

53 Vgl. dazu näher Kapitel 5.4.2.1 und 5.4.2.4.

54 Auch in der Altersgruppe zwischen 55 und 59 Jahren sank die Erwerbsbeteiligung bei den

Männem von 94 % (1960) auf 70 % (1990). Vgl. de Kemp (1992), S. 19. 55 Vgl. de Kemp (1992), S 19. 56 Vgl. de Kemp (1992), S. 19.

70

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Grundrente 57 haben Veränderungen im Leistungsbereich beim staatlichen System unmittelbare finanzielle Konsequenzen fi.ir die Zusatzrentensysteme. Darüber hinaus übt das Finanzgebaren der öffentlichen Haushalte über die Beeinflussung der volkswirtschaftlichen Rahmendaten auf indirektem Wege Einfluß auf die Leistungs- und Finanzierungsgrundlagen der Alterssicherungssysteme aus. Zwischen 1980 und 1990 stiegen die gesamten öffentlichen Ausgaben, einschließlich der Sozialversicherungen, um insgesamt 42 %, damit aber langsamer als das Bruttoinlandsprodukt. Demzufolge ging der Anteil öffentlicher Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 57,2 % nach einem zwischenzeitlichen Anstieg auf über 60 % zu Beginn der 80er Jahre auf mittlerweile 56 % (1992) zurück. Die öffentlichen Einnahmen machten 1980 52,4 % des BIP aus und sanken auf einen Anteil von 50,2 % im Jahre 1992. Der Finanzierungssaldo erreichte 1984 mit 7 % des BIP den höchsten Wert, stabilisierte sich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre auf einem niedrigeren Niveau von um die 5 % und erreichte 1992 einen Wert von 4 %58. Der Gesamtschuldenstand der gesamten öffentlichen Haushalte erreichte 1992 knapp 80 % des Bruttoinlandsprodukts 59 . Der im internationalen Vergleich hohe Anteil des öffentlichen Sektors in den Niederlanden und das Ausmaß der öffentlichen Verschuldung wurden spätestens seit Beginn der 80er Jahre als zentrale finanzpolitische Problembereiche aufgefaßt. Die Ursachen der Entwicklung reichen zurück bis in die 60er und 70er Jahre, als der Sozialstaat ausgebaut wurde 60 und im Zuge einer keynesianisch geprägten Finanzpolitik der steigenden öffentlichen Verschuldung lange Zeit keine große Bedeutung beigemessen wurde. So setzte in den Niederlanden, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, ein wirtschaftspolitischer Paradigmenwechsel hin zu angebotspolitischen Vorstellungen ein, die die Politik bis in die 90er Jahre hinein prägen61 . Im Mittelpunkt stehen eine Verringerung

57 Vgl. dazu v. a. Abschnitt 5.3.1.3. 58 Vgl. Deutsche Bank Research (1996), S. 3. 59 Im Zuge der Haushaltskonsolidierungsbemühungen zur Erreichung der EWU-Kriterien des Maastricht- Vertrages wurden in jüngster Zeit die öffentlichen Ausgaben auf 53 % des BlP begrenzt (1995), nachdem sie 1993 konjunkturell bedingt auf 57 % des BIP angestiegen waren. Der Schuldenstand des Staates liegt derzeit bei etwa 79 %, er konnte in den 90er Jahren nach einem Zwischenstand von 81,4 % (1993) zuletzt geringfügig abgebaut werden. Das Budgetdefizit wurde inzwischen auf etwas über 2 % gesenkt (1995). Vgl. dazu Ifo-Institut (1996), S. 25 - 26 und Deutsche Bank Research (1996), S. 5 - 7 sowie Statistisches Bundesamt (1994), S. 140 - 143 und dass. (1990), S. 125 - 128. 60 So stieg zwischen 1970 und 1980 der Anteil der Sozialausgaben am BlP von 19,6 % auf 30,8 %; vgl. Statistisches Bundesamt (1994), S. 134. 61 Diese Politik firmierte unter dem Schlagwort "Neue Sachlichkeit" als gemäßigte niederländische Variante einer angebotsorientierten Politik. Vgl. Ministerie van Sodale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 32.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

71

der kollektiven Lasten. insbesondere der auf den Faktor Arbeit entfallenden Abgaben, sowie ein Abbau des Haushaltsdefizits. Auf der Ausgabenseite richtete sich das Augenmerk hauptsächlich auf Einsparungen bei den Sozialleistungen. Zu nennen ist etwa die weitgehende Entkoppelung der Sozialleistungen von der Lohnentwicklung während der 80er Jahre. Das Kernstück bildete die Systemrefonn aus dem Jahre 1985, die im wesentlichen zu einer Absenkung der Leistungssätze und einer Verschärfung der Zugangskriterien bei den Arbeitslosen- und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen fiihrte 62 . Als weitere Maßnahme wurden die Gehälter von Beamten und anderen öffentlich Bediensteten bis Ende der 80er Jahre von der allgemeinen Lohnentwicklung im privaten Sektor abgekoppe1t 63 - ein Aspekt, von dem eine entlastende Wirkung auf den Zusatzrentenfonds der Beamten ausging. Einnahmenseitig fand die angebotsorientierte Politik ihren Ausdruck v. a. in der Steuerrefonn nach den Vorstellungen der Oort-Kommission64 , die auf eine Vereinfachung des Einkommensteuerrechts und eine Verringerung des einkommensteuerlichen Belastungsumfangs abzielte. Wie oben gesehen, konnte die kollektive Belastung insgesamt tatsächlich gesenkt werden. Zudem sind Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung erkennbar. Beides wurde begünstigt durch den Aufschwung der Weltkonjunktur gegen Ende der 80er Jahre. 3.1.2 Demographische Rahmenbedingungen

Alterssicherungssysteme sind in hohem Maße von demographischen Prozessen abhängig. Dies ist offensichtlich in Systemen, die nach dem Umlageverfahren finanziert werden. In diesen hängt das Finanzierungsgleichgewicht unmittelbar vom Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern der gleichen Periode ab. Veränderungen in der Altersstruktur, wie eine Zunahme der über 65jährigen im Verhältnis zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, erfordern c. p. unmittelbar eine Anpassung, sei es über den Beitragssatz oder über das Rentenniveau. Darüber hinaus ist das Bevölkerungswachstum aus distributiver Sicht von Bedeutung, da dadurch die interne Verzinsung der Beiträge beeinflußt wird. Aber auch fiir kapitalgedeckte Systeme spielt die Bevölkerungsentwicklung eine Rolle, wenngleich der Bezug nicht so offensichtlich ist wie in umlagefinanzierten Systemen. Hier hängt der Leistungsumfang von der Verzinsung der früheren Beiträge ab. Eine schrumpfende Bevölkerung könnte in geringerem 62 Zwar wurden mit der Systemreform auch andere Ziele, etwa die Gleichbehandlung von Männem und Frauen im Sozialrecht, verfolgt, Hauptmotiv waren aber die beabsichtigten Einsparungen. Vgl. dazu Abschnitt 5.2.2.3. 63 Vgl. Buunk (1989), S. 157 - 158. 64 Vgl. dazu näher Kapitel 6.

72

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Maße, d. h. nur zu niedrigeren Preisen, bereit sein, die gebildeten Vennögensbestände zu übernehmen. Dies würde sich in einer niedrigeren Realverzinsung äußern. Speziell im Fall der Niederlande kommt hinzu, daß aufgrund einer engen Verzahnung mit dem umlagebasierten staatlichen Grundsicherungssystem demographisch bedingte Anpassungserfordernisse auf den Zusatzrentenbereich leicht überwälzt werden können. 3.1.2.1 Die allgemeine Entwicklung

Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat sich die Bevölkerung in den Niederlanden verdreifacht, von vonnals 5 Mio. Einwohnern im Jahre 1900 auf nunmehr rund 15 Mio. im Jahre 199265 . Zur Zeit sind etwa 5 % der Bevölkerung ausländische Staatsbürger, knapp 2 % stammen aus Nicht-EU-Staaten66 . Von 1900 bis Mitte der 60er Jahre verlief das Bevölkerungswachstum relativ stabil. Bis auf einige Ausnahmen, eine davon war die starke Geburtenzunahme kurz nach dem II. Weltkrieg, nahm die Bevölkerung im Durchschnitt um etwa 1,5 bis 2 % pro Jahr zu. Dies war v. a. die Konsequenz einer rückläufigen Sterblichkeit. Ab 1965 jedoch sank die Bevölkerungswachstumsrate auf bis heute durchschnittlich 0,9 % pro Jahr. wobei allein der dauerhafte Wanderungsüberschuß ein weiteres Absinken verhinderte 67 . Als Folge rückläufiger Geburten und abnehmender Sterblichkeit stellte sich ein bis dahin völlig unbekanntes Phänomen ein: die junge Bevölkerung (0-14 Jahre) begann, v. a. ab Mitte der 70er Jahre, nicht nur als Anteil an der Gesamtbevölkerung, sondern sogar absolut abzunehmen. Gleichzeitig stieg der Anteil der Alten (über 65 Jahre) an der Bevölkerung weiter an. Zwar zeigen die Niederlande in den Grundzügen dieselben Entwicklungsmuster auf wie die meisten anderen EU-Länder. insgesamt jedoch weist das Land eine gewisse Verzögerung auf. So hatten die Niederlande zwischen 1980 und 1990 mit 5,7 % den größten Bevölkerungszuwachs in der EU und lagen in den Jahren zuvor ebenfalls meist an der Spitze68 . Auch der Altenanteil (über 65 Jahre) an der Gesamtbevölkerung ist nach Irland (11,4 %) gegenwärtig noch der zweitniedrigste69 . Ursächlich hierfiir war. daß der Rückgang der Sterblichkeit

65 Vgl. Wetenschappelijke Raad voor het Regenngsbeleid (1993), S. 35. 66 Vgl. Eurostat (I 994b), S. 176 - 177. 67 Ohne diesen wäre die Wachstumsrate auf 0,7 % pro Jahr gesunken. Vgl. Wetenschappelyke Raad voor het Regeringsbeleid (1993), S. 35 - 36. 68 Zum Vergleich: die Bevölkerung in der Bundesrepublik (alte Länder) wuchs zwischen 1980 und 1990 nur um 2,8 % und lag damit genau im EU-Durchschnitt. Vgl. Statistisches Bundesamt (1994), S. 38. 69 Vgl. Statistisches Bundesamt (1994), S. 39. Die Angaben beziehen sich auf 1991.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

73

und der Fruchtbarkeit zu einem späteren Zeitpunkt als in vergleichbaren Ländern einsetzte. Tabelle 3.5

Entwicklung des Altersaufbaus 1945 - 1992 Jahr

Gesamtbevölkerung a) (x I. 000 Personen)

Altersgruppen in % der Gesamtbevölkerung 0-14

15-64

65+

1945

27,85

64,83

7,31

9.219,8

1950

29,30

63,11

7,69

10.026,8

1955

29,88

61,79

8,33

10.680,0

1960

30,00

61,09

8,92

11.417,3

1965

28,36

62,12

9,52

12.212,2

1970

27,40

62,49

10,12

12.986,4

1975

25,60

63,65

10,73

13.629,8

1980

22,60

65,94

11,46

14.117,7

1985

19,70

68,31

11,97

14.493,3

1990

18,21

68,98

12,80

14.891,9

1992

18,20

68,85

12,95

15.129, I

Anmerkung: a) Angaben zum I. Januar des Jahres. Quellen: CBS zitiert nach Welenschappelijke Raad va ar hel Regeringsbeleid (1993), S. 37 und Cenlraal Bureau vaar de Slalistiek (1994), S. 35.

Jahrzehntelang gehörten die Niederlande zu den Ländern mit der höchsten Fertilität in Europa und wiesen demzufolge auch eine vergleichsweise junge Bevölkerung aufl o. Nach 1965 sank die Fruchtbarkeit jedoch schneller als in allen anderen EU-Ländern 71 . Dadurch bedingt zeichnen sich die Niederlande durch ein sehr hohes Tempo des Alterungsprozesses aus. Die Ursachen dieser Veränderungen in Wachstum und Zusammensetzung der Bevölkerung liegen in der Entwicklung der entscheidenden demographischen 70 Im Jahre 1965 hatten nur 5 Länder eine jüngere Bevölkerung als die Niederlande: Albanien, Island, Polen, Jugoslawien und die Türkei. Vgl. Wetenschappelijke Raad vaar hel Regeringsbeleid (1993), S. 51. 71 Zum Vergleich: so hat Italien zwar gegenwärtig die niedrigste Fertiltitätsrate, doch sank die totale Fruchtbarkeitsziffer zwischen 1950 und 1990 nur von 2,30 auf 1,31, in den Niederlanden jedoch von 3,12 auf 1,62. Vgl. Wetenschappelljke Raad vaar het Regeringsbeleid (1993), S. 52 nach Angaben der OECD.

74

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Faktoren: der Geburten, der Sterblichkeit, der Emigration und der Immigration, die im folgenden näher betrachtet werden sollen. Daneben ist noch das Heiratsund Scheidungsverhalten von Bedeutung. Wenngleich letztere nicht als primäre demographische Faktoren anzusehen sind, so besteht doch insbesondere ein enger Zusammenhang zwischen Heiratshäufigkeit und durchschnittlichem Heiratsalter einerseits und der Fruchtbarkeit andererseits 72. 3.1.2.2 Fertilität

Tabelle 3.6 zeigt die Entwicklung von Fertilität und Mortalität seit dem Ende des 11. Weltkrieges. Mit dem Kriegsende erreichte die Geburtenziffer einen zeitweiligen Höhepunkt, wie zuletzt zu Beginn des Jahrhunderts; dies wurde hervorgerufen durch Familienvereinigungen und während des Krieges aufgeschobene Eheschließungen. Danach sank die Geburtenziffer zunächst und stabilisierte sich etwa ab Mitte der 50er Jahre. Mit einiger Verzögerung setzte dann, wie in den meisten anderen europäischen Ländern, ab Anfang der 70er Jahre ein dramatischer Rückgang der Fertilität ein. Die totale Fruchtbarkeitsziffer, die die durchschnittliche Anzahl Kinder angibt, die eine Frau zur Welt bringt73, sank zwischen 1965 und 1975 von 3,04 auf 1,66. Da ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre die Anzahl junger Frauen im fruchtbaren Alter (pro 1.000 der durchschnittlichen Bevölkerung) aus der Geburtenwelle nach dem 11. Weltkrieg stark zunahm, sank die absolute Zahl, der in dieser Periode Geborenen, ausgedrückt in der rohen Geburtenziffer, jedoch weniger stark als die Fruchtbarkeit. Der drastische Rückgang der Fertilität wird häufig vereinfachend der Entwicklung der Anti-Baby-Pille zugeschrieben ("Pillenknick"), doch ist dabei nicht zu vernachlässigen, daß deren Markteinfiihrung zu einem Zeitpunkt geschah, als ein breites Bedürfuis nach Einschränkung der Kinderzahl bestand. Die Pille bot damit die Möglichkeit, die geänderten Präferenzen, die unter dem Einfluß gesellschaftlichen Wandels entstanden waren 74 , umzusetzen. So verlief die Entwicklung in Ländern, in denen die Pille eingeführt wurde, nur rascher als in anderen.

72 Einflüsse indirekter Art gehen vom Heirats- und Scheidungsverhalten zudem noch auf die Mortalität aus. Vgl. zu diesen Zusammenhängen Feichtinger (1973), S. 82.

73 Die durchschnittliche Anzahl Kinder, die eine Frau zur Welt bringt, sofern die in einem bestimmten Jahr festgestellten altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern während ihres Lebens gelten und die Frau die gesamte Fruchtbarkeitsperiode am Leben bleibt. Vgl. Welenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S. 216. 74

Vgl. dazu Abschnitt 3.1.3.

75

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

Tabelle 3.6

Entwicklung von Fruchtbarkeit und Sterblichkeit 1950 - 1992 Jahr

Totale Fruchtbarkeltsziffer a)

Rohe Gebu~rziffer

Rohe SteSbezlffer c

Lebenserwartungd)

Männer

Frauen

1950

3,10

22,7

7,5

70,50

72,80

1955

3,03

21,3

7,6

71,00

74,16

1960

3,12

20,8

7,6

71,50

75,30 76,20

1965

3,04

19,9

8,0

71,15

1970

2,57

18,3

8,4

70,70

76,50

1975

1,66

13,0

8,3

71,45

77,83

1980

1,60

12,8

8,1

72,50

79,50

1985

1,51

12,3

8,5

73,10

79,70

1990

1,62

13,2

8,6

74,00

80,30

1992

1,59

13,0

8,5

74,30

80,28

Anmerkungen: a)Die durchschnittliche Anzahl Kinder, die eine Frau zur Welt bringt, sofern die in einem bestimmten Jahr festgestellten altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern während ihres Lebens gültig blieben und sie die gesamte Fruchtbarkeitsperiode am Leben bleibt. b)Die Anzahl lebend Geborener eines Jahres pro 1.000 Einwohner im Durchschnitt des Jahres. c)Die Anzahl Verstorbener eines Jahres pro 1.000 Einwohner im Durchschnitt des Jahres. d)Die durchschnittliche Lebenserwartung bezeichnet die durchschnittliche Anzahl an Lebensjahren, die Männer oder Frauen, die ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben, unter Annahme bestimmter altersspezifischer Sterbeziffern noch zu erwarten haben. Hier wird von der Geburt ausgegangen. Quellen: CBS zitiert nach Wetenschappeli;ke Raad voor het Regeringsbeleid (1993), S. 38, Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 64, 68 und 70 sowie Statistisches Bundesamt (1994), S. 41.

Der Rückgang der Fertilität umfaßte dabei zwei Erscheinungen, die zwar zu unterscheiden, aber schwer voneinander zu trennen sind: Frauen bekamen zum einen weniger Kinder, und zum anderen bekamen sie die Kinder erst später. Charakteristisch für die Niederlande ist, daß beide Phänomene eng mit der Säkularisierung, Individualisierung und Emanzipation in der Gesellschaft verknüpft waren. Die im internationalen Vergleich hohe Fruchtbarkeit wurde bis in die 50er Jahre verursacht durch die hohe Fertiltät unter der katholischen Bevölkerung, die bis dahin eine in sich geschlossene, an die römisch-katholische Kirche und deren Organisationen gebundene Gruppe bildeten, in der eine relativ strenge soziale Kontrolle herrschte und in deren Auffassung der Ehe die

76

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Ftmktion der FortpflanzWlg zukam. Der schwindende Einfluß der Kirche in den 50er Jahren, eine nachlassende soziale Kontrolle Wld eine fortschreitende Emanzipation Wlter den katholischen Frauen waren die Ursachen für einen deutlichen Rückgang der Fruchtbarkeit im katholischen BevölkerWlgsteil, so daß diese seither von anderen konfessioneller Gruppen nicht mehr zu Wlterscheiden war 75 . Zu einem Aufschub des Geburtszeitptmktes haben die zWlehmenden BildWlgschancen Wld die vermehrte ErwerbsbeteilgWlg von Frauen beigetragen. Auch eine veränderte BedeutWlg der Ehe hat dabei eine Rolle gespielt. So stieg zwischen 1965 Wld 1983 das Durchschnittsalter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes um 2 Jahre. Nach 1983 ist allerdings eine leichte Geburtenzunahme zu verzeichnen, die auf einen steigenden Anteil von Frauen im Alter zwischen 30 Wld 34 Jahren zurückzuführen ist. Zwischen 1983 Wld 1990 nahm das Alter der Mutter bei Geburt des ersten Kindes nochmals um 1 1/2 Jahre auf 27,9 Jahre zu 76 . Der leichte Anstieg der Fruchtbarkeit zu Beginn der neunziger Jahre liegt v. a. in der ZuwanderWlg von jWlgen, verheirateten Frauen aus der Türkei seit Mitte der 80er Jahre begründet. 3.1.2.3 Mortalität

Nach dem Ende des 11. Weltkrieges fluktuierte die rohe Sterbeziffer in den Niederlanden zwischen 7,5 Wld 8,4 pro 1.000 Einwohner 77 (vgl. Tabelle 3.6). Das Niveau stellte sich nach einem starken trendmäßigen Absinken der Sterblichkeit seit Anfang des JahrhWlderts ein. Diese EntwicklWlg war eine Folge des hygienischen Wld des medizinischen Fortschritts sowie von sozialen Faktoren, wie einer VerkürZWlg der Arbeitszeit Wld dem allmählichen Aufkommen sozialstaatlicher EinrichtWlgen. Die Sterblichkeit ging bis Ende der 70er Jahre weiter zurück, nahm aber mit Beginn der 80er Jahre langsam, jedoch stetig zu. Die Trendumkehr ist allein auf die AlterWlg der BevölkerWlg zurückzuführen, während die alters spezifischen Sterberaten sich nur geringfügig verändert haben 78. Ein weiteres Maß für die Mortalität bildet die LebenserwartWlg. Als Ergebnis einer rückläufigen Sterblichkeit nahm die LebenserwartWlg bei der Geburt seit 1950 bei Männern um knapp 4 Jahre auf etwa 74 Jahre zu, bei Frauen stieg sie

75 Vgl. dazu Welenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S. 41. 76 Vgl. Welenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S. 41. 77 Fluktuationen in den 50er und 60er Jahren sind auf Sonderfaktoren, wie die militärische Intervention in Indonesien und mehrere Grippeepidemien, zurückzuführen. Vgl. Welenschappelijke Raad vodr hel Regeringsbeleid (1993), S. 42. 78 Die rohe Sterbeziffer ist ein gewichtetes Mittel der altersspezifischen Sterbeziffern; vgl. Feichlinger (1977), S. 47.

3.1 Ökonomische. demographische. gesellschaftliche Bedingungen

77

um nmd 17 Jahre von 53 auf 80 Jahre. Mehrere Einflußfaktoren sind für diese Entwicklung verantwortlich. So hängt die steigende Lebenserwartung von Frauen seit den 50er Jahren v. a. mit einer gesunkenen Sterblichkeit der über 60jährigen zusammen, bei Männern dagegen mit einem Rückgang der Sterblichkeit zwischen 0 und 19 Jahren. Die Differenz in der geschlechtsspezifischen Lebenserwartung hat seit Beginn des Jahrhunderts lange Zeit zugunsten der Frauen immer mehr zugenommen, seit Anfang der 80er Jahre erst hat sich der Abstand etwas verringert. Tabelle 3. 7

Fernere Lebenserwartung von Männern und Frauen in verschiedenen Lebensaltern 1992

Lebensalter

Fernere Lebenserwartung in Jahren Männer

Frauen

0

74,3

80,3

10

65,0

70,9

20

55,2

61,0

30

45,6

51,2

40

36.0

41,5

50

26,8

32,1

60

18,4

23,2

65

14,7

19,1

70

11,4

15,2

75

8,7

11,6

Quelle: EurosIal (1994b). S. 166 - 168.

Die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen sind nicht allein biologisch bedingt. Daneben kommt externen Faktoren eine große Bedeutung zu. So ist der vorübergehende Rückgang der Lebenserwartung von Männern zwischen 1961 und 1971 die Folge eines Anstiegs der Verkehrsunfälle bei Männern zwischen 15 und 24 Jahren und gestiegener Morbidität aufgrund einer ungesunden Lebensweise bei Männern zwischen 45 und 74 Jahren. Diese Faktoren trafen auf Frauen nicht zu. Die Tatsache. daß die Lebenserwartung von Frauen seit den 80er Jahren langsamer zunahm als die von Männern, wird darauf zurückgeführt, daß Frauen mit steigender Erwerbstätigkeit auch in höherem Maße Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind 79 .

78

J Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Trotz des Rückgangs der Fruchtbarkeitsziffer übertrifft nach wie vor die Zahl der Gebwten die der Sterbefalle, so daß die Bevölkerung weiterhin wächst. Die Bruttosterbeziffer80 nahm von etwa 18 zu Beginn des Jahrhunderts auf einen Wert von 8 (1970) nahezu beständig ab 81 . Folge der rückläufigen Sterblichkeit und der abnehmenden Gebwten ist eine Alterung der Bevölkerung. Etwa ab Beginn der 80er Jahre ist jedoch aufgrund der inzwischen stark angewachsenen Zahl an Alten die Bruttosterbeziffer wieder angestiegen auf einen Wert von mittlerweile 8,6 (1990). Setzt sich der Anstieg der Sterblichkeit und der Rückgang der Gebwten fort, so ist fiir die Zukunft mit einer Abnahme der Bevölkerung zu rechnen 82 . 3.1.2.4 Eheschließungen und -auflösungen

Das Heiratsverhalten nimmt auf indirektem Wege Einfluß auf die demographische Entwicklung. Wichtige Parameter sind das durchschnittliche Heiratsalter und die Heiratsrate. Eine enge Korrelation besteht zwischen durchschnittlichem Heiratsalter und der Fertilität: Frauen, die frühzeitig heiraten, bekommen im Mittel mehr Kinder. Ferner bestimmt das durchschnittliche Heiratsalter das Zeitintervall zwischen zwei Generationen und damit das Tempo demographischer Prozesse. Die Heiratsrate schließlich ist fiir die Fruchtbarkeit insofern von Bedeurung, als Kinder überwiegend in Ehen zur Welt kommen. In den Niederlanden war bis zum II. Weltkrieg das durchschnittliche Alter bei Erstheirat mit etwa 28 Jahren bei Männern und 25 bis 26 Jahren bei Frauen relativ hoch, die Heiratsrate sehr niedrig 83 . Nach dem II. Weltkrieg sank das durchschnittliche Heiratsalter kontinuierlich, während die Heiratsrate zunahm. Mitte der 70er Jahre veränderte sich das Heiratsverhalten unter dem Eindruck einer zunehmenden Bildungs- und Erwerbsneigung von Frauen und einer wachsenden Popularität alternativer Lebensformen. Das durchschnittliche Heiratsalter begann wieder zu steigen, die Heiratsrate zu sinken. Der Anstieg des durchschnittlichen Heiratsalters setzte sich in den 80er Jahren fort, so daß dieses bei Erstheirat Anfang der 90er Jahre mit 28,7 Jahren (Männer) und 26,5 Jahren (Frauen) in etwa wieder auf dem Niveau der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts

79 Vgl. Wetenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S. 43. 80 Die Anzahl Verstorbener einer bestimmten Periode pro 1.000 der durchschnittlichen Bevölkerungszahl derselben Periode. Vgl. Welenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S.215. 81 Eine Ausnahme bildete v.a. der II. Weltkrieg, in dessen Folge die Bruttosterbeziffer von 9,9 (1940) auf 15,3 (1945) anstieg; vgl. dazu und zu den weiteren Zahlenangaben Welenschappelijke Raad voqf hel Regeringsbeleid (1993), S. 38. 82 Zu Prognosen über die zukünftige demographische Entwicklung vgl. Abschnitt 10.4.2. 83 Vgl. Welenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S. 44.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

79

angekommen ist 84 . Die Heiratsrate hat sich dagegen in den 80er Jahren stabilisiert. 1990 lag der Anteil der niemals Verheirateten in der Altersgruppe der 45 49jährigen bei 6,4 %85. Allerdings hat seit den 70er Jahren der Anteil kinderloser Ehen zugenommen; auf der anderen Seite stieg der Anteil außerehelich geborener Kinder. Die Korrelation zwischen Heiratsverhalten und Fruchtbarkeit ist somit nicht mehr so eng wie in den Jahrzehnten zuvor. In begrenztem Maße wird das Verhältnis zwischen Heirat und Geburten auch durch Ehescheidungen, Verwitwung und Wiederheirat beeinflußt. Zu beobachten ist, daß die Zahl der Ehescheidungen in den Niederlanden seit den 60er Jahren, v. a. aber nach der Reform des Scheidungsrechts 1971 rasch zugenommen hat. Diese Entwicklung hielt bis 1985 an; danach ging die Scheidungsrate langsam zurück. Gegenwärtig ist jede dritte Eheauflösung Ergebnis eine Scheidung 86 . Die höhere und schneller gestiegene Lebenserwartung von Frauen hat dazu geführt, daß das Verwitwungsrisiko von Frauen ständig zugenommen hat, das der Männer dagegen gesunken ist. Gegenüber dem Beginn der 70er Jahre hat sich der Anteil Geschiedener an der Gesamtbevölkerung vervierfacht von 1 % (Männer 0,8 %, Frauen 1,2 %) im Jahre 1971 auf 4,3 % (Männer 3,8 %, Frauen 4,8 %) im Jahre 1992. Der Anteil Verwitweter nahm demgegenüber im selben Zeitraum langsamer zu; er stieg von 4,9 % (Männer 2,2 %, Frauen 7,5 %) auf 5,7 % (Männer 2,1 %, Frauen 9,3 %)87. 3.1.2.5 Migration

Nachdem die Niederlande jahrzehntelang einen Auswanderungsüberschuß zu verzeichnen hatten, nahm ab Anfang der 60er Jahre die Zahl der Einwanderer pro Jahr deutlich zu und lag seither zum Teil beträchtlich über der Zahl der Auswanderer. Gründe dafür waren der wirtschaftliche Aufschwung mit einem Mangel an Arbeitskräften gegen Ende der 50er Jahre und die umfangreichen Zuwanderungen aus den ehemaligen Kolonien. Eingewanderte Arbeitnehmer aus Südeuropa, später dann Arbeitnehmer aus der Türkei und Marokko ließen sich in großem Umfang in den Niederlanden nieder und führten ihre Familien nach. Dadurch blieb die Zahl der Einwanderer unvermindert hoch. In den 70er und der ersten Hälfte der 80er Jahren verlief bei gleichbleibender Emigration die Einwanderung aufgrund von politischen Entwicklungen und staatlichen Maßnahmen in Sprüngen. Zu nennen sind die Unabhängigkeit Surinams (1975), 84 Aufgrund von Wiederheiraten liegt das Durchschnittsalter bezogen auf alle Eheschließungen bei Männem und Frauen um etwa 2 Jahre höher. Vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S.79. 85 Vgl. Wetenschappelijke Raad voor het Regeringsbeleid (1993), S 44. 86 Vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 37. 87 Zahlen nach Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 41 und Tabellen des CBS zur Bevölkerungsentwicklung von 1971.

80

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

die Legalisierung illegaler ausländischer Arbeitnehmer (1975) und die Einfiihrung der Visumspflicht für Surinamesen, Türken und Marokkaner zu Beginn der 80er Jahre. Seit Mitte der 80er Jahre nimmt die Zahl der Einwanderer beständig zu. Die Ursachen liegen in einer Zuzugswelle von Ehepartnern aus der zweiten Generation ausländischer Arbeitnehmer und in einem Anstieg von Asylsuchenden. Zu Beginn der 90er Jahre verzeichnet das Land einen Einwanderungsüberschuß von um die 60.000 Personen pro Jahr 88 . Obwohl mit großen Prognoseunsicherheiten behaftet, geht man davon aus, daß auch in Zukunft ein hoher Migrationsüberschuß bestehen bleibt 89 . Aufgrund der besonderen Altersstruktur und des Geburtenverhaltens der Immigranten geht von diesen ein leicht hemmender Einfluß auf den Bevölkerungsrückgang und den Alterungsprozeß aus 90. 3.1.2.6 Konsequenzen für den Umfang und Altersaufbau der niederländischen Bevölkerung

Die gegenwärtige demographische Entwicklung in den Niederlanden ist durch zwei Phänomene gekennzeichnet. Zum einen ist dies ein zwar noch positives, aber rückläufiges Bevölkerungswachstum. Verantwortlich dafür sind die niedrigen Fruchtbarkeitsziffern, die seit Mitte der 70er Jahre deutlich unter dem erforderlichen Reproduktionsniveau von etwa 2,1 Kinder pro Frau liegen (vgl. Tabelle 3.6). Einen Rückgang der Bevölkerung erwartet man im nächsten Jahrhundert, wenn die zunehmende Sterblichkeit die Fruchtbarkeit übertrifft. Zum anderen altert die niederländische Bevölkerung: der Anteil der Jüngeren an der Gesamtbevölkerung sinkt, während der Anteil der Älteren zunimmt. Auch hier spielen die rückläufigen Geburtenziffern, aber auch die gestiegenen Überlebenswahrscheinlichkeiten von Älteren eine Rolle 91 . Vom Einwanderungsüberschuß geht aufgrund der günstigen Altersstruktur und einer höheren Fruchtbarkeit ein retardierender Einfluß auf den Alterungsprozeß aus. In den Niederlanden lag beispielsweise der Anteil der 25- bis 34jährigen im Jahre 1988 um etwa 7 % höher als er ohne Wanderungen gelegen hätte. Zudem wäre der Anteil junger Kinder im gleichen Ausmaß niedriger92 . Die älteren Kohorten wurden demgegenüber bislang noch kaum durch Immigranten aufgefüllt.

88 Vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S 37. 89 Vgl. Wetenschappelijke &ad voor het Regeringsbeleid (1993), S. 46 nach einer Prognose des CBS von 1991. 90 Vgl. Wetenschappelijke Raad voor het Regeringsbeleid (1993), S. 49. 91 Ein hemmender Einfluß auf den Alterungsprozeß ging dabei von der rückläufigen Kindersterblichkeit aus. Vgl. Wetenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S. 48. 92 Vgl. Wetenschappelijke Raad voor hel Regeringsbeleid (1993), S. 49.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

81

Der strukturelle AltefWlgsprozeß in den Niederlanden wird durch zwei spezifische Entwickhmgen aus der Vergangenheit noch verstärkt Dies ist einmal die Geburtenwelle kurz nach dem II. Weltkrieg und außerdem das rapide Absinken der Fruchtbarkeitsziffern in den 70er Jahren. Durch das direkte Aufeinanderfolgen der geburtenstarken Nachkriegsgeneration und der wesentlich kleineren "Pillenknick"-Kohorten nimmt das Tempo des AltefWlgsprozesses zu - eine Entwicklung, die auch in den kommenden Jahrzehnten anhalten wird. Von demographischer Seite her ist ein starker Druck auf die AlterssichefWlgssysteme zu erwarten. Auf diesen zentralen Problembereich der AIterssichefWlg wird an späterer Stelle ausfiihrlich eingegangen (vgl. Kapitel 10.4). Dort werden auch anband von Prognosen über die demographische Entwicklung die möglichen finanziellen Belastungen näher quantifiziert und mögliche Handlungsstrategien aufgezeigt. In dem Zusammenhang ist nicht zu vergessen, daß auch die BerufsbevölkefWlg nicht nur zahlenmäßig abnimmt, sondern ebenfalls altem wird, so daß aufgfWld dessen in Zukunft auch unterhalb der gesetzlichen Altersgrenze eine zunehmende Inanspruchnahme sozialer Leistungen, für den Vorruhestand oder im Bereich der Erwerbsunfähigkeitsregelungen, erwartet werden karm

3.1.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Die niederländische Gesellschaft war lange Zeit durch das Vorherrschen einer auf traditionellen Vorstellungen beruhenden Sozialstruktur gekennzeichnet. In den 70er Jahren jedoch setzte ein rasanter Prozeß der ModernisiefWlg ein, der die Niederlande in sozialer und kultureller Hinsicht zu einem der fortschrittlichsten Länder in der EU machte. Dieser Prozeß wird mit dem Ausbau des Versorgungsstaates in Verbindung gebracht. Die kollektive Übernahme sozialer Risiken verringerte die Bedeutung der Familie als Garant von sozialer SichefWlg. Dies gilt in besonderem Maße für die Alters- und HinterbliebenensichefWlg, aber auch für andere Bereiche des Sozialstaates. Andererseits stellt sich auch die Frage, inwieweit das bestehende AlterssichefWlgssystem vor dem HintergfWld sich schnell verändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen noch angemessen ist oder ob die Entwicklungsprozesse Anpassungserfordernisse aufwerfen bzw. in Zukunft hervorbringen werden. Der gesellschaftliche ModernisiefWlgsprozeß in den Niederlanden dokumentiert sich in zwei wichtigen Entwicklungen: der Emanzipation und der IndividualisiefWlg 93 .

93 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 6 und S, 34 - 44, 6 pöhler

82

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Jndividualis ierung

Individualisienmg läßt sich auffassen als ein Prozeß des Übergangs von der Familie zum Individuum als Gnmdeinheit der Gesellschaft94 . Dieser Übergang geht einher mit einer größeren Diversifikation primärer Lebensformen, einer zunehmenden Zahl von Alleinstehenden und einer größeren Symmetrie in der Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen. Eine zunehmende Individualisienmg erfordert im institutionellen Bereich eine Überprüftmg der sozialpolitischen und fiskalen Arrangements, die in den Niederlanden nach wie vor eng auf die traditionelle Kernfamilie statt auf das Individuum ausgerichtet sind. Die traditionelle Kernfamilie war in den Niederlanden bis in die 70er Jahre, d. h. in der Phase der Entstehung und des Ausbaus des heutigen Systems der sozialen Sicherheit, die beherrschende, lange Zeit konkurrenzlose Lebensform. Die idealtypische Kernfamilie bestand als eine durch die Ehe geschaffene Verbindung von Mann und Frau und daraus hervorgegangenen Kindern. Diese bildete eine wirtschaftliche Einheit und war durch den männlichen Alleinverdiener mit dem Produktionsprozeß verbunden, während der Frau die Haushaltsführung und die Kindererziehung oblag; die Rollen von Mann und Frau waren somit stark akzentuiert. Diese Einheit war gleichzeitig der Transaktionspartner für den Staat, etwa in der Fiskalpolitik oder der Sozialpolitik. Obwohl nach wie vor der überwiegende Anteil der niederländischen Bevölkenmg in einer traditionellen Kernfamilie lebt95 , ist das Bild doch keineswegs mehr so homogen wie bis in die 70er Jahre hinein. So sank der Anteil traditioneller Hausfrauen in der Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren von 1982 bis 1990 von 64 % auf 50 %96. Zudem steigt der Anteil der Haushalte, die von der traditionellen Kernfamilie abweichen. Hierbei handelt es sich v. a. um Alleinstehende, Einelternfarnilien, unverheiratet Zusammenwohnende und freiwillig kinderlose Ehepaare. Hinzu kommt, daß sich ein zunehmender Anteil der Haushalte aufgrund der Erwerbstätigkeit der Frau der traditionellen Rollenverteilung entzieht. Die geänderte Rollenverteilung trägt maßgeblich zur Pluralisienmg der Lebensformen bei. Man erwartet, daß dieser Prozeß auch in den kommenden Jahrzehnten anhalten wird, doch kann nicht generell von einer Auflösung der Kernfamilie gespro-

94 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 34. 95 Nach Schätzungen des CBS lag der Anteil der Paarhaushalte mit Kindern 1994 bei 34,6 % aller Haushalte. In 80 % dieser Haushalte sind nicht mehr als ein oder zwei Kinder vorhanden. Eine Haushaltszählung besteht in den Niederlanden bemerkenswerterweise nicht. Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 23. 96 Vgl. Sociaal en Cu/tureel Planbureau (1994), S 36.

3.1 Ökonomische, demographische, gesellschaftliche Bedingungen

83

chen werden. In hohem Maße wurde besonders in den 80er Jahren die Ehe durch das Zusammenleben ohne Trauschein ersetzt97 . In vielen Fällen mündet diese Lebensform später jedoch in eine Ehe98 . Anlaß ist häufig die Geburt eines Kindes. Der Anteil derjenigen, die dauerhaft allein leben wollen, ist nach wie vor gering: selbst unter Männern mittleren Alters, bei denen besonders viele Alleinstehende festzustellen sind, liegt dieser unter 10 %. Die Gründung einer Familie bleibt daher in den meisten Fällen noch immer das letztendliche Ziel der Lebensplanung, doch ist die AnlaufPhase länger geworden. Zudem finden in größerem Umfang Beziehungswechsel statt, so daß sich häufiger das Phänomen der friktionellen Partnerlosigkeit ergibt. Daraus erklärt sich in erster Linie die zu beobachtende Pluralität der Lebensformen. Des weiteren wird auch der AIterungsprozeß der Bevölkerung zu einem höheren Anteil von Alleinstehendenhaushalten beitragen. Ein steigender Anteil von Alleinstehenden übt aber bei nicht vollständig indiviualisiertem Sozialleistungsrecht einen zusätzlichen Ausgabendruck aus, wenn gesamtwirtschaftlich das Ausmaß an Skaleneffekten gemeinsamer Haushaltsführung abnimmt. Emanzipation

Die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten verändert. Frauen konnten den Bildungsrückstand gegenüber Männern aufholen, die Verdienstkapazitäten steigern und ihre Verhandlungsposition im Haushalt verbessern. Zudem hat sich die gesellschaftliche Einstellung zur Rolle der Frau gewandelt. So stieg zwischen 1980 und 1991 die Akzeptanz in der Bevölkerung in bezug auf die Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern von 65 % auf 80 %. Die Auffassung, daß die Hausarbeit zwischen Mann und Frau gleichmäßig aufgeteilt werden sollte, teilten 1993 schon 73 % der Bevölkerung gegenüber 61 % im Jahr 1981 99 . Die Rollenverteilung äußert sich bei der Aufgabenverteilung im Haushalt und der Beteiligung am Arbeitsmarkt. Es wurde bereits gezeigt, daß die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den Niederlanden in den letzten Jahrzehnten rasant zugenommen hat. Dieser Anstieg kommt in erster Linie durch Teilzeitbeschäftigung zustande, während Männer nach wie vor fast ausschließlich vollzeiter-

97 So hat unter den Frauen, die zwischen 1950 und 1954 geboren wurden, bis zum 27. Lebensjahr nur jede vierte unverheiratet zusammengelebt, unter den Frauen der Jahrgänge 1960 1964 dagegen lag der Anteil bei 55 %. Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 37. 98 Nach offiziellen Umfragen lebten mehr als 60 % der früher unverheiratet zusammenlebenden Frauen 8 Jahre später in einer Ehe. Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 36. 99 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 34.

84

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

werbstätig sind lOO . Bewirkt wurde der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit durch eine Zllllehrnende Beteiligung von Frauen mit Kindern. Dies zeigt sich auch an der Aufteilung der Hausarbeit zwischen Männern und Frauen. Männer wendeten praktisch unabhängig von den familiären Umständen 1990 im Durchschnitt nur etwa 14 Stunden pro Woche für die Hausarbeit auf, wobei der Umfang in den letzten Jahrzehnten leicht zugenommen hat lOI . Deutliche Verändenmgen haben sich bei Frauen in jungen Familien ohne Kinder vollzogen. Diese wendeten 1990 fast 15 Stunden weniger für den Haushalt auf als 1975 und dafür etwa 10 Stunden mehr für Erwerbstätigkeit. In Familien mit Kindern dagegen stieg die wöchentliche Stundenzahl für Erwerbsarbeit im Mittel nur um 5 Stunden gegenüber 1975, während 1990 noch immer etwa 40 Wochenstunden für Hausarbeit und Familie aufgewendet werden (1975: 43 - 45 Wochenstunden)102. Eine Angleichung der Rollen trifft somit vorwiegend auf junge Familien ohne Kinder zu. Insgesamt hat der Emanzipationsprozeß zu einer Akzentverschiebung in der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung gefiihrt, ohne diese im Kern anzutasten. Die Abwägungen, die auf Haushaltsebene getroffen werden, ergeben zumindest vorläufig noch eine Rollenverteilung, nach der der Mann üblicherweise der Hauptverdiener der Familie ist, und die Frau die Rolle des Zusatzverdieners übernimmt und daneben zum überwiegenden Teil Haushalt und Kinder versorgt 103.

3.2 Die Entwicklung der Sozialausgaben, insbesondere für Alterssicherung und ihre Finanzierung 3.2.1 Einnahmen und Ausgaben für soziale Sicherung 3.2.1.1 Umfang und Struktur der Sozialausgaben im europäischen Kontext

Die Alterssichenmg stellt auch in den Niederlanden gemessen am Ausgabenvolumen den gewichtigsten Teilbereich der sozialen Sichenmg dar. Die Finanzienmgsspielräume für Alterssichenmgsleistungen hängen eng zusammen mit

100 Vgl. Abschnitt 3.1.1.3. 101 Seit 1975 stieg die Stundenzahl für Hausarbeit bei Männem um 1 y, Stunden pro Woche. Vgl. Sociaal en Cultureel Planhureau (1994), S 41. 102 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 40. 103 Dabei ist die RoBenverteilung offenbar nicht nur dadurch bedingt, daß der Mann seine

traditioneBe RoBe verteidigen wiB; Untersuchungen ergaben, daß unter den Frauen nur eine Minderheit von rund 20 % im FaBe von Kindern eine Teilzeitbeschäftigung des Mannes befürworten würde. Vgl. Sociaal en Cultureel Planhureau (1994), S. 42.

3.2 Die Entwicklung der Sozial ausgaben und ihre Finanzierung

85

denen der allgemeinen Sozialausgaben. Daher soll zunächst ein Blick auf Umfang und Struktur der gesamten Sozialausgaben geworfen werden. Die Niederlande sind schon seit langem das Land mit der höchsten Sozialausgabenquote unter den Ländern der EU. Gegenwärtig machen die Ausgaben fi.ir soziale Sicherung nach der Abgrenzung von Eurostat 33 % des Bruttoinlandsprodukts aus; das Land liegt dadurch etwa 6 Prozentpunkte über dem EUDurchschnitt I 04. 1992 erreichen die Niederlande somit wieder das Niveau vom Anfang der 80er Jahre, als nach dem Ausbau des Sozialstaates während der 70er Jahre zum ersten Mal eine Umorientierung der Politik mit dem Ziel einer Begrenzung des Ausgabenanstiegs einsetzte I 05. So konnte bis Ende der 80er Jahre die Sozialausgabenquote nicht zuletzt auch dank einer günstigen konjunkturellen Entwicklung stabilisiert werden. Der Anstieg am Ende des Jahrzehnts und zu Beginn der 90er Jahre ist in den Niederlanden, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, zum einen Ausdruck einer rückläufigen Konjunktur, zum Teil aber auch hervorgerufen durch landesspezifische Sonderfaktoren. So sind in den Niederlanden im Zuge der 1990 durchgeführten Steuerreform

(Gort-Reform) die Bruttoleistungen fi.ir die gesetzlichen Alters- und Hinterblie-

benenrenten erhöht worden, da auf der anderen Seite die Beitragspflicht über diese Einkommen ausgedehnt worden ist l06 . Allein durch diese zahlungstechnische Umstellung haben sich die Bruttoausgaben besonders im Bereich der Alterssicherung erhöht. Dieser rein statistisch bedingte Anstieg der Sozialausgabenquote wird auf etwa 1,5 % des BIP veranschlagt 107. Grundsätzlich ist insbesondere beim Vergleich der Sozialausgabenquoten auf der Grundlage der Eurostat-Daten Vorsicht geboten. Zum einen ergeben sich erhebliche Niveauunterschiede gegenüber den Veröffentlichungen der nationalen Statistik in den Niederlanden. Diese weist aufgrund einer engeren Abgrenzung der sozialen Sicherungsleistungen eine Sozialleistungsquote aus, die um gut 10 Prozentpunkte niedriger liegt als die von Eurostat 108. 104 Vgl. Tabelle 3.8. 105 Die Stabilisierung wurde primär durch eine Begrenzung des Leistungssätze erreicht (sogenannte Preispolitik). Während die Inanspruchnahme sozialer Leistungen in den 80er Jahren, gemessen in Leistungsjahren, um etwa 50 % zugenommen hat, sind die durchschittlichen Leistungen im seI ben Zeitraum preisbereinigt in etwa konstant geblieben. Der Anstieg der Sozialausgaben ist praktisch vollständig durch das Wachstum des BIP finanziert worden. Vgl. dazu auch de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 17 - 18 oder auch Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 248. 106 Vgl. dazu im einzelnen Kapitel 6. 107 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 79.

108 Beispielsweise sind in der nationalen Abgrenzung im Gegensatz zur Eurostat-Definition die Ausgaben für Zusatzrenten oder für Wohngeld nicht enthalten. So beläuft sich die national ausgewiesene Sozialleistungsquote, die sich auf das Nettoinlandsprodukt bezieht, im Jahre 1992 auf21,4 %. Vgl. dazu Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1992a), S. 39 oder auch dass. (1994), S. 78.

86

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Tabelle 3.8

Ausgaben f"tir soziale Sicherheita) in den Ländern der EU in Prozent des HIP 1980 -1992

Länder

Jahr 1980

1982

1984

1986

1988

1990

1992

Niederlande

30,2

32,9

32,2

31,0

31,7

32,5

33,0

Dänemark

28,7

30,6

28,6

26,7

28,9

29,6

31,4

Frankreich

25,4

27,9

28,7

28,5

27,9

27,6

29,2

Luxemburg

26,5

27,5

25,8

24,8

25,9

25,9

28,0

Belgien

28,0

30,2

29,9

29,4

27,7

27,0

27,8

Deutschlandb)

28,7

29,7

28,5

28,1

28,5

27,0

27,3

Vereinigtes Königreich

21,S

23,7

24,2

24,3

21,9

22,7

27,2

Italien

19,4

21,5

22,0

22,4

22,9

23,3

25,6

Spanien

18,2

19,4

19,6

19,9

19,8

20,6

22,5

Irland

20,8

23,2

23,7

23,3

21,5

19,7

21,6

Griechenland

12,4

16,5

18,3

19,5

19,6

20,5

19,3

Portugal

12,9

14,0

14,1

14,4

14,9

14,9

17,6

EU-Durchschnittc)

24,4

26,1

26,1

25,9

25,5

25,3

27,1

Anmerkungen: a)Sozialausgaben in der Abgrenzung nach ESSPROS einschließlich Ausgaben für Zusatzrenten und Verwaltungsausgaben. b)Ohne neue Bundesländer. c) Gewichteter Durchschnitt. Quelle: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 188 nach Angaben von Eurostat.

Neben diesen definitorischen Differenzen sind gerade im Hinblick auf die internationale Vergleichbarkeit zwei weitere Punkte von Bedeutung. Zum einen werden in den Niederlanden mittlerweile fast sämtliche Sozialleistungen brutto ausgezahlt und unterliegen im allgemeinen der vollen Steuer- und Sozialabgabenpflicht, während in anderen Ländern Sozialleistungen häufig nicht mit Abgaben belastet sind, so daß der Abgabenanteil in den Niederlanden in die Sozial ausgaben eingeht, in anderen Ländern dagegen nicht oder nicht im gleichen Maße. Zum anderen bestehen Unterschiede im Ausmaß an fiskalisch betriebener Sozialpolitik, d. h. an fiskalischen Maßnahmen, die ein Pendant zu Sozial-

87

3.2 Die Entwicklung der Sozial ausgaben und ihre Finanzierung

ausgaben bilden, etwa im Falle von steuerlichen Kinderfreibeträgen im Vergleich zu (sozialausgabenerhöhendem) Kindergeld. Vergleichsrechnungen haben ergeben, daß die von Eurostat veröffentlichte Quote für die Niederlande bei Eliminierung der genannten Verzerrungen um etwa 4 Prozentpunkte nach unten korrigiert werden müßte, wobei insbesondere der Brutto- versus Nettoeffekt ins Gewicht fällt. Dadurch würde sich beispielsweise die Differenz zu Deutschland für 1990 auf einen Prozentpunkt reduzieren I 09. Tabelle 3.9 Die Ausgaben f'ür soziale Sicherung nach Funktionen in Prozent des BIP 1992

Funktionen

Gesundheit

Ausgaben in % des BIP EU-DurchNiederlande schnitt 6,9 7,4

6,5

-

0,5

10,0

9,5

1,7

2,1

Familie

1,7

2,0

Arbeitslosigkeit

2,6

1,9

Sonstiges

1,3

0,9

Verwaltung und übrige Ausgaben

1,4

1,2

33,0

27,1

Erwerbsunfähigkeit Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten Alter Hinterbliebene

Gesamt

2,4

Quelle: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 190 nach Daten von Eurostat (Angaben gerundet).

Obwohl somit das von Eurostat gezeichnete Bild für die Niederlande vor diesem Hintergrund zu relativieren ist, bleibt doch festzuhalten, daß das Land unzweifelhaft zu den Ländern mit dem höchsten Sozialausgabenanteil an der Wertschöpfung innerhalb der EU zu zählen ist. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Ausgaben für Erwerbsunfähigkeit, die mit einem während der letzten 12 Jahre nahezu unveränderten Anteil von 7 % des BIP weit über dem EU-Durchschnitt (1992: 2,4 %) liegen I 10. Überdurchschnittlich hoch sind darüber hinaus die Ausgaben in den Bereichen Arbeitslosigkeit und Gesundheit. 109 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 78 - 79 und die dort angegebene Literatur. 110 Vgl. Tabelle 3.9.

88

3. Rahrnenbedingungen der Alterssicherung

Die Ausgaben für die Sozialschutzfunktionen in den Niederlanden als Anteile am BIP 1980 - 1992 Ausgaben % des BIP

In

35

30

25 20

15 10

1984 1988 SozIalausgaben nach Funktionen

1980

1992

o Hinterbliebene DGesundheit 0 In validität Familie lDArbeilslosigkeil ~Sonstiges [i) Verwa ltu ngsausgaben

lZj

Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von Ellroslal (I993b), S. 20 - 23 und Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 190.

Abbildung 3.7

Den größten Teil jedoch machen die Ausgaben für Alterssichenmg aus. Deren Anteil am BIP ist seit 1980 kontinuierlich von 8 auf 10 % angewachsen. Im internationalen Maßstab liegen die Niederlande damit in etwa im Durchschnitt der europäischen Länder. Auf welche Faktoren diese Entwicklung zurückzuführen ist, wird anschließend untersucht. Zwar ist dabei im internationalen Vergleich die rein statistisch bedingte VerzeITung ab 1990 zu berücksichtigen, andererseits ist jedoch nicht zu verkennnen. daß die Niederlande gegenwärtig noch von einer vergleichsweise günstigen Bevölkerungsstruktur profitieren, so daß in Zukunft von demographischer Seite her eine weitere Beschleunigung des Ausgabenwachstums zu erwarten ist 111. 3.2.1.2 Finanzierungsstruktur des niederländischen Systems der sozialen Sicherung

Die Niederlande zeichnen sich unter den Ländern der EU durch eine ganz eigentümliche Struktur der Mittelaufbringung alls. Diese ist gekennzeichnet durch 111 VQl Ahschnitt 1 12

3.2 Die Entwicklung der SoziaJausgaben und ihre Finanzierung

89

einen äußerst hohen Anteil von privaten Haushalten zu tragender Zahl last, während auf Unternehmen und Staat unterdurchschnittliche Anteile entfallen. Auffällig ist ferner der hohe Umfang sonstiger Einnahmen (1992: 15,8 %, EUDurchschnitt 6,1 %). Hierin spiegelt sich die große Bedeutung der nach dem Kapitaldeckungsverfahren fmanzierten Zusatzrentensysteme mit ihren hohen Zinserträgen wider. Betrachtet man die Entwicklung seit Beginn der 80er Jahre, so fällt auf, daß der Arbeitgeberanteil an der Finanzierung der Sozialleistungen von einstmals 37 % (1980) auf zur Zeit knapp 20 % (1992) deutlich zurückgefiihrt worden ist. Dies läßt sich als Ausdruck der angebotspolitischen Grundorientierung der niederländischen Wirtschaftspolitik werten. Der bedeutsamste Schritt wurde dabei 1990 im Zuge der Oort-Refonnen unternommen, als die Beiträge zu den Volksversicherungen bei besonderen Krankheitskosten A WBZ (Algemene Wet Bijzondere Ziektekosten)112 und gegen Erwerbsunfähigkeit AAW (Algemene Arbeidsongeschiktheidswet)l13 auf die Versicherten übertragen wurden. Zudem hatte der Staat im Jahr zuvor bereits die Finanzierung des Kindergeldes nach dem AKW übernommen. Absolut sind die von Arbeitgebern entrichteten Sozialbeiträge in diesem Zeitraum zwar um nominal 12 % gewachsen, die der privaten Haushalte dagegen um 182 %. Die relative Entlastung der Unternehmen von Sozialbeiträgen wird fmanziert durch eine deutliche Anhebung der Beitragsbelastung bei den privaten Haushalten und zu einem geringeren Teil durch erhöhte Staatszuschüsse, die allerdings nur vorübergehenden Charakter haben sollen (1992: 22,6 %)114. Der Finanzierungsanteil der privaten Haushalte ist mit 41,6 % der Gesamteinnahmen (1992) in den Niederlanden mit Abstand der höchste innerhalb der EU (EU-Durchschnitt: 24,2 %). Doch auch hier ist der erste Eindruck aus schon genannten Gründen zu relativieren. So war die Umstellung der Beitragsentrichtung vom Arbeitgeber zu privaten Haushalten im Zuge der Steuerrefonn von 1990 verbunden mit der Einführung eines vom Arbeitgeber zu zahlenden Kompensationszuschlags (overhevelingstoeslag) auf den Lohn, der sich nicht in den vom Arbeitgeber zu zahlenden Sozialbeiträgen niederschlägt. Primäres Ziel der Operation war somit offenkundig nicht eine Kostenentlastung der Unternehmen, sondern eine steuersystematisch begründete Vereinfachung der Abgabenentrichtung l15 .

112 Allgemeines Gesetz für besondere Krankheitskosten. Vgl. dazu Abschnitt 5.4.1.1.2. 113 Allgemeines Erwerbsunfähigkeitsgesetz Vgl. dazu Abschnitt 5.4.2.1.1.1. 114 So v. a. im Bereich der Hinterbliebenenversicherung und der Invaliditätsversicherungen; vgl. Sociale Verzekeringsraad (I 993), S. 189 - J90. 115 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 6.

90

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Die Finanzierungsstruktur des Systems der sozialen Sicherung in den Niederlanden 1980 - 1992

Flnan..zieJ'[email protected] in 0;. der GeslmteilUlahmen

45 40

35 30 25

20 15 10

1980

1985

1990

1992

Finanzierungsquellen DArbeitgeberbeiträge

o

Beiträge von pri vaten Haushalten - Staatliche Mittel [illSonstige Einnahmen

Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von Eurostat (1993b), S. 48 - 49 und Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 189.

Abbildung 3.8

3.2.2 Ausgaben- und Einnahmenentwicklung im Bereich der Alterssicherung 3.2.2.1 Die Entwicklung der Ausgaben für Alterssicherung und ihre Bestimmungsfaktoren

Die Ausgaben für die Sozialschutzfunktion Alter nach Abgrenzung von Eurostat betrugen im Jahre 1992 56,1 Mrd. f. Darin enthalten sind sowohl die Ausgaben für die gesetzliche Alterssicherung nach dem AOW als auch für die vielfältigen Zusatzrentensysteme des privaten und öffentlichen Sektors sowie die meist tarifvertraglich begründeten Vorruhestandsregelungen VUT. 1980 lagen die Ausgaben noch bei 27,8 Mrd. f. Damit stieg der Anteil der Ausgaben für diese Sozialschutzfunktion am Bruttoinlandsprodukt im angegebenen Zeitraum von 8,06 % auf 9,93 %116. Auf die Ausgaben für AOW-Leistungen entfallen dabei zur Zeit knapp 60 % der Gesamtausgaben, auf den Bereich der Zu-

116 Zahlen nach Eurostat (1994a), S. 167 und dass. (1992), S. 44 - 45.

3.2 Die Entwicklung der Sozialausgaben und ihre Finanzierung

91

satzrenten etwa 1/3, während der Rest sich auf Vorruhestandsleistungen, W ohnkostenzuschüsse usw. verteilt. Die Ursachen für den Anstieg der Altersausgabenquote können vielfältig sein. Jedenfalls kann aus dem Konstatierten nicht einfach geschlossen werden, der Wohlstand der Älteren insgesamt oder im Durchschnitt habe zugenommen. Vielmehr kann etwa eine genügend große Altersstrukturverschiebung zu einem Anstieg der Alterssozialausgabenquote fUhren, selbst wenn die Leistungssätze hinter dem Wirtschaftswachsturn zurückbleiben. Die Einkommensposition des einzelnen Rentners würde sich in einem solchen Fall im Durchschnitt sogar verschlechtern. In gleicher Weise wirkt eine Ausweitung des Kreises der Leistungsbezieher im Zeitablauf, was im Zuge des Reifungsprozesses in jungen Systemen bzw. Teilsystemen der Alterssicherung von Bedeutung ist. Neben diesen mengenmäßigen spielen auch preisbezogene Faktoren, etwa die Veränderung der Leistungssätze, eine Rolle. Darüber hinaus können die Ursachen in einer nachlassenden Wachsturnsdynamik, also letztlich auf seiten der Entstehung des Sozialprodukts, liegen. Des weiteren sind auch statistische Einflüsse, wie gesehen, nicht zu vernachlässigen. In der Realität treten die einzelnen Einflußfaktoren nicht isoliert, sondern nebeneinander auf und überlagern sich gegenseitig. Für eine Analyse der Ausgabenentwicklung ist es daher hilfreich, die Ausgabenquote für Alterssicherungsleistungen in einzelne Komponenten zu zerlegen, um auf diese Weise einen Eindruck von den Bestimmungsfaktoren der Ausgabenentwicklung zu bekommen. In Anlehmmg an Holzmann 117 läßt sich die Quote der Alterssicherungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt folgendermaßen ausdrücken: PE BIP

Pop65 + --=---x Pop15 - 64

Ben PE / Ben Pop15 - 64 x x , Pop65 + BIP / Emp Emp

wobei bezogen auf eine Periode (ein Jahr) PE die Ausgaben für Alterssicherung in dieser Periode bezeichnen, BIP das Bruttoinlandsprodukt, Ben die Zahl der Leistungsempfanger, Emp die Beschäftigung gemessen in Personen oder in Arbeitsjahren, Pop15-64 die Zahl der Personen zwischen 15 und 64 und Pop65+ die der Personen mit 65 Jahren oder älter I 18.

117 Vgl. OECD (\988), S. 24 oder Holzmann (\989), S. 21. 118 Grundsätzlich läßt sich diese Komponentenzerlegung sowohl für die gesamten Altersausgaben als auch für einzelne Teilsysteme, wie z. B. das staatliche AOW, gesondert anstellen. Hier soll versucht werden, den Gesamtkomplex der Alterssicherungssysteme abzubilden, wenngleich damit nicht unerhebliche statistische Probleme im Hinblick auf die Erfassung und Abgrenzung der einzubeziehenden Ausgabenkategorien verbunden sind.

92

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

Der Anteil der Ausgaben fiir Alterssichenmg am BIP ergibt sich somit als Produkt aus den 4 Komponenten demographische Alterslastquote _P--,op6~5_+_ Pop15-64

Berechtigtenquote (oder Deckungsgrad) Transferquote

PE I Ben BIP I Emp

Ben Pop65+

und

inverse Aktivitätsquotel19 Pop15 - 64 Emp

Während die demographische Alterslastquote, die Berechtigtenquote und die durchschnittliche Rentenleistung pro Leistungsempfanger direkt auf die Ausgabenentwicklung einwirken, beeinflussen die Ueweils inverse) gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität und Aktivitätsquote das gesamtwirtschaftliche Wachsturn und somit die Tragfahigkeit der Alterssichenmg. Damit lassen sich die drei erst genannten Komponenten bzw. Teilkomponenten als ausgabenseitige, die beiden letztgenannten als finanzienmgsseitige Bestimmungsfaktoren interpretieren. Die genannten Komponenten sind nicht nur fiir die Erklänmg der Ausgabenentwicklung von Bedeutung; sie stellen gleichzeitig strategische Faktoren dar, an denen die Politik zur Beeinflussung des Ausgabenniveaus ansetzen kann. Die Berechtigtenquote oder der Deckungsgrad wird von der institutionellen Ausgestaltung und vom erreichten Reifegrad der Teilsysteme bestimmt. Aufgrund des universellen Charakters des staatlichen AOW ist der Deckungsgrad hier gleich 1, allerdings können steigende Berechtigtenquoten in Zusatzsysternen oder bei den Vorruhestandsregelungen die Gesamtausgaben ansteigen lassen 120 . Eine wichtige Variable bilden in dem Zusammenhang die Altersgrenzen fiir die einzelnen Systeme. Die Transferquote wird bestimmt von der durchschnittlichen Rentenleistung pro Rentenempfänger PE/Ben und von der durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität BIP/Emp. Ein Ansteigen der Quote deutet auf eine Verbessenmg der relativen Einkommensposition der Rentner hin l21 . Der 119 Hier wird von Aktivitäts- und nicht von Aktivenquote gesprochen, sofern die Beschäftigung nicht anhand der Zahl der erwerbstätigen Personen, sondern in Arbeitsjahren gemessen wird. 120 Letzteres würde sich in dieser Betrachtung in einer höheren durchschnittlichen Rentenleistung PE/Ben niederschlagen.

3.2 Die Entwicklung der Sozialausgaben und ihre Finanzierung

93

Rentenanpassungsmechanismus stellt hierbei eine bedeutsame politische Steuervariable dar. Des weiteren kommt in dieser Relation zum Ausdruck, daß sich durch eine erfolgreiche Wachstumspolitik der Verteilungsspielraum fiir Alterstransfers bei gleichbleibender Altersausgabenquote ausweiten läßt oder alternativ die Altersausgabenquote gesenkt werden kann. wenn das Rentenniveau konstant gehalten werden soll. Die (inverse) Aktivitätsquote wiederum kann durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik und die Gestaltung der Altersgrenzen beeinflußt werden. Insbesondere bezogen auf ältere Erwerbstätige sind zudem Maßnahmen denkbar, die auf eine verminderte Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelungen abzielen. Als zentrale exogene, d. h. von politischer Seite kaum beeinflußbare Determinante fiir die Entwicklung der Alterssicherungsausgaben bleibt hingegen die demographische Komponente übrig. Sie kann als Indikator fiir das Altem der Bevölkerung angesehen werden. Auf die Bedeutung der einzelnen Komponenten als strategische Faktoren zur Steuerung des finanziellen Gleichgewichts im Alterssicherungssystem wird an späterer Stelle noch eingegangen l22 . Im Moment soll der explikative Charakter im Hinblick auf die Ausgabenentwicklung der vergangenen 12 Jahre im Vordergrund stehen. Legt man im folgenden die von Eurostat verwendeten Ausgabenkategorien zugrunde I 23, so zeichnet sich aufgrund der Komponentenzerlegung fiir den Zeitraum zwischen 1980 und 1992 in den Niederlanden das in Tabelle 3.10 wiedergebene Bild ab. Zu beachten ist, daß jeweils Nominalgrößen zugrundegelegt wurden.

121 VgI.Holzmann(l989),S.21. 122 Vgl. Abschnitt 10.4. dieser Arbeit. 123 Dazu zählen Altersrenten nach dem AOW, privat- und öffentlich-rechtliche Zusatzrenten und Vorruhestandsge1der sowie zu einem geringen Umfang Zuschüsse zu den laufenden Kosten des Wohnens seitens der Kommunen. Nicht enthalten sind dagegen die Leistungen aus der staatli..:hen Hinterbliebenenversicherung AWw. Vgl. im einzelnen Eurostat (1992), S. 180 - 188.

94

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung Tabelle 3.10

Determinanten der Ausgabenentwicklung im Bereich der Alterssicherung 1980 - 1992

Komponenten

VVachsturnsfaktor

Durchschnittliche jährliche VV achsturnsrate

PEIBIP

1,23

1,75

Pop 65+/Pop 15-64

1,15

1,15

Bena)/pop 65+

1,31

2,29

(PElBena))/(BIPlEmpb)

0,86

-1,28

PElBena)

1,26

1,97

BIPlEmpb)

1,48

3,30

Pop 15-64IEmpb) Anmerkungen:

Quellen:

0,96

-0,37

a)Bei der Zahl der Rentenbezieher wurde unterstellt, daß die Bezieher einer Zusatzrente auch Bezieher einer AOW-Rente sind. b)Die Beschäftigung wird hier in jährlichen Arbeitsstunden, nicht in Personen gemessen. Aufgrund der hohen Teilzeitbeschäftigung in den Niederlanden erscheint bei einer personenbezogenen Betrachtung die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität etwas niedriger und deren Wachstum aufgrund gestiegener Teilzeitbeschäftigung im Berichtszeitraum ebenfalls etwas geringer.

Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Eurostat (1992), S. 44 - 47, dass. (I 993b), S. 73, dass. (I 994b), S. 167, Central Bureau ofStallstics (1983), S. 16, Centraal Bureau voor de Slatistiek (l993a), S. 41, dass. (1994), S. 23, Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 128, OECD (1993a), S. 21 und Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 110.

Die Altersausgabenquote (PE/BIP) ist zwischen 1980 und 1992 von 8,06 % auf 9,95 % angestiegen. Der Anstieg beruht offenbar in erster Linie auf einer Zunahme der Leistungsempfanger, hervorgerufen ZlUfi einen durch den Alterungsprozeß der Gesellschaft (Anstieg der Alterslastquote ) und ZlUfi anderen, in noch stärkerem Maße, durch eine Ausweitung des Deckungsgrades (Anstieg der Berechtigtenquote). VVährend die Aktivitätsquote im Betrachtungszeitratun praktisch unverändert geblieben ist, ging von der Transferquote ein mäßigender Einfluß auf die Entwicklung der Ausgabenquote aus. Da im universellen Grundsicherungssystem AOVV der Deckungsgrad von Anfang an praktisch bei 100 % lag. muß der Anstieg der Berechtigtenquote in anderen Teilsystemen der Alterssicherung begründet sein. In der Tat liegen die Ursachen ZlUfi einen in der Reifung der Zusatzrentensysteme und ZlUfi anderen im raschen Ausbau der Vorruhestandsrenten zu Beginn der 80er Jahre 124 .

3.2 Die Entwicklung der Sozialausgaben und ihre Finanzierung

95

In der Transferquote spiegeln sich zwei gegenläufige Entwicklungen. So ist die nominale Rentenleistung pro Kopf der Leistungsbezieher im betrachteten Zeitraum durchaus gestiegen - deren Wachstum übertrifft sogar das der Alterslastquote. Es wird jedoch von einem darüber hinausgehenden Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität begleitet, so daß sich per saldo ein entlastender Effekt einstellt. Auf der anderen Seite impliziert dieser Umstand, daß sich die relative Einkommensposition der Rentner trotz eines gestiegenen Anteils der Altersausgaben am BIP verschlechtert hat. Der mengenmäßig bedingten Ausgabendynamik wurde somit durch eine Begrenzung der Leistungssätze, d. h. eine unterdurchschnittliche Beteiligung der Rentner an dem durch die Produktivitätssteigerungen geschaffenen Verteilungsspielraum, entgegengewirkt. Die einzelnen Komponenten sind jedoch nicht isoliert zu betrachten. So schlagen sich aufgrund von Kumulationsmöglichkeiten eine zunehmende Zahl von Zusatzrentenempfangern nicht in der Mengenkomponente Ben/Pop 65+, sondern in einer steigenden Pro-Kopf-Rente PElBen nieder l25 . Auf der anderen Seite führen institutionelle Änderungen leicht zu Verzerrungen, wie besonders das Beispiel der Individualisierung des Leistungsrechts im AOW im Jahre 1985 zeigtl26. Allein durch die Zuerkennung eines eigenen Rentenanspruchs an verheiratete Frauen, die bis dahin in der Regel vom individuellen Anspruchserwerb ausgeschlossen waren, nahm die Zahl der AOW-Leistungsempfanger von einem Jahr auf das andere um knapp 1/3 zu. Andererseits sank die durchschnittliche Rentenleistung in ähnlichem Ausmaß, ohne daß sich der faktische personelle Deckungsgrad oder die reale Einkommenssituation der Rentner wesentlich verändert hätten. Die Reaktion der Komponenten hat in dem Fall rein buchungstechnische Gründe. Insgesamt wird durch solche Vorgänge zwar die Gesamtentwicklung nicht verfälscht, jedoch sind die tatsächlichen Ursachen nicht immer ohne weiteres den einzelnen Komponenten eindeutig zuzuordnen. Die Analyse bedarf daher in jedem Fall eines ergänzenden Blicks auf den institutionellen Hintergrund l27 . Interessant ist in dem Zusammenhang, daß die Analyse für den Betrachtungszeitraum in Teilen zu einem etwas anderen Ergebnis kommt, als Holzmann im Rahmen seines Ländervergleichs 128 . Holzmann konstatiert dabei für die Niederlande im Zeitraum zWischen 1960 und 1985, daß der Anstieg der Altersausga-

124 125 126 127 128

Vgl. dazu Abschnitt 5.4.2.4. Der Grund ist, daß hier Personen und nicht Rentenfälle gezählt werden. Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 5.2.1.1.6. Vgl. dazu KapitelS. Vgl. dazu Holzmann

(1989), S. 21 - 24 und OECD (1988), v. a. S. 24 - 28.

96

3. Rahmenbedingungen der Alterssicherung

benquote etwa zu gleichen Teilen auf eine Erhöhung bei der demographischen Alterslastquote, der Berechtigtenquote und der Transferquote zurückzufiihren ist, wobei - kennzeichnend für sogenannte Mischsysteme wie das niederländische l29 - die Transferquote eine besonders große Ausgabendynamik entfaltet hat. Ursächlich für letzteres ist nach Holzmann die Einfiihrung und zunehmende Reifung der Zusatzrentensysteme im Betrachtungszeitabschnitt 130. Unsere Berechnungen weisen demgegenüber eine auf gegensätzlichen Tendenzen beruhende Entwicklung aus, wobei besonders die stark rückläufige Entwicklung der Transferquote auffällt, während die übrigen Komponenten ähnliche Werte wie bei Holzmann aufzeigen 131. Da die Zunahme der Produktivität in den zurückliegenden 12 Jahren nicht über der in dem von Holzmann betrachteten Zeitraum gelegen haben dürfte, sind die Ursachen bei den Leistungssätzen zu suchen. Hier zeigt sich, daß im Bereich des staatlichen AOW die Ausgaben insgesamt in merklich geringerem Maße gestiegen sind als bei den Zusatzrentensystemen 132. Die durchschnittliche AOW-Rente pro Leistungsbezieher ist nominal praktisch gleich geblieben. Der Anstieg der Leistungssätze der gesamten Altersausgaben ist also allein auf die Zusatzrentensysteme und die Vorruhestandsregelungen zurückzufiihren. Somit erklärt sich der Rückgang der Transferquote seit Beginn der 80er Jahre aus einer restriktiven Politik der Leistungsanpassung im staatlichen System 133. Aus dem Vergleich mit den Berechnungen Holzmanns läßt sich schlußfolgern, daß im Bereich der staatlichen Alterssicherung in den 80er Jahren ein fundamentaler Wandel der bisherigen Rentenpolitik stattgefunden hat. Wenngleich vor einer allzu schematischen Interpretation zu warnen ist, so spiegelt sich in der einfachen Komponentenanalyse doch wider, daß in den Niederlanden in den letzten 12 Jahren die gestiegene Altersausgabenquote maßgeblich auf eine Zunahme der Zahl an Leistungsbeziehern zurückzufiihren ist. Die Zunahme kommt v. a. durch die Reifung der Zusatzrentensysteme und eine vermehrte Inanspruchnahme von Vorruhestandsregelungen zustande. Die demographische Komponente trägt dagegen gegenwärtig noch unterdurchschnitt129 Unter Mischsystemen versteht Holzmann Systeme, die universelle Grundsicherungsleistungen und einkommensbezogene Leistungen eines Versicherungssystems verbinden; vgl. Holzmann (1989), S. I!. 130 Holzmann weist aber selbst darauf hin, daß es sich eher um tentative Schlußfolgerungen handelt. Vgl. Holzmann (1989), S. 23 - 24. 131 Holzmann weist für den von ihm gewählten Betrachtungszeitraum ein Wachstum der Ausgabenquote von 2,28 aus, das sich aus einem Wachstum der Alterslastquote mit dem Faktor 1,20, der Berechtigtenquote mit dem Faktor 1,22, der Transferquote mit einem von 1,34 und der inversen Aktivitätsquote mit 1,16 zusammensetzt. Vgl. Holzmann (1989), S. 22. Bemerkenswert ist immerhin, daß von der Aktivitätsquote im Gegensatz zu Holzmanns Berechnungen mittlerweile ein wenn auch nur geringer Entlastungseffekt ausgeht. 132 Vgl. dazu Tabelle 3.10 im nachfolgenden Abschnitt. 133 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 5.2.2.2.

3.2 Die Entwicklung der Sozial ausgaben und ihre Finanzierung

97

lich zur Ausgabenentwicklung bei. Ein Vergleich mit Berechnungen von Holzmann über längere und weiter zurückreichende Zeiträume zeigt, daß die Alterslastquote sich zwar langsam entwickelt, aber einen stetig zunehmenden Druck auf die Ausgaben erzeugt. Die Politik hat hat auf diese Entwicklung mit einer Strategie der Begrenzung der Leistungssätze im staatlichen System reagiert; Ausdruck dessen war eine rückläufige Transferquote. Nur geringe Einflüsse gingen per saldo von der Entwicklung am Arbeitsmarkt aus, da sich belastende und entlastende Faktoren in etwa die Waage hielten. In der jüngeren Vergangenheit hat demnach besonders die Produktivitätsentwicklung maßgeblich zur Finanzierung des Ausgabenwachstums beigetragen, doch hat diese nicht ausgereicht, ein Ansteigen der Altersausgabenquote zu verhindern. 3.2.2.2 Zur Entwicklung von Finanzaufwand und Mittelaulbringung

Die Befunde aus dem vorangehenden Abschnitt werden bestätigt, wenn man die Entwicklung des Finanzaufwandes nach den einzelnen Teilbereichen disaggregiert betrachtet. Dabei wird zwischen dem staatlichen Grundsicherungssystem nach dem Allgemeinen Altersrentengesetz AOW (Algemene Ouderdomswet), den darauf aufbauenden kollektivrechtlichen Zusatzrentensystemen (Pensioenverzekeringen) und Vorruhestandsregelungen VUT (Regeling inzake Vervroegde Uittreding) unterschieden. Damit gewinnt man einen ersten Eindruck von der Größenordnung und dem Gewicht der im folgenden eingehender zu behandelnden Regelungen. Eine Unterscheidung ist außerdem sinnvoll, da neben dem Finanzaufwand auch dessen Finanzierungsstruktur kurz angerissen werden soll, ohne allerdings an dieser Stelle bereits zu sehr auf institutionelle Einzelheiten einzugehen 134.

3.2.2.2.1 AOW Die Ausgaben des AOW beliefen sich 1992 auf insgesamt 35 Mrd. fund lagen um 5 % über denen des Vorjahres. In den letzten 12 Jahren sind die Ausgaben damit um 67 % (4,4 % durchschnittlich pro Jahr) gewachsen (vgl. Tabelle 3.11). Der weit über das sonstige Maß hinausgehende Ausgabenanstieg im Jahre 1990 wurde durch die erwähnte deutliche Anhebung der Bruttoleistungen im Zusammenhang mit der Steuerreform nach Plänen der Oort-Kommission hervorgerufen. Insgesamt zeigt sich, daß sich die Ausgaben weitgehend parallel zur Zunahme bei der Zahl der Leistungsempfanger entwickelt haben. Dieser Umstand belegt, daß das Ausgabenwachstum in erster Linie durch die Mengenkomponente bestimmt worden ist. 134 Vgl. dazu die Ausführungen in den Abschnitten 5.2.5, 5.3.1.4 und 5.3.2.4. 7 Pöhler

98

3. Rahmenbedingungen derAlterssicherung

Tabelle 3.11

Einnahmen und Ausgaben für Leistungen nach dem AOW 1980 - 1992

Ausgaben, Einnahmen und Inanspruchnahme (in Klammern Index 1980 = 100) 1980

1985

1990

1991

1992

1.280 (JOO)

1.781 (139)

1.956 (153)

1.982 (155)

2.007 (157)

Ausgaben in Mio. f

19.398 (100)

23.095 (119)

29.685 (153)

31.050 (160)

32.379 (167)

Einnahmen, davon

19.278 (100)

23.801 (124)

29.395 (152)

31.962 (166)

32.541 (169)

17.100

23.570

29.074

31.663

32.133

173

112

267

247

408

2.005

119

53

52

-

120

707

-293

886

146

Leistungsempfänger (x 1000 Leistungsjahre)

- Beiträge - Zinserträge - Staatszuschüsse Finanzierungssaldo

Anmerkung: Die Ausgaben enthalten sowohl Leistungen als auch VerwaItungsausgaben. Quellen: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 172 - 173, 186 - 187, Centraal Bureau voor de Statistiek (1984), S. 35, dass. (1989), S. 9, Sociale Verzekeringsbank (1992), S. 59, dies. (1993), S 53, dies. (1994), S. 59 und eigene Berechnungen.

Die Einnahmen des AOW haben sich entsprechend der Logik des Umlageverfahrens parallel zu den Ausgaben entwickelt 135. Die Mittel werden fast ausschließlich aus Beitragseinnahmen der Versicherten aufgebracht. 1992 betrug das AOW-Beitragsvolumen 32,13 Mrd. f und damit 99 % der Gesamteinnahmen; der Rest wurde durch Zinseinkünfte gedeckt I 36. Staatliche Zuschüsse spielten eine Zeitlang, besonders in den 70er Jahren eine gewisse Rolle, wurden aber seit Anfang der 80er Jahre kontinuierlich abgebaut 137 ; seit 1992 wird auf Staatszuschüsse völlig verzichtet.

135 Der Finanzierungssaldo wird jährlich mit der vorzuhaltenden Liquiditätsreserve verrechnet. Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1994), S. 49. Vgl. zur Finanzierung des AOW ausführlich Kapitel 5.2.5. 136 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(l994). S. 59. 137 So machten Staatszuschüsse 1979 noch 1\ % der Gesamteinnahmen aus, bereits 4 Jahre später lag der Anteil nur noch bei \ %; vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (\984), S. 35.

3.2 Die Entwicklung der Sozialausgaben und ihre Finanzierung

99

3.2.2.2.2 Die privaten und öffentlichen Zusatzrentensysteme Zwischen 1980 Wld 1992 haben sich die Ausgaben der ZusatzrentenversichefWlgen, einschließlich der kollektiven LebensversichefWlgsabschlüsse insgesamt mehr als verdoppelt. Mit gegenwärtig 26,4 Mrd. f (1992) erreichen die Ausgaben sämtlicher Zusatzrentenfonds damit etwa 4/5 des Ausgabenvolumen des AOW. Gleichwohl ist die Ausgabendynamik in den letzten Jahren bei den Zusatzrentensystemen deutlich größer. Der mit Abstand bedeutendste Zusatzrentenfonds ist der ABP fiir Beamte, der 1992 mit gut 10 Mrd. f, davon 9,4 Mrd. f fiir Renten 138 , mehr ausgab als alle übrigen Zusatzrentenfonds zusammen. Zu den letztgenannten zählen u. a. die Unternehmensrentenfonds mit Gesamtausgaben in Höhe von 4,5 Mrd. Wld die Branchenrentenfonds mit 3,4 Mrd. f139. Im Unterschied zum AOW sind die Zusatzrenten aufgrWld gesetzlicher RegeIWlgen nach dem KapitaldeckWlgsverfahren zu fmanzieren. 1992 betrugen die Einnahmen der ZusatzsichefWlgssysteme zusammen knapp 50 Mrd. f. Dies bedeutete einen Einnahmeüberschuß von 23 Mrd. f, der zum weiteren Aufbau des fiir zukünftige VerpflichtWlgen notwendigen Kapitalvermögens zur VerrugWlg stand. Den größten Einnahmeposten machen inzwischen die Zinserträge aus den Vermögensanlagen der Fonds Wld VersichefWlgsgesellschaften aus, deren Aufkommen heute 2 1/2 mal so groß ist wie zu Beginn der 80er Jahre; gegenwärtig umfassen diese über 60 % der Gesamteinnahmen l40 . Den zweitgrößten Posten mit gegenwärtig etwa 30 % nehmen die laufenden Beiträge der Versicherten bzw. deren Arbeitgeber ein 141 , deren nominales Aufkommen sich im BetrachtWlgszeitraum insgesamt nur wenig verändert hat. Dazu hat die günstige LohnWld ZinsentwicklWlg in dieser Periode beigetragen. Jedoch ist in den letzten drei Jahren wieder eine leichte Aufwärtstendenz zu erkennnen. Staatliche oder sonstige betriebliche Zuschüsse spielen dagegen im Ganzen gesehen nur eine Wltergeordnete Rolle.

138 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S 208. 139 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 189. 140 Zu den Anlagevorschriften vgl. Lutjens (1994), S. 29 und Dietvorstide Lange/Smittenaar (1993), S. 150 - 156. 141 Nach der Systematik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in den Niederlanden

werden die Zinserträge als "zugerechnete Beiträge" der Versicherten aufgefaßt; vgl. de Kam/Sterks/Veldkamp (1989), S. 91 - 92. 7'

100

3. Ralunenbedingungen der Alterssicherung

Tabelle 3.12

Einnahmen und Ausgaben der Zusatzrentenversicherungen (1980 -1992) Kategorie

1980

Ausgabena)

ABP

Übrige Zusatzrentenfondsb) Kollektive Lebensversicherungsabschlüsse insgesamt .(Index: 1980 = 100)

Einnahmen

ABP

Einnalunen und Ausgaben in Mio. f 1985 1990 1991

1992

4.827 4.288 2.820

7.159 6.373 3.820

9.214 8.701 4.980

9.626 9.382 5.420

10.289 10.031 6.100

l1.935 (JOO)

17.352 (145)_

22.895 (192)

24.428 (205L

26.420 (221)

13.857 14.714 2.820

17.223 20.182 3.820

16.394 22.766 4.980

17.201 24.504 5.420

17.765 25.667 6.100

Übrige Zusatzrentenfondsb) Kollektive Lebensversicherungsabschlüsse insgesamt (Index 1980 = 100) davon Beiträge Staatszuschüsse Zinserträge sonstige Einnalunenc)

16.657 430 12.330 1.974

15.512 750 22.715 2.248

13.746 433 27.350 2.611

14.519 553 29.052 3.001

15.751 418 30.208 3.155

Saldo von Ausgaben und Einnahmen

19.456

23.873

22.820

22.697

23.112

31.391 (100)

41.225 (131)

44.140 (141)

47.125 (150)

49.532 (158)

Anmerkungen: a) Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben. b) Unternehmensrentenfonds, Branchenrentenfonds, Zusatzsystem für Angehörige der Streitkräfte, Stiftung zur Verwaltung der Indonesischen Renten, Zusatzsystem der Ernährungswirtschaft, Eisenbahnerzusatzsystem, Rentenkasse der Minenarbeiter, Fonds für die Vorauserhebung zur Zusatzrentenversicherung FVP. c) Hierzu zählen v. a. betriebliche Zuwendungen zu Unternehmens- und Branchenrentenfonds oder zu Lebensversicherungsgesellschaften. Quellen: Centraal Bureau voor de Statistiek (1984), S. 45 - 55, Centraal Bureau voor de Statistiek (1989), S. 11 - 14, Centraal Bureau voor de Statistiek (1993b), S. 11 - 15 und Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 188 - 189.

3.2.2.2.3 Die Vorruhestandsregelungen VUT

Die Ausgaben fiir Vorruhestandsleistungen in der privaten Wirtschaft (einschließlich Verwaltungsausgaben), die über eigenständige Fonds abgewickelt werden, betrugen 1992 2,9 Mrd. f. Hinzu kommen noch 1,9 Mrd. f fiir VUT-Leistungen aus dem ABP sowie die direkt von Arbeitgebern gezahlten Vorruhestandsgelder. Drei Jahre zuvor lagen die Ausgaben der privaten VUTFonds noch bei lediglich 1,5 Mrd. f (ABP: 1,8 Mrd. f), 1980 gar bei nur 231 Mio. f. Innerhalb von 12 Jahren haben sich die Ausgaben damit etwa

3.2 Die Entwicklung der Sozial ausgaben und ihre Finanzierung

101

verzwölffacht. Im gleichen Zeitrawn hat sich die Inanspruchnalune (gemessen in Leistungsjahren) etwa vervierfacht (von 11.000 auf 48.000 Jahre). In diesen Zahlen spiegelt sich eine bemerkenswerte Ausgabendynamik v. a. im privaten Sektor, die besonders auf eine zunehmende Inanspruchnalune, aber auch auf steigende Leistungssätze zuruckzufiihren ist, die sich aus der Lohnbezogenheit der Vorruhestandsgelder erklären. Demgegenüber haben sich die Ausgaben im öffentlichen Sektor in den letzten Jahren eher moderat entwickelt; so war in den letzten beiden Jahren die Zahl der VUT-Bezieher sogar rückläufig l42 . Mit Ausnalune der Beamtenregelung im ABP werden die Ausgaben überwiegend durch Beiträge im Wege des Umlageverfahrens finanziert. Angesichts der Tatsache, daß die ausgabendeterminierenden Faktoren wie Altersaufbau des Personals, Mindestalter für die Inanspruchnalune und die Höhe der Leistungen zwischen den Unternehmen bzw. Branchen stark variieren, weichen auch die Beiträge zum Teil deutlich voneinander ab. Im Durchschnitt lag der Beitragssatz für betriebliche Vorruhestandsregelungen 1992 bei 1,8 %, wobei die Arbeitgeber zumeist 2/3 und die Arbeitnehmer 1/3 entrichteten. Dementsprechend machten die Arbeitnehmerbeiträge zu den VUT-Fonds 1992 etwa 40 % der Gesamteinnalunen aus, die der Arbeitgeber 52 %143. Seit 1980 haben sich die Beitragssätze im privaten Sektor etwa verdreifacht I 44.

142 Zu den Daten vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 172 - 173 und S. 186 - 187 und Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 208. 143 Vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1993b), S. 10. Der Rest stammt aus Zinserträgen und sonstigen Einnahmen. 144 Vgl. dazu Tabelle A-3.1 im Anhang.

4. Rechtsgrundlagen, Grundprinzipien und historische Entwicklung des Systems der Alterssicherung 4.1 Rechtsgrundlagen der sozialen Sicherung Die soziale Verpflichtlmg des Staates ist in den Niederlanden seit 1983 in der Verfassung (Grondwet) verankert. Bis dahin bestand lediglich ein verfassungsmäßiger Auftrag zur Armenfiirsorge 1. Mit dem neugeschaffenen Art. 20 wurde der gewachsenen Bedeutlmg der sozialen Sicherheit Rechnung getragen. Der Artikel lautet wie folgt: "1. Die Existenzsichenmg der Bevölkenmg und die Verbreitung der Wohlfahrt sind Gegenstand der Sorge der Behörden.

2. Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit werden gesetzlich geregelt. 3. Niederländer mit Wohnsitz in den Niederlanden, die nicht in der Lage sind, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, haben ein gesetzlich zu regelndes Recht auf staatliche Hilfe.',2

Aus diesem Artikel lassen sich drei fundamentale soziale Grundrechte abgeleiten: das Recht aufExistenzsicherung, auf soziale Sicherung und auf staatliche Sozialhilfe. Das Recht auf staatliche Sozialhilfe manifestiert sich im Allgemeinen Sozialhilfegesetz von 1965. Unter das Recht auf soziale Sicherung fallen die Sozialversicherungen und die sozialen Fürsorgeregelungen. Das Recht auf Existenzsicherung geht über die Sozialhilfe und die sozialen Sicherungssysteme hinaus und richtet sich auf weitere staatliche Maßnahmen, wie etwa die Festsetzung eines Mindestlohnes oder die allgemeine Wirtschaftspolitik3. Die praktische Bedeutlmg des Verfassungsartikels ist jedoch bislang gering geblieben4 . Das niederländische Sozialrecht hatte sich in der Vergangenheit bereits eigenständig entwickelt und in seinen Grundzügen unabhängig von diesem Verfassungsartikel herausgebildet. Dies wird im nachfolgenden Abschnitt deutlich5 .

1 Vgl. Noordam/Opheikens (1991), S. 10. 2 Art. 20 Grondwet, zitiert nach Noordam/Opheikens (1991), S. 23. 3 Vgl. Noordam/Opheikens (1991), S 10. 4 Vgl. Pieters (1991), S. 355. 5 Vgl. Abschnitt 4.2.

4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien

103

Das niederländische Sozialleistungssystem ist nicht kodifiziert. Die Fonnen sozialer Sicherung sind zum Teil in einzelnen Gesetzen geregelt (z. B. die Volksversicherungs-, Arbeitnehmerversicherungs- und Beamtengesetze), zum Teil jedoch nur in rechtlichen Rahmenbedingungen fiir die Leistungserbringung (etwa bei der privatrechtlichen Zusatzaltersversicherung). Insgesamt jedoch hat man einen systematischen Aufbau der einzelnen Leistungsgesetze, insbesondere der Volksversicherungs- und der Arbeitnehmerversicherungsgesetze, angestrebt. Eine besondere Bedeutung kommt den von den Sozialversicherungsträgern und anderen Ausführungsorganen herausgegebenen Veröffentlichungen (Rundschreiben o. ä.) zur Regelung von Ennessensfragen zu. Diese sind zwar nicht direkt rechtsverbindlich, können aber mit Rückgriff auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auf indirektem Wege Rechtskraft entfalten. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Rechtsprechung. Dies gilt zum einen in Bereichen, in denen die Sozialleistungsträger eine nicht immer gesetzeskonfonne Ausführungspraxis entwickelt haben, zum andern aber zunehmend auch dort, wo gesetzgeberische Lücken oder Verzögerungen besonders im Hinblick auf die Umsetzung Europäischen Rechts bestehen.

4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien der Alterssicherung 4.2.1 Ursprung und Entwicklung bis zum Ende des 11. Weltkrieges

Die Vorgeschichte der sozialen Sicherung auf dem Gebiet der heutigen Niederlande reicht zurück bis in die Zeit Karls des Großen, aus der Vereinigungen bekannt sind, die in bestimmten Notlagen wie Brand oder Schiffbruch Unterstützung boten6 . Im Mittelalter gewährten die Gildenbünde ihren Mitgliedern bei Unfällen Hilfe und Unterstützung. Die Mittel stammten aus speziellen Kassen (gildenbossen), die durch freiwillige, vereinzelt auch durch obligatorische Beiträge der Mitglieder finanziert wurden7. Daneben waren die Kirchen ein zweiter, mindestens ebenso wichtiger Träger sozialer Sicherung. Ihr Betätigungsfeld lag in der Annenfiirsorge, die sie besonders nach der Refonnation lange Zeit als hoheitliche Aufgabe wahrnahmen8. Mit dem Niedergang der mittelalterlichen Produktionsweise gerieten die Gildenkassen in immer größere fmanzielle Schwierigkeiten und konnten schließlich ihre Sicherungsfunktion nicht mehr erfüllen. Nach der Abschaffung der letzten Gilden während der 6 Vgl. Veldkamp (1978), S. 50. 7 Veldkamp sieht in den obligatorischen g;ldenbossen direkte Vorläufer der modemen Sozialversicherung; vgl. Veldkamp (1978), S. 50. 8 Vgl. Mannoury/Asscher-Vonk (1987), S. 44 - 45.

104

4. Rechtsgrundlagen, Grundprinzipien, historische Entwicklung

französischen BesetzW1g im Jahre 1798 blieb letztlich nur noch die Annenfürsorge der Kirchen W1d einiger Honoratioren als soziales SicherW1gselement übrig 9 . Die HerausbildW1g eines gesetzlich fimdierten Wohlfahrtsstaates hatte seine Ursprünge im 19. JahrhW1dert. Bedingt durch ökonomische UmstrukturierW1gsprozesse W1d die Verwerfimgen aus den napoleonischen Kriegen W1d der Kontinentalsperre stand die erste Hälfte des 19. JahrhW1derts im Zeichen einer sich ausbreitenden Annut lO , deren Ausmaß die vorhandenen kirchlichen W1d vereinzelten privaten FürsorgeeinrichtW1gen überforderte 1I. Erst ab Mitte des JahrhW1derts gab es BestrebW1gen, die Position des Staates in sozialen Angelegenheiten zu stärken, der bis dahin auf diesem Felde keinerlei Initiative entwickelt hatte 12 . 1854 wurde das erste Annengesetz (Wet op de Armenzorg) erlassen, das jedoch den Kirchen W1d privaten Trägem den Vorrang einräumte W1d staatliches Handeln erst im Falle absoluter Unvermeidlichkeit l3 zuließ. Drei Jahre zuvor war ein Gesetzentwurf, der eine weitreichendere BeteiligW1g des Staates vorsah, am massiven Widerstand der Katholischen W1d der Protestantischen Kirche gescheitert. Erst ab 1870 W1d damit vergleichsweise spät wurde das Land von der Industriellen Revolution erfaßt l4 . Die Niederlande gerieten in eine schwere ökonomische Krise, die bis zur JahrhW1dertwende anhielt. Es entstand eine völlig neue Kategorie von Bedürftigen, die städtische Arbeiterklasse, W1d mit ihr die soziale Frage. In allen maßgeblichen politischen Parteien, von den Radikal-Liberalen bis hin zu den konfessionellen Parteien, bildeten sich Komitees, die zur LösW1g der sozialen Frage eine verstärkte Aktivität des Staates befürworteten 15. Im Parlament W1terbreitete die Rochussen-Kommission 1894 den Vorschlag einer obligatorischen AltersversicherW1g. Vier Jahre später W1terstrich eine zweite Kommission, die die Möglichkeiten einer Alters- W1d InvaliditätsversicherW1g W1tersuchen sollte, noch einmal die Notwendigkeit einer obligatorischen AlterssicherW1g für Arbeiter l6 . AufgrW1d interner Differenzen konnte jedoch kein konkreter Gesetzesvorschlag erarbeitet werden 17. So wurde zwar 1901 mit 9 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 26. 10 Vgl. MannourylAsscher-Vonk (1987), S 45. 11 Vgl. Veldkamp (1978), S. 61. 12 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 26 und Roebroek (1991), S 13. 13 Vgl. Roebroek (1991), S 13. Mannoury und Asscher-Vonk sprechen hierbei vom Unvermeidlichkeitsprinzip; vgl. Mannoury/Asscher- Vonk ( 1987), S. 46. 14 Zu den Gründen für die späte Industrialisierung vgl. Buunk (1989), S. 16 - 17 sowie Lademacher (1983), S. 243 - 248. 15 Vgl. Roebroek (1991), S. 14. 16 Vgl. Veldkamp (1978), S. 63. 17 Vgl. Roebroek(i991), S. 14.

4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien

105

der Verabschiedung des Unfallversicherungsgesetzes für Arbeiter (Ongevallenwet) die erste Sozialversicherung eingerichtet, doch schlugen zwischen 1904 und 1911 mehrere Versuche fehl, eine gesetzliche Invaliditäts- und Altersversicherung zu verabschieden. Das Unfallversicherungsgesetz war in hohem Maße von der deutschen Unfallversicherung inspiriert, im Unterschied zu dieser lag die organisatorische Durchft.ihrung jedoch in den Händen eines staatlichen Organs, der Reichsversicherungsbank, der späteren Sozialversicherungsbank. In der Periode von 1911 bis 1919 erreichte die Debatte um eine staatliche Altersrente ihren ersten Höhepunkt. In dieser Auseinandersetzung zeichneten sich die grundSätzlich unterschiedlichen Auffassungen über die Rolle des Staates und dessen Verantwortlichkeit im Bereich der sozialen Sicherung ab. Im wesentlichen trafen dabei die gesellschaftlichen Projekte 18 der Konservativen, der Altliberalen und der konfessionellen Parteien auf der einen und der RadikalLiberalen und Sozialdemokraten auf der anderen Seite aufeinander.

Das konfessionell geprägte Projekt, repräsentiert durch den langjährigen Sozialminister Talma, trat für eine von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragene obligatorische Alters- und Invaliditätsversicherung ein. Dabei wurde dem Staat durchaus das Recht zugebilligt, in die Arbeitsbeziehungen einzugreifen, da die Arbeiter aufgrund der industriellen Produktionsbedingungen einer größeren Gefl:ihrdung ausgesetzt seien. Eine Versicherungslösung habe in diesem Zusammenhang den Vorzug, daß dem Arbeiter die spätere Rente als aufgeschobenes Erwerbseinkommen zufließe und nicht als staatliches Almosen 19. Demgegenüber vertraten die Sozialdemokraten die Ansicht, die Arbeiter hätten ein unteilbares Recht auf ihren Lohn, der jedoch zu gering sei, um ein Auskommen im Alter zu gewährleisten. Da die Unternehmer die Verantwortung ablehnten, sei der Staat gefordert, jedem Arbeiter eine durch Kapitalbesteuerung fmanzierte Staatsrente zu gewähren20 . Die Radikal-Liberalen sprachen sich dafür aus, den Kreis der Sozialversicherten über die Arbeiterschaft hinaus auszudehnen, da der Staat als Verantwortlicher für das Wohlergehen aller GeseIlschaftsmitglieder auch jenen Gruppen ein Auskommen garantieren müsse, die niemals über die Möglichkeiten verfugten, sich gegen einen Verlust von Einkommen zu versichern21 . Bis 1918 blockierten sich beide Blöcke so wirkungsvoll, daß keine allgemeine gesetzliche Regelung zustande kam. So verhinderte die Abwahl der kon18 Vgl. Roebroek (1991). Unter einem gesellschaftlichen Projekt versteht Roebroek ein mehr oder minder kohärentes System sozio-ökonomischer, kultureller, politischer und ideologischer Auffassungen und Ideen über die Sozialordnung und den spezifischen Charakter des Verhältnisses zwischen Staat und Gesellschaft; vgl. RoebroeklHogenboom (1991), S. 21. 19 Vgl. Roebroek(1991), S. 15. 20 Vgl. Roebroek(1991), S. 15. 21 Vgl. Roebroek(l991), S. 15.

106

4. Rechtsgrundlagen, Grundprinzipien, historische Entwicklung

servativen Regienmg 1913 die Durchführung der im Parlament bereits gebilligten Gesetze nach den VorstellWlgen Talmas. Der von der linken Mehrheit in der Zweiten Kammer des Parlaments begeistert aufgenommene Vorschlag des radikal-liberalen Sozialministers Treub, jedem Einwohner ab 70 Jahren eine bedürftigkeitsgeprüfte Staatsrente zu gewähren, wurde von einer rechten Mehrheit in der Ersten Kammer abgelehnt Wld war mit der Abwahl des liberalen Kabinetts 1918 endgültig vom Tisch22 . Allerdings gelang es den Sozialdemokraten 1913, eine parlamentarische Mehrheit für das Inkrafttreten einer ZusatzregelWlg zu den abgelehnten Talma-Gesetzen zu gewinnen, die einer großen Anzahl von Niederländern über 70 Jahren eine staatliche Altersrente einbrachte. Auf diese Weise wurde wenigstens "ein kleines Stück Staatsrente"23 eingeführt. In den Parlamentswahlen von 1918 erlitten die Liberalen schwere Verluste, Sozialdemokraten Wld Konfessionelle gewannen deutlich hinzu. Die neue konfessionelle Regienmg griff die Gesetzentwürfe Talmas auf Wld verabschiedete sie noch im darauffolgenden Jahr. Das Invaliditätsversichenmgsgesetz (lnvaliditeitswet) sah eine obligatorische, lohnbezogene Versichenmg für Arbeiter gegen die Risiken von Invalidität Wld Alter vor, die durch Arbeitgeberbeiträge Wld Staatszuschüsse finanziert wurde. Daneben bot die Altersversichenmg (Ouderdomswet) allen Einwohnern die Möglichkeit einer freiwilligen Zusatzversichenmg, wobei Personen, die das 65. Lebensjahr zu jenem Zeitpunkt bereits erreicht hatten, eine geringe LeistWlg aus dieser Versichenmg erhielten, ohne jemals Beiträge entrichtet zu haben24 . Auf diese Weise war eine EntscheidWlg zugWlsten eines am Bismarckschen Vorbild orientierten Versichenmgsprinzips als Strukturmerkmal der niederländischen Sozialversichenmg gefallen. Lediglich über die Trägerschaft wurde weiterhin gestritten. Insbesondere die endgültige FassWlg des Krankenversichenmgsgesetzes (Ziektewet) aus dem Jahre 1930 eröffnete schließlich den zwischenzeitlich auf kollektivrechtlicher Gnmdlage entstandenen privaten WirtschaftsvereinigWlgen (bedrijfsverenigingen) die Möglichkeit einer MitbeteiligWlg25. Damit entsprach man den Prinzipien der Subsidiarität aus der katholischen Lehre Wld der Souveränität im eigenen Kreis, die von protestantischer Seite entwickelt worden war26 . Die protestantische AuffassWlg ging davon aus, daß die Gesellschaft in einzelne Lebenskreise wie Familie Wld Unternehmen aufgeteilt sei, die alle ei22 Vgl. hierzu Roebroek (1991), S. 15 - 16 sowie auch Veldkamp (1978), S. 66 - 71. 23 Roebroek(1991), S. 16. 24 Vgl. Roebroek (1919), S. 17 und Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S.3.

25 Zur Auseinandersetzung über die Trägerschaft im Bereich der Krankenversicherung vgl. besonders de Leede/Schulte (1979), S. 24. 26 Vgl. Roebroek (1991), S. 17 sowie Buunk (1989), S. 110.

4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien

107

ner eigenen Autorität unterständen und vor Staats eingriffen zu bewahren seien. Nach dem Subsidiaritätsprinzip der katholischen Sozialphilosophie ist jede staatliche Tätigkeit ihrem Wesen nach nur unterstützend und erst dann gefordert, wenn untere gesellschaftliche Einheiten nicht in der Lage sind, ihre Funktionen zu erfiillen. Beide Prinzipien liefen darauf hinaus, den Einfluß des Staates so weit wie möglich zu begrenzen. Auf dem Gebiet der Invaliditäts- und Alterssicherung zeigten sich sehr bald die Defizite der gewählten Versicherungslösung. Die Leistungen des obligatorischen Systems waren äußerst gering, die Zahl der freiwillig Versicherten im zusätzlichen Alterssicherungssystem nahm besonders zur Zeit der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 30er Jahre dramatisch ab und gleichzeitig verschlechterte sich die Lage unter den kleinen Selbständigen infolge einer fehlenden Versicherung immer mehr27 . Dies alles belebte erneut die Diskussion um die Ausgestaltung der Alterssicherung, bis dann der 11. Weltkrieg und die deutsche Besetzung dem geregelten politischen Leben ein Ende setzten. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Alterssicherung wie der Sozialpolitik allgemein war bis zum 11. Weltkreig durch eine fragmentarische, halbherzige Gesetzgebung gekennzeichnet. Retardierend wirkte dabei sicherlich die traditionell tragende Rolle der konfessionellen Kräfte, die einer staatlichen Lösung grundsätzlich skeptisch gegenüberstanden. Nicht nur Parteien, auch Gewerkschaften und andere Verbände orientierten sich stark an konfessionellen Richtlinien. Dies war Ausdruck einer tiefgreifenden sogenannten Versäulung (verzuiling) der niederländischen Gesellschaft, d. h. einer Aufgliederung der Gesellschaft in voneinander abgeschottete weltanschauliche, insbesondere konfessionelle Blöcke, die aber nebeneinander gleichzeitig eine stabiliserende Wirkung auf die Gesellschaft ausübten. Auch die sozial-ökonomischen Konflikte fanden innerhalb dieser versäulten Gesellschaft statt und blieben dadurch immer etwas gedämpft28 . 4.2.2 Die Entwicklung nach dem 11. Weltkrieg: Das Zustandekommen des AOW Der Durchbruch zu einer modemen Sozialgesetzgebung gelang erst nach dem 11. Weltkrieg. Von großer Bedeutung fiir die weitere Entwicklung war der Beveridge-Report und die darin zum Ausdruck kommenden Leitideen einer universellen Sicherung und der Garantie eines nationalen Minimums29 .

27 Vgl. Roebroek (1991), S. 17 - 18. 28 Vgl. de Swaan (1993), S. 233. 29 Vgl. dazu Döring (I 992b).

108

4. Rechtsgrundlagen, Grundprinzipien, historische Entwicklung

Unter dem Einfluß des Beveridge-Reports rief die niederländische Exilregienmg in London die sogenannte Van Rhijn-Kommission ins Leben, um Richtlinien für das zukünftige System der sozialen Sicherheit erarbeiten zu lassen 30 . Ausgehend von der Vorstellung einer allgemeinen Fürsorgepflicht des Staates für seine Bürger plädierte die Kommission in ihrem Bericht von 1945 für ein nationales Versichenmgssystem für alle Einwohner, für eine Vereinheitlichung der Organisation und für die Einfiihrung von Mindestleistungen, die allen Einwohnern zustehen sollten und die an einen festzulegenden Mindestlohn zu koppeln seien3l . Mit dem Vorschlag einer Finanzienmg durch einkommens abhängige Beiträge ging man dabei noch über die Ideen Beveridges hinaus, der pauschale Beiträge vorgeschlagen hatte 32 . Die Vorschläge der Van RhijnKommission wurden in der politischen Auseinandersetzung nach dem Krieg von den Sozialdemokraten und ihrer Gewerkschaft unterstützt. Demgegenüber hielt der konfessionell-liberale Block an der Aufrechterhaltung der lohnbasierten Arbeitnehmerversichenmgen und einer korporatistischen Organisationsstruktur fest und konnte diese Vorstellungen im Organisationsgesetz über die Sozialversichenmgen (Organisatiewet Sociale Verzekering) von 1952 noch einmal durchsetzen 33 . Die praktische Bewältigung des Problems der Alterssichenmg erfolgte jedoch abseits dieser eher gnmdsätzlichen Debatten. Aus dem Bestreben heraus, die vorhandene Notlage älterer Menschen rasch zu beseitigen, brachte der Sozialminister und Führer der Sozialdemokraten Drees schon 1947 das Altersrentennotgesetz (Noodwet Ouderdomsvoorziening) ein, das im Sinne der Vorschläge der Van-Rhijn-Kommission allen notleidenden Alten mit Ausnahme verheirateter Frauen eine steuerfinanzierte, bedürftigkeitsgeprüfte Rente zusprach34 . Damit war der erste Schritt auf dem Wege zu einem universellen Sichenmgssystem getan. Dieses Rentensystem wurde auf Anhieb äußerst populär und öffnete trotz der weiterhin bestehenden Vorbehalte der Konfessionellen den Weg zu einem universellen Sozialversichenmgssystem, den späteren Volksversichenmgen. Vor diesem Hintergnmd befürwortete schließlich eine zweite, um Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ergänzte Kommission, die gemischte Van Rhijn-Kommission, eine universelle Sozialversichenmg im Fall der Alterssichenmg, lehnte diesen Gedanken aber hinsichtlich anderer Bereiche ab. Auf dieser Gnmdlage gelang es dem Sozialminister Suurhoff, die Konfessionellen zur Zustimmung zu einem Alterssichenmgssystem zu bewegen, 30 Vgl. Veldkamp (1978), S. 91. 3l Vgl. Roebroek (1991), S. 18 und Veldkamp (1978), S. 91 ·94. 32 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 30. 33 Vgl. Roebroek(1991), S. 18·19. 34 Vgl. Roebroek (I 991), S. 19.

4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien

109

welches vorsah, allen Männem und alleinstehenden Frauen im Alter Pauschalleistungen zu gewähren, deren Niveau jedoch zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreichen sollte. Damit blieb weiterhin Raum für die bestehenden betrieblichen Zusatzrentensysteme. Die Finanzierung erfolgte über einkommensabhängige Beiträge. 1957 trat damit das Allgemeine Altersversicherungsgesetz AOW (Algemene Ouderdomswet) in Kraft, das vorher im Parlament mit überwältigender Mehrheit verabschiedet worden war. Die Konfessionellen ließen sich bei ihrer Zustimmung von der Überzeugung leiten, daß mit der allgemeinen Beitragspflicht ein Wesenselement einer Versicherungslösung enthalten war. Noch vor Verabschiedung des AOW traten zwei wichtige Gesetze in Kraft, die den Bereich der betrieblichen Zusatzrenten regelten: das Gesetz über die Pflichtteilnahme an einem Branchementenfonds BPF (Wet verplichte deelneming in een bedrijftpensioenfonds) von 1949, das dem Staat die Möglichkeit eimäumt, die Teilnahme an einem Branchementenfonds verbindlich vorzuschreiben, und das Renten- und Sparfondsgesetz PSW (Pensioen- en Spaarfondsenwet) PSW von 1954, das den Arbeitgeber fiir den Fall, daß er ein Zusatzrentensystem eingerichtet hat, auf die Einhaitung bestimmter organisatorischer Regeln verpflichtet 35 . Die Verabschiedung des AOW als erstes Volksversicherungsgesetz markierte aber den entscheidenden Durchbruch auf dem Weg zu einem staatlich garantierten Existenzminimum für alle Einwohner36 . Zwei Jahre nach Inkrafttreten des AOW folgte das Allgemeine Witwen- und Waisengesetz A WW (Algemene Weduwen- en Wezenwet)37 und 1965 das Allgemeine Sozialhilfegesetz ABW (Algemene Bijstandswet), das jedem Niederländer die Aufstockung seines Einkommens bis zu einem festgelegten sozialen Minimum ermöglichte. Im darauffolgenden Jahr hob man die Leistungen nach dem AOW auf das Niveau der Sozialhilfe an 38 .

35 Vgl. zu den historischen Hintergründen der Zusatzrenten auch die Ausführungen in den Abschnitten 5.3.1.1 und 5.3.2.1. 36 Vgl. zur Übersicht über die Entwicklung der jüngeren Sozialgesetzgebung Tabelle 4.1. 37 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 15. 38 Verheiratete erhielten danach gemeinsam 70 % des Bruttomindestlohnes für industriearbeiter; vgl. Roebroek (1991), S. 21.

110

4. Rechtsgrundlagen, Grundprinzipien, historische Entwicklung

Tabelle 4.1

Wichtige Gesetze auf dem Gebiet der sozialen Sicherung mit dem Jahr der Einflihrung

Gesetze

Jahr der Einfiihrung

Krankenversicherungsgesetz ZW

1930

Organisationsgesetz über die Sozialversicherungen OSV

1952

Allgemeines Altersversicherungsgesetz AOW

1957

Allgemeines Witwen- und Waisengesetz AWW

1959

Allgemeines Kindergeldgesetz AK W

1963

Allgemeines Sozialhilfegesetz ABW

1965

Krankenkassengesetz ZFW

1966

Gesetz über die Erwerbsunfähigkeitsversicherung WAO

1967

Allgemeines Gesetz für besondere Krankheitskosten A WBZ

1968

Allgemeines Erwerbsunfähigkeitsgesetz AA W

1976

Arbeitslosenversicherungsgesetz WW

1952/1987

Zuschußgesetz TW

1987

Gesetz über die Einkommenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger, arbeitsloser Arbeitnehmer IOA W und Gesetz über die Einkommenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger, ehemaliger Selbständiger IOAZ

1987

Gesetz über die Beitragserhebung bei den Volksversicherungen

1990

Gesetz über die Koppelung von Mindestlohn und Sozialleistungen an die Lohnentwicklung mit der Möglichkeit der Abweichung WKA (früher WAM)

1991 (1979)

Quelle: De Kam/Sterks/Veldkamp (1989), S. 49 und eigene Ergänzungen.

1968 wurde das Gesetz über den gesetzlichen Mindestlohn als Kalkulationsgrundlage für alle Sozialversicherungsleistungen verabschiedet, woraufhin die AOW-Renten in der Folgezeit strukturell erhöht wurden, bis sie 1973 das Niveau des Nettomindestlohnes erreichten39 . Seit 1975 sind sämtliche sozialen 39 Vgl. dazu Tabelle A-4.1 im Anhang.

4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien

111

Nettomindeststandards auf 100 % des Nettomindestlohnes fiir verheiratete Arbeitnehmer über 23 Jahren festgesetzt4° und seit 1979 durch das Gesetz über die Anpassungsmechanismen WAM (We! Aanpassingsmechanismen Minimumloon en sociale uitkeringen) mit einer Koppelung an die Nettolohnentwicklung versehen. Als letzte Volksversicherung wurde 1976 das Allgemeine Erwerbsunfahigkeitsgesetz AA W verabschiedet, das die Arbeitnehmerinvaliditätsversicherung nach dem WAO (We! op de Arbeidsongeschiktheidsverzekering) ergänzte. Parallel zu den Volksversicherungen wurden die Arbeitnehmerversicherungen entwickelt, die sich im Unterschied zu diesen im wesentlichen auf Arbeitnehmer beschränken und zudem einen viel engeren Bezug zwischen Beiträgen und Leistungen aufweisen als die Volksversicherungen. Sie stehen damit dem Bismarckschen Systemtypus nahe. Das Nebeneinander von Arbeitnehmerversicherungen und Volksversicherungen ist eine eigenständige niederländische Entwicklung und gilt als Wesensmerkmal des niederländischen Systems der sozialen Sicherung. Begünstigt wurde der Ausbau des Sozialstaates durch eine lange Periode des wirtschaftlichen Wachstums, die bis in die 70er Jahre anhielt. Die Ausbauphase endete aber zu Beginn der 80er Jahre. Seither zielt die Politik auf eine Begrenzung der Sozialausgaben ab. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß in der Auseinandersetzung um den prinzipiellen Charakter des niederländischen Systems der sozialen Sicherheit im Ganzen und des Alterssicherungssystems im Speziellen alle grundsätzlichen Entscheidungen zugunsten des Versicherungsprinzips getroffen wurden, jedoch in der Praxis die Unzulänglichkeiten der Versicherungslösung Maßnahmen erforderten, die den Weg zu jenem universellen System mit ausgeprägten Versorgungselementen ebneten, das die Niederlande heute kennzeichnet4 l . Aus dem Zusammenspiel zwischen einem politischen Pragmatismus und den grundsätzlichen Auseinandersetzungen der gesellschaftlichen Projekte erklärt sich die Ausgestaltung des heutigen Systems der gesetzlichen Alterssicherung , deren Entwicklung darüber hinaus richtungweisend war fiir das Gesamtsystem der sozialen Sicherung in den Niederlanden42 . Der Wandlungsprozeß zu einem ausgebauten Wohlfahrtsstaat war begleitet von einem allmählichen, aber stetigen Wandel der Einstellungen v. a. bei den dominierenden konfessionellen Kräften. Dort unterstützte man seit dem Aufkommen der sozialen Frage die Konzeption einer auf Arbeitnehmer beschränkten Versicherungslösung nach Bismarckschem Vorbild, hoffte man auf 40 Vgl. Roebroek(1991), S. 21. 41 Roebroek bezeichnet diesen Prozeß als "Die stille Revolution"; Roebroek (1991), S. 21. 42 Vgl. dazu Roebroek (1991), S. 13 - 22.

112

4. Rechtsgrundlagen, Grundprinzipien, historische Entwicklung

diese Weise gemäß den Prinzipien der Subsidiarität und der Souveränität im eigenen Kreis den Staats einfluß auf das unbedingt notwendige Maß begrenzen zu können. Das Nebeneinander von Volks- und Arbeitnelunerversicherungen ebenso wie die Fragmentierung der Organisationsstruktur sind darauf zurückzuführen, daß sich die Konfessionellen auch nach dem II. Weltkrieg nur ganz langsam und unter dem Druck ihrer eigenen Klientel von dieser Vorstellung lösten43 . Ausschlaggebend für ihre Zustimmung war nicht zuletzt die Überzeugung, daß oberhalb der gesetzlichen Regelungen genügend Raum für nichtstaatliche Formen der sozialen Sicherung blieb, insbesondere für die betriebliche oder branchenbezogene Zusatzrentenversorgung. 4.2.3 Grundprinzipien des AOW Das AOW beinhaltete die entscheidenden Grundsätze der staatlichen Alterssicherungspolitik, die richtungweisend waren für die Entwicklung des gesamten sozialen Sicherungssystems. Kennzeichnend für das AOW ist die Synthese aus Versicherungselementen und Elementen einer Staatsbfugerversorgung. So dokumentiert sich im AOW der Grundsatz der Universalität in einem sehr weiten Sinne. Der Kreis der einbezogenen Personen erstreckt sich auf alle Einwohner, unabhängig von ihrem Familienstand und ihrer Stellung auf dem Arbeitsmarkt. Einschränkend ist allerdings festzuhalten, daß lange Zeit verheiratete Frauen von einem eigenen Rentenanspruch ausgeschlossen waren. Ausdruck eines sehr traditionellen Familienbildes waren ferner die Beitragspflicht, die sich im wesentlichen auf den Ehemann als Alleinverdiener richtete, und die Differenzierung der Leistungssätze nach dem Familienstand anstelle etwa einer pauschalen Bemessung pro Kopf. Sicherungseinheit war somit das Ehepaar. Dieser Grundsatz prägt das AOW auch in seiner heutigen Gestalt. Der zweite zentrale Grundsatz des AOW bestand in der Mindestsicherung, dem die Pauschalrenten dienen sollten. Das Leistungsniveau war anfangs bewußt unterhalb dessen gehalten, was als existenzsichernd anzusehen war. Dies entsprach den Vorstellungen der konfessionellen Kräfte, die den Bereich staatlicher Sicherung möglichst zu begrenzen suchten. Die elementaren Grundprinzipien des AOW wurden jedoch nicht durch eine Staatsbfugerversorgung, sondern durch ein System zu realisieren versucht, das sich als Sozialversicherung verstand. Ein wesentliches Element des Versicherungsprinzips ist v. a. die Finanzierung über einkommensabhängige 43 Vgl. Roebroek(l991), S 22.

4.2 Historische Entwicklung und Grundprinzipien

113

Beiträge der Versicherten. Diese fließen einem speziellen Fonds als zweckgebWldene, nur der AlterssichefWlg dienende Mittel zu. Im Leistungsrecht ist der Verzicht auf eine Bedürftigkeitsprüfung ebenfalls als Ausdruck des VersichefWlgsgedankens anzusehen. Das VersichefWlgsprinzip scheint jedoch im Laufe der Zeit immer stärker an Bedeutung zu verlieren. So fiihrten die KonsolidiefWlgsbemühWlgen bei den Sozialausgaben seit den 80er Jahren keineswegs zu einer stärkeren AkzentuiefWlg von VersichefWlgselementen. Die EntwicklWlg weist eher in die entgegengesetzte Richtung. Die Systemreform von 1985 brachte im Bereich der gesetzlichen AlterssichefWlg neben der Gleichstellung der Frau beispielsweise auch die Einfiihrung einkommensgeprüfter Leistungsbestandteile mit sich44 . Damit entfernt man sich ein weiteres Stück vom VersichefWlgsprinzip. Die Abkehr setzte sich schließlich mit der 1990 vollzogenen Integration der Beitragserhebung für die VolksversichefWlgen in das Einkommensteuersystem fort4 5.

44 Vgl. hierzu Kapitel 5.2.2.1.2. 45 Nach Roebroek ist damit "die letzte Bastion des Versicherungsprinzips" gefallen; Roebroek (1991), S. 21. 8 POhler

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung in den Niederlanden 5.1 Einordnung der Alterssicherung in das Gesamtsystem der sozialen Sicherung in den Niederlanden 5.1.1 Überblick über das Gesamtsystem der sozialen Sicherung in den Niederlanden 5.1.1.1 Sicberungsbereicbe

Bevor wir uns der Alterssicherung zuwenden, soll zum besseren Verständnis vorab das Gesamtsystem der sozialen Sicherung in den Niederlanden kurz vorgestellt werden, in das sich die Alterssicherung einordnet. Das System der sozialen Sicherung wird üblicherweise in vier Bereiche gegliedert I : (1) Sozialversicherungen (sociale verzekeringen).

Nach dem Kreis der Gesicherten wird zwischen Volksversicherungen lUld Arbeitnehmerversicherungen lUlterschieden. Die Volks versicherungen bieten der gesamten Wohnbevölkerung eine Absicherung auf Grundsicherungsniveau gegen die wichtigsten sozialen Risiken Alter, Tod lUlter HinterlasslUlg Angehöriger, Invalidität, Kosten bei schweren lUld langandauernden Krankheiten, einschließlich PflegebedÜTftigkeit, lUld Kosten für Kinder. Die einschlägigen Gesetze sind das Allgemeine Altersversicherungsgesetz AOW, das Allgemeine Witwen- lUld Waisengesetz A WW, das Allgemeine Erwerbsunfähigkeitsgesetz AA W, das Allgemeine Gesetz für besondere Krankheitskosten A WBZ lUld das Allgemeine Kindergeldgesetz AKW2.

I Diese Einteilung liegt dem jährlichen Bericht des niederländischen Sozialministeriums an das Parlament zugrunde; vgl. etwa Pieters (1990), S. 181, ebenso die Abgrenzung bei de Kam/SlerkslVeldkamp (1989), S. 22. An diese Einteilung knüpft auch die offizielle Sozialstatistik an; vgl. statt vieler Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 184 - 185. 2 Nach der vollständigen Übernahme der Kindergeldfinanzierung durch Mittel des Staatshaushalts im Jahre 1989 werden in der amtlichen Statistik die AK W-Leistungen unter den Fürsorgeleistungen aufgeführt; vgl. Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 185.

5.1 Einordnung in das Gesamtsystem der sozialen Sicherung

115

Die Arbeitnehmerversicherungen schützen darüber hinaus Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft und damit gleichgestellten Sektoren3 gegen Lohnausfall bei Invalidiät (WAO), Krankheit (Krankengeldgesetz ZW4) und Arbeitslosigkeit (Arbeitslosenversicherungsgesetz WW5), wobei die Leistungen im Unterschied zu den Volks versicherungen in Beziehung zum früheren Lohn stehen. Ebenfalls zu den Arbeitnehmerversicherungen wird zudem die Krankenversicherung nach dem Krankenkassengesetz ZFW6 gerechnet. Kennzeichnend für Arbeitnehmer- und Volksversicherungen ist die vorherrschende Finanzierung aus einkommensabhängigen Beiträgen im Wege des Umlageverfahrens. (2) Soziale Fürsorgeregelungen (sociale voorzieningen). Soziale Fürsorgeregelungen grenzen sich von den Sozialversicherungen dadurch ab, daß sie ausschließlich aus allgemeinen öffentlichen Deckungsmitteln finanziert werden7. Die bedeutendste Fürsorgeregelung ist die Sozialhilfe nach dem Allgemeinen Sozialhilfegesetz ABW, mit deren Hilfe jeder Person ein Einkommen in Höhe des gesetzlich festgelegten sozialen Minimums garantiert werden soll. Hinzu kommt noch eine Reihe weiterer auf einzelne Risikotatbestände oder bestimmte Risikogruppen besonders zugeschnittener Regelungen mit gleicher Zielsetzung8. Des weiteren zählen zu dieser Kategorie noch die sozialen Entschädigungssysteme etwa für Opfer von Krieg und Besatzung. (3) Gesonderte Regelungen für öffentlich Bedienstete (regelingen voor overheidspersoneel). Beamte, sonstige öffentlich Bedienstete und damit gleichgestellte Personengruppen9 fallen nicht unter den Wirkungsbereich der Arbeitnehmerversiche3 Gleichgestellt sind Arbeitnehmer im sogenannten prämierten und subventionierten Sektor, u. a. m Krankenhäusem, Altenheimen und im öffentlichen Verkehrssektor; vgl. de KamlSterks/Veldkamp (1989), S. 22.

4 Ziektewet. Die Versicherungspflicht im ZW ist seit März 1996 aufgehoben; vgl. Deutsche Bank Research (1996), S. 4 - 5. 5 Werkloosheidswet. 6 ZiekteJondswet. 7 Vgl. etwa de KamlSterks/Veldkamp (1989). S. 24 - 25, ebenso Pieters (1990), S. 181. 8 Zu dieser Kategorie zählen u. a. noch das Gesetz über die Einkommenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger, arbeitsloser Arbeitnehmer (I0AW, Wet lnkomensvoorziening Oudere en gedeeltijk Arbeidsongeschikte werkloze Werknemers), das Gesetz über die Einkommenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger ehemaliger Selbständiger (IOAZ, Wer Inkomensvoorziening Oudere en gedeeltijk ArbeidsongeschikJe gewezen Zeljsrandigen). das Zuschußgesetz (TW, Toeslagenwer) und die auf dem Sozialhilfegesetz basierende Reichsgruppenregelung für arbeitslose Arbeitnehmer (Rww, Rijksgroepsregelmg werkloze werknemers). 9 Hierzu zählen alle Personen, die in einem öffenthch-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, und bestimmte Personengruppen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlichrechtlichen, zum Teil sogar zu einer privatrechtlichen Institution stehen; vgl. Pieters (1991), S. 8'

116

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

nmgen Wld der Volksversichenmg gegen Invalidität. Für sie gelten statt dessen SonderregelWlgen mit zum Teil generellem Charakter wie bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder andauernder ErwerbsWlfähigkeit Wld zum Teil Sondercharakter wie die Systeme für Beschäftigte der Bahngesellschaft, Angehörige der Streitkräfte usw. lO . Der große Bereich der Zusatzrenten im Falle von Alter, Tod Wld zum Teil für Invalidität, insbesondere für Beamte nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Rentengesetz ABPW (Algemeen Burgerlijk Pensioenwet), wird hienmter im allgemeinen jedoch nicht erfaßt. (4) Zusatzrentenversichenmgen (pensioenverzekeringen) des privaten Wld öffentlichen Sektors zuzüglich der tarifvertraglieh begründeten sonstigen ZusatzleistWlgen (bovenwettelijke regelingen) Wld des Vorruhestandes (VUT). Eine große Bedeutung haben die nicht-staatlichen Zusatzrentenversichenmgen bei berufs-, branchen- bzw. Wlternehmensbezogenen Rentenfonds oder bei Lebensversichenmgen 11. Kennzeichnend ist die Finanzienmg der Leistungen im Wege des KapitaldeckWlgsverfahrens. Zu erwähnen sind in diesem Kontext auch weitere in der Regel kollektivrechtlich vereinbarte Zusatzleistungen der Unternehmen, die eine AufstockWlg der gesetzlichen Leistungen bei Krankheit, Invalidität oder Arbeitslosigkeit vorsehen 12. Ebenfalls meist tarifvertraglieh begründet sind die VUT -VorruhestandsregeIWlgen, die darauf abzielen, dem Arbeitnehmer ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben durch ZahlWlg einer am letzten Lohn orientierten Leistung zu ermöglichen.

Im niederländischen System der sozialen Sichenmg kommt dem gesetzlichen Mindestlohn eine zentrale Bedeutung zu. Dieser bildet die Gnmdlage für die FestlegWlg des sozialen Minimums, das als ein staatlich garantiertes Mindesteinkommen angesehen werden kann. An dieser Mindestnorm orientieren sich sowohl die Leistungssätze für die Fürsorgeleistungen als auch für die Volksversichenmgen. Das soziale Minimum für eine Familie entspricht dem Nettomindestlohn eines verheirateten Arbeitnehmers über 23 Jahren, für Alleinstehende sind 70 % dieses Normbetrages vorgesehen, für Alleinerziehende 90 %13. Der gesetzliche Bruttomindestlohn wurde zum 1.1.1992 auf 2.133,30 f

354, Fußnote 12. Zur Begriffsabgrenzung im Hinblick auf das Sozialrecht vgl. auch de Leedelvan W!/nbergen (1981), S. 131 - 146. 10 Vgl. Pielers (1991), S. 354. 11 Vgl. Sociaal-Economische Raad (1990), S. 100. 12 Fast flächendeckend sind derartige Leistungen für den Bereich der Krankengeldversicherung verbreitet, wesentlich seltener findet dagegen eine Aufstockung des Arbeitslosengeldes statt; vgl. de KamiSlerks/Veldkamp (1989), S. 40. 13 Vgl. etwa de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 24 und 82.

117

5.1 Einordnung in das Gesamtsystem der sozialen Sicherung

pro Monat festgesetzt l4 . Der Mindestlohn beträgt damit etwas mehr als die Hälfte des Durchschnittslohnes 15. Die quantitative Bedeutung der angesprochenen Bereiche des sozialen Sicherungssystems läßt sich aus Tabelle 5.1 erschließen. Tabelle 5.1 Übersicht über den Finanzaufwand .-ur die Teilbereiche der sozialen Sicherheit in den Niederlanden Kategorie

Sozialversicherungen Soziale Fürsorge

Ausgaben in Mio. f

Index für 1992

(in Klammem in % der Gesamtausgaben)

(1980 = 100)

1980

1985

1990

1991

1992

73.208

86.208

105.50

112.762

121.322

166

(72,6 %) (67,8 %) (67,6 %) (68,3 %) (68,8 %) 10.754

18.820

21.133

21.341

22.064

205

(10,7 %) (14,8 %) (13,5 %) (12,9 %) (12,5 %) Regelungen für öffentlich Bedien-

4.954

4.838

6.614

6.553

6.616

(4,9%)

(3,8 %)

(4,2 %)

(4,0 %)

(3,8 %)

11. 935

17.353

22.895

24.428

26.420

134

stete (ohne ABP) Zusatzrentenversicherungen (einschl.

221

(11,8 %) (13,6 %) (14,7 %) (14,8 %) (15,0 %)

ABP) Gesamtausgaben

100.851

127.218

156144

165.084

176.422

insgesamt (einschl.

(100 %)

(100 %)

(100 %)

(100 %)

(100 %)

175

Zusatzrentenversicherungen)

Quelle: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 184 - 185 und eigene Berechnungen.

Der größte Finanzaufwand entfallt dabei mit weitem Abstand auf die Sozialversicherungen, darunter vor allem auf die Regelungen für Alter und Gesundheit mit zusammen über 40 % der Gesamtausgaben. Gemeinsam mit den Fürsorgeregelungen nehmen die Sozialversicherungen mehr als 80 % der Gesamtausgaben für soziale Sicherheit in den Niederlanden ein, wobei institutionelle Veränderungen zur unterschiedlichen Gewichtung der Einzelkategorien im 14 Der Nettomindestlohn beläuft sich auf 1.714,28 f Vgl. o. V (1991), S 2236. 15 Vgl. etwa Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 123 für den durchschnittlichen Monatslohn über alle Branchen, auch OECD (I993b), S 86 tiir die Modellperson eines durchschnittlichen Industriearbeiters.

118

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Zeitablauf beigetragen haben I 6. Bemerkenswert ist zudem die große und im Laufe der Zeit zunehmende Bedeutung der Zusatzrentenversicherungen, deren Ausgaben sich zwischen 1980 und 1992 ebenso wie die der sozialen Fürsorge mehr als verdoppelt haben, während die Ausgaben für Sozialversicherungen im gleichen Zeitraum unterdurchschnittlich gestiegen sind. 5.1.1.2 Träger und Organisation

Die Trägerschaft der sozialen Sicherung in den Niederlanden ist entwicklungsgeschichtlich bedingt durch einen ausgeprägten Korporatismus gekennzeichnet. Der Einfluß staatlicher Organe ist daher seit jeher stark eingeschränkt 17. Die organisatorische Grundstruktur des staatlichen Teils der sozialen Sicherung in den Niederlanden ist in Übersicht 5.1 wiedergegeben. Deutlich wird die starke Stellung der branchenbezogenen Wirtschaftsvereinigungen (bedrijjsverenigingen). Ihnen obliegt die Ausfiihrung der meisten Arbeitnehmerversicherungen 18 sowie zusätzlich der Volksversicherung gegen Invalidität AA W19. Bei den Wirtschaftsvereinigungen handelt es sich um privatrechtliche Körperschaften mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben20 , deren Organe paritätisch mit Vertretern von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften besetzt sind. Zudem ist ihnen das Zuschußgesetz TW21 übertragen, das der Aufstockung der lohnbezogenen Leistungen bei Arbeitslosigkeit, krankheitsbedingtem Lohnausfall oder Invalidität auf das Niveau des sozialen Minimums dient, von Leistungen also, die aus den von den Wirtschaftsvereinigungen verwalteten Systemen stammen. Der Natur nach ist dieses Gesetz jedoch zu den Fürsorgebestimmungen zu rechnen.

16 So wurde 1987 durch das neue Arbeitslosenversicherungsgesetz eine frühere Fürsorgeregelung in den Bereich der Sozialversicherung überführt; vgl. de KamiSterks:'Veldkamp (1989). S 71.

17 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 4.2. 18 Die Ausnahme bildet das ZFW. mit dessen Durchführung etwa fünfzig Krankenkassen beauftragt smd; vgl. de KamiSterkslVeldkamp (1989), S 49. 19 16 der insgesamt 24 Branchenverbände haben ihre Verwaltung einem besonderen Organ, dem Gemeenschappelijk Administratie Kantoor (GAK), übertragen; vgl. de Kam,/SlerkslVeldkamp (1989), S. 50 sowie näheres bei Gemeenschappelijk Administratie Kanloor (1992), S. 10 - 11 und dass. (1994), S. 25 - 26. 20 Vgl. im einzelnen Minislerie van Sodale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 13. 21 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 61.

Krankenkassen

A"""Mi SVB

Wirtschaftsvereinigung

Ausführung

Voll(sversicherungen

Ausführung

Quelle: Voorlichlingscentrum Sodale Verzekering (1992), S. 97.

Wirtschaftsvereinigung

Ausführung

Arbeitnehmerversicherungen

Pnvate Krankenvers.

+

Krankenkassen

Ausführung

Übersicht 5. 1 Organisation der sozialen Sicherung

Wirtschaftsvereinigung

Ausführung

Kommunen

Soziale Fürsorge

120

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Die Durchführung der Fürsorgeregelungen, insbesondere der Sozialhilfe nach dem ABW, liegt ansonsten in den Händen der Sozialämter auf kommunaler Ebene. Das gilt auch für die angefiihrten Regelungen über die Einkommenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger, arbeitsloser Arbeitnehmer (lOA W) und über die Einkommenssicherung älterer und teilweise erwerbsunfähiger ehemaliger Selbständiger (IOAZ)22. Die Krankenversicherung A WBZ wird durch private Krankenversicherungsgesellschaften und Krankenkassen ausgefiihrt. Die Krankenkassen, privatrechtliehe Institutionen unter der Aufsicht des Ministeriums für Wohlfahrt, Volksgesundheit und Kultur, führen außerdem das Krankenkassengesetz ZFW aus. Vor dem Hintergrund der geplanten Reformen im niederländischen Gesundheitswesen 23 ist seit Ende der 80er Jahre eine Welle von Fusionen bei den Krankenkassen zu beobachten. Mit der Leistungsabwicklung der Volksversicherungen für Alter, Hinterbliebene und Kindergeld ist die Sozialversicherungsbank SVB (Sociale Verzekeringsbank) betraut24 . Die Sozialversicherungsbank unterhält seit der Fusion mit den bis dahin existierenden Arbeitsräten (Raden van Arbeid) im Jahre 1988 im ganzen Land 22 Bezirksbüros, die mit der Bearbeitung von Anträgen und der Auszahlung von Renten befaßt sind 25 . Die übergeordnete Hauptgeschäftsstelle (Hoofdkantoor) verwaltet die Vermögensfonds, über die die Einnahme von Beiträgen und die Auszahlung von Leistungen abgewickelt werden; im Falle des AOW ist dies der Allgemeine Altersfonds (Algemeen Ouderdomsfonds). Eine weitere wichtige Aufgabe der Hauptgeschäftsstelle besteht in der Festlegung der jährlichen Beitragssätze zum AOW und A WW; diese erfolgt in Abstimmung mit dem Sozialministerium26 . Die Leitungsgremien der Sozialversicherungsbank, die ursprünglich ein rein staatliches Organ war, werden seit 1956 zu gleichen Teilen durch Vertreter der Arbeitgeberverbände, der Gewerkschaften und des Staates besetzt. Hinzu kommt jedoch ein Vorsitzender, der vom Sozialminister benannt wird 27 . Unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung ist eine weitere Instanz in die Organsiationsstruktur involviert. So werden die Pflichtbeiträge zu den Volksver22 Vgl. im einzelnen Jaspers/Riphagen (1991), S. 174 - 186. 23 Vgl. dazu Abschnitt 5.4.1.2. 24 Eine Sonderrolle spielt die Krankenversicherung AWBZ, mit deren Durchführung private vgl. de Krankenversicherungsgesellschaften und Krankenkassen beauftragt sind; Kam/Slerks/Veldkamp (1989), S. 49. 25 Hinzu kommt noch ein Auslandshüro, das sich um die Belange der im Ausland lebenden Anspruchsberechtigten kümmert; vgl. Sociale Ver:ekeringsbank (1991 a), S. 6 - 7. 26 Ygl. Sociale Verzekeringsbank (1991 b), S 15. Die Kindergeldversicherung wird seit 1989 komplett aus Steuermitteln finanziert; vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 50. 27 Vgl. Mannoury/Asscher-Vonk (1987), S. 185.

5.1 Einordnung in das Gesamtsystem der sozIalen Sicherung

121

sicherungen durch die Steuerbehörde zusammen mit der Einkommensteuer erhoben und anschließend an die jeweiligen Fonds abgeführt 28 . Demgegenüber steht die Erhebung von Beiträgen zu den Arbeitnehmerversicherungen den jeweils zuständigen Wirtschaftsvereinigungen zu29 . Die Wirtschaftsvereinigungen stehen ebenso wie die Sozialversicherungsbank unter der Aufsicht des Sozialversicherungsrates SVr (Sociale Verzekeringsraad), des höchsten Organs der niederländischen Sozialversicherung, der jeweils zu einem Drittel aus Vertretern der beiden Tarifparteien und des Staates gebildet wird 30 . Gleichzeitig fungiert der Sozialversicherungsrat als höchste Beratungsinstanz des Sozialministeriums; in vielen sozialpolitischen Angelegenheiten ist eine vorherige Konsultation gesetzlich vorgeschrieben. Als weiteres wichtiges Beratungsorgan in sozialpolitischen Fragen ist der Sozialökonomische Rat SER (Sociaal-Economische Raad) zu nennen, der nach den gleichen Grundsätzen wie der Sozialversicherungsrat zusammengesetzt ist 31 . Die letztendliche Verantwortung liegt schließlich beim Minister fiir Soziale Angelegenheiten und Beschäftigung.

5.1.2 Der Aufbau der Alterssicherung in funktionaler Betrachtung Ausgehend von dem soeben skizzierten Gesamtsystem der sozialen Sicherung ist eine Reihe von Regelungen an der Alters- und Hinterbliebenensicherung beteiligt. Läßt man freiwillige private Vorsorgemaßnahmen, wie etwa den Abschluß von Lebensversicherungen und andere Formen privater Altersvorsorge zunächst außer Betracht, so ist das System durch einen zweistufigen Aufbau gekennzeichnet, wie in Abbildung 5.1 dargestellt. Näherungsweise wird dort auch der personelle Deckungsumfang der einzelnen Teilsysteme wiedergegeben. Auf der unteren Stufe sichern die Volksversicherungen und ergänzend die Sozialhilfe ein Leistungsniveau, das einem staatlich festgelegten sozialen Minimum entspricht32 . Im Mittelpunkt steht die Volksversicherung nach dem AOW. Diese deckt sowohl das soziale Risiko des Ausfalls von Erwerbseinkommen im Alter als auch das Hinterbliebenenrisiko fiir Personen über 65 Jahren ab.

28 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1991 a), S. 8. 29 Vgl. de KamJSterks/Veldkamp (1989), S. 50. 30 Vgl. de Jong/Herweijerlde Wildt (1990), S. 11. 31 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkge/egenheid (1990a), S. 15. 32 Vgl. etwa de Kam (\988), S. 42.

122

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Aufbau der Alterssicherung in den Niederlanden

Erwerbspersonen

Bevöl-

Nichterwerbspersonen

kerung

Zusatzrenten

Regelsicherung

Staat (ABP u. a.)

Regelungen auf Branchenebene

Regel. auf Untern.ebene

Staatliche Sicherung

Grundsicherung

AOW

(sowie A WW, ABW u. a.)

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 5.1

Darüber hinausgehende Leistungen werden von den ergänzenden nichtstaatlichen Zusatzrentensystemen gewährt. Die Höhe solcher Leistungen richtet sich nach dem früheren Erwerbseinkommen33 . Die Leistungsregelungen sind meist so gestaltet, daß nach einer Versicherungszeit von 40 Jahren unter Berücksichtigung der AOW-Rente 70 % des letzten Bruttolohnes oder 70 % des Durchschnittslohnes im Versicherungszeitraum erreicht werden34 . Bei den Zusatzrentensystemen ist zwischen den öffentlich-rechtlichen, insbesondere dem Allgemeinen Bürgerlichen Pensionsfonds ABP (Algemeen Burgerlijk 33 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989). S. 41. 34 Die Leistungsregelungen im Bereich der Zusatzrenten werden ausführlich in den Abschnitten 5.3.1.3 und 5.3.2.3 behandelt.

5.1 Einordnung in das Gesall'tsystem der sozialen Sicherung

123

Pensioenfonds) fiir Beamte und den privat- bzw. kollektivrechtlichen Systemen zu unterscheiden. Für Arbeitneluner bestehen branchenbezogene Regelungen oder Regelungen auf Unternehmensebene, wobei gegenwärtig etwa 80 % der zusatzversicherten Arbeitneluner unter eine Branchenregelung fallen. Daneben gibt es einige berufsbezogene Zusatzrentensysteme fiir Selbständige und freiberuflich Tätige. Gegenwärtig nelunen mehr als 90 % der abhängig Beschäftigten, einschließlich der Beamten, an einer Zusatzversicherungsregelung teil 3S . Von den Volksversicherungen wird dagegen unabhängig vom Erwerbsstatus des einzelnen die gesamte Wohnbevölkerung erfaßt. Dem AOW und anderen Regelungen auf dem Niveau des sozialen Minimums kommt - in der Terminologie Zachers 36 - die Funktion der Grundsicherung zu, wobei ein universalistischer Ansatz verfolgt wird. Als Grundsicherung wird das bezeichnet, was gemäß eines gesellschaftlichen Konsenses und aufgrund von politischer Entscheidung älteren Menschen allgemein mindestens zukommen soll. Die Bemessung der Grundsicherung ist dabei primär bedarfsorientiert. Die zweite Stufe umfaßt die Rege/sicherung im Bereich der ZlIsatzrentensysterne. Unter Regelsicherung wird eine Leistung verstanden, die älteren Menschen im Regelfall zukommen soll. Die Bemessung der Regelsicherung richtet sich im Unterschied zur Grundsicherungskonzeption an der sozialen Biographie des Gesicherten aus, d. h. an der individuellen Lebensleistung, die sich in Beitragszahlungen oder dem in der Erwerbsphase eneichten Lebensstandard niederschlägt. Die Regelsicherung ist in den Niederlanden im Gegensatz zu vielen anderen Ländern überwiegend nicht staatlich, sondern kollektiv-rechtlich organisiert. Über die Regelsicherung hinausreichende Forn1en von Alterssicherung wäten als Aujbausicherung zu bezeichnen. Dies betrifft in den Niederlanden alle Varianten privater Altersvorsorge oder zusätzlicher betrieblicher Leistungen zur Aufstockung der Zusatzrenten. Eine zumindest große Nähe zur Alterssicherung hat der Bereich der Hinterbliebenensicherung. Die spezifische Absicherung von Hinterbliebenen erfolgt zun1 einen durch die Volksversicherung nach dem Allgemeinen Witwen- und Waisengesetz A WW37 und zum anderen durch betriebliche oder berufliche Zusatzrentenregelungen, einschließlich der Zusatzsysteme fiir öffentlich Bedienstete. Die Renten nach dem A WW, die nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch Witwern zustehen, sind Grundsicherungsleistungen, die am sozia35 Vgl. Pensioenkamer (1987), S. 28. 36 Vgl. dazu Zacher (1991), S. 99 - 104, insbesondere die Definitionen der Sicherungskategorien auf S. 99. 37 Das AWW wird ausführlicher in Abschnitt 5.4.2.2 behandelt

124

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

len Minimum ausgerichtet sind. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres entfällt jeglicher Leistungsanspruch aus dem A WW38, so daß diese Regelung für die Hinterbliebenensicherung im Alter nicht mehr in Betracht kommt; diese Funktion übernimmt dann das AOW. Im Gegensatz zum A WW sehen viele private Zusatzrentensysteme beim Tod des Versicherten eine Versorgung der Witwe, seltener des Witwers vor, auch wenn das gesetzliche Rentenalter bereits erreicht ist. Die Leistungen machen häufig 70 % des Betrages aus, der dem Versicherten als Zusatzrente zustand bzw. bei Teilnahme an der Zusatzversicherung bis zum 65. Lebensjahr zugestanden hätte 39 . Nicht abgebildet ist eine dritte Stufe, die persönlichen Renten, die als Auf bausicherung ergänzend zu dem Sicherungsniveau aus AOW und Zusatzrenten möglich sind oder bei fehlenden Zusatzrentenansprüchen auch die Funktion der Regelsicherung übernehmen können. Zu unterscheiden sind freiwillige Aufbauelemente innerhalb eines Zusatzrentensystems und Leibrenten außerhalb eines kollektiven Zusatzversorgungsplans. In den Niederlanden sind die Möglichkeiten für Zusatzrentenfonds, ergänzende private Altersrentenversicherungen anzubieten, auf bestimmte Zwecke begrenzt. Möglich ist beispielsweise die freiwillige Fortsetzung der Teilnahme an einer Zusatzrentenplan nach dem Ende der Beschäftigung oder der Abschluß von Versicherungen zur Vermeidung von Lücken in der Zusatzrentenversorgung, etwa bei einem Wechsel des Arbeitgebers. Ansonsten können private Altersversorgungspläne mit Lebensversicherungen abgeschlossen werden oder Rentensparpläne bei Banken zu einer Autbausicherung genutzt werden. Dieser Teil der Alterssicherung wird aber im folgenden nicht weiter untersucht40 . Daneben existiert noch eine Reihe weiterer gesetzlicher und kollektiv-rechtlicher Regelungen, die in funktionaler Betrachtung für die Alterssicherung von Bedeutung sind. Zu nennen sind dabei im Bereich der Krankenversicherung die Volksversicherung gegen schwere und langandauernde Krankheiten, einschließlich des Pflegerisikos, nach dem A WBZ und die Arbeitnehmerversicherung gegen sonstige Krankheitskosten nach dem ZFW41. Für Ältere, die die gesetzliche Altersgrenze noch nicht erreicht haben, spielen die zumeist tarifvertraglich begründeten VUT -Vorruhestandsregelungen ebenso eine wichtige Rolle wie die Invaliditätsleistungen nach dem Allgemeinen Erwerbsunfähigkeitsgesetz AAW und nach dem auf Arbeitnehmer bezogenen Gesetz über die

38 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 46. 39 Vgl. Pieters (1991), S. 366. 40 Vgl. für einen Überblick zu den persönlichen Renten die Ausführungen bei Lutjens (1994), S. 38 und Verreth (1994), S. 265 - 266. 41 Die ZFW- Versicherung steht allerdings nur geringverdienenden Arbeitnehmern und auch nur solchen AOW-Rentnern offen, die vorher schon im ZFW versichert waren; vgl. Pieters (1991), S. 367.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

125

Erwerbsunfähigkeitsversicherung WAO. Daneben existieren seit 1987 die im vorigen Abschnitt erwähnten besonderen Gesetze fiir ältere. dauerhaft arbeitslose oder partiell erwerbsunfähige Arbeitnehmer (IOA W) und Selbständige (IOAZ). Beamte werden weder vom AA W noch von irgendeiner Arbeitnehmerversicherung erfaßt; fiir sie bestehen Sonderregelungen42 . Leistungen ohne Altersbeschränkung stellen das Wohngeld nach den individuellen Mietsubventionsgesetzen IHS (Individuele Huursubsidie). das Kindergeld nach dem Allgemeinen Kindergeldgesetz AKW (Algemene Kinderbijslagwet) und die sozialen Entschädigungssysteme etwa fiir Weltkriegs- und Besatzungsopfer4 3 dar. Nach diesem kurzen Überblick über die Grundstruktur des niederländischen Alterssicherungssystems werden nachfolgend die wichtigsten Systeme eingehender beschrieben. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei das staatliche AOW.

5.2 Das AOW als Kernsystem der Alterssicherung Das AOW ist von seinem Finanzvolumen her und aufgrund seiner Stellung im Gesamtsystem der wichtigste Teilbereich der niederländischen Alterssicherung. Die Ausgaben beliefen sich 1992 auf 32,4 Mrd. f (5,7 % des BIP). Das AOW wird daher als Kernsystem der Alterssicherung aufgefaßt. Unter dem Kemsystern wird das größte, obligatorische und staatlich organisierte Alterssicherungssystem verstanden44 . 5.2.1 Anspruchsvoraussetzungen und Deckungsgrad

Das Allgemeine Altersversicherungsgesetz AOW trat 1957 in Kraft. Es beinhaltet eine Pflichtversicherung fiir die gesamte Bevölkerung gegen die finanziellen Folgen des Alters. 5.2.1.1 Anspruchsvoraussetzungen

Der Anspruch auf eine Altersrente dem AOW ist an die Erfiillung von lediglich zwei Voraussetzungen gebunden. Gemäß Art. 7 AOW hat jede Person, die

42 Vgl. Pieters (1991), S. 354. 43 Vgl. hierzu Pieters (1991), S. 354 - 355. 44 Diese Definition wurde unter dem Vergleichsaspekt als Konvention im ASEG-Projekt entwickelt. Der Umstand, daß die Zusatzrentenregelungen bei der Leistungsbemessung einen Einbau der AOW-Rente vorsehen, läßt den Begriff Kernsystem im Falle des AOW als besonders geeignet erscheinen.

126

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

- das 65. Lebensjahr erreicht hat und - zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr versichert gewesen ist grundsätzlich einen Anspruch auf eine AOW-Rente. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nicht.

5.2.1.1.1 Altersgrenze Die erste Voraussetzung besteht im Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Das gesetzliche Rentenalter ist für Männer und Frauen gleich. Am ersten Tag des Monats, in dem der Anspruchsberechtigte das 65. Lebensjahr vollendet, soll die Rentenzahlung einsetzen45 . Es gibt innerhalb des gesetzlichen Systems weder die Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente zu beziehen, noch die Möglichkeit, den Bezug der Rente über das 65. Lebensjahr hinaus aufzuschieben. Begründet wird dies damit, daß die Schaffung derartiger persönlicher Gestaltungsfreiräume nicht mit dem allgemeinen, auf die Gesamtheit der Bevölkerung ausgerichteten Charakter des AOW vereinbar sei 46 . Für Arbeitnehmer sind allerdings Regelungen vorhanden, die ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben finanziell absichern und seit Ende der 70er Jahre zu einem starken Rückzug älterer Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben geführt haben47 . Zu nennen sind hier insbesondere die Invaliditätsversicherung W AO, die arbeitsunfähigen Arbeitslosen bis zu 70 % ihres letzten Bruttolohnes gewährt48 , aber auch die damals sich schnell verbreitenden Vorruhestandsregelungen VUT49, die nach der Erfiillung einer vorgegebenen Beschäftigungszeit meist zwischen 75 % und 80 % des letzten Bruttogehalts ersetzen. Die Altersgrenze in den VUT-Regelungen schwankt zwischen 59 und 64 Jahren, in den meisten Fällen liegt sie bei 62 Jahren. Des weiteren garantieren die speziellen Fürsorgeregelungen IOA W und, im Falle von Selbständigen, IOAZ für erwerbsgeminderte Arbeitslose, die älter als 50 Jahre sind, sowie eine Sonderbestimmung in der Arbeitslosenversicherung WW (Werkloosheidswet) Leistungen in Höhe des sozialen Minimums 50 . Immer wieder wird in den Nieder45 Vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 215. 46 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 24. 47 Vgl. Abschnitt 3.1.1.3. 48 Vgl. Varkevisser, J. (1986), S. 312 und de KamiSlerks/Veldkamp (1989), S. 78 sowie ausführlich zu dieser Problematik Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990b), S. 19 - 22. Bis 1987 lag der Höchstsatz sogar bei 80 % des letzten Verdienstes. Darüber hinaus wurden ungünstige Aussichten des Betroffenen am Arbeitsmarkt bei der Einstufung in die Leistungsklassen berücksichtigt. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 5.4.1.2. 49 Vgl. dazu Abschnitt 5.4.2.4. 50 Nach dem WW verlängert sich die Anschlußzahlung an das Arbeitslosengeld für Arbeitnehmer, die mit mindestens 57 Y, Jahren arbeitslos werden, bis zum 65. Lebensjahr; vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 169.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

127

landen über eine Flexibilisierung der Altersgrenze diskutiert, in letzter Zeit besonders unter dem Aspekt, die Erwerbsquote älterer Arbeitneluner unterhalb der gesetzlichen Altersgrenze zu steigern. Konkrete Maßnalunen sind gegenwärtig aber nicht absehbars I . 5.2.1.1.2 Pflichtversicherung und Kreis der versicherten Personen

Die zweite Voraussetzung fiir einen Leistungsbezug aus dem AOW ist, daß der Betreffende im angegebenen Zeitraum versichert war. Pflichtversichert ist jede Person, die das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht hat und - Einwohner der Niederlande ist oder - kein Einwohner ist, jedoch aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses in den Niederlanden der Lohnsteuerpflicht unterliegt52 . Der zweite Teil der Bestimmung ist bedeutsam fiir Grenzgänger und fiir Ausländer, die in den Niederlanden arbeiten, aber nicht als Einwohner anerkannt werden53 . Einwohner ist derjenige, der innerhalb der Niederlande wohnt, was nach den konkreten Umständen beurteilt wird 54 . Personen, die ihren Wohnsitz aufgegeben haben, aber nach weniger als einem Jahr in die Niederlande zurückkehren, gelten fiir diesen Zeitraum weiterhin als Einwohner55 . Aufgrund einer Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 2 AOW kann durch königlichen Erlaß der Kreis der Versicherten erweitert und auch eingeschränkt werden. Auf diese Weise sind z. B. Niederländer, die im Dienste einer niederländischen Behörde im Ausland oder als niederländische Vertreter in einer internationalen Organisation arbeiten, pflichtversichert und auf der anderen Seite Einwohner, die im Ausland arbeiten und dort sozialversichert sind, von der Versicherungspflicht ausgenommen56 . 5 I Vgl. de Kemp (1992), S. 208 - 216 und Wetenschappelijke Raad voor het Regeringsbeleid (1993), S. 164. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 10.4. Vgl. des weiteren Bolhuis/Oltens/Steenbeek-Vervoort (1987), S. 726 - 728, Bezemer (1988), S 1031 - 1034 sowie Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 a), S. 65 - 70. 52 Vgl. Art. 6 Abs.1 AOW. 53 Etwa in solchen Fällen, in denen die Familie weiterhin im Heimatland verbleibt; vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 29. Die Angehörigen sind in solchen Fällen nicht versichert; vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 39. 54 Ygl. Art. 2 und Art. 3 AOW. Als Grundregel kann gelten, daß der Wohnort derjenige Ort ist, an dem der Betroffene den gesellschaftlichen Mittelpunkt seines Lebens hat. Dabei spielt die soziale und die ökonomische Bindung eine große Rolle; vgl. Opheikens (1985), S. 1204 - 1205 sowie JasperslRiphagen (1991), S. 28. Niederländische Schiffe und Flugzeuge gelten hinsichtlich ihrer Besatzung als Teil der Niederlande; vgl. Art. 3 Abs. 1 AOW. 55 Ygl. Art. 3 Abs. 3 AOW. 56 Vgl. im einzelnen Opheikens (1985), S. 1205 - 1208 bzw. Sociale Verzekeringsbank (1986), S. 3 - 5.

128

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Die Versicherungspflicht beginnt mit dem 15. Lebensjahr. Von diesem Zeitpunkt an ist der Versicherte, sofern er über entsprechendes Einkommen verfUgt, auch beitragspflichtig, und zwar bis zum Ende der Versicherungszeit 57 . Bis zum 65. Lebensjahr kommt man somit auf eine höchstmögliche Versicherungszeit von 50 Jahren, die einen Anspruch auf den vollen AOW-Betrag nach sich zieht. Jedes nichtversicherte Jahr fUhrt zu einer Kürzung des Betrages um jeweils 2 %. Das gleiche gilt fiir jedes Jahr, in dem Beiträge schuldhaft nicht abgefUhrt wurden 58 . Darüber hinaus ist die Beitragszahlung jedoch weder fiir den Anspruchserwerb noch fiir die Höhe der späteren Leistungen maßgeblich; entscheidend sind allein die zugrundeliegenden Versicherungszeiten59 . Eine Wartezeit gibt es im AOW nicht; auch Versicherungszeiten von unter einem Jahr wirken pro-rata-temporis leistungs begründend. 5.2.1.1.3 Freiwillige Versicherung

Für Personen, die zwischen ihrem 15. und 65. Lebensjahr aufgrund eines Auslandsaufenthaltes eine Zeitlang nicht versichert waren, existiert unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, sich freiwillig weiterzuversichern bzw. sich erstmals in das System einzukaufen, um auf diese Weise eine vollständige AOW-Versicherung aufzubauen. Eine freiwillige Weiterversicherung ist nur möglich, wenn sich der Betroffene gleichzeitig im A WW weiterversichert; beim erstmaligen Einkauf in das AOW bedarf es dieser Bedingung nicht 60 . Der Antrag auf freiwillige Versicherung im AOW muß spätestens ein Jahr nach Beendigung der Pflichtversicherung oder, im Falle der erstmaligen Versicherung, ein Jahr nach der Niederlassung in den Niederlanden bei der Sozialversicherungsbank gestellt werden. Die freiwillige Weiterversicherung erfordert zudem, daß der Zeitraum, der durch freiwillige Beiträge belegt werden soll, direkt an den Zeitraum anschließt, fiir den der Betreffende pflichtversichert war61 . Grundsätzlich ist fiir jedes freiwillig zu versichernde Jahr der Höchstbeitrag zu zahlen, der fiir ein solches Jahr in den Niederlanden zu entrichten gewesen wäre 62 . Niederländer und EU-Angehörige müssen lediglich den Beitrag zahlen, den sie auf der Grundlage ihres tatsächlich erzielten Einkommens in den Niederlanden hätten aufbringen müssen, mindestens aber 5 % des Höchstbetrages. Die durch freiwillige Beiträge belegten Zeiträume sind den pflichtversicherten 57 Vgl. Opheikens (1985), S. 1202. 58 Vgl. Art. 13 AOW. 59 Vgl. Pieters (1991), S. 357. 60 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 41. 61 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 28. 62 Vgl. Opheikens (1985), S. 1209.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

129

Zeiten gleichgestellt; sie zählen wie Wohnzeiten. Auf diese Weise läßt sich insbesondere die für die Inanspruchnahme der Übergangsvorteile geforderte sechsjährige Wohnzeit in den Niederlanden erfiillen63 . Bis zum 31.3.1985 war der Ehepartner eines freiwillig Versicherten mitversichert; diese Regelung gilt seitdem nicht mehr64 . Die Bedeutung der freiwilligen Versicherung ist jedoch nur gering. Ein Indikator dafür ist der Anteil der freiwilligen Beiträge am gesamten AOW-Beitragsaufkommen. Dieser Anteil liegt dauerhaft unter I %0 65 .

5.2.1.1.4 Sonderbestimmung Schließlich kennt das AOW, wie andere Volksversicherungen auch, eine Sonderbestimmung für Personen, die aus religiösen Gewissensgründen die Teilnahme an einer Versicherung ablehnen66 . Solche Personen können sich auf Antrag von der Beitragspflicht befreien lassen; sie werden statt dessen mit einem dem Beitrag entsprechenden Einkommensteuerzuschlag belegt. Die spätere Leistung wird dann jedoch nur solange gezahlt, bis die Summe der Leistungen dem Gesamtbetrag der erhobenen Einkommensteuerzuschläge unter Berücksichtigung eines Verzinsungsfaktors entspricht67 .

5.2.1.1.5 Übergangsbestimmungen Hinsichtlich des Anspruchserwerbs enthält das Gesetz Übergangsbestimmungen, von denen umfangreiche intergenerationale Verteilungswirkungen ausgehen68 . Da das AOW 1957 in Kraft getreten ist, wäre die erste vollständige AOW-Rente erst im Jahre 2007 fällig gewesen. Diese Konsequenz wurde jedoch als nicht akzeptabel angesehen, so daß man eine Regelung getroffen hat, wonach die Jahre zwischen dem 15. Lebensjahr eines Betroffenen und dem 1.1.1957 als vollwertige Versicherungsjahre gewertet werden, ohne daß für solche Zeiten Beiträge zu entrichten wären. Davon kann Gebrauch machen, wer die im Gesetz genannteri Voraussetzungen erfiillt, nämlich niederländischer oder gleichgestellter Nationalität zu sein, zum Zeitpunkt der Antragstellung in

63 Vgl. hierzu Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1991), S. 42. 64 Vgl. Opheikens (1985), S. 1209. 65 Vgl. etwa Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 66. 66 Vgl. Art. 47 und 48 AOW. 67 Vgl. Pieters (1991), S. 358 - 359. 68 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 8.2.2.2. 9 Pöhlcr

130

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

den Niederlanden zu wohnen und mindestens sechs Jahre nach dem 59. Geburtstag in den Niederlanden wohnhaft gewesen zu sein69 .

5.2.1.1.6 Individualisierung des Rentenanspruchs Bis zur Systemrefonn (stelselherziening) von 1985 hatte die verheiratete Frau in aller Regel keinen eigenen Anspruch auf eine AOW-Rente 70 ; anspruchsberechtigt war allein der Ehemann. Sobald dieser das gesetzliche Rentenalter erreicht hatte - und nur auf sein Alter kam es an -, erhielt er eine Rente in Höhe des Satzes für Verheiratete. Diese Regelung war Ausdruck der traditionellen Vorstellung vom Familienverband als Sicherungseinheit, die vom alleinverdienenden Mann ökonomisch unterhalten wurde 71. Die zunehmende Erwerbsneigung der verheirateten Frauen seit den 60er Jahren 72 führte dazu, daß diese Vorstellung immer weniger den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach. Erst jedoch unter dem Druck der Dritten EG-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männem und Frauen im gesetzlichen System der sozialen Sicherung wurde den veränderten gesellschaftlichen Umständen Rechnung getragen und die bestehende Regelung abgeschafft 73 . Seitdem hat auch die verheiratete Frau einen eigenständigen Rechtsanspruch auf AOW-Rente 74 , ist andererseits aber auf der Grundlage ihres individuellen Einkommens selbst beitragspflichtig. 5.2.1.2 Deckungsgrad

In Tabelle 5.2 wird die Anzahl der AOW-Rentenbezieher der Zahl der über 65jährigen Personen in der Bevölkerung gegenübergestellt. Dies ist ein Indikator für den personellen Deckungsgrad, den das AOW in der Zielgruppe erreicht. Allerdings ist eine solche Vorgehensweise erst seit der Zuerkennung eines eigenständigen Anspruchs für Frauen, also erst ab 1985, sinnvoll.

69 Vgl. zu den Übergangsbestimmungen die Art. 55-61 AOW sowie zu weiteren Einzelheiten Guasco et al. (1987), S. 19 - 41 und Opheikens (1985). S. 1209 - 1211. Zur Gleichstellung von EU-Bürgern hinsichtlich der Übergangsbestimmungen vgl. Abschnitt 5.2.4 dieser Arbeit 70 Zu den Ausnahmen vgl. Jaspers/Riphagen (1991). S. 209. 71 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. 24 sowie auch de Gier (1985), S. 113. 72 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 56 sowie de Jong/Herweijer/de Wildt (1990), S. 20 -21. 73 Vgl. z. B. Mannoury/Asscher-Vonk(1987), S. 68. 74 AOW-Rentnerinnnen wurde der eigenständige Anspruch nachträglich zuerkannt

131

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

Tabelle 5.2

Deckungsgrad im AOW (1985 -1992) Jahr

Bevölkerung

AOW-Rentenfälle

über 65 Jahre

(in 1.000) Verheiratetea)

Alleinstb)

Deckungsgrad

(in 1.000) Gesamt (I)

(2)

(1):(2)

1985

969

893

1.862

1.739

107,1 %

1986

989

910

1.898

1.774

107,0%

1987

1.014

923

1.934

1.810

106,9 %

1988

1.043

936

1.980

1.845

107,3 %

1989

1.069

946

2.015

1.882

\07,0%

1990

1.089

954

2.043

1.921

106,3 %

1991

1.109

962

2.071

1.959

105,7%

1992

1.130

969

2.099

1.985

105,7 %

Anmerkungen: a)Seit 1987 Ehepartner und Gleichgestellte. b)Seit 1987 einschließlich Alleinerziehenden. Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Auswertungen der Sozialversicherungsbank von 1994 und Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 35.

Es wird deutlich, daß das AOW die Gruppe der über 65jährigen lückenlos abdeckt. Berücksichtigt man, daß etwa 5 - 6 % der AOW-Renten ins Ausland fließen 75 , so ist in allen betrachteten Jahren die Zahl der AOW-Rentner mit der Anzahl der über 65jährigen in der Bevölkerung nahezu identisch, d. h. praktisch jeder über 65jährige in den Niederlanden bezieht eine AOW-Rente. Der hohe Deckungsgrad ist dadurch gewährleistet, daß im AOW im wesentlichen allein auf die Einwohnereigenschaft als anspruchsbegründendes Merkmal abgestellt wird - damit auf ein Kriterium, das relativ problemlos zu erfüllen ist. Im Jahre 1992 wurden etwa 2,1 Mio. AOW-Renten ausgezahlt, davon 1,26 Mio. an Frauen und 843.000 an Männer 76 . Zumeist wird die Rente ungekürzt ausgezahlt, 1992 waren dies mit 1,9 Mio. über 90 % der AOW-Renten. Knapp 10 % der AOW-Rentner erhalten demnach nicht den vollen Rentenbetrag. Aus der Statistik läßt sich nicht ersehen, wie groß in solchen Fällen der Abstand zum

75 1992 waren dies 104.000 Renten; vgl. Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 90. 76 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 85.

132

5. Institutionelle Ausgestaltung derAlterssicherung

vollen Rentenbetrag ist77 . In solchen Fällen besteht prinzipiell die Möglichkeit, das Einkommen bis zum sozialen Minimum durch Sozialhilfe nach dem ABW aufzustocken.

5.2.2 Die Leistungen des AOW: Erstfestsetzung und Niveauanpassung im Zeitablauf 5.2.2.1 Leistungsbestandteile des AOW und Erstfestsetzung der Renten

Bei den AOW-Renten handelt es sich um Pauschalleistungen, die nicht an das frühere individuelle Erwerbseinkommen anknüpfen, son~ern an das politisch festgelegte soziale Minimum. Bei der Leistungsbemessung wird nur nach zwei Kriterien differenziert: nach dem Haushaltszusammenhang des einzelnen und nach der zugnmdeliegenden Versicherungszeit. Die AOW-Rentenleistungen setzen sich aus einem monatlichen Basisbetrag und einem monatlich berechneten, aber in einer Summe einmal jährlich ausbezahlten Urlaubsgeld zusammen. Hinzu kommt ferner eine Abschlußzahlung an die Hinterbliebenen beim Tode des Rentenempfängers. Die Höhe der AOW-Rente ergibt sich formal wie folgt: ZF =//50 =

1

für

0 50

mit JRn

Jahresbruttorente im Jahr n;

ZF

individueller Zeitfaktor;

GRn = staatlich festgesetzter Grundrentennormbetrag fiir das Jahr n; a

Variationsfaktor des Grundrentennormbetrages im Hinblick auf Bedarfsunterschiede zwischen verschiedenen Haushaltstypen; Versicherungszeit/Wohnzeit in Jahren 78 ;

n

Laufindex.

77 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 85. In vielen Fällen ist die Kürzung nur gering: so zählen beispielsweise auch Renten mit unvollständigem Zuschlag für einen erwerbstätigen Partner zu den gekürzten Renten. Vgl. zur Zuschlagsregelung näher Abschnitt 5.2.2.1.2. 78 Auch Versicherungszeiten von unter einem Jahr sind anspruchsbegTÜndend; vgl. Abschnitt 5.2. \.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

133

5.2.2.1.1 Basisbetrag und Urlaubsgeld Die Berechnungsgnmdlage für die Festsetzung der AOW-Renten, wie auch für alle anderen sozialen Grundsicherungsleistungen bildet der gesetzliche Mindestlohn eines verheirateten Arbeitnehmers ab 23 Jahren. Der Mindestlohn wird zugleich für die Anpassung der Leistungen an die wirtschaftliche Entwicklung herangezogen. Der monatliche Bruttomindestlohn wtrrde zwn 1.1.1992 auf 2.133,30 f festgelegt. Daraus ergibt sich nach Abzügen von Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen ein Nettomindestlohn in Höhe von 1.714,28 f. Das monatliche Nettourlaubsgeld beträgt zu jenem Stichtag 93,95 f pro Monat. Die AOW-Renten werden auf der Grundlage des Nettomindestlohns ermittelt. Die AOW-Rente eines Ehepaares wird so berechnet, daß sie nach Abzug von Einkommensteuer und den noch in Frage kommenden Sozialversicherungsbeiträgen genau dem Nettomindestlohn eines verheirateten Arbeitnehmers über 23 Jahren - der Norm des sozialen Minimums - entspricht79 . Davon ausgehend leiten sich die folgenden Leistungskategorien ab, die in Tabelle 5.3 wiedergegeben sind80 , wobei ein vollständiger Rentenanspruch unterstellt wird. Tabelle 5.3 Monatliche AOW-Rentenbeträge pro Person (Stand 1.1.1992) Haushaltstypen

Verheiratetea) (partner ~ 65 1.)

Basisbetrag Urlaubsgeld (brutto) (brutto)

Gesamter Bruttorentenanspruch

Anteil (netto) am Nettomindestlohn

978,70 f

60,51 f

1.039,21 f

50%

Alleinstehende Verheiratete ohne Zuschlag (partner< 65 J.)

1.411,54 f 1.411 ,54 f

84,71 f 84,71 f

1.496,25 f 1.496,25 f

70% 70%

Alleinerziehende Verheiratete mit vollem Zuschlag (Partner ~ 65 1.)

1.759,82f 1.957,40 f

108,91 f 121,02 f

1.868,73 f 2.078,42 f

90% 100%

Anmerkung: a) Verheiratete und Gleichgestellte. Quelle: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 992b), S. 2.

Aus den Beträgen ergeben sich unter Berücksichtigung einer weiteren Rentenanpassung zur Mitte der Jahres jährliche AOW -Renten im Jahre 1992 von

79 Vgl dazu das Beispiel in Tabelle A-5.1 im Anhang. 80 Vgl. Art. 9 Abs. I AOW.

l34

5. Institutionelle Ausgestaltung der. Alterssicherung

17.838 f(brutto) bzw. 14.849 f(netto) für Ledige und 12.388 f(brutto) bzw. 10.546 f(netto) für jeden Partner eines (Ehe-)Paares. Der Anspruch auf Urlaubsgeld ist in Art. 28 AOW geregelt. Das Urlaubsgeld wird monatlich berechnet, jedoch in einer Swnme im Mai eines jeden Jahres ausgezahlt81 . Die Berechnung erfolgt auf der Grundlage des Gesetzes über den Mindestlohn und das Mindesturlaubsgeld82 . Dabei gelten anteilig die gleichen Sätze wie beim Basisbetrag (vgl. Tabelle 5.3). Für Personen, die nicht den höchstmöglichen Zuschlag erhalten, sieht das Gesetz vor, daß - ausgehend von der Norm für Alleinstehende - die Differenz zwn vollen Nettomindesturlaubsgeld entsprechend jenes Prozentsatzes aufgestockt wird, der auch die Höhe des tatsächlich empfangenen Zuschlags in bezug auf den Maximalzuschlag wiedergibt 83 . In den Fällen, in denen kein Anspruch auf eine volle Basisrente besteht, kommen auch nicht die vollständigen Urlaubsgeldbeträge zur Anwendung; diese sind dann proportional zu kürzen 84 .

5.2.2.1.2 Die Zuschlagregelung Bis zur Systemreform 1985 war bei Ehepaaren allein die Versicherungsbiographie und das Lebensalter des Mannes für die Zuerkennung einer AOWRente maßgeblich. Durch die Umstellung auf einen individuellen Anspruchserwerb ergab sich das Problem, welcher Leistungssatz in solchen Fällen anzuwenden war, in denen einer der Partner, in der Regel der Mann, das Rentenalter erreicht hat, der andere Partner hingegen noch nicht. Das Problem resultiert aus dem Umstand, daß im Unterschied zu den Rentenansprüchen die Leistungssätze nicht individualisiert worden sind, sondern nach wie vor nach Maßgabe des Haushaltszusammenhangs bemessen werden. Als Konsequenz wurde daher die Zuschlagregelung eingefiihrt. Diese sieht vor, daß ein verheirateter Rentenberechtigter, dessen jüngerer Partner das gesetzliche Rentenalter noch nicht erreicht hat, für diesen einen Zuschlag zum Alleinstehenden-Basisbetrag und -Urlaubsgeld empfangen kann, solange bis der Partner selbst das 65. Lebensjahr vollendet hat. Auf Antrag wird der Zuschlag auch an den jüngeren Partner ausbezahlt85 . Der Zuschlag bemißt sich nach dem NettomindestIohn; er beträgt im Höchstfall netto 30 % desselben, so daß auf diese Weise das soziale Minimwn für ein Ehepaar erreicht wird.

81 Vgl. Voorlichtingscentrum Sodale Verzekering (1992). S. 41. 82 Vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 215. 83 Vgl. Art. 29 Abs. 2 AOW. 84 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1991 c), S. 9. 85 Vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 219.

5.2 Das AOW als Kernsystern der Alterssicherung

135

Für jedes Jahr, in dem der jüngere Ehepartner nicht versichert war oder schuldhaft Beiträge nicht zahlte, wird eine Kürzung von 2 % vorgenommen, wobei die Zeiten, die zwn Erreichen des 65. Lebensjahres noch fehlen, als vollständige Versichenmgszeiten angesehen werden86 . Ein Teil der Altersrente hängt somit ab von den Versichenmgszeiten des Partners87 . Des weiteren wird bei der Bemessung des Zuschlages das in Verbindung mit Arbeit oder aus Arbeit erzielte Einkommen des jüngeren Partners angerechnet88 . Dazu zählen auch Zusatzrenten oder Vorruhestandsleistungen89 . Lediglich ein Betrag in Höhe von 15 % des Bruttomindestlohnes sowie ein Drittel des darüber hinausgehenden Arbeitseinkommens bleiben anrechnungsfrei, um den Arbeitsanreiz nicht zu sehr abzuschwächen90 . Das hat zur Folge, daß der volle Zuschlag nur dann gewährt wird, wenn das monatliche Bruttoeinkommen des jüngeren Partners gegenwärtig geringer ist als 356,93 f; übersteigt es den Betrag von 1.166,68 f, so besteht keinerlei Anspruch auf Aufstockung der AOW-Rente 91 . Fonnal errechnet sich der Zuschlag nach folgender Fonnel: T

=

Tmax - 2/3·(Yp - 0"15 -ML br) .

für Yp > 0"15 -ML br sonst 0,

mit T

Zuschlag,

Yp

Einkommen des Partners,

MLbr= Bruttomindestlohn. Aufgnmd von Übergangsbestimmungen gilt die Anrechnungsvorschrift nicht für Personen, die vor dem 1. April 1988 bereits einen Zuschlag erhielten, und solche, deren jüngerer Partner am 31. März 1988 60 Jahre oder älter war. Im ersten Fall erhält der Anspruchsberechtigte eine Basisrente von 50 % des Min-

86 Vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 217. 87 Das ist auch der Grund, warum die Alleinstehendennorm statt der Verheiratetennorm von 50 % für jeden Partner zugrundegelegt wurde. Auf diese Art soll verhindert werden, daß der verheiratete Rentenberechtigte aufgrund unzureichender Versicherungszeiten des Partners weniger erhält als wenn er alleinstehend wäre; vgl. dazu JasperslRiphagen (1991), S. 219 - 220. 88 Vgl. Art. 10 AOW. 89 Unter Einkommen aus Arbeit versteht man in den Niederlanden Einkommen aus Beschäftigung und Gewinneinkommen aus selbständiger Tätigkeit oder aus Unternehmen, während Einkommen in Verbindung mit Arbeit diejenigen Einkommensströme bezeichnet, die aufgrund früherer Beschäftigung entstanden sind, wie z. B. betriebliche Renten, Sozialversicherungsrenten und Vorruhestandsrenten; vgl. Sociale Verzekeringsbank (l99Id), S. 8. 90 Vgl. Art. II AOW und Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. 27. 91 Vgl. Ministerie van Sociale laken en Werkgelegenheid (1992c), ohne Seitenangabe.

136

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

destlohnes und einen vollen Zuschlag in gleicher Höhe, im zweiten Fall eine Rente von 70 %, die durch einen Zuschlag von 30 % ergänzt wird92 . Die nunmehr geltende Zuschlagsregelung wird in den Niederlanden als nicht unproblematisch angesehen. Einwände bestehen insbesondere gegen die damit verbundene Einfiihrung einkommensgeprüfter Elemente in eine Volksversicherung. Abgesehen von den negativen Anreizeffekten auf das Arbeitsangebot, die von einer solchen Regelung ausgehen 93 , erblicken Kritiker darin einen weiteren Schritt in Richtung auf eine grundlegende Veränderung des Charakters der Volksversicherungen insgesamt hin zu einkommensgeprüften Fürsorgesystemen94 . Des weiteren wird kritisiert, die Regelung stelle eine indirekte Diskriminierung von Frauen dar, da bei der Einkommensprüfung auf das Arbeitseinkommen des jüngeren Partners abgestellt wird und damit überwiegend erwerbstätige Frauen betroffen sind. Eine solche Diskriminierung wäre allerdings gerechtfertigt, wenn die Zuschlagsregelung dazu dienen würde, eine Mindestsicherung für Ehepaare im Alter zu garantieren95 . Der Rechtfertigungsgrund wird inzwischen mit Hinweis auf die weitverbreiteten Zusatzrentenansprüche überwiegend als nicht einschlägig abgelehnt. Mit Wirkung zum 1.2.1994 ist die Zuschlagsregelung geändert worden. Neurentner erhalten demnach eine maximale Altersrente in Höhe des VerheiratetenSatzes (Norm: 50 % vom Nettomindestlohn), während der Zuschlag im Höchstfall denselben Betrag erreichen kann. Damit ist man zu der früher schon einmal bestehende paritätischen Aufteilung zwischen eigener (Verheirateten-)AOWRente und Zuschlag zurückgekehrt. Zudem plant die Regierung, bei der Einkommensprüfung anstelle des Arbeitseinkommens des jüngeren Partners in Zukunft das zusätzliche Einkommen des Rentenempfängers heranzuziehen 96 .

5.2.2.1.3 Einelternnorm 1986 wurde in Analogie zum Sozialhilferecht auch im AOW für Alleinerziehende die sogenannte Einelternnorm (eenoudernorm) eingefiihrt97 . Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich bei dem Kind um ein eigenes, ein Pflege- oder ein Stiefkind handelt. Maßgeblich ist, daß für das Kind Anspruch auf Kindergeld nach dem AKW besteht und das Kind nicht zum Haushalt eines anderen ge92 Vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 215. 93 Vgl. dazu etwa Esser (1986), S. 22. 94 Vgl. hierzu Madlener (1986), S. 182 - 183. Zur weiteren Problematik vgl. ebd. sowie Devreese (1989), S. 62, JasperslRiphagen (1991), S. 214 und Buunk (1989), S. 177. 95 Vgl. dazu die Darstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Jaspers/Riphagen (1991), S. 214. 96 Vgl. Europäische Kommission (1995), S. 43. 97 Vgl. dazu Jaspers/Riphagen (1991), S. 213.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

137

hört 98 . Praktisch ist diese Norm im AOW nahezu bedeutungslos. So wurden 1992 ganze 194 Eineltemrenten nach dem AOW gezahlt - das sind weit unter 1 Promille aller AOW-Renten99 .

5.2.2.1.4 Gleichstellung von unverheirateten Paaren und Ehepaaren Seit 1987 sind unverheiratete Personen, gleich welchen Geschlechts, mit Verheirateten gleichgestellt, wenn sie dauerhaft einen gemeinsamen Haushalt führen und nicht Blutsverwandte ersten oder zweiten Grades sind. Auf der anderen Seite werden dauerhaft getrennt lebende Ehepartner wie Unverheiratete behandelt lOO . Durch diese Regelung will man eine sozialrechtliche Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber unverheiratet Zusammenlebenden vermeiden, die sonst gemeinsam eine höhere Rente beziehen könnten als Ehepaare lOI , nämlich zweimal den Alleinstehendenbetrag.

5.2.2.1.5 Zusammenfassung Bei den Leistungen des AOW handelt es sich um Pauschalbeträge, die nur in Abhängigkeit vom zugrundeliegenden Versicherungszeitraum und vom individuellen Lebensverbund unterschiedlich ausfallen können. Insbesondere spielen die Höhe des früheren Einkommens oder die entrichteten Beiträge - bis auf die Ausnahme, daß Beiträge schuldhaft nicht geleistet wurden - keine Rolle für die Berechnung der Rente. Diese ist demnach insoweit losgelöst von der vorausgehenden Erwerbsbiographie des Rentenberechtigten. Auch eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wirkt sich danach nicht leistungsmindemd aus, was vor allem für die soziale Sicherung von Frauen, aber auch für dauerhaft Arbeitslose und andere Problemgruppen des Arbeitsmarktes bedeutsam ist. Sollte jemand mit einer unvollständigen Altersrente - etwa aufgrund eines langjährigen Auslandsaufenthaltes - unterhalb der Norm des sozialen Minimums liegen, so wäre der Betreffende, sofern keine weiteren ausreichenden Einkünfte zur Verfiigung stehen, auf die Sozialhilfe nach dem ABW angewiesen. Das Nettoleistungsniveau ist dabei identisch mit dem des AOW.

98 Vgl. Art. 9 Abs.1 Pkt. c AOW. 99 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 85. 100 Vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 213 und Voorlichlingscenlrum Sociale Verzekering (1992), S. 40. Vgl. auch Levell-Overmars (1984), S. 336 - 356. 101 Vgl. Esser (1986), S. 22.

138

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

5.2.2.2 Anpassung der Bestandsrenten

Die AnpassWlg der AOW-Renten wie auch aller übrigen staatlichen SozialleistWlgen ist im Gesetz über die KoppelWlg von Mindestlohn Wld SozialleistWlgen an die LohnentwicklWlg mit der Möglichkeit zur AbweichWlg WKA 102 von 1991 geregelt. Das Gesetz knüpft an das frühere Gesetz über den AnpassWlgsmechanismus für den Mindestlohn Wld die SozialieistWlgen WAMI 03 von 1979 an. Wie im WAM besteht dabei ein zweigeteilter KoppelWlgsmechanismus. Lohnbezogene SozialieistWlgen, wie z. B. die Arbeitslosengelder nach dem WW oder InvaliditätsleistWlgen nach dem WAO, werden direkt mit der prozentualen SteigerWlg der Bruttotariflöhne (sogenannte BruttokoppelWlg) erhöht, während alle SozialieistWlgen auf dem Niveau des sozialen Minimums auf Nettobasis an die EntwicklWlg des Nettomindestlohns gekoppelt sind (NettokoppelWlg). Der Nettomindestlohn wiederum wird aus dem Bruttomindestlohn auf der GrWldlage der vom Zentralen PlanWlgsamt CPB prognostizierten TariflohnentwicklWlg im privaten und im öffentlichen Sektor für das jeweilige Jahr berechnet. Die Bruttorenten ergeben sich dann aus den berechneten Nettorenten Wlter HinzurechnWlg der auf AOW-Renten entfallenden Abgaben lO4 . Die jährliche AnpassWlg erfolgt in zwei Schritten, am 1. Januar Wld am 1. Juli, wobei zur Jahresmitte die gegebenenfalls erforderlichen Korrekturen an den Plandaten berücksichtigt werden können I 05. Durch die ZugrundelegWlg von Plandaten sollen time-lags zwischen TariflohnentwicklWlg Wld der AnpasSWlg der SozialieistWlgen verhindert werden. Die NettokoppelWlg beim AOW bewirkt, daß auch ÄnderWlgen bei Sozialabgaben, die für AOW-Rentner nicht mehr anfallen, z. B. erhöhte Beiträge zur Invaliditäts- oder zur ArbeitslosenversicherWlg, gleichwohl Einfluß auf die AOW-RentenanpassWlg nehmen, also auch zu geringeren AOW-RentensteigerWlgen führen. Rentner sind so an der FinanzierWlg steigender Abgaben für andere Sozialausgaben beteiligt. Wichtig ist ferner, daß bei der BemessWlg der AnpassWlg nur auf die TariflohnentwicklWlg, nicht jedoch auf die EntwicklWlg der darüber hinausgehenden Effektivlöhne abgestellt wird. Das Ausmaß der inzidentiellen Lohnkomponente hängt entscheidend von der konjunkturellen EntwicklWlg ab; in Projektionen über längere Zeiträume wird üblicherweise bei den Effektivlöhnen von einem um 1 Prozentpunkt höherem Wachstum gegenüber den Tariflöhnen aus-

102 Wet koppeling met ajwijkingsmogelijkheden. 103 Wet aanpassingmechanismen minimumloon en sociale uitkeringen. 104 Es sind dies die Einkommensteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge zu den Krankenversicherung Awaz und ZFW. Vgl. auch Tabelle A-5.1. lOS Vgl. dazu auch Sociaal en Cultureel Planbureau (1992), S. 135 und dort Fußnote 7, S.169.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

139

gegangen l06 . Dies stellt eine zusätzliche Bremse fiir das Ausgabenwachstum im AOW dar, impliziert aber gleichzeitig systematische Verschlechterungen in der relativen Einkommensposition von Rentnern im Vergleich zu den Lohnempfangern. Abweichend vom früheren WAM sieht das neue Gesetz ausdrücklich vor, daß vom vorgeschriebenen Anpassungsmechanismus unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden kann. Als solche gelten eine Verschlechterung der Aktivenquote oder außergewöhnliche Lohnsteigerungen in dem betreffenden Jahr. Die präzisen Grenzwerte sind fiir jede Legislaturperiode festzulegen, zudem ist im Falle einer Außerkraftsetzung des Anpassungsmechanismus eine vorherige Konsultation des Sozial-Ökonomischen Rates SER und eine parlamentarische Beratung notwendig I 07. Das WKA stellt damit allerdings keine wesentliche materielle Verschlechterung gegenüber der früheren Gesetzeslage dar, denn das WAM wurde tatsächlich nur insgesamt zweimal angewandt und während der 80er Jahre mit Hilfe von Notverordnungen ganz oder zum Teil außer Kraft gesetzt l08 . Hintergrund war das Bestreben der Regierung, den Anstieg der Sozialausgabenquote, die zwischen 1970 und 1980 von 19,6 % auf 30,4 % gestiegen war, zu begrenzen. 1984 hat man den Bruttomindestlohn sogar um 3 % gesenkt und bis zum Ende der achtziger Jahre eingefroren I 09. Erst im Zuge der Steuerreform von 1990, die fiir AOW -Rentner die Beitragspflicht zum AWBZ mit sich brachte, wurde der gesetzlich vorgesehene Koppelungsmechanismus wieder angewendet, um eine Kompensation fiir die höhere Abgabenbelastung zu bieten I 10. 5.2.2.3 Stellung der AOW-Renten im Einkommensgef'üge und Kautkraftentwicklung im Zeitablauf

Die Politik des jahrelangen Einfrierens des Mindestlohns hat dazu geführt, daß zwischen 1981 und 1985 das Niveau der AOW-Leistungen real um über 12 % zurückgegangen ist und damit im Verhältnis zum Nettosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung auf den Stand zurückfiel, den es schon zwanzig Jahre zuvor erreicht hatte I I I. Damit wurde die Verbesserung der relativen Einkom106 Vgl. etwa Commissie Financiering Oudedagsvoorziening (1987), S. 107. 107 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1992), S. 135. 108 Vgl. z. B. de Kam/SterkslVeldkamp (1989), S. 16 oder auch Vroomanlde Kemp (1990), S.

642.

109 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 a), S. 119. 110 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(l99Ib), S. 43. III So lag das Rentenniveau eines Ehepaares bezogen auf das Nettosozialprodukt pro Kopf Ende der 70er und zu Anfang der 80er Jahre bei über 85 % und ist mittlerweile etwa auf 75 % zurückgegangen; vgl. hierzu de Kam/Sterksl Veldkamp (1989), S. 17 - 18.

140

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

mensposition der AOW -Rentner, die besonders zwischen 1973 und 1977 unter dem Kabinett Den Uyl zustandegekommen war, wieder rückgängig gemacht I 12. Seit Mitte der 80er Jahre besteht das Ziel der Regierung darin, das reale Leistungsniveau des AOW zu stabilisieren. So stieg zwischen 1986 und 1992 die Kaufkraft der Renten für Verheiratete im Durchschnitt um etwa 0,5 % pro Jahr, wie aus Tabelle 5.4 abzuleiten ist. Parallel dazu verlief die Entwicklung für Arbeitnehmer mit Mindestlohn. Tabelle 5.4

Kautkraftentwicklung der AOW-Rente bei verheirateten AOW-Rentenbeziehern im Vergleich zu einem verheirateten, alleinverdienenden Arbeitnehmer mit Mindestlohn

Jahre

Kaufkraftveränderung in % AOWArbeitnehmer mit Rentenempfängera) Mindestlohn

1974-1980 1981-1985 1986-1992

23,8 -12,1 2,8

18,1 -11,0 2,9

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992

1,4 1,2 -0,2 0,2 1,0 -0,6 0,0

1,3 0,9 0,5 -0,1 0,9 -0,5 0,8

Anmerkungen: a)Ohne Kindergeld. b)Einschließlich Kindergeld, ohne inzidentielle Lohnkomponente. Quellen: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1992a), S. 115 sowie dass. (1988), S.28.

Die Entwicklung des AOW-Rentenniveaus zeigt sich auch im Vergleich zum durchschnittlichen Erwerbseinkommen 113. Danach sind die durchschnittlichen AOW-Renten nach überproportionalen Steigerungen in den 60er und 70er 112 Zur Entwicklung der AOW-Leistungssätze vgl. Tabelle A-4.1 im Anhang. 113 Das durchschnittliche Erwerbseinkommen wird errechnet aus dem Bruttolohneinkommen pro Arbeitsjahr in der gewerblichen Wirtschaft und beim Staat unter Einschluß eines zugerechneten Lohneinkommens für Selbständige; vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 a). S. 118.

141

5.2 Das AOW als Kernsystem der Alterssicherung

Jahren seit Anfang der achtziger Jahre relativ zwn durchschnittlichen Erwerbseinkommen zurückgegangen. Betrug die durchschnittliche staatliche Altersleistung, also fast ausschließlich AOW -Renten, 1980 noch 31 % des durchschnittlichen Bruttoerwerbseinkommens, so ist dieser Anteil im Jahre 1992 auf 27 % gefallen. Auch fiir die Folgejahre erwartet man ein weiteres Zurückbleiben der durchschnittlichen Altersleistungen hinter der allgemeinen Lohnentwicklung. Tabelle 5.5

Durchschnittliche Leistung flir Altersrentner im Verhältnis zum durchschnittlichen Erwerbseinkommen (1960-1992) Jahr

1960

durchschnittliches Arbeitseinkommen (x 1000f)

(I)

(2) Durchschnittsleistung für Personen ab 65 Jahre a) (x 1000 f)

(3) (2) • (I)

5,3

1,1

0,20

1970

14,2

4,0

0,28

1980

38,6

11,8

0,31

1985

43,9

13,0

0,30

1990

54,8

15,2

0,28

1991

57,2

15,7

0,27

1992

59,9

16,2

0,27

Anmerkung. a)AOW-Renten und Sozialhilfeleistungen nach dem ABW für Personen über 65 Jahren. Ohne Zusatzrenten. Quelle. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 992a), S. 118.

Diese Daten lassen darauf schließen, daß sich die relative Einkommensposition der Rentner im Verhältnis zur Erwerbsbevölkerung seit Beginn der 80er Jahre kontinuierlich verschlechtert hat, bilden doch die AOW-Leistungen im Durchschnitt bei weitem die wichtigste Einkommensquelle von Rentnerhaushalten. Bei Alleinstehenden und bei Ehepaaren, in denen beide Partner über 65 Jahre alt sind, liegt der Anteil der AOW-Rente am Bruttoeinkommen deutlich über 50 %114. Zwar nehmen die Zusatzrenten eine immer größere Bedeutung ein, doch ist die Verteilung hier ungleicher. So sind es gerade die einkommensgefahrdeten Haushalte, die keine oder nur bescheidene Zusatzrentenansprüche aufbauen konnten, die die Lasten der Einsparungspolitik im AOW zu tragen haben. \14 Vgl. 80S (1995), S. 41 - 42. Vgl. auch die Angaben in Abschnitt 9.5 über die Einkommenszusarnmensetzung in Rentnerhaushalten.

142

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

5.2.3 Im Kernsystem vorgesehene Möglichkeiten und Grenzen der Kumulation von Rentenzahlungen Da das AOW auf eine Grundsicherung abzielt, muß das System von seiner Konzeption her in einem hohen Maße offen sein gegenüber zusätzlichen Einkommensquellen, mit deren Hilfe sich die Grundsicherungsleistung aufstocken läßt. Demzufolge sind die Möglichkeiten zur Kumulation von AOW-Renten mit anderen Einkommensarten auch nur wenig begrenzt. Grundsätzlich gilt, daß eine Kürzung der AOW-Rente nur dann vorgesehen ist, wenn sich die persönlichen Lebensumstände des Rentenempfangers 115 bzw. - im Falle der Zuschlagsregelung - des Partners verändert haben, oder wenn schuldhaft fehlende Versicherungszeiten entdeckt werden l16 . Demnach wirkt sich der Bezug von zusätzlichem Einkommen nicht leistungsmindernd aus. Diese generelle Aussage bedarf indes einer etwas differenzierteren Betrachtung.

Kumulation mit Erwerbseinkommen Hinsichtlich einer Kumulation mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit besteht im Prinzip keine Beschränkung, zumal auch der Bezug von AOW-Leistungen nicht an eine Beendigung der Erwerbstätigkeit gebunden ist l17 . Dennoch wird von der Möglichkeit, die Erwerbstätigkeit nach Rentenbeginn fortzusetzen, nur wenig Gebrauch gemacht. Gegenwärtig sind noch etwa 4 % der Personen zwischen 65 und 75 Jahren erwerbstätig. Hierbei handelt es sich überwiegend um Selbständige, die über keine ausreichenden Zusatzrentenansprüche verfügen 1 18. Zu einer Leistungskürzung kann es indes im Falle der Zuschlagsregelung kommen, wenn der jüngere, noch nicht rentenberechtigte Partner aus und in Verbindung mit Arbeit ein Bruttoeinkommen bezieht, das oberhalb des in Art. 11 AOW beschriebenen Freibetrages liegt. Angerechnet wird dabei nach der im Gesetz gewählten Formulierung nicht nur Einkommen aus Arbeit, worunter Lohneinkommen sowie Gewinneinkünfte aus Unternehmensbetrieb oder selbständiger Tätigkeit gefaßt werden, sondern gleichermaßen Einkommen in Verbindung mit Arbeit. Zur letztgenannten Kategorie gehören alle Einkommensarten, die aus einem früheren Arbeitsverhältnis hervorgehen 119. Damit gehen die Leistungen aus dem Bereich der Zusatzversicherungssysteme ebenso in die Anrechnung mit ein wie die monetären Leistungen der Sozialversicherungen, z. B. Invaliditätsrenten, Krankengeld, Arbeitslosengeld und auch Hinterblie115 Etwa durch Heirat oder durch Veränderung des Wohnortes oder der Nationalität, was sich auf die Ansprüche aus den Übergangsbestimmungen auswirken kann. 116 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(1986), S. 13. 117 Vgl. zum letztgenannten Aspekt Pieters (1991), S. 358. 118 Vgl. dazu Abschnitt 3.1. 1.3. 119 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1991 d), S. 8 und dies. (1986), S. 13.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

143

benenrenten l20 . Einkommen aus Vermögen wird hingegen nicht herangezogen l21 . Zusammenwirken von AOW und Zusatzrenten

Erwähnenswert ist im Zusammenhang mit Kumulationsbestimmungen, daß bei der Leistungsberechnung in den ergänzenden Zusatzrentensystemen in aller Regel die AOW-Normbeträge in irgendeiner Form berücksichtigt werden, da man diese als Grundlage der ergänzenden Rentenregelungen betrachtet. Entweder wird die zugesagte Leistung um den gesamten Betrag bzw. um einen bestimmten Prozentsatz der tatsächlichen AOW-Rente gekürzt (Einbaumethode) oder Zusatzrentenansprüche nur über jenen Teil des Entgelts aufgebaut, von dem man annimmt, er sei durch die AOW-Rente abgedeckt (Franchise-Methode) I 22. So mindert sich zwar nicht die AOW-Leistung, die unabhängig von den Regelungen einer etwaig bestehenden Zusatzsicherung gewährt wird, sondern die Höhe der Zusatzrente. Dennoch sei schon hier auf die enge Verzahnung zwischen AOW und Zusatzrenten hingewiesen. Außerdem birgt die bestehende Anrechnungspraxis in vielen Fällen erhebliche Probleme, worauf an späterer Stelle noch näher eingegangen wird l23 . Fazit

Bis auf die behandelte Ausnahme im Falle der Zuschlagsregelung bestehen seitens des AOW keine weiteren Beschränkungen fiir den Bezug zusätzlichen Einkommens. Weder eine Erwerbstätigkeit im Alter, Vermögeneinkünfte noch Transfereinkommen aus öffentlichen oder privaten Quellen wirken sich leistungsmindernd aus. Allerdings können die Möglichkeiten der Kumulation von anderer Seite begrenzt sein, wie dies bei den Zusatzrentensystemen der Fall ist. Zudem ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß die unter Einkommensgesichtspunkten gerade fiir Ältere bedeutsamen Regelungen wie die Invaliditätsversicherungen AAW und WAO und die Hinterbliebenenversicherung AWW ihre Leistungen nur bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gewähren und insofern fiir eine mögliche Kumulation mit den Leistungen des Kernsystems gar nicht in Frage kommen.

120 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(199Id), S. 8. 121 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(l99Id), S. 8. 122 VgI. hierzu Devreese (1989), S. lOS. 123 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 5.3.1.3.1.2.2 und in den Abschnitten 7.2.4 und

8.2.3.

144

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

5.2.4 Übertragbarkeit von Leistungen und Leistungsansprüchen bei Wanderungen Vor dem Hintergrund einer zu erwartenden Zunahme grenzüberschreitender Wanderungen im Zuge des Integrationsprozesses in der EU stellt sich das Problem der Übertragbarkeit von erworbenen Ansprüchen und Leistungen. Der Themenkomplex soll anband von zwei Konstellationen behandelt werden: der Auswanderung im Rentenalter und der Auswanderung im Erwerbsalter. Die Betrachtung beschränkt sich auf das EU-Ausland. Mit vielen anderen Ländern gelten aber bilaterale Abkommen, die die Übertragbarkeit in analoger Weise regeln l24 .

Gesetzlicher Rahmen Der Problematik der unterschiedlichen nationalen Sicherungs systeme in den Ländern der EU wird gegenwärtig vor allem durch Koordination begegnet. Das bedeutet, daß die Wirkungen nationaler Regelungen soweit aufeinander abzustimmen sind, daß eine Benachteiligung von Migranten in Form eines Verlustes von Anwartschaften, Ansprüchen oder Leistungen vermieden wird l25 . Die in dem Zusammenhang wichtigsten Normen sind die EWG-Verordnung 1408/71 und die darauf gerichtete Durchführungsverordnung 574/72, die als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht die Anwendung der Systeme sozialer Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige im Falle der Wanderung innerhalb der EU regeln l26 . Hierunter fallen ausdrücklich auch die Bestimmungen des AOWI27. Um die Bedeutung der Verordnungen in den zu betrachtenden Fällen ermessen zu können, ist es erforderlich, zunächst die relevanten Prinzipen des niederländischen Sozialrechts zu beleuchten. Das niederländische Sozialrecht beruht in erster Linie auf dem Territorialitätsprinzip. Dieses dokumentiert sich im Falle der Volksversicherungen darin, daß der Wohnsitz ausschlaggebend für das Versichertsein ist l28 . Ergänzend ist das Personalitätsprinzip von Bedeutung, wonach die Leistungen als an die Person gebunden angesehen werden ungeachtet der Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes des Berechtigten. Demnach ist in den meisten Fällen die Expor124 Zu einem Überblick vgl. Ministerie van Sociale laken en Werkgelegenheid (l990a), S.

146- 153.

125 Vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 263. 126 Vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 267 und Bauer/HannemanniKinzel (1989), S. 33. 127 Vgl. JasperslRiphagen (1991), S. 272. 128 Vgl. MannourylAsscher-Vonk (1987), S. 208.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

145

tierbarkeit von Leistungen schon nach nationalem Recht möglich l29 . Das Nationalitätsprinzip spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle, so etwa bei Übergangsregelungen oder bei der Sozialhilfe nach dem ABW13o. Bezogen auf den Bereich der Alterssicherung nach dem AOW bedeutet dies, daß im Falle der Auswanderung die Versicherungspflicht im allgemeinen erlischt und, falls nicht eine freiwillige Weiterversicherung stattfindet, keine weiteren Rentenansprüche aufgebaut werden. Dagegen bleiben die bereits aufgebauten Ansprüche erhalten, da diese unmittelbar an die Person gebunden sind; für den Anspruch auf einen Ehegattenzuschlag ist die Versicherungszeit des Partners maßgeblich. Desgleichen ist die Exportierbarkeit von Leistungen im Gesetz vorgesehen 131. Von dieser Regelung ausgenommen sind jedoch die sogenannten Übergangsvorteile, d. h. die beitragsfreie Anrechnung von Zeiten vor dem Inkrafttreten des AOWI32. Die supranationalen Koordinierungsnormen sind demnach in bezug auf das AOW bis auf den letztgenannten Aspekt überflüssig 133 . Eine Inanspruchnahme der Übergangsvorteile ist an besondere Voraussetzungen geknüpft, die bereits in Abschnitt 3.2. angesprochen wurden. Die im Gesetz vorgesehene prinzipielle Beschränkung auf niederländische Staatsangehörige stand im Widerspruch zum Diskriminierungsverbot aufgrund der Nationalität aus Art. 3 der Verordnung 1408/71; EU-Bürgern, die unter den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung fallen, stehen demnach die Übergangsvorteile unter denselben Voraussetzungen zu wie Niederländern 134. Darüber hinaus können gemäß der Verordnung W ohn- oder Beschäftigungszeiten in den Niederlanden, die vor dem 1.1.1957 liegen, einen zumindest anteiligen Anspruch auf Übergangsvorteile generieren, wenn der Betreffende nach dem Erreichen des 59. Lebensjahres 6 Jahre auf dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates gewohnt hat l35 . In einem solchen Fall besteht für jedes Jahr ein Anspruch von 2 % des vollen AOW-Betrages, es sei denn, daß jene Zeiten bereits bei der Berechnung einer gesetzlichen Altersrente eines anderen Mitgliedstaates

129 Ausnahmen bilden v. a. die Leistungen bei Arbeitslosigkeit und medizinischer Versorgung; vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 146. 130 Im Falle der Sozialhilfe ist das Nationalitätsprinzip jedoch fast kaum noch von Belang; vgl. MannourylAsscher-Vonk (1987), S. 208. 131 Vgl. Wijnbeek (1985), S. 1289. 132 Vgl. Wijnbeek (1985), S. 1286 und Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 146. 133 Vgl. Wijnbeek (1985), S. 1286. 134 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1986), S. 16. 135 Vgl. Stichling Bureau voor Duilse Zaken (1991), S. 32.

10 Pllhler

146

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

herangezogen werden 136. Diese Regelung findet gleichennaßen Anwendung auf den Zuschlag\37. Auswanderung im Rentena/ter

Betrachtet man nurunehr den Fall eines Rentners, der in den Niederlanden seinen Rentenanspruch erworben hat und zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze ins EU-Ausland auswandert, so stellt sich in erster Linie die Frage nach der Exportierbarkeit von Leistungen. Das Personalitätsprinzip manifestiert sich in Art. 19 Abs. 3 AOW, wonach eine Auszahlung der AOW-Rente ins Ausland ausdrücklich vorgesehen ist\38. Dieses gilt ebenso fiir den Zuschlag I39. So wurden 1992 fast 11.000 ungekürzte AOWRenten ins EU-Ausland gezahlt; hinzu kommen noch knapp 52.000 gekürzte Renten 140. Auch die Übergangsvorteile bleiben - abweichend vom AOW-Gesetzestext - im Falle der Auswanderung erhalten, da es sich um einen einmal erworbenen Anspruch handelt, der gemäß der Verordnung 1408/71 exportierbar ist l41 . Auswanderung im Erwerbsa/ter

Verlegt ein unter dem AOW Versicherter vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze seinen Wohnsitz in ein anderes Land, so ändert sich die Situation insofern, als im Inland kein vollständiger Rentenanspruch erworben wird. Da es sich beim AOW jedoch um eine Aufbauversicherung handelt, behält der Versicherte in jedem Fall die während dieser Zeit erworbenen Ansprüche l42 . Eine Mindestversicherungszeit kennt das Gesetz nicht; auf diese Weise erübrigt sich die Prüfung, ob überhaupt ein Leistungsanspruch nach dem AOW besteht l43 . Die in den Niederlanden versicherten Zeiten sind aber für die Anspruchsbegriindung in den Ländern mit Wartezeitregelungen heranzuziehen, 136 VgL Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 84 - 85. 137 VgL Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 85. 138 Allerdings werden die anfallenden Überweisungskosten von der Auszahlungssumme abgezogen; vgL Art. 19 Abs. 3 AOW. 139 VgL Jaspers/Riphagen (1991), S. 220. Ursprünglich war eine Exportierbarkeit des Zuschlags nicht vorgesehen. Dies hätte aber gegen die Verordnung 1408171 verstoßen, wonach Leistungen, die auf erworbenen Rechten beruhen, frei exportierbar sind. Daraufhin ist der Zuschlag nachträglich exportierbar gemacht worden; vgl. hierzu Wijnbeek (1985), S. 1289. 140 VgL Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 90. 141 VgL Sociale Verzekeringsbank (1986), S. 16 und Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (\ 992), S. 42. 142 VgL auch Voorlichtingscentrum Sociale Ver=ekering (1992), S. 42. 143 VgL statt vieler Mannoury/Asscher-Vonk (1987). S 225.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

147

soweit die Verordnung 1408/71 anwendbar ist 144 oder bilaterale Verträge dies vorsehen. Die Leistung aus dem AOW bemißt sich nach dem unter diesem Gesetz versicherten Zeitraum: jedes Versicherungsjahr begründet dabei einen Anspruch in Höhe von 2 % des Nonnbetrages. Hat der Betreffende darüber hinaus im Ausland Rentenansprüche erworben, so ergibt sich bei Anwendbarkeit der EWG-Verordnung die Höhe der Rentenzahlung eines jeden Landes mit Hilfe der Pro-rata-temporis-Methode nach Art. 46 Abs. 2 der Verordnung 1408/71 aus dem Verhältnis der in jedem Land zugrundeliegenden Versicherungsdauer an der gesamten Versicherungszeit des Betroffenen. Auf die Berechnung des AOW-Anteils hat dieses Verfahren hingegen keinerlei Auswirkung. Der Fall einer Rückkehr des ausgewanderten Versicherten in die Niederlande vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze ändert grundsätzlich nichts an den oben beschriebenen Wirkungen hinsichtlich der Anspruchsbegründung und Leistungsberechnung. Zu erwähnen ist noch, daß der ins Ausland übersiedelnde Versicherte prinzipiell von der Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung im AOW Gebrauch machen kann, um auf diese Weise zusätzliche Leistungsansprüche zu erwerben. Falls eine Berechtigung zum Abschluß einer freiwilligen Versicherung nach den gesetzlichen Bestimmungen mehrerer Länder möglich ist, besteht jedoch insofern eine Beschränkung, als eine freiwillige Versicherung nur in einem EU-Land möglich ist. In einem solchen Fall ist es dem Betroffenen freigestellt, welcher Versicherung er sich anschließen möchte 145.

5.2.5 Die Finanzierung der Ausgaben 5.2.5.1 Ausgaben und Finanzierungsstruktur

Die Ausgaben zum AOW beliefen sich im Jahre 1992 einschließlich der Verwaltungskosten auf insgesamt 32,4 Mrd. f. Das AOW stellt damit nach wie vor das bedeutendste Alterssicherungssystem der Niederlande dar l46 . Das Ausgabenvolumen wird im Wege des Umlageverfahrens fast ausschließlich durch einkommensabhängige Beiträge der Versicherten finanziert. AOWBeiträge machen denn auch 99 % aller Einnahmen aus. Dabei handelt es sich nahezu ausnahmslos um Pflichtbeiträge der Versicherten; freiwillige Beiträge und Beiträge des Staates zugunsten von Personen, die aus Gewissensgründen keiner Sozialversicherung angehören, umfassen zusammen weniger als 1 %0 der 144 Vgl. dazu etwa Jaspers/Riphagen (1991). S. 277. 145 Vgl. Stichting Bureau voor Duitse Zaken (1991). S. 37 sowie auch Art. 15 der Verordnung 1408171. 146 Zur Ausgabenentwicklung und deren Bestimmungsfaktoren vgl. Kapitel 3.2.2.2.1. 10"

148

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Gesamteinnahmen. Arbeitgeberbeiträge existieren nicht. Die restlichen Einnahmen bestehen aus Zinseinkünften. Staatliche Zuschüsse zum AOW wurden ab Anfang der 80er Jahre kontinuierlich abgebaut; seit 1992 wird das AOW völlig ohne Staatszuschüsse finanziert. Der ausgewiesene Finanzierungssaldo wird jährlich mit der vorzuhaltenden Liquiditätsreserve verrechnet 14 7. Tabelle 5.6

Einnabmenstruktur im AOW 1991 und 1992

Ausgaben und Einnahmen (in Mio. f) !Ausgaben

1991 31.050

1992 32.379

Einnahmen Beiträge Pflichtbeiträge freiwillige Beiträgea ) Staatszuschüsse Zinserträge

31.962 31.663 31.638 25 52 247

32.541 32.133 32.101 32

886

146

Finanzierungssaldo

-

408

Anmerkung: a) Einschließlich Beiträge des Staates zugunsten von Personen mit Gewissensnöten. Quelle: Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 53 und 66.

S.2.S.2 BeitragspOicbt und Bemessungsgrundlage

Der Beitragspflicht zu den Volksversicherungen unterliegen im Prinzip alle Versicherten mit ihrem individuellen Einkommen. Im Falle des AOW sind dies alle Einwohner zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr l48 . Im Zuge der Oort-Reformen l49 von 1990 ist das beitragspflichtige Einkommen für sämtliche Volksversicherungen mit der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage vereinheitlicht worden. Seither stellen die Volksversicherungsbeiträge einen Aufschlag auf die erste Stufe des niederländischen Einkommen-

147 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(l994), S. 49. 148 Mit Ausnahme der AWBZ endet die Beitragspflicht zu allen Volksversicherungen mit Vollendung des 65. Lebensjahres. 149 Vgl. dazu van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 45 - 47.

5.2 Das AOW als Kemsystem der Alterssicherung

149

steuertarifs dar. Eine Folge davon ist, daß auch Leistungsfähigkeitselemente in die Beitragsbemessung einfließen. Beitragspflichtig sind grundsätzlich die in Artikel 4 des niederländischen Einkommensteuergesetzes genannten Einkünfte, namentlich Gewinneinkünfte aus Unternehmensbetrieb oder selbständiger Arbeit, die sogenannten Reineinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (einschließlich der Sozialversicherungsleistungen), aus Vermögen und aus bestimmten regelmäßigen Leistungen (z. B. Unterhaltsleistungen) sowie Gewinne aus der Veräußerung von bestimmten Gesellschaftsanteilen l50. Die Summe dieser Einkünfte ist um die im Gesetz genannten Abzugsposten 151 zu kürzen, zu denen etwa außergewöhnliche Belastungen und persönliche Verpflichtungen gehören. Unter die letztgenannte Kategorie fielen bis 1990 auch die Beiträge zu den Volksversicherungen, die jedoch seither nicht mehr abzugsfähig sind. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine weitere Neuerung: waren früher die Beiträge zur Krankenversicherung nach dem A WBZ und zur Invaliditätsversicherung AAW vom Arbeitgeber für den versicherten Arbeitnehmer zu zahlen, so ist im Rahmen der Steuerreform von 1990 die Zahlung auf den Arbeitnehmer übertragen worden. Zur Kompensation hat der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer jedoch einen auf der Grundlage eines modifizierten Bruttolohnes berechneten Lohnzuschlag (overhevelingstoeslag) zu gewähren, so daß sich im Prinzip weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer eine Veränderung der Nettoposition ergeben sollte. 1992 betrug der Kompensationszuschlag 11,5 % der besonderen Bemessungsgrundlage. Der Kompensationszuschlag geht voll in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ein 152. Ausgenommen von der Steuerbelastung und auch von der Beitragsbelastung ist ein Grundfreibetrag, dessen Höhe je nach Steuertarifgruppe unterschiedlich ausfallen kann und 1992 im allgemeinen 5.225 fpro Person ausmachte l53 . Der Grundfreibetrag bildet damit gleichzeitig die untere Beitragsbemessungsgrenze für die Volksversicherungen, also auch für das AOW. Bei Verheirateten oder bei unverheiratet Zusammenlebenden kann dieser vollständig oder teilweise übertragen werden, sofern der Partner kein eigenes Einkommen bezieht oder eines, das geringer ist als der Grundfreibetrag selbst 154. Alleinverdiener können somit den doppelten Betrag geltend machen. Der Grundfreibetrag ist Ausdruck 150 Vgl. im einzelnen van Schielvan Smedenlde Kam (1991), S. 89 - 155. Vgl. auch Übersicht 6.1 in Abschnitt 6.1.2. 151 Im einzelnen handelt es sich um die in den Artikeln 44d-441, 44m, 44n, 45, 45a, 46, 46a, 47, 47a und b IB aufgeführten Posten; vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 85. 152 Vgl. zum Kompensationszuschlag die Ausführungen in Kapitel 6.2.1. 153 Höhere Beträge kommen etwa für Alleinerziehende zur Anwendung; vgl. OECD (1993), S. 186. 154 Vgl. van Schielvan Smedenlde Kam (1991), S 157.

150

5. Institutionelle Ausgestaltung der AlterssIcherung

des Leistungsfahigkeitsprinzips, das hier Eingang in die Sozialversicherung gefunden hat. Er bewirkt zudem eine indirekte Progression bei der Beitragsbelastung. Die nach Abzug des Grundfreibetrages verbleibende steuerbare Summe wird höchstens bis zu einem Betrag von jährlich 42.966 f, dem Endpunkt der ersten Stufe des niederländischen Einkommensteuertarifes, mit Beiträgen belastetISS. Die so definierte obere Beitragsbemessungsgrenze ist vergleichsweise niedrig angesetzt; sie liegt in etwa in Höhe des Durchschnittseinkommens. Darüber hinausgehendes Einkommen bleibt von AOW-Beiträgen unbelastet. Die Einkommensgrenzen für die einzelnen Tarifstufen und damit auch die genannten Beitragsbemessungsgrenzen sind nach dem n~uen Einkommensteuergesetzjährlich an die Inflationsrate anzupassen I 56. Im Zusammenhang mit den Beitragsbemessungsgrenzen sei an dieser Stelle auf einen Problemaspekt hingewiesen, der aus der Individualisierung der Beitragspflicht im Rahmen der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Sozialversicherung resultiert. Bis 1985 bestand die Regelung, daß das Einkommen der Frau zum Einkommen des Mannes hinzuaddiert wurde und die Summe beider das beitragspflichtige Einkommen ausmachte. Seit der Systernreform jedoch wird nicht mehr auf das Haushaltseinkommen, sondern auf das individuell bezogene Einkommen jedes einzelnen abgestellt. Die Verselbständigung der Beitragspflicht impliziert gleichzeitig, daß auch die Beitragsbemessungsgrenzen für das Einkommen eines jeden Versicherten getrennt gelten 157. Dieses hat - trotz der Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze - zu einer erheblichen Mehrbelastung bei vielen Zweiverdienerhaushalten geführt, hatte doch das alte Recht zur Folge, daß die erwerbstätige Ehefrau in vielen Fällen faktisch beitragsfrei versichert war 158. 5.2.5.3 Tarif

Die Beiträge werden als Prozentsatz vom beitragspflichtigen Einkommen erhoben. Der Beitragssatz betrug 1992 14,35 %. Die Beiträge werden analog zur Einkommensteuer entweder auf dem Wege der Veranlagung oder durch

155 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S 157. Vor der Reform galt eine deutlich höhere obere Beitragsbemessungsgrenze. Diese lag 1989 bei einem Jahreseinkommen von 65.900 f; vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1988), S. 90 und Tabelle 5.7. 156 Vgl. van Schielvan Smedenlde Kam (1991), S. 26. 157 Vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 213. 158 Vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 212. Schätzungen gehen von einem Mehrautkommen von etwa 500 Millionen f pro Jahr als Folge der Individualisierung der Beitragspflicht aus; vgl. Jansweijer (1990), S. 187. Vgl. auch Tabelle 5.7.

151

5.2 Das AOW als Kernsystem der A1t~rssicherung

Quellenabzug an das Finanzamt abgefiihrt l59 . Bei Arbeitnehmern und Beamten wird der AOW-Beitrag zusammen mit der Lohnsteuer einbehalten, während alle zur Einkommensteuer veranlagten Versicherten, etwa alle Selbständigen, auch zur Beitragszahlung veranlagt werden l60 . Gesonderte Arbeitgeberanteile zum Beitragsvolumen existieren nicht 161. Tabelle 5.7

Die Entwicklung der Beiträge zum AOW zwischen 1986 und 1992

Jahr

Beitragssatz (in %)

obere Beitragsbemessungsgrenze (in f)

Beitragsaufkommen (in Mio. f)

1986 1987 1988 1989

11,35 11,55 11,50 10,80

23.075 25.553 26.349

1990 1991

14,30 14,05

63.750 64.550 65.250 65.900 42.12"3

1992

14,35

42.966

25.303 29.074 31.662

42.966

32.133

Quellen: Minis/erie van Socia/e Zaken en Werkgelegenheid (I991a), S. 114, Sociale Verze" keringsbank (1990), S. 70, dies. (1993), S. 53 und Cemraa/ Bureau voor de S/a/istiek (1991), S. 9.

Die Beitragssätze haben sich in den vergangenen Jahren keineswegs kontinuierlich entwickelt. Auffällig ist insbesondere die starke Beitragsanhebung um 3,5 Prozentpunkte im Jahre 1990, die im Zusammenhang mit den Oort-Reformen zu sehen ist. Trotz einer Senkung der oberen Beitragsbemessungsgrenze ist das Beitragsaufkommen dadurch erheblich gestiegen. Weiterhin hat auch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage zu diesem Ergebnis beigetragen. Auf diese Weise konnte der Anstieg der AOW-Ausgaben im Jahre 1990 aufgefangen werden, der maßgeblich auf die Anwendung des lange Jahre außer Kraft gesetzten Anpassungsmechanismus zurückzuführen ist 162.

159 Vgl. de Kam/S/erks/Ve/dkamp (1989), S. 96" 97. 160 Vgl. de Kam/SterkslVe/dkamp (1989), S. 97 sowie auch Ouwenee/ (1985), S. 1262" 1263. 161 Die regelmäßig auch in amtlichen Veröffentlichungen zu findende Darstellung, wonach das Beitragsaufkommen allein aus Arbeitnehmerbeiträgen besteht, ist jedoch insofern irreführend als suggeriert wird, lediglich Einkünfte aus Erwerbsarbeit seien beitragspflichtig. 162 Vgl. Socia/e Verzekeringsbank(199Ib), S. 43.

152

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

5.2.5.4 Staatszuschüsse

Neben den Beitragseinnahmen haben staatliche Zuschüsse eine Zeitlang, besonders in den 70er Jahren, eine gewisse Rolle bei der Finanzierung der AOWAusgaben gespielt. So betrug der Anteil staatlicher Mittel an den Gesamteinnahmen im Jahre 1979 noch gut 11 %163, Sieht man von den Beitragszahlungen zugunsten von Personen mit Gewissenskonflikten und anderen ganz oder teilweise freigestellten Versicherten, vor allem Selbständigen mit geringem Einkommen, ab, so wurden darüber hinausgehende Zuwendungen lange Zeit damit begründet, die Belastung der Beitragszahler in Grenzen halten zu wollen 164, In den 80er Jahren wurden indes unter dem Eindruck einer steigenden Staatsverschuldung die Staatszuschüsse nach und nach abgebaut mit dem Ziel, die Leistungen des AOW in Zukunft ausschließlich über Beiträge zu finanzieren l65 , Seit 1992 wird das AOW völlig ohne staatliche Zuschüsse finanziert, 5.2.5.5 Finanzierungsverfahren

Bei der Wahl des Finanzierungsverfahrens hat man sich für das Umlageverfahren entschieden. Dieses geschah nicht zuletzt aus dem Grunde, daß zum Zeitpunkt der Verabschiedung des AOW bereits eine große Anzahl Leistungsberechtigter vorhanden war, was den langfristigen Aufbau eines umfassenden Kapitalfonds von vornherein ausschloßI66, Die Abwicklung der Einnahmen und Ausgaben erfolgt über einen speziellen Fonds, den Allgemeinen Altersfonds, der von der Sozialversicherungsbank verwaltet wird. Um die Differenzen von Ein- und Auszahlungsterminen zu überbrücken, verfügt der Fonds zusätzlich über ein eigenes Vermögen, die sogenannte Finanzierungsdeckung, die jedoch nicht bei Liquiditätsengpässen im Falle einer unvorhergesehenen Entwicklung herangezogen werden kann I67, Für solche Zwecke ist eine Liquiditätsreserve l68 vorgesehen, aus welcher aber ebenso Mittel an die Umlagefonds der anderen Zweige der Sozialversicherung verliehen werden können, wie auch umgekehrt Reserven und Überschüsse der letztgenannten zur Deckung von Finanzierungslücken des Altersfonds zur Verfügung stehen, Falls dies nicht ausreicht, ist

163 Die Staatszuschüsse zum AOW betrugen 1979 etwas über 2 Mrd. f bei einem Einnahmenvolumen von etwa 18,5 Mrd. f; vgl. C'entraal Bureau voor de Statistiek (1984), S. 35. 164 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 176. Als weitere Begründung wird auch ein Ausgleich für eingesparte Sozialhilfeausgaben angeführt; vgl. etwa de Leedelvan Wijnbergen (1981), S 130. 165 Vgl. Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1986), S. 33. 166 Vgl. MannourylAsscher-Vonk (1987), S 83. 167 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(199Ib), S. 47. 168 Vgl. Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S 164.

5.2 Das AOW als Kernsystem der Alterssicherung

153

eine Kreditaufnahme bei Dritten möglich l69 . Seit dem 1. Januar 1988 ist per Gesetz für die wichtigsten Sozialversicherungsfonds, also auch für den Allgemeinen Altersfonds, eine Liquiditätsgarantie durch den Staat eingefiihrt worden: sollten Liquiditätsengpässe nicht auf andere Weise aufzufangen sein, so muß das Reich dem Fonds einen Vorschuß gewähren, der dann verzinst zurückzuzahlen ist l70 . Von dieser Möglichkeit wurde bislang allerdings noch nicht Gebrauch gemacht.

5.2.6 Zusammenfassung Das Kernsystem der Alterssicherung in den Niederlanden, das AOW, zeichnet sich durch seine im großen Wld ganzen relativ einfache Struktur aus. Zur ErfüllWlg der AnspruchsvoraussetzWlgen genügt in der Regel schon das Wohnen in den Niederlanden. Damit können auch all jene Personen einen eigenständigen Anspruch auf die volle Altersrente erwerben, die zwischen ihrem 15. Wld 65. Lebensjahr niemals oder nur zeitweilig erwerbstätig waren. Es überrascht daher nicht, daß tatsächlich auch die gesamte Bevölkerung im Alter über eine AOWRente verfügt, die in den allermeisten Fällen Wlgekürzt zur AUSZahlWlg kommt. Insofern erfüllt die Alterssicherung nach dem AOW ihre Funktion als Grundsicherung für die gesamte Bevölkerung. Folglich spielt die Sozialhilfe nach dem ABW als subsidiäre SicherungseinrichtWlg für die über 65jährigen keine große Rolle 171. Der Einfachheit der AnspruchsvoraussetZWlgen entspricht im AOW die Pauschalierung auf der LeistWlgsseite, wo lediglich nach wenigen Haushaltstypen differenziert wird. Durch den Normbetrag für Alleinstehende wird gleichzeitig die Sicherung von Hinterbliebenen über 65 Jahren gewährleistet. Das LeistWlgsniveau ist dabei an das gesetzlich festgelegte soziale Minimum geknüpft, das im internationalen Vergleich als günstig angesehen werden kann I 72. Blickt man auf die Finanzierungsseite, so ist festzuhalten, daß von echten Versichertenbeiträgen im AOW nur noch begrenzt die Rede sein kann. Spätestens seit der vollständigen Harmonisierung der BemessWlgsgroodlagen von Volksversicherungsbeiträgen und Einkommensteuer tragen die Beiträge eher den Charakter von zweckgebWldenen Steuern. Ausdruck des LeistWlgsfahig169 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(199Ib), S. 20. 170 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1991 b), S. 20. 171 Für 1990 liegt die Zahl der ABW-Empfänger, die älter als 65 sind, lediglich bei 28.000 (1,4 % der über 65jährigen). Ihre Anzahl hat seit Mitte der achtziger Jahre zugenommen. Korrigiert um den demographischen Einfluß zeigt sich jedoch, daß der Anteil der über 65jährigen, die eine ergänzende Sozialhilfeleistung beziehen, seit den 70er Jahren stark rückläufig ist; vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 a), S. 168 - 169 und de Kemp (1992), S. 89 - 90. 172 Zum Vergleich von Grundsicherungsniveaus in verschiedenen europäischen Ländern vgl. auch Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990b), S 101.

154

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

keitsprinzips ist die Anwendung des Grundfreibetrages bei der Beitragsbemessung. Allerdings ist in Gestalt der oberen Beitragsbemessungsgrenze neben der Zweckgebundenheit der Mittel ein insbesondere aus verteilungspolitischer Sicht wichtiges Merkmal eines Beitragssystems erhalten geblieben. Vor dem Hintergrund der Gleichstellung von Männern und Frauen ist die Beitragserhebung vollständig individualisiert worden. Einen solchen Schritt hat man demgegenüber auf der Leistungsseite zwar hinsichtlich des Anspruches vollzogen, nicht jedoch bei der Leistungsbemessung, wo lediglich der Normbetrag für Ehepaare auf beide Partner aufgeteilt wurde. Die Individualisierung im AOW weist insofern eine Asymmetrie aufl73 . Unter dem Gesichtspunkt grenzüberschreitender Wanderungen bereitet das AOW keine allzu großen Schwierigkeiten, da sowohl die Exportierbarkeit von Ansprüchen als auch von Leistungen bereits im Gesetz selbst vorgesehen ist und daher einer zusätzlichen supranationalen Regelung im Rahmen der EU nicht bedarf. Die supranationalen Regelungen sind jedoch für die Ansprüche aus den Übergangsbestimmungen des AOW von Bedeutung.

5.3 Zusatzrentensysteme Die lohnbezogene Sicherungsfunktion übernehmen in den Niederlanden die vielfältigen Zusatzrentensysteme. Man kann dabei unterscheiden zwischen den gesetzlich geregelten öffentlich-rechtlichen Systemen und den privat- oder kollektivrechtlichen Regelungen. Eine allgemeine obligatorische Regelung für Erwerbstätige besteht jedoch nicht. Das gesamte Ausgabenvolumen der Zusatzrentensysteme belief sich 1992 auf 26,4 Mrd. f(4,7 % des BIP)174. Angesichts der vor dem Hintergrund einer v. a. nur formalrechtlichen Normierung entstandenen Vielfalt an Ausgestaltungsformen im privaten Sektor l75 ist für diesen Bereich nur eine stark vereinfachende Darstellung möglich. Hinsichtlich des öffentlichen Sektors beschränkt sich die Darstellung auf das größte System für Beamte nach dem ABPW. Die spezifischen Zusatzalterssicherungssysteme, etwa für Angehörige der Streitkräfte, für das Personal der Bahn, des Bergbaus und sonstiger öffentlich-rechtlicher Organe lehnen sich inhaltlich stark an das APBW an und werden daher nicht gesondert behandelt l76 . Direkt unter das APBW fallen etwa 95 % der öffentlich Bediensteten. 173 So auch Madlener (1986), S. 182. 174 Vgl. CBS (1994a), S. 23 und Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 184 - 185. 175 Vgl. Pieters (1991), S. 360. 176 Vgl. Pieters (1991), S. 362.

5.3 Zusatzrentensysteme

155

5.3.1 Zusatzrentensysteme in der privaten Wirtschaft 5.3.1.1 Grundlagen: Entwicklung, Organisation und gesetzlicher Rahmen

5.3. I. I. I Zur Entwicklung der Zusatzrentensysteme im privaten Sektor

Die Wurzeln des heutigen Zusatzrentenbereichs reichen zurück bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts, als die ersten Rentensysteme fiir Beamte und Militärs und im Anschluß daran auch die ersten betrieblichen Rentensysteme entstanden. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren betriebliche Alterssicherungssysteme aber insgesamt wenig verbreitet; sie beruhten zudem auf der Wohltätigkeit des Arbeitgebers und nicht auf Rechtsansprüchen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm der Druck auf die Regierung zu, auf dem Gebiet der sozialen Sicherung gesetzlich tätig zu werden. Die mangelnde gesetzgeberische Durchsetzungskraft gerade im Bereich der sozialen Alterssicherung war aber ausschlaggebend dafiir, daß private Alterssicherungssysteme auf Initiative von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu Beginn des Jahrhunderts stark ausgebaut wurden. Die unternehmensbezogenen Regelungen waren dabei oft ausschließlich leitenden Angestellten vorbehalten, während die Branchenfonds von Anfang an nur fiir Arbeiter bestimmt waren 177. Schon damals wurden bei der Leistungsbemessung bestehende gesetzliche Ansprüche angerechnet. Zudem setzte sich mehr und mehr die Auffassung durch, daß eine betriebliche Rente nicht als Zuwendung des Arbeitgebers, sondern als ein mit der Beschäftigung verbundener Leistungsanspruch aufzufassen sei, der durch Lohnverzicht erworben wird 178. Eine gesetzliche Regelung blieb jedoch weitgehend aus. Erst nach dem II. Weltkrieg, in der Zeit zwischen 1945 und 1960, wurden, ähnlich wie in der Sozialversicherung, die gesetzlichen Grundlagen für elen heutigen Zusatzrentenbereich gelegt. Maßgebend waren das Gesetz über die Pflichtteilnahme an einem Branchenrentenfonds BPF (Wet verplichte deelneming in een bedrijfspensioenfonds) von 1949 und das Renten- und Sparfondsgesetz PSW (Pensioen- en Spaarfondsenwet) aus dem Jahre 1954. Während das BPF dem zuständigen Minister die Möglichkeit eröffnet, die Teilnahme an einem Branchenrentenfonds verbindlich vorzuschreiben, verpflichtet das PSW den Arbeitgeber fiir den Fall, daß er ein Zusatzrentensystem eingerichtet hat, auf die Einhaltung bestimmter Regeln. Das PSW sieht insbesondere eine organisatorische Trennung der Pensionskassen und ihres Vermögens von den Gewinnen und Verlusten des unternehmerischen Betriebs vor. Nach dem II. Weltkrieg nahm die Zahl der kollektiven Zusatzrentenpläne stark zu, ebenso die Anzahl der versicherten Arbeitnehmer und das Vermögen 177 Vgl. Devreese CI 989), S. 33.

178 Vgl. Zweekhorst (1991), S. 167 - 168 und Devreese (\989), S. 34.

156

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

der Pensionsfonds l79 . Dies alles geschah trotz des Ausbaus der gesetzlichen Rentenversicherungen AOW und A WW. Ein wichtiger Grund war ein allgemeiner gesellschaftlicher Konsens daruber, daß eine Erhöhung der Wohlfahrt weniger durch Lohnsteigerungen als durch einen Ausbau der zusätzlichen betrieblichen Sozialleistungen, u. a. der betrieblichen Versorgungspläne, vollzogen werden sollte. Dieser Konsens dokumentierte sich in der sogenannten "gelenkten Lohnpolitik" der Nachkriegszeit. Hinzu kam, daß inzwischen ein gesetzlicher Rahmen bestand, der Arbeitnehmern die nötige Rechtssicherheit hinsichtlich ihrer Versorgungsanspruche verschaffte l80 . 5.3.1.1.2 Gesetzlicher Rahmen

Die grundlegenden Gesetze auf dem Gebiet der Zusatzrentenregelungen des privaten Sektors sind die oben genannten Gesetze BPF und das PSW. Das Renten- und SparJondsgesetz PSW

Das PSW bezieht sich im wesentlichen auf Zusatzrentenpläne in Unternehmens- oder Branchenrentenfonds. Jeder Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer eine Zusatzrente zugesichert hat, ist verpflichtet, diese Zusage durch Beitritt zu einem Branchenrentenfonds, durch die Errichtung eines Unternehmensrentenfonds oder durch Abschluß einer Direktversicherung zu erfiillen l81 . Vornehmliches Ziel des PSW ist es, dem Arbeitnehmer soweit wie möglich eine Garantie seiner Pensionsanspruche zu gewähren. Das Gesetz basiert daher auf folgenden Grundprinzipien 182: dem Schutz der Versorgungsanspruche gegen mögliche finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmens; einer weitestgehenden Aufrechterhaltung der Kontinuität der Zusatzrentenregelung dadurch, daß sich der Arbeitgeber im Prinzip nicht einseitig des Aufbaus der Anspruche entziehen kann; der Sicherstellung, daß die fiir Zusatzrenten eingeworbenen Mittel auch tatsächlich fiir diesen Zweck verwendet werden; ein Abkauf der Anspruche ist daher nicht zugelassen; der angemessenen Einflußnahme der Arbeitnehmer bei der Aufsicht über den Fonds und die Verwaltung der Mittel.

179 Vgl. Devreese (1989), S. 38 - 39. 180 Vgl. dazu Devreese (1989), S. 39 - 40. 181 Vgl. Pieters (1991), S. 360. 182 Vgl. Devreese (1989), S. 46.

5.3 Zusatzrentensysteme

157

Dementsprechend enthält das Gesetz insbesondere Bestimmungen über die Ausführungsorganisation, die Rechtsform der Zusatzrentenfonds, die Zusammenstellung der Aufsichtsorgane, Aufsichts- und Kontrollvorschriften, die RechtsteIlung der versicherten Arbeitnehmer und über die Finanzierung. Der Inhalt von Pensionszusagen wird hingegen nur in wenigen Bereichen geregelt. Dazu zählen: die Unverfallbarkeit des Rentenanspruch nach einem Jahr der Teilnahme an einer Zusatzrentenregelung; der Erhalt von Hinterbliebenenansprüche im Falle der Scheidung; das Abkaufverbot von Rentenanwartschaften. Das Gesetz über die obligatorische Teilnahme an einem Branchenrentenfonds BPF

Das BPF regelt die Befugnis des Sozialministers, für einzelne Branchen die Teilnahme an einem von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden vereinbarten Branchenfonds allgemeinverbindlich vorzuschreiben. Dafür bedarf es allerdings der Initiative der Verbände. Zudem muß sichergestellt sein, daß der Fonds über eine ausreichende finanzielle Grundlage verfugt. Der Inhalt der Regelung bleibt jedoch weitgehend den Tarifparteien selbst überlassen, bis auf einige Vorschriften über die Fondsaufsicht sowie über die rechtliche Handhabung von Streitfallen. Speziell für Berufsrentenfonds gibt es seit 1972 eine dem BPF entsprechende gesetzliche Regelung, das BRPF-Gesetz (Wet verplichte deelneming in een beroepspensioenjonds). Eine solche Regelung besteht für verschiedene Gruppen von Ärzten, für Hebarnrnen und für Physiotherapeuten 183.

Im allgemeinen ist es einem Arbeitnehmer nicht gestattet, die Teilnahme in einem obligatorischen Branchenrentenfonds aufzukündigen. Die Teilnahme kann jedoch freigestellt werden, wenn vorher bereits ein gleichwertiges Zusatzrentensystem (z. B. ein Unternehmensrentenfonds) bestand 184 . Die Ausbreitung obligatorischer Branchenfonds war ein zentrales Anliegen der Gewerkschaften. Inzwischen ist in 65 von 80 zur Zeit bestehenden Branchenfonds (1991) die Mitgliedschaft obligatorisch. Darunter fallen 95 % der aktiven Teilnehmer an Branchenfonds und etwa 2/3 aller Teilnehmer an einem Branchen- oder Unternehmensrentenfonds 185. Keines der drei genannten Gesetze greift jedoch entscheidend in die inhaltliche Gestaltung der Versorgungsregelungen ein, etwa im Hinblick auf das Ziel 183 Vgl. Pieters (1991), S. 361. 184 Vgl. Lutjens(l994), S. 16. 185 Vgl. o. V. (1993), S. 1.

158

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

der Zusatzrentenregelung, das Leistungsniveau, die Leistungsberechnung, die Festlegung der Altersgrenze oder die Höhe der Beiträge I 86. Diese bleibt in Händen der Versicherungsträger.

5.3.1.1.3 Organisation Die Ausfiihrung und Gestaltung der Zusatzrentensysteme im privaten Sektor ist überwiegend den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden überlassen. Zwar hat der Arbeitgeber im Prinzip eine große Wahlfreiheit in der Verwaltung einer Zusatzrentenvereinbarung, doch wird diese eingegrenzt, sofern der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Ist der Arbeitgeber in einer Branche tätig, für die eine allgemeinverbindliche Zusatzrentenregelung nach dem BPF besteht, dann ist er verpflichtet, sich für den betreffenden Teil der Zusatzrenten dem Branchenfonds anzuschließen. Prinzipiell ist dabei nach dem Risikoträger der Versorgungszusage zu unterscheiden: Risikoträger kann entweder eine Lebensversicherung im Wege der Direktversicherung sein oder ein Branchen- oder ein Unternehmensrentenfonds. Unternehmensrentenfonds können das Risiko selbst tragen oder es wiederum bei einer Lebensversicherungsgesellschaft rückversichern.

Direktversicherungen Gesicherte Daten über den Umfang der abgeschlossenen Direktversicherungen sind nicht verfügbar. Nach Schätzungen waren Ende der 80er Jahre bei rund 30 auf diesem Gebiet tätigen Lebensversicherungen etwa 20.000 Direktversicherungsverträge abgeschlossen 187. Die Ausfiihrung, d. h. die Verwaltung und Anlage der Mittel, unterliegt in diesen Fällen direkt den Lebensversicherungsgesellschaften. Des weiteren können Lebensversicherungen als Rückversicherer eines Unternehmensrentenfonds auftreten. [fnternehn1ensrente~onds

Ein Unternehmensrentenfonds wird in vielen Fällen dann errichtet, wenn ein Branchenrentenfonds nicht zur Verfügung steht oder bei nichtobligatorischen Branchenrentenfonds eine günstigere Regelung angeboten werden soll. Oftmals dient ein Unternehmensrentenfonds auch als Ergänzung zu einer branchenweiten Versorgungsordnung. Ein Unternehmensrentenfonds ist ein an das Unternehmen gebundener Fonds, bei dem die Rentenansprüche von Unternehmens angehörigen versichert sind und der die Pensionsordnung ausführt. Der Fonds

186 Vgl. Pieters (1991), S. 360. 187 Vgl. Devreese (1989), S. 77 und Pierik (1991), S. 153.

5.3 Zusatzrentensysteme

159

darf jedoch nach dem PSW nicht Teil des Unternehmens sein. Der Wirkungskreis kann sich auch auf Tochterunternehmen eines Konzerns erstrecken. Unternehmensrentenfonds können ihre Versorgungspläne bei einer Lebensversicherungsgesellschaft rückversichern. Der Versorgungsplan wird dabei in erster Instanz durch den Unternehmensrentenfonds ausgeführt, das Risiko hinsichtlich der Erfüllung der eingegangenen Versorgungszusagen ist jedoch der Lebensversicherungsgesellschaft übertragen. Die Beiträge werden dann an die Lebensversicherungsgesellschaft weitergeleitet. Diese Möglichkeit wird v. a. durch kleine Unternehmensrentenfonds genutzt, um Verwaltungsaufwendungen zu sparen. Außerdem ist das anzulegende Vermögen häufig so gering, daß sich aus Risikoüberlegungen die Rückversicherung lohnt. 1991 waren von den 1.020 bestehenden Unternehmensrentenfonds knapp 396 (38 %) rückversicherte Fonds. Die Tendenz ist eher rückläufig l88 . Unternehmensrentenfonds, die ihre Zahlungsverpflichtungen selbst oder überwiegend selbst übernehmen, sind die sogenannten "Fonds mit Eigenrisiko" . Dies traf im Jahre 1991 auf 624 Fonds (62 % aller Unternehmensrentenfonds) zu. Diese Form wird überwiegend von großen Unternehmensrentenfonds gewählt. Die Erhebung, Anlage und Auszahlung der Mittel erfolgt in den Fällen durch den Fonds selbst, kleinere Fonds müssen jedoch das Hinterbliebenen- und Invaliditätsrisiko rückversichern. Ob ein Unternehmensrentenfonds als Fonds mit Eigenrisiko geführt werden darf, hängt von der Zustimmung des Aufsichtsorgans über das Zusatzrentenwesen, der Versicherungskammer (verzekeringskarner) ab.

Branchenrentenj"ondS Gegenwärtig existieren etwa 80 Branchenrentenfonds, 65 davon sind für allgemeinverbindlich erklärt worden, so im Baugewerbe, in der Metallindustrie oder in der Textilindustrie. Ein Branchenrentenfonds ist ein branchenweit wirkender Zusatzrentenfonds, in dem für die in der betreffenden Branche tätigen Arbeitnehmer zum Zweck der Zusatzrentenversicherung Beiträge gesammelt werden. Ein solcher Fonds kann auch branchenübergreifend eingerichtet werden oder nur einen Teil der Branche umfassen. Er beruht in der Regel auf einer Tarifvereinbarung. Was unter einer Branche zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. So können beispielsweise auch Gruppen von Freiberuflern sich zu einem Branchenrentenfonds zusammenschließen 189. Bezogen auf die aktiven Teilnehmer 190 (1993) sind die größten Branchenrentenfonds im Gesundheitswesen (ca. 382.000 Personen), im metallverarbeitenden Gewerbe (ca. 238.000 188 Vgl. o. V. (1993), S. 73 und Devreese (1989). S 78. 189 Vgl. Devreese (1989), S. 81. 190 Vgl. dazu Abschnitt 5.3.1.2.

160

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Personen), im Baugewerbe (ca. 210.000 Personen) und in der Metallindustrie (ca. 118. 000 Personen) zu finden 191 .

Rechts/orm, Leitungsbefognis und Anlagevorschriften Als Zusatzrentenfonds (Unternehmens- oder Branchenrentenfonds) können gemäß dem PSW nur rechtlich eigenständige Körperschaften fungieren. In der Praxis werden die meisten Zusatzrentenfonds in der Rechtsform einer Stiftung gefiihrt. In den Satzungen sind das Ziel, die Aufgaben, die Organisationsstruktur und die Teilnehmer festgelegt. Das Pensionsreglement enthält die Regelung von Rechten und Pflichten der Teilnehmer. Die Regelung der Leitungsbefugnis hat den Vorschriften des PSW Rechnung zu tragen. Vorgeschrieben ist etwa eine gleichgewichtige Besetzung der Leitungsorgane durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. Arbeitnehmer müssen in Unternehmensrentenfonds deshalb mindestens die Hälfte der Verwaltungsratsmitglieder stellen. In Branchenrentenfonds ist der Verwaltungsrat paritätisch mit Vertretern von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften zu besetzen. Das PSW schreibt vor, daß die Zusatzrentenfonds im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens zu finanzieren sind. Hinsichtlich der Anlage des Vermögens lassen die Gesetze ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit; vorgeschrieben ist im wesentlichen lediglich, daß die Mittel solide anzulegen sind l92 . Auch enthält das Gesetz für Unternehmensrentenfonds das Verbot, sich in nennenswertem Unfang am Unternehmen des Arbeitgebers zu beteiligen. Ansonsten nimmt die Versicherungskammer die Aufsicht über die Anlagepolitik der Fonds wahr. Die Versicherungskammer prüft die Anlagepolitik detailliert im Hinblick auf deren Solidität, Rentabilität, Risikostreuung und Liquidität.

Staatliche Aufsicht Die staatliche Aufsicht über die Zusatzrentenregelungen liegt in der Hand des Sozialministers und der Versicherungskammer. Das Sozialministerium nimmt Kenntnis von der Anmeldung neuer Unternehmens- oder Branchenrentenfonds und von Änderungen der Satzungen und Reglements. Wie schon erwähnt hat der Sozialminister insbesondere die Möglichkeit, auf Antrag Branchenrentenfonds für allgemeinverbindlich zu erklären. Die Versicherungskammer wurde 1923 gegründet, ursprünglich als Aufsichtsorgan für Lebensversicherungsgesellschaften. Sie ist in ihrer Aufgabenerfüllung autonom; Vorstand und Verwaltungsrat werden von der Krone be191 VgI. Dietvorstide Lange/Smittenaar (1993). S 177 - 182 und Tabelle A-5.2 im Anhang. 192 VgI. Devreese (1989), S. 83.

5.3 Zusatzrentensysteme

161

stimmt. Der Versicherungskammer obliegt primär die Aufsicht über die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen sowie die Beurteilung des Finanzgebarens der Zusatzrentensysteme. Darüber hinaus hat sie auch beratende Aufgaben. 5.3.1.2 Versicherter Personenkreis, Anspruchsvoraussetzungen und Deckungsgrad

Anspruchsvoraussetzungen

Bei der Bestimmung des einbezogenen Personenkreises wird üblicherweise zwischen drei Kategorien unterschieden 193: den aktiven Teilnehmern, den passiven Teilnehmern und den Rentenempfängern. Aktive Teilnehmer sind die Personen, zu deren Gunsten Beiträge in den Fonds zum Zwecke des Aufbaus von Pensionsansprüchen eingezahlt werden. Hierbei handelt es sich in der Regel um die Arbeitnehmer eines Unternehmens bzw. einer Branche. Dazu gehören im allgemeinen aber auch Arbeitnehmer im Vorruhestand, da die VUT-Regelungen meistens eine Fortsetzung des Pensionsaufbaus vorsehen l94 , und Empfänger von Sozialleistungen, fiir die weiterhin Beiträge zur Zusatzversorgung geleistet werden. Eine solche Bestimmung enthalten die Reglements vieler Unternehmens- und Branchenrentenfonds im Falle der Invalidität. Mitversicherte Familienangehörige zählen nicht zu den aktiven Teilnehmern.

Der Personenkreis der aktiven Teilnehmer ergibt sich aus der Satzung der jeweiligen Zusatzrentenregelung selbst. Dabei gelten eine Reihe von weiteren Anspruchsvoraussetzungen. Die gebräuchlichsten Kriterien sind 195: das Lebensalter (Anspruchserwerb meist nur zwischen 25 und 65 Jahren), die Betriebszugehörigkeit (Wartezeit in der Regel 1 Jahr), eine wöchentliche oder monatliche Mindestarbeitszeit, die Höhe des Gehalts (Ansprüche können nur aufgebaut werden über den Teil des Einkommens, der über den Franchise-Betrag aus dem Einbau des AOW hinausgeht; ferner kann eine Einkommensobergrenze bestehen) I 96, das Geschlecht und der Familienstand. 193 Vgl. Devreese (1989), S. 91. 194 Vgl. dazu Abschnitt 54.24.1. 195 Vgl. etwa Devreese (1989), S. 95 - 96. 196 Die Einkommensuntergrenze liegt mindestens bei 10/7 der AOW-Rente für ein Ehepaar, d. h. bei einem Jahreseinkommen von etwa 35.400 f (1992). Als Obergrenze kann von einem Jahresgehalt von etwa 90.000 f (1992) ausgegangen werden. 11 Pöhler

162

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Anzutreffen sind somit oftmals BestimmWlgen, die den Ausschluß verheirateter Frauen oder von Teilzeitkräften explizit vorsehen. Auch vom Erfordernis eines Mindestgehalts werden Frauen stärker beeinträchtigt als Männer. Demzufolge ist es nicht vefWWlderlich, daß Frauen Wlter den Beschäftigten ohne betriebliche ZusatzsicherW1g überrepräsentiert sind. Obwohl etwa 30 % der Arbeitnehmer in Unternehmen mit einem Zusatzrentensystem Frauen sind, liegt ihr Anteil an den aktiven Teilnehmern nur bei 19 % 197. Nicht zuletzt aufgrW1d der jüngsten EuGH-RechtsprechWlg ist allerdings mit einer baldigen BeseitigWlg der direkt Wld indirekt frauendiskriminierenden RegelWlgen zu rechnen l98 . Dies sieht auch ein entsprechender Gesetzentwurf der RegierW1g vor. Strittig ist allerdings bislang, ob eine UmstellWlg nur für den zukünftigen Aufbau von Ansprüchen gelten soll, wie es der Gesetzentwurf mit Rücksicht auf die zu erwartenden BelastWlgen der Zusatzrentenfonds vorsieht, oder ob auch rückwirkend eine Korrektur von Ansprüchen vorzWlehmen ist l99 . Endet die Teilnahme an einer ZusatzrentenregelWlg anders als durch Tod oder durch PensionierW1g, kann der aktive Teilnehmer nach den BestimmWlgen des PSW bestimmte Rechte geltend machen. Bei einer Teilnahme von Wlter einem Jahr kann er sich die Summe der bis dahin gezahlten Beiträge einschließlich der Arbeitgeberbeiträge auszahlen lassen oder den bis dahin erworbenen Anspruch aufrechterhalten. Ebenso wie Personen, die länger als ein Jahr aktiv an der ZusatzrentenordnWlg teilgenommen haben, aber die FortsetZWlg Wlteroder abgebrochen haben, gehört der Betreffende dann bis zum Erreichen des Pensionsalters zu den passiven Teilnehmern (slapers). Passive Teilnehmer genießen nicht immer die gleichen Rechte wie aktive Teilnehmer. So werden vielfach bestimmte Pensionszuschläge nur Personen gewährt, die bis zum Rentenzugang dem Zusatzrentenfonds aktiv angehört haben200 . Definitiv endet die Teilnahme mit der VollendWlg des Rentenzugangsalters. In den meisten ZusatzrentenregelWlgen beträgt das Rentenzugangsalter 65 Jahre wie im gesetzlichen System. Für Frauen gelten vereinzelt niedrigere Grenzen, oftmals 60 Jahre. Die Zeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wird in solchen Fällen meist mit einer zeitlich befristeten LeistWlg aus den Zusatzrentenfonds überbrückt. Einige Regelungen bieten darüber hinaus die Möglichkeit eines Vorruhestands (außerhalb des VUT) ab dem 60. Lebensjahr, manchmal verbWlden mit der Möglichkeit, den Rentenbeginn auch aufzuschie-

197 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (l99Ib), S. 48 und Sociaal-Economische &ad (1990), S. 26. 198 Vgl. Lutjens (1994), S. 23. 199 Vgl. dazu Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 b), S. 48 - 57 lind dass. (I 992d), S. 1 - 2. 200 Vgl. Devreese (1989), S. 95.

5.3 Zusatzrentensysteme

163

ben. Nach einer UntersuchWlg aus dem Jahre 1987 gingen 95 % der Zusatzrentenversicherten (einschließlich ABP) mit 65 Jahren in den Ruhestand, etwa 4 % mit 60 Jahren20I . Verstirbt der Betroffene, so können eventuelle Hinterbliebene einen Anspruch gegen den Zusatzrentenfonds geltend machen. Auch geschiedene Ehepartner haben für die Dauer der Ehe einen anteiligen Hinterbliebenenanspruch202 . Deckungsgrad

Nach einer ErhebWlg von 1985 fielen von 3,6 Mio. Beschäftigten im privaten Wld öffentlichen Sektor im Alter zwischen 25 Wld 65 Jahren knapp 3 Mio. oder 83 % Wlter eines der beschriebenen ZusatzrentenversichefWlgsysteme. Während im öffentlichen Sektor fast ausnahmslos alle Beschäftigten über 25 Jahren an einer ZusatzrentenregelWlg teilnahmen, betrug der DeckWlgsgrad im privaten Sektor mit 2,1 Mio. Versicherten lediglich 77 %; gut 600.000 Personen des privaten Sektors fielen nicht Wlter eine ZusatzrentenversorgWlg203 . Der Hauptgrood für fehlende Zusatzrentenansprüche war, daß der Arbeitgeber keine ZusatzrentenregelWlg anbot. Es handelte sich dabei v. a. um kleinere Unternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter über 25 Jahren), Unternehmen, die hauptsächlich Teilzeitkräfte beschäftigten Wld um nichttarifgebWldene Unternehmen. Besonders verbreitet war dies im Handel Wld im privaten DienstleistWlgsgewerbe204 . Für die nichtgesicherten Arbeitnehmern waren folgende Merkmale typisch: eine kurze BeschäftigWlgszeit, ein Wlterdurchschnittlicher Verdienst (über 80 % hatten ein Jahreseinkommen von Wlter 45.000 t) Wld TeilzeitbeschäftigWlg (über 50 % der Nichtgesicherten war teilzeitbeschäftigt). In besonderem Maße waren deshalb Frauen betroffen. Der Anteil der Frauen an den Arbeitnehmern, die nicht an einer ZusatzrentenregelWlg teilnahmen, lag bei 60 %. Wichtige Gründe dafür waren zum einen der weitverbreitete Ausschluß verheirateter Frauen vom Erwerb von Zusatzrentenansprüchen überhaupt sowie ähnliche AusschlußregelWlgen für Teilzeitbeschäftigte. Auch die weiteren aufgezählten Umstände wirken zum Nachteil von Frauen. Frauen sind in den Wlteren Lohngruppen stärker vertreten, ebenso ist der Frauenanteil an den Beschäftigten gerade im Handel Wld DienstleistWlgsgewerbe besonders hoch. Seit Ende der 80er Jahre wurden verstärkt Anstrengungen unternommen, um die festgestellten Lücken im Zusatzrentenbereich zu schließen. Dabei ging es um Personen ohne jegliche ZusatzversichefWlg (sogenannte weiße Flecken) Wld um Personen, die aufgrood von Arbeitslosigkeit oder eines Unternehmenswech201 Vgl. Luljens (1994), S. 31. 202 Vgl. Devreese (1989), S. 94. 203 Vgl. Pensioenkamer (1987), S. 9. 204 Vgl. Pensioenkamer (1987), S. 6 - 10 11*

164

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

sels nur unzureichende Rentenanwartschaften aufbauen konnten (sogenannte graue Flecken). Inzwischen wurden die Möglichkeiten der Übertragbarkeit von Ansprüchen erheblich verbessert205 . Aufgrund von Maßnahmen zur Schließung von Sicherungslücken, besonders durch eine vennehrte Aufnahme von verheirateten Frauen und Teilzeitkräften in den Kreis der gesicherten Personen, wird mittlerweile davon ausgegangen, daß sich der Deckungsgrad im privaten Sektor merklich erhöht hat. Neuere Schätzungen gehen davon aus, daß etwa 92 % der Beschäftigten im privaten Sektor an einer Zusatzrentenregelung teilnehmen206 . Tabelle 5.8

Entwicklung der Teilnehmerzahl und der Zahl der Rentenfälle in Branchen- und Unternehmensrentenfonds (1974 - 1991) Kategorie

Teilnehmer und Rentenfälle (in Tausend)

Aktive Teilnehmer in Branchenrentenfonds (davon obligatorisch, in %)

1974

1980

1986

1991

1.721

1.946

2.205

2.942

1.353

1.528

1.546

2.204

(96,7)

(95,2)

(95,9)

(95,8)

368

418

659

740

Branchenrentenfonds

445

579

715

773

-

275

353

426

459

8

6

5

8

126

187

257

287

36

33

27

19

127

175

226

275

70

96

133

166

3

5

5

10

Witwen-/Witwerrenten

43

63

79

91

Waisenrenten

11

11

9

7

in Unternehmensrentenfonds Rentenfälle

Altersrenten Invaliditätsrenten Witwen-lWitwerrenten Waisenrenten

Unternehmensrentenfonds

-

Altersrenten Invaliditätsrenten

Quellen: Eigene Zusammenstellung nach Daten von o. V (1993), S. 1 - 5 und Devreese (1989), S. 167 jeweils nach Daten der Verzekeringskarner

Tabelle 5.8 gibt die Entwicklung in der Zahl der aktiven Teilnehmer und der Rentenfälle zwischen 1974 und 1991 wieder. 205 Vgl. dazu Abschnitt 5.3.1.2.4 und Zweekhorst (1991), S. 171. 206 Vgl. Sociaal-Economische Raad (1990), S. 27.

5.3 Zusatzrentensysteme

165

Die Entwicklung der Zahl der aktiven Teilnehmer ist ein Indikator für die Verändenmg des Deckungsgrades. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Zahlen in größerem Umfang Doppelzählungen enthalten, da bestimmte Kategorien von Teilnehmern unter mehrere Zusatzrentenregelungen fallen können207 . Augenfällig ist der starke Anstieg von 33 % bei den aktiven Teilnehmer zwischen 1986 und 1991. In der Zeit erhöhte sich deren Zahl um über 700.000 Personen auf inzwischen knapp 3 Millionen. In den Jahren zuvor war zwar auch ein Anstieg der Teilnehmerzahl festzustellen, doch lag der Zuwachs für vergleichbare Zeiträume deutlich danmter. Zum Teil ist diese Entwicklung durch eine steigende Zahl von Erwerbstätigen bedingt. So nahm die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 1986 und 1991 um etwa 11 % zu208. Der Rest des Zuwachses dürfte aber auf die Schließung von Deckungslücken zurückzuführen sein. Hier ist hinzuweisen auf eine weitere Verbreitung von Zusatzrentensystemen, die stärkere Öffnung gegenüber lange Zeit ausgeschlossenen Personengruppen sowie auf verbesserte Möglichkeiten zur Fortsetzung des Anspruchsaufbaus beim Wechsel des Arbeitgebers209 . Dieser Teil des Zuwachses dürfte den Deckungsgrad erhöhen. Auffallend ist, daß die Zunahme zwischen 1986 und 1991 größtenteils durch die Branchenrentenfonds hervorgerufen wurde - hier stieg die Zahl der Teilnehmer um etwa 42 % -, während in der ersten Hälfte der 80er Jahre die Teilnehmerzahl fast stagnierte. Der Anstieg bei den Unternehmensrentenfonds war dagegen mit 12 % zwischen 1986 und 1991 unterdurchschnittlich. Inzwischen ist der Anteil der aktiven Teilnehmer, die über einen Branchenfonds abgesichert sind, auf 75 % angestiegen. Der Anteil der obligatorisch Versicherten lag durchgehend bei über 95 %. Nicht aufgeführt ist hier die Entwicklung bei der Zahl der passiven Teilnehmer. Hier kommt es in nur schwer abschätzbarem Ausmaß zu Doppelzählungen und Abgrenzungsproblemen, da aktive Teilnehmer oftmals einen Anspruch oder mehrere Ansprüche aus anderen Systemen haben. 1991 lag die Zahl der Ansprüche aus passiver Teilnahme in den Branchenrentenfonds bei 3,9 Mio., in den Unternehmensrentenfonds bei nur 493.000. Einen Indikator für den Deckungsgrad auf der Seite der Rentenempfänger bildet die Zahl der Rentenfälle. Eine genaue Bestimmung des Deckungsgrades im Sinne einer Bestimmung des Anteils der Empfänger von Zusatzrenten an allen Personen über 65 Jahren kann jedoch insbesondere aufgnmd mannigfacher 207 Etwa aufgrund der Möglichkeit, daß ein Unternehmensrentenfonds zusätzlich zu einem Branchenrentenfonds besteht. Vgl. auch Devreese (1989), S. 168. 208 Vgl. Minislerie van Sociale Zaken en WerkgeJegenheid (1994), S 128. 209 Vgl. dazu Abschnitt 5.3.1.3.4.

166

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Doppelzählungen mit Hilfe dieser Daten nicht vorgenommen werden2lO . Ein solcher Wert läßt sich letztlich nur empirisch ermitteln211 . Als Annäherung ließe sich auf die Summe der Alters- und Witwen-/Witwerrenten zurückgreifen. Bezogen auf die gesamte Bevölkerung ab 65 Jahren käme man dann auf einen Deckungsgrad von etwa 50 %. Mögliche Doppelzählungen sind darin aber nicht eliminiert; die Schätzung ist somit tendenziell zu hoch. Betrachtet man die Struktur der Zusatzrentenfälle im Zeitablauf, so zeigt sich folgendes Muster: Die Rentenfälle haben zwischen 1986 und 1991 weit weniger stark zugenommen als die Zahl der aktiven Teilnehmer, während die Entwicklung bis dahin genau umgekehrt verlief. Für die Rentenfälle gilt zudem, daß der Anstieg bei den Untemehmensrentenfonds größer ausfällt als bei den Branchenrentenfonds. Unter den Rentenarten haben die Witwen- bZw. Witwerrenten die größte Dynamik, die jedoch in der zweiten Hälfte der 80er Jahre gegenüber früheren Jahren merklich abgeflacht ist und nur noch leicht über dem Zuwachs der Altersrenten liegt. Zu dieser Annäherung dürfte eine allmählich zunehmende Zahl an eigenen Ansprüchen von Frauen beigetragen haben. Nach wie vor sind die Altersrenten die dominierende Rentenart. Insgesamt spiegeln sich in der Entwicklung der Rentenfälle auch der demographische Wandel und die sozioökonomischen Prozesse. Dazu zählen die Veränderungen in Umfang und Struktur der Erwerbsbevölkerung, eine steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, zunehmende Scheidungs- und Verwitwungsfälle und der Anstieg der Lebenserwartung. 5.3.1.3 Leistungen und Leistungsberechnung

Im allgemeinen sind folgende Zusatzrentenarten zu unterscheiden: Altersrenten, Invaliditätsrenten, Witwen- bzw. Witwerrenten, Waisenrenten und Partnerrenten.

5.3.1.3.1 Altersrenten Ziel der Zusatzrentensysteme ist es, eine an der Erwerbsbiographie ausgerichtete Rentenleistung zu gewähren. Als Orientierung dient ein von den Tarifparteien bereits im Jahre 1969 entwickelter Standard, der auch dem ABP zugrunde lag und der beinhaltet, daß die Zusatzrente nach einer Aufbauperiode von 40 210 Schätzungen für 1977 und 1983 kommen auf einen Anteil von 53 % bis 54 % an Empfängern von Zusatzrenten bezogen auf alle Personen ab 65 Jahren. Eingeschlossen sind dabei auch die Empfänger einer ABP-Rente. Vgl. Devreese (1989), S. 171. Neuere Untersuchungen für 1990 gehen von einem Deckungsgrad von über 80 % aus; vgl. de Kemp (1992), S. 162 nach Angaben des CBS. 211 Vgl. dazu etwa Abschnitt 9.5.3.

5.3 Zusatzrentensysteme

167

Jahren unter Einschluß der AOW-Rente ungefähr 70 % des letzten Bruttoverdienstes ausmachen sollte212 . Von diesem Standard ging eine starke normative Wirkung auf die Leistungsbestimmungen im Zusatzrentenbereich des privaten Sektors aus. Die Höhe der Altersleistungen wird im wesentlichen durch einen Zeitfaktor und einen Einkommensfaktor bestimmt: die Dienstzeit und das zugrundeliegende Gehalt213 . 5.3.1.3.1.1 Dienstzeit Meistens wird die Dienstzeit ausgedrückt in der Anzahl an Jahren, in denen der Betreffende an der Zusatzrentenregelung teilgenommen hat. Die Voraussetzungen fiir eine Anrechenbarkeit von Dienstjahren ist in den Pensionsordnungen festgelegt. Die Regelungen sind dabei keineswegs einheitlich. So gelten unterschiedliche Voraussetzungen fiir den Zutritt zur Versorgungsordnung: Häufig ist ein Mindestalter (meist 25 Jahre) vorgesehen, oder es sind bestimmte Wartezeiten zu erfiillen. Oftmals besteht auch eine Höchstgrenze von 40 Jahren fiir die Anrechenbarkeit von Dienstzeiten. Unterschiede bestehen zudem in der Art und Weise, wie zurückliegende Dienstzeiten bewertet werden. Zu unterscheiden ist zwischen dem Dienstjahre- und dem Lebensjahreprinzip. Da dieser Unterschied nur fiir einen ganz bestimmten Typ von Zusatzrentenregelung, die Endlohnregelung von Bedeutung ist, wird dieser Aspekt an späterer Stelle behandelt214 . 5.3.1.3.1.2 Anrechenbares Gehalt Für die Abstimmung der Zusatzrente auf das zugrundeliegende Gehalt sind folgende Faktoren maßgeblich: . die Rentenbemessungsgrund/age; die AOW-Leistung; der Rententarif.

Rentenbemessungsgrund/age Die Rentenbemessungsgrundlage ist der Teil des Gehalts, über den Zusatzrentenansprüche aufgebaut werden. Sie ergibt sich aus dem anrechenbaren Gehalt und der Berücksichtigung der AOW-Rente. Die Abgrenzung des anrechenbaren 212 Vgl. Ministerie van Sociale laken (\99\ b), S. 99. 213 Vgl. dazu Devreese (1989), S. \ 02 - \ 03. 2\4 Vgl. Abschnitt 5.3.1.3.1.2.

168

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Gehalts ist in den Versorgungsplänen höchst unterschiedlich geregelt. Ausgangspunkt ist üblicherweise das Bruttojahresgehalt. Unterschiede bestehen in der Bestimmung dessen, was zwn anrechnungsfähigen Jahresgehalt zu zählen ist und was nicht. Als Beispiele sind Überstundenzuschlägen, Schichtzulagen, Gratifikationen, Provisionen, Gewinnbeteiligungen oder geldwerte Vorteile zu nennen. In dem Maße, wie solche Elemente den Charakter eines festen Einkommensbestandteils annehmen, werden sie üblicherweise in die Rentenbemessungsgrundlage einbezogen. Über den Kompensationszuschlag hingegen werden keine Zusatzrentenansprüche aufgebaut 215 . In vielen Fällen, aber nicht immer ist der abgedeckte Gehaltsbereich nach oben begrenzt. Darüber hinausreichendes Einkommen wird dann weder für den Aufbau von Rentenansprüchen, noch für die Beitragszahlung herangezogen. In großzügigen Fonds liegt das Maximwn bei etwa 90.000 firn Jahr (1992)216. Von ganz entscheidender Bedeutung ist, an welchem Gehaltsbegriff die Versorgungsnorm ansetzt, also insbesondere ob am letzten Gehalt oder am durchschnittlichen Gehalt während der Zugehörigkeit zur Zusatzrentenordnung. Darauf wird in Abschnitt 5.3.1.3.2.4 näher eingegangen.

Einbau der AOW-Leistung Zusatzrenten werden als Ergänzung der staatlichen AOW-Rente angesehen. Aus dem Grunde wird bei der Berechnung der Zusatzrente in allen Systemen die Höhe der AOW-Rente in Rechnung gestellt. Regelungen, die solches nicht vorsehen, würden auch steuerlich nicht als zugelassenes Zusatzrentensystem anerkannt werden217 . Üblicherweise wird die AOW-Rente in der Weise berücksichtigt, daß über den Einkommensteil, von dem unterstellt wird, er werde durch die AOW-Rente abgedeckt, kein Zusatzrentenanspruch aufgebaut wird (Franchise-Methode). Die Höhe des Franchise-Betrages wird so festgesetzt, daß das angestrebte Pensionsziel erreicht werden kann. Formal bemißt sich die Zusatzrente bei einer 40jähriger Versicherungszeit und einer Ausrichtung am Zusatzrentenstandard unter Einbeziehung der AOWRente nach der Franchise-Methode demnach wie folgt 218 :

215 216 217 218

Vgl. Dietvorsl/de Lange/Smittenaar (1993), S. 54. Vgl. Bunicich (1993), S. 73. Vgl. Devreese (1989), S 104 und die Ausführungen in Abschnitt 5.3.1.1. Vgl. auch das Beispiel in KapiteI7.2.4.1.

5.3 Zusatzrentensysteme

ZR + AOW =

1,75 % x 40 x La

ZR

0,7 x [IP - (10/7 x AOW)}

mit ZR

Zusatzrente,

La AOW

169

aru'echenbares Gehalt (letzter Jahresbruttolohn, durchschnittlicher Jahresbruttolohn o. ä.) und

=

AOW-Rente.

Der Tenn (10/7 AOW) bezeichnet dabei den Franchise-Betrag, die Rentenbemessungsgrundlage ist' gleich [La_(10/7 AOW)]. Nur über jenen Teil des Einkommens werden Zusatzrentenansprüche aufgebaut. Die Franchise-Methode wird in rund 90 % der Zusatzrentenregelungen der privaten Wirtschaft angewendet und betrifft etwa 75 % aller dort aktiven Teilnehmer. Vereinzelt wird aber auch von der zugesagten Pension die tatsächliche AOWRente abgezogen (Einbaumethode )219. Diese Variante bietet die Möglichkeit, direkt an die individuelle Höhe der AOW-Rente des Versicherten anzuschließen. Sie ist aber im Vergleich zur Franchise-Methode nur wenig verbreitet. Von entscheidender Bedeutung für die Höhe der Zusatzrente ist, wie aus der obigen Fonnel unschwer zu ersehen, der Betrag der eingebauten AOW-Rente. Nach wie vor am häufigsten findet man die Regelung, pauschal auf die AOWRente eines Ehepaares (d. h. den doppelten Betrag einer verheirateten Person) abzustellen. Nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1987 fielen lediglich 13 % der Teilnehmer an einem Zusatzrentensystem des privaten Sektors unter eine Regelung, bei der von einer gegenüber den individuellen AOW -Ansprüchen gerechten Differenzierung des Franchise-Betrages ausgegangen werden kann220 . Dem weit verbreiteten pauschalen Einbau der AOW-Rente eines Ehepaares liegt das traditionelle Familienleitbild der Einverdienerehe zugrunde. Solange dieses Bild noch überwiegend den gesellschaftlichen Realitäten entsprach, war eine solche Regelung im Hinblick auf das zur erreichende Verteilungsziel auch weitgehend unproblematisch. Doch ist ein solches Verfahren bei der gestiegenen Erwerbsbeteiligung von Frauen und zunehmenden Individualisierungstendenzen immer weniger geeignet, das angestrebte Sicherungsziel zu erreichen. Die pauschale Anrechnung fUhrt statt dessen bei Mehrverdienerhaushalten und bei Alleinstehenden zu Ergebnissen, die aus verteilungspolitischer Sicht, aber auch unter Anreizgesichtspunkten als höchst problematisch anzusehen sind. Dies wird bei der Analyse ausgewählter Modellfälle deutlich, so daß an dieser Stelle der Verweis auf Abschnitt 7.4 genügen mag. 219 Vgl. zu heiden Methoden Devreese (1989), S. 104 - 110 sowie Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 h), S. 34 - 39. 220 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 187 - 188. Im öffentlichen Sektor ist dagegen eine solche Differenzierung praktisch durchgängig vorhanden.

170

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Insgesamt wird den Trägem der Zusatzrentensysteme seitens des Gesetzgebers eine große Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die Berücksichtigung der AOW-Rente eingeräumt. Eine Einschränkung besteht allerdings insofern, als ein Teil der AOW-Rente, die sogenannte strukturelle Steigerung, und das Urlaubsgeld beim Einbau nicht miteinbezogen werden dürfen221 . Die strukturelle Komponente spiegelt jenen Teil der Steigerung der AOW-Renten wider, der über das übliche Maß der Anpassung hinausging und auf eine Verbesserung der relativen Einkommensposition zielt. Damit soll verhindert werden, daß die beträchtlichen AOW-Rentenerhöhungen während der 70er Jahre durch verminderte Zusatzrentenansprüche zunichte gemacht würden. Der Sozialminister hat allerdings die Möglichkeit, einzelne Zusatzrentensysteme vom Anrechnungsverbot freizustellen. Darüber hinaus ist beabsichtigt, das Anrechnungsverbot bei einer Novellierung des PSW aufzuheben222 . RententariJ

Der Rententarif gibt an, mit welchem Prozentsatz der Rentenberechnungsgrundlage und mit welcher Periodizität die Zusatzrente aufgebaut wird. Im allgemeinen beträgt der Prozentsatz 1,75 % der Rentenbemessungsgrundlage, so daß nach 40 Jahren einen Wert von 70 % des letzten Verdienstes oder des durchschnittlichen Verdienstes usw. erreicht wird. Solches trifft auf etwa 75 % aller betrieblich zusatzversicherten Arbeitnehmer zu. Es kommen aber auch andere Rentenberechnungssätze zur Anwendung223 . Zudem besteht die Möglichkeit, die Sätze über die Dienstjahre oder die Einkommen hinweg variieren zu lassen. So kann z. B. der Anrechnungssatz mit steigendem Einkommen gesenkt werden. 5.3.1.3.1.3 Typen von Zusatzrentenregelungen Hinsichtlich der Bedeutung der Rentenbemessungsgrundlage lassen sich im wesentlichen 4 Typen von Zusatzrentensystemen unterscheiden. Die Prozentsätze geben den Anteil der jeweils erfaßten aktiven Teilnehmer an allen aktiven Teilnehmern an Zusatzrentenordnungen des privaten Sektors an224 :

221 Vgl. Dietvorstide LangelSmittenaar (1993), S. 54. 222 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 b), S. 20 - 22. Dies ist aber bislang noch nicht erfolgt. 223 Frauen können verschiedentlich bereits mit 60 Jahren bei einer 35jährigen Aufbauperiode eine Zusatzrente beanspruchen; dort liegt der jährlich erworbene Satz entsprechend bei 2 % der Rentenbemessungsgrundlage; vgl. etwa Lutjens (1994), S. 31. 224 Vgl. hierzu Pensioenkamer (1989), S. 53 und 75. Die Angaben beziehen sich auf das Jahr 1987. Neuere Erhebungen liegen nicht vor; vgl. auch Lutjens (1994), S. 30.

5.3 Zusatzrentensysteme

171

(1) Systeme mit Endlohnregelung (72 %): Die Rente wird als ein Prozentsatz des Lohnes des letzten Jahres bzw. mehrerer Jahre vor Rentenbeginn berechnet. Auf diese Variante wird anschließend noch etwas näher eingegangen. (2) Systeme mit Durchschnittslohnregelung (15 %): Die Rente orientiert sich am Durchschnitt der Verdienste während der gesamten Aufbauperiode, wobei pro Jahr ein bestimmter Teil der in jenem Jahr geltenden individuellen Rentenbemessungsgrundlage erworben wird. Der endgültige Rentenanspruch hängt somit von der Teilnahmezeit, dem Rententarif und der jeweils geltenden Rentenbemessungsgrundlage ab. Das Ergebnis spiegelt dann die individuelle Erwerbskarriere und die reale und inflatorische Lohnentwicklung während dieses Zeitraums wider. Die Pensionslasten folgen dabei der Entwicklung der allgemeinen Lohnkosten. (3) Systeme mit Festbeträgen (7 %): Die Rente wird aufgebaut durch feste Rentenansprüche pro Dienstjahr, und zwar unabhängig vom Einkommen des Versicherten. Nachteilig ist, daß ein solches System bei höheren Einkommen immer stärker hinter dem zuletzt verdienten Einkommen zurückbleibt und somit dem Ziel der Lebensstandardsicherung immer weniger gerecht wird. Da die Versorgungszusage im allgemeinen als nominale Größe fixiert ist, findet auch keine Lohn- oder Preisniveauanpassung der Ansprüche statt. Aus Sicht des Arbeitgebers bleiben die Pensionslasten so zwar relativ niedrig, die Versicherten erfahren aber eine allmähliche Aushöhlung ihrer Rentenansprüche. Deshalb werden diese vielfach auf diskretionärem Wege von Zeit zu Zeit angepaßt225 .

(4) Kombination von End- und Durchschnittslohnregelung (5 %): Hier geht die Endlohnregelung ab einem bestimmten Lebensalter in eine Durchschnittslohnregelung über. Systeme mit fixierten Beiträgen haben dagegen in den Niederlanden gegenwärtig praktisch keine Bedeutung mehr; nur noch 0,6 % der aktiven Teilnehmer fallen unter eine solche Regelung226 .

Endlohnregelungen In den Endlohnregelungen hängt der bis zum Erreichen der Altersgrenze aufgebaute Rentenanspruch von der Teilnahmezeit, dem Rententarif und der zuletzt geltenden Rentenbemessungsgrundlage ab. Jedes Dienstjahr vermittelt somit einen Anspruch auf einen festen Prozentsatz der Rentenbemessungsgrundlage. Jede Erhöhung der Rentenbemessungsgrundlage erhöht auch den Rentenanspruch, und zwar auch für zurückliegende Dienstjahre. In dem Fall 225 Vgl. Devreese (1989), S. 115. 226 Vgl. Pensioenlwmer (1989), S. 75.

172

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

spricht man vom sogenannnten "Backservice" . Alle gesamtwirtschaftlich oder karrierebedingten Gehaltserhöhungen spiegeln sich somit im Rentenanspruch wider. Für den Arbeitgeber impliziert dies eine erhebliche Dynamik in bezug auf die zu tragenden Pensionslasten im Falle steigender Löhne. Ähnliches, wenn auch abgeschwächt, gilt für die Durchschnittslohnregelungen. Die Belastung für den Arbeitgeber ist umso größer, je mehr Ansprüche aus früheren Jahren der Aufstockung bedürfen. Hierbei werden zwei Berechnungsprinzipien unterschieden: das Dienstjahreprinzip und das Lebensjahreprinzip. Der Unterschied liegt darin, nach welchem Maßstab bei einer nicht vollständigen Versicherungsbiographie die Backservice-Erhöhung im Falle eines steigenden Gehalts berechnet wird. Nach dem Dienstjahreprinzip werden nur die tatsächlich versicherten Jahre beim selben Arbeitgeber (Dienstjahre) der Berechnung zugrundegelegt, beim großzügigeren Lebensjahreprinzip dagegen alle Jahre ab dem 25. Lebensjahr, also auch Jahre, die der Versicherte bei anderen Arbeitgebern verbracht hat. Lohnerhöhungen wirken im Lebensjahreprinzip anspruchserhöhend unabhängig davon, wann der Betreffende dem Versorgungsplan beigetreten ist. Anspruchseinbußen, die beim Wechsel des Arbeitgebers entstehen können, wird somit entgegengewirkt. Der Belastungsunterschied (aus Sicht des Arbeitgebers) oder die Differenz beim Erwerb von Zusatzrentenansprüchen (aus Sicht des Versicherten) ist dabei umso größer, je höher die Lohnsteigerung ausgefallt227 . Nach der mehrfach zitierten Untersuchung der Pensioenkamer von 1987 fielen 1/4 (25,7 %) der aktiven Teilnehmer an einer Zusatzrentenordnung des privaten Sektors unter ein Endlohnsystem mit Lebensjahreprinzip, für mehr als die Hälfte (5l,7 %) galt das Dienstjahreprinzip 228.

Problemlagen der Endlohnregelungen Endlohnregelungen sind - im Vergleich zu Durchschnittslohnregelungen - für solche Personen nachteilig, die am Ende ihres Erwerbslebens ein in lebenslanger Perspektive unterdurchschnittliches Gehalt empfangen. Dies könnte etwa auf Frauen zutreffen, die ihre Erwerbskarriere wegen Kindererziehung oder aus anderen Gründen unterbrechen und anschließend das vorherige Gehalt nicht mehr erzielen. Insgesamt sind Endlohnsysteme gegenüber Veränderungen in den Erwerbsmustern nur wenig flexibel. Entscheidend für das Sicherungsergebnis ist allein das Gehalt am Ende der Erwerbstätigkeit. Am besten schneiden daher die Personen ab, die am Ende auch ihr höchstes Gehalt beziehen. Das Endlohnsystem setzt somit negative Anreize für flexible Beschäftigungsformen oder einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Unter Äquivalenzaspekten führen End227 Vgl. dazu auch de Kam/Sterks/Veldkamp (1989), S 44 - 45. 228 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 132.

5.3 Zusatzrentensysteme

173

lohnregelungen zu einer Begünstigung von Personen, die ein bestimmtes Gehaltsniveau relativ spät erreichen, gegenüber solchen, die dieses Niveau schon früher realisieren. Ein weiterer Nachteil besteht darin, daß ein solches System im allgemeinen sehr hohe Pensionslasten mit sich bringt, die noch dazu nur schwer kalkulierbar sind. In Zeiten steigender Löhne wachsen die Pensionslasten aufgrund der angesprochenen Backservice-Verpflichtungen exponentiell an. Darüber hinaus ist das System nicht nur gegenüber Lohnveränderungen besonders sensitiv, sondern auch gegenüber Veränderungen in der Leistungshöhe des AOW, da der Franchise-Betrag direkt aus dem AOW abgeleitet wird. Nicht nur für Endlohnsysteme, sondern auch für die übrigen Zusatzrentensysterne ist das Problem des Rentenbruchs (pensioenbreuk) relevant. Darunter versteht man den Verlust von Rentenansprüchen, der aufgrund von Arbeitslosigkeit oder dem Übergang in eine andere Versorgungsordnung entsteht. Die Rentenbruch-Problematik kann nicht nur bei den Betroffenen zu erheblichen finanziellen Einbußen im Rentenalter führen, gleichzeitig wird dadurch auch die Mobilität am Arbeitsmarkt eingeschränkt. Auf die Einzelheiten wird in Abschnitt 5.3.1.3.4 noch eingegangen.

5.3.1.3.2 Hinterbliebenenrenten Neben Altersrenten sehen die Zusatzrentensysteme durchgängig auch Hinterbliebenenleistungen vor229 . In aller Regel werden diese direkt aus den Altersrenten abgeleitet. Zumeist erhalten Witwen 70 % der Altersrente des Verstorbenen bzw. des Betrages, den der Verstorbene bei einer Teilnahme an der Zusatzrentenversicherung bis zum 65. Lebensjahr erreicht hätte. Seit 1987 kommen auch Witwer für eine solche Leistung in Betracht. Waisen haben bis zu ihrem 18. Lebensjahr Anspruch auf 14 % eines solchen Betrages230 . Auch hier werden wie bei der Altersrente die Volksversicherungsleistungen aus A WW und AOW bei der Leistungsbemessung miteingebaut. Auch Geschiedene haben, wie oben schon erwähnt231 , gemäß den Bestimmungen des PSW anteilig für die Dauer ihrer Ehe Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente. Auch zu Lebzeiten des Versicherten steht Geschiedenen grundsätzlich ein anteiliger Anspruch auf den Wert der während der Ehe erworbenen Zusatzrentenansprüche des Partners zu232 . Ebenso wie für die Witwen- bzw. 229 Nach einer Erhebung der Pensioenkamer von 1985 sahen 99,5 % der Systeme des privaten Sektors eine Witwenrente, 79,9 % eine Witwerrente vor; vgl. Pensioenkamer (1989), S. 119. 230 Vgl. Devreese (1989), S. 124 und Pielers (1991), S. 366. 231 Vgl. Abschnitt 5.3.1.1.2. 232 Vgl. Devreese (1989), S. 126.

174

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Witwerrenten gilt auch hier, daß bei Wiederheirat der Rentenanspruch ganz oder teilweise erlischt. Noch nicht gesetzlich festgelegt, aber in einigen Branchenrentenfonds (z. B. in der Metallindustrie) bereits vorgesehen ist die Gleichstellung von Hinterbliebenen aus unverheiratet zusammenlebenden Paaren mit Hinterbliebenen aus Ehepaaren im Sinne einer Partnerrente. Der Gesetzgeber plant jedoch eine Einbeziehung der Partnerrente in das PSW, allein schon aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber den Regelungen in den Sozialversicherungen233 . Partner ist eine unverheiratete Person, mit der der Versicherte zusammenlebte; dabei darf es sich aber nicht um Geschwister oder nahe Verwandte handeln234 . Voraussetzung ist, daß die Partnerschaft mindestens 6 Monate vor dem Tod des Versicherten bestanden hat. Invaliditätsrenten aus Zusatzrentensystemen sind angesichts des stark ausgebauten gesetzlichen Systems aus AA W und WAO insgesamt wenig verbreitet. Sie bieten zumeist eine Aufstockung der gesetzlichen Invaliditätsrenten235 . 5.3.1.3.3 Anpassung der Leistungen In den allermeisten Fällen werden die Rentenansprüche entweder aufgrund der Konstruktion (Endlohnregelung) oder aufgrund bestehender Anpassungsvorschriften an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt. Nach einer Untersuchung von 1987 bestand für 98 % der Arbeitnehmer eine Anpassung der Rentenansprüche, in der überwiegenden Zahl an die Lohnentwicklung236 . Auch für die Bestandsrenten gilt, daß in über 90 % der Fälle eine Anpassung entweder an die Lohn- oder die Preisniveauentwicklung vorgenommen wird237 . Gesetzlich vorgeschrieben ist die Anpassung der Bestandsrenten allerdings nicht. In den Zusatzrentensystemen der privaten Wirtschaft strebte man bis Mitte der 80er Jahre überwiegend danach, die Zusatzrenten an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen. Inzwischen aber geht man vor dem Hintergrund steigender Pensionslasten mehr und mehr dazu über, die Anpassung der Bestandsrenten nur noch an der Preisniveauentwicklung auszurichten.

233 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 992c), S. I. 234 Vgl. Dietvorstide LangelSmittenaar (1993), S. 61 235 Vgl. Dietvorstide LangelSmittenaar (1993), S. 59. 236 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 111. 237 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 117.

5.3 Zusatzrentensysteme

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5.3.1.3.4 Probleme bei der Sicherung und Übertragbarkeit von Ansprüchen Die sogenannte Rentenbruchproblematik, die eigentlich eine Problematik von Unterbrechungen im Anspruchserwerb ist, wurde schon unter Abschnitt 5.3.1.2.1 angesprochen. Sie soll hier eingehender behandelt werden, da sie als ein zentrales Problem des Zusatzrentenbereichs anzusehen ist. Die wichtigsten Ursachen von Unterbrechungen im Anspruchserwerb sind: Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Insolvenz des Arbeitgebers, Eigentümerwechsel, Vorruhestand oder sonstige Aufgabe der Erwerbstätigkeit.

Regelungen bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Zusatzrentensystem Endet die Teilnahme an der Zusatzrentenordnung vor dem Erreichen des Rentenalters, z. B. aufgrund des Vorruhestands oder bei einer Aufgabe der Erwerbstätigkeit im Falle der Kindererziehung, bleiben die bis dahin erworbenen Ansprüche nach den Vorschriften des PSW erhalten, vorausgesetzt, der Betreffende hat mindestens ein Jahr an der Zusatzrentenordnung teilgenommen 238 . Eine Auszahlung der Ansprüche ist in solchen Fällen nicht möglich, wohl aber bei einer Zugehörigkeit von unter einem Jahr. Ansonsten erhält der Betreffende einen nichtbeitragsbezogenen Rentenanspruch und wird als passiver Teilnehmer (slaper) geführt. Die VUT-Regelungen sehen sogar die Fortsetzung des Aufbaus von Anwartschaften als aktiver Teilnehmer vor239 . Der Anspruch für passive Teilnehmer bemißt sich pro-rata-temporis an dem Anspruch, den der Betreffende erreichen konnte, wenn er bis zum Rentenalter an der Zusatzrentenordnung teilgenommen hätte. Gesetzlich nicht geregelt ist dagegen die Anpassung der ruhenden Ansprüche 240 . Allerdings ist im PSW eine Gleichbehandlung mit aktiven Ansprüchen vorgesehen, d. h. falls bei jenen eine laufende Anpassung erfolgt, sind auch die ruhenden Ansprüche nach denselben Grundsätzen anzupassen241 . Gleiches gilt für Renten aufgrund von ruhenden Ansprüchen.

238 Vgl. Luljens (\ 994), S. 32. 239 Vgl. Abschnitt 5.4.2.4.1. 240 Vgl. auch Abschnitt 5.3.1.3.3. 241 Vgl. LutJens (1994), S. 32.

176

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Die im PSW vorgesehene Garantie von Rentenansprüchen erstreckt sich jedoch nicht auf den Fall einer Beschäftigung im Ausland. Eine Weiterfiihrung des Aufbaus von nichtbeitragsbezogenen Rentenansprüchen ist nicht vorgesehen, doch bleiben die bereits erworbenen Ansprüche erhalten242 . Die Zahlung von Zusatzrenten ins Ausland ist aber grundsätzlich möglich.

Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber Der Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber ist unproblematisch, solange dieser demselben Branchen- oder Unternehmensrentenfonds angehört. Bei einem Wechsel zu einem Arbeitgeber außerhalb der Reichweite des bisherigen Fonds entsteht das Problem der Übertragbarkeit von Ansprüchen. Dieses hatte bei Arbeitnehmern, die häufig ihren Arbeitsplatz wechselten, in der Vergangenheit zu beträchtlichen Versorgungseinbußen geführt, zum einen aufgrund von mangelnden Übertragungsmöglichkeiten und zum anderen wegen fehlender oder geringerer Anpassung solcher Ansprüche 243 . Inzwischen wurden aber Maßnahmen eingeleitet, um solchen Erscheinungen entgegenzuwirken. So sind laut PSW die Zusatzrentensysteme inzwischen zur gegenseitigen Übertragbarkeit von Ansprüchen ermächtigt worden. In dem Zusammenhang wurde 1987 durch einige Unternehmensrentenfonds und Lebensversicherungsgesellschaften eine Stiftung SDS (Stichting dienstverlening samenwerkingsverband) gegründet, die die Übertragung von Anwartschaften erleichtern soll. Die Stiftung richtet sich an Zusatzrentenfonds mit einer Endlohnregelung und festen Rentenanpassungsverfahren. Mit Zustimmung des Arbeitgebers wird danach bei einem Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber der Wert des Anspruchs nach festen Regeln auf das Versorgungssystem des neuen Unternehmen übertragen, das dafür zusätzliche Jahre der Zugehörigkeit anrechnen muß. Damit wird aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers eine Regelung gemäß dem Lebensjahreprinzip ermöglicht. Enthielt das bisherige Versorgungssystem eine großzügigere Rentenbemessungsregeln, so wird dies in Form von zusätzlichen anrechenbaren Jahren, d. h. mit Hilfe des Zeitfaktors, im System des neuen Arbeitgebers berücksichtigt244. Inzwischen sind weitere ähnliche Stiftungen gegründet worden, ebenso bestehen Übereinkünfte der Stiftungen untereinander und mit Einzelfonds, darunter auch mit dem ABP, so daß 1991 etwa 2,3 Mio. Beschäftigte (etwa 40 % der Erwerbstätigen) gegen das Risiko des Anspruchsverlusts beim Wechsel des Arbeitgebers abgesichert sind245 .

242 243 244 245

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Sinninghe Damste (1991), S. 5.

etwa Sociaal-Economische Raad (1990), S. 37 - 41. Zweekhorst (1991), S. 173. Zweekhorst (1991), S. 171.

5.3 Zusatzrentensysteme

177

Vorgesehen ist des weiteren, dem betroffenen Teilnehmer einen Rechtsanspruch auf die Übertragbarkeit einzuräumen. Dies würde einen weiteren Ausbau derartiger institutionalisierter Übertragungsmöglichkeiten erfordern. Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit

Der Aufbau von Zusatzrentenansprüchen ist bei Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit bedroht. Während aber die meisten Zusatzrentensysteme bei Erwerbsunfähigkeit schon seit längerem die beitragsfreie Fortsetzung des Anspruchserwerbs vorsahen246 , boten die Systeme gegenüber dem Risiko der Arbeitslosigkeit bis weit in die 80er Jahre hinein keinen adäquaten Schutz. Deshalb wurde im Jahr 1989 seitens des Gesetzgebers die Möglichkeit geschaffen, den Aufbau der betrieblichen Zusatzversicherung während der Zeit der Arbeitslosigkeit fortzusetzen247 . Für Arbeitslose über 40 Jahren wird aus Mitteln des Fonds fiir die Vorauserhebung zur Zusatzrentenversicherung FVP (Fonds voorheffing pensioenverzekering)248 die komplette Beitragszahlung, einschließlich der Arbeitgeberbeiträge, in dem Zusatzrentensystem, dem der Arbeitslose angehört hat, fortgesetzt. Für den heranzuziehenden Lohn gilt eine Höchstgrenze in Höhe der oberen Beitragsbemessungsgrenze in den gesetzlichen Arbeitnehmerversicherungen (1992: 73.602 f im Jahr). Die Fortsetzung erstreckt sich auf den Zeitraum des Bezugs von Arbeitslosengeld, damit maximal auf 5 Jahre. Versicherte über 57 Y2 Jahren können jedoch den Aufbau von Zusatzrentenansprüchen auf diesem Wege bis zum 65. Lebensjahr fortsetzen 249 . Arbeitslose unter 40 Jahren sind von dieser Regelung ausgeschlossen. Allerdings wird aus dem FVP beim Tode des Versicherten während der Arbeitslosigkeit in solchen Fällen die Hinterbliebenenrente finanziert. Insolvenz und Eigentümerwechsel

Aufgrund der nach dem PSW verfugten institutionellen Trennung von Unternehmensbetrieb und Zusatzrentensystem fuhrt eine Insolvenz des Arbeitgebers nicht zum Verlust der Zusatzrenten oder der Zusatzrentenansprüche. So ist der Bestand eines Zusatzrentenfonds nicht an das Fortbestehen des Unternehmens geknüpft. Allerdings fuhrt eine Insolvenz in der Regel dazu, daß der Anspruchsaufbau nicht weiter fortgesetzt werden kann. Für die Dauer eines Jahres übernimmt jedoch die zuständige Wirtschaftsvereinigung (bedrijftvereniging) in solchen Fällen die Fortsetzung des Anspruchsaufbaus durch entsprechende 246 Vgl. Devreese (1989), S. 123. 247 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 42. 248 Der FVP wurde 1973 eingerichtet, um im Bedarfsfall eine mögliche allgemeine Zusatzrentenpflicht schnell mitfinanzieren zu können. Vgl. dazu Nieuwenhuizen (1991), S. 59 - 60. 249 Vgl. Lutjens (1994), S. 33 - 34. 12 Pöhler

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

178

Beitragsentrichtung250 . Beiträge zugWlsten von entstehenden Backservice-Verpflichtungen für ruhende nichtbeitragsbezogene Ansprüche sind nach der RechtsprechWlg als vorrangige F ordefWlgen zu behandeln. Im Falle des Eigentümerwechsels des Betriebs ist der übernehmende Arbeitgeber gfWldsätzlich nicht verpflichtet, die Pensionszusagen weiterzuführen. Im allgemeinen endet dann die Teilnahme der versicherten Arbeitnehmer an dem bestehenden Zusatzrentensystem; die Ansprüche wandeln sich in ruhende Ansprüche um. Ob mit dem neuen Arbeitgeber eine neue VersorgoogsvereinbafWlg zustande kommt, hängt von der Bereitschaft des neuen Arbeitgebers ab oder davon, ob dieser in den Geltungsbereich einer obligatorischen BranchenrentenregelWlg fällt. Dabei ist die ÜbertragWlg von Ansprüchen auf ein anderes Zusatzrentensystem aus rechtlicher Sicht gfWldsätzlich möglich251 . Bislang noch nicht gelöst ist eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der ZuordnWlg von abhängigen Unternehmen zu Branchenfonds. Hierbei geht es beispielsweise darum zu entscheiden, Wlter welchen Umständen ausgegliederte Unternehmensteile nach wie vor dem Branchenfonds des MuttefWlternehmens zuzuordnen sind oder, falls das ausgegliederte Unternehmen in den WirkWlgskreis eines obligatorischen Branchenfonds fällt, dann eine Möglichkeit zur FreistellWlg besteht, wenn zuvor keine Teilnahmeverpflichtung an einem Zusatzrentensystem bestand. 5.3.1.4 Finanzierung

Gesetzliche Vorschriften und Investments Nach den Vorschriften des PSW sind die Zusatzrenten nach dem KapitaldeckWlgsverfahren zu finanzieren 252 . Das zu dem Zweck gebildete Vermögen setzt sich aus der aktuarischen Rücklage zur DeckWlg der späteren Pensionslasten (auch Beitragsrücklage genannt)253 Wld den sonstigen Rücklagen zusammen. Es wird überwiegend aus Beiträgen Wld Vermögens erträgen aufgebracht254 . Auf die aktuarische Rücklage wirken die Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt der versicherten Risiken ein. Die Kalkulation orientiert sich an Wahrscheinlichkeiten über die Sterblichkeit, die Invalidität, die Fluktuation im Un-

250 251 252 253 254

Vgl. LU/jens (1994), S.

Vgl. Luljens (1994), S.

33. 34.

Vgl. aber auch die Ausführungen zum "Backservice" in Abschnitt 2.1.3. Vgl. Devreese

(1989), S. 130.

Für eine globale Übersicht über den Finanzaufwand und die Mittelaufbringung im Bereich der Zusatzrentensysteme sei auf Tabelle 3.11 (Kapitel 3) verwiesen.

5.3 Zusatzrentensysteme

179

ternehmen, über das Heiratsverhalten und die mittleren Altersunterschiede zwischen Ehepartnern. Hinzu kommen ferner administrative Kosten. Zu den sonstigen Rücklagen zählen beispielsweise auch die Erträge aus den Vennögensanlagen, wie Zinsen, Dividenden und Mieteinnahmen. Bei der Festsetzung des Beitragssatzes ist vorab ein Vennögensertrag zu berücksichtigen. Ein solcher Verrechnungszins (rekenrente) beträgt in den niederländischen Zusatzrentensystemen fast überall 4 %. Hinsichtlich der Anlagevorschriften ist das PSW nur wenig restriktiv. Gefordert wird lediglich eine angemessenes Anlageverhalten, ohne daß dieses näher präzisiert wird255 . Als allgemeine Richtschnur gilt, daß die Investments nicht zu risikoreich sein sollten und eine genügende Risikostreuung stattfindet. Die Aufsicht über die Vennögensanlagen der Zusatzrententräger obliegt der Versicherungskammer. Der Buchwert der Anlagen aller Branchen- und Unternehmensrentenfonds im privaten Sektor unter der Aufsicht der Versicherungskammer belief sich Ende 1991 auf zusammen 228,5 Mrd. f (über 40 % des BIP). 120,9 Mrd. f entfielen auf die Branchenrentenfonds, 107,6 Mrd. f auf Unternehmensrentenfonds. Bei den Branchenrentenfonds dominieren Anleihen mit etwa 37 % des Buchwertes, gefolgt von Aktien (16 %). Die Anlagen der Unternehmensrentenfonds verteilen sich v. a. auf Obligationen (34 %) sowie auf Aktien und Anleihen Geweils um die 23 %). Der gesamte Vennögensertrag der Branchenrentenfonds belief sich in dem Jahr auf 8,7 Mrd. f. Dies entspricht im Durchschnitt einer Jahresverzinsung von 7,6 % auf das angelegte Vennögen. Etwas geringer war die durchschnittliche Verzinsung in den Unternehmensrentenfonds: diese erreichten entsprechend eine Durchschnittsverzinsung von 6,9 % auf das angelegte Vennögen. Der gesamte Ertrag belief sich in dem Jahr auf 7,0 Mrd. f256. Überschüsse aus den Vennögensanlagen werden unterschiedlich behandelt. Versicherungen sehen im allgemeinen eine Rückvergütung von Prämien vor, Branchen- oder Unternehmensrentenfonds verwenden solche Überschüsse häufig zur Zahlung von Zuschlägen auf die bereits bestehenden Renten, die der Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung dienen257 . In den Niederlanden wirken darüber hinaus weitere Faktoren auf die Kalkulation der Rücklagen und den erforderlichen Beitragssatz ein, die durch die speziellen institutionellen Gegebenheiten bedingt sind und die Kalkulation erschweren. Dies sind insbesondere

der Einbau von AOW und A WW und die Entwicklung der gesetzlichen Leistungen und

255 Vgl. Lu/jens (1994), S. 29. 256 Zu den Daten vgl. o. V. (1993), S. 2 - 5. 257 Vgl. Devreese (1989), S. 138. 12·

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5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

die durch die Endlohnorientienmg bewirkte Dynamik bei den Pensionslasten durch Lohnsteigenmgen. Da der "Backservice" üblicherweise wenigstens zum Teil aus der Differenz zwischen realer Rendite und Verrechnungszins (gegenwärtig 4 %) eines Jahres gezahlt wird, enthalten die meisten Zusatzrentensysteme auch ein Umlage element. Beitragsgestaltung Bei der Beitragsgestaltung hat der Gesetzgeber den Zusatzrententrägern einen großen Gestaltungsspielraum belassen. Aufgrund dessen hat sich eine große Vielfalt herausgebildet, die nur schwer zu erfassen ist. Selbst Aussagen über am häufigsten anzutreffende Regelungen sind schwierig, da die Beitragshöhe von dem Leistungsangebot des Zusatzrentensystems, der Altersstruktur der Teilnehmer, dem Reifegrad des Systems und anderen Faktoren abhängen, in denen sich die einzelnen Systeme zum Teil beträchtlich unterscheiden. Häufig findet man Regelungen, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die erforderlichen Beiträge gemeinsam aufbringen, wobei der Anteil der Arbeitgeber meist zwischen 50 und 80 % liegt; bisweilen trägt der Arbeitgeber auch den gesamten Beitrag258 . Die Höhe des Beitragssatzes des Arbeitnehmers variiert in etwa zwischen 3 und 12 % der Beitragsbemessungsgrundlage, wobei der Beitrag, sofern fiir den Arbeitnehmer obligatorisch, steuerlich voll absetzbar ist 259 . Ebenfalls unbesteuert bleiben die Arbeitgeberbeiträge 260 . Nach Berechnungen des Zentralen Planungsamtes CPB von 1985 betrugen die Arbeitnehmerbeiträge fiir Zusatzrentensysteme im privaten Sektor im Durchschnitt 9,8 % des Bruttolohnes 261 . Bezogen auf die gesamte Bruttolohnsumme machten die Beiträge insgesamt Mitte der 80er Jahre etwa 7 % aus 262 . 5.3.2 Zusatzrenten im öffentlichen Sektor: Der Allgemeine Bürgerliche Pensionsfonds ABP Von den Regelungen im öffentlichen Sektor kommt dem Allgemeinen Bürgerlichen Pensionsfonds ABP (Algemeen Burgerlijk Pensioensfonds) eine über258 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990), S. 124 oder Lutjens (1994), S. 28. Nach Vorgabe der Pensioenkamer, des Aufsichtsorgans über die Zusatzrentenfonds, darf der Anteil des Arbeitgebers nicht unter 50 % betragen. Diese Vorgabe wird allerdings zur Zeit gerichtlich überprüft; vgl. Lutjens (1994), S. 28. 259 Vgl. Lutjens (1994), S. 28 und Devreese (1989), S. 139. 260 Vgl. Lutjens (1994), S. 36 - 37 oder van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 112 - 113. 261 Vgl. Devreese (1989), S. 151. 262 Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1988), S. 131.

5.3 Zusatzrentensysteme

181

ragende Bedeutwlg zu. Der ABP ist nicht nur nach wie vor der größte EinzeIfonds: seine Ausgaben, einschließlich Verwaltwlgsausgaben, beliefen sich im Jahre 1992 auf 10,3 Mrd. f. Die Ausgaben des ABP sind damit höher als die aller Branchen- und Unternehmenpensionsfonds zusammen263 . Die Ausgestaltung des ABP war darüber hinaus maßgebend fiir den gesamten Zusatzrentenbereich. Der ABP erfaßt etwa 95 % der öffentlich Bediensteten264 . Der Rest verteilt sich auf Sondersysteme fiir Angehörige der Streitkräfte (Algemene Militaire Pensioenwet AMP), fiir das Personal der Bahn (Nationale Spoorwegpensioenfonds NS), fiir Bergarbeiter (Algemeen Mijnwerkerfonds AMF) und sonstige Sondersysteme265 . Diese bleiben aber hier außer Betracht, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich diese in den Leistungsbestimmungen eng am ABP orientieren. Gemessen an allen aktiven Teilnehmern an einer Zusatzrentenregelung insgesamt deckt der ABP etwa 30 % ab. 5.3.2.1 Grundlagen: Rechtliche Grundzüge und geschichtliche Entwicklung

Der Begriff des Beamten (ambtenaar) ist in den Niederlanden weit gefaßt. Als Beamte gelten alle Personen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis sowie bestimmte Personengruppen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen, in bestimmten Fällen auch zu einer privatrechtlichen Institution (z. B. Privatuniversitäten) stehen. Dieser Beamtenbegriff liegt auch dem Allgemeinen Bürgerlichen Pensionsgesetz ABPW (Algemeen Burgerlijke Pensioenwet) vom 6. Januar 1966 zugrunde. Im Gegensatz zum deutschen Beamtenrecht ist eine Anstellung auf Lebenszeit nur in bestimmten Fällen, z. B. bei Richtern vorgesehen. Die meisten Beamten sind demnach prinzipiell auch kündbar und können auch befristet angestellt sein266 . Die soziale Absicherung der Beamten begann bereits im 19. Jahrhundert mit der Konstituierung des niederländischen Verfassungsstaates 267 . So wurde im Grundgesetz verankert, daß die Pensionen der Reichsbeamten durch Gesetz zu regeln seien. Daraus leiteten sich die ersten Altersrentengesetze fiir Beamte ab. Militärbeamte erhielten darüber hinaus noch einen Anspruch auf Invaliditätsrente, während fiir zivile Beamte während einer Erwerbsunfähigkeit infolge von Krankeit oder Unfall die Besoldung weitergezahlt wurde. Die Existenz dieser Regelungen führte dazu, daß bei der Einführung der allgemeinen sozialen Si263 Die Ausgaben der Branchementenfonds betrugen 1991 3,2 Mrd. f, die der Unternehmensrentenfonds 4,2 Mrd. f. Vgl. o. V. (1993), S. 2 - 5. 264 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 207. 265 Vgl. etwaPieters (1991), S. 362. 266 Vgl. dazu de Leedelvan Wijnbergen (1981), S. 134 - 143. 267 Vgl. zur historischen Entwicklung de Leedelvan Wijnbergen (1981), S. 142 - 143.

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5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

cherungssysteme fiir Arbeitnehmer zwischen 1909 und 1913 die Beamten von diesen Gesetzen ausgenommen wurden. Im Jahre 1922 wurden die amtlichen Pensionsgesetze zusammengefaßt in Pensionsgesetze fiir das Militär, fiir zivile (bürgerliche) Beamte und fiir Bahnbeamte und einander inhaltlich angeglichen. 1966 schließlich wurde die Pensionsgesetzgebung fiir Beamte mit der Verabschiedung des ABPW vollständig revidiert und damit die Grundlage fiir die heutige Gestalt der Zusatzversicherung im öffentlichen Dienst gelegt. Das Leistungsspektrum des ABP umfaßt heute neben der Altersrente noch Hinterbliebenen-, Invaliditäts- und Vorruhestandsleistungen. Bemerkenswert ist, daß es sich bei der Alterssicherung der zivilen Beamten von Anfang an um eine echte Versicherungslösung handelte, die über eigenständige beitragsfinanzierte Fonds abgewickelt wurde. Der ABP untersteht derzeit noch der direkten Aufsicht des Staates. Es ist allerdings vorgesehen, den ABP zu privatisieren268 . Dieser würde dann als selbständige Stiftung unter den Wirkungsbereich des PSW fallen. Teile der Invaliditätsversicherung und die gesamten Vorruhestandsleistungen würden von dieser Stiftung getrennt. Die Folge wäre außerdem eine Begrenzung des staatlichen Einflusses, der sich dann nur noch auf die Rolle des Arbeitgebers entsprechend den Vorschriften des PSW beschränken würde. Zudem wäre die Ausgestaltung der Leistungsregelungen, die Feststellung der Beiträge und die Anlagepolitik nicht mehr per Gesetz zu regeln, sondern könnte durch Satzungsänderungen oder Beschlüsse des Verwaltungsrates im Rahmen der Bestimmungen des PSW erfolgen. Davon verspricht man sich eine größere Flexibilität. 5.3.2.2 Versicherter Personenkreis, Anspruchsvoraussetzungen und Deckungsgrad

Der Kreis der versicherungspflichtigen Personen ist im ABPW gesetzlich geregelt. Danach sind alle Staatsbeamten des Reiches, der Provinzen und der Gemeinden pflichtversichert. Gleiches gilt fiir Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und in einigen Staatsunternehmen, wie der Post oder den Energieversorgungsunternehmen. Voraussetzung ist in allen Fällen eine Dienstzugehörigkeit von mindestens 6 Monaten269 . Teilzeitkräfte sind im Unterschied zu den Regelungen in vielen Zusatzrentensystemen des privaten Sektors im ABP ebenfalls versichert, sofern sie über einer bestimmten Einkommensgrenze liegen270 . Der Aufbau von ABP-Rentenansprüchen ist zwischen dem 25. und 65. Lebensjahr möglich. Die maximale Teilnahmezeit beträgt somit 40 Jahre. 268 Vgl. zu den Privatisierungsplänen Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (l994a), S. 7 - 8. 269 Vgl. Pieters (1991), S. 363.

270 1992: 10.503 firn Jahr.

5.3 Zusatzrentensysteme

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Die Altersgrenzen gelten für Männer wie für Frauen gleichennaßen. Das Renteneintrittsalter im ABP stimmt somit mit dem im AOW überein. Beamte unter 25 Jahren erwerben jedoch bereits Ansprüche auf Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten. Als anrechnungsfähige Dienstzeiten gelten solche Zeiten, in denen der Betreffende als Beamter tätig war und dafür Beiträge zum ABP entrichtet wurden. Darüber hinaus können auch Zeiten des Militärdienstes oder Dienstzeiten bei der Nationalen Eisenbahngesellschaft angerechnet werden; gleiches gilt fiir Zeiten, die in niederländischen Diensten auf den Niederländischen Antillen oder in Surinam geleistet wurden271 . Nach einer Erhebung der Pensioenkamer von 1985 waren von den 913.000 Beamten über 25 Jahren nahezu alle (97 %) zusatzversichert, die übrigen lagen unterhalb der Einkommensgrenze (1985: 8.545 f pro Jahr)272. Am Ende des Jahres 1992 betrug die Zahl der Versicherten im ABP einschließlich der Vorruheständler 944.000 Personen273 . Davon waren 822.000 Personen aktive Teilnehmer mit Pensionsaufbau; 36.000 aktiv ohne Pensionsaufbau. Bei letzteren handelt es sich um Personen unterhalb der Altersgrenze von 25 Jahren. Der Rest verteilt sich auf Vorruhestandsgeldempfänger und arbeitslose Beamte, fiir die weiterhin ein Aufbau von Rentenansprüchen stattfindet. Auf der Seite der Rentenempfänger ist die Zahl der Alters- und Witwen-bzw. Witwerrenten ein Indikator fiir den durch den ABP erreichten personellen Deckungsgrad. Allerdings tritt auch hier, wie schon bei den Zusatzrentenregelungen im privaten Sektor das Problem von Doppelzählungen auf, da nicht jedem Rentenfall eindeutig fiir einen Rentenempfänger steht. Im Jahre 1992 wurden 244.600 Altersrenten ausgezahlt in Höhe von insgesamt knapp 4 Mrd. f274. Damit empfingen gut 12 % der Personen über 65 Jahren eine ABP-Altersrente. Hinzu kommen noch die Empfänger von Hinterbliebenenleistungen. An Hinterbliebene (einschließlich Waisen) wurden im selben Jahr 160.300 Renten in Höhe von zusammen 1,8 Mrd. f gezahlt. Der überwiegende Teil davon kommt ebenfalls Personen über 65 Jahren zugute. Die Zahl der Altersrentenfälle hat sich während der vergangenen 5 Jahre im Durchschnitt jährlich um 3 % erhöht. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bei den Hinterbliebenenrentenfällen lag in diesem Zeitraum bei etwa

2%.

271 Vgl. Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994b), S. 8. 272 Vgl. Pensioenkamer (1987), S. 9. 273 Vgl. dazu Sociale Verzekeringsraad (1993), S 208 und Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994a), S. 50. 274 Vgl. zu den Daten Aigemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994a), S. 50 und Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 208.

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5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Darüber hinaus wurden 1992 noch 77 .200 ABP-Invaliditätsrenten in Höhe von insgesamt 1,8 Mrd. f und 53.800 Vorruhestandsrenten in Höhe von 1,9 Mrd. f gezahlt, so daß sich die Zahl der ABP-Rentenfälle auf 535.900 bei einem Leistungsvolumen von 9,6 Mrd. f belief. Die Zahl der ABP-Rentenfälle hat damit in den letzten 5 Jahren durchschnittlich um 2,8 % p. a. oder um insgesamt 14,5 % zugenommen. 5.3.2.3 Leistungen und Leistungsberechnung

5.3.2.3.1 Altersrenten Für die Bemessung der ABP-Altersrente sind, wie in den Zusatzrentensystemen des privaten Sektors, 4 Faktoren maßgeblich: das anrechenbaren Gehalt des Versicherten, dessen Dienstzeit, der Rententarif und der AOW-Einbau. Ausgangspunkt der ABP-Rentenberechnung ist das durchschnittliche Gehalt der letzten 2 Jahre vor der Pensionierung275 . Zugrundegelegt wird dabei das Bruttogehalt einschließlich des Urlaubsgeldes, aber ohne Überstundenzuschläge oder ähnliche Lohnbestandteile. Vom Typ her gehört das ABP-System daher zu den Endlohnsystemen. Extreme Lohnsteigerungen, von beispielsweise 25 bis 50 % fUhren aber zu einer getrennten Berechnung der Rentenbemessungsgrundlage im Wege eines arithmetischen Mittels über die Abschnitte vor und nach der Erhöhung unter Berücksichtigung der allgemeinen Gehaltsentwicklung bei den Beamten. Auch bei einem Rückgang des Gehalts von mehr als 5 % in den heranzuziehenden Dienstjahren kann eine vergleichbare Aufspaltung vorgenommen werden276 . Eine Höchstgrenze des anrechnungsfähigen Gehalts, wie in vielen Zusatzsystemen des privaten Sektors zu finden, existiert im ABP nicht. Die Rentenberechnungsgrundlage ergibt sich aus dem anrechnungsfähigen Gehalt unter Berücksichtigung der AOW -Rente. Bis 1986 galt im ABP die Einbau-Regelung, d. h. die ABP-Rente wurde am Ende der Autbauperiode pro Dienstjahr um 2 % der tatsächlichen Höhe der AOW-Rente gekürzt. So wurden maximal 80 % der AOW-Rente eingebaut277 . Diese Regelung gilt nach wie vor 275 Aufgrund einer Refonn des Leistungsrechts im ABP von 1986 wird faktisch eine zweigeteilte Berechnung durchgeführt, eine für Zeiten vor dem 1. I. 1986 und eine für Zeiten danach. 1986 wurden ABP-Versicherte selbst AOW-beitragspflichtig und dafür das Gehalt um 10 % erhöht. Zeiten vor 1986 gehen deshalb mit einem 10 %igen Abschlag in die Rentenberechnung ein. Vgl. Algemeen Burgerli./k Pensioenfonds (1994b), S. 7. 276 Vgl. Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994b), S. 7. 277 Vgl. Algemeen Burgerli./k PenslOenfonds (1994b), S. 8 - 9.

5.3

Zusatzrentensysteme

185

für Zeiten bis zum 1.1.1986. Für spätere Zeiten wird die Franchise-Methode angewendet, wonach pro Jahr ein Teil der Rentenberechnungsgrundlage in Höhe von 10/7 des AOW-Pauschalbetrags für einen Alleinstehenden oder 20/7 des AOW-Betrages für eine verheiratete Person vom Rentenaufbau ausgenommen bleiben. Im ABP wird im Gegensatz zu vielen Zusatzrentensystemen im privaten Sektor eine Differenzierung des Franchise-Betrages nach Maßgabe der Lebensumstände des einzelnen vorgenommen, so wie sich diese in unterschiedlichen AOW-Leistungssätzen für Alleinstehende und Verheiratete bzw. unverheiratet Zusammenlebende niederschlagen. Für Zeiten vor dem 1.1.1986 gilt dagegen bei der Einbau-Methode eine abweichende Regelung. Danach wird für den verheirateten bzw. unverheiratet zusammenlebenden Mann maximal 80 % der AOW-Rente eines Ehepaares eingebaut, für eine verheiratete bzw. unverheiratet zusammenlebende Frau jedoch der gleiche Satz wie für Alleinstehende angewendet278 . Das hat zur Folge, daß bei Zweiverdienerehepaaren, die beide im ABP versichert sind, die Rentenbemessungsgrundlage zu niedrig angesetzt ist. Anwartschaften im ABP können durch Dienstzeiten zwischen dem 25. und 65. Lebensjahr erworben werden. Pro Jahr werden 1,75 % der Rentenberechnungsgrundlage angerechnet, so daß bei einem höchstmöglichen Anrechnungszeitraum von 40 Jahren dann 70 % des Durchschnittsgehalts der letzten zwei Dienstjahre erreicht werden können. Unterschreitet das Gehalt eine bestimmte Untergrenze (1990: 35.037 f pro Jahr)279, so hat der Betroffene pro Dienstjahr Anspruch auf einen Zuschlag in Höhe von 0,147 % dieser Untergrenze280. Geringverdiener erhalten so einen einkommensunabhängigen, nur nach Dienstjahren differenzierten Sockelbetrag. Im Jahre 1992 betrug die durchschnittliche ABP-Rente nach Einbau der AOW-Rente 17.400 firn Jahr281 . Die Anrechenbarkeit inaktiver Dienstjahre ist im ABP sehr großzügig ausgestaltet. So werden Zeiten der Erwerbsunfähigkeit, der vorzeitigen Entlassung oder des Vorruhestandes im allgemeinen vollständig oder anteilig als Dienstzeiten angerechnet, solange ein Anspruch auf eine Einkommensersatzleistung aus dem ABP besteht282 . Ebenfalls sehr günstig ist die Regelung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem ABP. In solchen Fällen wird das Durchschnittsgehalt der letzten bei den Kalenderjahre vor dem Ausscheiden der Rentenberechnung zugrundegelegt. Im Unterschied zu vielen Systemen des privaten Sektors wird die Berechnungsgrundlage an die Lohnentwicklung angepaßt, im ABP an die Entwicklung der Gehälter im öffentlichen Dienst. 278 279 280 281 282

Vgl. dazu Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994b), S. 13 Vgl. Pieters (1991), S. 363.

Vgl. Aigemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994b), S.

19.

Vgl. Aigemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994c), S.

10.

Vgl. Aigemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994a), S. 6.

17.

186

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Ferner erlaubt das ABP-Gesetz bei vorzeitigem Ausscheiden unter gewissen Umständen eine Auszahlung der bis dahin aufgebauten Anwartschaften. Davon kann Gebrauch machen, wer nicht länger als 7 Jahre zum ABP beigetragen hat und darüber hinaus weitere im Gesetz genannte Voraussetzungen erfiillt, z. B. aus den Niederlanden auswandert 283 . Bei einem Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber außerhalb des Wirkungsbereichs des ABP besteht die Möglichkeit, die aufgebauten Rentenanwartschaften zum Zusatzrentenfonds des neuen Arbeitgebers zu übertragen284 . 5.3.2.3.2 Hinterbliebenenrenten und weitere Leistungen

Für Witwen und Witwer sieht das Gesetz eine Rente in Höhe von 5/7 der Altersrente des Verstorbenen bzw. - wenn dieser vor dem 65. Lebensjahr verstorben ist - einer bis dahin fingierten Altersrente vor. Waisen können bis zu 2/7 der Altersrente erhalten. Witwen erhalten die Witwenrente unabhängig von ihrem Alter oder sonstigen Voraussetzungen, der Anspruch fiir Witwer war dagegen lange Zeit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft285 . Diese wurden in der Zwischenzeit erheblich erleichtert, eine vollständige rechtliche Gleichstellung mit Witwenrenten ist noch nicht durchgeführt, wird aber nach EU-Recht erforderlich sein. Auch hier wird die eigene AOW- oder AWW-Rente des Leistungsbeziehers miteingebaut. Bei Wiederheirat wird die ABP-Witwen- bzw. Witwerrente nach Maßgabe der tatsächlichen Dienstzeiten des Verstorbenen neu berechnet. Das bedeutet, daß bei der Rentenberechnung die fingierte Dienstzeit nach dem Tod des Versicherten wegfällt und die Rente gegebenenfalls entsprechend herabgesetzt wird286 . Hatte der Verstorbene jedoch die volle Dienstzeit erreicht, so findet demzufolge auch bei Wiederheirat keine Kürzung statt. Neben der Hinterbliebenenrente wird außerdem ein Sterbegeld in Höhe von zwei ABP-Bruttomonatsrenten gezahlt. Das Sterbegeld ist steuerfrei287 . Neben einer Versicherung gegen die Risiken Alter und Tod bietet das ABPW außerdem noch eine Versicherung gegen Invalidität, die besonders bei der Definition des Risikotatbestandes und der Aufstellung der Leistungsklassen starke Analogien zur Arbeitnehmerinvaliditätsversicherung WAO aufweist288 . Jedoch 283 Vgl. Pieters (1991), S. 363. 284 Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 5.3.1.3.4. 285 Bis 1989 konnten Witwer nur dann eine Witwerrente beanspruchen, wenn sie zu mindestens 50 % invalide waren und von ihrer Frau unterhalten wurden. Vgl. Pieters (\991), S. 366. 286 Vgl. Pieters (1991), S. 366. 287 Vgl. Aigemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994b), S. 24. 288 Vgl. dazu Abschnitt 5.4.2.1.1.2.

5.3 Zusatzrentensysteme

187

ist die Höhe der Leistung hierbei auch abhängig von der Dienstzeit: erst nach 40 Jahren kann ein Anspruch auf die höchstmögliche Invalidenrente bestehen. Die Invalidenrente aus dem ABP kommt allerdings nur dann zur Auszahlung, wenn der Betrag über dem aus der Volksversicherung AAW liegt, in dem die Beamten ebenfalls versichert sind. Schließlich bietet das ABP eine eigene beitragsfinanzierte Vorruhestandsregelung in Analogie zu den VUT -Regelungen des privaten Sektors289 . Für eine Vorruhestandsleistung kommen ABP-Versicherte in Frage, die mindestens 61 Jahre alt sind und 10 ununterbrochene Dienstjahre vor Beginn der Vorruhestandes aufzuweisen haben. Alternativ genügt auch eine Gesamtdienstzeit von 40 Jahren im öffentlichen Dienst. Die Höhe der ABP-VUT-Rente beläuft sich auf 75 % des letzten Bruttogehalts einschließlich Urlaubsgeld. Zeiten des Vorruhestandes zählen hälftig als Dienstjahre für den Aufbau der ABP-Altersrente. Während des Vorruhestandes sind weiterhin Zusatzrentenbeiträge von der Vorruhestandsleistung zu entrichten290 .

5.3.2.3.3 Anpassung der Leistungen Sowohl alle Rentenleistungen als auch sämtliche Anwartschaften aus dem ABP sind an die Entwicklung der Gehälter im öffentlichen Dienst gekoppelt291 . Die Anpassung der Anwartschaften auf Altersrenten ergibt sich unmittelbar aus der Endlohnkonstruktion des ABP. Man bezeichnet die Rentenbemessungsgrundlage, die aus dem Durchschnitt der letzten zwei Kalenderjahre vor dem Ruhestand gebildet wird, auch ausdrücklich als eine angepaßte Durchschnittssumme292 . Auch die beitragsfreien Rentenanwartschaften von passiven Teilnehmern werden, wie bereits ausgefiihrt, nach dem gleichen Muster wie die Anwartschaften von aktiven Teilnehmern angepaßt. .

5.3.2.4 Finanzierung 1992 betrugen die Ausgaben des ABP insgesamt 10,3 Mrd. f; davon entfielen 9,4 Mrd. f auf Rentenausgaben (vgl. Tabelle 5.9). Ebenso wie im privaten Sektor sind die Zusatzrenten aus dem ABP nach dem Kapitaldeckungsverfahren zu finanzieren. Unter den Einnahmen dominieren denn auch die Vermögenserträge, die 1992 insgesamt 12,5 Mrd. f erbrachten. Fast 2/3 der Anlagen (65,3 %)

289 Vgl. dazu auch Abschnitt 5.4.2.4. 290 Vgl. dazu Aigemeen Burgerlijk Pensioenfonds (I994d), S. 7 - 13. 291 Vgl. Pensioenkamer (\989), S. 178. 292 Vgl. Aigemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994b), S. 7.

188

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

entfielen auf festverzinsliche Anleihen. Die durchschnittliche Verzinsung sämtlicher Vennögensanlagen lag 1992 bei 7,9 %. Tabelle 5.9

Einnahmen und Ausgaben im ABP (1980 -1992)

Ausgaben und Einnahmen in Mio. f Ausgabena)

1980

1985

4.827

7.159

1990 9.214

1991 9.626

1992 10.289

Einnahmen Beiträge Arbeitnehmer

2.519

2.369

1.870

1.973

Beiträge Arbeitgeber Staatszuschuß

5.617

3.943

2.188

Zinserträge insgesamt

5.721

500 10.411

2.074 272 12.178

13.857

17.223

9.030

10.064

Finanzierungssaldo

-

2.126 2.299 296

16.394

363 12.677 17.201

17.765

7.180

7.575

7.476

13.044

Anmerkung: a) Einschließlich Verwaltungsausgaben. Quellen: CBS (1984), S. 45, dass. (1989), S. II und dass. (1993), S. 11.

Das Beitragsaujkommen belief sich im selben Jahr auf 4,4 Mrd. f, so daß bei einem Ausgabenvolumen von 10,3 Mrd. f rund 6,7 Mrd. f dem Vennögensaufbau zugeführt werden konnte. Das gesamte Fondsvennögen des ABP erreichte zu Beginn des Jahres 1993 einen Wert von 177 Mrd. [293. Anders als im privaten Sektor ist die Beitragsgestaltung im ABPW gesetzlich geregelt. Der gesetzlich festgelegte Beitragssatz beträgt 17,65 % und wird etwa zu gleichen Teilen vom öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber und vom Beamten getragen294 . Beitragsbemessungsgrundlage ist das Gehalt des Beamten abzüglich des Franchise-Betrages, wodurch der späteren AOW-Rente Rechnung getragen wird. Der Grund für das hohe Beitragsniveau liegt zum einen im größeren Leistungsspektrum des ABPW, das auch das Invaliditätsrisiko absichert und Vorruhestandsleistungen enthält. Zum anderen ist die Leistungsgestaltung bei den Altersrenten im ABP in vielen Bereichen günstiger als in den Systemen des privaten Sektors, etwa im Hinblick auf die Anpassung der Anwartschaften von passiven Teilnehmern.

293 Vgl. zu den Zahlen Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (I 994a), S. 29 - 51. 294 Vgl. Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994a), S. 46.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

189

Von dem gesetzlich festgelegten Beitragssatz kann aber abgewichen werden. So wurde aufgrund von Einschränkungen bei den ABP-Leistungen, insbesondere beim Vorruhestand, und aufgrund von Einsparmaßnahmen der öffentlichen Arbeitgeber der tatsächliche Beitragssatz auf 8,8 % (1992) herabgesetzt. Dieser Beitragssatz ist aber niedriger als notwendig wäre, um den errechneten Barwert der zukünftigen Pensionslasten unter Einbeziehung des Fondsvermögens und eines Verrechnungszinssatzes von 4 % bilanzieIl abzudecken. Für eine vollständige Deckung der zukünftigen Pensionslasten wäre gegenwärtig nach Berechnungen des ABP ein Beitragssatz von 15,4 % notwendig 295 . Der Unterschied zum tatsächlichen Beitragssatz zeigt an, daß bei gleichbleibenden institutionellen Gegebenheiten und unter vorsichtigen Annahmen hinsichtlich der ökonomischen Entwicklung und der Erträge aus Vermögensanlagen in der Zukunft Beitragserhöhungen notwendig sein werden, um die Versorgungslasten zu tragen.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion oder Alterssicherungsfunktion im erweiterten Sinne Neben den bisher behandelten Regelungen der Alterssicherung auf staatlicher und auf kollektiv-privatrechtlicher Ebene sind in funktionaler Betrachtung weitere Sicherungs systeme zu beachten, die zwar nicht ausschließlich oder primär der sozialen Sicherung im Alter dienen, deren Leistungen aber dennoch in einem beträchtlichen Umfang von älteren Menschen in Anspruch genommen werden. Dazu zählen insbesondere die Leistungen des Gesundheitswesens. Darüber hinaus werden in diesem Abschnitt auch Leistungen abgehandelt, die zwar nicht von Personen oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze bezogen w.erden können, aber doch für ältere Menschen, die diese Grenze noch nicht erreicht haben, von großer Bedeutung sind. Dazu gehören v. a. die Invaliditätsrenten, die staatliche Hinterbliebenensicherung nach dem A WW und die VUTRenten. Klammerte man diese unter Berufung auf die gesetzliche Altersgrenze aus, so wäre das Bild in funktionaler Hinsicht und vor dem Hintergrund eines internationalen Vergleichs lückenhaft.

5.4.1 Soziale Sicherung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit Der Sicherung gegen Kosten im Krankheitsfall dienen in den Niederlanden zum einen die Arbeitnehmerversicherung nach dem Krankenkassengesetz ZFW und zum anderen die Volksversicherung nach dem Allgemeinen Gesetz für besondere Krankheitskosten A WBZ. Dabei richtet sich die Volksversicherung 295 Vgl. Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds (1994a), S. 21.

190

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

A WBZ auf besonders schwere medizinische Risiken, u. a. auch auf Pflegebedürftigkeit, während die Arbeitnehmerversicherung mehr oder minder nonnale Krankheitskosten umfaßt. Aufgrund der Beschränkung des Versichertenkreises sind gegenwärtig etwa 60 % der Bevölkerung im ZFW versichert. Besonders höherverdienende Arbeitnehmer und Selbständige und ältere Menschen sind in der Regel privatversichert. 1992 waren dies etwa 32 % der Bevölkerung296 . Die Ausgaben der Privatversicherer machten etwa 14 % der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen aus. Für Beamte und öffentlich Bedienstete schließlich bestehen Sonderregelungen, die hier aber nicht weiter behandelt werden sollen. 5.4.1.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad

5.4.1.1.1 Das Krankenkassengesetz ZFW Das Krankenkassengesetz ZFW trat 1966 in Kraft. Das Gesetz bietet dem Versicherten keine Geldleistungen, sondern Anspruch auf Gesundheitsversorgung in natura. Pflichtversicherte gehören einer der zur Zeit 25 sozialen Krankenkassen an. Die wichtigsten Gruppen von Versicherten sind297 : (a) Arbeitnehmer im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes ZW (Ziektewet), sofern sie mit ihrem jährlichen Lohneinkommen die Versicherungspflichtgrenze von gegenwärtig 54.400 f (1992) nicht überschreiten. Eine solche Versicherungspflichtgrenze existiert sonst in keiner anderen Arbeitnehmerversicherung. Seit 1986 haben Arbeitnehmer mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze nicht mehr die Möglichkeit, freiwillig im ZFW versichert zu bleiben. (b) Personen unter 65 Jahren, die eine Sozialleistung empfangen, sei es eine Arbeitslosen-, Erwerbsunfahigkeits- oder Sozialhilfeleistung. In den Fällen, in denen die Lohnersatzleistung gegebenenfalls zusammen mit noch bezogenem Lohn die Versicherungspflichtgrenze überschreitet, sind die Betreffenden von der ZFW-Versicherung ausgeschlossen. (c) Personen über 65 Jahren, die unmittelbar vor Vollendung des 65. Lebensjahres nach dem ZFW versichert oder als Familienangehörige mitversichert waren. Außerdem müssen Arbeitnehmer oder VUT -Vorruheständler seit ihrem 60. Lebensjahr mindestens 3 Jahre ZFW-versichert gewesen sein. Ende des Jahres 1992 waren mit 1,96 Mio. Versicherten über 65 Jahren jedoch noch immer praktisch alle Personen oberhalb der gesetzlichen Altergrenze im ZFW versichert298 . 296 Vgl. dazu etwa Müller (1993), S. 5 - 6 und S. 19. 297 Vgl. im einzelnen VoorlichtingscentrumSociale Verzekering(l992), S. 5. 298 Vgl. Ziekenjondsraad (1993), S. 49.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

191

Mitversichert sind im allgemeinen der (Ehe-)Partner, sofern er zwn Haushalt des Versicherten gehört, sowie eigene oder Pflegekinder, fiir die ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Von der Mitversicherung ausgeschlossen sind jedoch Personen, die selbst pflichtversichert oder Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse sind. Außerdem kommt fiir Personen über 65 Jahren grundsätzlich keine Mitversicherung mehr in Frage. Das Krankenkassengesetz sieht im wesentlichen folgende Leistungen vor299 : Behandlung durch einen Hausarzt, der einer· Krankenkasse angeschlossen ist, oder einen Spezialisten nach Überweisung durch den Hausarzt, zahnärztliche Behandlung, Untersuchung, Behandlung und Pflege in einem Krankenhaus bis zu einem Jahr (danach können Leistungen aufgrund des AWBZ in Anspruch genommen werden), Krankentransport, Kosten fiir Spezialbehandlungen, z. B. durch Thrombosehilfsdienste, Leistungen bei Schwangerschaft. In manchen Fällen, z. B. beim Krankentransport, ist eine Selbstbeteiligung des Versicherten vorgesehen mit dem Ziel, eine übermäßige Inanspruchnahme zu vermeiden300 . Neben den aufgezählten Leistungen kann der Versicherte im Rahmen einer freiwilligen Zusatzversicherung bei seiner sozialen Krankenkasse einen Kontrakt über zusätzliche Leistungen (z.B. kosmetische Behandlungen) abschließen. Die Beiträge zur Zusatzversicherung variieren je nach Angebot zwischen Kassen von 1,50 bis 3,40 firn Monat 301 .

5.4.1.1.2 Das Allgemeine Gesetz für besondere Krankheitskosten A WBZ Die Volksversicherung A WBZ wurde 1968 eingefiihrt. Die Zielsetzung war, alle Einwohner individuell gegen besondere Krankheitsheitskosten zu versichern, worunter man in erster Linie Kosten der stationären Pflege verstand. Dies ist der Grund dafiir, daß die A WBZ-Versicherung häufig verkürzend als niederländische Pflegeversicherung bezeichnet wird, obgleich inzwischen nur der kleinere Teil des Leistungskatalogs der Absicherung des Pflegerisikos dient 302 . Versichert sind nach dem A WBZ alle Einwohner von ihrer Geburt bis zwn Tode. Eine Altersgrenze besteht im Unterschied zu den übrigen Volksversiche-

299 Vgl. im einzelnen Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 6 - 7. 300 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 85. 301 Vgl. dazu Müller (1993), S. 5. 302 Vgl. Müller (1993), S. 2.

192

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

rungen nicht. Ansonsten aber gelten im Hinblick auf die Abgrenzung des Versichertenkreises die fiir Volksversicherungen üblichen Bestimmungen303 . Das Leistungsspektrum des A WBZ umfaßt insbesondere304 : die stationäre Krankenhausbehandlung ab dem 366. Tag, den Aufenthalt in anerkannten Einrichtungen fiir geistig und körperlich Behinderte, Rehabilitationsleistungen, ambulante und stationäre psychatrische Behandlung, Teile der gesundheitlichen Prävention und Aufklärung, die Versorgung mit Arznei- und Hilfsmitteln. Speziell im Bereich der Pflege fallen folgende Leistungen in den Leistungsrahmen der A WBZ305: Bau und Betrieb von Pflegeheimen einschließlich der ärztlichen Versorgung der Bewohner, die teilstationäre Versorgung, insbesondere die Tagespflege, die häusliche Pflege und seit 1989 als vorläufige Regelung die hauswirtschaftliche Unterstützung im Pflegefall. Personen über 18 Jahren, die zu Lasten des A WBZ in Krankenhäusem, Pflegeheimen oder sonstigen Einrichtungen untergebracht sind, werden an den entstehenden Kosten durch einen gesonderten Beitrag beteiligt. Der einkommensunabhängige Teil des Eigenanteils beträgt 180 f im Monat (1992). Der einkommensabhängige Teil beläuft sich auf maximal 1.350 f pro Monat, der Höchstbetrag fiir Personen über 65 Jahren in Pflegeheimen liegt sogar bei 2.200 f pro Monat (1992). Die Höhe des einkommensabhängigen Anteils errechnet sich auf der Grundlage des Einkommens des vergangenen Jahres, wobei ein breiter Einkommensbegriff zugrundegelegt wird306 . Teile des Einkommens werden dabei allerdings ausgenommen, wie z. B. 15 % des Nettoarbeitseinkommens.

303 Vgl. dazu Abschnitt 5.2.1.1, speziell zum AWBZ auch Jaspers/Riphagen (1991), S. 2729 sowie Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 12. 304 Vgl. Müller (1993), S. 2 und insbesondere Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 12 - 13. 305 Vgl. dazu Winters (1994), S. 6 - 7. 306 Angerechnet werden beispielsweise auch Zinseinkünfte, Dividenden, empfangene Unterhaltsleistungen oder Sozialtransfers; vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 1415.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

193

5.4.1.2 Zu Reformansätzen im niederländischen Gesundheitswesen

Ende der 80er Jahre legte eine Sachverständigenkommission, die nach ihrem Vorsitzenden als Dekker-Kommission bekannt wurde, einen Bericht zur gnmdlegenden Neugestaltung des Gesundheitswesens vor. Als wesentlicher Kernpunkt war die EinfUhrung einer obligatorischen Basisversicherung für jeden Einwohner vorgesehen, in die etwa 85 % des gegenwärtig kollektiv versicherten Leistungsumfangs eingehen sollte. Darüber hinausgehende Leistungen sollten im Rahmen einer freiwilligen Zusatzversicherung beim seI ben Versicherungsträger erworben werden können. Die Finanzierung der Basisversicherung sollte überwiegend aus einkommensabhängigen Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern stammen; daneben waren Pauschalbeiträge der Versicherten und ein staatlicher Zuschuß vorgesehen 307 . Bislang sind die eingeleiteten Reformschritte eher bescheiden ausgefallen. Zu nennen ist etwa die Überführung der Versorgung mit Heil- und Arzneimitteln aus dem ZFW in die A WBZ. Dagegen sind eine Reihe von geplanten Maßnahmen nicht zuletzt aufgnmd parteipolitischer Differenzen aufgeschoben oder gänzlich aufgegeben worden. Der Fahrplan für die Umgestaltung, der 1992 die Vollendung der uniformen Basisversicherung vorsah, konnte jedenfalls nicht eingehalten werden. Mit dem Regierungsantritt der neuen Koalition aus Sozialdemokraten (PvdA), Linksliberalen (D66) und Rechtsliberalen (VVD) 1994 wurde der Plan einer allgemeinen Basisversicherung nach den Vorstellungen der Dekker-Kommission endgültig aufgegeben. Die bisherige Grundstruktur des niederländischen Gesundheitswesens wird daher auf absehbare Zeit nicht verändert werden308 . 5.4.1.3 Finanzaufwand und Mittelautbringung

FinanzauJwand Angesichts der Heterogenität der von den Krankenversicherungen erbrachten Leistungen ist es nicht möglich, ein globales Bild der Inanspruchnahme dieser Leistungen zu zeichnen. Aus dem Grunde muß ein Blick auf die Ausgabenseite genügen.

307 Vgl. dazu de Kam/Slerks/Veldkamp (1989), S. 86 und Müller (1993), S. 8 - 13. 308 Vgl. Bullman (1996), S. 3. 13 Pöhlcr

194

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Tabelle 5.10 Sozialausgaben für Gesundheit 1980 - 1992

Regelungen

Ausgaben (in Klammern Index 1980 = 100) 1980

1985

1990

1991

1992

11.994 (100)

14.892 (124)

15.769 (131)

17.357 (145)

15.252 (127)

7.206 (100)

9.511 (132)

14.925 (207)

16.315 (226)

22.824 (317)

919 (100)

1.155 (126)

1.300 (141)

1.406 (153)

1.443 (157)

ZFW Ausgaben in Mio. f AWBZ Ausgaben in Mio. f Öffentlich-rechtliche Regelungen Ausgaben in Mio. f

Anmerkung: Die Ausgaben enthalten sowohl Leistungen als auch Verwaltungsausgaben. Quelle: Minislerie van Sociale Zaken en Werkge/egenheid (1993), S. 172 - 173, 186 - 187 und eigene Berechnungen.

Dabei fallt auf, daß mit Beginn der 90er Jahre eine deutliche Verlagerung der Gewichte vom Krankenkassengesetz hin zur A WBZ-Volksversicherung stattgefimden hat. Sichtbar werden die ersten Ansätze der angesprochenen Umstrukturierung im Gesundheitswesen, wobei eine Reihe von Leistungen aus dem ZFW dem A WBZ übertragen wurde. Mittelaujbringung

Die AWBZ-Leistungen werden aus Beiträgen und einem Staatszuschuß finanziert. Das Beitragsaufkommen betrug im Jahre 1992 21,7 Mrd. f, hinzu kam ein geringer Staatszuschuß in Höhe von 321 Mio. f. Die Mittel fließen dem Allgemeinen Fonds fiir besondere Krankheitskosten zu, woraus die Ausfiihrungsorgane des A WBZ, d.h_ öffentliche und private Krankenkassen, wiederum ihre Mittel zur Finanzierung der Ausgaben fiir ihre Mitglieder beziehen. Die Beiträge werden wie bei den übrigen Volksversicherungen auch als Prozentsatz der Einkommensteuerbemessungsgrundlage im ersten Tarifabschnitt erhoben. Beitragspflichtig sind im Prinzip alle Einwohner, in diesem Fall auch Personen über 65 Jahren. Der Beitragssatz beträgt 1992 7,3 %. Die Steigerung des Bei-

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

195

tragssatzes in den letzten Jahren hängt in erster Linie mit der Ausweitung des Leistungsangebots im A WBZ zusammen. 1992 wurde zudem zusätzlich ein Pauschalbeitrag für jeden Versicherten eingeführt, dessen Höhe vom Versicherer selbst festgelegt werden kann. Im Durchschnitt liegt der jährliche Pauschalbeitrag bei 125 f pro Versichertem, für Kinder bis 18 Jahren bei 41,65 f. Von diesem Element erhofft man sich eine Erzeugung von Wettbewerb unter den Versicherern, wovon bislang nicht die Rede sein konnte 309 .

Im Rahmen der Oort-Reformen wurde die Zahllast der AWBZ-Beiträge vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen, der dafür vom Arbeitgeber den mehrfach angesprochenen Kompensationszuschlag auf den (modifizierten) Bruttolohn erhält31 o. Bemerkenswert ist des weiteren die Entwicklung des Staatszuschusses. Dieser machte 1980 noch 23,5 % der Gesamteinnahmen aus, 1992 liegt er dagegen bei unter 2 %. Die zu beobachtende Grundtendenz in Richtung einer Reduzierung des Staatszuschusses ist Ausdruck der Konsolidierungsbemühungen der Regierung311 . Die ZFW-Leistungen werden aus Beiträgen und einem Staatszuschuß finanziert. Das Beitragsaufkommen lag 1992 bei 10,7 Mrd. f, wobei knapp 6 Mrd. f aus Arbeitgeberbeiträgen stammten312 . Der Staatszuschuß belief sich auf 2,3 Mrd.f. Der ZFW-Beitragssatz lag 1992 bei 1,2 % für Arbeitnehmer und 5,15 % für Arbeitgeber; Versicherte über 65 Jahren zahlen 0,75 % auf die AOW-Rente und 6,35 % auf sonstige Einkünfte313 . Beitragsbemessungsgrundlage ist der Lohn im Sinne der Arbeitnehmerversicherungen, seit 1987 einschließlich aller öffentlichen Lohnersatzleistungen. Dabei gilt eine im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmerversicherungen niedrigere Beitragsbemessungsgrenze von 178 f pro Tag. Bis 1989 waren Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil gleich hoch. In dem Jahr wurde wie später im A WBZ ein kassenspezifischer Pauschalbeitrag für jeden Versicherten eingeführt und gleichzeitig der Arbeitnehmeranteil reduziert314 . Der monatliche Pauschalbeitrag betrug 1992 170 f pro Versicherten 309 Vgl. Müller (1993), S. 6 und Winters (1994), S 5. 310 Vgl. dazu Abschnitt 5.2.5.2. 311 Vgl. auch Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. 85. Zur Entwicklung des Staatszuschusses vgl. auch ZiekenJondsraad (1993), S. 28. 312 Hinzu kommt ferner ein seit 1986 von Privatversicherten zu zahlender Beitrag zum Ausgleich für den überproportionalen Altenanteil im ZFW Das Aufkommen daraus betrug 1991 124 Mio. f; vgl. ZiekenJondsraad (1993), S 10. 313 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 8. 314 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. 98. 13*

196

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

oder mitversicherten Partner; für mitversicherte Kinder gelten niedrigere Beträge 315 . Der Staat trägt mit einem Zuschuß in Höhe von gegenwärtig etwa 16 % der Gesamteinnahmen des ZFW im Vergleich zu den meisten übrigen Sozialversicherungen noch in einem relativ hohen Ausmaß zur Finanzierung bei. Den Hintergrund bildet die Überführung der vormaligen Krankenkassenversicherung für Alte, die zu einem Großteil durch staatliche Zuschüsse getragen wurde, in die allgemeine Pflichtversicherung des Krankenkassengesetzes 316 .

5.4.2 Weitere unspezifische Sicherungsregelungen auf staatlicher und kollektivrechtlicher Ebene 5.4.2.1 Soziale Sicherung bei Erwerbsunfähigkeit

Die soziale Sicherung im Falle von Erwerbsunfahigkeit erfolgt in den Niederlanden zum einen durch die Volksversicherung AA W lUld zum anderen durch die Arbeitnehmerversicherungen WAO lUld ZW. Zusätzlich greift das Krankenversicherungsgesetz ZW bei kurzzeitiger Erwerbsunfahigkeit von lUlter einem Jahr; es soll hier nicht behandelt werden317 . Die beiden anderen Gesetze regeln im Sinne eines zweistufigen Aufbaus die Leistilllgen bei länger andauernder Erwerbsunfahigkeit.

5.4.2.1.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad 5.4.2.1.1.1 Das Allgemeine Erwerbsunfahigkeitsgesetz AA W Das Allgemeine Erwerbsunfahigkeitsgesetz von 1976 ist als letzte der Volksversicherungen eingerichtet worden. Sie ist eine obligatorische Versicherung für alle Einwohner lUlter 65 Jahren gegen die finanziellen Folgen langdauernder Erwerbsunfahigkeit; in bestimmten Fällen werden auch Maßnahmen zur WiederherstelllUlg der Arbeitsfahigkeit oder zur Verbesserung der Lebensumstände bereitgestellt318 . Der Kreis der Versicherten entspricht - mit Ausnahme der Altersgrenze - ansonsten weitestgehend dem des AOW. Aufgrund der Tatsache, daß für abhängig Beschäftigte bereits eigene Versicherungen bestanden, insbesondere durch die Arbeitnehmerversicherung WAO, ist die AA W-Versicherung v. a. für Selbständige lUld frühzeitig Behinderte von Bedeutilllg. 315 Vgl. o. V (1991), S. 2225. 316 Vgl. dazu Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. 98. 317 Zu einem Überblick vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 16 - 24. 318 Vgl. dazu näher Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 32 - 33.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

197

Anspruch auf eine AA W -Leistlmg haben Versicherte, wenn sie zwischen 18 Wld 65 Jahre alt sind, bereits für die Dauer eines Jahres zu mindestens 25 % arbeitsunfähig waren Wld dies nach Ablauf dieser Wartezeit weiterhin sind. Zusätzlich gilt ein sogenanntes Einkommenserfordemis: in dem Jahr vor Beginn der Erwerbsunfähigkeit muß ein Arbeitseinkommen in Höhe von mindestens 4.726 f (für jemanden, der 1992 arbeitsunfähig wird) verdient worden sein. Hiervon ausgenommen sind allerdings u. a. Frühinvalide, Studenten Wld bestimmte Selbständige319 . Vom Leistlmgsbezug ausgeschlossen sind Witwen, die eine A WW -Rente erhalten. Beamte, die Wlter besondere InvaliditätsregelWlgen v. a. im ABP fallen, kommen für eine AA W-Leistlmg nur in Frage, wenn diese höher ist als die Invaliditätsrente aus dem Sondersystem. Arbeitsunfähig im Sinne des AA W ist, wer aufgrund einer Krankheit oder BehindeTWlg nicht in der Lage ist, mit einer geeigneten Arbeit dasselbe zu verdienen wie gesWlde Personen mit gleichem AusbildWlgsstand Wld ErfahTWlg üblicherweise verdienen320 . Im seit August 1993 geltenden Gesetz zur ZUTÜckdrängWlg der Inanspruchnahme von ErwerbsunfähigkeitsregelWlgen TBA ist das Erwerbsunfähigkeitskriterium insofern verschärft worden, als seither bei der FeststellWlg des Invaliditätsgrades AusbildWlg Wld früherer Beruf nicht mehr berücksichtigt werden321 . Bis 1987 wurde bei der F eststellWlg des Invaliditätsgrades die Schwierigkeit, einen Arbeitsplatz zu finden, miteinbezogen, was häufig zu einer Einstufung in die höchste Invaliditätsklasse führte. Seither wird die Einstufung jedoch nur noch danach bemessen, inwieweit der Betreffende noch in der Lage ist, die entsprechende Tätigkeit auszuführen, Wld nicht mehr, ob diese Tätigkeit am Arbeitsmarkt auch nachgefragt wird 322 . Ebenso wurde auch im WAO verfahren. Die AAW-Rente wird tageweise berechnet Wld für 5 Tage pro Woche gezahlt. GTWldlage der BerechnWlg bildet eine LeistlmgsbemessWlgsgrundlage. Diese (allgemeine) BemessWlgsgrundlage 323 ist nach einer Reihe von ÄndeTWlgen seit 1991 gleich dem Bruttomindestlohn pro Monat ohne Urlaubsgeld geteilt durch 21,75, wodurch sie auf die tatsächliche Zahl an Leistlmgsbezugstagen abgestimmt wird. 1992 beträgt sie 98,08 f pro Tag. Sofern jemand zu 80 319 Vgl. dazu und zu den Anspruchsvoraussetzungen insgesamt Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 29 - 30. Das Einkommenserfordernis wird nach einem Urteil des Zentralen Berufungsgerichts CRvB aufgrund indirekter Frauendiskriminierung als nicht vereinbar mit der Dritten EG-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männem und Frauen im gesetzlichen System der sozialen Sicherung erachtet; vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 79. 320 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 30. 321 Vgl. Sociale Verzekeringsraad(1993), S. 78 -79. 322 Vgl. etwa Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 80. AAW-Empfänger, die aufgrund der Neueinstufung eine geringere Invaliditätsleistung erhielten, konnten für einen begrenzten Zeitraum eine ergänzende Arbeitslosenleistung erhalten; vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 81. 323 Für Personen unter 23 Jahren werden die vom Lebensalter abhängigen spezifischen Mindestlöhne zugrundegelegt; vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 30.

198

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

100 % arbeitswüahig erklärt worden ist, erhält er 70 % der LeistungsbemessWlgsgnmdlage, in schwerwiegenden Fällen können auch 100 % gezahlt werden. Teilweise Arbeitswüahige fallen in eine der fünf weiteren Erwerbswüahigkeitsklassen; hier werden Leistungen zwischen 50,75 %Wld 21 % der BemessWlgsgnmdlage gewährt324 . Hinzu kommt ein einmal im Jahr gezahltes Urlaubsgeld in Höhe von 8 % (1992) der bezogenen Leistung325 . Durch die KoppelWlg der LeistungsbemessWlgsgnmdlage an den Mindestlohn gilt für die AA W-Leistungen der gleiche AnpassWlgsmechanismus wie bei den AOW - Wld AWW -Leistungen326.

Teilweise Arbeitswüahige können, wenn sie keine bezahlte Arbeit finden, Wlter bestimmten Voraussetzungen gemäß des Grades der verbleibenden Arbeitsfahigkeit Arbeitslosengeld Wld im Anschluß daran eine Leistung nach dem IOAW bzw. IOAZ erhalten. Liegt das Nettohaushaltseinkommen, auch in Kombination mit Arbeitslosengeld, Wlter dem sozialen Minimum, besteht Anspruch auf eine Leistung aus dem Zuschußgesetz. Auf die AAW-Leistung entfallen im Prinzip die gleichen Abgaben wie auf Lohneinkommen327 . Der Leistungsbezug endet mit dem Ende der.Erwerbswüähigkeit, spätestens aber mit VollendWlg des 65. Lebensjahres. Seit 1987 sind die Leistungssätze im AA W mit denen des WAO weitgehend harmonisiert worden; dies ging überwiegend mit einer AbsenkWlg der Sätze einher328. Im Zuge dieser Reform wurde außerdem ein strikt individuelles Leistungsrecht eingeführt; seither wird bei Verheirateten das Einkommen des Partners bei der LeistungsbemessWlg nicht mehr berücksichtigt329. Im AAW ist im Prinzip die gesamte BevölkefWlg bis 65 Jahren versichert 330 . Gemessen in vollen Leistungsjahren331 lag die Inanspruchnahme Wlter Ein-

324 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 31. 325 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 992b), S. 2. 326 Vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 92. 327 Seit 1984 wird der sogenannte Ausgleichsbeitrag erhoben, um eine abgabenmäßige Gleichstellung mit Lohneinkommen zu erreichen. Mit der 1987 eingeführten Beitragspflicht auf sämtliche Arbeitnehmerversicherungsleistungen wurde der Ausgleichsbeitrag im AA W beibehalten; er entspricht der Höhe nach den Beiträgen für ZW, WW und WAO; vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 82. 328 So betrugen die Leistungssätze vor der Reform in der höchsten Klasse 80 % und in der zweithöchsten 65 %; vgl. dazu Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 80. 329 Vgl. dazu Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 81. 330 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 85. Nach Zahlen des Gemeenschappelijke Medisehe Dienst, des Beratungsorgans der mit der Ausführung beauftragten Wirtschaftvereinigungen, sind 1992 12,3 Mio. Personen im AA W versichert. Dies entspricht der gesamten Bevölkerung bis zum 65. Lebensjahr unter Abzug der unter eines der öffentlich-rechtlichen Sondersysteme fallenden Personen, die ausgenommen wurden, um Doppelzählungen zu vermeiden; vgl. Gemeenschappelijke Medische Dienst (1993), S. I3 - 17.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

199

schluß der ABP-Versicherten 1992 bei 238.000. Läßt man letztere mit 85.000 Leistungsjahren außer Betracht, so entfielen 35 % auf Selbständige und 62 % auf Frühbehinderte. Gegenüber 1982 hat damit die Inanspruchnalune um 44 % zugenommen332 . 5.4.2.1.1.2 Das Gesetz über die Erwerbsunfähigkeitsversicherung WAO Das Gesetz über die Erwerbsunfähigkeitsversicherung WAO von 1967 regelt die Versicherung von Arbeitnehmern unter 65 Jahren gegen die finanziellen Folgen langandauernder Erwerbsunfähigkeit mit Hilfe einer lohnbezogenen Leistung. Ptlichtversichert sind alle Arbeitnehmer in einem privat- oder öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis, außerdem auch Bezieher einer ZW- oder WAOInvaliditätsleistung oder einer Arbeitslosenleistung333 . Nicht versichert sind dagegen u. a. Personen über 65 Jahren sowie Beamte und Angehörige der Streitkräfte; fiir letztgenannte gelten eigene Regelungen. Bei einer möglichen Kumulation von AA W und WAO-Leistung wird nur die WAO-Leistung gezahlt; die AAW-Leistung ist darin eingebaut. Anspruch auf eine WAO-Leistung hat der Versicherte bei einer Erwerbsunfähigkeit von 15 % oder mehr, wenn diese 52 Wochen angehalten hat. Der Erwerbsunfähigkeitsbegriff deckt sich mit dem des AA W. Die WAO-Leistung knüpft im Unterschied zum AA W an das Lohneinkommen des Versicherten vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit an. Leistungsbemessungsgrundlage ist ein Tageslohn, der soweit möglich den Betrag widerspiegelt, den der Betroffene im Durchschnitt pro Tag in seinem Beruf verdient hätte, wäre er nicht arbeitsunfähig geworden334 . Dabei gilt ein Höchstbetrag von 282,88 f (1992). Bis 1987 bestand außerdem ein Mindesttageslohn, der ein Absinken unter die soziale Mindestnorm verhindern sollte; diese Aufgabe ist seitdem vollständig auf das Zuschußgesetz übergegangen 335 . Die Tageslöhne sind seit 1991 an die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohnes gekoppelt336 .

331 Dabei werden teilweise Arbeitsunfähige gemäß dem Grad ihrer Erwerbsunfähigkeit gewichtet; vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 219. 332 Zu den Zahlen vgl. Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 173. 333 Vgl. zur Versicherungspflicht in den Arbeitnehmerversicherungen Jaspers/Riphagen (1991), S. 29 - 37 und Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. 51 - 52. Zum Kreis der Versicherten im WAO vgl. insbesondere Voorlichlingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 24 - 25. 334 Mitgerechnet werden können dabei übliche Urlaubsgelder, Gratifikationen o. ä.; vgl. im einzelnen etwa Voorlichlingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 25. 335 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 74. 336 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 75.

200

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Die WAO-Leistung wird auf Tagesbasis festgesetzt und für fiinf Tage pro Woche gezahlt. Wer zu 80 % oder mehr arbeitsunfähig erklärt worden ist, erhält eine Leistung in Höhe von 70 % von 100/1 08 mal dem Tageslohn, in besonders schwerwiegenden Fällen auch 100 %337. Teilweise Arbeitsunfähige können in eine der 6 weiteren Erwerbsunfähigkeitsklassen eingestuft werden. Gegenüber dem AA W besteht damit noch eine zusätzliche untere Klasse ab einer Invalidität von 15 %. Je nach Klasse liegt die Leistung zwischen 14 % und 50,75 % von 100/1 08 des Tageslohnes 338 . Der Faktor 100/108 wird angewendet, um von der Leistung einen Betrag zu reservieren, der einmal im Jahr als Urlaubsgeld ausgezahlt wird und seit 1987 8 % der WAO-Leistung ausmacht 339 . Die derzeit geltenden Leistungssätze datieren aus dem Jahr 1987. Bis dahin galt lange Zeit in der höchsten Invaliditätsklasse ein Satz von 80 %; die anderen Leistungssätze waren ebenfalls höher340 . WAO-Renten werden steuer- und sozialabgabenrechtlich wie Lohneinkommen behandelt; d. h. von WAO-Renten sind weiterhin auch WAO-Beiträge zu entrichten341 . Wie beim AA Wendet der Leistungsbezug mit dem Ende Erwerbsunfähigkeit, spätestens aber mit Vollendung des 65. Lebensjahres.

der

Nach dem WAO waren 1992 etwa 5,2 Mio. Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Sektors versichert. Dies entspricht einem Anteil von 88 % an den abhängig Beschäftigten oder 72 % der gesamten Erwerbsbevölkerung342 . Gemessen in versicherten Menschenjahren entspricht die Zahl der Versicherten exakt denen des ZW343. An Leistungen entfiel auf das W AO im selben Jahr 568.000 volle Leistungsjahre; das sind 18 % mehr als vor 10 Jahren. Betrachtet man WAO und AA W zusanunen, so entfallen 78 % der Leistungsempfanger in die höchste Erwerbsunfähigkeitsklasse344 . Der Invaliditätsgrad der niederländischen Berufsbevölkerung345 lag insgesamt 1992 bei 9,9 %; er verharrt damit seit Beginn der 80er Jahre auf einem etwa gleichbleibenden Niveau.

337 338 339 340 341 342 343 344 345

Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S.

25 - 26.

Zu den Leistungsklassen vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S.

75. Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 74.

Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S.

26.

Zu den Daten vgl. Gemeenschappelijke Medische Dienst (1993), S. Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S.

88.

Vgl. dazu Gemeenschappelijke Medische Dienst (1993), S.

26.

12 - 15.

104.

Der Invaliditätsgrad wird gemessen in vollen Leistungsjahren AA Wund WAO am Ende eines Jahres geteilt durch die niederländische Berufsbevölkerung zum gleichen Zeitpunkt vermehrt um die Anzahl der zu vollen Leistungsjahren umgerechneten Versicherungsfälle; vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 86.

201

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

5.4.2.1.2 Zahl der Leistungsempjänger, FinanzauJwand und Mittelaufbringung FinanzauJwand Beständig zugenommen hat seit Beginn der 80er Jahre die Inanspruchnahme der langfristigen Erwerbsunfähigkeitsleistungen. Die Leistungsjahre nach AA W und WAO zusammen nahmen im Betrachtungszeitraum um 33 % zu. Dies ging einher mit einer nominalen Ausgabensteigerung von 67 % im selben Zeitraum auf 23 Mrd. f im Jahr 1992. Die Zunahme bei der Zahl der Leistungsempfanger wird neben einer Ausweitung des Versichertenkreises infolge des AA W v. a. auf das große Maß an versteckter Arbeitslosigkeit zurückgeführt, das in den WAO-Leistungen enthalten ist. Dem ist wie oben angeführt 1987 durch den Gesetzgeber entgegengetreten worden. Dennoch hat die Zunahme des Leistungsvolumens weiter angehalten. Tabelle 5.11

Leistungsempfanger und Ausgaben in AAW und WAD 1980 -1992

Regelungen

Ausgabena) und Inanspruchnahme (in Klammem Index 1980 = 100) 1980

1985

1990

1991

1992

Leistungsempfanger (x 1000 gewichtete Leistungsj ahreb»

608 (100)

698 (115)

778 (128)

801 (132)

806 (133)

Ausgaben in Mio. f

l3.867 (100)

16.220 (117)

20.998 (151 )

22.191 (160)

23.090 (167)

Anmerkung: a)Die Ausgaben enthalten sowohl Leistungen als auch Verwaltungsausgaben. b)Leistungsbezugszeiten aufgrund von teilweiser Erwerbsunfähigkeit werden nach dem Grade der Erwerbsunfähigkeit in volle Leistungsbezugszeiten umgrechnet. Quelle: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 993), S. 172 - 173.

Mittelaufbringung Die WAO-Ausgaben werden ausschließlich durch Versichertenbeiträge finanziert. Das Beitragsaufkommen lag 1992 bei 10,1 Mrd. f; dem standen Gesamtausgaben von 9,4 Mrd. f gegenüber. Waren lange Zeit Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam an der Beitragsaufbringung beteiligt, so wurde 1987 die Beitragszahlung ganz auf die Arbeitnehmer übertragen, nachdem seit 1981 der Arbeitgeberbeitrag nach und nach zurückgeführt worden war 346 . 1992 beträgt 346 Vgl. Tabelle A-3.\ im Anhang.

202

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

der Beitrag 12,5 % des Lohnes, der über einen Franchise-Betrag von 98 f pro Tag hinausgeht, bis zur Beitragsbemessungsgrundlage von 282 f pro Tag. Seit 1987 ist für alle Arbeitnehmerversicherungen, d. h. auch für das WAO, die Beitragspflicht auf alle aus ihnen abgeleiteten Leistungen eingeführt worden, was bis dahin nur partiell der Fall war 347 . Der Franchise-Betrag spiegelt den Einbau der AAW -Leistung wider, für die Arbeitnehmer ebenfalls beitragspflichtig sind. Die Volksversicherung AAW wurde seit 1984 vollständig aus Beiträgen finanziert. 1990 jedoch, im Rahmen der Oort-Reformen, wurden die Beitragssätze trotz einer geringeren Beitragsbemessungsgrenze deutlich herabgesetzt 348 und für eine Übergangszeit ein Staatszuschuß eingeführt, um die Aufkommensverluste zu kompensieren349 . Dieser machte 1992 mit 11,3 Mrd. f fast 2/3 der Gesamteinnahmen aus. Es ist geplant, den Staatszuschuß in den nächsten Jahren durch höhere Beiträge vollständig zu ersetzen350 . 1992 lag das Beitragsaufkommenbei 6,1 Mrd. f. Beitragspflichtig im Rahmen der Volksversicherung sind dabei im Prinzip alle Einwohner bis zum 65. Lebensjahr mit ihrem steuerbaren Einkommen im ersten Einkommensteuertarifabschnitt351 . Der Beitragssatz beträgt 1992 2,75 %. Bis zu den Oort-Reformen ging dieser Beitrag ebenso wie im A WBZ ausschließlich zu Lasten des Arbeitgebers.

5.4.2.1.3 Reformen im Bereich der Erwerbsunfähigkeitsversicherungen Die Ausgaben für Invalidität machen 1992 in den Niederlanden 7,4 % des BIP aus, während der EU-Durchschnitt bei 2,4 % liegt. Kein anderes Land erreicht auch nur die Hälfte des niederländischen Anteils 352 . Die außergewöhnlich hohen Erwerbsunfähigkeitsausgaben tragen maßgeblich dazu bei, daß die Niederlande den höchsten Anteil von Sozialausgaben in der EU haben353 . Dieser Umstand gab seit Mitte der 80er Jahre immer wieder Anlaß zu Reformen auf dem Gebiet der Erwerbsunfähigkeitsregelungen. Die Diskussion über Einsparungen im Bereich der Erwerbsunfähigkeitsregelungen mündete zu Beginn der 90er Jahre in eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen. Aus einem Maßnahmenpaket von 1992 sind als wichtigste die Einfiih347 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 39. 348 1989 lag der Beitragssatz bei 6,2 %, 1990 bei 1,15 %; vgl. dazu Tabelle A-3.1 im Anhang. 349 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 83. 350 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 166. 351 Vgl. dazu Abschnitt 6.1. 352 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1994), S. 190. 353 Vgl. dazu auch Abschnitt 3.2.1.1.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

203

rung eines Bonus-Malus-Systems für Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Veränderung des Erwerbsunfähigkeitsstandes im Betrieb und die Möglichkeit zur Lohnkostensubventionierung bei Einstellung eines teilweise Arbeitsunfähigen genannt. Zielsetzung dieser Maßnahmen ist es, die anhaltend hohe Inanspruchnahme von Erwerbsunfähigkeitsleistungen zu begrenzen. Das Bonus-Malus-System konnte jedoch wegen rechtlicher Probleme nicht umgesetzt werden. 1993 folgte ein weiteres Gesetz, das u. a. eine erweiterte Definition des Begriffs "angemessene Beschäftigung" enthält und zudem vorsieht, die Zahlungsdauer der WAO-Leistungen für neue Antragsteller zu begrenzen, wobei eine Staffelung nach dem Lebensalter vorgenommen wird 354 . Der jüngste Gesetzentwurf der neuen Regierung von 1996 sieht vor, Arbeitgebern die Möglichkeit einzuräumen, sich statt im WAO bei einer privaten Versicherungsgesellschaft gegen die Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zu versichern. Ferner ist eine branchen- bzw. unternehmensbezogene Differenzierung der WAO-Beiträge nach Maßgabe des herrschenden Krankenstandes geplant. Diese Maßnahmen sind allerdings auf starken Widerstand insbesondere der Gewerkschaften gestoßen. Ob der Gesetzentwurf gegebenenfalls in modifizierter Form überhaupt verabschiedet wird, ist noch offen355 . 5.4.2.2 Soziale Sicherung für Hinterbliebene unter 65 Jahren: Das Allgemeine Witwen- und Waisengesetz AWW

5.4.2.2.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad Die Volksversicherung nach dem Allgemeine Witwen- und Waisengesetz, das 1959 in Kraft getreten ist, verleiht der Witwe, deren Ehegatte am Tage seines Todes nach dem A WW versichert war, das Recht auf eine Hinterbliebenenrente 356 . Seit 1988 steht aufgrund der Rechtsprechung auch einem Witwer unter denselben Voraussetzungen dieses Recht zu357. Daneben sieht das Gesetz eine Leistung für Vollwaisen vor. Pflichtversichert sind alle Einwohner über 15 Jah-

354 Vgl. dazu im einzelnen Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1995), S. 24 - 25. 355 Vgl. dazu Deutsche Bank Research (\ 996), S. 6 - 7. 356 Um Mißbrauch auszuschließen wurden a\1erdings einige Ausschließungsgründe aufgenommen, so etwa wenn der Verstorbene zum Zeitpunkt der Eheschließung über 65 Jahre alt war und die Ehe nicht länger als 5 Jahre dauerte. oder wenn keine Kinder aus der Ehe hervorgingen. Vgl. im einzelnen Art. 14 AWW und die Kommentare bei de Guasco et al. (\ 987), S. 70 - 74.

357 Vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 223. Wenn im folgenden gemäß dem Gesetzestext nur von Witwen gesprochen wird, so sind damit Witwer grundsätzlich miteinbezogen.

204

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

ren358 . Ansonsten gelten hinsichtlich des Versichertenkreises im Prinzip die gleichen BestimmWlgen wie im AOW359. Der Ehefrau gleichgestellt ist im übrigen die geschiedene Frau, sofern sie nicht wiederverheiratet ist360. Im Unterschied zum AOW gelten auch dauerhaft getrennt lebende Ehepartner weiterhin als Ehepaar, während Wlverheiratet Zusammenlebende nicht als Ehepaar behandelt werden361 . Das AWW kennt drei LeistWlgskategorien: (1) Die Witwenrente. Eine Witwe hat Anspruch auf Witwenrente, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft: es sind ein oder mehrere Wlverheiratete Kinder vorhanden; sie ist schwanger; sie ist erwerbstmfähig Wld dieser Zustand dauert noch mindestens drei Monate an; sie ist am letzten Tag des Monats, in dem der Ehegatte verstarb, 40 Jahre oder älter; sie ist am letzten Tag des Monats, in dem der Ehegatte verstarb, 35 Jahre, aber noch keine 40 Jahre alt und hat ein Kind bzw. hatte eines, das nach VollendWlg ihres 35. Lebensjahres Wld vor dem Tod des Gatten verheiratet oder verstorben ist362 . (2) Die zeitweilige Witwenrente. Anspruch auf eine zeitweilige Witwenrente besteht dann, wenn auf die Witwe keine der unter (1) genannten Voraussetzungen zutrifft363 . (3) Die Waisenrente. In der Regel hat ein Kind, dessen Eltern beide verstorben sind, Anspruch auf ZahlWlg einer Waisenrente bis zum 16. Lebensjahr. Bei Invalidität verlängert sich der Zeitraum bis zum 18., im Falle eines Studiums maximal bis zum 27. Lebensjahr364 . Der Anspruch auf die Witwenrente endet mit dem Wegfall der anspruchsbegründenden Tatbestände oder mit VollendWlg des 65. Lebensjahres365 . Im letztgenannten Fall wird die SicherWlgsfunktion dann vom AOW übernommen.

358 Vgl. Art. 7 AWW und de Guasco et al. (1987), S. 55. 359 Eine freiwillige Versicherung im AWW ist nur dann möglich, wenn man sich zusätzlich im AOW freiwillig weiterversichert; vgl. Art. 47 AWW. 360 Zu den näheren Bestimmungen vgl. Art. 4a AWW und de Guasco et al. (1987), S. 59 - 62. 361 Vgl. de Guasco et al. (1987), S. 58. 362 Vgl. Art. 8 Abs. I AWW und die Kommentare bei de Guasco et al. (1987), S. 62 - 69. 363 Vgl. Art. 8 Abs. 2 AWW und die Kommentare bei de Guasco et al. (1987), S. 69 - 70. 364 Vgl. Art. 16 - 18 AWW und die Kommentare bei de Guasco et al. (1987), S. 76 - 85. 365 Etwa mit dem Wegfall der Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 40. Lebensjahres; vgl. im einzelnen Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 46.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

205

Die Bezugsdauer der zeitweiligen Witwenrente hängt vom Alter der Berechtigten ab; sie variiert zwischen 6 Monaten für eine unter 27jährige und 19 Monaten bei einer 39jährigen Witwe 366 . Bei Wiederheirat verliert die Witwe das Recht auf eine Witwenrente bzw. zeitweilige Witwenrente; sie erhält jedoch eine Abschlußzahlung in Höhe von maximal einem Jahresbetrag ihrer AWWRente 367 . Die Höhe der AWW-Renten wird in Analogie zum AOW als Pauschalleistung vom Nettomindestlohn abgeleitet. Die Witwenrente beträgt ebenso wie die befristete Witwenleistung netto 70 % des Nettomindestlohnes (niedrige Rente); mit einem Kind unter 18 Jahren erhöht sich die Witwenrente auf 100 % (hohe Rente)368. Hinzu kommt ein anteiliges Urlaubsgeld 369 . Die Höhe der Waisenrente ist direkt an die Witwenrente gekoppelt. Sie beträgt für eine Waise unter 10 Jahren 32 %, zwischen 10 und 16 Jahren 48 % und gegebenenfalls über 16 Jahren 64 % der Bruttowitwenrente, die maßgeblich ist, falls keine Kinder unter 18 Jahren vorhanden sind370 . Für das Waisenurlaubsgeld gelten dieselben Anteile. Die monatlichen Bruttobeträge zum 1.7.1992 betrugen daher371 : für eine Witwe ohne Kinder unter 18 Jahren 1.766,08 f (plus 109,87 f Urlaubsgeld), für eine Witwe mit Kindern unter 18 Jahren 2.429,42 f (plus 156,95 f Urlausbgeld), für die zeitweilige Witwenrente 1.766,08 f(plus 109,87 fUriaubsgeld), für Waisen bis zu 10 Jahren 565,15 f(plus 35,16 fUrlaubsgeld), für Waisen von 10 - 16 Jahren 847,72 f(plus 52,74 fUriaubsgeld) und für Waisen von 16 - 27 Jahren 1.130 f (plus 70,32 fUriausbgeld). Als Teilbereich der Regelungen auf dem Niveau des sozialen Minimums si'nd die AWW-Leistungen nach demselben Muster wie die AOW-Renten an die Entwicklung des Nettomindestlohns gekoppelt. Wie im AOW ist auch im AWW im Prinzip die gesamte Wohnbevölkerung versichert. Im Jahre 1992 wurden 190.000 Hinterbliebenenrenten nach dem AWW ausgezahlt, davon 159.000 an Witwen (in knapp 90 % der Fälle die

366 Vgl. Art. 13 Abs. 2 AWW. 367 Bei einer zeitweiligen Witwenrente mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr wird nur die dementsprechende Summe gezahlt; vgl. Art. 15 AWw. 368 Vgl. Art. 19 AWW. 3691mallgemeinen also 70 % des gesetzlichen Nettomindesturlaubsgeldes, bei Kindern unter 18 Jahren genau 100 %; vgl. Jaspers/Riphagen (1991), S. 226 - 227. 370 Vgl. Art. 19 Abs. 7 AWW. 371 Zu den Beträgen vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1992e), S. 3.

206

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

niedrige Rente), 29.000 an Witwer illld 2.000 an Waisen 372 . Läßt man die Waisenrenten außer Betracht, so bezogen im selben Jahr 3,1 % der Frauen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 illld 65 Jahren eine Witwenrente illld 0,5 % der erwerbsfähigen Männer eine Witwerrente aus dem AWW373. Im selben Jahr entfielen 64 % der Hinterbliebenenrenten an Personen in der Altersgruppe zwischen 55 illld 64 Jahren 374 . Aufgrillld von gesellschaftlichen Entwicklilllgen, wie insbesondere der zunehmenden Erwerbsbeteiligilllg von Frauen, aber nicht zuletzt auch aus fiskalischen Motiven, ist seit längerem eine Ablösilllg des A WW durch eine neu konzipierte Allgemeine Hinterbliebenenversichefilllg geplant, die durch strengere AnspruchsvoraussetZilllgen, ein herabgestuftes Leistilllgsniveau illld kürzere Laufzeiten gekennzeichnet sein dürfte 375. Trotz des Vorhabens, das neue Gesetz schon zu Beginn der 90er Jahre in Kraft zu setzen, ist dies bislang noch immer nicht geschehen376 .

5.4.2.2.2 Zahl der Leistungsempjänger, FinanzauJwand und Mittelaujbringung FinanzauJwand Zwischen 1980 illld 1992 haben sich die Ausgaben für die Hinterbliebenensichefilllg nach dem A WW fast verdoppelt. Darin enthalten sind auch die Ausgaben für Waisen, die jedoch weniger als 1 % des Ausgabenvolumens ausmachen. Die starke Zilllahme der Ausgaben im Betrachtilllgszeitraum liegt in der Kumulation zweier Effekte begründet: zum einen stieg die Zahl der Leistilllgsberechtigten als Folge der Zuerkennilllg von A WW-Leistilllgen an Witwer seit 1988 deutlich an illld zum anderen wurden im Zusammenhang mit der Steuerreform nach Plänen der Oort-Kommission analog zum AOW im Jahre 1990 die Bruttoleistilllgen stark angehoben377 .

372 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 173. 373 Eigene Berechnungen aufgrund von Daten des Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid(1993), S. 141. 374 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (I993), S. 87. 375 Vgl. dazu etwa Jaspers/Riphagen (I 991), S. 230 sowie zu den Hintergründen auch Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I990a), S. 35 - 37. 376 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1995), S. 43. 377 Vgl. dazu Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 92.

207

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

Tabelle 5.12

Leistungsempfänger und Ausgaben im AWW (1980 - 1992)

Regelung

Ausgaben und Inanspruchnahme (in Klammem Index 1980 = 100) 1980

1985

1990

1991

1992

Leistungsempfänger (x 1000 Leistungsjahre)

168 (100)

171 (102)

187 (111)

189 (113)

190 (113)

Ausgaben in Mio. f

2.462 (100)

2.692 (109)

4.290 (174)

4.495 (183)

4.814 (196)

Anmerkung: Die Ausgaben enthalten sowohl Leistungen als auch Verwaltungsausgaben. Quelle: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid eigene Berechnungen.

(1993), S. 172 - 173, 186 - 187 und

Mittelaujbringung Im Unterschied zwn AOW, das sich praktisch ausschließlich aus Beiträgen finanziert, spielen staatliche Zuschüsse im A WW seit 1990 wieder eine große Rolle. Nachdem der Staatszuschuß seit 1982 praktisch abgeschafft war, wurde er 1990 im Zusammenhang mit den Oort-Reformen wieder revitalisiert. Hintergrund war, daß nach den ursprünglichen Plänen die Versicherungs- und Beitragspflicht im Rahmen der Invaliditätsvolksversicherung AA W auf Personen über 65 Jahre ausgedehnt werden sollte. Dieses Vorhaben wurde aber ausgesetzt. Gleichzeitig wurden die A WW - und AA W -Beitragssätze entgegen den ursprünglichen Plänen nicht erhöht bzw. deutlich gesenkt, so daß das eingeplante Beitragsaufkommen durch einen Staatszuschuß kompensiert werden mußte 378 . Mit 2,35 Mrd. f im Jahre 1992 bestreitet der Staat damit knapp die Hälfte der Gesamteinnahmen, die andere Hälfte (2,56 Mrd. f) stammt aus Beiträgen. Hinzu kommen noch geringe Zinseinkünfte379 . Hinsichtlich der Beitragspflicht und der Beitragsbemessungsgrundlage gelten die gleichen Bestimmungen wie für das AOW380. Der Beitragssatz im A WW ist aber erheblich niedriger. Er lag 1992 bei 1,15 % des steuerbaren Einkommens der ersten Tarifstufe gegenüber 14,35 % im AOW. Der Beitragssatz zwn AWW ist nicht zuletzt aufgrund des Staatszuschusses auch nach der Oort-Reform in

378 Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 189 - 190. 379 Vgl. zu den Daten Sociale Verzekeringsbank (1994), S. 59. 380 Vgl. dazu Abschnitt 5.2.5.

208

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

etwa gleich geblieben, obwohl aufgrund der neuen Beitragsbemessungsgrenzen die Einkommensbasis wesentlich schmaler wurde 381 . 5.4.2.3 Die allgemeine Sozialhilfe nach dem ABW

Das unterste Auffangnetz und damit das Schlußstück der sozialen Sicherung bildet die allgemeine Sozialhilfe nach dem ABW. Auch dem ABW kommt eine Alterssicherungsfunktion zu, die sich sowohl auf ältere Menschen unterhalb wie oberhalb der gesetzlichen Altergrenze erstrecken kann. Die Bedeutung der Sozialhilfe als Alterssicherungsinstrument ist allerdings vergleichsweise gering. Im Jahre 1990 liegt die Zahl der ABW -Empfänger, die älter als 65 sind, lediglich bei 28.000. Damit empfingen etwa 1,4 % der über 65jährigen eine Sozialhilfeleistung, überwiegend eine Leistung für besondere Bedarfslagen. Die Anzahl der Leistungsempfänger hat seit Mitte der achtziger Jahre zugenommen. Korrigiert um den demographischen Einfluß zeigt sich jedoch, daß der Anteil der über 65jährigen, die eine ergänzende Sozialhilfeleistung beziehen, seit den 70er Jahren stark rückläufig ist. In der Altersgruppe der 50 bis 64jährigen lag die Zahl der Sozialhilfeempfänger 1990 bei etwa 49.000 Personen (etwa 2,2 % der Bevölkerung in dieser Altersgruppe)382. Hier dominiert dagegen die allgemeine Hilfe zum Lebensunterhalt.

5.4.2.3.1 Anspruchsvoraussetzungen und Leistungen Das Allgemeine Sozialhilfegesetz ABW ist seit 1965 in Kraft. Danach kann jedem niederländischen Staatsangehörigen Unterstützung gewährt werden, der nicht über die notwendigen Mittel zur Bestreitung der lebensnotwendigen Kosten verfugt. Gleichgestellt sind Ausländer, die sich legal in den Niederlanden aufhalten383 . Die Sozialhilfenormen für die Kosten des täglichen Lebensunterhalts sind landesweit einheitlich und stellen das soziale Minimum dar, das jedem Einwohner mindestens garantiert wird. Die Nettonormbeträge für die allgemeine Sozialhilfe (algemene bijstand) oder Hilfe zum Lebensunterhalt werden auf Basis des Nettomindestlohnes ermittelt384 ; letzterer bildet gleichzeitig die Grundlage

381 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 5.2.5. 382 Vgl. zu den Daten Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 a). S 168 - 169 und de Kemp (1992), S. 86 - 90. 383 Vgl. Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 70. 384 Die Beträge errechnen sich auf der Grundlage des Mindestlohnes eines verheirateten Ar-

beitnehmers ab 23 Jahren zuzüglich des Kompensationszuschlags und unter Abzug von Sozial versicherungsbeiträgen und Lohnsteuer; vgl. dazu o. V (1991), S. 2241.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

209

fiir die Anpassung der Leistungen an die laufende Tariflohnentwicklung385 . Zwn 1.7.1992 lauten die Beträge:

(1) fiir ein Ehepaar386 1730,81 fpro Monat (zuzüglich eines Urlaubsgeldes von 94,86 f), (2) fiir Alleinerziehende 1557,73 fpro Monat plus 85,38 fUrlaubsgeld (= 90 % von (1)), (3) fiir Alleinstehende, die allein wohnen und mindestens 23 Jahre alt sind, 1211,57 fpro Monat bei einem Urlaubsgeld von 66,40 f(= 70 % von (1)), (4) fiir Alleinstehende ab 23 Jahren, die die Wohnung mit anderen teilen, 1038,49 f pro Monat mit einem Urlaubsgeld von 56,92 f (= 60 % von (1))387.

Das Urlaubsgeld wird in einer Summe im Juni des Jahres ausgezahlt. Daneben können in besonderen Lebenslagen, etwa bei Behinderung oder Krankheit oder im Falle der Betreuung von Familienmitgliedern, fiir die damit verbundenen Kosten zusätzliche Leistungen (besondere Sozialhilje/bijzondere bijstand) gewährt werden388 . Die Sozialhilfeleistungen unterliegen generell einer Einkommens- und Vermögensprüfung. Herangezogen wird dabei eigenes Einkommen sowie gegebenfalls Einkommen des Partners. Zwn Einkommen gehören auch empfangene Unterhaltsleistungen oder Sozialtransfers 389 . Aus Arbeitsanreizüberlegungen wird Nettoeinkommen aus Arbeit fiir die Dauer von zwei Jahren bis zu bestimmten Höchstbeträgen zu 25 % von der Anrechnung ausgenommen390 . Eigenes Vermögen muß grundsätzlich eingesetzt werden, bevor Sozialhilfe gewährt werden kann. Ausgenommen wird nur ein bescheidener Teil von zur Zeit 17.200 f fiir Ehepaare und Alleinerziehende bzw. 8.600 f fiir Alleinstehende. Für Sozialhilfeempfanger bis 65 Jahren mit eigener Wohnung gelten höhere Freibeträge391 .

385 Vgl. dazu Abschnitt 5.2.2. 386 Gleichgestellt sind unverheiratet Zusammenlebende; vgl. Voorlichlingscentrum Sociale Verzekering (1992), S. 71. 387 Für Alleinstehende unter 23 Jahren gelten in den Fällen c) und d) niedrigere Beträge; vgl.

o. V. (1991), S. 2237.

388 Vgl. dazu Voorlichlingscenlrum Sociale Verzekering (1992), S. 71 - 72 und Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990), S. 109 - 110 389 Vgl. Minislerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. lOS. 390 1m Jahr 1992 konnten Ehepaare oder alleinerziehende Personen höchstens 257,14 f pro Monat, Alleinstehende höchstens 180 f pro Monat abziehen; vgl. Voorlichlingscenlrum Sociale Verzekering (1992), S. 72. 391 Vgl. im einzelnen Voorlichlingscenlrum Sociale Verzekering (1992), S. 72. 14 Pöhler

210

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

5.4.2.3.2 Zahl der Leistungsempjänger, FinanzauJwand und Mittelaufbringung Tabelle 5.13 gibt Aufschluß über die EntwicklWlg der LeistWlgsempfänger Wld Ausgaben im ABW. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfe geht seit 1980 zurück. Es ist jedoch zu bedenken, daß eine Reihe von sozialhilfeabhängigen Gruppen in gesonderte RegelWlgen überführt worden sind, so etwa 100.000 Bewohner von Altenheimen, die Sozialhilfe zur FinanziefWlg ihrer UnterbringWlg bezogen Wld seit 1984 ausgegliedert wurden392 . Deutlich zugenommen hat die LeistWlgsmenge (gemessen in vollen LeistWlgsjahren) bei der Hilfe zum LebensWlterhalt an Personen Wlter 65 Jahren, das von 115.000 (1980) auf 174.000 (1992) anstieg. Dies ist v. a. ein Effekt der ZWlahme von EhescheidWlgen, wodurch eine wachsende Anzahl alleinerziehender Frauen Sozialhilfe in Anspruch nehmen mußte. Tabelle 5.13

Leistungsempfanger und Ausgaben im ABW (1980 -1992)

RegelWlg

Ausgaben Wld Inanspruchnahme (in Klammem Index 1980 = 100) 1980

1985

1990

1991

1992

LeistWlgsempfänger (x 1000 LeistWlgsjahre)

266 (100)

206 (77)

218 (82)

218 (82)

191 (72)

Ausgaben in Mio. f

4.523 (100)

3.712 (82)

4.036 (89)

4.315 (95)

4.493 (99)

Anmerkung: Die Ausgaben enthalten sowohl Leistungen als auch Verwaltungs ausgaben. Quelle: Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 174 - 175, 188 - 189.

Die MindestsichefWlgsleistWlgen werden ausschließlich aus staatlichen Mitteln fmanziert. Die Ausführung des Sozialhilfegesetzes obliegt den KommWlen, deren damit verbWldene Ausgaben 1992 zu 80 % vom Staat übernommen wurden393 .

392 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 83. 393 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 158.

5.4 Regelungen mit unspezifischer Alterssicherungsfunktion

211

5.4.2.4 Die Vorruhestandsregelungen VUT

5.4.2.4.1 Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen und Deckungsgrad Eine große Nähe zum Bereich der Alterssichenmg haben die VUT -Regelungen zum Vorruhestand, häufig werden sie auch der Alterssichenmg direkt zugeordnet. VUT (Regeling inzake vergroegde uittreding) ist der Oberbegriff fiir eine Vielzahl von Regelungen auf meist tarifvertraglicher Gnmdlage, die geschaffen wurden, um Arbeitnehmern einen vorzeitigen Ruhestand mit Hilfe einer lohnbezogenen Leistung zu ermöglichen. Die ersten Experimente datieren aus der zweiten Hälfte der 70er Jahre, seither hat die Verbreitung stark zugenommen. Seit 1980 gilt fiir Beschäftigte im öffentlichen Sektor eine allgemeine Vorruhestandsregelung, die über den ABP abgewickelt wird. Im Jahre 1988 bestanden fiir ca. 2,3 Mio. Arbeitnehmer im privaten Sektor und noch einmal 1,2 Mio. Beschäftigte im öffentlichen Sektor derartige Regelungen. Damit waren etwa 85 % der abhängig Beschäftigten erfaßt394 . Im Jahr 1992 bezogen insgesamt 142.000 Personen eine VUT-Leistung395 . Neun Jahre zuvor umfaßte der Kreis der Leistungsbezieher nur 42.500 Personen, d. h. die Zahl der VUT-Leistungsempfanger hat sich in diesem Zeitraum mehr als verdreifacht. Nach einer Untersuchung von 1987 machen 2/3 der altersmäßig in Frage kommenden männlichen Personen im Wirkungsbereich des ABPW und etwa 40 % der entsprechenden Gruppe im privaten Sektor von einer VUT -Regelung Gebrauch; der Anteil von Frauen lag mit 32 % (Staat) und 11 % (Unternehmenssektor) deutlich danmter 396 . Inzwischen dürfte die Inanspruchnahme weiter zugenommen haben. Die aufgrund fehlender gesetzlicher Normienmg entstandene Heterogenität der Regelungen läßt hier nur einen groben Überblick zu. Sofern fiir die Beschäftigten eine VUT-Vereinbarung besteht, kommen dafiir im allgemeinen folgende Anspruchsvoraussetzungen zur Geltung 397 : Der Arbeitnehmer muß meist eine bestimmte Wartezeit von 5 oder 10 Jahren im selben Betrieb oder derselben Branche erfüllt haben. Verschiedentlich ist eine Anrechnung von Beschäftigungszeiten in verwandten Wirtschaftszweigen möglich.

394 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 128. 395 Vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 131. 396 Ursache dafür ist die höhere Teilzeitrate BolhuislOttenslSteenbeek-Vervoort (1987), S. 726 - 727.

bei

Frauen.

Zu

den

Zahlen

vgl.

397 Vgl. dazu Pieters (1991), S. 364, Neven (1985), S 1194 - 1196, Knip (1987), S. 5 - 8 und Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 128 - 129. 14'

212

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Der Arbeitnehmer muß ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben. Dieses varriiert je nach RegelWlg zwischen 59 Wld 64 Jahren, in manchen Fällen, wie im Staatsdienst, genügt auch eine 40jährige aktive Dienstzeit. Der Betreffende muß die Erwerbstätigkeit aufgeben. Ferner darf er keine SozialleistWlg in voller Höhe aufgrWld von Arbeitslosigkeit oder Invalidität empfangen. Die Inanspruchnahme der VorruhestandsregelWlg ist in der Regel freiwillig. Die LeistWlgen sind ebenfalls nicht einheitlich gestaltet. Zumeist beträgt die VorruhestandsleiStWlg 80 bis 85 % des letzten Verdienstes. Häufig sind auch Höchstbeträge auf der GfWldlage der BeitragsbemessWlgsgrenze der ArbeitnehmerversichefWlgen oder Mindestbeträge in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes vorzufinden398 . Die Betriebs- oder Branchenzugehörigkeitsdauer beeinflußt hingegen - abgesehen von der WartezeitbestimmWlg - die LeistWlgshöhe nicht. Die VUT-ZahlWlgen werden im allgemeinen an die TariflohnentwicklWlg in der entsprechenden Branche angepaßt, gelegentlich ist auch eine PreisniveauindexiefWlg vorgesehen. Ein wichtiges Kennzeichen der VUT-RegelWlgen besteht darin, daß während des VUT-LeistWlgsbezugs der Aufbau von Anwartschaften aus einem Zusatzrentensystem fortgesetzt wird. Zu dem Zweck wird der Arbeitnehmeranteil des entprechenden Beitrages von der VUT-LeistWlg abgezogen, der Arbeitgeberanteil wird Wlverändert weitergezahlt. 5.4.2.4.2 Inanspruchnahme, Finanzaufwand und Mittelaufbringung Die Ausgaben fiir VorruhestandsleistWlgen der VorruhestandsregelWlgen in der privaten Wirtschaft (einschließlich VerwaltWlgsausgaben), die über eigenständige Fonds abgewickelt werden, betrugen 1992 etwa 2,9 Mrd. f399. Hinzu kommen noch 1,9 Mrd. f fiir VUT-LeistWlgen aus dem ABP sowie die direkt von Arbeitgebern gezahlten Vorruhestandsgelder. Drei Jahre zuvor lagen die Ausgaben der privaten VUT-Fonds noch bei lediglich 1,5 Mrd. f (ABP: 1,8 Mrd. f), 1980 gar bei nur 231 Mio. f. Innerhalb von 12 Jahren haben sich die Ausgaben damit etwa verzwölffacht. Im gleichen Zeitraum hat sich die Inanspruchnahme (gemessen in LeistWlgsjahren) etwa vervierfacht (von 11.000 auf 48.000 Jahre). In diesen Zahlen dokumentiert sich eine bemerkenswerte Ausgabendynamik v. a. im privaten Sektor, die besonders auf eine ZWlehmende Inanspruchnahme zurückzuführen ist. Demgegenüber haben sich die Ausgaben im

398 Vgl. Neven (1985), S. 1196 - 1197. 399 Zu den Zahlen vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1993), S. 172 - 173 und S. 186 - 187 undSociale Verzekeringsraad(1993), S 208.

5.5 Typologische Einordnung

213

öffentlichen Sektor in den letzten Jahren eher moderat entwickelt; so war in den letzten bei den Jahren die Zahl der VUT -Bezieher sogar rückläufig. Sieht man im folgenden vom bereits oben behandelten ABP ab, so werden die Ausgaben überwiegend durch Beiträge im Wege des Umlageverfahrens finanziert. Angesichts der Tatsache, daß die ausgabenbestimmenden Faktoren wie der Altersaufbau des Personals, das Mindestalter für die Inanspruchnahme und die Höhe der Leistungen zwischen den Unternehmen bzw. Branchen stark variieren, weichen auch die Beiträge zum Teil deutlich voneinander ab. Im Durchschnitt lag der Beitragssatz für betriebliche Vorruhestandsregelungen 1992 bei 1,8 %, wobei die Arbeitgeber zumeist 2/3 und die Arbeitnehmer 1/3 entrichteten. Dementsprechend machten die Arbeitnehmerbeiträge zu den VUT-Fonds 1992 etwa 40 % der Gesamteinnahmen aus, die der Arbeitgeber 52 %400. Seit 1980 haben sich die Beitragssätze im privaten Sektor etwa verdreifacht4° I .

5.5 Typologische Einordnung des niederländischen Alterssicherungssystems Mit den Ausführungen in diesem Kapitel ist das niederländische Alterssicherungssystem in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung weitgehend beschrieben. In diesem Abschnitt sollen die wichtigsten Elemente des gesamten Alterssicherungssystems nach einem Typologieschema zusarnmengefaßt werden. Die Betrachtung bezieht sich vornehmlich auf das AOW und die Zusatzrentensysteme, die weiteren im vorigen Abschnitt behandelten Regelungen bleiben hier außer Betracht. Unter einer Typologie versteht man einen Katalog von Kriterien oder Merkmalen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Systemen kennzeichnen402 . Typologien dienen der Strukturierung des Forschungsgegenstandes, hier insbesondere der Kennzeichnung von Grundkonzeptionen von Alterssicherung. Sie vermitteln damit einen Orientierungsrahmen für die Untersuchung realer Alterssicherungssysteme403 . Für einen internationalen Vergleich, zu der diese Arbeit beiträgt, ist eine Typologie daher von besonderem Wert. Typologien haben in der ökonomischen Analyse von Alterssicherungssystemen nur einen geringen Stellenwert. Typenbildungen beschränken sich meist auf eine Gegenüberstellung von kapitalgedeckten und umlagefinanzierten Sy-

400 Vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (I 993b), S. 10. Der Rest stammt aus Zinserträgen und sonstigen Einnahmen. 401 Vgl. dazu Tabelle A-3.1 im Anhang. 402 Vgl. Böhm (1992), S. 1. 403 Vgl. Holzmann (1990), S 142.

214

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

sternen, von Versicherungs- Wld Versorgoogssystemen oder von Bismarck- Wld Beveridge-Ländern404 . Eine Typisierung, die an den Sicherungszielen ansetzt, bietet Zacher aus rechtsvergleichender Sicht405 . Zur Systematisierung der verschiedenen Formen von Alterssicherung verwendet Zacher im wesentlichen folgende Kategorien: 3 Grundtypen des Sozialrechts: Vorsorgesysteme, EntschädigWlgssysteme Wld situations bezogene Systeme, 2 Sicherungsmodelle: einen universalistischen Wld einen selektionistischen Ansatz Wld 3 Sicherungsebenen: Grund-, Regel- Wld Aufbausicherung 406. Läßt man die EntschädigWlgssysteme beiseite, so ist hinsichtlich der Grundtypen des Sozialrechts zwischen Vorsorgesystemen Wld situationsbezogenen Systemen zu Wlterscheiden. Vorsorgesysteme knüpfen die LeistWlgen an sozialen Risiken, setzen VorleistWlgen (Beiträge, Zeiten der Systemzugehörigkeit) voraus, sind vorrangig leistWlgs- Wld besitzstandsgerecht Wld orientieren sich damit am Ziel der Lebensstandsicherung. Sie sind auf Gruppen von gleichartigen Vorsorgefähigen oder -bedürftigen ausgerichtet Wld daher tendenziell kategorial oder selektionistisch. Die Finanzierung erfolgt zum überwiegenden Teil aus Beiträgen. Vorsorgesysteme sind in erster Linie als Sozialversicherung organisiert. Einen gegensätzlichen Typus verkörpern situationsbezogene Systeme. Diese bilden apriori kein geschlossenes Modell wie die Vorsorgesysteme. Gemeinsam ist ihnen, daß sie einen universalistischen Ansatz verfolgen, bedarfsorientiert sind Wld in der Regel steuerfinanziert werden. Zacher Wlterscheidet hinsichtlich der situationsbezogenen Systeme weiter nach 3 Ausprägoogen: Einwohnersicherungssysteme: In ihnen werden die LeistWlgen auch ohne VorleistWlgen gewährt (wobei aber Mindestzeiten der Systemzugehörigkeit vorausgesetzt werden). Die LeistWlgen bemessen sich nach der Bedarfsgerechtigkeit Wld werden ausschließlich über Steuern finanziert. Volksversicherungen 407 : Sie stellen eine Misch- oder Übergangsform dar, die das Konzept der Vorsorge mit dem universalistischen Ansatz verknüpfen. Entscheidend fiir die Nähe zum Einwohnersicherungssystem oder zum Vorsorgesystem sind das Ausmaß an Individualisierung bei der Verknüpfung zwischen Vorsorgeaufwand Wld LeistWlg einerseits Wld der Grad der

404 Vgl. Böhm (\992), S. I - 12. 405 Vgl. Zacher (1991), insbesondere S. 73 - 113. 406 Vgl. Zacher (1991), S. 73 - 108 und Abschnitt 5.1.2. 407 Hierbei handelt es sich um Typen. Sie sind deshalb nicht mit den realen Volksversicherungen in den Niederlanden zu verwechseln.

5.5 Typologische Einordnung

215

organisatorischen und finanztechnischen Eigenständigkeit des Systems andererseits. - Hilfssysteme, die entweder als allgemeine Hilfssysteme als unterstes Auffangnetz das Existenzminimum absichern oder als besondere Hilfssysteme auf besondere Bedarfslagen, z. B. Pflegebedürftigkeit, ausgerichtet sind. Hinsichtlich der personellen Deckung der Systeme differenziert Zacher zwischen einem universalistischen, also alle Einwohner umfassenden, und einem selektionistischen, d. h. gruppenbezogener Ansatz. Dabei geht es Zacher um die Abbildung der Polarität der Ansätze, nicht um eine Ausschließlichkeit, da beide Ansätze sich in der Regel zu einem Gesamtsystem ergänzen408 . Die drei Sicherungsebenen Grund-, Regel- und Aufbausicherung wurden bereits in Abschnitt 5.1.2 behandelt. Anband der Zacherschen Typologisierung soll nunmehr das niederländische Alterssicherungssystem charakterisiert werden. Dazu sind die wesentlichen Systemmerkmale in Übersicht 5.2 zusammengestellt. Das niederländische System läßt sich demnach als Vertreter eines vom Grundansatz her universalistischen Sicherungsmodells .charakterisieren. Den Schwerpunkt der Alterssicherung bildet das Kernsystem des staatlichen AOW mit seinem alle Einwohner umfassenden Deckungsgrad. Die Leistungen des AOW sind bedarfsbezogen und im Prinzip nicht an eine durch Beiträge zu erbringende Vorleistung geknüpft. Sie orientieren sich am gesetzlich festgelegten sozialen Minimum. Allerdings ist das AOW grundsätzlich als Versicherung organisiert. Dies drückt sich besonders darin aus, daß das System aus zweckgebundenen Beiträgen finanziert wird, die einem speziellen Alterssicherungsfonds, dem Allgemeinen Altersfonds, als zweckgebundene Mittel zufließen. Auf der Leistungsseite zeigen sich Versicherungsleiernente beispielsweise in der Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung bei Auslandsaufenthalten, was reinen Einwohnersicherungssystemen, wie z. B. dem dänischen, völlig fremd ist4 09 . Durch die weitgehende Integration der Bemessungsgrundlage in die Einkommensteuer ist das Versicherungselement jedoch weiter zurückgedrängt worden. Der Abstand zu Vorsorgesystemen nimmt offenbar zu.

408 VgI.Zacher(1991),S.97. 409 Vgl. dazu Pöhler (1993), S. 21 - 25.

216

5. Institutionelle Ausgestaltung der Alterssicherung

Übersicht 5.2

Übersicht über die wichtigsten Strukturmerkmale der niederländischen Alterssicherung Strukturkriterium

Ausprägung AOW

Zusatzrentensysteme

Sicherungsebene

Grundsicherung

Regelsicherung

Träger

staatlich

tarifvertraglich, betrieblich

Deckungsgrad

universell: alle Einwohner

kategorial: - Arbeitnehmer (branchen-, unternehmensbezogen), - Beamte, - Selbständige

Anspruchserwerb

wohnsitzbasiert (pro-ratatemporis)

- einkommens- und beitragsbasiert - abhängig von Systemzugehörigkeit

Eigenständigkeit des Anspruchs

nur eigenständiger Anspruch

- eigenständiger Anspruch (Altersrenten) - abgeleitete Ansprüche (Hinterbliebene)

Leistungsniveau

mindestsicherungsorientiert (einkommensabhängiger Zuschlag für jüngeren Partner)

lebensstandardorientiert

Anpassung

Bestandsrenten gesetzlich nettolohnindexiert, faktisch eher diskretionär

Ansprüche und Bestandsrenten in der Regel lohn- oder preisniveauindexiert; ruhende Ansprüche oft nicht indexiert

Übertragbarkeit der Anwartschaften und Leistungen

Anwartschaften und Leistungen ins Ausland in der Regel voll übertragbar

- Leistungen ins Ausland übertragbar - Anwartschaften nur in bestimmten Fällen im Inland übertragbar

Finanzierung

- einkommensabhängige Beiträge der Versicherten

- einkommensabhängige Beiträge (Arbeitnehmer und Arbeitgeber)

- Umlageverfahren

Einkommensteuerliehe Behandlung

Quelle: Eigene Darstellung.

- Beiträge nicht abzugsfähig - Leistungen voll besteuert

- Kapitaldeckungsverfahren - Beiträge aus nicht versteuertem Einkommen - Leistungen voll besteuert

5.5 Typologische Einordnung

217

Eine weitere Besonderheit des niederländischen Systems besteht darin, daß die Regelsichenmg nicht im Wege einer Sozialversichenmg, sondern im wesentlichen kollektivrechtlich durch die Tarifparteien organisiert ist. Zu einem großen Teil sind die Systeme aber obligatorisch. Die Regelsichenmg ist selektionistisch auf Arbeitnehmer, Beamte und Selbständige ausgerichtet, wobei sich in der Vergangenheit größere Deckungslücken zeigten, die aber mehr und mehr geschlossen werden. Hierbei handelt es sich im Sinne der Zacherschen Typologie um Vorsorgesysteme mit einkommensbezogenen, an der Erwerbsbiographie anknüpfenden Leistungen, die für die Altersrenten eine Beitragszahlung zwingend voraussetzen. Dies gilt auch für die Zusatzversichenmg der Beamten. Im Unterschied zum AOW kennen die Zusatzrentensysteme auch abgeleitete Ansprüche für Hinterbliebene. Die Leistungen sind dabei auf die Sichenmg eines Lebensstandards ausgerichtet, der in der Regel am letzten Gehalt festgemacht wird. Die Autbausichenmg erfolgt weitgehend durch private Vorsorge.

6. Steuerliche Behandlung von Beitragsleistungen und Alterstransfereinkommen Schon bei der DarstellWlg des Kemsystems klang an, wie eng die FinanziefWlg der VolksversichefWlgen im allgemeinen Wld des AOW im besonderen mit der EinkommensbesteuefWlg verknüpft ist. Dies gilt v. a. seit dem Inkrafttreten der Dort-Reformen im Jahre 1990. Die Beschäftigoog mit einkommensteuerlichen Wld sonstigen abgabenrechtlichen Aspekten ist zudem Wlerläßlich, um einen Eindruck über die SichefWlgsergebnisse der AlterssichefWlg zu gewinnen, die sich zutreffend nur anhand der verfügbaren Einkommen ermessen lassen; darauf wird in Kapitel 7 ausführlich eingegangen. Steuerliche Fragen sind aber nicht nur aus· verteilWlgspolitischer Sicht von BedeutWlg. Einkommensteuer Wld Sozialabgaben stellen zudem wichtige Determinanten für das Spar- Wld Erwerbsverhalten dar Wld können daher als SteuefWlgsinstrumente auch im Bereich der AlterssichefWlg eingesetzt werden. Aus all den genannten Gründen ist es daher angebracht, die BesteuefWlg von BeitragsleistWlgen Wld Alterstransfereinkommen an dieser Stelle in systematischer Weise zu behandeln. Zu dem Zweck soll ZWlächst die niederländische Einkommensteuer in ihren GfWldzügen skizziert werden.

6.1 Grundzüge der niederländischen Einkommensteuer Die Einkommensteuer ist die mit Abstand bedeutendste Steuer im niederländischen Steuersystem. 1992 machte ihr Aufkommen mit 65,4 Mrd. f etwa 44 % der gesamten Steuereinnahmen des Reiches aus. Die Einkommensteuer urnfaßt die veranlagte Einkommensteuer Wld die jeweils im Wege des Quellenabzugs erhobenen Lohnsteuer Wld Dividendensteuer l . Unter diesen ist die Lohnsteuer die aufkommensstärkste; auf sie entfällt fast 90 % des gesamten Einkommensteueraufkommens (1992: 57,1 Mrd. f).

6.1.1 Steuerpflicht Der Steuerpflicht Wlterliegen alle Einwohner der Niederlande, Wld zwar im Prinzip mit ihrem gesamten, weltweiten Einkommen. Begrenzt steuerpflichtig sind solche Nichteinwohner, die Einkommen aus bestimmten, im Einkom1 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991). S. 34.

6.1 Grundzüge der niederländischen Einkommensteuer

219

mensteuergesetz festgelegten niederländischen Quellen beziehen; die Steuerpflicht beschränkt sich dann auf eben jene Einkommensteile2 . Jeder Steuerpflichtige ist mit seinem Einkommen eigenständig steuerpflichtig. Dies gilt grundsätzlich auch fiir Ehepaare oder gleichgestellte Lebensgemeinschaften. Eine entscheidende Abweichung von diesem Prinzip der Individualbesteuerung besteht aber darin, daß nicht ausgenutzte Teile des Grundfreibetrags unter (Ehe-)Partnern übertragen werden können, so daß bei (Ehe-)Paaren immer der doppelte Grundfreibetrag wirksam wird. Durch die Übertragungsmöglichkeit soll der geminderten Leistungsfähigkeit von Einverdienerehepaaren im Vergleich zu Alleinstehenden mit gleichem Einkommen Rechnung getragen werden 3 . Das Leistungsfähigkeitsprinzip drückt sich ferner im höheren Grundfreibetrag fiir Alleinerziehende, der Abzugsfähigkeit von Einkommenserzielungskosten und der steuerliche Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen, wie z. B. hohen Aufwendungen bei Krankheit, aus. 6.1.2 Einkommensbegriff, Bemessungsgrundlage und Tarif Der dem niederländischen Einkommensteuergesetz zugrundeliegende Einkommensbegriff ist überwiegend geprägt von der Quellentheorie Fuistings 4 , wonach nur dann von nutzensteigerndem Einkommen die Rede sein kann, wenn es aus regelmäßig fließenden Quellen stammt. Allerdings hat dieses Prinzip im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Durchbrechungen im Sinne der Schanzschen Reinvermögenszugangstheorie erfahren5 . Maßgeblich fiir die gegenwärtig geltende Einkommensbesteuerung sind folgende drei Einkommensquellen: 1. Gewinneinkommen aus Unternehmen (winst uit onderneming), 2. Reineinkünfte (zuivere inkomsten), a) aus Arbeit b) aus Vermögen oder c) in Form von bestimmten regelmäßigen Leistungen sowie

2 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 77. 3 Verfechter einer weitergehenden Individualisierung sehen darin jedoch eine unzulässige Begünstigung von Einverdienerehepaaren und fordern eine Abschaffung dieser Regelung. Vgl. dazu van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 25. 4 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S 79. 5 Dies gilt im besonderen Maße für die Einkünfte aus Unternehmen; vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 80.

220

6. Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Alterstransfers

3. Gewinneinkonunen aus beträchtlichem Interesse an einer Gesellschaft (winsI uit aanmerkelijk belang)6. Aus diesen ergibt sich die einkonunensteuerliche Bemessungsgrundlage wie in Übersicht 6.1 dargestellt 7:

Übersicht 6.1 Der Aufbau der niederländischen Einkommensteuer

A. Gewinn aus Unternehmen (einschließlich freier Berufe) B. Reineinkünfte 1.

aus Arbeit

2.

aus Vermögen

3.

in Form von bestinunten regelmäßigen Leistungen und Zuwendungen

C. Gewinn aus beträchtlichem Interesse an einer Gesellschaft Bruttoeinkommen = A+B+C davon können abgezogen werden D. Zuführungen zu Altersrückstellungen für Selbständige

E.

Selbständigenfreibetrag

F. Freibetrag für mithelfende Familienangehörige G. Persönliche Verpflichtungen H. Außergewöhnliche Belastungen

I. Abzugsfahige Zuwendungen J. Zinsfreibetrag K. Dividendenfreibetrag

Einkommen

=

(A+B+C)-(D+E+F+G+H+I+J+K)

L. zu verrechende Verluste aus Vorjahren Steuerliches Einkommen

=

(A+B+C)-(D+E+F+G+H+I+J+K)-L

M. Grundfreibetrag

Steuerbare Summe

=

(A+B+C)-(D+E+F+G+H+l+J+K)-L-M

Quelle: van Schielvan Smedenlde Kam (1991), S. 84 - 85.

6 Vgl. van Schielvan Smedenlde Kam (1991), S. 146. Die Regelung dient dazu, Veräußerungsgewinne aus Unternehmensbeteiligungen bei Großanteilshaltern, die Einfluß auf die Ausschüttungs- und Rückstellungspolitik nehmen können, steuerlich zu erfassen, damit steuerfreie Kursgewinne infolge einer zurückhaltenden Ausschüttungspolitk vermieden werden. 7 Verwiesen sei ferner auf das Rechenbeispiel in Tabelle 7.2 (Kapitel 7).

6.1

Grundzüge der niederländischen Einkommensteuer

221

Zu den Gewinneinkommen aus Unternehmen (A) gehört der auf Jahreszeiträume verteilte GesamtgewiIU1 aus dem Betrieb eines Unternehmens oder aus der Ausübung eines freien Berufes unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Abzugsposten8. Die dritte Kategorie, Gewinne aus beträchtlichem Interesse an einer Gesellschaft (e), erfaßt den GewiIU1 aus der Veräußerung oder anderweitigen Übertragung von ganz bestimmten Gesellschaftsanteilen. Dieser wird mit einem pauschalen Steuersatz von 20 % belastet9. Zu den Reineinkünjien (B) zählen alle Bruttoeinkünfte vermindert um die zugehörigen Erzielungskosten, sofern sie einer bestimmten Quelle zugerechnet werden köIU1en und nicht schon unter den vorher genaIU1ten Einkünften einzuordnen sind. Es sind dies Einkünfte aus Arbeit (v. a. Lohn, aber auch Sozialversicherungsrenten, Zusatzrenten oder Vorruhestandsgelder), Einkünfte aus Vermögen (z. B. Mieteinkünfte, Dividenden, Lebensversicherungsleistungen) und schließlich gewisse regelmäßige Leistungen aus in der Regel öffentlichen Quellen (etwa Sozialhilfeleistungen) I o. Aus der Summe dieser Einkünfte ergibt sich durch Berücksichtigung weiterer Abzugsposten, die nicht einer speziellen Einkommensquelle zugerechnet werden köIU1en (D - K), sowie möglichen Verlustabzügen aus Vorjahren (L) das steuerliche Einkommen (belastbaar inkomen). Zu den Abzugsposten gehören etwa ein Zins- und Dividendenfreibetrag oder außergewöhnliche Belastungen, z. B. besonders hohe außergewöhnliche Krankheitskosten, im Rahmen der sogenaIU1ten persönlichen Abzugsposten 11 . Für Selbständige zwischen 18 und 65 Jahren besteht hierbei die Möglichkeit, im laufenden Jahr gebildete Altersrückstellungen steuerlich abzuset2len (sogenaIU1te oudedagsreserve) (D). Die Höhe der anerkeIU1ungsfahigen Rückstellungen bemißt sich nach dem JahresgewiIU1: bis zu einem GewiIU1 von 65.194 f köIU1en 11,5 % angerechnet werden, darüber hinaus nur noch 10 %, höchstens aber 18.508 f(1992)12. Auflösungen solcher Rückstellungen erhöhen dagegen das Bruttoeinkommen und sind daIU1 voll zu versteuern 13. Es handelt sich hierbei also um eine Steuerstundung.

8 Vgl. zu Einzelheiten van Schie/van Smeden/de Kam (1991), S. 89· 123. 9 Vgl. hierzu de Kam (1988),77·78 und van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 144· 146. 10 Vgl. zu diesem Komplex van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 123· 143. 11 Vgl. zu den Abzugsposten im einzelnen van Schie!van Smedenlde Kam (1991), S. 147· 153. 12 Vgl. Dietvorst/de Lange/Smittenaar (1993), S. 38. 13 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 152.

222

6. Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Alterstransfers

Als Einkommenserziehmgskosten können bei Lohnabhängigen pauschal 5 % des Jahreslohnes für arbeitsbedingte Ausgaben, mindestens 215 f, höchstens jedoch 1.518 f ohne weitere Begründung geltend gemacht werden l4 . Das steuerliche Einkommen unterliegt jedoch nur insoweit der Besteuerung, als es über den schon genarmten Grundfreibetrag (basisaftrek) (M) hinausreicht, der entsprechend dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine Belastung des für die Befriedigung des lebensnotwendigen Bedarfs erforderlichen Einkommens ausschließen soll I 5. Wie bereits erwähnt, betrug der Grundfreibetrag 1992 für jeden Steuerpflichtigen 5.225 f pro Jahr; Alleinerziehende können höhere Beträge geltend machen I 6. Auf die steuerbare Summe wird darm der Einkommensteuertarif angewendet. Bezogen auf das steuerliche Einkommen hat der Tarifverlauf gegenwärtig das folgende Aussehen: Der niederländische Einkommensteuertarif 1992

Grenzsteuersatz

Grenzbelastung mit Einkommensteuer lmd Volksversicherungsbeiträgen im Falle von Einverdienerehepaaren (gestrichelt: reine Einkommensteuer auf erster Tarifstufe)

in%

100 , - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

80

60

I

38,55 %

40

50 %

I

60 %

20

o

L--L________

~~

o

50

__________- J____________

100

~

____________

150

steuerliches Emkommen in 1.000 fpro Jahr

~

200

Quelle: Eigene Darstellung. Abbildung 6.1

14 Vgl. OECD(1993b), S. 187. 15 Vgl. vanSchielvanSmedenideKam (1991), S. 76. 16 Alleinerziehende können 9.405 f, bei Erwerbstätigkeit sogar bis zu 13.585 f pro Jahr beanspruchen (Werte f\ir 1992); vgl. OECD (I 993b ), S 186.

6.2 Steuerliche Behandlung von AOW~Beiträgen und -Leistungen

223

Der Einkommensteuertarif ist durch das Inkrafttreten der Oort-Reformen zu einem drei stufigen Tarif vereinfacht worden I 7. Innerhalb des Bereichs einer Stufe ist der Grenzsteuersatz konstant; die zugehörigen Steuersätze können aus Abbildung 6.1 ersehen werden. Insgesamt ergibt sich aus der Stufenform und durch Einbeziehung des Grundfreibetrages ein progressiver Verlauf Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erläutert, ist zudem die Beitragsbemessung für die Volksversicherungen in den Tarif eingearbeitet. Ebenso wie der Grundfreibetrag werden auch die Einkommensgrenzen jedes Jahr mit der Preissteigerungsrate angepaßt l8 . Schätzungen zufolge verfügen etwa 80 % aller Steuerzahler über ein Einkommen, das über den Bereich der ersten Tarifstufe nicht hinausreicht l9 .

6.2 Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Leistungen nach dem AOW 6.2.1 Steuerliche Behandlung der Beiträge Bis zur Reform von 1990 minderten die AOW-Beiträge wie auch alle übrigen Volksversicherungsbeiträge als persönliche Verpflichtungen im Rahmen der persönlichen Abzüge in vollem Umfang die Bemessungsgrundlage20 , während auf der anderen Seite AOW-Renten als Einkommen aus Arbeit ebenfalls in voller Höhe besteuert wurden21 . Dieses hat sich entscheidend geändert. Infolge der Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen von Einkommensteuer und Volksversicherungsbeiträgen ist die Steuerbefreiung der Beitragsleistungen abgeschafft worden; AOW-Beiträge sind seitdem nicht mehr abzugsfähig22 . Die auf diese Weise erreichte Ausweitung der Bemessungsgrundlage hat in hohem Maße zur Finanzierung der Tarifsenkung beigetragen23 . Die Umstellung der Beitragsentrichtung führte auch zur Einführung des Kompensationszuschlags (overhevelingstoeslag). Während bis 1990 die Beiträge zur Krankenversicherung nach dem A WBZ und zur Invaliditätsversicherung AA W vom Arbeitgeber für den versicherten Arbeitnehmer zu zahlen 17 Der bis dahin geltende Tarif bestand aus 9 Stufen, wobei die Grenzsteuersätze zwischen 16 % und 72 % lagen; vgl. de Kam (1988), S. 79. Die Tarifabsenkung durch die Oort-Refonnen war begleitet von erheblichen Einschränkungen bei den Abzugsmöglichkeiten, so daß dem neuen Tarif eine breitere Bemessungsgrundlage zugrundeliegt; vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 157. 18 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 26. 19 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 98. Vgl. daneben auch de Kam (1988), S 193. 20 Vgl. Ouweneel (1985), S. 1256. 21 Vgl. Ouweneel (1985), S. 1260. 22 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 149. 23 Vgl. Vording (1989), S. 70 I.

224

6. Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Alterstransfers

waren, ist die Zahlung dieser Beiträge im Zuge der Uniformierung der Bemessungsgrundlagen nunmehr auf den Arbeitnehmer übertragen worden, der dadurch in denselben Stand wie ein Selbständiger versetzt wird. Zur Kompensation hat der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer jedoch einen Lohnzuschlag zu zahlen. Der Kompensationszuschlag betrug 1992 11,5 % einer vom Bruttolohn ausgehenden spezifischen Berechnungsgrundlage24 , die bis zu einem Höchstbetrag von 71.500 fpro Jahr reicht25 . Damit soll gewährleistet werden, daß durch die Beitragsumstellung weder für den Arbeitnehmer noch für den Arbeitgeber die Nettoeinkommensposition verändert wird. Dies trifft ökonomisch aber nur dann zu, wenn man von jeglichen Überwälzungsmöglichkeiten bei der Beitragszahlung absieht 26 . 6.2.2 Steuerliche Behandlung der Leistungen Auf der Leistungsseite ist die bisherige Regelung beibehalten worden, wonach AOW-Leistungen - mit Ausnahme der Abschlußzahlung - ebenso wie alle anderen monetären Sozial versicherungs- und auch Sozialhilfeleistungen in vollem Umfang besteuert werden. Die AOW-Leistungen werden dabei nicht zu den bestimmten regelmäßigen Leistungen gerechnet, wie dies der Systematik zufolge notwendig wäre, sondern gemäß Art. 11 der Durchfiihrungsverordnung zur Lohnsteuer als Lohn betrachtet27 . Demzufolge wird die Einkommensteuer im Quellenabzugsverfahren von der Sozialversicherungsbank einbehalten28 . Personen, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, sind allerdings von der Belastung mit Volksversicherungsbeiträgen mit Ausnahme der AWBZ-Beiträge befreit. Die Folge ist, daß sich die Grenzbelastung im Bereich der ersten Tarifstufe deutlich verringert: bei einem AWBZ-Beitragssatz von 7,30 % auf

24 Die Berechnungsgrundlage bildet der um die Beiträge zu Zusatzrentensystemen und zu Arbeitnehmerversicherungen für Krankengeld ZW, Arbeitslosigkeit WW und Invalidität WAO um den steuerlichen Pauschalabzug für arbeitsbedingte Ausgaben verminderte sowie um Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung nach dem ZFW erhöhte Bruttolohn; vgl. etwa Schielvan Smedenlde Kam (\ 991), S. 156. 25 VgI.OECD(1993),S.187.

den und den van

26 Vgl. de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 98 und van Schie/van Smedenlde Kam (\991), S. 161. De Kam kritisiert an dieser Regelung denn auch, daß es aus ökonomischer Sicht völlig gleichgültig ist, ob der Arbeitgeber einen Lohn zahlt, von dem er zwei der Volksversicherungsbeiträge (AOW und AWW) als Quellenabzug mit der Lohnsteuer abführt und die übrigen direkt entrichtet, oder ob er einen höheren Bruttolohn zahlt, von welchem sämtliche Volksversicherungsbeiträge im Quellenabzugsverfahren zu entrichten sind; vgl. de Kam (1988), S. 192. Dies gilt allerdings nur unter der Annahme der vollständigen Überwälzbarkeit der Beiträge. 27 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 141. 28 Vgl. Sociale Verzekeringsbank(\991c), S 8.

225

6.2 Steuerliche Behandlung von AOW-Beiträgen und -Leistungen

die steuerbare Swnme beträgt die Belastung für Personen im Rentenalter 1992 nur 20,3 % anstelle von 38,55 % für alle anderen29 . Tabelle 6.1

Tarifstufen und Steuersätze der niederländischen Einkommensteuer (Stand 1992) steuerbarer Betraga) (in f)

Summe der Volksversicherungsbeitragssätze

Steuersatz

Insgesamt

25,55 %

13%

38,55 %

bis 65 Jahre erste Stufe zweite Stufe dritte Stufe

0-42.966 über 42.966 - 85.930 über 85.930

-

50%

50,00 %

60%

60,00%

über 65 Jahre erste Stufe zweite Stufe dritte Stufe

7,30 %

13%

20,30 %

über 42.966 - 85.930

0-42.966

-

50%

50,00%

über 85.930

-

60%

60,00%

Anmerkung: a)Der steuerbare Betrag (belaslbaar sam) errechnet sich durch Minderung des steuerbaren Einkommens um den Grundfreibetrag. Quelle: OECD (I 993b), S. 188.

Bezieht man darüber hinaus die Arbeitnehmerversicherungen in die Betrachtung mit ein, so ist festzuhalten, daß lediglich eine Beitragspflicht nach dem Krankenkassengesetz ZFW bestehen kann, falls der Rentner pflichtversichert ist30 . Der ZFW-Beitragssatz für einen versicherten Rentner beträgt 1992 0,75 % der AOW-Rente plus 6,35 % auf weiteres Einkommen aus Arbeit oder einer Zusatzrente31 . Hinzu kommt ein jährlicher Nominalbeitrag von 170 f pro Person. ZFW-Beiträge sind steuerlich nicht absetzbar32 . Neben den schon erwähnten Abzugsposten, wie den persönlichen Verpflichtungen, den außergewöhnlichen Belastungen oder dem Zins- und Dividenden29 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 157. 30 Bis 1986 konnte sich jeder mit dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze im ZFW gegen einen geringen Beitrag freiwillig versichern, sofern sein Jahreseinkommen nicht mehr als 24.095 f betrug. Mit Abschaffung dieser Regelung wurden alle freiwillig Versicherten zu Pflichtversicherten erklärt und Altersrentner nur noch dann aufgenommen, wenn sie zuvor pflichtversichert waren; vgl. Pielers (1991). S. 367 und die Ausführungen in Abschnitt 5.4. 1.1. 31 Vgl. a. V (1991), S. 2224. 32 Vgl. Varding (1989), S. 700 und van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 167. 15 Pöhler

226

6. Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Alterstransfers

freibetrag und dem Freibetrag für Altersrückstellungen für Selbständige, existieren keine weiteren speziellen Altersfreibeträge. Nach Untersuchungen der Oort-Kommission gehörten die Rentner vor der Reform denn auch zu jenen Gruppen, die im geringsten Maße von steuerlichen Abzugsmöglichkeiten profitierten33; durch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage dürfte sich dieses Bild inzwischen zu Lasten anderer Gruppen, etwa der Arbeitnehmer, gewandelt haben. 6.2.3 Steuersystematische Aspekte Die nunmehr geltende Regelung, sowohl die AOW-Beiträge als auch die Leistungen steuerlich zu belasten, stellt aus steuersystematischer Sicht einen Verstoß gegen das Korrespondenzprinzip dar, wonach unter intertemporaler Perspektive das Lebenseinkommen nur genau einmal der Besteuerung zu unterwerfen ist, entweder in der Phase des Anspruchserwerbs oder in der Phase des Leistungsbezugs. Je nachdem, ob die Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet werden und die Renten dafür steuerfrei bleiben oder die Beiträge abzugsfähig sind und dafür die Renten der Einkommensteuer unterliegen, unterscheidet man zwischen dem vorgelagerten und dem nachgelagerten Verfahren34 . Demgegenüber hat die Oort-Kommission die Auffassung vertreten, den Versicherungsgedanken bei der steuerlichen Behandlung der Volksversicherungen nicht mehr heranzuziehen. Dahinter steht die Vorstellung, daß die Volksversicherungsbeiträge aufgrund der nur noch schwach ausgeprägten Beziehung zwischen Beiträgen und Leistungsansprüchen viel eher den Charakter zweckgebundener Steuern besitzen als den echter Versicherungsbeiträge 35 . Eine Besteuerung der AOW-Beiträge wie auch der AOWRenten wäre dann aus steuersystematischer Sicht nicht zu beanstanden. Vom Standpunkt des Versicherungsgedankens, der von der Oort-Kommission als Grundlage der Volksversicherungen nicht völlig abgelehnt wird, liegt dagegen eine Doppelbelastung des Einkommens vor36 . Inwieweit im Falle des AOW tatsächlich noch von Versicherungsbeiträgen gesprochen werden kann, ist nur schwer zu beantworten. Die beibehaltene obere Beitragsbemessungsgrenze und die Zweckbindung der Mittel sind wichtige Kermzeichen von Sozialversicherungsbeiträgen. Andererseits ist ein konsti33 Vgl. de Kam (1988), S. 82. 34 Vgl. dazu etwa Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (1986), S. 9 - 10. 35 Vgl. Vording (1989), S. 701 und S. 699. Vgl. hinsichtlich der Diskussion um den Versicherungscharakter der Volksversicherungen auch de Zeeuw (1986), S. 418 - 419. 36 Vgl. etwa Vording(l989), S 701.

6.3 Steuerliche Behandlung bei Zusatzrentensystemen

227

tutives Element einer Sozialversicherung, wonach die Gewährung einer Leistung an eine vorherige Beitragszahlung gebunden ist, im AOW nicht gegeben. AOW-Renten können in voller Höhe auch dann bezogen werden, wenn zuvor keinerlei Beiträge gezahlt worden sind. Von einer vorwiegend intertemporalen Einkommensumschichtung durch Sozialversicherungsbeiträge läßt sich im AOW daher kaum sprechen. Auf eine solche zielt jedoch das Korrespondenzprinzip ab.

6.3 Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Leistungen bei Zusatzrentensystemen Im Hinblick auf die Beiträge und Leistungen von Zusatzrentensystemen wird im Gegensatz zum AOW das nachgelagerte Korrespondenzprinzip verfolgt. Das bedeutet, daß Beiträge unbesteuert bleiben, während auf der anderen Seite Leistungen aus Zusatzrentenregelungen der Einkommensbesteuerung unterliegen. Dabei bestehen zwischen Zusatzpensionssystemen des privaten Sektors und dem ABP für Beamte keine Unterschiede.

Sowohl die Beiträge der Arbeitnehmer als auch die der Arbeitgeber sind im Prinzip steuerfrei. Dies setzt aber voraus, daß das Zusatzrentensystem bestimmte Standards erfüllt, die im niederländischen Lohnsteuergesetz festgelegt sind. Eine Zusatzrentenregelung muß demnach das Ziel haben, Arbeitnehmern und ehemaligen Arbeitnehmern bei Invalidität und Alter und - im Falle ihres Todes - deren Ehepartnern und Kindern eine Versorgung zu bieten, und Leistungen gewähren, die wenigstens zum Teil in Verbindung mit Dienstoder Beschäftigungsjahren und mit dem empfangenen Gehalt nach allgemeiner gesellschaftlicher Auffassung als angemessen anzusehen sind37 . Dieser Standard wird in den niederländischen Zusatzrentensystemen im allgemeinen erfüllt. Allerdings kann es Bereiche geben, die die Steuerbehörden zu einer abweichenden Haltung veranlassen, wie ein niedrigeres Rentenalter, höhere Rentensätze v. a. bei den Witwenrenten oder der Umfang der anrechenbaren Gehaltsbestandteile. In den Fällen, in denen Zweifel bestehen, ob eine Zusatzrentenregelung dem allgemeinen Standard tatsächlich entspricht, hat jedoch der Finanzminister die Möglichkeit, einer solchen Versorgungsordnung dennoch die Anerkennung zu erteilen. Die oben genannte Definition erlaubt es ferner, auch Vorruhestandsregelungen nach dem VUT per ministerieller Verfügung steuerlich mit den Zusatzren-

37 Art. 11, Abs. 3 LB (Lohnsteuergesetz); vgl. Dietvorstlde Lange/Smittenaar (1993), S. 58.

228

6. Steuerliche Behandlung von Beiträgen und Alterstransfers

tensystemen gleichzustellen38 . Auch bei jenen gilt also das nachgelagerte Verfahren des Korrespondenzprinzips.

6.3.1 Steuerliche Behandlung von Beiträgen Liegt ein steuerlich anerkanntes Zusatzrentensystem vor, so sind für Arbeitnehmer die Beiträge vor Abzug der Steuern in voller Höhe vom Bruttolohn abzugsfahig. Das hat weiterhin zur Folge, daß diese nicht in die Bemessungsgrundlagen für Volksversicherungs- und für Arbeitnehmerversicherungsbeiträge eingehen. Gleichzeitig mindern sie die Bemessungsgrundlage für den Kompensationszuschlag39 . Auch die Arbeitgeberbeiträge zum Zusatzrentenplan werden nicht als Einkommen des Arbeitnehmers betrachtet und sind daher ebenfalls von der Einkommensteuer des Arbeitnehmers ausgenommen. Der Arbeitgeber wiederum kann seine Beiträge an den Zusatzrententräger von seinem jährlichen Gewinn in voller Höhe abziehen40 ; diese mindern einkommensteuerlich den Gewinn aus Unternehmen. Gleiches gilt für Pensionsrückstellungen in den Fällen, in denen die Zusatzversorgung nicht unter das PSW fällt. Aufwendungen zur Finanzierung gestiegener Anwartschaften im Rahmen des sogenannten backservice können ebenfalls gewinnmindernd angesetzt werden41 . Demgegenüber ist jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, zukünftige Gehaltserhöhungen (coming-backservice) für die steuerliche Rechnungslegung vorwegzunehmen42 . Bei den steuerlich nicht anerkannten Zusatzrentensystemen sind zwar die Arbeitgeberbeiträge abzugsfahig, diese werden aber beim Arbeitnehmer als Teil des Einkommens erfaßt. Arbeitnehmerbeiträge werden unter der Voraussetzung, daß der Versorgungsplan die Zahlung einer Rente vorsieht, abzugsfahig wie Beiträge zu privaten Lebensversicherungen im Rahmen der persönlichen Verpflichtungen und zwar bis zu einer Höchstgrenze von 17.459 f pro Jahf43. Beiträge zu Kapitalversicherungen sind hingegen grundSätzlich nicht abzugsfahig.

38 Vgl. Nieuwenhuizen (1991), S. 75 - 76. 39 Vgl. van Schie/van Smeden/de Kam (1991), S. 156 und Nieuwenhuizen (1991), S. 61. 40 Vgl. van Schie/van Smeden/de Kam (1991), S. 113 und Dietvorst/de Lange/Smittenaar (1993), S. 77. 41 Vgl. dazu im einzelnen Dietvorstide LangelSmittenaar (1993), S. 78. 42 Vgl. dazu näher Dietvorstide LangelSmittenaar (1993), S 80 - 82. 43 Für 1991; vgl. van Schielvan Smeden/de Kam (1991), S. 149.

6.3 Steuerliche Behandlung bei Zusatzrentensystemen

229

6.3.2 Steuerliche Behandlung von Leistungen Einkünfte aus Zusatzrentensystemen zählen zu den Einkünften aus Arbeit im Rahmen der Reineinkünfte und gehen in vollem Umfang in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ein44 . Damit entfallen auf Zusatzrenten sowohl Einkommensteuer als auch die für Rentner geltenden Krankenversicherungsbeiträge zu den Versicherungen A WBZ und ZFW.

6.3.3 Steuerprivilegien von Zusatzrentenfonds und Versicherungsgesellschaften Erwähnt sei noch, daß Zusatzrentenfonds und Versicherungsgesellschaften steuerlich begünstigt sind: sie sind nicht mehrwertsteuerpflichtig, zudem unterliegen ihre Erträge nicht der Körperschaftssteuer. Ein Gesetzentwurf, der eine Besteuerung der Erträge von Rentenfonds vorsah, wurde zu Beginn des Jahres 1994 im Parlament abgelehnt45 . Durch diese Regelungen erfährt der Zusatzrentensektor eine beträchtliche steuerliche Förderung. Schätzungen zufolge übernimmt der Staat rund die Hälfte der Kosten, die dem Arbeitgeber durch eine Zusatzrentenregelung entstehen46 .

44 Vgl. van Schie/van Smedenlde Kam (1991). S. 127.

45 Vgl. Luljens (1994), S. 37. 46 Vgl. Devreese (1989), S. 53.

7. Analyse der Sicherungsergebnisse auf der Grundlage von Modellfällen 7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen 7.1.1 GrundfragesteIlungen und Indikatoren Nach der Darstelhmg der institutionellen GfWldlagen soll nunmehr in einer quantitativen Betrachtung untersucht werden, welche SichefWlgsergebnisse das System hervorbringt und welche Einflußgrößen dafür maßgeblich sind. Es geht darum zu ergründen, in welchem Maße das AlterssichefWlgssystem den generellen verteilungspolitischen Zielsetzungen einer Verstetigung von individuellen Lebenseinkommensverläufen und der Vermeidung von Armut gerecht wird und außerdem den besonderen Lebensumständen von Frauen Rechnung trägt. Diese Fragestellung läßt sich mit Hilfe einer rein leistungsseitigen Betrachtung untersuchen; finanziefWlgsseitige Aspekte können an dieser Stelle ausgeklammert bleiben. Sofern sie Einfluß auf die individuelle Leistungshöhe nehmen, sind sie in den getroffenen Annahmen enthalten. Explizite Berücksichtigung findet die FinanziefWlgsseite in der späteren Umverteilungsanalyse l . Im Einzelfall hängt die SichefWlg im Alter zum einen von individuellen Faktoren ab, die die zugrundeliegende Erwerbsbiographie oder auch den konkreten Haushaltszusammenhang reflektieren. Es stellt sich hierbei die Frage, ob und inwieweit Faktoren wie etwa die Erwerbsdauer, deren Lage innerhalb des Erwerbszeitraums, die erzielte Einkommensposition und die Verteilung des Lebenseinkommens während der Erwerbsphase für das SichefWlgsergebnis von Bedeutung sind. Interessant ist weiterhin, in welcher Weise unterschiedliche Bedarfslagen aufgrund des Haushaltszusammenhangs oder der familiären Situation im Rentensystem Berücksichtigung finden. Zu dem Zweck werden nachfolgend die SichefWlgsergebnisse für unterschiedliche Haushaltstypen - Ledige, Ehepaare und Hinterbliebene - untersucht. Es werden dabei verschiedene erwerbsbiographische Konstellationen behandelt, um daraus den Einfluß von noch näher zu spezifizierenden individuellen Faktoren abzuleiten.

Des weiteren ist die makro ökonomische Entwicklung zu beachten. Je nach Ausgestaltung des Systems kann das SichefWlgsergebnis des einzelnen hiervon 1 Vgl. Kapitel 8.

7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen

231

mehr oder weniger stark abhängen. Deshalb wird im folgenden auch der Einfluß der Preisniveauentwicklung und des gesamtwirtschaftlichen Lohnwachstums untersucht. 7.1.1.1 Der Indikator relatives Rentenniveau

Die Analyse beruht auf konstruierten Modellhaushalten, die sich hinsichtlich der Haushaltsgröße, der familiären Situation und der individuellen Erwerbsbiographie unterscheiden. Als Indikator fiir die einkommensmäßige Absicherung im Rentenalter wird das relative Rentenniveau verwendet. Dieser Indikator drückt fiir vergleichbare Haushaltstypen das jährliche Renteneinkommen eines Bezugsjahres im Verhältnis zu einem jährlichen Erwerbseinkommen im selben Jahr aus. Dabei können sowohl Bruttogrößen betrachtet werden als auch Nettogrößen, die sich aus der Berücksichtigung von Einkommensteuer und Sozialabgaben ergeben. Der Indikator relatives Rentenniveau bietet den Vorteil, daß sich die Einkommensgrößen auf ein und dasselbe Jahr beziehen, und damit auch von dem in jenem Jahr geltenden Sozial- und Abgabenrecht ausgegangen werden kann. Dadurch werden Verzerrungen vermieden, die nur aufgrund einer geänderten Rechtslage bei unterschiedlichen Bezugsjahren auftreten können2 . So gibt das relative Rentenniveau an, in welchem Maße das Rentensystem eine einkommensmäßige Kompensation dafiir bietet, daß der Haushalt sich fiir den Ruhestand entschieden hat, anstatt in dem betreffenden Jahr weiterhin seine Erwerbstätigkeit aufrechtzuerhalten. Bezugsjahr ist in allen Fällen das Jahr 1992. Bei den behandelten Einkommensgrößen handelt es sich durchgängig um Jahreseinkommen. Untersuchungseinheit ist grundsätzlich der Haushalt; fiir einen Vergleich zwischen Haushalten unterschiedlicher Personenzahl wird jedoch mit Hilfe von Äquivalenzgewichten3 eine Bereinigung der Haushaltsstrukturen vorgenommen. Die Messung von Sicherungsniveaus mit Hilfe des Indikators relatives Rentenniveau macht den Bezug zum Ziel der Einkommensverstetigung evident. Aus der Nettobetrachtung läßt sich das Ausmaß der Absicherung durch das Zusammenwirken von Renten- und Abgabensystem ersehen; die Bruttobetrachtung 2 Häufig werden bei ähnlichen Fragestellungen, insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Einkommensstetigkeit, sogenannte Einkommensersatzraten verwendet, die das Renteneinkommen zum zuletzt bezogenen Erwerbseinkommen in Beziehung setzen. Vgl. etwa Eurostat (l99Ia), S. I oder auch Casmir (1989), S. 82 - 83, der zwar den Begriff "Rentenniveau" verwendet, aber ausdrücklich darauf hinweist, mit unterschiedlichen Regelungsständen zu arbeiten; vgl. ders. (1989), S. 143 - 144. Doch auch für die Betrachtung des Ziels der Einkommensverstetigung bietet der von uns gewählte Indikator zumindest eine hinreichend genaue Annäherung. 3 Vgl. dazu Abschnitt 7.2.2.1.

232

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

hingegen erlaubt einen unverzerrten Blick auf die Funktionsweise der Leistungsgewähnmg im Rentensystem. 7.1.1.2 Zur Festlegung einer Armutsgrenze

Die Betrachtung der Absicherungsniveaus allein reicht natürlich nicht aus, um beurteilen zu können, ob das Alterssicherungssystem auch dem Ziel der Armutsvermeidung im Alter gerecht wird. Dazu ist es erforderlich, im Sinne einer Ressourcendefinition von Armut4 eine am Einkommen anknüpfende Armutsgrenze festzulegen, unterhalb derer Personen als arm zu klassifizieren wären. Wie an anderer Stelle bereits angemerkt 5, impliziert dies eine stark werturteilsbehaftete Entscheidung, die durch die Einbindung der Untersuchung in einen internationalen Vergleich zusätzlich erschwert wird. Da die nachfolgenden Modellfälle auf der Grundlage einer international vergleichbaren Größe, dem Einkommen eines durchschnittlichen Industriearbeiters6, gebildet wurden, erscheint es angebracht, auch fiir die Bestimmung der Armutsgrenze eine vergleichbare Bezugsgröße zu wählen. Eine solche könnte z. B. das aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelte verfügbare Einkommen der privaten Haushalte sein. Dieses Aggregat ist jedoch nicht fiir alle in den Vergleich einbezogenen EU-Länder vorhanden 7. Statt dessen wird daher hilfsweise auf eine verwendungsseitige volkswirtschaftliche Größe abgestellt - den privaten Verbrauch. Dieser umfaßt neben den Käufen der privaten Haushalte auch den Eigenverbrauch privater Organisationen ohne Erwerbscharakter (Kirchen, Gewerkschaften, Parteien usw.) und auch unterstellte Transaktionen, etwa den Eigenverbrauch der Unternehmer, Deputate und die Nutzung von Wohnungen durch Eigentümer. Nicht enthalten sind dagegen Käufe von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen8. Vorbehaltlich dieser Einschränkungen eignet sich der private Verbrauch grundsätzlich genauso gut als Bezugsgröße fiir die Bildung einer Armutsgrenze wie eine Einkommensgröße. Auf die Problematik bei der Bestimmung eines das sozio-ökonomische Existenzminimum repräsentierenden Anteils der gewählten Bezugsgröße wurde ebenfalls bereits an anderer Stelle eingegangen9. Für die folgenden Modellrechnungen wird ein Wert von 50 % des privaten Verbrauchs pro Äquivalenzeinheit gewählt. Die Verwendung von Äquivalenzeinheiten anstelle etwa einer 4 Vgl. dazu Abschnitt 2.3.2. 5 Vgl. dazu Abschnitt 2.1. 6 Vgl. dazu näher Abschnitt 7.1.2. 7 So z. B. nicht für Dänemark; vgl. OECD (1992a), S. 170 - 187. 8 Vgl. dazu Stobbe (1984), S. 377. 9 Vgl. Abschnitt 2.3.2.

7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen

233

Pro-Kopf-Betrachtung trägt der Tatsache Rechnung, daß die Haushaltsstrukturen in den einzelnen EU-Ländern durchaus unterschiedlich sind lO und somit auch Einsparungen gemeinsamer Haushaltsfiihnmg in unterschiedlichem Ausmaß anfallen. Der private Verbrauch pro Äquivalenzeinheit stellt somit ein Wohlfahrtsmaß darlI. Rechnerisch ergibt sich die Größe durch Division des privaten Verbrauchs durch die Summe der Äquivalenzgewichte l2 . Gemäß der von uns verwendeten OECD-Skala, die auch in der Armutsuntersuchung von Eurostat zur Anwendung kam 13, werden der ersten erwachsenen Person im Haushalt das Gewicht 1, jeder weiteren erwachsenen Person ein Gewicht von 0,7 und jeder Person unter 14 Jahren im Haushalt eines von 0,5 beigemessen l4 . Im Jahre 1992 betrug der private Verbrauch in den Niederlanden 339.520 Mio. firn Jahr. Daraus ergibt sich ein privater Verbrauch pro Kopf von 22.485 f und ein privater Verbrauch pro Äquivalenzeinheit von 28.623 f pro Jahr. Damit liegt die 50 %-Armutsgrenze bei einem jährlichen Betrag von 14.312 ffür eine alleinstehende Person 15 und von 24.330 f, dem 1,7fachen des Alleinstehendenbetrages, im Falle eines aus zwei Erwachsenen bestehenden Haushaltes 16.

10 In der Bundesrepublik leben im Durchschnitt 2,26 Personen in einem Haushalt, in Spanien dagegen 3,4 Personen (Zahlen von 1990); vgl. dazu Eurostat (1991 b), S. 71. 11 Das Verhältnis von privatem Verbrauch pro Äquivalenzeinheit und privatem Verbrauch pro Kopf gibt an, um wieviel höher das Nutzenniveau, das die Bevölkerung aus der Verbrauchssumme zieht, dadurch ausfällt, daß sie nicht nur aus Haushalten mit einer (erwachsenen) Person besteht. 12 Die zur Berechnung der Summe der Äquivalenzgewichte notwendigen Daten über die Bevölkerungszahl, die Zahl der Haushalte und die Anzahl der Personen unter 15 Jahren wurden entnommen aus OECD (I 993a), S. 36 und Eurostat (199Ib), S. 71. 13 Vgl. Eurostat (1990). Dabei gilt es zu beachten, daß die Wahl der Äquivalenzskala entscheidenden Einfluß auf die späteren Ergebnisse hat. Dies gilt insbeondere für empirische Verteilungsstudien; vgl. etwa Atkinson (1990), S. 18 - 20. 14 Vgl. OECD (1982), S. 36. Mittlerweile verwendet die OECD eine "modifizierte Äquivalenzskala", in der die Ersparnisse gemeinsamer Haushaltsführung höher angesetzt werden. Nach dieser Skala erhält die zweite erwachsene Person ein Gewicht von 0,5 und jedes Kind unter 14 Jahren eines von 0,3; vgl. etwa Tsakloglou (1993), S. 3 oder Ramprakash (1994), S. 119. Vgl. dazu auch die Sensitivitätsrechnungen aufgrund der modifizierten Skala im empirischen Teil der Arbeit (Abschnitte 9.6.1 und 9.8.2). 15 Daten nach OECD (I 993a), S. 11 und 36 und Eurostat (1991 b), S. 71. 16 Zu den zugrundeliegenden Daten vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 19, 38 und 377. Zum Vergleich: Die soziale Mindestnorm in den Niederlanden, ausgehend vom Nettomindestlohn eines verheirateten Arbeitnehmers über 23 Jahren, lag im Jahre 1992 für eine alleinstehende Person bei 15.262,44 f und für ein Ehepaar bei 21.803,40 f. Vgl. o. V. (1991), S. 2241.

234

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

7.1.1.3 Zur Evaluierung der sozialen Sicherung von Frauen

Für die Überprüfimg des Ziels "soziale Sicherung von Frauen" kann unmittelbar an die vorangehenden Ausführungen angeschlossen werden. Unter diesem Blickwinkel wird zu prüfen sein, in welchem Maße in jenen Modellfällen, die der besonderen Lebenslage von Frauen Rechnung tragen, eine Einkommensstetigkeit erreicht wird und ob das Alterssicherungssystem hier ein Absinken in Armut vermeidet. Hierbei geht es insbesondere um Fälle einer diskontinuierlichen oder zumindest verkürzten Erwerbskarriere, einer geringen Entlohnung und um Auswirkungen unterschiedlicher Arten der Aufteilung des Einkommenserwerbs innerhalb des (ehelichen) Unterhaltsverbandes und mögliche abgeleitete Ansprüche im Hinterbliebenenfall. Der Fragestellung zur sozialen Sicherung von Frauen wird mit Hilfe von spezifischen Modellfällen nachgegangen; diese werden im Hinblick auf die Erreichung der oben genannten Ziele geprüft. Dafür genügen die bereits behandelten Indikatoren "relatives Rentenniveau" und die zugrundezulegende Armutsgrenze.

7.1.2 Annahmen 7.1.2.1 Grund annahmen

Die nachfolgenden Rechnungen gründen auf einer Reihe von grundlegenden Annahmen, die nicht zuletzt im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit mit anderen Ländern getroffen wurden. Die wichtigsten sollen hier kurz genannt werden. Der von uns gewählte Indikator relatives Rentenniveau setzt für bestimmte Haushaltstypen das Renteneinkommen eines Jahres zu einem bestimmten Lohneinkommen desselben Jahres in Beziehung. Die Rentenberechnung erfolgt auf der Grundlage des korrespondierenden Verdienstes. Von weiteren möglichen Einkommensarten, etwa Kapitalerträgen u. ä. wird hier abgesehen. Für die Nettobetrachtung sind zudem die in beiden Fällen anfallenden Abgaben zu berücksichtigen. Insgesamt soll dabei ein möglichst umfassendes Einkommensspektrum abgebildet werden. Als Bezugsgröße für die zu untersuchenden Einkommensbereiche dient das Bruttoeinkommen des von der OECD ermittelten durchschnittlichen Industriearbeiters, dem sogenannten "average production worker" (APW). Unter einem APW versteht man einen erwachsenen Vollzeitarbeiter im verarbeitenden Gewerbe, dessen Verdienst gleich dem Durchschnittsverdienst aller vollzeitbeschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter in diesem Sektor ist l7 . Davon ausgehend wird ein Einkommensbereich von Null bis zum Dreifachen des APW-Einkom17 Vgl.zurDefinitionOECD(1992b),S. 10.

7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen

235

mens betrachtet, wobei dieser in jeweils 1/4 APW-Einkommen umfassende Abschnitte eingeteilt ist. Während also mit dem Bruttolohn die Nennergröße des relativen Rentenniveaus bestimmt ist, wird im Zähler lediglich Renteneinkommen erfaßt, andere mögliche Einkünfte aus privaten oder öffentlichen Quellen sind nicht Gegenstand der Berechnungen. Zum Renteneinkommen zählen zunächst die Leistungen, die aus dem Kernsystem der Alterssicherung bezogen werden können. Dessen Funktionsweise steht im Mittelpunkt der Analyse. Aufgrund der großen Bedeutung der Zusatzrentensysteme in den Niederlanden erscheint eine ausschließliche Betrachtung des staatlichen Kernsystems aber problematisch. Daher werden die Modellrechnungen um einige Fälle ergänzt, in denen Zusatzrenten miteinzubezogen werden 18. Die Höhe der Altersrente bemißt sich nach dem im ReJerenzjahr 1992 geltenden Regelungsstand. Soweit Zeiten der Systemzugehörigkeit hierfür eine Rolle spielen, wird als Ausgangspunkt von einer vollen Wohnzeit und einer kontinuierlichen 40jährigen Erwerbsdauer ausgegangen, in deren Verlauf der Betreffende dauerhaft dem betrachteten Rentensystem angehört hat. Ist das Einkommen von Bedeutung, so wird im Prinzip unterstellt, der Betreffende habe in jedem Jahr die gleiche relative Einkommensposition innerhalb des betrachteten Einkommensspektrums innegehabt, d. h. stets den gleichen APW -Einkommensanteil verdient wie im Referenzjahr 1992. Außerdem wird grundsätzlich ein voll ausgereiftes System angenommen, Übergangsregelungen bleiben damit außer Betracht. Ebenso wie für die Berechnung der Renten wird beim Abgabenrecht der Regelungsstand des Jahres 1992 zugrunde gelegt. Berücksichtigt werden hierbei sämtliche standardmäßigen Abgaben flr Arbeitnehmer und Rentner, also im wesentlichen Einkommensteuer und Sozialabgaben I 9. Teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beitragszahlung für einzelne Sozialabgaben, so ist in diesen Fällen den Arbeitnehmern nur der von ihnen zu zahlende Teil zugeordnet; von möglichen Überwälzungsvorgängen wird mithin abstrahiert20 . Die Berechnung der Renten kann die Berücksichtigung von zurückliegenden (Beitrags-)Jahren erforderlich machen. Aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit wird in den Fällen nicht auf die tatsächliche Lohn- respektive Preisniveauentwicklung des jeweiligen Landes abgestellt. Vielmehr wird eine Entwicklung anband alternativer WachstumspJade modelliert, die eine über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg konstante Lohn- bzw. Preisniveauent18 Vgl. dazu Abschnitt 7.2.4. 19 Zu näheren Einzelheiten vgl. Abschnitt 7.1.3.2. 20 In der Finanzwissenschaft spricht man dabei von der Inzidenz der Zahlungsverpflichtung; vgl. Zimmermann/Henke (1994), S. 228.

236

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

wicklWlg aufweisen. Dieses Vorgehen erlaubt es, den Einfluß der gesamtwirtschaftlichen EntwicklWlg auf das Sicherungsergebnis zu analysieren. Abgebildet werden ein Stagnationsszenario (0 % Nominallohnwachstum, 0 % Inflation) im sogenannten Minimalpfad, ein gemäßigtes Wachstum (6 % Nominallohnwachstum, 4 % Inflation) im sogenannten Standardpfad Wld eine überhitzte EntwicklWlg (13 % Nominallohnwachstum, 10 % Inflation) im Maximalpfad. Ferner wird in FortschreibWlg der zwückliegenden EntwicklWlg im letzten Jahrzehnt ein nationaler Wachstumspfad behandelt, der in den Niederlanden durch eine jahresdurchschnittliche Preisniveausteigerung von 2,7 % Wld ein jahresdurchschnittliches Nominallohnwachstum von etwa 3 % charakterisiert ist21 . Ergänzend wird außerdem eine prospektive BetrachtWlg durchgeführt, mit der die WirkWlgen des RentenanpassWlgsverfahrens auf die Einkommensposition von Rentnern Wlter alternativen wirtschaftlichen Konstellationen Wltersucht werden soll. Ist nichts gesondert über die wirschaftliche EntwicklWlg erwähnt, liegt grundsätzlich der Standardpfad zugrunde. Eine bedeutsame VereinfachWlg bildet die Annahme der institutionellen Strukturkonstanz. Danach wird in allen in die BerechnWlg einfließenden Jahren Wlterstellt, es herrsche die institutionelle Struktur aufgrund des RegelWlgsstandes von 1992. Darooter ist zu verstehen, daß sämtliche relativen Größen, etwa der Beitragssatz, falls nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, Wlverändert bleiben, während absolute Größen, z. B. BeitragsbemessWlgsgrenzen, gemäß der im Jahre 1992 geltenden Anpassungsvorschrift fort- oder zurückgeschrieben werden22 . Aus den genannten Grundprämissen ergeben sich für die Niederlande die folgenden landesspezifischen Annahmen über die verwendeten Lohn- Wld Renteneinkommensgrößen Wld die zugehörigen Abgaben. 7.1.2.2 Landesspezifische Annahmen

7.1.2.2.1 Bruttorenteneinkommen Die Grundlage der ModellfallbetrachtWlg bildet das staatliche Kernsystem der Alterssicherung. Für die Niederlande bedeutet dies, daß als Renteneinkommen lediglich die LeistWlgen nach dem AOW eingehen, die zudem auch das Hinterbliebenenrisiko im Alter abdecken. Die für die EinbeziehWlg der Zusatzrentensysteme notwendigen ergänzenden Annahmen werden an späterer Stelle behandelt23 . 21 Vgl. Abschnitt 3.1.1.2.2. 22 Damit wird implizit von demographischen Veränderungen abgesehen. 23 Vgl. dazu Abschnitt 7.2.4.

237

7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, daß die Rentenempfänger über den vollen AOW -Rentenanspruch verfügen, d. h. im Prinzip zwischen ihrem 15. und 65. Lebensjahr in den Niederlanden ansässig gewesen sind. Der Einfluß einer verkürzten Versicherungszeit wird nur in Abschnitt 7.2.1.2 untersucht. Bei (Ehe-)Paaren soll ferner angenommen werden, daß beide Partner zum gleichen Zeitpunkt in den Ruhestand treten. Auf diese Weise erübrigen sich weitere Überlegungen hinsichtlich des einkommensgeprüften Zuschlags bei einem jüngeren Partner. Damit liegen den Berechnungen die folgenden jährlichen AOW -Rentenleistungen zugrunde: Tabelle 7.J Den Modellrechnungen zugrunde liegende jährliche AOW-Rentenbeträge ftir 1992

Leistungskategorien

Basisbetrag Urlaubsgeld brutto in 1992 brutto in 1992

zusammen

Ledige Person bzw. hinterbliebene Person

16850,28 f

987,46 f

17837,74 f

Verheiratete Person

11682,24 f

705,32 f

12387,56 f

Anmerkung: Die Werte errechnen sich aus den zum 1.1.92 und 1. 7. 92 geltenden AOW-Beträgen und dem Jahresbetrag des Urlaubsgeldes. der sich aus den zum 1.1. 91. zum 1.7.91 und zum 1.1.92 geltenden monatlichen Beträgen zusammensetzt Quellen: Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1991). S. 86, Voorlichtingscentrum Sociale Verzekering (1992). S. 89. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1991 d); S. 2. dass. (1992c). S. 3 und dass. (I 992e). S. 3.

7.1.2.2.2 Bruttoverdienst

Als Bezugsgröße für die untersuchten Einkommensbereiche dient, wie oben ausgeführt, das Bruttoeinkommen des durchschnittlichen Industriearbeiters APW. Für die Niederlande liegt das APW-Einkommen 1992 - unter Einschluß des vom Arbeitgeber zu zahlenden Kompensationszuschlages (overhevelingstoeslag)24 - bei 52.977 firn Jahr25 . In der Industrie, in der in den Niederlanden rund 25 % der Beschäftigten tätig sind, ist die Vergütung im Durchschnitt höher 24 Vgl. OECD (\ 993b), S. 191. 25 Vgl. OECD (I 993b), S. 86.

238

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

als in anderen Wirtschaftssektoren26 , der Maßstab setzt demnach tendenziell hoch an. Dies ist aber unproblematisch, da das APW-Einkommen lediglich als Ausgangsgröße zur Bildung der Einkommensbereiche dient. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der durchschnittliche Verdienst über alle Sektoren der Gesamtwirtschaft etwas unterhalb der Marke von I APW, bei etwa 90 % des APW -Einkommens liegt. Der Kompensationszuschlag beträgt 1992 11,5 % einer vom Bruttolohn ausgehenden spezifischen Berechnungsgrundlage27 , die bis zu einem Höchstbetrag von 71.500 f heranzuziehen ist28 . Ohne Kompensationszuschlag beläuft sich das Bruttoeinkommen des APW im selben Jahr auf 47.837 f. In den Modellrechnungen wird im folgenden grundsätzlich auf das Bruttoeinkommen einschließlich des Kompensationszuschlags abgestellt. Aus rechentechnischen Gründen ist jedoch die Bildung der APW -Einkommensvielfachen nur auf der Grundlage der Einkommen ohne Kompensationszuschlag möglich. Das hat zur Folge, daß in den hohen Einkommensbereichen aufgrund von Höchstbeträgen beim Kompensationszuschlag selbst und bei den zur Berechnung heranzuziehenden Größen die Bruttoverdienste mit Kompensationszuschlag nicht proportional zu den angegebenen APW-Einkommensvielfachen sind. Der gesetzliche Mindestlohn ohne Kompensationszuschlag, aber einschließlich Urlaubsgeld liegt für verheiratete Arbeitnehmer 1992 bei 27.647,52 f im Jahr29 ; dies entspricht 58 % des APW-Einkommens. Alle unter 0,58 APW-Einkommen liegenden Abschnitte haben damit für Vollzeitarbeitnehmer keine Bedeutung, lassen sich aber für Teilzeitkräfte interpretieren.

26 Der durchschnittliche Stundenlohn in der Industrie liegt 1992 bei 27,12 f, im Dienstleistungsbereich dagegen zwischen 24,91 f (kommerzielle Dienste) und 27,07 f (nichtkommerziellen Dienste). Bereinigt um die Unterschiede in der Arbeitszeit verändert sich das Bild: pro Stelle liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen in der Industrie bei 48.400 f (ohne Kompensationszuschlag) gegenüber 42.700 f im kommerziellen und 37.100 f im nichtkommerziellen Dienstieistungssektor. Vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 111. 27 Die Berechnungsgrundlage bildet der um die Beiträge zu den Arbeitnehmerversicherungen für Krankengeld ZW, Arbeitslosigkeit WW und Invalidität WAO und um den steuerlichen Pauschal abzug für arbeitsbedingte Ausgaben verminderte sowie um den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung nach dem ZFW erhöhte Bruttolohn; vgl. van Schie/van Smeden/de Kam (1991), S 156. 28 Vgl. OECD (1993), S. 187. 29 Daten nach o. V (1991), S 2241. Einschließlich Kompensationszuschlag liegt der Mindestlohn bei 30.726 f

7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen

239

7.1.2.2.3 Abgaben auf den Bruttoverdienst Einkommensteuer Für die Berechnung der Nettoeinkommen sind der Bruttoverdienst bzw. das Bruttorenteneinkommen wn die standardmäßigen einkommensbezogenen Abgaben zu kürzen. Hierzu gehören zwn einen die Einkommensteuer und zwn anderen die Sozialbeiträge zu den Arbeitnehmer- und den Volksversicherungen30. Einkommen aus Erwerbsarbeit zählt im Einkommensteuerrecht zu den sogenannten Reineinkünften, die unter Berücksichtigung der zugehörigen Erzielungskosten in das steuerbare Einkommen (belastbaar inkomen) eingehen (vgl. Tabelle 7.2). Da weitere Einkommensquellen bei den Modellhaushalten annahmegemäß nicht auftreten, bildet der bereinigte Bruttoverdienst die Grundlage des steuerbaren Einkommens. Nach Abzug des Grundfreibetrages ergibt sich aus dem steuerbaren Einkommen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage, die sogenannte steuerbare Summe (belastbare som), auf die dann der dreistufige Tarif mit den Steuersätzen von 13 %, 50 % und 60 % angewendet wird. Der bereinigte Bruttoverdienst errechnet sich aus dem wn die Beiträge zu den Arbeitnehmerversicherungen für Krankengeld ZW, Arbeitslosigkeit WW und Invalidität WAO und wn den steuerlichen Pauschalabzug für arbeitsbedingte Ausgaben (sogenannter 5 %-Abzug) verminderten sowie wn den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung nach dem ZFW31 erhöhten Bruttolohn einschließlich des Kompensationszuschlags. Als Abzug für arbeitsbedingte Ausgaben können pauschal 5 % des Jahreslohnes, mindestens 215 f, höchstens jedoch 1.518 f ohne weitere Begründung geltend gemacht werden 32 . Die Ermittlung der sonstigen Abgaben wird im folgenden Unterabschnitt behandelt. Nach unseren Annahmen entspricht der bereinigte Bruttoverdienst dem steuerb aren Einkommen (belastbaar inkomen)33. Dieses ist wn den Grundfreibetrag (basisaftrek) zu mindern, der im Jahre 1992 im allgemeinen 5.225 f pro Person ausmachte34 . Zwischen zusammenlebenden Partnern bzw. zwischen Ehepart30 Zu den Grundzügen der niederländischen Einkommensteuer vgl. Kapitel 6. 31 Das bedeutet, daß der gesamte ZFW-Beitrag, d. h. einschließlich des Arbeitgeberanteils, vom Arbeitnehmer zu versteuern ist. 32 Vgl. OECD(l993b), S. 187. 33 Nicht in Betracht kommen etwa Abzüge für außergewöhnliche Belastungen, wie besondere Ausgaben bei Krankheit oder für Studienkosten usw., oder für persönliche Verpflichtungen, zu denen bis 1990 noch die Volksversicherungsbeiträge gehörten. Vgl. im einzelnen dazu van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 147 - 153. 34 Höhere Beträge kommen etwa für Alleinerziehende zur Anwendung, die aber in unseren Modellrechnungen nicht betrachtet werden; vgl. OECD (1993b), S. 186.

240

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

nern kann der Grundfreibetrag voll übertragen werden, wenn einer der Partner ein Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages bezieht und daher nicht in den vollen Genuß desselben kommen kann 35 . Für unsere Rechnungen bedeutet dies, daß in den Ehepaarfallen immer der doppelte Grundfreibetrag zur Anwendung kommt. Bei einem Ledigen mit 1 APW-Einkommen ergibt sich aus dem Bruttoverdienst die Steuerbemessungsgrundlage wie folgt: Tabelle 7.2 Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage am Beispiel eines Ledigen mit 1 APW-Einkommen

Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage (belastbare sam) Bruttoverdienst ohne Kompensationszuschlag

Beträge in f (pro Jahr) 47.837

Reineinkiinfte (zuivere inkamsten) aus Arbeit (Bruttoverdienst - Beiträge zu ZW, WW und WAO) - 5 %-Abzug + ZFW-Beitrag des Arbeitgebers + Kompensationszuschlag

43.808 - 1.518 + 2.402 + 5.140

Steuerbares Einkommen (belastbaar inkamen)

'49.831

- Grundfreibetrag (basisaftrek)

- 5.225

Steuerbare Summe (belastbare sam)

44.606

Anmerkung: Gerundete Werte. Quelle: Eigene Berechnungen.

Sazia/versicherungsbeiträge Als Sozialabgaben werden die Beiträge zu den Valksversicherungen für Alter (AOW), Hinterbliebene (A WW), Invalidität (AA W) und bei schweren und lang andauernden Krankheiten (A WBZ) einbezogen. Seit 1990 stellen die Volksversicherungsbeiträge einen Aufschlag auf die erste Tarifstufe der Einkommensteuer dar36 . Arbeitgeberanteile existieren für die Volksversicherungen nicht. 35 Vgl. dazu van Schie/van Smedenlde Kam (1991), S. 157. 36 Vgl. dazu Abschnitt 5.2.5.2.

241

7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen

Die für 1992 geltenden Beitragssätze sind noch einmal in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt: Tabelle 7.3 Die Beitragssätze zu den Volksversicherungen 1992

Volksversicherungen

AOW (Alter)

Beitragssatz auf die erste Tarifstufe der Einkommensteuer 14,35 %

A WW (Hinterbliebene)

1,15 %

AA W (Invalidität)

2,75 %

A WBZ (besondere Krankheitskosten)

7,30%

Insgesamt (einsch!. 13 % Einkommensteuer)

38,55 %

Quellen: OECD(1993b), S. 189 und o. V (1991), S. 2223.

Zusammen mit der Einkommensteuer entfällt damit auf den ersten Tarifabschnitt ein Abgabensatz von 38,55 %. Seit 1992 ist außerdem für die Versicherung nach dem A WBZ ein zusätzlicher Nominalbeitrag zu entrichten, der vom jeweiligen Versicherer selbst bestimmt werden kann. Für 1992 kann dabei im Durchschnitt von einem Jahresbeitrag von 125 fpro Versichertem ausgegangen werden37 . Ehepaare zahlen daher zusammen 250 f. Als weitere Abgabenkategorie sind die Beiträge zu den Arbeitnehmerversicherungen zu berücksichtigen. Bemessungsgrundlage ist hierbei im Gegensatz zu den Volksversicherungen nicht die steuerbare Summe, sondern der Bruttolohn ohne Kompensationszuschlag 38 . Für die Krankengeldversicherung ZW, die Arbeitslosenversicherung WW, die Invaliditätsversicherung WAO sowie die Krankenversicherung nach dem ZFW gelten im Bezugsjahr 1992 die nachfolgenden Beitragssätze, wobei aufgrund der von uns getroffenen Annahme von der Inzidenz der Zahlungsverpflichtung lediglich die auf den Arbeitnehmer entfallenden Beitragsteile relevant sind.

37 Vgl. o. V (1991), S. 2236. 38 Vgl. etwa van Schie/van Smedenlde Kam (I 99\), S. 161. 16 Pöh1er

242

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Tabelle 7.4 Die Beitragssätze zu den Arbeitnehmerversicherungen 1992

Arbeitnehmerversicherungen

Beitragssatz auf den Bruttolohn ohne Kompensationszuschlag Arbeitgeber

Arbeitnehmer

ZW (Krankengeld)a)

5,38 %

1,20%

ZFW (Krankenversicherung)b)

5,15 %

1,20%

WW (Arbeitslosigkeit)c)

1,20 %

1,20%

-

12,50 %

WAO (Invalidität)d)

Anmerkungen: a)Die genannten Werte bilden den Jahresdurchschnitt aus den durchschnittlichen branchenweiten Beitragssätzen zum I. Januar und I. Juli des Jahres. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 73.602 f. b)Pflichtversichert nur bis zu einem Jahreslohn von 54.400 f. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 46.636 f. Zusätzlich hat der versicherte Arbeitnehmer einen Nominalbeitrag von 170 f zu entrichten, für einen mitversicherten Ehepartner zusammen 340 f. c)Für einen Teilbereich der Arbeitslosenversicherung (wachtgeldverzekering) ergeben sich die Sätze aus den durchschnittlichen branchenweiten Beitragssätzen. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 73.602 f. d)Der Beitragssatz bildet den Jahresdurchschnitt der Beitragssätze zum I. Januar (12 %) und zum I. Juli (13 %). Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 73.602 f; außerdem gilt für die WAO-Beiträge ein spezieller Freibetrag (premievrije voet) von 25.676 f (98 f pro Tag). Quellen: Zusammenstellung nach OECD (1993b), S. 189, Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid(1992a), S. I, dass. (I 992c), S. I, o. V (1991), S 2225.

Zu beachten ist zum einen, daß bis auf die Krankenversicherung nach dem ZFW die Beitragsbemessungsgrenzen deutlich höher liegen als bei den Volksversicherungen, wenngleich die den Volksversicherungen zugrundeliegende steuerbare Summe aufgrund der Abzüge mit einem etwas höheren Bruttolohn korrespondiert. Zum anderen sei an dieser Stelle auf den speziellen Freibetrag bei den WAO-Beiträgen hingewiesen, der bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu einer indirekten Progression für diesen einen Beitrag führt. Dieser Freibetrag reflektiert den Einbau der AAW-Leistung in die WAO-Leistung39. Pflichtversichert nach dem ZFW sind nur Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 54.400 f. Arbeitnehmer mit einem darüber liegenden Ein39 Vgl. etwa de KamiSterks/Veldkamp (1989), S. 94.

7.1 Zielsetzungen und methodische Vorbemerkungen

243

kommen sind auf eine private Krankenversicherung verwiesen. Die dafiir zu zahlenden Beiträge werden in den Modellrechnungen nicht erfaßt, da annahmegemäß nur gesetzliche Abgaben in Betracht gezogen werden. Das Ergebnis in den oberen Einkommensbereichen wird dadurch jedoch kawn beeinflußt. Berücksichtigt werden dagegen die von privat Krankenversicherten zu zahlenden gesetzlichen Beiträge nach dem Gesetz über die Mitfinanzierung der überrepräsentierten älteren gesetzlich Krankenversicherten MOOZ (Wet medefinancierung oververtegenwoordiging oudere ziekenfondsenverzekerden)40 und nach der Umlageregelung WTZ (Omslagregeling WTZ)41. Für Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren belaufen sich die jährlichen Beträge auf 40,80 f(MOOZ) und 414 f(Umlageregelung WTZ) im Jahre 1992.

7.1.2.2.4 Abgaben auf das Bruttorenteneinkommen Auf das AOW-Renteneinkommen entfallen neben der Einkommensteuer nur noch Abgaben fiir die Krankenversicherung, d. h. Beiträge zur Volksversicherung A WBZ und gegebenenfalls zur Arbeitnehmerversicherung ZFW. Alle anderen oben genannten Sozialabgaben kommen fiir AOW-Rentner nicht mehr in Betracht.

Einkommensteuer AOW-Renten unterliegen wie Lohneinkünfte in vollem Umfang der Einkommensbesteuerung. Im Unterschied zwn Lohneinkommen kommt hierbei lediglich der Grundfreibetrag als Abzugsposten zur Anwendung, so daß die wn diesen Betrag geminderte AOW-Rente einschließlich Urlaubsgeld bei unseren Modellrentnem die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage bildet. In den Fällen, in denen neben der AOW-Rente kein weiteres Einkommen bezogen wird, fallen die Modellrentner in den Bereich der ersten, mit 13 % belasteten Steuerstufe. Kommt eine Zusatzrente hinzu, kann dieser Bereich überschritten werden.

40 Der Beitrag nach dem MOOZ ist eingeführt worden, um die im Zusammenhang mit der Systemreform des Gesundheitswesens auftretende vorübergehende Überbelastung der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem ZFW durch ältere Versicherte durch privat Versicherte mitzufinanzieren. Vgl. dazu o. V. (1991), S. 2236. 41 Dieser Beitrag dient zur Deckung von Defiziten aus dem Gesetz über den Zugang zur Krankenkostenversicherung (Wet op de toegang tot ziektekostenverzekering WTZ). Vgl. dazu o. V. (1991), S. 2236. 16"

244

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Krankenversicherungsbeiträge

Für die Krankenversichenmg nach dem A WBZ gelten die gleichen Bestimmungen wie fiir Arbeitnehmer, d. h. fiir jeden Versicherten ein Beitragssatz von 7,30 % auf die steuerbare Summe zuzüglich eines Nominalbeitrags von 125 f. Einschließlich der Einkommensteuer werden Rentner damit in der ersten Tarifstufe mit einem Abgabensatz von 20,3 % belastet. Für alle Modellrentner wird unterstellt, daß sie in der Arbeitnehmerkrankenversichenmg nach dem ZFW versichert sind. Das trifft trotz der jüngsten Gesetzesändenmgen auch praktisch auf alle Personen über 65 Jahren zu42. Der Beitragssatz fiir einen versicherten Rentner beträgt 1992 0,75 % der AOWRente zuzüglich 6,35 % auf weiteres Einkommen aus Arl?eit oder einer Zusatzrente43 . Hinzu kommt noch der jährliche Nominalbeitrag von 170 fpro Person.

7.2 Ergebnisse der Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen 7.2.1 Relative Rentenniveaus von Ledigen Zunächst wird am Beispiel des Modellfalls eines Ledigen die Gnmdstruktur des niederländischen Kemalterssichenmgssystems aufgezeigt. Dabei werden die Bedeutung des Einkommens- und des Zeitfaktors, die Auswirkungen unterschiedlicher Aufteilungen des individuellen Lebenseinkommens auf das Sichenmgsniveau im Alter und die Abhängigkeit des Sichenmgsergebnisses von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen untersucht. 7.2.1.1 Zur Bedeutung des Einkommensfaktors

Charakterisierung des Modellfalles

Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet der Modellfall eines ledigen Neurentners mit einer möglichst umfassenden und kontinuierlichen Erwerbsbiographie. Angenommen wird hierfiir eine Erwerbszeit von 40 Jahren, in deren Verlauf der Betreffende durchgängig im Kemsystem versichert gewesen ist. Da das Problem von Wandenmgen an dieser Stelle nicht thematisiert werden so1l44, wird zusätzlich von einer vollständigen Wohnzeit ausgegangen. Dies bedeutet,

42 43 44

5.4.1. o. V. (1991), S. 2224. Vgl. Abschnitt 7.2.1.2.2. Vgl. dazu Abschnitt Vgl.

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

245

daß sich der Rentenanspruch auf eine 50jährige Versicherungszeit im AOW gründet. Des weiteren wird zunächst gemäß des sogenannten Standardpfades unterstellt, daß über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg die wirtschaftliche Entwicklung durch ein Nominallohnwachstum von jährlich 6 % und eine Inflationsrate von 4 % gekennzeichnet ist. Anschließend werden alternative Wachstumspfade herangezogen. Aufgrund der Konstruktion eignet sich der Modellfall besonders zur Überprüfung der Bedeutung des Einkommensfaktors fiir das relative Rentenniveau. Zudem dient der Modellfall als Referenzpunkt, von dem aus der Einfluß weiterer zu untersuchender Determinanten bestimmt werden kann. Der Einkommensfaktor reflektiert in Anlehnung an Zacher eine die individuelle Vorsorge tragende Leistung45 . In unserem Fall käme dies im Bezug zum Erwerbseinkommen und den damit verbundenen Beiträgen zum Ausdruck. Als denkbar engster Bezug wären strikt einkommensproportionale Rentenleistungen im gesamten Einkommensbereich anzusehen46 . Der Funktionsverlauf der relativen Rentenniveaus müßte dann als Gerade parallel zur Abszisse, die den untersuchten Einkommensbereich beschreibt, bilden. Relative Rentenniveaus von Neurentnern im Standardpfad Die Ergebnisse fiir den Ledigenfall sind in Abbildung 7.1 und Tabelle 7.5 wiedergegeben47 . Betrachtet man die Kurve fiir die Bruttorentenniveaus, so dokumentiert sich in dem stetig fallenden Kurvenverlauf deutlich der Pauschalcharakter der AOW-Leistung. Mit zunehmendem Einkommen wird das Verhältnis zwischen AOW-Rente und entsprechendem Erwerbseinkommen immer ungünstiger: die Bruttorentenniveaus fallen von 132 % bei 1/4 APW-Einkommen bis auf unter 12 % bei 3 APW-Einkommen. In keinem einzigen Abschnitt findet sich ein einkommensproportionaler Leistungstarif, in dem ein zunehmendes Erwerbseinkommen mit einer gleichmäßig zunehmenden Rentenleistung korreliert. Darin zeigt sich, daß der Einkommensfaktor fiir die Berechnung der AOW-Rente völlig bedeutungslos ist.

45 Zacher spricht allgemeiner vom Leistungsfaktor; vgl Zacher (1991), S. 87. 46 Einem solchen Idealfall sehr nahe kommt das portugiesische Alterssicherungssystem; vgl. KlammerlPöhler (1994), S. 19 und die Zusammenstellung über alle Länder auf S. 9. 47 Die Ergebnisse für alle behandelten Modellfälle sind in den Tabellen A-7.1 bis A-7.16 im Anhang zu finden.

246

7. Analyse auf der Grundlage von ModelWi.llen

Relative Rentenniveaus rur Ledige mit 40 bzw. 20 Erwerbsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 (alle Pfade) nllatiWI R.....wv.u in % dee: Eiokommenl

160

140 120 100

80 60

40 20

o

+----+--~~--+----------------------------------------0,25

0,5

0,75

1,25 1.5 1,75 Einkommen In APW-Emhelten

2.25

2,5

2.75

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7,1

Charakteristisch ist ferner das relativ bescheidene Niveau der AOW-Leistung bei mittleren und erst recht bei höheren Einkommen, Bei einem Einkommen von 1 APW beträgt das relative Bruttorentenniveau lediglich 34 %, in den oberen Bereichen mit unter 15 % noch erheblich weniger4 8. Anders sieht es dagegen im unteren Einkommensbereich aus, wo der Mindestsicherungscharakter der AOW-Rente deutlich hervortritt und Werte bis über 100 % erreicht werden, die allerdings - da das entsprechende Einkommen unterhalb des Mindestlohnes liegt - nur aufTeilzeitkräfte zutreffen. Entscheidend fiir eine Einschätzung des Absicherungsniveaus sind aber nicht die Brutto-, sondern die Nettorentenniveaus. Bedingt durch die deutlich geringere Belastung der AOW-Renten mit Einkommensteuer und sonstigen Abgaben im Vergleich zum Erwerbseinkommen liegen die Nettowerte erkennbar über den Bruttoniveaus49 .

48 Zu den genauen Werten vgl. Tabelle A-7.1 im Anhang. 49 So entfällt auf die AOW-Bruttorente eine durchschnittliche Gesamtabgabenbelastung von 16,76 % (9,19% Einkommensteuer und 7,57 % Sozialversicherungsbeiträge), während beim Erwerbseinkommen dieselbe zwischen 28,08 % (bei 1/4 APW) und 50,86 % (bei 3 APW) liegt, wobei bei niedrigen Einkommen v. a. die Sozialabgaben, bei hohen Einkommen die Einkommensteuer den Großteil der Belastung ausmachen. Eigene Berechnungen.

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

247

Tabelle 7.5

Relative Rentenniveaus von Ledigen im Jahre 1992 (40 Erwerbsjahre, 50 Wohnjabre) APW-Einkommensvielfache

Bruttorente (in f)

Nettorente (in f)

Bruttoverdiensta) (in f)

Nettoverdienst (in f)

0,25

17838

14849

13509

9568

relatives Bruttorentenniveau (10%) 132,05

0,50

17838

14849

26634

17416

66,97

relatives Nettorentenniveau (in %) 155,20 85,26

0,58

17838

14849

30726

19694

58,05

75,40

0,75

17838

14849

39790

24303

44,83

61,10

1,00

17838

14849

52977

30771

33,67

48,25

1,25

17838

14849

65823

37783

27,10

39,30

1,50

17838

14849

78946

43456

22,59

34,17

1,75

17838

14849

91937

49801

19,40

29,82

55434

17,17

26,79

2,00

17838

14849

103897

2,25

17838

14849

115856

60218

15,40

24,66

2,50

17838

14849

127815

65002

13,96

22,84

2,75

17838

14849

139774

69785

12,76

21,28

3,00

17838

14849

151734

74569

11,76

19,91

Anmerkung: a) Einschließlich Kompensationszuschlag. Quellen: Eigene Berechnungen.

In den Wltersten Einkommensbereichen bis zum Mindestlohn beträgt die Differenz etwa wn die 20 Prozentpunkte, bei 1 APW -Einkommen knapp 15 Wld bei 3 APW noch 8 Prozentpunkte. Damit werden relative Rentenniveaus von bis zu über 150 % Wlterhalb des Mindestlohnes, zwischen 35 Wld 60 % bei mittleren Einkommen (0,75 bis 1,5 APW) Wld wn die 20 % bei hohen Einkommen erreicht. Bei 1 APW beläuft sich das relative Nettorentenniveau auf knapp 50 %; beim Mindestlohn auf 75 %50. Die Begünstigung von Rentnern durch eine geringere AbgabenbelastWlg fällt - gemessen in absoluten 50 Zunächst könnte man erwarten, daß angesichts der Fixierung der Mindestleistungen, also auch der AOW-Rente, auf der Grundlage des Nettomindestlohnes, ein Nettoniveau von exakt 70 % erreicht werden müßte. Die Grundlage dieser Normierung bildet jedoch der Nettomindestlohn eines verheirateten Arbeitnehmers, so daß beim Ledigen im Gegensatz dazu nur der einfache statt des doppelten Grundfreibetrages zum Tragen kommt. Das relative Rentenniveau liegt deshalb hier um 5 Prozentpunkte über dem Normsatz.

248

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Prozentpunkten - bei niedrigen Einkommen am höchsten aus, relativ Zillll Bruttorentenniveau sind die Gewinne jedoch bei Beziehern hoher Einkommen größer. Relative Rentenniveaus für Neurentner bei alternativen Wachstumspfaden

Bisher wurde unterstellt, daß während der 40jährigen Erwerbsphase durchgängig ein Nominallohnwachstum von 6 % und eine Preissteigerung von 4 % vorherrschen. Eine solche Annahme beeinflußt die Ergebnisse dann, wenn die Rentenleistung an lohnabhängige Faktoren, d. h. die Höhe der gezahlten Beiträge, anknüpft. In dem Fall entsteht das Problem der Bewertung jener Faktoren über den Untersuchungszeitraum. Je nach Art der Bewertung der leistungsbegründenden Faktoren können Abweichungen der errechneten relativen Rentenniveaus in Abhängigkeit von alternativen Lohn- und Preisniveauentwicklungspfaden die Folge sein. Bei den AOW-Renten indes ist dies ausgeschlossen. Zwar sind die Versicherten während der Erwerbsdauer grundSätzlich beitragspflichtig, doch ist fiir die Bemessung der AOW-Rente die Summe der entrichteten Beiträge nicht maßgeblich. Vielmehr resultiert der Pauschalrentenbetrag letztlich aus einer politischen Setzung und ist damit Zillllindest nicht direkt an die wirtschaftliche Entwicklung gekoppelt. Grundsätzlich gelten somit alle fiir AOW-Neurentner errechneten relativen Rentenniveaus, sowohl was Ledige als auch die später behandelten Ehepaare anbelangt, fiir jede gesamtwirtschaftliche Entwicklungskonstellation. 7.2.1.2 Zur Bedeutung des Zeitfaktors

Neben dem Einkommensfaktor bildet der Zeitfaktor ein zweites konstitutives Element fiir den Leistungsinhalt eines Alterssicherungssystems. Der Zeitfaktor kann sich dabei nach Zacher entweder spezifisch auf eine auf die Alterssicherung gerichtete Vorsorgezeit oder unspezifisch auf reine Wohnsitz- oder Staatsangehörigkeitszeiten beziehen51 . 7.2.1.2.1 Der Faktor Erwerbszeit

Um die Bedeutung des Zeitfaktors im AOW beurteilen zu können, soll daher als erstes in Abänderung des oben betrachteten Falls die Erwerbszeit bzw. die Zeit der Beitragszahlung um die Hälfte auf 20 Jahre vermindert werden. Im Gegensatz zu den am Erwerbsleben ausgerichteten Systemen ist im niederländi51 Vgl. etwa Zacher (1991), S. 87 - 88.

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

249

schen Kernsystem jedoch die Höhe der Altersrente im Prinzip nicht an die Dauer der Beitragszahlung gebunden. Das hat zur Folge, daß trotz einer Erwerbsdauer von nur 20 Jahren die Höhe der Altersrente und damit auch die relativen Brutto- und Nettorentenniveaus identisch sind mit denen im Fall einer 40jährigen Erwerbsdauer aus Abbildung 7.1, vorausgesetzt die Wohnzeit bleibt unverändert. Ohne Einfluß auf das Sicherungsniveau ist damit auch eine Erziehung von Kindern während der erwerbslosen Zeit. Frauen, die sich für eine begrenzte Zeit oder auch völlig aus dem Erwerbsleben zurückziehen, erleiden daher keine Renteneinbußen. Allgemein gilt, daß die Gründe für eine Nichterwerbstätigkeit für die Leistungsbemessung im AOW unerheblich sind. Die getroffenen Aussagen lassen sich auch dadurch illustrieren, daß man für einzelne Einkommensniveaus die relativen Rentenniveaus in Abhängigkeit von der Erwerbszeit betrachtet, wie in Abbildung 7.2 exemplarisch für 1 APW-Einkommen dargestellt. Unterstellt man immer eine volle Wohnzeit, so erhält die Modellperson stets die gleiche AOW-Rente, egal wieviele Jahre die betreffende Person vorher erwerbstätig war. Bezogen auf ein Einkommen von 1 APW kommt man somit auf die schon aus Abbildung 7.1 bekannten Bruttorentenniveaus von 34 % und entsprechende Nettorentenniveaus von 48 %52. Daraus geht hervor, daß die relativen Rentenniveaus hinsichtlich der Erwerbsdauer vollkommen unelastisch sind, was sich graphisch in einem horizontalen Verlauf der Rentenniveaukurve ausdrückt.

52 Die gleichen Berechnungen wurden außerdem für ein Einkommen in Höhe des Mindestlohnes, d. h. bei 0,58 APW, und für 2 APW durchgeführt. aber aus Gründen der Übersichtlichkeit hier nicht abgebildet. Die zugehörigen Rentenniveaukurven weisen ebenfalls einen horizontalen Verlauf auf. Vgl. zu den Werten im einzelnen Tabelle A-7.2 im Anhang.

250

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Relative Rentenniveaus für Ledige in Abhängigkeit von der Erwerbszeit (voUe Wohnzeit, aUe Pfade) relabves Renterutiveau in Prozent des Emkonunens

50 40 30 20 10

I o +----+-----+--- -----+----j--------1 o 10 20 30 40 50 Erwerbsjahre

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.2

7.2.1.2.2 Der Faktor Wohnzeit Ein anderes Bild ergibt sich, wenn anstelle der Erwerbszeit die Wohnzeit varriiert wird. Auf diese Weise lassen die Wirkungen einer vorzeitigen Auswanderung oder eine Zuwanderung im Erwerbsalter illustrieren. Die Ergebnisse für ein niedriges (Mindestlohn), ein mittleres (1 APW) und ein hohes Einkommensniveau (2 APW) sind aus Abbildung 7.3 abzulesen. Die Bruttorentenniveaukurven stellen sich dabei als Fahrstrahle vom Ursprung dar, die erst nach einer Wohnzeit von 50 Jahren die Werte erreichen, die aus der Betrachtung des Ledigen in Abschnitt 3.1.1 bekannt sind. Hierin kommt die vollständig proportionale Anrechnung der Wohnjahre über den Zeitraum zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr eines AOW-Versicherten zum Ausdruck.

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

251

Relative Rentenniveaus bei Ledigen in Abhängigkeit von der Wohnzeit (alle Pfade) relatJves Rmteruuveau m Prozent des Einkommens

80

60

40

o

l~~~~f~~~~=-=-:,- I-=~~-~-~-=---. - ==:==~-:,-+-~=~--~.~._~--~.~_ -~j o

10

20

:1

30

40

50

Wobnjahre

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.3 In Abbildung 7.3 nicht eingezeichnet sind die entsprechenden Nettorentenniveaus, die aber gleichennaßen als Fahrstrahle erscheinen. Der Effekt einer geringeren Abgabenbelastung nimmt dabei mit zunehmender Wohnzeit und einer deswegen höheren Rente zu. Allerdings verlaufen die Fahrstrahle nicht ganz geradlinig; die Steigung flacht geringfügig ab 53 . Ab einer W ohnzeit von 15 Jahren überschreitet die AOW-Rente den Grundfreibetrag und unterliegt damit der Einkommensteuer und der A WBZ-Beitragspflicht, so daß die Abgabenbelastung überproportional steigt. Bis dahin kommen lediglich die angeführten A WBZ- und ZFW-Nominalbeiträge und gegebenenfalls ein minimaler einkommensabhängiger ZFW-Beitrag zum Tragen54 . Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, daß die AOW-Nettorenten bei einer Wohnzeit von weniger als 50 Jahren unterhalb des sozialen Minimums liegen und somit in diesen Fällen grundsätzlich ein Anspruch auf Deckung der Differenz durch Sozialhilfe besteht. 53 In einer vergleichbaren graphischen Darstellung wären die Unterschiede nicht zu erkennen. Vgl. dazu aber Tabelle A-7.3 im Anhang. 54 Die Nominalbeiträge sind auch dafür verantwortlich, daß die relativen Nettorentenniveaus bei einer Wohnzeit von 0 rechnerisch negativ werden können. Die zu zahlenden Beiträge müßten dann aus anderen Einkommensquellen, gegebenenfalls aus Sozialhilfeleistungen entrichtet werden.

252

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Festzuhalten bleibt, daß die AOW-Rente hinsichtlich des Zeitfaktors unelastisch ist, wenn man die Erwerbszeit oder Beitragszeit zugrunde legt, dagegen aber in bezug auf die Wohnzeit völlig zeitproportional ausgestaltet ist. 7.2.1.3 Die Bedeutung des individuellen Erwerbsverlaufs

Im folgenden wird untersucht, ob der Erwerbsverlauf für das Sicherungsergebnis von Bedeutung ist. Im Unterschied zur bisherigen Betrachtung wird hierbei die Altersrente in Abhängigkeit von der Verteilung eines Lebenseinkommens über die Erwerbsphase berechnet. Für drei ausgewählte Lebenseinkommensniveaus sind die relativen Rentenniveaus, die sich in Abhängigkeit von der Verteilung des Lebenseinkommens über einen die Erwerbsperiode repräsentierenden Zeitraum von 40 Jahren ergeben, dargestellt. Die Lebenseinkommensniveaus basieren auf den schon unter Kapitel 7.2.1.2.2 behandelten Jahreseinkommen Mindestlohn (0,58 APW), I und 2 APW-Einkommen. Für 40 Jahre ergeben sich damit korrespondierende Lebenseinkommensniveaus von 23,2 APW, 40 APW und 80 APW. Um die Verteilung über den Betrachtungszeitraum hinweg abzubilden, wurde dieser in zwei Abschnitte unterteilt. Verteilt sich das Lebenseinkommen zu gleichen Teilen auf beide Hälften des Erwerbslebens, so drückt sich dies im relativen Rentenniveau an der Stelle "1: 1" aus 55 . Wurde in der ersten (zweiten) Hälfte nur die Hälfte dessen verdient, was in der zweiten (ersten) Hälfte anfiel, so fmden sich die zugehörigen relativen Rentenniveaus an der Stelle "2: 1" (" 1:2"), während bei "O:X" ("X:O") das gesamte Lebenseinkommen in der zweiten (ersten) Hälfte erworben wurde.

55 Dieser Fall liegt im Grunde implizit den vorangehenden Abbildungen zu den relativen Rentenniveaus zugrunde, in denen bei der Berechnung der Altersrente für alternative Lebenseinkommensniveaus immer von einem der Höhe nach unveränderten jährlichen Einkommensstrom ausgegangen wurde. Die hier betrachteten Verteilungskonstellationen stellen somit eine Erweiterung des bisher behandelten Spezialfalles dar, allerdings eingeschränkt auf drei Einkommensniveaus.

253

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

Relative Bruttorentenniveaus für Ledige mit voller Wohnzeit in Abhängigkeit vom Erwerbsverlauf (1992) relatives Rentcnnivcau in % des Einkommens

DLEK 23 .2 AI'W DLEK 40 APW

100

- LEK 80 APW

80

60

40 20

o

xo

21

1I

Verteilung des Lebenseinkommens

1:2

ox

Anmerkung: LEK = Lebenseinkommensniveau. Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.4

Aus Abbildung 7.4 geht hervor, daß die relativen Bruttorentenniveaus für jede der untersuchten Verteilungskonstellationen den gleichen Wert annelunen, und zwar jenen, der sich für die ledige Person bei vollständiger W ohnzeit für die entsprechenden Einkommensniveaus Mindestlohn, 1 und 2 APW-Einkommen bereits aus Tabelle 7.5 ersehen läßt. Gleiches gilt dementsprechend auch für die Nettoniveaus. Dies muß aufgrund der Modellkonstruktion notwendigerweise bei" 1: 1" der Fall sein. Gleichermaßen trifft es aber auch auf die anderen Verteilungsvarianten zu, da in die Berechnung der AOW-Rente das friihere Erwerbseinkommen in keiner Form miteingeht. Weder die Höhe noch die Verteilung eines friiheren Erwerbseinkommens während der Erwerbsperiode beeinflussen somit die spätere AOW-Rente.

7.2.1.4 Zur Entwicklung der relativen Rentenniveaus von Bestandsrentnern Die bisherigen Ausführungen bezogen sich alle auf das Referenzjahr 1992. Für die Absicherung im Alter ist aber zudem von Bedeutung, wie sich die Ein-

254

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

kommensposition im Zeitablauf entwickelt. Entscheidend ist dabei der für die Bestandsrenten vorgesehene Anpassungsmechanismus. In den Niederlanden sind die AOW-Renten im Grundsatz an die Entwicklung des Nettomindestlohnes gekoppelt, der seinerseits auf der Grundlage der Tariflohnentwicklung im privaten und öffentlichen Sektor bestimmt wird. Nach neuer Gesetzeslage kann hiervon aber unter bestimmten Umständen, etwa beim Überschreiten eines gewissen Grenzwertes der Inaktivenquote, abgewichen werden 56 . Die Tatsache, daß auch schon lange Jahre zuvor nur eine Politik der Realwertsicherung anstelle einer Nettolohnanpassung betrieben wurde, legt es daher nahe, für die genannte Fragestellung zwei alternative Anpassungsvorgänge zu unterstellen. Im folgenden werden die Auswirkungen einer Realwertsicherung (Preisniveauanpassung) einerseits und einer Politik der Aufrechterhaltung der relativen Einkommensposition (Lohnanpassung) andererseits für eine ledige Person mit voller Wohnzeit für einen 20 Jahre späteren Zeitpunkt, also im Modellfall im Alter von 85 Jahren, untersucht. Die wirtschaftliche Entwicklung während des 20jährigen Betrachtungszeitraums wird dabei zum einen durch den Standardpfad mit jährlich konstanten 6 % Nominallohnwachstum und 4 % Inflation und zum anderen durch den Extremfall mit 13 % Lohnwachstum und 10 % Inflation (Maximalpfad) beschrieben. Um nicht für eine solch lange Zeitspanne eine aus Gründen der Annahmenkonsistenz problematische Modellierung des gesamten Abgabensystems vornehmen zu müssen 57 , beschränkt sich die Betrachtung auf Bruttogrößen, obwohl dadurch Aussagen über das individuelle Sicherungsniveau nur näherungsweise getroffen werden können. Andererseits erlaubt die Bruttobetrachtung eine Isolierung der allein durch unterschiedliche Anpassungsverfahren hervorgerufenen Effekte auf das relative Rentenniveau. Aufgrund der angesprochenen konzeptionellen Problematik bei einer Modellierung des gesamten zukünftigen Abgabenrechts wird dann auch im Unterschied zur gegenwärtigen Gesetzeslage von einer Bruttolohnanpassung ausgegangen. Dieser Fall wäre identisch mit ei-

56 Vgl. zur Anpassung der AOW-Renten Abschnitt 5.2.2.2. 57 So würde etwa die einfachste Annahme einer im Zeitablauf gleichbleibenden individuellen Abgabenbelastung eine Indexierung sämtlicher nominal fixierter Einkommensgrenzen im Steuerund Sozialrecht, aber auch der genannten Kopfbeiträge mit der Lohnwachstumsrate erfordern. Dies steht aber im Widerspruch zu den gegenwärtig geltenden Bestimmungen und widerspricht daher der getroffenen Annahme der institutionellen Strukturkonstanz. Eine einfache Fortschreibung des gegenwärtigen Abgabenrechts aufgrund der Strukturkonstanzprämisse wäre dagegen, selbst wenn man das Problem etwaiger diskretionärer Anpassungen ausklammern würde, im Hinblick auf die Vielzahl der davon betroffenen Regelungen unplausibel. Gerade in den Niederlanden wäre in diesem Fall angesichts des bereits erreichten Belastungsniveaus mit zunehmenden Abgabenwiderständen zu rechnen.

255

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

ner NettolohnanpassWlg bei im Zeitablauf Wlveränderter AbgabenbelastWlg des Mindestlohnes 58 .

Relative Bruttorentenniveaus für Ledige mit 40 Erwerbsjahren und voller Wohnzeit nach 20 Jahren (Standardpfad und Maximalpfad) relatives Rentenniveau in % des Einkommens 160

Mmdestlohn

140 120 100

80 60 40 20

0. 25

0.5

0.15

1.25 Emkomm en

1.5

1.15

2.25

2.5

2.15

1Il APW ~Ei nh e ll e n

Anmerkungen: SPf= Standardpfad: 6 % Nominallohnwachstum, 4 % Inflation; MPf= Maximalpfad: 13 % Nominallohnwachstum, 10 % Inflation. Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.5

Wie AbbildWlg 7.5 zeigt, treten im gewählten Modellfall je nach Wahl des AnpassWlgsmechanismus deutliche Unterschiede in den relativen Rentenniveaus hervor. Bei einer LohnanpassWlg bleiben die relativen Rentenniveaus im Vergleich zum Neurentner, d. h. dem Ledigen aus AbbildWlg 7.1, für alle Einkommensniveaus Wlverändert. Die Rentner erhalten somit bei einer durchgängig eingehaltenen LohnanpassWlg der LeistWlgen, wie es im Prinzip das gesetzliche AnpassWlgsverfahren vorsieht, ihre relative Position im Einkommens-

58 Man könnte zunächst auf die Idee kommen, daß bei einer Nettoanpassung der Leistungen automatisch unter gegebenen Annahmen auch die relativen Nettorentenniveaus bestimmbar sein müßten. Jedoch ist zu bedenken, daß der für den Anpassungsfaktor relevante Nettowert lediglich für ein Einkommen, den Mindestlohn, berechnet wird und damit noch nichts über die Nettoentwicklung bei anderen Einkommensniveaus gesagt ist.

256

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

gefüge, W1d zwar W1abhängig von der wirtschaftlichen EntwicklW1g, die während des ModelliefW1gszeitrawns herrscht. In dieser Betrachtung kommt nicht zwn Ausdruck, daß der vorgeschriebene AnpassW1gsmechanismus auf die TariflohnentwicklW1g abstellt, darüber hinausgehende SteigefW1gen bei den Effektivlöhnen jedoch nicht erfaßt. Das Ausmaß der Differenz hängt entscheidend von der konjunkturellen EntwicklW1g ab. In Projektionen wird im langfristigen Durchschnitt häufig ein wn 1 Prozentpunkt höheres Wachstwn der Effektivlöhne gegenüber den Tariflöhnen W1terstellt 59 . Schon in einem solchen Fall fallen die Rentenniveaus nach 20 Jahren deutlich niedriger aus. Bei einem mittleren Einkommen von 1 APW beträgt das Bruttorentenniveau statt 34 % dann nur noch 28 %. Bei niedrigen Einkommen, z. B. beim Mindestlohn, ist der Abstand noch größer: das Bruttoniveau sinkt wn etwa 9 Punkte von 58 % auf 49 %. Mit höherem Einkommen fällt der Unterschied weniger ins Gewicht. Dabei weichen die Ergebnisse je nach Wachstwnpfad kawn nennenswert voneinander ab. Noch stärker fallen die Rentner bei einer derzeit betriebenen RealwertsichefW1g im Zeitablauf zurück. Dies ist der einzige Fall, in dem der W1terstellte EntwicklW1gspfad die relativen Rentenniveaus im AOW beeinflußt. Legt man den Standardpfad zugroode, so sinken die relativen Rentenniveaus wn bis zu 40 Prozentpunkte bei niedrigen Einkommen (0,25 APW), wn etwa 10 Prozentpunkte bei mittleren (1 APW) W1d wn W1gefähr 5 Prozentpunkte bei hohen Einkommen (über 2 APW). Im Maximalpfad fällt der Rückgang noch deutlicher aus, da hier die Differenz zwischen Lohnwachstwns- W1d AnpassW1gsfaktor größer ist als im Standardpfad60 . Aufgrood der Progression des Abgabensystems wird der Rückgang bei den Nettoniveaus insgesamt etwas schwächer ausfallen. Es zeigt sich aber insgesamt, daß von einer AnpassW1g W1terhalb der LohnentwicklW1g in besonderem Maße die Bezieher niedriger Einkommen betroffen sind. Dies ist ein Reflex auf die hohen relativen Rentenniveaus in diesen Bereichen, die durch die Pauschalleistungen des AOW hervorgerufen werden61 .

59 Vgl. etwa Commissie Financiering Oudedagsvoorziening (1987), S. 107. 60 Allerdings dürfte bei Annalune eines konstanten Reallohnwachstums von beispielsweise 2 % wie im Standardpfad der Rückgang der relativen Rentenniveaus bei einer Preisniveauanpassung um so geringer sein, je höher Nominallohnwachstum und inflationsrate ausfallen. 61 Die Differenz zwischen dem relativen Rentenniveau zu Beginn des Ruhestandes (1992) und dem nach 20 Jahren ist bei unterproportionaler Anpassung (Aufwertungsfaktor a für relative Rentenniveaus im Standardpfad liegt bei 0,68) natürlich um so größer, je höher das frühere relative Rentenniveau lag: RRN o - RRN 20 = RRN o x (I - a).

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

257

7.2.2 Relative Rentenniveaus von Ehepaaren 7.2.2.1 Methodische Vorbemerkungen insbesondere zum Konzept von Äquivalenzskaien

Bislang wurde mit dem Ledigenfall nur ein einziger Haushaltstyp betrachtet. Gegenstand der nachfolgenden Überlegungen ist die Frage, welche Modifikationen sich ergeben, wenn der Haushaltstyp variiert wird. Zu dem Zweck werden exemplarisch die relativen Rentenniveaus für Einverdienerehepaare und für Zweiverdienerehepaare mit jeweils unterschiedlicher Erwerbsbiographie der Frau untersucht. Betrachtet werden stets Neurentner. Dabei gelten aufgrund des Pauschalcharakters der AOW-Leistungen die nachfolgenden Ergebnisse unabhängig von einem der angenommenen ökonomischen Entwicklungspfade. Beim Vergleich der relativen Rentenniveaus unterschiedlicher Haushaltstypen bieten sich zwei Fragestellungen an, die jeweils ein eigenes methodisches Vorgehen erfordem62 :

(1) Wie beeinflussen unterschiedliche Haushaltstypen bzw. Unterschiede in der Aufteilung des Haushaltseinkommens während der Erwerbsphase im gegebenen Rentensystem das Sicherungsniveau des Haushalts im Alter? (Haushaltseinkommenskonzept). (2) In welchem Maße erhält das Rentensystem für Haushaltsmitglieder, die sich in der Erwerbsphase in der gleichen Wohlstandsposition befunden haben, diese während des Ruhestandes aufrecht? (Aquivalenzeinkommenskonzept). Im ersten Fall werden Haushalte mit gleichem Bruttoerwerbseinkommen im Hinblick auf die erreichten relativen Rentenniveaus miteinander verglichen. Dies erlaubt einen direkten Aufschluß darüber, wie verschiedene Haushaltstypen im Alterssicherungssystem hinsichtlich des Einkommensersatzes in Relation behandelt werden. Demgegenüber muß im zweiten Fall zunächst das Einkommen ermittelt werden, bei welchem die Mitglieder von Haushalten unterschiedlicher Größe die gleiche Wohlstandsposition innehaben. Dazu bedient man sich üblicherweise des Instruments der Äquivalenzskala, die angibt, um wieviel Prozent das Einkommen eines Haushalts beim Hinzutreten weiterer Personen erhöht werden muß, damit das Wohlstandsniveau gerade aufrecht erhalten bleibt63 .

62 Vgl. zum nachfolgenden auch die Ausführungen bei Rechmann/Rolj(l994). 63 Vgl. etwa Hauser/Stubig (1985), S. 48.

17 Pöhlcr

258

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Dem liegen zwei wesentliche Annahmen zugrunde: zum einen, "daß das gesamte Haushaltseinkommen in einen Pool fließt, aus dem ohne Vorbehaltsrechte der Konsum aller Mitglieder finanziert wird" (Pool-Annahme ); und zum anderen, "daß das Haushaltseinkommen bzw. der daraus finanzierte Konsum aller Haushaltsmitglieder so aufgeteilt wird, daß alle Mitglieder das gleiche Wohlfahrtsniveau erreichen" (Wohlfahrtsgleichverteilungsannahme)64 . Die Wahl der Äquivalenzskala spiegelt dabei wider, in welchem Maße Einsparungseffekte der gemeinsamen Haushaltsfiihrung vermutet werden65 . Angesichts der Tatsache, daß eine allgemeingültige Äquivalenzskala nicht existieren kann und damit jede Äquivalenzskala letztlich eine normative Setzung darstellt, wird in dieser Betrachtung auf eine in international vergleichenden Studien gebräuchliche Skala zurückgegriffen. Es handelt sich um die von der OECD aufgestellte Äquivalenzskala mit den Gewichten I für die erste erwachsene Person, 0,7 für jede weitere erwachsene Person (ab 14 Jahre) und 0,5 für Kinder66 . Das auf diese Weise durch Bereinigung um die Haushaltsgröße und zusammensetzung ermittelte Äquivalenzeinkommen stellt ein Wohlstandsmaß für alle Mitglieder eines bestimmten Haushalts bzw. Haushaltstyps dar, so daß diese nunmehr über unterschiedliche Haushaltstypen hinweg vergleichbar sind. Dieses Vorgehen erlaubt dann für jedes Einkommensniveau einen Vergleich der Sicherungsniveaus von Ehepaaren mit denen von Ledigen, indem die relativen Rentenniveaus für Ledige den relativen Rentenniveaus beim 1,7fachen des entsprechenden Einkommens von Ehepaaren gegenübergestellt werden. Zu bemerken ist, daß hier die Äquivalenzskala auf Bruttoeinkommen angewendet wird statt - wie üblich - auf Nettoeinkommen. Dies ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten. Beide angesprochenen Fragestellungen werden im folgenden behandelt. Das bedeutet, daß die Ehepaarfälle sowohl mit Hilfe des Haushaltseinkommenskonzepts als auch mittels des Aquivalenzeinkommenskonzepls analysiert werden. Das Haushaltseinkommenskonzept erlaubt einen direkten Vergleich zwischen verschiedenen Haushaltstypen mit gleichem Haushaltseinkommens64 HauserlStubig (1985), S. 47 - 48. Diese Vorstellungen sind keineswegs unproblematisch und werden v. a. aus verhandlungstheoretischer Sicht kritisiert. Ohne an dieser Stelle weiter auf die Diskussion um intrafamiliäre Entscheidungsprozesse einzugehen sei hier beispielhaft verwiesen auf Du (1991), S. 385 - 407. 65 Vgl. Hauser/Stubig (1985). S 48 und die dort folgenden Ausführungen über ausgewählte ÄquivalenzskaIen. 66 Vgl. DECD (1982), S. 36 oder Eurostat (1990), S 14. Inzwischen verwendet die OECD eine modifizierte Skala mit den entsprechenden Gewichten von 1. 0.5 und 0.3. Vgl. dazu die Ausführungen im empirischen Teil (Abschnitt 9.3.1)

259

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

niveau, das Äquivalenzeinkommenskonzept dafür eine Gegenüberstellung von Haushalten, die wn die Größenunterschiede wenigstens größtenteils bereinigt sind. 7.2.2.2 Relative Rentenniveaus von Einverdienerehepaaren

Als erstes wird der Fall eines Einverdienerehepaares betrachtet, bei dem die Frau während der Erwerbsperiode nicht erwerbstätig war und der Mann das gesamte Haushaltseinkommen verdiente. Annahmegemäß liegt bei beiden eine 50jährige Wohnzeit in den Niederlanden vor. Haushaltseinkommenskonzept Durch den hinzukommenden Rentenanspruch der Ehefrau hat sich die Gestalt der Bruttorentenniveaukurve prinzipiell nicht geändert. Die Kurve ist im Vergleich zum Ledigen insgesamt nur etwas gestreckt, was durch eine pauschale, d. h. für alle Einkommensniveaus absolut gleiche Aufstockung des Haushaltseinkommens bei Rentnern zustande kommt. Die Aufstockung wirkt sich bei geringen Einkommen stärker aus als bei höheren. Relative Rentenniveaus rur Einverdienerehepaare mit 40 Erwerbsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992 (alle Pfade) relatives Rcotcnniveau in % des Einkommens

I"'-Brun o - Nl..1to

180 160 140 120 100 80 60



10

0,25

0.5

0,75

I:'

I 15 L:.1II1...01llllH.:1l

JI\

Quelle: Eigene Berechnungen. Abbildung 7.6

17'

I 75

;\PW- I- lllhcHCIl

• 15

2.75

260

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfallen

Aufgrund der AOW-Konstruktion liegen damit die relativen Bruttorentenniveaus für alle Einkommen um knapp 40 %, also um den Anteil des Differenzbetrages an der Ledigenrente, über den Bruttoniveaus der Ledigen67 . Die Nettorentenniveaus erreichen Werte zwischen 100 % (Mindestlohn) - oder, wenn man darunter liegende Einkommensbereiche zuläßt, zwischen fast 190 % - und knapp 30 % (3 APW). Bei 1 APW-Einkommen kommen Einverdienerehepaare auf ein Niveau von immerhin 65 %68. Im allgemeinen fallt die Differenz der Brutto- zu den Nettorentenniveaus damit nach Prozentpunkten etwas deutlicher aus als beim Ledigen. Relativ gesehen, d. h. bezogen auf die (generell höheren) Bruttorentenniveaus, ist sie etwas geringer 69 . Pauschal betrachtet liegen die Nettorentenniveaus um gut 30 Prozentpunkte über den entsprechenden Nettorentenniveaus der ledigen Person 70 .

Aquivalenzeinkommenskonzept Mit der Betrachtung nach dem Haushaltseinkommenskonzept ist noch nichts über die Versorgungslage der einzelnen Mitglieder des Einverdienerehepaarhaushalts im Alter gesagt. In Tabelle 7.6 werden daher gemäß der oben beschriebenen Vorgehensweise die relativen Rentenniveaus von Ledigen den relativen Rentenniveaus von Einverdienerehepaaren mit derselben Wohlstandsposition im Erwerbsleben, gemessen an der von uns gewählten Äquivalenzskala, gegenübergestellt. Im Gegensatz zur Haushaltseinkommensperspektive stellt man hier fest, daß die relativen Rentenniveaus von Einverdienerehepaaren durchgängig unter denen von Ledigen liegen. Bei einem Durchschnittsverdiener von 1 APW bzw. einem Äquivalenzeinkommen von 1,7 APW bei Ehepaaren leistet das Rentensystem im Zusammenhang mit dem gesamten Abgabensystem einen um 7 Prozentpunkte niedrigeren Ersatz des Nettoeinkommens im Vergleich zu Ledigen. Im unteren Einkommensbereich sind die Differenzen noch größer (bis zu 28 Prozentpunkte), im oberen dagegen nehmen sie bis auf 2 Prozentpunkte ab. Dies legt den Schluß nahe, daß der Betrag, um den die AOW-Rente für ein 67 Dieser Satz ließe sich als der - bezogen auf den Ledigen - vom AOW implizierte Mehrbedarf für eine weitere erwachsene Person bezeichnen. Treffender, da auf Nettogrößen abgestellt, ist jedoch das aus der Ableitung vom Mindestlohn ausgehende Gewicht von 3/7 oder 0,43 der Ledigenrente. 68 Vgl. dazu auch Tabelle 7.8. 69 Vgl. Tabelle 7.5 und Tabelle A-7.7 im Anhang. 70 Hinsichtlich der abgabenrechtlichen Behandlung ist anzumerken, daß auf das Haushaltsbruttoeinkommen von Ehepaaren aufgrund des Prinzips der Individualbesteuerung eine nur unwesentlich geringere Abgabenbelastung entfällt als auf ein gleich großes Bruttoeinkommen von Ledigen (durchschnittliche Abgabenbelastung bei I APW von 38,6 % gegenüber 41,9 % bei Ledigen).

261

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

Ehepaar über der Ledigenrente liegt, den Mehrbedarf eines Ehepaares nicht angemessen berücksichtigt - ein Effekt, der insbesondere bei Ehepaaren mit niedrigem Erwerbseinkommen ins Gewicht fällt. Dabei ist jedoch anzwnerken, daß diese Aussage auf der Grundlage der hier verwendeten Äquivalenzskala zustande gekommen ist, die von nur geringen Einspareffekten gemeinsamer Haushaltsfiihrung ausgehei. Demgegenüber weist die systemimmanente Äquivalenzskala (Nettobetrachtung) der zweiten erwachsenen Person ein Gewicht von 0,43 zu und impliziert damit deutlich größere Einspareffekte. Tabelle 7.6

Relative Rentenniveaus von Ledigen und Einverdienerehepaaren nach dem Äquivalenzeinkommenskonzept Einkommen in APW-Einheiten Ledige

Relative Rentenniveaus für Ledige (in %)

Paare

brutto

Relative Renteniveaus für Einverdienerehepaare (in %)

netto

brutto

netto

155,20

\09,55

126,98

0,25

0,43

132,05

0,50

0,85

66,97

85,26

54,96

73,99

0,58

0,98

58,05

75,40

47,58

65,84

0,75

1,28

44,83

61,10

36,89

51,65

1,00

1,70

33,67

48,25

27,67

41,28

1,25

2,13

27,10

39,30

22,55

34,67

1,50

2,55

22,59

34,17

19,03

30,58

1,75

2,98

19,40

29,82

16,46

27,36

2,00

3,40

17,17

26,79

14,50

24,75

2,25

3,83

15,40

24,66

12,96

22,59

2,50

4,25

13,96

22,84

11,71

20,78

10,69

19,24

9,82

17,91

2,75

4,68

12,76

21,28

3,00

5,10

11,76

19,91

Quelle: Eigene Berechnungen.

71 Die mittlerweile von der OECD modifizierte Skala mit den entsprechenden Äquivalenzgewichten 1,0,5 und 0,3 liegt der dem AOW immanenten Äquivalenzskala wesentlich näher.

262

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

7.2.2.3 Relative Rentenniveaus von Zweiverdienerehepaaren

Bei Zweiverdienerehepaaren werden in dieser Modellfallanalyse zwei Konstellationen hinsichtlich der Erwerbstätigkeit der Frau unterschieden. Im ersten Fall ist die Frau ebenso wie der Mann 40 Jahre erwerbstätig und hat dabei stets dasselbe Einkommen wie der Mann verdient. Im zweiten Fall hat die Frau eine zwanzigjährige Erwerbsunterbrechung in der Mitte der Erwerbsperiode aufzuweisen und ansonsten immer nur die Hälfte des Einkommens des Mannes bezogen 72 . Die vollen Wohnzeiten sind immer erfüllt.

Haushaltseinkommenskonzept In bei den betrachteten Fällen weichen die relativen Rentenniveaus sowohl brutto als auch netto nicht wesentlich von den Werten für das Einverdienerehepaar ab, wie Tabelle 7.7 zeigt. Die Bruttorentenniveaus sind naturgemäß nahezu identisch, da das Erwerbshaushaltseinkommen konstant gehalten wurde und der Rentenbetrag für ein Ehepaar bei voller Wohnzeit beider Partner immer gleich ist, egal wie die frühere Erwerbsbiographie der Ehepartner aussieht 73. Auch die Nettorentenniveaus unterscheiden sich - zumindest in den realistischen Bereichen - nur geringfügig. Fast identisch sind die Werte für die beiden Zweiverdienerehepaarfälle. Im Vergleich zum Einverdienerehepaar entfällt auf die Zweiverdienerehepaare, besonders oberhalb des Mindestlohnes, eine etwas geringere Abgabenlast auf das Erwerbseinkommen. Die Nettorentenniveaus liegen daher in den meisten Fällen zwischen 2 und 3 Prozentpunkten unter denen der Einverdienerehepaare, wobei die Differenzen bei den Zweiverdienerehepaaren mit gleichem Einkommen der Partner noch am deutlichsten ausfallen. Die Unterschiede liegen in dem speziellen Freibetrag für die Invaliditätsversicherung WAO begründet, der einen progressiven Belastungseffekt bewirkt und für ein gegebenes Haushaltseinkommen zu einer um so geringeren Belastung führt, je gleichmäßiger der Einkommenserwerb aufgeteilt wird 74 . Insge72 Während der Erwerbsunterbrechung der Frau hat der Mann annahmegemäß das volle Haushaltseinkommen erworben. Der Mann verdient daher in dieser Zeit mehr als vorher bzw. nachher. 73 Die Bruttoniveaus weisen geringe Abweichungen auf, weil aus rechentechnischen Gründen nur das Haushaltserwerbseinkommen ohne Kompensationszuschlag konstant gehalten werden konnte. Die Bruttorentenniveaus wurden aber auf der Grundlage des Erwerbseinkommens einschließlich des Kompensationszuschlags, der für jedes Einkommen gesonden anfällt, errechnet.. Die Bruttrentenniveaus sind daher für die Zweiverdienerehepaare im allgemeinen etwas niedriger. Zur genauen Berechnung des Kompensationszuschlages seI auf Abschnitt 7.1.2.2.2 verwiesen. 74 So zahlen beispielsweise bei emem Haushaltseinkommen von I APW Zweiverdienerhaushalte, in denen der Mann doppelt soviel wie die Frau verdient, einen Betrag von 777 f jährlich als WAO-Beitrag, Zwei verdiener mit gleichem Einkommen dagegen noch keinen Beitrag, während Einverdienerhaushalte dafür 2770 f zu entrichten haben; eigene Berechnungen für 1992.

263

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

samt jedoch kann man festhalten, daß im AOW die Erwerbsaufteilung für die erzielbaren Sicherungsniveaus nicht erheblich ist. Diesen Schluß legt zumindest die rein leistungsseitige Analyse nahe. Wir werden später sehen, daß diese Feststellung zu modifizieren ist, wenn unter Verteilungsaspekten auch die Beitragsseite miteinbezogen wird 75 . Tabelle 7.7 Relative Rentenniveaus von Ein- und Zweiverdienerehepaaren nach dem Haushaltseinkommenskonzept Ein-

Relative Rentenniveaus

Relative Renten-

Relative Renten-

kommen

für Einverdienerehepaare

niveaus für Zwei-

niveaus für Zwei-

in APW-

(in %)

Einheiten

verdienerehepaare /

verdienerehepaare /

gleiches Einkommen

Mann 2/3, Frau 1/3 des

(in %)

Einkommens (in %)

brutto

netto

brutto

netto

brutto

netto

0,25

183,40

189,73

186,23

198,85

186,25

205,46

0,50

93,02

111,21

93,11

114,28

93,11

114,28

0,58

80,63

99,28

80,55

100,90

80,55

100,90

80,19

62,08

80,19

61,76

46,63

62,78

0,75

62,26

81,58

62,08

1,00

46,77

64,85

46,56 40,31

54,49

1,25

37,64

52,37

37,31

51,10

37,33

51,90

1,50

31,38

45,91

31,13

44,01

31,\3

44,40

27,04

38,35

1,75

26,95

40,34

26,70

38,66

26,79

38,08

2,00

23,85

36,20

23,38

34,65

23,46

34,34

2,25

21,38

33,36

20,80

31,70

20,86

31,28

2,50

19,38

31,01

18,81

27,91

18,77

28,53

2,75

17,73

28,97

17.11

25,96

17,14

26,30

3,00

16,33

27,19

15,69

24,27

15,79

24,56

1,16

1,73

Anmerkung: Die eingezogenen Linien markieren die Einkommensbereiche oberhalb bzw. unterhalb des Mindestlohns für den jeweiligen Haushaltstyp. Quelle: Eigene Berechnungen.

75 Vgl. Kapitel 8 dieser Arbeit.

264

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Aquivalenzeinkommenskonzept Vergleicht man die unterschiedlichen Haushalte auf der Grundlage des Äquivalenzeinkommenskonzepts, so ändert sich das Bild gegenüber der Haushaltseinkommensbetrachtung nicht. Auch hier liegen die relativen Nettorentenniveaus der Zweiverdienerehepaare etwa im selben Ausmaß wie bei der Haushaltseinkommensbetrachtung unter denen von Einverdienerehepaaren 76 . Somit entspricht die Versorgungslage von Personen in Zweiverdienerehepaaren in etwa der von Personen in Einverdienerhaushalten und ist damit ebenfalls ungünstiger als die von Ledigen.

7.2.3 Absicherung im Hinterbliebenenfall Als dritter Haushaltstyp wird im folgenden der Hinterbliebenenfall untersucht. Die Analyse beschränkt sich nur auf solche Fälle, in denen beide Partner selbst bereits Rentner sind, bevor der Todesfall eintritt. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, wie sich die Versorgungslage im Vergleich zur vorhergehenden Situation gewandelt hat. Aus dem Grunde wird das Einkommen des Hinterbliebenen nunmehr nicht dem eines gleichgearteten Erwerbstätigenhaushaltes, sondern dem eines Rentnerehepaarhaushaltes gegenübergestellt, d. h. es werden modifizierte relative Brutto- und Nettorentenniveaus berechnet. Um beurteilen zu können, wie sich die Versorgungslage des einzelnen Individuums verändert, ist zudem - analog zur Vorgehensweise bei den Ehepaarfallen - ein Vergleich der Wohlstandspositionen, die die betreffende Person in bei den Haushalten innehatte, erforderlich. Danach ergibt sich die Wohlstandsposition eines jeden Mitglieds im Mehrpersonenhaushalt aus der Division des Haushaltsnettoeinkommens durch die Summe der Äquivalenzgewichte, für ein Rentnerehepaar nach unserer Äquivalenzskala also durch 1,7 77 . Da im Einpersonenhaushalt dann die Wohlstandsposition gleich dem Nettoeinkommen ist, errechnet sich die relative Wohlstandsposition des Hinterbliebenenhaushalts für ein bestimmtes Einkommensniveau aus der Multiplikation des relativen Nettorentenniveaus an dieser Stelle mit dem Faktor 1.7. Die relative Wohlstandsposition gibt an, welches Versorgungsniveau die hinterbliebene Person im Verhältnis zu dem Niveau erreicht, das sie besaß, bevor der Partner starb. Bei einem Wert von 100 % wird damit das vormalige Versorgungsniveau gerade aufrechterhalten. Aufgrund der Tatsache, daß sich die Höhe der AOW-Rente bei vollem Anspruch nach dem tatsächlichen Haushaltszusammenhang und nicht nach dem

76 Vgl. dazu die Tabellen A-7.10 und A-7.l2 im Anhang. 77 Vgl. dazu auch Hauser/Stubig (1985), S. 48, die aber noch den Begriff Wohlfahrtsposition verwenden.

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

265

Familienstand richtet, sind die Ergebnisse ebenso auf den Fall einer Trennung der Partner oder einer Ehescheidung übertragbar. Die im folgenden zugrundegelegten Indikatoren fiir die modifizierten relativen Bruttorentenniveaus (MRNbr), die relativen Nettorentenniveaus (MRNnet) und fiir die relativen Wohlstandspositionen (WP) lauten daher: MRN br

MRNnet =

AOWl~~.

br ' 2 AOWverh . net AOWled.

2AOW~::h. WP

AOW net led.

2 AOW~::h.

.1,7.

Aufgrund des Pauschalleistungscharakters des AOW sind die modifizierten relativen Rentenniveaus fiir Hinterbliebene in Abbildung 7.7 fiir jedes Einkommensniveau gleich. Der Alleinstehendenbetrag, den Hinterbliebene erhalten, ist dabei so bemessen, daß netto 70 % der Nettorente eines Ehepaares erreicht werden78 . Das zugehörige Bruttorentenniveau liegt aufgrund der um knapp 2 Prozentpunkte höheren Abgabenbelastung des alleinstehenden Rentners bei 72%.

78 Aufgrund der Zurechnung des Urlaubsgeldes, dessen Monatsbeträge zum Teil noch aus dem vorangegangenen Jahr stammen, ergibt sich hier ein minimal abweichender Nettowert von exakt 70,4 % der Verheiratetenrente.

266

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Relative Rentenniveaus für Hinterbliebene im Jahre 1992 (alle Konstellationen) relatIves Rentenniveau in % des Einkommens

a Brulto - Nt:tlo

IbO

e Wp

1-111

IUII

Iii

Iiilii

Ii

Ii

Ii

Iii

Iii

1.5

1.75

Ii

ii

Ii

Iii

2.25

2.5

2.75

Iii

60 -1 0

20 (J

U

U.25

U.5

0.75

1.~5

Elnkolllmen

In

APW-bnhCltCIl

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.7

Betrachtet man die Äquivalenzeinkommen. so hat sich das Versorgungsniveau des Hinterbliebenen indes verbessert. denn dieser erreicht eine relative Wohlstandsposition von knapp 120 %. Dies ist erneut ein Ausdruck dafür. daß die institutionelle Äquivalenzskala des AOW die Einsparungseffekte gemeinsamer Haushaltsführung deutlich höher ansetzt als die von uns verwendete ursprüngliche OECD-Skala. In Systemen mit lohn- und beitragsorientierten Altersrenten, davon abgeleiteten Hinterbliebenenrenten und der Möglichkeit zur Kumulation mit eigenen Altersrenten ist es bedeutsam, in welcher Weise die Aufteilung des Erwerbseinkommens im Haushalt vorgenommen wurde. Es wären dann mehrere Verdienertypen wie unter 7.2.2 zu betrachten. Demgegenüber nimmt im AOW-Pauschalrentensystem die vorausgehende Erwerbsbiographie in der Regel keinen Einfluß auf die Leistungshöhe. Annahmegemäß erhalten in unseren Modellrechnungen Hinterbliebene somit den Alleinstehendenbetrag, Rentnerehepaare zusammen den doppelten Verheiratetenbetrag. Die Ergebnisse gelten also für jede erdenkliche Verdienerkonstellation. solange beide Partner über die volle Wohnzeit verfügen. Auch findet im AOW keinerlei geschlechtsspezifische Differenzierung der Leistung statt. Es spielt daher für die relativen Rentenniveaus

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

267

und Wohlstandspositionen keine Rolle. ob der Mann oder die Frau den Partner überlebt. 7.2.4 Zum Einfluß der Zusatzrenten auf die relativen Rentenniveaus von Ledigen und Ehepaaren 7.2.4.1 Annahmen

Gegenstand der bisherigen Betrachtung war allein das staatliche Rentensystem AOW. Nachfolgend soll die Analyse um einige Aspekte aus dem Bereich der Zusatzrenten ergänzt werden. Dabei werden nicht sämtliche bisher behandelten Fragestellungen noch einmal für Zusatzsysteme abgehandelt. Vielmehr geht es zum einen darum, einen Eindruck von der Bedeutung dieser Systeme für das insgesamt erreichbare Absicherungsniveau im Alter zu velmitteln. Zum anderen soll ein besonders interessanter Problembereich dieser Regelungen herausgearbeitet werden, der aus der institutionellen Betrachtung in Abschnitt 5.3 allein nicht gleich erkennbar ist. Einige andere ebenfalls wichtige Probleme, wie z. B. die Konsequenzen unvollständiger Versicherungszeiten, bleiben hier ausgespart, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sehr zu strapazieren. Folgende Annahmen liegen der Analyse zugrunde: Abgebildet wird der am häufigsten vorkommende Systemtyp eines Zusatzrentensystems mit Endlohnregelung79 . Darunter fallen knapp 3/4 aller im privaten Sektor durch eine Zusatzrentenregelung erfaßten Arbeitnehmer und außerdem die öffentlich Bediensteten nach dem ABP und daran angelehnten Regelungen. Die Annahme eines Endlohnsystems impliziert, daß die gef't,mdenen Ergebnisse unabhängig vom wirtschaftlichen Entwicklungspfad Gültigkeit besitzen. In Anknüpfung an unsere bisherige Konvention wird in allen Fällen eine Versicherungszeit von 40 Jahren und damit ein vollständiger Zusatzrentenanspruch unterstellt. Der Einfluß geringerer Versicherungszeiten wird nicht untersucht, Versicherungslücken bleiben ebenfalls ausgeklammert. Die Bedeutung der Zusatzrentensysteme wird für drei Haushaltstypen dargestellt: das Alleinverdienerehepaar, das Zweiverdienerehepaar mit gleicher Aufteilung des Einkommenserwerbs und die ledige Person. Grundlage der Betrachtung bildet das Haushaltseinkommenskonzept. 79 Gleichermaßen werden unter unseren sonstigen Prämissen hiermit auch die durchschnittslohnbasierten Systeme mit abgebildet. Abweichende Resultate ergeben sich lediglich bei der Frage nach dem Einfluß unterschiedlicher Verteilungen des Lebenseinkommens auf das individuelle Sicherungsniveau. Dies soll aber hier nicht behandelt werden

268

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Es wird nur die Situation von Neurentnern betrachtet. An dieser Stelle sei lediglich vermerkt, daß fast alle Zusatzrentensysteme eine Anpassung der Bestandsrenten an die Lohn- oder Preisniveauentwicklung vorsehen. Die Betrachtung beschränkt sich auf Altersrenten, Hinterbliebenenrenten bleiben unberücksichtigt. Ansonsten gilt der allgemeine Bezugsrahmen der Modellrechnungen wie zuvor beschrieben. Zum besseren Verständnis der Funktionsweise der Zusatzrenten innerhalb des Modellrahmens sind die folgenden Ausfühnmgen zweckmäßig, aus denen die Berechnung der Zusatzrenten und die erforderlichen Modifikationen bei der Ermittlung der zugrundeliegenden Brutto- und Nettoverdienste hervorgehen.

Berechnung der Zusatzrente Für die Berechnung der Zusatzrente wird von einem standardisierten Fall einer Endlohnregelung ausgegangen80 . Danach erwirbt der Versicherte jedes Jahr 1,75 % einer Rentenbemessungsgrundlage, so daß nach 40 Jahren der von den Tarifparteien entwickelte Standard von 70 % des letzten Bruttoverdienstes erreicht wird 81 . Von entscheidender Bedeutung ist, in welcher Weise der staatlichen AOW-Rente Rechnung getragen wird. In den allermeisten Fällen geschieht dies mit Hilfe der Franchise-Methode, wonach über den Teil des Lohnes, von dem unterstellt wird, er werde durch die AOW-Rente abgedeckt, kein Zusatzrentenanspruch aufgebaut wird. Am häufigsten findet man dabei die Regelung, pauschal auf die AOW-Rente eines Ehepaares (d. h. den doppelten Betrag einer verheirateten Person) abzustellen82 . Dem liegt das traditionelle Familienleitbild der Einverdienerehe zugrunde. Die Auswirkungen dieser immer noch recht häufig anzutreffenden Methode sollen in diesem Abschnitt beleuchtet werden. Formal bemißt sich die Zusatzrente bei 40jähriger Versicherungszeit somit wie folgt: ZR =1,75% .40.(Lbr - Kamp.) - 2 'AOW~erh. oder ZR = 0,7 . [(Lbr - Kamp.) -10/7· (2 mit ZR

=

AOW~erh) ]

Zusatzrente

80 Vgl. etwa Lutjens (1994), S 31 oder Pieters ( 1991), S 361. 81 Von der Einbeziehung einer Höchstgrenze bei der Festlegung der Rentenbemessungsgrundlage wird in den Berechnungen abgesehen, da Höchstgrenzen keineswegs flächendeckend existieren und in der Höhe nicht typisch zu markieren sind. 82 Vgl. etwa Pensioenkamer (1989), S 188.

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

269

Bruttolohn Komp.

Kompensationszuschlag

AOW'verh. =

(fiktive) AOW-Rente für eine verheiratete Person.

Der Term 1017 (2 AOW'verh) bezeichnet dabei den Franchise-Betrag, der Ausdruck [(L br-Komp.)-1017 (2 AOW'verh)] gibt die Rentenbemessungsgrundlage wieder. Festzuhalten ist, daß über den Kompensationszuschlag keine Zusatzrentenansprüche aufgebaut werden. Gleichwohl ist der Zuschlag analog zur bisherigen Vorgehensweise in der Bezugsgröße Bruttoverdienst enthalten. Aus Vereinfachungsgründen wird der Bruttoverdienst des Jahres 1992 herangezogen83 . Des weiteren sei darauf hingewiesen, daß in allen Fällen nicht die tatsächlichen AOW-Rentenbeträge des Jahres 1992 eingebaut werden, sondern niedrigere sogenannte fiktive AOW-Beträge. Diese gründen auf der Annahme, in den tatsächlichen AOW-Renten sei seit den Oort-Reformen ebenfalls ein Kompensationszuschlag enthalten, der nicht eingebaut werden darf8 4 . Ebenfalls vom Einbau ausgenommen bleibt der Teil der strukturellen Erhöhungen im AOW85.

Abgaben auf das Renteneinkommen Einkünfte aus Zusatzrentensystemen zählen zu den Einkünften aus Arbeit und gehen damit in vollem Umfang in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ein86 . Damit entfallen auf die Zusatzrente sowohl Einkommensteuer als auch die für Rentner geltenden Krankenversicherungsbeiträge zu den Versicherungen A WBZ und ZFW.

Abgaben auf das Lohneinkommen Die Ausführungen über die Abgaben auf den Bruttoverdienst 87 sind dahingehend zu ergänzen, daß die Beiträge zu den Zusatzrentensystemen steuerlich nicht belastet werden und daher in bezug auf die Einkommensbesteuerung und die Belastung mit Volksversicherungsbeiträgen voll abzugsfähig sind. Ebenso83 Die Ergebnisse werden durch diese Vereinfachung nicht nennenswert beeinflußt, da zum einen mit den AOW-Renten des Jahres 1992 gerechnet wird und auf der anderen Seite während des Betrachtungszeitraums keine Anpassung der Zusatzrente vorgenommen wird. 84 Vgl. dazu etwa Dietvorst/de Lange/Smittenaar (1993), S 54. Andererseits wird grundsätzlich unterstellt, daß die Zusatzrentenregelung (wenigstens) eine Kaufkraftsicherung der Leistungen gewährleistet. Dies ist, wie oben gesehen, in der Praxis fast ausnahmslos der Fall. Ansonsten wären die zu berücksichtigenden AOW-Beträge noch niedriger. Vgl. Dietvorst/de Lange/Smittenaar (1993), S. 54 oder zu den Beträgen o. V. (1991), S. 2233. 85 Vgl. dazu Kapitel 5.3.1.3.1.2.2. 86 Vgl. van Schie/van Smeden/de Kam (1991), S. 127. 87 Vgl. Abschnitt 7.1.2.2.2.

270

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

wenig entfallen darauf Arbeitnelunerversicherungsbeiträge 88 . Gleichzeitig mindern die Beiträge für die Zusatzversicherungen die Bemessungsgrundlage für den Kompensationszuschlag. Das hat zur Folge, daß die in diesem Abschnin verwendeten Brunoverdienste mit Kompensationszuschlag etwas geringer sind als ohne Berücksichtigung der Zusatzversicherung. Nach wie vor werden aber die Einkommensklassen auf der Grundlage der APW -Einkommensvielfachen ohne Kompensationszuschlag gebildet. Als Beitrag wird ein Satz von 4,41 % vom Brunolohn ohne Kompensationszuschlag verwendet 89 . 7.2.4.2 Relative Rentenniveaus von Einverdienerehepaaren

Den Ausgangspunkt der Betrachtung bilden die Einverdienerehepaare, auf die die Zusatzrentenregelungen in erster Linie zugeschninen sind. Es fällt auf, daß der charakteristisch fallende Verlauf der Rentenniveaukurven nur noch im unteren Einkommensbereich, genauer bis zum Mindestlohn, gilt. Von da an bewirken die Zusatzrenten eine Verstetigung der relativen Bruttorentenniveaus auf einem für alle Einkommensklassen in etwa gleichen Niveau von um die 67 %, wobei die AOW-Rente eingebaut ist 90 . Der Einkommensfaktor, der bei der Bemessung der AOW-Renten keine Rolle spielt, tritt hier nunmehr deutlich hervor. Aufgrund des Pauschalleistungscharakters des AOW ist die von den Zusatzrentensystemen aufgefüllte Lücke abzulesen an der Differenz' zwischen dem Gesamtrentenniveau und dem durch das AOW vermittelten Rentenniveau - um so größer, je höher das individuelle Einkommen ist. Bereits bei 1,25 APW -Einkommen beträgt die Zusatzrente mehr als die AOW-Rente selbst, bei 2,25 APW mehr als das Doppelte derselben.

88 Vgl. dazu van Schielvan Smedenlde Kam (1991), S. 127 und 156. 89 Angesichts der enonnen Bandbreite bei den Beitragssätzen wird hier auf das Beispiel bei van Schielvan Smedenlde Kam (1991), S. 156 zurückgegriffen. 90 Zugrundegelegt wurde eine Endlohnregelung, die 70 % des letzten Bruttoverdienstes absichert. Daß bei den Bruttorentenniveaus ein niedrigerer Wert erreicht wird, hängt damit zusammen, daß die Bruttoverdienste den Kompensationszuschlag enthalten, über den jedoch keine Zusatzrentenansprüche aufgebaut werden. Bei einem Bruttoverdienst ohne Kompensationszuschlag werden Bruttorentenniveaus von etwas über 70 % erreicht, die aufgrund des Einbaus der fiktiven AOWBeträge eine leicht fallende Tendenz aufweisen. Die Berücksichtigung des einkommensabhängigen Kompensationszuschlags bewirkt, daß bis zum Erreichen der Obergrenze (bei etwa 1,75 APW) die relativen Bruttorentenniveaus leicht abnehmen und von da ab sogar wieder minimal ansteigen (von 66,3 % auf 67,7 % bei 3 APW), da ab Erreichen der Obergrenze die Zusatzrentenbemessungsgrundlage im Vergleich zum Bruttoverdienst mit Kompensationszuschlag überproportional wächst

271

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

Relative Rentenniveaus für Einverdienerehepaare mit Zusatzrente bei 40 Versicherungsjahren und voller Wohnzeit im Jahre 1992 (Haushaltseinkommenskonzept, alle Pfade) relatives Rentenniveau ID % des Einkommens

1-

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160

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APW-I:: mh ell clI

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.. 0 .... .. 0 .. _ .. 0 ..

2. 25

.. - 0 .. _ .. C

2.5

27 5

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.8 Unter Berücksichtigung von Steuern und Sozialabgaben werden auf diese Weise oberhalb des Mindestlohns komfortable relative Nettorentenniveaus zwischen 84 und 88 % erzielt, und zwar selbst in höchsten Einkommensbereichen. Die Zusatzrente erhöht somit den Absicherungsgrad um bis zu 60 Prozentpunkte bei einem sehr hohen Einkommen (3 APW-Einkommen), bei einem mittleren Einkommen (1 APW -Einkommen) um immerhin gut 20 Prozentpunkte. Dies verdeutlicht die große Bedeutung, die den Zusatzrenten für die Absicherung im Alter zukommt, besonders im Bereich mittlerer und hoher Einkommen. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, daß gegenwärtig eine vollständige Versicherungszeit von 40 Jahren noch keineswegs den Regelfall darstellt, jedoch in Zukunft immer häufiger vorkommen dürfte 91 . Zudem würden in Systemen, die eine Höchstgrenze bei der Rentenbemessungsgrundlage kennen, im oberen Einkommensbereich die Brutto- und Nettorentenniveaus niedriger ausfallen und mit höherem Einkommen abnehmen. Bedingt durch Grenzwerte bei der Einkommensteuer und den Sozialabgaben ergibt sich kein kontinuierlicher Verlauf der relativen Nettorentenniveaus. So fallt etwa bei 1,25 APW-Einkommen das relative Nettorentenniveau zunächst um knapp 3 Prozentpunkte, steigt anschließend aber wieder um fast den gleichen Betrag an. Der Grund liegt darin, daß die durchschnittliche Gesamt91 Vgl. auch Wetenschappelijke Raad voor het Regeringsbeleld (1993), S. 150.

272

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

abgabenbelastung auf Lohneinkommen an der Stelle 1,25 APW -Einkommen zunächst leicht sinkt und erst anschließend wieder deutlich zunimmt, während auf der anderen Seite die Belastung des Renteneinkommens kontinuierlich ansteigt92, Ursache hierfür ist, daß an der bewußten Stelle das Lohneinkommen die Grenze der Volksversicherungsbeiträge überschreitet, ohne daß dies durch die hinzutretende einkommensteuerliche Mehrbelastung auf der zweiten Tarifstufe überkompensiert würde, so daß sich per saldo eine Belastungsdegression einstellt. Erst danach fuhrt die Progression der Einkommensteuer wieder zu einem Anstieg der Durchschnittsbelastung, Hier zeigen sich aber auch Wirkungen des niederländischen Abgabensystems, die sowohl aus verteilungspolitischer Sicht als auch unter Arbeitsanreizgesichtspunkten als problematisch anzusehen sind93 , Festzuhalten bleibt, daß der hier modellhaft abgebildete Typ eines Zusatzrentensystems mit Endlohnregelung unter den gegebenen Annahmen eine Verstetigung des Lebenseinkommensverlaufs auf einem relativ hohen Niveau gewährleistet. Bei einem über nahezu den gesamten Einkommensbereich proportionalen Leistungstarif wird dieses System damit dem Anspruch einer ausreichenden einkommensbezogenen Ergänzung des AOW auf hohem Niveau gerecht. 7.2.4.3 Relative Rentenniveaus von Zweiverdienerehepaaren und Ledigen

Die bisherige Betrachtung der Zusatzrenten bezog sich auf Einverdienerehepaare. Es stellt sich aber die Frage, welche Ergebnisse die modellierte Zusatzrentenregelung für andere Haushaltstypen hervorbringt, Exemplarisch soll dies für ein Zweiverdienerehepaar, in dem beide eine 40jährige Versicherungszeit aufweisen und während dieser Zeit immer zu gleichen Teilen verdient haben, und für eine ledige Person mit ebenfalls 40 Versicherungsjahren im Zusatzrentensystem untersucht werden. Wichtig ist, daß in beiden Fällen, wie oftmals üblich, der gleiche Franchise-Betrag wie beim Einverdienerehepaar angewendet wird,

92 Die Gesamtabgabenbelastung (Einkommensteuer und Sozialabgaben) auf den Lohn sinkt von 37,1 % (I APW) auf 36,8 % (1,25 APW) und steigt dann wieder auf 39,8 % (1,5 APW). Die Belastung des Renteneinkommens steigt dagegen in dem Bereich kontinuierlich von 18,5 auf 21,1 %. 93 Höchstgrenzen bei der Rentenbemessungsgrundlage, wie sie in vielen Zusatzrentensystemen vorgesehen sind, kölUlen diese Effekte zwar mildem, doch keineswegs ausschließen und in Teilbereichen sogar zu noch stärkeren marginalen Sprüngen in den relativen NettorentelUliveaus führen.

273

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

Relative Rentenniveaus f"tir Zweiverdienerehepaare mit jeweils 40 Erwerbsjahren und gleichem Einkommen bei voller Wohnzeit im Jahre 1992/ AOW und Zusatzrente (Haushaltseinkommenskonzept. alle Pfade)

relatives Rentennivcau in % des Einkommens

C AOW (brutto)

200

• AüW (netto) o AOW+Zllsatzrcmc (brutto) ..... AOW+Zusatzreme netto

180 160

Mindestlohn fur Ehepaar

140 120 100 80 60

20

0.25

0,5

0.75

1.25 I 75 1.5 Emkommen in APW-Emheitell

2 25

2.5

2.75

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.9

Abbildung 7.9 zeigt, daß die Zusatzrente erst ab einem Haushaltseinkommen von 1,5 APW -Einkommen greift. Analog zum Einverdienerfall bewirkt der Einbau der AOW-Rente bei einem individuellen Einkommen bis zum Mindestlohn, daß keine Zusatzrentenansprüche erworben werden. Erst danach fuhren die Zusatzrenten zu höheren relativen Rentenniveaus im Vergleich zum AOW, die insgesamt jedoch mit Bruttowerten zwischen 38 % und 51 % und Nettowerten zwischen 50 % und 69 % erheblich geringer ausfallen als beim Einverdienerhaushalt. Besonders bemerkenswert ist dabei der Umstand, daß mit steigendem Erwerbseinkommen die relativen Bruttorentenniveaus zunehmen. Nahezu parallel dazu verlaufen die Nettorentenniveaus, die fast durchgängig um etwa 17 Prozentpunkte darüber liegen. Ein deutlich geringeres Sicherungsergebnis im Vergleich zum Einverdienerfall und steigende relative Rentenniveaus haben ihre Ursache in dem besonderen Mechanismus, der bei der Berücksichtigung der AOW-Leistung angewendet wird. Nach der am häufigsten verwendeten Methode, deren Effekte hier illustriert werden, wird pro Person der AOW-Betrag eines Ehepaares eingebaut, während tatsächlich nur jeder der beiden Personen die Hälfte dessen an AOWRente zufließt 94 . Das hat zur Folge, daß der Franchise-Betrag für den Zweiverdienerhaushalt gemessen an den realen Gegebenheiten zu hoch angesetzt ist und 94 Von der Diskrepanz zwischen fiktiven und tatsächlichen AOW -Renten sei hier abstrahiert 18 Pöhler

274

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

dementsprechend geringere Zusatzrentenansprüche aufgebaut werden. Dabei fällt der Einbau der "zu hohen" AOW-Rente um so stärker ins Gewicht, je höher der Anteil der AOW-Leistung am gesamten Renteneinkommen, d. h. je geringer das zugrundeliegende Lohneinkommen ist. Formal läßt sich der Zusammenhang recht einfach darstellen. Vernachlässigt man den Kompensationszuschlag und die Tatsache, daß nur fiktive AOW-Beträge eingebaut werden, so ergibt sich das Bruttorentenniveau RRNbr eines Zweiverdienerhaushaltes (ZV) wie folgt: RRN br = Zusatzrente + tatsächliche AOW - Rente des Haushalts ZV Haushaltsbruttolohneinkommen

RRN b' _ 2.[0' 7(

L~ - 10/7AOWE I 2· Aü?,

ZV RRN

+

L br

O,7Lbr -AOWE br - -----,-----''''ZV Lbr

br AOWE RRN ZV = O,7-l:bT

mit AOWE = und Lbr

gesamte AOW-Rente des Ehepaares Bruttolohneinkommen des Haushaltes.

Aus der letzten Gleichung erkennt man, daß das relative Bruttorentenniveau um den Quotienten aus AOW-Ehepaarrente und Bruttolohn des Haushalts systematisch von der 70 %-Zielmarke abweicht 95 . Da es sich bei der AOWRente um eine Konstante handelt, nimmt die Abweichung vom Ziel wert mit steigendem Lohneinkommen ab - die relativen Bruttorentenniveaus steigen somit mit zunehmendem Einkonunen an. Ein ähnliches Bild, wenn auch in abgeschwächter Form, bietet sich beim Ledigenfall. Wird hier ebenfalls, wie unterstellt, die AOW -Ehepaarrente eingebaut, so ist der Franchise-Betrag um die Differenz zwischen dem Ehepaarbetrag und dem um 30 % niedrigeren Alleinstehendenbetrag zu hoch angesetzt. Gemäß der obigen etwas vereinfachenden Betrachtungsweise bestinunt sich das Bruttorentenniveau für einen Ledigen folgendermaßen:

95 Tatsächlich sind darüber hinaus noch die fiktiven AOW-Beträge und der Kompensationszuschlag zu berücksichtigen.

275

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

RRN br _ 0,7(Lbr -10/7AOWE )+0,7AOWE led Lbr br _ 0,3AOWE RRN led - 0,7 b L r

Auch bei Ledigen führt somit der Einbau der Ehepaarrente mit zunehmendem Lohneinkommen zu steigenden Bruttorentenniveaus und in deren Gefolge zu steigenden Nettorentenniveaus. Der Anstieg ist allerdings nicht so deutlich wie bei den Zweiverdienerehepaaren. Insgesamt liegen die Bruttorentenniveaus auf einem um etwa 15 Prozentpunkte höheren Niveau zwischen 52 % (0,75 APW) und 63 % (3 APW). Unter Berücksichtigung von Steuern und Sozialabgaben werden damit Absicherungsniveaus von 68 % (0,75 APW) bis 80 % (um 3 APW) erzielt. Der Verlauf der Nettorentenniveaukurve reflektiert erneut die bereits bei den Einverdienerehepaaren angesprochene Problematik des Abgabensystems, in dem das Zusammenwirken von Einkommensteuer- und Sozialabgabentarifen zu Sprüngen in der durchschnittlichen Gesamtabgabenbelastung führt und einen mehrfachen Wechsel von fallenden und steigenden Abschnitten der Nettorentenniveaukurve zur Folge hat. Relative Rentenniveaus für Ledige mit 40 Versicherungsjahren bei voller Wohnzeit im Jahre 1992/ AOW und Zusatzrente (alle Pfade) relatives Rentenniveau in % des Einkommens

o AüW tbruHO)

160

• AüW (n eu o )

o AOW-. Zusat zrente t bl uno )

140

... AüW . ZlIsat zrenle \netto )

120 100

80



60

o



o.

20

0, 25

0.5

0,75

1 25 ElIlkOll1lll\:ll 111

I5

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 7.10

IS·

I 75

APW - ElIlh~ll1.:tl

2.5

~

75

276

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Es ist noch einmal zu betonen, daß der ungewöhnliche Verlauf der relativen Rentenniveaus bei Zweiverdienerehepaaren und Ledigen durch die Anwendung der nach wie vor häufigsten, aber nicht mehr ausschließlich vorkommenden Franchisemethode bedingt ist. Außerdem kann der Bereich, in dem derartige Effekte auftreten, durch Höchstgrenzen bei der Rentenbemessunsggrundlage begrenzt werden. In den Fällen, in denen beim Einbau der AOW-Rente den tatsächlichen Lebensumständen Rechnung getragen wird, entspricht das Sicherungsergebnis dann dem von Einverdienerehepaaren. Von einer solchen Abkehr von der traditionellen Einbauregelung profitierten v. a. Ledige 96 . Inzwischen aber scheint die Entwicklung wieder eine andere Richtung einzuschlagen, derzufolge in den Zusatzrentenregelungen keine Differenzierung nach Familienstand entsprechend den Bestimmungen des AOW stattfind!,!n soU 97 .

7.2.5 Exkurs: Vergleich mit den Einkommensersatzraten nach Eurostat Mit einem ähnlichen methodischen Ansatz hat Eurostat die Sicherungsergebnisse der Rentensysteme in den Ländern der EU verglichen 98 . Dabei wurden Brutto- und Nettoersatzraten fiir zwei Haushaltstypen berechnet, die ledige Person und das Einverdienerehepaar. Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage von drei Einkommensniveaus, von 2/3, 100 % und 200 % des Durchschnittsverdienstes eines Arbeiters im Verarbeitenden Gewerbe. Zusätzlich wurde zwischen einer 40- und einer 20jährigen Versicherungszeit unterschieden. Die Berechnungen reflektieren den institutionellen Regelungsstand des Jahres 1989. Für die Niederlande bedeutet dies, daß das Steuer- und Sozialabgabensystem aus der Zeit vor den weitreichenden Gort-Reformen zur Anwendung kam, welches u. a. einen siebenstufigen Einkommensteuertarif mit höheren Grenzsteuersätzen vorsah 99 .

96 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 188. 97 Vgl. Lutjens (1994), S. 26. 98 Vgl. Eurostat (I 993c). 99 Zu den landesspezifischen Annahmen vgl. Eurostat (I 993c), S. 107 - 108.

277

7.2 Modellrechnungen für unterschiedliche Haushaltstypen

Tabelle 7.8 Einkommensersatzraten für Ledige und Ehepaare im AOW nach Eurostat-Berechnungen (1989) Anteil am Durchschnittseinkommen

Alleinstehende Person mit 40 (20) Versicherungsjahren Bruttoersatzrate

66,7%

100%

200%

Nettoersatzrate

Einverdienerehepaar mit 40 (20) Versicherungsjahren Bruttoersatzrate

Nettoersatzrate

50%

66%

72%

90%

(50 %)

(66 %)

(72 %)

(90 %)

33 %

49%

48%

67%

(33 %)

(49 %)

(48 %)

(67 %)

17%

27%

(17 %)

(27 %)

24 % (24 %)

(37 %)

37 %

Quelle: Eurostat (1993c), S. 110 - 111.

Trotz eines unterschiedlichen Referenzzeitpunktes stimmen die von Eurostat für die Niederlande errechneten Einkommensersatzraten (vgl. Tabelle 7.8) mit den in Abschnitt 7.2.1.1 für Ledige und in Abschnitt 7.2.2.1 für Einverdienerehepaare ausgewiesenen relativen Rentenniveaus nahezu vollständig überein, wenn nur auf das AOW abgestellt wird. Dies gilt sowohl für die Brutto- als auch für die Nettobetrachtung. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die Zusatzrenten miteinbezogen werden. Die von Eurostat errechneten Nettorentenniveaus fallen bei Ehepaaren um bis zu 5 und bei Ledigen sogar um bis zu 17 Prozentpunkte höher aus als in unseren Berechnungen für einen vergleichbaren Fall mit 40jähriger Versicherungszeit lOO . Die Abweichungen sind dabei nur zum Teil auf die unterschiedlichen Regelungsstände im Abgabenrecht zurückzufiihren. Entscheidender ist, daß in den Eurostat-Berechnungen die Zusatzrenten nur sehr pauschal modelliert worden sind.

100 Vgl. Tabelle 7.9 und die Abschnitte 7.2.4.2 lind 7.2.4.3 sowie Tabellen A-7.14 und A-7.15 im Anhang.

278

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Tabelle 79

Nettoersatzraten für Ledige und Ehepaare mit Zusatzrente a ) nach Eurostat-Berechnungen (1989) Anteil arn Durchschnittseinkommen

Alleinstehende Person mit 40 (20) Versicherungsjahren

Einverdienerehepaar mit 40 (20) Versicherungsjahren

Nettoersatzrate

Nettoersatzrate

66,7%

88% (66 %)

90% (90 %)

100%

90% (51 %)

(67 %)

200%

93 %

89%

91 %

(51 %)

(53 %)

Anmerkung: a)Bezogen auf ein Zusatzrentensystem mit einem Leistungsniveau von 70 % des letzten Entgelts. Quelle: Eurostat (I 993c), S. 110 - 111.

So wird grundSätzlich davon ausgegangen, daß das angestrebte Sichenmgsziel, in der Regel 70 % des letzten Bruttogehalts, durch die Zusatzrente abzudecken, auch tatsächlich erreicht wird. Ausgeblendet bleibt damit v. a. die aufgezeigte Problematik beim Einbau der AOW-Rente. Die Eurostat-Berechnungen unterstellen implizit, daß bei der Bemessung der Zusatzrente immer der jeweils angemessene AOW-Satz zugrundegelegt wird, was häufig aber gerade nicht der Fall ist. In der Konsequenz kann dies - wie gezeigt wurde - bei Alleinstehenden, aber auch bei Zweiverdienerehepaaren zu beträchtlichen Einbußen in den Zusatzrentenansprüchen führen und zu den ansteigenden Sichenmgsniveaus bei zunehmendem Einkommen, die aus verteilungspolitischer Sicht bedenklich sind. Die Eurostat-Berechnungen vernachlässigen daher einen zentralen Problembereich auf dem Gebiet der Zusatzrenten.

7.3 Zusarrunenfassende Bewertung der Modellrechnungsergebnisse

279

7.3 Zusammenfassende Bewertung der Modellrechnungsergebnisse 7.3.1 Einkommensstetigkeit Betrachtet man ZWlächst nur das staatliche Kernsystem der Alterssicherung nach dem AOW, so dokumentiert der monoton fallende Verlauf der relativen Bruttorentenniveaus, daß eine Verstetigung des Erwerbseinkommens im Sinne einer Spiegelung dieser Einkommen im Alter 10 I nicht angestrebt wird. Eine solche ZielsetZWlg müßte sich im Idealfall in einer über den gesamten Einkommensbereich horizontal verlaufenden Bruttorentenniveaukurve ausdrücken. Wenn somit das AOW von seiner Konzeption her nicht auf eine Einkommensverstetigung angelegt ist, so könnte wenigstens in Teilbereichen als eine Art Nebenprodukt dennoch ein verstetigender Effekt erzielt werden, der eine Stabilisierung des durch das frühere Erwerbseinkommen vermittelten Lebenshaltungsniveaus im Alter bewirkt I 02. Dies wirft die Frage auf, welches Sicherungsniveau noch als einkommensverstetigend anzusehen ist in dem Sinne, daß es einer Aufrechterhaltung des früheren Lebenshaltungsniveaus ermöglicht. Dafür wäre es ZWlächst erforderlich zu klären, welches Lebenshaltungsniveau zugrundegelegt werden soll und unter welchen Bedingungen die Formulierung eines Zielwertes überhaupt sinnvoll erscheint. Bemerkenswert ist, daß die Frage nach einem angemessenen lebensstandardsichernden Absicherungsniveau bislang, insbesondere im Unterschied zur Armutsbetrachtung, offenbar kaum zu befriedigenden Antworten geführt hat. Selbst in Ländern, deren gesetzliche Systeme stark am Ziel der Lebensstandardsicherung ausgerichtet sind, wie in der Bundesrepublik, finden sich kaum Anhaltspunkte für eine wissenschaftlich begründete Präzisierung dieses Ziels. In der Bundesrepublik hat die Alterssicherungskommission im Jahre 1983 den Versuch einer näheren Bestimmung unternommen und postuliert, daß "... alle Alterssicherungssysteme darauf zielen sollten, dem Gesicherten nach einem erfüllten Arbeitsleben einen Lebensstandard zu ermöglichen, der hinter demjenigen Lebensstandard nicht unangemessen zurückbleibt, den ihm sein aktives Einkommen gegen Ende seines Arbeitslebens - und zwar nicht nur vorübergehend - ermöglichte." 103 Darunter versteht die Kommission, daß nach 40 bis 45 Versicherungs- bzw. Dienstjahren die Relation zwischen Nettoalterseinkommen

101 Vgl. Döring(1992a), S. 3.

102 An dieser Stelle sei noch einmal darauf verWiesen, daß unsere Modellfallbetrachtung mit relativen Rentenniveaus, also der Relation von Renten- und Erwerbseinkommen derselben Periode, operiert. Diese stellen aber eine hinreichende Annäherung an individuelle Ersatzraten, d. h. dem Verhältnis von Renten- und letztem Erwerbseinkonunen, dar. 103 Sachverständigenkommission Alterssicherungssysleme (1983), S. 141.

280

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

und Nettoarbeitseinkommen zwischen 70 und 90 % liegen sollte I 04. Eine nähere Begründung dieser Zielwerte fehlt allerdings. außerdem lehnt ein Teil der Kommission eine Quantifizierung aus methodischen Erwägungen überhaupt ab. Immerhin wird einer Festlegung von Ober- und Untergrenzen fiir die Sicherungsniveaus zugestimmt. Konsens scheint insofern zumindest daIiiber zu bestehen, daß den Rentnern ein gewisses Maß an Einkommenseinbuße aufgrund eines unterstellten geringeren Ausgabenbedarfs und anderen Vorsorgequellen zugemutet werden kann I 05. In den Niederlanden wiederum ließe sich in diesem Zusammenhang auf einen von den Tarifparteien entwickelten Standard rekurieren. demzufolge die betriebliche Zusatzaltersrente nach einer Aufbauperiode von 40 Jahren unter Einschluß der AOW-Rente 70 % des letzten Bruttogehalts ausmachen solite l06 • was zu Nettorentenniveaus knapp unter 90 % führt 107 . Wenn also die quantitative Präzisierung des Ziels Einkommensverstetigung im Sinne einer Lebensstandardsicherung insgesamt noch wenig fundiert ist und daher äußerst vage erscheint, so kann doch wenigstens festgehalten werden, daß eine solche Betrachtung offenbar nur für eine langdauernde, praktisch die gesamte Erwerbsperiode umfassende Versicherungs- oder Systemzugehörigkeitszeit sinnvoll in Frage kommt und sich zudem auf einen Vergleich von Nettoeinkommensgrößen stützen sollte. Otlen bleibt dagegen die Frage, ob sich die Verstetigung auf das Lebenseinkollunen oder das zuletzt vor dem Ruhestand bezogene Einkommen beziehen soll. In den niederländischen Zusatzrentensystemen ist die Entscheidung überwiegend zugunsten einer Orientierung am Endgehalt getroffen worden. Als grobe Richtschnur erscheint es bei aller gebotenen Vorsicht konsensfähig. eine Einschränkung des verfügbaren Einkommens um mehr als ein Drittel als nicht mehr angemessen zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards anzusehen. Akzeptiert man eine derartige Festlegung, so lassen sich aus den Modellrechnungen im Falle einer langdauernden Systemzugehörigkeit (hier: 40jährige Versicherungszeit bzw. 50jährige Wohnzeit) folgende Ergebnisse für das niederländische Alterssicherungssystem festhalten:

104 Y gl. Sachversländigenkommission Allersslcherungssysleme (1983), S. 141. 105 Als "Übersicherung" gilt demnach auf Jeden Fall ein Sicherungsniveau von über 100 %, die Untergrenze sollte deutlich über dem Sozialhilfeniveall liegen: vgl. Sachversländigenkommiss/On Alierssicherungssysieme (1983), S 142 Kritisch insbesondere zur Festlegung einer Untergrenze Schmähl (1988), S 70 - 71.

106 Die Marke von 70 % des Einkommens korrespondien Im übrigen mit den höchsten Leistungssätzen in den lohnbezogenen Sozialversicherllngsregelungen, etwa in der Erwerbsunfähigkeitsversicherung WAO oder beim Arbeitslosengeld nach dem WW. 107 Ygl. etwa Abbildung 7.8.

7.3 Zusammenfassende Bewertung der Modellrechnungsergebnisse

281

Grundsätzlich ist das staatliche Grundrentensystem AOW nicht auf eine Einkommensverstetigung angelegt. Allerdings erfahren Bezieher niedriger Einkommen im Alter nur geringfügige Einkommenseinbußen, zum Teil sogar einen Einkommenszuwachs, so daß in solchen Fällen der AOW-Rente die Funktion der Stabilisierung des Lebenshaltungsniveaus aus der Erwerbsphase zugerechnet werden kann. wenngleich diese Stabilisierung auf einem bescheidenen Niveau stattfindet. Überwiegend trifft diese Einschätzung jedoch nur auf Haushalte mit einem Einkommen unterhalb des Mindestlohnes. d. h. im Grunde nur auf Teilzeitbeschäftigte, zu108. Dem Ziel einer Einkommensverstetigung vollauf gerecht wird das AOW im Falle von Hinterbliebenen im Alter. wenn deren Alleinstehenden- mit der früheren Ehepaarrente verglichen wird. In dem Fall vollzieht sich nur ein Wechsel zwischen zwei Pauschalrentensätzen, wobei die Höhe des früheren Erwerbseinkommens und die frühere haushaltsinternen Aufteilung des Einkommenserwerbs für die Leistungsbemessung unerheblich sind. Unter Zugrundelegung der von uns verwendeten OECD-Skala erreichen Hinterbliebene sogar eine höhere Wohlstandsposition als zuvor im Eheverbund. Die Funktion der Lebensstandardsicherung kommt eindeutig dem Bereich der Zusatzrenten zu, deren häufigster Ausprägungstyp explizit auf die Verstetigung des letzten Arbeitseinkommens abzielt. Trägt der Einbau der AOW-Rente dem tatsächlichen Haushaltstyp Rechnung, so gewährleisten diese Systeme ein ausgesprochen großzügiges Absicherungsniveau von fast 90 %, bisweilen sogar bis hinauf in höchste Einkommensbereiche. Demgegenüber treten jedoch bei pauschaler Verwendung des AOW -Verheiratetenbetrages Versorgungsdefizite bei Ledigen und v. a. bei Zweiverdienerehepaaren zutage. Aus verteilungspolitischer Sicht äußerst problematisch ist zudem, daß hiervon am stärksten die Bezieher mittlerer Einkommen betroffen sind, während mit steigendem Einkommen - vorbehaltlich einer Rentenbemessungshöchstgrenze - auch das Absicherungsniveau steigt. Aus der Erwerbsphase resultierende Ungleichheiten würden durch derartige Regelungen nicht nur in die Altersphase übertragen, sondern sogar noch verstärkt. 7.3.2 Armutsvermeidung Für die Beantwortung der Frage, inwieweit das niederländische Alterssicherungssystem eine wirksame Vermeidung einkommensmäßiger Armut gewährleistet, wird für jeden der zu betrachtenden Modellfälle die von uns verwendete Arrnutsgrenze (50 % des privaten Verbrauchs pro Äquivalenzeinheit 108 Eine Ausnahme bilden die Einverdienerehepaare, die bis zu einem Haushaltseinkommen von I APW-Einkommen (Mindestlohn bei 0,58 APW-Einkommen) relative Nettorentenniveaus von über 65 % aufweisen

282

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

1992)109 mit dem Nettorenteneinkommen des Modellhaushalts auf der Grundlage verschiedener Einkommensniveaus verglichen. Graphisch, unter dem Blickwinkel der relativen Rentenniveaus. würde sich die Annutsgrenze als Hyperbel über den gesamten Einkommensbereich darstellen. Damit wären in unserem Fall drei Konstellationen denkbar:

Die Annutsgrenze liegt durchgängig unterhalb (bzw. auf) der Rentenniveaukurve (keine Annut in irgendeinem Einkonunensbereich), die Annutsgrenze liegt durchgängig oberhalb der Rentenniveaukurve (alle betrachteten Haushalte sind als einkommensarm anzusehen) oder es existiert ein Schnittpunkt zwischen Annutsgrenze und Rentenniveaukurve, wobei rechts davon die Rentenniveaukurve oberhalb der Annutsgrenze verläuft (Einkommensarmut bei allen Haushalten mit einem Einkommen unterhalb desjenigen im Schnittpunkt). Für jeden Modellfallläßt sich so ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchen Bereichen er von Annut betroffen ist. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden die Annutsgrenzen nicht zusätzlich in die Graphiken aufgenommen. Die Angaben sind Tabelle 7.10 zu entnehmen. Tabelle 7.10 gibt fiir die oben behandelten Modellfälle die Einkommensbereiche an, die unterhalb der Annutsgrenze liegen I 10. Danach bietet sich das folgende Bild: Das niederländische Alterssicherungssystem gewährleistet Ledigen bzw. Alleinstehenden durch die AOW-Rente einen wirksamen Schutz vor einkommensmäßiger Annut im Alter, zumindest dann, wenn ein voller Rentenanspruch besteht, d. h. eine Wohnzeit von 50 Jahren vorliegt oder durch anrechenbare Zeiten erfüllt werden kann 111. Dies gilt insbesondere bei einer ungünstigen Erwerbsbiographie oder für Personen, die nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Gleichermaßen gesichert sind im übrigen auch Hinterbliebene im Alter.

109 Vgl. Abschnitt 7.1.1.2. 110 Nicht aufgenommen ist der Fall der ledigen Bestandsrentner nach 20 Jahren, da dafür keine Nettobetrachtung durchgeführt worden ist. Tendenziell kann allerdings gesagt werden, daß bei einem Zurückbleiben der Rentenanpassung hinter der allgemeinen Lohnentwicklung das Armutsrisiko für alle Haushalte, die nur auf die AOW-Rente angewiesen sind, virulent ist. lll Bei einem unvollständigen AOW-Rentenanspruch besteht allerdings grundsätzlich ein Anspruch auf Ausgleich der Differenz durch die Sozialhilfe.

7.3 Zusammenfassende Bewertung der Modellrechnungsergebnisse

283

Tabelle 7.10 Einkommensarmut bei unterschiedlichen Modellfallkonstellationen Haushaltstyp

Merkmale a )

Einkommensbereich unterhalb der Annutsgrenze b)

Ledige Person

- 40 Erwerbsjahre/50 WJ. nur AOW

-

- variable Erwerbszeit/50 Wj.. nur

AOW - variable Wohnzeit, nur AOW

- variabler Erwerbsveriauf, 50 Wj., nur AOW 40 Vj./50 Wj., mit Zusatzrente

Einverdienerehepaare Zweiverdienerehepaare

Hinterbliebene

- 40 Vj./50 Wj., nur AOW

- 40 Vj./50 Wj., mit Zusatzrente - alle Erwerbskonstellationen, 50 Wj., nur AOW - beide gleiches Einkommen und 40 Vj./50 Wj., beide mit Zusatzrente

- 50 Wj., nur AOW

alle Einkommen, wenn Wohnzeit unter 49 Jahren

-

alle Einkommen Einkommen< 0,81 APW-Einheiten alle Einkommen Einkommen< 1,48 APW-Einheiten

-

Anmerkungen: a)Versicherungsjahre (Vj.) beziehen sich hier auf die Mitgliedschaft in einem Zusatzrentensystem; für den AOW-Rentenanspruch ist die Zahl der Wohnjahre (Wj.) konstitutiv. b)Annutsgrenze: 50 % des privaten Verbrauchs pro Äquivalenzeinheit 1992. Quelle: Eigene Berechnungen.

Demgegenüber bietet das AOW Ehepaaren oder unverheiratet zusammenlebenden Paaren keine ausreichende Mindestsicherung. Ganz gleich, wie die frühere Erwerbsbiographie beider Partner aussah, selbst ein voller AOWRentenanspruch genügt nicht, um die Armutsgrenze zu überschreiten. Nimmt man betriebliche Zusatzrenten des Endlohntyps mit traditioneller Einbauregelung, wie zuvor behandelt I 12, hinzu, so werden dadurch auch Ehepaare über die Armutsgrenze gehoben. Dies ist - ein vollständiger Zusatzrentenanspruch vorausgesetzt - bei Einverdienerehepaaren ab einem Haushaltseinkommen von 0,81 APW-Einheiten, bei Zweiverdienerehepaaren aufgrund der starren Einbauregelung erst ab 1,48 APW -Einkommen der Fall. D. h. bereits eine geringfügige Aufstockung der AOW-Ehepaarrente genügt, um die Armutsgrenze zu überschreiten. 112 Vgl. Abschnitt 7.2.4.

284

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

Aus dem zuletzt Gesagten ergibt sich, daß vor einer allzu schematischen Interpretation der Ergebnisse zu wamen ist. Zwar erscheinen alle Ehepaare, die nur auf eine AOW-Rente angewiesen sind, gemessen an unserem Indikator als einkommensann und alle Ledigen als nicht-ann, doch ist zu bedenken, daß der Abstand zur Annutsgrenze fiir die Ledigen äußerst gering ist. Letztere erreichen mit ihrer vollen AOW-Rente netto einen Wert von 51,8 % des privaten Verbrauchs pro Äquivalenzeinheit, wälu-end Ehepaare mit 43,3 % um knapp 7 Prozentpunkte unter der Annutsgrenze bleiben. Angesichts dieses engen Spektrums ist Vorsicht erst recht angebracht. wenn man bedenkt, welch entscheidende Einflüsse von der Festlegung des das Existenzminimum repräsentierenden Anteils am privaten Verbrauch und der Wahl der Äquivalenzskala ausgehen. Insgesamt läßt sich festhalten, daß das niederländische Alterssicherungssystem in bezug auf das Ziel der Annutsvenneidung insofem eine hohe Effektivität aufweist, als ungünstige Konstellationen in der Erwerbsbiographie nicht zu Einbußen in der staatlichen Grundrente nach dem AOW führen. Doch zeichnen sich in der Zielerreichung Unterschiede zwischen den Haushalten ab. Während einkommensmäßige Annut fiir Ledige oder Alleinstehende, Hinterbliebene eingeschlossen, durch das AOW weitgehend vennieden wird, sind (Ehe-)Paare in nicht unerheblichem Maße von Unterversorgung bedroht und damit auch stärker auf eine Aufstockung durch betriebliche Zusatzrenten angewiesen. Eine Senkung des Leistungssatzes fiir Ledige auf die Hälfte des Verheiratetenbetrages, wie verschiedentlich vorgeschlagen wurde I 13, erscheint vor diesem Hintergrund äußerst fragwürdig. Gleiches gilt im übrigen fiir eine Anpassung der AOW-Renten unterhalb der effektiven Lohnentwicklung, zumal selbst die Ledigen gegenwärtig durchaus noch im annutsgefährdeten Bereich liegen.

7.3.3 Soziale Sicherung von Frauen Dem Aspekt der sozialen Sicherung von Frauen kann man sich aus ökonomischer Sicht von zwei Seiten nähem. Unter verteilungspolitischem Blickwinkel ist zu fragen, welche Sicherungsergebnisse das Alterssicherungssystem im Einzelfall hervorbringt, wenn Bedingungen vorliegen, von denen Frauen in besonderem Maße betroffen sind. Gemeint sind damit zunächst erwerbstätigkeitsbezogene Merkmale, wie kürzere und unterbrochene Erwerbszeiten, geringe Einkommen oder Teilzeitbeschäftigung, die eine über den Arbeitsmarkt vennittelte eigenständige Sicherung im Alter gefährden können. Zur Illustration sei nur daran erinnert, daß 1992 in den Niederlanden die Erwerbsbeteiligung von Frauen (weibliche Berufsbevölkerung in Prozent der weiblichen Bevölkerung 113 So etwa diskutiert von der sogenannten Drees-Kommission; vgI. Commissie Financiering Oudedagsvoorziening (1987), S 132 - 135.

7.3 Zusammenfassende Bewertung der Modellrechnungsergebnisse

285

zwischen 15 und 64 Jahren) bei lediglich 45.7 % gegenüber 75,6 % bei Männem lag. 1991 waren 60 % der Frauen und nur 16 % der Männer Ieilzeitbeschäftigt. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Männem betrug 1992 28,46 f pro Stunde, das von Frauen lediglich 21,00 f114. Solche Gefährdungslagen sind um so bedrohlicher. je stärker das Alterssicherungssystem das Marktergebnis reflektiert und je unsicherer angesichts der zu beobachtenden Diversifizierung der primären Lebensformen 115 der Rückgriff auf abgeleitete Sicherungsmechanismen insbesondere aus dem Unterhaltsverband der Ehe ist. Daneben ist unter allokativer Perspektive zu beachten. welche Anreize vom Alterssicherungssystem selbst für die Entscheidung über die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgehen können. Regelungen. die sich aus verteilungspolitischer Sicht für Frauen als besonders günstig erweisen. mögen dabei unter verändertem Blickwinkel als möglicherweise unerwünschte Begünstigung der Nichterwerbstätigkeit erscheinen. Mit Hilfe der Modellrechnungen kann nunmehr untersucht werden. welche Sicherungsergebnisse im Hinblick auf die originären Sicherungsziele Lebensstandardsicherung und Vermeidung von einkommensmäßiger Annut das niederländische Alterssicherungssystem unter frauenspezifischem Blickwinkel hervorbringt und welches Verhalten von Frauen hierin besonders honoriert wird. Gerade für den letztgenannten Aspekt sei betont, daß allein die leistungsseitigen Mechanismen abgebildet werden, von finanzierungsseitigen Effekten muß hier abstrahiert werden. Unter verteilungspolitischen Gesichtspunkten wäre ein Alterssicherungssystem für Frauen als günstig anzusehen, wenn die Risiken, denen Frauen am Arbeitsmarkt in besonderer Weise ausgesetzt sind, ein ausreichendes Sicherungsergebnis im Alter nicht beeinträchtigen würden. Außerdem wäre im Sinne einer eigenständigen Sicherung ein System um so höher einzuschätzen. je weniger das Sicherungsergebnis darin vom familiären Unterhaltsverband abhängt. Als Nebenbedingung sollten vom Alterssicherungsystem zumindest keine negativen, nach Möglichkeit sogar positive Arbeitsanreize für Frauen ausgehen 116. Das AOW trägt den Belangen von Frauen in hohem Maße Rechnung. Weder niedrige Einkommen noch verkürzte oder unterbrochene Erwerbsverläufe ruh114 Vgl. dazu Eurostat (l993b), S 132 - 133, Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. III und Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 110 - III sowie auch Abschnitt 3.1.1.3 dieser Arbei t. 115 Vgl. hierzu Abschnitt 3.1.1 116 Eine zumindest auf lange Sicht höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen wird in den Niederlanden sowohl aus gesellschaftspolitischen Gründen als auch als Instrument gegen einen drohende Arbeitsangebotsknappheiten aufgrund des Alterungsprozesses der Bevölkerung als wünschenswert erachtet. Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 136 und die Ausführungen in Abschnitt 11.1.3.1.

286

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

ren im wohnsitzbasierten Pauschalrentensystem zu einer Beeinträchtigung des Sicherungsergebnisses im Vergleich zu Personen mit langfristiger kontinuierlicher Erwerbsbiographie, wie sie häufig auf Männer zutrifft. Durch die völlige Trennung des Rentenanspruchs vom Einkommen des einzelnen am Arbeitsmarkt erreichen auch Teilzeitbeschäftigte oder Personen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die gleichen Rentenleistungen wie Vollzeiterwerbstätige. Dies belegen die Ergebnisse für die ledigen Personen bei verkürzter Erwerbsdauer und bei unterschiedlichen Erwerbsverläufen. Insbesondere sind Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Kindererziehung für die betreffende Person nicht mit Renteneinbußen verbunden. Das staatliche AOW-Rentensystem verwirklicht somit im wesentlichen den Anspruch einer nicht nur formellen, sondern auch materiellen Gleichbehandlung von Männern und Frauen 117. Da seit 1985 auch verheiratete Frauen eigene AOW-Rentenansprüche im Prinzip allein aufgrund eigener Wohnzeiten erwerben können, ist auch innerhalb der Ehe oder einer sonstigen Lebensgemeinschaft die Eigenständigkeit der Sicherung wenigstens dem Grunde nach gewahrt. Allerdings fällt die Rentenleistung in dem Fall geringer aus als im Falle der ledigen Person, so daß, wie im vorigen Abschnitt gezeigt, das Armutsrisiko bei Paaren, die nur auf die AOWRente angewiesen sind, höher ist als bei Ledigen. Diese Feststellung unterstreicht auch der Blick auf die Hinterbliebenen im Alter, ein Fall, der aufgrund der höheren Lebenserwartung und des niedrigeren durchschnittlichen Heiratsalters in besonderem Maße für Frauen relevant ist. Danach erfahren Hinterbliebene durch den Tod des Ehepartners zumindest keine Einbußen in bezug auf ihre relative Wohlstandsposition, nach unserer Äquivalenzskala sogar eine Verbesserung, und dies unabhängig von der Aufteilung der früheren Erwerbsarbeit zwischen den Partnern. Diese Aussagen bezogen sich auf das staatliche System nach dem AOW, dem ausdrücklich das Ziel der Armutsvermeidung zugrunde liegt. Nimmt man die betrieblichen Zusatzrenten, denen in den Niederlanden die Funktion der Verstetigung des Erwerbseinkommens zukommt, hinzu, so weist dieser Bereich aus Sicht von Frauen einige Probleme auf, die allerdings in den behandelten Modellfällen nur in Teilen zum Ausdruck kommen. Nicht abgebildet werden etwa Leistungseinbußen bei verkürzter Versicherungsdauer bis hin zum völligen Verlust von Anwartschaften bei kurzen oder durch häufigere Unterbrechungen und Arbeitsplatzwechsel gekennzeichneten Erwerbsverläufen. Lange Zeit waren zudem verheiratete Frauen in vielen Systemen vom Anspruchserwerb ausgeschlossen. Aus den Modellrechnungen wird jedoch deutlich, daß in Endlohnsystemen mit starrem Einbau der AOW-Ehepaarrente unerwünschte Versorgungs117 Diese Aussage ist allerdings im Hinblick auf den einkommens geprüften Ehegattenzuschlag für einen jüngeren Partner zu relativieren. Dieser Fall tritt aber in unseren Modellfällen nicht auf. Vgl. aber die Ausführungen in Abschnitt 5.2.2.1.2.

7.3 Zusammenfassende Bewertung der Modellrechnungsergebnisse

287

lücken immer dann auftreten, wenn vom traditionellen Rollenmuster der Einverdienerehe abgewichen wird. Diese wirken sich zudem v. a. in unteren und mittleren Einkommensbereichen aus, was insofern problematisch ist, als solche Haushalte in viel stärkerem Maße auf eine Erwerbstätigkeit der Frau angewiesen sind als Haushalte mit hohen Einkommen. Derartige Zusatzrentenregelungen führen nicht nur zu verteilungspolitisch fragwürdigen Ergebnissen, auch geht von ihnen ein hemmender Einfluß auf die Erwerbstätigkeit von Frauen aus, wenn man bedenkt, daß die (Netto-) Sicherungsniveaus von Haushalten mit mittlerem Einkommen um über 30 Prozentpunkte voneinander abweichen, je nachdem, wie der Einkommenserwerb zwischen den Partnern aufgeteilt wurde. Eine traditionelle Rollenaufteilung im Sinne einer Alleinverdienerehe wird in solchen Systemen somit honoriert, während eine den tatsächlichen Lebensumständen angemessene Zusatzrentenregelung derartige Verzerrungen vermeidet. Negative Arbeitsanreize können außerdem dem AOW unterstellt werden, da selbst der völlige Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit zu keinerlei Einbußen bei der AOW -Rente führt, solange die erforderliche Wohndauer erfüllt ist 118. Dabei stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage, wie entscheidungsrelevant die vom Alterssicherungssystem ausgehenden Anreize für das Erwerbsverhalten von Frauen sind. Andere Faktoren, wie z. B. die Ausgestaltung des Steuersystems und der übrigen Bereiche der sozialen Sicherung, das Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten und nicht zuletzt das erworbene Bildungsniveau sind dabei von mindestens ebenso großer Bedeutung 119. Vor diesem Hintergrund sollte der allokative Aspekt des Alterssicherungssystems nicht überbewertet werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Ausgestaltung des staatlichen Grundrentensystems in den Niederlanden Frauen in weitestgehendem Maße davor schützt, daß Risiken aufgrund einer unsicheren Position am Arbeitsmarkt auf die Ruhestandsphase übertragen werden. Das AOW gewährleistet damit eine materielle Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Wege einer eigenständigen Sicherung. Frauen sind damit im Alter nicht auf den ehelichen Unterhaltsverband angewiesen, eher zeichnet sich für Ehepaare oder sonstige gemeinschaftliche Lebensformen ein höheres Armutsrisiko ab. We118 Wie an anderer Stelle bereits vermerkt, ist dies auch Ausdruck eines stark konfessionell inspirierten traditionellen Rollenverständnisses, das der modemen niederländischen Sozialgesetzgebung nach dem Krieg zugrunde lag. Vgl. speziell zur Entwicklung des AOW Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (I 990a), S. 24 sowie Kapitel 4 dieser Arbeit. 119 Vgl. etwa RolflWagner (1992), S. 283 oder für die Niederlande Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 136 - 138 und Bruyn-Hundt (1991), S. 419. Die passive Rolle der staatlichen Arbeitsmarkt-, Steuer- und Sozialpolitik hat dabei sicher zu der noch immer niedrigen Erwerbsbeteiligung von Frauen beigetragen. Erst mit Beginn der 90er Jahre werden Initiativen ergriffen, um beispielsweise das Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu erweiteren. Vgl. Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S 137 und Bruyn-Hundt/van der Linden (1990), S. 67.

288

7. Analyse auf der Grundlage von Modellfällen

sentlich ungünstiger gestaltet sich das Bild für Frauen im Bereich der Zusatzrenten, in denen die Rentenleistungen direkt an das individuelle Ergebnis am Arbeitsmarkt anknüpfen und darüber hinaus in vielen Fällen das Erreichen des Sicherungsziels vom Vorliegen einer traditionellen Rollenverteilung zwischen den Partnern abhängt. Solche Risiken betreffen allerdings nur das Ziel der Lebensstandardsicherung, die Mindestsicherung wird davon nicht beeinträchtigt. Insgesamt durchzieht die Regelungen der Alterssicherung in den Niederlanden nach wie vor die Vorstellung einer traditionellen Rollenverteilung. Dies hat zur Folge, daß von diesem Bereich der sozialen Sicherung für Frauen kaum Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgehen.

8. Umverteilungswirkungen im niederländischen AIterssicherungssystem 8.1 Dimensionen der Umverteilung Alterssichenmg zielt auf die Beeinflussung der Einkommensverteilung ab. So lassen sich die schwerpunktmäßig behandelten Fragestellungen nach der Aufrechterhaltung der Einkommensstetigkeit, der Vermeidung von Armut und der sozialen Absichenmg von Frauen im Alter als spezielle Ausprägungen des Oberziels einer gezielten Beeinflussung der Einkommensverteilung auffassen 1. Während also verteilungspolitische Fragen die gesamte Arbeit durchziehen, so sollen in diesem Abschnitt die redistributiven Wirkungen des niederländischen Alterssichenmgssystems in systematischer Weise, d. h. im Zusammenwirken von Leistungs- und Finanzienmgsregelungen, behandelt werden. Der Begriff der Einkommensverteilung und damit auch der der Einkommensumverteilung ist mehrdimensional. Daher ist bei jeder Analyse zunächst zu klären, was unter Einkommensverteilung zu verstehen ist und welche Dimensionen behandelt werden2. Als erstes ist festzulegen. welches Einkommen zugrundegelegt wird, d. h. ob es sich allein um monetäres Einkommen oder auch um Realtransfers oder weitere nutzenstiftende Güter und Werte handelt, ob Nominaloder Realeinkommen betrachtet werden usw .. Des weiteren ist der Gegenstand der Verteilung, die Einkommensempfängereinheit, zu bezeichnen. Hier gilt es v. a. zu klären, ob das einzelne Individuum oder eine Gruppe von Individuen, z. B. Haushalte, als Bezugseinheit verwendet werden. Alterssichenmgssysteme zeichnen sich dadurch aus, daß die Finanzierung in der Erwerbsphase und der Leistungsbezug in der Ruhestandsphase erfolgt. Daher kommt der zeitlichen Dimension der Verteilung eine besondere Rolle zu. Zu unterscheiden ist zwischen einer Querschnitts- und einer Längsschnittbetrachtung. Im ersten Fall wird die Verteilungssituation einer bestimmten Periode, etwa eines Jahres betrachtet. im zweiten Fall für identische Empfängereinheiten die Einkommensentwicklung im Zeitablauf. Im Rahmen einer Längsschnittbetrachtung sind folgende Verteilungsformen zu unterscheiden 3 : 1 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 2. 2 Vgl dazu Schmähl (1990), S. 376 - 379 3 Vgl. Schmähl (1990), S. 378. Vgl. auch Andel (1992), S 426. 19 Pöh1er

290

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Rein intertemporale Umverteilung. Dabei wird durch einen Anspar- und späteren Entsparvorgang Einkommen von der Erwerbsphase in die Ruhestandsphase übertragen. Die Lebenseinkommensposition der Bezugeinheit wird davon nicht berührt.

Versicherungsimmanenter Risikoausgleich. Hier geht es um den Ausgleich zwischen ex post vom versicherten Risiko über- und unterdurchschnittlich Betroffenen, d. h. um den Ausgleich zwischen guten und schlechten Risiken und damit um die originäre Versicherungsfunktion. So versichert eine Rentenversicherung gegen das Risiko, den eigenen Lebensunterhalt und gegebenfalls den abhängiger Familienangehöriger im Alter nicht mehr durch Erwerbsarbeit bestreiten zu können. Eine Abgrenzung zwischen Risikoausgleich und interpersoneller Umverteilung ist dabei nicht immer eindeutig, so z. B. im Hinblick auf die Beurteilung der aufgrund einer systematisch höheren Lebenserwartung zufließenden Vorteile eines längeren Leistungsbezugs etwa bei Frauen4 . Interpersonelle Einkommensumverteilung im Lebenslauf. Bei der interpersonellen Einkommensumverteilung wird die relative Lebenseinkommensposition zwischen den Bezugseinheiten durch die Ausgestaltung der Regelungen auf der Finanzierungs- und Beitragsseite verändert. Als Referenzmaßstab dient üblicherweise das Ausmaß an Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen im Sinne einer noch näher zu spezifizierenden Beitragsäquivalenz. Grundsätzlich ist danach zu unterscheiden, ob die Einkommensumverteilung innerhalb einer Alterskohorte (interpersonelle intragenerationale Umverteilung) oder zwischen verschiedenen KohOiten, d. h. zwischen Generationen (interpersonelle intergenerationale Umverteilung) stattfindet. Als weitere Dimension interpersoneller Umverteilung kann die zwischen Versicherten und Dritten, etwa im Rahmen eines Finanzausgleichs zwischen einzelnen Versicherungsträgern, aufgefaßt werden. Oftmals wird der Begriff der intergenerationalen Umverteilung auch querschnitts bezogen als Verteilung zwischen der Erwerbstätigen- und der Rentnergeneration verwendet. Als Maßstab dient im allgemeinen eine Altersausgabenquote, etwa der Anteil der Ausgaben für Alter und Hinterbliebene am Volkseinkommen oder am Blp5.

4 Vgl. dazu etwa Wagner (1985), S. 159 - 163, der darauf hinweist, daß nicht jede Begünstigung, die aus der Nichtberücksichtigung eines systematischen Risikos entsteht. etwa in Fonn einer fehlenden Beitragsdifferenzierung, als lJmverteilung zu gelten hat, sondern durchaus einen ökonomisch effizienten Risikoausgleich darstellen kann. 5 Vgl. dazu Abschnitt 3.2.2.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

291

Zur Erfassung der redistributiven Wirkungen des niederländischen Alterssicherungssystems wird eine zweiteilige Vorgehensweise gewählt. In einem ersten Schritt soll im Rahmen einer qualitativen Analyse ein Überblick über die relevanten intra- und intergenerationalen interpersonellen Umverteilungselemente der Leistungs- und Beitragsregelungen gegeben werden. In einem zweiten Schritt wird in Anknüpfung an die Modellfallanalyse versucht, interpersonelle Umverteilungswirkungen fiir bestimmte erwerbsbiographische und haushaltsspezifische Konstellationen durch eine modellierte Längsschnittbetrachtung quantitativ zu erfassen. Dies erfordert, wie zu zeigen sein wird, eine Reihe zusätzlicher Annahmen, die den Aussagegehalt der Ergebnisse einschränken. Dennoch liefert die Analyse Erkenntnisse, die aus der rein qualitativen Betrachtung zumindest nicht apriori zu erwarten sind. Überwiegend wird eine individuelle Betrachtungsweise zugrunde gelegt, um insbesondere die interpersonellen intragenerationalen Umverteilungswirkungen möglichst weitgehend zu erfassen. Betrachtet werden dabei nur monetäre Ströme, d. h. Verteilungswirkungen, die aufgrund von Unterschieden im Beitrags-Leistungsverhältnis abgebildet werden können.

8.2 Umverteilungselemente in der gesetzlichen und kollektiven Alterssicherung 8.2.1 Konzeptionelle Schwierigkeiten bei der Messung von Umverteilung

Für eine Umverteilungsanalyse ist es zunächst erforderlich, ein umverteilungsneutrales Referenzsystem zu ermitteln. Gelingt dies, so lassen sich von diesem abweichende Verteilungsergebnisse als Umverteilung interpretieren. Als Referenzsystem fiir eine soziale Alterssicherung wird üblicherweise eine am marktwirtschaftlichen Äquivalenzprinzip orientierte Versicherung herangezogen, die über die rein intertemporale Einkommensumverteilung und einen Risikoausgleich hinaus keine weiteren interpersonellen Umverteilungsvorgänge beinhaltet6 . Kennzeichnend ist, daß der Erwartungswert der Beiträge dem Erwartungswert der Leistungen entsprechen muß (technische oder lndividualäquivalenz)7. Interpersonelle Umverteilung ließe sich theoretisch dann etwa bei gegebenem Anspruchserwerb als Differenz des tatsächlich auf den Versicherten entfallenden Beitrages vom fiktiven äquivalenten Beitrag interpretieren. Natürlich könnte man auch die Versicherungspreise normieren und die Differenzen

6 Vgl. Becker (1985), S. 157 sowie auch Bösch (1987), S. 34 - 42 v. a. zur Messung intergenerationaler Umverteilung. 7 Vgl. etwa Wagner (1984), S. 11. Wagner weist aber darauf hin, daß sich eine Äquivalenz letztlich nur auf Gruppen beziehen kann. Daher ist der Tenninus mißverständlich. 19*

292

8. Umverteilungswirkungen im AlterssIcherungssystem

im Leishmgsangebot zur Umverteilungsmessung heranziehen8 . Bei realtypischen privaten Versicherungen, z. B. Lebensversicherungen, gehen in die Gestalhmg der Beiträge zusätzlich zur Erwartungswertprämie noch weitere Kostenfaktoren, wie Kosten der Informationsbeschaffung, Sicherheitszuschläge zum Ausgleich von zufallsbedingten Schwankungen des Leishmgsvolumens oder Kosten der Vertragsanbahnung und des Vertragsabschlusses mit ein, die bei der Festlegung des äquivalenten Beitrages berücksichtigt werden müßten. Allerdings würden hierbei auch Begünstigungen oder Verschlechterungen aufgrund von wirtschaftlichen oder demographischen Änderungen als Umverteilung ausgewiesen. Daher wird dieses Prinzip in der sozialpolitischen Diskussion als zu eng aufgefaßt. Eine Abschwächung der strikten individuellen Beitragsäquivalenz bietet das Konzept der Teilhabeäquivalenz. Teilhabeäquivalenz verlangt, daß die Leistungen an die Mitglieder einer Kohorte strikt proportional zu den vergangenen Beiträgen sind; der Barwert der Leistungen muß hingegen nicht notwendig dem Barwert der Beiträge entsprechen. Eine intergenerationale Umverteilung ist damit durchaus vereinbar 9 . Praktisch gleichbedeutend ist das Prinzip der strukturellen Aquivalenz lO , das sich sowohl auf private Lebensversicherungen wie auf soziale Alterssicherungssysteme anwenden läßt. Es erfordert, daß die Rentendifferenzierung innerhalb einer Kohorte gerade der Beitragsdifferenzierung in derselben Kohorte entspricht. Zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kohorten muß diese Relation indes nicht gelten. Intergenerationale Unterschiede aufgrund von wirtschaftlichen oder demographischen Entwicklungen werden danach nicht zur Umverteilung gezählt. Dieses Konzept eignet sich somit fiir die Messung interpersoneller intragenerationaler Verteilungswirkungenli. Des weiteren hat die private Lebensversicherung ebenso wie die Sozialversicherung die langfristige Finanzierbarkeit der Leistungen zu gewährleisten, d. h. zu jedem Zeitpunkt müssen die kapitalisierten Erwartungswerte der Einnahmenund Ausgabenströme gleich sein. Dieses Postulat wird auch als Globaläquivalenz bezeichnet I 2. Äquivalenz bezieht sich zunächst in erster Linie auf Nutzen, nicht auf Kosten 13. Das hat zur Folge, daß selbst wenn die Erwartungswerte von monetären Beiträgen und LeiShmgen fiir einzelne Personengruppen oder fiir ganze 8 Vgl. Bösch (1987), S. 36 - 37. 9 Vgl. etwa Homburg (1987), S. 5 - 6. 10 Vgl. dazu Wagner (1984), S. 81 - 83 und die dort zitierte Literatur. 11 Zu näheren Einzelheiten in bezug auf die Eignung für empirische Umverteilungsanalysen vgl. Wagner (1984), S. 82 und S. 192 - 205. 12 Vgl. dazu Thullen (1981), S 497 - 513. 13 Vgl. Wagner (1985), S. ISS.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

293

Generationen nicht übereinstimmen, volkswirtschaftlich dennoch nicht unbedingt eine Verletzung des Äquivalenzprinzips vorliegen muß. Die Schwierigkeit besteht eben darin abzugrenzen, was in den Nutzen der Versicherung einfließt, d. h. präzise zu definieren, was der versicherte Tatbestand ökonomisch umfaßt. Eine soziale Alterssicherung zeichnet sich dadurch aus, daß sie nicht nur das Risiko versichert, im Alter den eigenen Lebensunterhalt und gegebenenfalls den abhängiger Angehöriger nicht mehr bestreiten zu können, sondern darüber hinaus den Ansparprozeß fiir das Alter gegen unvorhersehbare wirtschaftliche Entwicklungen l4 . Da das von einer sozialen Alterssicherung versicherte Risiko somit im allgemeinen über das von einer privaten Lebensversicherung definierte hinausgeht, ist die Verwendung einer privaten Lebensversicherung als Referenzmaßstab umstritten, zumal noch hinzu kommt. daß ein idealtypisches mit einem realen System verglichen wird 15. Die Gefahr ist, daß bei einer schlichten Gegenüberstellung von sozialem Alterssicherungsystem und einer kapitalgedeckten Lebensversicherung auch solche Abweichungen von der Beitragsäquivalenz als Umverteilung interpretiert werden, hinter denen sich ein volkswirtschaftlich begründeter Risikoausgleich verbirgt. Das Umverteilungsvolumen wird dann zu groß ausgewiesen. Das Konzept der strukturellen Beitragsäquivalenz liefert damit ebenfalls noch keine befriedigende Abgrenzung zwischen interpersoneller Umverteilung und Risikoausgleich 16. Daher wird bei der Behandlung der verteilungsrelevanten Regelungen zu diskutieren sein, inwieweit es sich bei einer konstatierten Begünstigung um ein Element interpersoneller Umverteilung oder um einen versicherungsgemäßen und gesamtwirtschaftlich effizienten Risikoausgleich handelt.

8.2.2 Umverteilungselemente im AOW 8.2.2.1 Gliederung von Umverteilungselementen

In einem ersten Schritt soll zunächst ein möglichst umfassender Überblick über die verteilungsrelevanten Regelungen der Alterssicherungssysteme gegeben werden. Ausfiihrlich wird dies fiir das staatliche AOW erfolgen; filr den Bereich der Zusatzrenten ist ein solches Vorhaben ungleich schwieriger. Die bestehende Vielfalt an Ausgestaltungsvarianten macht eine umfassende Zusammenschau verteilungswirksamer Regelungen nahezu unmöglich; solches ist bisher auch noch nicht in Angriff genommen worden 17. Die Betrachtung nur 14 Vgl. Wagner (1985), S. 28 und S. 146 - 147 15 Wagner verweist darauf, daß es nirgendwo einen freien Kapitalmarkt für einen Rentenfonds gibt, der praktisch die gesamte Bevölkerung absichert. Vgl. Wagner (1985), S 152. 16 Vgl. auch Wagner (1984), S. 84. 17 So beschränkt sich beispielsweise die umfassende Studie von Devreese in dem Verteilungsabschnitt auf globale, empirisch gestützte Aussagen über die durchschnittliche Zusatzrellten-

294

8, Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

eines Systems, etwa des ABP, im Sinne einer pars pro toto-Darstellung würde aber ein verfälschendes Bild geben, da sehr spezielle Regelungen im Einzelfall bedeutende Umverteilungswirkungen entfalten können, die so nicht erfaßt würden. Dennoch soll versucht werden, aufgrund von häufig vorhandenen Regelungselementen wenigstens in groben Zügen Aussagen über relative Begünstigungen und Benachteiligungen in diesem Bereich zu treffen. Grundlage der qualitativen Betrachtung bildet ein von Wagner für die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland konzipierter Kriterienkatalog l8 , der in einem breiten Spektrum möglichst weitgehend alle relevanten Umverteilungselemente abdeckt. Die Regelungen mit umverteilendem Charakter werden in vier Blöcken zusammengefaßt 19: (I) historisch abgeschlossene Regelungen, (2) umverteilungsrelevante Regelungen für die Gesamteinkommensverteilung, (3) Regelungen in bezug auf persönliche Rentenansprüche und Beitragszahlung, (4) gruppenspezifische Differenzen beim Bezug von Leistungen. Historisch abgeschlossene Regelungen (Block I) haben nur noch Einfluß auf die gegenwärtige Rentner- und - über die Mittelaufbringungsseite - auf die gegenwärtige Erwerbstätigengeneration. Für zukünftige Rentnergenerationen sind sie aber weitgehend bedeutungslos. Allerdings genügt der Hinweis, daß im Jahr 2007 erstmals eine neueintretende Rentnergeneration die für eine volle AOWRente vorgesehene 50jährige Beitragszeit erfüllen kann, um zu unterstreichen, daß historisch abgeschlossene Regelungen eine nicht zu vernachlässigende Umverteilungskomponente darstellen. Interpersonelle intragenerationale Verteilungswirkungen gehen in erster Linie von den Regelungen über die Beitragszahlung und die persönlichen Rentenansprüche einerseits (3) und über Regelungen und Verhaltensweisen, die Differenzen beim Leistungsbezug hervorrufen (4), andererseits aus. Diese beeinflussen die relativen Einkommenspositionen innerhalb der Versichertenund innerhalb der Rentnergeneration. Die intergenerationale Verteilungsdimension wird besonders durch die Beitragshöhe, die Rentenanpassung und das Rentenniveau beeinflußt, die zum vierten Block zu zählen wären. Des weiteren haben natürlich auch Faktoren, die unter die Blöcke (3) und (4) fallen, Einfluß auf die Verteilung zwischen den leistung in Haushalten verschiedener Einkommensklassen. Daraus geht hervor. daß Zusatzrenten sehr ungleich verteilt sind, Haushalte im höchsten Einkommensdezil beziehen im Durchschnitt ein Zusatzrenteneinkommen in Höhe des Vierzehnfachen des durchschnittlichen Zusatzrentenleistung. Mit zunehmendem Alter des Haushaltsvorstands nimmt die Ungleichheit zu, Vgl. Devreese (1989), S. 194 - 202 nach Daten von 1981. Neuere Arbeiten, die Verteilungseffekte von Zusatzrentensystemen systematisch behandeln, liegen bislang nicht vor. 18 Vgl. Wagner(l984),S, 50-113, 19 VgI, Wagner (1984), S, 51, ebenso Wagner (1985), S, 149,

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

295

Generationen, so z. B. die Entwicklung der gruppenspezifischen Unterschiede in der Lebenserwartung. Im Unterschied dazu werden unter dem 2. Oberpunkt solche Regelungen subsumiert, die intergenerationale Umverteilungsvorgänge auslösen, aber innerhalb der Rentner- bzw. Versichertengeneration gleichartig wirken20 . Diese kurzen Ausführungen weisen bereits darauf hin, daß analytisch zwischen Begünstigungen aufgrund von intragenerationaler oder aufgrund von intergenerationaler Umverteilung nicht immer eindeutig getrennt werden kann. Ähnliches gilt fiir die Unterscheidung zwischen interpersoneller Umverteilung und versicherungsimmanentem Risikoausgleich. Dies wird bei der Behandlung der einzelnen Regelungselemente noch deutlicher. Gerade die Abgrenzung zwischen Umverteilung und versicherungsimmanentem Risikoausgleich spielt in der wissenschaftlichen Diskussion in Deutschland eine große Rolle und hat in der Diskussion über die Ausgliederung versicherungsfremder Leistungen aus der Sozialversicherung hohe politische Brisanz. In den Niederlanden wird dem Versicherungsprinzip in bezug auf das AOW dagegen keine derart dominierende Rolle beigemessen, wie an mehreren Stellen bereits angemerkt wurde, so daß sich die Bedeutung einer solchen Kontroverse relativiert. In Übersicht 8.1 sind die wichtigsten umverteilungsreleventen Parameter des staatlichen AOW nach der im vorigen Abschnitt behandelten Systematik aufgelistet. In der nachfolgenden qualitativen Darstellung wird auf die Wirkungsrichtung einzelner Elemente eingegangen, ohne den Anspruch zu erheben, diese im einzelnen quantifizieren zu wollen oder gar am Ende eine Saldierung vorzunehmen, um abzuschätzen, welche Personengruppen oder Kohorten in welchem Maße begünstigt oder benachteiligt sind. Statt dessen soll hier ein möglichst umfassendes Bild umverteilungsrelevanter Regelungen des AOW gegeben werden.

20 Vgl. Wagner (1984), S. 52.

296

8. Umveneilungswirkungen im AlterssIcherungssystem

Übersicht 8.1 Verteilungsrelevante Elemente im AOW

1. Historisch abgeschlossene Regelungen 1.1

Anerkennung von Wohn,~eiten vor dem 1.1.1957 als volle Versicherungsjahre (sogenannte Ubergangsvorteile)

1.2 Beitragsbemessung aufgrund des Haushaltseinkommens bis 1985 1.3 Unterschiedliche Behandlung von unverheiratet zusammenlebenden Partnern und Ehepaaren bis 1985 1.4 Unterschiede in der Zuschlagsregelung fur den jüngeren Partnera) 1.5 Beitragslose Mitversicherung des Ehepartners bei freiwilliger Versicherung

2. Verteilungsrelevante Regelungen für die Gesamteinkommensverteilung 2.1 Beitragspflicht: alle Einwohner zwischen 15 und 65 Jahren 2.2 Beitragsbemessungsgrundlage: gesamtes steuerbares Einkommen 2.3 Beitragsbemessungsgrenzen 2.4 Beitragssatz 2.5

Verwaltungskosten

2.6 Rentenniveau und Rentenanpassung 2.7 Krankenversicherung der Rentner 2.8 Weitgehender Wegfall von Sozialversicherungsbeiträgen fur AOWRentner

3. Persönlicher Anspruchserwerb und Beitragszahlung 3.1 Anspruchserwerb aufgrund von Wohnzeiten 3.2 Regelungen zur freiwilligen Versicherung bei langdauernden Auslandsaufenthalten 3.3 Einkommensbezogene Beitragsbemessung 3.4 Beitragsbemessungsgrenzen

4. Gruppenspezifische Differenzen beim Bezug von Leistungen 4.1

Pauschalrenten

4.2 Haushaltsspezifische Differenzierung in den Leistungssätzen 4.3 Absicherung von Hinterbliebenen im Alter 4.4 Gruppenspezifische Unterschiede in der Lebenserwartung 4.5 Zuschlagsregelung fur Rentner mit jüngerem Partner Anmerkung: a)Seit 1.2.1994 gilt die früher SChOll einmal bestehende Aufteilung von 50 % zu 50 % für AOW-Rente und Zuschlag. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wagner (1984). S 51.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

297

8.2.2.2 Historisch abgeschlossene Regelungen

Unter den historisch abgeschlossenen Regelungen geht der größte interpersonelle intergenerationale Umverteilwlgseffekt von den sogenannten Übergangsvorteilen aus21 . Hiervon profitieren Personen. die vor dem 1.1.1957. dem Datum des Inkrafttretens des AOW, älter als 15 Jahre waren, da Wohnzeiten zwischen dem 15. Lebensjahr des Betreffenden und jenem Datum als volle Versicherungsjahre anerkannt werden, ohne daß dafiir Beiträge zu entrichten gewesen sind. Voraussetzungen sind die niederländische Staatsangehörigkeit oder eine damit gleichgestellte (z. B. eines EU-Landes) sowie die Erfiillung von Mindestwohnzeiten in den Niederlanden. insbesondere 6 Jahre nach Vollendung des 59. Lebensjahres 22 . Ein Höchstmaß an Begünstigung erfahren Personen, die im Jahre 1957 gerade das gesetzliche Rentenalter erreichten. Diese gelangten, sofern sie die genannten Voraussetzungen erfiillten. im günstigsten Falle ohne irgendeine Beitragsleistung fiir den Rest ihres Lebens in den Genuß einer vollen AOW-Rente. Bei älteren und jüngeren Kohorten Hillt die relative Begünstigung geringer aus, im einen Fall aufgrund kürzerer durchschnittlicher Bezugszeiten, im anderen wegen einer höheren eigenen Beitragsleistung. Aber erst im Jahre 2007 wird zwn ersten Mal eine Rentnergeneration eine vollständige Beitragszeit aufweisen können. Bis die Übergangsvorteile weitgehend ausgelaufen sind, werden mindestens weitere 10 Jahre vergehen. Erst dann wird das AOW tatsächlich als ausgereiftes System anzusehen sein. Im Zuge der Systemreforrn von 1985 wurden zwei Regelungen eingefiihrt, die aus verteilungspolitischer Sicht bedeutsam sind: die Individualisierung der Beitragspflicht und die Gleichstellung von unverheiratet Zusammenlebenden und Ehepaaren. Bis 1985 wurde bei Ehepaaren das Arbeitseinkommen der Frau zu dem des Mannes hinzugezählt und auf die Summe bei der Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Beitragssatz erhoben. Das hatte zur Folge. daß auch die hinzuverdienende Ehefrau in vielen Fällen beitragsfrei versichert war. Insgesamt hatte die Umstellung eine Mehrbelastung der beitragszahlenden Kohorten gegenüber der früheren Rechtslage zur Folge, speziell bei Zweiverdienerehen. Die Gleichstellung unverheiratet zusammenlebender Paare mit Ehepaaren bedeutete leistungsseitig, daß ab 1985 unverheiratet zusammenlebende Neurentner ZUSan1lTIen eine geringere AOW-Rente beziehen als die der vorherigen Kohorten, in denen jeder einzelne die Alleinstehendenrente erhalten hat. Auf der Beitragsseite hat sich durch die Individualisierung der Beitragspflicht in diesen Fällen praktisch nichts geändert. so daß insgesamt die unverheiratet ZUSan1lTIen21 Vgl. Abschnitt 5.2.1.1.5. 22 Vgl. dazu näher de Guasco el al. (1987), S 19· 41.

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8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

lebenden Paare vorheriger Kohorten besser gestellt waren. Doch war in diesen Kohorten der Anteil unverheiratet Zusammenlebender kawn nennenswert. Ehepaare, die aber getrennt voneinander leben, werden dagegen durch die jetzige Regelung bevorteilt. Von nur geringer Bedeutung dürften die bei den restlichen angeführten Regelungen sein. Die Zuschlagregelung für AOW-Rentner mit jüngerem Partner ist mehnnals geändert worden. Die zunächst bestehende Aufteilung von 50 % zu 50 % zwischen eigener Rente und Zuschlag galt bis 1.4.1988 und wurde dann zugunsten einer 70 % zu 30 %-Aufteilung geändert23 . Ab 1.2.1994 gilt für Neurentner wieder die ursprüngliche paritätische Aufteilung. Verteilungsrelevant wird die Unterschiedlichkeit der Aufteilung bei unvollständiger Versicherungszeit oder Erwerbstätigkeit des jüngeren Partners, da dann eine Kürzung des Zuschlags bis hin zwn völligen Wegfall vorgesehen ist. Begünstigt werden in den Fällen bei unterstellter gleicher Beitragsleistung die Partnerschaften, in denen ein größerer Teil des Einkommens von Kürzungen ausgenommen ist, d. h. solche, die unter die 70 % zu 30 %-Regelung fallen 24 . Allerdings ist das dadurch insgesamt induzierte Ausmaß an Umverteilung angesichts eines niedrigen Anteils unvollständiger Versicherungszeiten25 , der Einkommensabhängigkeit des Zuschlags und einer durchschnittlichen Laufzeit von nur etwa zwei Jahren als gering einzuschätzen. Ebenfalls wenig ins Gewicht fällt die bis 1985 vorgesehene beitragsfreie Mitversicherung des Ehepartners eines freiwillig AOW-Versicherten im Falle eines Auslandsaufenthalts. Der Anteil der freiwillig versicherten Zeiten ist verschwindend gering: gemessen an den gesamten Beitragseinnahmen liegt der Anteil der freiwilligen Beiträge anhaltend unter 0,1 %26. Daneben hat seit Bestehen des AOW noch eine Reihe von Änderungen des Beitrags- und Leistungsrechts stattgefunden, die die Verteilungsrelationen zwischen Kohorten beeinflußt haben - man denke etwa an die Umstellung der Beitragsbemessung 1990. Der Hinweis genügt, wn zu zeigen, daß die hier aufgezählten Elemente keineswegs ausreichend sind, wn auch nur die Verteilungs-

23 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 5.2.2.1.2. 24 Auf Antrag kann der Zuschlag auch an den jüngeren Partner ausgezahlt werden. Unter rein zahlungstechnischer Perspektive ließe sich der im Falle der gleichmäßigen Aufteilung höhere Anspruch des jüngeren Partners, i. d. R. der Frau. dann als eine relative Begünstigung gegenüber denen interpretieren, die unter die 70 % zu 30 %-Aufteilung fallen. Allerdings erscheint die zahlungstechnische Sicht für die Aufteilung des Haushaltseinkommens ökonomisch kaum haltbar. Legt man die Pool-Annahme zugrunde, so lassen sich auf diese Weise keine verteilungswirksamen Effekte ableiten. 25 Weniger als 10 % aller AOW-Rentner beziehen Renten aufgrund von unvollständigen Versicherungszeiten. Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 92. 26 Vgl. etwa Sociale Verzekeringsbank (1993), S. 66.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

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wirkWlgen aufgrund historisch abgeschlossener Maßnahmen erschöpfend darzustellen. Die angefiihrten Regelungen wirken vorwiegend intergenerational umverteilend. Nicht eindeutig ist hingegen, inwieweit es sich dabei um risikoausgleichende Elemente handelt. Ein Risikoausgleich kann sich nicht nur zwischen Personen einer Generation, sondern auch über verschiedene Generationen vollziehen, da davon auszugehen ist, daß sich über mehrere Jahrzehnte hinweg die wirtschaftlichen Wld demographischen Rahmenbedingungen ändern werden und somit nicht nur für jeden einzelnen, sondern fiir alle Versicherten das Durchschnittsrisiko nicht berechenbar ist 27 . Nach Wagner ist auch ein solches Risiko im Rahmen einer umlagefinanzierten PflichtversichefWlg versicherbar28 . Ein intergenerationaler Risikoausgleich wäre demnach so zu interpretieren, daß eine Generation bereit ist, fiir die Gewißheit, im Alter ausreichend versorgt zu sein, gegebenenfalls höhere Beiträge im Vergleich zu den später zu erwartenden LeistWlgen zu zahlen. In dem Sinne ließen sich etwa die BegünstigWlgen aus den Übergangsvorteilen als effektiver versichefWlgsgemäßer Risikoausgleich auffassen. Die AbgrenzWlg zwischen intergenerationaler Umverteilung und intergenerationalem Risikoausgleich ist daher nicht leicht zu treffen. Hier und im folgenden soll aber jede relative BegünstigWlg einer Generation als intergenerationale UmverteilWlg aufgefaßt werden. Damit wird gewissermaßen das Höchstmaß an intergenerationaler UmverteilWlg beschrieben. 8.2.2.3 Umverteilungsrelevante Regelungen f'lir die Gesamteinkommensverteilung

Unter der GesamteinkommensverteilWlg wird hier die AufteilWlg des Volkseinkommens zwischen der Generation der Erwerbstätigen Wld der Altengene'ration verstanden. Dies entspricht der querschnitts bezogenen BetrachtWlgsweise intergenerationaler VerteilWlgsvorgänge. Referenzmaßstab ist hier die GlobaI äquivalenz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Daraus leiten sich die zentralen Parameter für die GesamteinkommensverteilWlg ab. Aus intergenerationaler Sicht maßgeblich sind die Regelungen über die durchschnittliche Beitragshöhe, das durchschnittliche Rentenniveau und die AnpassWlg der Bestandsrenten. Weitere Faktoren, wie die Höhe der VerwaltWlgsausgaben, aber auch Unterschiede in der BelastWlg von Faktor- Wld Transfereinkommen mit Steuern Wld Sozialabgaben sind an dieser Stelle ebenfalls zu nennnen. Diese Faktoren sind gleichzeitig jene Parameter, die fiir die Verteilung der demographischen Wld gesamtwirtschaftlichen Anpassungslast zur Verfiigung stehen. In der Vergangenheit hat die Altersausgabenquote insgesamt zugenom27 VgL dazu Wagner (1985), S 153 - 158. 28 VgL Wagner (1985), S. 153 und S. 155.

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8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

men, zunächst aufgrund einer Politik der Anhebung der Leistungssätze im AOW bis in die siebziger Jahre 29 . Danach, in den 80er Jahren, wurden die Leistungssätze lange Zeit eingefroren, die Rentenanpassung blieb deutlich hinter der Lohnentwicklung zurück. Das Verhältnis von AOW-Durchschnittsrente und durchschnittlichem Arbeitseinkommen sank zwischen 1980 und 1992 von 31 % auf 27 %30. Damit wurde die Anpassungslast mehr und mehr auf die Rentnergeneration übertragen. Begrenzt wird dies allerdings durch eine geringere Sozialabgabenbelastung im Alter: mit Ausnahme der A WBZ-Beiträge fallen ab dem 65. Lebensjahr keine weiteren Sozialabgaben, insbesondere keine Rentenversicherungsbeiträge an, was die durchschnittliche Abgabenbelastung der AOW-Rente etwa halbiert. Verteilungspolitisch bedeutet dies eine relative Begünstigung der Rentner gegenüber den Erwerbstätigen. Nicht eindeutig ist hingegen der Verteilungseffekt bei der Krankenversicherung nach dem ZFW. Zwar ist der Beitragssatz fiir Personen über 65 Jahren bezogen auf das AOW -Einkommen etwas geringer als der fiir sonstige Versicherte (1992: 0,75 % gegenüber 1,2 % Arbeitnehmerbeitrag), jedoch ist auf Einkommen, das die AOW-Rente übersteigt, d. h. also Zusatzrenteneinkommen, ein Beitragssatz von 6,35 % bis zur Beitragsbemessungsgrenze (1992: 46.636 f) zu entrichten. Inwieweit aus den hier skizzierten Parametern Ansatzpunkte fiir eine zukünftige Alterssicherungspolitik abzulesen sind, wird an späterer Stelle noch ausgeführt31. Intergenerationale Verteilungsgesichtspunkte spielen dabei eine besondere Rolle. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, daß alle Einwohner zwischen 15 und 65 Jahren im AOW pflichtversichert sind. Eine Umverteilung gegenüber Dritten, ein Aspekt, der in kategorialen Systemen von erheblicher Bedeutung sein kann, findet auf der Ebene der Grundsicherung nicht statt. Dazu trägt auch die breite, am steuerlichen Einkommen ausgerichtete Beitragsbemessungsgrundlage bei. Außerdem werden die Einnahmen inzwischen ohne Arbeitgeberbeteiligung vollständig aus Versichertenbeiträgen aufgebracht, so daß auch von dieser Seite her keine Umverteilungsvorgänge ausgelöst werden. 8.2.2.4 Anspruchserwerb und Beitragszahlung

In diesem und dem nachfolgenden Abschnitt werden Elemente der interpersonellen intragenerationalen oder interpersonellen Umverteilung im engeren

29 Vgl. de KamlSlerkslVeldkamp (1989), S 17. 30 Vgl. dazu Tabelle 5.5 in Kapitel 5. 31 Vgl. Abschnitt 10.4.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

301

Süme dargestellt 32 . Maßgeblich ist dafür das Postulat der strukturellen Beitragsäquivalenz. Allerdings gilt auch hier. daß dieses Postulat noch keine ökonomisch eindeutige Abgrenzung zwischen Risikoausgleich und interpersoneller Umverteilung erlaubt. Es ist es lediglich möglich, die differentiellen Wirkungen bestimmter systematischer Unterschiede in den personenbezogenen Beitragsund Leistungsstrukturen aufzuzeigen 33 . Die Erörterung dessen, was als Umverteilung und was als Risikoausgleich aufzufassen ist, kann nur anhand der einzelnen Elemente selbst erfolgen. Eine Diskussion über diese Abgrenzungsproblematik steht hier nicht im Mittelpunkt; darauf wird daher nur punktuell eingegangen. Das bedeutet wiederum, daß mit der bloßen Darstellung der verteilungsrelevanten Elemente auch hier auf jeden Fall das Höchstmaß an Umverteilung beschrieben wird. Angesichts der Einfachheit der Ausgestaltung ist die Anzahl der interpersonell verteilungsrelevanten Regelungen auf der Beitrags- wie auf der Leistungsseite vergleichsweise gering. Das bedeutet aber keineswegs, daß auch das Ausmaß an Umverteilung gering sein muß. Anspruchserwerb aufgrund von Wohnzeiten

In hohem Maße umverteilend wirkt die Regelung, daß Wohnzeiten, selbst wenn sie nicht durch Beiträge belegt sind, anspruchsbegründend sind (Punkt 3.1 in Übersicht 8.1). Diese Regelung, die ihren Ursprung in der Vorstellung vom Einverdienerehepaar als dauerhafte Sicherungseinheit hat, begünstigt Personen mit dauerhafter oder vorübergehender Erwerbsunterbrechung. In solchen Fällen tritt, sofern der Wohnsitz weiterhin in den Niederlanden verbleibt, keine Minderung der persönlichen Rentenansprüche ein. Hiervon profitieren in erster Linie Frauen, da diese eine im Durchschnitt deutlich geringere Erwerbsbeteiligung als Männer aufweisen und bedingt v. a. durch die Erziehung von Kindern häufiger Unterbrechungen in ihrem Erwerbsverlauf, insbesondere zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr, zu verzeichnen haben 34 . Allerdings ist die durchschnittliche Erwerbsbeteiligung von Frauen in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen, auch haben sich die weiblichen Erwerbsbiographien tendenziell verstetigt, so daß sich das Ausmaß der Begünstigung gegenüber vollzeiterwerbstätigen, beitragszahlenden Männern verringert hat. Dies ist ein Indiz dafür, daß die durchaus plausiblen und politisch möglicherweise gewünschten negativen Arbeitsanreize des AOW keineswegs die einzigen Detenninanten für eine Entscheidung über die Aufnahme oder 32 Wenn nachfolgend aus Vereinfachungsgründen von interpersoneller Umverteilung die Rede ist, so ist damit, wenn nichts anderes erwähnt wird, der intragenerationale Teil gemeint. 33 Vgl. Wagner (1984), S. 84. 34 Vgl. dazu HooghiemstraINiphuis-Nel/ (1993), S. 33. Danach sind 76 % der Frauen mit Kindern unter 4 Jahren nicht erwerbstätig. Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 3.1.1.3.1.

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8. Umverteilungswirkungen

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AlterssIcherungssystem

Fortsetzung der Erwerbstätigkeit darstellen; wenigstens haben sie die sozioökonomisch bedingte Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen nicht verhindert. Durch die Zugrundelegung von Wohnzeiten werden außerdem andere Personengruppen mit diskontinuierlicher Erwerbsbiographie und in besonderem Maße solche, die gar nicht in den Arbeitsmarkt eintreten, begünstigt. Besondere Problemgruppen des Arbeitsmarktes gehören dazu, wie z. B. Personen mit niedriger Ausbildung und hohem Arbeitslosigkeitsrisiko oder Behinderte und Invalide. Genauso ließen sich Personen mit langer, insbesondere akademischer Ausbildungsphase als Folge dieser Regelung als begünstigt bezeichnen im Sinne einer rentenrechtlich geförderten Humankapitalinvestition. Zum einen handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine spezielle und daher als vom Gesetzgeber gezielt vorgenommene Sonderregelung, wie beispielsweise in der Gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland im Falle der Anerkennung von Ausbildungszeiten. Außerdem wäre zu prüfen, inwieweit solche beitragslosen Zeiten nicht durch höhere Beitragszahlungen aufgrund eines dadurch ermöglichten höheren Einkommens später wieder ausgeglichen werden, zumal damit keine Ansprüche auf höhere Leistungen erworben werden. Beitragsbemessung

Die Beitragsbemessung orientiert sich am persönlichen Einkommen des Versicherten auf der Grundlage einer breiten Einkommensdefinition im Sinne des Einkommensteuerrechts. Damit ist inzwischen weitgehend sichergestellt, daß keine interpersonellen Umverteilungseffekte aufgrund von Unterschieden in der Art des Einkommensbezugs entstehen, etwa dadurch daß Bezieher von Arbeitseinkommen stärker belastet würden als andere. Eine auch in der politischen Diskussion gewichtige Ausnahme bildet allerdings die Gruppe der über 65jährigen. So ist insbesondere das Einkommen aus Zusatzrenten nicht an der Finanzierung der AOW-Leistungen beteiligt. Dieser Aspekt ist zum einen in intergenerationaler Hinsicht bedeutsam, hat aber auch interpersonelle Verteilungseffekte in der Generation der Rentner, da Zusatzrenten v. a. bei Haushalten mit hohem Einkommen anfallen. Auf die Diskussion zur Einbeziehung von Zusatzrenten in die AOW-Beitragsbemessungsgrundlage wird an späterer Stelle noch näher eingegangen35 . Der im Prinzip einkommensproportionalen Beitragsbemessung stehen auf der Leistungsseite Pauschalrenten gegenüber. Dies ist eine weitere fundamentale Abweichung vom Prinzip der strukturellen Beitragsäquivalenz und zwar zugunsten von Personen mit geringem Erwerbseinkommen, häufigen und längeren 35 Vgl. Abschnitt 10.4.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

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Erwerbsunterbrechungen oder Nichterwerbstätigen. Profitieren dürften hiervon also zu einem großen Teil Frauen, aber auch Personen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen oder Selbständige mit kleinem Betrieb und Erwerbsunfähige. Allerdings wird das dadurch bewirkte Ausmaß an Umverteilung durch die obere Beitragsbemessungsgrenze eingeschränkt, da auf darüber liegende Einkommensbestandteile keine weitere Beitragsbelastung entfallt. Auf diese Weise korrespondieren ab der Beitragsbemessungsgrenze Pauschalrenten mit pauschalen Beiträgen, so daß ab einem solchen Einkommensbereich eine Annäherung an eine strukturelle Beitragsäquivalenz stattfindet36 . Entscheidend ist hierbei, wo die Beitragsbemessungsgrenze angesiedelt ist. Im AOW liegt diese ausgesprochen niedrig bei einem jährlichen steuerbaren Einkommen37 von 42.966 f (1992) und damit sogar noch ganz knapp unterhalb des Einkommens eines durchschnittlichen Industriearbeiters APW. Die durch die Kombination aus einkommensabhängigen Beiträgen und pauschalen Renten bewirkten Umverteilungsvorgänge erstrecken sich somit v. a. auf einen Einkommensbereich unterhalb des Durchschnittseinkommens. Natürlich tragen auch Bezieher höherer Einkommen durch einen höheren durchschnittlichen Beitragssatz zur Finanzierung der Umverteilung bei, aber nur degressiv. Neben der oberen existiert auch noch eine untere Beitragsbemessungsgrenze in Gestalt des persönlichen Grundfreibetrages, der sich auf 5.225 f pro Jahr (1992) beläuft. Dieser wirkt zum einen im Sinne einer indirekten Progression zugunsten von Geringverdienern, hat aber darüber hinaus noch einen zusätzlichen Umverteilungseffekt. Zwischen (Ehe-)Partnern kann der Grundfreibetrag ganz oder teilweise übertragen werden, so daß Alleinverdiener den doppelten Betrag geltend machen können. Durch die Einbeziehung dieses Elements der Leistungsfähigkeit wird aus individueller Sicht eine relative Begünstigung von Paaren gegenüber Alleinstehenden allein schon auf der Beitragsseite bewirkt. Unter Einbeziehung der damit erworbenen Leistungen werden durch die Gleichbehandlung von Paaren mit unterschiedlicher Aufteilung des Einkommenserwerbs zudem solche mit asymmetrischer Aufteilung, insbesondere AIleinverdienerpaare zusätzlich begünstigt. Der Grundfreibetrag ist aber sehr niedrig angesetzt, so daß der Umfang der auf diese Weise induzierten Umverteilung insgesamt begrenzt bleibt.

Freiwillige Versicherung Ein interpersoneller Umverteilungseffekt dürfte ferner von der Regelung zur freiwilligen Weiterversicherung bzw. zum erstmaligen Einkauf in das AOW36 Daß es sich tatsächlich nur um eine Annäherung handelt, liegt in den leistungsseitigen Besonderheiten begründet, die im folgenden Abschnitt behandelt werden. 37 D. h. nach Abzug des Grundfreibetrages.

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8. Umverteilungswirkungen un Alterssicherungssystem

System ausgehen. Dadurch wird Personen, die ihren Wohnsitz außerhalb der Niederlande verlegt haben oder zuvor außerhalb des Landes hatten, die Möglichkeit eingeräumt, AOW-Rentenanwartschaften aufzubauen. Durch freiwillige Beiträge belegte Zeiten sind pflichtversicherten Zeiten gleichgestellt; insbesondere lassen sich so auch notwendige Zeiten für die Inanspruchnahme der Übergangsvorteile erwerben. Begünstigend wirkt dabei v. a. die Möglichkeit zum erstmaligen Einkauf, d. h. einer nachträglichen Versicherung, da grundsätzlich nur die nominalen Beiträge des Jahres, für das sich der Betreffende einkauft, auf der Grundlage des in jenem Jahr erzielten Einkommens, zugrunde gelegt werden. Wie schon mehrfach erwähnt wird die freiwillige Versicherung im AOW nur in verschwindend geringem Umfang wahrgenommen. Dazu dürfte beitragen, daß bei unvollständigen Versicherungsansprüchen der Restbetrag bis zur vollen Höhe der AOW-Rente durch die Sozialhilfe aufgestockt werden kann. Eine freiwillige Versicherung ist daher nur für Personen mit hohem zusätzlichen Einkommen attraktiv. 8.2.2.5 Gruppenspezifische Differenzen beim Bezug von Leistungen

Pauschalrenten Ein weitreichender interpersoneller Umverteilungseffekt wird durch die Kombination von einkommensbezogenen Beiträgen und pauschalen Rentenleistungen erreicht. Begrenzt wird dieser aber durch die niedrige obere Beitragsbemessungsgrenze. Darauf wurde bereits im vorigen Abschnitt näher eingegangen. Die pauschalen Leistungssätze im AOW sind aber nicht individuell einheitlich, sondern durch haushalts bezogene Differenzen gekennzeichnet. Damit kommt eine weiteres interpersonelles Umverteilungselement hinzu.

Haushaltsspezijische Differenzierung in den Leistungssätzen Das AOW kennt im Prinzip drei Leistungskategorien, die sich als Anteile am Nettomindestlohn (einschließlich Urlaubsgeld) errechnen: (Ehe-)Paare erhalten jeweils zweimal 50 % des Nettomindestlohnes, Alleinstehende 70 % und Alleinerziehende, sogenannte Einelternfamilien, 90 %, wobei letztere quantitativ unbedeutend sind38 . Das Ausmaß der Begünstigung hängt unter der Annahme gleicher Lebensdauer im Einzelfall von der zugrundeliegenden kapitalisierten Beitragssurnme ab. Bei gleich hohen und gleichverteilten Lebenseinkommen pro Haushalt schneiden Alleinverdienerehepaare am günstigsten ab. Im Rahmen der qualitativen Analyse nicht generell zu beantworten ist dagegen die Frage, ob Zweiverdienerpaare im Vergleich zu 38 So wurden 1992 ganze 194 Eineltemrenten nach Jem AOW gezahlt - weit unter I Promille aller AOW-Renten; vgL Sociale Verzekeringsbank (1993). S 85.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

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Alleinstehendenhaushalten immer begünstigt sind, da erstgenannte aufgrund der individuellen Beitragsberechnung ab einem bestimmten Einkommensniveau eine höhere Beitragsbelastung tragen. Doch schneiden Zweiverdienerehepaare auf jeden Fall im Niedrigeinkommensbereich und bei sehr hohen Einkommen besser ab als Alleinstehende39 . Die Schwierigkeit rührt daher, daß die Beitragsseite fast vollständig individualisiert ist, während die Leistungssätze eine haushaltsbezogene Differenzierung enthalten. Somit birgt das Schisma zwischen individualisierter Beitrags- und haushaltsbezogener Leistungsbemessung ein Element interpersoneller Umverteilung. Gruppenspezifische Unterschiede in der Lebenserwartung und Absicherung von Hinterbliebenen im Alter

Die Absicherung von Hinterbliebenen im Alter wird durch die Alleinstehendennorm gewährleistet, wobei im Unterschied zur früheren Regelung vor 1985 die individuell erworbenen Ansprüche maßgeblich sind und nicht etwa die des verstorbenen Ehemannes. Aufgrund der zum Zeitpunkt des Renteneintritts im Durchschnitt um etwa 4 1/2 Jahre höheren Lebenserwartung von Frauen und angesichts des Umstandes, daß die Ehemänner im Mittel 2 Jahre älter sind als ihre Ehefrauen, trifft die Hinterbliebenenregelung überwiegend auf Frauen zu. Da besonders in der Vergangenheit die Beitragszahlung v. a. von Männem geleistet wurde, begünstigt die Hinterbliebenenabsicherung in Gestalt der Alleinstehendennorm in hohem Maße Frauen. Diese Begünstigung kann aber mit einiger Berechtigung als interpersoneller Risikoausgleich betrachtet werden, wenn man unterstellt, daß der Versicherungsvertrag implizit vor der Geburt abgeschlossen wurde, zu einem Zeitpunkt also, in dem das systematische Risiko einer längeren Lebenserwartung fiir den einzelnen selbst noch unbekannt ist. Eine solche Prämisse ist insbesondere sinnvoll, wenn - wie im AOW - die gesamte Bevölkerung zwangsversichert ist. Eine den Risiken entsprechende geschlechtsspezifische Beitragsdifferenzierung kann überdies aufgrund unerwünschter Nebeneffekte, beispielsweise negativer Anreizeffekte auf das Arbeitsangebotsverhalten von Frauen, volkswirtschaftlich ineffizient sein40 . Immerhin ist das AOW aufgrund des rein wohnsitzgestützten Anspruchserwerbs auf jeden Fall invariant gegenüber Kumulationen von abgeleiteten und eigenen Ansprüchen, die bei zunehmender Erwerbsbeteiligung von Frauen in erwerbszentrierten Rentenversicherungsystemen zunehmend häufiger auftreten und zu Überversorgungstendenzen fuhren können.

39 Vgl. aber hierzu auch die Ergebnisse der quantitativen Analyse in Abschnitt 8.3. 40 Vgl. dazu Wagner (1985), S. 161. 20 Pöhler

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8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Relative Begünstigungen und Benachteiligungen aufgrund von systematischen Unterschieden in der Lebenserwartung ließen sich nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern auch in Abhängigkeit von bestimmten sozioökonomischen Kriterien feststellen, etwa dem Bildungsabschluß, der beruflichen Stellung41 oder der Wohnregion. Solche Verteilungseffekte sind aber erst recht als Risikoausgleich zu interpretieren. Eine diesbezügliche Beitragsdifferenzierung wäre noch weniger praktikabel; sie würde zudem Anpassungsreaktionen der Betroffenen hervorrufen, die gesamtwirtschaftlich nicht wünschenswert sind.

Zuschlagregelung für Rentner mit Jüngerem Partner Eine letzte für die interpersonelle Verteilung relevante Bestimmung im AOW ist die Zuschlagsregelung für Rentner mit jüngerem Partner, die in Abschnitt 8.2.2.2 schon aus intergenerationaler Sicht behandelt wurden. In intragenerationaler Hinsicht begünstigt werden durch die Zuschlagsregelung auf jeden Fall eine gleiche Beitragsleistung und eine gleiche individuelle Lebenserwartung vorausgesetzt - (Ehe-)Paare mit einer großen Altersdifferenz zwischen den Partnern. Hinzu kommt, daß der Zuschlag in bezug auf das Arbeitseinkommen des jüngeren Partners einem Kürzungsvorbehalt unterliegt42. Die Umverteilung ist danach in den Fällen am größten, in denen der jüngere Partner, in der Regel die Frau, nicht erwerbstätig ist. In diesem Fall handelt es sich eindeutig nicht um ein risikoausgleichendes Element, da durch eine Aufgabe der Erwerbstätigkeit der Umverteilungsvorgang im Sinne eines moral hazard bewußt herbeigefUhrt werden kann.

8.2.3 Verteilungsrelevante Diskrepanzen im Bereich der Zusatzrentensysteme Eine ähnlich detaillierte Diskussion von Einzelregelungen wie im AOW ist angesichts der Vielfalt an Ausgestaltungsmustern im Bereich der Zusatzrenten nicht möglich, nicht zuletzt deshalb. weil eine umfassende Gesamtschau der Regelungen auf niedrigem Aggregationsniveau bislang nicht existiert. Grund41 Dabei ist allerdings zu vermuten, daß Personen mit hohem Einkommen im Verlauf ihres Erwerbslebens auch eine höhere kapitalisierte Beitragssumme entrichten. Andererseits kann die Erwerbsphase aufgrund einer längeren Ausbildungszeit in diesen Fällen auch geringer sein als bei Niedrigverdienern. Letztere dürften hingegen in größerem Ausmaß Möglichkeiten des vorzeitigen Ruhestandes in Anspruch nehmen. Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Arbeitem und Angestellten wurden für die Bundesrepublik seitens des VDR untersucht; vgl. Re~re/diScheitl (1991), S. 304. 42 In der Koalitionsvereinbarung der neuen Regierung von August 1994 ist vorgesehen, die Höhe des Zuschlags vom zusätzlichen Einkolllmen des Rentenempf'ingers abhängig zu machen. Vgl. Europäische Kommission (1995), S. 43. Dies ist aber bislang noch nicht ulllgesetzt worden.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

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sätzlich sind die Zusatzrentensysteme aufgrund der Bestimmungen des PSW nach dem Kapitaldeckungsverfahren zu finanzieren. Daraus ergibt sich bereits systemintern eine große Nähe zum versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip. Interessanter erscheinen daher die zwischen einzelnen Systemen bestehenden Regelungsunterschiede im Hinblick auf deren distributive Konsequenzen für die Rentnergeneration. Solche Unterschiede können bei gleichen Erwerbsbiographien zu differierenden Absicherungsergebnissen im Alter führen, selbst wenn in jedem einzelnen System strukturelle Beitragsäquivalenz herrschen würde. Vor diesem Hintergrund wird hier auf der Grundlage des bisherigen Kenntnisstandes ein Überblick über wichtige Regelungsunterschiede bei der Beitrags- und Leistungsgestaltung im Hinblick auf daraus resultierende relative Begünstigungen oder Benachteiligungen von Personengruppen gegeben43 . Die Darstellung orientiert sich dabei an folgenden Kriterien: dem Kreis der gesicherten Personen, der Bemessung der Altersrente, insbesondere des Einbezugs der AOWRente, der Hinterbliebenenversorgung, der Anpassung von Ansprüchen und Leistungen, der Übertragbarkeit von Ansprüchen und Leistungen, der Behandlung von Teilzeit- gegenüber Vollzeitbeschäftigten und der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Kreis der gesicherten Personen

Nachdem bis Mitte der 80er Jahre fast ein Viertel der Beschäftigten nicht an einer Zusatzrentenregelung teilnahm, hat sich der Anteil mittlerweile auf über 90 % erhöht. Bei den Nichtgesicherten handelt es sich v. a. um Beschäftigte in kleinen, nichttarifgebundenen Unternehmen, besonders im Einzelhandel und kleinen Dienstieistungsunternehmen. In diesen Branchen ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten besonders hoch. Daher sind auch überwiegend Frauen betroffen44 . Unter den Gesicherten sind 3/4 Männer, nur 1/4 Frauen; 88 % aller Gesicherten sind vollzeit-, 12 % teilbeschäftigt. Angesichts einer gesamtwirtschaftlichen Teilzeitbeschäftigtenquote von 33 % sind Teilzeitkräfte unterdurchschnittlich 43 Die Darstellung stützt sich dabei in wesentlichen Teilen auf die Ergebnisse einer Erhebung der Pensioenkarner aus dem Jahre 1987. an der über 10.000 Arbeitgeber des privaten Sektors teilgenommen haben. Einbezogen wurde ferner der ASP; vgl. Pensioenkamer (1989). Neuere systematische Erhebungen liegen nicht vor. 44 Vgl. Lutjens (1994), S. 23. 20'

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vertreten. Unter den Teilnehmern an einer Zusatzrentenregelung liegt der Teilzeitbeschäftigtenanteil von Frauen bei 40 % gegenüber 3 % bei den Männem.

Bemessung der Altersrente 85 % der Gesicherten fallen unter ein reines Endlohnrentensystem oder ein kombiniertes End- und Durchschnittslohnsystem. Auf die im allgemeinen weniger großzügigen Durchschnittslohnregelungen oder Systeme mit Festbeiträgen verteilen sich die restlichen 15 %. Ein Endlohnsystem basierend auf dem Lebensjahreprinzip, wonach rentensteigernde Lohnerhöhungen auf der Grundlage aller potentiell versicherten Jahre ab dem Beginn des Versicherungsalters zugrundegelegt werden45 , gilt für 18 % aller Gesicherten, u. a. in der Metallindustrie. Für 67 % der Gesicherten gilt das Dienstjahreprinzip, darunter auch im ABP. Beim Dienstjahreprinzip zählen nur die tatsächlich versicherten Dienstjahre. Wenngleich ein maximal erreichbares Bruttorentenniveau von 70 % des letzten oder des durchschnittlichen Bruttogehalts üblich ist, so fallen doch etwa 1/4 der Teilnehmer unter eine Zusatzrentenregelung, die nur ein entsprechendes Niveau von 50 % oder 60 % ermöglicht46 . Eine weitere wichtige Regelung für das erreichbare Absicherungsniveau im Alter stellt die Art der Anrechnung der AOW-Rente dar, da im Prinzip nur für den Teil des Gehalts Zusatzrentenansprüche aufgebaut werden, der über diesen sogenannten Franchise-Betrag hinausreicht. Es wurde in den Modellrechnungen gezeigt, welche Wirkungen die unterschiedlichen Anrechnungsvarianten haben47 . Die pauschale Anwendung des AOW-Rentenbetrages für ein Ehepaar findet man noch immer am häufigsten vor - nach Erhebung der Pensioenkamer in 45 % der Rentenfälle 48 . Dadurch verfehlen Alleinstehende und Zweiverdienerpaare systematisch das Versorgungsziel. Zudem hat dies den verteilungspolitisch höchst bedenklichen Nebeneffekt, daß in diesen Fällen die Abweichung in den unteren Einkommensklassen aufgrund des höheren Anteils des Franchisebetrages an der Leistungsbemessungsgrundlage am größten ist. In lediglich 40 % der Fälle ist bei den Zusatzrenten eine Differenzierung des Franchisebetrages und damit der Zusatzrente zwischen Alleinstehenden und Ehepaaren vorgesehen. In weiteren Fällen gibt es zwar eine Differenzierung des Franchisebetrages zwischen verheirateten und nichtverheirateten Männern, nicht jedoch eine entsprechende Regelung für Frauen, mit dementsprechend nachteiligen Folgen für alleinstehende Frauen. 45 VgL dazu Abschnitt 5.3.1.3.1.2.

46 VgL LUljens (1994), 30. 47 VgL Abschnitt 7.2.4. 48 VgL Pensioenkamer (1989), S. J 88

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

309

Dieser Anteil ist aber infolge einer 1988 in Kraft getretenen Gesetzesändenmg nach dem ErhebWlgszeitpunkt stark gesunken49 . Einen distributiven Effekt haben die RegelWlgen über die Fortsetzung des Anspruchserwerbs bei Arbeitslosigkeit Wld Arbeitsunfähigkeit. Für über 80 % der Teilnehmer an einer ZusatzrentenregelWlg gilt, daß bei voller ArbeitsWlfähigkeit der Autbau von Ansprüchen fortgesetzt wird, überwiegend werden dabei die Ansprüche an die laufende LohnentwicklWlg angepaßt. In etwa 3/4 aller Fälle brauchen ArbeitsWlfähige fiir solche Zeiten keine Beiträge zu entrichten. Seit 1988 wird fiir Arbeitslose ab 40 Jahren fiir die Dauer des Bezugs einer lohnabhängigen Arbeitslosenleisttmg die FortsetzWlg des Rentenautbaus aus Mitteln des Versichenmgsfonds FVP finanziert 50 . Damit wurde eine flächendeckende, einheitliche RegelWlg geschaffen. Bis dahin fielen nur knapp 60 % der Teilnehmer an einem Zusatzrentensystem Wlter eine ZusatzrentensatzWlg, die eine Fortsetztmg des Rentenautbaus vorsah. Hinsichtlich der Möglichkeit zur FortsetzWlg des Anspruchserwerbs bei Arbeitslosigkeit wie auch bei den RegelWlgen bei Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um typische Elemente des versicherungsmäßigen Risikoausgleichs.

Hinterbliebenenrenten Praktisch alle Zusatzrentensysteme enthalten Hinterbliebenenregelungen. So sahen 1987 99,5 % der Systeme eine Witwenrente, 79,9 % eine Witwerrente vorS 1. Hierdurch findet in erheblichem Maße eine Umverteilung zugWlsten von hinterbliebenen Ehefrauen statt, die überwiegend, insbesondere in der Vergangenheit, an der Finanzierung nicht beteiligt waren. Mit der zWlehmenden Erwerbsbeteiligtmg Wld einer stärkeren Einbindung in Zusatzsysteme dürfte sich das dadurch bewirkte Ausmaß an Umverteilung zugWlsten von Frauen reduzieren, da sie stärker an der Finanzierung beteiligt werden; dennoch bleibt es weiterhin bedeutend.

Anpassung von Ansprüchen und Renten Eine AnpassWlg der Ansprüche anhand der effektiven LohnentwicklWlg ist den endlohnorientierten Systemen immanent, so daß etwa 85 % aller Teilnehmer an einer Zusatzrentenordnung in den Genuß einer solchen RegelWlg kommen. In den übrigen Fällen ist ebenfalls eine AnpassWlg der Ansprüche an die gesamtwirtschaftliche EntwicklWlg vorgesehen, die teils regelgebWlden, teils diskretionär erfolgt. Es ist aber nicht von vornherein klar, ob Wld inwieweit die 49 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 187. 50 Vgl. dazu Nieuwenhuizen (1991), S 59 - 60. 51 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 119.

310

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

davon Betroffenen gegenüber den Teilnehmern an einem endlohnorientierten System benachteiligt sind. Irgendeine Form von Anpassung der Ansprüche ist bis auf wenige Ausnahmen flächendeckend gegeben52 . Nennenswertere Abweichungen bestehen aber im Hinblick auf die Anpassung von beitragsfreien Ansprüchen, etwa bei Arbeitslosigkeit, Invalidität oder dem Wechsel des Arbeitgebers. In allen Systemen, die das Lebensjahreprinzip anwenden, erfolgt automatisch eine lohnbezogene Anpassung; dies betrifft etwa 18 % aller Teilnehmer. Für alle übrigen ist in knapp 2/3 der Fälle eine Anpassung nach einem festgelegten Index vorgesehen. Immerhin 1/3 aller Zusatzrentenversicherten rallt dagegen unter eine Regelung ohne Anpassung beitragsloser Ansprüche. Bestandsrenten aus Zusatzsystemen sind in etwa 70 % der Fälle indexiert, überwiegend, so auch im ABP, gemäß der Lohnentwicklung. Eine Anpassung der Bestandsrenten fand in den übrigen Fällen in der Vergangenheit ebenfalls statt, doch lag dem kein geregelter Anpassungsmechanismus zugrunde. 6 % der Zusatzrentenempfanger blieben dagegen im Untersuchungszeitraum von 1984 bis 1986 von Rentenerhöhungen ausgenommen 53 .

Übertragbarkeit von Ansprüchen 54 Die Möglichkeiten zur Übertragung von Ansprüchen im Falle des Unternehmenswechsels haben sich durch die Einrichtung und den Ausbau von Sicherungsfonds verbessert; der Anteil der Gesicherten ist deutlich gestiegen. Einen großen Beitrag leistete dabei der Beitritt des ABP zum Sicherungsfonds SDS. Sicherungslücken bestehen hingegen noch im privaten Sektor, wo 1989 noch knapp ein Drittel der Teilnehmer keinen derartigen Schutz genossen. Inzwischen ist aber eine gesetzliche Regelung in Vorbereitung, die vorsieht. eine Sicherung von Ansprüchen im PSW zu verankern.

Die Behandlung von Teilzeit- gegenüber Vollzeitbeschäjiigten Zunächst ist festzuhalten, daß zumindest lange Zeit ein Großteil von Teilzeitkräften (1989: 43 %) nicht an einer Zusatzrentenregelung teilnehmen konnte 55 . Hiervon sind fast ausschließlich Frauen betroffen. Dieser Anteil dürfte sich inzwischen aber verringert haben. In den Fällen, in denen Teilzeitkräfte an einer Zusatzrentenregelung teilnahmen, war in immerhin 12 % der Fälle außerhalb

52 Vgl. Pensioenlwmer (1989), S. 190. 53 Vgl. Pensioenlwmer (1989), S. 190. 54 Vgl. zu diesem Komplex, auch die Ausführungen in Abschnitt 5.3.1.3.4. Insbesondere zur Möglichkeit der Auszahlung von Anwartschaften vgl. Abschnitt 5.3.1.1.2. 55 Vgl. Pensioenlwmer (1989), S. 105.

8.2 Umverteilungselemente in der Alterssicherung

311

des ABP kein gleichwertiger Anspruchserwerb möglich. Insgesamt waren davon 8 % aller zusatzrentenversicherten Teilzeitkräfte betroffen56 . Aufgnmd des Einbaus der AOW-Rente ist bei vielen Teilzeitbeschäftigten allerdings ohnehin fraglich, ob ihr Einkommen ausreicht, um damit nennenswerte Zusatzrentenansprüche zu erwerben, zumal vielfach Erwerbsunterbrechungen hinzukommen. Aus dem Grunde dürfte die Beseitigung von Zugangsbeschränkungen für Teilzeitkräfte allein nur wenig zu einem verbesserten Absicherungsniveau von Teilzeitbeschäftigten durch Zusatzrenten im Alter beitragen.

Ungleichbehandlung von Männern und Frauen Im Zusatzrentenbereich fand sich jahrelang eine Vielzahl von frauendiskriminierenden Regelungen, die zumindest die Einkommensverteilung in der heutigen Rentnergeneration beeinflußt haben. Die meisten von diesen werden in Kürze vor dem Hintergnmd des EU-Rechts geändert werden 57 . Eine Vielzahl von Gründen hat dazu geführt, daß Mitte der 80er Jahre 37 % der abhängig beschäftigten Frauen über keine Zusatzrentenansprüche verfügten. Als wichtigste sind zu nennen 58 : Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten oder Arbeitnehmern mit zu geringem Lohn (16 %); Beschäftigung bei einem Arbeitgeber ohne Zusatzrentensystem (8 %); Auschluß von Frauen oder verheirateten Frauen (5 %). Zudem werden Frauen in besonderem Maße von den häufig noch unzureichenden Regelungen zur Anspruchswahrung bei Erwerbsunterbrechungen betroffen. Nachteilig für Ehepaare, in denen die Frau ebenfalls erwerbstätig ist, aber auch für Alleinstehende wirkt ferner die pauschale Anwendung des AOWVerheiratetensatzes für jeden einzelnen bei der Bemessung des Franchise-Betrages. Dem stehen andererseits einige frauenbegünstigende Regelungen gegenüber, die aber nur wenig verbreitet waren und im Zuge der Gleichbehandlung noch weiter zurückgehen dürften. Die wichtigste ist die geringe Verbreitung von Witwerrenten. Ende der achtziger Jahre fielen 17 % der Teilnehmer an einem Zusatzrentensystem unter eine Regelung, die eine Witwen-, aber keine Witwerrente vorsah59 . Allerdings ist anzunehmen, daß der dadurch ausgelöste Frauen

56 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 187. 57 Vgl. Luljens (1994), S. 31. 58 Vgl. Pensioenkamer (1987), S. 29 - 31 und Luljens (1994), S. 31. 59 Vgl. Pensioenkamer (1989), S. 193.

312

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

begünstigende Verteilungseffekt allein schon angesichts der geringen Ansprüche von Frauen auf eigene Renten, aber auch aufgrund der größeren Lebenserwartung und der Differenzen im Heiratsalter, sehr begrenzt ist. Vereinzelt gibt es ferner Systeme mit niedrigerer maximaler Versicherungsdauer, niedrigeren Altersgrenzen und einem niedrigeren Franchise-Betrag für Frauen. Von solchen Regelungen waren im Höchstfall nicht mehr als 6 % aller Teilnehmer betroffen. Stärker als die hier skizzierten Regelungen dürften hingegen die schon angesprochenen durchgängig vorhandenen Witwenrentenregelungen zugunsten von Frauen wirken.

8.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse der institutionellen Betrachtung In den Verteilungswirkungen unterscheiden sich Zusatzrentensysteme und das staatliche AOW erheblich. Im AOW wirkt die Kombination aus einkommensbezogenen Beiträgen und pauschalen, priniziell einkommensunabhängigen Rentenleistungen in hohem Maße umverteilend zugunsten von Nichterwerbstätigen, Personen mit niedrigem Einkommen und solchen mit häufigen und längeren Erwerbsunterbrechungen. Insbesondere Frauen gehören damit zu den Begünstigten, nicht zuletzt auch aufgrund einer höheren Lebenserwartung, wobei dieser Teil von Begünstigung aber dem versicherungsgemäßen Risikoausgleich zuzurechnen ist. Aufgrund der breiten Bemessungsgrundlage sind im Prinzip alle, zumindest einkommensteuerlich relevanten Einkommen in den Umverteilungsprozeß eingeschlossen. andererseits ist das Umverteilungsvolumen durch eine niedrige obere Beitragsbemessungsgrenze eingeschränkt. Nicht eindeutig fällt die Beurteilung im Hinblick auf einzelne Haushaltstypen aus. Umverteilungseffekte entstehen v. a. durch eine weitgehende Individualisierung auf der Beitragsseite und eine nach wie vor haushalts bezogene Bemessung der Leistungssätze. Unter dem Kriterium einer rein individuellen Beitragsäquivalenz dürften Einverdienerehepaare unter der Annahme eines gleichen Haushaltseinkommens tendenziell besonders gut abschneiden, Alleinstehende schlechter und insbesondere Zweiverdienerehepaare am ungünstigsten. Entscheidend hierfür ist aber im Einzelfall die zugrundeliegende kapitalisierte Beitragssurnme. Insgesamt ist die Zahl interpersonell intragenerational umverteilend wirkender Regelungen im AOW überschaubar. Aus intergenerationaler Sicht hervorzuheben sind besonders die sogenannten Übergangsvorteile aus der vollen Anerkennung von Wohnzeiten, die vor dem Einfühnmgsdatum des AOW im Jahre 1957 liegen. ohne daß diesen Beitragszahlungen zugrunde liegen müssen. Dadurch realisieren auch noch die heutigen Rentnerkohorten einen intergenerationalen Vorteil, der aber für zukünftige Rentnerjahrgänge immer mehr abnimmt. Im Hinblick auf die intergenerationale Lastverteilung findet zudem die Tatsache. daß AOW-Rentner mit keiner Ein-

8.2 Umverteilungselemente

in

der Alterssicherung

313

kommensart an der Finanzienmg der AOW-Renten beteiligt sind, in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion um die Finanzierung zukünftiger Altersausgaben eine zunehmende Beachtung60 . Anders als das AOW orientieren sich die Zusatzrentensysteme am Prinzip der strukturellen Beitragsäquivalenz, doch bestehen zwischen den Zusatzsystemen zum Teil erhebliche Diskrepanzen allein bei der Leistungsbemessung und dem Anspruchserwerb. Bedeutende Unterschiede finden sich in der Abgrenzung des versicherten Personenkreises und der Definition der Leistungsbemessungsgrundlage (Endlohnsysteme oder andere Regelungen). Hierzu gehören ferner die Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung von realen Ansprüchen bei Erwerbsunterbrechungen oder dem Wechsel des Arbeitgebers und nicht zuletzt die Varianten zur Berücksichtigung der AOW-Rente. Gerade der letztgenannte Aspekt fUhrt vielfach, wie gezeigt wurde, zu relativen Benachteiligungen von Alleinstehenden und Zweiverdienerehepaaren sowie innerhalb dieser Gruppen zu einer relativen Begünstigung von Beziehern hoher Einkommen und dadurch tendenziell auch zu einer Umverteilung zu Lasten von Frauen61 . Die Diskrepanzen in den Systemen spiegelen sich auch in der Bandbreite der Beitragssätze wieder. Die Höhe des vom Arbeitnehmer zu zahlenden Beitragsanteils variiert in etwa zwischen 3 %und 12 % der Beitragsbemessungsgrundlage. Die Arbeitgeberbeiträge müssen mindestens 50 % des Gesamtbeitrages ausmachen; in manchen Fällen zahlt der Arbeitgeber auch den gesamten Beitrag 62 . Im Hinblick auf die Absichenmg von Frauen hat sich gezeigt, daß die Zusatzrentensysteme auf deren besondere Erwerbssituation, die sich in einer hohen Teilzeitquote und einem höheren Risiko von Unterbrechungen in der Erwerbstätigkeit ausdrücken, selbst nur schlecht eingerichtet sind63 . Hinzu kamen zumindest in der Vergangenheit einige bewußt frauendiskriminierende Bestimmungen. Der Erwerb eigener Zusatzrentenansprüche wird Frauen dadurch vielfach erschwert. In diesem Bereich hat sich viel stärker noch als im AOW das traditionelle Leitbild des Alleinverdienerehepaars gehalten, indem der Mann dauerhaft einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht.

60 Vgl. zu einer Diskussion diesbezüglicher Refonnvorschläge Abschnitt 10.4.4.2.2. Indirekt sind die Rentner durch die Nettoanpassung der Bestandsrenten gegenwärtig bereits an der Finanzierung beteiligt. 61 In Zwetverdienerhaushalten sind natürlich auch Männer von den nachteiligen Konsequenzen betroffen. 62 Vgl. Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (1990a), S. 124 oder Luljens (1994), S. 28. Vgl. auch die Ausführungen in den Abschnitten 5.3.1.4 und 5.3.2.4. 63 [n vielen Fällen ist der Ausschluß von Frauen (z. B. bei niedrigem Gehalt) Konsequenz der Erwerbsbiographie und innerhalb eines Einbausystems damit systemimmanent.

314

8. Umveneilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Ein Ausdruck dessen ist aber auf der anderen Seite auch die Verbreitung von Witwenrentenregelungen, die wiederum unter dem Aspekt struktureller Beitragsäquivalenz eine bedeutende relative Begünstigung von Frauen zur Folge hat. Dieser Effekt ist in den Fällen am größten, in denen die Frau selbst nicht zur Finanzierung beigetragen hat, also insbesondere bei dauerhafter Nichtwerwerbstätigkeit. Die These, daß der Bereich der Zusatzrentensysteme unter Verteilungsaspekten grundsätzlich frauenbenachteiligend wirkt, ist jedenfalls unter Äquivalenzgesichtspunkten pauschal so nicht zu halten. Bei weiter zunehmender Erwerbstätigkeit von Frauen gewinnen allerdings die benachteiliegenden Regelungen im Hinblick auf den Erwerb eigener Anspruche an Gewicht.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW 8.3.1 Zur Begründung einer quantitativen Umverteilungsanalyse Im vorangehenden Abschnitt klang bereits an, daß eine qualitative Analyse von Umverteilungswirkungen dann an Grenzen stößt, wenn sich einzelne Wirkungselemente bei bestimmten Personengruppen überlagern und zum Teil kumulieren oder auch gegenläufig wirken können. Eine Einschätzung über die Richtung, geschweige denn über das gesamte Ausmaß der relativen Begünstigung war damit schon für einzelne Regelungselemente nur schwer möglich. Für solche Zwecke bietet es sich daher an, die qualitative Analyse durch eine quantitative Betrachtung zu ergänzen. Dies erfordert allerdings eine Modellierung des Rentensystems, der maßgeblichen Rahmenbedingungen, d. h. der Bevölkerungsstruktur, des Erwerbsverhaltens und der Lohn- und Preisniveauentwicklung, sowie von möglichen Verhaltensanpassungen der Wirtschaftssubjekte in Abhängigkeit von bestimmten Parameterkonstellationen. Es wäre insbesondere noch eine Vielzahl von Kumulationen und Rückkopplungseffekten zu berucksichtigen, was bestenfalls im Rahmen eines Mikrosimulationsmodells geleistet werden könnte 64 . Das würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vielmehr liefern die im Zusammenhang mit der Berechnung der relativen Rentenniveaus gebildeten Modellfälle einen Anknüpfungspunkt, um Leistungs- und Beitragsseite simultan abzubilden und im Hinblick auf systemimmanente Umverteilungseffekte sowohl für Haushalte mit unterschiedlichem Einkommen als auch zwischen verschiedenen Haushaltstypen mit gleichem Einkommen quanti64 Zur Abschätzung der redistributiven Wirkungen des gesamten staatlichen sozialen Sicherungssystems in den Niederlanden mit Hilfe eines Mikrosimulationsmodells vgl. Nelissen (1994)

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

315

tativ ZU erfassen, wenngleich auch unter einschränkenden Bedingungen65 . Das Interesse liegt dabei auf der Abbildung des intragenerationalen Teils der interpersonellen Umverteilung66 . Dies soll im folgenden für das Kernsystem AOW versucht werden, das aufgrund seiner Ausgestaltung und seines Finanzvolumens den größten Anteil an alterssicherungsbedingter interpersoneller Umverteilung bewirkt. Zur Erfassung der Umverteilung wird methodisch auf das Konzept der internen Ertragsraten von Beiträgen und Leistungen zurückgegriffen. Dafür ist jener rechnerische Zinssatz zu ermitteln, der die lebenslangen Beitrags- und Leistungsströme barwertbezogen zur Übereinstimmung bringt. Durch die explizite Einbeziehung der Beitragsseite und die Längsschnittsorientierung unterscheidet sich diese Analyse von der querschnittsbezogenen Betrachtung der relativen Rentenniveaus. Mit dem Konzept der internen Ertragsraten wird an eine in der Verteilungsanalyse durchaus übliche Vorgehensweise angeknüpft 67 . Hingewiesen sei an dieser Stelle auf zwei weitere Punkte. Die Berechnung interner Ertragsraten für bestimmte Haushaltstypen nach einheitlichen Annahmen erlaubt einen Vergleich der Umverteilungswirkungen von Alterssicherungssystemen verschiedener Länder. Darüber hinaus lassen die Ergebnisse eine Aussage über die Nähe eines Systems zu einem Idealtyp von Alterssicherung, einem vollständig beitragsäquivalenten System, zu und geben daher Anhaltspunkte für eine typologische Klassifizierung und Einordnung von Systemen. Auch dieser Aspekt ist besonders aus international vergleichender Perspektive aufschIußreich68 .

8.3.2 Erkenntnisziel, Referenzmaßstab und Annahmen 8.3.2.1 Zum Erkenntnisziel

Ziel der Betrachtung ist es, quantitative Aussagen über interpersonelle Umverteilungswirkungen im AOW zu treffen. Zu dem Zweck sind die internen Ertragsraten oder internen Zinssätze für verschiedene sozio-ökonomische Gruppen zu berechnen. Anknüpfend an die Modellfälle zum relativen Rentenniveau werden hierfür einzelne Repräsentanten ausgewählt, die sich im Hinblick auf folgende Merkmale unterscheiden: 65 Durch ergänzende Sensitivitätsanalysen kann jedoch ein Eindruck vermittelt werden, wie restriktiv einzelne Annahmen wirken. 66 Im folgenden wird auch hier aus Vereinfachungsgründen, wenn nichts anderes erwähnt ist, nur noch von interpersoneller Umverteilung gesprochen, wenn damit der intragenerationale Teil gemeint ist. 67 Vgl. exemplarisch Atkinson (1970) oder Holzmann (1988), S. 76 - 102. 68 Vgl. zu beiden Aspekten Rechmann (1995), S. 266.

316

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Geschlecht, Familienstand, Lebenserwartung, Einkommen. KindererziehlUlg und Erwerbsverhalten. Mit anderen Worten, es wird geprüft, wie das AOW lUlterschiedliche AuspräglUlgen dieser genannten Merkmale bewertet, d. h. in welche Richtung, also zu wessen GlUlsten lUld zu wessen Lasten umverteilt wird, lUld in welchem Maße dies geschieht, welche Kriterien besonders verteillUlgsrelevant sind lUld welche weniger. In allen Fällen wird eine Wohnzeit von 50 Jahren lUlterstellt. Damit ist das primäre UntersuchlUlgsziel beschrieben. Erkenntnisse über intergenerationale VerteillUlgswirklUlgen würden methodisch einen Vergleich empirischer interner Ertragsraten im Zeitablauf erfordern. Dies ist aber nicht Gegenstand der Betrachtung. Vielmehr wird hier mit hypothetischen, auf lUlsere Fragestellungen hin zugeschnittenen ModellHillen gearbeitet, um theoretisch mögliche Umverteilungseffekte aufzuzeigen. die die Ausgestaltung des AOW bietet. Die zu dem Zweck gebildeten Modellfälle sind in Übersicht 8.2 wiedergegeben. Für alle Modellfälle werden analog zu der BerechnlUlg der relativen Rentenniveaus Einkommensklassen gebildet und dafiir jeweils die interne Ertragsrate berechnet. Der ledige Mann in Modellfall (la) bildet dabei den Ausgangspunkt. Hieran lassen sich insbesondere Verteilungsunterschiede zwischen Einkommensbeziehern desselben Haushaltstyps illustrieren (vertikale Umverteilung); eine solche Betrachtung wird aber auch auf die weiteren Modellfälle ausgedehnt.

317

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

Übersicht 8. 2 Modellflille zur Umverteilung Haushalts-

Merkmale auf der Beitragsseite

Merkmale auf der Leistungsseite

typ (Modellfallnr)

Beitrags-

Verteilung

weitere

Rentenein-

Alter beim

zeiten

der

Merkmale

Ende des

bezugs-

(in Jahren)

Beitragszeiten a )

trittsalter

Renten-

dauer (in

bezugs

Jahren)

Lediger

40

Mann (la)

gleiehmäßig

40

Ledige Frau (I b)

gleieh-

Leistungs-

-

651.

75l

10

-

651.

80 l

15

mäßig

Ledige Frau

20

10-(20)-10

-

65l

80 l

15

20

10-(20)-10

2 Kinder

65 J

80 l

15

20

10-(20)-10

-

651.

75l

10

gleieh-

-

beide:

beide:

beide:

651.

75l

10

beide

M 75l

M

10

F

F

15

(2a) Ledige Frau (2b) Lediger Mann (2e) Einver-

M: 40

dienerehepaarb) (3a) Einver-

mäßig M: 40

dIenerehepaar b) (3b) Einver-

gleieh-

-

mäßig M: 40

dienerehepaarb) (3e)

gleieh-

651.

-

Zweiver-

M: 40

gleieh-

dienerehepaare) (4a)

F:

40

mäßig

Zweiver-

M: 40

gl ei eh-

dienerehe-

F:

mäßig

40

-

beide: 65l

-

paare) (4b)

Anmerkungen: a)Beitragsfreie Jahre in Klammem. b)M: Mann, F: Frau. e)Gleiehes Einkommen von Mann und Frau. Quelle: Eigene Darstellung.

beide: 65l

mäßig

beide: 65l

80l

M: 80l

M: 15

75l

F:

10

M: 75l

M

10

F:

F:

10

F:

75l

M 751.

M: 10

F:

F:

80l

15

318

8. Umveneilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Der Vergleich des ledigen Mannes mit Modellfall (1 b), der ledigen Frau mit längerer Lebensdauer, aber ansonsten gleicher Biographie, zeigt den Einfluß einer längeren Rentenbezugszeit. Die Modellfälle (2a-c) dienen der Einschätzung von Auswirkungen kürzerer Beitragszeiten aufgrund von Erwerbsunterbrechungen auf das Verteilungsergebnis. Zudem wird hier geprüft, inwieweit eine speziell durch Kindererziehung bedingte Erwerbsunterbrechung sich im Ergebnis niederschlägt. Einen Vergleich zwischen unterschiedlichen Haushaltstypen ermöglicht die Erweiterung der Analyse auf Ehepaare in den Modellfällen (3a-c) und (4a,b). Dies gibt zusammen mit den Ergebnissen aus der vorangegangenen Analyse der Modellfälle 1b) und 2a-c) Aufschluß über Ausmaß und Richtung der horizontalen Umverteilung, d. h. der Umverteilung zwischen verschiedenen Haushalten bei gleichem Einkommensniveau. Untersucht werden dabei insbesondere auch der Einfluß unterschiedlicher Formen der Erwerbsaufteilung innerhalb des Haushalts sowie Wirkungen der Hinterbliebenenregelung auf die Verteilungspositionen bei alternativen Erwerbsmustern und Überlebenskonstellationen. 8.3.2.2 Indikator und Referenzsystem

Umverteilungseffekte lassen sich als positive oder negative Abweichung von strukturell beitragsäquivalenten Leistungen erfassen69 . Dieses auf dem Vers icherungsgedanken beruhende Vorgehen ist prinzipiell auch auf ein einwohnerbasiertes System wie das AOW anwendbar, da davon ausgegangen werden kann, daß die versicherten Personen auch mit dem AOW wenigstens grundsätzlich die Vorstellung verbinden, daß ein Zusammenhang zwischen einer individuellen Vorleistung und einer späteren Leistung besteht. Wie stark dieser noch ausgeprägt ist, wird im Verlaufe der Analyse deutlich werden. Als Indikator zur Messung von Umverteilung dienen Unterschiede in internen Ertragsraten, also jener Zinssätze, die die Barwerte von Beitrags- und Leistungszahlungen zur Übereinstimmung bringen. Dabei wird grundsätzlich auf Bruttoleistungen abgestellt. Zugrundegelegt wird ein modellierter Lebenslauf mit einer Erwerbsphase und einer Ruhestandsphase, wie oben beschrieben. Formal stellt sich der Zusammenhang bei einer Diskontierung auf den Zeitpunkt vor Beginn der ersten Beitragszahlung wie folgt dar 70 :

69 Da im folgenden vorwiegend auf die Relation zwischen einzelnen Haushaltstypen und weniger auf das Niveau der internen Ertragsraten abgestellt wird, ist es von untergeordneter Bedeutung, ob von einem strikt individuellen oder strukturellen Äquivalenzkonzept ausgegangen wird. 70 Vgl. dazu auch Rechmann (1995), S. 267.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

~ ---=!!L+ ~ ~=O

.LJ (1 + ri.LJ (1 + r)J 1=) J=n+)

319

'

mit

Bi

Beitragssumme im Jahr i

n

letztes Beitragsjahr

Lj m

Rentenleistung im Jahr j letztes Jahr des Leistungsbezugs

r

interne Ertragsrate.

Mit Hilfe dieses Indikators läßt sich fiir jeden Modellhaushaltstyp und bei alternativen Einkommensniveaus die interne Verzinsung der mit den gezahlten Beiträgen erworbenen Rentenleistungen ermitteln. Unterschiedliche Zinssätze geben Aufschluß über relative Begünstigungen oder Benachteiligungen einzelner Haushaltstypen. Um aber Aussagen über die Umverteilungswirkungen des Systems treffen zu können, ist es erforderlich, einen Umverteilungsnullpunkt zu bestimmen, also jenen internen Zinssatz, bei dem eine Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen gegeben ist. Auf die inhaltlichen Schwierigkeiten, ein geeignetes umverteilungsneutrales Referenzsystem zu definieren, wurde schon hingewiesen 71. Allerdings werden hier nicht reale, sondern hypothetische Umverteilungsvorgänge in einer modellierten Welt untersucht. Die vereinfachenden Annahmen könnten auch die Bestimmung eines hypothetischen Umverteilungsnullpunktes erleichtern72. Die Globaläquivalenz eines auf dem Umlageverfahren beruhenden beitragsfInanzierten Rentensystems erfordert, daß in jeder Periode die Summe der Beiträge mit der Summe der Rentenleistungen übereinstimmt. In einem Zwei-Generationenmodell verzinsen sich bei konstantem Beitragssatz pro Kopf, einer Lohnanpassung der Bestandsrenten und einer stationären Bevölkerung die Beiträge mit der Rate des Produktivitäts- oder Lohnwachstums. Die umverteilungsneutrale Referenzsituation im Sinne der Beitragsäquivalenz wäre dadurch gekennzeichnet, daß alle Modellpersonen eine interne Ertragsrate in Höhe der Lohnwachstumrate realisieren. Bei vollkommenen Kapitalmärkten wäre dies zugleich der Marktzinssatz73 . Alle Abweichungen vom beitragsäquivalenten Referenzzinssatz wären als Umverteilung im weitesten Sinne, d. h. ohne Berücksichtigung von inter- oder intragenerationalem Risikoausgleich, zu interpretieren.

71 Vgl. Abschnitt 8.2.1. 72 Vgl. dazu Rechmann (1995), S. 267 - 268. 73 Vgl. etwa Kitterer/Seidl (1988), S. 78 - 79.

320

8. Umveneilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Unsere modellierten de facto-Systeme erfiillen jedoch nur bedingt die notwendigen Voraussetzungen für die Bestimmung einer solchen Referenzsituation. Die von uns verwendeten Beitrags- und Leistungssätze reflektieren nur eine ganz bestimmte historische Konstellation von demographischen, wirtschaftlichen und institutionellen Entwicklungen. So wirkt der Grad der Beschäftigung, der institutionelle Reifegrad eines Systems und die demographische Entwicklungsstand entscheidend auf die Finanzlage des Alterssicherungssystems. Die Niederlande zeichnen sich gegenwärtig noch durch eine vergleichsweise günstige Bevölkerungsstruktur aus. Die demographische Komponente hat daher zur Zeit einen günstigen Einfluß auf das Beitrags-Leistungsverhältnis, gegenläufig wirkt dagegen der niedrige Beschäftigungsgrad74 . Diese Faktoren gehen implizit in die Berechnung der Leistungs- und Beitragssätze eines Jahres ein und beeinflussen die Höhe der internen Verzinsung. Die Festlegung eines beitragsäquivalenten Nullpunktes ist daher in unserer, an realen Systemausprägungen anknüpfenden Betrachtung nicht möglich 75 . 8.3.2.3 Annahmen zu den institutionellen, demographischen und ökonomischen Rahmenbedingungen

Die Modellrechnungen knüpfen an die Berechnungen zu den relativen Rentenniveaus an 76. Darüber hinaus sind jedoch zusätzliche Annahmen erforderlich. Im einzelnen liegen die folgenden Prämissen über die Beitrags- und Leistungsregelungen und über die determinierenden wirtschaftlichen und demographischen Rahmenbedingungen zugrunde. (1) Grundsätzlich wird von der institutionellen Regelungsstruktur des Jahres 1992 ausgegangen und dabei unterstellt, diese habe nicht nur in den Jahrzehnten der Erwerbsphase gegolten, sondern unverändert während des gesamten Betrachtungszeitraums, also auch während der Periode des Rentenbezugs. Damit hat sowohl auf der Beitrags- wie auf der Leistungsseite die Annahme der institutionellen Strukturkonstanz Gültigkeit, derzufolge sämtliche relativen Größen, etwa der Beitragssatz unverändert bleiben, während absolute Größen, z. B. Beitragsbemessungsgrenzen oder Pauschalrentenbeträge, gemäß der im Jahre 1992 geltenden Anpassungsvorschrift fort- oder zurückgeschrieben werden. Das bedeutet, daß auf den AOW -Beitragstarif des Jahres 1992 abgestellt wird. Die obere und untere Beitragsbemessungsgrenze werden mit der Rate 74 Aufgrund des universellen Deckungsgrades war das System praktisch von Anfang an ausgereift, sofern man die Übergangsvoneile außer Betracht läßt. Von dieser Seite gehen daher keine verzerrenden Einflüsse auf das Beitrags·Leistungsverhältnis aus. 75 Vgl. dazu auch Rechmann (1995), S. 268. 76 Vgl. zu den relevanten Annahmen Abschnitt 7.1.2.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

321

der Lohnentwicklung diskontiert, die AOW-Renten wiedenun gemäß der geltenden Anpassungsvorschrift an die Nettolohnentwicklung angepaßt. In einer Sensitivitätsbetrachtung wird jedoch auch der Effekt einer Realwertsicherungspolitik behandelt. (2) Die makroökonomische Entwicklung wird durch das aus den Modellrechnungen zum relativen Rentenniveau bekannte Szenario des Standardpfades abgebildet, wobei im Sinne einer steady-state-Annahme eine konstante Entwicklung während des gesamten Betrachtungszeitraums unterstellt wird. Gekennzeichnet ist der Standardpfad durch eine Lohnwachstumsrate von 6 % p. a. und einen Anstieg des Preisniveaus von 4 % p. a. Diese Faktoren sind für die Diskontierung von Leistungen und Beiträgen von Bedeutung. (3) Die Einkommensklassen werden analog zur Vorgehensweise bei den relativen Rentenniveaus auf der Grundlage des Einkommens eines durchschnittlichen Industriearbeiters APW gebildet. Dieses betrug im Jahre 1992 einschließlich des Kompensationszuschlages 52.977 f. Für die einzelnen Modellhaushalte wird unterstellt, daß sich während des gesamten Erwerbszeitraums ihre Stellung im Einkommensgefiige nicht verändert; Auswirkungen individueller Einkommensmobilität werden explizit nicht erfaßt. Grundlage der Berechnungen bildet das Haushaltseinkommenskonzept. (4) Die Höhe des budgetausgleichenden Beitragssatzes wird auch von der AIterszusammensetzung der Bevölkerung bestimmt. Will man den Beitragssatz um die demographischen Einflüsse aus der Vergangenheit bereinigen, ist es erforderlich, den Beitragssatz unter der Annahme einer stationären Bevölkerung, d. h. unter der Prämisse gleichbleibender altersspezifischer Mortalität und gleichbleibender Geburtenziffern zu berechnen. Bei einer stationären Bevölkerung bleibt damit sowohl die Altersstruktur als auch der Umfang der Bevölkerung unverändert. Die Annahme einer stationären Bevölkerung auf der Grundlage der gegenwärtigen Sterblichkeiten impliziert im Falle der Niederlande eine beträchtliche Altersstrukturverschiebung und infolgedessen einen um fast 2/3 höheren Beitragssatz (Anpassungsfaktor: 1,64)77. Für eine rein landesspezifische Betrachtung wäre eine demographische Bereinigung des Beitragssatzes dann entbehrlich, wenn nur die Relationen der internen Ertragsraten ver-

77 Danach steigt der Anteil der über 65jährigen an der Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren von 18,6 % auf 30,4 %. Der Anpassungsfaktor zur Bestimmung des Beitragssatzes bei staionärer Bevölkerung ist mit 1,64 auch mit Abstand der höchste unter den Ländern der EU (zum Vergleich: der Anpassungsfaktor für Deutschland beträgt 1.28); projektinterne Berechnungen von Rechmann auf der Grundlage von Geburten- und Sterbetafeln von 1990. Zur theoretischen Grundlegung stationärer Bevölkerungsmodelle vgl. Feichfinger (1973), S 122 - 126 sowie Feichtinger (1977), S 60 - 68. 21 Pöhler

322

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

schiedener Haushaltstypen mit unterschiedlichem Einkommensniveau betrachtet werden sollten. Insbesondere aber vor dem Hintergrund der internationalen Vergleichbarkeit wird nachfolgend der Beitragssatz bei stationärer Bevölkerung verwendet. Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse wird ergänzend eine Berechnung auf der Grundlage des gegenwärtigen Altersaufbaus durchgefiihrt, um den Einfluß der demographischen Komponente deutlich zu machen. (5) Auf der Grundlage der Annahmen (1) bis (4) kann der angemessene Beitrag bestimmt werden. Der Begriff des Beitrags ist hier zu verstehen als jener Finanzierungsanteil, der unter den oben genannten Bedingungen aus den Beitragsregelungen des Jahres 1992 unter Einbeziehung aller weiteren den Rentenausgaben zuzurechnenden Einnahmekategorien abgeleitet werden kann. Im Falle des AOW ist die Bestimmung unproblematisch, da die Rentenausgaben praktisch ausschließlich aus Beitragseinnahmen gedeckt werden und ferner außer den Versicherten selbst keine weiteren Zahler zur Beitragsentrichtung herangezogen werden. Damit entfallen weitgehend alle Probleme, die aus der Zurechnung von anderen möglichen Finanzierungsquellen, wie etwa Arbeitgeberbeiträgen, Transfers anderer Sozialversicherungsträger oder Staatszuschüssen, auf die Versicherten entstehen. Solche ließen sich bestenfalls unter Zuhilfenahme von mehr oder weniger plausiblen Inzidenzhypothesen handhaben und sind besonders bei fehlender Zweckbindung prinzipiell angreifbar 78 . Im AOW belief sich das Beitragsaufkommen 1992 auf 32,1 Mrd. f und war damit nahezu identisch mit dem Ausgabevolumen von 32,0 Mrd. (79. Zudem handelt es sich eindeutig um zweckgebundene Mittel, so daß ohne weitere Annahmen der Beitragstarif des Jahres 1992 bei einem Beitragssatz von 14,35 % zugrundegelegt werden kann. Daraus leitet sich der Beitragssatz bei stationärer Bevölkerung ab; er beträgt unter Einbeziehung des Altersstruktureffktes dann 23,46 % (vgl. Annahme 4). Der Tarif gelte bei lohnindexierten unteren und oberen Beitragsbemessungsgrenzen in Höhe von 5.225 f pro Jahr und pro Person (Gnmdfreibetrag) und 48.191 fpro Jahr und pro Person (oder 42.966 funter Abzug des Grundfreibetrages) über die gesamte Beitragsperiode. Implizit wird damit zugleich unterstellt, daß auch die Erwerbsstruktur des Jahres 1992, insbesondere der Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung im Erwerbsalter, konstant bleibt.

78 Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Rechmann (1995), S 269 - 271. 79 Vgl. Sociale Verzekeringsbank (1993), S 59.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

323

6. Auf der Ausgabenseite sollen wiederum jene Ausgaben des Rentenversicherungsträgers erfaßt werden, die der FwIktion Alterssicherung dienen. Die Abgrenzung ist fiir das AOW wiederum unproblematisch, da das System ausschließlich Altersrenten fiir Personen über 65 Jahren umfaßt, so daß ein klarer funktionaler Zusammenhang zwischen AOW-Beiträgen und AOWRenten gegeben ist. Da die Renten prinzipiell unabhängig von der Erwerbsbiographie des einzelnen bemessen werden und Wanderungen, die Lücken in den Wohnzeiten auslösen könnten, nicht betrachtet werden, ist in allen Fällen vom vollen AOW-Rentenanspruch auszugehen. Auf dieser Grundlage werden beispielsweise fiir den Fall des Ledigen mit 40 Beitragsjahren (Modellfall 1a) als Ausgangsgrößen fiir 1992 die in Tabelle 8.1 aufgeführten Beiträge und Renten fiir alternative Einkommensbereiche ermittelt, die dann mit Hilfe der Lohnwachstumsrate über den Betrachtungszeitraum zu diskontieren sind80 ,

80 Zu den übrigen Modellfällen vgl. Tabellen A-8. I und A-8.2 im Anhang. 21·

324

8. Umverteilungswirkungen im Aiterssicherungssystem

Tabelle 8.1

Rentenleistung und Beitragsbelastung ftir die ledige Person 1992 (Modellfallla) APW-Einkom-

Bruttoverdienst

AOW-Beitrag a)

Belastungssatz

AOW-Renten-

mensvielfache

einschließlich

(in f)

(in % des

leistung (in f)

Kompensati-

Bruttoverdienstes)

onszuschlag (in f) 0,25

13303,62

1832,12

13,77

17837,74

0,50

26607,24

4890,02

18,38

17837,74

0,58 b)

30834,65

5800,88

18,81

17837,74

0,75

39795,93

7686,52

19,31

17837,74

0,96 c)

50884,33

10079,82

19,81

17837,74

1,00

52989,29

10079,82

19,02

17837,74

1,25

65842,73

10079,82

15,31

17837,74

1,50

78972,37

10079,82

12,76

17837,74

1,75

91937,25

10079,82

10,96

17837,74

2,00

103896,50

10079,82

9,70

17837,74

2,25

115855,75

10079,82

8,70

17837,74

2,50

127815,00

10079,82

7,89

17837,74

2,75

139774,25

10079,82

7,21

17837,74

3,00

151733,50

10079,82

6,64

17837,74

Anmerkungen: a)Zugrunde liegt ein Beitragssatz bei stationärer Bevölkerung von 23,46 % auf das steuerliche Einkommen der ersten Stufe des Einkommensteuertarifs. b)Mindestlohn. c) Obere Beitragsbemessungsgrenze. Quelle: Eigene Berechnungen.

325

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

8.3.3 Vertikale und horizontale Umverteilungseffekte 8.3.3.1 Die Ergebnisse der Modellrechnungen im Überblick

In Tabelle 8.2 wird ein Überblick über die internen Ertragsraten der einzelnen Modellhaushalte gegeben, die auf Basis der im vorigen Abschnitt behandelten Annahmen berechnet wurden. Tabelle 8.2

Die interne Verzinsung im AOW f'dr unterschiedliche ModellhaushaIte APWa)

Interne Ertragsraten (in %) für Modellfälle b) la

Ib

2a

2b

2c

3a

3b

3c

4a

4b

0,25

9,55

10,69

12,55

12,55

11,67

14,67

15,26

15,26

14,67

15,26

0,50

5,61

7,19

9,51

9,51

8,35

8,14

9,13

9,13

8,14

9,13

0,58 c)

4,86

6,54

8,96

8,96

7,72

7,26

8,32

8,32

7,99

8,27

0,75

3,58

5,46

8,01

8,01

6,62

5,82

7,03

7,03

5,65

6,87

1,00

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

4,23

5,62

5,62

3,99

5,41

1,25

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

2,81

4,39

1,50

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

1,81

3,54

1,75

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

0,94

2,82

2,00

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

0,40

2,36

2,25

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

0,40

2,36

2,50

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

0,40

2,36

2,75

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

0,40

2,36

3,00

2,28

4,38

7,06

7,06

5,47

3,85

5,29

5,29

0,40

2,36

Anmerkungen: a)Anteile am APW-Einkommen. b)Modellfälle wie in Übersicht 8.2. c)Mindestlohn für Vollzeitbeschäftigten. Hier nicht separat ausgewiesen sind die Grenzwerte, ab der aufgrund der oberen Beitragsbemessunsgrenze die internen Ertragsraten konstant bleiben. Dies ist bei den Ledigen ab einem Einkommen von 0,96 APW der Fall, bei Einverdienerehepaaren ab 1,08 APW und bei den Zweiverdienerehepaaren ab 1,92 APW. Quelle: Eigene Berechnungen.

326

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Die Tabelle kann in zweierlei RichtWlg interpretiert werden. Spaltenweise betrachtet zeigt sie für jeden Modellhaushalt die Wlterschiedlichen Ertragsraten in Abhängigkeit der zugrWIdeliegenden Haushaltseinkommensniveaus an Wld gibt damit Aufschluß über die vertikale UmverteilWlg. Zeilenweise gelesen lassen sich aus den internen Ertragsraten Unterschiede in der horizontalen VerteilWlg zwischen Haushaltstypen mit gleichem Einkommensniveau ersehen. 8.3.3.2 Vertikale Verteilungsunterschiede

8.3.3.2.1 Vertikale Verteilungsunterschiede am Beispiel des Modellfalls des ledigen Mannes Unter vertikaler UmverteilWlg wird die UmverteilWlg zwischen verschiedenen Einkommensklassen desselben Haushaltstyp verstanden, d. h. dessen spezifische Merkmale hinsichtlich Erwerbsbiographie Wld Lebensdauer werden nicht verändert. Als Ausgangspunkt dient der Modellhaushalt des ledigen Mannes mit 40 Beitragsjahren Wld einer 10jährigen Rentenbezugszeit (Modellfallla). Interne Ertragsraten eines Ledigen (Modellfall 1a) Interne ErtU1:5ute (ln". J

20

Mmdestlonn

15

obere BBG

10

0.25

0.5

0.75

1.25

1.5

1.75

2.25

2.5

2.75

ELnkonunen In APW·Emhelten

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 8.1 Die interne VerzinsWlg für alternative Einkommensbereiche ist in AbbildWlg 8.1 graphisch dargestellt. Anband der DarstellWlg läßt sich die globale UmverteilWlgskonzeption des AOW veranschaulichen. Die höchsten internen Ertrags-

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

327

raten realisieren die Bezieher niedriger Einkommen, insbesondere auch Teilzeitkräfte, wobei das Ausmaß der relativen Begünstigung mit zunehmendem Einkommen abnimmt. Dies ist das Resultat einer Kombination aus einkommensproportionaler Beitrags- und pauschaler Leistungsbemessung. Dieses Ergebnis hatte man auch aus der Betrachtung der relativen Rentenniveaus, die nur die Leistungsseite abbilden, erwarten können. Bemerkenswert ist allerdings, daß der fallende Kurvenverlauf im Gegensatz zu den stetig fallenden relativen Rentenniveaus sich nicht über den gesamten Einkommensbereich erstreckt, sondern nur etwa bis zum Durchschnittseinkommen. Ab einem Einkommen von 0,96 des APW -Einkommens verläuft die Kurve der internen Ertragsraten strikt parallel zur Abszisse, d. h. die interne Verzinsung der Beiträge ändert sich nicht mehr in Abhängigkeit des Einkommens. Dies gilt auch für Bezieher sehr hoher Einkommen. Der Gnmd liegt darin, daß bereits recht früh die obere Beitragsbemessungsgrenze greift, mit der Konsequenz, daß ab dann im Prinzip auch nur noch gleiche Beiträge anfallen 81 . Ein horizontaler Kurvenverlauf für die internen Ertragsraten spiegelt die Logik eines am Prinzip der Beitragsäquivalenz orientierten Versichenmgssystems wider. Ein solcher Verlauf würde beispielsweise auch überwiegend auf die Gesetzliche Rentenversichenmg in Deutschland zutreffen82 . Im Gegensatz zu dem Eindruck, der sich aus der Analyse der relativen Rentenniveaus ergab, zeigt die Betrachtung der internen Ertragsraten, daß noch wesentliche Elemente eines Versichenmgssystems im AOW vorhanden sind. Jedenfalls ist der Bereich, in dem eine gezielte Begünstigung unterer Einkommen stattfindet, durch die niedrige Beitragsbemessungsrenze deutlich eingegrenzt. Betrachtet man die Höhe der internen Ertragsraten, so rallt ein insgesamt niedriges Niveau der Verzinsung auf. Bereits ab einem Einkommen von 0,5 des APW -Einkommens, also noch unterhalb des Mindestlohns, liegt die interne Ertragsrate unterhalb der angenommenen Lohnzuwachsrate von 6 %. In der Proportionalzone wird lediglich eine durchschnittliche Verzinsung von 2,28 % erzielt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß den Berechnungen demographisch bereinigte Beitragssätze zugrundeliegen. Gegenwärtige Rentnerkohorten werden jedoch erheblich günstigere empirische interne Ertragsraten erzielt haben, selbst wenn man von der wirtschaftlichen Entwicklung abstrahieren würde. Dies liegt zum einen an den erwähnten Übergangsvorteilen, zum anderen an den günstigen demographischen Bedingungen, von denen diese während ihrer Beitragszeit profitiert haben. Auf den Einfluß der demographischen Komponente, wie auch auf den der ökonomischen Entwicklung wird später noch 81 Die indirekte Progressionseffekt aufgrund des Grundfreibetrages fällt hier praktisch nicht ins Gewicht. Die Verteilungswirkung zeigt sich aber anschließend bei einem Vergleich mit den Ehepaarfällen. 82 Vgl. dazu die Darstellung für denselben Modelltyp bei Rechmann (1995), S. 270.

328

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

eingegangen83 . Wichtig ist jedoch, daß in die Höhe der hier berechneten modellhaften internen Ertragsraten, erst recht natürlich in empirisch ermittelte, auch intergenerationale Umverteilungselemente miteingehen, ohne daß diese isolierbar wären. Das gelingt nicht eimnal in der vereinfachten Modellwelt, wie sie dieser Analyse zugrundeliegt. Der Grund ist, daß ein Beitragssatz fiir eine stationäre Bevölkerung zwar ermittelt werden kann, aber nur auf der Grundlage der spezifischen Sterblichkeitsverhältnisse eines bestimmten, gewissermaßen zufälligen Referenzjahres. Diese zusätzliche Komplikation macht die Ermittlung eines beitragsäquivalenten Referenzinssatzes - unter unseren steady-state-Annahmen etwa in Höhe der Lohnzuwachsrate - umnöglich. Daher stehen im folgenden auch die relativen Unterschiede in den internen Ertragsraten im Mittelpunkt und nicht die errechneten Absolutwerte. Das bedeutet, daß Unterschiede in den internen Ertragsraten als relative Begünstigungen oder Benachteiligungen zwar bestimmt werden können, nicht jedoch, zu welchen Gunsten oder zu welchen Lasten inter- und intragenerational umverteilt wird, da nicht zu identifizieren ist, ob die Abweichungen von einem Referenzwert intragenerational oder intergenerational bedingt sind. 8.3.3.2.2 Vertikale Verteilungsunterschiede bei weiteren Haushaltstypen

Für die Ermittlung der relativen Besser- oder Schlechterstellung über weitere Haushaltstypen hinweg ist ein Bezugspunkt zu definieren, von dem aus fiir sämtliche Haushaltstypen die Abweichungen in vertikaler Hinsicht, d. h. in Abhängigkeit unterschiedlicher Einkommensniveaus, als Differenzen der internen Ertragsraten gemessen werden können. Als ein solcher Numeraire wird fiir jeden Haushaltstyp die interne Ertragsrate bei einem Einkommen von 1 APW verwendet. Die Ergebnisse sind in Abbildung 8.2 fiir Ledigenfälle und in Abbildung 8.3 Ehepaare wiedergegeben. Positive Werte bedeuten eine relative Besserstellung gegenüber dem Referenzhaushalt des betreffenden Typs mit 1 APW, negative Werte eine relative SchlechtersteIlung. Kurvenverläufe mit negativer Steigung weisen auf eine Begünstigung von Beziehern niedriger Einkommen hin. Die Begünstigung ist um so größer, je steiler die Kurve verläuft. fiir

Vertikale Differenzen bei Ledigen

Die obere Kurve in Abbildung 8.2 illustriert noch einmal das Ausmaß der relativen Begünstigung beim Modellfall des Ledigen mIt 40jähriger Beitrags- und lOjähriger Rentenlaufzeit. Für Einkonunensbezieher oberhalb der oberen Bei83 Vgl. Abschnitt 8.3.3.4.

329

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

tragsbemessWlgsgrenze findet im Vergleich zum Nwneraire keine Begünstigoog, aber auch keine Benachteiligoog statt. Vertikale Ungleichbehandlung bei Ledigen (Differenzen der internen Ertragsraten gegenüber dem jeweiligen Durchschnittsverdienerhaushalt mit 1 APW) Differenzcn i.a Prozentpunkten

' ModelInille I-la - 10 + 13.b

12

I

*2c

10

MlIldcstlohn

obere BBG

+-____

L-________

0.25

Anmerkungen: la): Ib): 2a,b): 2c):

0.5

0.75

~~--

__

--~--

__

--~~--.______

1.5 1.75 1.25 Emkommen In APW·EinhClten

2.25

2.5

.



2.75

Lediger Mann, 40 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug. Ledige Frau, 40 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug. Ledige Frau, 20 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug. Lediger Mann, 20 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 8.2

Die relative UngleichbehandlWlg bei den übrigen Ledigenfalle, die sich durch eine kürzere Beitragszeit (2a, 2b), eine längere Rentenlaufzeit (1 b) oder eine Kombination aus beidem vom Ausgangsfall Wlterscheiden, wird durch die darWlter verlaufenden Kurven abgebildet. Da der Tatbestand der KindererziehWlg für die LeistWlgsbemessWlg Wlerheblich ist 84 , weichen die Ergebnisse der Modellfälle 2a) Wld 2b) nicht voneinander ab 85 . Sie werden daher im folgenden auch zusammengefaßt. Alle Kurven weisen im Prinzip denselben Verlauf auf wie die des Ledigen aus Modellfall 1a). Ein Bereich von mit steigendem Einkommen abnehmenden internen Ertragsraten mündet in eine Proportionalzone, in der die eingezahlten Beiträge Wlabhängig vom Einkommen die gleiche VerzinsWlg erbringen Wld 84 Es sei denn, die Mutter ist bis über ihr 65. Lebensjahr hinaus als Alleinstehende für die Kinder unterhaltspflichtig. Von diesem sehr seltenen Fall wird hier abgesehen. 85 VgL auch Tabelle 8.2.

330

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

damit auch den gleichen Abstand vom Referenzpunkt erkennen lassen. Der Übergang vollzieht sich an der Stelle, an der die obere Beitragsbemessungsgrenze ansetzt. Diese ist fiir alle Ledigenfälle identisch. Innerhalb dieser Proportionaizone findet keine vertikale Umverteilung statt. Dagegen erfahren die Modellhaushalte in den darunter liegenden Einkommensbereichen eine relative Begünstigung gegenüber den Haushalten desselben Typs in der Proportionalzone. Das Ausmaß der Begünstigung erscheint insgesamt beachtlich: bei sehr niedrigen Einkommen (0,25 APW) betragen die Zinsgewinne je nach Modellfall zwischen 5,5 und 7,3 Prozentpunkten. Eine Einschätzung darüber, ob solche Werte als besonders hoch anzusehen sind, ist aber nur im internationalen Vergleich möglich. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, daß derartige Werte typisch fiir Grundsicherungssysteme sind86 . Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die relative Begünstigung der untersten Einkommensgruppen sehr hoch ausfällt, während auf der anderen Seite Bezieher hoher Einkommen im AOW keine niedrigeren Ertragsraten erzielen als Bezieher des Durchschnittseinkommens von I APW. Die Aussage gilt fiir alle hier betrachteten Ledigenfälle. Zu beachten ist, daß beim ledigen Mann mit 40jähriger Beitrags- und 10jähriger Rentenlaufzeit (Modell fall I a) der vertikale Ungleichbehandlungseffekt am größten ausfällt, während dieser bei der ledigen Frau mit 20jähriger Beitrags- und 15jähriger Rentenlaufzeit (Modellfälle 2a,b) am geringsten ist. Der Ungleichbehandlungseffekt, von dem Bezieher niedriger Einkommen profitieren, ist hier umso größer, je niedriger die erreichbaren internen Ertragsraten sind. Der Grund liegt darin, daß im AOW die vertikalen Unterschiede in den internen Ertragsraten durch Differenzen in der Beitragsbelastung hervorgerufen werden. Bei einer verkürzten Beitragsdauer ist demzufolge auch die verteilungsrelevante Wirkung geringer. Insgesamt jedoch sind die Unterschiede zwischen den Ledigenfällen in dieser Hinsicht nicht sonderlich bedeutend, wie die eng beieinanderliegenden Kurven in Abbildung 8.2 illustrieren. Vertikale Differenzen bei Ehepaaren Das Bild fiir die Ehepaarfälle in Abbildung 8.3 unterscheidet sich nicht in der Grundstruktur, wohl aber in den Niveaus der Zinsdifferenzen und in der Ausdehnung der einzelnen Kurvenabschnitte von dem der Ledigen. Insgesamt verlaufen die Kurven steiler als bei den Ledigenfällen; die Spreizung der internen Ertragsraten ist hier größer.

86 Vgl. etwa für die ledige Person wie Modellfall la) die Werte für Dänemark, Großbritannien und Irland bei Rechmann (1995), S. 270.

331

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

Vertikale Ungleichbehandlung bei Ehepaaren (Differenzen der internen Ertragsraten gegenüber dem jeweiligen Durchschnittsverdienerhaushalt mit 1 APW) DiJJerenzao Prozeatpuokteo

lD

: Modellnille

12

"':"]a .... ]bc -

-la

+ 4b

10

obere BBG

Em ver d

obclC BBG I Z .... clvcrd

-2 -4

0.25

Anmerkungen: 3a): 3b,c): 4a): 4b):

0.5

0.75

1 75 125 15 EmkOllllllell m APW-ElIlhclll'll

2_25

2.5

2.75

Einverdienerehepaar, 40 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug. Einverdienerehepaar, 40 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug. Zweiverdienerehepaar, 40 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug. Zweiverdienerehepaar, 40 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 8.3

Auffällig ist zunächst, daß die Kurven in weiten Teilen fast deckungsgleich verlaufen, d. h. die vertikalen Verteilungseffekte sind in den davon betroffenen Einkommensbereichen über die Haushaltskonstellationen hinweg in Ausmaß und Richtung nahezu identisch. Dieses gilt bis zum Wirksamwerden der oberen Beitragsbemessungsgrenze für Einverdienerehepaare 87 knapp oberhalb des Durchschnittseinkommens bei 1,18 APW für sämtliche Ehepaarfälle. Ab diesem Punkt verstetigen sich die internen Ertragsraten bei den Einverdienerehepaaren, während sie bei den modellierten Zweiverdienerehepaaren mit zunehmendem Einkommen noch weiter abnehmen, bis bei einem Haushaltseinkommen von 1,92 APW die obere Beitragsbemessungsgrenze wirksam wird. Daher verläuft die Zone konstanter interner Ertragsraten im negativen Bereich. Die größere Spreizung gegenüber den Ledigenfällen hat ihre Ursache in dem Grundfreibetrag. Dieser wirkt im Sinne einer indirekten Progression umverteilungsverschärfend im Einkommensbereich unterhalb der oberen Beitragsbemessungsgrenze. Da Ehepaare grundsätzlich den doppelten Freibetrag geltend ma87 Diese stimmt mit der für Ledige nicht ganz überein, da bei Einverdienerehepaaren der doppelten Grundfreibetrag anfällt.

332

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

chen können, fällt der vertikale Verteilungseffekt bei diesen auch größer aus als bei Ledigen. Innerhalb einer engen Bandbreite unter den Ehepaarfällen sind die größten vertikalen Verteilungseffekte in dem Fall zu konstatieren, in dem die Beitragsbelastung relativ am gewichtigsten ist, und zwar im Vergleich zur Beitragsbelastung der anderen Vergleichshaushalte, aber auch in Relation zu den empfangenen Rentenleistungen. Die verteilungswirksame Seite hat dann den größten Einfluß. Dies ist beim Zweiverdienerehepaar mit nur 10jähriger Rentenlaufzeit der Fall (Modellfall 4a). Die tendenziell eher in Richtung einer Beitragsäquivalenz wirkende Leistungsseite88 hat ein geringeres Gewicht als in der Hinterbliebenenvariante (Modellfall 4b). Aus dem gleichen Gnmd liegen die Zinsdifferenzen gegenüber dem Referenzhaushalt bei 1 APW beim Einverdienerehepaar mit 1Ojähriger Rentenlaufzeit (Modellfall 3a) auch geringrugig unter denen der anderen Einverdienerehepaarfälle (Modellfälle 3b und 3c). Der Effekt ist aber aufgrund der geringeren Beitragsbelastung im Vergleich zu den Zweiverdienern schwächer als bei diesen; in der Graphik ist er daher kaum zu erkennnen. An dieser Stelle ist anzumerken, daß Modellfall 3b) und Modellfall 3c) identische Ergebnisse hervorbringen, da das AOW keine abgeleiteten Rentenansprüche kennt und es daher fiir die Leistungsseite unerheblich ist, ob der ehemalige Alleinverdiener oder der nichterwerbstätige Partner unter sonst gleichen Bedingungen zum Hinterbliebenen wird. Beide Modellfälle können somit zusammen behandelt werden. Für Modellfall 4a), dem Zweiverdienerehepaar mit 1Ojähriger Rentenlaufzeit, sind die höchsten Zinsgewinne fiir Haushalte mit geringem Einkommen unter allen von uns betrachteten Modellfällen zu finden. Bei einem extrem niedrigen Einkommen von 0,25 APW beträgt die Differenz zum Numeraire fast 11 Prozentpunkte. Auch bei den übrigen Ehepaaren bewegen sich die vertikalen Verteilungsgewinne von Geringverdienern in einer ähnlichen Größenordnung, so daß die relative Begünstigung von Niedrigeinkommensbeziehern hier generell höher ausfällt als bei den Ledigen. Zusammenfassung

Festzuhalten ist, daß unter vertikalen Verteilungsgesichtspunkten die relative Begünstigung von Beziehern niedriger Einkommen bei Ehepaaren größer ist als bei Ledigen, was auf die Wirkung des Grundfreibetrages im AOW zurückzufuhren ist. Am stärksten ausgeprägt sind die Differenzen in den internen Ertragsraten bei Zweiverdienerehepaaren mit kurzer Rentenlaufzeit, am geringsten bei Ledigen mit verkürzter Beitragszeit. Der Einkommensabschnitt, in dem eine relative Begünstigung stattfindet, wird durch eine vergleichsweise niedrige 88 In Richtung einer beitragsäquivalenten Struktur wirkt die Leistungsseite tatsächlich erst für Bezieher von Einkommen ab der oberen Beitragsbemessungsgrenze.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

333

obere BeitragsbemessWlgsgrenze begrenzt. Danach bleiben die internen Ertragsraten im AOW konstant. Dies läßt eine bemerkenswerte Nähe zum Äquivalenzprinzip erkennen, während auf der anderen Seite der Grundfreibetrag als ein Element des Leistungsfähigkeitsprinzips wirkt. 8.3.3.3 Horizontale Verteilungsunterschiede

In diesem Abschnitt wird Wltersucht, inwiefern die VerteilWlgsergebnisse von Haushaltstypen, die sich im Hinblick auf die Merkmale Erwerbstätigkeit, LebenserwartWlg Wld HaushaltszusammensetzWlg Wlterscheiden, aber ein gleiches Haushaltseinkommen aufweisen voneinander abweichen. Die Konstruktion der Modellfälle erlaubt es, die WirkWlg einzelner modellierter BestimmWlgsfaktoren zu isolieren Wld in ihrer verteilWlgsrelevanten Bedeutung abzuschätzen. Zu dem Zweck werden für die verschiedenen Modellfälle die AbweichWlgen in den internen Ertragsraten im Vergleich zum Referenzhaushalt des Ledigen mit 40 Beitragsjahren Wld 10 Jahren Rentenlaufzeit (Modellfall la) ermittelt. Hier wird somit für jedes Wltersuchte Einkommensniveau die zugehörige interne Ertragsrate des Modellfalls la), so wie in AbbildWlg 8.1 wiedergegeben, zum Numeraire. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß lediglich relative Besser- Wld relative SchiechterstellWlgen betrachtet werden. Aus dem Grunde wird an dieser Stelle nicht eingehender diskutiert, ob es sich bei den behandelten Einflußfaktoren um umverteilende oder risikoausgleichende Elemente handelt89 .

8.3.3.3.1 Der Einfluß von Beitragszeiten und Lebenserwartung Als erstes werden die Einflußfaktoren behandelt, die sich aus einer GegenüberstellWlg der Ledigenfälle ableiten lassen. Hierbei geht es im wesentlichen um den Einfluß geringerer Beitragszeiten Wld einer Variation der Lebenserwartung. Die Ergebnisse sind in AbbildWlg 8.4 graphisch dargestellt. Es zeigt sich, daß alle übrigen Ledigenfälle ein günstigeres Beitrags-Leistungsverhältnis aufweisen als der Referenzhaushalt. Das überrascht wenig, da die übrigen Modellfälle sich durch eine längere Rentenbezugsdauer, eine kürzere Beitragszeit oder eine Kombination aus bei dem vom Referenzfall Wlterscheiden.

89 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 8.2.

334

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Horizontale Ungleichbehandlung bei Ledigen (Differenzen zu den internen Ertragsraten des Ledigenmodellfalls la) bei den jeweiligen Einkommensniveaus) Ln ProzcDtpunktl:1I

Modellfcille

10

Mmdestlohn

obere SBG

-,

0.25

0.5

0.75

1.25

1.5

1.75

2.25

2.5

2.75

Einkommen In APW·ElnheLten

Anmerkungen: I a): Ib): 2a,b): 2c):

Lediger Mann, 40 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug. Ledige Frau, 40 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug. Ledige Frau, 20 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug. Lediger Mann, 20 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 8.4

Blickt man auf das Niveau der Zinsgewinne gegenüber dem ledigen Mann aus Modellfall la) und auf die im Kurvenverlauf sich niederschlagende Verteilung der Gewinne über die Einkommensklassen hinweg, so lassen sich folgende Ergebnisse ablesen: (I) Die größten Zinsgewinne sind in Modellfall2a) bzw. 2b) zu verzeichnen. In beiden Fällen kumuliert eine um fünf Jahre längere Rentenlaufzeit mit einer nur halb so langen Beitragszeit im Vergleich zum Referenzfall. Das führt zu Zinsgewinnen in Höhe von etwa 5 Prozentpunkten, denn verringerte Beitragszeiten allein ziehen im AOW noch keine Renteneinbußen nach sich, sofern volle Wohnzeiten vorliegen. Dies ist hier durchgehend unterstellt. Der Tatbestand der Kindererziehung löst dabei keine zusätzliche Begünstigung aus; die Modellfälle 2a) und 2b) führen daher zu identischen Ergebnissen. Die hier ausgewiesenen Zinsgewinne geben aufgrund der realitätsnahen Annahmen die von Frauen gegenüber Männern erzielbare relative Begünstigung im AOW gut wieder. (2) Anhand der Ergebnisse fiir die Modellfälle 1b) und 2c) lassen sich die oben ausgewiesenen kumulierten Begünstigungen in die einzelnen Komponenten

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

335

zerlegen. Modellfall 1b) zeigt dabei den Effekt einer gegenüber dem Referenzfall wn 5 Jahre längeren Rentenlaufzeit an, Modellfall 2c) die Wirkung einer wn die Hälfte verkürzten Beitragsdauer. Abbildung 8.4 läßt erkennen, daß der Effekt der halbierten Beitragszeit überwiegt, aber nicht in dramatischem Maße. Unter den gegebenen Prämissen bringt eine wn 5 Jahre höhere Lebenserwartung im AOW c. p. einen Zinsgewinn von etwa 2 Prozentpunkten, eine wn 20 Jahre verringerte Beitragszeit einen von gut 3 Prozentpunkten. Dabei ist noch die Lage der beitragsfreien Zeit zu berücksichtigen. In unseren Beispielen handelt es sich wn einen durchgehenden Abschnitt in der Mitte der Erwerbsperiode, mit dem eine Erwerbsunterbrechung von Frauen bei Kindererziehung modelliert werden soll. Die Zinsgewinne aufgrund von reduzierten Beitragszeiten sind wnso höher, je näher diese am Ende der Erwerbsperiode liegen. Vorruhestandszeiten werden somit beispielsweise vom AOW besonders begünstigt, etwa im Vergleich zu Ausbildungs- oder Studienzeiten gleichen Umfangs. Dies könnte für die Entscheidung über ein vorzeitigen Rückzug aus dem Erwerbsleben von Bedeutung sein. Die Zins gewinne aufgrund verkürzter Beitragszeiten dürften allgemein als politisch gewollte Umverteilung zu interpretieren sein, während die Begünstigungen, die aus einer höheren Lebenserwartung resultieren, eher der Sphäre des Risikoausgleichs zuzuordnen sind. Beide Effekte kommen in besonderem Maße Frauen zugute. (3) Der Verlauf der Kurven zeigt, daß die Zinsgewinne in den Niedrigeinkommensbereichen geringer ausfallen als in den mittleren und hohen Einkommensbereichen. Am meisten profitieren die Bezieher von Einkommen oberhalb der oberen Beitragsbemessungsgrenze von den horizontalen Umverteilungs- bzw. Risikoausgleichselementen. Hierin gibt es zwischen den einzelnen Ledigenmodellfcillen keine nennenswerten Unterschiede. Dieser bemerkenswerte Verteilungseffekt hängt damit zusammen, daß der Niedrigeinkommensbereich, wie wir im vorigen Abschnitt sehen konnten, von der vertikalen Umverteilung besonders stark begünstigt wird. Die internen Ertragsraten sind hier bereits sehr hoch, so daß die weiteren horizontalen Begünstigungen nicht so sehr ins Gewicht fallen wie bei mittleren und hohen Einkommen. Ein längeres Leben lohnt sich jedenfalls für Bezieher hoher Einkommen auch unter Rentengesichtspunkten mehr als für Bezieher niedriger Einkommen. Da man davon ausgehen kann, daß Lebenserwartung und Einkommen positiv korreliert sind, kann es so zu einer Kwnulation von relativen Begünstigungen bei hohen Einkommen kommen.

336

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

8.3.3.3.2 Familienstand und intrafamiliäre Erwerbsaufteilung In einem zweiten Schritt wird der Einfluß einer Variation des Familienstandes betrachtet. Bei einem streng am Prinzip der individuellen Beitragsäquivalenz orientierten System dürfte vom Familienstand selbst kein Einfluß auf die interne Verzinsung der Beiträge ausgehen. Ebensowenig sollte die intrafamiliäre Erwerbsaufteilung das Verteilungsergebnis nennenswert beeinflussen90 . Daß dies auf das AOW nicht zutrifft, ist aus der institutionellen Analyse bereits ersichtlich. Hier kann nun aber illustriert werden, in welcher Weise haushalts bezogene Regelungen auf der Beitrags- wie auf der Leistungsseite zu relativen Begünstigungen oder Benachteiligungen führen. Horizontale Ungleichbehandlung bei Ehepaaren (Differenzen zu den internen Ertragsraten des Ledigenmodellfalls la) bei den jeweiligen Einkommensniveaus) Differonzcn in ProzentpW1kten

ModelWille

10

-B-3 a +- 3b.C +-43

* 4b obere BBG ZweI verd

obere BBG I Em verd

-2

0.25

Anmerkungen: 3a): 3b,c): 4a): 4b):

0.5

0,75

1.25 Elllkommen

1.5

lJl

1.75

APW-Elnhellen

2.25

2.5

2.75

Einverdienerehepaar, 40 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug. Einverdienerehepaar, 40 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug. Zweiverdienerehepaar, 40 Beitragsjahre, 10 Jahre Rentenbezug. Zweiverdienerehepaar. 40 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Abbildung 8.5

Die Ergebnisse fiir die Ehepaarmodellfälle in Relation zum Referenzfall sind in Abbildung 8.5 wiedergegeben. Es fällt unmittelbar auf, daß die Kurven völlig

90 Unterschiede im Beitrags-Leistungsverhältnis zwischen Haushalten gleichen Einkommens ergeben sich allerdings schon aufgrund von Beitragsbemessungsgrenzen.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

337

anders verlaufen als die für die Ledigen in Abbildung 8.4. Im einzelnen sind folgende Aspekte festzuhalten:

Cl) Das Einverdienerehepaar ohne Hinterbliebenen (Modellfall 3a) erreicht bei

gleicher Beitragsdauer und in etwa gleicher Beitragsbelastung wie beim Referenzfall sowie einer gleichlangen Rentenbezugszeit interne Ertragsraten, die in etwa 1,5 Prozentpunkte über dem des Referenzledigen liegen. Diese relative Begünstigung kommt in erster Linie dadurch zustande, daß das Ehepaar mit seinen Beiträgen eine pro Jahr um etwa 40 % höhere Rentenleistung erwirbt als der Ledige. Zu den Zinsgewinnen trägt ferner bei, daß auch die Beitragsbelastung aufgrund des doppelten Grundfreibetrages etwas geringer ist als bei Ledigen91 . Hierbei handelt es sich um eine systemimmanente relative Begünstigung von Einverdienerehepaaren im Vergleich zu Ledigen. (2) Noch höhere Zinsgewinne erzielen die Einverdienerehepaare in der Variante mit Hinterbliebenenfall (Modell fall 3b bzw. 3c)92. Die hinzukommende, in unserem Fall 5 Jahre laufende AOW-Alleinstehendenrente für den Hinterbliebenen fiihrt zu einem zusätzlichen Zinsertrag in Höhe von etwa 1,5 Prozentpunkten in allen Einkommensbereichen gegenüber dem Einverdienerehepaar aus Modellfall 3a)93 und so zu einer um etwa 3 Prozentpunkte höheren internen Verzinsung im Vergleich zum Referenzfall. Gegenüber der ledigen Frau mit 15jähriger Rentenlaufzeit und 40 Beitragsjahren liegt die interne Ertragsrate immerhin noch um gut 1 Prozentpunkt höher. (3) Die Zweiverdienerehepaare zeigen dagegen ein von den Einverdienerehepaaren merklich abweichendes Ergebnis. Im Einkommensbereich bis etwa zum 1,35fachen des APW erzielen die Zweiverdiener mit 10jähriger Laufzeit bei der Renten eine höhere interne Ertragsrate als der Ledige im Referenzfall; d. h. dort profitieren Zweiverdienerehepaare vom höheren AOWRentensatz für Ehepaare. Danach aber sind die realisierbaren Ertragsraten um bis zu 2 Prozentpunkte niedriger als im Ledigenfall. Der Effekt der höheren durchschnittlichen Beitragsbelastung überwiegt hier gegenüber dem eines größeren Leistungsumfangs. Die Hinterbliebenenvariante (Modellfall 4b) fiihrt in den meisten Einkommensbereichen gegenüber dem Zweiverdienermodellfall 4a) zu einem Zinsgewinn in Höhe von etwa 2 Prozentpunkten. Damit steht das Zweiverdienerehepaar aufgrund des unteren und mittleren Einkommensbereichs insgesamt etwas günstiger da als der Referenzledige, hingegen aber bei mittleren und hohen Einkommen doch um ca. 3 Prozentpunkte schlechter als ein vergleichbares Einverdienerehepaar 91

Vgl. dazu Punkt 4 dieser Auflistung.

92 Beide Fälle können hier wiederum zusammengefaßt werden.

93 Aufgrund des bereits höheren Niveaus der intemen Ertragsraten beim Einverdienerehepaar fällt der Effekt einer höheren Lebenserwartung hier nicht so stark ins Gewicht wIe beim Ledigen (vgl. Fälle Ja) und J b». 22 Pöhler

338

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

(Modellfall 3b,c). Die Ursache liegt in der individuellen Beitragsbemessung und der darauf bezogenen Beitragsbemessungsgrenze. Ehepaare mit gleichmäßiger Aufteilung des Einkommenserwerbs erfahren dadurch eine deutlich höhere durchschnittliche Beitragsbelastung; bei einem Einkommen von 2 APW ist der faktische Belastungssatz durch AOW-Beiträge bei Einverdienerehepaaren nur etwa halb so hoch wie fiir die hier behandelten Zwei verdienerehepaare 94 . Da aber die Beitragshöhe im AOW grundsätzlich keinen Einfluß auf die Höhe der Rentenansprüche nimmt, fUhrt dies zu einer Begünstigung einer asymmetrischen Erwerbsaufteilung besonders bei mittleren und hohen Einkommen95 . (4) Im Gegensatz zu den Ledigenfällen haben die Kurven im Bereich niedriger und mittlerer Einkommen einen fallenden Verlauf, d. h. die Zinsgewinne fallen bei allen Ehepaarfällen im Bereich niedriger und mittlerer Einkommen höher aus als bei hohen Einkommen. Verantwortlich dafiir ist der bei Ehepaaren anfallende doppelte Grundfreibetrag, dessen Progressionswirkung sich mit zunehmendem Einkommen abschwächt, der aber dazu fUhrt, daß bei ganz niedrigen Einkommen die Beitragsbelastung um bis zu 2/3 niedriger ist als bei Ledigen. Die relativ stärkere Begünstigung von Beziehern niedriger und mittlerer Einkommen bei Ehepaaren im Vergleich zu Ledigen kommt durch die Berücksichtigung haushaltsbezogener Umstände im Sinne des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips auf der Beitragsseite zustande. Das AOW enthält somit zweierlei Gestaltungsmerkmale, die Ehepaare gegenüber Ledigen bevorteilen: auf der Leistungsseite den höheren Pauschalsatz fiir Ehepaare und auf der Beitragsseite den doppelten Grundfreibetrag. Zweiverdienerehepaare werden jedoch aufgrund der individuellen Beitragsbemessung besonders im mittleren und höheren Einkommensbereich im Durchschnitt höher belastet. Somit fallen die haushaltsbezogenen Begünstigungen in den Fällen um so größer aus, je asymmetrischer die Aufteilung des Einkommenserwerbs zwischen den Partnern geregelt ist. Einverdienerehepaare können daher die höchsten internen Ertragsraten erreichen, während in Fällen, in denen beide Partner gleichmäßig zum Haushaltseinkommen beitragen, die internen Ertragsraten sogar unter das Niveau von vergleichbaren Ledigen fallen. 8.3.3.4 Sensitivitätsanalysen

Die vorgestellten internen Ertragsraten beruhen auf den in Abschnitt 8.3.2.3 beschriebenen Prämissen. Diese betreffen die institutionelle Struktur des AOW, 94 Dieser liegt für Einverdienerehepaare bei 9,7 %, bei Zweiverdienerehepaaren bei 19 %. Vgl. Tabellen A-8.1 und A-8.2 im Anhang nach eigenen Berechnungen. 95 Vgl. dazu auch Abschnitt 8.2.2.4.

339

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

aber auch wirtschaftliche und demographische Rahmenbedingungen. Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse soll nun fiir die wichtigsten Parameter geprüft werden, in welchem Maße die getroffenen Annahmen die Ergebnisse beeinflussen. Dazu werden exemplarisch fiir den als Referenzfall verwendeten ledigen Mann mit 10jähriger Rentenlaufzeit (Modellfall la) die internen Ertragsraten unter Variation einzelner Parameter berechnet. Tabelle 8.3 Interne Ertragsraten für den ledigen Mann bei alternativen Annahmen

Interne Ertragsraten fiir den Modellfall des ledigen Mannes mit 10jähriger Rentenlaufzeit (in %)

APWEinkommensvielfache

0,25 0,50 0,58 0,75

(la)

(2*)

(3*)

(4*)

(5*)

(6*)

9,55

9,48 5,24 4,47 3,16

8,23 4,85 4,19 3,05 1,87 1,87 1,87 1,87 1,87 1,87 1,87 1,87 1,87 1,87

3,35 -0,37 -1,08 -2,28 -3,51 -3,51 -3,51 -3,51 -3,51 -3,51 -3,51 -3,51 -3,51

16,78 12,58 11,78 10,42 9,03 9,03 9,03 9,03 9,03 9,03 9,03 9,03 9,03 9,03

11,36 7,64 6,95 5,77 4,59 4,59 4,59 4,59 4,59 4,59 4,59 4,59 4,59 4,59

5,61 4,86 3,58

0,96 1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50 2,75

2,28

1,82 1,82 1,82 1,82 1,82 1,82 1,82 1,82 1,82

3,00

2,28

1,82

2,28 2,28 2,28 2,28 2,28 2,28 2,28 2,28

-3,51

Anmerkungen: (la)

AOW, 40 Beitragsjahre, Standardpfad (6 % Nominallohnwachstum, 4 % Inflation), Lohnanpassung der AOW-Rente, stationäre Bevölkerung. (2*) wie (I), aber Preisniveau anpassung der AOW-Rente. (3*) wie (I), aber 50 Beitragsjahre. (4*) wie (I), aber 0 % Lohnwachstum, 0 % Inflation. (5*) wie (I), aber 13 % Lohnwachstum, 10 % Inflation. (6*) wie (1), aber nichtstationäre Bevölkerung.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse sind in Tabelle 8.3 zusammengefaßt. Im einzelnen wurden die folgenden Konstellationen untersucht: 22"

340

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

Variation des Anpassungsverfahrens der Bestandsrenten: Preisniveauanpassung statt Lohnanpassung (Fall 2*), Variation der Beitragsperiode: 50 Beitragsjahre statt 40 (3*), Variation des makroökonomischen Entwicklungspfades: Minimalpfad (4*) und Maximalpfad (5*) sowie Annahme einer nichtstationären Bevölkerung (6*). Eine Schwierigkeit bestand darin, den angemessenen Anpassungsmechanismus fiir Bestandsrenten abzubilden, da formal zwar eine Lohnanpassung vorgesehen ist, in der Vergangenheit seit den 80er Jahren überwiegend nur ein Inflationsausgleich stattfand. Die Annahme einer Preisniveauanpassung führt in unseren Modellfällen zu geringfiigig niedrigeren internen Ertragsraten als bei einer Anpassung der Renten an die Lohnentwicklung; der Unterschied beläuft sich hier auf weniger als 1/2 Prozentpunkt. In den Fällen mit längerer Rentenlaufzeit, wie bei Frauen und Hinterbliebenen. fällt dieser etwas größer aus. Der Effekt hängt entscheidend von der makroökonomischen Entwicklung ab. Im Standardpfad beträgt wird von einem Reallohnwachstum von 2 % p. a. ausgegangen. Blickt man auf die Entwicklung in den Niederlanden seit 1980 zurück, so lag das Reallohnwachstum im Durchschnitt der letzten 12 Jahre bei etwa 0,3 %96. Das zeigt, daß die Annahme, die Renten werden mit der Lohnwachstumsrate angepaßt, nicht nur den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, sondern auch keine nennenswerte Verzerrung der Ergebnisse gegenüber der tatsächlichen Anpassungspraxis zur Folge hat. Das AOW legt einen versicherungspflichtigen Zeitraum von 50 Jahren zugrunde, in dem der Versicherte grundsätzlich auch beitragspflichtig ist. In unseren Berechnungen wird dagegen eine maximal nur 40 Jahre umfassende Beitragsperiode unterstellt, um dem gegenwärtigen Erwerbsverhalten stärker Rechnung zu tragen. Die Sensitivitätsrechnungen (vgl. Fall 3*) zeigen, daß dadurch die internen Ertragsraten ebenfalls nur geringfiigig beeinflußt werden; beim Ledigen um höchstens 1/2 Prozentpunkt, und dies fiir den Fall, daß der gesamte Zeitraum mit Beiträgen abgedeckt wird. Die Prämisse hinsichtlich des Beitragszeitraums ist daher weitgehend unproblematisch. Wesentlich bedeutsamer als die Annahmen über die institutionellen Faktoren sind die unterstellten makroökonomischen Entwicklungspfade. Im Stagnationsszenario ohne Lohn- und Preisniveauveränderung (Fall 4*) würden sich fast ausnahmslos sogar negative interne Ertragsraten ergeben; die Differenz zu den Ergebnissen im Standardpfad belaufen sich auf knapp 6 Prozentpunkte. Andererseits hätte eine extrem dynamisch verlaufende Wirtschaftsentwicklung (Fall 5*) eine deutliche Verbesserung der internen Verzinsung zur Folge. Zu berücksichtigen ist hierbei, daß das Szenario fiir den gesamten Betrachtungszeitraum gelten soll, der sich über 55 Jahre erstreckt. Bei einem solch langen 96 VgL dazu Abschnitt 3.1.1.2.2.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

341

Zeitraum erscheint fiir eine entwickelte Volkswirtschaft wie die niederländische weder das Stagnations- noch das Überhitzungsszenario wahrscheinlich. Es zeigt sich aber, daß die aus dem AOW zu erwartenden internen Ertragsraten stark sensitiv auf die zugrundeliegende wirtschaftliche Entwicklung reagieren. Dabei profitieren die Rentner um so mehr, je stärker die Reallöhne wachsen. Hier wird ein weiterer redistributiver Effekt deutlich. Das AOW in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung enthält eine intergenerationale Umverteilungskomponente, die bei dynamischem wirtschaftlichen Wachstum die Rentner besonders begünstigt, bei schwachem Wachstum jedoch zu deren Lasten wirkt. Schließlich wurde untersucht, wie bedeutsam die Bereinigung der Beiträge um demographische Einflüsse aus der Vergangenheit ist. Dazu wurde der im Referenzjahr 1992 geltende Beitragssatz an den fiir eine stationäre Bevölkerung erforderlichen angepaßt unter Verwendung der gegenwärtig herrschenden Sterblichkeiten und Geburtenziffern. Ohne eine solche Bereinigung, d. h. wenn der im Jahre 1992 herrschende Altersaufbau der Bevölkerung unverändert bliebe, lägen die internen Ertragsraten des Ledigen um gut 2 Prozentpunkte höher, wie die Ergebnisse in Fall 6*) zeigen. Diese Werte bilden aber keineswegs die empirisch erzielten internen Ertragsraten gegenwärtiger Rentnergenerationen ab. Diese dürften insbesondere aufgrund der Übergangsvorteile noch wesentlich höher liegen. Die Alternativrechnungen haben eine hohe Sensititvität der Ergebnisse hinsichtlich der makro ökonomische Entwicklung gezeigt. Schwächer war die Wirkung in bezug auf die Variation des demographischen Einflußfaktors, während die Annahmen über die institutionellen Parameter, einschließlich der Länge der Beitragszeit, die internen Ertragsraten kaum beeinflussen. Variationen der Modellannahmen wirken dabei zunächst auf die Höhe der errechneten Ertragsraten. Die Struktur zwischen den Haushalten oder den Einkommensklassen eines Haushaltstyps, die in unserer Betrachtung im Mittelpunkt stand, kann davon nur in dem Maße berührt werden, wie Niveaueffekte Einfluß auf die Verteilungswirkungen nehmen. Dies ist z. B. bei der Verteilung von horizontalen Begünstigungen auf unterschiedliche Einkommensklassen des betreffenden Haushaltstyps der Fall. Gleiches gilt aber auch fiir die vertikale Perspektive: je höher das Zinsniveau, desto geringer ist die Sensitivität97 . Dadurch können relative Begünstigungen stärker oder schwächer ausfallen als in den vorgestellten Berechnungen, die Richtung der Ergebnisse der vertikalen und horizontalen Verteilungsbetrachtung werden durch die getroffenen Modellannahmen aber nicht in Frage gestellt.

97 Vgl. Abschnitte 8.3.3.3.1 und 8.3.3.3.2.

342

8. Umverteilungswirkungen im Alterssicherungssystem

8.3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Mit Hilfe der Methode des internen Zinsfußes wurden im AOW angelegte Verteilungseffekte auf der Grundlage von Modellfällen untersucht. Anhand interner Ertragsraten konnten so relative Besser- und SchlechtersteIlungen festgestellt werden, ein umverteilungsneutraler Nullpunkt war jedoch aus methodischen Gründen nicht zu ermitteln. Die Ergebnisse vedeutlichen die Erkenntnisse aus der qualitativen Analyse.

Vertikale Verteilungswirkungen Das AOW begünstigt in starkem Maße Bezieher niedriger Einkommen, da die Renten grundsätzlich beitragsunabhängig als Pauschalleistungen gewährt werden, die Beiträge aber einkommensabhängig sind. Hiervon profitieren v. a. Teilzeitbeschäftigte, daher insbesondere Frauen, aber auch kleine Selbständige oder Personen mit unregelmäßigem Einkommen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Die vertikal umverteilende Wirkung im AOW wird aber durch eine relativ niedrig angesetzte obere Beitragsbemessungsgrenze beschränkt. Für Bezieher hoher und mittlerer Einkommen wirkt das AOW deshalb strukturell wie ein beitragsäquivalentes System. Vertikale Umverteilungseffekte werden angesichts der Pauschalierung bei den Renten durch die Regelungen auf der Beitragsseite ausgelöst. Sie fallen daher umso höher aus, je mehr die Beitragsseite in lebenslanger Betrachtung ins Gewicht fällt. Die relative Begünstigung niedriger Einkommen ist aus diesem Grunde in Zweiverdienerehepaaren besonders groß, bei ohnehin geringer Beitragszahlung, z. B. im Falle von Frauen mit langer Erwerbsunterbrechung, bei Arbeitsunfähigen oder Langzeitarbeitslosen, dagegen schwächer ausgeprägt. Eine längere Lebenserwartung mindert ebenfalls den vertikalen Verteilungseffekt. Solche Faktoren können die begünstigende Wirkung für Frauen somit abschwächen, kehren sie aber nicht um. Bezieher niedriger Einkommen werden auch durch die indirekte Progressionswirkung des Grundfreibetrages begünstigt. Ehepaare sind davon stärker betroffen, da hier der doppelte Grundfreibetrag eines Ledigen anfällt. Hinzu kommt, daß die gewissermaßen als Umverteilungspuffer wirkende obere Beitragsbemessungsgrenze weiter nach oben verschoben wird. Im Ergebnis fällt der vertikale Verteilungseffekt zugunsten niedriger Einkommen bei Zweiverdienerehepaaren mit symmetrischer Erwerbsaufteilung am größten aus, am schwächsten bei der ledigen Frau mit halbierter Beitragszeit und längerer Lebenserwartung.

8.3 Zur quantitativen Analyse von Verteilungswirkungen im AOW

343

Horizontale Verteilungswirkungen Die horizontale Verteilungsanalyse hat gezeigt, daß die internen Ertragsraten Unterschiede in der Rentenlaufzeit besonders stark reflektieren. Hierdurch werden Frauen aufgrund ihrer längeren Lebenserwartung in besonderem Maße begünstigt, ein Effekt, der aber eher als Risikoausgleich zu interpretieren ist. Demgegenüber sind die Zinsgewinne aus geringeren Beitragszeiten als politisch intendierte Umverteilung anzusehen. Beide Effekte kumulieren häufig bei Frauen. In der Verteilung von derartigen Zinsgewinnen auf die einzelnen Einkommensklassen ergab sich für Ledige einerseits und Ehepaare andererseits ein konträres Bild: bei Ehepaaren profitierten v. a. die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen, bei Ledigen hingegen mittlere und hohe Einkommen. Eine große Bedeutung für das Verteilungsergebnis hat im AOW generell der Familienstand bzw. der Haushaltszusammenhang. Haushaltsbezogene Faktoren wirken sowohl auf der Beitrags- wie auf der Leistungsseite. Es kann deshalb trotz des höheren AOW-Ehepaarsatzes nicht ohne weiteres gesagt werden, ob Ehepaare gegenüber Ledigen mit gleichem Haushaltseinkommen und gleicher Lebenserwartung begünstigt oder benachteiligt werden. Ganz entscheidend ist in dem Zusammenhang die Aufteilung des Einkommenserwerbs. Die Individualisierung der Beitragsbemessung führt zu einer erheblichen Besserstellung von traditionellen Einverdiener- gegenüber Zweiverdienerehepaaren. Das AOW wirkt somit nicht entscheidungsneutral hinsichtlich der intrafamiliären Erwerbsaufteilung; es setzt vielmehr Anreize zugunsten traditioneller Rollenmuster. Dies gilt besonders im Bereich mittlerer und oberer Haushaltseinkommen, in dem ein solches Kriterium häufig überhaupt erst Anreizwirkung entfalten kann. Die Sensititivitätsrechnungen mit alternativen Prämissen stellten die grundsätzlichen Ergebnisse nicht in Frage. Es wurde deutlich, wie sehr das Niveau der Ertragsraten vom wirtschaftlichen Entwicklungspfad abhängt. Ein dynamisches Wachstum führt dabei tendenziell zu einem zusätzlichen intergenerationalen Zinsgewinn der Rentner.

9. Die Einkommenssituation der älteren Bevölkerung in den Niederlanden aus empirischer Sicht 9.1 Ausgangspunkt: Zur Motivation einer empirischen Betrachtung Die bisherige Analyse beruhte auf einer institutionellen Betrachtung der AIterssicherungssysteme und einer daraus abgeleiteten quantitativen Abschätzung möglicher Sicherungsergebnisse und Verteilungseffekte unter bestimmten von uns getroffenen Annahmen. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse lassen jedoch eher Rückschlüsse auf die Funktionsweise der einzelnen Sicherungssysteme als auf die tatsächliche Einkommenssituation der gegenwärtigen Altenbevölkerung in den Niederlanden zu. So wurde mit den betrachteten Alterssicherungssystemen nur eine begrenzte Auswahl möglicher Einkommensquellen von Alten behandelt; insbesondere Einkommen aus privater Ersparnis wurde bislang vernachlässigt. Weiterhin vermag selbst die Vielzahl von ModelWillen die sozio-demographische Struktur nicht hinreichend abzubilden, ganz abgesehen davon, daß auch die Frage, wie häufig in den ModelWillen angelegte Einkommens-, Erwerbsverhaltens- und Haushaltskonstellationen in der Realität anzutreffen sind, bewußt ausgeblendet wurde. Hinzu kommt, daß sich die bisherige Untersuchung im wesentlichen auf den institutionellen Regelungsstand des Jahres 1992 stützte und für längere Betrachtungszeiträume davon ausgegangen wurde, dieser habe in ausgereifter Form schon immer bestanden bzw. werde strukturell unverändert weiterbestehen. Damit blieben aber Übergangsregelungen ebenso ausgenommen wie das Fortwirken alten Rechts in Gestalt von Rentenansprüchen aufgrund von heute nicht mehr bestehenden Rechtsnormen. Zudem gehen auch von den ökonomischen Rahmenbedingungen der Vergangenheit Einflüsse auf die heutige Einkommenslage der älteren Bevölkerung aus. Zu denken ist dabei besonders an die Möglichkeiten zur Bildung von Vermögen, das im Rentenalter als Einkommensquelle genutzt werden kann. Diese Bemerkungen machen deutlich, daß eine zutreffende Einschätzung der tatsächlichen Einkommenssituation älterer Menschen nur auf empirischem Wege zu gewinnen ist. Das Einkommen kann dabei als ein zentraler Indikator für die Lebenslage I bzw. die Wohlfahrt alter Menschen aufgefaßt werden, ist I Unter Lebenslage wird in der sozialwissenschaftlichen Literatur der Spielraum verstanden, der dem einzelnen bzw einer Gruppe von Menschen für die Befriedigung der materiellen und immateriellen Bedürfnisse zur Verfügung steht Vgl. dazu GlalzerlHübinger (1990), S. 34 - 37.

9.2 Stand der bisherigen empirischen Forschung

345

aber für sich genommen noch keineswegs hinreichend. Das Problem der angemessenen Erfassung der Lebenslage tauchte bereits im Zusammenhang mit der Bestimmung von Armutsgrenzen auf2 . Daher genügt an dieser Stelle der Hinweis, daß ein breiterer Ansatz wünschenswert wäre, der bis zur Einbeziehung qualitativer Merkmale, wie z. B. des Gesundheitsstandes oder des Ausmaßes an sozialen Kontakten, reichen könnte 3 . Dies wird in der nachfolgenden Analyse allerdings nicht berücksichtigt. In einem ersten Schritt werden zunächst Arbeitshypothesen aufgestellt, die später den empirisch ermittelten Ergebnissen auf Basis des niederländischen Haushaltspanels gegenübergestellt und auf Übereinstimmungen oder Abweichungen hin überprüft werden können. Der Abschnitt enthält auch einen Überblick über andere empirische Untersuchungen zur Einkommenssituation alter Menschen in den Niederlanden. Anschließend werden nach ein paar kurzen methodischen Bemerkungen die Auswertungen des Panels im einzelnen vorgestellt und interpretiert. Im Mittelpunkt stehen dabei verteilungspolitische Fragen nach dem durchschnittlichen Einkommensniveau und dem Ausmaß an Armut im Alter sowie nach möglichen Unterschieden im Sicherungsergebnis zwischen Männern und Frauen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten empirischen Erkenntnisse bildet den Schluß dieses Kapitels.

9.2 Hypothesen über die Einkommenssituation alter Menschen und Überblick über den Stand der bisherigen empirischen Forschung 9.2.1 Hypothesen aus Sicht der institutionellen und modellfallbezogenen Betrachtung Aus den oben genannten Gründen bietet eine empirische Betrachtung einen völlig anderen Zugang zum Untersuchungsgegenstand der Alterssicherung als die bisherige Vorgehensweise und ist insofern eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Analyse. Wenn somit eine Erklärung der empirischen Ergebnisse mit Hilfe der institutionell-modellhaft gewonnenen Erkenntnisse aus methodischen Gründen nicht ohne weiteres möglich ist, so lassen sich aus diesen doch zumindest Hypothesen in bezug auf die von uns gewählten Erkenntnisziele formulie-

2 Vgl. dazu Abschnitt 2.3.2. 3 Ansätze dazu sind aus der Armutsforschung bekannt. In bezug auf die Niederlande sei auf den relativen Deprivationsindex hingewiesen, der an der Universität Tilburg verwendet wird. Der Index erfaßt neben dem Einkommen weitere die Lebensumstände repräsentierende Indikatoren wie Gesundheit, Vermögen und Schulden, die Wohnverhältnisse und soziale Kontakte. Vgl. dazu Berghman et af. (1989), S. 89 - 94.

346

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

ren, die auf ihre empirische Gültigkeit hin untersucht werden können. Zu erwarten wäre demnach folgendes Bild: Angesichts des umfassenden Deckungsgrades der AOW-Volksversicherung wie mittlerweile auch der Zusatzrentensysteme ist im Durchschnitt ein hohes Sicherungsniveau der Rentnerhaushalte im Verhältnis zu Nichtrentnerhaushalten zu erwarten. Geringere Sicherungsniveaus dürften bei Alleinstehenden, darunter v. a. bei Frauen auftreten. Außerdem ist zu vermuten, daß als Folge geringerer Zusatzrentenansprüche die Sicherungsniveaus bei Personen höheren Alters im Durchschnitt ungünstiger sind als bei jüngeren Alten. Grundsätzlich sollte das AOW eine wirksame Armutsvermeidung gewährleisten. Aufgrund des Pauschalleistungscharakters ist jedoch zu erwarten, daß die Zahl der von Altersarmut Betroffenen sprunghaft ansteigt, je weiter die Armutsgrenzen gefaßt sind. Die Gestaltung der Leistungssätze im AOW läßt zudem vermuten, daß Personen in (Ehe-)Paarhaushalten, die ausschließlich oder in erster Linie auf die staatliche Altersrente angewiesen sind, im Alter stärker gefährdet sind als Alleinstehende. Weiterhin kann man annehmen, daß das Armutsrisiko von Frauen im Alter, auch als Hinterbliebene, kaum größer sein dürfte als das der Männer. Diesen Schluß legt die einkommensnivellierende Wirkung des AOW nahe.

9.2.2 Die einkommensmäßige Situation der älteren Bevölkerung in anderen empirischen Studien Erwartungen über die Ergebnisse der empirischen Untersuchung lassen sich auch aus anderen empirischen Studien über die Einkommenslage der Altenbevölkerung gewinnen. Die Gegenüberstellung mit der nachfolgenden PanelAuswertung kann als eine Art Validitätsprüfung der gefundenen Ergebnisse angesehen werden. Nach einer Untersuchung des Sociaal en Cultureel Planbureau von 1991 4 lag die Zahl der Haushalte mit einem verfügbaren "standardisierten Einkommen"5 unterhalb der Sozialhilfenorm bei 7 %6. Unter diesen waren Rentnerhaushalte mit 6 % unterrepräsentiert; zudem wiesen sie einen unterdurchschnittlichen

4 Aanvullend voorzieningengebruik onderzoek AVO (Untersuchung über die Inanspruchnahme ergänzender Versorgungsleistungen); vgL dazu Sociaal en Cultureel Planbureau (1988), S. 204 207. 5 Mit Hilfe von Äquivalenzgewichten wurden die Einkommen unterschiedlicher Haushaltstypen vergleichbar gemacht. Die Äquivalenzgewichte stimmen mit denen überein, die der allgemeinen Sozialhilfe und den sonstigen sozialen Mindestleistungen zugrundeliegen CI; 0,43). VgL dazu im einzelnen Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 240 - 241. 6 VgL Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 205.

9.2 Stand der bisherigen empirischen Forschung

347

Abstand zur Sozialhilfenonn auf? Aus einer nach demselben Muster durchgeführten Untersuchung fiir das Jahr 1985 geht hervor, daß zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rentnerhaushalten bestehen. Danach weisen mehr als ein Viertel der Alleinstehenden-, aber nur 10 % der Ehepaarhaushalte ohne Kinder ein verfügbares Einkommen im Bereich der sozialen Mindestnonn auf!. Je älter die Personen waren, desto größer war die Gefahr, am Rande des Existenzminimums leben zu müssen9 . Auf Daten des niederländischen Sozio-ökonomischen Panels stützen sich zwei Annutsstudien der Universität Tilburg. Die jüngere der beiden von Muffels et al. 10 stammt aus dem Jahre 1990 und wurde im Zusammenhang mit einem von der EG-Kommission in Auftrag gegebenen, alle Länder der Gemeinschaft umfassenenden Forschungsprogramm zur Sammlung, Koordinierung und Analyse vergleichender Annutsdaten erstellt und um elmge aus niederländischer Sicht interessante Fragstellungen erweitert. Hierbei wurden Daten der 4. und 6. Erhebungswelle des Sozio-ökonomischen Panels von 1985 und 1986 verwendet. In die Studie gingen über 4.500 Haushalte einlI. Die Analyse der Nettohaushaltseinkommen auf der Grundlage der auch von uns verwendeten originären OECD-Äquivalenzskala mit den Gewichten 1 (erste erwachsene Person), 0,7 (jede weitere erwachsene Person ab 14 Jahren) und 0,5 (Kinder) zeigt, daß Rentnerhaushalte überwiegend in den unteren Einkommensbereichen angesiedelt sind l2 . Jedoch zählen Rentnerhaushalte nicht zu denen, die in besonders hohem Maße von Annut bedroht sind; dieses trifft in erster Linie auf junge Arbeitslosenhaushalte zu. Allerdings hängt das Ergebnis stark von der zugrunde gelegten Annutsgrenze ab. Die Annutsquoten von Rentnerhaushalten liegen in einer Bandbreite von 2,4 % (EG-Standard) bis 56,2 % (Leyden Poverty Line) und damit zum Teil unterhalb und zum Teil

7 Besonders prekär war die Situation bei studentischen und Arbeitslosenhaushalte. Vgl. dazu Sociaal en Cultureel Planbureau (1994), S. 249. 8 Gezählt wurden Haushalte mit einem Einkommen von bis zu 105 % des offiziellen Mindesteinkommens; vgl. Social and Cultural Planning Office (1991), S. 396. 9 Zu den Ergebnissen vgl. Social and Cultural Planning Office (1991), S. 396. Die Ergebnisse dieser Studie wurden außerdem zitiert im Landesbericht Niederlande der von der EG-Kommission eingesetzten Beobachtergruppe zur Seniorenpolitik in den Mitgliedsstaaten; vgl dazu Baars/Knipscheer/Breebaart (1993), S. 12 - 13 und 61 - 76 sowie AlberlGuillemardiWalker (1993), S. 31. Allerdings scheint der Datensatz nicht frei von Erhebungsfehlern zu sein. Darauf weisen Döring et al. hin, die diesen Datensatz in einer vergleichenden Untersuchung für sechs Länder im Hinblick auf eine eigenständige Sicherung von Frauen verwendeten. Vgl. dazu Döring et al. (1992), S 6 - 14 sowie auch dies. (1996), S 149 - 155. 10 Vgl. dazu Muffels et al. (1990).

II Vgl. Muffels et al. (1990), S. 31. Zu Organisation und Durchführung des Panels vgl. ebd., S. 181 - 183. Vgl. auch Eurostat (1990).

12 Danach verfügen fast 50 % aller Rentnerhaushalte über ein standardisiertes Nettoeinkommen, das in den Bereich der drei unteren Dezile fällt. Vgl. Muffels et al. (1990), S. 7 - 8.

348

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

oberhalb derjenigen der Gesamtbevölkenmg l3 . Dabei zeigt sich, daß die Verwendung weiter gefaßter Armutsgrenzen bei Rentnerhaushalten zu einem spnmghaften Anstieg der Armutsquoten fiihrt. Für alle Armutsgrenzen bestätigt sich außerdem, daß das Armutsrisiko unter den Rentnerhaushalten um so höher ist, je älter die Mitglieder des Haushalts sind. Insgesamt schneiden die Niederlande im Hinblick auf die Vermeidung von Altersarmut sehr günstig ab: nach der oben erwähnten gemeinschaftsweiten Armutsstudie ist die Armut von Personen über 65 Jahren bei Zugrundelegung der ursprünglichen OECD-Skala bezogen auf Ausgabendaten zusammen mit Belgien am niedrigsten. In beiden Ländern ist auch die Armut in der Gesamtbevölkenmg weniger verbreitet als in den meisten anderen Ländern l4 . Gestützt wird dieses Bild durch eine jüngere Studie von van den Bosch et al. über sieben europäische Länder und Regionen (außer den Niederlanden wurden Belgien, Luxemburg, Irland, Griechenland sowie Lothringen und Katalonien einbezogen). Danach ist die Altersarmut in den Niederlanden wenig ausgeprägt, insbesondere wenn eine eng gefaßte Armutsgrenze verwendet wird 15. Eine ältere Studie von Berghman et al. aus dem Jahre 1988 zielt auf eine Beschreibung der Lebensumstände von bestimmten Bevölkenmgsgruppen ab, die im Umfeld des Existenzminimums leben l6 . Dabei wurden ebenfalls Daten des Sozio-ökonomischen Panels aus dem Jahre 1985 herangezogen 17. Die Untersuchung ist fiir unsere Zwecke insofern interessant, als die Älterenhaushalte l8 , die in finanziell ungesicherten Verhältnissen leben, nach sozio-demographischen Kriterien näher untersucht wurden. Bezogen auf das politisch festgesetzte sozia13 Für die gesamte Bevölkerung wurden für dasselbe Jahr Armutsquoten zwischen 7,2 % (EGStandard) und 35,5 % (Leyden Poverty Line) errechnet. In der Untersuchung von Muffels et al. werden fünf Armutsgrenzen verwendet. Die relativen Armutsgrenzen (z. B. der EG-Standard) sind hierbei niedriger als die subjektiven Armutsgrenzen (etwa die Leyden Poverty Line). Vgl. Muffels et al. (1990), S. 193 und S. 43; vgl. zu den Armutsgrenzen im einzelnen ebd., S. 21 - 29 und S. 125 - 176. 14 Vgl. dazu Eurostat (1990), S. 30 - 35. 15 Bezogen auf den EG-Standard liegt das Armutsrisiko für Rentnerhaushalte in den Niederlanden 1986 mit 2,4 % deutlich unter dem durchschnittlichen Armutsrisiko im Lande (7,2 %) und weist unter den betrachteten Ländern bzw. Regionen den niedrigsten Wert auf (in Griechenland lag zum Vergleich das Armutsrisiko unter den Rentnerhaushalten bei 21,7 % gegenüber 19,9 % für alle Haushalte). Deutlich höhere Werte ergeben sich für die subjektiven Armutsgrenzen des Standards des Antwerpener Zentrums für Sozialpolitik (CSP-Standard) und der Subjective Poverty Line (SPL), wonach das Armutsrisiko für Rentnerhaushalte mit 16.4 % gegenüber 10,9 % aller Haushalte (CSP-Standard) bzw. 29,0 % gegenüber 15,9 % (SPL-Standard) über dem durchschnittlichen Verarmungsrisiko aller Haushalte liegt. Unter den betrachteten Ländern schneidet Luxemburg dabei besser ab als die Niederlande. Vgl. dazu van den Bosch et al. (1993), S. 247 - 253. Zur Methodik des CSP- und SPL-Standards vgl. Muffels et al. (1990), S. 125 - 126 und S. 137 - 142. 16 Vgl. Berghman et al. (1989). 17 Vgl. Berghman et al. (1989), S. 67. 18 Definiert als Haushalte mit einem Haushaltsvorstand über 65 Jahren; vgl. Berghman et al. (1989), S. 54.

9.2 Stand der bisherigen empirischen Forschung

349

le Minimum für verschiedene Haushaltstypen, abgeleitet aus den Leistungssätzen der allgemeinen Sozialhilfe 19, errechneten die Autoren zunächst einen Anteil von 17 % der Älterenhaushalte, deren Einkommensverhältnisse als ungesichert angenommen werden konnten. Der Anteil lag damit höher als für die Gesamtbevölkerung mit 10,9 %20. Bemerkenswert waren zudem beträchtliche Unterschiede unter den Älterenhaushalten in Abhängigkeit vom Familienstand, die ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen des Sociaal en Cultureel Planbureau stehen: So lebten mit 23,4 % fast ein Viertel der älteren Ehepaare in finanziell ungesicherten Verhältnissen, während das Armutsrisiko bei Alleinstehenden deutlich geringer war (zwischen 11,5 % bei Hinterbliebenen und 3 % bei Unverheirateten). Auffallig war ferner, daß das Armutsrisiko in Haushalten mit weiblichem Haushaltsvorstand (l 1,2 %) nur halb so hoch war wie in Haushalten mit männlichem Vorstand (20,5 %)21. In der Gesamtbevölkerung hingegen sind die Verhältnisse gerade umgekehrt 22 . Abschließend sei noch eine vergleichende Untersuchung von Tsakloglou von 1993 über die Lebensbedingungen der Alten erwähnt, die sich über alle EULänder erstreckt23 . Auf der Grundlage von harmonisierten Mikrodaten aus landesbezogenen Haushaltsbudgetumfragen wurden Verteilungsrechnungen auf Personenbasis durchgefiihrt. Als Äquivalenzskala diente die modifizierte OECD-Skala mit den Gewichten 1 für die erste erwachsene Person, 0,5 für jede weitere erwachsene Person und 0,3 für jedes Kind bis 14 Jahren24 . Als Wohlstands indikator wurde zum einen auf die privaten Konsumausgaben und zum anderen auf das Nettoeinkommen abgestellt. Aus Daten des Jahres 1988 ergab sich für die Niederlande, daß die durchschnittlichen Konsumausgaben der Alten (Personen über 65 Jahren) 90,9 % des Niveaus der Nichtalten ausmachen. Damit nehmen die Niederlande einen Mittelplatz innerhalb der EU-Länder ein. Einen deutlich höheren Wert erreicht Belgien (98,4 %), während Griechenland mit 70,5 % das niedrigste Niveau aufweist. Zudem ist die Armutsquote in den Niederlanden, bei einer Armutsgrenze von 50 % der durchschnittlichen Äquivalenzkonsumausgaben, mit 11,7 % gegenüber 3,4 % unter den Alten deutlich

19 Vgl. dazu im einzelnen Berghman er al. (1989), S. 30 und S. 83 - 85. 20 Vgl. Berghman er al. (1989), S. 43. Neben der politischen wurden noch eine subjektive Armutsgrenze (Subjective Poverty Line, vgl. dazu Berghman er al. (1989), S. 86 - 88) und ein relativer Deprivationsindex verwendet. In bei den Fällen liegen die Armutsquoten höher als im Falle der politischen Grenze. 21 Dazu ist zu sagen, daß in den Haushalten mit männlichem Vorstand überwiegend die Verheirateten enthalten sind; daher kann nicht ohne weiteres geschlußfolgert werden, daß das Armutsrisiko für Frauen generell halb so hoch ist wie für Männer. Vgl. zu den Zahlen Berghman er al. (1989), S. 54. 22 Vgl. Berghman er al. (1989), S. 34 - 35. 23 Vgl. Tsakloglou (1993) und in einer Kurzfassung Tsakloglou (1994). 24 Vgl. Tsakloglou (J 994), S. 3.

350

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

höher als unter den Nichtalten, wenn auch gering im Vergleich zu anderen EULändem25 . Aufgrund der hier zitierten Untersuchungen erscheint das Bild vieldeutig, dennoch zeichnen sich die folgenden Grundtendenzen ab:

Im Durchschnitt scheint das Nettoeinkommen der Alten zwar hinter dem der Nichtalten zurückzubleiben, allerdings dürfte der Rückstand nicht beträchtlich sein. Uneinheitlich ist das Bild im Hinblick auf die Armutsgefährdung der älteren Bevölkerung. Besonders deutlich ist die Abhängigkeit des Ergebnisses von der zugrundegelegten Armutsgrenze und der verwendeten Äquivalenzskala. Je enger die Armutsgrenze definiert ist, desto günstiger fallen die Ergebnisse für die Alten aus; und je großzügiger die Armutsgrenze angelegt ist, desto annutsgefährdeter erscheinen diese auch und insbesondere im Vergleich zur übrigen bzw. zur Gesamtbevölkerung. Widersprüchlich sind die Ergebnisse in bezug auf die einzelnen Haushaltstypen, so v. a. in der Frage, ob Personen, die in einer (ehelichen) Gemeinschaft leben, im Alter einem größeren Armustrisiko unterliegen als Alleinstehende. Eindeutig ist hingegen der Befund, daß die Armutsgefährdung um so größer ist, je älter die Altenkohorten sind. Hinsichtlich der einkommensmäßigen Absicherung von Frauen im Alter scheint sich die Vermutung zu bestätigen, daß sie kaum stärker von Armut befroffen sein dürften als Männer und im Vergleich zu Frauen im erwerbsfahigen Alter weniger gefährdet sind. Offen bleibt bei der Konzentration der Betrachtung auf den Niedrigeinkommensbereichs jedoch, inwieweit Frauen im Alter in anderen Einkommensbereichen und somit im Durchschnitt nicht doch einen einkommensmäßigen Rückstand gegenüber Männem aufweisen.

9.3 Zur Methodik 9.3.1 Das niederländische Sozio-ökonomische Panel: Konzept und Definitionen Die nachfolgende Analyse beruht auf Mikrodaten, die vom Zentralen Statistischen Amt CBS in den Niederlanden im Rahmen des seit 1984 regelmäßig durchgeführten Sozio-ökonomischen Panels Socio-Economisch Panel (SEP)26 25 Die Verwendung von Einkommens- statt Konsumausgabendaten zeigt einen größeren Abstand in bezug auf die relative Wohlstandsposition der Alten zu den Nichtalten (88,6 %), während die Armutsquoten enger zusanunenliegen (9,7 % bei den Alten gegenüber 6,8 % bei den Nichtalten); vgl. dazu Tsakloglou (1994), S. 10. Zu den Berechnungen auf der Basis von Konsumausgabendaten vgl. Tsakloglou (1994), S. 6. 26 Zu Inhalt, Design und Organisation des SEP vgl. Central Bureau ojStatistics (1991)

9.3 Zur Methodik

351

erhoben und am Luxemburg Income Study-Projekt (LIS-Projekt)27 zwn Zwecke einer internationalen Vergleichbarkeit aufbereitet wurden. Die Daten wurden in der LIS-Kodifikation bearbeitet und fiir unsere Untersuchungszwecke ausgewertet. Ziel des SEP ist es, in regelmäßigen Abständen eine Beschreibung der wesentlichen Elemente der Wohlfahrt von Individuen und Haushalten zu geben28 . Zu diesen Elementen gehören insbesondere Einkommen und Einkommenstransfers, Lebensbedingungen, Spar- und Konsummuster, die Zahl der Arbeitsstunden und die Beurteilung und Wahrnehmung von Wohlstand. Dabei geht es um die Ermittlung von Korrelationen zwischen einzelnen Elementen untereinander und solchen mit persönlichen und haushaltsbezogenen Merkmalen wie dem Alter, dem sozio-ökonomischen Status, der Haushaltsgröße und zusammensetzung. Insofern eignen sich die im Panel erhobenen Daten grundsätzlich gut fiir die von uns verfolgten Fragestellungen. Einschränkend ist an dieser Stelle anzumerken, daß es sich bei der nachfolgend vorzustellenden Analyse um eine Querschnittsbetrachtung handelt; es wird daher nur mit einer Erhebungswelle gearbeitet. Eine Betrachtung im Zeitablauf ist nicht beabsichtigt. Die Analyse stellt somit nur eine Momentaufnahme dar. Die hier verwendeten Mikrodaten stammen aus der 8. Welle des SEP (erhoben 1991) und beziehen sich auf das Jahr 1990. Die Stichprobe der 8. Welle umfaßt ungewichtet 4.378 Haushalte mit zusammen 8.346 Personen und damit etwa 0,7 Promille der Haushalte in den Niederlanden. Da sich die Befragung nur an Haushalte mit fester Adresse richtet, werden Personen in Einrichtungen, etwa 1 Prozent der Bevölkerung, nicht im Panel erfaßt. Das Phänomen des selektiven Nichtantwortens von Personengruppen erfordert zudem eine Gewichtung der Stichprobe nach sozio-demographischen Kriterien, deren Verteilung in der Gesamtbevölkerung bekannt ist. Die im SEP erhobenen Daten werden daher nach Alter, Geschlecht, Familienstand, Region und Urbanisationsgrad gewichtet, um Aussagen über die Gesamtbevölkerung treffen zu können. Untersuchungseinheit kann entweder der Haushalt oder auch das Individuum sein. In unserer Analyse wird mit haushaltsbezogenen Daten gerechnet. Als Haushalt gilt nach Definition des SEP eine Gruppe von zwei oder mehr Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, ebenso wie eine Person, die einen unabhängigen Haushalt auf eigene Rechnung führt. In den Fällen, in denen eine personenbezogene und keine haushaltsbezogene Betrachtung angebracht ist, erfolgt eine Umrechnung des Haushaltseinkommens auf die einzelnen Mitglieder und damit erneut eine Annahme über die intrafa27 Zum LIS-Projekt allgemein vgl. de Tombeur/Ladewig (1995). 28 Vgl. Central Bureau ojStatistics (1991), S 6.

352

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

miliäre Aufteilung des Haushaltseinkommens. Wie schon in der Modellfallanalyse29 wird hier auf das Instrument der Äquivalenzskala zurückgegriffen, die angibt, um wieviel Prozent das Einkommen eines Haushalts beim Hinzutreten weiterer Personen erhöht werden muß, damit er das gleiche Wohlstandsniveau erreicht wie in einem Einpersonenhaushalt. Sinnvollerweise wird analog die ursprüngliche OECD-Skala zugrundegelegt, die der ersten Person im Haushalt ein Gewicht von 1, jeder weiteren erwachsenen Person eines von 0,7 und jedem Kind (bis 14 Jahren) ein Gewicht von 0,5 zumißt. Ein Ehepaar mit 2 Kindern muß demnach genau das 2,7fache Einkommen eines Alleinstehenden aufbringen, um auf dasselbe Wohlstandsniveau zu kommen. Es ist leicht einzusehen, daß die Wahl der Äquivalenzskala die späteren Ergebnisse maßgeblich beeinflussen kann - ein Umstand, der bereits beim Vergleich der anderen empirischen Studien auffiel. Wenn - wie noch gezeigt wird - ältere Menschen besonders häufig in kleineren Haushalten anzutreffen sind, erscheint ihre Wohlstandsposition im Vergleich zu den Nichtalten um so ungünstiger, je höher die Einsparungen gemeinsamer Haushaltsfiihrung angesetzt werden oder, mit anderen Worten, je geringer die Aufwendungen fiir Kinder veranschlagt werden. Diesem Umstand wird durch ergänzende Sensitivitätsanalysen mit einer alternativen Äquivalenzskala Rechnung getragen. Hinsichtlich der Erfassung des Einkommens wurde die Erhebungsmethode im SEP 1990 geändert. Bis dahin wurde das verrugbare Jahreseinkommen direkt aus dem am Interviewtag erfragten Nettomonatseinkommen ermittelt. Seit 1990 wird statt dessen das jährliche Bruttoeinkommen des vorigen Kalenderjahres erfragt. Das bedeutet, daß sich die hier verwendeten Einkommensangaben auf das Jahr 1990 beziehen. Aus den Bruttoeinkommen werden die Nettoeinkommen mit Hilfe eines Brutto-Netto-Algorithmus im Rahmen eines Mikrosimulationsmodells bestimmt. Im einzelnen setzen sich die von uns betrachteten Bruttoeinkommenskategorien 30 aus den folgenden Einkommensquellen zusammen: Vermögenseinkommen: Kapitalerträge, Immobilienerträge, Mietwert der eigenen Wohnung; Erwerbseinkommen: Bruttolöhne bzw. -gehälter, realisierte Gewinne bzw. erwartete Gewinne fiir das laufende Jahr; Sozialversicherungsrenten: AOW -Renten, AWW -Renten, WAO-Renten, AAW-Renten; Zusatzrenten: VUT-Renten, betriebliche Zusatzrenten des privaten und öffentlichen Sektors (pensioenen);

29 Vgl. Abschnitt 7.2.2.1. 30 Vgl. Abschnitt 9.5.

9.3 Zur Methodik

353

andere Sozialtransjers: AKW-Kindergeld, bedarfsabhängige und -unabhängige Arbeitslosenleistungen nach WW, Rww, IOAW, IOAZ, Krankengeld nach dem ZW, Kriegs- und Besatzungsopferversorgungsleistungen, andere bedarfsabhängige Leistungen wie Sozialhilfe (ABW), Wohngeld und Studienbeihilfe; sonstiges Einkommen: empfangene Unterhaltsleistungen und weitere Einkünfte, wie z. B. Leibrenten. 9.3.2 Abgrenzungen innerhalb dieser Studie Um ein genaueres Bild von der einkommensmäßigen Lage der älteren Bevölkerung in den Niederlanden zu erhalten, genügt es nicht, die Situation der Gruppe der Alten als ganzes der einer Vergleichsgruppe gegenüberzustellen. Nicht zuletzt wegen des besonderen Gewichts, das der sozialen Sicherung von Frauen zukommt, ist es ratsam, zusätzlich nach sozio-demographischen Kriterien wie Geschlecht, Alter, Haushaltszusammenhang und Einkommensbezugsquelle zu unterscheiden. Dies vermittelt einen differenzierteren Eindruck davon, welche Gruppen innerhalb der Altenbevölkerung einkommensmäßig besonders günstig und welche besonders ungünstig gestellt sind oder anders gewendet, welchen Einfluß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozio-ökonomischen Gruppe im Hinblick auf die relative Einkommensposition hat. In unserer Studie, die im international vergleichenden Zusammenhang zu sehen ist, werden in den meisten Fällen vier Altersklassen betrachtet. Um auch Bezieher von Vorruhestands- oder Invaliditätsrenten von den sonstigen jüngeren Haushalten abzugrenzen, wurde unterhalb der gesetzlichen Altersgrenze von 65 Jahren zwischen Haushalten mit einem Vorstand über 55 Jahren und solchen mit einem Vorstand unter 55 Jahren unterschieden. Als Haushaltsvorstand gilt bei Ehepaaren üblicherweise der Mann, in Eineltemfamilien der betreffende Elternteil31 . Analog wurde oberhalb der Altersgrenze eine Abgrenzung zwischen jüngeren Alten (bis 74 Jahren) und Hochbetagten (ab 75 Jahren) durchgeführt. Die verschiedenen Haushaltstypen wurden nach der Haushaltsgröße und dem Geschlecht gebildet. Zu unterscheiden sind danach alleinstehende Männer, alleinstehende Frauen und Ehepaare. Alle übrigen Haushaltsformen sind in der Restkategorie "andere Haushalte" zusammengefaßt. Zu den Alleinstehenden gehören somit auch Hinterbliebene oder alleinlebende Geschiedene.

31 In anderen Fällen gilt hilfsweise die Person als Haushaltsvorstand, die von den Haushaltsmitgliedem als solcher angesehen wird. Gegebenenfalls greift man darauf zurück, wer Mieter oder Eigentümer der Wohnung ist, wer den Lebensunterhalt des Haushalts bestreitet oder wer die älteste Person im Haushalt ist. VgL Central Bureau qfStatistics (\99\), S. \4. 23 Pöhler

354

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

Ein weiteres Kriterium bildet die Art des bezogenen Einkommens, wodurch sich Rentner- und Nichtrentnerhaushalte abgrenzen lassen. Als Rentnerhaushalte werden solche definiert, in denen der Haushaltsvorstand ein staatliches Renteneinkommen bezieht und zusätzlich mindestens 55 Jahre alt ist. Als staatliches Renteneinkommen gelten Invaliditätsrenten (WAO und AA W), Altersrenten nach dem AOW und Hinterbliebenenrenten nach dem A WW. Alle übrigen Haushalte zählen zu den Nichtrentnerhaushalten. Auf die absolute Höhe des Renteneinkommens kommt es dabei ebensowenig an wie auf dessen Anteil am Gesamteinkommen des Haushalts. Damit ist eine relativ weite Definition eines Rentnerhaushaltes impliziert. Es genügt im Extremfall bereits der Bezug von 1 f Renteneinkommen, um diesen als Rentnerhaushalt einzustufen. Dem wird allerdings durch das Alterskriteriums ebenso entgegengewirkt wie durch die Bedingung, daß nur auf das Einkommen des Haushaltsvorstands abgestellt wird. Andererseits könnte der letztgenannte Umstand auch eine zu starke "Verengung" bedeuten, wenn Renteneinkommen in bedeutendem Maße bei den weiteren Haushaltsmitgliedern anfiele. Dies ist in den Niederlanden, wie noch zu zeigen sein wird, aber nicht der Fa1l 32 .

9.4 Zur sozio-demographischen Struktur Die Auswertung nach sozio-demographischen Gesichtspunkten bieten das folgende Bild: 13,7 % der Personen leben in Haushalten mit einem Vorstand über 65 Jahren. Dieser Anteil ist aufgrund von jüngeren Haushaltsmitgliedern um etwa einen halben Prozentpunkt höher als der Anteil der Personen über 65 Jahren in der Bevölkerung33 . Um einiges höher liegt nach den Panel-Daten mit 17,8 % der Anteil der Personen in Rentnerhaushalten (vgl. Tabelle 9.2). Der Grund hierfür ist, daß nach unserer Definition34 auch Haushalte mit jüngeren Vorständen (ab 55 Jahren) als Rentnerhaushalte erfaßt werden, beispielsweise dann, wenn staatliche Invaliditäts- oder Hinterbliebenenrenten bezogen werden. Der Kreis der über 65jährigen stimmt somit zwar zu großen Teilen, aber nicht vollständig mit den in Rentnerhaushalten lebenden Personen überein. So leben 660.000 Personen oder 4,4 % aller Personen in Rentnerhaushalten mit einem Vorstand unter 65 Jahren; auf der anderen Seite gehören 0,2 % der Personen (29.000) zu Nichtrentnerhaushalten, obwohl deren Haushaltsvorstand über 65 Jahre alt ist.

32 Vgl. Abschnitt 9.5. 33 Vgl. dazu Centraal Bureau voor de Statistiek (1994), S. 20. 34 Vgl. Abschnitt 9.3.2.

~

1.775

0

577.576

73.983

75.448

175.625

65 - 74 Jahre

über 74 Jahre

Alle

695.821

272.930

324.286

98.605

0

RHH

Frauen

513.071

4.302

4.051

68.633

436.085

NRHH

1.440.112

335.666

769.546

334 .900

0

RHH

NRHH

2.251. 916

5.198

13 .220

506.922

1.726.576

Ehepaare c)

379.369

46.086

133.453

199.830

0

RHH

NRHH

9.047.100

0

0

510.863

8.536.237

Andere

2.690.927

730.130

\.301.268

659.529

0

RHH

NRHH

12.389.663

9.500

190461

1.145.219

11.215.898

Alle

Quelle : Berechnungen auf Grundlage des L1S-Datensatzes Niederlande 1991 basierend aufC'BS, Sozio-ökonomisches Panel.

Anmerkungen a)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (WAO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. b)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. c)Ohne weitere Person im Haushalt.

58.801

26.194

55 - 64 Jahre

NRHH b )

517.000

RHH a)

Männer

0

unter 55 Jahre

Alter des HHV

Alleinstehende

Anzahl der Personen in Haushalten nach Alter des Haushaltsvorstandes, Haushaltstyp und Geschlecht

Tabelle 9.1

~

VI VI

w

2 "~

C/J

g. g

[

~

q!j

o

i

ö

'"~

Ei

N

\0

2,2 1,8

0,0

-

3.8

0,5

0,5

1.2

65 - 74 Jahre

über 74 Jahre

Summe

3.4

0,0

0,0

0,5

9.5

14.9

0,0

0,1

5,1 2,2

3,4

11,4

NRHH

2,2

-

RHH

Ehepaare c)

2.5

0,3

0,9

1,3

-

RHH

60.0

-

3,4

56,6

NRHH

Andere

0,1

8,6

17.8

82.2

0,1

7,6

4,4

4,8

74,4

NRHH

-

RHH

Alle

Quelle: Berechnungen auf Grundlage des LlS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CBS, Sozio-ökonomisches Panel.

Anmerkungen: a) RHH = Rentnerhaushalt. d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen Invaliditätsrente (W AO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW b)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. c)Ohne weitere Person im Haushalt,

4.6

0,7

0,4

0,2

55 - 64 Jahre

2,9

-

NRHH

RHH

3,4

NRHH b)

Frauen

-

RHH a)

Männer

unter 55 Jahre

Alter des HHV

Alleinstehende

Anteil der Personen in Haushalten nach Alter des Haushaltsvorstandes, Haushaltstyp und Geschlecht (in % aller Personen in Haushalten)

Tabelle 9.2

W

~

::r

;:;

Vl

~

~. in' (') ::r

'" 3

V>

0>

=

"g

;::'

~

0-

::1

Ö

"

~,

V>

::1

'"

3 3

~

[TI

(;'

Cl

~

0\

lJl

9.4 Zur sozio-demographischen Struktur

357

Die Letztgenannten könnten als Deckungslücke im ansonsten universalen (staatlichen) niederländischen Alterssicherungssystem interpretiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß solche Personen überwiegend (18.000) in Ehepaarhaushalten anzutreffen sind. Es könnte sich dabei um jüngere Ehepartner handeln, die aufgrund ihres Alters noch nicht rentenberechtigt sind. Zu denken wäre aber auch an Immigranten, die erst nach dem 65. Lebensjahr eingewandert sind und deshalb keine AOW-Rentenansprüche erwerben konnten oder Personen, die ihre Rentenansprüche nicht geltend machen, etwa weil sie nur geringe Ansprüche erworben haben. Die beobachtete Häufigkeit (weniger als 20 Fälle) ist so gering ist, daß sich das Ergebnis auch durchaus im Rahmen statistischer Fehler bewegt. Insgesamt bestätigt der niedrige Anteil der Nichtrentner über 65 Jahren die Vermutung, daß das niederländische Alterssicherungssystem einen praktisch vollständigen Deckungsgrad erreicht. Die hochgerechnete Zahl der Personen in Rentnerhaushalten mit einem Vorstand über 65 Jahren stimmt jedenfalls fast vollständig überein mit der Zahl der inländischen AOW-Rentenbezieher Ende 1990 nach der Statistik der Sozialversicherungsbank35 . Blickt man auf die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Familienstand und Haushaltsgröße, so fällt auf, daß mehr als 60 % der Personen in die Restkategorie "andere Haushalte" fallen, während die Zahl der Personen in Ehepaarhaushalten bei einem Anteil von 25 % recht gering erscheint. Dies erklärt sich aus der engen Definition von Ehepaaren, in denen solche mit Kindern aus Gründen, die fiir den späteren Einkommensvergleich von Haushaltstypen wichtig sind, ausgeschlossen sind und damit zu den anderen Haushalten zählen. Ehepaare mit Kindern dürften damit auch die starke Besetzung der Kategorie "andere Nichtrentnerhaushalte unter 55 Jahren" erklären. 13 % der Personen leben in Einpersonenhaushalten, wobei der Anteil der Frauen mit 8 % deutlich überwiegt. Für die Diskrepanz ist die große Zahl alleinstehender Frauen im Alter verantwortlich. In den Altersklassen über 64 Jahren finden sich viermal soviel alleinstehende Frauen wie alleinstehende Männer. Hierin dokumentiert sich die höhere Lebenserwartung von Frauen. Vergleicht man die Struktur von Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten, treten deutliche Unterschiede hervor. So sind unter den Rentnerhaushalten im Verhältnis mehr Alleinstehende zu finden als unter den Nichtrentnerhaushalten. Wie aus Abbildung 9.1 hervorgeht, leben etwa 1/3 der Rentner und Rentnerinnen allein, während unter den Nichtrentnern der Anteil der Alleinstehen-

35 Danach wurden 1990 2,0 Mio. inländische AOW-Rentner gezählt. Vgl. Socia/e Verzekeringsbank (1991 b), S. 84 und 90. Die Abweichung gegenüber der aufgrund der Stichprobe ausgewiesenen höheren Zahl an Personen in Rentnerhaushalten mit einem Vorstand über 65 Jahren liegt bei 1,5 %. Dabei sind in Rentnerhaushalten natürlich auch jüngere Personen ohne AOWRente enthalten.

358

9. Die Einkomrnenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

den nur bei knapp 9 % liegt. Hervorzuheben ist auch hier die hohe Anzahl alleinstehender Rentnerinnen. Als Ehepaar leben über 50 % der Personen in Rentnerhaushalten. Die Personen in Rentnerhaushalten verteilen sich zu über 85 % auf Ein- oder Zweipersonenhaushalte (Alleinstehende und Ehepaare), während 73 % der Personen in Nichtrentnerhaushalten in Haushalten mit mehr als zwei Personen leben. Daraus läßt sich ersehen, daß sich Rentnerhaushalte im Durchschnitt durch eine geringere Haushaltsgröße auszeichnen als Nichtrentnerhaushalte. Rentnerhaushalte können demnach nur in geringerem Umfang Skalenerträge aus einer gemeinsamen Haushaltsfiihrung realisieren als Nichtrentnerhaushalte. Anteile der Personen in Haushalten nach dem Haushaltstyp (in % aller Personen in Rentner- bzw. in Nichtrentnerhaushalten) 73 , 1

53 ,5

25 ,9

6,5

4,7

Alleinst. Männer

4, 1

Alleinst. Frauen

10 Rentnerhaushalte

Ehepaare .

Andere

Nichtreotnerhaushalte

Quelle: Eigene Darstellung nach Berechnungen aufgrund des LIS-Datensatzes Niederlande 1991.

Abbildung 9.1

9.5 Die Zusammensetzung des Einkommens 9.5.1 Problemstellung Ein Vorzug der empirischen Betrachtung ist darin zu sehen, daß die Vielfalt möglicher Einkommensbezugsquellen erfaßt werden kann, wenngleich die Schwierigkeiten bei der Erfassung und Bewertung in vielen Fällen keineswegs unerheblich sind und daher auch die empirische Analyse kein vollständiges Bild der Einkommenssituation von Haushalten bieten kann. Behält man diese Einschränkung im Auge, so vermittelt die empirische Analyse wenn auch keinen erschöpfenden, so doch wenigstens einen weitreichenden Eindruck vom Spektrum möglicher Einkommensquellen und deren Bedeutung.

9.5 Die Zusammensetzung des Einkommens

359

Neben der Erfassung weiterer Einkommensquellen und der Möglichkeit, das Gewicht der einzelnen Einkommensbestandteile abschätzen zu können, kommt dieser Betrachtung noch in anderer Hinsicht Bedeutung zu. So läßt sich aus der Zusammensetzung des Einkommens ersehen, in welchem Maße die einzelnen Typen von Haushalten die zentralen einkommenverteilenden Systeme eines Wohlfahrtsstaates, den Markt einerseits und den Staat mit seinen sozialen Sicherungssystemen andererseits, in Anspruch nehmen. Da Markt und Staat jeweils unterschiedliche Verteilungsprinzipien zugrunde liegen - dem Markt eine Verteilung nach Faktorausstattung und Leistungsgesichtspunkten, dem Staat dagegen tendenziell eher eine Orientierung am Bedarfsprinzip - lassen die Unterschiede in der Inanspruchnahme erste Vermutungen über die Einkommensverteilung unter den einzelnen Haushaltstypen zu. Haushalte mit einem hohen Anteil an Markt- oder marktbezogenen Einkommen dürften somit tendenziell eine ungleichere Einkommensverteilung aufweisen als Haushalte mit einem hohem Transferanteil. Folgt man der Vorstellung, daß die Mitglieder eines Haushalts ein aus verschiedenen Einkommensquellen bestehendes Einkommenspaket zusammenstellen (income packaging), das sie aufgrund von Ansprüchen an staatliche oder wirtschaftliche Institutionen durchsetzen 36 , dann hängt die Zusammensetzung des Einkommens eines Haushalts zum einen ab von der Verfiigbarkeit der Einkommensquellen und zum anderen von der Neigung der Haushaltsmitglieder, bestimmte Einkommensquellen zu wählen 37 . Auf beide Determinanten wirken wiederum eine Reihe von Faktoren ein. So wird etwa die Verfiigbarkeit durch ökonomische Bedingungen, v. a. durch die Stellung im Erwerbsprozeß, und durch sozialpolitische Bedingungen. z. B. die Höhe der Sozialausgaben fiir die verschiedenen Sicherungs bereiche und die Ausgestaltung der Leistungsvoraussetzungen, maßgeblich bestimmt. Für die Auswahlentscheidung spielen Faktoren wie die Größe des Haushalts, die gewählte Lebensform (Paar, alleinstehend oder andere Lebensformen) oder die Stellung der Mitglieder im Lebenszyklus eine Rolle. Man kann somit etwa erwarten, daß Altenhaushalte in höherem Maße Transfereinkommen beziehen als Haushalte mit einem Vorstand im Erwerbsalter. Außerdem wäre zu prüfen, welchen Einfluß die Größe des Haushalts oder das Geschlecht ihrer Mitglieder auf die Einkommensstruktur nehmen. Des weiteren spiegelt sich in der Zusammensetzung des Einkommens die ökonomische Aktivität der einzelnen Bevölkerungsgruppen wider. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Effektivität der sozialen Sicherungssysteme. Würde etwa das Einkommenspaket von Rentnerhaushalten fast ausschließlich aus Renteneinkommen bestehen, so ließe sich daraus schließen, daß das Niveau der Altersrenten wenigstens im Durchschnitt als ausreichend zur Befriedigung der im AI36 Vgl. zur Idee des "income packaging" Rainwater/ReiniSchwartz (1986), S. 39. 37 Vgl. HedstromlRingen (1990), S. 79.

360

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

ter bestehenden Bedürfnisse erachtet wird und offenbar keiner nennenswerten Ergänzung durch andere Einkommensarten bedarf. Die hier skizzierten Fragestellungen sollen im folgenden aus zweierlei Richtungen beleuchtet werden: Zum einen wird für unterschiedliche Haushaltstypen die Zusammensetzung des durchschnittlichen Gesamteinkommens ermittelt. Daraus läßt sich fiir jeden betrachteten Haushaltstyp die (durchschnittliche) Bedeutung der einzelnen Einkommensarten im Gesamtbudget ersehen. Neben einer solchen budgetbezogenen Betrachtung ist die Verteilung der Einkommensarten auf die Haushalte von Interesse. Erkenntnisse darüber liefert eine haushalts bezogene Betrachtung, in der für jede Einkommensart und jeden Haushaltstyp geprüft wird, wie hoch der Anteil der Haushalte ist, die entsprechendes Einkommen bezieht. Zugrundegelegt wird in allen Fällen das Bruttoeinkommen. Betrachtungseinheit ist das Einkommen von Haushalten, nicht von Personen in Haushalten. 9.5.2 Die Einkommenszusammensetzung nach Haushaltstypen Rentnerhaushalte weisen erwartungsgemäß eine völlig andere Einkommenszusammensetzung als Nichtrentnerhaushalte auf, wie der Blick auf Tabelle 9.3 und Abbildung 9.2 zeigt. Vergleicht man zunächst allgemein alle Rentnerhaushalte mit allen Nichtrentnerhaushalten, so zeigt sich, daß Nichtrentnerhaushalte durchschnittlich 83 % ihres Budgets aus Erwerbseinkommen bestreiten, während Rentnerhaushalte im Mittel praktisch den gleichen Anteil aus Renteneinkommen beziehen. Sozialversicherungsrenten, darunter v. a. AOW-Renten, stellen mit über 50 % des durchschnittlichen Gesamteinkommens die wichtigste Einnahmequelle für Rentnerhaushalte dar. Zusatzrenten machen immerhin 28 % des gesamten Bruttoeinkommens von Rentnerhaushalten aus.

9.5 Die Zusammensetzung des Einkommens

361

Die Zusammensetzung des Einkommens bei Rentner- und Nichtrentnerhaushalten nach Haushaltstypen Rentnerhaushalte

Nichtrentnerhaushalte

100%

80"/"

60%

-Hl%

20%

0%

2'ÄVennogensemkommen _ Arbeitselllkommen OZusatzrenten

!IIIAndere SOZlaltnUlsfers fi."g $onstlges Emkommen

Quelle: Berechnungen auf Grundlage des LIS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CES, Sozio-ökonomisches Panel.

Abbildlll1g 9.2

Erwerbseinkommen spielt für Rentnerhaushalte mit einem durchschnittlichen Anteil von 10 % nur noch eine untergeordnete Rolle. Der größte Teil davon entfällt zudem zum einen auf Mehrpersonenhaushalte, bei denen davon ausgegangen werden kann, daß v. a. jüngere Haushaltsmitglieder noch erwerbstätig sind, und zum anderen auf Rentnerhaushalte mit einem Haushaltsvorstand unterhalb der gesetzlichen Altersgrenze (vgl. Tabelle 9.4). Bei älteren Rentnerhaushalten, insbesondere bei Alleinstehenden, spielt das Erwerbseinkommen fast keine Rolle mehr. Dies läßt den Schluß zu, daß das Niveau der staatlichen und kollektiven Alterssicherungsleistungen in den allermeisten Fällen als ausreichend erachtet wird. Ein starker Anreiz, das Einkommen durch Erwerbsarbeit aufzustocken, scheint für Rentner offenbar nicht zu bestehen38 .

38 Erinnert sei in dem Zusammenhang an die - auch im Vergleich der EU-Länder - relativ niedrigen Erwerbs- und Beschäftigtenquoten älterer Menschen. 1991 betrug die Beschäftigtenquote der über 65jährigen 3,3 % (EU-Durchschnitt 4, I %); ebenfalls äußerst niedrig war die Beschäftigtenquote der 50-64jährigen mit 39, I % (EU-Durchschnitt 47,5 %). Vgl. Eurostat (1 993a), S. 67. Wie in Abschnitt 3.1.1.2.3 angesprochen, handelt es sich bei den noch erwerbstätigen Rentnern in den meisten Fällen um Selbständige ohne ausreichende Zusatzsicherung.

1,30

0,86 100,00 (46.276)

0,89

100,00

(27.434)

1,31

100,00

(35.420)

Sonstiges Einkommen

Insgesamt (Jahreseinkommen inj)

100,00 (38.550)

100,00 (40.489)

2,00

10,84

0,98

2,05

3,67

4,48

51,91 27,94

76,66

2,34

Alleinst. Männer

10,08

7,03

Alle

(34.006)

100,00

3,08

12,91

6,00

4,89

70,96

2,16

Alleinst. Frauen

7,69

(77.031)

100,00

0,80

3,38

7,72 1,28 1,21 (74./04)

(65.895)

100,00

3,46 1,11 8,95 100,00

3,27

82,71

1,57

Alle

3,33

83,92

84,16 2,53

1,48

Andere

1,44

NRHH b) Ehepaare c)

Quelle: Berechnungen auf Grundlage des LIS-Datensatzes Niederlande 199/ basierend auf CBS, Sozio-ökonomisches Panel.

Anmerkungen: a)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder äJter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (W AO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. b)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. c)Ohne weitere Person im Haushalt.

(83.359)

100,00

3,50

1,73

2,09

19,45

29,76

26,33

37,13

33,50

5,12

Andere

0,96

38,54

Zusatzrenten

52,15

8,73

1,71

60,77

6,76

8,22

Alleinst. Frauen

RHH a) Ehepaare c)

Andere Sozialtransfers

50,31

0,55

Erwerbseinkommen

Sozialvers.renten

8,33

Alleinst. Männer

Vermögenseinkommen

Einkommensarten

Anteile verschiedener Einkommenskomponenten am durchschnittlichen Bruttohaushaltseinkommen nach Haushaltstypen, differenziert nach Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten (in %)

Tabelle 9.3

I

I

~

C/)

[

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Vl

~

~

it'

!t

::s

Vl Vl

2 aö'

i tri

"."

~

N

0\

w

9.5 Die Zusanunensetzung des Einkommens

363

Einen etwas geringeren Anteil gegenüber dem Erwerbseinkommen machen mit 7 % die Vermögenseinkünfte am gesamten durchschnittlichen Einkommen der Rentnerhaushalte aus, während diese Einkommenskategorie fiir Nichtrentnerhaushalte praktisch keine Rolle spielt. Auf den ersten Blick scheint der Befund für Nichtrentnerhaushalte in einem Widerspruch zur hohen Sparquote in den Niederlanden zu stehen39 , doch ist zu berücksichtigen, daß ein großer Teil des Vermögens in den Zusatzrentenfonds angesammelt wird und in Form von späteren Renten als Einkommen an die Haushalte zurückfließt. Die hohe gesamtwirtschaftliche Sparquote dokumentiert sich somit v. a. im hohen Anteil der Zusatzrenten am Gesamteinkommen von Rentnerhaushalten, weniger dagegen in den privaten Vermögenseinkünften. Für Nichtrentnerhaushalte spielen neben Erwerbseinkommen noch die anderen Sozialtransfers, darunter etwa die Arbeitslosenleistungen, Kindergeld oder die Sozialhilfe, mit knapp 8 % eine größere Rolle. Sozialversicherungsrenten (hierunter fallen auch Invaliditätsrenten an Personen in Haushalten mit jüngerem Vorstand) und Zusatzrenten sind bei Nichtrentnerhaushalten im Durchschnitt von etwa gleichermaßen geringer Bedeutung. Interessant ist jedoch, daß in der Altersklasse über 55 Jahren Zusatzrenten fast ein Viertel des Gesamteinkommens der Nichtrentnerhaushalte ausmachen. Hierin spiegeln sich sich in hohem Maße die lohnbezogenen Vorruhestandsleistungen VUT wider. Differenziert man weiter nach einzelnen Haushaltsformen, so fällt auf, daß unter den Rentnerhaushalten alleinstehende Frauen mit 61 % einen beträchtlich über dem Durchschnitt liegenden Anteil ihres Einkommens aus Sozialversicherungsrenten beziehen. Im Vergleich zu Ehepaaren und insbesondere gegenüber alleinstehenden Männem ist dafiir der Anteil der Zusatzrenten deutlich geringer. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, daß Frauen nicht in dem Umfang eigene Zusatzrentenansprüche gebildet haben wie Männer, zum anderen bilden sich hierin auch die niedrigeren Hinterbliebenenrenten aus Zusatzrentenfonds ab, die aufgrund von Ansprüchen der verstorbenenen Ehemänner bestehen. Interessant ist, daß das Durchschnittseinkommen aus Zusatzrenten zwischen alleinstehenden Männem und Ehepaaren sich zwar bezogen auf das gesamte durchschnittliche Bruttoeinkommen unterscheidet, absolut gesehen aber praktisch gleich ist4°. Dies unterstreicht, mit welcher Striktheit die Zusatzrentenfonds die Leistungsbemessung am Leitbild des männlichen Hauptverdieners ausgerichtet haben. Es zeigt sich, daß die Möglichkeit, verschiedene Einkommensquellen in Anspruch zu nehmen, auch von der Größe des Rentnerhaushalts abhängt: in Ein39 Vgl. Abschnitt 3.1. 1.2.1. 40 Das Durchschnittseinkommen aus Zusatzrenten bei Rentnerhaushalten beträgt jährlich 13.650 f für alleinstehende Männer und I3. 774 f für Ehepaarhaushalte; alleinstehende Frauen erhalten dagegen im Mittel nur etwa die Hälfte dessen. Daten nach Berechnungen auf Grundlage des Sozio-ökonomischen Panels.

364

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

oder Zweipersonenhaushalten bestehen im Durchschnitt über 80 % des Einkommens aus staatlichen oder privaten bzw. kollektivrechtlichen Zusatzrenten, während Mehrpersonenhaushalte in dieser Hinsicht eine breitere Streuung aufweisen. Die spezifische Rolle der Frauen findet eine Entsprechung auf seiten der Nichtrentnerhaushalte. Insbesondere der Vergleich von alleinstehenden Frauen und alleinstehenden Männem belegt die ungünstigere Lage von Frauen am Arbeitsmarkt. So stammt deren Gesamteinkommen im Mittel zu lediglich 71 % aus Erwerbstätigkeit gegenüber 77 % bei alleinstehenden Männem. Dafür sind Frauen in höherem Maße auf Transfereinkommen, speziell Sozialtransfers (13 % gegenüber 11 % bei alleinstehenden Männern), angewiesen. Eine generell günstigere Stellung am Arbeitsmarkt realisieren Mehrpersonenhaushalte, d. h. Ehepaare mit und ohne Kinder, die fast 84 % ihres Einkommens aus Erwerbseinkommen bestreiten. Der vergleichsweise hohe Anteil sonstiger Sozialtransfers am Budget der anderen Nichtrentnerhaushalte läßt sich mit Kindergeldzahlungen erklären. Die Ergebnisse, die die einzelnen Gruppen am Arbeitsmarkt erzielen, korrespondieren somit mit den Ergebnissen in den an der Erwerbsbiographie anknüpfenden Zusatzrentensystemen im Alter41 . Zum Ausdruck kommt dabei die allgemein schlechtere Stellung von Frauen am Arbeitsmarkt, die noch verstärkt wird durch frauenbenachteiligende Regelungen in vielen Zusatzrentensystemen, die in der Vergangenheit üblich waren. Neben der Haushaltsgröße und den verschiedenen Lebensformen der Haushaltsmitglieder wird die Zusammensetzung des Einkommens entscheidend vom Lebensalter bestimmt. Klassifiziert man die Haushalte nach dem Alter des Haushaltsvorstandes, so zeigen sich bei Rentnerhaushalten erhebliche Strukturunterschiede zwischen jüngeren Rentnerhaushalten (Haushaltsvorstand zwischen 55 und 64 Jahren) und Haushalten im mittleren Rentenalter (Haushaltsvorstand zwischen 65 und 74 Jahren), d. h. diesseits und jenseits der gesetzlichen Altersgrenze42 . Erwerbseinkommen und andere Sozialtransfers, die bei den jüngeren Rentnerhaushalten zusammen im Durchschnitt knapp 1/3 des Bruttoeinkommens ausmachen, spielen jenseits der Altersgrenze kaum noch eine Rolle. Diese werden durch einen entsprechend höheren Anteil des Renteneinkommens ersetzt. Bemerkenswert ist, daß beim Übergang von jüngeren 41 Dabei ist nicht zu vergessen, daß es sich bei der Analyse um eine Querschnittsbetrachtung handelt. Aus dem Grunde kann natürlich nicht einfach von den Einkommen der Nichtrentnerhaushalte auf die der Rentnerhaushalte geschlußfolgert werden. Man kann aber vermuten, daß in der Vergangenheit die Diskrepanzen hinsichtlich des Anteils der Erwerbseinkommen noch ausgeprägter waren als in den hier verwendeten Daten. Dazu steht auch der relativ geringe Anteil der Zusatzrenten am Gesamteinkommen bei den anderen Haushalten nicht im Widerspruch. So ist unter diesen die durchschnittliche Höhe der Zusatzrente sogar noch etwas höher als bei Ehepaaren und alleinstehenden Männem. Zudem erscheinen die Ehepaare (ohne Kinder) unter den Rentnerhaushalten am ehesten als angemessene Vergleichgruppe für Nichtrentnerehepaare mit Kindern. 42 Vgl. zum nachfolgenden Tabelle 9.4 und Abbildung 9.3.

9.5 Die Zusammensetzung des Einkommens

365

Rentnerhaushalten ZU solchen im mittleren Alter zwar der Anteil der Zusatzrenten von 13 auf 37 % stark ansteigt, der der Sozialversicherungsrenten jedoch leicht, auf 48 %, zurückgehrB. Letzteres ist dadurch zu erklären, daß unter den jüngeren Rentnerhaushalten eine große Zahl von Beziehern lohnbezogener Invaliditätsrenten zu finden ist44 . In dieser Altersgruppe konzentrieren sich zudem die meisten Hinterbliebenenrentenbezieher nach dem A WW, in der Regel Frauen45 . Mit Überschreiten der Altersgrenze fallen jedoch sämtliche lohnbezogenen Sozialleistungen weg und werden durch die pauschale AOW-Grundrente ersetzt. Auf die weitgehende Aufgabe der Berufstätigkeit deutet zudem der Rückgang des Anteils der Erwerbseinkommen auf durchschnittlich 6 % hin.

43 Noch deutlicher sind die Unterschiede in absoluten Durchschnittswerten: die Höhe der Sozialversicherungsrenten betragen bei jüngeren Rentnerhaushalten 27.600 f und bei mittleren Rentnerhaushalten 19.600 f. Daten nach Berechnungen des Sozio-ökonomischen Panels. 44 1990 wurden 880.000 Invalidenrenten (790 000 in vollen Leistungsjahren) ausgezahlt, davon gut 1/3 (337.000) an Personen zwischen 55 und 64 Jahren. Von diesen entfielen etwa 3/4 auf Männer. Vgl. Sociale Verzekeringsraad (1993), S. 86 und S. 102. 45 Ende 1990 wurden 197.000 AWW-Rentenbezieher registriert (ohne Waisenrenten). Fast 2/3 (126.000) gingen an Personen zwischen 55 und 64 Jahren. davon fast 90 % an Witwen. Nahezu ausschließlich wurde in dieser Altersgruppe die Höchstrente (etwa 21.000 f im Jahr für Kinderlose) gezahlt. Vgl. Sociale Verzekeringsbank(1992), S. 80.

1,61

Sonstiges Einkommen

(52.275)

(40.442)

100,00

37,12

4,31

9,15

75 J.

100,00

0,70

1,44

26,64

57,75

~

(32.678)

HHV

(40.489)

100,00

0,98

2,06

27,94

51,91

10,08

7,03

Alle

(65.572)

100,00

1,22

7,77

0,47

3,74

85,38

lAI

HHV < 55 J. 2,65

55 J.

100,00

1,56

7,37

24,66

63,76

~

(68.279)

HHV

NRHH b)

(65.895)

100,00

1,26

7,74

3,46

3,27

82,70

1,57

Alle

Quelle: Berechnungen aufgrund des LlS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CES, Sozio-ökonomisches Panel.

Anmerkungen: a)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (W AO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. b)NRHH = Nichtrentnerhaushalt.

(Jahreseinkommen in!>

100,00

0,77

9,86

Andere Sozialtransfers

Insgesamt

1,24

12,77

Zusatzrenten

48,35

52,81

Sozialversicherungsrenten

5,93

6,58

HHV 65-74 J.

22,88

5,87

HHV 55-64 J.

Erwerbseinkommen

Vennögenseinkommen

Einkommensarten

RHH a)

Anteile verschiedener Einkommenskomponenten am durchschnittlichen Bruttohaushaltseinkommen nach dem Alter des Haushaltsvorstands, differenziert nach RentnerhaushaIten und Nichtrentnerhaushalten (in %)

Tabelle 9.4

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3

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2

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~

rn

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>Cl

0\ 0\

9.5 Die Zusammensetzung des Einkommens

367

Ältere Rentnerhaushalte (Haushaltsvorstand 75 Jahre oder älter) unterscheiden sich in ihrer Einkommenszusammensetzung weniger drastisch von der mittlerer Rentnerjahrgänge. Erwartungsgemäß ist der Anteil von Sozialversicherungsrenten bei den Älteren höher und macht im Mittel 58 % des Bruttoeinkommens aus. Auch der Anteil des Vermögenseinkommen ist in dieser Gruppe mit fast 10 % am höchsten. Dagegen ist v. a. die Bedeutung der Zusatzrenten deutlich geringer. Aus Zusatzrenten stammt nur noch gut 1/4 des Bruttoeinkommens. Darin kommt zum Ausdruck, daß die älteren Kohorten in geringerem Maße Ansprüche aus Zusatzrenten aufbauen konnten als jüngere. Nach wie vor bilden AOW-Renten die Haupteinnahmequelle fiir Haushalte oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze, und ihre Bedeutung steigt mit zunehmendem Alter. Besonders interessant ist der Unterschied zwischen Rentner- und Nichtrentnerhaushalten in der Gruppe der Haushalte mit einem Vorstand zwischen 55 und 64 Jahren. Im Gegensatz zu den Rentnerhaushalten beziehen die Nichtrentnerhaushalte dieser Altersgruppe etwa 90 % ihres Einkommens aus zwei Einkommensquellen, und zwar zu knapp 2/3 aus Erwerbseinkommen und zu etwa 1/4 aus Zusatzrenten in Gestalt von Vorruhestandsrenten46 . Im Vergleich zu den jüngeren Nichtrentnerhaushalten ist in dieser Altersgruppe der Anteil der Erwerbseinkommen denn auch um gut 20 Prozentpunkte geringer. Nimmt man Rentner- und Nichtrentnerhaushalte zusammen, so unterstreichen diese Daten, daß das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in den Niederlanden bereits viele Jahre vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in massiver Form einsetzt4 7•

46 Vgl. dazu Tabelle 9.4. Einschränkend ist allerdings zu sagen, daß in den Angaben zu den Nichtrentnerhaushalten mit einem Vorstand über 55 Jahren in geringem Umfang auch Nichtrentnerhaushalte mit einem Vorstand über 64 Jahren enthalten sind. 47 Eine deutliche Trennlinie verläuft in den Niederlanden um das 60. Lebensjahr. Nach Zahlen von 1991 beträgt die Beschäftigtenquote in der Altersgruppe der 60-64jährigen nur noch 14,3 % (EU-Durchschnitt: 24, I %), in der Altersgruppe der 55-59jährigen dagegen noch 41,5 % (EUDurchschnitt: 50,4 %). Wie aus der institutionellen Analyse bekannt, beginnen ab dem 59. Lebensjahr die ersten VUT-Regelungen zu greifen. Zu den Daten vgl. Eurostat (I 993a), s. 65.

368

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

Die Zusammensetzung des Einkommens bei Rentner- und Nichtrentnerhaushalten nach dem Alter des HHV Rentnerhaushalte

N Ichtrentnerhaushalte

100%

80%

60%

40%

20%

0% ~ Vermogensetnkommell

_ ArbeItseInkommen

DZusatzrente:n

I[IJAndere SOZlaltransfers fi:SlSonsllges ElIlkommen

Quelle: Berechnungen aufgrund des LIS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CES, Sozioökonomisches Panel.

Abbildung 9.3

9.5.3 Die Verteilung der Einkommensarten auf die Haushalte Die Bedeutung der einzelnen Einkommensarten für die verschiedenen Haushaltstypen basierte auf einer Betrachtung von Durchschnittseinkommen. Dabei wurde bislang vernachlässigt, daß innerhalb der untersuchten Haushaltstypen die Haushalte keineswegs alle in gleichem Maße über die entsprechende Einkommensart verfugen müssen. Vielmehr dürften die Einkommensarten innerhalb der jeweiligen Haushaltstypen eine unterschiedliche Verteilung aufweisen. Darüber hinaus sind Verteilungsunterschiede bei einer bestimmten Einkommensart zwischen verschiedenen Haushaltstypen aufschlußreich. Bei den Nichtrentnerhaushalten fällt auf, daß 15 % nicht über Erwerbseinkommen verfugen und somit auf andere Einkommensquellen angewiesen sind (vgl. Tabelle 9.5).

~

~

100,0

65,2

27,4

3,9

Sozial versicherungsrenten

Zusatzrenten

Andere Sozial transfers

Sonstiges Einkommen

4,3

39,9

68,2

100,0

1,9

45,3

Alleinst. Frauen

47,5 19,6

7,1

48,8

100,0

70,0

68,5

22,1

69,8

100,0

12,6

62,8

6,6

31,8

67,0

100,0

11,8

56,0

17,7

40,2

3,0

7,1

72,1

50,9

Alleinst. Männer

21,3

44,4

6,4

7,1

70,6

51,1

Alleinst. Frauen

9,8

24,2

11,7

8,2

87,8

67,0

NRHH b) Alle

Ehepaarec)

Andere

RHH a) Ehepaarec )

19,9

91,8

3,7

10,2

90,2

58,7

Andere

16,6

62,5

5,9

8,8

85,1

58,9

Alle

Quelle: Berechnungen auf Grundlage des LlS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CBS, Sozio-ökonomisches Panel.

Anmerkungen: a)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (W AO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. b)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. c)Ohne weitere Person im Haushalt.

2,6

60,8

Alleinst. Männer

Erwerbseinkommen

Vermögenseinkommen

Einkommensarten

Anteile der Haushalte, die die jeweilige Einkommensart beziehen, nach Haushaltstypen, differenziert nach Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten (in % aller Haushalte des jeweiligen Haushaltstyps)

Tabelle 9.5

V>

~

W

01.0

g '"

~

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:l IJO

~

g

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o ;.

~

370

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

Kompensierend dürften hier v. a. die anderen Sozialtransfers wirken, die bei 63 % aller Nichtrentnerhaushalte anfallen. Besonders hoch ist der Anteil der Bezieher sonstiger Sozialtransfers unter den anderen Nichtrentnerhaushalten mit 92 %, während dieser bei kinderlosen Ehepaaren nur bei 24 % liegt. Die Differenz erklärt sich zum größten Teil aus dem Bezug von Kindergeld in den anderen Haushalten. Alleinstehendenhaushalte haben überdurchschnittlich häufig kein Erwerbseinkommen. Da in diesen Fällen eine Absicherung über die Ehe entfällt, sind diese Haushalte in besonders starkem Maße auf soziale Sicherungssysterne angewiesen. Blickt man auf die Verteilung nach Altersgruppen (vgl. Tabelle 9.6), so bestätigt sich erneut die Attraktivität der Vorruhestandsregelungen: Mehr als 1/3 der Nichtrentnerhaushalte mit einem Vorstand über 55 Jahren bezieht eine solche Rentenleistung, während die Zahl der Bezieher von Erwerbseinkommen und (kompensierenden) anderen Sozialtransfers im Vergleich zu den jüngeren Nichtrentnerhaushalten wesentlich geringer ausfällt. Vermögenseinkommen fällt zwar bei knapp 60 % der Nichtrentnerhaushalte an, spielt jedoch im Budget von Nichtrentnerhaushalten im Durchschnitt, wie gesehen, keine nennenswerte Rolle. Dies deutet auf eine relativ breite Streuung der Vermögenseinkünfte hin. Rentnerhaushalte beziehen definitionsgemäß ausnahmslos eine Sozialversicherungsrente. Immerhin 2/3 aller Rentnerhaushalte empfangen darüber hinaus Einkommen aus Zusatzrentensystemen, bei mehr als der Hälfte fallen Vermögenseinkommen an. Der Wert von 67 % ist gleichzeitig ein Indikator für den personellen Deckungsgrad durch Zusatzrentensysteme im Alter. Oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze von 65 Jahren dürfte der Deckungsgrad zwischen 75 % und 80 % liegen48 . Erwerbseinkommen beziehen noch gut 10 % der Rentnerhaushalte, in erster Linie Mehrpersonenhaushalte (andere Rentnerhaushalte) in der jüngeren Altersgruppe. Bemerkenswert ist, daß mit Ausnahme der anderen Rentnerhaushalte 49 alle übrigen Rentnerhaushaltstypen einen fast gleich hohen Anteil an Zusatzrenteneinkommensbeziehern aufweisen, während die Anteile am Durchschnittseinkommen eine größere Spannweite aufweisen. Auffällig ist v. a. die Differenz zwischen alleinstehenden Frauen und Männern: Während der Anteil der Zusatzrentenbezieher bei den Frauen sogar noch etwas höher liegt als bei den Männern, ist der Anteil am Durchschnittseinkommen bei Männern um 12 Prozentpunkte höher als bei Frauen. Dies ist Ausdruck der Tatsache, daß alleinstehende Männer in der Regel über Zusatzrenten aufgrund eigener Ansprüche verfügen, 48 Das CBS kommt nach einer Untersuchung für das Jahr 1990 auf einen Anteil von 81 % von Zusatzrentenempfangem an allen Personen über 65 Jahren. Vgl. de Kemp (1992), S. 162. 49 Bei diesen dürfte die schon bei der Einkommenszusammensetzung festgestellte Abweichung gegenüber den anderen Haushaitstypen außer in der größen Anzahl von möglichen Einkommensbeziehern auch in dem Umstand begründet sein, daß diese sich in der jüngeren Altersgruppe mit einem Vorstand unter 65 Jahren konzentrieren. Vgl. dazu Tabelle 9.2.

9.5 Die Zusanunensetzung des Einkommens

371

während alleinstehende Frauen, zwn großen Teil Witwen, Zusatzrenten aufgrund abgeleiteter Ansprüche empfangen und damit niedrigere Beträge erhalten. Hinsichtlich der Verteilung der Einkommen nach Altersgruppen bestätigt sich für die Rentnerhaushalte der schon im vorigen Abschnitt konstatierte Strukturbruch zwischen den beiden Altersgruppen diesseits und jenseits der gesetzlichen Altersgrenze. Erwerbstätigkeit entfällt weitgehend jenseits der Altersgrenze, dagegen nimmt der Anteil der Zusatzrentenbezieher stark zu. In Rentnerhaushalten mittleren Alters (mit einem Haushaltsvorstand zwischen 65 und 74 Jahren) beziehen 80 % eine Zusatzrentenleistung. Ältere Rentnerjahrgänge (Haushaltsvorstand über 74 Jahre) haben dagegen eine um 10 Prozentpunkte geringere Deckung durch Zusatzrenten. Ältere Kohorten konnten somit nicht nur im Durchschnitt geringere Zusatzrentenansprüche akkumulieren, auch der Anteil der Haushalte, die überhaupt solche aufbauen konnten, war in älteren Kohorten wesentlich geringer. Auch der Anteil der vermögenseinkommensbeziehenden Haushalte ist in dieser Altersgruppe deutlich niedriger. Wenn 30 % der Rentnerhaushalte über keine Aufstockung der Grundrente durch eine Zusatzrente verfügen und man zudem annehmen kann, daß die Vermögenseinkommen als drittwichtigste Einkommensquelle eher bei den Haushalten konzentriert sind, die ohnedies bereits über Zusatzrenteneinkommen verfügen, erscheinen die alten Rentnerhaushalte als besonders einkommensgefährdet.

24'

59,8 7,4 100,0 80,6 30,5 5,7

55,8

35,0

100,0

30,8

33,4

11,4

Vennögenseinkommen

Erwerbseinkommen

Sozialversicherungsrenten

Zusatzrenten

Andere Sozialtransfers

Sonstiges Einkommen

4,9

32,8

70,3

100,0

3,0

50,3

HHV 75 J. >

66,9 17,2

6,6

11,7

30,6

16,6

62,5

5,9

36,5

1,7

85,1

58,9

Alle

8.8

63,2

64,3

HHV 55 J. >

10,0

88,0

58,2

HHV< 55 J.

31,8

67,0

\00,0

11,8

56,0

Alle

NRHHb)

Quelle: Berechnungen auf Grundlage des LIS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CBS, Sozio-ökonomisches Panel.

Anmerkungen: a) RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (WAO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem A WW. b)NRHH = Nichtrentnerhaushalt.

HHV 65-74 J.

HHV 55-64 J.

Einkommensarten

RHH a)

Anteile der Haushalte, die die jeweilige Einkommensart beziehen, nach dem Alter des Haushaltsvorstands, differenziert nach Rentnerhaushalten und Nichtrentnerhaushalten (in % aller Haushalte des jeweiligen Haushaltstyps)

Tabelle 9.6

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9.6 Die relativen Wohlstandspositionen von Personengruppen

373

Mehr als die Hälfte aller Rentnerhaushalte empfängt Vermögenseinkommen, wobei die Ungleichverteilung unter alleinstehenden Frauen offenbar besonders groß ist 50 . Etwa 1/3 der Rentnerhaushalte bezieht weitere Sozialleistungen, z. B. Wohngeld u. ä .. Zwar sind diese Einkommensarten somit relativ weit verbreitet, doch machen sie mit zusammen weniger als 10 % im Durchschnitt nur einen bescheidenen Teil des Gesamteinkommens von Rentnerhaushalten aus. Kommt man zum Ausgangspunkt der Überlegungen zurück, dann läßt sich abschließend für die Rentnerhaushalte folgendes festhalten: Eine besonders marktnahe Einkommenszusammensetzung mit einem hohen Anteil von Erwerbseinkommen, Vermögenseinkommen, sonstigem Einkommen und den eng an die Erwerbsbiographie anknüpfenden Zusatzrentenleistungen weisen die anderen Rentnerhaushalte auf. Bei alleinstehenden Männem machen die marktnahen Einkommen im Durchschnitt immerhin knapp die Hälfte des Bruttoeinkommens aus, bei Ehepaaren liegt der Anteil etwas niedriger. Ein deutlicher Abstand besteht hingegen gegenüber den alleinstehenden Frauen, deren Einkommen im Durchschnitt zu mehr als 60 % aus staatlichen Sozialleistungen, insbesondere Sozialversicherungsrenten, besteht. Differenziert nach Altersgruppen zeichnen sich die Hochbetagten (Haushaltsvorstand über 74 Jahre) durch ein besonders marktfemes Einkommenspaket aus.

9.6 Die relativen Wohlstandspositionen verschiedenener Personengruppen Gegenstand dieses Kapitels ist ein Vergleich der ökonomischen Situation verschiedener Personengruppen. Behandelt werden hierbei im wesentlichen zwei Fragestellungen: (1) Wie unterscheidet sich die ökonomische Position von Personen in Rentner-

haushalten von der von Personen in Nichtrentnerhaushalten? (Abschnitt 9.6.1) (2) Wie stellt sich speziell die Versorgungslage von Frauen im Vergleich zu anderen Personengruppen im Alter dar? (Abschnitt 9.6.2) Beide Fragestellungen zielen auf zwei Untersuchungsschwerpunkte dieser Arbeit: die Aufrechterhaltung der Lebenseinkommensposition im Alter und unter gruppenspezifischer Perspektive - die Absicherung von Frauen. Als Indikator wird auf das Konstrukt der relativen Wohlstandsposition zurückgegriffen, welches erlaubt, aus dem Einkommen unterschiedlicher Haushalte einen Vergleich der Wohlstandpositionen ihrer Mitglieder abzuleiten 51 . Die Skaleneffekte, die durch gemeinsame Haushaltsfiihrung entstehen, werden 50 Vgl. Tabellen 9.5 und 9.3. 51 Zu den zugrundeliegenden Annahmen vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 7.2.2.1.

374

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

mit Hilfe der originären OECD-Äquivalenzskala zu erfassen versucht mit den Gewichten 1 für die erste erwachsene Person im Haushalt, 0,7 für jede weitere erwachsene Person (ab 14 Jahren) 0,5 für jedes Kind. Das auf diese Weise aus dem verfügbaren Einkommen durch Bereinigung um die Haushaltsgröße und zusammensetzung ermittelte Nettoäquivalenzeinkommen stellt ein Wohlstandsmaß für alle Mitglieder eines bestimmten Haushalts bzw. Haushaltstyps dar, so daß diese nunmehr über unterschiedliche Haushaltstypen hinweg vergleichbar sind. Es liegt nahe, die bereits in den Modellrechnungen verwendete Äquivalenzskala auch hier anzuwenden, wenngleich betont werden muß, daß ein Vergleich der Ergebnisse nur sehr eingeschränkt möglich ist52 . Hier soll nicht noch einmal auf die grundsätzliche Problematik bei der Wahl der Äquivalenzskala eingegangen werden 53 . Statt dessen genügt der Hinweis, daß die hier verwendete Skala eine relativ hohe Äquivalenzelastizität54 aufweist, d. h. die Einsparungen gemeinsamer Haushaltsfuhrung vergleichsweise gering veranschlagt. Ergänzend werden daher an geeigneter Stelle Sensititivitätsrechnungen mit der modifizierten OECD-Skala durchgeführt. 9.6.1 Vergleich von Personen in Rentner- und Nichtrentnerhaushalten In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, wie Personen in Rentnerhaushalten ökonomisch im Vergleich zu Personen in Nichtrentnerhaushalten gestellt sind. Wenngleich es sich hier um eine reine Querschnittsbetrachtung handelt, so geben die Ergebnisse doch einen Eindruck davon, in welchem Maße das Arrangement der sozialen Sicherung in den Niederlanden Rentnern eine Aufrechterhaltung ihrer Einkommensposition gewährleistet bzw. in welchem Umfang Wohlstandseinbußen beim Eintritt in den Ruhestand zu erwarten sind. Neben einer globalen Betrachtung ist darüber hinaus von Interesse, welche Personengruppen unter den Rentnern besonders günstig und welche besonders ungünstig abschneiden. Zu diesem Zweck werden die Nettoäquivalenzeinkommen von Personen in Rentnerhaushalten, differenziert nach Haushaltstyp und Altersgruppe des Haushaltsvorstandes, mit dem durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommen aller Personen in Nichtrentnerhaushalten verglichen. Die Ergebnisse finden sich in Tabelle 9.7. 52 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 9.1. 53 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 7.2.2.1. 54 Die Äquivalenzelastizität mißt, um wieviel Prozent das verfügbare Einkommen des Haushalts beim Hinzutreten einer weiteren Person ausgeweitet werden muß, wenn das Wohlstandsniveau gleich bleiben soll. Die hier verwendete OECD-Skala zählt zu den sogenannten Expertenskalen, die im allgemeinen eine höhere Äquivalenzelastizität aufweisen als ÄquivalenzskaIen, die in institutionellen Regelungen enthalten sind und erst recht als ÄquivalenzskaIen aufgrund von empirischen Untersuchungen. Vgl. dazu Förster (\993), S. 15 - 17 und Buhmann et al. (\988), S. 6 12.

375

9.6 Die relativen Wohlstandspositionen von Personengruppen

Tabelle 9.7 Relative Wohlstandspositionen a) von Personen in Rentnerhaushalten im Vergleich zum Durchschnitt aller Personen in Nichtrentnerhaushalten nach Haushaltstyp und Alter Haushaltstypen

Alleinst.

Alleinst.

Pers. in

Pers. in

alle

Männer,

Frauen,

anderen

Pers. in

RHH

RHH

Ehepaarhaushaltenb),

RHH

jeweiligen

RHH Personen in allen RHH c) des eweiligen HH-Typs I alle Personen in NRHHd) Personen in RHH, HHV 55-64 Jahre I alle Personen in NRHH Personen in RHH, HHV 65-74 Jahre I alle Personen in NRHH Personen in RHH, HHV 75 Jahre> I alle Personen in NRHH

RHH

109,39%

91,38%

86,50 %

115,89%

93,11 %

98,32 %

112,01 %

87,07 %

99,00%

96,96 %

115,83 %

91,76%

89,69%

137,86 %

95,54 %

106,92 %

83,47 %

78,63 %

120,99%

86,74%

Anmerkungen: a)Die relative Wohlstandsposition ist definiert als Verhältnis der durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkornrnen von Personen verschiedener Haushaltstypen. Zugrundegelegt wird hierbei eine Äquivalenzskala mit den folgenden Gewichtungsfaktoren: 1,0 für die erste erwachsene Person im Haushalt, 0,7 für jede weitere Person mit 14 Jahren und älter und 0,5 für jedes Kind unter 14 Jahren (ursprüngliche OECD-Skala). b)Ohne weitere Person im Haushalt. c)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkornrnensquellen: Invaliditätsrente (WAO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. d)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. Quelle: Berechnungen aufgrund des LlS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CBS, Sozioökonomisches Panel.

Als erstes ist festzustellen, daß im Durchschnitt Personen in Rentnerhaushalten zwar eine niedrigere relative Wohlstandsposition erreichen als Personen in Nichtrentnerhaushalten, jedoch mit einem Niveau von 93 % einen bemerkenswert geringen Rückstand aufweisen. In den beiden Altersgruppen unmittelbar unterhalb und oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze werden relative Wohlstandspositionen erzielt, die weniger als 5 Prozentpunkte hinter der von Personen in Nichtrentnerhaushalten zurückbleiben. Lediglich die Hochbetagten fallen etwas deutlicher ab. Sie erreichen im Durchschnitt aber immerhin noch eine relative Wohlstandsposition von 87 %. Dies bestätigt die eingangs aufgestellte

376

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

Hypothese, daß das niederländische Alterssicherungssystem, das in der Zusammensetzung aus Grundrente und einkommensbezogener Zusatzrente mehr als 80 % des Bruttoeinkommens der Rentnerhaushalte über des gesetzlichen Altersgrenze ausmacht, im Durchschnitt eine großzügige Absicherung des Ruhestandes ermöglicht55 . Jedoch zeigen sich erhebliche Diskrepanzen, wenn man nach einzelnen Haushaltstypen differenziert. Generell stehen Personen in anderen Mehrpersonenrentnerhaushalten und alleinstehende Männer am günstigsten da. Ihr Nettoäquivalenzeinkommen ist sogar höher als das des Durchschnitts aller Personen in Nichtrentnerhaushalten. Schlechter stehen sich hingegen alleinstehende Frauen, am ungünstigsten ist die Situation von Personen in Ehepaarhaushalten. Dabei sei daran erinnert, daß etwa 80 % der Personen in Rentnerhaushalten in einer dieser bei den letztgenannten Haushaltstypen lebt, mehr als die Hälfte lebt in (kinderlosen) Ehepaarhaushalten. Die Ursachen fiir dieses Erscheinungsbild sind aus den Auswertungen nicht eindeutig abzuleiten, doch lassen sich aufgrund der Einkommensbetrachtung des vorherigen Abschnitts und der institutionellen und sozio-ökonomischen Erkenntnisse zumindest Erklärungshypothesen formulieren. Ein entscheidender Grund fiir die relative Besserstellung von alleinstehenden Männern gegenüber alleinstehenden Frauen dürfte vermutlich darin liegen, daß Männer in viel höherem Maße eigene Zusatzrentenansprüche aufgebaut haben als Frauen. Während das durchschnittliche Einkommen aus Sozialversicherungsrenten bei alleinstehenden Männern nur geringfügig über dem alleinstehender Frauen liegt56, beziehen alleinstehende Männer im Durchschnitt einen fast doppelt so hohen Betrag an Zusatzrente wie alleinstehende Frauen 57 . Der Anteil der Zusatzrentenbezieher ist dagegen in beiden Gruppen etwa gleich groß. Da in der Gruppe der alleinstehenden Frauen ein großer Anteil aus Witwen besteht, läßt sich folgern, daß die bei alleinstehenden Frauen anfallenden Zusatzrenten zum großen Teil Hinterbliebenenleistungen sein dürften, die in den meisten Fällen etwa 70 % der Zusatzrente des Versicherten (Mannes) ausmachen. Die der Höhe nach geringere Ausstattung mit Zusatzrenten ist somit die wesentliche Ursache fiir die SchlechtersteIlung von alleinstehenden Frauen. 55 In den Rentnerhaushalten mit einem Vorstand unter 65 Jahren kommt das überdurchschnittliche Sicherungsniveau in erster Linie durch das hohe Nettoäquivalenzeinkommen alleinstehender Frauen zustande. Hier kommen neben den lohnbezogenen Invaliditätsrenten noch die staatlichen Hinterbliebenenrenten nach dem A WW zum Tragen. 56 Das durchschnittliche Bruttoeinkommen aus Sozialversicherungsrenten von alleinstehenden Männern betrug 17.800 fpro Jahr, das von alleinstehenden Frauen 16.700 f(nach Daten des Sozioökonomischen Panels). Die Unterschiede dürften angesichts des Pauschalleistungscharakters des AOW auf Differenzen in der Altersgruppe unter 65 Jahren zurückzuführen sein. 57 Der Durchschnittsbetrag bei Männem lag nach Berechnungen des Sozio-ökonomischen Panels bei 13.700 f, der von Frauen bei lediglich 7.200 f

9.6 Die relativen Wohlstandspositionen von Personengruppen

377

Die ungleiche Verteilung von Zusatzrentenansprüchen zwischen Männem und Frauen dürfte auch ein entscheidender Grund für die ungünstige Einkommenssituation von Ehepaaren sein. Hier kann man erst recht davon ausgehen, daß eigene Zusatzrentenansprüche in der Vergangenheit überwiegend nur von erwerbstätigen Männem gebildet wurden. Selbst wenn die Ehefrau ebenfalls erwerbstätig war, handelte es sich dabei doch im allgemeinen um eine Teilzeitbeschäftigung. Der Aufbau von Zusatzrentenansprüchen war damit häufig nicht möglich. So fällt in Ehepaarhaushalten im Durchschnitt praktisch der gleiche Betrag (brutto) an Zusatzrenteneinkommen an wie bei alleinstehenden Männem 58 , der sich allerdings auf zwei Personen verteilt. Hinzu kommt, daß die AOW-Paarrente den Mehrbedarf einer zusätzlichen Person eher gering einschätzt, jedenfalls geringer als in der von uns verwendeten Äquivalenzskala59 . Diese ungünstigen Faktoren werden auch durch einen relativ hohen Anteil von Erwerbseinkommen nicht ausgeglichen. Schwierig ist die günstige Position der Restkategorie anderer Rentnerhaushalte zu erklären. Diese zeichnet sich durch eine deutlich andere Einkommenszusammensetzung aus. Auffällig ist besonders der hohe Anteil an Erwerbseinkommen. Gegen die Vermutung, daß dies der entscheidende Erklärungsfaktor für die hohen relativen Wohlstandspositionen ist, spricht jedoch der Umstand, daß Erwerbseinkommen v. a. in der Alterskategorie unter 65 Jahren anfällt, was auch in diesem Fall gelten müßte. Jedoch schneidet gerade diese Personengruppe am schlechtesten unter den Personen in anderen Rentnerhaushalten ab. Relativ hoch fallen auch die anderen Sozialtransfers aus, die im Mittel bis zu zehnmal höher sind als in den übrigen Haushaltstypen, doch ist deren Anteil insgesamt trotzdem recht bescheiden. Ganz allgemein ist zu vermuten, daß aufgrund der größeren Personenzahl eine viel höhere Kumulation von verschiedenen Einkommensquellen als in den übrigen Haushalten zu verzeichnen ist, was wohl zu der günstigen Einkommensposition beiträgt, ohne daß auf diesem Aggregationsniveau genauer gesagt werden kann, welche Einkommensarten in besonderem Maße dafür verantwortlich sind. Als weitere Tendenz ist in allen Haushaltstypen zu erkennen, daß Personen in der Altersgruppe direkt oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze (Haushaltsvorstand zwischen 65 und 74 Jahren) in fast allen Fällen die höchsten relativen Wohlstandspositionen erreichen. Hochbetagte (Haushaltsvorstand über 74 Jahre) und Personen in Rentnerhaushalten unterhalb der gesetzlichen Altersgrenze fallen dagegen ab, wobei unter den alleinstehenden Männem und den Personen in anderen Rentnerhaushalten die Hochbetagten besser dastehen als die jüngeren Rentner.

58 13.800 bei Ehepaarhaushalten gegenüber 13.700 bei alleinstehenden Männem. 59 Dies wurde bereits in den Modellfallrechnungen gezeigt. Vgl. Abschnitt 7.3.

378

9. Die Einkomrnenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

Das Abfallen der Personen in hochbetagten Rentnerhaushalten erklärt sich wiederwn fast ausschließlich aus den Zusatzrenten, die in diesen Haushalten im Durchschnitt nur etwa 70 % des Durchschnitts der mittleren Altersgruppe erreichen60 . Hintergrund dessen ist die Tatsache, daß sich die Zusatzrentensysteme in bezug auf den Deckungsgrad noch immer im Stadium der Reifung befinden und bedeutsame Deckungslücken erst seit Ende der 80er Jahre allmählich geschlossen werden. Ältere Kohorten waren daher in geringerem Umfang in der Lage, Zusatzentenansprüche aufzubauen als jüngere. Zudem dürfte eine hinter der Lohnentwicklung zurückbleibende Anpassung der Bestandsrenten in vielen Fällen zu einem Zurückbleiben der älteren Kohorten beigetragen haben. Der in drei der vier Haushaltstypen festzustellende Rückstand von Personen in jüngeren Rentnerhaushalten könnte damit zusammenhängen, daß trotz eines höheren Anteils an Erwerbseinkommen und Sozialversicherungsrenten das weitgehende Fehlen der Zusatzrenten nicht kompensiert werden kann. Darüber hinaus spielt angesichts eines deutlich höheren durchschnittlichen Haushaltseinkommens im Vergleich zu mittleren Rentnerhaushalten61 offenbar die größere durchschnittliche Haushaltsgröße jüngerer Rentnerhaushalte eine Rolle. Zudem ist die Abgabenbelastung oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze geringer, da die meisten Arbeitnehmer- und Volksversicherungsbeiträge entfallen. Eine allerdings gewichtige Ausnahme von dem hier skizzierten Muster bilden die alleinstehenden Frauen. Im Unterschied zu allen anderen Personengruppen ist bei ihnen die Altersgruppe der jüngeren Rentner diejenige mit der höchsten relativen Wohlstandsposition. Auch hier ist eine genaue Erklärung nur möglich, wenn die Einkommenszusammensetzung nach Haushaltstyp und Altersgruppe bekannt wäre. So läßt sich nur vermuten, daß alleinstehende Frauen in dieser Altersgruppe in höherem Maße Einkommen kumulieren. Angesichts der Daten scheint es so, daß die überwiegende Mehrzahl alleinstehender Frauen dieser Altersgruppe eine A WW -Witwenrente bezieht62 , was eine Kumulation mit Erwerbseinkommen, einer Hinterbliebenenzusatzrente und einer Reihe anderer Sozialleistungen zuläßt. Welche Kumulationen dies im einzelnen sind oder ob es sich um eine rein statistische Verzerrung handelt, läßt sich hier jedoch nicht endgültig klären. 60 In Haushalten mit einem Vorstand zwischen 65 und 74 Jahren stammen im Durchschnitt 15.000 f jährlich aus Zusatzrenten, in Hochbetagtenhaushalten nur 8.700 f. 1m Sozialversicherungseinkomrnen unterscheiden sich beide Gruppen dagegen kaum: Haushalte im mittleren Rentenalter beziehen daraus im Durchschnitt 19.500 f, Hochbetagtenhaushalte 18.900 f. Hierbei handelt es sich jeweils um Bruttogrößen. 61 Vgl. Tabelle 9.6. 62 Wie an anderer Stelle bereits vennerkt, flossen 1990 108.000 AWW-Renten an Witwen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren, während die Zahl der alleinstehenden Frauen in dieser A1tersgrueppe nach Daten des LIS-Datensatzes bei 99.000 Personen lag. Vgl. Tabelle 9.1 und Sociale Verzekeringsbank (1992), S. 81.

9.6 Die relativen Wohlstandspositionen von Personengruppen

379

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß von allen hier betrachteten Personengruppen die Personen in anderen Rentnerhaushalten in der mittleren Altersgruppe am besten gestellt sind. Ihre relative Wohlstandposition liegt um mehr als 1/3 über der aller Personen in Nichtrentnerhaushalten. Allerdings trirn dies nur auf einen geringen Anteil von knapp 2 % der Personen in Rentnerhaushalten zu. Am ungünstigsten ist die ökonomische Situation von hochbetagten alleinstehenden Frauen und Ehepaaren, deren relative Wohlstandspositionen um über 10 Prozentpunkte hinter dem Durchschnitt aller Personen in Rentnerhaushalten zurückbleiben. Hiervon sind knapp 1/4 aller Personen in Rentnerhaushalten betroffen. Des weiteren zeigt die Analyse, daß von den Sozialversicherungsrenten, oberhalb der Altersgrenze allein vom AOW, ein nivellierender Einfluß ausgeht. Die Unterschiede in den relativen Wohlstandspositionen der einzelnen Personengruppen kommen zum großen Teil durch die erwerbseinkommensbezogenen Zusatzrenten zustande. 9.6.2 Zur Sensitivität der Ergebnisse Wie schon mehrfach bemerkt, wird das Ergebnis der Berechnungen in erheblichem Maße von der zugrunde gelegten Äquivalenzskala beeinflußt. Aus dem Grunde wurde ergänzend eine Sensititivitätsanalyse durchgeführt, wobei eine modifizierte OECD-Skala mit den Gewichten 1 für die erste erwachsene Person, 0,5 für jede weitere Person ab 14 Jahren und 0,3 für jedes Kind (unter 14 Jahren) herangezogen wurde. Diese Skala weist eine geringere Äquivalenzelastizität auf als die ursprüngliche, d. h. die Einspareffekte gemeinsamer Haushaltsführung werden höher veranschlagt. Die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse sind in Tabelle 9.8 wiedergegeben. Erwartungsgemäß sinkt das Niveau der relativen Wohlstandspositionen von Personen in Rentnerhaushalten aufgrund des Umstandes, daß Nichtrentnerhaushalten angesichts einer größeren durchschnittlichen Haushaltsgröße eine höhere Wohlfahrt zugemessen wird als unter der ursprünglichen Äquivalenzskala. Allein durch die geringere Äquivalenzelastizität sinkt die relative Wohlstandsposition aller Personen in Rentnerhaushalten von 93 % auf 86 %. Neben diesem Niveaueffekt verschieben sich jedoch auch die Relationen zwischen den einzelnen Haushaltstypen, und zwar in erheblichem Umfang zuungunsten der Alleinstehenden. Dadurch erreichen alleinstehende Frauen im Mittel nur noch ein Nettoäquivalenzeinkommen von 79 % des Durchschnitts aller Personen in Nichtrentnerhaushalten und fallen somit hinter die Personen in Ehepaaren zurück. Zudem liegen die alleinstehenden Männer im Durchschnitt nunmehr unterhalb der Wohlstandsposition aller Personen in Nichtrentnerhaushalten.

380

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

Tabelle 9.8 Sensitivitätsanalyse in bezug auf die relativen Wohlstandspositionena) von Personen in Rentnerhaushalten im Vergleich zum Durchschnitt aller Personen in Nichtrentnerhaushalten Haushaltstypen

Alleinst. Männer, RHH

Alleinst. Frauen, RHH

Pers. in Personen alle Ehepaarin anderen Pers. in haushaltenb), RHH jeweiligen RHH RHH

Personen in allen RHH c) des HH-Typs/ alle Personen in NRHH d)

95,01 %

79,37 %

85,15 %

118,90%

86,47 %

Personen in RHH, HHV 55-64 J/ alle Personen in NRHH

85,40 %

97,29 %

85,71 %

102,47 %

92,00%

Personen in RHH, HHV 65-74 J/ alle Personen in NRHH

100,61 %

79,70 %

88,29 %

142,09 %

89,07 %

92,87 %

72,50%

77,40%

119,85 %

78,78 %

~eweiligen

Personen in RHH, HHV 75 J>/ alle Personen in NRHH

Anmerkungen: a)Die relative Wohlstandsposition ist definiert als Verhältnis der Nettoäquivalenzeinkommen von Personen verschiedener Haushaltstypen. Zugrundegelegt wird hierbei eine Äquivalenzskala mit den folgenden Gewichtungsfaktoren: 1,0 für die erste erwachsene Person im Haushalt, 0,5 für jede weitere Person mit 14 Jahren und älter und 0,3 für jedes Kind unter 14 Jahren (modifizierte OECDSkala) b)Ohne weitere Person im Haushalt. c)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (WAO, AAW), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. d)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. Quelle: Berechnungen auf Grundlage des LIS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CBS, Sozio-ökonomisches Panel.

Dies zeigt, in welch bedeutendem Maße die Niveaus der ausgewiesenen Wohlstandspositionen von der normativen Entscheidung über die Einschätzung der Wohlfahrtsgewinne gemeinsamer Haushaltsführung abhängen, so daß davon auch die Rangfolge der einzelnen Haushaltstypen im Hinblick auf relative Position im Vergleich zu Personen in Nichtrentnerhaushalten berührt werden kann. Dennoch bestätigt sich auch hier, daß unter den Rentnern alleinstehende Frauen und Personen in Ehepaaren ökonomisch ungünstiger gestellt sind als alleinstehende Männer und Personen in Mehrpersonenrentnerhaushalten.

381

9.6 Die relativen Wohlstandspositionen von Personengruppen

9.6.3 Die Versorgungslage von Frauen im Rentenalter Im vorigen Abschnitt wurden bereits Unterschiede in der ökonomischen Situation verschiedener Personengruppen deutlich. Hier soll nunmehr der Blick speziell auf die Versorgungslage von Frauen im Alter gelenkt werden. Dafiir bietet es sich an, zunächst die Gruppe der alleinstehenden Frauen mit der der alleinstehenden Männer zu vergleichen; in einem zweiten Schritt werden daran anschließend die Ehepaare miteinbezogen, wobei aufgrund der Wohlfahrtsgleichverteilungsannahrne unterstellt wird, daß innerhalb der Ehegemeinschaft keine Versorgungsunterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen. Bezieht man die Nettoäquivalenzeinkommen alleinstehender Frauen auf das von alleinstehenden Männern der entsprechenden Altersgruppe, so bedeutet eine relative Wohlstandsposition von unter 100 % eine relative Schlechterstellung der Frauen. Aus Tabelle 9.9 geht hervor, daß alleinstehende Frauen im Durchschnitt sowohl bei den Nichtrentnern als auch bei den Rentnern eine schlechtere Wohlstandsposition einnehmen als alleinstehende Männer, doch ist der Abstand nicht sehr groß63. Tabelle 9.9 Relative WOhlstandspositionen 3 ) von alleinstehenden Frauen im Vergleich zu alleinstehenden Männern nach Altersgruppen (in %) Haushaltstypen

HHV , nur RHH b) nur RHH nurRHH 113,92

79,22

78,07

alle RHH

83,53

alle NRHH c)

90,29

Anmerkungen: a)Die relative Wohlstandsposition ist definiert als Verhältnis der Nenoäquivalenzeinkommen von Personen verschiedener Haushaltstypen. Zugrundegelegt wird hierbei eine Äquivalenzskala mit den folgenden Gewichtungsfaktoren: 1,0 für die erste erwachsene Person im Haushalt, 0,7 für jede weitere Person mit 14 Jahren und älter und 0,5 für jedes Kind unter 14 Jahren. b)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 5S Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (W AO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. c)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. Quelle: Berechnungen aufgrund des LIS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CBS, Sozioökonomisches Panel.

63 Bei den Nichtrentnern wird der Rückstand der Frauen beim Erwerbseinkommen zu einem großen Teil durch einen vermehrten Bezug von Sozialleistungen kompensiert. Vgl. Tabelle 9.3.

382

9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

Besonders gering ist die Differenz bei den Nichtrentnern. Zwar liegen die Bruttoerwerbseinkommen der alleinstehenden Frauen im Durchschnitt zwar um etwa 20 % unter denen alleinstehender Männer, doch wird dieser Rückstand v. a. durch einen höheren Anteil an empfangenen Sozialleistungen und einer geringeren durchschnittlichen Abgabenbelastung praktisch halbiert. Bemerkenswert ist, daß die Diskrepanz unter den Rentnern größer ist als unter den Nichtrentnern. Am weitesten ist der Rückstand in den Haushalten oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze, die einen deutlichen Trennstrich markiert. In diesen Haushalten bleibt das Wohlstandsniveau der Frauen um über 20 % hinter dem der Männer zurück, wobei mit zunehmendem Alter der Abstand leicht zunimmt. Ein sich vergrößernder Abstand im Rentenalter mag überraschen, da das AOW gerade einer Übertragung von Einkommensdifferenzen aus der Erwerbs- in die Ruhestandsphase entgegenwirkt. Doch ist zum einen das Einkommensgefalle zwischen alleinstehenden Männern und Frauen in der Erwerbsphase ohnehin relativ gering, zum anderen überkompensieren hier die an der Erwerbsbiographie anknüpfenden Zusatzrenten, v. a. die niedrigeren Witwenrenten, die nivellierende Wirkung des AOW. Zu diesem Befund dürfte auch beigetragen haben, daß zwischen den miteinander verglichenen Gruppen große strukturelle Unterschiede bestehen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen in der Altersgruppe der gegenwärtig Erwerbstätigen ist weitaus höher, als sie in der Gruppe der Rentnerinnen gewesen ist. An dieser Stelle zeigen sich die Grenzen der Querschnittsanalyse. Vergleicht man weiter über die Altersgruppen hinweg, so sticht erneut die Altersgruppe der Rentner zwischen 55 und 64 Jahren hervor, da hier die alleinstehenden Frauen ein Wohlstandsniveau erreichen, das über dem der Männer liegt. Bereits im vorherigen Abschnitt wurde auf die Sonderstellung dieser Altersgruppe hingewiesen. Besonders ungünstig stellt sich die Situation von Rentnerehepaaren dar (vgl. Tabelle 9.10). Im Durchschnitt liegt die Wohlstandsposition von Personen in Rentnerehepaaren knapp unter der von alleinstehenden Rentnerinnen64 und deutlich unter der alleinstehender Rentner.

64 Dabei sei daran erinnert, daß die Ergebnisse stark von der Wahl der Äquivalenzskala abhängen. Wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, kann sich die Relation zwischen Personen in Ehepaaren und alleinstehenden Frauen durchaus umkehren, wenn höhere Skaleneffekte gemeinsamer Haushaltsführung unterstellt werden.

383

9.6 Die relativen Wohlstandspositionen von Personengruppen

Tabelle 9.10

Relative WOhlstandspositionen a) von Alleinstehenden im Vergleich zu Personen in Ehepaarhaushalten nach Altersgruppen (in %) Haushaltstypen

HHV , nurRHH b) nurRHH nurRHH

alle RHH

alle NRHH c)

76,20

128,64

102,30

106,16

105,63

77,72

85,69

112,92

129,14

135,98

126,46

86,08

Anmerkungen: a)Die relative Wohlstandsposition ist definiert als Verhältnis der Nettoäquivalenzeinkornmen von Personen verschiedener Haushaltstypen. Zugrundegelegt wird hierbei eine Äquivalenzskala mit den folgenden Gewichtungsfaktoren: 1,0 für die erste erwachsene Person im Haushalt, 0,7 für jede weitere Person mit 14 Jahren und älter und 0,5 für jedes Kind unter 14 Jahren. b)RHH = Rentnerhaushalt, d. h. der Haushaltsvorstand ist 55 Jahre oder älter und bezieht staatliche Rentenleistungen oder ähnliche Leistungen des sozialen Sicherungssystems, hier aus mindestens einer der folgenden Einkommensquellen: Invaliditätsrente (W AO, AA W), Altersrente nach dem AOW, Hinterbliebenenrente nach dem AWW. c)NRHH = Nichtrentnerhaushalt. d)Ohne weitere Person im Haushalt. Quelle: Berechnungen auf Grundlage des LIS-Datensatzes Niederlande 1991 basierend auf CBS, Sozio-ökonomisches Panel.

Anders sieht es bei den Nichtrentnerhaushalten aus. Hier sind Personen in Ehepaaren wesentlich besser gestellt als vergleichbare Alleinstehende. Nach unserer Abgrenzung sind Ehepaare durchgängig kinderlos, Daher kann in Nichtrentnerhaushalten davon ausgegangen werden, daß in diesen Fällen besonders große Einkommenserzielungskapazitäten bestehen und die Ehefrauen in hohem Maße durch Erwerbstätigkeit zum Haushaltseinkommen beitragen65 . Demgegenüber deutet die relative Schlechterstellung der Personen in Rentnerehepaaren, wie im vorigen Abschnitt bereits ausgeführt, darauf hin, daß in vielen Fällen nur eine eigene Zusatzrente anfallt, was zum einen mit der geringen Erwerbsbeteiligung verheirateter Frauen in der Vergangenheit zusammenhing und zum anderen durch die bis heute weithin feststellbare Ausrichtung der Zusatzrentenregelungen am traditionellen Einverdienerehepaar verstärkt wurde. Mit nur einer eigenen Zusatzrente stehen Ehepaare schlechter da als alleinstehende

65 Belegt wird dies dadurch, daß Nichtrentnerehepaarhaushalte den höchsten Anteil an Erwerbseinkornmen aufweisen. Vgl. Tabelle 9.3.

384

9. Die Einkomrnenssituation der Älteren aus empmscher Sicht

Männer mit eigener Zusatzrente66 und auch schlechter als alleinstehende Frauen mit einer abgeleiteten Hinterbliebenenrente, insbesondere dann, wenn nur geringe Einsparungen gemeinsamer Haushaltsführung angenommen werden. Auch in dieser Betrachtung zeigt sich im übrigen, daß Personengruppen mit einer relativ ungünstigen Wohlfahrtsposition, wie hier die Personen in Rentnerehepaaren, mit zunehmendem Alter noch weiter zurückfallen. Für die Versorgungslage von Frauen im Alter ergibt sich somit das folgende Bild: Während sich alleinstehende Rentnerinnen zwischen 55 und 64 Jahren in einer besonders günstigen ökonomischen Lage befinden, sind diese oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze gegenüber alleinstehenden Männem in einer wesentlich schlechteren Position. Im Vergleich zu Personen in Ehepaaren ist die Wohlstandsposition alleinstehender Frauen in etwa ähnlich. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede werden dabei durch die erwerbsbezogenen Zusatzrentenleistungen hervorgerufen. Das staatliche AOW hingegen wirkt insgesamt einkommensnivellierend und sorgt dafür, daß die Abstände im Erwerbseinkommen zwischen Männem und Frauen nicht im vollen Umfang auf die Rentenphase übertragen werden und somit begrenzt bleiben. Es begünstigt dabei aufgrund seiner impliziten Äquivalenzskala zudem eher Alleinstehende als Ehepaare.

9.7 Zur Einkommensverteilung In der bisherigen Untersuchung zur ökonomischen Lage von Personen in verschiedenen Haushalten wurde durchweg mit Durchschnittsgrößen gearbeitet. In diesem Abschnitt soll daher betrachtet werden, wie die Einkommen zwischen gleichen Haushaltstypen verteilt sind. Dabei wird weiterhin davon ausgegangen, daß innerhalb eines Haushaltes die Pool- und Wohlfahrtsgleichverteilungsannahmen auf der Grundlage der von uns gewählten ursprünglichen OECD-Äquivalenzskala gelten. Für den Untersuchungszweck wurden 5 Wohlstandspositionsklassen als Vielfache bzw. Teilbare des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens der gesamten Bevölkerung gebildet. Das durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkom66 Der Rückstand gegenüber alleinstehenden Männem scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu den Ergebnissen der institutionellen Analyse und der Modellrechnungen zu stehen, in denen gezeigt wurde, daß Alleinstehende häufig Zusatzrentenansprüche über einen zu geringen Teil ihres Verdienstes aufbauen, da in vielen Fällen der "zu hohe" Verheiratetensatz des AOW eingebaut wird. So verwunderte es auch nicht, daß die durchschnittlichen Zusatzrenten zwischen alleinstehenden Männem und Ehepaaren kaum voneinander abweichen. Die in den empirischen Ergebnissen zutage tretende Besserstellung der Alleinstehenden resultiert dabei letztlich zu einem großen Teil aus der Tatsache, daß die dem AOW innewohnende Äquivalenzskala viel höhere Skaleneffekte unterstellt als die von uns verwendete, so daß die Benachteiligung Alleinstehender bei der Berechnung der Zusatzrente weniger gravierend ausfällt.

9.7 Zur Einkommensverteilung

385

men errechnet sich als Quotient aus der Summe aller den Haushalten zugeordneten Nettoäquivalenzeinkommen und der Anzahl aller Haushalte67 . Das so ennittelte durchschnittliche jährliche Nettoäquivalenzeinkommen betrug 24.799 f im Jahre 199068 . Die Verteilungsanalyse dient aufgrund der methodischen Vorgehensweise gleichzeitig als Vorbereitung für die anschließende Armutsuntersuchung, in der die Wohlstandspositionsklassen am unteren Ende der Einkommensskala feiner differenziert werden.

9.7.1 Verteilungsunterschiede zwischen Personen in Rentner- und Nichtrentnerhaushalten Als erstes sollen die Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentner- und Nichtrentnerhaushalten beleuchtet werden, wobei zusätzlich noch zwischen einzelnen Haushaltstypen unterschieden wird. Es wurde bereits im vorangehenden Abschnitt gezeigt, daß Rentnerhaushalte im Durchschnitt einen, wenn auch nur geringen, einkommensmäßigen Rückstand gegenüber den Nichtrentnerhaushalten aufweisen. Tabelle 9.11 vermittelt darüber hinaus einen Eindruck von der Einkommensverteilung innerhalb der einzelnen Personengruppen und bietet somit einen vertiefenden Blick auf die Verteilungsstruktur . Insgesamt ist die Einkommensverteilung unter den Personen in Rentnerhaushalten gleichmäßiger als bei Personen in Nichtrentnerhaushalten. Besonders hohe, v. a. aber besonders niedrige Wohlstandspositionen kommen unter Personen in Rentnerhaushalten weniger häufig vor als in Nichtrentnerhaushalten. Dafür konzentrieren sich über 60 % der Personen bei den Rentnerhaushalten in der zweituntersten und mittleren Wohlstandspositionsklasse, d. h. bei einer Wohlstandsposition zwischen 50 und unter 100 % des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens, über 40 % bei einer Wohlstandsposition zwischen 50 und 67 Denkbar wäre statt dessen auch das durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen als Quotient aus der Summe der mit den Personen in Haushalten (statt den Haushalten) gewichteten Nettoäquivalenzeinkommen und der Zahl der Personen (statt der Zahl der Haushalte) zu errechnen. In dem Fall wäre das durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen in der Regel niedriger als in der von uns gewählten Vorgehensweise (hier: 23.392 f). Die Differenz ist dabei um so größer, je weiter die Haushalte hinsichtlich der Größe streuen und je höher die Äquivalenzelastizität angesetzt wird. Nur bei einer völligen Vernachlässigung unterschiedlicher Haushaltsgrößen (Äquivalenzelastizität von Null) bzw. einer völlig homogenen Haushaltsstruktur wären beide Methoden identisch. Dieser Aspekt ist nicht zuletzt auch für die Höhe der Arrnutsquoten von Bedeutung. Eine personenbezogene Betrachtung würde im allgemeinen zu niedrigeren Arrnutsquoten führen. Die Ergebnisse aufgrund einer personenbezogenen Betrachtung sind im Anhang wiedergegeben (vgl. Tabellen A-9.3 - A-9.13). In den Grundzügen weicht das Bild nicht von dem ab, das nachfolgend gezeichnet wird. Generell stehen die Personen in Rentnerhaushalten etwas besser da als in der haushaltsbezogenen Betrachtung. 68 Zum Vergleich: das Nettojahreseinkommen eines ledigen Industriearbeiters (APW) betrug 199028.817 f Vgl. OECD (I 994b), S. 86. 25 Pöhler

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9. Die Einkommenssituation der Älteren aus empirischer Sicht

75 %. In den Nichtrentnerhaushalten entfällt gut die Hälfte der Personen auf diese beiden Klassen. Tabelle 9.11 Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen Personen in Rentnerhaushalten und Personen in Nichtrentnerhaushalten Haushaltstypen

Wohlstandspositionsklassen a) von ... bis ... des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkomrnens (Besetzung in % aller Haushalte des jeweiligen Haushaltstyps ) 0-