Gleichstellung Der Frau Und Rentenrecht: Zur Bevorstehenden Reform Der Alterssicherung (German Edition) 3428056396, 9783428056392

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German Pages 435 [436] Year 1984

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Gleichstellung Der Frau Und Rentenrecht: Zur Bevorstehenden Reform Der Alterssicherung (German Edition)
 3428056396, 9783428056392

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CHRISTOPHER HERMANN

Gleichstellung der Frau und Rentenrecht

Sozial poli tische Schriften Heft 51

Gleichstellung der Frau und Rentenrecht Zur bevorstehenden Reform der Alterssicherung

Von

Dr. Christopher Hermann

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Bermann. Christopher: Gleichstellung der Frau und Rentenrecht: zur bevorstehenden Reform d. Alterssicherung / von Christopher Hermann. - Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Sozialpolitische Schriften; H.51) ISBN 3-428-05639-6 NE: GT

AUe Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

© 1984 Duncker

ISBN 3-428-05639-6

Vorwort iDie vorliegende Arbeit ist Ende 1983 am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Philipps-Universität Marburg eingereicht und dort im Juli 1984 als Dissertation angenommen worden. Zum Zeitpunkt ihrer A:bgabe mehrten sich die ersten Anzeichen, daß die seit Jahren in der Bundesrepublik hergestellte Einigkeit hinsichtlich der Ausgestaltung der anstehenden Rentenreform zu schwinden schien. Hatte über Jahre kein Zweifel mehr darüber bestehen können, daß die jahrzehntelang geführte Diskussion über eine als notwendig erachtete grundlegende Neuordnung der überkommenen sozialen AIterssicherung der Frau in eine Heform des Hinterbliebenenrentenrechts auf Basis eines Teilhabe ...Modells einmünden sollte, wurden nunmehr Stimmen laut, die diese Eintracht in Frage stellten. ,Ein halbes Jahr später haben sich diese Anzeichen zur Gewißheit v'erdichtet. Allerdings wäre es falsch, daraus den Schluß abzuleiten, die Diskussion habe auf diese Weise zumindest sozial- und rentenpolitisch wieder einen Teil ihrer früheren Komplexität und Reformoffenheit zurückerlangt. Aufgelöst hat sich offensichtlich einzig der breite Konsens zugunsten der Teilhabe-Rente innerhalb eines unverändert restriktiven Rahmens. Gerade in diesen Tagen ist der BMA vom bisher mitproklamierten Modell abgerückt und hat sich in einem Diskussionsentwurf das seit geraumer Zeit verstärkt als Lösungsvariante gesehene sog. Anrechnungsmodell mit Freibetrag offiziell zu eigen gemacht. Führt man diese Konzeption auf ihr Grundmuster zurück, dann soll zukünftig das tradierte Witwenrentenrecht grundsätzlich auf alle Hinterbliebenen Anwendung finden. übersteigen indes die stets in voller Höhe garanHerten eigenständigen Anrechte einen (derzeit mit 900,- DM bezifferten) Freibetrag, sollen 40 Ofo des darüber hinausgreifenden Einkommens auf die derivative Leistung angerechnet werden. Ohne an dieser ,Stelle eine Analyse dieses Vorschlags leisten zu können oder zu wollen, scheinen mir freilich vornehmlich mit Blick auf die hier vorgelegte Untersuchung, aber auch hinsichtlich der weiteren sozial- und frauenpolitischen Diskussion, insbesondere zwei einordnende Anmerkungen hilfreich zu sein. Zum einen sei darauf hingewiesen, daß die Unterschiede zwischen Anrechnungsmodellen und der bisher konsensfähigen Teilhabevariante im Grundsatz allein terminologischer Natur sind. Abgesehen von der nunmehr offen konservierten Unterhaltsersatzkonzeption des bisherigen Hinterbliebenenrechts sticht der enge innere Zusammenhang beider Konzeptionen sofort ins Auge,

Vorwort

6

wenn das Teilhabe-Modell entsprechend aufgeschlüsselt wird. Bei einem Teilhabesatz von 70% erhält der Hinterbliebene - in der Diktion des Anrechnungsmodells formuliert - bei Garantie der selbsterworbenen Anwartschaften gleichzeitig 70% der Originärrente des Verstorbenen unter Anrechnung von 30% seiner eigenen Versicherungsleistung. ,Andererseits kann das Anrechnungsmodell faktisch ebenso als 60-%-Teilhabe-Rente interpretiert werden. Modifizierend wirkt lediglich die rentenrechtlich bisher völlig ungebräuchliche Freibetragsgrenze, die den Fürsorgecharakter der akzessorischen 'Leistung um so deutlicher hervorhebt - deren Variabilität freilich analog dem Teilhabesatz die allseits verlangte Finanzneutralität der Neuordnung garantieren kann. Für eine sozial- und verteilungspolitische Bewertung des Anrechnungsmodells scheinen mir hier erste wertvolle Hinweise geliefert. {Mehr noch verdeutlicht dieser kurze Vergleich allerdings, daß die für die zukünftige Stellung der Frau im GRV-System zentrale Entwicklungstendenz der späten 70er und frühen 80er Jahre in keiner Weise mehr verschoben wird: die sukzessive Reduktion einer einstmals vi,elbeschworenen gesellschafts- und sozialpolitischen Forderung - Gleichstellung der Frau (auch) im Rentenrecht; nachhaltiger Ausbau ihrer eigenständigen Sicherungsanspruche - zur weithin bloßen Anpassung geschlechtsdifferenzierender Normtexte des tradierten (Hinterbliebenen-}Rentenrechts an die Interpretationsmaximen eines formalen Gleichberechtigungsbegriffs (bzw. den daraus vom BVerfG abgeleiteten Konsequenzen). Nicht zuletzt unter dem Aspekt, die dafür verantwortlichen sozioökonomischen und rechtlichen Bestimmungsgrunde und ihre zahlreichen Implikationen aufzuzeigen, ist die vorliegende Arbeit entstanden. Es fällt leicht, an dieser 'Stelle einen besonderen Dank an Herrn Prof. Dr. Peter Römer anzuschließen, da er mir nicht zuletzt den Anstoß zur Bearbeitung des Themas gab. Ebenso herzlich s'ei Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Broermann für die freundliche Aufnahme der A~beit in die Sozialpolitische Schriftenreihe gedankt. Von unschätzbarem Wert für mich waren die Unterstützung und das Vertrauen meiner Mutter, deren bisheriges eigenes Leben st'ets zugleich Beispiel und Ansporn für mich sein konnte, auch in schwierigen Situationen nicht zu verzagen. Genausowenig selbstverständlich waren die kaum endende Geduld und die stete Hilfestellung durch meine Lebensgefährtin Barbara - und wenn ihr ,nur' zu danken wäre, weil sie es ermöglichte, daß aus dem Gelegenheitsjogger nebenbei mit viel Freude noch ein Marathonläufer werden konnte. Berlin, im August 1984

ChTistopher Hermann

Inhal tsverzeichnis

Einleitung

Frau und soziale Alterssicherung eine thematische Einführung

17

Erstes Kapitel

Die Ausgestaltung der für die Stellung der Frau im System der sozialen Alterssicherung relevanten Normbereiche im historischen Kontext

21

A. Sozial-ökonomische Grundlegung ................................. "

22

1. Skizze zum sozialhistorischen Hintergrund ......................

22

2. Zur Genesis der sozialen Rentenversicherung und der Stellung der Frau in ihr ..................................................... 30 B. Die (ursprüngliche) Konzeption der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ............................................................. 41 C. Zur Entwicklung der Witwenrenten und ihrer rechtlichen Gestaltung als primär statusdefiniertes Problem ................................ 46 1. Ungleiche Sicherung der Frauen im Fall der Verwitwung: Zur Frage abgeleiteter Versorgung aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. 47

1.1. Zur (ursprünglichen) Konzeption der Witwenrenten. . . . . . . . .. 47 1.1.1. Zur Regelung im Bereich der Angestelltenversicherung 48 1.1.2. Zur Regelung im Bereich der Arbeiterversicherung .... 51 1.2. Modifikationen während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus ............................................ 56 1.3. Novellierungen in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Rentenreform 1957 .......................................... 60 1.3.1. Das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz (SVAG) 1949 60 1.3.2. Initiativen zur Gleichstellung der Witwen während der 1. und 2. Legislaturperiode des Bundestages ............ (H

8

Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel

Fundus und Formation der heutigen rentenrechtlichen Stellung der Frau und die Rentenversicherungsreform 1957

70

A. Die Vereinheitlichung der Witwenrente: Die Rentenreformgesetze 1957

70

1. Zur normativen Neugestaltung der Witwenrente ................

72

2. Zum strukturellen Verhältnis zwischen Witwen- und Versichertenrente ........................................................ 75 B. Die verfassungsrechtliche Basis der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Bundesrepublik und ihre politisch-dogmatische Bearbeitung ............................................................... 84 1. Der verfassungsrechtliche Befund des Grundgesetzes ............

84

2. Zum Verhältnis von Verfassungsvorgabe und politisch-dogmatischer Umsetzung ..................................................... 90 2.1. Die Entwicklung der Diskussion auf politisch-dogmatischer Ebene ...................................................... 90 2.2. Die konkrete Ausformung des Gleichberechtigungsgrundsatzes durch den Gesetzgeber 1957 ................................ 101 C. Die Gleichberechtigungsfrage im Rentenrecht: Geschlechtsspezifisch differenzierte Rentenleistung als Problem .......................... 110 1. Zur rechtlichen Ausgestaltung von Hinterbliebenenrenten: Ungleiche Anspruchsvoraussetzungen von Witwen- und Witwerrenten 1.1. Die Gleichberechtigung der Geschlechter unter der Maxime (sozialrechtlicher) Stabilisierung traditioneller Rollendefinition 1.2. Zur Affinität von Eheleitbild und (formalem) Reformauftrag 1.2.1. Soziologische und rechtliche Vorgaben ................ 1.2.2. Zur verfassungsgerichtlichen Begründung einer (Hinterbliebenen-)Rentenreform ..............................

111 111 120 120 126

Drittes Kapitel

Die normative Spezifizierung der rentenrechtlichen Stellung der Frau seit 1957 auf dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 2 GG

131

A. Heirat als Versicherungsfall: Die Beitragserstattung für Frauen bei Eheschließung ..................................................... 132 1. Sozialgeschichtliche Aspekte der Normgestaltung ................ 132 2. Zur (primär) historischen und aktuellen Relevanz der Vorschrift 136 B. Geschlechtszugehörigkeit als Versicherungsfall: Das vorgezogene Altersruhegeld an Frauen ............................................ 141

Inhaltsverzeichnis 1. Konkrete Gestaltung und (offizielle) Begründung

9

141

2. Zur sozial- und verfassungspolitischen Einordnung (geschlechts-) spezifischer Altersrentengrenzen ................................. 145 3. Zur strukturellen Relevanz des vorgezogenen Altersruhegeldes an Frauen in den Jahren 1970 - 1981 - Tabelle I - ................ 151 C. Aufstockung niedriger Versicherungsleistungen: Die Rente nach Mindesteinkommen .................................................... 153 1. Zur materiellen Tragweite der Norm ............................ 154 2. Zum Verhältnis von ,Leistungsrente' und "Rente nach Mindesteinkommen" .................................................... 156 D. Mutterschaft als (begrenzter) Versicherungsfall: Babyjahr und verlängerter Mutterschaftsurlaub ...................................... 163 1. Die verhinderte Einführung des Babyjahres im Rahmen der 72er Reform ......................................................... 163 2. Das Gesetz über den Mutterschaftsurlaub ........................ 171 2.1. Zur konzeptionell-strukturellen Ausrichtung der Norm ...... 171 2.2. Zur sozialrechtlichen Gestaltung ............................ 178 E. Scheidung und Altersversorgung: Zur sozialrechtlichen Stellung der geschiedenen Frau ................................................. 181 1. Zur sozialen Absicherung der Frau auf dem Hintergrund des alten Eherechts: Die sog. Geschiedenenwitwenrente ................ 183 2. Die Neuordnung im Rahmen des 1. EheRG: Der Versorgungsausgleich (VAG) .................................................... 194 2.1. Die ehe- und familienrechtlichen Strukturvorgaben des VAG in Konzeption und Rezeption ................................ 194 2.1.1. Zum novellierten Scheidungs recht .................... 195 2.1.2. Zum novellierten Unterhalts recht .................... 201 2.2. Die grundsätzliche (versicherungsrechtliche) Funktionsweise des VAG ................................................... 207 2.3. Die ,Sonderstellung' geschiedener Frauen .................... 215

Viertes Kapitel

Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage älterer Frauen: Rentenhöhe und tatsächlidle Versorgungslage A. Daten zur Einkommenssituation von Rentnerinnen 1969 bis 1982

222 222

1. Zum Niveau der Versichertenrenten an Frauen ................ " 225 1.1. Höhe ausgewählter Versichertenrenten an Frauen und Männer (ArV/AnV) 1969 - 1982 - Tabelle II - .................. 225

10

Inhaltsverzeichnis 1.2. Anteil ausgewählter Versichertenrenten an Frauen an entsprechenden Männerrenten (ArV/AnV) 1969 -1982 - Tabelle 111 - 226 1.3. Schichtung der Versichertenrenten (ArV/AnV) an Frauen und Männer 1982 - Schaubild I - .............................. 227 2. Zum Niveau der Witwenrenten .................................. 228 2.1. Höhe der Witwenrenten (ArV/AnV) 1969 - 1982 - Tabelle IV -

228

2.2. Schichtung der Witwenrenten (ArV/AnV) 1982 - Schaubild 11 - ........................................................ 229 3. Entwicklung der Rentenhöhe in v. H. bei Versichertenrenten an Frauen und Männer sowie Witwenrenten (ArV/AnV) 1974 - 1982 (1969 - 1982) - Tabelle V - .................................... 230 B. Der Befund: Die qualitative und quantitative Altersversorgung von Frauen ............................................................ 231 1. Der Vergleich zwischen Männer- und Frauenversichertenrenten .. 231

2. Zum Armutspotential bei alten Frauen .......................... 233 3. Zur Kumulation von Rententransfers ............................ 238 C. Bestimmungsgründe der heutigen Versorgungslage von Frauen in der GRV - eine analytische Zusammenschau .......................... 242 1. Interdependenzen zwischen Erwerbs- und Rentenstruktur ........ 244

2. Versicherungsinterne Einflußfaktoren - speziell das Ausfallzeitenrecht ........................................................... 249 3. Rollenverhalten und Rentenniveau .............................. 254

Fünftes Kapitel

Die Neuordnungsdiskussion der sozialen Sicherung der Frau im Alter

261

A. Einige grundsätzliche Erfordernisse und Ziele einer Reform der so-

zialen Alterssicherung der Frau .................................... 261 1. Die Neuordnung unter dem Aspekt der Finanzdefizite der sozialen Sicherungssysteme .............................................. 261

2. Die Neuordnung unter sozialpolitischer Prämisse ................ 266 3. Die Neuordnung unter verfassungspolitischer Prämisse ....... . .. 267 B. Die Reformdiskussion bis zum Ende der siebziger Jahre ............ 268 1. Zur Frühphase der Reformdiskussion: Die Konzeptionen von Hansen-Blanke und Planken ........................................ 269 2. Zentrale Modellvarianten und Diskussionsschwerpunkte in den siebziger Jahren .................................... _............ 271

Inhaltsverzeichnis

11

2.1. Die Konzeption des "permanenten Splittings" - namentlich das Modell "Partnerrente" .................................. 272 2.2. Die Konzeption einer ,Anhängsel-Rente' .................... 278 2.3. Versicherungsrechtliche Kombinationsmodelle und Mischsysteme ....................................................... 287 C. Die Reformdiskussion seit Mitte 1979 .............................. 291 1. Das Gutachten der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen .................... 292 1.1. Struktur und Gestaltung des Teilhabe-Modells .............. 294 1.2. Zum Votum der Kommission für die Teilhabe-Rente ........ 298 2. Der allgemeine Grundkonsens: Zur Diskussion bei Parteien und Verbänden im Anschluß an das Sachverständigengutachten ...... 301 D. Die zukünftige soziale Sicherung der Frau im Rahmen eines TeilhabeModells ............................................................ 310 1. Das Teilhabe-Modell unter finanzpolitischen Aspekten .......... 311 2. Die Wirkungen des Teilhabe-Modells unter sozial- und verteilungspolitischen Aspekten ............................................ 2.1. Strukturbedingte Änderungen des Versorgungsniveaus von Rentnerinnen ............................................... 2.1.1. Rentenerhöhung (+) bzw. -minderung (-) in v. H. für Frauen im Hinterbliebenenfall bei alternativen Teilhabesätzen im Vergleich zum geltenden Recht - Schaubild III - ............................................ 2.1.2. Höhe der Rentenanspruche von Frauen im Hinterbliebenenfall bei alternativen Teilhabesätzen und Veränderungen zum geltenden Recht - Tabelle VI - .......... 2.2. Vertikale und horizontale Umverteilungseffekte ............ 2.2.1. Zum qualitativen Ausmaß von Rentenniveauverschiebungen ............................................... 2.2.2. Zum Ausmaß beitragsfinanzierter interpersoneller Umverteilung ............................................ 2.3. Die Berücksichtigung einer Mindestforderung: Zur Vermeidung von Altersarmut ............................................ 3. Das Teilhabe-Modell unter gesellschafts- und rechtspolitischen Aspekten ....................................................... 3.1. Die Garantie selbsterworbener Rentenanwartschaften als verteilungs- und verfassungspolitisches Problem - zugleich Exkurs zur Frage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes für Renten und Rentenanwartschaften der GRV ............ 3.1.1. Zur verfassungsrechtlichen Begründung der Eigentumsqualität rentenversicherungsrechtlicher Anrechte ...... 3.1.2. Garantieregelung und Gleichstellung der Geschlechter im Rentenrecht ....................................... 3.2. Die Einlösung von Art. 3 Abs. 2 GG ........................ 3.2.1. Die Reform unter (primär) sozialrechtlichem Blickwinkel 3.2.2. Die sozioökonomische und gesellschaftspolitische Perspektive ..............................................

317 317

325 326 328 328 334 337 340

340 342 348 352 352 358

Inhaltsverzeichnis

12

Sechstes Kapitel

Einige 'Uberlegungen zu einem alternativen Modell der sozialen Sicherung der Frau

363

A. Zur konzeptionellen Begründung einer grundsätzlichen Neuordnung 363 1. Die Neuordnung im Kontext der historischen Stellung der Frau

im Alterssicherungssystem ...................................... 364

2. Die Eigenständigkeit sozialer Sicherung als notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingung für eine Reform ........................ 365 B. Zur konzeptionellen Grundgestaltung und Wirkung des Modells .... 368 1. Das strukturelle Grundprinzip .................................. 368

2. Zur Unterscheidung von Neu- und Altversicherten ............... 371 C. Das Modell aus sozial- und verteilungspolitischer Sicht .............. 373 D. Mögliche verfassungsrechtliche Bedenken und Einwände gegen die Konzeption ........................................................ 376 1. Verfassungsgarantie des gegenwärtigen Sozialrechtssystems und

(nochmals) Eigentumsschutz ..................................... 376

2. Der Schutz von Ehe und Familie als Grenze einer Neuorientierung? 379 E. Die Problemlösung im gesellschaftspolitischen Kontext .............. 384

Schlußbetrachtung

Dokumente

Zwölf zusammenfassende Thesen

387

Literaturverzeicl1nis

391 391

Kommentare und Handbücher ........................................ 403 Festschriften

405

Buch- und Aufsatzveröffentlichungen .................................. 406 Tages- und Wochenzeitungen/-zeitschriften ............................ 435

Ahkürzungsverzeichnis Abg. a. Bgrl. Abs. Änd.lG a.F. AFG Anh. Anl./-Bd. Anm. Anp/VO AnV AnVNG AöR ArbG Art. ArV ArVNG ASF AuR AuSozR AuSPol AVG BA BABL BAG BAGE BB BDA Bd.le. BdiP Bearb. Beih. Beil. Ber. BfA BGB BGBL 8GH BGHSt. BGHZ Bgr. BMNSo BMF BMFa BMFJ

Abgeordnete/r allgemeine Rentenbemessungsgrundlage Absatz Änderung!sgesetz alte Fassung/Folge Arbeitsförderungsgesetz Anhang Anlage/n-Band Anmerkung Anpassung!sverordnung Angestelltenversicherung Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (vom 23.2. 1957; BGBL I S. 88) Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Der Arbeitgeber (Zeitschrift) Artikel Arbeiterrentenversicherung Arbei terrentenversicherungs-N euregelungsgesetz (vom 23.2. 1957; BGBL I S.45) Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Arbeit und Recht (Zeitschrift) Arbeits- und Sozial recht (Zeitschrift) Arbeit und Sozialpolitik (Zeitschrift) Angestelltenversicherungsgesetz Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsblatt (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band, Seite) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Band/Bände Blätter für deutsche und internationale Politik (Zeitschrift) Bearbeiter/in Beiheft Beilage Bericht Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Teil, Seite) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band, Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band, Seite) Begründung Bundesminister/ium für Arbeit/ und Sozialordnung Bundesministerlium der Finanzen Bundesminister für Familienfragen Bundesministerlium für Familie und Jugend

14

Abkürzungsverzeichnis

BMJ BMJFG BMWF BNS Brat. BSG BSGE BSHG Bt. BU Bundesreg. BVerfG BVerfGE

Bundesminister/iurn der Justiz Bundesminister/ium für Jugend, Familie und Gesundheit Bundesminister/ium für Wirtschaft und Finanzen Bettermann / Neumann / Nipperdey / Scheuner (19'54 ff.) Bundesrat Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Band, Seite) Bundessozialhilfegesetz Bundestag Berufsunfähigkeit Bundesregierung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite)

CDA

Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (Sozialausschüsse der CDU)

DAG DAngVers DGB DIV DIW DJT DLA DNOrdnung DP DRentVers Drs. DuR DVBl.

Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Die Angestelltenversicherung (Zeitschrift) Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Invalidenversicherung (Zeitschrift) Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Deutscher Juristentag Der Leitende Angestellte (Zeitschrift) Die Neue Ordnung (Zeitschrift) Deutsche Partei Deutsche Rentenversicherung (Zeitschrift) Drucksache Demokratie und Recht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

E EheG 1. EheRG

Entscheidung (des jeweiligen Gerichts) Ehegesetz Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (vom 14.6. 1976; BGBl. I S. 1421) Einschub Evangelische Kirche in Deutschland Entwurf ergänzt erweitert Einkommensteuer-Änderung/sgesetz Erwerbsunfähigkeit Europäische Grundrechte Zeitschrift Einkommens- und Verbrauchsstichprobe

Einsch. EKD Ent. erg. erw. ESt/And/G EU EuGRZ EVS F FamRZ FANG FAZ fdk FFBIZ FinÄndG Fkt. Fn. FR FS FU

Fassung/Folge Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Korrespondenz (Pressedienst der F.D.P .-Bundestagsfraktion) Frauenforschungs-, Bildungs- und Informationszentrum, Berlin Finanzänderungsgesetz Fraktionlen Fußnote Frankfurter Rundschau (Tageszeitung) Festschrift Föderalistische Union

Abkürzungsverzeichnis G

15

GG GleichberG GMh. GRV GVBl.

Gesetz Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Grundgesetz Gleichberechtigungsgesetz (vom 18.6. 1957; BGBL I S. 609) Gewerkschaftliche Monatshefte (Zeitschrift) Gesetzliche Rentenversicherung Gesetz- und Verordnungsblatt

HA HBeglG Herv. HStruktG

Hauptausschuß (des PR) Haushai tsbegleitgesetz Hervorhebung Haushai tsstrukturgesetz

lAB

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in der Fassung Informationen für die Frau (Zeitschrift) Institut für angewandte Sozialwissenschaft Internationales Institut für Empirische Sozialökonomie Invalidenversicherung Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz Invalidenversicherungsgesetz

GB/BHE

i. d. F. IfF

INFAS INIFES IV IVAG IVG JÖR,N.F. JR JZ

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAB KJ KnRV KnVAG Kom. KRG KZfSS

Katholische Arbeitnehmerbewegung Deutschlands Kritische Justiz (Zeitschrift) Knappschaftliche Rentenversicherung Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetz Kommentar Kontrollratsgesetz Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie

Leg.Per. LSG LVA

Legislaturperiode Landessozialgericht Landesversicherungsanstalt

MDR MEW MittAB MuSchG MuSchUrlG m.w.Nw.

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MarxiEngels-Werke (Band) Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Zeitschrift) Mutterschutzgesetz Mutterschaftsurlaubsgesetz mit weiteren Nachweisen

N.F. NJW

Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

o.V.

ohne Verfasser

p. Bgrl. PR Prot. p.Vhs.

persönliche Rentenbemessungsgrundlage Parlamentarischer Rat Protokoll persönlicher Vomhundertsatz

RAnpB RAnpG

Rentenanpassungsbericht Rentenanpassungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis

16

RdA Rdnr. RDR Reg.-Ent. RGBl. RGZ RKG RRG Rsp. Rt. RV rv RVÄndG RVO

Recht der Arbeit (Zeitschrift) Randnummer Reichsverband Deutscher Rentenversicherungsträger Regierungsentwurf Reichsgesetzblatt (Teil, Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite) Reichsknappschaftsgesetz Rentenreformgesetz Rechtsprechung Reichstag Rentenversicherung Die Rentenversicherung (Zeitschrift) Rentenversicherungsänderungsgesetz Reichsversicherungsordnung

s.

siehe

SF Sfb SGB SGb. SozSich Stat.BA Stenogr. Ber. StGB st. Rsp. SV SVAG

Sachverständigenkommission für die soziale Sicherheit der Frau und der Hinterbliebenen Sozialer Fortschritt (Zeitschrift) Sonderforschungsbereich Sozialgesetzbuch Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Soziale Sicherheit (Zeitschrift) Statistisches Bundesamt Stenographischer Bericht Strafgesetzbuch ständige Rechtsprechung Die Sozialversicherung (Zeitschrift) Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz

TEK

Transfer-Enquete-Kommission

UVG

ULA

Union der Leitenden Angestellten Unfallversicherungsgesetz

VAG VDR VGfA VLU VSSR

Versorgungs ausgleich Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Versicherungsgesetz für Angestellte Verband der Lebensversicherungsunternehmen Vierteljahresschrift für Sozialrecht

WiGBl.

Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Wirtschaft und Statistik (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung

Sachverständigenkommission

WiSta WRV WSI (vormalsWWI) WSI-Mitt. ZfS ZgS ZRP ZSR ZVersWiss

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des DGB WSI-Mitteilungen (Zeitschrift) Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung (Zeitschrift) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Sozialreform Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

Einleitung

Frau und soziale Alterssicherung eine thematische Einführung Nach den Ergebnissen einer im Frühjahr 1981 unter dem Titel "Arbeitslose Frauen im Spannungsfeld von Erwerbstätigkeit und Hausfrauenrolle"l veröffentlichten empirischen Untersuchung steht für vier von fünf Frauen ganz unabhängig von ihrem gegenwärtigen Status als Erwerbstätige, Arbeitslose oder ausschließlich im Haushalt Tätige als Motiv einer eigenen (potentiellen) Erwerbstätigkeit der Wunsch im Vordergrund, sich eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen2 • Dieses Resultat erlangte durch die Antworten auf Fragen nach "generelle(n) Wertvorstellungen" - über Dinge, die ihnen "im Leben besonders wichtig" seien3 - seine prägnante Bestätigung, da es zwei Drittel der befragten Frauen als von primärer Bedeutung ansahen, in einer Gesellschaft zu leben, in der sie einen finanziell sorgenfreien Lebensabend verbringen können4• Wie in der Untersuchung dementsprechend gefolgert wird, nimmt für Frauen "das Bedürfnis nach einer gesicherten Altersversorgung nicht nur in der Hierarchie beruflicher Werterwartungen, sondern auch im Bereich allgemeiner Zielvorstellungen eine unangefochtene Spitzenposition ein"5. Da ältere Untersuchungen mit ähnlicher Fragestellung eine derart starke Dominanz der Thematik ,Alterssicherung' nicht nachweisen konnten6, sucht die Studie nach Erklärungsansätzen für diesen Einstellungswandel und rückt dabei die verstärkt seit Mitte der siebziger Jahre geführte öffentliche Diskussion um das System der sozialen Siehe Heinemann et a1. (1980). Vg1. ebd., Bd. I, S. 190 f.; 579; Bd. 2, Tab. 25, S. 40 f. 3 Heinemann et a1. (1980), Bd. I, S. 192. 4 Vg1. ebd., Bd. I, S. 192. 5 Ebd., Bd. I, S. 192. 6 Vg1. insbesondere WSI (21976) v. a. Anh. S. 342 f. Die dort ausgewiesene Befragung beschränkte sich allerdings auf ältere Arbeitnehmerinnen und ihre Motive für die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit, wobei 31 Ufo die "Schaffung eines eigenen Rentenanspruchs" als Grund nannten; s. im Kontext auch Planken (1961), S.87; Reich-Hilweg (1979), S.81, Fn.279; Kirner (1980 a), S.18 f. 1

2

2 Hermann

Einleitung

18

Alterssicherung in den Blickpunkf- ohne allerdings im weiteren über diese formale Ebene hinauszuführen. Auf die an sich naheliegende überlegung, die hohe Priorität für die eigene Altersversorgung auch - und in erster Linie - als ein deutliches Zeichen für von den Frauen im Alter aufgrund der gegenwärtigen Ausgestaltung des Rentenversicherungsrechts erwartete materielle Versorgungsdefizite anzusehen, verzichtet die Untersuchung. Gleichwohl hat, wie die Befragung dokumentiert, die fast hundertjährige Geschichte staatlich institutionalisierter Alters- und Invalidenversorgung offensichtlich nicht dazu ausgereicht, daß sich die rechtliche Einordnung der Frau in dieses System mit den Bedürfnissen und Hoffnungen der weit überwiegenden Mehrheit der Frauen in der Bundesrepublik deckt. Dieser Sachverhalt wird nachdrücklich von der mittlerweile seit mehr als zwei Jahrzehnten in der sozialpolitischen Diskussion befindlichen Frage nach Form und Gestaltung einer anzustrebenden grundlegenden Neuordnung der sozialen Alterssicherung von Frauen bestätigt. Äußerlich stellt sich die gegenwärtige Stellung der Frau im System der gesetzlichen Alterssicherung zunächst als das eher zufällige Resultat einer Abfolge von Normmodifikationen dar, die innerhalb dieses Systems seit seiner Einführung am Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts vorgenommen worden sind. Im thematischen Kontext wird diese Stellung dadurch aber gleichzeitig als Ausfluß einer historischen Entwicklung kenntlich, die als eine ihrer zentralen Ergebnisse dahin geführt hat, daß heute von keiner gesellschaftlich relevanten Gruppe oder Institution in der Bundesrepublik mehr die unveränderte Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes befürwortet oder eine Reform der sozialen Sicherung für Frauen im Grundsatz abgelehnt wird (vgl. dazu v. a. Kap. V. B.). Ohne die in diesem Zusammenhang nicht zu übersehende Rolle des BVerfG zu vernachlässigen, das durch sein Urteil vom März 19758 zumindest den Regelungen des gegenwärtigen Hinterbliebenenrentenrechts der GRV nach Ablauf einer bis Ende 1984 bemessenen Frist als Verstoß gegen das Gleichberechtigungspostulat der Verfassung (Art. 3 Abs.2 GG) die grundgesetzliche Legitimation entzog, zeigt sich hier mithin ein Resultat, das für in der Vergangenheit angestrebte Rechtsreformen, insbesondere auch für solche, die frauenspezifische Problembereiche zum Inhalt hatten, in dieser Eindeutigkeit kaum festgehalten werden kann. Zudem fällt auf, daß sich spätestens im Bundestagswahljahr 1980 bei den an der Diskussion maßgeblich beteiligten Parteien und Verbänden 7

8

VgI. Heinemann et aI. (1980), Bd. 1, S. 191 f. Siehe BVerfGE 39. 169 ff. vom 12.3. 1975.

Einleitung

19

ein im wesentlichen lückenloser Grundkonsens zugunsten des unter dem Namen ,Teilhabe-' oder ,Gesamtversorgungs-Rente' bekanntgewordenen Neuordnungsvorschlags durchsetzte, der - nach Ansicht seiner Befürworter - für die Zukunft eine deutliche Abkehr vom tradierten Recht verspricht (vgl. Kap. V. C.). Zu dieser weitgehenden Uniformität der Meinungen bildet etwa die in den siebziger Jahren äußerst kontrovers geführte Auseinandersetzung um eine Novellierung des § 218 StGB ein markantes Gegenbeispiel. Da, wie bereits von den bisherigen Überlegungen immanent unterstrichen wird, das Recht und seine Veränderungen keineswegs als isolierte gesellschaftliche Erscheinungen betrachtet werden können, kann es im folgenden auch nicht allein um die Darstellung des gegenwärtigen rentenrechtlichen Normbestandes und seiner zahlreichen Verästelungen, das Aufzeigen vorhandener formaler Mängel und sozialer Defizite und um einen anschließenden Vergleich der erwartbaren Folgen einer Realisation der zahlreich entwickelten Reformvorschläge, insbesondere des Teilhabe-Modells, mit dem überkommenen Recht gehen. So zentral die Behandlung der genannten Problemfelder für die Gesamtthematik ist, so wenig können sie auch losgelöst von ihren sozioökonomischen oder verfassungs-, familien- und versicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen behandelt werden. So müssen etwa die Rückwirkungen der Entwicklung und Konkretisierung unterschiedlicher Arbeitsrollen von Mann und Frau im Zuge der Entfaltung kapitalistischer Produktionsformen auf die Einordnung der Frau in das System öffentlich-rechtlicher Alterssicherung ebenso dargestellt werden, wie die Beeinflussung des Rentenrechts durch das im Ehe- und Familienrecht normierte Frauen(leit)bild oder die Folgen des Versicherungs- und Äquivalenzprinzips im deutschen Sozialrecht (zum Ganzen s. Kap. I. und 111.). Schließlich verlangt die Frage nach der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung der Geschlechter in ihrer Wirkung auf das Rentenrecht eine Analyse des Charakters von Art.3 Abs.2 GG. Selbst ein relativ oberflächlicher Betrachter der Materie stolpert im Zusammenhang mit der angesprochenen Entscheidung des BVerfG schnell auf die Frage zu, warum das Gericht 1975 eine Regelung verwarf, der es erst zwölf Jahre zuvor Verfassungsmäßigkeit attestiert hatte9. Da aber der Normtext von Art. 3 Abs.2 GG bekanntermaßen seit Inkrafttreten des GG nicht verschoben worden ist, hilft dem Gericht offensichtlich seine eigene Schau des Gleichberechtigungssatzes entscheidend weiter. Inwieweit gleichwohl diese, wie die Sichtweise der politischen Instanzen, der 9 2·

Vgl. BVerfGE 17.1 ff. vom 24. 7. 1963.

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Einleitung

durch den Parlamentarischen Rat (PR) vorgenommenen Inhaltsbestimmung der Norm entspricht oder aber zuwiderläuft und welche Konsequenzen sich daraus für eine Neuordnung bzw. die Bewertung vorhandener Reformmodelle ergeben, bedarf intensiver Behandlung (Kap. 11.). Erst Aufarbeitung und immanente Berücksichtigung der vielschichtigen Implikationen der heutigen Stellung der Frau im System gesetzlicher Alterssicherung können somit zu einer thematisch adäquaten Darstellung ihrer gegenwärtigen Situation führen (Kap. IV.) und im Hinblick auf die Neuordnungsdiskussion den Blick auf die wesentlichen Vergleichskriterien öffnen (Kap. V. A.). Auf diesem Hintergrund werden sowohl Kontinuitäten wie Brüche zwischen altem und geplantem Recht oder zwischen den einzelnen Modellüberlegungen untereinander transparent. Namentlich eine zukünftige soziale Sicherung der Frau im Rahmen des favorisierten Teilhabe-Modells wird sich danach beurteilen lassen müssen, inwieweit der Vorschlag einerseits finanz-, v. a. aber sozial- und verteilungspolitisch ebenso erkannte Schwachstellen und Versäumnisse des heutigen Rechts nachhaltig beseitigt wie er andererseits unter gesellschafts- und rechtspolitischen Aspekten zu überzeugen wissen muß. Gerade der allgemeine Konsens zugunsten einer - wenn auch in Details durchaus variierten oder terminologisch anders gefaßten - Teilhabekonzeption, der über den politischen Raum hinaus ebenso in der veröffentlichten Meinung kaum weniger einheitlich ausfällt, verlangt die detaillierte und umfassende Darstellung eines solchen Projekts (Kap. V. D.). Da allerdings, wie bereits an dieser Stelle vorweggenommen sei, das Teilhabe-Modell - ähnlich wie die Vielzahl der in der Diskussion daneben entwickelten Vorschläge - keinen entscheidenden Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Emanzipation der Frau zu leisten vermag, verlangt die Thematik nach einer Konkretion alternativer Überlegungen. Dabei liegt auf der Hand, daß wesentliche Elemente eines solchen Reformmodells bereits unmittelbar aus der vorausgegangenen Analyse und Kritik ableitbar sind. Es gilt den Versuch zu unternehmen, aus diesen Bausteinen die wesentlichen Züge eines Vorschlags zu entwickeln, der im Rahmen der Möglichkeiten des Sozialrechts zukünftig die Chancen tatsächlicher sozialer und ökonomischer Gleichstellung von Frauen in der Bundesrepublik deutlich erhöht (Kap. VI.).

Erstes Kapitel

Die Ausgestaltung der für die Stellung der Frau im System der sozialen Alterssicherung relevanten Normhereiche im historischen Kontext Für die weitere Untersuchung erweist sich als von einiger Bedeutung, zunächst die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen zu benennen, die den historischen Prozeß antreiben und begleiten, der schließlich sowohl zur Institutionalisierung eines historisch vorbildlosen, völlig neuartigen Systems von Alterssicherung als auch zu der - thematisch besonderes Augenmerk verlangenden - deutlich differierenden Stellung von Männern und Frauen in diesem System führt. Darauf aufbauend soll im folgenden nachgezeichnet werden, welchen Tendenzen und positiv rechtlichen Änderungen die ursprüngliche Konzeption der materiellen Alterssicherung hinsichtlich ihrer frauenrelevanten Teile bis in die jüngste Vergangenheit hinein unterlegen hat, wobei jeweils - wie betont sei - der grundsätzlichen Konsistenz der jeweiligen Normgestaltungen mit sozialökonomischen und/oder frauen- und familienpolitischen (ideologischen) Vorgaben ein zentraler Stellenwert innewohnt. Eine solche historische Aufarbeitung und Analyse der rentenrechtlichen Stellung der Frau weist damit gleichzeitig weit über den geschichtlichen Rahmen allein hinaus, da erst auf dem Hintergrund der auf diese Weise kenntlich gemachten Strukturen und Entwicklungstendenzen bei der Neuordnung zentral zu berücksichtigende Kriterien die notwendige Plausibilität gewinnen. Nicht allein die Stellung der Frau im gegenwärtigen Gefüge der Rentenversicherung wird auf dieser Grundlage erklär- und bewertbar, sondern im weiteren auch die umfassende Einordnung der bevorstehenden Neuregelung entscheidend verbessert. Deren Analyse wird insbesondere auf vier im Gesamtkontext bedeutsamen Ebenen nachhaltig gefördert: -

-

Einmal hinsichtlich einer Beurteilung des qualitativen Stellenwerts der beabsichtigten Reform für System und Struktur der GRV als solche zweitens - allgemein - durch die Möglichkeit, verschiedene Kontinuitätslinien in der historischen Entwicklung der für die Frau

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

relevanten Teile des Rentenrechts aufzuzeigen, deren Einfluß auch auf die Ausgestaltung der bevorstehenden Reform bereits an dieser Stelle vermutet werden darf; damit eng verbunden -

-

drittens - konkreter ' - versprechen aufzeigbare Kontinuitäten in den Positionen verschiedener gesellschaftlich relevanter Gruppen und Institutionen über die von ihnen programmatisch vertretenen Sozial- bzw. Frauen- und Familienpolitik-Konzeptionen hinaus Aufschlüsse bei der konzeptionellen Einordnung der von ihnen in der Diskussion präferierten Neuordnungsvarianten; schließlich (viertens) kann mit Hilfe der historischen Analyse den Fragen der verfassungspolitischen Adäquanz einzelner Reformalternativen, insbesondere des favorisierten Teilhabe-Modells, umfassend nachgegangen werden. Diese erschließt sich beim Vergleich des verfassungsrechtlichen Befundes seit Inkrafttreten des GG 1949 mit den Wirkungen des überkommenen Rechts für die gegenwärtige und der Teilhabekonzeption für die zukünftige rentenrechtliche Stellung der Frau in der Bundesrepublik Deutschland. A. Sozial-ökonomische Grundlegung 1. Skizze zum sozialbistorischen Hintergrund

Die sozioökonomische Stellung der Frau im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit wird entscheidend geprägt durch ihre Einbettung in den Wirtschafts- und Sozialverband des ,ganzen Hauses'. Dieser Familientypus erweist sich bis in die frühkapitalistische Entwicklung als ein zentrales Element der gesamten europäischen Sozialstruktur. Sowohl für das Handwerk wie für die Bauernschaft kann er als charakteristisch ausgewiesen werden!. Auf dem Hintergrund gering entwickelter Marktbeziehungen bildete seine relative Autonomie bei grundsätzlicher Einheit von Produktionsund Reproduktionsbereich das basisvermittelnde Merkmal des ,ganzen Hauses': die Familie als Produktionsstätte und -gemeinschaft, als Besitzer und Benutzer der Produktionsmittel zur Herstellung vornehmlich zum Eigenbedarf bestimmter Güter; die Familie als Produktionsund Konsumtionsgemeinschaft. Ein wesentliches Kennzeichen dieser Sozialform war die regelmäßige Einbeziehung (auch nicht verwandter) Arbeitskräfte in die Hausge! Grundlegend dazu: Brunner «1956) 1968), v. a. S. 107 - 109; im weiteren Egner (1966), S. 59 - 70 (v. a. S. 65 - 68 für das späte Mittelalter); Rosenbaum (1982), v. a. S. 114 - 117 (für die Bauernschaft), S. 180 - 183 (für das Handwerk); auch: Badura I Gross (1976), S. 91 - 95.

A. Sozial-ökonomische GrundlegUng

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meinschaft, während der generativen Zusammensetzung im Gegensatz zu späteren Phasen der Entwicklung - lediglich eine weit untergeordnete Bedeutungzukam2• Zur Familie in diesem Sinne3 gehörten das Gesinde, Lehrlinge und Gesellen des Handwerksbetriebs oder Handelsdiener im Kaufmannsgewerbe4; selten aber mehr als zwei Generationen, wenn auch deren unentgeltliche Mitarbeit ein konstitutives Merkmal des ,ganzen Hauses' bildete. Seine innere Stabilität gründete das ,ganze Haus' einmal auf die ihm zugrundeliegenden ökonomisch-rechtlichen Herrschaftsverhältnisse, die insbesondere das Eigentum an Produktionsmitteln und (sanktionierte) Gewaltanwendung in einer Person, beim ,pater familias' konzentrierten; zum zweiten allgemein auf seine "produktive Potenz"5, die im Grundsatz ein materielles Auskommen der ihm Zugehörigen erlaubte. Auch bei Eintritt individueller Notlagen wie Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit im Alter konnte das ,ganze Haus' i. d. R. die Existenz seiner Mitglieder zumindest im Kern gewährleisten6 • Speziell im Hinblick auf die Stellung der Frau zeigt sich, daß die Einheit von Wohn- und Arbeitsbereich der Ehefrau innerhalb des Systems eine zentrale Funktion zuwies. Zwar geht ihre Position im ,ganzen Haus' - ebenso wie die der anderen Mitglieder - mit rechtlicher Diskriminierung gegenüber dem Hausherrn einher, gleichwohl aber erweist sich ihre Funktion ökonomisch als zentral für die GüterhersteIlung und (ggf.) deren Vertrieb. Innerhalb der arbeitsteilig konzipierten Gebrauchswerteproduktion des Familienverbandes stand die Tätigkeit der Frau hier gleich wichtig und gleichwertig neben derjenigen des Mannes. Im Handwerk und insbesondere für die Landwirtschaft als gesellschaftsvermittelndem Produktionssektor galt, "daß beide Ehepartner (...) Produktion betreiben, die Frau also keinesfalls auf 2 ,Ganzes Haus' und Großfamilie sind also keineswegs identisch; vg!. zur Auseinandersetzung mit dem gegenteiligen familiensoziologischen Theorem der vorkapitalistischen Großfamilie zusammenfassend Rosenbaum (1982), S. 488 - 49l. 3 Das Wort ,Familie' im heutigen Verständnis dringt erst im 18. Jahrhundert in die deutsche Umgangssprache ein: "Man sprach eben vom Haus"; Brunner ((1956) 1968), S. 111. 4 Vgl. Weber-Kellermann (11982), S. 73 f. 5 Knieper (1979), S. 52. 6 Allerdings muß v. a. hinsichtlich des Eintritts altersbedingter Erwerbsunfähigkeit im vorindustriellen Deutschland darauf hingewiesen werden, daß ein solches Ereignis aufgrund der gringen Lebenserwartung der Menschen nie zu einem primären gesellschaftlichen Problem werden konnte. Nach Miegel (1981), S. 38, waren um 1800 lediglich 3 Ofo der Menschen älter als 65 Jahre, und noch 1871 betrug ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches lediglich 4,6 Ofo; s. Sozialenquete (1966 a), An!. A 1/1 - 7, Tab. 6, S.58. Vgl. im Zusammenhang auch Dieck / Naegele (1978), S. 8 f.

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

Hausarbeit im engeren Sinne abgedrängt war, Hausarbeit vielmehr eine völlig untergeordnete Rolle spielte" und "die Tätigkeit der Frau teilweise hochqualifizierte Arbeit" darstellte7 • Daneben wurde ihre Stellung v. a. dadurch gekennzeichnet, daß in einer Gesellschaft, die, wie in den meisten deutschen Einzelstaaten normiert, die Ehefähigkeit regelmäßig vom Eigentum an Produktionsmitteln abhängig machte, erst die Frau in ihrer Funktion als Mutter - konkret: als Erben gebärende Gattin - die zukünftige Existenz der Familie sicherte8• Strikte Beschränkungen legitimer Eheschließung und Familiengründung bildeten gleichsam die juristischen Stützpfeiler des ,ganzen Hauses'. Der Verband konnte nur solange gesellschaftlich vermittelnd wirken, wie auch über die rechtliche Absicherung seine materielle Basis nicht in Frage stand9 • Eine Zufuhr von Arbeitskräften über den ,Ersatz' Alter und Gebrechlicher hinaus hätte die subsistenz sichernden Möglichkeiten des ,Hauses' schnell erschöpft. Dem Stand der Produktivkraftentwicklung mußte der rechtliche Rahmen entsprechen - der seinerseits aber lediglich so lange Bestand haben konnte, wie die Produktivkraftentfaltung nicht nach anderen Lösungen verlangte. Bei zunehmender Herausbildung kapitalistischer Produktionsverhältnisse mußte sich folglich die "produktive Potenz" des Verbandes erschöpfen. In dem langwierigen, zeitweise auch widersprüchlichen gesamtgesellschaftlichen Prozeß der Erosion und Auflösung der überkommenen sozio-ökonomischen Strukturen bildete die sukzessive Auflösung des tradierten Verbandes des ,ganzen Hauses' ein konsequentes - im vorliegenden Kontext das entscheidende - Ergebnis. Die fortschreitende gesellschaftliche Arbeitsteilung umschließt nunmehr unmittelbar die Trennung von Produktions- und Reproduktionsbereich, d. h. die Ausdehnung der ,großen Industrie' führt zunehmend zur Auslagerung der Produktionssphäre aus dem Haus. Fortan bildet nicht mehr die eigene und unmittelbare Subsistenzproduktion der Gesellschaftsmitglieder - die "Einheit zwischen dem Arbeitenden und seinen Arbeitsmitteln"IO, wie noch im ,ganzen Haus' - die dominante gesellschaftliche Reproduktionsform, sondern diese vermittelt sich über kapitalistische Warenproduktion für den Markt. Die Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln wurde konstitutives Merkmal des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses. Kapitalistische Produktion 7 Rosenbaum (1982), S.80 (Herv. i. Orig., Ch. H.); s. auch Schöfthaler (1977), S. 115 - 118; Stöcker (1972), S. 554, bei Fn. 15 f. (m. w. Nw.). 8 Zum Gesamtkomplex vgl. Heinsohn / Knieper (21976), S. 18 - 23. 9 Dazu etwa Huhn (1977), S. 150. 10 Marx «1898) 61975), S. 131 (Herv. d. Orig. weggel.; Ch. H.).

A. Sozial-ökonomische Grundlegung

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und Akkumulation setzen notwendig den Ankauf und Verbrauch menschlicher Arbeitskraft voraus - also deren Umwandlung 'zur Ware. Erst dadurch erhält der Arbeitsprozeß seinen spezifisch neuen Charakter, Verwertungsprozeß des Kapitals zu sein. Zur Durchsetzung der neuen Produktionsweise bedurfte es demgemäß der Schaffung einer bisherigen gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen fremden Vorausetzung, des doppelt freien Lohnarbeiters: sowohl frei von Produktionsmitteln, die es dem Eigentümer erlaubt hätten, auf ihrer Grundlage die eigene materielle Existenz zu gewährleisten, als auch frei von personenrechtlichen Beschränkungen, die einem Vertragsabschluß formal freier und gleicher Vertragspartner hier Produktionsmitteleigentümer, dort Arbeitskrafteigentümer - und damit dem permanenten Austausch von Kapital und Arbeit bisher stets entgegenstanden. Mangelnde Verfügung über die eigene Arbeitskraft und weithin eingeschränkte persönliche Freizügigkeit wie in der Feudalgesellschaft einerseits und die Erfordernisse kapitalistischer Akkumulation andererseits schließen sich gegenseitig aus. Mit der Agrarreform von 1807/11 und der Gewerbefreiheit 1810 wurde in Preußen dieser Gegensatz grundsätzlich beseitigtl1 • Zukünftig bildet der jederzeit und an jedem Ort mögliche Verkauf (depossedierter) Arbeitskraft auf dem (Arbeits-)Markt die Grundbedingung gesellschaftlicher (Re-)ProduktionI2 . Gleichzeitig erwies sich die bisherige künstliche Beschränkung der Bevölkerung mit Hilfe staatlicher Zwangsgesetze zunehmend als obsolet, da - im Gegensatz zum ,ganzen Haus' - die Verhinderung eines steigenden Arbeitskräfteangebots nicht im Interesse des Kapitals an einer möglichst störungsfreien Entfaltung seiner Akkumulationsbedingungen stehen kann13 • In Preußen (bzw. dem Norddeutschen Bund) führte dies endgültig im Frühjahr 1868 zur Auflösung der alten ehebeschränkenden, letztlich fortpflanzungshemmenden Normen des Allgemeinen Landrechts (PrALR)14. Der Staat exekutierte damit normativ, was die ökonomische Entwicklung anzeigte. In diesem Sinne zerstörte die Durchsetzung kapitalistischer Produktionsweise nicht die Familie des nun massenhaft benötigten Lohnarbeiters, sondern sie ist im Gegenteil erst ihr Produkt l5 • 11

Dazu Welkoborsky (1976), S. 49 - 56; Römer (1978 a), S. 87 - 98 (jew. m.

w.Nw.).

12 Vgl. zum Gesamten Marx ((1890) 19 1973), v. a. S. 181 - 184, 742 - 744; ders. ((1939/41) 21974), v. a. S. 368 f., 944 f. 13 Siehe Marx (31974), S. 478. 14 Dazu Heinsohn / Knieper (21976), S.23, 25; auch Rosenbaum (1982), S. 429 f.; Scheffler (1960), S. 261, Fn. 71. 15 Die Darstellungen von Marx und Engels im Kommunistischen Manifest, s. dies. ((1890) 91980), S.478; auch Bebel ((501909) 1977), S. 155 - 162; Däubler-

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

Auch bei Betrachtung der Heim(arbeiter)industrie I6 als insbesondere im übergang vom Feudalismus bedeutsame Produktionsform, die bei tendenziell allerdings rückläufigem Stellenwert im gesamten 19. Jahrhundert von erheblicher Bedeutung blieb l7 , verändert sich das skizzierte Bild der Ablösung tradierter (Re-)Produktionsformen nicht. Lediglich bei oberflächlicher Betrachtung ihrer bestimmenden Strukturelemente erweist sie sich als außerhalb des beschriebenen Prozesses. Abgesehen von einer relativ häufigen Kopplung mit nebenerwerblicher Landwirtschaftsproduktionl8 , zeichnet sie sich im Gegensatz zu industrieller Lohnarbeit v. a. durch die weiterhin gegebene lokale Einheit von Wohnung und Werkstatt aus. Gleichwohl darf über diese formale Verbindung nicht der ökonomisch maßgebliche Aspekt außer acht gelassen werden, denn auch hier konnte von der beschriebenen (Re-)Produktionseinheit großfamiliärer Zusammenschlüsse bereits keine Rede mehr sein. Die Produktion war ausschließlich marktorientiert, ohne den Hintergrund einer bereits relativ entwickelten Infrastruktur und fortgeschrittener Marktverflechtungen nicht organisierbar l9 • Insbesondere seit der Phase ihrer verstärkten Ausdehnung befinden sich die Produktionsmittel nicht (mehr) im Eigentum der Heimarbeiter; Rohmaterialien und Verwertung des Endprodukts, somit die Realisation des Mehrwerts, sind vom Kapital (personifiziert in der Figur des Verlegers) monopolisiert, so daß auch hier die Existenzgrundlage der (nunmehr auf den verwandtschaftlich verbundenen Kern geschrumpften) Familie ausschließlich der Verkauf der eigenen Arbeitskraft, also Lohnarbeit bildet. Darüber hinaus führte im Laufe des 19. Jahrhunderts die gesellschaftliche Produktivkraftentwicklung mit fortschreitender überführung von Heim- in Industriearbeit in zunehmendem Maße zur Wertsenkung noch betriebener Heimarbeit. Mit wachsender Konkurrenz fabrikmäßig hergestellter Waren wurde damit entweder die "schrankenlose Ausbeutung wohlfeiler Arbeitskräfte (.. .) die einzige GrundGmelin (21979), S. 19, greifen hier zu kurz; anders: Heinsohn / Knieper (21976), S. 18, 28, 76; s. im Zusammenhang auch 3. Familienbel'icht (1979), S. 105 f. 16 Zur Heimindustrie: Weber-Kellermann (11982), S. 141 - 146; Egner (1966), S. 70 - 74; Bebel (( 50 1909) 1977), S. 162; ausführlich: Schneider, L. (1967), S. 16 87; Rosenbaum (1982), S. 189 - 250, insb. S. 247 ff. 17 Zahlen u. a. bei Henning (41978), S. 130. 18 Siehe Schneider, L. (1967), S. 50; allerdings liegt 1888 der Anteil unter den Heimarbeitern in Deutschland, die in irgendeiner Form nebenbei Landwirtschaft betreiben, bei weniger als 20 Ofo: vgl. ebd., S. 47. 19 Die "sog. modeme Hausindustrie hat mit der altmodischen, die unabhängiges städtisches Handwerk, selbständige Bauernwirtschaft und vor allem ein Haus der Arbeiterfamilie voraussetzt, nichts gemein als den Namen": Marx ((1890) 19 1973), S. 485.

A. Sozial-ökonomische Grundlegung

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lage ihrer Konkurrenzfähigkeit"20, oder ihrer weiteren Existenz wurde direkt die Grundlage entzogen. Das verbindende Merkmal zwischen dem ,ganzen Haus' und der Hausindustrie - die Mitarbeit aller Familienmitglieder - erweist sich somit als rein formales Element, das die bereits eingetretenen ökonomischen Basisveränderungen nicht erfaßf 1• Insgesamt zeigte die skizzierte historische Entwicklung im hier relevanten Zusammenhang vornehmlich zwei zentrale Resultate. -

Zum einen führte sie über den fortlaufenden Prozeß einer massenhaften ",passive(n)' Proletarisierung"22 historisch erstmals zur Ausbildung einer Klasse von Lohnabhängigen, die ihre physische Existenz ohne stetige Nachfrage nach ihrer Arbeitskraft auf dem Markt nicht realisieren kann und für die im weiteren bei Verlust dieser Arbeitskraft infolge Krankheit, Invalidität oder Alter regelmäßig keine institutionalisierten gesellschaftlichen Subsysteme tradierter Art mehr Schutz funktionen übernehmen23 • Eine zumindest noch partiell agrarisch vermittelte materielle Basis ist i. d. R. nicht vorhanden; die sozialen Alternativen, der ,aktiven' Proletarisierung zu entgehen, sind zwar (theoretisch) belegbar, aber real eng begrenzf4•

-

Zum zweiten wurde unter den Bedingungen verallgemeinerter Lohnarbeit, mit Ausnahme verbleibender Enklaven in Handel und Landwirtschaft, die sozio-ökonomische Funktion der Arbeit der Frau im Haus auf grundlegende und nachhaltige Weise umgewälzt.

Mit der Zerstörung des ,ganzen Hauses' verblieben in der Familie vornehmlich reproduktive Tätigkeiten, die aber - wie bereits herausgestellt - in der Vergangenheit quantitativ wie qualitativ kaum einen bedeutenden Teil der Frauenarbeit im Haus ausgefüllt hatten. Fortschreitend erhielten jetzt Arbeiten der "Subsistenzproduktion"25 wie Nahrungs(end)verarbeitung, Speisenzubereitung und Kleiderpflege - und nicht mehr die Herstellung von Nahrungsmitteln und Kleidung - oder Säuberung und Erhalt der Wohnung(seinrichtung) einen ihnen zuvor unbekannten Stellenwert. 20 Ebd., S.499. Siehe zusammenfassend zur Charakterisierung hausindustrieller Produktion: Rosenbaum (1982), insb. S. 194 - 196. 22 Lenhardt / Offe (1977), S. 102 u. passim. 23 Vgl. Greven (1980), S. 108 f. 24 Zu den theoretisch möglichen ,Auswegen', die Arbeitskraft auf dem Markt anbieten zu müssen (= aktive Proletarisierung): Lenhardt / Offe (1977), v. a. S.102. 25 Bennholdt-Thomsen (1981), S. 30 u. passim. 21

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1. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

Komplementär setzte mit wachsendem, zunehmend schichtenübergreifendem Einfluß eine weitere Entwicklung ein: Während vornehmlich aufgrund der ökonomischen Zwänge den Erfordernissen kindlicher Sozialisation in der Feudalgesellschaft keine, allenfalls eine nebengeordnete Bedeutung zugekommen war, wurden seit der ,Entdeckung der Kinderstube'26 durch das langsam erstarkende Bürgertum auch hier neue Prioritäten gesetzt. Mit dem Aufkommen des Leitbildes der "Ehe als (einer) Gefühls- und geistige(n) Gemeinschaft"27 im deutschen Bürgertum des 18. Jahrhunderts ging die massive Aufwertung und Herausstellung mütterlicher Aufgaben und Verantwortung für die (früh-) kindliche Sozialisation einher. Diese v. a. in ihrer qualitativen Ausgestaltung neue Funktionszuteilung der Frau erwies sich als notwendige Voraussetzung für die gesamtgesellschaftliche Vermittlung einer Beschränkung der (bürgerlichen) Frau "auf das eigene, in sich abgeschlossene Heim"28, die Kleinfamilie. Da aufgrund der ökonomischen Entwicklung die alte "Potenz"29 der Frauenarbeit im Haus weitgehend entfallen ist, zum anderen die zum ,ganzen Haus' gehörenden nichtverwandten Mitglieder des Familienverbandes, denen früher häufig die Kinder überantwortet gewesen waren, diese Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, wird hier eine Möglichkeit eröffnet, diesen realen Funktionsverlust für die Frau zu kompensieren. Im Resultat sieht das kreierte bürgerliche Familienideal die Funktion der verheirateten Frau ausschließlich in der Beschränkung auf Kindererziehung und Bereitstellung von Dienstleistungen oder Konsumgütern für den Mann3O • Dabei beschränkt sich die Absicherung des entstehenden Familientypus strukturell keineswegs allein auf das neue, Liebe und Zuneigung zwischen den Partnern hervorhebende Ehebild des Bürgertums, sondern vollzieht sich genauso auf rechtsideologischer Ebene über die "Wiederaufwertung der Familie als Institution"3!. Dieses institutionelle Dazu etwa Weber-Kellermann (11982), S. 108 - 112. Rosenbaum (1982), S. 265. 28 Weber-Kellermann (11982), S. 102 "Die Käseglocke der Privatheit beginnt sich über sie (= Familie) hinabzusenken.": Langer-EI Sayed (1980). S.53 (Einsch. eh. H.). 29 Siehe Fn.5. 30 Zusammenfassend Brunner ((1956) 1968), S. 111: ,,( ... ) das Wort Familie ( ... ) gewinnt jene eigentümliche Gefühlsbetontheit, die wir mit ihr verbinden. Voraussetzung ist offenbar die Herauslösung der engeren städtischen Kleinfamilie aus der Gesamtheit des Hauses. Im ,ganzen Hause' wurden Ratio und Gefühl in immer wiederkehrenden, sicherlich oft schmerzlichen Spannungen gegeneinander ausgeglichen. Mit seiner Aufspaltung in Betrieb und Haushalt tritt der ,Rationalität' des Betriebs die ,Sentimentalität' der Familie gegenüber." VgI. auch Heinemann et aI. (1980), S. 88. 3! Langer-EI Sayed (1980), S. 53; vgI. näher dazu und zur "Idealisierung 26

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A. Sozial-ökonomische Grundlegung

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Denken, das die eher individualistisch-vertrags rechtlichen Kodifikationen aus der Zeit der Aufklärung nach und nach verdrängt, setzt sich in Deutschland im Laufe des 19. Jahrhunderts durch und wird mit dem BGB seinen (letzten) Höhepunkt erreichen32 . Während somit der Mann "seine familialen Versorgungspflichten gerade durch die Teilnahme am Tausch (. ..) zu erfüllen instand gesetzt wird, führt die Rolle der Frau und Mutter zu einer spezifischen Zähmung, die in der Erziehung geleistet und in Rechtsnormen garantiert wird"33. Die Hausfrau im neuentdeckten und -geschaffenen Sinn erweist sich damit als "Erziehungsresultat des 19. Jahrhunderts"34 - entstanden in einem langwährenden, wechselseitigen Prozeß als Produkt und (unterstützendes) Konstitutionselement kapitalistischer Produktionsweise. Parallel dazu hatte diese ,,,Verhaustierung' der Ehefrau"3s entscheidende Konsequenzen für die ökonomische Stellung der Frau innerhalb des neuen Familienverbandes. Da die Arbeit der Frau außerhalb des kapitalistischen Verwertungsprozesses stattfindet, wird der ,Wert' ihrer reproduktiven Tätigkeiten im Haus gesellschaftlich unsichtbar. Ihre Arbeit erweist sich somit einerseits als nützlich, hat aber andererseits - da sie sich nicht mit Kapital austauscht - keinerlei unmittelbaren Einfluß auf die gesellschaftliche Mehrwertbildung. Die Schaffung der Voraussetzungen zur psychischen (und sexuellen) Bedürfnisbefriedigung der Familienmitglieder (allen voran des Mannes) und die Herstellung von Gebrauchswerten, die zwar die Reproduktionsbedingungen der (ehe-)männlichen Arbeitskraft erleichtern, erweisen sich gleichwohl bei Wegfall der Lohnarbeit des Mannes als ,wertlos'. Eine andere Verwertbarkeit der hergestellten Güter ist nicht gegeben; sie besitzen keinen Tauschwert, können ihren Wert nicht als Ware auf dem Markt realisieren - was ökonomisch die Lohnlosigkeit dieser Arbeit rechtfertigt36• Auf diesem Hintergrund führt der Nicht-Lohnarbeiter-Status der Frau zu ihrer vollständigen und einseitigen Abhängigkeit, der Tätigkeit des Mannes im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß nicht zu-, sondern untergeordnet 37 . und romantische(n) Verklärung" des alten Familienbildes in der Wissenschaft ebd., S. 51 - 55, hier S. 51. 32 Vgl. dazu am Beispiel der Entwicklung des Scheidungsrechts Voegeli (1982), insb. S. 136 f. 33 Heinsohn / Knieper (21976), S. 71. 34 Milhoffer (1979), S. 8. 35 Heinsohn / Knieper (21976), S. 69 u. passim. 36 Siehe Pawlik (1975), insb. S.63; vgl. auch Sozialenquete (1966), Ziff. 52 f., S.31. 37 Auf die diese Zusammenhänge aufgreifende kontroverse Diskussion innerhalb der Frauenbewegung über den Charakter von Haushalts(-frauen)-

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

In einer über den Warentausch organisierten Gesellschaft konstituiert eigene Lohnlosigkeit aber - wenn überhaupt - zwangsläufig derivative materielle Sicherung38. Andererseits muß deutlich herausgestellt werden, daß diese Wirkungen haus fraulicher Arbeit nichts an ihrer doppelten Funktionalität für den kapitalistischen Verwertungsprozeß ändern: kurzfristig der Ort, der die Reproduktionsbedingungen der Ware Arbeitskraft (des Mannes) wiederherstellt; langfristig der Ort, der die generative Reproduktion der Arbeitskraft durch Geburt und ,Aufzucht' der Kinder gewährleistet39 . 2. Zur Genesis der sozialen Rentenversidlerung und der Stellung der Frau in ihr

Es versteht sich von selbst, daß die bisher isoliert benannten Momente der Entfaltung kapitalistischer Produktion - Entstehung des auf den Verkauf der Arbeitskraft angewiesenen Lohnarbeiters hier; Herausbildung der (bürgerlichen) Kleinfamilie mit speziellen Reproduktionsfunktionen der Frau dort - auf konkret-gesellschaftlicher Ebene vom Großteil der Menschen im Kaiserreich nicht getrennt neben-, sondern miteinander eng verflochten erfahren wurden. Mit der Industrialisierung40 trat neben die Frau im Haus und den Lohnarbeiter-Mann ebenso die aus dem Umfeld der zerstörten großfamiliären Zusammenschlüsse entlassene ,freigestellte' LohnarbeiterFrau - die immer dann, wenn sie gleichzeitig verheiratet ist, der Doppelbelastung mit Berufs- und Hausarbeit ausgesetzt wird. Jedoch erweist sich in diesem Zusammenhang, daß sich die weithin als empirisch nachweisbares Faktum unterstellte Prämisse, wonach arbeit und ihr Verhältnis zur Lohnarbeit (verbunden mit der Frage nach ,Lohn für Hausarbeit' etc.) kann hier nur hingewiesen werden. Näher dazu etwa die Auseinandersetzung von Menschik (21979), S. 123 - 131, 167 - 177 und 186 - 200, mit verschiedenen Ansätzen und von Wolf-Graaf (1981), v. a. S. 160 166, mit Menschik. 38 Zu den drei Merkmalen der Hausfrauenleistung: Lohnlosigkeit, Abhängigkeit, ,Unverwertbarkeit' der Leistung im Zusammenhang: Reich-Hilweg (1979), S. 95 - 97. 39 Eingeschlossen ist dabei auch die ,ideologische Reproduktion' über die Internalisierung der bürgerlichen Familienrolle im Erziehungsprozeß; dazu etwa Heinsohn / Knieper (21976), insb. S. 34. 40 Bezogen auf die volkswirtschaftlichen Produktionsbereiche, fällt der übergang vom ,Agrarstaat' zum ,Industriestaat' in Deutschland in die Zeit 1890/94, als der sekundäre Sektor den primären in der sektoralen Wertschöpfung überholte, was kurz nach der Jahrhundertwende auch bei der Beschäftigtenzahl geschah; s. Hardach (1977), S.34; Wehler (31977), S. 47 f.

A. Sozial-ökonomische Grundlegung

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aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in Arbeiterhaushalten41 dort im hier relevanten Zeitraum eine regelmäßige Erwerbstätigkeit der Ehefrau üblich gewesen sei, nach verschiedenen in den letzten Jahren erarbeiteten Analysen nicht aufrechterhalten läßt. Entgegen den Annahmen in der zeitgenössischen Literatur42 wie in neueren Darstellungen43 ist vielmehr für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg lediglich von einer Erwerbsquote der relativ kontinuierlich berufstätigen Frauen aus Arbeiterhaushalten von allenfalls 25 0J0 auszugehen44 • Wie demgegenüber verschiedene Einkommensübersichten nachgewiesen haben, kann andererseits daraus keineswegs auf eine befriedigende materielle Sicherung der Frau in der Lohnarbeiterfamilie der Jahrhundertwende geschlossen werden. Der damit benannte Widerspruch löst sich allerdings schnell auf, da die Gründe für den überraschend niedrigen Anteil der Frauen an der Industriearbeiterschaft nicht auf der Ebene individueller Not definiert werden können, sondern entscheidend auf makro-ökonomischer Ebene zu suchen sind. Zum einen verlangen die Erfordernisse kapitalistischer Akkumulation ein über den durchschnittlichen Verwertungsbedürfnissen liegendes, stets aktivierbares Arbeitskräftepotential für die Prosperitätsphase des jeweiligen industriellen Zyklus; einen wesentlichen Teil dieses Potentials bilden die Frauen als disponible Manövriermasse für den Arbeitsmarkt45 • Gegenüber der forcierten, massenhaften Einbeziehung eines Großteils von (Lohnarbeiter-)Frauen in den unmittelbaren Verwertungsprozeß erscheint - zum anderen die Reproduktionsarbeit der Frauen im Haus gemeinsam mit der je nach konjunkturellen Erfordernissen - relativ leicht aktivierbaren Einbindung in die Lohnarbeit für die weitere Entfaltung der ,großen Industrie' als nutzbringender und effektiver Weg. 41 Dazu Weber-Kellermann (11982), S. 135 f.; Schneider, L. (1967), insb. S. 111 - 122, mit allerdings m. E. tw. kaum gerechtfertigten Folgerungen; FreudenthaI (1934), S. 123 - 130, die eine Beschreibung der strukturellen Merkmale proletarischen Familienlebens vor 1900 gibt. 42 Da der Sachverhalt allgemein als selbstverständlich unterstellt wurde, verzichtete man meist auf nachprüfbare Belege, in nicht wenigen Fällen auf jeglichen Quellenhinweis; Nw. bei Planken (1961), S.72, die im weiteren (S. 74, 94) aber selbst diese Prämisse übernimmt; und Dreher (1978), S. 72 f., Fn.248. 43 So etwa bei Wannagat (1973), S.83; Reich-Hilweg (1979), S. 77; MeyerHarter (1974), S. 79. 44 Siehe die Aufarbeitung verschiedener statistischer Erhebungen bei Dreher (1978), S. 73 - 76, der u. a. (hier S.76, bei Fn.259) eine gewerkschaftliche Umfrage unter ungelernten, verheirateten Arbeitern anführt (leider ohne exakte Jahresangaben), die einen Anteil ebenfalls erwerbstätiger Ehefrauen von 22,3 0 10 ausweist. 45 Vgl. Marx «1890) 19 1973), S.658; Bennholdt-Thomsen (1981), S. 41 - 45.

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

In besonderem Maße trifft diese Funktionalisierung die Frauen in der Ehe, denen eigene Erwerbstätigkeit aber nicht nur über ideologische Leitbilder vom bürgerlichen Familienglück diskreditiert wird, sondern ihnen wird komplementär auch über unmittelbare staatliche Intervention verwehrt, ähnlich wie ihre Ehemänner die eigene Arbeitskraft kontinuierlich zum Verkauf anzubieten46 • 46 Neben der beschriebenen allgemeinen Tendenz, die Erwerbsquote von Frauen in Arbeiterhaushalten zu überzeichnen, muß hier darauf hingewiesen werden, daß auch in zeitlicher Perspektive die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit (insb. verheirateter Frauen) im Kaiserreich keineswegs so spektakulär verlief, wie gemeinhin - u. a. von Bebel ((50 1909) 1977), S. 247250; Däubler-Gmelin (21979), S. 21 f. - konstatiert wird (s. zu den Zahlenangaben insgesamt auch die übersichten in Stat. BA (Hg.) (1972), S. 144 f.): Nach der Berufszählung von 1907 betrug die Gesamtzahl der verheirateten Frauen, die erwerbstätig waren, mit rd. 2,8 Mio. knapp 30 Ofo der gesamten erwerbstätigen Frauen; davon waren aber allein mehr als 2 Mio. in der Landwirtschaft tätig, während von den insg. 2,1 Mio. ausgewiesenen Frauen, die in der Industrie arbeiteten, lediglich weniger als 0,5 Mio. verheiratet waren (= 21,3 Ofo); s. Puder (1932), Tab. 1, S.41; Losseff-Tillmanns (1978), S.50; ähnlich Preller (1970), S. 12; Rosenbaum (1982), S.403. Bebel «50 1909) 1977) beleuchtet insb. den Gesamtanstieg der weiblichen Erwerbstätigen zwischen den Berufszählungen 1882, 1895 und 1907, wobei dann u. a. der eklatante Anstieg der erwerbstätigen Frauen im Zeitraum 1895 bis 1907 von 6,6 Mio. auf rd. 9,5 Mio. auffällt. Dies veranlaßt ihn (S.250) nach Vergleich mit den entsprechenden Zahlen bei erwerbstätigen Männern und in Anbetracht der Änderungen bei der Gesamtbevölkerung zu folgendem Fazit: "Während die Zahl der männlichen erwerbstätigen Bevölkerung relativ stationär bleibt, wächst die weibliche erwerbstätige Bevölkerung relativ und absolut. Noch mehr. Die Zunahme des weiblichen Geschlechts bei den Erwerbstätigen trägt den Hauptanteil an der Steigerung des Anteils der Erwerbenden an der Gesamtbevölkerung." Dabei differenziert B. allerdings weder den Familienstand der Frauen, noch versucht er auf den explosiven Anstieg der weiblichen Beschäftigten in der Landwirtschaft von 2,75 Mio. (1895) auf 4,6 Mio. (1907) (vgl. S.248), von denen 1895 0,62 Mio. und 1907 (s. oben) über 2 Mio. verheiratet waren, eine klärende Antwort. B. dokumentiert lediglich die Zunahme der industriellen Frauenarbeit (+ 38,3 Ofo = 582 000 Erwerbstätige) ebenso wie den Anstieg in der Land- und Forstwirtschaft (+ 67 G/o = 1,85 Mio. Erwerbstätige; s. S.249). Im Vergleich erhöhte sich bei den Männern die Zahl der Industriebeschäftigten um 35,4 0/0 - also im Trend der Entwicklung bei den Frauen -, während in der Landwirtschaft (wie für den in Frage stehenden Zeitraum auch zu vermuten) ein nur bescheidener Zuwachs der männlichen Beschäftigten um 4,6 % auffällt. Diesen offenkundigen Ungereimtheiten der Entwicklung geht B. leider nicht nach. Bekannt ist aber, daß bei den verschiedenen Zählungen, insb. vor und 1907, ,mithelfende Tätigkeit' unterschiedlich bewertet und dementsprechend statistisch erfaßt wurde; vgl. Preller (1970), S.3 f. Nach älteren Berechnungen, s. u. a. Puder (1932), S. 42, erhöhte sich die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen, die allein aufgrund der verbesserten Erfassung der mithelfenden Familienangehörigen in der Zählung 1907 entstand, um mehr als 2 Mio., also 2/3 der Gesamtsumme. Die sodann verbleibende Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit von rd. 18 G/o liegt, entgegen der bei B. (S.248) ausgewiesenen Extremzunahme von über 44 G/o, auch wiederum durchaus im Trend der Männer (+ 19,4 G/o). - Vgl. zum Gesamtkomplex und den Mängeln/Änderungen in der Statistik im weiteren Dreher (1978), S.73; Wolf-Graaf (1981), S.409; Losseff-Tillmanns (1978), S. 50, Fn. 10 (jew. m. w. Nw.).

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So wurde namentlich im Familienrecht des seit längerem konzipierten, schließlich am 1. 1. 1900 in Kraft tretenden BGB47 der klassenfixierte Familientypus des Bürgertums bruchlos institutionalisiert. Bei der Konzeption des dort normierten klaren patriarchalischen Ehe- und Familienbildes trafen sich die Interessen des kapitalistischen Bürgertums mit denen der alten absolutistischen Machteliten PreußenDeutschlands, die die ständisch-hierarchische Gesellschaftsstruktur und damit die Basis des politischen Systems - bei expandierender Industrialisierung zunehmend gefährdet sehen mußten. In der für das Kaiserreich typischen Allianz gelang es diesen Interessengruppen "durch Setzen äußerer Zwänge auch im familienrechtlichen Bereich Autoritätsstrukturen allgemein durchzusetzen, die mit denen in Betrieb und Gesellschaft identisch waren"48. Für die Frau bedeutet dies die durchgängige und im Konfliktfall sanktionable Zuweisung der angesprochenen Reproduktionsfunktionen49 : Verpflichtung zur Führung des Hauswesens (§ 1356 BGB; incl. Schlüsselgewalt, § 1357 Abs. 1 BGB), bei gleichzeitigem, alleinigem Entscheidungsrecht des Mannes "in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten" (§ 1354 Abs. 1 BGB)50; die Pflicht, "für die Person des Kindes zu sorgen" (§ 1634 BGB), ohne die "elterliche Gewalt", die grundsätzlich allein beim Vater lag, ausüben zu dürfen (§§ 1627 ff. BGB), und die ehemännliche Genehmigungspflicht vor bzw. sein fristloses Kündigungsrecht nach Abschluß eines Arbeitsvertrages durch die Frau (§ 1358 BGB) -, womit diese gleichzeitig grundsätzlich in die jeweilige Logik des Kapitalverwertungsprozesses einbezogen wurde.

47 BGB vom 18. 8. 1896, RGBl. S. 195; im folgenden handelt es sich jew. um diese Fassung. 48 Voegeli (1982), S. 143. 49 "Wenngleich die aus dem Wesen der Ehe sich regelnden persönlichen Rechte und Pflichten der Gatten untereinander in erster Linie sittlicher Natur sind, so haben sie doch auch eine rechtliche Seite": Mugdan (Hg. u. Bearb.) (1899), S. 58. 50 Nach den Motiven (Mugdan (Hg. u. Bearb.) (1899), S.60), wird die der deutschen Auffassung und Sitte entsprechende Stellung der deutschen Hausfrau durch die Verpflichtung allein "indessen nicht zutreffend bezeichnet". Die Frau sei "auch berechtigt, dem gemeinschaftlichen Hauswesen vorzustehen, so daß, wenn der Mann ihr diesen Beruf durch einen Mißbrauch des ihm nach (§ 1354 BGB) zustehenden Entscheidungsrechtes verkümmert und ihr die ihr als Hausfrau gebührende Stellung entzieht, sie auf Herstellung des ehelichen Lebens zu klagen berechtigt ist". (Herv. u. Einsch. eh. H. s. auch S. 66). Freilich war ein solches Urteil nicht vollstreckbar, faktisch aber wurde somit nicht nur die Frau zur Reproduktionsarbeit verpflichtet, sondern auch der Mann, ,seine' Ehe der fixierten geschlechtsspezifischen Rollenzuordnung angepaßt zu organisieren. 3 Hermann

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1. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

Als ,Gegenleistung' für diese Domestikation bei einseitiger ökonomischer Abhängigkeit garantierte die bürgerliche Rechtsordnung der Frau ausnahmslos die lebenslange Bereitstellung von Subsistenzmitteln durch den Mann. Seiner Verpflichtung zur Unterhaltsleistung (unabhängig von der konkreten Bedürftigkeit seiner Frau) in Form der Beschaffung der zur Bestreitung des ehelichen Aufwands notwendigen Geldmittel (§ 1360 Abs. 1 BGB)SI korrespondierten im ehelichen Güterrecht nach gesetzlichem Güterstand seine alleinige Verwaltung und Nutznießung des Familienvermögens (§§ 1363, 1373 ff. BGB)52 und auf seiten der Ehefrau eine (unentgeltliche) Mitarbeitsverpflichtung im Betrieb des Mannes (§ 1356 Abs. 2 BGB) - der ggf. umgekehrt keine des Mannes gegenüberstand - bei einem Joediglich im Einz,elfall möglichen Verweis zur außerhäuslichen Arbeitspflicht aufgrund ehemännlicher Erwerbsunfähigkeit (§ 1360 Abs. 2 BGB). Diese Eheordnung hatte zwar formal gleichen zwingenden Charakter für alle ihr Unterworfenen, denn weder die ehemännliche Entscheidungsgewalt noch sein Kündigungsrecht und die Unterhaltsregelung blieben rechtsgeschäftlicher Privatautonomie unterworfen53 . Gleichwohl konnte dieser Zwang nur dann, wenn mit der formalen Normverletzung parallel weitreichende negative ökonomische Konsequenzen ver51 § 1360 Abs. 1 BGB: "Der Mann hat der Frau nach Maßgabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren." Dazu: Mugdan (Hg. u. Bearb.) (1899), S. 68. - Ebenso die Aussage der im Kontext des Güterrechts stehenden §§ 1389 Abs.1, 1427 Abs. 1 BGB: "Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu tragen." 52 Planck meinte während der Reichstagsberatungen zum BGB, vgl. Mugdan (Hg. u. Bearb.) (1899), S. 1325, es handele sich hierbei lediglich um Bestimmungen mit Ordnungsfunktionen im Sinne "der zweckmäßigsten (...), den Interessen der Ehe entsprechenden Weise, die zugleich der deutschen Auffassung am meisten zusagt". Unabhängig von dieser, den realen Gehalt der güterrechtlichen Normen - dazu zusammenfassend Dölle (1964), § 47 III f., S. 735 f.; Strecker (1950), S. 268 - verdeckenden Einschätzung, berühren diese allerdings die Binnenstruktur einer Lohnarbeiterfamilie ohnehin kaum, da der aus eigener Erwerbstätigkeit von der Frau erzielte Lohn zum allgemein auf "Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräthe" beschränkten "Vorbehaltsgut" zählte, das von der beim Mann zentrierten ,Verwaltungsgemeinschaft' ausgenommen war (§§ 1365 - 67 BGB). Auch bei den vertraglichen Güterständen (allgemeine Gütergemeinschaft: §§ 1437 ff. BGB; Errungenschaftsgemeinschaft: §§ 1519 ff. BGB; Fahmisgemeinschaft: §§ 1549 ff. BGB) unterlag das jeweilige Gesamtgut der "Verwaltung des Mannes" (§§ 1443 Abs. 1, 1519 Abs. 2, 1549 BGB). Ergänzend bedürfte auch der "selbständige Betrieb eines Erwerbsgeschäfts" durch die Ehefrau der Zustimmung des Mannes; § 1405 Abs.1BGB. 53 Vgl. Ramm (1968), S.44, m. w. Nw. aus Literatur und Rsp.; und die Begründung bei Mugdan (Hg. und Bearb.) (1899), S.59, insb. zur Nichtigkeit § 1354 BGB modifizierender Eheverträge: ,,( ...) das Recht des Mannes, den Wohnort (...) zu bestimmen, (beruht) auf dem Wesen der Ehe und der natürlichen Stellung des Mannes in der Ehe und (ist) deshalb ein absolutes Recht."

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bunden waren, reale Wirksamkeit erlangen. Unter diesen Voraussetzungen war explizit eine aktiv von der Frau betriebene Eheauflösung gleichbedeutend mit der Aufgabe ihrer (bisherigen) materiellen Existenzgrundlage54 • Auf der anderen Seite blieb der Frau grundsätzlich auch nach einer - schuldlosen - Scheidung der Unterhaltsanspruch gegen ihren ehemaligen Mann erhalten; sie konnte lediglich dann, wenn "nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten gelebt haben, Erwerb durch Arbeit der Frau üblich ist" (§ 1578 Abs. 1 BGB), auf Erwerbsarbeit zur eigenen Bestreitung des Lebensunterhalts verwiesen werden55 • Die Normen deuten bereits selbst auf ihre klassen- und schichtenspezifische Begrenzung. Da die Unterhaltsgarantie vom LohnarbeiterEhemann aufgrund seiner eigenen Produktionsmittellosigkeit i. d. R. nicht eingelöst werden konnte, mußte sie sich auch für die Lohnarbeiter-Gattin regelmäßig als wertlos erweisen. Dies bedeutete allerdings keineswegs, daß ebenso die ideologisch vermittelten Elemente, die im Prozeß der Herausbildung bürgerlicher GesellschaftIichkeit von Bedeutung waren, für sie entscheidend an Relevanz eingebüßt hatten. Im Gegenteil: zwar wurde "der Mythos der sorgenden, in Demut wirkenden und liebenden Ehefrau und Mutter" zunächst in der bürgerlichen Familie gesponnen und galt vorerst lediglich für die Bürgerfrau, gleichwohl "ereilte die Arbeiterfrau dieses Ideologiegespinst" im Laufe der Entwicklung in ähnlicher Weise56 • In wechselseitiger Abhängigkeit und Ergänzung bildeten so für die berufstätige Frau im Kaiserreich ein allgemein nahezu verbindlich durchgesetztes Familienbild, das die Frau ausschließlich auf Küche und Kinder beschränkte, und die Stellung weiblicher Arbeitskraft als Reservearmee auf dem Lohnarbeitermarkt zwei zentrale Begründungszusammenhänge für ihre fortgesetzte und massive Diskriminierung im Erwerbsleben. Es verwundert nicht, wenn Frauenarbeit vor dem 1. Weltkrieg durchgängig ungelernte, unqualifizierte Tätigkeit in 54 Siehe dazu die Einschätzung von Bebel während der Beratungen zu den Familienrechtsnormen des BGB im Reichstag über "die ganze Herrenmoral, die sich durch diesen Gesetzentwurf hindurchzieht" (Rt., 9. Leg.Per., IV. Session 1895/97, Stenogr. Ber. d. 114. Sitzung (25.6.1896; Bd.146), S.2924 B): "Meine Herren, halten Sie fest: bei der Eheschließung auch unter den denkbar günstigsten sozialen Verhältnissen für beide Theile ist immer die Frau der ungünstiger gestellte Theil." (S. 2924 Cf.; Herv. im Orig., Ch. H.). 55 Siehe zusammenfassend zur ursprünglichen Ehe- und Familien(rechts)konzeption des BGB: Staudinger (10,111974), Ein!. Rdnr. 79 - 90, S. 12 - 14; auch Bebel «50 1909) 1977), s. 310 - 312; Hoffmann-Bludau (1975), S. 35 - 42; Möcke (1980), S. 11 - 16 (jew. m. w. Nw.); im einzelnen: Opet / v. Blume (1906), S. 90 ff. 56 Wolf-Graaf (1975), S.698.

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

arbeitsintensiven Industriezweigen war57 • Ebensowenig erstaunt, daß die Arbeit der Frauen von den Unternehmen lohnmäßig in die Funktion eines ,Anhängsels' zum Mannesverdienst gestellt werden konnte, da ihr Verdienst eben nicht zur Deckung familiärer Unterhaltsverpflichtungen ausreichend sein müsse. Hier liegt ein gewichtiger Grund für die Möglichkeit unterschiedlicher Bewertung von Männer- und Frauenarbeit, wie sie sich manifest in der niedrigen Lohnhöhe der Frauen zeigt - ohne daß dem von der in dieser Frage zerstrittenen Arbeiterbewegung bedeutender Widerstand entgegengesetzt worden wäre 58 • Frauenlöhne erreichen in den achtziger und neunziger Jahren lediglich ein Drittel bis die Hälfte der Männerlöhnes9 . Mit Hilfe allgemein durchgesetzter geschlechtlicher Rollenfixierung kann dies geschehen, obwohl in den Fabriken des Kaiserreichs entgegen oft publizierter Annahme nicht vorwiegend verheiratete Frauen, sondern ledige, geschiedene und verwitwete Frauen und Mütter beschäftigt wurden6O • Hier bestätigt sich erneut die beschriebene primäre Funktionalität von Frauen als familienzentrierte Reproduktionsarbeiterinnen für die Konstitution der kapitalistischen Gesellschaft; daneben deutet der Sachverhalt darauf hin, daß ein Begründungszusammenhang zwischen Frauenlohndiskriminierung einerseits und der angeblichen ,Anhängselfunktion' ihres Lohnes andererseits, wodurch historisch "von vornherein"61 eine Senkung der individuellen Reproduktionskosten ihrer Arbeitskraft unter die Subsistenzgrenze möglich gewesen sei, kaum herstellbar ist, da dies für die Zeit bis 1900 eine eklatante Verschiebung in den familienstandsabhängigen Merkmalen weiblicher Erwerbstätigkeit voraussetzen würde (anfangs vorwiegend Ehefrauen erwerbstätig, später meist nichtverheiratete Frauen) - eine Annahme, die freilich 57 Neben der Landwirtschaft, in der die Frauen mehrheitlich beschäftigt sind (vgl. Fn.46), arbeiten von den Industriearbeiterinnen 1875 und in den folgenden Jahrzehnten bei leicht abnehmender, aber insgesamt ungebrochener Dominanz fast 90 Ofo in den Branchen Textil, Nahrungs- und Genußmittel sowie Bekleidungs- und Reinigungsindustrie - den sog. ,Frauenindustrien' ; s. Kuczynski (1963), S. 106 - 110; Däubler-Gmelin (21979), S.22. 58 Dabei bildet insb. der generelle Widerstand der Lassalleaner gegen industrielle Frauenarbeit ein zentrales Hindernis. Ihre Einschätzung fußte theoretisch auf dem "ehernen Lohngesetz" (das nicht zuletzt Eingang ins Gothaer Programm [1875] der vereinten Sozialdemokratie fand; dagegen Marx «1891) 61976), S. 24 - 26), wonach billiges weibliches Arbeitskräftepotential immer dann, wenn es in Konkurrenz zu den männlichen Arbeitskräften trete, deren ohnehin geringe Lohnhöhe noch weiter negativ beeinflussen mußte; vgl. näher: Herkner (81922), S. 340 f., Fn.3; Däubler-Gmelin (21979), S. 23 f.; Losseff-Tillmanns (1978), S. 36 - 38; und unten Fn. 63. 59 Näher zur Lohnentwicklung bei Kuczynski (1963), S. 123 - 143. 60 Vgl. die Nw. bei Fn.46. 61 So die Annahme bei Zetkin «1890) 1957), S. 7 (Herv. eh. H.).

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allein aufgrund der seit der Reichsgründung eher steigenden Heiratsziffern62 als sehr unwahrscheinlich und dementsprechend rein spekulativ gelten muß63 • 62 Vgl. Balluseck (198'2), S.108; auch Pfaff (1979), S.150; und oben bei Fn. 14 f. 63 Dieser Sachverhalt berührt unmittelbar die Frage nach den historischen Bestimmungsgründen für Frauenlohndiskriminierung. Ohne hier die notwendige theoretisch-analytische Aufarbeitung der Problematik leisten zu können, ist aber offensichtlich, daß hierbei vornehmlich der Einordnung der Frauenarbeit in der Phase des übergangs zur kapitalistischen Produktionsweise zentrale Bedeutung zukommt. Konkret: Die Aussage der sozialistischen Theorie - vgl. etwa: Marx ((1890) 19 1973), S.416, 664 f.; Marx / Engels ((1890) 91980), S.469; Zetkin ((1890) 1957), S. 6; Bebel ((50 1909) 1977), S. 243 - 245, 248, hier S.245: "Im Beginn der kapitalistischen Produktion steht auf dem Arbeitsmarkt der männliche Arbeiter fast nur dem männlichen Arbeiter gegenüber, jetzt wird Geschlecht gegen Geschlecht (...) ausgespielt. Die Frau verdrängt den Mann (...). Das ist die ,sittliche Ordnung' in der modernen Industrie." -, wonach Fabrikarbeit ursprünglich Männerarbeit darstellte und erst im Laufe der Entwicklung der Maschinerie Frauen (und Kinder) in den gesellschaftlichen Produktionsprozeß einbezogen wurden - bei Engels ((189:2) 61979), S. 75 f., 158, der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Frau in die öffentliche Produktion -, so daß es dem Kapitalisten möglich wurde, den Wert der männlichen Arbeitskraft zu drücken, indem er den ursprünglich nicht nur auf die Reproduktion der einen Arbeitskraft, sondern auch auf den Unterhalt einer Familie berechneten Manneslohn auf die ganze Familie verteilen konnte (wodurch gleichzeitig der Wert der [männlichen] Arbeitskraft sankvgl. zur Konkurrenzrolle: Marx ((1890) 191973), S. 417 f.; Zetkin ((1890) 1957), S. 7 f.; Menschik (51975), S. 36 f.; dies. (21979), S.198); diese Aussage steht und fällt mit der historisch-empirischen Analyse des sozioökonomischen Stellenwerts der Frauenerwerbstätigkeit im Vor- und Frühkapitalismus. Kann nämlich im Gegensatz dazu nachgewiesen werden, daß Frauen schon aufgrund ihrer historischen Beteiligung am Erwerbsleben auch in bedeutendem Umfang die ersten Arbeitskräfte in der ,großen Industrie' waren, demzufolge "Arbeit gegen Lohn und die historische Entwicklung der Lohnarbeit ein Stück Frauengeschichte (ist), und nicht die Geschichte der Veränderung der männlichen Arbeit" (Wolf-Graaf (1981), S.41O, die für diese These - vgl. S.11, 271 - 273 - reichhaltiges Material zusammengetragen hat; s. ebd., S. 290 - 410), dann greift jedenfalls eine Begründung niedriger Frauenlöhne mit der "Wiedereinführung" der Frau (Engels ((1892) 61979), S.76) in den gesellschaftlichen Produktionsprozeß im Frühkapitalismus, wodurch ihre Arbeit "von vornherein" (Zetkin, s. Fn. 61) niedriger bezahlt werden kann, zu kurz. Daneben ist historisch nicht bestreitbar, daß Frauenarbeit dort, wo sie in erheblichem Umfang existierte, kaum in Konkurrenz zu Männerarbeit trat, da für die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts (vgl. Fn.57) von typischen Frauenindustrien gesprochen werden muß. Frauenarbeit spielte sich in engen Branchengrenzen ab, verdrängte deshalb auch nicht Männerarbeit, wie etwa Zetkin ((1890) 1957), S. 6, und Bebel (s.o.) annehmen, sondern Frauen übernahmen - nach Losseff-Tillmanns (1978), S.55 - "minderwertige Arbeitsplätze", die insb. wegen extrem schlechter Arbeitsbedingungen von den Männern verlassen wurden. Mag auch zweifelhaft sein, ob bei der labilen Arbeitsmarktlage im Kaiserreich (dazu etwa Niess (21982), S. 28 - 32) Männer in großem Umfang einfach schlechte gegen bessere Arbeitsplätze eintauschen konnten, ergibt sich unabhängig von der Plausibilität dieser Aussage, daß jedenfalls eine Annahme, wonach vermittels allgemeiner Konkurrenz der weiblichen Arbeitskräfte Männerlöhne gedrückt werden konnten, in dieser Form historisch-empirisch kaum belegt werden kann. - Eine Konkurrenzrolle der weiblichen gegenüber männlicher Arbeitskraft zeigt sich gleichwohl

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

Neben diesen Zusammenhängen folgt daraus für die soziale und gesellschaftliche Stellung der (hier gesondert betrachteten) verheirateten Frau, daß regelmäßig, selbst bei einer im Einzelfall dem Mann analogen Einbeziehung in den kapitalistischen Verwertungsprozeß, ihr Anteil an der familiären Gesamtlohnsumme quantitativ einen beschränkten Rahmen nicht verläßt64 • Die materielle Sicherung der Lohnarbeiterfamilie beschränkte sich in jedem Fall vornehmlich auf den Erlös aus dem Verkauf der Arbeitskraft des Mannes. Entfiel aber diese Möglichkeit, am Tausch teilzunehmen, infolge Krankheit, Invalidität und Alter zeitweise oder dauerhaft, wurde nicht nur die Existenz des Arbeiters selbst, sondern der gesamten Familie tendenziell in Frage gestellt. Bei Tod des Mannes wurde sie darüber hinaus sämtlicher Subsistenzmittel beraubt. Eine der historisch möglichen Reaktionen auf diese Situation stellt der Aufbau eines Sozialversicherungssystems dar, wie es in Deutschland in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erfolgte6s . Allerdings läßt sich die Sozialgesetzgebung nicht lediglich als Antwort zur überwindung individueller Not Bedürftiger begreifen. Auch die Alters- und Invalidenversicherung66 hatte weniger "die Aufgabe, dem damals hilfsbedürftigen Bevölkerungsteil, und das waren vor allem die Lohnarbeiter, bei Eintritt von Invalidität oder Alter einen Rechtsanspruch auf Rente einzuräumen"67. Es ging nicht um den "hilfsim Zuge der Produktivkraftentwicklung überall dort, wo Fabrikarbeit maschinelle Produktion) Handwerkerarbeit und Hausarbeit (zumindest die erstere vorwiegend von Männern ausgeführt) verdrängt, da sie den gesellschaftlichen Wert dieser (männlichen) Arbeit senkt, somit den Lohn negativ beeinflußt bzw. diese Arbeitsplätze ganz vernichtet. Vgl. dazu Marx «1890) 191973), S. 495 f., im Zusammenhang mit der Einführung der "entscheidend revolutionäre(n) Maschine, (... , der) Nähmaschine". 64 Vgl. die Nw. bei Dreher (1978), S. 74 f. 65 Näher zu den (außerstaatlichen) Alternativen etwa Greven (1980), S. 109 f. 66 Gesetz, betr. die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22.6.1889 (IVAG); RGBl. S.97, in Kraft ab 1. 1. 1891. 67 So exemplarisch Wannagat (1967), S. 161. Mit gleichem Tenor schon ders. (1965), S. 70; auch Peters [u. a. von 1969 - 1975 Präsident des nordrhein-westfälischen LSG] (21973), S.49 - dessen Wertung im weiteren (S.67; unverändert auch in der 3. Aufl. 1978, S. 67) freilich noch eine ungeahnte Erweiterung findet. P. meint: "Jedenfalls wurde durch die Schaffung der Arbeiterversicherung deutscher Geist, deutsches Pflichtbewußtsein und deutsche politische Tatkraft unter Beweis gestellt." Interessant auch, daß er 1973 wie 1978, jew. S.123, meint: "Die Zahl der Menschenverluste des Krieges kann nicht angegeben werden." und: "Das Arztrecht wurde (im Nationalsozialismus) neu gestaltet. Der einzelne Arzt wurde zum Dienst an der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes berufen und hat damit eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen." (jew. S. 115; Herv. d. Orig. weggeI., Einsch. eh. H.). War das vorher und nachher anders? - Vgl. im Zusammenhang aber auch Rohwer-Kahlmann (1970), S.392; Hentschel (1978), S.311. Deutlich auch bereits die Bgr. zum Ent. des IVAG, Rt., 7. Leg.Per., IV. Session 1888/89, (=

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bedürftigen Bevölkerungsteil" an sich - im Ergebnis hätte die Sozialversicherung in einem solchen Fall ein erheblich modifiziertes Gesicht bekommen müssen - , sondern explizit um den Personenkreis, der sich kontinuierlich der Kapitalverwertung zur Verfügung stellte, also die in einem Lohnarbeitsverhältnis Tätigen. Allein die permanent Existenzgefährdeten waren sie indes nicht. Wäre es vornehmliches Ziel gewesen, ihre Subsistenzmöglichkeiten zu verbessern, hätte sich das IVAG - und darüber hinaus alle Sozialversicherungsgesetze - daneben sowohl auf Unterbeschäftigte, Arbeitslose und Tagelöhner beziehen müssen, generell auf Personengruppen, deren Arbeitskraft nicht oder nicht mehr dauerhaft verkaufbar war; als auch darüber hinaus auf alle, denen der lohnvermittelte Einsatz der eigenen Arbeitskraft erschwert oder unmöglich gemacht war d. h. v. a. auf die Masse der (verheirateten) Frauen. Beide genannten Personengruppen wurden indes gerade vom Gesetz nicht erfaßt68 • Der Aufbau sozialer Sicherung für Alter und Invalidität muß deshalb insbesondere als Resultat neu entstandener wirtschafts- und geseilschaftspolitischer Notwendigkeiten begriffen werden, die eine gesonderte und zumindest perspektivisch gegen soziale Deklassierung gerichtete Existenzsicherung der Lohnarbeiter obligat erscheinen ließen69. Konkret bildete der von Staat wie Kapital gleichermaßen formulierte Anspruch auf Ausbau und Steigerung der internationalen Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie das zentrale Bindeglied ihrer auch bei den Sozialversicherungsgesetzen wirksamen Interessenidentität7o • Drs.-Nr. 10 (Bd. 108), S. 57: "Gerade weil der Arbeiter für den Fall seiner Erwerbsunfähigkeit von der Inanspruchnahme der Armenpflege thunlichst bewahrt werden soll, bedarf es einer von ihm selbst aufzubringenden Leistung, welcher als Gegenleistung der rechtliche Anspruch auf Alters- und Invalidenversorgung entspricht." 68 Unfall- und Krankenversicherung schlossen - über den Kreis der Genannten hinaus - anfangs Land- und Forstarbeiter grundsätzlich aus: Gladen (1974), S. 61 (allerdings entgegen Baron (1979), S.23, nicht bis zum Inkrafttreten der RVO 1912, sondern nur in den ersten Jahren: s. Gladen, S.160, Anm.373; Peters (21973), S.55, 63). - Zum relativen Anteil der Versicherten an der Erwerbsbevölkerung insg. in historischer Entwicklung: Hentschel (1978), Tab.6, S.345; nach Niess (1982), S.350, gehörten 1895 20 Ofo der Lohnarbeiter nicht dem IVAG an. 69 Dazu näher Baron (1979), S. 22 f., 36 f.; Bellermann (1979), S.68; im Gegensatz zu Achinger (1958), S. 41, war es deshalb auch gerade nicht "verwunderlich, wie wenig die Schöpfer der sozialen Schutzgesetze an das Familienleben gedacht haben". 70 Gleichgerichtete Intentionen zeigen sich ebenfalls bei den Motiven der Beteiligten, mit der Einführung einer IV zur Zerschlagung der Arbeiterselbsthilfekassen beizutragen; vgl. Baron (1979), S.45; Hack / Hack (1979), S. 106 f.; zum Widerstand der Kleinbetriebe gegen die IV Herkner (81922),

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

Ökonomisch erlangten dabei zunehmend sowohl der Erhalt einer mobilen und qualifizierten Arbeiterschaft als auch - namentlich zur Beschleunigung der Kapitalkonzentration bzw.zur Insolvenzförderung technologisch unterlegener Betriebe - die Schaffung gleicher Konkurrenzbedingungen unter den Einzelkapitalen71 herausragende Bedeutung. Die obligatorische Einführung institutionalisierter Sozial systeme leistete in beiden Fällen einen maßgeblichen Beitrag, dem Ziel erhöhter internationaler Konkurrenzfähigkeit zu entsprechen. Dementsprechend ging gleichzeitig mit den Sozialgesetzplänen und ihrer Realisation die strikte Verweigerung jeglicher Ausweitung des betrieblichen Arbeitsschutzes einher72 • Aber auch bei der Ausgestaltung der GRV zeigte sich diese Prämisse in gleicher Deutlichkeit. Obwohl während der parlamentarischen Beratungen zum IVAG eine Hinterbliebenenabsicherung zugunsten kindererziehender Witwen verschiedentlich durchaus als sozial wünschenswert erachtet wurde73 , lehnte die Reichstagsmehrheit selbst eine solche Hinterbliebenenversorgung schließlich ab, wobei als Begründung insbesondere eine zu große finanzielle Belastung der Industrie und sich daraus möglicherweise ergebende Defizite für die ökonomische Stellung des Reiches im internationalen Vergleich geltend gemacht wurden74 • Im Ergebnis schloß die vorgenommene Selektion des Versichertenkreises ausnahmslos alle nicht direkt im Lohnarbeitsverhältnis stehenden, gleichwohl materiell bedürftigen Familienmitglieder von "gehobener sozialer Sicherung" (Zacher) vollständig aus. Einzige Ausnahme bildete die Erstattung der Beiträge des verstorbenen männlichen Versicherten an seine Frau oder die ehelichen Kinder, was allerdings beim Verstorbenen eine Mindestversicherungszeit von fünf Jahren und eigene Nichtinanspruchnahme voraussetzte75 •

s. 382; zum Interesse weiter Teile der Großindustrie an ihrer Durchsetzung: Baron (1979), S. 21 - 27. 71 Vgl. Baron (1979), S. 23 f., 31; ebenso hatte der Staat bereits mit der Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht ab 1825 die Konkurrenzbedingungen der Lohnarbeiter untereinander tendenziell vereinheitlicht; dazu Heinsohn / Knieper (21976), S.88; Gladen (1974), S. 14 f. 72 Siehe Gladen (1974), S. 56 f. (zur Entwicklung nach 1890 S. 79 - 82); Baron (1979), S.28, 31; auch Wehler (31977), S.136; Tennstedt (1981), S. 190 - 194. 73 Vgl. den Ber. der Rt.-Kommission über die Beratungen zum IVAG-Ent.: Rt., 7. Leg.Per., IV. Session 1888/89, Drs.-Nr.141 (Bd. 109/110), S. 942 f., wonach die kindererziehende Witwe 20 Ufo, jedes Kind 15 Ofo (insgesamt max. 75 Ofo) der Versichertenrente erhalten sollten; s. auch die Debattenrezeption bei Planken (1961), S. 69 - 71. 74 Siehe Bgr. zum Ent. des IVAG, Rt., 7. Leg.Per., Drs.-Nr.10, S.49; auch Dreher (1978), S.31; Planken (1961), S. 22; historisch falsch hingegen: HansenBlanke (1960), S. 292. 7S Vgl. § 31 IVAG; s. auch Döring (1980), S. 23 f.; Dreher (1978), S.32. Das das Ursprungsgesetz novellierende IVG vom 19.7.1899 (RGBl. S. 463; in Kraft

B. Die (ursprüngliche) GRV-Konzeption

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Hier wurde somit gesamtgesellschaftIich ein doppelter Widerspruch dokumentiert: einerseits zwischen dem bürgerlichen Familienbild und der materiellen Sicherung der (Lohnarbeiter-)Frau/Familie im Hinterbliebenenfall; andererseits zwischen den der Frau zugewiesenen Reproduktionsaufgaben in der Familie und dem Anreiz, mit Erwerbsarbeit die eigene Alters- und Invalidenversorgung (zumindest ansatzweise) zu sichern. Wie zu zeigen sein wird, bestimmt dieser Widerspruch fortan die weitere Entwicklung der Stellung der Frau in der Rentenversicherung - bis hinein in die aktuelle Diskussion - maßgeblich mit. B. Die (ursprüngliche) Konzeption der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)

Nach der Einführung kollektiver Schutzsysteme für die Risiken Krankheit und Arbeitsunfall! wurden die Lohnabhängigen mit dem Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz 1889 vom Grundsatz her ebenso für die Fälle ihrer Erwerbsunfähigkeit und (in abgeschwächter Form) auch für das Alter sozial abgesichert. Die zentralen Strukturmerkmale des Gesetzes bilden dabei die - allerdings erst nach anfänglichen Auseinandersetzungen, ob Frauen überhaupt vom Gesetz erfaßt werden sollten2 - unabhängig vom Geschlecht eingeführte Zwangsmitgliedschaft und die Beschränkung dieser Mitgliedschaft auf in Lohnarbeit Stehende. Alle Arbeiter und Arbeiterinnen, darüber hinaus Angestellte bis zu einer Jahresverdienstgrenze von 2000 M3 unterliegen in der Folge der Versicherungspflicht ab 1. 1. 1900) dehnte den Erstattungsanspruch erstmals auf den "hinterlassenen Witwer" aus (§ 44 Abs.2 IVG), sofern die "weibliche Person wegen Erwerbsunfähigkeit ihres Ehemanns die Ernährerin der Familie (war)". ! Vgl. Gesetz, betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15.6. 1883 (RGBl. s. 73; in Kraft ab 1. 12. 1884); Gesetz, betr. die Unfallversicherung der Arbeiter, vom 6.7.1884 (RGBl. S.69; in Kraft ab 1. 10. 1885). Zusammenfassend: Gladen (1974), S. 59 - 6.6. 2 So wirft u. a. die Bgr. des Reg.-Ent. zum IVAG, S. 50 f., diese Frage auf und beantwortet sie schließlich "im Sinne der Ausdehnung". 3 über 85 Ufo der Versicherten bezogen bei Einführung des Gesetzes (1891) Jahreseinkommen unter 850 M, s. Hentschel (1978), S.330. Das durchschnittliche Einkommen der Lohnabhängigen außerhalb des Bergbaus lag nach den im Rahmen der Vorarbeiten zur Rentenreform 1957 durchgeführten Berechnungen, vgl. Art. 2 § 13 ArVNG, Art. 2 § 13 AnVNG (jew. i. d. F. v. 23.2.1957); Jäger (91981), Anh.2, S.266; ebenso Wannagat (1965), S.71, der von 60 M monatlich ausgeht, bei 700 M - 1900 für Arbeiter bei 780 M; berechnet nach Hardach (1977), S. 72; vgl. auch Tennstedt (1976), S.448; Hoffmann (1965), Tab. 108, S. 470 f., mit hier leicht höheren Angaben. Männliche Angestellte verdienten allerdings bereits Anfang des Jahrhunderts im Durchschnitt mehr

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

(§ 1 IV AG)4, wobei die notwendigen Finanzmittel prinzipiell nicht mehr

aus einem öffentlichen Fonds - also letztlich von der weithin unbestimmten Allgemeinheit der Steuerzahlenden - aufgewendet werden, sondern von den versicherten Lohnabhängigen selbsts. Allerdings kann von einer grundlegenden Besserung der ökonomischen Lage der Versicherten im Risikofall kaum gesprochen werden, da die materielle Ausgestaltung der Renten ungenügend blieb und die Leistungshöhe i. a. R. die persönliche Existenzsicherung nicht gewährleisten konnte. War auch bei Verabschiedung des Gesetzes die Deckung eines individuellen Existenzminimums offizielles Ziel der Initiatoren6 gewesen, reichten die tatsächlichen Leistungen zum Erwerb der notwendigen Subsistenzmittel durchgängig nicht aus. Dabei kommt dem für Arbeiter/-innen bis 1922 grundsätzlich subsidiären Charakter der Altersrente besondere Bedeutung zu. Diese sollte im Gegensatz zur Invaliditätsrente lediglich einen Zuschuß für den/ die ansonsten weiter Erwerbstätige/n darstellen7 und lag dementsprechend aufgrund ihres ungünstigen Berechnungsmodus8 erheblich unter der Invalidenrente9 • Aber auch diese ermöglichte selbst bei extrem langen Versicherungs zeiten keine ausreichende Versorgung, während ihre Höhe bei einer in der zeitgenössischen Darstellung als durchschnittlich als 2000 M und fielen damit aus der Versicherungspflicht heraus; s. dazu und im weiteren zu den gleichzeitigen Verschiebungen innerhalb der Beschäftigtenstruktur unten, Teil C., Fn. 2 f., dieses Kapitels. 4 Im einzelnen zum vom Gesetz erfaßten Personenkreis: Döring (1980), S. 15 f. Der Kreis der Versicherungspflichtigen wird zwar mit dem IVG 1900 konkretisiert und erweitert (dazu: Bgr. des Reg.-Ent. zum IVG, Rt., 10. Leg.Per., I. Session 1898/99 (Bd.l72), Drs.-Nr.93, S. 695 - 697), allerdings nicht überhaupt erst auf Angestellte erstreckt; so aber Gladen (1974), S. 87 (anders S. 67); Hentschel (1978), S.316. 5 Ausführlich zur Finanzierung: Döring (1980), S. 20 - 23. 6 Siehe Reg.-Ent., Rt., 7. Leg.Per., Drs.-Nr. 10, Bgr., S. 50, der von der Sicherung der "Möglichkeit einer bescheidenen Lebenshaltung nach Fortfall (der) Arbeitsfähigkeit" ausgeht; Staatssekretär v. Boetticher bei der Einbringung des Reg.-Ent. in 1. Lesung, Rt., 7. Leg.Per., IV. Session 1888/89, Stenogr. Ber. d. 9. Sitzung (6. 12. 1888; Bd. 105), S. 1400, der von der "Zusicherung eines Einkommens" spricht, "welches (der arbeitenden Bevölkerung) einen bescheidenen (...) Lebensunterhalt (...) gewährt" (Einsch. Ch. H.); ders. während der 2. Lesung des Gesetzes, 7. Leg.Per., IV. Session 1888/89, Stenogr. Ber. d. 55. Sitzung (8.4. 1889; Bd. 107), S. 1373 D: Beim IVAG "muß es sich darum handeln, das Existenzminimum zu finden (...)". 7 Vgl. die Bgr. des Reg.-Ent., S.49. 8 Siehe §§ 25 - 28 IVAG. 9 Zum unterschiedlichen Berechnungsmodus explizit: Döring (1980), S.17 -19. - Erst seit Ende 1922 (Gesetz vom 10.11.1922; RGBl. I S.849) wurde bei Erreichen der Altersgrenze (dazu unten, Teil C. 1.1.2., Fn. 23, dieses Kapitels) ohne Prüfung der Erwerbs(un)fähigkeit die höhere Invalidenrente gezahlt; vgl. Peters (21973), S.91; Gladen (1974), S. 102, bei Anm.587.

B. Die (ursprüngliche) GRV-Konzeption

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erachteten Versicherungsdauer von etwa 30 Jahren lO weit unter ein Drittel der vorherigen Lohnsumme fiel" und somit erheblich unter eine auch noch so niedrig angesetzte Subsistenzgrenze l2 • Neben obligatorischen, in einheitlicher Höhe festgelegten Grundbeträgen13 bildeten der Berechnung unterlegte Anrechnungsbeträge pro Beitragswoche des Versicherten die Ursache der mangelhaften Rentenleistungen. Die individuelle Rentenhöhe wurde auf der Basis von wöchentlichen Steigerungsbeträgen berechnet, die analog der Beitragsleistung schwankten. Die Höhe der Beitragszahlungen staffelte sich nach verschiedenen Lohnklassen, denen ein bestimmter Steigerungsbetrag zugeordnet wurde. Da die Beitragsleistung innerhalb der einzelnen Klassen konstant gehalten wurde, schwankte deren relativer Anteil am entsprechenden Arbeitseinkommen dementsprechend (und zwar erheblich, anfangs zwischen 1,3 % und 2,7010)14. Im Ergebnis führte dies zu einer in sich differenzierten, insgesamt ungenügenden Anrechnung von Beitragszahlungen. Von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung des rentenrechtlichen Systems insgesamt war, daß damit vom Grundsatz her bereits das IVAG in seiner Urform bis heute maßgebliche StrukturSiehe Döring (1980), S. 19 f. " Die Höhe der jährlichen IV-Rente betrug im Durchschnitt 1891 113,49 M, 1900 140,38 M; nach 30 Beitragsjahren (je nach Beitragsklasse) zwischen 138,20 und 293,30 M; vgl. Tennstedt (1976), Tab. 10, S.457; Döring (1980), S.20; Tab. 11, S. 2l. 12 Dies kann exemplarisch an einer Untersuchung von Dyhrenfurth aus dem Jahre 1898 über heimarbeitende Berliner Konfektionsarbeiterinnen (zitiert nach Kuczynski (1963), S. 127 - 131) verdeutlicht werden. Danach galten für die 90er Jahre 7 M Wochenlohn als Minimum, "das vorausgesetzt werden muß, um sich ein Obdach zu verschaffen und das bloße Leben zu fristen. (...) Erst bei einem Verdienst von 9' M an läßt sich eine dürftige Existenz ermöglichen, bei der wenigstens das physische Leben nicht zurückgeht". (Ebd., S. 128; ebenso Bebel ((.501909) 1977), S.260, der von einem Existenzminimum bei 9 bis 10 M Wochenverdienst spricht). D. h.: da von einem äußersten Existenzminimum bei 30 bis 40 M monatlich - etwa 400 M jährlich - auszugehen ist, konnte die Invaliditätsrente allein nie auch nur entfernt den Lebensunterhalt sicherstellen, da sie selbst in der höchsten Lohn- (= Beitrags-)klasse nach 54 (l) Beitragsjahren nur zu einer Leistung von knapp 440 M jährlich führte. Vgl. für diese und weitere Angaben zu den Rentenleistungen: Döring (1960), v. a. S.21; Miegel (1981), S.42; Gladen (1974), S.70, bei Anm.438; Tennstedt (1976), S.448, 457; ders. (1981), S. 184; Hentschel (1978), S. 330 f.; Baron (1979), S.53, Anm.76 (m. w. Nw.). 13 Das Reich zahlte pro Rente einen Zuschuß von 50 M jährlich, der u. a. auch mit der andernfalls zu hohen Belastung der Industrie begründet wurde; s. Kreßmann (1971), S.63; Miegel (1981), S.42. Darüber hinaus enthielt nur die Invaliditätsrente einen weiteren durch Beiträge finanzierten Fixbetrag von 60 M; § 26 Abs. 1 IVAG. 14 Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil; zu den einzelnen Beitrags- und Steigerungssätzen ausführlich: Döring (1980), S. 21 f., S. 35, Anm. 29. 10

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1. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

prinzipien der sozialen Altersversicherung institutionalisierte. über alle späteren Novellierungen hinweg prägen seither bruchlos sowohl das Versicherungs- wie das Äquivalenzprinzip l5 - d. h. der Zwangszusammenschluß aller durch normative Abgrenzung in einer ,Risikogemeinschaft' erfaßten Personen bei grundsätzlicher Abhängigkeit der Rentenvon der Beitragsleistung - als zentrale innere Gestaltungselemente und Einflußfaktoren sozialer Versorgung die materielle Sicherung des Mitglieds. Seitherige Änderungen des Rentenversicherungssystems, insbesondere auch seine weitreichende Umgestaltung im Rahmen der Rentenreform 1957, haben in dieser Hinsicht keine Neuorientierung mit sich gebracht l6 • Bei genauer Analyse des IVAG tritt deutlich hervor, daß die ursprüngliche Konzeption die genannten Strukturen bereits nachhaltig unterstrich. Da über den aus Steuermitteln finanzierten, also einkommensunabhängigen Rentenzuschuß lediglich ein Bruchteil der Gesamtmittel der Rentenfinanzierung aufgewandt wurde 17 , kann allein aus diesem Grund von einem vordergründig zu vermutenden maßgeblichen vertikalen Umverteilungseffekt über den Staatsanteil nicht gesprochen werden l8 • Daneben verhinderten die Folgen der im Gesetz fixierten strikten Trennung der Deckung der von einzelnen Lohnklassen erbrachten Leistungen über ihre eigenen Beitragseinnahmen, daß sich ebensowenig ein auf den Versichertenkreis beschränkter Umverteilungsmechanismus etablieren konnte. Die Wirkung des beitragsfinanzierten Sockelbetrages, ohnehin auf die Invalidenrente beschränktl9 , der bei einer für alle Lohnklassen konstanten Relation zwischen Beitragsleistung und angerechnetem Steigerungssatz zu einer - begrenzten Redistribution von Einkommen geführt hätte, wurde durch die gesetzlich fixierte Eigenfinanzierung der einzelnen Beitragsklassen insoweit in erheblichem Umfang konterkariert, als dadurch versicherungstechnisch in den unteren Lohnklassen eine überproportionale Absenkung IS Allerdings war anfangs die Definition der RV als ,Versicherung' v. a. in der juristischen Diskussion durchaus umstritten; vgl. Kreßmann (1971), S. 33 - 35. 16 Vgl. unten Kap. 11. A. 2. 17 Der Anteil wird in seiner Höhe durchaus unterschiedlich angesetzt: Miegel (1981), S.42, spricht von lediglich 10 Ofo; Preller (1970), S.432; Schewe (1966), S.4, und im Anschluß an ihn Döring (1980), S.107, 113, gehen von anfänglich nahezu 40 Ofo der Gesamtausgaben aus - in der Folge von rd. einem Drittel: s. auch Brück, G. (1978), S.63; Wannagat (1965), S.72; im weiteren unten, Kap. V. A. 1., Fn.5. 18 A. A. wohl Miegel (1981), S.43. 19 Vgl. oben, Fn. 13; nach § 37 IVG wurde ab 1900 zwar analog der IV-Rente auch bei der Altersrente ein beitrags finanzierter Sockelbetrag gezahlt, dafür entfielen aber sämtliche Steigerungsbeträge.

B. Die (ursprüngliche) GRV-Konzeption

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der Steigerungsbeträge nötig wurde20 • Ein indes von seinen strukturellen Grundlagen her kaum noch als solcher zu charakterisierender Umverteilungseffekt zeigte sich im Ergebnis somit lediglich separat innerhalb der jeweiligen Lohnklasse. Es liegt auf der Hand, daß sich diese ,Leistungsbezogenheit' der Rente - konkret: ihre direkte Affinität mit der Dauer des Lohnarbeitsverhältnisses und der dabei jeweils erreichten Lohnhöhe - für die erwerbstätigen Frauen auf dem Hintergrund der ursächlich mit ihrer exponierten Lage auf dem Arbeitsmarkt verbundenen Probleme extrem negativ auswirken mußte. Obwohl die ursprünglichen Intentionen des Regierungsentwurfs, der zwar den Versicherungszwang für erwerbstätige Frauen bejahte, aber gleichzeitig Renten an "weibliche Personen" grundsätzlich nur in Höhe von zwei Dritteln der Männerrenten vorsah, nach den ersten Beratungen im Reichstag 'zugunsten geschlechtsneutraler Regelungen fallengelassen und daraufhin nicht weiter verfolgt worden waren2!, zeigte sich gleichwohl, daß die im Alter oder bei Invalidität von der Frau zu erwartende eigene Rente auch das bereits allgemein als unzureichend ausgewiesene Versorgungsniveau des IV AG regelmäßig unterbieten mußte. Im Zusammenspiel der gesellschaftlich gesetzten Rahmenbedingungen hier und der Strukturprinzipien des Rentenrechts dort erwies sich der Aufbau einer eigenständigen Basissicherung gegen die Gefahr des dauerhaften Verlustes der eigenen Arbeitsfähigkeit für erwerbstätige Frauen als regelmäßig ausgeschlossen. Auch sie wurden zu ihrer materiellen Sicherung prinzipiell auf die mit einer Heirat gekoppelte - wenn auch häufig lediglich fiktiveinlösbare - zivilrechtliche Unterhaltsgewährleistung durch den Ehemann verwiesen.

20 Die Bandbreite von Wochenbetrag und Anrechnungshöhe war ganz erheblich; sie betrug zwischen 28,6 Ofo in der untersten und 87,7 Ofo in der höchsten Lohnklasse; s. Döring (1980), S.22. Allerdings wurde diese Schere in der FOlgezeit bis zur Inflation Anfang der zwanziger Jahre zumindest teilweise geschlossen; vgl. Orda (1977), S.98. 2! Vgl. § 19 Abs.3 IVAG i. d. F. des Reg.-Ent.; analog waren auch die Beitragssätze um 1/3 abgesenkt (§ 84 Ent.). In der Bgr., S.56, heißt es dazu, die "Ermäßigung" entspreche dann - "im Allgemeinen" - "dem Durchschnittsverhältnis der ortsüblichen Tagelöhne männlicher Personen einerseits und weiblicher Personen andererseits". Unabhängig von der zweifelhaften Verifizierbarkeit dieser hinsichtlich der Frauenlöhne äußerst positiven Annahme (vgl. oben, Teil A. 2., bei Fn. 59) wurde somit gleichzeitig auch davon ausgegangen, daß aufgrund ihrer geringen Lohnhöhe von Frauen die ,normalen' Beitragssätze nicht getragen werden könnten.

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

c. Zur Entwicklung der Witwenrenten und ihrer rechtlichen Gestaltung als primär statusdefiniertes Problem Konnte das Postulat lebenslanger privater Unterhaltsgarantie für die verheiratete Frau in einem existenzsichernden Umfang vornehmlich vom Besitzbürgerturn erfüllt werden, trat hier während des Kaiserreiches ein tendenzieller Wandel ein, da die zunehmende Differenzierung der Lohnarbeitsfunktionen vornehmlich ab der Jahrhundertwende zur verstärkten Herausbildung spezieller Angestelltenberufe führtel. Diese sog. Privatbeamten aber, deren Zahl sich in den zehn Jahren vor 1905 auf ca. zwei Mio. verdoppelte und auch in der Folgezeit stark expandierte2, konnten aufgrund ihrer in Relation zur Arbeiterschaft günstigen einkommensmäßigen Position3 während der aktiven 1 Näher zur "Entwicklung von Angestelltenrollen" im Kaiserreich bei Tjaden-Steinhauer / Tjaden (1973), S. 47 - 53. 2 Vgl. Killat (1952), S.16; Tjaden-Steinhauer / Tjaden (1973), S.53; auch Reg.-Ent. eines VGfA, Rt., 12. Leg.Per., 11. Session 1909/11, Drs.-Nr. 1035 (Bd. 281), Bgr., S. 67, u. Anl. A, S. 162 f. Der Anteil der Angestellten an der Gesamtzahl männlicher Erwerbstätiger lag zu dieser Zeit um ein Vielfaches über demjenigen weiblicher Angestellter an den insgesamt beschäftigten Frauen; Zahlen zur Entwicklung im Kaiserreich bei Bebel «50 1909) 1977), S.249; Hoffmann (1965), Tab. 24, S.21O; Däubler-Gmelin (21979), S.22. Nach der Bgr. des VGfA-Reg.-Ent., S. 96 u. passim (eigene Berechnung), betrug der Gesamtanteil der Frauen an allen Angestellten um 1910 etwa 20 %. Die massenhafte Einbeziehung von Frauen als Angestellte in die Büroberufe erfolgte vornehmlich erst zu Beginn der zwanziger Jahre; vgl. die Angaben bei Preller (1970), S.11; Stat. BA (Hg.) (1972), Tab. 5 b, S.145; Hoffmann (1965), Tab. 24, S. 210 f. 3 Siehe dazu bereits oben, Teil B., Fn.3, und die in einer Denkschrift 1907 festgehaltenen Ergebnisse einer Fragebogenaktion von Reichsregierung und Angestelltenverbänden, nach der das durchschnittliche Jahreseinkommen der befragten (über 150 000) Angestellten bei Männern rd. 2060 M, bei Frauen rd. 1140 M betrug; vgl. Bgr. zum Reg.-Ent. eines VGfA, Drs.-Nr. 1035, S.83; auch Zacher, G. (1917), S. 356 f. Die Bgr. selbst, S. 116 f., hier S. 116, weist in einem Beispiel, das "dem wirklichen Werdegang des Angestellten" entspreche, dessen Durchschnittsgehalt mit 1750 M aus. Im weiteren wird anhand obiger und weiterer Erhebungen die Einkommensverteilung unter den Angestellten (16 bis 60 Jahre) abgeschätzt. Danach verdiente lediglich jeder fünfte männliche Angestellte unter 1150 M, ca. 36 % über 2000 M. Bei Ausgrenzung dieser hohen Gehaltsstufe errechnet sich ein Durchschnittseinkommen von knapp 1400 M. Von den Frauen hatte demgegenüber kaum jede Zwanzigste ein Einkommen oberhalb der 2000-M-Grenze, das Gros von ihnen (etwa 60 Ofo) verdiente weniger als 1150 M, ein knappes Drittel lag niedriger als 850 M; vgl. Bgr., S. 96 f., 111; eigene Berechnung. - Beim hier besoriders relevanten Vergleich männliche Angestellte - Arbeiter zeigt sich folgendes Bild: 1907 betrug der Jahreslohn von Arbeitern in Industrie, Handel und Verkehr 1018 M, am höchsten lag er im Druckgewerbe mit 1390 M; s. Hoffmann (1965), S. 470 f. Dementsprechend wird die Behauptung von Hentschel (1978), S.316, die Masse der Angestellten habe sich von der der Arbeiter keineswegs in der Höhe ihres Einkommens unterschieden, statistisch gerade nicht bestätigt.

c. Witwenrenten als statusdefiniertes Problem

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Erwerbsphase die familienrechtlich geforderte Unterhaltsgarantie zumindest zeitweise ebenfalls erbringen. Dies änderte sich allerdings spätestens bei Auflösung der Ehe durch den Tod des Mannes, da auch hier die Existenz der Hinterbliebenen regelmäßig vollständig ungesichert blieb. Unabhängig vom Alter der Frau und ggf. zu versorgender Kinder ergab sich damit für eine Witwe in jedem Fall die existentielle Notwendigkeit, kontinuierlich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, entweder um bisher fehlende eigene Einkünfte zu erzielen oder um diese erheblich zu steigern. Die Folgewirkungen dieses ,materiellen Zwangs des Faktischen' für die soziale Situation der betroffenen Frauen können kaum überschätzt werden: Zum einen mußten sich für die Witwen die generell mit der Stellung der Frau auf dem Arbeitsmarkt verbundenen Diskriminierungen potenziert reproduzieren; zum anderen schloß ein unter diesen Bedingungen im Regelfall erst in vorgerücktem Alter begonnener Aufbau einer eigenständigen Alters- und Invaliditätssicherung spätere soziale Absicherung allein deshalb in vielen Fällen aus, da die versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen in Form einer Erfüllung der gesetzlichen Wartezeiten4 nicht mehr eingelöst werden konnten. 1. Ungleidte Sicherung der Frauen im Fall der Verwitwung: Zur Frage abgeleiteter Versorgung aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten 1.1. Zur (ursprünglichen) Konzeption der Witwenrenten

Das gesellschaftspolitisch insbesondere aufgrund seiner sozialen Konsequenzen Anfang des Jahrhunderts gänzlich ungelöste Problem der materiellen Sicherung von (verheirateten) Frauen im Hinterbliebenenfall zeigte sich zwangsläufig bei allen Lohnabhängigen-Familien in ähnlichem Umfang. Obwohl offen zutage lag, daß einerseits selbst eine langjährig erwerbstätige Frau über damit erworbene Rentenanwartschaften ihre eigene Subsistenz im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit nicht ausreichend sichern konnte und andererseits auch dadurch jeder lohnabhängigen Familie mit Versterben des ,Ernährers' regelmäßig die materielle Grundlage in einem existenzgefährdenden Umfang entzogen 4 Wartezeit für die Invaliditätsrente: 5 (Beitrags-)Jahre; für die Altersrente 30 (Beitrags-)Jahre; s. § 16 IVAG. Da als Beitragsjahr ein Zeitraum von 47 Wochen galt (§ 17 Abs.1 IVAG), betrug die Wartezeit bei der IV-Rente demnach rd. 4,5 Kalenderjahre, bei der Altersrente 27 Kalenderjahre. Diese Teilung wurde bereits vorn IVG 1900 aufgegeben, das zur Erfüllung der jeweiligen Wartezeit eine feste Anzahl von Beitragswochen (200 bzw. 1200) vorschrieb; vgl. § 29 Abs. 1 IVG.

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

wurdes - beides Sachverhalte, die das Kaiserreich über Jahrzehnte hinweg begleiteten - , fällt der Beginn des staatlich initiierten Versuchs einer ProblembewäItigung erst nach der Jahrhundertwende zu einem Zeitpunkt, als sich bei nunmehr überproportionalem Wachstum der Angestelltenschaft nicht nur die Notwendigkeit zeigte, diese selbst in erweitertem Umfang in den Kreis der Rentenversicherten einzubeziehen, um ihr individuelles Auskommen im Alter zu verbessern, sondern gesamtgesellschaftlich zunehmend deutlich wurde, daß v. a. die Lebenssicherung der Frau im Haus auch außerhalb der vornehmlich handarbeitend Lohnabhängigen dauerhaft nicht gewährleistet werden konnte. Damit zeichnete sich eine Entwicklung ab, von der angenommen werden kann, daß sie leicht das bürgerliche Ehe- und Familienmodell gerade in den Gesellschaftsschichten tendenziell auszuhöhlen drohte, die nicht seIten aufgrund ihrer Herkunft und aus ihrem eigenen, ständisch orientierten Selbstverständnis heraus weitgehend auf die Erfüllung dieses Ehemodells fixiert waren. Die sozialpolitischen Forderungen der Interessenvertreter aus den Angestelltenverbänden nach separater, im Ergebnis gegenüber der Arbeiterschaft deutlich privilegierter Einbeziehung in ein Rentenversicherungssystem6 trafen sich hier mit den vornehmlich politisch-ideologisch motivierten Bestrebungen von Staat und Kapital, die beide die gesellschaftliche Stellung der Angestellten als einem bedeutenden systemstabilisierenden Faktor des Kaiserreichs durch scharfe Abgrenzung von der Arbeiterschaft zu untermauern suchten. 1.1.1. Zur Regelung im Bereich der Angestelltenversicherung

Die geforderte und geförderte Trennung der lohnabhängig Arbeitenden fand schließlich nach langwierigen Gesetzesvorbereitungen und -beratungen' mit der Einführung einer exklusiven Angestelltenversicherung im Jahre 19118 seinen normativen Abschluß9. 5 Ausgeklammert bleiben hier die Regelungen des UVG, das von Anfang an eine geringe Hinterbliebenenversorgung kannte, wenn ein Arbeiter durch einen Betriebsunfall starb; dazu Döring (1980), S.24; Dreher (1978) S. 27, zum Gesetzesinhalt und Tennstedt (1981), S.177, zur Zahl der Versicherungsfälle. 6 Vgl. exemplarisch die Leitsätze der im "Hauptausschuß zur Herbeiführung einer staatlichen Pensionsversicherung der Privatangestellten" zusammengeschlossenen Angestelltenverbände, die 1911 mehr als 700 000 Mitglieder zählten: Anl. D der Bgr. des Reg.-Ent. eines VGfA, Rt., 12. Leg.Per., Drs.Nr. 1035, S. 169 - 171 (zu den Mitgliederzahlen Anl. B, S. 166). , Dazu ausführlich die Bgr. des Reg.-Ent. zum VGfA, S. 81 - 92; daneben Peters (21973), S. 92; Dreher (1978), S. 62 f. 8 Versicherungsgesetz für Angestellte (VGfA) vom 20.12.1911; RGBl. S.989, in Kraft ab 1. 1. 1913; (die heutige Bezeichnung "AVG" wird erst i. V. m. der zur Aufhebung überholter Bestimmungen aus der Inflationszeit

C. Witwenrenten als status definiertes Problem

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Das Gesetz etablierte aber nicht nur - wie bereits bei seiner Einführung festgestellt wurde - "Versicherte erster und zweiter Klasse" 10, sondern dehnte diese Trennung - losgelöst von der konkreten Stellung zum Erwerbsleben - auf die Ehefrau jedes verheirateten Versicherten aus. Obwohl durch die zeitlich parallele Kodifikation der RVO 1911 alle bisherigen Arbeiterversicherungsgesetze zusammengefaßt wurden l1 , schuf man gleichzeitig mit dem VGfA für die Altersversorgung der Angestellten - und in dieser Form ausschließlich bei diesem Sozialversicherungszweig - eine autonome Sicherungsform mit einer unmittelbar vom Mann(-eseinkommen) abhängigen, quantitativ ausschließlich über dessen bisherige Position im Lohngefüge bestimmten Hinterbliebenenversorgung. Diese wurde als Regelleistung der neuen Separatversicherung an keinerlei Voraussetzungen in der Person der Ehefrau gebunden (§ 28 VGfA)12. notwendigen gesetzlichen Neuverkündung vom 28.5. 1924, RGBL I S.563, in Kraft ab 1. 6. 1924, eingeführt). Versicherungspflichtig wurden alle Angestellten bis zu einer Jahresverdienstgrenze von 5000 M (§ 1 VGfA), wobei bereits vom IVAG erfaBte (niedrigverdienende) Angestellte (s. oben, Teil B., bei Fn.3) ebenfalls einbezogen wurden; für sie bestand insoweit eine Doppelversicherung, die Ende 1922 (RGBL I S. 849) zugunsten der AnV aufgehoben wurde; s. Peters (21973), S.93. Zur weiteren Entwicklung der Versicherungspflichtgrenze in der AnV (§ 1 Abs.3 i. V. m. §§ 3 Abs.1 u. 378 AVG i. d. F. v. 1. 6. 1924; §§ 4 Abs. 1 u. 5 AVG i. d. F. v. 23.2. 1957) vgl. Schewe / Nordhorn (11967), Tab. S.26; zu den Voraussetzungen ihrer nicht zuletzt auch von der Sozialenquete (1966), insb. Ziff. 345 f., S. 125, befürworteten Beseitigung ab 1968 im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes (FinÄndG) 1967 (BGBL I S. 1259) die Einschätzung von Schewe (1977), S. 186: ,,( ... ) der Wirtschaftsrezession (1966/67, mit dem sie begleitenden Kassendefizit der RV) ist die Entscheidung des Streits über die Schutzbedürftigkeit und den Umkreis der Versicherungspflicht zu danken" (Einsch. Ch. H.). 9 Siehe im Zusammenhang Tennstedt (1981), S.188; Döring (1980), S.27, 36, Anm.6o. 10 Kaskel (1917), S. 543; Zacher, G. (1917), S. 358. 11 Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19.7.1911, RGBL S.509; das 4. Buch der RVO (Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung) trat am 1. 1. 1912 in Kraft. 12 Insgesamt prägte die AnV eine erheblich deutlichere privatversicherungsrechtliche Orientierung: sie kannte keine staatlich erbrachten, beitragsfremden Grundbeträge und generell bis zum Ende des 2. Weltkrieges keine öffentlichen Zuschüsse (s. Schewe (1966), S. 8 u. passim; allerdings erhielt sie mit Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht im Faschismus 1935 seit 1936 Subventionen für wehrdienstbedingte Mehrbelastungen, s. Dreher (1978), S.93); verlangte deshalb auch gegenüber der RVO anfangs erheblich höhere, teilweise den doppelten Satz erreichende und relativ zum Einkommen steigende Beitragszahlungen (vgl. Reg.-Ent. eines VGfA, Bgr., Tab. S. 139; auch Döring (1980), S. 28 f.), da man, wie Tennstedt (1981), S. 188, ausführt, überzeugt gewesen sei, "für die Fürsorge für die Angestellten den Arbeitgebern höhere Aufwendungen zumuten zu können". In der Folgezeit wurden die Beitragssätze der RVO-Versicherten allerdings drastisch angehoben; in der AnV zeitweise gesenkt. Seit 1. 7. 1942 (Einführung des Lohnabzugsverfahrens anstelle von Markenbeiträgen; RGBL I [1942] S.252) liegt der Beitragssatz - zunächst 5,6 Ofo des beitragspflichtigen Entgelts - einheitlich für 4 Hermann

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Damit dehnte der Gesetzgeber den bereits im BGB formulierten grundsätzlichen Unterhaltsanspruch der verheirateten Frau gegenüber ihrem Mann auch auf das öffentlich-rechtlich begründete Sozialversicherungsrecht aus und verlieh der privatrechtlichen Unterhaltsgarantie, die aufgrund der fehlenden ökonomischen Voraussetzungen zivilrechtlich (allein) nicht durchsetzbar war, über die Einführung der obligatorischen Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten-Ehe lebenslangen Charakter. Der während bestehender Ehe allein vom Mann bereitzustellende Unterhalt, den er grundsätzlich durch den Verkauf seiner Arbeitskraft zu erbringen instandgesetzt ist, wird nach seinem Tod zukünftig von Leistungen der Sozialversicherung substituiert. Der neu geschaffenen Hinterbliebenenrente kommt somit Unterhaltsersatzfunktion zu. Im Kontext systemgerecht, wird über die Ausformung der Hinterbliebenenrente eine unmittelbare Abhängigkeit zwischen der Höhe des (ehemals) erzielten Arbeitseinkommens des unterhaltsverpflichteten Mannes einerseits und der für die Versorgung der (typischerweise nicht erwerbstätigen) Witwe bereitzustellenden Unterhaltsmittel andererseits hergestellt. Dies geschieht durch die Kopplung der Witwenrentenhöhe an einen fixen Prozentsatz der Originärrente des verstorbenen Mannes, d. h. an eine - vom Gesetzgeber als typisch unterstellte - der Frau vom Unterhaltsverpflichteten zu erbringende Unterhaltsleistung 13 • Explizit bedeutete dies bei Einführung der AnV eine Witwenrente in Höhe von 4/10 der Rente des Versicherten (§ 57 VGfA). Obwohl es als vordringliche Zielsetzung der Konzeption angesehen werden muß, durch funktionale übertragung der privatrechtlichen Unterhaltsgarantie ins Rentenversicherungsrecht die verheiratete Frau als Erwerbstätige gleichsam aus dem System zu eliminieren, bedarf es indes nicht einmal einer im Haus reproduktive Aufgaben wahrnehmenden Frau. Die normative Gestaltung der Witwenversorgung läßt letztlich die Tätigkeit der Frau - unabhängig vom tatsächlichen quantitativen oder qualitativen Ausmaß - völlig außer acht. Auch wenn die Konzeption gerade die Stellung der haushaltsfixierten Ehefrau materiell absichern sollte, für die Einbeziehung in das System der AnV bildet nicht Haushaltstätigkeit, sondern ausschließlich der mit der Heirat einhergehende Statuswechsel der Frau den entscheidenden Anknüpfungspunkt. beide Versicherungszweige fest, vgl. die tabellarische übersicht bei Schewe / Nordhorn (11967), S. 52, seit 1973 bei 18 0 / 0 , 1981 und erneut seit 1. 9. 1983 bei 18,5 %; vgl. § 1385 Abs. 1 RVO; § 112 Abs. 1 AVG i. V. m. § 30 b ArVNG bzw. § 29 b AnVNG jew. i. d. F. d. Haushaltsbegleitgesetzes (HBeglG) 1983 vom 20.12.1982; BGBI. I S. 1857. 13 Siehe hierzu auch Krause / Ruland (1969), S. 141 f.; Rohwer-Kahlmann (1970), S.394.

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Der Ausschluß der Frau vom unmittelbaren gesellschaftlichen Produktionsprozeß läßt sie folgerichtig zum passiven Objekt, zur allenfalls indirekt Beteiligten an einem partiell Lohnersatz bietenden Schutzsystem werden. 1.1.2. Zur Regelung im Bereich der Arbeiterversicherung Während in der Frage der strukturellen Ausrichtung der Alterssicherung der hinterbliebenen Frau als derivativem Unterhaltsersatz bei den an der Rentengesetzgebung interessierten gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen durchgängig Konsenz bestand l 4, wurde - "entgegen den erklärten Forderungen zumindest der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter"15 - in Kontrast zur Regelung der AnV für den Bereich der RVO den Witwen lediglich dann, wenn sie ihre Erwerbsunfähigkeit, mithin ihre Nichtverwertbarkeit im unmittelbaren Produktionsprozeß nachweisen konnten, eine ähnliche Versorgungsleistung zugestanden l6 • 14 Eine Ausnahme bildeten nach Dreher (1978), S.67, Fn.223, lediglich die "verbündeten kaufmännischen Vereine für weibliche Angestellte", die für eine "echte ( . ) Ehefrauenversicherung" plädierten. 15 So Döring (1980), S.25: Die freien Gewerkschaften seien zu den ",höchsten Opfer(n)'" ("Correspondenzblatt" v. 14. 5. 19lO, S.287; zitiert nach Döring (1980), S.35, Anm.44) für "die echte Witwenrente" (1) bereit gewesen. 16 Die amtlichen Begründungen zum Ent. des AVG und zur IV der RVO lassen an Deutlichkeit hinsichtlich ihrer schichten- und standesfixierten Sichtweise nichts zu wünschen übrig. So führt der Reg.-Ent. zum VGfA, S. 67 f., u. a. aus, für die überwiegende Mehrheit der Angestellten ergebe sich "ebenso wie bei den der reichs gesetzlichen Arbeiterversicherung unterstellten Personen die Notwendigkeit, durch Versicherungen die wirtschaftliche Notlage zu beseitigen, die der Familie für den Fall der Berufsunfähigkeit oder des frühzeitigen Todes des Angestellten droht. Die reichsgesetzliche Invalidenversicherung gewährt einem Teile dieser Personen beim Eintritt der allgemeinen Invalidität Invalidenrenten, deren Höhe über das allgemeine Existenzminimum, das nur die Möglichkeit einer bescheidenen Lebenshaltung an billigen Orten bietet, nicht hinausgeht. ( ... ) Der Bildungsgang, die Lebensverhältnisse und die soziale Stellung bedingen indessen bei der Mehrheit der Angestellten eine weitergehende Fürsorge. Dies gilt ( ... ) auch für die Gewährung von Hinterbliebenenbezügen, um so mehr als die Frauen von Angestellten vielfach nicht erwerbstätig sind, auch wegen mangelnder Ausbildung nach dem Tode des Mannes in vielen Fällen schwer eine geeignete Berufstätigkeit finden oder sich beliebigen Erwerbsformen nicht so leicht anpassen können wie Arbeiterwitwen. Hinzu kommt, daß die höheren Aufwendungen für die Ausbildung und Erziehung der Kinder gegenüber dem Arbeiterstande die Notlage der Familie noch verschlimmern. Das praktische Leben bietet täglich solche Fälle in großer Anzahl." Gänzlich anders in Diktion, zugrunde liegenden Prämissen und allgemeiner Zielrichtung die Argumentation zur Bgr. des RVO-Ent., Rt., 12. Leg. Per., 11. Session 1909/10; Drs. zu Nr.340 (Bd.274), S.366: Durch die "Hinterbliebenenfürsorge" solle "der Frau und den Kindern, die den Ernährer nach allgemeinem Menschenschicksal verloren haben, nur eine Beihilfe im Witwenund Waisenstande gesichert werden. ( ... ) Den Schwerpunkt der (finanziellen) Belastung bilden die Ansprüche der Witwen. Bei ihnen wird daher die

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Selbst diese Leistung erweist sich freilich als in ihrem Niveau gegenüber den Hinterbliebenenrenten aus der AnV deutlich abgesenkt, so daß in der Folge die Witwenrenten der ArV meist kaum die Subsistenzgrenze erreichten. Die Unterschiede basierten zum einen versicherungsrechtlich auf dem im Vergleich zum VGfA in der RVO abgesenkten Versorgungsanteil an der Invaliditätsrente des verstorbenen Mannes, der bei lediglich 30 % festgesetzt wurde 17 ; vornehmlich aber waren sie direktes Resultat der zwar in ihrer Intensität unterschiedlich ausgeprägten, insgesamt aber von RVO wie AnV bestätigten Strukturprinzipien des alten IV AG. Die gegenüber Arbeitern deutlich höheren Einkommen der Angestellten18 mußten nicht nur zu erheblichen Diskrepanzen in der Höhe der Versichertenrenten 19 führen, sondern analog auch zu extremen gebotene Beschränkung einzusetzen haben und auch einsetzen können, ohne den Wert der Hinterbliebenenfürsorge im ganzen wesentlich zu beeinträchtigen ( ... ). Nur für (erwerbsunfähige Witwen) läßt sich ein unbedingtes Fürsorgebedürfnis anerkennen. Die kinderlose erwerbsfähige Witwe vermag mindestens in dem gleichen Umfange tätig zu sein wie die ledige weibliche Person." An welche Arbeiten dabei - indes nicht nur für kinderlose Frauen - gedacht war, wird so dann ausgeführt: "Für manche Arbeiten, insbesondere im Haushalt (Aufwartefrauen, Kinderfrauen usw.), wird die kinderlose Witwe der ledigen weiblichen Person sogar vorgezogen. Auch die erwerbstätige Witwe mit Kindern ist einer laufenden Fürsorge dann nicht mehr so dringend bedürftig, wenn die Kinder erwerbstätig geworden sind. Und selbst während des fürsorgebedürftigen Alters der Kinder kann eine laufende Zuwendung an die erwerbsfähige Witwe entbehrt werden, wenn durch die fortdauernde Unterstützung der Waisen die Kosten ihres Unterhalts verringert werden, und die Witwe im allgemeinen nur das zu ihrem eigenen Unterhalt Erforderliche durch Lohnarbeit beschaffen muß." Konsequenz: Alter und Anzahl von (Klein-)Kindern bleiben in jedem Fall versicherungsrechtlich irrelevant; keine Rentenleistung ohne eigene Invalidität. (Insoweit bedarf auch die Darstellung von Wannagat (1965), S. 79, zur Hinterbliebenenrente vor dem 1. Weltkrieg der Korrektur, als er gesetzgeberische Entwicklungen der zwanziger und dreißiger Jahre ins Kaiserreich vordatiert; vgl. dazu unten, Teil C. 1.2. dieses Kapitels). 17 § 1292 RVO (urspr. F.); dieser geringere Anteil wurde allerdings größtenteils kompensiert durch einen analog den Versichertenrenten gezahlten Reichszuschuß von 50 M (§ 1285 RVO); s. Herkner (81922), S.377; Dreher (1978), S. 61. 18 Siehe oben, Fn. 3. 19 Abstrahiert wird hier von den differierenden Rentenberechnungsmodi. Bei Einführung von RVO und AnV hätte ein Erwerbstätiger als Angestellter nach 40 Versicherungsjahren bei einem erzielten Durchschnittsverdienst von rd. 1700 M jährlich (d. i. eher unterdurchschnittlich) ein Ruhegeld von 650 M erreicht, ein RVO-Versicherter cet. par. (also mit für Arbeiter überdurchschnittlichem Einkommen) 381 M; s. Reg.-Ent. zum VGfA, Bgr., S. 116 f. Allerdings wäre der Angestellte auf eine Gesamtrente von 1031 M gekommen, da er als Doppelversicherter (s. oben, Fn.8) beide Renten und damit insgesamt ca. 60 Ofo seines Jahresdurchschnittseinkommens erhalten hätte. Damit kam dieser Versicherte dem erklärten Ziel der AnV-Initiatoren, den Angestellten eine Rentenleistung von etwa 2/3 des vorherigen Einkommens zu garantieren, sehr nahe; vgl. Reg.-Ent. zum VGfA, Bgr., S.I11. Die nicht

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Unterschieden bei der Festsetzung der davon direkt abgeleiteten Hinterbliebenenleistungen. Nur auf diese Art, erläuterte die Regierungsvorlage zur RVO, komme "auch die Beitragsleistung des verstorbenen Ernährers in den Hinterbliebenenbezügen zu einem angemessenen Ausdruck"20. Verstarb ein verheirateter Arbeiter etwa im Alter von 66 Jahren nach 50 (!) Beitragsjahren, so erreichte die Jahreswitwenrente der hinterbliebenen Frau - selbst dann, wenn die Beitragsleistung des Mannes stets in der obersten Lohnklasse erfolgt war - lediglich eine Höhe von 170,40 M. Die Witwe eines Durchschnittsrentners erhielt etwa zwei Drittel dieses Betrages, das waren rd. 43 % der originären Mannesrente. Demgegenüber wurde zwar die Witwe eines Angestellten mit einem geringfügig niedrigeren Teilbetrag akzessorischer Sicherung beschieden (40 v. H.); gleichwohl durfte sie bereits bei durchschnittlichem Verdienst ihres Ehemannes etwa das Zweieinhalbfache der RVO-Leistungen an Unterhaltsersatz erwarten21 • Selbst über lange eigene Erwerbstätigkeit konnte die Arbeiter-Ehefrau kein sozialadäquates Rentenniveau erreichen, da eine Kumulation von Versicherten- und Hinterbliebenenrente bei Zahlung einer Abfindung in Höhe einer Witwenjahresrente (dem sog. Witwengeld) ausgeschlossen wurde22. Dementsprechend ,ruhte' ihre (geringere) Witwenrente bei gleichzeitigen Leistungen aus originären Anwartschaften (§ 1318 i. V. m. § 1252 RVO). Daneben erweist sich als von besonderer Bedeutung, daß die Invaliditätsdefinition - als Voraussetzung einer Rentengewährung aus der ArV - nicht derjenigen der AnV entsprach, sondern für die betroffenen RVO-Versicherten erheblich restriktiver normiert wurde23 • An diedoppel versicherten Angestellten wurden darauf verwiesen, "sich anderweit angemessen zu versichern" (S.I11). Aufgrund der tatsächlichen Beitragszahlungen 1907 ergab sich nach RVOBestimmungen "nach Ablauf der mittleren Arbeitsdauer" - etwa 40 Jahreeine tatsächliche Invaliditätsdurchschnittsrente von lediglich knapp 275 M jährlich, bei einer Maximalrente von 450 M nach 50 Beitragsjahren; vgl. Reg.-Ent. einer RVO, Bgr., S. 370 f. (Zahlen für 1917 [nur RVO] auch bei Herkner (81922), S.376). Nach Aufgabe der Doppelversicherung betrug 1925 die Jahresrente aus der RVO zwischen rd. 258 RM (Alter) und 275 RM (Invalidität) - aus der AVG hingegen weitmehr als das doppelte, nämlich 638,52 RM; s. Tennstedt (1976), S.466 Tab. 11, S.467 Tab. 12. 20 Reg.-Ent. zur RVO, Rt., 12. Leg.Per., Drs. zu Nr.340, Bgr., S.369. 21 Vgl. Bgr., S. 370 f.; Herkner (81922), S.377; Dreher (1978), S.62, und seine übersicht, S. 64 f. 22 Zur Höhe des Witwengeldes s. § 1296 RVO; näher dazu v. a. in der Bgr. des Reg.-Ent. zur RVO, S.367, 406; und bei Dreher (IS78), S.60, 77, 94 f. 23 Ein weiterer Unterschied bestand hinsichtlich der Altersrentengrenze: Neben dem erwähnten subsidiären Charakter der Altersrente in der ArV bis 1922 (Folge: gegenüber IV-Rente geringere Leistung; vgl. oben, Teil B., bei Fn. 8 f.), der in der AnV von Anfang an unbekannt blieb, legte die RVO

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sem Invaliditätsbegriff orientierte sich vom Grundsatz her auch die rentenrechtIiche Beantwortung der Frage nach der Erwerbsunfähigkeit einer Arbeiterwitwe. Invalidität setzte für sie nach dem Gesetzeswortlaut voraus, daß sie nicht mehr in der Lage sein durfte, durch eine Tätigkeit, "die ihren Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihr unter billiger Berücksichtigung ihrer Ausbildung und bisherigen Lebensstellung zugemutet werden kann, ein Drittel desjenigen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Frauen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen" (§ 1258 Abs. 2 RVO)24. In konsequenter Anwendung der verfolgten Unterhaltsersatzkonzeption unterschied sich diese Definition von dem Invaliditätsbegriff der RVO für Versicherte (§ 1255 Abs.2 RV025) ausschließlich durch den Verweis auf die bisherige - durch ihren Mann vermittelte - "Lebensstellung"26, nicht einen zuvor "ausgeübten Beruf"27. das Alterslimit wie im ursprünglichen IVAG zunächst weiterhin auf 70 Jahre fest, so daß z. B. 1910 auf jeden Altersrentner fast neun IV-Rentner kamen (s. Reg.-Ent. einer RVO, Bgr., S.360), während für Angestellte mit Vollendung des 65. Lebensjahres regelmäßig Rentenbezug einsetzte. Hier erfolgte insoweit eine Anpassung beider Versicherungszweige 1916 (RGBl. S.525); s. Preller «1949) 1978), S.60; Peters (2l973) , S.91 (RVO) , S.93 (VGfA). Allerdings wurde im AVG zum 1. 3. 1929 (RGBl. I S.75) eine vorgezogene Rente an 60jährige Angestellte eingeführt, sofern diese mindestens ein Jahr arbeitslos waren (§ 397 AVG; dazu Tietz (1977), S. 131 f., und unten Kap. 11. A., Fn. 8), so daß erneut eine statusabhängige Altersrentengrenze bestand. 24 D. i. § 1256 Abs.2 RVO i. d. F. v. 21. 12. 19'37 (Herv. Ch. H.). 25 Ab 1938 § 1254 RVO. 26 Dies bedeutete im Klartext: Invalidität =1= Invalidität. Den Sachverhalt konkretisiert der RVO-Kommentar von Gugel/ Schmid (1912), S. 415 f.: "Der Witwe eines Tagelöhners, auch wenn sie selbst zu Lebzeiten des Mannes keinem Erwerbe nachgegangen sein sollte, wird man unbedenklich zumuten dürfen, Tagelöhnerarbeiten zu verrichten; sie wird die Witwenrente erst dann erhalten können, wenn sie nicht imstande ist, durch Tagelöhnerarbeit ein Drittel desjenigen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde weibliche Personen in derselben Gegend durch Tagelöhnerarbeit zu verdienen pflegen. Handelt es sich dagegen um die Witwe eines hochgelohnten Versicherten, namentlich eines solchen, der unter die Nummer 2 bis 5 des § 1226 fällt (= u. a. Betriebsbeamte und Werkmeister, Lehrer und Erzieher), so wird zu untersuchen sein, was ihr nach ihrer Ausbildung und der ihr durch den verstorbenen Mann gegebenen Lebensstellung an Arbeit zugemutet werden kann. Wäre sie an sich noch fähig, ein Drittel desjenigen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde weibliche Personen durch Tagelöhnerarbeit zu verdienen pflegen, so würde sie gleichwohl die Witwenrente (.) erhalten (...)." (Einsch. Ch. H.) 27 Vgl. dazu Wannagat (1973), S. 83 f.j RDR (Hg.) (31941), Rdnr.12 zu § 1256, S.89. Im Gegensatz zu diesen Vorschriften kannte das AVG keine Lohndrittelgrenze, sondern schuf eine sog. Berufsunfähigkeitsrente (§ 25 Abs. 1 VGfAj § 30 Abs.1 AVG i. d. F. v. 1. 6.1924), für deren Bewilligung bereits eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um die Hälfte ausreichte. Das Gesetz koppelte damit gleichzeitig inhaltlich die Rentengewährung an den Status ,Angestellter', wodurch ein Verweis auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ab-

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In der Folge blieben somit die Arbeiterwitwen exponiert die disponible, billige Reservearmee auf dem Arbeitsmarkt. Selbst bei isolierter Betrachtung des Teilarbeitsmarktes der Frauen wurden sie im Fall ihrer Verwitwung zur eigenen und zur Existenzsicherung ihrer Kinder unter denkbar widrigen Voraussetzungen zum bedingungslosen Verkauf ihrer Arbeitskraft gezwungen28 • Zwar verlangten, wie der Regierungsentwurf zur RVO ausdrücklich hervorhob, "allgemeine Rücksichten", daß die Witwenversorgung keinen der Armenpflege verwandten Unterstützungscharakter annehme, denn dadurch "würde zugleich die eigene Verantwortlichkeit des Familienhauptes für die Zukunft seiner Hinterbliebenen geschwächt werden"29. Indes scheint eine generelle übertragung des bürgerlich(-rechtlich)en Familienmodells ins Sozialversicherungsrecht v. a. auf dem Hintergrund fehlender historischer Vergleichsmöglichkeiten und Erfahrungshorizonte für die Gesetzesinitiatoren in seinen potentiellen Wirkungen auf die notwendige Disponibilität eines weiblichen Arbeitskräfteangebots, namentlich in seinen Risiken hinsichtlich eines abrupten und dauerhaften Rückzugs verheirateter Arbeiterfrauen aus der weichend von den RVO-Bestimmungen ungleich schwerer möglich war; vgl. Tennstedt (1976), S.452, 463 f.; die Problematik wird bei Brunn (1917), S. 67, blauäugig schlicht umgedreht. - An den so installierten Begrifflichkeiten änderte sich in der Folge bis nach dem 2. Weltkrieg nichts; erst das SVAG 1949 (WiGBI. S.99) normierte zumindest für Versicherungsfälle ab 1. 6. 1949 eine quantitative Angleichung der Erwerbsunfähigkeitsdefinitionen bei generell 50 Ofo (§§ 2, 21 Abs.3 SVAG; Aufhebung der Stichtagsregelung durch § 1 des 2. ÄndG zum SVAG vom 4.8. 1953; BGBl. I S. 846), womit freilich die qualitativen Unterschiede bei der Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht berührt waren. Erst die Rentenreform 1957 brachte für Arbeiter und Angestellte gleichlautende neue Definitionen mit zweistufigem Invaliditätsbegriff: zum einen Berufsunfähigkeit (§ 1246 Abs.2 RVO, § 23 Abs.2 AVG); zum anderen Erwerbsunfähigkeit (§ 1247 Abs. 2 RVO, § 24 Abs. 2 AVG). Weniger die inhaltliche Präzisierung der Tatbestände selbst insb. durch die Rsp. des BSG - zur dabei vom Gericht entwickelten Drei-, später VierStufen-Theorie hinsichtlich der Verweisung auf einen anderen Beruf: Pelikan (51979), S. 223 - 228; Jäger (91981), S. 168 f.; kritisch: Tennstedt (1976), S.486 -, sondern vielmehr die vom Gericht seit dem Urteil vom 11. 12. 1969 (BSGE 30.167 ff.) angewandte und mit Beschluß vom 10. 12. 1976 (BSGE 43.75 ff.) weiterentwickelte ,konkrete Betrachtungsweise', die neben der Prüfung der Erwerbsminderung des Versicherten (,abstrakte Betrachtungsweise') auch die Frage der konkreten Arbeitsmöglichkeiten des Erwerbsgeminderten (insb. auf dem Teilzeitarbeitsmarkt) einbezieht, wird in den letzten Jahren in der sozialpolitischen Diskussion häufig problematisiert und zunehmend die gesamte BU/EU-Rentenregelung als neuordnungsbedürftig erachtet. Vgl. dazu näher: Hnida (1979); Kaltenbach (1981 b); aus gewerkschaftlicher Sicht: Muhr (1979), S.2, 38; zurückhaltender aber: DGB (1981 b), S. 40 f. Weitere Nw. bei Ecker (1982), S. 198, Fn.5 und 6. 28 Nach Berechnungen von Dreher (1978), S.76 Fn.260, erreichte diese Reservearmee bei Schaffung der Normen eine Größenordnung von 50000 pro Jahr. Die Anzahl der RVO-Witwenrenten betrug nach Tennstedt (1976), S.460, 1913 lediglich 12 000. 29 Reg.-Ent. einer RVO, Rt., 12. Leg.Per., Drs. zu Nr.340, Bgr., S.362.

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(kontinuierlichen) Erwerbsarbeit, weder überschaubar noch abschätzbar gewesen zu sein. In diese Richtung deutet auch die Tatsache, daß allen Witwen, deren versicherungspflichtige Ehemänner bereits vor Inkrafttreten der RVO verstorben oder zu diesem Zeitpunkt dauernd erwerbsunfähig waren und später verstarben, auch für die Zukunft jeder (potentielle) akzessorische Rentenanspruch versagt blieb. Ihr Verweis auf den Lohnarbeitermarkt erfuhr mit der Schaffung der RVO keinerlei Änderung30 • Erst in dem Maße, wie sich im Laufe der Zeit zunehmend Einschätzungsmöglichkeiten eröffneten, erfolgte auch - freilich im Einklang mit den jeweiligen arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen - eine Ausdehnung der materiellen Absicherung ausschließlich reproduktiv tätiger Frauen im Hinterbliebenenfall.

1.2. Modifikationen während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus Die beschriebenen quantitativ und qualitativ divergierenden Anspruchsvoraussetzungen von Witwenrenten blieben auch nach dem 1. Weltkrieg konstitutives Element für die individuelle Absicherung der (verheirateten, nichterwerbstätigen) Frau in der Rentenversicherung. Wies das in seiner gesellschaftlichen Wirksamkeit als Leitbild ungebrochene bürgerliche Ehemodell Frauenerwerbstätigkeit als sozial deklassierend aus und kam die erstmals in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) ohnehin inhaltlich nur bruchstückhaft ausgestaltete Gleichstellung der Frau über bloße Verfassungsprogrammatik nie hinaus3!, verwundert es nicht, daß die sozialpolitische "Vorbildfunktion"32 des A VG auch und gerade hinsichtlich der dort normierten Versorgung der Frauen in den folgenden Jahrzehnten gesellschaftspolitisch erhebliche Anziehungskraft entfalten konnte. Ziel sozialpolitischer' Aktivität in der Weimarer Republik blieb die Angleichung der RVO-Regelungen an die Vorgaben der Anv33, da allein dort die Gewährung einer Witwen30 Siehe Tietz (1977), S.130; zur Ablehnung werden im Reg.-Ent., Bgr., S. 364 f., v. a. mangelnde Finanzmittel angeführt. 31 Dazu unten Kap. 11. B. 1., am Anfang. 32 Tennstedt (1981), S. 189. 33 Schon bei den Beratungen 1911 stimmte die SPD dem VGfA zu, nicht aber der RVO: s. einerseits Rt., 12. Leg.Per., H. Session 1909/11, Stenogr. Ber. d. 217. Sitzung. (5.12.1911; Bd.268), S. 8342 D: einstimmige Annahme des VGfA; andererseits Rt., 12. Leg.Per., Stenogr. Ber. d. 187. Sitzung (30.5.1911; Bd.267), S. 7313 B f., 7332 - 7335, in namentlicher Abstimmung nimmt der Reichstag gegen 57 Stimmen (Vermerk im Stenogr. Ber.: "Zischen bei den Sozialdemokraten", S. 7313 C) die RVO an. Zu den Gründen der Parteien,

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rente weiterhin an keinerlei Voraussetzungen in der Person der Witwe gebunden war (§ 32 AVG34); lediglich die versicherungsmäßigen Voraussetzungen in der Person des versicherten Mannes mußten insbesondere in Form der Wartezeiterfüllung gegeben sein35 • Bestanden auf der letztgenannten Ebene in der RVO zumindest ähnliche Bedingungen, die darüber hinaus einem Angleichungsprozeß zwischen beiden Versicherungszweigen ausgesetzt waren36 , blieben andererseits für die hinterbliebene Ehefrau zunächst· die benannten restriktiven Normen hinsichtlich der Erfüllung ihrer persönlichen Voraussetzungen ohne Änderung weiter existent. Erst während der Stabilisierungsperiode der Weimarer Republik kam es insoweit zu einer Lockerung der Bestimmungen, als ab 1927 über den Nachweis der eigenen Invalidität hinaus ebenso nach Vollendung des 65. Lebensjahres an die Hinterbliebene Witwenrente gewährt wurde (§ 1258 Abs.1 RV037). Diese in ihrer unmittelbaren Wirkung im einzelnen sicherlich nicht zu unterschätzende Änderung blieb indes die einzige Modifikation in der Weimarer Zeit38. Erst im Nationalsozialismus erfolgten weitere, allerdings nun vornehmlich bevölkerungspolitisch-ideologisch motivierte Neuerungen. dem VGfA zuzustimmen, s. auch Kaskel (1917), S. 543, der ausschließlich wahltaktische überlegungen sieht. 34 I. d. F. vom 1. 6.1924 (inhaltlich ohne Änderung: § 28 Abs.3 AVG i. d. F. v. 17.5.1934, RGBl. I S.419; sog. Redaktionsverordnung): "Witwenrente erhält die Witwe nach dem Tode ihres versicherten Mannes." Nach § 59 1. Hbs. AVG i. d. F. v. 1. 6.1924 betrug die Höhe der Witwenrente 60 Ofo der Versichertenrente, wurde allerdings durch die Notverordnung Papens vom 14. 6. 1932 (RGBl. I S.273) erneut auf 5/10 reduziert; s. auch § 39 Abs. 1 1. Hbs. AVG i. d. F. v. 17.5.1934. 35 Vgl. insb. § 25 i. V. m. § 53 Abs. 1 Nr.2 AVG 1924 bzw. § 28 Abs.2 i. V. m. § 31 Abs. 1 AVG 1934; s. dazu näher unten, Kap. 11. A. 1., Fn. 14 f. 36 Dies gilt insb. hinsichtlich der Wartezeit; s. § 1252 i. V. m. § 1278 RVO i. d. F. der Neuverkündung vom 15.12.1924 (RGBl. I S.779); 5. Teil Kap. IV 1. Abschnitt § 9 der (4.) Notverordnung vom 8.12.1931 (RGBl. I S.699); § 1255 Abs.2 i. V. m. § 1262 Abs. 1 RVO i. d. F. v. 17. 5. 1934. 37 I. d. F. vom 8.4.1927, RGBl. I S.98; Dreher (1978), S.82; Tennstedt (1976), S.463. 38 Worauf demgegenüber Hentschel (1978), S. 322 f., im Zusammenhang hinweisen will, wenn er zur Sozial(versicherungs)geschichte der Weimarer Zeit vermerkt: "Auch in der Invalidenversicherung war der Grund zur Familienversicherung in Gestalt der kümmerlichen Witwen- und Waisenunterstützung bekanntlich bereits von der Reichsversicherungsordnung im Kaiserreich gelegt worden. Auf ihm wurde nach der Währungsstabilisierung aufgebaut. Die Leistungen wurden aus dem Bereich sozialer Fürsorge mit Bedürftigkeitsnachweis in Renten überführt (...)", ist in dieser Form nicht verständlich. Ein von ihm (S.322) für die Weimarer Republik konstatierter angeblicher "übergang vom Prinzip der Individual- zum Prinzip der Familienversicherung" als "qualitative Veränderung" in der Sozialversicherung geht zumindest für den zentralen Teilbereich der RV an den historischen Tatsachen vorbei.

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

Machte die faschistische Familienpolitik "jede Frau zu einem offiziellen Fortpflanzungsinstrument"39 und verwies sie programmatisch ausschließlich auf die Familie, prämierte man dementsprechend Kinderreichtum auch im Rahmen sozialversicherungsrechtIicher Regelungen. Im Zuge der Kriegsvorbereitungen wurde 1938 erstmals die Berechtigung zum (Witwen-)Rentenbezug aus der RVO zugunsten kindererziehender Frauen erweitert - zur Leistungsgewährung mußte die Frau zum Zeitpunkt des Todes des versicherten Ehemannes allerdings mindestens vier "waisenrentenberechtigte" Kinder erziehen (§ 1256 Abs.1 Nr.4 RV04O). Mit dieser Maßnahme, so wurde erläutert, sei die "grundlegende Wandlung, die sich seit der Machtübernahme im nationalsozialistischen Staat bezüglich der Auffassung von der Stellung der Frau innerhalb der Volksgemeinschaft als Mutter und Erzieherin ihrer Kinder vollzogen hatte (. .. ) anerkannt und gewürdigt worden"41. In der Auswahl seiner Tatbestandsmerkmale ähnlich prägnant ausgewiesen, zeigt sich die während des Krieges vorgenommene weitere Ausdehnung des diesbezüglichen rentenrechtlichen Instrumentariums. Ab Mitte 1942 wurden der Arbeiterwitwe auch dann Zahlungen aus den Anwartschaften des verstorbenen Mannes gewährt, "wenn und solange sie mindestens zwei waisenrentenberechtigte Kinder unter sechs Jahren" erzog42 oder alternativ, wenn sie "das fünfundfünfzigste 39 Kirchheimer «1941) 1972), S. 126; zur faschistischen Frauen- und Familienpolitik insg.: Langer-EI Sayed (1980), S. 78 - 85; Heinsohn / Knieper (21976), S. 101 - 104; Winkler (1977), insb. S. 28 - 33; Jurczyk (31978), S. 59 - 63 (zur ,Frau in der nationalsozialistischen Ideologie'). Speziell zu den in Hinblick auf eine Erhöhung der Geburtenrate durchgeführten gesetzgeberischen Maßnahmen s. auch Lampert (1980 c), v. a. S. 165 - 167; dazu und allgemein zur Sozialpolitik des deutschen Faschismus: Mason (21978), hier S. 132 f. 40 I. d. F. v. 21. 12. 1937 (RGBl. I S.1393); d. i. § 13 "Gesetz über den Ausbau der (RV)" (AusbauG), in Kraft ab 1. 1. 1938 (s. § 111 Abs. 1 Ziff.4 AusbauG; Dreher (1978), S.81, verlegt diese Neuerung irrigerweise bereits auf 1937). Vgl. näher dazu: RDR (Hg.) (31941), Rdnr. I, 5 - 11 zu § 1256, S. 88 f.; Antoni (1938), S. 12 f.; und zum AusbauG insgesamt Dobbernack (1938). - Die Waisenrentenberechtigung wird mit Gesetz v. 19.4. 1939 (RGBl. I S.793) allgemein vom 15. auf das 18. Lebensjahr erhöht; s. RDR (Hg.) (31941), § 1258 Rdnr. 1 b, S.91. 41 Bothe (1939), S.20. Daß es allerdings in Wahrheit nicht um "ihre" Kinder, sondern allein um die des Mannes ging, bestätigt B. im Kontext seiner Erläuterungen zum Begriff "waisenrentenberechtigte Kinder" selbst, wenn er anhand der einschlägigen Rsp. ausführt, im Gegensatz zu "unehelichen" Kindern des Vaters, die (bei vorliegender Vaterschaftsanerkennung) als Kinder i. S. der Novellierung galten, treffe dies für ein "voreheliches Kind einer Witwe, das beim Tod des Versicherten noch keine Waisenrente bezieht", nicht zu; vgl. S.21. Zentrales Kriterium für die Rentenberechtigung der Witwe war demnach nicht, ob sie mindestens vier Kinder erzog, sondern vielmehr die erwiesene biologische Vaterschaft des Verstorbenen hinsichtlich der im Haushalt der Frau lebenden Kinder. 42 So die Formulierung des im Rahmen des ,,2. Leistungsverbesserungsgesetzes" vom 19.6. 1942 (RGBl. I S.407; AnpVO vom 22.6. 1942, RGBl. I S.411) neu geordneten § 1256 Abs.2 RVO.

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Lebensjahr vollendet und mindestens vier lebende Kinder geboren hat"43. Neben ihrer bevölkerungspolitischen Komponente dokumentieren die genannten Änderungen gleichzeitig die Zielsetzung des faschistischen Staates, auf dem Hintergrund seiner forcierten rüstungspolitischen Anstrengungen die zunehmend deutlich hervortretende Notwendigkeit einer verstärkten Einbeziehung von Frauen in den Arbeitsprozeß nicht in Frage zu stellen. Denn wurde seit Mitte der dreißiger Jahre einerseits mit Hilfe einer sukzessive restriktiver gestalteten Interpretation des Invaliditätsbegriffs der RVO versucht, vornehmlich das männliche Arbeitskräftepotential in noch umfassenderem Maße auszuschöpfen44 , stellte andererseits schon die Erweiterung der Witwenrentenberechtigung 1938 ganz auf die potentielle Verfügbarkeit der Frau im Produktionsprozeß ab. Maßgeblich war allein die aktuelle Situation der Frau im Hinblick auf z. Z. zu betreuende Kinder; so genügte, wie die Kommentierung hervorhob, insbesondere nicht, daß die geforderte Mindestzahl von vier Kindern früher einmal vorgelegen hatte45 . Komplementär zu weiteren arbeitsmarktpolitisch relevanten Maßnahmen wurde die Frau durch die Ergänzungen 1942 vom faschistischen Gesetzgeber endgültig auch über das Rentenrecht vollständig den Bedürfnissen der Kriegswirtschaft unterworfen: entweder in der Funktion der fortwährenden Kindergebärerin oder als billige Arbeitskraft46 •

43 § 1256 Abs. 1 Nr.4 RVO i. d. F. v. 19.6.1942. 44 Dies war eine, die Senkung des Krankenstandes über den permanenten Ausbau ,vertrauens ärztlicher' Kontrolle und das Verbot, Invaliditäts- bzw. BU-Rente bei Wiederaufnahme einer Beschäftigung (I) zu entziehen (ab 1941), waren andere ergriffene Maßnahmen; vgl. Tennstedt (1976), S.475, 478. 45 Vgl. die Interpretation im maßgeblichen Kommentar der Rentenversicherungsträger; RDR (Hg.) (31941), Rdnr.5 zu § 1256, S. 88. 46 Auch im Bereich der Einkommensteuer, namentlich hinsichtlich der Frage nach Haushalts- oder Individualbesteuerung, galten die Maßnahmen anfangs allein der Verdrängung der Frau vom Arbeitsmarkt. So wurde mit dem EStG vom 16. 10. 1934 (§ 26; RGBl. I S. 1005) obligatorisch die Haushaltsbesteuerung eingeführt. Dadurch wurden zukünftig Einkünfte von Verheirateten zusammengerechnet und (als ein Einkommen bewertet) mit der Folge stark überproportional wachsender Steuerschuld versteuert. Mit der Durchführungsverordnung zum EStG vom 7.12.1941 (§ 19; RGBl. I S.751) wurde unselbständige Arbeit der Ehefrau schließlich allerdings wieder aus der Zusammenveranlagung ausgenommen. Dazu auch Scheffler (1970), S. 16 f.; im weiteren Ramm (1973), S. 159 f.; die oben (Fn.39) Genannten und die im Zusammenhang mit der parallelen Entwicklung im Bereich der Heiratserstattung (s. unten, Kap. IH. A., bei Fn. 5 - 15) folgenden Ausführungen.

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I. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

1.3. Novellierungen in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Rentenreform 1957 1.3.1. Das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz (SVAG) 1949 An den potentiellen Anspruchsberechtigungen der Arbeiterwitwe auf Hinterbliebenenrente, die mit jedem neuen aufgelisteten Tatbestand nur die Differenz zur Regelung der AnV um so deutlicher werden ließen, änderte sich bis zur Gründung der Bundesrepublik nichts. Erst das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz (SVAG), kurz nach Verkündung des Grundgesetzes (GG) und vor den ersten Bundestagswahlen noch vom Frankfurter Wirtschaftsrat beschlossen, führte zu einer entscheidenden Verbesserung der Position der Arbeiterwitwe47 • Gemeinsam mit anderen Maßnahmen, die vornehmlich die Anhebung der seit Kriegsende auch in der Höhe unverändert gebliebenen Rentenleistungen (bei gleichzeitiger erheblicher Beitragsanhebung) betrafen48 , brachte das Gesetz die an keine gesonderten Voraussetzungen in der Person der Frau mehr gebundene Angleichung des Rechts auf Hinterbliebenenrente für die Witwe eines Arbeiters mit der eines Angestellten49 • Allerdings galt dies lediglich für zukünftige Versicherungsfälle ab Juni 1949; grundsätzlich ausgeschlossen blieben weiterhin alle 47 Vgl. "Gesetz über die Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge und über ihre finanzielle Sicherstellung" (SVAG) vom 17.6.1949, WiGBl. S. 99 (s. auch Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetz (KnVAG) vom 30.7.1949, WiGBl. S.202) und ÄndG vom 10.8. 1949, WiGBl. S.248 (mit im Zusammenhang nur formalem Charakter). Das vom Wirtschaftsrat erlassene SVAG galt entsprechend dessen territorialer Zuständigkeit zunächst nur im Vereinigten Wirtschaftsgebiet der britischen und US-amerikanischen Zone; vgl. Tennstedt (1976), S.482. Zwar übernahmen einzelne Länder der französischen Zone das Gesetz teilweise, s. Döring (1980), S.36, Anm. 78, insgesamt erhielten die Sozialversicherungsgesetze des Wirtschafts rates aber erst mit Verordnung der Bundesregierung vom 12.5. 1950 auch für die französische Zone Geltung; BGBl. I (1950) S. 179. 48 Siehe Art. 1 § 1 SVAG; mit einer linearen Erhöhung aller Renten wurde die Einführung einer Mindestrente verbunden, deren Wirkung kaum hoch genug eingeschätzt werden kann: bei einer durchschnittlichen Altersrente von 42,80 DM mtl. in der ArV und 25,10 DM als RVO-Witwenrente Anfang 1949, vgl. Hockerts (1980), S.88, brachte der neue Mindestbetrag von 50,- bzw. 40,- DM erhebliche und weitgefächerte Rentensteigerungen. Dabei muß freilich bedacht werden, daß die Rentenzahlungen bereits seit Jahren das Existenzminimum nicht sichern konnten. So war etwa der Index der Lebenshaltungskosten von 1938 = 100 bis Ende 1948 zwar um 73 Ofo gestiegen, die Renten aber insgesamt nur um 14 bis 35 Ofo, vgl. Hockerts (1980), S.88, so daß die Erhöhungen insgesamt unzulänglich waren; dazu auch DGB (0. J. (1952)), S. 360 f. - Art.2 § 8 SVAG dekretierte eine Beitragssatzerhöhung von 5,6 auf 10 Ofo. 49 § 3 Abs. 1 SVAG: "Die Witwenrente wird einheitlich nach dem Tode des versicherten Ehemannes gewährt. Die bisherigen einschränkenden Vorschriften des § 1256 Abs. 1 bis 3 und 5 der Reichsversicherungsordnung sind nicht mehr anzuwenden."

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Frauen, die bereits vor diesem Stichtag Witwe geworden und noch nicht mindestens 60 Jahre alt warenso. In der Konsequenz institutionalisierte diese von den daran beteiligten Parteien einmütig mit finanziellen Erwägungen begründete RegelungS! anstelle der alten Selektion eine neue bisher unbekannte Klasseneinteilung unter den hinterbliebenen Frauen. Nunmehr galt nicht mehr die Trennung zwischen Witwen, deren Ehemänner zuvor A VGoder RVO-versichert waren, sondern zwischen Arbeiterfrauen, deren Partner bereits vor Juni 1949 verstorben war, auf der einen und allen anderen hinterbliebenen Frauen auf der anderen Seite. Dies hatte zur Folge, daß weiterhin hunderttausende von Witwen vom Rentenbezug und damit von rechtlicher und sozialer Gleichstellung ausgeschlossen blieben52 • Für sie galten unverändert die unter rassistisch-bevölkerungsideologischen Gesichtspunkten ergangenen Normergänzungen aus der faschistischen Vergangenheit53 • 1.3.2. Initiativen zur Gleichstellung der Witwen während der 1. und 2. Legislaturperiode des Bundestages Markiert das SV AG auch einen zentralen Einschnitt auf dem Weg zur sozial rechtlichen Gleichbehandlung aller Witwen, da es eine deutliche und im Zeitablauf weiter zunehmende Ausdehnung des Kreises der rentenberechtigten, im Alter unabhängig von Fürsorgeleistungen (basis-)gesicherten Frauen erreichte, scheiterten in den folgenden Jahren gleichwohl alle Versuche auf parlamentarischer Ebene, zu einer 50 § 21 Abs.4 (= § 21 Abs.5 i. d. F. v. 10.8.1949) SVAG: "Der § 3 Abs. 1 gilt nur für Todesfälle, die nach dem 31. Mai 1949 eintreten. Für Ehefrauen von Versicherten, die vor dem 1. Juni 1949 Witwen geworden sind, gilt diese Einschränkung nicht, sobald sie das 60. Lebensjahr vollendet haben." - Dieselben Normierungen galten nach §§ 2 Abs.l, 10 Abs. l KnVAG auch im Bergbau. S! SO zumindest ihre übereinstimmende Darstellung später im Bundestag; s. für die SPD: Abg. Fr. Korspeter, Bt., 1. Wp., Stenogr. Ber. d . 260. Sitzung (16.4.1953; Bd.15), S. 12672 B; für die CDU/CSU: Abg. Schüttler, Stenogr. Ber. S. 12671 A; für die KPD: Abg. Renner, Stenogr. Ber. S.12673 A; auch Hockerts (1980), S.93. 52 Nähere Zahlenangaben s. unten bei Fn. 55 f. 53 Das SVAG wird in der neueren Literatur fast ausnahmslos unrichtig oder zumindest völlig ungenau (und damit ebenso zu falschen Schlußfolgerungen führend) dargestellt. Häufig wird dargetan, mit dem SVAG 1949" sei die unbedingte Witwenrente einheitlich auch für die ArV eingeführt worden; so bei v. Harbou (1972), S. 13; Bley (1979), S.247; Koeppinghoff (1982), S.67 (zudem mit falscher Gesetzesbezeichnung und Jahresangabe); zumindest ungenau: Döring (1980), S.26; Bäcker et a1. (1980), S. 355; Balluseck (1982), S. 147; Elsner (1979), S . 203; Dersch (1958), S. 510. Vg1. dagegen aber v. a . die ältere Literatur: Benner (1953); Schmatz (1953), S. 224; Bogs, W. (1968), S. 1649; Wannagat (1965), S.97, Anm.81; ders. (1973), S.84; Tietz (1977), S.133.

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1. Kap.: Frau und Alterssicherungssystem im historischen Kontext

durchgängig emanzipatorischen Regelung zu gelangen. Eine Beseitigung des "unrühmlich bekannten und nur allzu kummervollen Stichtages"54 läßt sich aufgrund des von seiten der Regierungsparteien namentlich durch die CDU/CSU - einer solchen Forderung entgegengebrachten erheblichen und anhaltenden Widerstandes während der ersten beiden Legislaturperioden des Bundestages nicht durchsetzen. Dabei wurde die gesellschafts- und sozialpolitische Relevanz der Regelung von keiner Seite in Frage gestellt. 1955 ging man auch auf Regierungsseite von "etwa 400 000 Witwen der Invalidenversicherung (aus), die bisher vom Bezug der Witwenrente ausgeschlossen sind"55, was im gleichen Jahr bei einer Gesamtzahl von rd. 1,62 Mio. gezahlten Hinterbliebenenrenten an Frauen das Volumen aller Witwenrenten um nahezu 25 0 10 erhöht hätte56 • Folge einer Streichung der Stichtagsregelung wäre gewesen, daß annähernd ebenso vielen Witwen eine Altersversorgung eröffnet worden wäre, wie insgesamt Anfang der fünfziger Jahre von der AnV gezahlt wurden57 • Allerdings muß in diesem Zusammenhang bedacht werden, daß die Grundsatzentscheidungen insbesondere gegen die alte Forderung der sozialistischen Arbeiterbewegung nach einer einheitlichen Volksversicherung, der eine sozial rechtliche Gleichstellung aller Witwen inhärent gewesen wäre und deren Verwirklichung in der ersten vorkonstitutionellen Nachkriegsphase durchaus realistische Chancen gehabt hatte 58 , bereits mit den vom bizonalen Wirtschafts rat im SV AG ge54 So die Abg. Fr. Döhring (SPD) in einer der zahlreichen Debatten über die Regelung; s. Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. der 95. Sitzung (7.7.1955; Bd.26), S. 5383 A. 55 Vgl. die unwidersprochen gebliebene Aussage des Abg. Schüttler (CDU/ CSU) bei der 1. Beratung verschiedener Anderungsvorlagen zum SVAG: 2. Wp., Stenogr. Ber. der 83. Sitzung (26.5. 1955; Bd.24), S.4568 B. Bei einer festgelegten Altersgrenze von 40 Jahren (also nicht völligen Gleichstellung) kamen rd. 37 000 Witwen aus der Knappschaftsversicherung hinzu, s. Abg. Willenberg (FU), 1. Wp., Stenogr. Ber. der 260. Sitzung, S. 12671 C. 56 Vgl. Schewe / Nordhorn (11967), Tab. S.32; eigene Berechnung. 57 Siehe ebd., S.32: Anfang 1950 zahlte die AnV 309 000, 5 Jahre später 511 000 Witwenrenten. - Vor dem Hintergrund der Zahlen erweist sich (auch unabhängig von der inhaltlichen Unstimmigkeit bzgl. der Norm selbst, vgl. Fn.53) die Aussage von Bley (1979), S. 247: "Durch die sukzessive Vermehrung der Anspruchstatbestände war der Wirkungsbereich der Anspruchslosigkeit (von Witwen RVO-Versicherter) so klein geworden, daß der Gesetzgeber mit dem (SVAG) den letzten Schritt im Verlaufe dieser Entwicklung tat (...)" (Einsch. u. Herv. Ch. H.) als m. E. unhaltbar. 58 U. a. war mit der Versicherungsanstalt Berlin (VAB) dort seit Mitte 1945 bereits eine einheitliche Sozialversicherung etabliert, die erst nach Gründung der Bundesrepublik ihre Funktionen sukzessive wieder verlieren sollte; dazu: Noetzel (1977); Peters (21973), S. 137 - 142; Wannagat (1965), S.96. Darüber hinaus existierte namentlich mit dem weithin beachteten britischen Beveridge-Plan aus dem Jahr 1942 - "Alle Personen (. ..) sollen die Gewißheit

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troffenen Regelungen negativ präjudiziert waren. Schon dort waren implizit sowohl die alte institutionelle Gliederung der Sozialversicherung als auch die Spaltung der Versicherten selbst bestätigt worden. Spätestens mit der deutlichen Niederlage der Arbeiterparteien in den ersten Bundestagswahlen im August 194959 waren auch auf dem Gebiet der Sozialversicherung die Weichen im Sinne grundsätzlicher Kontinuität und Restauration gestellt. Diese Entwicklung fand im hier beleuchteten Kontext ihren institutionellen Ausdruck v. a. im Wiederaufbau der separaten (früheren Reichs-, jetzt Bundes-) Versicherungsanstalt für Angestellte (BfA) 195360 • Die gesellschaftspolitisch gegenläufigen Tendenzen einer Rekonstruktion des traditionellen Sozialversicherungssystems hier und sozialpolitischem Fortschritt für die stets diskriminierte Gruppe der Arbeiterfrauen dort sehen die Frauen im restaurativen Klima Anfang der fünfziger Jahre eindeutig als Verlierer. Wiederholt sperrten sich die Bonner Koalitionsparteien mit zunehmend unglaubwürdiger Argumentation, die ähnlich wie von der Exekutive bereits im Kaiserreich auch jetzt eine angeblich mangelhafte finanzielle Ausstattung der Rentenversicherung in den Vordergrund schob, gegen eine Angleichung der Rechtsverhältnisse auf dem Gebiet der Hinterbliebenenrenten. Obwohl ein gegen Ende der ersten Legislaturperiode von der Sozialdemokratie eingebrachter Gesetzentwurf zur Novellierung des SVAG bereits über den Einbau einer Altersgrenze bei 40 Jahren versuchte, den Kreis der anspruchs berechtigten Witwen - und damit auch die finanziellen Auswirkungen der Regelung - zu begrenzen61 , fiel die eines zum Lebensunterhalt ausreichenden Einkommens für die Zeit haben, in der sie zu alt sind, um zu arbeiten, falls ihre anderen Einkommensquellen versiegen, und sollen diesen Lebensunterhalt durch Beiträge sichern, die während ihres arbeitsfähigen Alters durch sie oder für sie geleistet werden." Beveridge (1943), Ziff.180, S.80 u. passim (Herv. Ch. H.) - ein sozialpolitisches Reforrnmodell für eine Einheitsversicherung, das auch in den Westzonen als Grundlage einer Neuordnung hätte dienen können. Vgl. detailliert zum historischen Ablauf in den ersten Nachkriegsjahren im hier relevanten Zusammenhang die Darstellung von Hockerts (1980), S. 21 - 85. 59 Zwar betrug der Stimmenabstand zwischen CDU/CSU und SPD weniger als 2 010, doch insgesamt karnen die Arbeiterparteien auf lediglich 34,9 % (SPD: 29,2010, KPD: 5,7 010). 60 Die alte Reichsversicherungsanstalt war auf Beschluß des Berliner Magistrats seit August 1945 stillgelegt und deren Aufgaben an die einzelnen Landesversicherungsanstalten (LVA) übertragen worden; s. Tennstedt (1976), S.482. Welch weitreichender politischer Klimaumschwung in den nächsten Jahren vor sich ging, wird daran deutlich, daß dem Gesetz über die Errichtung der BfA (vorn 7.8.1953; BGBL I S.857) vorn Bundestag schließlich ohne ein Gegenvotum die Zustimmung erteilt wurde. Zur Entwicklung insgesamt nochmals Hockerts (1980), S. 150 - 155. 61 Siehe Ent. eines Gesetzes zur Änd. des SVAG vorn 10.12.1952; Bt., 1. Wp., Drs.3959, § 1 Nr.2 (hinsichtlich der Knappschaftsrenten auch unterstützt von

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Initiative schon im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages der Ablehnung zum Opfer62 • Daraufhin änderte die SPD-Fraktion zwar ihren Antrag insoweit, als sie das Alterslimit auf 50 Jahre anhob und alternativ die Erziehung von zwei Kindern (oder eines unter 6 Jahren) als anspruchsauslösend einführen wollte63 • Aber trotz der mit diesem Vorgehen erreichten nochmaligen Halbierung der prognostizierten finanziellen Belastung64 blieben die Regierungsparteien gleichwohl bei ihrer ablehnenden Haltung und wiesen auch diesen Entwurf mehrheitlich zurück65 • Zwei Jahre später zeigte das Regierungsbündnis ungeachtet dessen zumindest eine flexible und letztlich für einen Teil der betroffenen Frauen mit positiven Auswirkungen verbundene Haltung. Voraus ging eine erneute SPD-Initiative mit der Forderung nach ersatzloser Streichung der Sondernorm66 , wodurch diese wiederum Thema parlamentarischer Beratung geworden war. In der Folge sah sich auch die Bürgerkoalition veranlaßt, einen eigenen Antrag67 mit dem Ziel vorzubereiten, weiteren Parteigruppierungen; s. Drs. 3960, § 1 Nr.2; jew. Anl.-Bd.21); diese Altersgrenze wurde anfänglich bei der SPD selbst als "Weg des Kompromisses" gesehen, so die Abg. Korspeter während der 2. und 3. Lesung: Bt., 1. Wp., Stenogr. Ber. d. 260. Sitzung, S. 12672 C. 62 Vgl. die Ausführungen des Abg. Schüttier als Berichterstatter des Sozialpolitischen Ausschusses; Bt., 1. Wp., Stenogr. Ber. d. 260. Sitzung, S. 12671 B. 63 Vgl. die Erläuterungen der Abg. Korspeter, ebd., S. 12672 C f. 64 Bei einem Volumen der Rentenleistungen aus ArV und AnV von knapp 4,9 Mrd. DM 1953 (s. Stat. BA (Hg.) (1972), S. 222 f., Tab. 3 u. 4; eigene Berechnung) hätte die Regelung bei Realisierung der SPD-Ausschußforderung die Gesamtausgaben um rd. 4 Ofo (= 210 Mio. DM) erhöht; in der modifizierten Fassung noch um gut 2 Ofo (= 105 Mio. DM). Davon wären nach den Ausführungen im Bt. bei Variante 1 120 Mio. DM auf die RV-Träger und 90 Mio. DM auf den Bundeshaushalt, bei Variante 2 75 Mio. DM auf die ersteren, 30 Mio. DM auf den letzteren entfallen; vgl. Bt., 1. Wp., Stenogr. Ber. S. 12671 A f., S. 12672 D. Der Bundeszuschuß hätte demnach bei einer Gesamthöhe (ArV/AnV) von 2,4 Mrd. DM im Jahre 1953 (s. Schewe (1966), übersicht 2, S. 5) um etwa 3,5 bzw. gut 1 Ofo aufgestockt werden müssen. 65 Bt., 1. Wp., Stenogr. Ber. S. 12675 D u. 12676 D; allerdings muß die ,doppelte' Kompromißhaltung der SPD-Fraktion verwundern, da - nach ihrer und der von den KPD-Abg. vertretenen Auffassung - die finanzielle Lage der RV keineswegs dem von der Regierung weiterhin gezeichneten schlechten Bild entsprach, sondern grundsätzlich deutlich positiver eingeschätzt wurde; vgl. Abg. Korspeter (SPD), S. 12672 B f., und Renner (KPD), S. 12673 A f. Lag nach einhelliger Auffassung die Ursache der alten Sondervorschrift des § 21 Abs. 5 SVAG auf finanzieller Ebene (vgl. oben, Fn.51), fiel es der Koalition 1953 angesichts hoher wirtschaftlicher Wachstumsraten und expandierender RV-Beitragseinnahmen offenkundig schwer, die finanzielle Situation der RV weiterhin als ausschlaggebendes Motiv der Ablehnung vorzuschieben. Der verbalen Proklamation, "daß diese Härten in irgendeiner Form beseitigt werden müssen" (Protokollvermerk: "Zuruf von der KPD: Bitte, tun Sie es doch"), folgen ein Vertrösten auf eine Lösung "in der nächsten Zukunft", S. 12674 Cf., Abg. Schüttler (eDU), und ein Nein in der Sache. 66 Siehe § 1, Ent. eines Dritten Gesetzes zur Änd. des SVAG; Bt., 2. Wp., Drs.1247 (Anl.-Bd.34).

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nun ihrerseits - in Analogie zum alten SPD-Entwurf von Ende 1952 - eine deutliche Senkung der Altersgrenze (auf 45 Jahre) anzustreben68 • Bei einer Realisation wäre Resultat der Konzeption gewesen, daß die Hälfte der bis dato diskriminierten Witwen zukünftig zum Kreis der Hinterbliebenenrentenempfänger gezählt hätte, wohingegen etwa 200 000 Frauen auch weiterhin ausgegrenzt bleiben sollten69 • "Das Gesamtproblem in einem Zuge zu lösen" scheitere angeblich - wie der Sprecher der Koalitionsfraktionen erneut betonte - an den untragbaren fiskalischen Belastungen und müsse aus diesem Grund "bis zur großen Versicherungsreform" zurückgestellt werden70 • Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen71 versuchten die Sozialdemokraten vornehmlich über Hinweise auf überhöhte Kosten67 Vgl. Ent. eines Gesetzes zur Änd. des SVAG: Bt., 2. Wp., Drs. 1418 (Anl.Bd.35). Dieser Vorstoß (vom 25.5. 1955) folgt auf die SPD-Initiative (vom 9.3.1955) mit gut zwei Monaten Verzögerung. 68 Von den damaligen Koalitionsparteien CDU/CSU, FDP, DP und GB/BHE fehlt die letztere Gruppierung bereits auf der Liste der den Gesetzentwurf unterzeichnenden Fraktionen, obwohl der GB, der ausgelöst durch innerparteiliche Auseinandersetzungen über die Haltung zum Saarstatut vor der Spaltung stand, nach Austritt der ,Kraft-Oberländer-Gruppe' (sog. ,K. O.-Krise') als Restfraktion erst einige Wochen später (im Juli 1955) offiziell aus dem Regierungsbündnis ausschied; näher dazu Neumann (1968), S. 137 ff. (insb. S. 152 - 168). Die GB/BHE-Abg. Finselberger, die nicht zur K. O.-Gruppe gehörte, stellte auch während der 1. Lesung der SPD- und Koalitionsentwürfe fest, daß sie "es außerordentlich bedauere, daß man von unserer Bereitschaft, den Antrag der Koalitionsparteien zu unterschreiben, keinen Gebrauch gemacht hat": s. Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 83. Sitzung, S. 4567 A 4569 A, hier: S. 4568 D. ffl Vgl. ebd., Abg. SchüttIer (CDUlCSU), S.4568 B; und oben bei Fn.55. 70 Ebd., S.4568 C. Der entstehende Kostenaufwand wurde bei den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß auf rd. 120 Mio. DM p. a. geschätzt, die sich zu 1/3 auf die RV selbst, zu 2/3 auf den Bund verteilt hätten; s. Ausführungen der Berichterstatterin Finselberger (Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 95. Sitzung, S.5382 D); die ,Gesamtlösung' hätte zu Aufwendungen von 200 Mio. DM geführt, wovon 140 Mio. DM auf den Bundeshaushalt entfallen wären; vgl. Abg. Schüttler, S. 5384 D. - Die reale Mehrbelastung für den Bund hätte sich somit dabei 1956 - Bundeszuschuß insgesamt (AnV/ArV) knapp 3 Mrd. DM; vgl. Schewe / Nordhorn (11967), Tab. S.54 - auf 60 Mio. DM oder 2 Ofo der Gesamtüberweisungen an die GRV belaufen. Dies hätte eine Anhebung des relativen Anteils der Zahlungen des Bundes an die RV an seinem Gesamtetat um 0,2 Prozentpunkte - von 10,4 Ofo auf 10,6 Ofo - zur Folge gehabt; vgl. Schewe (1966), übersicht 4, S.7; eigene Berechnung. 71 Die Beratungen des Sozialpolitischen Ausschusses, in deren Verlauf neben dem SPD-Fraktionsentwurf auch der Versuch der sozialdemokratischen Vertreter, wenigstens die Altersgrenze auf 40 Jahre zu drücken, erneut abgewiesen wurde, erfolgten insgesamt ohne größere Zeitverzögerung, so daß bereits vier Wochen später ein dem Koalitionskonzept grundsätzlich identischer eigener Ent. vorgelegt wurde, der allerdings den vorgesehenen Termin des Inkrafttretens der NovelIierung um weitere vier Monate hinausschob; s. Bt., 2. Wp., Drs. 1493 (vom 23.6. 1955; Anl.-Bd.35). Zur 2. u. 3. Beratung des Gesetzentwurfs im Bt.-Plenum vgl. den Stenogr. Ber. d. 95. Sitzung, S. 5382 B - S. 5391 B.

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schätzungen der Regierung in der Finanzierungsfrage72 , dieser Argumentation entscheidend an Solidität zu nehmen - was den Unionsabgeordneten SchüttIer zu der kaum verhohlenen Drohung an die eigenen Koalitionsabgeordneten veranlaßte, darauf zu verweisen, daß bei einer Mehrheit für den ursprünglichen SPD-Antrag "das Ganze (... ) in Gefahr" gerate73 • Diese Intervention zeitigte gleichwohl nur insoweit den von Schüttler erhofften Erfolg, als der ersatzlose Wegfall des § 21 Abs.5 SVAG vom Parlament in zweiter Lesung schließlich abgelehnt wurde74 , konnte indes nicht verhindern, daß bei der anschließenden dritten Beratung ein neuer, kurzfristig vorgelegter Änderungsantrag der SPD, der die prinzipielle Einbeziehung kindererziehender Witwen forderte, eine deutliche Mehrheit fand - ein Ergebnis, das selbst für die SPD, wie ihre Sprecher später bemerkten, "außerordentlich überraschend" zustande kam75 • Zwar hielt man nach dieser unvermuteten Abstimmungsniederlage in den Reihen der CDU/CSU in verbaler überschätzung eine finanzielle "Katastrophe" bei der Rentenversicherung durchaus für möglich,. da man "keine weiteren Mittel zur Verfügung" habe76 ; ungeachtet dessen votiert die CDU/CSU in der Schlußabstimmung entgegen solcher Ahnung ebenso für das Gesetz in der nun vorliegenden Fassung wie anfangs für den eigenen Entwurf11. Allerdings deutet der aus damaliger (und rückblickend auch aus heutiger) Sicht für die Parlamentsgeschichte der Bundesrepublik außerge72 Siehe ebd., Abg. Döhring, S.5383 C, die versucht, die Aufmerksamkeit auf die gleichzeitigen Einsparungen über dann greifende sozialversicherungsrechtliche Anrechnungs- oder Begrenzungsvorschriften zu lenken. 73 Ebd., S.5385 A; in derselben Debatte läuft der Koalitionsabg. Hammer (FDP) (S. 5383 D) offene Türen ein, wenn er verkündet: "Seit dem Jahre 1949 gilt (...) der Grundsatz, daß die Witwe des in der Invalidenversicherung Versicherten so gestellt wird wie die Witwe des Angestellten, der in der Angestelltenversicherung versichert ist. Wir denken nicht daran, davon abzuweichen." Er übersieht dabei völlig, daß es konkret nicht um die Frage evtl. ,Abweichung' vom postulierten Grundsatz ging - dieser wurde von keiner Seite des Parlaments (mehr) in Frage gestellt -, sondern gerade um seine Ausweitung auf bisher ausgeschlossene Fälle. 74 Siehe Abstimmung über den erneuten SPD-Änderungsantrag, ebd., S. 5389 D. 75 So die Abg. Korspeter einige Monate später; Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 111. Sitzung (10.11. 1955; Bd.27), S. 6030 C. - Zum Änderungsantrag, der sich auf "vorschul-, schulpflichtige oder in Berufsausbildung befindliche Kinder" bezog, s. Anl. 6 der 95. Sitzung, S.5402 B; dafür findet sich in namentlicher Abstimmung eine Majorität von 199 gegen 151 Stimmen (bei 4 Enthaltungen, ohne W.-Berliner Stimmen), S.5412; - zur Einschätzung der Novellierung aus gewerkschaftlicher Sicht s. Stahl (1955). 76 So der Abg. Schüttler, Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. S. 5391 A; vgl. auch die solche Katastrophenfurcht entkräftende Stellungnahme des SPD-Abg. Schellenberg, S. 5391 A f. 77 Vgl. ebd., S. 5391 B.

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wöhnliche Fortgang der parlamentarischen Ereignisse darauf hin, daß dieses positive Votum vornehmlich auf die entstandene Verwirrung in den Koalitionsfraktionen zurückzuführen war und weniger auf eine Wandlung der grundsätzlichen Position im Regierungslager. Denn obgleich der Bundesrat Ende Juli 1955 - noch rechtzeitig vor dem im Gesetz bestimmten Termin seiner Wirksamkeit am 1. August - der Novellierung in unveränderter Fassung zustimmte78 , blieb die Verkündung des Gesetzes auch nach Ablauf dieser Frist aus. Dies hatte seine Ursache in dem Bemühen der Bundesregierung, das abschließende Gesetzgebungsverfahren hinauszuzögern, wenn nicht vollständig zu blockieren. Auf diesem Wege hatte sie zunächst den - schließlich erfolglosen Versuch unternommen, den Bundesrat zur Anrufung des Vermittlungsausschusses zu bewegen79 • Da aber dort keine Verzögerung des Gesetzes erreicht werden konnte, verfolgte sie ihre Absicht dadurch weiter, daß sie die Durchführung des formalen Gesetzgebungsverfahrens stoppte und das von beiden Kammern des Parlaments mit eindeutigen Mehrheiten beschlossene Gesetz dem Bundespräsidenten nicht zur Ausfertigung (nach Art. 82 Abs. 1 GG) zuleitete. Die mit diesem Vorgehen verhinderte Verkündung im Bundesgesetzblatt unterband einstweilen das Inkrafttreten der Neufassung. Der gesamte Vorgang spielte sich offensichtlich auf dem Hintergrund von auf seiten der Bundesregierung angestellten überlegungen ab, Art. 113 GG80 zur Anwendung zu bringen, der ausgabensteigernde Gesetze von der vorbehaltlichen Zustimmung der Bundesregierung abhängig macht. Zumindest zeitweise scheint im Regierungslager umstritten gewesen zu sein, ob unter Berufung auf die Vollmacht des Art. 113 GG81 78 Siehe Deutscher Bundesrat (1955), Sitzungsbericht der 145. Sitzung (22.7. 1955), S. 258 D. 79 Vgl. die Ausführungen des Staatssekretärs im BMF Hartmann, der während der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs im Brat. wegen der "erheblichen Mängel" des Gesetzes und der "wenig erfreulichen Folgen" seiner Annahme um eine Anrufung des Vermittlungsausschusses nachsucht; ebd., S. 258 B f.; s. auch unten bei Fn. 88. 80 A. F. (= vor der Neugestaltung durch das 20. Gesetz zur And. des GG vom 12. 5. 1969). 81 In der zeitgenössischen Literatur wurde Art. 113 GG (a. F.) allerdings meist als eine "absolut stumpfe Waffe" charakterisiert; so etwa bei ViaIon (21959), Anm.3/4 zu Art. 113 GG, S. 221 f., hier Anm.3. Zu einer abschließenden Zustimmungsverweigerung aufgrund der Norm kam es in der Tat bis 1969 nur in einem (hier thematisch irrelevanten) Fall; näher dazu Kirchner (1969), v. a. S.26. - Zur Neufassung des Artikels (im Rahmen der Finanzreformgesetze 1969), die insb. zu einer weiteren Kompetenzausdehnung zugunsten der Exekutive führte, s. Maunz et al. (1970), Rdnr.2 u. 3 zu Art. 113 GG, S.3 f.; Piduch (1980), Anm.6 - 10 zu Art. 113 GG, S.3 - 5; auch Hesse ( 13 1982), § 17 IV, Rdnr.650, S.243: ,,( ...) Kompetenz von wesentlicher Tragweite".

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im vorliegenden Fall tatsächlich der Wille des Gesetzgebers ausgeschaltet werden sollte. Jedenfalls hielten es weite Kreise der interessierten Öffentlichkeit und der parlamentarischen Opposition durchaus für denkbar, daß die Bundesregierung unter Anwendung von Art. 113 GG ihre Zustimmung zum Gesetz endgültig verweigern würde. Von gewerkschaftlicher Seite wurde im Herbst 1955 die Vermutung geäußert, die Regierung habe bereits effektiv ihre Zustimmung versagt82 , und auch bei den Rentenversicherungsträgern scheint man davon ausgegangen zu seins3 . Fast gleichzeitig brachte die SPD-Fraktion im Bundestag deshalb einen Antrag ein, in dem die Regierung aufgefordert wurde, das Änderungsgesetz "unverzüglich" an den Bundespräsidenten weiterzuleiten84 • Erst daraufhin erschien das Gesetz am 6. Oktober 1955 im Bundesgesetzblatt85. Noch am selben Tag aber legten die Koalitionsparteien einen Änderungsentwurf zum gerade verkündeten Gesetz vor86, der unter dem Mantel der Ausräumung angeblicher textlicher "Zweifel"87 im Ergebnis eine Einengung der durch die Novellierung neu anspruchsberechtigten Frauen verbarg. Die Stoßrichtung der Vorlage lag dabei nicht mehr auf der bis dahin verfolgten Linie, mit finanzpolitischen Argumenten sozialund gesellschaftspolitisch retardierend zu wirken, sondern zielte ganz offen auf die Diskriminierung von Müttern nichtehelicher Kinder. Absicht war, die Einbeziehung aller Witwen mit Kindern nach dem SPD-initiierten Gesetz auf waisenrentenberechtigte Kinder zurückzuschrauben. Die bereits von der Bundesregierung im Bundesrat am Entwurf der SPD entschieden vermißte Komponente, auch über die Gestal82 Vgl. Temme (1955 a). 83 Nach Aussage des langjährigen SPD-Sozialexperten Schellenberg, der sich u. a. auf zahlreiche Presseveröffentlichungen berief, hatte der VDR der BfA und den LVA bereits am 13.8.1955 per "Schnellbrief" mitgeteilt, er sei vom BMA dahingehend unterrichtet worden, daß die Bundesreg. ihre Zustimmung zum 3. ÄndG des SVAG nicht erteilt habe und die beschlossene Fassung somit auch keine Gesetzeskraft erlangen werde. BMA Storch (CDU/ CSU) erklärte dazu allerdings im Bundestagsplenum, von einer solchen Mitteilung und dem darauf basierenden Brief ohne Kenntnis gewesen zu sein; s. Bt., 2. Wp., Drs.1911, S.4 Frage 17; Beantwortung durch BMA Storch mit Zusatzfragen, Stenogr. Ber. d. 116. Sitzung (7.12.1955; Bd.27), S. 6200 D f. 84 Bt., 2. Wp., Drs.1702 vom 27.9.1955 (Anl.-Bd.37). 85 BGBl. I S.653; die SPD zog dementsprechend ihren Antrag auf Weiterleitung wieder zurück; s. Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 105. Sitzung (12.10.1955; Bd. 26), S. 5777 D. Schellenberg meinte in diesem Zusammenhang, Stenogr. Ber. d. 111. Sitzung, S. 6032 A f., die Verkündung sei "nicht zuletzt auf Grund einer lebhaften Empörung der Öffentlichkeit" erfolgt. 86 Ent. eines Gesetzes über die Änd. des Dritten Gesetzes zur Änd. des SVAG, Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, FDP und DP vom 6.10.1955; Bt., 2. Wp., Drs. 1742 (Anl.-Bd.37). 87 Ebd., Bgr., S.2.

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tung des Sozialrechts zur Stabilisierung der traditionell-bürgerlichen Familie beizutragen, die ihren Sprecher davor warnen ließ, man könne nicht das "Vorhandensein von unehelichen Kindern geradezu noch privilegieren", da diese mit dem (verstorbenen) Versicherten "weiß Gott nichts zu tun" hätten88 , greift der neue Entwurf wieder auf. In auffälliger Parallelität richtet sich der Vorstoß gegen die gleiche Gruppe unterprivilegierter Frauen, die bereits von den Änderungen der Anspruchsvoraussetzungen für Witwenrentenbezug durch den faschistischen Staat 193889 ausgeschlossen worden war. Auch hier wird die materielle Gleichstellung alleinerziehender Mütter davon abhängig gemacht, ob sich die Witwe dem herrschenden Frauen- und Familienleitbild angepaßt verhalten hat90 • Wird das Gegenteil manifest, trifft sie auch zukünftig die gesellschaftliche Sanktion in Form des ,legalen' Entzugs allgemein obligater Subsistenzmittel91 • Ungeachtet seiner augenfälligen Diskriminierungsabsicht erhielt der Änderungsentwurf schließlich ohne Gegenstimmen das Plazet des Bundestages92 und trat in Kraft93 - die sozialpolitische Forderung nach einem einheitlichen Witwenrentenrecht blieb weiterhin auf Eis gelegt.

88 Deutscher Bundesrat (1955), S. 258 B f.; s. auch die Ausführungen des Abg. Horn (CDU/CSU) bei der 3. Lesung des neuen Änderungsgesetzes; Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 111. Sitzung, S. 6031 D. 89 Siehe oben, bei und Fn.41. 90 Temme (1955 b), S.373, nimmt an, daß dadurch bis zu 20 000 Witwen, d. h. jede zehnte der neu einbezogenen, vom Rentenanspruch wieder ausgeschlossen wurde. 91 Damit wird gleichzeitig auf realpolitischer Ebene die von BMFa Würmeling (1956), S. 259, wiederholt formulierte familienprogrammatische Leitmaxime der Bundesregierung eingelöst, nach der ,,(. ..) eine Mißachtung der natürlichen Ordnung der Familie eine Aushöhlung der Grundlagen von Staat und Gesellschaft zur Folge hat und damit ihren Bestand bedroht". 92 Einstimmige Annahme erfolgt noch in der 111. Sitzung, Stenogr. Ber. S.6032 B; nachdem die SPD im Sozialpolitischen Ausschuß vergeblich eine Verbesserung des Entwurfs versucht hatte, wird von diesem der Koalitionsantrag mehrheitlich und im wesentlichen unverändert übernommen: s. Ausführungen der Berichterstatterin Döhring, Stenogr. Ber. S.6029 C - 6030 A, und Drs. 1821 (Anl.-Bd.38) der 2. Wp. 93 BGBL I (1956) S. 16.

Zweites Kapitel

Fundus und Formation der heutigen rentenrechtlichen Stellung der Frau und die Rentenversicherungsreform 1957 A. Die Vereinheitlichung der Witwenrente: Die Rentenreformgesetze 1957 Hatte das SV AG den Grundstein zur Angleichung der Rechtsposition der Witwen in den beiden Rentenversicherungszweigen der Arbeiter und Angestellten gelegt, realisierte die ,große Rentenreform' von Anfang 19571 - hinter der sich freilich unabhängig von ihrer terminologischen Kennzeichnung als ,große' Reform in Wirklichkeit lediglich der verbliebene Rest der von Bundeskanzler Adenauer bereits in seiner zu Beginn der zweiten Legislaturperiode abgegebenen Regierungserklärung vom Herbst 1953 angekündigten Vorlage eines "umfassenden Sozialprogramm(s)" und der Durchführung einer "umfassende(n) Sozialreform"2 verbarg - die Gleichstellung der hinterbliebenen Frauen untereinander (§ 1264 RVO, § 41 A VG3). Einschränkungen und Sonderfristen gibt es fortan nicht mehr. Nach jahrelanger, von Parteien, Verbänden und einer breiten Öffentlichkeit teilweise kontrovers geführten Diskussion4 waren auf parla1 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter (ArVNG) vom 23.2.1957, BGBL I S.45; Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (AnVNG) vom 23.2.1957, BGBL I S. 88. Beide Gesetze traten rückwirkend zum 1. 1. 1957 in Kraft. 2 Vgl. Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 3. Sitzung (20.10.1953; Anl.-Bd.18), S. 11 C - 22 A, hier S. 13 D; schon während der Schlußberatungen zu den RVÄndG meinte der FDP-Abg. Becker, Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 187. Sitzung (21. 1. 1957; Bd.34), S. 10596 B f.: "Der dem Deutschen Bundestag erst drei Jahre (nach Ankündigung einer Sozialreform), im Sommer 1956, vorgelegte und offenbar in großer Eile verfertigte Regierungsentwurf (. ..) enthielt nicht die Konzeption einer Sozialreform, sondern beschränkte sich auf die Rentenversicherung. Er enthielt an sich überhaupt keinen Beginn einer Gesamtreform, die aus dem Dickicht unübersichtlicher Bestimmungen herausgeführt hätte, sondern nur .Flickwerk an dem Gebäude der Reichsversicherungsordnung, (...)" (Einsch. Ch. H.). 3 Jew. i. d. F. d. NeuregelungsG: "Nach dem Tode des versicherten Ehemannes erhält seine Witwe eine Witwenrente." 4 Wegen der Vielzahl der (publizierten) Forderungen und Vorschläge sei hier auf zentrale zusammenfassende Darstellungen verwiesen: Hönig (1961), v. a. S.6 - 27; Hockerts (1980), S. 362 - 399 (insb. zum Einfluß der Interessengruppen).

A. Witwenrentenangleichung: Die Reform 1957

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mentarischer Ebene schließlich zwei verschiedene, in sich gleichwohl in grundsätzlichen Fragen bereits Konsens ankündigende und - wie sich zeigen sollte - auch im Detail kompromißfähige Gesetzentwürfe von SPDs und Regierung6 entstanden7• Beide Vorlagen basierten bis auf wenige Ausnahmen auf einer grundsätzlichen Rechtsidentität für AnV und ArV8 ; andererseits blieben, wenn auch zunächst kein separates A VG mehr vorgesehen war9, die Versicherungszweige selbständig und organisatorisch unabhängig voneinander erhalten - was in der Folge vornehmlich der finanziellen Ausstattung der AnV zugute kam10• Siehe Bt., 2. Wp., Drs.2314 (Anl.-Bd.41) vom 18.4.1956. Siehe Bt., 2. Wp., Drs.2437 (Anl.-Bd.42) vom 5.6. 1956; bedeutenden Einfluß auf den Meinungsbildungsprozeß auf regierungsorientierter Seite nahm insb. der sog. ,Schreiber-Plan' aus dem Jahre 1955 (s. ders. «1955) 1981), dessen Vorschläge, wie Sch. (S.243) anführte, "wesentlich auf dem Prinzip der Gleichheit von Leistung und Gegenleistung" beruhten, d. h. Fürsorge- und Versorgungs elemente aus der GRV weitmöglichst ausschalten wollten - was u. a. die "radikale Unterdrückung" von Bundeszuschüssen einschloß (S. 223 f., hier S.224). Vgl. im Zusammenhang auch Hockerts (1980), S.309, 316 f.; Schewe (1977), S.242. 7 Zu den parlamentarischen Beratungen der Gesetzentwürfe s. die noch getrennte Behandlung der Entwürfe in 1. Lesung: einerseits: Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 143. Sitzung (4. 5. 1956; Bd.29), S. 7563 D - 7573 C, zum SPDEnt.; andererseits: Stenogr. Ber. d. 154. Sitzung (27.6. 1956; Bd.31), S. 8334 C 8385 C, zum Reg.-Ent. Beide Vorlagen wurden getrennt an den Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen. Die Beratungen in 2. und 3. Lesung fanden am 16. - 18. 1. bzw. 21. 1. 1957 statt; vgl. Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 184. - 186. Sitzung, S. 10177 ff., S. 10303 ff. u. 10383 ff., und d. 187. Sitzung, S. 10507 - 10599 A (jew. Bd. 34). 8 Namentlich der Reg.-Ent. befürwortete auch für die Zukunft eine "vorgezogene" Altersrente für Angestellte mit 60 Jahren (vgl. oben, Kap. 1. C. 1.1.2., Fn.23 a. E.), sofern diese mindestens ein Jahr arbeitslos gewesen waren, ohne die Regelung auch für Arbeiter/innen vorzusehen; vgl. Reg.-Ent., Art. 2 § 11, S. 39. - In der schließlich verabschiedeten F wurde diese Diskriminierung aufgegeben, vgl. § 1248 Abs.2 RVO i. d. F. v. 23.2.1957. 9 Allerdings änderten Regierung und CDU/CSU-Fkt. ihre einheitliche Gesetzeskonzeption noch vor Beginn der inhaltlichen parlamentarischen Arbeit; vgl. die Nw. bei Hockerts (1980), S.372, Fn.197, u. S.417, vor Fn.406. Dies geschah nicht zuletzt unter dem Einfluß massiver DAG-Forderungen nach Beibehaltung von Angestelltenprivilegien; s. etwa Schneider, G. (1956) (CDUMdB u. Stellv. DAG-Vorsitzender), der eine "tödliche Bedrohung der Angestellten" ausmachte, und die Zusammenstellung der Proteste der Angestelltenverbände durch die BfA (1956), hier S.127, die unter dem irreführenden Titel "Proteste von allen Seiten" (Herv. Ch. H.) publiziert wurde. - Auch die ursprünglich nicht mehr vorgesehene Versicherungspflichtgrenze für Angestellte (dazu bereits oben, Kap. 1. C. 1.1., Fn.8) tauchte bald wieder auf; näheres bei Hockerts (1980), S. 376 f. 10 Die strukturell bedingten Änderungen (tendenziell sinkende Zahl von Arbeitern gegenüber Angestellten) zwischen Arbeiter- und Angestelltenrenten wurden nicht berücksichtigt. Die relativ höhere Anzahl von RVO-Renten und eine sinkende Zahl von Beitragspflichtigen bei umgekehrt proportionaler Entwicklung im Bereich des AVG wurde erst durch den mit dem 3. RVÄndG vom 28.7.1969 (BGBl. I S.956) eingeführten Finanzausgleich rentenversiche5

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11. Kap.: Fundus und Formation der heutigen GRV-Stellung der Frau

Innerhalb der Gesamtkonzeption spielte die von beiden Entwürfen ausnahmslos befürwortete Gleichstellung der Witwenll keine Rolle mehr. Trotz der vorausgegangenen jahrelangen Auseinandersetzungen verwundert dies allerdings ebensoweIiig wie die sodann ohne jegliche Diskussion auch vom Bundestagsplenum beschlossene einheitliche Gestaltung der Witwenrenten l2 . Auf dem Hintergrund des finanziellen Volumens der Gesamtreform, die eine Weitung der Rentenausgaben um etwa 40 Ofo beinhaltete13 , hatten mit finanziellen Argumenten geführte gegenläufige Bestrebungen alle überzeugungskraft eingebüßt. 1. Zur normativen Neugestaltung der Witwenrente

Formal differenziert das neue Recht die Höhe der Witwenrente nach Kriterien, die ähnlich den Normen gestaltet sind, die in der Vergangenheit für die grundsätzliche Bewilligung einer Arbeiterhinterbliebenenrente von Bedeutung gewesen waren. Die Witwe wird insofern direkt in den Ablauf der Rentenfestsetzung einbezogen, als für ihre abgeleitete Sicherung nunmehr alternativ die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen in ihrer Person über die Bewilligung einer ,kleinen' oder ,großen' Witwenrente entscheidet. Sofern der Ehemann die versicherungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt hat - wozu im Gegensatz zum alten Recht14 nur noch die Einlösung einer Wartezeit von fünf Jahren gefordert wird (§ 1263 Abs.2 RVO, § 40 Abs.2 AVG)15 - , geht es dabei nun generell nicht mehr um rungsrechtlich zur Kenntnis genommen. Einen Finanzausgleich zwischen den Versicherungsträgern, der sie zu allgemeiner Liquiditätshilfe verpflichtet, wurde endgültig erst durch Art.3 § 6 des 20. RAG vom 27.6.1977 (BGBL I S. 1040) geschaffen (vgl. § 1383 a RVO, § 110 a AVG); dazu näher: Sozialbericht der Bundesregierung 1978, Bt., 8. Wp., Drs.8/1805 (vom 12.5. 1978; Anl.-Bd. 242), Ziff. 81, S. 25. 11 Vgl. SPD-Ent., § 28 Abs.l, S. 13, u. Bgr. S. 66 f.; Reg.-Ent., § 1268, S. 18, Bgr. S. 76. 12 Vgl. zur Einzelabstimmung der Vorschriften zur Witwenrente - nach dem Reg.-Ent. § 1268 RVO bzw. § 40 AVG - in der 2. Lesung der RVÄndG, Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. S. 10348 B; in der Schluß abstimmung der Gesetzentwürfe stimmten (insb. gegen 32 FDP-Stimmen) Unions- wie SPD-Fraktion den Vorlagen zu (bei 440 abgegebenen Stimmen votierten 398 Parlamentarier mit "Ja"); s. 3. Lesung, Stenogr. Ber. S. 10599 A. 13 Von 9,8 Mrd. DM 1956 auf knapp 14 Mrd. DM 1957; s. Schewe (1966), übersicht 2, S. 5. 14 Die restriktiven Bestimmungen des Anwartschaftserhalts im a. R. (§§ 1264 ff. RVO a. F., §§ 33 ff. AVG a. F.), nach denen vom Versicherten in jedem Jahr eine Mindestzahl von sechs Monatsbeiträgen erbracht werden mußte, um die insgesamt erworbenen Anwartschaften nicht zu verlieren, sind durch die Reform gestrichen worden; dazu Wannagat (1957), S.365; ders. (1965), S. 118 f. Eine deutliche Angleichung der entsprechenden Normen von AVG und RVO hatte bereits das Ausbaugesetz 1937 gebracht; vgl. Dobbernack (1938), S. 5 f.; Reinbach (1938), S. 2.

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die Frage der grundsätzlichen Bewilligung einer Witwenrente, sondern ausschließlich um die materielle Ausgestaltung der Leistung. Kausaler Betrachtung entsprechend, löst allein der Tod des Mannes obligatorisch (wie bisher schon in der AnV) Unterhaltsersatzleistungen an die Frau aus l6 • Da sich allerdings die kleine Witwenrente in der schließlich verabschiedeten Fassung lediglich auf die Hinterbliebenenfälle erstreckt, bei denen die Frau zum Zeitpunkt des Todes ihres Mannes weder das 45. Lebensjahr vollendet hat noch invalide ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht (§ 1268 Abs.1 u. 2 RVO; § 45 Abs.1 u. 2 AVG), d. h. ohne jeden - ideologisch erkannten - Negativeffekt für ihre Reproduktivaufgaben für den Arbeitsmarkt verfügbar ist, bleibt die Regelung gesellschaftlich und sozialpolitisch in der Folge ohne nennenswerte Relevanz. So entfielen bei 3,927 Mio. laufenden Witwenrenten (incl. KnRV) Anfang 1982 genau 3,9 Mio. auf die große, lediglich 27000 Frauen (ArV/AnV) bezogen die kleine Witwenrente l7 ; dies nicht zuletzt deshalb, da spätestens mit 46 Jahren die gleichsam naturgemäße Umwandlung der Rente erfolgt. Im Gegensatz zur ursprünglichen Konzeption der Bundesregierung, die nach eigenem Bekunden "auch im frühen Lebensalter durch Berücksichtigung der Zurechnungszeit (.) eine Rente in ausreichender Höhe gewährt" wissen wollte l8 , kann die kleine Witwenrente aufgrund ihrer rechtlichen Ausgestaltung nie mehr als einen Zuschuß für den Lebensunterhalt der Anspruchsberechtigten bieten. Zum einen kommt hier die genannte Zurechnungszeit nicht zum Tragen - eine Anleihe beim neu 15 Bei Arbeitsunfall oder Invalidität bzw. Tod des Versicherten infolge Wehr- und Kriegsdiensteinsatzes gilt die Wartezeit darüber hinaus in jedem Fall als fiktiv erfüllt: § 1252 RVO, § 29 AVG. - Seit der sog. "Härtenovelle" (RVÄndG v. 9.6.1965; BGBL I S.476) wird daneben auch dann Witwenrente bewilligt, wenn dem Versicherten selbst z. Z. seines Todes Versichertenrente nach a. R. zustand. Dies war für die Fälle von Bedeutung, bei denen der Versicherte die Wartezeit, auf die seit der Reform grundsätzlich nur Versicherungszeiten ab 1924 angerechnet werden (§ 1249 RVO, § 26 AVG) , nicht mehr erfüllt hatte. Näheres dazu bei Tietz (1977), S. 126, 130; Pelikan (51979), S. 343 f. 16 Büßt die Rente dadurch die ihr zugeschriebene Funktionalität ein, daß die Witwe erneut heiratet, entfällt sie - unter Zahlung einer Abfindung (§ 1302 Abs. 1 RVO; § 81 Abs. 1 AVG) - dementsprechend, um ggf. bei Scheidung dieser Ehe wieder aufzuleben (§ 1291 Abs. 1 u.2 RVO, § 68 Abs. 1 u. 2 AVG). - Zu den Ausnahmen aufgrund der moralisch-materiellen Verzahnungen des bis zum 1. 7.1977 geltenden Scheidungsrechts vgl. Kap. III. E. 1., Fn.28. 17 Vgl. Rentenanpassungsbericht (RAnpB) 1982; Bt., 9. Wp., Drs.9/1551 (v. 1. 4. 1982), übersichten I 9, II 16, S. 50, 80; eigene Berechnung. Von insg. 1222902 gezahlten Witwenrenten aus der AnV im April 1983 waren lediglich 9632 kleine Witwenrenten; s. BfA (1983), S. 210. 18 Reg.-Ent. zum RVÄndG 1957, Drs. 2437, Bgr., S. 77.

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formierten Invaliditätsrecht, das ggf. mit Hilfe eben einer terminologisch als Zurechnungszeit ge faßten Bewertung von fiktiven Versicherungsjahren die anrechnungsfähigen Beitragsjahre stets bis zum 55. Lebensjahr auffüllt (§ 1260 RVO; § 37 AVG) und auf diese Weise invaliditätsbedingte Minirenten zu verhindern sucht. Zum anderen fußt die Leistung - in einem zweiten Rekurs auf die Ausgestaltung des neuen Invaliditätsbegriffs 19 - auf den Berechnungskriterien der als Teilversorgung konzipierten Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU), deren Höhe durch eine gegenüber vollständiger Invalidität (= Erwerbsunfähigkeit, EU) oder Alter um ein Drittel gesenkten Anrechnung jeden Beitragsjahres gekennzeichnet ist (§ 1253 Abs. 1 RVO; § 30 Abs. 1 AVG)20. Eine BU-Rente erreicht somit zwar ceteris paribus zwei Drittel der Höhe anderer Versichertenrenten - nicht aber auch die kleine Witwenrente in Relation zur großen; gegensätzlich zu jener kennen BU- und große Witwenrente sehr wohl Zurechnungszeiten21 • Damit sind die dominanten Unterscheidungsmerkmale der beiden Arten von Hinterbliebenenrenten für die verheiratete Frau genannt. Zum erhöhten Steigerungssatz der großen Witwenrente tritt hinzu, daß sie stets zumindest der EU-Rente des verstorbenen Mannes angelehnt zur Auszahlung kommt (also Zurechnungszeiten berücksichtigt), wobei ihre anteilige Höhe an der Versichertenrente - mit Ausnahme der sich davon materiell positiv abhebenden, neu ins Hinterbliebenenrecht aufgenommenen Normen zum sog. Sterbequartal (§ 1268 Abs.5 RVO; § 45 Abs.5 AVG)22 - dann 6110 beträgt23 • Siehe dazu insg. oben, Kap. I.C.1.1.2., Fn.27. Vgl. näher unten im Zusammenhang mit der ,Rentenformel' bei Fn.29. - Die Fassung entspricht somit weniger der Regierungsvorlage als der ursprünglichen Konzeption der SPD-Fraktion, deren Ent. (s. Drs.2314, § 29 Abs.2, S. 14, u. Bgr. S.67) für jüngere Frauen nur bei Kindererziehung bzw. Berufsunfähigkeit existenzsichernde Hinterbliebenenrenten vorsah. Ähnlich gestaltete sich auch die Konzeption des DGB; vgl. Entschließung des 4. ordentl. DGB-Bundeskongresses (1. - 6. 10. 1956), Hamburg; abgedr. u. a. bei Richter (1970), H I 1 g, S. 37. 21 Falsch insoweit v. Harbou (1972), S. 130; ebenso gilt bei ihr (vgl. S. 126) für die Hinterbliebenenrente irrigerweise eine Wartezeit von 15 Jahren. 22 Danach erhält die hinterbliebene Frau in den ersten drei Monaten nach dem Tod des Mannes dessen volle Rente. Der Regelung lag eine Anregung des SPD-Reformentwurfs (Drs. 2314, § 29 Abs.3 u. 4, S.14) zugrunde, die für sechs Monate volle Rentenbezüge vorsah, da "nach dem Tode des Arbeiters oder Angestellten (.) seiner Witwe (...) die Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse wirtschaftlich erleichtert werden (soll)" (Bgr. S.67). - Die Norm hat im Hinblick auf die zuvor mögliche nachteilige Bewertung des vorherigen Bezugs von BU-Rente durch den ansonsten erwerbstätigen Mann auch im ,Sterbevierteljahr' wurde daraufhin lediglich BU-Rente bewilligt aufgrund BVerfGE 32.365 ff. (vom 8.3. 1972; mit einleuchtend schlichter Begründung: "Im Regelfall bringt der Tod eines berufsunfähigen Rentners keine geringeren Aufwendungen mit sich als der Tod eines erwerbsunfähigen Rentners." S.370) mit dem RRG 1972 (BGBL I S. 1965) rückwirkend ab 19

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2. Zum strukturellen Verhältnis zwischen Witwen- und Versichertenrente Bereits die Gesetzesausgestaltungen zur Hinterbliebenenrente selber weisen erneut auf die enge Affinität zwischen der Witwenversorgung und der Neugestaltung der Versichertenrenten. Die mit dem akzessorischen Charakter von Hinterbliebenenrenten verbundenen 1mplikationen können deshalb zureichend auch erst auf dem Hintergrund einer Kennzeichnung der mit der Reform veränderten Orientierung und Gestaltung der Originärrenten spezifiziert werden. Der Sachverhalt wird bereits bei einer mehr globalen Betrachtung der Zielsetzungen der Reform bestätigt. Allgemein zielten die als grundlegend hervorgehobenen Anliegen der Reform 1957 auf eine Neudefinition von Stellung und Status des versicherten Erwerbstätigen selbst - sowohl hinsichtlich seiner Position als Beitragszahler innerhalb des sozialen Sicherungssystems wie v. a. als Rentenbezieher im Rahmen einer der ökonomischen Prosperitätsphase entsprechenden Einordnung in die gegebene Sozialstruktur. Konkret zielten die Bestrebungen primär auf eine deutliche und gleichzeitig andauernde Hebung der materiell als völlig ungenügend ausgewiesenen Alters- und 1nvaliditätsversorgung der Rentner24• 1. 3.1972 eine Modifikation erfahren, die in jedem Fall "mindestens (.) die Rente (...), die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zustand" (§ 1268 Abs. 5 RVO; § 45 Abs. 5 AVG), garantiert. 23 Vgl. nochmals § 1268 Abs.2 RVO, § 45 Abs.2 A VG: große Witwenrente; § 1268 Abs. 1 RVO, § 45 Abs. 1 AVG: kleine Witwenrente. Insgesamt dazu, wie sich das Hinterbliebenenrentenrecht unmittelbar nach der Reform 1957 darstellte, näher: Zewe (1957). 24 Allerdings gingen die politischen Beweggründe zur Durchführung der Reform (zumindest was die Regierung[sfraktionen] betraf) erheblich weiter; die Motive zielten nicht zuletzt auf eine sozial-( = innen-)politische Absicherung der eigenen Wiederaufrüstungspolitik - auf ideologische Instrumentalisierung der "Sozialreform" im kalten Krieg (erst im März 1956 war schließlich die Wehrverfassung verabschiedet worden) - was insb. der CDU/CSUFraktionsvorsitzende Krone in einer zum Abschluß der Parlamentsberatungen zu den Neuordnungsgesetzen abgegebenen Erklärung deutlich herausstellte (Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 187. Sitzung, S. 10594 Cf.; Herv. i. Orig.): "Je mächtiger heute die Kräfte des Kollektiven sind, um so mehr hat der verantwortliche Politiker die persönliche Initiative, das familiäre Eigenleben, das Streben nach Fortkommen und sozialem Aufstieg zu verteidigen. (...) Die Welt des Kollektivismus bedroht vom Osten her den Geist und die Struktur des freiheitlichen Westens. (...) Die Sicherheit der westlichen Welt (bedarf) neben der militärischen Verteidigung gerade auch der gesellschaftlichen Ordnung und weithin Neuordnung. Beides ist notwendig, die Sicherheit nach außen und die soziale Ordnung im Innern. Beide sind getragen von dem gleichen Willen zur nationalen und persönlichen Freiheit. Es ist eine gefährliche Illusion, zu glauben, man könne die soziale Ordnung im Innern ohne die Sicherheit nach außen aufbauen und gewährleisten. (-) Die Aufgabe stellt uns vor größte Anforderungen. Die Reform der Sozialversicherung umfaßt nur einen Teil dessen, was geordnet werden muß." - Zur

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In der Tat erreichten trotz wiederholter Aufbesserungsgesetze seit 195025 die Durchschnittsrenten 1956 in der IV ganze 28 %, in der AnV 32 % der vergleichbaren Bruttoarbeitsentgelte von Erwerbstätigen26 . Rentnerdasein verband sich demzufolge i. d. R. mit dem Verlust der bisherigen sozioökonomischen Stellung; häufig mit Transfereinnahmen, die weit unterhalb der aktuellen Fürsorgesätze angesiedelt waren27 • Die zentrale konzeptionelle Neuerung der Reform, die ihre - wenn auch in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellte - gesellschafts- und sozialpolitisch außergewöhnliche Relevanz beinhaltet, lag in der Orientierung, Invalide und Altersrentner an der volkswirtschaftlichen Entwicklung über die Dynamisierung der ihnen zufließenden Leistungen zu beteiligen28 ; d. h. in dem Versuch, den Realwert der Renten in Abstimmung mit den Veränderungen des jeweils aktuellen Lohnund Preisgefüges periodisch zu korrigieren. Sollten aber die Nominalwerte einmal festgestellter Renten in Zukunft real zumindest konstant gehalten werden, erzwang dies explizit zum einen eine Aufhebung der bisherigen statischen Betrachtungsweise und der Berechnungsgrundlagen bei der Festsetzung der bereits laufenden GRV-Renten; zum anderen hinsichtlich aller zukünftigen Renten eine Neuorientierung des Anspruchserwerbs für die noch Erwerbstätigen. Bei der Verwirklichung dieses Zielrasters konnte von den tradierten versicherungstechnischen Grundlagen lediglich der Faktor ,Zeit' - die Einbeziehung der individuellen Versicherungsdauer, die seit dem ursprünglichen IVAG stets einen (wenn auch insgesamt bescheidenen) Einfluß auf die Rentenhöhe ausgeübt hatte - auch bei der Neuordnung Pate stehen. Er geht als ein entscheidender Mosaikstein in die neu geschaffene ,Rentenformel' ein. Daneben bestimmen seither die individuelle Rentenleistung eines Versicherten:

politischen Verknüpfung von Rentenreform und Wiederbewaffnung (wenn auch auf persönliche Motive Adenauers reduziert) s. im weiteren Hockerts (1980), S. 285 u. 415 f. 25 Zwischen SVAG und Rentenreform 1957 kam es immerhin zu fünf weiteren Aufbesserungsgesetzen; vgl. die Zusammenstellung bei Peters (21973), S. 159 f. 26 Vgl. Hentschel (1978), S.327; Wannagat (1965), S. 106; Rauschenbach (1982), S. 1. 27 Siehe Hockerts (1980), S. 206 f.; trotzdem nahmen 1955 lediglich 2,9 % der GRV-Rentner zusätzlich öffentliche Fürsorge in Anspruch (s. Hockerts, S.213), da der weit überwiegende Teil der potentiell Anspruchsberechtigten seine rechtlichen Möglichkeiten nicht ausschöpfte. - Dazu, wie wenig sich im Zusammenhang seither geändert hat, die Ausführungen zur Altersarmut bei Frauen (unten, Kap. IV.B.2., insb. Fn. 32). 28 Zur Entwicklung der letzten Jahre näher unten, v. a. Kap. V.A.1.

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(1) der ins Verhältnis zur Einkommensentwicklung aller Lohnarbeiter gestellte individuelle Arbeitsverdienst des Versicherten (Prozentsatz der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage), (2) die Anbindung an die aktuelle Entwicklung aller Löhne durch einen - auf Basis des Durchschnitts der Bruttoarbeitsentgelte der Versicherten in einem festen Zeitraum vor Eintritt des Versicherungsfalls - periodisch ermittelten Wert, die sog. allgemeine Rentenbemessungsgrundlage, und (3) der auch im alten Recht gebräuchliche jährliche Steigerungssatz, durch dessen nach BU-/EU-Rente unterschiedene Höhe letztlich auch der Einfluß der zurückgelegten Versicherungsjahre auf die Rentenhöhe variiert wird29 • Auf dem Hintergrund der nach diesem versicherungsmathematischen Gerüst neuberechneten Renten erhöhen sich die Leistungen für einen ehemals Versicherten beträchtlich, und zwar um mehr als 59 Ofo in der ArV bzw. fast 66 Ofo in der AnV3O • Wie diese kurze Beschreibung der Rentenformel erkennen läßt und bereits weiter oben im Zusammenhang mit der Etablierung des sozialen Alterssicherungssystems angedeutet wurde3!, bestätigt die Reform 1957 auf diese Weise nicht nur die traditionellen Strukturprinzipien des Rentenrechts, sondern sie drängte insbesondere alle (privat-)versicherungsfremden Elemente in bedeutendem Umfang zurück32 • Die damit skizzierte Rentenformel R = (B X P) X (J X, St)* (wobei B X P = C) ist, im einzelnen systematisch dargestellt, in jedem beliebigen Sozialrechts(-politik-)Lehrbuch zu finden; sehr instruktiv aus neuerer Zeit v. a. die Erläuterungen bei Bäcker / Elsner (1979), S. 12 - 16. Ich beschränke mich deshalb hier auf die mir thematisch notwendig erscheinenden Anmerkungen. ,. Zeichenerklärung: R Jahresrente; R/12 = Monatsrente Ballgemeine Rentenbemessungsgrundlage (a. Bgrl.) Prozentsatz der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage oder perP sönlicher Vomhundertsatz (p. Vhs.); versicherungstechnisch die Relation aller ,jährlichen persönlichen Rentenbemessungsgrundlagen' W erteinhei ten zum Versicherungszeitraum J = anrechnungs fähige Versicherungsjahre St = Steigerungssatz je Versicherungsjahr C = persönliche Rentenbemessungsgrundlage (p. Bgrl.) 30 Betrug die durchschnittliche Versichertenrente vor der Reform bei einem vergleichbaren Aktiveneinkommen von 420,- DM monatlich (durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt 1957: 5043,- DM) - lediglich 90,50 DM (ArV) bzw. 138,- DM (AnV), erhöhte sich diese immerhin auf 144,- DM und 228,60 DM monatlich; vgl. Sozialbericht 1958 (Bt., 3. Wp., Drs.568 vom 15. 10. 1958; Anl.-Bd.59), übersicht 27, S.23; daneben Schewe / Nordhorn (11967), S.35, auch S.45; Hentschel (1978), Tab. 1, S.333; Braun (1978), S.297, die als Beträge nach a. R. tw. minimal niedrigere Werte ausweisen. 31 Siehe Kap. 1. B. 29

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Zwar berührt vom Konstruktionsansatz her die Substitution der statischen Beitrags-/Leistungsäquivalenz durch eine Dynamisierung der Rentenleistungen mit Hilfe ihrer Kopplung an die aktuelle Lohnentwicklung apriori die versicherungstheoretischen Grundlagen des alten Rentenrechts ebensowenig wie der gleichzeitig vorgenommene Wechsel der Finanzierungsmethode33 durch die (sukzessive) Einführung des Umlageverfahrens statt der bis dato zumindest nominell festgelegten Kapital- (bzw. Anwartschafts-)deckung34.

32 Grundlegend zu den mit den Prinzipien (die je nach politischer Provenienz der Autoren definitorisch vornehmlich sozial- oder versicherungstheoretisch abgeleitet werden) verbundenen Implikationen: Sozialenquete (1966), v. a. Ziff. 132 - 134, S. 60 f., Ziff. 141 - 146, S. 62 f.; Preller (1970), S. 313 f., 321; Pfaff / Voigtländer (1978), S. 29 f.; Brück, G. (1978 b), S. 50 - 54; Bogs, W. (1955), S. 15 - 17 (s. unten Fn.39); BVerfGE 17.1 (9 ff.); BVerfGE 48.346 (357 ff.), jew. m.w.Nw. 33 Zur versicherungswissenschaftlich-methodischen Abgrenzung einzelner Finanzierungsverfahren der Alterssicherung vg1. Kreßmann (1971), S. 74 - 76; Thullen (1980), S. 89 - 97; speziell zur Begründung des übergangs zum Umlageverfahren 1957 s. die Ausführungen von Schreiber in seinem "Plan" 1955, ders. «1955) 1981), S. 226 - 230; auch ders. (1956), S.3 f. 34 Das Umlageverfahren wird in der Diskussion - s. die Zusammenstellung neuerer Literatur bei Schmähl (1981 b), S.162 - durchgängig mit einem Mackenroth-Satz (Mackenroth (1952), S.41; im Orig. hervorg., Ch. H.) garniert, wonach "aller Sozial aufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß" - allerdings (viel zu oft) ohne die notwendige begrifflich-analytische Abgrenzung. So bezeichnet Ruf (1979), S. 338 (ähnlich Ehrenberg / Fuchs (1980), S. 229) den Generationenvertrag griffige Definition: "Die aktive Generation bezahlt die Renten der älteren Generation in der Erwartung, daß ihr wiederum im Alter die Rente durch die dann Erwerbstätigen gezahlt wird": Bäcker / Elsner (1979), S.35; ebenso: Schreiber «1955) 1981), S.234; Bäcker et a1. (1980), S. 359 f.; Ehrenberg / Fuchs (1980), S. 353 f.; Rürup (1979), S.243, Fn.9; Zacher (1977), S.211 (m. w. Nw., Fn. 72) - in Verbindung mit dem Umlageverfahren als "nichts anderes als die Konsequenz" der M.-These und Döring (1980), S. 109, meint, durch Akkumulation von Kapitalien (also mit Blick auf die RV: Finanzierung durch ein Kapitaldeckungsverfahren) werde das reale Produkt der Volkswirtschaft in einer zukünftigen Periode, in der die Renten anfallen (die ,angespart' werden), nicht vermehrt, woraus folge, daß "es letztlich sinnvoller ist, jeglichen Sozialaufwand aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode zu decken". (Herv. Ch. H.) Während damit bei Ruf irrigerweise M.s volkswirtschaftlich begründeter Aussage ein rentenversicherungstechnisches Finanzierungsverfahren über eine Umlage als dem ausschließlich möglichen System zugeordnet wird und so zwei zu trennende Ebenen miteinander vermischt werden, verkennt Döring die im makroökonomischen Maßstab gegebene - und von M. auch nur dort gesehene - Faktizität der wiedergegebenen Erkenntnis, die sich bereits deshalb einer Kategorisierung nach ,sinnvoll/nicht sinnvoll' verschließt. M. selber weist darauf hin, daß Kapitalansammlungs- und Umlageverfahren volkswirtschaftlich gesehen "der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden sind" (Mackenroth (1952), S.43; näher dazu auch Rürup (1979), S.244; Schmähl (1980), S. 397 - 402). - Bei Einführung des IVAG waren den Akteuren diese Zusammenhänge noch gänzlich unklar, so, wenn der Reg.-Ent. zum IVAG, S. 59, das Umlageverfahren insb. deshalb ablehnte, da es sich um "eine rein persönliche Last" handle, "welche von den Lebenden selbst voll getragen werden muß und nicht füglich auf die Nachkommen

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Gleichwohl binden die zentralen Elemente der Rentenformel - die Relation von Arbeitseinkommen des Versicherten und Lohnhöhe aller Beschäftigten in Verbindung mit den individuell zurückgelegten Arbeits- (= Beitrags-)jahren - gerade die Qualität der späteren Rente in zuvor nicht gegebenem Ausmaß ausschließlich an das berufliche ,Schicksal' des Versicherten. In logischer Konsequenz dessen spricht man auch auf programmatischer Ebene seither nicht mehr von der reinen Subsistenzsicherungs-, sondern vorrangig von der Lohnersatzfunktion der Rente35 • Der Regierungsentwurf zur Reform formulierte in diesem Zusammenhang, durch die Neuordnung solle nach 40jähriger Versicherungsdauer gesichert werden, "daß der Versicherte als Rentner unter Berücksichtigung seiner verminderten Bedürfnisse den Lebensstandard aufrechterhalten kann, den er im Durchschnitt seines Arbeitslebens gehabt hat"36. Deshalb sollte nach den Vorstellungen der Bundesregierung für diese Versicherten ein Nettorentenniveau von 69 Ofo bis 72 Ofo erreicht werden37 • Die mit der Rentenformel verbundenen Implikationen, insbesondere der von allen maßgeblich an der Reform beteiligten Kräften politisch gewollte und ohne nennenswerten (außerparlamentarischen) Widerstand auch leicht durchgesetzte Verzicht auf den der individuellen Rentenbemessung in der Vergangenheit stets vorgeschalteten Sockelbetrag38, knüpfen die GRV-Renten seither über den beschriebenen Umgelegt werden darf". (Vgl. auch Planken (1961), S. 71) - "Daß von der Sozialpolitik her der volkswirtschaftliche Kreislauf selbst angetastet werden könne, lag", wie Mackenroth (1952), S.41, feststellte, "außerhalb der Optik (...)". In eine andere Richtung zielt die Frage nach der Zweckmäßigkeit und Praktikabilität eines Kapitaldeckungsverfahrens. Ohne Zweifel hat/hätte die Methode neben den mit ihr verbundenen politisch-ökonomischen Gefährdungen durch Inflation - dazu Preller ((1949) 1978), S. 283 f., 325 - oder politisch motivierte Zweckentfremdung von Kapitalien - wie im Nationalsozialismus zur Rüstungs- und Kriegsfinanzierung geschehen; dazu: Tennstedt (1976), S.476; Döring (1980), S. 108 bei Anm.3 - und abgesehen von sozialen Gesichtspunkten der Beschaffung der Finanzmittel unter konjunkturellen Aspekten aufgrund der ungeheuren Ausmaße der benötigten Kapitalmasse - gegenwärtig schätzungsweise 2000 Mrd. DM; s. Schewe et al. (101977), S. 108; Ehrenberg / Fuchs (1980), S.229 - erhebliche deflatorisch-rezessive (beim ,Ansparen': erheblicher Nachfrageausfall) bzw. inflatorische (beim möglicherweise notwendigen späteren ,Entsparen') Konsequenzen. Vgl. dazu Kreßmann (1971), S. 77 - 79; Bäcker et al. (1980), S.360. 35 Exemplarisch Wannagat (1965), S. 115: "Die Rente, die bei der Entstehung unserer Sozialversicherung nur als ein Mittel zur Abwendung wirklicher Not gedacht war (Zuschuß zum Lebensuntethalt), sollte jetzt eine ausreichende Lebensgrundlage für die Rentner bilden." 36 Reg.-Ent., Bgr., S.73. 37 Vgl. Hockerts (1980), S.335, der über die diesbezüglichen Grundsatzentscheidungen der Regierung von Anfang 1956 berichtet. 38 über diesen Verzicht bestand inner- wie außerparlamentarisch Konsens. Weder der Reg.- noch der SPD-Ent. zur Reform kannten noch einen Sockelbetrag - was die SPD indes nicht daran hinderte, nur gut zwei Jahre später

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fang hinaus an privatversicherungsrechtliche Prinzipien39• Es liegt auf der Hand, daß diese Spezifik der Reform auch für den hier primär interessierenden Untersuchungsgegenstand der Witwenversorgung deutliche Konsequenzen zeigt. im Godesberger Programm (Kap. "Soziale Verantwortung", 2. Absatz) erneut eine im Ergebnis noch viel weitergehende "staatliche Mindestrente" zu fordern (vgl. Pulte (Hg.) (0. J. (1980», Teil 1. 1. 1959, S. 12). Von Arbeitgeberseite wurde die Reform in ihrer Gesamtkonzeption zwar abgelehnt, allerdings weniger wegen der hier angesprochenen ,Beitragsrente' bzw. deren Stärkung durch einen Verzicht auf Grundbeträge, sondern insb. wegen der offiziell für nicht finanzierbar gehaltenen Dynamisierung der Bestandsrenten und deren laufender Anpassung an das aktuelle Lohngefüge; vgl. Hönig (1961), S. 26 f.; Hockerts (1980), S. 331 f. - Der vom DGB in verschiedenen Stellungnahmen zur Neuordnung befürwortete "Grundbetrag" war ebenfalls am jeweiligen Individuallohn (30 Ofo) orientiert; s. exemplarisch die Entschließung des Bundeskongresses 1956 zur Sozialreform (u. a. bei Richter (1970), H I 1 g, S.37) und im weiteren die Nw. bei Hockerts (1980), s. 330 f., 362, Fn. 146; Richter (1970), H I 1 C, S.11 f.; H lId, S. 19; H I 1 e, S.25; H I 1 f, S.34 u. passim. 39 Die zeitgenössisch weithin akzeptierte Definition von Sozialversicherung (auch RV), die allerdings vornehmlich eine formale versicherungstheoretische Negativ-Ableitung ist, lieferte Walter Bogs (1955), S.28: "Die Verbindung von versicherungsmäßiger Selbsthilfe (durch Risikoausgleich) und von sozialem Ausgleich innerhalb der gesetzlich begrenzten Versichertengemeinschaft sowie zusätzliche Staatshilfe bilden den wesentlichen Kern der deutschen Sozialversicherung seit Bismarcks Zeiten. Es ist also nicht richtig, die Sozialversicherung (...) einer der üblicherweise unterschiedenen Sicherungsformen - Versicherung, Versorgung, Fürsorge - zuzuordnen, die Sozialversicherung ist vielmehr als eine von Versicherung, Versorgung und Fürsorge wesentlich verschiedene eigene Rechtsform sozialer Sicherung zu betrachten." (Herv. d. Orig. weggel., eh. H.) Angesichts der klaren Abgrenzung der Rentenreform - "rein versicherungsrechtlich konstruiert"; Preller (1970), S.432, bzw. aus höchstrichterlich ideologisch-aufgeladener Sicht: ,,( ...) kennzeichnend, daß das egalisierend-einschläfernde Prinzip des sozialen Ausgleichs zurücktritt": Ecker [Vorsitzender Richter am BSGj (1982), S. 199 - bedarf die Definition von Bogs gleichwohl, zumindest was die Versichertenrenten selber betrifft, der Modifikation. Allerdings kann Bogs innerhalb der von Bellermann (1979), S. 60 - 64, ausgearbeiteten dreigliedrigen Möglichkeit, "sich der Sozialversicherung begrifflich zu nähern" (S. 60) - er unterscheidet einen versicherungs- und sozial staats theoretischen Ansatz als derivative Ansätze, im Gegensatz zu einem von einer Sozialversicherung (SV) "sui generis" ausgehenden, der auf dieser Basis eine Abgrenzung gegenüber anderen Sozialleistungen und Versicherungen erlauben würde -, nicht, wie von B. versucht, als Kronzeuge für den "versicherungstheoretischen Ansatz", dessen "Grundlage (.) immer noch die Annahme der Doppelfunktion der Sozialversicherung in Risikoausgleich und sozialem Ausgleich (ist)" (S. 61), dienen, da gerade der angeführte Bogs, wie das obige Zitat beweist, die SV als eigenständig neben Versicherung, Versorgung und Fürsorge definierte, somit in der Einteilung Bellermanns ebenfalls als Vertreter des zweiten - "sozialstaatstheoretischen" Ansatzes ausgewiesen wird. Dies wird auch von Bellermann indirekt bestätigt, wenn er als exemplarische Vertreter seiner zweiten Kategorie die Autoren der Sozialenquete-Kommission anführt. Bellermann übersieht dabei, daß Bogs selber der Autor des hier relevanten Teils der Sozialenquete war - vgl. Sozialenquete (1966), S. 11 - und daß auch inhaltlich, teilweise wörtlich, von Bogs die oben angeführte Definition wiederholt wurde; s. Ziff. 145, S.63.

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Analog den Versichertenrenten erfolgte einmal bei Umstellung der Renten eine ruckartige Erhöhung der Hinterbliebenenversorgung, die sich im Bereich von RVO (+ 82,9 %) wie A VG (+ 95 Ufo) fast verdoppelt4O • Unabhängig von diesem materiellen Aspekt führte die Novellierung zum anderen zu einer gegenüber dem alten Recht intensivierten Bindung an die den Witwenrenten zugrundeliegenden originären Versicherungsverhältnisse. Zwar fehlt der Witwenrente (und ihrer finanziellen Ausgestaltung) - als fürsorgerische Leistung der Sozialversicherung ausgewiesen - definitionsgemäß jede am Versicherungsprinzip orientierte Grundlage, gleichwohl wird sie indirekt in ihrer materiellen Ausgestaltung fortan nicht nur vorrangig, sondern völlig von ihm beherrscht, da sie nunmehr nominell ausschließlich und direkt proportional zur Änderung der Versichertenrente variiert. Somit wird die individuelle Alterssicherung der (Haus-)Frau in eine in dieser Form bisher nicht gekannte unmittelbare Abhängigkeit von der jeweiligen (Beitrags-),Leistung' des Ehemannes gebracht. Seine Stellung innerhalb des Lohnspektrums aller versicherten Beschäftigten wird zum Dreh- und Angelpunkt auch des neuen Hinterbliebenenrechts. Deutlich zeigt sich, wie abschließend erst die 57er Reform durch ihre klare Präferenz für einkommensorientierte Renten41 ein bisher von fixen Grund-, Sockel- und Aufstockungsbeträgen teilweise verwischtes Äquivalenzprinzip durchgängig realisiert und damit alle rentenegalisierenden Elemente des alten Rechts durch ,leistungsproportionale' substituiert. Die Reform vollendet auf diese Weise die der gesamten sozialversicherungsrechtlichen Konstruktion von originärer und abgeleiteter Sicherung, von Versicherungs- und Fürsorgeprinzip grundsätzlich stets inhärente einseitige sozialökonomische Abhängigkeit der verheirateten Frau im Alter. Wenn auch quantitativ ungenügend, so hatten doch Rentenanhebungen in der Vergangenheit über Fixbeträge strukturell nicht zuletzt eine (Witwen-)Mindestrente garantiert, die von der sozialen Biographie des lohnarbeitenden Mannes im einzelnen abstrahierte. Zukünftig bindet aber die neue Dominanz der Beitrags-/Leistungsäquivalenz die Absicherung der in ihrer Tätigkeit auf den Haushalt orientierten Frau noch deutlicher im Sinne einer Konservierung tradierter Rollenbilder an das allein bewertete ,Berufsschicksal' des Mannes. 40 Vgl. Sozialbericht 1958, S. 23. In absoluten Beträgen bedeutete dies Erhöhungen von 56,- DM auf 100,30 DM (ArV) und 74,20 DM auf 142,40 DM (AnV); s. ebd., übersicht 27, S.23; Schewe / Nordhorn (11967), S.35; Hentschel (19Q8), Tab. 1, S.333. 41 wodurch, wie Ecker (1982), S. 197, hervorhebt, "versorgungsstaatlichen Erschlaffungserscheinungen vorgebaut" worden sei - was immer er damit meinen mag.

6 Hermann

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II. Kap.: Fundus und Formation der heutigen GRV -Stellung der Frau

Bei dem weitreichenden Konsens über die Bausteine der Reform konnte die Frage der als ausreichend angesehenen Höhe materieller Absicherung von Witwen in der Folge lediglich noch durch Änderungen innerhalb der einvernehmlich abgesteckten Systemgrenzen, d. h. vornehmlich der Grundlagen der Versichertenrenten selbst, erfolgen. Im Rahmen dieser Grenzen war (und ist) derivative Altersversorgung qualitativ vornehmlich noch von drei Komponenten beeinflußbar: zum einen über die Realisation eines möglichst hohen jährlichen Steigerungssatzes der Originärrenten; zum anderen - was allerdings bereits Bereitschaft zu beschränkter Dehnung der Bandbreiten voraussetzt von der Anrechnung eines ggf. versicherungsintern aufgewerteten Mindestlohns, also der Schaffung einer persönlichen Mindestrentenbemessungsgrundlage. In beiden Fällen wären als Annex auch erhöhte Witwenrenten die Folge gewesen. Die dritte theoretische Möglichkeit - ein möglichst hoher prozentualer Anteil der Witwen- an der Versichertenrente - war während der Auseinandersetzungen der fünfziger Jahre bereits im parlamentarischen Vorfeld mit der ebenso von Regierungs- wie SPD-Seite befürworteten 60 Ofo-Regelung entschieden42 • Bestand hier somit durchweg Einvernehmen, scheiterte der SPD-Versuch, ein Mindestversorgungsniveau abzusichern, am Widerstand der Regierungsparteien43 • In der daneben zur Debatte stehenden Frage des Steigerungssatzes befürwortete die SPD eine gegenüber dem Regierungsentwurf verbesserte Anrechnung in Höhe von 1,8 Ofo statt 1,5 Ofo jährlich, was in Relation zum Mehrheitsvorschlag zu einer globalen Anhebung des Rentenniveaus um linear 20 Ofo geführt hätte44 • Der Vorschlag gründete auf der Annahme, daß der regierungsoffiziell in Aussicht genommene jährliche Anrechnungssatz "die Aufrechterhaltung des während der Arbeitsjahre erworbenen Lebensstandards" nicht gewährleiste, sondern "im Alter zu einer Verschlechterung der Lebenshaltung des Arbeiters und Angestellten" führe 45 • Analog dieser Vorgabe forderte der Entwurf im 42 Siehe Reg.-Ent., § 1272, S. 18, Bgr., S. 72; SPD-Ent., § 29 Abs. 1, S. 14, u. Bgr., S.67; m. W. gab es keinen Vorschlag, der relativ höhere Hinterbliebenenleistungen befürwortet hätte. 43 Dazu näher unten, Kap. III. C. 2. 44 Vgl. einerseits SPD-Ent., § 23 Abs. 1, S. 12; andererseits Reg.-Ent., § 1259, S.14. 45 SPD-Ent., Bgr., S. 65; vgl. dagegen die Erläuterungen der Bundesreg., oben bei Fn.36, und im weiteren die Argumentation der SPD, Ent., S.65, gegen die Regierungsprämisse, mit 60 Ofo des vergleichbaren Aktiveneinkommens als Rentenleistung sei der Lebensstandard im Alter zu sichern. Sie hält hingegen 75 Ofo des vergleichbaren Bruttoeinkommens - in Anlehnung an die Vorschriften des Beamtenrechts - für notwendig. Eine solche Rentenleistung ist aber auf Basis der Regierungsvorlage nicht realisierbar, da

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weiteren einen Steigerungsbetrag bei der Witwenrente von 1,1 °/0 p. a. bezogen auf den Regierungsvorschlag und die schließlich verabschiedete Regelung - einer Witwenrente von 73 °/0 der Versichertenleistung entsprochen hätte47 • (= 60 010 der Versichertenrente)46, was -

Eine solche Hinterbliebenenabsicherung weist mithin in ihrer Höhe deutliche Parallelen zur aktuellen Reformdiskussion im Zusammenhang mit der konkreten Ausgestaltung des sog. Teilhabe-Rentenmodells auf, wo häufig von einer 70 D/o-Versorgung die Rede ist48 • Gleichwohl kann an dieser Stelle die Affinität hinsichtlich präferierter Prozentsätze nicht über den allgemeinen Hinweis auf die formale Analogie hinausweisen. Zumindest für die am Reformprozeß der fünfziger Jahre Beteiligten gilt aber, daß etwa die aus den konzeptionellen Grundlagen der Neuordnung erwachsenden sozialpolitischen Folgen unterschiedlichen Erwerbsverhaltens nicht problematisiert worden sind. Dies gilt namentlich für die Frage weit auseinanderklaffender sozialer Sicherung Verheirateter. Nirgends wurde überhaupt die Thematik diskutiert, ob etwa weitgehende Rentendifferenzierungen trotz vorausgegangener gleicher ,Schädigung' des Leistungsempfängers (= Tod des Ehepartners) sozial- und verteilungspolitisch gerechtfertigt werden können. Bereits im Vorfeld war durch den gewählten und allseits gewollten versicherungstheoretischen Ansatz der Weg eindeutig auch im Sinne kausaler Betrachtung49 vorgezeichnet. Genausowenig bedurfte es einer politisch-parlamentarischen Entscheidung, ob die Existenz konfligierender höherrangiger Rechtsnormen möglicherweise die Entscheidungsfindung beeinflussen könnte. Ohne Zweifel wäre aber theoretisch über die Feststellung unterschiedlicher Versorgungshöhen von verwitweten Männern und Frauen im Alter und der Versicherte (a) i. a. R. keine 50 Versicherungsjahre erreicht (1,5 Ofo x 50 = 75 Ofo) und (b) Zeiten niedrigen Verdienstes selbst dann die tatsächliche Rente geringer ausfallen lassen. 46 Vgl. SPD-Ent., § 29, S.14, u. Bgr., S.67. 47 Ein letztes Mal machte der SPD-Sozialexperte Schellenberg noch kurz vor der endgültigen Verabschiedung der Gesetzentwürfe darauf aufmerksam, daß bei den Hinterbliebenenrenten aufgrund der zu geringen "Grundlagen der Renten" (= v. a. Steigerungssatz) neben den Versichertenleistungen auch dort zu niedrige Renten die Folge sein würden. Dennoch stand auch für ihn fest: ,,(.) im Prinzip ist hier ein Fortschritt zu verzeichnen"; 3. Lesung d. Reformgesetze, Bt., 2. Wp., Stenogr. Ber. d. 187. Sitzung, S. 10514 D. 48 Im einzelnen dazu unten, Kap. V. c. 49 Zur begriffsdefinitorischen Unterscheidung der Leistungsgewährung nach dem Kausal- oder Finalprinzip vgl. etwa Preller (1970), S. 316 f.; Albers (1976), S.2 - 6; Brück, G. (1978 b), S.54: "Die bisher überaus starke Verankerung des Kausalprinzips in unserem Sozialleistungssystem resultiert hauptsächlich aus dem in diesem System dominierenden Versicherungsprinzip, das die Beitragsleistung und den geldlichen Risikoausgleich (Entschädigungsgedanke!) in engen Zusammenhang setzt." 6·

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11. Kap.: Fundus und Formation der heutigen GRV -Stellung der Frau

bei Invalidität auch ein Einstieg in die mit abgeleiteter Sicherung grundsätzlich verbundenen Problemfelder möglich gewesen, deren veränderte Beschaffenheit insbesondere mit Blick auf die seit 1949 verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung der Geschlechter nach Art. 3 Abs. 2 GG zumindest hätte geprüft werden müssen. Auf der Ebene der Witwerrente ging das Parlament diesem Sachverhalt zumindest nicht vollständig aus dem Wege. Hier erfolgten - wie nachstehend zu erläutern sein wirdso - gleichwohl lediglich Modifikationen, die ihren Ursprung in den im Ehe- und Familienrecht aufgrund von Art. 3 Abs. 2 GG vom Gesetzgeber für notwendig erachteten Änderungen hatten. Unabhängig davon, inwieweit diese dem Verfassungsgebot überhaupt entsprachen, wurde eine darüber hinausgehende intensive Einwirkung der Norm auf das Sozialversicherungsrecht im Zusammenhang parlamentarisch nie erwogen. Da angefangen beim Hinterbliebenenrentenrecht wesentliche Teile der 57er Reform auch derzeit geltendes Recht darstellen, wird dadurch allerdings ein Sachverhalt angesprochen, der nicht allein für die Neuordnung vor mehr als 25 Jahren weitreichende Relevanz beanspruchen kann, sondern dem darüber hinaus weiterhin und gerade im Kontext der 84er Reform und der dabei zu beantwortenden Fragen ein zentraler Stellenwert zukommt. Soll mit der anstehenden Neuordnung eine Gleichstellung von Mann und Frau im Rentenrecht realisiert werden, ist es von entscheidender Bedeutung, die Spezifik des Gleichberechtigungsgrundsatzes der Verfassung offenzulegen und über den bisherigen Rahmen hinaus nachzuzeichnen, in welcher Weise die Norm bisher von den maßgeblichen Institutionen entfaltet worden ist. B. Die verfassungsrechtliche Basis der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Bundesrepublik und ihre politisch-dogmatische Bearbeitung 1. Der verfassungsrechtliche Befund des Grundgesetzes

Wenngleich mit Art. 109 Abs.2 und Art. 119 Abs. 1 WRV 1 erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichte die Gleichberechtigung von Mann und Frau Aufnahme in eine Verfassungsurkunde fand, ist dies während der Weimarer Republik ohne positiv-rechtliche Folgen geblieben. so Siehe Kap. 11. C. 1.1. 1 Art. 109 Abs. 2 WRV: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten." - Art. 119 Abs. 1 WRV: "Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Sie beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter."

B. Gleichberechtigungsgebot und politisch-dogmatische Bearbeitung

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Neben ihrer ohnehin limitierten Geltungskraft - "grundsätzlich", "staatsbürgerliche Rechte und Pflichten" - sind beide Verfassungsnormen darüber hinaus - wenn auch in der Wissenschaft "nicht ganz unbestritten"Z - lediglich als "Programm und Direktive"3 aufgefaßt und ihre Einlösung dementsprechend weder auf juristischer noch auf rechtspolitischer Ebene mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt worden. Eine rechtliche Ausgestaltung der Gleichberechtigung als "reiner Programmsatz"4, als bloße Empfehlung an den Gesetzgeber und allenfalls Interpretationshilfe für die RechtsprechungS war insgesamt in der ersten deutschen Republik nicht stark genug, "um tatsächliche Änderungen, besonders auf dem Gebiet des Familienrechts, herbeizuführen"6. Konnte aber schon beschränkt auf den Bereich von Ehe und Familie keine Anwendung der Verfassung durchgesetzt werden, konzentrierten sich die Versuche emanzipativer Änderungen hinsichtlich bestehender sozial rechtlicher Normen auf die Frage der Angleichung nach Versicherungszweigen differenzierter Hinterbliebenenversorgung. Hier wurde allerdings - wie gesehen - erst lange Jahre nach Niederschlagung des Faschismus mit der Rentenreform 1957 eine prinzipielle Gleichstellung erreicht. Andererseits erfolgte diese Rechtsangleichung in den fünfziger Jahren unter verfassungsrechtlich entscheidend veränderten Prämissen. Mit Art. 3 Abs. 2 GG hatte der Parlamentarische Rat (PR) - als für das Gebiet der Bundesrepublik demokratisch legitimierter (Nachkriegs-) Verfassungs geber - eine über die genannten Bestimmungen der WRV weit hinausgehende Grundsatznorm geschaffen. Zwar hatte der den Arbeiten des PR zugrunde liegende Herrenchiemsee-Entwurf (HehE) noch auf eine Norm zur Gleichstellung der Geschlechter völlig verzichtet - sein Gleichheitsartikel (Art. 14 Abs. 1 So die frühere Bundesverfassungsrichterin Scheffler (1970), S. 15. 3 Anschütz « 14 1933) 1965), S. 515, zu Art. 119. 4 Beitzke (1954), S.201. 5 Anschütz «(141933) 1965), Anm.3 zu Art. 119, S.560 (m. w. zustimmenden Nw., Fn.4), machte deutlich, in welchem Rahmen die WRV anzuwenden sei: "Soweit die geltenden Gesetze (insb. die familienrechtlichen Normen des BGB) dem Richter Ermessensspielraum gewähren, ist der Richter nicht nur befugt, sondern verpflichtet, die Grundsätze des Art. 119 als Auslegungsregeln zu befolgen." (Einsch. eh. H.) - Sollte die Verfassung danach letztlich nur in Zweifelsfällen überhaupt Anwendung finden, macht er darüber hinaus deren Geltungsbereich von der Interpretation einfachrechtlicher Normen abhängig - nicht umgekehrt. 6 Hoffmann-Bludau (1975), S. 109; zwar beschäftigten sich die DJT 1924 und 1931 mit den sich aus den genannten Verfassungsnormen ergebenden notwendigen Konsequenzen, doch blieb dies in der Folge ohne gesetz geberisches Echo; vgl. Ramm (1972), S. 12. Z

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11. Kap.: Fundus und Formation der heutigen GRV -Stellung der Frau

HehE) betonte lediglich die Gleichheit aller vor dem Gesetz 7 - , aber der Grundsatzausschuß des PR formulierte abweichend für Männer und Frauen "dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten" (Art. 17 Abs.2)8. Dies entsprach mithin der Formel des Art. 109 WRV, allerdings war bereits der dort verwandte einschränkende Terminus "grundsätzlich" entfallen9 • Der weitergehende Antrag der SPD-Abgeordneten Nadig und SeIbert auf eine Änderung von Abs. 2 in "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" fiel im Grundsatzausschuß ebenso wie in erster Lesung im Hauptausschuß der Ablehnung zum Opfer10• Gleichwohl wurde während der Beratungen von allen Diskussionsrednern die Gleichberechtigung der Frau vertreten, nur über den "technischen Weg, dies zu erreichen, herrschten Meinungsverschiedenheiten"lI. Im Anschluß an verschiedene außerparlamentarische Aktionen von Frauen, insbesondere aus dem gewerkschaftlichen Raum l2 , kam es schließlich in der zweiten Lesung des Hauptausschusses zu einer veränderten Haltung der Mehrheit. Einstimmig wurde nun die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in der Verfassung fixiert, indem man den erneut eingebrachten Änderungsantrag der SPD annahm13 • Diese Fassung des Gleichberechtigungsartikels blieb während der weiteren Beratungen unverändert l4 • Danach läßt sich festhalten, daß unter den im PR vertretenen verschiedenen politischen Gruppierungen anfangs die konkrete Ausgestaltung der Gleichberechtigungsforderung im Grundgesetz heftig umstritten war, wobei die parteipolitischen Grenzen der Auseinandersetzung vornehmlich zwischen den bürgerlichen Parteien unter Führung der 7 Ebenso fehlte auch eine dem späteren Art. 6 GG analoge Formulierung; vgI. Doemming / Füsslein / Matz (Bearb.) (1951), S.93. 8 Es handelte sich dabei um den Vorschlag seines Redaktionskomitees; s. Doemming et aI. (Bearb.) (1951), S.67. 9 Damit hatte die WRV die Wirksamkeit der Norm "unter Vorbehalt aller Reichs- und Landesgesetze" gestellt, "welche Ausnahmen von dem Grundsatz vorschreiben oder zulassen"; Anschütz «14 1933) 1965), Anm.3 zu Art. 109, S.529; insoweit ungenau Reich-Hilweg (1979), S.18 bei Fn.9, anders aber S.43. 10 Siehe Doemming et aI. (Bearb.) (1951), S. 69 f.; PR (1948/49), 17. Sitzung des Hauptausschusses (HA) (3. 12. 1948), S. 206, 209. 11 Doemming et aI. (Bearb.) (1951), S.70. 12 Dazu Reich-Hilweg (1979), S. 21 - 23, u. ihr dokumentarischer Anhang S.143 -148. 13 VgI. PR (1948/49), 42. Sitzung d. HA (18.1.1949), S. 538 ff., 544. 14 Siehe Doemming et aI. (Bearb.) (1951), S.72. Beitzke (1954), S.201, vermittelt zumindest ein sehr verkürztes Bild, wenn er im Zusammenhang lediglich anmerkt: "Im Gremium des Parlamentarischen Rates herrschte volle Einigkeit darüber, daß die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz festgelegt werden solle." (Daneben liegt bei ihm offensichtlich eine Verwechslung der 17. mit der 42. Sitzung des HA vor; vgI. ebd., Fn. 12).

B. Gleichberechtigungsgebot und politisch-dogmatische Bearbeitung

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CDU/CSU einerseits und den beiden Arbeiterparteien andererseits verliefen, das Ergebnis aber den geschlossenen Willen des Verfassungsgebers widerspiegelt. Dieser Wille findet seinen Ausdruck in dem grundsätzlich Neuen der Bonner Verfassung, in seiner "nicht limitierten Erweiterung der Gestaltungskraft des Gleichberechtigungsgrundsatzes"15. über die zivil rechtlichen Folgewirkungen des Gleichberechtigungsartikels hinsichtlich der notwendigen NovelIierung des Ehe- und Familienrechts bestand letztlich ebenso Einigkeit wie über die weitreichenden sozialen und ökonomischen Implikationen der Norm l6 • Nicht zuletzt wurde während der Beratungen wiederholt auf die Erstreckung des Gleichberechtigungssatzes auch auf den Bereich der Entlohnung von Mann und Frau hingewiesen17 , wobei explizit - wie der Vorsitzende Carlo Schmid (SPD) formulierte - Einvernehmen darüber herrschte, daß Art.3 Abs.2 GG "beinhaltet, daß Mann und Frau bei gleicher Arbeit gleichen Lohn bekommen"18. Im selben Kontext machte auch die CDU-Abgeordnete Weber darauf aufmerksam, daß die Gleichberechtigung der Frau ebenso auf das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht erstreckt werde19 - "infolgedessen", resümierte ihr Fraktionskollege Strauß, "dürfte es gar keinen Zweifel - abgesehen von einigen Hinter15 Reich-Hilweg (1979), S. 13, 43, 139 u. passim; hier S.24. So auch bereits Krüger (1952), S.613: "Die Weimarer Verfassung normierte die Gleichberechtigung der Geschlechter nur auf einigen Rechtsgebieten; das Grundgesetz erweitert sie hingegen auf alle Rechtsgebiete, stellt also einen Fortschritt, keinen Rückschritt gegenüber der WeimRV dar."; dies. (1953 a), S.1090: "Art.3 Abs.2 umfaßt alle Rechtsgebiete, ist also keineswegs eine auf das Familienrecht allein sich beziehende Norm." 16 Insgesamt dazu PR (1948/49), 17. u. 42. Sitzung des HA, S. 206 ff., 538 ff., und die prägnante Aussage von Carlo Schmid in der 20. Sitzung, S.238: "Es handelt sich (...) nicht darum, daß irgendwelche Rechte gegeneinander ausgewogen werden sollen, sondern daß Frau und Mann im Rechtsleben, im sozialen Leben und in allen Lebensgewohnheiten in gleicher Art nebeneinander stehen sollen." 17 Vgl. schon in der 17. Sitzung, PR (1948/49), S.207, die Ausführungen der Abg. Renner (KPD) und SeIbert (SPD). 18 PR (1948/49), 42. Sitzung, S.543: "Vorsitzender Schmid: Ich kann wohl hier als allgemeine Auffassung des Hauptausschusses feststellen, daß der Satz von der Gleichberechtigung für Mann und Frau beinhaltet, daß Mann und Frau bei gleicher Arbeit gleichen Lohn bekommen. - (Zustimmung) Es ist keine Stimme dagegen." Vorausgegangen waren deutliche Ausführungen der Abg. SeIbert (SPD), S.541: "Aber der Satz der Gleichberechtigung umfaßt (.) alles, ebenso wie er auch den Anspruch der berufstätigen Frau auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeit umfaßt. Ich sage das ausdrücklich noch einmal, damit es in die Motive der Verfassung hineinkommt und ausdrücklich auch im Protokoll festgehalten wird, so daß zu irgendwelchen Zweifeln infolgedessen kein Anlaß mehr besteht. Wir wollen also auch das darunter verstanden haben." - Vgl. hierzu auch Gromoll (1976), S. 123 f. 19 PR (1948/49), S.539, und weiter: "Wir meinen es also im allerweitesten Umfange."

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11. Kap.: Fundus und Formation der heutigen GRV-Stellung der Frau

wäldlern -" darüber geben, "daß wir die Gleichberechtigung der Frau in jeder Beziehung (. ..) anerkennen und verlangen"20. Um dem noch zu konstituierenden Bundesparlament genügend Zeit zu lassen, das gesamte dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehende Recht der Verfassung anzupassen, räumte der PR mit Art. 117 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber schließlich eine Frist bis zum 31. März 1953 ein. Spätestens zu diesem Termin sollten alle gleichberechtigungswidrigen Normen im Sinne des GG geändert sein21 . Im Ergebnis blieben somit von den anfänglichen Versuchen der konservativen Kräfte in der verfassunggebenden Versammlung, die Gleichberechtigung (zumindest) auf das Maß der WRV zurückzuschrauben22 , bei Verabschiedung des GG keine Nachwehen zurück. Im Gegenteil sieht die vom PR gegebene Inhaltsbestimmung von Art. 3 Abs. 2 GG den Normtext in einem umfassenden, die gesamte soziale und ökonomische Stellung der Frau in der Bundesrepublik einbeziehenden Zusammenhang23. Das GG als eine hinsichtlich der Gleichberechtigung nicht mehr lediglich "grundsätzlich" offene Verfassung, sondern als Normengeflecht mit fächerartig angelegtem, nicht limitiertem Gleichberechtigungsgebot, das wie der gesamte Grundrechtskatalog unmittelbare Wirkung für alle politischen Institutionen, Justiz und Verwaltung zeigt (Art. 1 Abs.3 GG), schuf auf diese Weise die Voraussetzung und die Notwendigkeit der Modifizierung (einfach)rechtlicher Normen im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Emanzipation der Frau. Konkret war, wie Ramm betont hat24, noch ein Streit darüber möglich gewesen, ob die Formel der WRV "Gleichberechtigung der Frau in der Ehe"25 eine Funktionsverteilung unter den Ehegatten zuließ. Die Formel von der "Gleichberechtigung der Frau" indes decke solches zukünftig "nicht mehr, da sie die Stellung der Frau in Ehe und Berufsleben betrifft"26. Jede Auslegung des Gleichberechtigungssatzes, die die authenEbd., S. 538 f. 21 "Es gab Stimmen, die meinten, es genügte schon ein Zeitraum bis zum 31. März 1951.": Abg. Weber (CDU) im Bt.; 1. Wp., Stenogr. Ber. d. 258. Sitzung (26.3.1953; Bd.15), S. 12515 A. Dabei bezog er sich offensichtlich auf eine Initiative der Abg. SeIbert in der 20. Sitzung des HA am 7.12.1948; vgl. PR (1948/49), S.237. 22 Vgl. neben den obigen Ausführungen die Einlassung des Abg. Renner (KPD) über "die ursprüngliche Konzeption der CDU/CSU in der 1. Lesung" des HA; PR (1948/49), 42. Sitzung, S.541. 23 Dagegen behauptet Beitzke (1954), S. 206: "Die Erfassung des inhaltlichen Gehalts von Art.3 Abs. 11 GG bereitet nicht geringe Schwierigkeiten. Die Entstehungsgeschichte ist wenig ergiebig." - Dies gerade ist aber nicht der Fall. 24 Vgl. Ramm (1972). 25 Vgl. Art. 119 Abs. 1 WRV; oben Fn.1. 20

B. Gleichberechtigungsgebot und politisch-dogmatische Bearbeitung

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tische Inhaltsbestimmung des PR ganz oder in Teilen ignoriert oder verfälscht, fällt dementsprechend hinter den dezidierten Willen des Verfassungsgebers zurück. Gleichwohl spiegelt sich auch in Art. 3 Abs. 2 GG der im Grundgesetz "festgehaltene politische Kompromiß'

228

IV. Kap.: Wirtschaftliche und soziale Lage älterer Frauen 2. Zum Niveau der Witwenrenten

2.1. Höhe der Witwenrenten (ArV/AnV) 1969 - 19821 Tabelle IV

in DM

~ Jahr

1969 1972 . 1974 2 ) 1977 2 ) 1979 1980 1981 1982

wei9

VI a(ArV)

b(AnV)

233,10 281,50 391,-533,20 557,40 581 ,-594,90 628,70

347,20 415,70 566,30 762,30 792,80 822,80 844,50 889,10

1 Jeweils Januar. - 2 Juli. Quellen: Zusammengestellt naeh RAnpB 1975, Drs. 7/2721, übersieht 11, S. 27; RAnpB 1982, Drs. 8/1551, übersicht I 10, S. 51.

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