Aktionsart und Kompositionalität: Zur kompositionellen Ableitung der Aktionsart komplexer Kategorien 9783050070575, 9783050026589


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German Pages 209 [212] Year 1995

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Aktionsart und Kompositionalität: Zur kompositionellen Ableitung der Aktionsart komplexer Kategorien
 9783050070575, 9783050026589

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MARKUS EGG Aktionsart und Kompositionalität

studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf

studia grammatica XXXVII Markus Egg

AktlOnSait

U n d

Kompositionalität Zur kompositioneilen Ableitung der Aktionsart komplexer Kategorien

Akademie Verlag

Autor: Markus Egg IBM Deutschland, WZH Vangerowstr. 18 D-69115 Heidelberg

Dissertation der Universität Konstanz Tag der mündlichen Prüfung: 29. Juni 1993 Referent: Prof. Dr. Peter Pause Referent: Prof. Dr. Arnim v. Stechow

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme Egg, Markus: Aktionsart und Kompositionalität : zur kompositioneilen Ableitung der Aktionsart komplexer Kategorien / Markus Egg. - Berlin : Akad. Verl., 1994 (Studia grammatica ; 37) Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-05-002658-8 NE: GT

ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1994 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der VCH-Verlagsgruppe. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Das eingesetzte Papier entspricht der amerikanischen Norm ANSI Z.39.48 - 1984 bzw. der europäischen Norm ISO TC 46. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers.

Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

Vorwort Doktorarbeiten sind nicht nur in einen theoretischen Rahmen eingebunden, sondern auch in einen ganz konkreten: Das Umfeld meiner Kollegen und Freunde hat in vielfältiger Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. An erster Stelle möchte ich hier Peter E. Pause Dank abstatten, vor allem für die vielen intensiven Gespräche über die in dieser Arbeit behandelten Themen in den letzten anderthalb Jahren. Ein besonderer Dank gilt natürlich auch meinem zweiten Betreuer Arnim v.Stechow für seine tiefgehenden Kommentare und Anregungen zu dieser Arbeit. Ich möchte aber auch all denjenigen Dank sagen, die mir wichtige Hinweise zu einzelnen Abschnitten dieser Arbeit gegeben haben. Hier sind vor allem Urs Egli, Ulf Friedrichsdorf, Michael Herweg, Klaus v.Heusinger und Aditi Lahiri zu erwähnen. Auch der Studienstiftung des Deutschen Volkes sei an dieser Stelle für finanzielle Unterstützung gedankt. Schliesslich gilt mein Dank meiner Frau Heidrun Gleim-Egg für ihre Toleranz und für das Müesli und der Stadt Konstanz für die Auszeichnung der vorliegenden Arbeit mit dem "Preis der Stadt Konstanz zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Konstanz".

Inhaltsverzeichnis

7

Inhaltsverzeichnis Einleitung

11

0. Zielsetzung der Arbeit

11

1. Der Begriff "Aktionsart"

11

2. Der Rahmen der vorliegenden Analyse: Dowtys "Aspektkalkül"

14

3. Einbettung der Analyse in Forschungsansätze

16

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Parallelismus zwischen Syntax und Semantik: Montaguegrammatik Die Zwei-Ebenen-Semantik Die Repräsentationssprache Die Zeitstruktur Die Mereologie

16 18 19 20 21

4. Der Aufbau der Arbeit

24

Kapitel 1: Die neue Klassifikation der Aktionsarten

27

0. Einleitung

29

1. Intergressive Prädikate in bisherigen Aktionsartenklassifikationen

30

1.1 Eigenschaften intergressiver Prädikate 1.2 Intergressive und die Beschreibung von Ereignisprädikaten als Zustandswechsel 1.3 Intergressive und die Beschreibung von Ereignisprädikaten als begrenzte Prädikate 1.4 Die Klassifikation von Moens und Steedman 1.5 Intergressive als Folge erzwungener Typanpassungen? 2. Die revidierte Klassifikation der Aktionsarten 2.1 Die Merkmale 2.1.1 Das Merkmal "intervall-basiert" 2.1.2 Das Merkmal "begrenzt" 2.1.3 Das Merkmal"telisch"

31 33 35 36 37 38 40 40 44 48

Inhaltsverzeichnis

8

2.2 Das Merkmal "punktuell" 2.3 Merkmalszuweisung in der vorgeschlagenen Aktionsartenklassifikation . . .

50 54

3. Intergressivoperatoren 3.1 Galton (1984) 3.2 Herweg (1990) 3.3 Ein zweiter Intergressivoperator 3.4 Eine einheitliche Beschreibung der Intergressive?

55 56 58 60 63

4. Intergressive und ihr Pendant im Nominalbereich

65

5. Resümee

68

Kapitel 2: Aktionsart und Weg-Präpositionen

71

0. Einleitung

73

1. Eigenschaften und Verwendungsweisen der Präposition in 1.1 Verwendungsweisen der Präposition in 1.2 Eigenschaften der Präposition in

73 74 76

2. Zwei semantische Analysen der m-PPs 2.1 In-PPs als Wegmodifikation 2.2 In-PPs als Zustandswechsel 2.2.1 Verallgemeinerter Zustandswechsel als Phasenquantifikation . . . . 2.2.2 Verallgemeinerter Zustandswechsel als verallgemeinertes BECOME

79 80 87 89 91

3. Die Bedeutung von in 3.1 Der Operator für den Zustandswechsel 3.2 Das Prädikat des Zustandswechsels

96 96 97

4. Der Beitrag von i'n-PPs in Argumentsposition zur Aktionsart zusammengesetzter Phrasen 4.1 Bewegungsverben 4.1.1 Bewegungsverben mit mehr als einer Weg-PP 4.1.2 CAUSE als Junktor zwischen m-PP und Bewegungsverb? 4.2 Kausative Positionsverben

100 101 105 109 112

Inhaltsverzeichnis 4.2.1 Kausative Positionsverben mit subkategorisiertem Objekt 4.2.2 Kausative Positionsverben mit inkorporiertem Objekt 4.2.3 Einfluss von Weg-PPs auf die Aktionsart kausativer Verben? 4.3 Statische Positionsverben 4.4 Perzeptionsverben 5. Der Beitrag von in-PPs in Adjunktsposition zur Aktionsart zusammengesetzter Phrasen 5.1 Adjunktion einer m-PP an eine VP 5.1.1 Die Theta-Rollen-Unifikation in der hier verwendeten Sprache 5.1.2 Modifikation von Verben durch ein Weg-PP-Adjunkt 5.1.3 Optionalität der Weg-PP vs. Adjunktstatus der Weg-PP 5.2 Adjunktion einer in-PP an eine nominale Konstituente

9 112 115 . . . 117 119 120

122 122 . . 123 126 128 130

6. Subkategorisierung von Prädikaten durch eine Weg-PP?

134

7. Resümee

136

Kapitel 3: Aktionsart und nominale Aktanten

137

0. Einfluss nominaler Aktanten auf die Aktionsart ihres Prädikats

139

1. Zwei unterschiedliche Arten des Einflusses nominaler Aktanten auf die Aktionsart ihres Prädikats? 1.1 Die Unterscheidung 1.1 1 Die erste Art der Beeinflussung 1.1.2 Die zweite Art der Beeinflussung 1.2 Verkuyl und Zwarts (1992) als Vertreter einer NP-Iteration 1.3 Krifka (1989, 1992) als Vertreter der inneren Begrenzung 2. Die Satz-Iteration 2.1 Allgemeines zur Iteration 2.2 Zwei Definitionen der Satz-Iteration 2.3 Zusammenspiel von Iterativoperatoren und Quantoren 2.4 Eberles Vorschlag für einen Iterativoperator

141 141 143 145 146 149 154 154 156 161 164

10

Inhaltsverzeichnis 2.5 Die Aktionsart der Satz-Intergressive

165

3. Die NP-Iteration 3.1 Der Operator ITERN 3.2 (Un-)Begrenztheit bei NPs und bei ihrem Prädikat 3.3 NP-Iteration bei mehrstelligen Verben

166 167 170 172

4. Die innere Begrenzung 4.1 Die innere Begrenzung als Vereinfachung der NP-Iteration 4.2 Innere Begrenzung bei telischen graduellen Verben 4.3 Innere Begrenzung bei atelischen graduellen Verben

177 178 179 181

5. Residua 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

184 184 185 186 192 195

Obligatorische vs. optionale Beeinflussung der Begrenztheit Wiederholtes Anwenden von NP-Iteration auf ein Prädikat? Der Begriff der Partition Das Problem der Ueberdeckungen Abgrenzung zwischen NP-Iteration und Distribution

6. Resümee

196

Zusammenfassung und Ausblick

199

Literatur

203

Einleitung

11

Einleitung 0. Zielsetzung der Arbeit Ziel dieser Arbeit ist es, die formale semantische Sprachanalyse auf einen wichtigen Bereich der Verbsemantik anzuwenden, auf die Einteilung der verbalen Prädikate (Verben, Projektionen von Verben und Sätze [sofern man diese nicht zu den Verbprojektionen zählen will]) mittels eines geeigneten Klassifikationssystems für verbale Aktionsarten. Dies ist eine Fortführung des Ansatzes von Dowty (1979). Dieses Ziel kann man in zwei Teilziele unterteilen. Es soll zum einen gezeigt werden, wie sich die Eigenschaften der verschiedenen Aktionsarten und die Struktur der Zerlegungen der unter die jeweilige Aktionsart fallenden verbalen Prädikate aufeinander beziehen lassen. Zum anderen gilt es aber auch nachzuweisen, dass die Aktionsart eines Prädikats kompositionell aus seinen Bestandteilen abgeleitet werden kann. Es ist allgemein bekannt, dass Aktanten eines Prädikats dessen Aktionsart beeinflussen können. So werden z.B. gemeinhin entlang des Flusses gehen und Birnen essen als nicht begrenzte Prädikate angesehen, während in die Stadt gehen und eine Birne essen als begrenzte Prädikate gelten. Es soll eine geeignete Semantik für derartige Prädikate formuliert werden, die diesen Phänomenen Rechnung trägt. Die Analyse wird exemplarisch die Kombination nominaler und präpositionaler Argumente mit Verben und die daraus jeweils resultierende Aktionsart untersuchen.1

1. Der Begriff "Aktionsart" Da es in der Aktionsartensemantik keine einheitliche Terminologie gibt, werde ich zunächst kurz umreissen, was ich unter Aktionsart verstehe und unter welchen anderen Begriffen Aktionsarten in der Literatur behandelt werden. Mit diesen terminologischen Bemerkungen soll wenigstens für die vorliegende Arbeit festgelegt werden, welche Phänomene unter den Begriff "Aktionsart" fallen. "Aktionsart" ist in dem hier verwendeten Sinn ein Kategorienschema, in dem zunächst die Verben, aber auch Verbprojektionen und ganze Sätze nach bestimmten Eigenschaften klassifiziert werden. (Die Zusammenfassung von Verben, Verbprojektionen und Sätzen unter dem

1

Redaktionsschluss für die Arbeit war März 1993. Spätere Arbeiten konnten leider nicht mehr berücksichtigt

werden. Des weiteren möchte ich darauf verweisen, dass ich Material aus dem ersten Kapitel in Egg (1994) im Journal of Semantics veröffentlicht habe.

12

Einleitung

Begriff "Prädikat" soll wiederspiegeln, dass Verbprojektionen und Sätze eigene Aktionsarten besitzen, die nicht unbedingt mit der Aktionsart des in ihnen enthaltenen Verbs übereinstimmen muss.) Diese Eigenschaften charakterisieren Zusammenhänge zwischen den von den Prädikaten denotierten Sachverhalten und dem Verlauf der Zeit. Andere Merkmale, die nicht temporaler Natur sind (z.B. das Merkmal der Agentivität), sind für dieses Kategorienschema ohne Belang. Machen wir uns das an einem Beispiel klar: Eine von allen Autoren als relevant akzeptierte Eigenschaft von Prädikaten ist die sogenannte Telizität. Der Begriff stammt vom griechischen Wort τ έ λ ο ς 'Ziel' ab und bezeichnet die Eigenschaft, einen Zustandswechsel zu denotieren (z.B. ist einschlafen, nicht aber laufen telisch). Somit ist der zeitliche Verlauf eines von einem telischen Prädikat denotierten Sachverhalts dadurch charakterisiert, dass ihm ein bestimmter Zustand (oder Prozess) vorausgeht (z.B. wach sein) und ihm das Gegenteil dieses Zustands (oder Prozesses) folgt (z.B. schlafen). Diese Charakterisierung lässt aber offen, ob ein telisches Verb nun eine agentive Komponente hat (wie z.B. aufessen) oder nicht (wie z.B. einschlafen). Dieser Unterschied ist zwar für die Bedeutung des einzelnen telischen Verbs wichtig, er hat jedoch keinen Einfluss auf den zeitlichen Verlauf des vom Verb denotierten Sachverhalts. Wenn man ein telisches Verb nun aber mit einem eine unbestimmte Wiederholung ausdrückenden Adverb wie regelmässig modifiziert, besitzt die resultierende VP die Eigenschaft der Telizität nicht mehr: Regelmässig in der Vorlesung einschicken stellt keinen Zustandswechsel mehr dar, sondern drückt eine fortgesetzte, unbegrenzte Wiederholung des gleichen Sachverhalts aus. Wie das Beispiel gezeigt hat, hängt die Aktionsart einer komplexen Phrase nicht nur von der Aktionsart des darin involvierten Verbs ab. Zwar lassen sich die meisten Verben einer bestimmten Aktionsart zuweisen, da aber auch andere Konstituenten die Aktionsart ihrer Phrase beeinflussen können, lässt sich die Aktionsartensemantik nicht auf eine Klassifizierung von Verben reduzieren. Ein zentraler Aspekt der Semantik zusammengesetzter Prädikate (und auch dieser Arbeit) ist daher die Frage, wie sich die Aktionsart des Prädikats aus den Zerlegungen seiner Teile (und deren Zusammensetzung) ergibt. Neben dem Begriff "Aktionsart" sind für diese Phänomene auch die Begriffe "Zeitkonstitution" (Krifka (1989,1992)) und vor allem "Aspekt" verwendet worden (Dowty (1979), Moens und Steedman (1986, 1988)). Die beiden Begriffe werden manchmal aber auch anders verwendet, was Krifka (1989: 102ff.) detailliert darlegt: Der Begriff "Aktionsart" besitzt eine besonders unter den Slawisten und Finnougristen ge-

Einleitung

13

bräuchliche zweite Bedeutung, in der er zur semantischen Charakterisierung der Ableitung eines Verbs aus einer Grundform durch morphologische Prozesse dient (siehe den Vergleich beider Auffassungen in Steinitz 1981). Beispiele für solche "Aktionsarten" wären der Ingressiv und der Egressiv des Russischen: Chodit' bedeutet 'umhergehen' und kann durch geeignete Affixe zu einem Ingressiv oder Egressiv gemacht werden. Zachodit' bedeutet 'anfangen herumzugehen'; mit dem egressiven Präfix ot- ergibt sich das Verb otchodit' 'aufhören herumzugehen'. Der Gebrauch des Wortes "Aktionsart" für diese Phänomene ist nicht zufällig: Besonders bei den in- und egressiven Präfixen wird deutlich, dass solche Präfixe auch einen Einfluss auf die Aktionsart in meinem Sinn haben: Sie machen ein atelisches Verb telisch; so ist etwa zachodit', nicht aber chodit' telisch. Auch der Ausdruck "Aspekt" ist nicht eindeutig. Er bedeutet vor allem in der Slawistik und Semitistik eine Distinktion zwischen Perfektivität und Imperfektivität; mit anderen Worten, eine z.B. im Russischen auch lexikalisierte Unterscheidung verbaler Prädikate danach, ob sie einen Sachverhalt als vollendet oder unvollendet (damit auch als von aussen als Ganzes oder von innen als im Verlauf befindlich betrachtet) beschreiben. Im weiteren Sinne wird "Aspekt" auch für grammatische Phänomene wie das englische Progressiv oder das französische Imparfait verwendet. Diese beiden grammatischen Kategorien drücken (in ihrer primären Verwendungsweise) aus, dass ein Sachverhalt noch im Verlauf ist (daher auch der Ausdruck "Verlaufsform"), somit also noch nicht vollendet ist. Natürlich ist die Verwendung des Begriffs "Aspekt" in seinen beiden hier vorgestellten zwei Bedeutungen nicht zufällig: Die Unterscheidung perfektiv-imperfektiv hat Auswirkungen auf die Aktionsart eines Prädikats: To be building a house ist im Gegensatz zu to build a house nicht telisch. Dennoch darf man die beiden Verwendungen des Begriffs "Aspekt" nicht verwechseln. Man beachte, dass Aktionsart und Aspekt (in meinem Sinne) nicht dadurch unterschieden werden können, dass man eine Aktionsart als ein lexikalisch determiniertes Merkmal von Verben beschreibt, während man im Aspekt eine frei wählbare Flexionskategorie sieht: Auch ein Aspekt kann im Verb bereits lexikalisch festgelegt sein; auf der anderen Seite kann sich die Aktionsart eines Verbs durch Uminterpretation ändern (vgl. Kapitel 1, Abschnitt 1). Nach der Definition des Begriffs der Aktionsart soll in den folgenden zwei Abschnitten dargelegt werden, in welchem theoretischen Rahmen die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen stehen. Bei einer Einbettung von Untersuchungen in einen derartigen Ansatz fliessen natürlich bestimmte Grundannahmen des Ansatzes in die Untersuchung ein. Solange

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Einleitung

diese Grundannahmen aber expliziert werden, ist ein Vergleich auch mit in anderen Ansätzen durchgeführten Untersuchungen möglich.

2. Der Rahmen der vorliegenden Analyse: Dowtys "Aspektkalkül" Dowty hat in seinem Werk Word meaning and Montague grammar ein Forschungsprogramm vorgelegt, von dem er in diesem Buch freilich nur einen Teil behandeln konnte. Ziel dieses Programms ist es, die Bedeutung von Verben, Verbprojektionen und Sätzen in einer adäquaten Struktur wiederzugeben, die Einsichten aus der Generativen Semantik mit dem streng formalen Ansatz Montagues (1974) verbindet. Im Rahmen dieses Ansatzes soll auch die vorliegende Untersuchung durchgeführt werden. Auf der Ebene der Lexeme versucht dieser Ansatz, die Bedeutung von Verben in einer geeigneten Repräsentation zu erfassen. Dabei kommt es vor allem auf Strukturen innerhalb einer Repräsentation an. Es ist weithin bekannt, dass viele Verben eine innere Struktur aufweisen, wie sie z.B. in der Paraphrase für erschiessen als 'jemand benutzt eine Feuerwaffe (Ursache), was den Tod von jemand anderem verursacht (Wirkung)' deutlich wird. Auch Beziehungen zwischen verschiedenen Verben lassen sich oft unter Bezug auf ihre Struktur erklären und genau beschreiben. So kann etwa die in erschiessen involvierte Wirkung mit dem Verb sterben paraphrasiert werden, die beiden Verben stehen somit in einem bestimmten Zusammenhang. Dieser Zusammenhang wird dadurch repräsentiert, dass die Zerlegung von erschiessen die Zerlegung von sterben als Teil enthält. (Solche Paraphrasen sind allerdings nicht immer möglich, siehe Shibatani 1976). Im Rahmen dieses Ansatzes können auch bestimmte Ambiguitäten, wie sie z.B. bei einer Modifikation eines Verbs mit Adverbien wie fast auftreten, unter Bezug auf die Struktur des modifizierten Verbs erklärt werden (siehe Dowty 1979: 260ff.). Formal werden diese Repräsentationen in der Form von Zerlegungen oder Dekompositionen beschrieben. Das Ziel dabei ist, Lexeme mit einer komplexeren inneren Struktur in weniger komplexe Lexeme zerlegen, die durch geeignete Operatoren verknüpft sind. Die Bedeutung der Basisprädikate, die nicht mehr weiter zerlegbar sind, ist dabei oft nur von untergeordnetem Interesse. Solche Basisprädikate drücken Zustände oder Prozesse aus. Mit diesem Ansatz hat Dowty auch die alte Tradition der Aktionsarten-Klassifikation, die in dieser Arbeit von zentralem Interesse ist, auf eine formale Basis gestellt. Letztendlich sollten die Zerlegungen (oder Dekompositionen) der Lexeme so beschaffen sein, dass die Aktionsart

15

Einleitung

der Lexeme aus ihnen ablesbar ist.2 Wie sich zeigen wird, führt dies dazu, dass es für eine bestimmte Aktionsart charakteristische Operatoren gibt, der bekannteste ist der Operator BECOME, der einen Zustandswechsel ausdrückt. Dadurch dass aber auch Verbprojektionen und ganze Sätze eine eigene Aktionsart besitzen, weitet sich Dowtys Programm auch auf Fragen der Kompositionalität aus und führt zu sehr hohen Ansprüchen an die semantische Repräsentation von Lexemen und ihrer Verknüpfung: Die Zerlegungen von Verben und ihren Argumenten und Modifikatoren lassen sich in vielfältiger Weise zusammensetzen. Nach dem "Fregeprinzip" sollte sich dabei die Bedeutung der resultierenden Konstituenten aus den Bedeutungen der zusammengesetzten Konstituenten, sowie der Art der Zusammensetzung ergeben. Im Rahmen der Zusammensetzung eines Verbs mit seinen Argumenten und Modifikatoren sollte sich also auch die Aktionsart der resultierenden komplexen Konstituente formal ableiten lassen und in der Zerlegung dieser Konstituente auch transparent zu erkennen sein. Das zweite und das dritte Kapitel dieser Arbeit wird sich im Rahmen dieser Problematik mit der Verknüpfung von Verben mit nominalen und präpositionalen Aktanten und der Aktionsart der resultierenden Phrasen befassen. Bei der Ableitung der ziemlich komplexen Struktur von Verbprojektionen und Sätzen hat man zwei Alternativen: Entweder wählt man möglichst einfache Zerlegungen für die Bausteine einer zusammengesetzten Konstituente und steckt die Komplexität in die Verknüpfungsregeln, oder man verkompliziert die Zerlegungen der Bausteine zugunsten einfacher Verknüpfungsregeln. In der Tradition der Montaguegrammatik, in der Dowtys Ansatz steht, hat es sich aber eingebürgert, nach Möglichkeit nur die funktionale Applikation als Verknüpfungsoperation anzunehmen. Sie wird formal als Lambda-Konversion repräsentiert: (1)

λχ (... χ ...)(a)

-

(... a ...)

Der Uebergang von der ersten zur zweiten Formel ist dann möglich, wenn a und die von λ gebundene Variable vom gleichen Typ sind, und in a nicht freie Parameter enthalten sind, die durch den Uebergang gebunden werden.3 2 Diese Transparenz lässt sich aber nicht bis ins letzte durchführen (ich muss an dieser Stelle dem ersten Kapitel bereits etwas vorgreifen). Zustands- und Prozessprädikate lassen sich durch ihre Struktur nicht mehr unterscheiden; Versuche Dowtys, Prozesse als "agentive Zustände" zu beschreiben (1979: llOf.) sind nicht adäquat. 3

In letzter Zeit sind neben die funktionale Applikation zusätzliche Prinzipien wie die funktionale Komposition

und vor allem die Theta-Rollen-Unifikation getreten, die in Kapitel 2 ausführlich erläutert und diskutiert werden. Ich werde ferner an einer Stelle von der in der Montague-Grammatik enthaltenen Möglichkeit, auch neue semantische Verknüpfungsoperationen zu definieren, Gebrauch machen müssen (Kap. 2, Abschnitt S.2).

16

Einleitung

Diese Beschränkung hat natürlich zur Folge, dass die semantischen Repräsentationen von Lexemen sehr komplex werden. Dies wird sich im dritten Kapitel selbst bei so harmlos aussehenden Verben wie singen zeigen. Ich habe versucht, in diesem Abschnitt den Forschungsansatz, in dem die vorliegende Arbeit durchgeführt wurde, darzustellen und auch die dabei zu erwartenden Schwierigkeiten bereits anzudeuten. Es wird sich in dieser Arbeit aber zeigen, dass der Ansatz mächtig genug ist, um die betrachteten Phänomene der Komposition zu beschreiben.

3. Einbettung der Analyse in Forschungsansätze Nachdem ich im letzten Abschnitt das der Arbeit zugrundeliegende Programm Dowtys skizziert habe, sollen in diesem Abschnitt noch weitere für die Arbeit vorausgesetzte Forschungsansätze beschrieben werden. Es handelt sich dabei um die Montaguegrammatik und um die zweistufige Semantikkonzeption, wie sie von Bierwisch und Lang begründet wurde. Ferner werde ich die in dieser Arbeit verwendete Repräsentationssprache vorstellen und beschreiben, welche Zeitstruktur in dieser Arbeit angenommen werden soll. Auch die Mereologie wird in einem Unterabschnitt eingeführt.

3.1 Parallelismus zwischen Syntax und Semantik: Montaguegrammatik Die hier vorgelegte Analyse wird im Rahmen von zwei grundlegenden Theorien über die Sprache durchgeführt. Der erste Rahmen ist Montagues Grammatikanalyse, wie sie in den in Montague (1974) gesammelten Aufsätzen vorliegt und seitdem immer weiter ausgebaut und - im Unterschied zu den Arbeiten Montagues - auch auf die lexikalische Semantik übertragen wurde (neben Dowty 1979 z.B. Bennett 1974 oder Cresswell 1985a). Die Montaguegrammatik basiert auf drei Grundpfeilern, einer Grammatik, einer Logiksprache und einer Uebersetzung zwischen beiden. Ausdrücke der Grammatiksprache werden durch Uebersetzungsregeln in Ausdrücke der Logiksprache überführt, die dann interpretiert werden. Montague hat eine modelltheoretische Interpretation zugrundegelegt, eine Entscheidung, auf die ich weiter unten noch eingehen werde. Die Logiksprache dient dabei lediglich der leichteren Interpretierbarkeit der Grammatik und ist nicht unbedingt erforderlich. Sie ermöglicht es jedoch, die jahrhundertealte Tradition der formalen Logik für die Analyse natürlicher Sprachen nutzbar zu machen. Grammatik und Logiksprache besitzen die Form einer freien Algebra, die durch Wohlgeformtheitsbedingungen, die mit Hilfe von grammatischen Kategorien bzw. typentheoretischen Restriktionen formuliert werden, beschränkt sind.

Einleitung

17

Entscheidend für die Interpretierbarkeit der Grammatik mit Hilfe der Logiksprache ist der auf den Uebersetzungsregeln basierende Homomorphismus zwischen beiden. Mit anderen Worten, Strukturen der Grammatik werden durch jeweils einschlägige Uebersetzungsregeln eindeutig auf Strukturen der Logiksprache übertragen, ohne dass relevante Strukturierungen bei der Uebersetzung eingeebnet werden. Dieser Homomorphismus bewirkt, dass jede Interpretation eines Ausdrucks der Logiksprache auch eine Interpretation desjenigen Ausdrucks der Grammatik ist, den die Uebersetzungsregeln auf den betreffenden Ausdruck der Logiksprache abgebildet haben. Alle semantischen Repräsentationen von Prädikaten und damit auch die strukturellen Unterscheidungen zwischen Aktionsarten werden nun in dieser Logiksprache ausgedrückt. Wichtig ist dabei auch die mengentheoretische Repräsentation der Funktor-Argument-Beziehung. Z. B. stellt ein Verb wie schlafen vereinfacht die Menge aller Schläfer dar; die Anwendung von schlafen auf eine NP wie Fritz drückt somit lediglich aus, dass Fritz zur Menge der Schläfer gehört. Wegen des von der Montaguegrammatik geforderten strikten Parallelismus von Syntax und Semantik gibt es zu jeder syntaktischen Verknüpfungsregel eine korrespondierende semantische Verknüpfungsregel (in der Regel versucht man, sich auf die funktionale Applikation zu beschränken), die die semantischen Aequivalente der in der Syntax verknüpften Konstituenten zu einer neuen semantischen Konstituente zusammenfügt und so die Uebersetzung der syntaktisch gebildeten Phrase ergibt. Die syntaktische und semantische Ableitung von Fritz schlcift kann z.B. mit folgender (vereinfachten) Regel beschrieben werden: (2)

Wenn α eine NP und β eine VP ist, dann verbinde die beiden Konstituenten zu einem Satz S. Die syntaktische Verknüpfung F von α und β ist eine Konkatenation: F( α ß) = a ß . Die semantische Uebersetzung von a ß ist ß'(a'), wobei a' und ß'jeweils die semantischen Uebersetzungen von α und β sind.

Der Vorteil an diesem strikten Parallelismus zwischen Syntax und Semantik ist natürlich der, dass man bei Bedarf für bestimmte syntaktisch zu definierende Verknüpfungen eine dazu passende semantische Verknüpfung annehmen darf. Wie sich zeigen wird (Kap. 2, Abschnitt 5.2), gibt es Fälle, wo man auf diese Möglichkeit zurückgreifen muss. Anders als in der ursprünglichen Montaguegrammatik nehme ich aber an, dass die so gewonnenen semantischen Repräsentationen nicht direkt auf die Wirklichkeit (oder ein Modell davon) abgebildet werden, sondern auf eine Zwischenebene, die einer Konzeptualisierung der Wirklichkeit entspricht. Hier schliesse ich mich dem Modell der sogenannten Zwei-EbenenSemantik an, das im folgenden Abschnitt kurz dargestellt wird.

18

Einleitung

3.2 Die Zwei-Ebenen-Semantik Die unter dem Titel "Zwei-Ebenen-Semantik" bekannte Theorie wurde von Bierwisch und Lang (Bierwisch (1982), (1983); Bierwisch und Lang (1987)) begründet. Sie geht davon aus, dass sprachliche und allgemein-kognitive Fähigkeiten des Menschen nicht miteinander identifiziert werden dürfen, sondern zwei verschiedene Module der menschlichen Intelligenz sind. Diese beiden Fähigkeiten des Menschen wirken bei der Verarbeitung von sprachlichen Aeusserungen zusammen. Zur menschlichen Sprachfertigkeit gehört als Teil der Grammatik eine semantische Komponente, die sprachlichen Aeusserungen eine sprachliche Bedeutung zuordnet. Dies ist die erste Ebene der Bedeutung und wird in geeigneten semantischen Zerlegungen für sprachliche Ausdrücke und Aeusserungen beschrieben. Diese Ebene determiniert die Bedeutung der Aeusserung noch nicht vollständig. Formal zeigt sich das darin, dass semantische Zerlegungen z.T. Parameter enthalten, die auf dieser Ebene nicht bestimmt werden können. Die allgemein-kognitiven Fertigkeiten des Menschen dienen auf der anderen Seite dazu, ihm ein Bild von der Wirklichkeit zu verschaffen. Auf dieses Bild der Wirklichkeit wird nun die sprachliche Bedeutung einer Aeusserung abgebildet. Dabei wird sie in Abhängigkeit vom Kontext noch weiter ausdifferenziert. Erst nach dieser Abbildung kann man von einer vollständig determinierten Bedeutung sprechen. Sie konstituiert dann die zweite Ebene der Bedeutung. Die Sprache spiegelt somit nicht direkt die Welt oder ein Modell der Welt wieder, sondern unsere Konzeptualisierung der Welt. Dass sich die semantische Form nicht direkt auf die Realität bezieht, wird daran deutlich, dass ein und derselbe Sachverhalt oft auf stark unterschiedliche Weise, manchmal sogar mit Prädikaten verschiedener Aktionsart (für Beispiele s. Kap. 1, Abschn. 2), beschrieben werden kann (Herweg 1990: 22, vgl. aber Kap. 1, Fussnote 8). Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Ebenen ist, dass auf der konzeptuellen Ebene nichtkompositionale Umdeutungen durchgeführt werden können, während die Semantik rein kompositional aufgebaut ist. Beispiele für ersteres sind z.B. die in Kapitel 1 erwähnten erzwungenen nichtkompositionalen Typanpassungen, in denen ein Prädikat in einer bestimmten Weise uminterpretiert werden muss, um die Akzeptabilität eines Satzes zu "retten". In drei weiteren Unterabschnitten soll nun noch einiges zur gewählten Repräsentationssprache, zur angenommenen Zeitstruktur und zur Mereologie gesagt werden.

Einleitung

19

3.3 Die Repräsentationssprache Weder der Montague-Ansatz noch die Zwei-Ebenen-Semantik legen bereits fest, welche semantische Repräsentation gewählt werden soll. Ich habe mich in dieser Arbeit dafür entschieden, als formalen Rahmen, in dem die Semantik der verbalen Prädikate repräsentiert wird, eine Sprache anzunehmen, in der die für die Interpretation benötigten Indizes direkt in den Zerlegungen expliziert werden. Die hier verwendete Sprache basiert auf Kaplan (1979) und entspricht in ihrer Ausbuchstabierung der Sprache Lwt in v.Stechow (1992a): Prädikate werden also als Funktionen interpretiert, die eine Menge von Argumenten auf eine Relation zwischen zwei Indizes, einem Aeusserungs- und einem Evaluationsindex, abbilden. Beide Indizes bestehen jeweils aus einem Welt-Zeit-Paar. In Reichenbachscher Terminologie kann man den Aeusserungsindex als Sprechzeit interpretieren, den Auswertungsindex als Ereigniszeit. Formal können alle Prädikate durch das Schema (3) charakterisiert werden: (3)

λχ,...λχ η Aw Àt Aw' Xt'(a(x„...x,)(w, t)(w', t'))

Als erstes kommen die Argumente von a, mit η e N„. Mit anderen Worten, ein Prädikat braucht überhaupt keine Argumente zu haben. Bei solchen Prädikaten handelt es sich um tempuslose nichtdefinite Sätze oder um nullstellige Verben wie regnen. Dahinter stehen der Aeusserungsindex (w, t) und der Auswertungsindex (w', t'). Der erste Index wird zur Interpretation indexikalischer Lexeme wie gestern benötigt, hat aber keinen Einfluss auf die Bedeutung anderer Lexeme. Da ich mich im Rahmen dieser Arbeit nicht mit indexikalischen Ausdrücken beschäftigen werde, kann der Aeusserungsindex der besseren Lesbarkeit halber von nun an wegfallen. Auch der Weltparameter des Auswertungsindexes wird aus Gründen der Leserlichkeit weggelassen, wenngleich er auch bei der Definition bestimmter für die Aktionsart relevanten Eigenschaften in Kap. 1 wichtig ist. Diese Sprache lässt viele für die vorliegende Arbeit wesentliche Phänomene deutlich hervortreten. So werden z.B. für die Aktionsarten relevante Eigenschaften als Restriktionen über den zeitlichen Verlauf der in den Prädikaten involvierten Sachverhalte definiert. Wenn nun verbale Prädikate einen Zeitparameter besitzen, wird damit auch das Zeitargument expliziert, auf das sich die in der Aktionsartklassifizierung ausgedrückten Restriktionen letztendlich beziehen. Ferner ist zu einer adäquaten Repräsentation mancher hier einschlägiger Phänomene, wie z.B. der Iteration, ohnehin ein direkter Bezug auf die zeitliche Anordnung von Sachverhalten nötig, was sich in dieser Sprache sehr einfach und anschaulich formulieren lässt. Ein weiterer Vorteil dieser Sprache ist, dass die Zeit- und Weltabhängigkeit auch nominaler Prädikation, wie sie in Nominalen wie ehemaliger Kanzler oder angeblicher Kommunist zu sehen ist, durch Zeit- und Weltvariablen in den Zerlegungen für Substantive repräsentiert werden kann.

Einleitung

20

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden in der Regel nicht vollständige Sätze analysiert; es wird bei den Sätzen systematisch das Tempus und die Definitheit ausser Betracht gelassen. Die Information eines Satzes ohne Tempus und Definitheit wird "Satzradikal" genannt und (wie bei Herweg 1990) als Infinitivsatz ohne Verbendung ausgedrückt. Beispielsweise wäre (5) das Satzradikal von (4): (4)

Max war in der Kneipe

(5)

Max in der Kneipe sei-

Bei der Auswahl der Repräsentationssprache hatte ich natürlich eine bestimmte Nebenabsicht. Vielfach wird in der Literatur argumentiert, dass zur adäquaten Beschreibung bestimmter Phänomene über Zeiten hinausgehende Entitäten, meist handelt es sich dabei um Ereignisse, angenommen werden müssen (die Diskussion wird in Herweg 1990 ausführlich dargestellt). Es soll aber in dieser Analyse angestrebt werden, zumindest einen Teil der Sprache in einem rein zeitlichen Rahmen zu beschreiben. Wie sich zeigen wird, ist im Rahmen der hier vorgelegten Analyse die Annahme von Ereignis-Entitäten nicht vonnöten. Meine Beschränkung auf Zeiten kann und soll dabei aber natürlich nicht präjudizieren, dass derartige zusätzliche Entitäten prinzipiell überflüssig sind. Es wäre übrigens ohne weiteres möglich, meine Analysen in ein System der Aktionsarten wie etwa in Herweg (1990) zu integrieren, wo Prädikate über Zeiten und Prädikaten über Ereignisse unterschieden werden aber durch eine Schar von Operatoren aufeinander bezogen werden können.

3.4 Die Zeitstruktur Als vorletzten Punkt noch einige Bemerkungen zur zugrundeliegenden Zeitstruktur. Hier lassen sich vor allem zwei Entscheidungen fällen, die Wahl der Zeitstruktur und die Art der (darauf aufbauenden) Intervalle. Die Zeitstruktur kann entweder als diskret, dicht oder als kontinuierlich angesehen werden. Bei diskreten Zeitstrukturen gibt es für jede Zeit t einen direkten Vorgänger t' und einen unmittelbaren Nachfolger t"; zwischen t' und t oder t und t" befindet sich also kein Zeitpunkt. Demgegenüber gibt es in einer dichten Zeitstruktur zwischen zwei Zeitpunkten stets einen dritten Zeitpunkt. Kontinuierliche Zeitstrukturen zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen der Dedekindsche Schnitt gilt, d.h., im Falle eines (einmaligen) Zustandswechsels von ->p nach ρ gibt es einen Punkt, für alle dessen Vorgänger - φ und für alle dessen Nachfolger ρ gilt. Der Unterschied lässt sich mit einer Analogie zu den unterschiedlichen Zahlensystemen beschreiben: Die diskrete Zeitstruktur ist mit der Menge der ganzen Zahlen, die dichte Zeit-

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Einleitung

struktur mit der Menge der rationalen Zahlen und die kontinuierliche Zeitstruktur mit der Menge der reellen Zahlen vergleichbar. Die Definitionen in dieser Arbeit werden so formuliert sein, dass sie keine der drei Strukturen voraussetzen, da ich nichts darüber präjudizieren will, wie Menschen die Zeit konzeptualisieren. Der zweite Punkt ist die Frage nach der Struktur von Intervallen. Ich werde meine Betrachtung auf kontinuierliche Intervalle beschränken, die also folgendem Prädikat KONV genügen: (6)

Vt [KONV(t) « W W'(t' c t Λ t" c t - Vt'"(t' < t'" < t" - t m 11))]

Alle Zeiten t'", die zwischen zwei Zeiten t' und t" liegen, die Teile eines kontinuierlichen Intervalls t sind, sind ebenfalls Teile dieses Intervalls. Diese Einschränkung wird im weiteren Verlauf der Arbeit vorausgesetzt, zur Erinnerung habe ich dieses Prädikat aber gelegentlich in eine Definition aufgenommen. Wie bereits in der Definition (6) zu sehen ist, wird die Zeitstruktur in dieser Arbeit wie bei Krifka (1989: 155; 1992: 32f.) und anderen mereologisch gedeutet (siehe auch Link (1983)), was den Vorteil hat, dass Zeitintervalle und Zeitpunkte vom selben Typ sind. Bei einer (standardmässigen) mengentheoretischen Rekonstruktion wären Zeitintervalle Mengen von Zeitpunkten, die somit einen höheren Typ besitzen als die Zeitpunkte. Im nächsten Abschnitt werde ich die Mereologie kurz einführen.

3.5 Die Mereologie In der Mereologie lassen sich Strukturen aufbauen, die in mancher Hinsicht den aus der Mengenlehre vertrauten Strukturen ähneln, aber doch einige wesentliche Unterschiede zu mengentheoretischen Strukturen besitzen. Betrachten wir dazu eine Menge Τ von Zeiten (alternativ kann man Τ als Prädikat "ist eine Zeit" auffassen). Wie in der Mengenlehre nehmen wir einen kommutativen, idempotenten und assoziativen Operator an, der zwei Elemente ihres Definitionsbereichs Τ zu einem neuen Element zusammenfasst. Diese Operation ist vollständig, d.h., jede Zusammenfassung von Elementen aus Τ ist wieder ein Element von T. In der Mengenlehre stellt die Fusion "d' diese Operation dar; in der Mereologie wird sie als " u" ausgedrückt: (7)

a

Vt Vt' [ t u t ' = t ' u t]

b

Vt [t u t = t]

22

Einleitung c

Vt Vt' Vt" [t u (t' u t") = (t u t') u t"]

d

Vt Vt' 3t" [ t u t ' = t"]

Der Operator υ definiert auf Τ einen vollständigen Summenhalbverband (zur Verbandstheorie s. Link 1991b und die darin erwähnten Arbeiten). Auch für die Domäne der Objekte kann eine derartige Struktur angenommen werden (was in der Diskussion der Präpositionen im 2. Kapitel vorausgesetzt wird). Wo ich Ergebnisse anderer Linguisten referiere, wird deutlich, dass man die Mereologie (z.B. bei Krifka) auch zur Strukturierung von Ereignisbereichen verwendet (wobei Ereignisse eine eigene Sorte von Individuen sind). In der Mengenlehre wie in der Mereologie ist nun der durch die Zusammenfassungsoperation entstandene Summenhalbverband durch eine reflexive, antisymmetrische und transitive Halbordnung strukturiert, die eine Teil-von-Relation bezeichnet und mit Hilfe des jeweiligen Vereinigungsoperators definiert werden kann. Aus der Mengenlehre ist diese Halbordnung als "α" wohlbekannt, das mereologische Pendant wird durch "c" bezeichnet: (8)

" in (41) als "ist falsch oder Undefiniert" definiert ist, ergibt sich für einen Satz wie (42) das korrekte Ergebnis. Dort ist (aufgrund des Frequenzadverbs zweimal, vgl. Abschnitt 2 des Kapitels 3) von zwei maximalen Aufenthalten von Fritz in London die Rede, worauf Herweg (1990: 61) hingewiesen hat. (42)

Fritz war zweimal in London

Dieser Satz ist aber auch in dem Extremfall wahr, dass Fritz in London geboren wurde und dort auch starb, aber zwischendurch nie in London war. Eine Repräsentation der beiden Aufenthalte von Fritz mit Hilfe von Po erfasst auch diesen Fall, da aufgrund der Definition der Negation in (41) unmittelbar vor und nach Ereignissen vom Typ Po ρ das Prädikat ρ falsch oder Undefiniert sein kann. Neben diesem Vorzug hat Galtons Operator Po jedoch auch einige Nachteile: Abgesehen von der Unmöglichkeit, die Bedeutung von Galtons Operator Po zu isolieren, ergibt sich das Problem der Gültigkeit des Arguments ρ von Po für das ganze Intervall zwischen dem An-

15 Ueberlappung zweier Zeitintervalle ist definiert als Existenz eines dritten Zeitintervalls, das Teil der beiden anderen Intervalle ist: (i) Vt VI' (t o f - 3 t " (t" e t At" et'))

58

1. Die neue Klassifikation der

Aktionsarten

fang und dem Ende von Po p. Die Definitionen in (41) sind zu schwach, um eine Unterbrechung der Gültigkeit von ρ während des relevanten Intervalls zu verhindern. Ausserdem hat Herweg (1990: 78) darauf hingewiesen, dass die Definitionen in (41) neben maximalen Intervallen auch auf Teile von solchen Intervallen zutreffen können. Da Galtons Operator zu schwach ist und nur in Abhängigkeit vom Kontext definiert werden kann, wird er hier nicht für die Definition eines Intergressivoperators verwendet. 3.2 Herweg (1990) Ein weiterer potentieller Intergressivoperator PO wurde von Herweg (1990) unter anderem zur Beschreibung einer Reinterpretation, die unbegrenzte Prädikate als begrenzt reinterpretiert, vorgeschlagen, wie sie von bestimmten Kontexten, ζ. B. von Frequenzadverbien wie in (42) erzwungen wird (vgl. die ausführliche Diskussion dieser Adverbien im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels). In Herwegs System sind Zustände und Prozesse Prädikate für Zeiten, während die anderen Prädikate Mengen von Ereignissen denotieren. (Prädikate für) Ereignisse und Zeiten können durch Operatoren und Funktionen in Verbindung gebracht werden. Zu ihnen gehört auch der Operator PO. Herweg definiert zunächst maximale Phasen (Gültigkeitsintervalle) eines Zustands oder Prozesses (Herweg 1990: 103). Die folgende Definition ist leicht angepasst: (43)

VS Vt (S-Phase(t) ~S(t) Λ Vf (f e t - S ( f ) ) Λ Vt" (t r : f ' - - S ( f ' ) ) )

Für S-Phasen t und ihre Teile muss S gelten, während es für alle Ueberintervalle von t nicht gelten darf. "->S(t)" ist wieder definiert als "S ist entweder falsch oder Undefiniert für t". Das zweite Konjunkt der Definition (W (t' e t - S(t'))) dient nur dazu, die Anwendbarkeit der SPhase auf Zustände und Prozesse zu beschränken (es schliesst nicht-divisive Prädikate aus). S-Phasen sind gemäss einem der Tests aus Abschnitt 1.1 atelisch: Nach der Definition (43) folgt aus einem Vergleich einer S-Phase unmittelbar vorausgehender und nachfolgender Intervalle nicht notwendigerweise ein Zustandswechsel (es gilt in beiden Fällen ->S). (Für eine ähnliche Definition eines Maximalitätsoperators siehe Krifka 1989: 179f.) Als nächstes führt Herweg den Operator PO durch die folgenden Postulate ein (1991: 64). PO verbindet S-Phasen und Ereignisprädikate: (44)

a

VS Vt (S-Phase(t) - 3!e (PO(S)(e) Λ x(e) = t))

b

VS Ve (PO(S)(e) - S-Phase(t(e)))

1. Die neue Klassifikation der Aktionsarten

59

Zu jeder maximalen Phase eines Zustands oder Prozesses S gibt es genau ein (das wird durch den Quantor 3! ausgedrückt) korrespondierendes Ereignis des Typs PO(S), dessen zeitliche Dauer das maximale Intervall t ist ( τ bildet Ereignisse auf ihre zeitliche Dauer ab). Auf der anderen Seite ist die Dauer jedes Ereignisses vom Typ PO(S) eine S-Phase. Der Operator PO bildet Prädikate über Zeiten auf Prädikate über Ereignisse ab. Wenn man diese Unterscheidung nicht macht, kann die S-Phase selbst als Intergressivoperator angesehen werden. Ich werde die S-Phase in meiner Klassifikation als Intergressivoperator verwenden. Damit können Sätze wie (42) adäquat repräsentiert werden. In (42) sind zwei maximale Phasen, zu denen sich Fritz in London aufhält, involviert. (42) kann aber nicht in dem Sinn interpretiert werden, dass sich Fritz zu zwei Zeitintervallen in London aufhielt, die nicht durch eine Zeit der Abwesenheit Fritz' von London unterbrochen wurden. Wenn jede dieser Phasen durch (45) repräsentiert wird, folgt dies direkt aus der Definition der S-Phase: Jede maximale Phase eines Zustands oder Prozesses ρ ist von Intervallen umgeben, für die ρ falsch oder Undefiniert ist. (45)

Xt (Fritz in London sei-)-Phase(t)

Andere Modifikatoren von Prädikaten, die eine Anwendung eines derartigen Intergressivoperators involvieren, sind das russische Verbpräfix po- 'für eine Weile' und die Nominalisierungen von Verben im Englischen. Ein Beispiel wäre etwa to take a walk, das ein begrenztes Ereignisprädikat darstellt, während to walk ein Prozess ist. Das französische passé simple und der altgriechische Aorist drücken ebenfalls die Begrenztheit eines Prädikats aus. Die Zählbarkeit solcher Prädikate, die von Krifka (1989: 181) und Armstrong (1981) festgestellt wurde, zeigt ihre Begrenztheit. Sie zitieren die folgenden Sätze: (46)

Charlotte dormit trois fois "Charlotte schlief dreimal"

(47)

ό μ ο ι ο ν 8è τοΰτο δ π α ζ τ ε ε ί π ε ί ν κ α ί &εί λ έ γ ε ι ν (ZENO Β1) "Es ist das gleiche, dieses einmal zu sagen (Aor.) und es immer zu sagen (Präs.)"

Das passé simple und der Aorist können mit dem Begriff der maximalen Phase beschrieben werden. Jedoch würde dies das Auslassen des zweiten Konjunkts der Definition (43) erzwingen, da diese beiden Operatoren auf divisive genauso wie auf nicht-divisive Prädikate anwendbar sind. Wenn ein Prädikat begrenzt ist, ist es dadurch bereits maximal, somit ist seine maximale Phase das gleiche wie das Prädikat selbst. Dass es sich in den Fällen wie (46) und (47) jeweils um nicht nur begrenzte Prädikate han-

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1. Die neue Klassifikation der Aktionsarten

delt, sondern dass in ihnen auch maximale Phasen involviert sind, lässt sich zumindestens für das Altgriechische motivieren: Dort gibt es mit dem "Resultativeffekt" ein Phänomen, das für die Interpretation des Aorists mit dem Begriff der maximalen Phase spricht. Einige Prozessprädikate beschreiben Sachverhalte, die auch im Rahmen einer Kausation als Ursache auftreten können. Diese Prädikate bezeichnen die gesamte Kausation (Ursache und Wirkung), wenn sie in den Aorist gesetzt werden. Ein Mitglied dieser Gruppe ist das Verb π ε ί θ ω Sein Infinitiv Präsens πείθενν bedeutet 'einreden', was natürlich der Grund für eine Ueberzeugung sein kann. Dementsprechend bedeutet das Verb im Aorist (πείσαι) 'überzeugen'. Eine Erklärung dieses Phänomens im Rahmen des Intergressivs ist, dass die vom Aorist eingeführte hintere Begrenzung des Sachverhalts als Beginn der mit dem Verb assoziierten Wirkung reinterpretiert wird. Da aber in einer Kausation die Ursache nach dem Anfang des Resultats nicht mehr fortdauern kann, setzt diese Reinterpretation voraus, dass die Gültigkeit des Prädikats in seiner Nicht-Aoristform an der hinteren Begrenzung zu Ende geht. Daher wurde die Begrenzung durch Maximalität des Prädikats hervorgerufen. Im obigen Beispiel ist die Phase von π ε ΐ θ ε ι ν durch den Erfolg der Ueberredung begrenzt: Man kann niemandem etwas einreden, von dem er bereits überzeugt ist. Wenn man ihn einmal überzeugt hat, kann man es ihm nicht mehr einreden. Man muss hier betonen, dass dies nicht die einzig mögliche Art einer Interpretation von Aoristformen wäre: Die Semantik des Aorists liesse auch andere Interpretationen dieser Formen zu (für π ε ί σ α ι wäre 'ein [eventuell vergeblicher] Ueberredungsversuch fand statt' eine mit der Aoristbedeutung völlig kompatible Interpretation). Daher kann ich nicht erklären, warum diese Aoristformen so interpretiert wurden. Ich kann nur andersherum argumentieren und den bereits etablierten perfektiven Gebrauch dieser Formen erklären.

3.3 Ein zweiter Intergressivoperator In diesem Abschnitt werde ich zeigen, dass für die Beschreibung einer Gruppe von Intergressiven (Zustände und Prozesse, die durch Durativadverbien modifiziert werden) ein weiterer Intergressivoperator benötigt wird. Diese Prädikate lassen sich nur schwer mit dem ersten Intergressivoperator beschreiben. Es ist offensichtlich, dass Durativadverbien einen Intergressivoperator einführen: Prädikate wie (3) sind im Gegensatz zu dem jeweils vom Durativadverb modifizierten Prädikat begrenzt. Auf der anderen Seite führen diese Adverbien keinen Zustandswechsel ein (vgl. Abschnitt 1.2). Herweg rekonstruiert Durativadverbien mit der Hilfe seines Operators PO: Durativadverbien spezifizieren in seiner Analyse die minimale Zeitdauer (ZD) eines Sachverhalts, wobei der Sachverhalt in Bezug auf den involvierten Zustand oder Prozess maximal sein muss. Als gemeinsamer Nenner aller Durativadverbien ergibt sich (48):

1. Die neue Klassifikation der Aktionsarten (48)

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λΤ λε (PO(T)(e) Λ Qu(T(e)) =ZD)

Diese Funktion bildet Zustände und Prozesse (Prädikate über Zeiten, was durch die sortierte Variable Τ ausgedrückt wird) auf Ereignisprädikate ab. Diese Ereignisprädikate basieren auf einer maximalen Phase für das Prädikat T, ausserdem ist die Mindestdauer des Ereignisses durch den Wert ZD spezifiziert; Qu ist eine geeignete Massfunktion für Zeiten. (Herweg nimmt eine Halbordnung in der Domäne der Werte von Qu an. Diese Ordnung wird durch das Zeichen "2" ausgedrückt, das (un-)echtes Enthaltensein ausdrückt. Somit ist die Bedeutung von "Qu(T(e)) 2 ZD" "der Wert von Qu(