Aspekt und Aktionsart: Grundriss und Fallstudie an altassyrischen Texten 3447112433, 9783447112437

Die Monographie von Guido W.G. Schilling umfasst sowohl eine Einführung zur grammatischen Kategorie des Aspekts als auch

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German Pages 578 [600] Year 2019

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Inhalt
Abkürzungsverzeichnisse
Allgemein
Abkürzungen der Morphemglossierung in der Fallstudie
Abkürzungen der Corpus Based Typology
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Allgemeines zu dieser Arbeit
1.1.1 Aspekt und Lexikonorganisation im Altassyrischen
1.1.2 Aufbau der Einleitung
1.1.3 Gliederung der Arbeit
1.2 Der Begriff des Aspekts
1.2.1 Wissenschaftshistorischer Abriss des Aspektbegriffs
1.2.2 Die akkadistische Forschung zum Aspekt
1.2.3 Aspekt und Lexikonorganisationin der Fallstudie zum Altassyrischen
1.2.4 Aspekt als Thema der Arbeit
1.2.5 Ein Überblick zur Literatur der Aspektforschung
1.3 Leistung und Grenzen der Sprachtypologie
1.3.1 Die Sprachtypologie
1.3.2 Methodische Hindernisse im Kontext der Altorientalistik
1.3.3 Eigenbegrifflichkeit – gestern und heute
1.3.4 Problematische Terminologien
1.3.5 Verbalcharakter, Progressiv und Relationen –Bemerkungen zur Terminologie in dieser Arbeit
1.4 Vom Altassyrischen zu einem Verfahren seiner Analyse
1.4.1 Die altassyrische Varietät und ihr Kontext
1.4.2 Von Briefen und Urkunden zu Dokumenten und Akten
1.4.3 Die Textanalyseverfahren der objektiven Hermeneutik
1.4.4 Zur Problematik statistischer Verfahren im altassyrischen Korpus
1.4.5 Von der Methode der Analyse zur Methode der Darstellung
1.5 Zusammenfassung der Einleitung
2 Grammatik und Glossierung –Die formale Umsetzung der Untersuchung
2.1 Einleitung
2.2 Die Glossierung der Belege
2.2.1 Prinzipien der Glossierung
2.2.2 Morphemglossierung und Syntax
2.2.3 Glossierung und Phonologie
2.2.4 Die Leipzig Glossing Rules
2.2.5 Zur Umsetzung der Leipzig Glossing Rules
2.3 Die akkadische Verbalmorphologie
2.3.1 Vorbemerkung
2.3.2 Grundzüge des semitischen und akkadischen Verbalsystems
2.3.3 Die Verbalstämme des Paradigmas und ihre Bildungstypen
2.3.4 Präteritum (PRT) / Präsens (PRS)
2.3.5 Stativ (STA)
2.3.6 Imperativ
2.3.7 Suppletive Paradigmen
2.3.8 Paradigmatische Stammformen
2.3.9 Aktionsartenmorphologie
2.3.10 Das t-Perfekt (PRF)
2.3.11 Schlussbemerkung
2.4 Zur Datenerhebung
2.4.1 Vorgaben der objektiven Hermeneutik
2.4.2 Die Ersterhebung
2.4.3 Die Nacherhebung
2.4.4 Ein quantitativer Abgleich
2.5 Zusammenfassung
3 Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz
3.1 Einleitung
3.2 Die Situationstypen
3.2.1 Einleitung
3.2.2 Activities
3.2.3 States
3.2.4 Accomplishments
3.2.5 Achievements
3.2.6 Varianten der Modellierung
3.2.7 Zusammenfassung
3.3 Aktionsarten
3.3.1 Aktionsarten in der Sprachwissenschaft
3.3.2 Aktionsarten in der älteren akkadistischen Literatur
3.3.3 Aktionsart und lexikalische Aspektbedeutung
3.3.4 Semantik der Aktionsarten über den Aspekt hinaus
3.3.5 Aktionsart und Situationstypen im Russischen
3.3.6 Aktionsarten im Semitischen
3.3.7 Zusammenfassung
3.4 Der inhärente Verbalcharakter
3.4.1 Zum Begriff des Verbalcharakters
3.4.2 Eine erste Verbalcharakterklassifizierung des Akkadischen
3.4.3 Betrachtungen zu den Vokalklassen des akkadischen Verbs
3.4.4 Akkadische Vokalklassen und perfektive Situationstypen
3.4.5 Vokalisierung der grammatikalisierten Aktionsarten im Akkadischen
3.4.6 Zusammenfassung
3.5 Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik
3.5.1 Einleitung
3.5.2 Telizität
3.5.3 Situationstypen und inhärente Aspektdichotomie
3.5.4 Genus
3.5.5 Paradigmatische Wechsel
3.5.6 Zusammenfassung
3.6 Aspektsemantik und Kontext
3.7 Zusammenfassung
4 Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt
4.1 Einleitung
4.1.1 Überblick
4.1.2 Syntax und Semantik der Aspektdichotomie
4.1.3 Tempus
4.1.4 Aspekt
4.1.5 Zusammenfassung
4.2 Tempus vor Aspekt – Aspekte als Differenzierung von Tempora
4.2.1 Der griechische Aorist
4.2.2 Das perfektive Präteritum des Russischen
4.2.3 Das Imperfekt im Griechischen und Latein
4.2.4 Das indoiranische Imperfekt
4.2.5 Das imperfektive Präteritum des Russischen
4.2.6 Zu den Lesarten des Imperfektivs im Französischen
4.2.7 Vergangenheit und Aspektdichotomie
4.2.8 Aspekt und Präsens im Russischen
4.2.9 Das englische Progressiv als allgemeinsprachliche Kategorie
4.3 Aspekt gegen Tempus – Eine kontrastive Darstellung der Kategorien
4.4 Aspekt ohne Tempus – zur Temporalität der Aspektsemantik
4.5 Perfektiv und Imperfektiv – eine Zusammenfassung
4.5.1 Einleitung
4.5.2 Imperfektive Situationstypen und perfektiver Aspekt
4.5.3 Perfektive Situationstypen und imperfektiver Aspekt
4.5.4 Ergebnis
4.6 Das Perfekt
4.6.1 Zwischen Klassik und Standard –die begrifflichen Dimensionen des Perfekts
4.6.2 Zwischen Tempus und Aspekt
4.6.3 Ansätze der Beschreibung als Tempus oder Aspekt
4.6.4 Zeit und Zustand – Eine erste grundlegende Unterscheidung
4.6.5 Das moderne Perfekt und seine Lesarten
4.6.6 Resultativ, Stativ und das indogermanische Perfekt
4.6.7 Das Perfekt als sprachtypologische Kategorie
4.6.8 PRF und PRT im Akkadischen
4.7 Chimären – Versuche offener Aspektklassifizierungen
4.7.1 Einleitung
4.7.2 Ein stativer Aspekt und das griechische Perfekt
4.7.3 Ein Ausblick auf das Progressiv
4.7.4 Zur Hypothese eines non-progressiven Imperfektivs
4.7.5 Wohin mit den habituellen Lesarten
4.7.6 Zusammenfassung
4.8 Diachronie
4.8.1 Einleitung
4.8.2 Externe Diachronie
4.8.3 Interne Diachronie
4.8.4 Zusammenfassung
4.9 Zusammenfassung und Ausblick
5 Aspekt im Kontext
5.1 Einleitung
5.1.1 Interfaces
5.1.2 Prototypen & Extensionalität
5.1.3 Aspekt und Schnittstellen
5.2 Aspekt im Kontext der Syntax
5.2.1 Einleitung
5.2.2 Verbalargumente
5.2.3 Typologie semantischer und syntaktischer Rollen
5.2.4 Relationale Typologie – Interaktionen von Kasus und Aspekt
5.2.5 Syntagmatische Ergänzungen
5.2.6 Taxis
5.3 Aspekt im Kontext der Semantik
5.3.1 Einleitung
5.3.2 Transitivität
5.3.3 Modalität & Evidentialität
5.3.4 Generizität
5.3.5 Polarität und Negation
5.3.6 Semantische Relationen und ihre Prinzipien
5.3.7 Das Progressiv
5.3.8 Das Perfekt und seine Grammatikalisierungsstufen
5.3.9 Suppletion und Defektivität
5.4 Lesarten der grammatischen Aspekte und ihre Bestimmung
5.4.1 Katalog der Lesarten des imperfektiven Aspekts
5.4.2 Katalog der Lesarten des perfektiven Aspekts
5.4.3 Katalog der Lesarten des extended-now Perfekts
5.4.4 Katalog der Lesarten der Resultativkategorie
5.4.5 Gesamtübersicht zum Katalog der Lesarten
6 Belegkatalog zum altassyrischen Präsens
6.1 Einleitung
6.1.1 Allgemeines
6.1.2 PRS und PK
6.2 Beschreibung der Lesarten
6.2.1 Übersicht
6.2.2 Progressive Lesarten
6.2.3 Generische Lesarten
6.2.4 Modale Lesarten
6.3 Katalog der progressiven Lesarten
6.3.1 Prs-1) aktuell-zuständlich (state)
6.3.2 Prs-2) prozessual (activity)
6.3.3 Prs-3) iterativ (activity)
6.3.4 Prs-4) konativ (accomplishment)
6.3.5 Prs-5) approximativ (achievement)
6.3.6 Prs-6)? graduell (achievement)
6.3.7 Zusammenfassung der progressiven Lesarten
6.4 Katalog der generischen Lesarten
6.4.1 Einleitung
6.4.2 Prs-7) *okkupationell
6.4.3 Prs-8) habituell
6.5 Katalog der modalen Lesarten
6.5.1 Einleitung
6.5.2 Prs-9) dispositionell (agens-orientiert)
6.5.3 Prs-10) prohibitiv
6.5.4 Prs-11) epistemisch
6.6 Diskurs
6.7 Grammatikalisierungsalter und Entwicklung
6.8 Zusammenfassung
7 Belegkatalog zum altassyrischen Stativ
7.1 Einleitung
7.1.1 Allgemein
7.1.2 Der Forschungsstand in The Akkadian verband its Semitic background
7.2 Beschreibung der Lesarten
7.2.1 Allgemeines
7.2.2 Perfektische Lesarten
7.2.3 Imperfektive Lesarten
7.2.4 Modale Lesarten
7.3 Katalog der perfektischen Lesarten
7.3.1 Sta-1) Vorvergangenheit und recent past (perfektisch)
7.3.2 Sta-2) perfektzuständlich (zustandspassiv)
7.3.3 Sta-3) *experentiell (perfektisch)
7.3.4 Zusammenfassung der perfektischen Lesarten
7.4 Katalog der imperfektiven Lesarten
7.4.1 Sta-4) okkupationell
7.4.2 Sta-5) zuständlich (state)
7.4.3 Sta-6) prozessual (activity/accomplishment)
7.4.4 Sta-7) *iterativ (activity)
7.4.5 Zusammenfassung der non-modalen Lesarten
7.5 Katalog der modalen Lesarten
7.5.1 Die modalen Lesarten des STA
7.5.2 Sta-8) potentiell-zuständlich
7.5.3 Sta-9) non-faktiv
7.5.4 Sta-10) konjunktivisch
7.5.5 Sta-11) optativisch
7.5.6 Sta-12) admonitiv
7.5.7 Sta-13) prohibitiv
7.6 Semantik der imperfektiven Formen
7.6.1 Einleitung
7.6.2 Konsequentialität
7.6.3 Stativ und Inaktiv
7.6.4 Zusammenfassung
7.7 Zeitlagenbezug
7.7.1 Einleitung
7.7.2 Vergangenheit
7.7.3 Gegenwart
7.7.4 Zukunft
7.7.5 Zusammenfassung
7.8 Schemata der Transfigierung
7.8.1 Einleitung
7.8.2 a-a
7.8.3 a-u
7.8.4 u/u?
7.8.5 Der Basistyp a-i
8 Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt
8.1 Einleitung
8.1.1 Allgemein
8.1.2 Der Forschungsstand zum PRT
8.2 Beschreibung der Lesarten
8.2.1 Allgemein
8.2.2 Perfektive Lesarten
8.2.3 Perfektische Lesarten
8.2.4 Modale Lesarten
8.2.5 Perfekta Intensiva
8.3 Non-modale perfektive Lesarten
8.3.1 Prt-1) delimitativ (activity)
8.3.2 Prt-2) inzeptiv (achievement)
8.3.3 Prt-3) kompletiv (accomplishment)
8.3.4 Prt-4) punktuell (achievement)
8.3.5 Prt-5) komplexiv (state)
8.4 Bemerkungen zu perfektischen Lesarten und ihrer Distribution
8.5 Perfektische Lesarten
8.5.1 Einleitung
8.5.2 Prt-6) XN, recent past & hot news (perfektiv)
8.5.3 Prt-7)? XN, experentiell (perfektiv)
8.5.4 Prt-8) XN, resultativ (& konsekutiv) (perfektiv)
8.5.5 Prt-9) XN, durativ/universal (imperfektiv)
8.5.6 Zusammenfassung der non-modalen Lesarten
8.6 Modale Lesarten
8.6.1 Einleitung
8.6.2 Prt-10) potentiell-dynamisch
8.6.3 Prt-11) non-fakt
8.6.4 Prt-12) konjunktivisch
8.6.5 Prt-13) optativisch
8.6.6 Prt-14) admonitiv
8.7 Prt-15) perfectum intensivum
8.8 Semantik der Distribution
8.8.1 Einleitung
8.8.2 Syntax
8.8.3 Semantik
8.8.4 Diskurs
8.9 Zusammenfassung
9 Taxis
9.1 Einführung
9.1.1 Allgemeines
9.1.2 Taxis als Funktion des grammatischen Aspekts
9.2 Indikativ und modale Formen
9.2.1 Die Präformativkonjugation
9.2.2 t-Infix Aktionsart und Taxis
9.2.3 Der Stativ (STA)
9.2.4 Katalog der Formen der Taxis und ihres Aspekts
9.2.5 Objektellipse und relativischer Anschluss
9.3 Subjunktiv
9.3.1 Einleitung
9.3.2 Formen des Subjunktivs
9.3.3 Funktionen des Subjunktivs
9.4 Relative Zeitlagen
9.4.1 Einleitung
9.4.2 Vorzeitigkeit und Gleichzeitigkeit
9.4.3 Nachzeitigkeit
9.4.4 Überblick zur Funktion des relativen Zeitbezugs
9.5 Modal- und Auxiliarverben
9.6 Zusammenfassung
10 Lexikon
10.1 Einleitung
10.2 Dynamizität
10.2.1 Einleitung
10.2.2 Dynamische Verben
10.2.3 Zuständliche Verben
10.3 Semantische Relation
10.3.1 Agentivität und DSM
10.3.2 Semantische Relation und Dynamizität
10.3.3 Resultativer und inaktiver Stativ
10.3.4 Strukturprozesse der semantischen Relation im Altassyrischen
10.4 Genus & Vokalklassen
10.4.1 Überblick
10.4.2 Die a-Klasse
10.4.3 Die i-Klasse
10.4.4 Die Ablautklasse des i-Transfixes
10.4.5 Die u-Klasse und ihre Ablautklasse
11 Aktionsarten im Altassyrischen
11.1 Einleitung
11.2 Der Präsensstamm
11.2.1 Einleitung
11.2.2 Die transitiven D-Stämme
11.2.3 Intransitive D-Stämme
11.2.4 Besondere Lesarten der SK des Präsensstamms
11.2.5 Die Semantik des Präsensstamms in Grundstamm und D-Stamm
11.2.6 Nominale Formen und denominale Funktionen
11.2.7 Zusammenfassung
11.3 Die Präfixe
11.3.1 Einleitung
11.3.2 Die Verben I-w und I-j
11.3.3 Die Aktionsart I-n
11.3.4 Š-Stamm
11.4 Perfektstamm und Infixe
11.4.1 Einleitung
11.4.2 Das akkadische Perfekt (PRF)
11.4.3 t-Stämme
11.4.4 I-t Verballexeme
11.4.5 tn-Stamm
11.5 Reduplikationsstämme
11.6 Infirmae und Suffixbildungen
11.6.1 Infirmae
11.6.2 Die Verben III emphatisch
11.7 Suppletion und Defektivität
11.7.1 Vorbemerkung
11.7.2 Die defektiven Verben
11.7.3 Stammformensuppletion
11.7.4 Aktionsartensuppletion
11.7.5 Tempus-Aspekt-Suppletion
11.8 Subjunktiv und Ventiv
11.8.1 Einleitung
11.8.2 Aspektsemantik des Subjunktivs
11.8.3 Semantik des Ventivs
12 Analyse
12.1 Das altassyrische Verbalsystem
12.2 Implikationen für das Akkadische
12.3 Sprachwissenschaftliche Relevanz der Fallstudie
13 Ausblick
Glossar
Linguistisch
Allgemeines Glossar
Glossar der Lesarten
Grammatikalisierungspfade
Perfektiv extern
Imperfektiv extern
Perfektiv intern
Split eines Inaktivs bei Grammatikalisierung zum Perfekt
Imperfektiv intern
Entwicklung von intransitivem zu transitivem Progressiv
Literaturverzeichnis
Indices
Index altassyrischer Belege
Index sprachwissenschaftlicher Termini
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Aspekt und Aktionsart: Grundriss und Fallstudie an altassyrischen Texten
 3447112433, 9783447112437

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Guido W. G. Schilling

Aspekt

und

Aktionsart Grundriss und Fallstudie an altassyrischen Texten

Harrassowitz

Guido W. G. Schilling Aspekt und Aktionsart

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

Guido W. G. Schilling

Aspekt und Aktionsart Grundriss und Fallstudie an altassyrischen Texten

2019

Harrassowitz Verlag . Wiesbaden

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

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Meinem verehrten Lehrer Professor Dr. Egbert von Weiher in Dankbarkeit zugeeignet.

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Inhalt Abkürzungsverzeichnisse ............................................................................................ Allgemein ......................................................................................................... Abkürzungen der Morphemglossierung in der Fallstudie ................................ Abkürzungen der Corpus Based Typology .......................................................

XVII XVII XVIII XVIII

Vorwort ........................................................................................................................

XXI

1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3

Einleitung .......................................................................................................... Allgemeines zu dieser Arbeit ........................................................................... Aspekt und Lexikonorganisation im Altassyrischen ......................................... Aufbau der Einleitung ....................................................................................... Gliederung der Arbeit ........................................................................................ Der Begriff des Aspekts .................................................................................... Wissenschaftshistorischer Abriss des Aspektbegriffs ...................................... Die akkadistische Forschung zum Aspekt ......................................................... Aspekt und Lexikonorganisation in der Fallstudie zum Altassyrischen ................................................................ Aspekt als Thema der Arbeit ............................................................................. Ein Überblick zur Literatur der Aspektforschung ............................................ Leistung und Grenzen der Sprachtypologie ..................................................... Die Sprachtypologie ......................................................................................... Methodische Hindernisse im Kontext der Altorientalistik ................................ Eigenbegrifflichkeit – gestern und heute ........................................................... Problematische Terminologien .......................................................................... Verbalcharakter, Progressiv und Relationen – Bemerkungen zur Terminologie in dieser Arbeit .............................................. Vom Altassyrischen zu einem Verfahren seiner Analyse ................................. Die altassyrische Varietät und ihr Kontext ........................................................ Von Briefen und Urkunden zu Dokumenten und Akten ................................... Die Textanalyseverfahren der objektiven Hermeneutik .................................... Zur Problematik statistischer Verfahren im altassyrischen Korpus ................... Von der Methode der Analyse zur Methode der Darstellung ............................ Zusammenfassung der Einleitung .....................................................................

38 39 39 42 44 47 49 50

Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung ....................................................... 2.1 Einleitung .......................................................................................................... 2.2 Die Glossierung der Belege ............................................................................... 2.2.1 Prinzipien der Glossierung ................................................................................

51 51 52 52

1.2.4 1.2.5 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.3 1.5

1 1 1 2 3 4 4 12 17 19 20 21 21 25 28 33

2

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

VIII

Inhalt

2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.9 2.3.10 2.3.11 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5

Morphemglossierung und Syntax ...................................................................... Glossierung und Phonologie .............................................................................. Die Leipzig Glossing Rules ............................................................................... Zur Umsetzung der Leipzig Glossing Rules ...................................................... Die akkadische Verbalmorphologie................................................................... Vorbemerkung ................................................................................................... Grundzüge des semitischen und akkadischen Verbalsystems ........................... Die Verbalstämme des Paradigmas und ihre Bildungstypen ............................. Präteritum (PRT) / Präsens (PRS) ....................................................................... Stativ (STA) ........................................................................................................ Imperativ............................................................................................................ Suppletive Paradigmen ...................................................................................... Paradigmatische Stammformen ......................................................................... Aktionsartenmorphologie .................................................................................. Das t-Perfekt (PRF) ............................................................................................ Schlussbemerkung ............................................................................................. Zur Datenerhebung ............................................................................................ Vorgaben der objektiven Hermeneutik .............................................................. Die Ersterhebung ............................................................................................... Die Nacherhebung ............................................................................................. Ein quantitativer Abgleich ................................................................................. Zusammenfassung .............................................................................................

58 60 66 71 76 76 76 78 81 82 83 84 85 86 87 87 87 87 89 89 90 90

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3

Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz ............................. Einleitung .......................................................................................................... Die Situationstypen............................................................................................ Einleitung .......................................................................................................... Activities............................................................................................................ States ................................................................................................................. Accomplishments .............................................................................................. Achievements .................................................................................................... Varianten der Modellierung ............................................................................... Zusammenfassung ............................................................................................. Aktionsarten ...................................................................................................... Aktionsarten in der Sprachwissenschaft ............................................................ Aktionsarten in der älteren akkadistischen Literatur ......................................... Aktionsart und lexikalische Aspektbedeutung................................................... Semantik der Aktionsarten über den Aspekt hinaus .......................................... Aktionsart und Situationstypen im Russischen .................................................. Aktionsarten im Semitischen ............................................................................. Zusammenfassung ............................................................................................. Der inhärente Verbalcharakter ........................................................................... Zum Begriff des Verbalcharakters ..................................................................... Eine erste Verbalcharakterklassifizierung des Akkadischen ............................. Betrachtungen zu den Vokalklassen des akkadischen Verbs .............................

91 91 92 92 92 94 96 98 100 102 103 103 105 107 112 115 119 120 121 121 122 124

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

Inhalt

IX

3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.6 3.7

Akkadische Vokalklassen und perfektive Situationstypen ................................ Vokalisierung der grammatikalisierten Aktionsarten im Akkadischen ............. Zusammenfassung ............................................................................................. Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik ................................................... Einleitung .......................................................................................................... Telizität ............................................................................................................. Situationstypen und inhärente Aspektdichotomie ............................................. Genus ................................................................................................................ Paradigmatische Wechsel .................................................................................. Zusammenfassung ............................................................................................. Aspektsemantik und Kontext ............................................................................ Zusammenfassung .............................................................................................

126 128 130 131 131 131 133 134 138 141 141 142

4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.2.9 4.3 4.4 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.6 4.6.1

Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt ................................ Einleitung .......................................................................................................... Überblick ........................................................................................................... Syntax und Semantik der Aspektdichotomie..................................................... Tempus .............................................................................................................. Aspekt ............................................................................................................... Zusammenfassung ............................................................................................. Tempus vor Aspekt – Aspekte als Differenzierung von Tempora .................... Der griechische Aorist ....................................................................................... Das perfektive Präteritum des Russischen ........................................................ Das Imperfekt im Griechischen und Latein ....................................................... Das indoiranische Imperfekt ............................................................................. Das imperfektive Präteritum des Russischen .................................................... Zu den Lesarten des Imperfektivs im Französischen ........................................ Vergangenheit und Aspektdichotomie .............................................................. Aspekt und Präsens im Russischen ................................................................... Das englische Progressiv als allgemeinsprachliche Kategorie .......................... Aspekt gegen Tempus – Eine kontrastive Darstellung der Kategorien ............. Aspekt ohne Tempus – zur Temporalität der Aspektsemantik .......................... Perfektiv und Imperfektiv – eine Zusammenfassung ........................................ Einleitung .......................................................................................................... Imperfektive Situationstypen und perfektiver Aspekt ....................................... Perfektive Situationstypen und imperfektiver Aspekt ....................................... Ergebnis............................................................................................................. Das Perfekt ........................................................................................................ Zwischen Klassik und Standard – die begrifflichen Dimensionen des Perfekts ...................................................... Zwischen Tempus und Aspekt .......................................................................... Ansätze der Beschreibung als Tempus oder Aspekt.......................................... Zeit und Zustand – Eine erste grundlegende Unterscheidung ........................... Das moderne Perfekt und seine Lesarten .......................................................... Resultativ, Stativ und das indogermanische Perfekt .........................................

143 143 143 143 144 149 152 152 152 156 157 159 160 161 163 164 165 165 167 172 172 172 173 174 174

4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.6.6

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174 177 179 179 182 184

X

Inhalt

4.6.7 4.6.8 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4 4.7.5 4.7.6 4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.8.4 4.9

Das Perfekt als sprachtypologische Kategorie ................................................... PRF und PRT im Akkadischen ............................................................................ Chimären – Versuche offener Aspektklassifizierungen ..................................... Einleitung .......................................................................................................... Ein stativer Aspekt und das griechische Perfekt ................................................ Ein Ausblick auf das Progressiv ........................................................................ Zur Hypothese eines non-progressiven Imperfektivs ........................................ Wohin mit den habituellen Lesarten .................................................................. Zusammenfassung ............................................................................................. Diachronie ......................................................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Externe Diachronie ............................................................................................ Interne Diachronie ............................................................................................. Zusammenfassung ............................................................................................. Zusammenfassung und Ausblick .......................................................................

191 191 192 192 192 193 193 194 194 194 194 195 200 207 208

5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.3.8 5.3.9 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5

Aspekt im Kontext ............................................................................................. Einleitung .......................................................................................................... Interfaces ........................................................................................................... Prototypen & Extensionalität ............................................................................. Aspekt und Schnittstellen .................................................................................. Aspekt im Kontext der Syntax ........................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Verbalargumente ............................................................................................... Typologie semantischer und syntaktischer Rollen ............................................ Relationale Typologie – Interaktionen von Kasus und Aspekt .......................... Syntagmatische Ergänzungen ............................................................................ Taxis .................................................................................................................. Aspekt im Kontext der Semantik ....................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Transitivität........................................................................................................ Modalität & Evidentialität ................................................................................. Generizität ......................................................................................................... Polarität und Negation ....................................................................................... Semantische Relationen und ihre Prinzipien ..................................................... Das Progressiv ................................................................................................... Das Perfekt und seine Grammatikalisierungsstufen .......................................... Suppletion und Defektivität ............................................................................... Lesarten der grammatischen Aspekte und ihre Bestimmung ............................. Katalog der Lesarten des imperfektiven Aspekts .............................................. Katalog der Lesarten des perfektiven Aspekts................................................... Katalog der Lesarten des extended-now Perfekts .............................................. Katalog der Lesarten der Resultativkategorie .................................................... Gesamtübersicht zum Katalog der Lesarten ......................................................

209 209 209 209 211 211 211 213 215 217 227 228 234 234 234 238 248 251 253 261 267 269 273 273 278 281 283 285

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Inhalt

XI

6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.3.7 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.6 6.7 6.8

Belegkatalog zum altassyrischen Präsens ......................................................... Einleitung .......................................................................................................... Allgemeines....................................................................................................... PRS und PK........................................................................................................ Beschreibung der Lesarten ................................................................................ Übersicht ........................................................................................................... Progressive Lesarten ......................................................................................... Generische Lesarten .......................................................................................... Modale Lesarten ................................................................................................ Katalog der progressiven Lesarten .................................................................... Prs-1) aktuell-zuständlich (state) ....................................................................... Prs-2) prozessual (activity) ................................................................................ Prs-3) iterativ (activity) ..................................................................................... Prs-4) konativ (accomplishment) ...................................................................... Prs-5) approximativ (achievement) ................................................................... Prs-6)? graduell (achievement) ......................................................................... Zusammenfassung der progressiven Lesarten ................................................... Katalog der generischen Lesarten ..................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Prs-7) *okkupationell ........................................................................................ Prs-8) habituell .................................................................................................. Katalog der modalen Lesarten ........................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Prs-9) dispositionell (agens-orientiert) .............................................................. Prs-10) prohibitiv .............................................................................................. Prs-11) epistemisch ........................................................................................... Diskurs .............................................................................................................. Grammatikalisierungsalter und Entwicklung .................................................... Zusammenfassung .............................................................................................

289 289 289 289 290 290 291 291 292 292 292 297 298 299 301 302 303 303 303 303 305 305 305 306 309 311 312 312 313

7 7.1 7.1.1 7.1.2

Belegkatalog zum altassyrischen Stativ ............................................................ Einleitung .......................................................................................................... Allgemein .......................................................................................................... Der Forschungsstand in The Akkadian verb and its Semitic background ............................................................................... Beschreibung der Lesarten ................................................................................ Allgemeines....................................................................................................... Perfektische Lesarten ........................................................................................ Imperfektive Lesarten ....................................................................................... Modale Lesarten ................................................................................................ Katalog der perfektischen Lesarten ................................................................... Sta-1) Vorvergangenheit und recent past (perfektisch)..................................... Sta-2) perfektzuständlich (zustandspassiv) ....................................................... Sta-3) *experentiell (perfektisch) ...................................................................... Zusammenfassung der perfektischen Lesarten ..................................................

315 315 315

7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4

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315 320 320 321 321 321 322 322 323 327 327

XII

Inhalt

7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.5.6 7.5.7 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.7 7.7.1 7.7.2 7.7.3 7.7.4 7.7.5 7.8 7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.8.4 7.8.5

Katalog der imperfektiven Lesarten .................................................................. Sta-4) okkupationell .......................................................................................... Sta-5) zuständlich (state) ................................................................................... Sta-6) prozessual (activity/accomplishment) ..................................................... Sta-7) *iterativ (activity).................................................................................... Zusammenfassung der non-modalen Lesarten................................................... Katalog der modalen Lesarten ........................................................................... Die modalen Lesarten des STA .......................................................................... Sta-8) potentiell-zuständlich .............................................................................. Sta-9) non-faktiv ................................................................................................ Sta-10) konjunktivisch ....................................................................................... Sta-11) optativisch ............................................................................................. Sta-12) admonitiv .............................................................................................. Sta-13) prohibitiv ............................................................................................... Semantik der imperfektiven Formen ................................................................. Einleitung .......................................................................................................... Konsequentialität ............................................................................................... Stativ und Inaktiv............................................................................................... Zusammenfassung ............................................................................................. Zeitlagenbezug .................................................................................................. Einleitung .......................................................................................................... Vergangenheit.................................................................................................... Gegenwart.......................................................................................................... Zukunft .............................................................................................................. Zusammenfassung ............................................................................................. Schemata der Transfigierung ............................................................................. Einleitung .......................................................................................................... a-a ...................................................................................................................... a-u ...................................................................................................................... u/u? ..................................................................................................................... Der Basistyp a-i .................................................................................................

328 328 328 334 336 336 337 337 337 338 338 339 341 341 342 342 342 345 347 348 348 348 348 349 350 351 351 352 353 355 355

8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.3 8.3.1 8.3.2

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt ............................................................ Einleitung .......................................................................................................... Allgemein .......................................................................................................... Der Forschungsstand zum PRT .......................................................................... Beschreibung der Lesarten ................................................................................ Allgemein .......................................................................................................... Perfektive Lesarten ............................................................................................ Perfektische Lesarten ......................................................................................... Modale Lesarten ................................................................................................ Perfekta Intensiva .............................................................................................. Non-modale perfektive Lesarten ....................................................................... Prt-1) delimitativ (activity) ................................................................................ Prt-2) inzeptiv (achievement) ............................................................................

357 357 357 357 358 358 359 359 359 360 360 360 361

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Inhalt

XIII

8.3.3 8.3.4 8.3.5 8.4 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5 8.5.6 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.6.5 8.6.6 8.7 8.8 8.8.1 8.8.2 8.8.3 8.8.4 8.9

Prt-3) kompletiv (accomplishment)................................................................... Prt-4) punktuell (achievement).......................................................................... Prt-5) komplexiv (state) .................................................................................... Bemerkungen zu perfektischen Lesarten und ihrer Distribution ....................... Perfektische Lesarten ........................................................................................ Einleitung .......................................................................................................... Prt-6) XN, recent past & hot news (perfektiv) .................................................. Prt-7)? XN, experentiell (perfektiv) .................................................................. Prt-8) XN, resultativ (& konsekutiv) (perfektiv) ............................................... Prt-9) XN, durativ/universal (imperfektiv)........................................................ Zusammenfassung der non-modalen Lesarten .................................................. Modale Lesarten ................................................................................................ Einleitung .......................................................................................................... Prt-10) potentiell-dynamisch ............................................................................. Prt-11) non-faktiv .............................................................................................. Prt-12) konjunktivisch ....................................................................................... Prt-13) optativisch ............................................................................................. Prt-14) admonitiv .............................................................................................. Prt-15) perfectum intensivum............................................................................ Semantik der Distribution ................................................................................. Einleitung .......................................................................................................... Syntax................................................................................................................ Semantik............................................................................................................ Diskurs .............................................................................................................. Zusammenfassung .............................................................................................

365 367 370 371 372 372 372 373 373 376 377 377 377 377 378 379 380 382 383 386 386 386 390 394 399

9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4

Taxis .................................................................................................................. Einführung ........................................................................................................ Allgemeines....................................................................................................... Taxis als Funktion des grammatischen Aspekts ................................................ Indikativ und modale Formen ........................................................................... Die Präformativkonjugation .............................................................................. t-Infix Aktionsart und Taxis .............................................................................. Der Stativ (STA) ................................................................................................ Katalog der Formen der Taxis und ihres Aspekts ............................................. Objektellipse und relativischer Anschluss......................................................... Subjunktiv ......................................................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Formen des Subjunktivs .................................................................................... Funktionen des Subjunktivs .............................................................................. Relative Zeitlagen ............................................................................................. Einleitung .......................................................................................................... Vorzeitigkeit und Gleichzeitigkeit .................................................................... Nachzeitigkeit ................................................................................................... Überblick zur Funktion des relativen Zeitbezugs ..............................................

401 401 401 401 402 402 411 413 419 420 420 420 421 424 429 429 429 430 433

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XIV

Inhalt

9.5 9.6

Modal- und Auxiliarverben ............................................................................... Zusammenfassung .............................................................................................

434 436

10 10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.4.4 10.4.5

Lexikon .............................................................................................................. Einleitung .......................................................................................................... Dynamizität ....................................................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Dynamische Verben .......................................................................................... Zuständliche Verben .......................................................................................... Semantische Relation ........................................................................................ Agentivität und DSM......................................................................................... Semantische Relation und Dynamizität ............................................................. Resultativer und inaktiver Stativ ....................................................................... Strukturprozesse der semantischen Relation im Altassyrischen ........................ Genus & Vokalklassen ...................................................................................... Überblick ........................................................................................................... Die a-Klasse....................................................................................................... Die i-Klasse ....................................................................................................... Die Ablautklasse des i-Transfixes ..................................................................... Die u-Klasse und ihre Ablautklasse ...................................................................

437 437 438 438 438 439 441 441 442 443 445 450 450 451 454 456 460

11 11.1 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5 11.2.6 11.2.7 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.5 11.6

Aktionsarten im Altassyrischen ......................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Der Präsensstamm ............................................................................................. Einleitung .......................................................................................................... Die transitiven D-Stämme ................................................................................. Intransitive D-Stämme ....................................................................................... Besondere Lesarten der SK des Präsensstamms ................................................ Die Semantik des Präsensstamms in Grundstamm und D-Stamm..................... Nominale Formen und denominale Funktionen ................................................ Zusammenfassung ............................................................................................. Die Präfixe ......................................................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Die Verben I-w und I-j ...................................................................................... Die Aktionsart I-n .............................................................................................. Š-Stamm ............................................................................................................ Perfektstamm und Infixe ................................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Das akkadische Perfekt (PRF) ............................................................................ t-Stämme............................................................................................................ I-t Verballexeme ................................................................................................ tn-Stamm ........................................................................................................... Reduplikationsstämme....................................................................................... Infirmae und Suffixbildungen............................................................................

467 467 468 468 468 475 478 483 484 486 486 486 487 487 495 497 497 497 498 502 503 505 509

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Inhalt

XV

11.6.1 11.6.2 11.7 11.7.1 11.7.2 11.7.3 11.7.4 11.7.5 11.8 11.8.1 11.8.2 11.8.3

Infirmae ............................................................................................................. Die Verben III emphatisch ................................................................................ Suppletion und Defektivität............................................................................... Vorbemerkung................................................................................................... Die defektiven Verben ...................................................................................... Stammformensuppletion ................................................................................... Aktionsartensuppletion...................................................................................... Tempus-Aspekt-Suppletion ............................................................................... Subjunktiv und Ventiv ...................................................................................... Einleitung .......................................................................................................... Aspektsemantik des Subjunktivs ....................................................................... Semantik des Ventivs ........................................................................................

509 512 513 513 513 514 516 519 519 519 519 520

12 12.1 12.2 12.3

Analyse .............................................................................................................. Das altassyrische Verbalsystem ........................................................................ Implikationen für das Akkadische ..................................................................... Sprachwissenschaftliche Relevanz der Fallstudie .............................................

521 521 523 524

13

Ausblick ............................................................................................................

527

Glossar .......................................................................................................................... Linguistisch ....................................................................................................... Allgemeines Glossar ......................................................................................... Glossar der Lesarten ..........................................................................................

531 531 544 546

Grammatikalisierungspfade .......................................................................................... Perfektiv extern ................................................................................................. Imperfektiv extern ............................................................................................. Perfektiv intern .................................................................................................. Split eines Inaktivs bei Grammatikalisierung zum Perfekt ............................... Imperfektiv intern .............................................................................................. Entwicklung von intransitivem zu transitivem Progressiv ................................

549 549 549 549 549 550 550

Literaturverzeichnis ......................................................................................................

551

Indices .......................................................................................................................... Index altassyrischer Belege ............................................................................... Index sprachwissenschaftlicher Termini ...........................................................

565 565 571

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Abkürzungsverzeichnisse Allgemein S S=A S:A S:P S=P AHw GKT GAG A P R Sa Sp Sr DSM STA PRP PRR PRS PRT PRF SK PK XN

Argument des intransitiven Satzes, in Akkusativ- und Ergativrelation zumeist das Subjekt Wechsel von transitiver und intransitiver Lesart ohne Derivation mit Realisierung des intransitiven Subjekts als Nominativ bzw. Ergativ. Wechsel von transitiver und intransitiver Lesart mit Derivation und Realisierung des intransitiven Subjekts als Nominativ bzw. Ergativ. Wechsel von transitiver und intransitiver Lesart mit Derivation und Realisierung des intransitiven Subjekts als Akkusativ bzw. Absolutiv. Wechsel von transitiver und intransitiver Lesart ohne Derivation mit Realisierung des intransitiven Subjekts als Akkusativ bzw. Absolutiv. s. von Soden (1958 1981) s. Hecker (1968) s. von Soden (1995) Argument des transitiven Satzes in Funktion eines Agens (etwa Nominativ oder Ergativ). Argument des transitiven Satzes in Funktion eines Patiens (etwa Absolutiv oder Akkusativ). Peripheres Argument, wie etwa ein Rezipient. Drittes Argument in ditransitiven Konstruktionen Argument des intransitiven Satzes mit der Kongruenz eines Agens, etwa des lexikalischen Subjekts in Akkusativsprachen usw. Argument des intransitiven Satzes mit der Kongruenz eines Patiens, etwa des lexikalischen Objekts beim Zustandspassiv usw. Argument des intransitiven Satzes mit der Kennzeichnung als Rezipient, vgl. mir ist kalt, mihi est usw. s. differentielle Subjektmarkierung akkadischer Stativ Lexeme mit identischem Konsonanten an erster und dritter Stelle. s. unter mediae geminatae (Glossar) akkadisches Präsens (sprachtypologisch ein Progressiv) akkadisches Präteritum (sprachtypologisch ein old anterior) akkadisches Perfekt Suffixkonjugation Präformativkonjugation s. extended-now

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XVIII

Abkürzungsverzeichnisse

Abkürzungen der Morphemglossierung in der Fallstudie ADMON AFFIRM AKK ALL DAT GEN INDEF INTERROG \INF =IRREAL KOND KONJ NEG NOM OBL OPT PERS PK POSS

\PRS ~PRS (PRT) SEP/LOK SK SUB SUBJ VENT

Verbotspartikel Affirmative Partikel Akkusativpronomen/ Akkusativkasusendung allgemeine allativische Präposition Dativpronomen/ Dativkasusendung Genitiv Indefinitpronomen Interrogativpronomen Infinitiv modale Partikel mit irrealer/sprecher-orientierter Semantik Konditional Konjunktion Negation Nominativ Pronomen in obliquem Kasus/ Oblique Kasusendung Modale Partikel/Präfixe Personalpronomen Präformativkonjugation Pronominalsuffix des Genitivs Perfekt mit Infix (i-pras) Präsens mit Ablaut (u-dammaq) Präsens mit Reduplikation (i-parras) Präteritum (i-prus) allgemeine separative oder lokativische Präposition Stativ (Suffixkonjugation) allgemeiner, meist relativischer Subordinator (kein Relativpronomen) Subjunktiv Ventiv

Abkürzungen der Corpus Based Typology (m)ft ge mb mot ref

Übersetzungszeile Interlineare Morphemglossierung der mb Zeile. Sie folgt den Vorgaben der Leipzig Glossing Rules. Phonologische Transkription auf Morphemebene Strukturierung der tx Zeile in „morpho-syntaktische“ (grammatische) Wörter. Originale Textzeile, i.d.R. liegen dazu, wie z.B. im CorpAfroAs, Audiodateien mit Zeitstempel vor.

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Abkürzungsverzeichnisse

rx tx

XIX

Zeile der Satzgliedanalyse. Transkriptionszeile mit Gliederung in (phonologische) Wörter in weiter (phonetischer) Transkription. N.B. auf phonetischer Ebene selbst gibt es kein Wort als begriffliche Einheit.

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Vorwort Vorliegende Studie ist die vollständig überarbeitete Fassung meiner Promotionsarbeit mit dem Titel „Aspekt und Lexikonorganisation im Altassyrischen. Studie zur Tempus- und Aspektsemantik des akkadischen Verbs“ an der Philipps-Universität Marburg, eingereicht im Jahre 2016. Unter denen, die mir während der Promotionsarbeit und der Überarbeitung der Dissertation zur Seite standen, seien hier in besonderem Prof. Dr. von Weiher, Prof. Dr. Dietrich, Dr. Kryszat (Altorientalistik), Prof Dr. Sasse (†), Dr. Drossard (Linguistik), Prof. Dr. GarcíaRamón, Dr. Kölligan (Indogermanistik) und die Betreuer meiner Arbeit, Prof. Dr. Sommerfeld und Prof. Dr. Weninger, genannt. Die erweiterte Fassung der Dissertation ist der großzügigen Unterstützung des Vereins zur Erschließung mehrsprachiger Keilschriften e.V. zu verdanken. Köln, März 2019 Guido W. G. Schilling

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1 Einleitung 1.1 Allgemeines zu dieser Arbeit 1.1.1 Aspekt und Lexikonorganisation im Altassyrischen Die vorliegende Arbeit ist eine sprachwissenschaftlich gestützte Studie zum akkadischen Verbalsystem anhand des Altassyrischen. Sie setzt darin Studien zum akkadischen Verb der vergangenen drei Jahrzehnte durch Autoren wie Kouwenberg, Streck, Loesov oder Metzler fort (1.2.2). In ihrer Fragestellung unterscheidet sie sich von diesen (1) durch eine Orientierung an semantischen Kategorien und Funktionen des Verbalsystems in Grammatik und Lexikon; in ihrem methodischen Ansatz unterscheidet sie sich (2) durch die gründliche Rezeption des Aspektbegriffs und der Aspektforschung, die innerhalb der Sprachwissenschaften zu den schwerer zugänglichen Teildisziplinen gehört und hier für die altorientalistische Forschung erschlossen wird. Tempus, Aspekt und Modalität sind als funktionale Kategorien in allen Sprachen ungeachtet ihrer Formenvielfalt vertreten. In einigen Sprachen wie dem Deutschen wird das Verbalsystem von Tempusbezügen dominiert. In anderen Sprachen dominieren hingegen Aspektbezüge das Paradigma, die diachron stärkere Zeitbezüge entwickeln können (Comrie 1976: 82ff.). Modalität schließlich kann durch morphologisch gekennzeichnete Modi (z.B. die deutschen Konjunktive) oder Umschreibungen realisiert werden. Funktional modale Ausdrücke stehen jedoch in Wechselwirkung mit Aspekt und Tempus. So kann ein Futur durch modale oder modal konnotierte Formen ausgedrückt werden (so im Deutschen mit dem teils als Modalverb verstandenem werden) und ein Habitativ der Vergangenheit z.B. durch Formen, die eine epistemische Modalität kennzeichnen (Palmer 2001: 179). Der wesentliche Wandel des Systems von Tempus; Modus und Aspekt ist im Akkadischen in mittelbabylonischen und –assyrischen Texten vollzogen, so dass man von einem älteren und einem jüngeren Sprachbefund sprechen kann. Literarische Texte (jungbabylonisch) lehnen sich stärker an den älteren Formengebrauch an. Urkunden späterer Zeit weisen einen teils unterschiedlichen Formengebrauch (vgl. Streck 1995a: 122ff. & 148ff.) auf. Da sich dieser in Briefen nicht nachweisen lässt, liegt wohl in Urkunden, die vom Gebrauch von Tempus; Modus und Aspekt der kontemporären Briefe abweichen, ein konservativer Sprachgebrauch und keine dialektale Variante vor. Die konservativen Spracherscheinungen sind vermutlich dem formularischen Stil in Urkunden geschuldet. Inwieweit das Akkadische eine echte Hochsprache entwickelt hat, die auch in Urkunden gebraucht wurde, bedarf daher noch eingehender auch das Lexikon berücksichtigender Untersuchungen. Die Basisterminologie der modernen Sprachwissenschaften für die Aspektformen ist heute praktisch aus der Klassischen Philologie abgeleitet, wiewohl sie historisch aus der Slawistik stammt (Sasse 2002: 208). Erschwert werden solche Vergleiche durch die Verschmelzung von Tempus und Aspekt in den indogermanischen Sprachen und das Primat des Tempus gegenüber Aspekt in ihnen sowie durch die einzelsprachlichen semantischen und syntakti-

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Einleitung

schen Beschränkungen. Für die Aspektlehre von größter Bedeutung sind dabei die Restriktionen im Bereich des Lexikons, die – im Unterschied zu Tempusbezügen – die konkrete Aspektform charakterisieren. Das prominenteste Beispiel sind dabei progressive Formen, wie das englische Progressiv oder die rheinische Verlaufsform, die syntaktisch imperfektiv sind, sich aber durch Beschränkungen im Lexikon wesentlich von klassischen imperfektiven Formen unterscheiden. Ziel der Arbeit ist es zunächst, die Bedeutung der Semantik für das Verbalsystem in der Grammatik und im Lexikon aufzuzeigen. Diese bilden nicht nur ein komplexes System der Interaktion aspektueller Lesarten und strukturieren das Verbalparadigma und das Verballexikon, sondern interagieren auch mit anderen Kategorien der Grammatik, wie u.a. Generizität, Temporalität, Transitivität, Modalität. Unter diesen Vorgaben versucht die vorliegende Arbeit vor dem Hintergrund der fortwährenden Diskussion um Aspekt- oder Tempuscharakter der älteren semitischen Sprachen anhand eines klar umrissenen Aspektbegriffs einen Beitrag zur Klärung dieser Frage. Das Altassyrische gehört nicht nur zu den älteren akkadischen Varietäten, sondern steht unter diesen durch sein weitgehend syllabisches Schriftbild und das in weiten Teilen weniger formalisierte sprachliche Register seiner Schreiber hervor, hinter denen keine professionellen Schriftgelehrten, sondern Kaufleute und Handelsreisende stehen, deren Schriftzeugnisse näher an der historischen Sprachwirklichkeit zu begreifen sind. Zugleich ist es ein Zeugnis eines archaischen Sprachzustandes des Akkadischen mit einem einheitlichen Charakter, der bisherigen Bemühungen einer Differenzierung, etwa nach fremdsprachlichen oder diachronen Varianten, wiedersteht. Grammatische Untersuchungen zum Altassyrischen implizieren daher auch das Versprechen auf Aufschluss zur diachronen Entwicklung der akkadischen Varietäten und der Grammatikalisierungsprozesse im Akkadischen: “The general impression of Old Assyrian is a surprisingly uniform dialect, which in many respects is more archaic than other dialects and therefore of crucial importance for the history of Akkadian.” Kouwenberg (2010: 18). 1.1.2 Aufbau der Einleitung In diesem ersten Kapitel wird nach allgemeinen Angaben zum Inhalt und zu Aufbau der Arbeit (1.1) zunächst der Aspektbegriff in seiner Entwicklung in den Sprachwissenschaften und seine Rezeption in der Akkadistik vorgestellt und darauffolgend im Rahmen dieser Arbeit terminologisch gefasst (1.2). Daran schließt zunächst ein Überblick zur sprachwissenschaftlichen Methode der Fallstudie zum Altassyrischen und ihr Verhältnis zur bisherigen Forschung in der Akkadistik an, der auch die älteren Überlegungen zur sprachlichen Relativität in der altorientalistischen Forschung betrachtet (1.3). Die methodische Erschließung der altassyrischen Texte vor dem Hintergrund ihrer Eigenheiten und ihres Kontexts (1.4) und eine Zusammenfassung (1.5) schließen dieses Kapitel ab. Die Einleitung umfasst sowohl die methodische Erschließung des Korpus und eine Begründung der Textauswahl als auch Einführendes zum altorientalistischen und sprachwissenschaftlichen Kontext der Arbeit. Die eigentlichen für das Verständnis der Analyse relevanten Darstellungen der Begriffsbezugssysteme finden sich in den darauffolgenden Kapiteln und sind möglichst kohärent gehalten. Sie orientieren sich dabei wesentlich am aktuellen Forschungsdiskurs der Sprachtypologie und der Akkadistik. Einige anschauliche Beispiele zur Umsetzung

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Allgemeines zu dieser Arbeit

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der methodischen Vorgaben und ihrer fachspezifischen Schwierigkeiten in statu nascendi finden sich daher ebenfalls in dieser Einleitung. Sie ist aufgrund dessen in einem weiteren geistesund sozialwissenschaftlichen Kontext eingebettet, von dem aus zum Kernthema und der sprachtypologischen Methodik in den folgenden Kapiteln übergeleitet wird. Zusätzlich bietet diese Einleitung einen allgemeinen Überblick zu Klassikern und wichtigen späteren Publikationen zum Aspekt (1.2.5). Dieser kurze Abriss der sprachwissenschaftlichen Literatur bietet zugleich einige Bemerkungen zu Inhalt und Idiosynkrasien, um den Zugang zu erleichtern. Die Werke werden nach ihrer Relevanz für die Untersuchung und allgemeinen Bedeutung entsprechend häufiger in den nachfolgenden Kapiteln zitiert und sind insofern auch für die Forschungsrezeption dieser Arbeit repräsentativ. 1.1.3 Gliederung der Arbeit In Anschluss an diese Einleitung erfolgt zunächst ein Überblick zur Glossierung und zur akkadischen Verbalmorphologie (Kap. 2) sowie eine allgemeine sprachtypologische Einordnung des Akkadischen und Altassyrischen anhand der relevanten sprachwissenschaftlichen Literatur unter Berücksichtigung akkadistischer Arbeiten (Kap. 3–5). Diese Kapitel sind zugleich als problemorientierte Einleitung in den Aspektbegriff und die moderne Aspektforschung konzipiert. In den nachfolgenden Kapiteln findet sich eine Fallstudie zum Altassyrischen als Untersuchung einer synchronen Varietät des Akkadischen. Sie ist als Korpusanalyse der paradigmatischen Verbalformen sowie des lexikalischen Aspekts und der syntagmatischen Gegebenheiten samt nachfolgender Auswertung gestaltet (Kap. 6–12). Ein Ausblick (Kap. 13) mit Zusammenfassung der Fallstudie und der sprachtypologischen Befunde diskutiert den Beitrag dieser Arbeit für andere Forschungsfelder und Varietäten der Altorientalistik, Sprachtypologie und Semitistik. Die sprachtypologische Einordnung beginnt mit einer Darstellung des Aspekts als semantische Kategorie unter Berücksichtigung lexikalischer und situationstypenspezifischer Aspektbegrifflichkeit (Kap. 3), auf die die Beschreibung der Aspektdichotomie auf Ebene der Syntax und ihrer begrifflichen Trennung von Tempus und Perfekt (Kap. 4) folgt. Der sprachtypologische Teil der Arbeit schließt mit der begrifflichen Verortung des Aspekts im Kontext anderer sprachlicher Kategorien, wie Generizität, Modalität usw. (Kap. 5). In der Korpusanalyse werden zunächst das akkadische Präsens (PRS) (Kap. 6) und der Stativ (STA) (Kap. 7) nach den begrifflichen Vorgaben der vorangehenden Kapitel in einem Katalog der Lesarten aufgeführt. Das sich anschließende Kapitel behandelt den Katalog der Lesarten von akkadischem Präteritum (PRT) und Perfekt (PRF) und die Frage ihrer Distribution (Kap. 8). Die wechselseitigen syntagmatischen Beziehungen der paradigmatischen Formen, d.h. die Taxis und ihre Regeln, werden unter Berücksichtigung der Modi mit einer Darstellung des Satzaspekts geboten (Kap. 9). Die Struktur des Lexikons und des inhärenten Verbalaspekts (Kap. 10) und der paradigmatischen Stammformen und der Aktionsarten (Kap. 11) schließen die Korpusanalyse ab. Hieran schließt sich eine zusammenfassende morphologische Analyse an (Kap. 12). Eine Zusammenfassung mit Ausblick auf weitere Fragestellungen in der Akkadistik und angrenzenden Fachgebieten beschreibt die Ergebnisse der Arbeit in gekürzter Form (Kap. 13). Im Anhang finden sich Glossare, Indizes und das Literaturverzeichnis.

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Einleitung

1.2 Der Begriff des Aspekts 1.2.1 Wissenschaftshistorischer Abriss des Aspektbegriffs 1.2.1.1 Überblick Bei der Beschäftigung mit Aspekt steht der Rezipient der Forschungsliteratur vor einer unüberschaubaren Menge an begrifflicher, terminologischer und formaler Diversität mit einer auch für den Spezialisten in der Aspektforschung herausfordernden terminologischen und methodischen Vielfalt. Diese überschneidet sich zugleich mit einer zugrundeliegenden konzeptionellen Vielfalt, hinter der sich ein anhaltender Diskurs um die grundsätzlichen Wesenszüge des Aspektbegriffs verbirgt. Vor jedem Zugang zur Aspektforschung ist daher eine Kenntnis der drei grundständigen Aspektbegriffe von Nutzen, um deren strukturelle und komplementäre Verwendung in der heutigen Forschung zu verstehen. Dabei kann historisch zwischen dem Aspektbegriff der grammatischen Kategorien, wie im altgriechischen Aorist und Imperfekt, dem Aktionsartenbegriff des lexikalisch basierten Verbalaspekts sowie der Situationstypenlehre, die wesentlich auf der Struktur der Verbalphrase aufbaut, unterschieden werden. Der grammatische Aspekt bezeichnet die im Paradigma der Verbalformen veranlagte Form. Die Aktionsarten sind derivative Elemente des Lexikons und Teil des Systems des lexikalischen Aspekts. Die Situationstypen hingegen sind ein übergreifendes Beschreibungsmodell, das vom Lexem bis zum ganzen Satz aspektuelle Eigenschaften beschreibt, allerdings nicht zur Charakterisierung der grammatischen Aspekte im Paradigma herangezogen wird. Die folgende Darstellung fasst die sprachwissenschaftlichen Forschungsrichtungen bis zum letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts zusammen. Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte werden in den Kapiteln 2 bis 5 im Kontext der akkadischen Varietäten themenspezifisch diskutiert; eine Darstellung zur vormodernen Aspektforschung bietet Binnick (1991). Die drei Aspektbegriffe, die seit dem ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert zunehmend synkretistisch fortgesetzt werden, gehen auf drei ursprüngliche getrennte methodologische Ansätze zurück. In Folge dieses Synkretismus ist es auch zu terminologischen Entlehnungen gekommen. Es ist daher nur durch die grundlegenden Kenntnisse der Begriffe möglich, die entsprechenden methodischen Ansätze und ihre Terminologie einander zuzuordnen. Die zwei älteren Traditionsstränge sind wesentlich durch die Indogermanistik des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts geprägt. Sie lassen sich als kontinentaleuropäische Aspektforschung zusammenfassen und von der sich in ihren Anfängen zunächst auf das moderne Englische stützenden angloamerikanischen Aspektforschung unterscheiden. 1.2.1.2 Die kontinentaleuropäische Aspektforschung Die Anfänge des Aspektbegriffs der modernen Philologien und Sprachwissenschaften sind im neunzehnten Jahrhundert zu verorten: “The traditional theory of aspect […] can be traced far back to very early times […] and was the predominant approach in Slavic and Indo-European linguistics in the 19th and early 20th century, gradually also penetrating the fields of Romance and Semitic linguistics, and others.” Sasse (2002: 208).

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Der Begriff des Aspekts

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Der erste Aspektbegriff bezieht sich dabei auf die im Altgriechischen vorliegende Opposition des Aorists und Imperfekts und der verbreiteten Beschreibung dieser Opposition: “Typical definitions that found their way into textbooks and teaching grammars are, for example, ‘the perfective aspect describes an action as a whole, while the imperfective aspect describes the action as having internal structure’ or ‘the perfective aspect describes the action as seen from outside, the imperfective aspect describes the action as seen from inside’, or ‘the imperfective aspect describes an action whose subject moves with the flow of time, while the perfective aspect describes an action where the flow of time comes towards its subject’ […].” Sasse (2002: 209). Schon im Altgriechischen kann jedoch der moderne Erklärungsansatz den Wechsel von Imperfekt und Aorist nur unzureichend erklären. Der Charakter der Dichotomie ist also komplexer: „Aber wir wollen uns nichts vortäuschen. Vielfach, und gerade schon und ganz besonders im ältesten Griechisch, dann auch wiederum bei den vollendetsten Prosaisten, gehen für unser Gefühl Imperfekt und Aorist über etwas Vergangenes bunt durcheinander.“ Wackernagel (1920: 182f.). Neben dieser grammatikalisierten Opposition als Teil des Verbalparadigmas, also eines grammatischen Begriffs des Aspekts, entwickelt sich zeitlich etwa parallel der Begriff des Aspekts als Kategorie der lexikalischen Morphologie, der vor allem durch Agrell (1908) als Aktionsart definiert wird: “These were regarded as ‘Aktionsarten’ and distinguished from ‘aspect’. This tradition, then, exclusively rests on overt distinctions on two different levels of description […].” Sasse (2002: 204). Aktionsarten sind bei Agrell begrifflich eine Gruppe bedeutungstragender Morpheme, wie sie in den slawischen Sprachen zur lexikalischen Paarbildung im Sinne einer Opposition von Aspekten Verwendung finden und zugleich Träger weiterer semantischer Eigenschaften sind: „Unter Aktionsarten verstehe ich, wie in der Einleitung schon hervorgehoben worden ist, nicht die beiden Hauptkategorien des slavischen Zeitwortes, […] – diese nenne ich Aspekte. Mit dem Ausdrucke Aktionsart bezeichne ich bisher fast gar nicht beachtete – geschweige denn klassifizierte – Bedeutungsfunktionen der Verbal-komposita […].“ Agrell (1908: 78; Hervorhebung im Original). So verstanden bildet der Aktionsartenaspekt eine lexikalische Klasse, der auch in eine grammatische Aspektdichotomie integriert werden kann. Im Falle der slawischen Sprachen sind dabei durchgehend durch lexikalische Derivation entstandene Paarbildungen zu beobachten. In ihrer ersten begrifflichen Zusammenführung wurden dabei Aktionsarten als Phänomen des Lexikons und die Aspektdichotomie als Phänomen der Grammatik verstanden: “‘Aspects’ were defined as grammatical categories that do not change lexical meaning, while ‘Aktionsarten’ were taken to be devices of word-formation and thus a matter of lexical enrichment outside the scope of grammatical description […].” Sasse (2002: 209).

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Einleitung

Im Rahmen der begrifflichen Auslotung des Verbalaspekts hat Jespersen (1924: 286ff.) s.u. die terminologische Erweiterung des Aspekts auf den Funktionsbereich der Aktionsarten gerechtfertigt und wesentlich die ganze Breite der möglichen Aspektbegrifflichkeit der nachfolgenden Forschung umrissen. In der Gegenüberstellung des lexikalischen Aktionsartenbegriffs und des grammatischen Aspektbegriffs ist dann auch die begriffliche Deutung als subjektive und objektive Kategorien auszumachen. Demnach sind grammatische Aspekte subjektiv, weil die Perspektive allein durch den Sprecher, d.h. subjektiv bestimmt wird und keine Veränderung der lexikalischen Bedeutung erfolgt. Aktionsarten hingegen bestimmen die aspektuelle Lesart aufgrund ihrer lexikalischen Semantik und zeigen unabhängig der Perspektive Eigenschaften wie Dynamizität, Abschluss oder Vollendung an. Entsprechend sind dann Tempora im Unterschied zum grammatischen Aspekt objektiv, da sie keinen Einfluss auf die lexikalische Semantik nehmen und diese unverändert wiedergeben; d.h. Tempora und Aktionsarten sind hin-sichtlich der lexikalischen Semantik eindeutig und unabhängig einer sprechermotivierten Veränderung. Dieser heute ungebräuchlichen begrifflichen Trennung folgt etwa Landsberger, wenn er die akkadischen Verbalformen als objektiv bezeichnet. Im begrifflichen Raster dieser Unterscheidung sind etwa PRS und STA des Akkadischen objektive Aktionsarten, da die jeweilige Beschränkung auf dynamische und zuständliche Semantik dem grammatischen Aspektbegriff seiner Zeit zuwiderläuft: „Abweichend vom indogermanischen Gebrauch versuche ich, den Terminus Aspekt im Gegensatz zu der objektiven Aktionsart für die verschiedene Anwendung der „Tempora“ je nach Einstellung des Sprechenden […] einzuführen.“ Landsberger (1926: 3601; Hervorhebung im Original). Der Begriff der subjektiven und objektiven Formen ist unter dem Eindruck der Überschneidungen der beiden aspektuellen Funktionsbereiche aufgegeben worden und heute nur noch von wissenschaftshistorischer Bedeutung. Ein Beispiel für diese graduelle Überschneidung von Aktionsart und Aspekt bietet etwa das Griechische. Im Altgriechischen lässt sich der Aorist I, d.h. der sigmatische Aorist, als Aktionsart zu einem imperfektiven Simplex verstehen, dessen lexikalische Semantik ausgeblichen ist: ἐπαίδευσε (Aorist I mit sigmatischem Bildungstyp zum Präsensstamm παίδευ-). Umgekehrt sind die den Aktionsartenbegriff prägenden Strukturen der slawischen Sprachen zugleich auf grammatischer Ebene Teil einer Aspektdichotomie, sodass die Präfixe etwa im Russischen neben ihrem Aktionsartencharakter eine Zuordnung im Rahmen der grammatischen Aspektdichotomie leisten: “Adding a prefix to a stem results in a perfective verb. This is a general principle of Russian morphology which has no exceptions. Certain prefixes primarily convey the perfective viewpoint, whereas others have lexical meaning as well. The latter are known as lexical prefixes. They affect the lexical meaning, and may change situation type, in addition to creating a perfective verb stem.” Rappaport (1997: 242). Dabei ist der perfektiven Form nicht zwingend auch der Charakter der Telizität zuzusprechen. Vielmehr kann auch eine atelische, dynamische Situation unverändert in den perfektiven Aspekt übertragen werden:

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Der Begriff des Aspekts

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„Hier sei nur mit aller Entschiedenheit darauf hingewiesen, daß die der lexikalischen Bedeutung der meisten perfektiven Verben inhärierende Vollendung im oben entwickelten Sinne nicht allen perfektiven Verben eigen ist, mithin nicht die Grundbedeutung des ‘perfektiven‘ Aspekts sein kann.“ Koschmieder (1928: 300). Ebenso ist hinsichtlich der Tempora eine enge funktionale Entsprechung von Präsens und Imperfektiv einerseits und Präteritum und Perfektiv andererseits erkannt worden. Daher lassen sich in Sprachen ohne grammatikalisierte Opposition von Aspekt und Tempus die jeweiligen Paare begrifflich nur schwer differenzieren. Diesen Beobachtungen folgend haben etwa Bybee und Dahl die beiden genannten Tempora als Aspekte mit temporaler Funktion beschrieben: “We have also argued that present ‘tense’ is in fact the present imperfective.” Bybee u.a. (1994: 175). Und ferner: “Dahl 1985 makes the important point that perfective grams, if not restricted to past time reference, typically describe events that are in the past. This generalization is true of our data as well: many of our perfective grams are restricted to the past, and for the rest the perfective use typically refers to the past.” Bybee u.a. (1994: 83). Neben dieser Aspektdichotomie des perfektiven und imperfektiven Aspekts sind teils komplexere geschlossene und offene Systeme modelliert worden. Als offene Erweiterungen können Kategorien von u.a. habitual, progressive, continuous, completive, negative aspect verstanden werden, die aus einer Aspektdichotomie ausgelagert sind oder auch als Sonderfall eines Aspekts begrifflich gefasst werden. Eine solche Differenzierung innerhalb der Dichotomie findet sich in unterschiedlichen Arbeiten und ist abhängig vom Autor und den zentralen Fragestellungen der jeweiligen Forschungsarbeit: “Some scholars working in the perfective/imperfective paradigm distinguished several readings or interpretations of perfectivity and especially imperfectivity. An imperfective aspect form, for example, may have the episodic (‘actual’) reading of ‘progressive’ or ‘hic et nun present’ […], but it may also have one of several nonepisodic (‘in-actual’) readings […]. Nevertheless, the binary opposition between perfectivity and imperfectivity is usually taken for granted so that in most of these approaches it is not claimed that there is, say, a ‘habitual aspect’ distinct from an imperfective one.” Sasse (2002: 210). Zu den Fortsetzern einer begrifflichen Dichotomie gehören neben der akkadistischen Forschung (1.2.2.3) auch Teile der deutschsprachigen Semitistik; bspw.: „Wenn im folgenden von Aspekt die Rede ist, ist immer nur die Dichotomie von vollständig gegeben (= perfektiver Aspekt) und nicht vollständig gegeben gegeben (= imperfektiver Aspekt) gemeint.“ Weninger (2001: 32; Hervorhebung im Original). Ein Beispiel der in der modernen Forschung weitgehend nicht mehr üblichen Erweiterung ist etwa das Verständnis des Perfekts als Teil einer erweiterten Opposition von Aspekten:

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Einleitung

“To these two aspectual categories some 19th century Indo-Europeanists […] had added a third one, the PERFECTAL aspect, whose status as a distinct category has long remained controversial.” Sasse (2002: 209). Dieser Perfektbegriff findet sich etwa bei Kurylowicz (1964: 26), der das Perfekt als Erweiterung des perfektiven Aspekts auf die Zeitlage des Präsens versteht, oder Comrie, der das Perfekt als Aspekt von futurischem Perfekt und Plusquamperfekt, die er als (absolut-relative) Tempora versteht, begrifflich trennt: “First, the perfect is distinct conceptually from the absolute-relative tenses. [...] In terms of location in time, however, the perfect is not distinct from the past.” Comrie (1985: 78). Hier ist zu beachten, dass in der Akkadistik die an Comrie angelehnte Tempuslehre in Streck (1995a) den Begriff des aspektuellen Perfekts nicht fortführt. Die möglichen perfektischen Belege sind in Streck (1995a: 244) unter dem Begriff des (absolut-relativen) Tempus subsummiert. 1.2.1.3 Die angloamerikanische Situationstypenlehre Zunächst unabhängig von dem im wesentlichen kontinentaleuropäischen Aspektbegriff entwickelt sich in der angloamerikanischen Forschung vor dem Hintergrund der Gegebenheiten des Englischen eine formale und strikt auf interne Zeitstrukturen gerichtete Aspektforschung. Richtungsweisend für die diese ist die Situationstypenlehre Vendlers (3.2). Sie wurde im Verlauf der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts – vergleichbar dem Reichenbach’schen Tempusmodell (1947) in der Tempuslehre – Referenz für alle nachfolgenden Modelle. Diese Situationsytpenlehre kennt ursprünglich keine grundlegende Trennung zwischen grammatischem und lexikalischem Aspekt: “[T]he English tradition continued the 19th century comprehensive use of the term ‘aspect’, which predates the differentiation between ‘aspect’ and ‘Aktionsart’, and took great pains in consolidating it theoretically, while the continental tradition was concerned during most of the 20th century with the theoretical elaboration of the aspect/Aktionsart distinction.” Sasse (2002: 212f.). Diese zunächst geschlossene Klassifizierung unterscheidet Zustände (states), punktuelle Situationen (achievements) und durative dynamische Situationen als telisch (accomplishments) oder atelisch (activities). Vergleichbar dem Reichenbach’schen Tempusmodell ist Vendler ein zunächst sprachphilosophischer Ansatz anzuerkennen, der zumindest in Teilen auf der aristotelischen Philosophie aufbaut: “In Metaphysics Aristotle distinguishes between actions that are directed towards a goal (kinesis) and actions that are not so directed (energeiai). Some scholars have attributed other distinctions to Aristotle as well, e.g. that between states and events […].” Sasse (2002: 211; Hervorhebung im Original). Mit dem dichotomen Aspektbegriff teilt die Situationstypenlehre eine diskrete und geschlossene Klassifizierung; mit dem Aktionsartenbegriff die Berücksichtigung anderer semantischer Komponenten, wie Telizität usw. Die Situationstypenlehre Vendlers ist dabei von Be-

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Der Begriff des Aspekts

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ginn an mehrdeutig in ihrer Zuordnung gewesen. Sie beschreibt Situationstypen teils aufgrund der lexikalischen Semantik des Verbs sowie (dies vor allem in der Klasse der accomplishments) als Verknüpfung von Verballexem und Objekt auf syntagmatischer Ebene. Bei der Übertragung in mehrdimensionale Modelle ist die Integration entsprechend unterschiedlich und nach den Präferenzen des Autors und den Gegebenheiten der Objektsprache zu beobachten. Wo diese Situationstypenlehre mit anderen Aspektbegriffen kombiniert wurde, sind die heute dominierenden mehrdimensionalen Aspektmodelle entstanden. In Teilen der Forschung wurde die Situationstypenlehre dabei unter dem Etikett der Aktionsart als allgemeiner lexikalischer Aspekt verstanden oder im Rahmen einer Klassifizierung der Verbalaspekte zu deren begrifflicher Unterscheidung angeführt. So beschreibt etwa Rappaport die Lexeme des Russischen im Rahmen ihres Situationstyps und der Aspektdichotomie, wobei eine für die slawischen Sprachen typische eindeutige Zuordnung von Situationstyp zu Lexem zu beachten ist: “Certain prefixes primarily convey the perfective viewpoint, whereas others have lexical meaning as well. The latter are known as lexical prefixes. They affect the lexical meaning, and may change situation type, in addition to creating a perfective verb stem.” Rappaport (1997: 242). In der Folge der Beschäftigung mit der Situationstypenlehre sind dann vor allem merkmalsgestützte Analysen, wie die Beschreibung mit binären Merkmalen oder intervallbasierte Aspektanalysen auf Basis Vendlers auch außerhalb der sprachwissenschaftlichen Aspektforschung populär geworden. Parallel dazu wurden von unterschiedlichen Autoren Vendlers Klassen reduziert (Verkuyl 2008), erweitert (Smith 1997) oder durch eine deskriptive Klassifizierung ersetzt (Comrie 1976): “Vendler’s approach was readily adopted and elaborated on by formal semanticists and computational linguists […]. Nevertheless, the approach is nowadays also found outside these circles. […]. Post-Vendlerian aspectology is so diversified that it is impossible to sum up its basic make-up in a few lines.” Sasse (2002: 214). Die maßgebliche strikte Fortsetzung der Situationstypenlehre Vendlers findet sich in den Arbeiten Dowtys (1977 & 1979), in denen die Ambiguitäten von Lexem und Situationstypen, Interaktion mit imperfektiven paradigmatischen Formen und modale und generische Semantik sowie Interaktion mit Nominalphrasen und Adverbialphrasen auf syntagmatischer Ebene diskutiert werden. Neben Dowty sind ferner Kenny (1963) sowie Mourelatos (1978) als Vertreter dieser Situationstypenlehre in ihrer grundlegenden Gestaltung nach Vendler zu nennen. Ein besonderes Merkmal ist die Beschreibung durch Situationstypen auf unterschiedlichen Ebenen. Die wichtigsten Anwendungsebenen betreffen dabei (1) das Verballexem selbst, (2) seine lexikalisch veranlagte Valenzstruktur und (3) den Satz als Ganzes. Dabei kann der Situationstyp sich je nach Ebene verändern. Dies betrifft beim Wechsel von Lexikon zum Satz in besonderem Maße activities und accomplishments, die durch die Struktur von Adverbialoder Nominalphrasen wechselseitig überführt werden können, so etwa bei allen Verben der Bewegung, die durch die Angabe eines Zielpunktes auf Satzebene telische Situationen werden: Ich gehe: Ich gehe nach Hause. Ein Wechsel von state und achievement ist hingegen zumeist paradigmatisch veranlagt und tritt regelmäßig bei Sprachen mit einer gram-

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Einleitung

matikalisierten Opposition von Aspekten auf: so in He suddenly believed (Zustandseintritt): He always believed (Zustand). (vgl. Croft 2012: 38) oder in ἐβασίλευσε πεντήκοντα ἔτη (komplexiver Aorist: Zustand): καί ἐβασίλευσε τἧς χώρας (ingressiver Aorist: Zustandseintritt)1. Die modelltheoretischen Herausforderungen der Situationstypenlehre betreffen die Verknüpfung mit anderen Aspektbegriffen und die Trennung des Situationstyps als lexikalische und als syntaktische Eigenschaft. Die Verknüpfung mit anderen Aspektbegriffen ist Voraussetzung für den Umgang mit voll ausgebildeten grammatischen Aspekten, wie im Romanischen, Slawischen oder dem Balkansprachbund. Die unscharfe Trennung des lexikalischen vom syntaktischen Begriff der Situationstypen betrifft u.a. die Argumentstruktur und Transitivität und die Frage, inwieweit diese lexikalisch vorgegeben sind: so sind etwa accomplishments mit indefinitem pluralischem Objekt auf Satzebene activities (Er baute ein Haus: Er baute Häuser). 1.2.1.4 Von eindimensionaler zu mehrdimensionaler Aspektbegrifflichkeit In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurden eindimensionale Modelle des Aspekts unter dem Eindruck der jeweiligen Forschungsergebnisse und wechselseitigen Rezeption ganz überwiegend aufgegeben, sodass heute der Begriff des Aspekts u.a. auf lexikalischer und syntaktischer Ebene als Teil einer Interaktionsstruktur verstanden wird. Diese Struktur insgesamt ist es, die Aspekt als linguistische Kategorie konstituiert. So lassen sich die lexikalische Semantik, derivationale Morpheme, der grammatische Aspekt, Quantität und Definitheit der Nominalphrasen, die Kompatibilität mit temporalen und lokalen Adverbialphrasen sowie die Interaktion aspektueller Verbalformen in syntagmatischer Zusammenstellung (wie etwa dem Inzidenzschema unter dem Begriff der Taxis) als unterschiedliche Ebenen eines mehrdimensionalen Aspektbegriffs verstehen und untersuchen: “A central issue in research on aspect composition is the contribution of arguments and their semantic properties to sentence aspect. For example, many non-stative verbs can give rise to either a telic or atelic interpretation according to whether their theme arguments has quantized or cumulative reference […]. Thematic roles are also significant: much effort has been invested into showing that occurrence of aspectual shifts is in covariation with thematic affectedness […].” Sasse (2002: 219). Im Wesentlichen unterscheiden sich die Modelle dabei neben ihrer Gewichtung der einzelnen Ebenen vornehmlich in der terminologischen Ausprägung. Arbeiten wie Smith (1997) subsumieren die Situationstypenlehre dabei unter dem Begriff des lexikalischen Aspekts als Teil der historischen Aktionsartenlehre und sind als solche zweidimensionale Theorien des Aspekts. Eine begriffliche Zusammenführung von Situationstypen und Aktionsartenbegriff sind auch in terminologischen Bezeichnungen wie „senen1 Im Russischen begegnet ein Suppletivismus der Situationstypen, die im Englischen und Altgriechischen in einem Lexem zusammenfallen. States sind immer imperfektiv ohne die Möglichkeit einer dynamischen Lesung; ihr zugehöriges perfektives Lexem – eine Aktionsartenderivation – ist ein achievement (Rappaport 1997: 249). Die zur Aspektdichotomie querliegende Opposition der Situationstypen wird als Genus bezeichnet (Vendler 1967: 104ff.): prozessuales oder progressives Genus (activities und accomplishments) sowie ein non-prozessuales oder ingressives Genus (states und achievements).

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Der Begriff des Aspekts

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tial Aktionsart“ für die Situationstypen zu erkennen2. Ausgangspunkt ist dabei die kontinentaleuropäische Forschungsrichtung. Aus der angloamerikanischen Forschungsrichtung heraus ist etwa unter dem Eindruck der Aspektmorphologie der romanischen Sprachen eine Betrachtung der grammatisch-paradigmatischen Aspektualität entstanden, deren Dichotomie zu einer semantischen Kategorie weiterentwickelt wurde. Dabei wird die Aspektdichotomie als eine universale Erscheinung verstanden, in grammatischer Form in Aspektsprachen, wie dem Französischen, und in semantischer, inhärenter Erscheinung, wie im Deutschen oder Englischen, derart, dass allen Sätzen natürlicher Sprachen eine perfektive oder imperfektive Lesart zuzuordnen ist. Komplexere mehrdimensionale Modelle sind etwa in der Functional Grammar oder diskurstheoretischen Arbeiten entwickelt worden. Die Arbeiten zur Functional Grammar sind insgesamt heterogen und wiewohl sie auf eine sprachtypologische Verwendung abzielen, durch ihren sprachwissenschaftstheoretischen Anspruch und ihre Abgrenzung gegenüber transformativen Grammatiktheorien schwer zugänglich und zugleich im Rahmen einer holistischen Grammatiktheorie eingebunden. Diskursorientierte Arbeiten, wie Hopper (1982), sind vor allem für die Berücksichtigung der Interaktion aspektueller Formen, d.h. der Taxis (Jakobsen 1957 & 5.2.6), von Bedeutung sowie für die diskursiven Funktionen in narrativen und komplexen Texten, die auch über die Grammatikalisierung der Aspektformen Aufschlüsse geben: „Die Entwicklung folgt im allgemeinen einem bestimmten Muster, wobei die letzten Kontexte, die davon berührt werden, die erzählenden/ narrativen sind. Die Entwicklung im Deutschen ist ein gutes Beispiel dafür.“ Dahl (1996: 366). Sie sind zum Teil weniger komplex strukturiert als Modelle der Functional Grammar und überschneiden sich inhaltlich und begrifflich mit zweidimensionalen Modellen. In den vergangenen Jahrzehnten und in Folge von richtungsweisenden Arbeiten wie Comrie (1976), Dahl (1985) und Bybee u.a. (1994) ist eine Berücksichtigung des sprachtypologischen Materials in den Vordergrund weiter Teile der Aspektforschung getreten, das durch seine breite empirische Basis geholfen hat, einige Probleme der theoretischen Aspektforschung – wie das Verhältnis von Temporalität und Aspekt – anhand tempusloser Sprachen zu erhellen oder vollumfänglich zu klären. Mit diesen tendenziellen Entwicklungen ist zugleich die forschungsgeschichtlich aktuelle Literatur erreicht, die in den folgenden Kapiteln diskutiert wird. 1.2.1.5 Zusammenfassung Eine Trendumkehr hinsichtlich ihrer begrifflichen und terminologischen Komplexität ist in der Aspektforschung nicht zu erwarten. Viele Einzelbeiträge aus Philologien und der sprachtypologischen Feldforschungen leisten hier einen Beitrag zur fortwährenden terminologischen und begrifflichen Überfrachtung. Eine Reduktion der Terminologie (1.3.5) und eine Auslagerung aspektfremder Eigenschaften in andere Teile der Grammatik (hierzu Kap. 5) wäre wünschenswert. 2 Vor allem außerhalb der spezialisierten Forschungsliteratur wird daher der Situationstyp auch Aktionsart bezeichnet; so etwa in Jenni (2005: 83). Das ist aber durch die Vertreter der Vendler‘schen Schule so nicht intendiert (Sasse 2002: 216f.).

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Einleitung

Eine solche Trendumkehr ist aber nur bei vereinzelten Autoren zu erkennen (1.3.4). Erforderlich wäre auch eine sprachwissenschaftliche Einführung in die Begriffsvielfalt der Aspektualität anstelle des durch den Autor präferierten Modells, die als solche keine Hilfestellung für die Rezeption der Literatur in ihrer Breite bietet 3. Für die rezipierenden Forscher ist ein Fokus auf die weniger komplex gegliederten und weniger formalisierten Theorien des Aspekts empfehlenswert, denn von ihnen ist eine stärkere begriffliche Kontinuität zu erwarten, die eine fortgeführte und fruchtbare Nutzung der Fortschritte der Aspektforschung erlauben. Dabei ist der grundsätzliche Erkenntniszuwachs dieser umfangreichen Forschung als solcher zu würdigen. Er erleichtert den Zugang zu den gegenüber dem Standard Average European exotischen scheinenden Elementen in Grammatik und Lexikon altorientalischer Sprachen. Bei der Rezeption der Literatur ist man dem steten Problem der Zuordnung der Terminologie zu ihrer zugehörigen Begrifflichkeit ausgesetzt. Daher ist es von besonderer Bedeutung, den Begriffsreichtum der Aspektforschung in seinen grundlegenden drei Teilbereichen der grammatischen, der lexikalischen und der lexikalisch-syntaktischen Perspektive zu kennen, die hier historisch umrissen worden sind. 1.2.2 Die akkadistische Forschung zum Aspekt 1.2.2.1 Überblick Soweit sie nicht der Begrifflichkeit Landsbergers folgt, lässt sich die akkadistische Aspektforschung in zwei Strömungen trennen: eine in der deutschsprachigen Semitistik verwurzelten Schule, deren wesentlicher Vertreter Streck ist und die für das Akkadische eine Beschreibung des Verbalsystems als kategorische relative Tempora postuliert hat (1.2.2.3), sowie eine stärker sprachtypologisch ausgerichtete Forschungsrichtung mit Kouwenberg als prominentem Vertreter. Kouwenberg orientiert sich maßgeblich an der sprachtypologischen Literatur aber verwendet keine explizite Situationstypenlehre und folgt insofern einer streng kontinentaleuropäischen Begriffsschule. Sein Aktionsartenbegriff ist allerdings unzugänglich: so versteht Kouwenberg Aktionsarten als konstante Eigenschaft des Lexems und lexikalische Einheit (2010: 54ff.); auch will er unter diese nicht die paradigmatischen Stammformen rechnen (Kouwenberg 2010: 544). Vor dem Hintergrund der klassischen Definition der Aktionsart (1.2.1.2) als derivational und Träger semantischer Eigenschaften, kann das m.E. nur als Beschränkung der Aktionsart auf aspektsemantische Eigenschaften verstanden werden und ist bei Kouwenberg möglicherweise synonym mit dem Begriff des Verbalaspekts: “The term Aktionsart will be used here […] to refer to the type of situation that is inherent in the meaning of the verb.” (Kouwenberg 2010: 54). Diese Auffassung der Aktionsarten zeugt von der Konzentration auf syntaktische Fragen und einem entsprechenden Einfluss der anglo-amerikanischen Forschungstradition (1.2.1.3). 3 Der in dieser und anderen (auch angloamerikanischen) Arbeiten oft zitierte Beitrag von Sasse (2002) ist im Kern eine Rezension ausgewählter Beiträge zur Aspektforschung und kann als solches keinen vollumfänglichen Überblick leisten. Auf das Englische als Forschungsobjekt beschränkt bietet Binnick (2006) ergänzende Literatur, die auch zur begrifflichen Einordnung des englischen Formenbestandes von Nutzen ist; ferner finden sich aktuelle Beiträge unterschiedlicher Autoren in Binnick (2012).

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Der Begriff des Aspekts

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Loesov, dessen Arbeiten methodisch weitestgehend denen Kouwenbergs entsprechen, verwendet explizit die Situationstypenlehre Vendlers, was seine Ausführungen zur Fragen des Verbalaspekts prinzipiell nachvollziehbar macht. Die wesentlichen Verständnisschwierigkeiten ergeben sich aus der Zuordnung der Situationstypen zu den akkadischen Verballexemen, die einer vom Russischen geprägten eindeutigen Zuordnung von Lexem und Situationstyp folgt (Loesov 2005: 106ff.) Im Folgenden werden die Modelle mit Schwerpunkt auf die Begrifflichkeit ihrer Aspektterminologie dargestellt. Darin werden zunächst Kouwenbergs und Loesovs Aspektbegriff erläutert. Im Anschluss wird der Aspektbegriff der Münchner Schule diskutiert. Dabei ist zu beachten, dass beide Forschungsrichtungen im Wesentlichen tempusorientiert arbeiten und deren Modelle hier nur in einem Ausschnitt wiedergegeben werden. 1.2.2.2 Die sprachtypologisch orientierte Forschung In der Ende 2010 als Monographie erschienene Arbeit Kouwenbergs The Akkadian Verb and its Semitic Background wird die bisher umfangreichste Darstellung des akkadischen Verbs insgesamt geboten, die nicht nur die assyriologische und semitistische Literatur erfasst und diskutiert, sondern auch umfangreich auf die linguistische und afroasiatische Forschungsliteratur zurückgreift und Vergleiche anstellt. Sie ist für die gesamte akkadistische Forschung zum Verb Referenzwerk und zugleich Zusammenfassung der bis dahin publizierten Forschung in der Akkadistik. Die Arbeit ist in fünf Teile gegliedert, die sich thematisch in drei Themenbereiche fassen lassen. Das erste Drittel – etwa 244 Seiten – befasst sich mit den Tempus-/Aspektkategorien des Verbalparadigmas in den ersten beiden Teilen, den preliminaries (part one) und the basic stem (part two). Das zweite Drittel (245–584) diskutiert die morphologischen Bildungen: den Katalog der derivativen Stammbildungen (part three – the derived verbal stems) und die Verben mit lautlichen Besonderheiten (part four – the minor paradigms). Kouwenberg untersucht diese aber nicht im Rahmen eines akkadischen Systems der Aktionsarten. Möchte er diese auch im historischen Bestand nicht als Aktionsarten begreifen, wäre doch zumindest im Rahmen der Rekonstruktion des semitischen Verbs nach Vorbild der Indogermansitik ein Rückgriff auf den Aktionsartenbegriff förderlich (vgl. hierzu 3.3.3). Zum Schluss resümiert Kouwenberg seine Rekonstruktion des proto-semitischen Verbalparadigmas (584–598), die in den vorangegangenen Teilen diskutiert wurde. Vervollständigt wird das Werk durch das ausführliche Literaturverzeichnis und drei Indices zu den gebrauchten Termini und diskutierten Wörtern. Zentraler Ansatz Kouwenbergs ist eine strikte Trennung von Form und Funktion. Unter der Form (formal aspects) versteht Kouwenberg eine morphologische Analyse der Stämme und Affixe. Diese formale Analyse führt zu einem grundsätzlichen dreiradikaligen Verb, dessen Transfigierung oder Konsonantenbestand keinen funktionalen Parameter bilden 4. Als Ausdruck von Aktionsart im Sinne Kouwenbergs (s.u.) kommen daher nur die stammformenbildenden Affixe mit paradigmatischer Opposition zum Grundstamm des Verbs in Betracht (2010: 245ff.). Eine Verbindung von Stammformen und möglichen Ableitungen herzustellen, die im Grundstamm lexikalisiert sind, wird nicht versucht. 4 Eine Ausnahme bilden geminierte Verben, die auch semantisch analysiert werden (Kouwenberg 2010: 494ff.).

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Einleitung

Unter Funktion (functional aspects) werden im Wesentlichen syntaktische Eigenschaften diskutiert. Dies führt zur Betrachtung des Aspekts als Dichotomie von perfektiv und imperfektiv, einer Konzentration auf die Diathesefunktionen der Stammformen (part three) und auf das Fehlen einer Funktionsanalyse der Verben mit besonderen Formen im Grundstamm (part four). Dass in Kouwenberg die semantischen Funktionen nur eine marginale Rolle spielen, ist bedingt durch den resumptiven Charakter der Arbeit. Kouwenberg fasst dabei die allgemeine Forschungslage in der Assyriologie zusammen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich mit der Syntax des Verbs und nicht mit seiner Semantik beschäftigt hat 5. Die semantische Restriktion des PRS auf progressive Lesarten spielt bspw. keine Rolle bei der sprachtypologischen Charakterisierung (Kouwenberg 2010: 91ff.). Ebenso wenig wird die diachrone und semantische Affinität des STA berücksichtigt (Kouwenberg 2010: 164), die ihn vor allem im modalen Kontext als perfektive Form ausweisen (5.3.3.2). Die Einleitung zu Kap. 3.3 in Kouwenberg (2010) zum Begriff der Aktionsart ist in einer ansonsten begrifflich hervorragend strukturierten und methodisch konsequenten Arbeit ein mir unverständlicher Versuch einer Definition: “The term Aktionsart will be used here – for want of a better one – to refer to the type of situation that is inherent in the meaning of the verb. The most common Aktionsarten are such notions as punctual versus durative, telic versus atelic, […]. Most verbs have a single Aktionsart, which is a constant property, independent of the context of the grammatical category in which the verbs happen to be used. Aktionsarten are lexical categories, which may or may not be grammatically relevant.” Kouwenberg (2010: 54). Zunächst beschreibt Kouwenberg den Aktionsartenbegriff anhand oppositioneller Terme (punctual: durative, telic: atelic usw.). Das ist eine problematische Beschreibung, denn die Aktionsart ist als Kategorie gedacht, Kouwenbergs Beispiele sind aber binäre Merkmale, die weitere kombinatorische Begriffsbildungen in Abhängigkeit ihrer Definition erlauben: durative Verben etwa können telisch oder atelisch sein6. Gleiches gilt für dynamische Verben in Opposition zu zuständlichen Verben; die Liste ließe sich modellabhängig weiter fortsetzen. Ferner definiert Kouwenberg die Zuordnung von Verballexem zu Aktionsarten als zumeist eindeutig, wie sie z.B. im Russischen, aber nicht im Englischen, begegnet. Die Frage, ob durative transitive Verben für das Akkadische aufgrund des Verballexems hinsichtlich der Telizität zu trennen (wie in Suchen und Finden) sind oder dies erst in Verbindung mit dem Objekt, wie im Englischen oder Deutschen (er schreibt: er schreibt ein Buch) syntagmatisch relevant wird, ist nicht angesprochen7. Dies ist von besonderer Bedeutung, da praktisch alle transitiven Verben im Akkadischen mit intransitven Konstruktionen wechseln: 5 Hierzu finden sich ausführliche Darstellungen in den Kap. 3ff.: 3.3.2 (Aktionsarten) & 3.4.2f. (Verbalcharakter) in dieser Arbeit. 6 Zur Telizität punktueller Verben gibt es divergierende Auffassungen: Comrie (1976: 44f.) zählt nur accomplishments zu den telischen Verben; Smith (1997: 30f.) versteht auch achievements als telisch (3.5.2). 7 Suchen und Finden sind sprachtyplogisch häufig lexikalisiert; allerdings tritt dabei eine Entsprechung von activity und achievement auf. Hierzu vgl. die Diskussion in 3.2ff. Hierzu vgl. akkadisch šapāru(m): schreiben, schicken. Beim Lexem wechselt regelmäßig transitives Schicken mit intransitivem Schreiben.

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Der Begriff des Aspekts

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“[A]lmost all transitive verbs are occasionally used without an object.” (Kouwenberg 1997: 95). Dabei ist zwischen echten Applikativen und einfachen Ambitransitven (5.2.3 & 5.3.2) zu unterscheiden. Applikativ sind Verben in den denen ein Argument zwischen der Form des direkten und indirekten Obejkts wechselt, wie es vor allem bei Verben der Bewegung akkadisch häufig belegt ist (Kouwenberg 1997: 96f.). Echte Ambitransitive wechseln von intransitiver zu transitiver Form. Akkadisch sind hier in der Regel nur Wechsel mit Auslassung des Objekts üblich. Verben in denen das Objekt zum intransitiven Subjekt promoviert wird sind selten (5.2.2). Tatsächlich wird das Akkadische beherrscht von einer grammatikalisierten Opposition statischer und dynamischer Situationen (Kouwenberg 2010: 54f.), die folglich einen Einfluss auf die Kernfunktionen der Aktionsarten hat. Dem folgend ist die Opposition von Suffix- und Präformativkonjugation eine Aktionsartenopposition und trifft sich als solche mit dem Verständnis Landsbergers: „Das Akkadische hingegen […] ist von dem Aspekt des Sprechenden unabhängig. […]. Das wenige, was das Akkadische an Modi unterscheidet, wird gleichfalls durch das Hilfsmittel der Aktionsarten zum Ausdruck gebracht; […].“ Landsberger (1926: 360f.). Aufgrund dieser begrifflichen Definition sind dann die beiden Konjugationstypen des Akkadischen grammatikalisierte Aktionsarten, die ihre Aktionsartensemantik beibehalten haben. Zugleich überführt diese grammatische Opposition einen Teil des Aktionsartenbegriffs aus dem Lexikon ins Paradigma. Diese Opposition von Suffix- und Präformativkonjugation bedingt, dass der große Teil der Verballexeme, die in STA und der Präformativkonjugation begegnen, hinsichtlich des Aktionsartenunterschieds von statischer und dynamischer Lesart ambivalent ist. Hier stellt sich die Frage, welche Aktionsarten dann Teil des Lexikons sind und wie diese mit der paradigmatischen Aktionsart interagieren. Folgerichtig sind bei Kouwenberg die paradigmatischen Stammformen von seinem Aktionsartenbegriff ausgenommen, obwohl diese aus praktischen Gründen hier berücksichtigt werden sollten (Kap. 3.3): “It is therefore better not to use the term Aktionsart for the functions of the derived verbal stems, […].” Kouwenberg (2010: 544). In der auf diesen Versuch einer Begriffsfindung folgenden Darstellung wird die Möglichkeit von zwei lexikalischen Aspekten als Differenzierung zuständlicher Verballexeme diskutiert: adjektivische Verben (Kouwenberg 2010: 58ff.) sowie die Verben mit prototypischer zuständlicher Lesart in der Präfixkonjugation; prototypisch kann hier nur so verstanden werden, dass es einen lexikalischen Aspekt zuständlicher Semantik gibt, dieser aber einer PrototypenLetzteres kann als Ellipse der transitiven Konstruktion verstanden werden (Kouwenberg 2017: 743) und den Ausfall eines gedachten Objekts wie Tafel, Aufzeichnung usw. implizieren. Der Inhalt des Schreibens steht dabei altassyrisch und auch in anderen Varietäten regelmäßig mit einer präpositionalen Phrase (z.B. aššumi- wegen, bezüglich). Hingegen stehen für andere Kontexte des Schreibens akkadisch Verben wie lapātu(m) eintragen mit dem Geschriebenen als Objekt oder šaṭāru(m) schreiben, wenn kein Schicken einer Nachricht zugrunde liegt.

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Einleitung

semantik folgend in Abhängigkeit des Kontexts verschiedene mit dem Begriff der Zuständlichkeit verbundene Eigenschaften zeigt. Kouwenberg bietet hier (2010: 54ff.) eine Diskussion zu akkadischen Zustandsverben; eine Abhandlung über akkadische Aktionsarten fehlt. Insgesamt erkennt Kouwenberg auch keinen klassenbildenden lexikalischen Aspekt an. So heißt es zum Verbalcharakter: “In sum the distinction between stative and fientive as a lexical opposition is not applicable to Akkadian; [...] it is difficult to dispense completely with a distinction between (prototypically) fientive verbs [...] formally fientive verbs with a stative meaning and adjectival verbs.” Kouwenberg (2010: 55). Eine Situationstypenlehre wird in Kouwenberg nicht vorgestellt. Diese wurde in die Akkadistik zuerst von Loesov (2005: 106ff.) eingeführt und in weiteren Arbeiten im Rahmen einer Forschung zum akkadischen Verb und den funktionalen Möglichkeiten zur Wiedergabe präsentischer Sachverhalte fortgesetzt. Ein von den Situationstypen getrennter Aktionsartenbegriff ist in Loesov nicht zu finden. Er orientiert sich an dem zweidimensionalen Ansatz, wie er z.B. in Bertinetto (2000) zu finden ist. Prinzipiell erscheinen mir die Arbeiten allerdings offen gegenüber neueren Erkenntnissen der sprachwissenschaftlichen Forschung. Daher ist eine Zuwendung zu komplexeren Betrachtungen des Aspekts in zukünftigen Arbeiten nicht auszuschließen. In einer solchen zweidimensionalen Modellierung entspricht das Aspektsystem des Russischen der Darstellung in Rappaport (1997). Der Rückgriff auf die Darstellung Rappaports ist von besonderem Nutzen, um die Möglichkeit von Interferenzen durch das slawische Aspektsystem in Loesovs Arbeiten aufzuspüren. Das ist von Bedeutung, denn Loesov gibt wie Kouwenberg keine methodischen Vorgaben an, nach denen der Situationstyp (bei Kouwenberg lexical aspect) der akkadischen Verben ermittelt wird. Hier ist bei beiden Autoren kein Problembewusstsein der einzelsprachlichen Zuordnung von lexikalischer Bedeutung nach der Übersetzung und aspektueller Eigenschaften im Sinne der aspektbegrifflichen Eigenschaften des Lexems erkennbar. Vielmehr wird eine sprachtyplogisch nicht plausible Entsprechung von Semantik und Situationstyp auf allgemeinsprachlicher Ebene unterstellt, so dass etwa Töten, Öffnen usw. einen einheitlichen Situationstyp auf metasprachlicher Ebene besitzen. Eine strikte Entsprechung von Situationstyp und Lexem ist aber zumeist schon einzelsprachlich nicht gegeben und eine besondere Eigenheit der slawischen Aktionsarten (3.3.5.3). Wechsel von Situationstypen zeigt etwa das Englische beim Wechsel von zuständlicher und dynamischer Situation, etwa bei Verben wie to live (Dowty 1979: 67)8. 1.2.2.3 Die Münchner Schule und ihr Aspektbegriff Streck (1995a) kombiniert eine Situationstypenlehre mit einer einfachen Aspektdichotomie, ohne an die Aktionsartenforschung anzuknüpfen. Er nennt weder eine strukturelle Beziehung im Sinne einer formalen Aktionsartenklassifizierung noch die Bedeutung der Valenz und Argumetstruktur (5.2.2) für die Zuordnung aspektueller Lesarten. Vielmehr scheint in vielen Fällen eine simple Zuordnung aus der Übersetzungssprache vorzuliegen. In einigen Fällen macht diese den Eindruck einer Übertragung der eindeutigen lexikalischen Zuordnung des

8 Hierzu vgl. 3.2.3 & 3.3.2.

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russischen Verballexikons. In der eigentlichen Analyse in Streck (1995a: 88f.) und der nachfolgenden Arbeit spielt diese Situationstypenlehre keine Rolle. Charakteristisch für Strecks Arbeiten ist ein rudimentärer Aspektbegriff, der auf eine differenzierende Anwendung verzichtet. Bei Streck und anderen Vertretern kommen erschwerend einige teils veraltete Annahmen zum Aspektbegriff und seinem inhärenten Zeitbegriff hinzu, die eine sprachtypologisch als Aspekt erkennbare Form unter einer Kategorie relativer Tempora rechnet, deren Existenz als Kategorie im Unterschied zu Aspekt und (absolutem) Tempus nicht nachgewiesen ist. 1.2.2.4 Zusammenfassung Im derzeitigen Forschungsdiskurs wird Aspekt im Akkadischen praktisch nur im Rahmen verschiedener Situationstypenlehren beschrieben. Darstellungen zum Verbalcharakter beschränken sich auf die Gliederung des Lexikons nach zuständlichen und dynamischen Verben; Untersuchungen zu Aktionsarten fehlen völlig. Auf grammatischer Ebene findet sich die Diskussion zum Aspekt nur im Rahmen der Darstellung von Tempora. Der Begriff des grammatischen Aspekts bleibt auf die Aspektdichotomie von Perfektiv und Imperfektiv beschränkt. Er ist weder in Bezug auf Formen mit spezifischer Semantik, wie Progressiven, noch in Bezug auf Interaktionen in Grammatik und Lexikon differenziert. Insgesamt teilen die Forschungsarbeiten der Akkadistik einen rudimentären und zugunsten des Tempus und der Syntax stark verengten Aspektbegriff, der Aspekt dem Tempus als Kategorie nachordnet und semantische Charakteristika marginalisiert. 1.2.3 Aspekt und Lexikonorganisation in der Fallstudie zum Altassyrischen 1.2.3.1 Lexikon und Grammatik als Dimensionen des Aspektbegriffs Aspekt ist ein komplexer Begriff der mehrdimensional verstanden wird. Auf einer ersten grundlegenden Ebene ist dabei zwischen Aspekt als lexikalischer und als grammatischer Eigenschaft zu unterscheiden. Auf einer zweiten Ebene sind syntaktische von semantischen Eigenschaften zu trennen. Der lexikalische Aspekt umfasst die im Wörterbuch angelegten Eigenschaften. Zu den aspektuellen Eigenschaften der verbalen Lexeme zählen zunächst ihre möglichen Situationstypen (3.2), die als komplexe Kategorien oder als Kombination verschiedener Merkmale beschrieben werden können. Komplexe Kategorien sind u.a. Zustände und Prozesse; Merkmale, die in ihrer Kombination Situationstypen beschreiben, sind u.a. Dauer (Durativität) und vorgegebener Abschluss (Telizität). Die Aktionsarten sind stammbildende Morpheme (3.3), die nicht auf aspektuelle Eigenschaften eingegrenzt werden können. Sie können daher lexikalische und grammatische Bedeutung besitzen. Lexikalische Bedeutungen verändern die Bedeutung des Simplex, wie in deutschem Berichten zum Simplex Richten. Grammatische Bedeutungen können eine Veränderung des Situationstyps (deutsch: Gehen: Losgehen) oder des grammatischen Aspekts (im Russischen) anzeigen oder auch die Argumentstruktur verändern, wie dem akkadischen Š-Stamm mit Kausativierung des Simplex oder deutschem be- in Beladen. Hier ist für das Akkadische sprachtypologisch auffällig, dass zwar eine Reihe von Aktionsarten, die zu Stammformen grammatikalisiert sind, einen Einfluss auf die syntaktische Transitivität haben,

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Einleitung

Applikative jedoch überwiegend als einfache Variante der Verbalwurzeln auftreten: im Grundstamm bei Bewegungsverben, wie erēbu(m): eintreten, mit präpositionalem oder direktem Objekt. Der Verbalcharakter (3.4) wird – ergänzend zur Klassifizierung in zuständliche und dynamische Verben (3.4.2) – in einer Klassifizierung dargestellt, die das Lexikon nach Genus der Situationstypen trennt (3.4.1 & 3.5.4). Zu ihm zählen auch die Vokalklassen (3.4.3), weil diese zwar eine morphologische Gestalt besitzen, aber keine produktive Derivation nachzuweisen ist. Die Aspektdichotomie von Perfektiv und Imperfektiv ist die Grundlage der Darstellung des grammatischen Aspekts (4.2) und seiner Trennung vom Begriff des Tempus (4.3f.). Vor dem Hintergrund dieser Darstellung wird der Begriff des Perfekts in seiner diachronen Breite und mit Blick auf die akkadischen Gegebenheiten dargestellt (4.6). Das Progressiv als sprachtypologische Kategorie wird in 4.7.3 umrissen und in 5.3.7 in ganzer Breite dargestellt. 1.2.3.2 Syntax und Semantik als Kategorien der Aspektfunktionen In dieser Arbeit wird die Analyse des Korpus anhand eines mehrdimensionalen Modells des Aspekts vorgestellt, das auf einer Trennung der Syntax und Semantik grammatischer Formen aufbaut. Die Unterscheidung semantischer und syntaktischer Eigenschaften aspektueller Formen vor dem Hintergrund der grammatischen Kategorien, mit denen Aspekte interagieren, findet sich in Kap. 5. Hier soll ein kurzer Ausblick gegeben werden. Die Semantik der Formen steht in der Fallstudie im Vordergrund der Untersuchung, denn sie bestimmt die grundlegende Interaktion von Lexikon und Grammatik. Sie ist im Akkadischen von entscheidender Bedeutung für eine Charakterisierung, da praktisch alle Formen semantische Eigenschaften besitzen, die einen Sonderfall einfacher Aspekte darstellen, wie des PRS als Progressiv, oder die Grenzen der dichotomen Einteilung überschreiten, wie universale Lesarten des PRT (3.5.5.4) oder der Wechsel von pefektiver modaler Semantik und imperfektiver non-modaler Syntax im STA (4.6.6). In der Fallstudie wird daher zwischen der Aspektdichotomie in der Syntax als Ausdruck der non-modalen syntagmatischen Funktionen und der Semantik als Ausdruck modaler und inferentieller Funktionen unterschieden. Syntaktische Funktionen beziehen sich auf den Ausdruck relativer und absoluter Zeitlagen, Verknüpfungen im Rahmen der Taxis und die Realisierung des Verballexems hinsichtlich seiner Zeitstruktur. Dabei wird prinzipiell die syntaktische Aspektdichotomie als Selektionsverfahren der im Lexikon veranlagten Lesarten verstanden. So erlauben etwa simple past und Aorist eine zuständliche und eine den Eintritt in den Zustand beschreibende Lesart eines Lexems: He suddenly believed: He always believed. (vgl. Croft 2012: 38) ἐβασίλευσε πεντήκοντα ἔτη (komplexiver Aorist): καί ἐβασίλευσε τἧς χώρας (ingressiver Aorist). Das entsprechende Imperfekt bezeichnet hingegen immer den Zustand und unterscheidet sich dadurch, dass der Aorist den Zustand komplexiv wiedergibt, d.h. in Verbindung mit einem Abschluss des Zustands. Hingegen bleibt das Imperfekt gegenüber dem Ende des Zustands unbestimmt. Semantische Funktionen betreffen die Lesarten im modalen Kontext zum Ausdruck epistemischer und nicht-epistemischer Lesarten, wie etwa dem Gebrauch des PRT in Verbindung mit modalen Präfixen zum Ausdruck des für die Zukunft Verlangten oder Gewünschten z.B. im Rahmen des Prekativs (2.3.7). Zur Semantik und ihrem Funktionsbereich gehören ferner Veränderungen grammatischer Relationen (akkusativisch, ergativisch, aktivisch), wie sie

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Der Begriff des Aspekts

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etwa im Sumerischen im Rahmen des Tempus-Aspekts Splits mit akkusativisch gebildetem Imperfekt und ergativischem Perfektiv auftreten; hierunter fallen auch Veränderungen der Lesarten, die nicht durch das Lexikon vorgegeben sind und so bspw. bei Resultativen begegnen und durch eine aktivische Relation bestimmt sind: Er hat geschlagen (akkusativisch): Er ist geschlagen (aktivisch)9.Auch werden unter den semantischen Funktionen lexikalische Restriktionen geführt, die die Auswahl der Lexeme beschränken, wie etwa die sprachtypologisch häufige Restriktion von states mit verschiedenen Aspektformen; so erlaubt das Russische keine Zustände im Rahmen der perfektiven Morphologie, hier wird immer eine den Eintritt in den Zustand beschreibende Lesart realisiert: “Stative sentences in Russian appear only in the imperfective viewpoint.” Rappaport (1997: 249). Eine ähnliche Restriktion betrifft etwa das Progressiv in Sprachen wie dem Englischen: *He is knowing him. (to know erlaubt keinen Progressiv). Aber: He is living in Berlin (now). 1.2.4 Aspekt als Thema der Arbeit 1.2.4.1 Ziel der Arbeit Die Kenntnis der aspektuellen Semantik verfeinert nicht nur das Verständnis der Sprache als Regelsystem, sondern auch der Nuancen der grammatischen und lexikalischen Differenzierungen des Akkadischen in allen Textgattungen. Aspekt wird hier als mehrschichtiges Phänomen verstanden, dass nicht nur in den Flexionskategorien (Kap. 4), sondern auch in der Phrasenstruktur, der Satzverknüpfung und im Lexikon in Erscheinung tritt und durch Strukturregeln zwischen diesen Ebenen realisiert wird (3.5). Die zentrale Fragestellung bezieht sich dabei zunächst auf das semantische Verhältnis der Aspektkategorien zur Aspektualität der Lexeme. Ausdruck des lexikalischen Aspekts (Kap. 3) dieser semantischen Kategorien sind Verbalcharakter (3.4) und Aktionsarten (3.3). Der Verbalcharakter ist der inhärente semantische Gehalt des Lexems. Die Aktionsart umfasst den morphologisch ausgedrückten Aspekt. Die Fallstudie untersucht die Aspektkategorien des Altassyrischen. Ziel der Arbeit ist es, den Reichtum der Informationen aufzuzeigen, der durch semantische Wechselwirkungen zwischen Lexikon und Flexionskategorien zum Ausdruck gebracht wird. Zugleich soll aufgezeigt werden, dass dieser Reichtum aspektueller Ausdrucksmöglichkeiten nicht an literarische Mittel gekoppelt ist. Er findet sich auch in den alltagssituierten Texten der assyrischen Händler wieder, deren Lebenspunkt fernab des akkadischen Sprachraums in Anatolien zu verorten ist. 1.2.4.2 Darstellung der Fallstudie In dieser Fallstudie werden zunächst die sprach- und dialektspezifischen semantischen Eigenschaften der Aspektkategorien besprochen und nach ihren aspektuellen Lesarten gegliedert (Kap. 6–9). Anhand dieses Katalogs der Lesarten werden die Organisationsprin9 Das Haben-Perfekt folgt der akkusativischen Relation des Deutschen. Das Sein-Perfekt zeigt eine aktivische Relation mit einem Wechsel perfektischer intransitiver Verben und zustandspassiver Lesarten in Abhängigkeit der lexikalischen Semantik (5.3.6).

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Einleitung

zipien des Lexikons und Regeln zur Bildung der Lexeme erarbeitet (Kap. 10–11). Eine zusammenfassende Darstellung der varietätsspezifischen Dynamik der Formen und ihres Grammatikalisierungsalters schließt die Analyse ab (Kap. 12). Die Arbeit bietet eine Analyse des Aspekts in altassyrischen Texten. Über den Bereich der syntaktischen Eigenschaften hinaus wird dabei die Semantik der Aspektkategorien analysiert. Aspektsemantik besteht allgemeinsprachlich aus einer Wechselbeziehung der Flexionskategorien und des Verballexikons. Die Flexionskategorien stellen dabei den Rahmen der grundlegenden Diskursfunktionen perfektiver und imperfektiver Lesarten. Sie sind in der Erzählung zunächst durch die Gliederung in abgeschlossenes und vordergründiges (perfektives) Geschehen und unabgeschlossenes und hintergründiges (imperfektives) Geschehen bestimmt. Außerhalb der Erzählung werden diese regelmäßig als einfache past: non-past Dichotomie realisiert (4.4). Im Verballexikon wird eine Auswahl semantischer Eigenschaften kategorisiert. Welche dieser Eigenschaften in der konkreten sprachlichen Äußerung zum Tragen kommen, kann durch den Kontext, Aktanten, adverbiale Bestimmungen und in besonderem Maße durch die Flexionskategorien bestimmt werden oder auch unbestimmt bleiben. Den Verben lassen sich bestimmte Situationstypen zuordnen. Die regelmäßigen Kombinationen sind ein charakteristisches Merkmal des einzelsprachlichen Lexikons (3.5.3f.). Die Aspektkategorien und die Lexikonorganisation werden als dynamische Systeme verstanden. Dynamisch bedeutet, dass in unterschiedlichen Kontexten teils alte, teils moderne Spracherscheinungen auftreten. Kontexte, in denen diese Dynamik wirkt, sind Textgattung, Affirmation bzw. Negation, Haupt- bzw. Nebensätze, Aussage- bzw. Fragesätze und die Unterscheidung von erzählter und besprochener Welt. Alt sind Spracherscheinungen des Altassyrischen, wenn sie auf vorhistorische Sprachstufen zurückgeführt werden können. Diese Rückführung kann durch interne Rekonstruktion oder den Vergleich mit späteren Sprachstufen erfolgen. Moderne Spracherscheinungen lassen sich hingegen regelmäßig an ihrer Verbreitung in späteren Sprachstufen durch den grammatischen Wandel der einzelnen Formen oder einen paradigmatischen Ausgleich erkennen. Welche der genannten Kontexte wirkungsmächtig sind und im Rahmen dieser Arbeit zentral diskutiert werden, ist dabei theoretisch durch den gesamten Sprachbestand des Altassyrischen als synchrone Varietät vorgegeben. In der Praxis beschränkt allerdings die Überlieferungsgeschichte das Korpus auf ausgewählte Textgattungen. Verschiedene Einflüsse auf die Aspektualität können daher zumindest vorläufig empirisch nicht ausreichend belegt, sondern nur abgeleitet und vielleicht durch zukünftige Textfunde verfeinert werden. 1.2.5 Ein Überblick zur Literatur der Aspektforschung 1.2.5.1 Literatur zum Überblick Einen grundlegenden Überblick über die Aspektforschung und Literatur bis zum Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts bietet Sasse (2002). Der Überblick zu aktuellen Fragestellungen der Aspektforschung und Aspekt im Kontext funktionaler Überschneidung wie Generizität, Evidentialität, Tempus usw. bietet der Sammelband Binnick (2012). Lesenswerte Klassiker und zugleich ein guter Einstieg in Grundlagen der Aspektforschung sind Comrie (1976) und Wackernagel (1920). Wackernagel bietet eine Diskussion von Aspekt in seither nicht mehr erreichter kontextueller Breite und Anschaulichkeit; die Monographie ist

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leserfreundlich geschrieben und verdeutlicht die Schwächen einfacher und verengter Begriffe des Perfekts, Perfektivs und Imperfektivs. 1.2.5.2 Situationstypen Für das Verständnis der Situationstypenlehre ist Dowty (1979) unbedingte Pflichtlektüre. Die Ausführungen werden allerdings für das Englische gegeben. Eine Beschränkung auf die ersten drei Kapitel ist ratsam, denn die Arbeit ist nachfolgend verstärkt formalistisch in ihrer Diskussion und darin nur von begrenztem Nutzen für einen Umgang mit Situationstypen in anderen Sprachen. Die Situationstypenlehre vor dem Hintergrund anderer Sprachen findet sich in Smith (1997); hierin ist der Aufsatz von Rappaport zum Russischen besonders zu beachten. Einen Einstieg in die Fragestellungen der modernen und allgemeinsprachlich orientierten Forschung bietet der Sammelband Rothstein, S. (2008). 1.2.5.3 Aspektdichotomie, Aktionsarten und Perfekt Zur Aspektdichotomie bietet Smith (1997) einen hervorragenden Zugang, ihre Situationstypenlehre ist vor dem Hintergrund der Arbeit Dowtys (1979) zu rezipieren. Das Referenzwerk der Grammatikalisierungsforschung des Verbs ist Bybee u.a. (1994). Die Lektüre der Kapitel 3 sowie 5–7 ist besonders empfehlenswert. Ein zentrales Werk für die Aktionsarten ist mir nicht bekannt; hilfreiche Aufsätze sind Filip (2012) sowie die Einleitung im gleichen Sammelband, Binnick (2012). Darstellungen zu konkreten Systemen der Aktionsarten finden sich in den großen Grammatiken der Klassischen Philologie und für das Russische in Isacenko (1962). Zum Perfekt sind der Sammelband Nedjalkovs (1988) und der Aufsatz von Iatridou u.a. (2001) unbedingt lesenswert. Moderne syntaktisch orientierte Arbeiten zum Perfekt bietet u.a. Rothstein B. (2008) in Anlehnung an McCoard (1978). Für den Gebrauch des Perfekts im Lateinischen und Griechischen bietet Wackernagel (1920) m.E. die immer noch beste Darstellung.

1.3 Leistung und Grenzen der Sprachtypologie 1.3.1 Die Sprachtypologie 1.3.1.1 Eine allgemeine Beschreibung Die Sprachtypologie ist ein Zweig der Allgemeinen Sprachwissenschaften und untersucht Sprachen auf vergleichende Klassifizierungen und Strukturen hin. Diese Untersuchung ist unabhängig von Sprachverwandtschafts- und Sprachbunderscheinungen auf eine Beschreibung aller natürlichen Sprachen gerichtet. Für die Altorientalistik ist sie daher von besonderer Attraktivität, denn sie berücksichtigt stärker als andere Zweige der Sprachwissenschaften Phänomene außerhalb des grammatischen Rahmens der Sprachen des Standard Average European und ihrer Vorläufer. Sie bietet daher ein methodisches und begriffliches Organon zur Untersuchung problematischer Spracherscheinungen, die im Rahmen der philologischen Methode keine Beachtung fanden oder nicht befriedigend beantwortet wurden. Erstes betrifft u.a. die Definition des Subjekts im Akkadischen, letztes z.B. die Wortartenfrage bezüglich des STA. Zu den prominenten Themen der Typologie gehören die Wortarten- und Wortstel-

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lungstypologie (word classes und word order), Transitivität (5.3.2) und grammatische Relationen (5.3.6) der formalen Realisierung der syntaktischen Argumente des Satzes (alignment). Die Anfänge der Sprachtypologie sind in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts anzusetzen und eng verknüpft mit Greenbergs Aufsatzband Universals of Language (1963). Zu den geistigen Vorvätern der Sprachtypologie gehören die deskriptiven Sprachund Kulturfoscher von Humboldt, Boas, Sapir u.a. Die Vorläufer der Sprachtypologie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sind mit der Entstehung der Ethnologie eng verflochten und Forscher wie Boas sind zugleich Persönlichkeiten der sprachtypologischen wie der ethnologischen Wissenschaftsgeschichte. Der geisteswissenschaftliche Kontext des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, in den die Entstehung dieser Disziplinen fällt, ist wiederrum auch die Zeit von Landsbergers die Assyriologie prägender Antrittsvorlesung Die Eigenbegrifflichkeit der babylonischen Welt und die Zeit, in der sich die Altorientalistik als Wissenschaft emanzipiert. Seine darin vorgebrachten Überlegungen sind deutlich vom kontemporären Diskurs in der Ethnologie und Sprachtypologie beeinflusst, die mit der Methode der Feldforschung eigenständiges und kulturspezifisches Anschauungsmaterial erarbeitet haben: “[…], Landsberger called for an autonomous analysis of Babylonian culture without comparison to any other.” van de Mieroop (2015: 216). Die Sprachtypologie ist eine auf empirischen Daten, d.h. deskriptiver Grammatikbeschreibung, gestützte Forschungsrichtung und ist dadurch weniger formalisiert als theoretische Grammatikmodelle, wie die transformative Grammatik, die generative Semantik oder die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, die ein grundständiges Erlernen der fachspezifischen Methoden und Formalismen verlangen. Demgegenüber sind Arbeiten der Sprachtypologie unmittelbar zugänglich und können dem Forschungsschwerpunkt des Rezipienten entsprechend ausgewählt werden. Schwierigkeiten in der Rezeption sind dabei zunächst Teil der spezifischen Thematik und nicht eines methodischen Überbaus der Sprachtypologie insgesamt. Zugleich bietet die Sprachtypologie einen gemeinsamen begrifflichen Rahmen, der die zum Teil erheblichen terminologischen Hindernisse in der Rezeption der thematisch nahestehenden Philologien, wie der Ägyptologie, überwinden kann. Sprachtypologische Arbeiten werden seit dem letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts vermehrt in benachbarten linguistischen und philologischen Disziplinen rezipiert und ausgewertet. Im Rahmen der Akkadistik sind hier u.a. Streck (1995a) mit Bezug auf die Arbeiten Comries zu nennen sowie Kouwenberg (2010), mit der umfangreichsten Rezeption in der Akkadistik bisher. 1.3.1.2 Universalienforschung Universalien sind empirisch gewonnene Daten zur Sprache und ihrer Grammatik und unterscheiden sich daher grundlegend vom Konzept der Universal Grammar transformativer Grammatiken, die eine Veranlagung der universalen Spracherscheinungen in einer dem Menschen innewohnenden linguistischen Kompetenz suchen, also primär im Rahmen der theoretischen Sprachwissenschaft wirken. Die Frage der Universalien als Ausdruck einer Grammatikkompetenz ist hingegen erst in jüngerer Zeit diskutiert worden (z.B. Dryer 2006). Die Universalienforschung beschäftigt sich im Kern mit der Ordnung sprachlichen Materials auf vergleichender Ebene und dessen Darstellung in einer allgemeinen Struktur wie Hierarchien (Corbett 2011). Eine Hierarchie sagt aus, dass, wenn eine sprachliche Erschei-

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nung, die an sie gekoppelt ist, bei einem beliebigen Element in der Anordnung auftritt, es auch bei allen anderen Elementen rechts von diesem begegnet. Die bekannteste Hierarchie ist die sogenannte animacy hierarchy, an deren vereinfachter Form das Prinzip der Hierarchie erklärt werden soll: 1Person > 2Person > 3Person > Mensch > belebt > unbelebt Wird z.B. das Pronomen der 2Person ergativisch gebildet so trifft das auch auf die 3Person und alle Nomina zu. Dahinter steht die Beobachtung, dass sich das Nominativ-Akkusativ Paar von links nach rechts in der Hierarchie ausbreitet. Im vorangegangenen Beispiel heißt dies, dass das Pronomen der 1Person dem Nominativ-Akkusativ System folgen kann. Ist dieses ergativisch, so sind alle Pronomen und Nomina ergativisch; sind umgekehrt unbelebte Nomen akkusativisch, so sind alle Nomen und Pronomen ebenfalls akkusativisch. Neben diesen idealtypischen Aufteilungen können auch sprachwirkliche Fälle so gedeutet werden, die Teile komplexerer Strukturen bilden. Dazu zwei Beispiele: Im Sumerischen zeigen das Pronomen der 3Person und die Nomina eine ergativische Bildung: das Personalpronomen der 2Person lautet ze als Subjekt des transitiven und intransitiven Satzes, steht jedoch auch in seltenen Fällen als direktes Objekt. Es ist als solches also nicht streng akkusativisch. Im Vergleich entscheidend ist, dass es nicht ergativisch konstruiert wird, wie die Elemente rechts in der Hierarchie: folglich ist die 1Person ebenfalls nicht ergativisch10. Im Latein zeigen die maskulinen und femininen Nomina einen akkusativischen Bildungstyp. Entsprechend sind alle Personalpronomen ebenfalls akkusativisch. Hingegen ist das Neutrum formal wie die sumerischen Personalpronomen neutral und besitzt eine gemeinsame Form für das Objekt und Subjekt des transitiven und intransitiven Satzes. Hieran schließt sich das Hethitische mit einer gesonderten Form für das Neutrum als Subjekt des transitiven Satzes (-anza) an: sprachtypologisch eine ergativische Bildung11. Hierarchien können nicht nur anhand des Sprachvergleichs entwickelt werden, sondern auch im synchronen Sprachvergleich, wozu die Bildung der Verlaufsform (am Gehen) in den Varietäten der deutschen Sprache beispielhaft betrachtet wird. Nach van Pottelberge (2005: 183) treten drei Varianten des Progressivs in deutschen Varietäten auf: Progressive, die syntaktisch nur intransitiv gebildet werden, Progressive, die auch transitiv mit nominalem oder pronominalem Objekt stehen, und Progressive, die transitiv nur mit pronominalem Objekt gebildete Sätze erlauben. Daraus ergibt sich folgende ‚Objekt Hierarchie‘: intransitiv > pronominal > nominal12. Diese vorerst als These formulierte Hierarchie kann dann entsprechend in anderen Sprachen mit Progressiv-Grammatikalisierungen überprüft und dadurch bestätigt oder widerlegt werden. Der Forschungsdiskurs der Universalienforschung dreht sich wesentlich um die Frage nach übereinzelsprachlichen Begriffen und der allgemeinsprachlichen Gültigkeit traditioneller Kategorien, wie z.B. des Subjekts. So erfüllt ein prototypisches Subjekt eine Reihe von 10 Zu nominalen und pronominalen Splits s. Coon & Perminger 2015: 13ff.; zum verbalen Split und seinen Mechanismen s. ausführlich 5.2.5 in dieser Arbeit. 11 Anstelle eines Ergativs kann man einen Genuswechsel durch Derivation mit -ant- Suffix zum genus commune ansetzen. Der zugrundeliegende Prozess folgt aber einem ergativischem Muster. 12 Die früheste Stufe der Grammatikalisierung des Progressivs ist also strikt intransitiv. Im Verlauf der weiteren Grammatikalisierung sind zunächst nur pronominale Objekte erlaubt. Abschluss der Grammatikalisierung transitiver Bildungstypen ist die freie Kombination mit nominalen Objekten (s.u. 5.3.7).

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Funktionen, wie etwa als syntaktischer Pivot: So ist in Die Mutter sah den Vater und kam zurück. die Mutter das angenommene Subjekt des zweiten intransitiven Satzes und folglich der Nominativ als Pivot der Subjektkasus im Deutschen. Bei einer Transposition ins Ergativische wird der Vater zum Pivot und der Absolutiv ist das Subjekt; so im Dyirbal (nach Dixon 1994: 162): yabu-Pgu buran banaganyu Mutter-ERGASah Kam.Zurück TIV Die Mutter sah den Vater und (der Vater) kam zurück. Puma Vater(ABSOLUTIV)

Ist ein solcher Pivot nachzuweisen, kann damit ein Subjekt hinreichend charakterisiert werden. Nicht alle Sprachen zeigen jedoch ein Subjekt mit Funktion als Pivot. Und für einige Sprachen ist das Vorhandensein eines Subjekts als grammatische Kategorie insgesamt fraglich. Die Existenz eines Pivots und damit eines grammatischen Subjekts ist gegeben, wenn ein Antipassiv in Ergativsprachen bzw. ein Passiv in Akkusativsprachen vorliegt, welches neben der Promotion eines transitiven Objekts in die Subjektsposition das ursprüngliche Subjekt in peripherer Rolle realisieren kann, etwa als Instrumental oder in Präpositionalphrase. Besitzt eine Sprache oder Varietät keinen Pivot, so bildet das Passiv in der entsprechenden Sprache einen reinen Antikausativ oder ein agensloses Passiv (Dixon 2012: 225), welche kein Agens in peripherer Rolle realisieren können. Das Fehlen dieser Möglichkeit zeigt das Fehlen eines Pivots als Merkmal eines angenommenen Subjekts an. Daher ist etwa im Akkadischen die Existenz eines Pivots nicht gesichert, auch wenn der Nominativ als Subjekt begriffen werden kann. 1.3.1.3 Grammatikalisierungsforschung Grammatikalisierung ist der Prozess, in dem Wörter und Morpheme lexikalischen Inhalts zu grammatischen Funktionsträgern werden und grammatische Einheiten sich in ihren Funktionen entwickeln. Die Grundlage dieser diachronen Typologie ist bereits in ihren Anfängen (Greenberg 1963) konstituiert, in denen Universalien als Hierarchien dargestellt werden (1.3.1.2). Aus hierarchischen Strukturen synchronen Sprachmaterials lässt sich auf diachrone Entwicklungen schließen, die entlang der vorgegebenen Ordnung verlaufen (in potentiell beliebige Richtung); d.h. sprachtypologische Hierarchien könne so als synchrone Distributionen oder diachrone Grammatikalisierungspfade gelesen werden. Die bedeutendste Monographie zur Grammatikalisierung des Verbs ist bis heute Bybee u.a. (1994) und kann vergleichbar der Bedeutung Dowtys (1979) für die Situationstypenlehre als zentrales Referenzwerk der Grammatikalisierungsforschung verstanden werden. Die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit sind die diachrone Kategorisierung von Resultativen, Perfekta, Perfektiven und Präterita in einer Gruppe und von Progressiven, Imperfektiven und Präsentia in einer zweiten Gruppe. Demgegenüber sind modale Formen in Bybee u.a. (1994) separat kategorisiert oder Teil der Grammatikalisierung der zuvor genannten Kategorien als Verlust non-modaler Lesarten. So etwa bei Kouwenberg: “[R]enewal of an old form typically starts in “main asserted clauses”, and it takes over all its functions only gradually. Non-assertive clauses are not used for expression of

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focus or topic and tend to be conservative. So the old form continues to be used in such non-assertive contexts and adopts irrealis semantic aspects from it.” Kouwenberg (2010: 13220). Nach mehr als zwei Jahrzehnten sind offenbare Schwachpunkte in Bybee u.a. (1994) das Fehlen der Evidentialität als Teil der Grammatikalisierungsprozesse sowie die Validität zu einigen konzeptuellen Darstellungen, die die funktionale Überlagerung von Aspekt und Tempus und Perfektiv und Zustand betreffen, sowie Details zur Grammatikalisierung derivationaler Morpheme in paradigmatische Formen (vgl. hierzu 4.8 & 5.3). Das Interesse der Altorientalistik und insbesondere der Akkadistik ist dabei offenbar, denn die sprachtypologische Grammatikalisierungsforschung bietet eine allgemein-sprachliche Methode zur Erschließung diachroner Spracherscheinungen. Hingegen sind die klassischen historisch-vergleichenden Sprachwissenschaften von der Indogermanistik und den grammatischen und semantischen Vorgaben der älteren indogermanischen Sprachen geprägt. Auch die Semitistik ist insofern von eingeschränktem Nutzen, da das Akkadische gegenüber den klassischen Objektsprachen, die als jung- oder westsemitisch zusammengefasst werden, wesentliche Eigenheiten aufweist, die nicht pauschal in den Bereich der Sprachbundforschung ausgelagert werden dürfen. Das Akkadische weist gegenüber diesen Objektsprachen eine bis ins dritte Jahrtausend reichende Überlieferungszeit vor, die für das Altakkadische und die älteren Varietäten außerhalb der historischen Phonologie prinzipiell eine Reihe von Archaismen erwarten lässt. Von denen aus ist die Rekonstruktion des Proto-Semitischen entsprechend zu überprüfen. Obwohl diese Gegebenheiten nicht zur Ausblendung der Semitistik und Indogermanistik führen dürfen, erklären sie doch die Attraktivität und das Primat der Allgemeinen Sprachwissenschaft in linguistisch orientierten Arbeiten der Akkadistik, wie Streck (1995a), Kouwenberg (2010), Loesov (2012a) u.a. 1.3.2 Methodische Hindernisse im Kontext der Altorientalistik 1.3.2.1 Das Problem der Methodenübernahme aus Allgemeinwissenschaften Die Anwendung sprachwissenschaftlicher Methoden auf alte Sprachen ist mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft, denn es gibt weder Sprecher der Sprache als Informanten noch die Möglichkeiten zur Introspektion des Philologen, wie etwa bei sprachwissenschaftstheoretischen Arbeiten deren Arbeitssprache zugleich die Objektsprache ist, wie etwa in den Sprachwissenschaften der großen Philologien Germanistik, Anglistik usw., die auch in der Allgemeinen Sprachwissenschaft häufig als Objektsprache dienen. Innerhalb der alten oder toten Sprachen ist dabei ein Kontinuum des Schwierigkeitsgrades anzusetzen: im einfachsten Fall ist die Objektsprache die frühere Sprachstufe einer kontinuierlichen Überlieferung bis in die Moderne, wie etwa im Deutschen; dort können ältere Spracherscheinungen immer vor dem Hintergrund der noch lebendigen Varietät geprüft werden. Schwieriger verhält es sich mit nicht bis in die Moderne fortbestehenden Sprachen, wie dem Akkadischen oder Hethitischen; zu ihrem Verständnis bieten verwandte Sprachen der jeweiligen Sprachfamilie aber eine wesentliche Hilfe. Am schwierigsten zu erschließen sind isolierte Sprachen und Sprachen ausgestorbener Sprachfamilien, die im besten Falle durch lexikalische Listen oder mehrsprachige Texte erschlossen werden können, wie etwa das Sumerische oder das Elamische. Bei diesen kommt dem Vergleich mit sprachtypologischen

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Erkenntnissen eine herausragende Stellung zu. Eine direkte methodische Umsetzung sprachtyplogischer Analysen an diesen isolierten Sprachen ist hingegen nur begrenzt möglich und abhängig von der Transparenz des jeweiligen Forschungsgegenstandes. In einem solchen Kontinuum nimmt das Akkadische eine Mittelposition ein, die wesentlich durch die Zahl der Texte, ihre inhaltliche Breite und den Reichtum synchroner und diachroner Varietäten gestärkt wird. Nichtsdestoweniger leiden alle Varietäten unter einer zufallsbedingten und inhaltlich unausgewogenen Überlieferung. Diese Umstände verlangen eine nach Varietät und Textgattung gegliederte Methodik im Sinne einer Mittlerfunktion zur Übernahme sprachwissenschaftlicher Begriffe. Die Umsetzung linguistischer Analysen ist auf das spezifische Anschauungsmaterial der Untersuchung hin zu prüfen und anzupassen. Die linguistische Auswertung grammatischer Erkenntnisse philologischer Forschungsdisziplinen ist unproblematisch. Einzige Herausforderung ist die Übertragung der philologischen in eine allgemein linguistische Terminologie. Es handelt sich dann um eine Übersetzung der Metasprachen und nicht der Objektsprachen, wie etwa in Huber (2005), der Kouwenbergs Untersuchung zum D-Stamm in die Terminologie der transformativen Grammatik überführt: So führt er eine Übertragung in ein formales Modell von Binärverzweigungen durch, etikettiert die bei Kouwenberg prozessual genannten Verben als unakkusativ usw.13. 1.3.2.2 Vom Wesen des Korpus Vor der eigentlichen Analyse und noch vor der Erstellung eines Korpus steht die Reflektion über die überlieferungsbedingten Eigenheiten des Textmaterials und seiner besonderen Anforderungen. Das Problem des Umgangs mit der durch Überlieferungsgeschichte und moderner Edition bedingten vorsortierten Stichprobe des theoretischen Gesamtkorpus ist allen keilschriftlichen Untersuchungen unabhängig des Gebrauchs quantitativer Forschungsmethoden inhärent. Die fundamentalen Ansätze im Umgang mit Korpora unterscheiden eine am Korpus geprüfte theoretische Überlegung von einer aus der Strukturanalyse der aus dem Textmaterial gewonnenen Thesen. Eine aus dem Korpus erarbeitete These folgt der der corpus-driven (korpusbestimmten) Methode, eine am Korpus geprüfte These folgt der corpus-based (korpusgestützten) Methode. Die korpusgestützte Methode ist die klassische Methode geisteswissenschaftlicher Korpusauswertungen. Auch sie ist eine Form der quantitativen Auswertung, denn sie prüft formulierte Hypothesen anhand möglichst umfangreichen Datenmaterials. Ihre ideale Datenbasis ist ein Korpus, dass alle zur Textgattung oder Varietät gehörenden Texte umfasst und als solches vollständig ist. Die korpusbestimmte Methode baut auf der quantitativen Auswertung großer Datenmengen auf und sucht nach Auffälligkeiten bzw. Regelmäßigkeiten. So schreiben etwa Hunston & Francis über ihre korpusbestimmte Untersuchung: “This approach uses large amounts of corpus data to make discoveries about lexical items and the specific phraseological and grammatical patterns in which they regularly occur. It is corpus-driven (as opposed to corpus-based) in the sense that corpus data 13 Man vermisst hier eine systematische Gegenüberstellung der Terminologie im Sinne eines Glossars und Definitionen, mit der auch der Rezipient die Arbeiten vergleichen kann, der nicht mit der Terminologie beider Autoren und ihrer Entsprechung vertraut ist.

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Leistung und Grenzen der Sprachtypologie

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are analyzed with minimal theoretical presuppositions about grammatical structure.“ Hunston & Francis (2000: 318). Diese Form der Untersuchung bietet sich prinzipiell nur dort an, wo die Datemengen umfangreich sind und dementsprechend große Datensätze erstellt werden können. Die korpusbestimmte Untersuchung ist die wesentliche Methode der sprachwissenschaftlichen Teildisziplin der Korpusanalyse, der Korpuslinguistik: „Und dabei sollte das Bestreben sich ohne Vorannahmen nur am puren Sprachgebrauch zu orientieren und davon ‘vieles auf einmal betrachten zu wollen‘, erkennbar sein, ansonsten kann man unseres Erachtens nicht von einem korpuslinguistischen Vorgehen in diesem eigentlichen Sinne sprechen.“ Perkuhn u.a. (2012: 21). Diesen beiden Ansätzen gemein ist die Orientierung an quantitativen Methoden, denn auch die klassische Methode prüft ihre Thesen am Korpus auf einer möglichst breiten Basis. Hier stellt sich die Frage, ob aufgrund der überlieferungsgeschichtlichen und forschungsabhängigen Rahmenbedingungen ein anderer Weg eingeschlagen werden kann, der besondere Rücksicht auf die Probleme in der Methodenübernahme nimmt und eine Neupositionierung des Korpus als Instrument der methodischen Verfahren ermöglicht. 1.3.2.3 Von der Quantität zur Qualität Die in 1.3.1.2 im Rahmen der Universalienforschung gennannten Hierarchien sollen zur Untersuchung herangezogen werden. Sie selbst sind aufgrund ihrer sprachvergleichenden Grundlage als Instrument und nicht als These verwendbar. Hingegen sind grammatische Kategorien, wie Perfekt oder Resultativ (5.3.8), sprachtypologisch zu vielgestaltig, um in einer ihrer möglichen Definitionen übernommen zu werden. Sie sind in ihren Details einzelsprachlich und einem individualen Begriff nach bestimmt. An dieser Stelle verlangt es anders als in einer quantitativ gestützten Forschung nach einem qualitativen Forschungsansatz, der den Gegebenheiten des Untersuchungsobjekts in seiner Methode nahesteht und die korpusgestützte Prüfung in der Analyse ans Ende des methodischen Verfahrens setzt. Es genügen nicht einfach die allgemeinwissenschaftlichen Typen der Klassifizierung, sondern es bedarf eines Rückgriffs auf spezifische Methoden und Begriffe spezialisierter Forschung. Im Rahmen sprachwissenschaftlicher Untersuchung erfordert dies eine Konzentration auf den einzelnen Beleg an sich und die Auswertung, bevor dieser in einem größeren begrifflichen Kontext einsortiert wird. Hierin findet sich eine stärker philologische Komponente, denn sie stellt das Verfahren der Anschauung und der Prüfung der Belege vor die Begriffsbildung (1.3.3). Orientierung in der modernen Forschung bieten die sozialwissenschaftlichen Disziplinen der Ethnomethodologie als Teil einer größeren Gruppe methodischer Forschungsansätze qualitativer Methoden nach Garfinkel (1967): “I use the term ‘ethnomethodology’ to refer to the investigation of the rational properties of indexical expressions and other practical actions as contingent ongoing accomplishments of organized artful practices of everyday life.” Garfinkel (1967: 11). Unter den Forschungsrichtungen qualitativer Methoden erleichtert die Orientierung an Garfinkel den Zugang von altorientalistischer Seite, denn sie baut dadurch stärker auf allgemei-

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Einleitung

nen Beobachtungen auf als weite Teile der von Kontext und Perspektive der modernen westlichen Welt geprägten Sozialwissenschaften. Die in der Ethnomethodologie veranlagten Ideen wurden in der Ethnologie im Bereich der kognitiven Anthropologie weitergeführt (z.B. Bender & Beller 2013), die sich auf einen Kulturbegriff stützt, den sie am Denken der Einzelnen und ihren Interaktionsmustern erforscht. Sie ist also ebenfalls auf Kultur als subjektive Interaktion und Hervorbringung ihres Eigenbegriffs gerichtet14. Die Ethnomethodologie ist gegenüber einer streng ethnologisch eingebundenen Methode gezielt auf die Analyse des alltäglichen Lebens und seiner Äußerungsformen ausgerichtet, als dessen Ausdruck auch Briefe und Urkunden zu verstehen sind. Sie unterscheidet sich von traditionellen sozialwissenschaftlichen Methoden durch eine Abkehr von der Modellierung gesamtgesellschaftlicher Strukturen (Schulte 2015: 211). Das alltägliche Handeln ist dabei der Prozess der Wirklichkeitserzeugung und nicht normativ vorgegeben. Seine Erklärbarkeit ist reflexiv und baut auf den an der Handlung Beteiligten auf, d.h. unterscheidet sich unmittelbar dadurch, ob etwa zwei Kreditfachleute miteinander oder einer mit einem Kunden spricht. Eine Darstellung der Rezeption im Rahmen der Arbeit erfolgt in 1.4.2. Diese Forschung und ihre Methoden sind dabei auf ein prinzipielles Problem der Altorientalistik und der Rezeption sozialwissenschaftlicher Methoden zugeschnitten. Es ist das Problem der Aufdeckung implizierter Vorannahmen, die auch außerhalb quantitativer Auswertungen Hypothesen und Thesen bestimmen und dadurch Einfluss auf die Methode der Untersuchung nehmen, auch wenn ihre Gültigkeit für den Alten Orient und seinen Kulturbegriff unbewiesen sind: „So bedeutet beispielsweise der bewusste Verzicht theoretischer Modelle von rein philologisch-interpretativen Arbeiten nicht, dass diese Annahmen über den Untersuchungsgegenstand treffen. Häufig fließen diese nur implizit und unreflektiert in die Arbeiten ein. Zudem erschwert der Verzicht auf Theorie die Möglichkeiten der interdisziplinären und vergleichenden Forschung mit den modernen Sozialwissenschaften. Auf der anderen Seite gehen die Arbeiten, die explizit Bezug auf Theorien nehmen und dem deduktiv-nomologischen Modell folgen, von expliziten oder impliziten Prämissen aus, deren Gültigkeit für den Alten Orient erst zu belegen wäre.“ Schulte (2015: 228). 1.3.3 Eigenbegrifflichkeit – gestern und heute 1.3.3.1 Überblick Landsbergers Ruf nach der Eigenbegrifflichkeit und die Sapir-Whorf Hypothese, die einen Determinismus der Sprache über das Denken postulieren, sind nicht zuletzt durch ihre radikale Position in Misskredit geraten. In den vergangenen Jahrzehnten ist unter dem Begriff der sprachlichen Relativität in der Sprachtypologie und kognitiven Linguistik diese Überlegung in einer weniger radikalen Position der Interferenz anstelle des Determinismus zu Beginn der 1990er Jahre in den Forschungsdiskurs zurückgekehrt. So schreibt Everett:

14 D.h. der Kulturbegriff ist das Ergebnis der Interaktion der Subjekte miteinander und Kultur das Ergebnis dessen, was ihre Mitglieder tun und nicht eine regelhafte Vorgabe dessen, was sie idealerweise tun sollen.

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Leistung und Grenzen der Sprachtypologie

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“The research we have discussed suggests that linguistic relativity is very much a reality, though we stress again that the acceptance of this fact by no means implies that speakers of different languages have incommensurable worldviews. Their thoughts are not completely determined by their native language(s).” Everett (2013: 274). 1.3.3.2 Was ist überhaupt ein Begriff? Die Frage nach dem Begriff von Begrifflichkeit berührt nicht nur den Zugang zur Diskussion um die Eigenbegrifflichkeit. Sie stellt zugleich ein Problem des semantischen Wandels der deutschen Sprache, auf den von Soden (1974) bereits vor vier Jahrzehnten aufmerksam machte: dem semantischen Wandel des Begriffs zum Synonym von Wort (Vater 2005: 21). Damit geht zugleich die scharfe Trennung zwischen Terminologie – bei von Soden „Etikett“ – und damit verbundener Bedeutung verloren: nämlich – von Frege 1892 formuliert – die Bedeutung des durch die Sprache bezeichneten (Frege 2002: 66f.). Die in Vater (2005: 21ff.) gelisteten Fehldeutungen sind zunächst ein Problem der deutschen Gegenwartssprache: es ist z.B. im Englischen keine semantische Überschneidung von concept und word wie im Deutschen zu beobachten (vgl. auch die Übersetzung Eigenbegrifflichkeit: conceptual autonomy in van de Mieroop 2015: 185). Was ist nun ein Begriff? Der Begriff beschreibt eine Kategorie und dient zur Bestimmung kategorialer Zugehörigkeit und ist Ausdruck der semantischen Intension einer Kategorie (Morik 1993: 250). Damit ist ein Begriff nicht Produkt der Eingebungskraft als Geisteserfindung, sondern die Entdeckung in Folge einer geistigen Arbeit: „Auch darin liegt eine Kritik des subjektiven Bewußtseins in unserem Jahrhundert. Sprache und Begriff sind offenbar so eng ineinander gebunden, daß die Meinung, man könnte Begriffe ›verwenden‹, etwa sagen: ›ich nenne das so und so‹, immer schon der Verbindlichkeit des Philosophierens Abbruch tut. Das einzelne Bewußtsein hat keine solche Freiheit, wenn es philosophierend erkennen will. Es ist gebunden an die Sprache, die nicht nur eine Sprache der Sprechenden ist, sondern auch die des Gesprächs, das die Dinge mit uns führen: Im philosophischen Thema der Sprache begegnen sich heute Wissenschaft und Welterfahrung des menschlichen Lebens.“ Gadamer (1987: 20). Die Begrifflichkeit ist demnach als Wesen eines Begriffes die Bedeutungsentsprechung und das kategorienbezeichnende Wesen des Begriffs. Die Eigenbegrifflichkeit ist dann die individuale Begrifflichkeit, d.h. das Wesen des Individualbegriffs. So ist der Individualbegriff des charakterisierten akkadischen Präsens nicht der der „Aktionsart“, des „Präsens“ oder iparras als verwendetes Etikett, sondern die über den Formenbestand innerhalb des Akkadischen gewonnene Intension des „akkadischen Präsens“ als Bedeutung der Kategorie, deren Extension durch die Belege der Form bestimmt ist. Die Leistung des Individual- oder Eigenbegriffs ist dabei die Charakterisierung über die vorhandene Extension auf die Belege des Präsens, die noch nicht der philologischen Anschauung und Prüfung unterzogen sind. Das setzt eine Merkmalsgebung voraus, die ihrerseits auf einen allgemeinwissenschaftlichen, (sprach- und kulturvergleichenden) begrifflichen Rahmen aufbaut und darüber hinaus gehend die spezifischen Themen erschließt:

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„Dem Forschenden muß aber ein reiches System der möglichen Lebensbegriffe zur Verfügung stehen, und diese kann er weder seiner konstruktiven Phantasie entnehmen, noch auch genügen ihm die Typen, welche ihm die vergleichende Kulturwissenschaft aufstellt, […]. Er muß sich in Verbindung setzen mit dem, der bei anderen Völkern, und womöglich noch lebenden, diese Teilgebiete des Geistes studiert hat, […].“ Landsberger (1926: 358). Auch die Erregung über die Gleichsetzung des PRT mit punktuell ist eine historische Fehldeutung. Der Begriff der Punktualität ist in der modernen Forschung durch die angloamerikanische Situationstypenlehre und ihren Begriff des achievements bestimmt, welches explizit keine bzw. minimale zeitliche Ausdehnung im Unterschied zu activities und accomplishments besitzt. Im wissenschaftshistorischen Kontext Landsbergers kann Punktualität der einfachen Opposition dynamischer Sachverhalte in imperfektiven und perfektiven Aspekten entsprechen, d.h. Punkualität ist anders als in der modernen Forschung keine semantische, sondern eine grammatische Kategorie15. Diese Opposition in der Präformativkonjugation nimmt jedoch den STA mit zuständlichen Lesarten aus, wie auch Kouwenberg feststellt: “Akkadian has grammaticalized the contrast between dynamic and static situations in the opposition between prefix conjugation and the stative. […]. This means that the question whether an Akkadian verb expresses a static or a dynamic situation depends on the form in which it is used rather than on the Aktionsart of the verb itself: in the stative, it expresses a state; in the prefix conjugation, an event or a process.” Kouwenberg (2010: 54f.). Die von Kouwenberg vorgebrachten Beispiele für Aktionsarten sind Merkmale, wie sie etwa in der Beschreibung der klassischen Situationstypen begegnen, wobei nicht ganz klar ist wie events und processes hier einzuordnen sind16. Eine solche Restriktion ist aber für Landsberger nicht mit dem Begriff der Aspektdichotomie vereinbar, sondern nur mit dem der Aktionsart. Entscheidend für diesen ist, dass die perfektive Aktionsart als solches punktuell bezeichnet wird, weil der perfektive Aspekt neben Anfangs- und Endpunkt auch die Situation im Ganzen beschreiben kann. Letztere wurden in der älteren Literatur als punktuell oder momentativ verstanden und zwar unabhängig der tatsächlichen Dauer. Diese Auffassung folgt streng dem kontinentaleuropäischen grammatisch geprägten Aspektbegriff, der weder eine situative Unterdifferenzierung vornimmt noch eine Differenzierung des Aspektbegriffs (dazu ausführlicher in den Kap. 3–5).

15 Daher ist es auch unerheblich, dass der Aorist im Altgriechischen durative Zeitangaben erlaubt. Die Verknüpfung mit Adverbien ist eine semantische Eigenschaft und keine grammatische. 16 Events summieren unter sich dynamische Situationstypen aller Art und processes sind dynamische Situationen, die sich in der Semantik des Subjekts unterscheiden. Sie beschreiben Vorgänge, wie Der Ball rollt. An anderen Stellen sind diese nicht events, sondern actions, gegenübergestellt, die Handlungen eines kontrollierenden, belebten Subjekts, wie in Der Mann geht bezeichnen. Dieser Unterscheidung findet sich auch in der Situationstypenlehre in Streck (1995a: 88f.). Die Zusammenstellung von processes zu events ist hier missverständlich und es ist events durch actions zu ersetzen.

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1.3.3.3 Jüngere altorientalistische Rezeption Sallaberger (2007) bietet einen Überblick zu Landsbergers Aufsatz und zur altorientalistischen Rezeption. Er verweist zugleich auf die Bedeutung des wissenschaftlichen Kontexts des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und verfolgt in sorgfältiger Recherche die Spuren, die im essayistischen Aufsatz ungenannte Quellen preisgeben. So führt er Bezüge zu Weisgerber an, einem frühen Vertreter der synchronen Sprachforschung und Zeitgenossen Landsbergers als Vertreter vergleichbarer Positionen (Sallaberger 2007: 69). Er erwähnt ferner den Mitbegründer der Kulturpsychologie Wundt (Sallaberger 2007: 71ff.), der thematisch auch in den Werken Boas, Whorfs und Sapirs auszumachen ist (hierzu Eckard u.a. 1997). Van de Mieroop (2015: 216ff.) liefert einen auf Landsberger und von Soden fokussierten – und lesenswerten – Überblick. Als Fortführung zu Sallaberger (2007) mit dem Schwerpunkt auf sprachwissenschaftlicher Diskussion darf die Monographie Finks (2015) verstanden werden; obwohl er den genannten Aufsatz selbst aber in seiner Arbeit nicht rezipiert hat. 1.3.3.4 Zum linguistischen Diskurs Der heutige Diskurs zur sprachlichen Relativität bezieht sich auf den Einfluss der Sprache auf das Denken und nicht einer möglichen Bestimmung des Denkens durch Sprache. Die wichtigsten Forschungsfelder betreffen u.a. Raum- (Everett 2013: 72ff.), Zeit- (Everett 2013: 109ff.) und Bewegungsbegriffe, Zahlbegriffe sowie gender-Begriffe (Pederson 2007: 674ff.). Ihre Untersuchung stützt sich wesentlich auf experimentelle Verfahren auf dem Forschungsfeld der kognitiven Linguistik (Pederson 2010: 1021ff.). Ihre Renaissance erlebt die Forschung zur sprachlichen Relativität mit den zwei Arbeiten des Psychologen und Sprachforschers Lucy (1992a&b) anhand des Englischen und Yucatec Maya in sprachvergleichender Perspektive: “In 1992, Lucy produced two influential books on the topic of linguistic relativity. […]. The results suggested in fact that object/substance conceptualization differences between the populations exist, and that the differences in question plausibly own themselves to dissimilarities in nominal classification between the two languages in question.” Everett (2013: 200f.). Diese Arbeiten und ihre Nachfolger begründen die Schule der Neo-Whorfianer, die im Kern vor allem das Bewusstsein für die Existenz sprachlicher Relativität einigt und weniger eine gemeinsame Methode oder Theorie. Slobin (1996), Psycholinguist und Spracherwerbsforscher, hat in seinen Arbeiten zum Thema den Diskursaufbau in Abhängigkeit von seiner Einzelsprache untersucht, etwa derart, dass Tempus, Modus und Aspekt einen Einfluss auf die Strukturierung einer Erzählung haben (Slobin 1996: 91). Die Idee der Interferenz ist bei den Neo-Whorfianern weniger eine Abhängigkeit des Denkens von der Sprache als eine die Kultur und ihre Begriffe beeinflussende Größe. Zur Interaktion und zum Einfluss der Sprache auf die Kultur am Beispiel des Tzeltal schreibt etwa Brown: “These Tzeltal findings, especially those of a relative de-emphasis on deixis and left/right asymmetry, are consonant with other characteristics of Tenejapan life and ethnography. These include an aesthetic which favours symmetry […] We have also found that the use of the absolute system correlates systematically with performance

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Einleitung

on non-linguistic tasks. […]. A third finding is that Tenejapan children learn their absolute system relatively early, being able to understand absolute relatively early, (…).” Brown (2006: 272). Einen Überblick zum Forschungsdiskurs und seinen Spezialisierungen bietet Pedersen (2007 & 2010). Die maßgebliche Einführung in den aktuellen Diskurs ist Everett (2013); ein Werk, das die ganze Breite räumlicher Begriffe wiedergibt, ist der Sammelband Levinson & Wilkins (2006) sowie die Monographie Levinson (2003). Werlen (2002) ist eine um Beiträge zu den Arbeiten Lucys und Slobins erweiterte Auflage zu Werlen (1989) und bleibt als solche im Wesentlichen ein Überblick zur Forschungsgeschichte bis zu den Neo-Whorfianern. Vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsdiskurses ist ein wesentliches Desiderat der altorientalistischen Forschung eine Rezeption und Aufbereitung der Arbeiten der kognitiven Linguistik durch einen Experten – sowohl auf dem Gebiet der kognitiven Linguistik als auch der Altorientalistik – sowie deren Umsetzung in die altorientalistische Diskussion und den Kontext der thematisch nahestehenden Fächer, wie Ägyptologie und Altiranistik. Neben einem allgemeinen Überblick sind auch Einzelbeiträge zu den jeweiligen Themen, wie der Farbbegrifflichkeit und der Zahlbegriffe, denkbar und wünschenswert. 1.3.3.5 Im Spannungsverhältnis von Begriff und Anschauung – Eine Schlussbemerkung Ein wesentliches Argument Landsbergers, das gegenüber den spektakulären Überlegungen zu einem sprachlichen Determinismus nicht genügend Beachtung fand, ist die Forderung, sich zum Verständnis der Kultur den Blick auf die jeweiligen Phänomene bei anderen und noch bestehenden Kulturen zu richten (Landsberger 1926: 358). Eben jene Vorgabe darf nicht nur als Aufforderung zum interdisziplinären Diskurs verstanden werden. Sie ist vielmehr auch eine Ermutigung, sich mit den vergleichenden Sprach- und Kulturwissenschaften der Linguistik und Ethnologie und ihren Forschungsergebnissen auseinanderzusetzen und sie im Bereich des eigenen Forschungsfeldes nutzbar zu machen. Mit der Kritik an Landsberger ist zumeist eine Kritik an den Beiträgen von Sodens vermischt, die sich wesentlich auf heute widerlegte Annahmen zur sprachlichen Relativität als deterministische Kategorie stützt und in dieser Form zu verwerfen ist: “The theory fails in every respect, from the detail (…) to its overall scholarly context – linguistic determinism.” van de Mieroop (2015: 219). Entgegen van de Mieroop ist aber die grundsätzliche Idee im Lichte der jüngeren Forschung nicht nur valide, sondern von einer wieder neu erkannten Bedeutung. Jede einzelsprachliche Untersuchung zu Tempus, Modus und Aspekt steht dem Problem gegenüber, nicht alleine eine These darzulegen, sondern auch methodisch verortet zu werden. Diese Verortung beginnt außerhalb ihres Anschauungsmaterials in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten allgemeinwissenschaftlicher Disziplinen. Diese sind die theoretische Sprachwissenschaft und Disziplinen der vergleichenden Kulturwissenschaften, hier der Indogermanistik, der historisch-vergleichenden Semitistik und der typologischen Linguistik. „Immer steht der Begriffsarmut des Philologen die Anschauungsarmut des Allgemeinwissenschaftlers gegenüber.“ Landsberger (1926: 358).

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Landsbergers Aussage über diesen grundlegenden Unterschied zwischen Philologie und Allgemeinwissenschaften, wie der zur Sprachtypologie, hat während der vergangenen Jahrzehnte noch an Bedeutung gewonnen. Auf dem Wege des allgemeinen Sprachvergleichs lassen sich so Antworten auf Fragen geben, für die der synchrone oder diachrone Sprachbefund einer Einzelsprache oder Sprachgruppe keine Lösungen aufzeigt. Im Umkehrschluss können die Details des Begriffsbezugssystems nur durch die detaillierte einzelsprachliche Untersuchung im philologischen Kontext erarbeitet werden. Von den dadurch gewonnenen Einsichten profitiert dann schließlich wieder die Typologie durch die Verfeinerung ihrer Modelle. 1.3.4 Problematische Terminologien 1.3.4.1 Überblick Eine Reihe von sprachwissenschaftlichen Terminologien sind hinsichtlich ihrer begrifflichen Breite problematisch. Die Einschätzung ist eine graduelle. So ist etwa das Perfekt sowohl in seiner Etymologie wie in seiner diachronen Kategorisierung in wesentlichen Teilen mit dem Perfektiv verwoben. Insgesamt lässt sich das Perfekt trotz seiner begrifflichen Breite recht klar umreißen. Einige andere Begriffe sind nicht zuletzt durch die Gegebenheiten der akkadischen Sprache derart ambivalent, dass ihre Benutzung gründlich abgewogen werden muss und einer Rechtfertigung bedarf. Im Folgenden möchte ich mich zu fünf sprachwissenschaftlichen Bezeichnungen äußern, die ich aufgrund ihrer Vieldeutigkeit in dieser Arbeit außerhalb des Verweises auf entsprechende Autoren prinzipiell vermeide. Da diese begriffliche Zuordnung bereits innerhalb der Linguistik den Leser vor Schwierigkeiten stellt, sind sie mit Rücksicht auf den nicht-linguistischen Leser nur nach sorgfältiger Abwägung in anderen Fächern, wie der Altorientalistik, einzuführen. 1.3.4.2 Das terminologische Paar unakkusativ: unergativ Unakkusativ sind Verben, deren Subjekt Merkmale eines semantischen Patiens hat; unergative sind Verben, deren Subjekt Merkmale eines semantischen Agens hat. Das Oppositionspaar unakkusativ und unergativ hat in der sprachwissenschaftlichen Literatur drei grundlegende Bedeutungen (Dixon 2010: 155f.). Akkadisch sind hierbei alle vertreten: Es unterscheidet, erstens, Verben mit Wechsel zwischen intransitiver und transitiver Lesart ohne Derivation (s.a. 5.3.2): akkadisch emēdu(m): anlehnen, auflegen als unakkusatives Verb (deutsch Zerbrechen, Kochen usw.); šapāru(m): schreiben, schicken als unergatives Verb (deutsch Singen, Lesen usw.). Es unterscheidet, zweitens, Verben mit differenzierter Subjektmarkierung (s.a. 5.2.4): akkadisch zwischen STA und PK (deutsch zwischen Sein- und Haben-Perfekt). Es unterscheidet, drittens, Verben mit und ohne Valenzveränderung im Prozess einer Derivation: akkadisch führt das im D-Stamm zu faktitiven Lesarten bei unakkusativen Verben. Intransitive Verben, wie nabāḫu(m): bellen sind unergativ. Unter diesen Rahmenbedingungen ist ein Verzicht in der Akkadistik, wie in den Arbeiten Kouwenbergs (u.a. 2010), empfehlenswert.

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1.3.4.3 Die Frage nach einem Begriff des Mediums Ebenfalls von Dixon (2012: 192f.) kritisiert ist der Begriff des Mediums aufgrund seiner unklaren Extension. Für das Akkadische gilt wieder in besonderem Maße die Möglichkeit der verschiedenen Begriffsauffassungen in verschiedenen Teilbereichen der Grammatik. Der Begriff des Mediums kann dabei nach Präferenz und Forschungsschwerpunkt unterschiedlich verwendet werden. Hier zähle ich nicht weniger als neun Formen, die im Akkadischen als Medium qualifiziert sind! Zu diesen gehören medio-passive Stammformen, die wie das Medium im Altgriechischen semantische und detransitivierende Lesarten in Abhängigkeit des Lexems zeigen: hierzu gehören der (1) N-Stamm und die (2) t-infigerte Stammform. Diesem Begriff des Medium folgt etwa Klom (2014: 181 & vgl. 5.2.5 & 5.3.3). Medial im Sinne mittlerer Transitivität und niedriger Agentivität des syntaktischen Subjekts sind etwa (3) die transitiven Formen des STA, (4) der STA zu qabû(m): sagen mit indirektem Objekt als Subjekt im STA (qabi: befohlen sein) sowie (5) der STA mit dynamischen und (6) mit resultativen Lesarten. In ihnen ist eine Entsprechung zum homerischen Perfekt und dessen Überschneidungen mit dem Medium zu finden. Lexikalisch medial können schließlich (7) die Verben der nicht-ablautenden a-Klasse, (8) Verben, die einer Transitivierung im D-Stamm unterliegen und (9) intransitive Verben ohne STA, denen eine gemeinsame mittlere Agentivität der Subjektrolle inhärent ist, verstanden werden. 1.3.4.4 Sowohl-als-auch und Entweder-oder Begriffe Unter der Bezeichnung der interfaces (Schnittstellen) werden kategorienübergreifende Themenbereiche geführt (Ramchand & Reiss 2007). In dieser Arbeit sind hier die Interaktionen von Tempus und Aspekt (Kap. 4) oder Modus und Aspekt (Kap. 5) zu nennen. Kap. 5 ist insofern ein Kapitel der aspect interfaces. Prominenter ist das Thema der interfaces im Rahmen kompositionaler Etikette wie morpho-phonologisch, morpho-syntaktisch und diskurs-pragmatisch. Der Gebrauch dieser Komposita ist möglichst zu vermeiden, denn er verdeckt die Verortung der Kategorie durch den Rezipienten. Z.B. ist die Funktion des Tempus im Standard Average European morphologisch in anderen Sprachen wie dem Navajo syntaktisch oder pragmatisch (Smith 2007); das Tempus als Kategorie ist immer eine morphologische. 1.3.4.5 Zur Frage, ob die zusammenhängende Umschrift eine Transkription ist Die Übertragung der Keilschrift in die Umschrift mit Wiedergabe des Lautwertes der Lautung des Wortzeichens ist mit Transliteration sehr treffend umschrieben, denn hier wird der Text von einem Schrifttypus in einen anderen übertragen und eine Eindeutigkeit der Zeichenzuordnung angestrebt17. Die Bezeichnung als Transkription für die zusammenhängende oder normalisierte 17 Sie ist injektiv (eindeutig) insofern einem Keilschriftzeichen unterschiedliche Umschreibungen mit indizierten Lautwerten bzw. Logogrammen und Determinativen zukommen, diese Lesungen aber eindeutig auf das zugehörige Keilschriftzeichen zurückgeführt werden können. Die Frage nach einer sujektiven (ein-eindeutig) zuordnenden Transliteration ist m.W. in der Altorientalistik nicht diskutiert. Sie hätte als solches auch wohl allenfalls didaktischen Nutzen: den Charakter einer sujektiven Transliteration haben Texteditionen für den Unterricht, wie etwa die der Reihen SAACT.

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Umschrift, die sich auf die Morphologie und Bedeutung der Morpheme konzentriert, ist problembehaftet und impliziert eine von dieser Umschrift nicht erbrachte Leistung: “Part of the reason is surely the need to streamline Akkadian for the preparation of grammar and dictionaries, […]. His primary concern is with the meaning of words and forms.” Westenholz (2006: 255). Die Transliteration ist eine Umschrift, also von Schrift zu Schrift, bei der eine Entsprechung zu den Schriftzeichen der Ausgangssprache bestehen bleibt und die den transliterierten Text für einen Rezensenten lesbar macht, der der Ausgangsschrift nicht mächtig ist. In der Altorientalistik kommt der Transliteration eine besondere Stellung zu, denn sie ordnet den polyvalenten Zeichen eindeutige Lesungen zu, d.h. die angenommenen Lesungen der Wortund Silbenzeichen, wie sie im Rahmen der keilschriftphilologischen Forschung erarbeitet wurden. Hingegen hat sich ein normierter Drucktypensatz bis heute nur in Texten für Unterrichtszwecke durchgesetzt. Versuche in den Anfängen der Keilschriftphilologie wurden hier aufgegeben, auch wenn sie in Sprachen wie dem Ugaritischen oder Hethitischen aufgrund der geringeren Komplexität möglich gewesen und mit den technischen Möglichkeiten der Textverarbeitung und des digitalen Drucks mit geringem Aufwand realisierbar sind. Hingegen ist eine Transkription im engeren Sinne eine (phonetische) Lautschrift oder (phonologische) Niederschrift der gesprochenen Sprache. Prinzipiell lässt sich der Begriff der Transkription in enger und weiter Extension fassen. Für die Altorientalistik ist der Gebrauch der Bezeichnung Transkription für eine zusammenhängende Umschrift gebräuchlich. Der wissenschaftliche Anspruch richtet sich dabei (dem klassischen Begriff folgend) auf die Wiedergabe der phonologischen Gegebenheiten der Sprache, die nicht unmittelbar aus dem Schriftbild und seiner Transliteration abzuleiten sind. In dieser Arbeit ist neben der Transliteration, die zur Glossierung ungeeignet ist, eine der Glossierung entsprechende Verschriftlichung beigegeben, die entsprechend der morphologischen Gegebenheiten und zugunsten der morphologischen Klarheit gestaltet ist (2.2.4). Aus diesem Grund möchte ich diese zusammenhängende Umschrift nennen und sie explizit in die Nähe der Transliteration stellen und zugleich scharf von einer phonetischen oder phonologischen Wiedergabe trennen, für die der Begriff der Transkription reserviert bleiben soll. Konkretes zur Umsetzung der zusammenhängenden Umschrift im Rahmen dieser Studie folgt in 2.2 in den Ausführungen zur Glossierung. Die Glossierung selbst orientiert sich dabei entsprechend den Leipzig Glossing Rules nicht an einem allgemeinen Standard, sondern an den Gegebenheiten des Untersuchungsgegenstandes und seiner Objektsprache, der altassyrischen Varietät. Die grundlegende Trennung ist auch für jüngere Varietäten von Bedeutung, die eine weiter reichende Divergenz von Laut- und Schriftbild als im Altassyrischen aufweisen. Bei der Umsetzung der Transliteration in eine Transkription mit phonolgischem Anspruch kommt es dabei zum einen auf den phonologischen Kenntnisstand in Akkadistik und Semitistik an, zum anderen auf die Bewertung der schriftlichen Wiedergabe der Wörter in den Texten. Dabei sind durch Konventionen vorgegebene Zeichenverwendungen von solchen zu unterscheiden, die möglicherweise auf phonologischer (z.B. prosodischer) Ebene Bedeutung haben, wie etwa der Wechsel von KV-KV mit KVK-KV ohne morphologische

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Funktion des verdoppelten Konsonanten; z.B. in altbabylonischem ta-aš-pu-ra-am: ta-ašpur-ra-am18. Wie weit Phonologie und Phonetik von Schriftbild und Morphologie divergieren können, zeigt sich bei Sprachen, die lebendig und gesprochen in ihrer Lautlehre unmittelbar zugänglich sind und nicht aus einem Schriftsystem und sprachverwandtschaftlichen Vergleichen hergeleitet werden müssen. Einige Beispiele zur Veranschaulichung aus der phonetischen Transkription des Deutschen sollen das verdeutlichen 19. Sie stellen allgemeine Erscheinungen der deutschen Sprache da, werden aber von der Orthographie verdeckt, sind morphologisch nicht relevant und werden deshalb auch von phonologisch geschulten Rezipienten nicht immer wahrgenommen. Bei Betrachtung von Sprachmaterial mit phonetischen Daten wird die mögliche Bandbreite offenbar, die durch das Schriftbild verdeckt werden. Hierzu zählen etwa Unterschiede des Englischen, Deutschen und Französischen auf phonetischer Ebene, die in der Schrift und teilweise auch der Phonologie keine Wiedergabe finden. Für die Altorientalistik sind sie von besonderem Interesse, denn aufgrund der Vorgaben der Keilschrift und des semitischen Phonembestands sind sprachtyplogisch ähnlich gelagerte Phänomene – wie des Stimmabsatzes oder möglichen vokalischen Silbenanlautes oder der positionsbedingten Stimmhaftigkeit von Plosiven – Teil des phonologischen Diskurses in der Altorientalistik. Im Unterschied etwa zum Englischen setzt eine orthographisch vokalisch anlautende Silbe im Deutschen einen Verschluss der Glottis voraus (Glottalstop), d.h. deutsch Adler beginnt mit plosivem Glottal; engl. eagle unmittelbar vokalisch. Dieser glottale Plosiv hat im Deutschen keinen Phonemcharakter, ist also anders als im Semitischen nicht Thema der Phonologie. In der Umgangssprache fällt dieser Stimmabsatz häufig aus – teils mit Laryngalisierung des folgenden Vokals (Knarrstimme). Für das Akkadische ist dies von Interesse und berührt unmittelbar die Frage nach der Existenz vokalischer Anlaute bzw. schriftlich nicht realisierter Stimmabsätze und deren Phonemstatus (Kouwenberg 2006: 156). Die Frage nach der Wiedergabe eines Alephs, d.h. glottalen Plosivs, ist also die Frage einer phonologischen Transkription im Akkadischen – nicht aber der zusammenhängenden Umschrift. Ein weiteres Phänomen ist die Sonorität und Aspiration der Plosive im Deutschen. Folgen zwei homorgane Plosive einander, wird der erste unvollständig realisiert. Ein nachfolgender stimmhafter Plosiv wird dabei enttont und unterscheidet sich vom homorganen stimmlosen Plosiv nur durch die fehlende Aspiration als Charakteristikum des deutschen stimmlosen Plosivs. Gleiches Gilt für den Stimmabsatz im Satzanfang, so dass etwa das entonte /b/ in Berlin ist schön. akustisch und artikulatorisch französischem. /p/ in Paris est belle. entspricht. Auch die für stimmlose Plosive charakteristische Aspiration kann verloren gehen. Hier fallen artikulatorisch wiederum homorgane Plosive zusammen. Im Deutschen betrifft dies Plosive nach Frikativen. So entsprechen die beiden Labiale nach Verlust der Aspiration in Spaß und Verlust der Stimmhaftigkeit in S-Bahn phonetisch einander. Diese beiden phonetischen Erscheinungen im Deutschen betreffen in der Akkadistik im Rahmen der Phonologie die durch die Schrift vorgegebene Unterdifferenzierung silbenschließender Plosive und im Altassyrischen letztlich alle Plosive aufgrund des beschränkten Syllabars. Der weite Begriff der Transkription umfasst stärker an der Morphologie orientierte Verfahren der Wiedergabe keilschriftlicher Texte. Die prinzipielle Umsetzung unterliegt dabei 18 Ein Überblick zu diesen Schreibungen bietet etwa Streck (2003: 137ff.) im RlA. 19 Ein guter Überblick zu diesen u.a. Beispielen findet sich z.B. in Redecker u.a. (2007).

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den gleichen Problemen wie andere explizit unter dem Etikett der Morphophonologie geführten Methoden und Darstellungen (1.3.4.4). Zudem unterscheidet sich die Wiedergabe in der Altorientalistik durch die konventionelle Orientierung an der Transliteration und berücksichtigt weder Allophonie noch im Schriftbild nicht explizit wiedergegebene Laute. Hier bestehen grundsätzliche Fragen zur korrekten Interpretation, die Teil eines andauernden Diskurses sind. Das Verfahren der Transkription leidet sowohl unter einem Mangel an Konvention als auch an fehlenden Vorgaben über die phonologische Gestalt des Akkadischen. Aus diesen Überlegungen wird in dieser Arbeit auf die Bezeichnung als Transkription zugunsten der Umschreibung als zusammenhängende Umschrift verzichtet. So sind alle Schreibungen morphologisch ausgeglichen und klammern phonologische Rekonstruktionen aus, wie z.B. in einer Differenzierung von Stimmabsatz und palatalem Approximanten (oder Frikativ?): “The rendering of the vocalic radical by means of yy in Table 16.9 is hypothetical, however, ’’ is also possible (uka’’in etc.). The Old Assyrian orthography is ambiguous here, […].” Kouwenberg (2010: 482f.; Hervorhebung im Original). 1.3.4.6 Markiertheit Die Markiertheit ist ein in allen Bereichen der Grammatik verwendeter Term zu Kennzeichnung des „markierten“ Teils einer Opposition, was je nach Kontext unterschiedlich umgesetzt wird. In der Phonologie ist ein Morphem u.a. markiert, wenn es gegenüber einem homorganen Phonem sprachintern oder vergleichend seltener oder in regelhaft eingegrenzter Weise verteilt ist: so etwa Affrikate gegenüber Frikativen oder palataler gegenüber alveolarem und dentalem Nasal. In der Morphologie ist ein Morphem u.a. markiert, wenn es strukturell mit Nullmorphem (ø) wechselt oder wenn es gegenüber einem strukturell entsprechenden Morphem mit grammatischer Funktion zusätzlich eine lexikalische Funktion besitzt. Haspelmath (2006) hat sich prinzipiell gegen die Verwendung der Bezeichnung der Markiertheit (markedness) gewandt: “Twelve different senses, related only by family resemblances, are distinguished, grouped into four larger classes: markedness as complexity, as difficulty, as abnormality, and as a multidimensional correlation. In the second part of the paper, it is argued that the term ‘markedness’ is superfluous, because some of the concepts that it denotes are not helpful, and others are better expressed by more straightforward, less ambiguous terms.” Haspelmath (2006: 25). Das Problem zeigt sich deutlich am Beispiel des akkadischen Paradigmas: Gegenüber derivierten Formen wie PRS und PRF sind PRT und STA formal unmarkiert. Diachron ist das PRS die häufigste non-modale Form und insofern funktional unmarkiert. Das PRT zeigt die geringste Interferenz seiner Lesarten mit Lexemen und ist Basis derivierter Formen des Paradigmas und insofern gegenüber dem STA unmarkiert. Kouwenberg versteht das Verbalparadigma historisch um das PRS als zentrale Form strukturiert. Dieses Verständnis orientiert sich nicht an der formalen Struktur der Stämme, sondern an allgemeinen typologischen Beobachtungen: “Among the finite realis forms, the most basic forms are those that refer to the actual moment of speech.” Kouwenberg (2010: 5 mit umfangreichen Literaturverweisen).

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Dass dies auch für das Akkadische gelte, obwohl das PRS morphologisch eine Derivation zum PRT ist und selbst keine abgeleiteten Formen aufweist (wie PRT mit PRF, Prekativ, Vetitiv), begründet Kouwenberg mit drei Argumenten: “1. It is formally differentiated from other categories with more consistency than any other member of the verbal paradigm. [...] 2. The G-stem imperfective imposes its vowel on the t-perfective and on the imperfective of the derived verbal stems [...] 3. The G-stem also exerted [...] a strong formal influence of the derived verbal stems [...].” Kouwenberg (2010: 90). Tatsächlich ist es aufgrund der Morphologie und Transfigierung so, dass das PRS nicht mit anderen Formen verwechselt werden kann, d.h. kein Synkretismus zu beobachten ist. Aus diesem ersten Argument ist zunächst der Schluss zu ziehen, dass der Präsensstamm ursprünglich nur von wenigen Verben gebildet wurde und sein Paradigma erst spät systematisch vervollständigt wurde. Diese Interpretation steht dann auch im Einklang mit dem Fehlen des Präsensstammes in den meisten semitischen Sprachen. Will man beim Begriff der Markiertheit bleiben, so ist das PRS aufgrund dessen nicht als zentrale Form des Paradigmas qualifiziert, denn diese Position sollte zugleich mit der im PRT ja auch vorliegenden größeren Varianz in der Formenbildung einhergehen. Punkt 1 in Kouwneberg (2010: 90) ist daher unmittelbar Argument für die Markiertheit des PRS. 1.3.5 Verbalcharakter, Progressiv und Relationen – Bemerkungen zur Terminologie in dieser Arbeit Im Rahmen der Arbeit werden verschiedene Terminologien erläutert, die in der Analyse selbst keine Verwendung finden. es handelt sich dabei um Begriffsbildungen aus vorangegangenen akkadistischen Arbeiten zum Verb. Sie werden durchweg im Kontext der Arbeiten erläutert, in denen sie begegnen. Diejenigen Bezeichnungen, die aus der Sprachwissenschaft stammen, sind dabei ebenfalls im kommentierten Glossar aufgenommen worden (dort jedoch ohne Verweis auf Autoren und Werke). Eine Reihe von sprachtypologischen Bezeichnungen, die in dieser Arbeit begegnen, finden sich m.W. zum ersten Mal im akkadistischen Diskurs. Sie lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: eine Gruppe von Begriffen, die die sich aus der Analyse des Untersuchungsgegenstandes ergeben und eine Gruppe von Begriffen, die sich unmittelbar aus der sprachtypologischen Auswertung des akkadistischen Konsens ergeben. Begriffe der ersten Gruppe werden vornehmlich in Kap. 5 vorgestellt; solche der zweiten Gruppe in Kap.3 & 4. Ungeachtet ihres jeweiligen Bekanntheitsgrades werden alle diese Bezeichnungen sukszessive eingeführt und über die Kapitel verteilt allmählich in ihrer Begrifflichkeit erarbeitet. Erstgenannte Gruppe umfasst in wesentlichen Teilen Ergebnisse der jüngeren linguistischen Forschung, wie etwa den Zusammenhang von semantischer und syntaktischer Relation (5.2.4) bei der Entwicklung eines Verbalsystems mit split-ergativity. Die zweite Gruppe umfasst etwa den Begriff des Progressiv; der außerhalb der Sprachtypologie teils auf die einzelsprachliche Form des imperfektiven Aspekts im Englischen reduziert wird (4.2.9), tatsächlich aber funktional und diachron von den Formen des Präsens und Imperfekts begrifflich klar getrennt werden kann (5.3.7). Ihm entspricht das akkadische Präsens (iparras) in

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allen belegten Sprachstufen, das aufgrund seiner lexikalischen Restriktionen weder unter den Begriff eines Tempus noch den der Aspektdichotomie gefasst werden kann. Eine Gruppe von Bezeichnungen, die in ihrem Umfang möglichst klein gehalten ist, umfasst in der Sprachtypologie nicht geläufige Begriffe. Soweit sie aus der Altorientalistik oder Semitistik stammen sind sie unproblematisch, da sie Teil des akkadistischen Diskurses sind. Einige wenige weitere Bezeichnungen sind der Indogermanistik und Klassischen Philologie entliehen. Sie dienen einer – zumindest für das Akkadische – zweckmäßigen Differenzierung komplexer Sachverhalte, für den die Sprachtypologie keinen Begriff anbietet, der nicht als Oberbegriff oder Teilbegriff des Sachverhalts missverstanden werden müsste; so bei den Bezeichnungen des Verbalcharakters in 3.4 und der Metaptosis in 3.5.1.4.

1.4 Vom Altassyrischen zu einem Verfahren seiner Analyse 1.4.1 Die altassyrische Varietät und ihr Kontext 1.4.1.1 Funde in der Fremde – Das Altassyrische und sein Fundkontext Im ersten Viertel des zweiten Jahrtausends existierte eine extensive Handelsbeziehung zwischen dem Norden Mesopotamiens und seinen Nachbarn (Veenhof 2008: 79ff.). Die von Assyrern dort eingerichteten Handelsniederlassungen boten ein strukturiertes Fernhandelsnetz, das Teil des Warenhandels war, welcher sich zwischen den Gebieten der heutigen Türkei und Afghanistans erstreckte und für das Assur als bedeutendes Drehkreuz angenommen werden darf (Larsen 2015: 97). Neben Textilprodukten wurden dabei vornehmlich Metalle gehandelt (Veenhof 2008: 82ff.). Die Schriftzeugnisse dieser Handelskolonien (ganz überwiegend aus Kanish und dort aus einem Zeitraum von etwa dreißig Jahren (Larsen 2015: 68f.) bieten der modernen Forschung das überlieferte Schriftzeugnis des Altassyrischen (1.4.1.3). Erst zum Ende der Handleskolonien und unter Schamschi-Adad beginnt die Entwicklung, an deren Ende der Stadtstaat in mittelassyrischer Zeit auch politisches Machtzentrum wird (Larsen 2015: 98). Altassyrisch ist die älteste überlieferte Varietät des Assyrischen und vornehmlich durch Briefe und Urkunden der in Anatolien tätigen Händler und Kaufleute bezeugt. Es wird in der Forschung als Zeugnis einer einheitlichen und archaischen Varietät des Akkadischen begriffen: “The general impression of Old Assyrian is a surprisingly uniform dialect, which in many respects is more archaic than other dialects and therefore of crucial importance for the history of Akkadian.” Kouwenberg (2010: 18). Die Texte selbst stammen ganz überwiegend aus einer einzigen archäologischen Stätte (Veenhof 2008: 41). Die dortigen Assyrer, die teils ihren Lebensmittelpunkt nach Anatolien verlagert haben, fanden sich abseits der großen Schriftkulturen der mittleren Bronzezeit in der Notwendigkeit, ohne den Rückgriff auf vorhandene Schreiberschulen Korrespondenzen, Beurkundungen und Buchhaltungen anzufertigen (Larsen 2015: 57). Trotz vieler als Schreiber erwähnter Personen ist ein spezialisierter Schreiberstand für die Enklave nicht nachzuweisen und so verwendeten die Assyrer ein Syllabar, das gegenüber Texten Mesopotamiens auf minimalen Aufwand ausgerichtet war (Larsen 2015: 57), der sich z.B. im regelmäßigen Ver-

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zicht auf Doppelkonsonanzen, unvollständiger Differenzierung der Stimmhaftigkeit der Plosive und dem geringen Zeicheninventar wiederspiegelt, wodurch einer größeren Zahl von Personen die Erlernung und Nutzung der Schrift ermöglicht wurde (Larsen 2015: 55ff.). Die altassyrischen Texte sind so einerseits beredtes Zeugnis ihrer alltäglichen Varietät und Lebensumstände ohne den normierenden Eingriff der Berufsschreiber in Mesopotamien; andererseits ist das Altassyrische auf den Ausschnitt einer spezialisierten und räumlich abgesonderten, sozialen Gruppe beschränkt, die nicht nur durch ihre Herkunft und ihre Sprache, sondern auch durch ihren Berufsweg im gemeinschaftlichen Verbund standen. Hier kommt es zu in ihren sprachspezifischen Folgen nicht einschätzbaren Verwerfungen im Bild der altassyrischen Sprache, die sowohl areale Phänomene im Rahmen des Sprachkontakts als auch idiosynkratische Sprachentwicklungen bedingt haben können 20. Das Bild des Akkadischen ergänzt das Altassyrische aufgrund seines hohen Alters, seiner archaischen Spracherscheinungen und der fast durchgängigen syllabischen Schreibung einerseits und durch das Zusammentreffen von Sprachwirklichkeit und Lebenswirklichkeit andererseits. Die altassyrische Varietät steht so unter dem „Verdacht“ einer zweifachen Veränderung im Rahmen des Sprachkontakts: des gesamtakkadisch wirksamen mesopotamischen Sprachbundes des Akkadischen und Sumerischen und eines spezifischen altassyrischen Sprachkontakts mit den Sprachen Anatoliens. Beide müssen sich die Urheberschaft der altassyrischen Idiosynkrasien mit dem angenommenen archaischen Sprachzustand des Altassyrischen teilen. Im generationenübergreifenden Aufenthalt sind das Fehlen von assyrischen Bildungsinstitutionen, wie Handwerks- und Schreiberschulen einerseits und Belege interkulturelle Eheschließungen andererseits gewichtige Argumente für die Suche nach Gründen varietätsspezifischer Erscheinungen im anatolischen Sprachkontakt. Dem detaillierten Bild, welches die Texte geben, steht in krassem Gegensatz das Problem ihrer Verortung entgegen. Von Bedeutung sind hier etwa die primär archäologischen Fragen nach Lage und Strukturen der in den Texten genannten Reiche, Städte und Handelsposten und nicht zuletzt die Frage nach den ethnischen Strukturen im frühgeschichtlichen Anatolien und wie sich diese von der althethitischen Zeit unterscheiden (Özgüç 2003 65ff.). Auch der kontemporäre archäologische Befund der Stadt Assur selbst ist dürftig: ein halbes Dutzend Texte und kein einziges ausgegrabenes Privathaus (Veenhof 2008: 37) lassen über die Entsprechungen zu den Strukturen der Assyrer in Anatolien Fragen offen. So groß die Informationsdichte über einen kurzen Zeitraum und einen kleinen Personenkreis in den Texten ist, so gering ist gleichzeitig ihr Kontext in sozialer, historischer und geographischer Perspektive. Die beschränkten Möglichkeiten zur Kontextualisierung der Texte aus Anatolien mit ihren Entsprechungen aus Mesopotamien stellt als solches die größte Herausforderung an die methodische Auswertung (s. hierzu 1.4.2). Die Textfunde lassen sich, soweit sich ihr Grabungskontext erschließen lässt, zwei Perioden, II und Ib, zuordnen und stammen fast ausschließlich aus der ersten Periode (Veenhof 2008: 46). Vergleichsmaterial für eine interne Rekonstruktion ist aufgrund dieser ungleichen Verteilung selten. Ebenso fehlt der Nachweis eines sich vollzogenen Sprachwandels im Übergang der Überlieferungsschichten: 20 Dies betrifft einerseits das Einwirken der anatolischen Sprache auf den Sprachgebrauch des Assyrischen im Sprachkontakt, als auch den Gebrauch durch ethnische Anatolier oder der Nachkommen aus Mischehen (Kienast 2015: 17). Vgl. hierzu etwa Donabedian-Demopoulos (2007) & 1.4.1.2.

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“Systematically differences in language between the texts of the two layers have (not) yet been established.” Kouwenberg (2010: 17). Auch an anatolische Verfasser von Texten der Schicht Ib lassen sich vorerst keine sprachlichen Erscheinungen knüpfen (Veenhof 2008: 48). Das Altassyrische ist, soweit es bisher aufgearbeitet wurde, auffallend homogen. Auch in der Fallstudie (Kap. 6ff.) sind lediglich diaphasische Unterschiede im Gebrauch der Verbalformen nachzuweisen 21. 1.4.1.2 Sprachbund und ethnische Kolonie in Anatolien In der Akkadistik ist die Bezeichnung kappadokisch für fremdes Sprachgut üblich. Wenn im Rahmen dieser Studie von Anatolisch gesprochen wird, dann als schlichte geographische Bezeichnung und Verortung grammatischer Erscheinungen in einen arealen Kontext, der außerhalb des semitischen Sprachraums liegt und für das Altassyrische das Gebiet des heutigen Anatoliens umfasst. Dabei sei auf die Möglichkeit verwiesen, dass im Bereich der Grammatik nicht als semitisch identifiziertes Material – vornehmlich der Syntax aber auch der Phonologie – fälschlich als fremdsprachlich bezeichnet wurde und sein semitischer Kontext nicht korrekt bestimmt worden ist – etwa beim Subjektsakkusativ (GKT § 110) oder Objektsnominativ (GKT § 111), bei Relativsatzkonstruktionen usw. Für eine Verortung der Herkunft dieser beispielhaft genannten grammatischen Bereiche ins anatolische Sprachareal sprechen die teils ausgedehnten Aufenthalte in Anatolien, in deren Verlauf die Abgrenzung der ethnischen Kolonien zurückging22. Einen Beitrag zu ihrer Auflösung leisten nach den Schriftzeugnissen neben intensiven Geschäftskontakten zu anatolischen Personen vornehmlich interkulturelle Heiraten (Kienast 2015: 16ff.), die Kontakte auf informeller privater Ebene plausibel erscheinen lassen und zur ethnischen Durchmischung der assyrischen Haushalte im Verlauf der Zeit führen. Strukturell ist diese ethnische Kolonie eine bereits durch die Interessen Assyriens bedingte Segregationserscheinung23, die auch den beruflichen Werdegang innerhalb der ethnischen Kolonie vorgibt. Diese ist aufgrund der ökonomischen Verflechtung der Assyrer mit der Heimat und untereinander als innerer sozialer Zwang zu betrachten und erlaubt insofern nur bedingte Aussagen über die Interessen zur Segregation seitens der Anatolier und assyrischen Herrscher und Familien in der assyrischen Heimat. Varietätsspezifische sprachwissenschaftliche Fragen an das Altassyrische betreffen die Trennung von ererbten und anatolischen Spracherscheinungen, die Trennung des gemeinassyrischen vom soziolektalen (diastratischen) Lexikon und von Assyrien losgelöste innerassyrische Sprachwandelprozesse im Kontext der ethnischen Kolonie. 1.4.1.3 Texte und Textgattungen Die altassyrischen Texte umfassen im Wesentlichen Texte des alltäglichen Geschäftslebens (Veenhof 2008: 35ff.). Sie sind im Sinne der altorientalistischen Differenzierung in 21 D.h. in Unterschiede nach Textgattung gesondert. Sie betreffen etwa Restriktionen im Gebrauch des PRF in Urkunden (Kap. 8). 22 Einzelstudien zur Distribution solcher sprachlichen Erscheinungen nach dem Aufenthaltsort des Verfassers fehlen hierzu. Zum Begriff der ethnischen Kolonie (vgl. Ceylan 2006: 52ff.). 23 Zum Zusammenhang von Segregation und ethnischer Kolonie (s. Ceylan 2006: 69ff.). Hinweise auf die konkrete Segregation in Kanish zeigt z.B. Atici (2014) auf.

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Urkunden und Briefe geschieden, sowie einige wenige andere Texten, die religiösen oder politischen Inhalts sind und nicht in den Bereich dieser Diaphasen fallen. Die Verteilung entspricht ursprünglich sicherlich dem Bedarf nach Verschriftlichung der Korrespondenz und Rechtssicherheit. Die jetzige Verteilung ist aber zunächst Ergebnis der zufälligen Überlieferung. Daher sind Rückschlüsse auf quantitative Verteilung nach Genres und deren Aussage über die diese Verteilung bedingenden Strukturen in hohem Maße spekulativ. So stammen etwa von den mehr als zwanzigtausend Texten weniger als ein Prozent aus der zweiten textüberliefernden Grabungsschicht Ib (Kryszat 2004: 7). 1.4.2 Von Briefen und Urkunden zu Dokumenten und Akten Anstelle der Differenzierung von Briefen und Urkunden ist die Erhebung des altassyrischen Materials in der Fallstudie methodisch ohne vorangehende Trennung der Textgattungen vorgenommen worden. Dem ersten Zugang zum Korpus dient die Dokumenten- und Aktenanalyse, die in ihrer ersten Konzeption nach Garfinkel eine Methode zur Erschließung alltäglicher und zugleich fachspezifischer Texte ist. Sie übernimmt methodisch die Vermittlung zwischen den überlieferungsrealen Vorrausetzungen des Altassyrischen und der Umsetzung sprachtypologischer Methoden. Die Texte sind nicht nur für den außenstehenden Forscher unzugänglich, sondern erscheinen aus der Perspektive systematischer Untersuchungsmethoden als inhaltlich lückenhafte Texte und stellen die Analyse im Rahmen ihrer kontextuellen Verortung und Auswertung vor erhebliche Schwierigkeiten. Zugleich ist die Methodenwahl im Rahmen der Erstrezeption der Texte als Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Methodik in altorientalistischer Forschung zu verstehen, die bisher nur selten rezipiert wurde: „In der Altorientalistik existieren bisher allerdings wenig Beiträge, die auf theoretischer Ebene Bedingungen und Kriterien für eine sozialwissenschaftliche Erforschung der antiken mesopotamischen Gesellschaften diskutieren.“ Schulte (2015: 210). In Bezug auf die Hindernisse der Quellenrezeption in den von Garfinkel (1967) untersuchten Dokumenten aus dem modernen Klinikbetrieb zeigen sich einige offenbare Parallelen zu altassyrischen Texten: ihr Sprachgebrauch ist spezialisiert und mit fachspezifischer Terminologie befrachtet. Das Verständnis wird dadurch vor allem im Kontext von Materialbezeichnungen erschwert. Exemplarisch sind hier die verschieden Textilbezeichnungen und ihre systematische Einordnung nach Herkunft und Gebrauch sowie in Stoff- und Gewandbezeichnung (Michel & Veenhof 2010) zu nennen. Auch in ihrer Rezeptionsgeschichte weisen Dokumente in der Sozialforschung eine Parallele zum Altassyrischen auf. Beide wurden in der früheren Forschung häufig ignoriert oder marginalisiert. So schreibt Larsen über die erste Besichtigung des Archivs im Oriental Institute in Chicago: “One single group of files had been placed apart in four cabinets that stood rather forlornly in a corner of the room: they contained cards with the Old Assyrian texts. Every other Akkadian text had been integrated in the general file, but not the Old Assyrian documents – a clear indication of the common view that these documents were different, perhaps even unintelligible, representing a strange form of Akkadian

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and reflecting the life of a socio-economic system that was, if not unique, then at least remarkably unlike the rest of Mesopotamian tradition.” Larsen (2015: 60). Ein Vergleich mit dem Kontext, aus dem heraus sich die Dokumenten- und Aktenanalyse entwickelt hat, zeigt die grundsätzlich ähnlichen Strukturbedingungen und auch die in der Akkadistik von verschiedenen Autoren vorgenommene Reduzierung der Objektsprache auf Briefe (u.a. Leong 1994; Streck 1995a u.a.). „Dadurch war ein gewisser ”bias” zu Gunsten sprachlicher Kommunikation bzw. sprachlicher Daten in einfachen Sozialsystemen angelegt […]. Wenn man sich nicht überhaupt darauf beschränkt, Dokumente auf die in ihnen enthaltenen Informationen zu reduzieren, nimmt die Beschäftigung damit bis heute einen vorwiegend exegetischen Charakter an, d.h. sie werden als Quellen angesehen […], die auf andere, hinter ihnen liegende Phänomene und Absichten verweisen. Da ein enger Zusammenhang zwischen der ‘Aussagekraft‘ eines Dokuments und seiner Authentizität und Glaubwürdigkeit unterstellt wird, ergibt sich ferner eine Präferenz qualitativer Forscher für private Aufzeichnungen (wie Briefe oder biographische Aufzeichnungen; […]).“ Wolff (2015: 503ff.). Die altassyrischen Texte bieten dabei eine Problematik, wie sie Garfinkel (1967: 190ff.) für Aufzeichnungen im Alltag von Krankenhäusern beobachtet und die sich durch die spezifische Reflexivität ihrer Nutzer erklärt: eine Beschränkung der bestimmten Rezipienten auf das klinische Fachpersonal, dessen Alltag zugleich im beruflichen Umfeld hervorgebracht wird24. Diese durch Garfinkel bestimmten Anforderungen der Texte an ihre Rezipienten entsprechen ganz konkret den Vorgaben, die die Autoren der in den Fern- und Finanzhandel eingebundenen Nutzer des Altassyrischen an ihre Kollegenschaft stellten: die uneingeschränkte Fachkenntnis des assyrischen Fernhandels und Sachkenntnis der geographischen und politischen Alltagsbedingungen. Vor diesem Hintergrund ist dann nicht das anzuführen, was allgemeingültig ist. Stattdessen konzentrieren sich die Texte auf die Vermittlung des gegenüber diesem Kontext Besonderem oder Neuem. Sie entsprechen einem Gespräch, in dem die Beteiligten bereits wissen, worüber geredet wird, und sie das hinzufügen, wodurch dieses beeinflusst wird (Garfinkel 1967: 200f.). Die schriftliche Mitteilung entspricht dabei der Äußerung eines einzelnen Gesprächsteilnehmers. Anstelle eines starren und normativen Begriffs tritt in diesem Verständnis die Idee eines sich im Prozess selbsterklärenden und verändernden Kontextes, der aus der alltäglichen Interaktion gewonnen wird. Der Kontext dieser Hervorbringung umfasst die altassyrischen Briefe und Urkunden als Ganzes und versteht sie als Ausdruck des gemeinschaftlichen Sprach- und Kulturbegriffs ihrer Nutzer. Die schriftlichen Dokumente sind dabei nicht als Ausdruck eines Sachverhalts aufzufassen, der durch ihre Analyse erarbeitet wird, sondern als eigenständige Quelle und Untersuchungsgegenstand. So wird in den altassyrischen Texten nicht nach einer Einbettung in einen normativen Hintergrund altassyrischer Lebenswirklichkeit und eines assyrischen 24 Der soziale Hintergrund darf nicht dem Inhalt der Texte verwechselt werden; hier zeigen die Texte des altassyrischen Korpus vornehmlich in Briefen eine breitere Streuung als spezifische Aktensammlungen in einem reinen Archiv.

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Kulturbegriffs gesucht. Es erfolgt auch keine Deutung der Segregation und der Texte im Kontext einer ethnischen Kolonie. Konkret auf den sprachwissenschaftlichen Kern der Fragestellung bezogen, bedeutet das, dass die Texte nicht wie eine Fundgrube sprachwissenschaftlicher Fragestellungen zu Sprachkontakt, Ethnolekt, Soziolekt oder sprachvergleichender Rekonstruktion angegangen werden, sondern insgesamt als eine eigenständige Quelle. Für das Altassyrische bedeutet dies, dass Sprache und Kultur der Texte in sich und nicht durch Hinzuziehen anderer schriftlicher und materialer Quellen zu deuten sind. Im Unterschied etwa zu einer historiographischen Arbeit sind die Texte als vollständige Wiedergabe zu verstehen. Vollständig bedeutet, dass aus ihnen heraus ihre Deutung erarbeitet bzw. Begriffe gewonnen werden können. Im Rahmen einer allgemeinen Sprach- oder Kulturgeschichte der altassyrischen oder keilschriftlichen Zeit steht hingegen die Verortung der Texte in einen Gesamtkontext aller Quellen über die entsprechende Epoche und Region im Vordergrund. Dadurch werden die Texte zum Hilfsmittel in der Betrachtung solcher Fragestellungen und Thesen, die nicht in ihnen thematisiert werden. Für die sprachtypologische Methode dieser Arbeit spielt die Dokumenten- und Aktenanalyse eine begrenzte Rolle und richtet sich auf einen Zugang zum Altassyrischen, welcher den Kulturbegriff als (inter)subjektiv und die Dokumente des Altassyrischen als selbständige Quellen versteht25. Im Unterschied zur akkadistischen Differenzierung werden dabei Urkunden zunächst nicht systematisch von Briefen gesondert, sondern in auftauchenden Unterschieden als Ausdruck diachronen und diaphasischen Wandels gedeutet. Im Übergang zur eigentlichen Textanalyse steht das Verfahren der sequentiellen Analyse als Mittler zwischen sozial- und sprachwissenschaftlicher Methodik. 1.4.3 Die Textanalyseverfahren der objektiven Hermeneutik Grundsätzlich ist die Methode der Dokumenten- und Aktenanalyse im Rahmen der qualitativen Forschung durch eine Beschränkung des Umfangs und Zurückstellung quantitativer Verfahren ausgestaltet. Diese führt zur Frage nach einem Verfahren der Textanalyse, das von der sozialwissenschaftlichen Untersuchung zur sprachwissenschaftlichen Untersuchung hinüberführt. Hierbei ist selbstverständlich den Vorgaben der qualitativen Forschung entsprechend einer Methodik zu folgen, die unter dem gleichen theoretischen Überbau steht und einen Schwerpunkt auf die Analyse einzelner sprachlicher Äußerungen legt. Hier kommt die sogenannte objektive Hermeneutik nach Oevermann u.a. (1979) als Textanalyseverfahren zum Tragen. Sie ist, wie die Dokumenten- und Aktenanalyse der Ethnomethodologie, eine Disziplin der qualitativen Forschung. Die objektive Hermeneutik ist eine auf den deutschsprachigen Raum beschränkte Methodik der Sozialwissenschaften und gründet sich ihrerseits auf die von Schleiermacher (1977) als Hermeneutik verfasste geisteswissenschaftliche Methodik von 1838: diese ist die „Kunstlehre des Verstehens“, der eine Ebene der Grammatik und eine Ebene der Psychologie als Teile der Textdeutung zukommen26. 25 Intersubjektiv ist ein Begriff der Kultur, der aus dem hervorgeht, was die Individuen, die an einer Kultur teilhaben, in ihrer Lebenswirklichkeit sagen und tun. Das Handeln der Einzelnen bringt den Begriff in ständigem Prozess hervor und erneuert diesen. Ein normativer Kulturbegriff, nachdem es sich zu richten gilt und über den entschieden wird, was zu einer Kultur gehört, wird von Garfinkel abgelehnt. 26 Für die Deutung der altassyrischen Texte ist dies relevant, denn das Verständnis der Texte richtet sich in der Analyse nach dem psychologischen Inhaltsverständnis, etwa was als Zustand (STA) und was als Handlungsverlauf (PRS) verstanden wird, welche Handlung eine diskursrelevante Konsequenz hat und welche

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Ziel der Methode ist die Rekonstruktion der objektiven Bedeutungsstrukturen der untersuchten Texte. Diese konstituieren sich, ähnlich wie in der Ethnomethodologie, durch die Interaktion der Beteiligten. Die über den Gegenstand neu gewonnenen Aussagen und Ergebnisse sind als solche selbst objektiv, da sie den eigentlichen Sinngehalt erarbeiten, der im Verständnis der Beteiligten zu suchen ist und nicht als allgemeingültige oder regelhafte Wahrheit: „Indem die objektive Hermeneutik sich, unabhängig davon, welchen konkreten Gegenstand sie zu analysieren hat, immer primär auf die Rekonstruktion der latenten Sinnstrukturen bzw. objektiven Bedeutungsstrukturen derjenigen Ausdrucksgestalten richtet, in denen sich die zu untersuchende Fragestellung authentisch verkörpert, kann sie in demselben Maße Objektivität ihrer Erkenntnis bzw. ihrer Geltungsprüfung beanspruchen, […].“ Oevermann (1996: 4; zitiert nach Reichertz 2015: 514f.). Das Verfahren verhält sich zur korpuslinguistischen Methodik ambig. Die corpus-driven (korpusbestimmte) Methode, die eine möglichst standardisierte Zusammenstellung des Korpus anstrebt, d.h. nach sprachlichen Vorgaben und ohne Vorannahmen zum Untersuchungsgegenstand einer allgemeinen Datenerhebung folgt (1.3.2.2), ist stark an der quantitativen Auswertung orientiert. Im Rahmen der Anwendung statistischer Methoden in der Sprachwissenschaft ist sie insofern die Leitwissenschaft. Im Unterschied dazu verfährt die objektive Hermeneutik in ihrer Erhebung auf Basis nicht-standardisierter Daten: ihr Wirkungsfeld ist die Einzelfallanalyse. Deren Auswahl fordert eine Abduktion, die Voraussetzung für die Entdeckung des Neuen ist (Reichertz 2013: 19). Die Abduktion versteht sich als Verzicht des Aufbaus auf bekannten Merkmalen und ist als solche dort anzuwenden, wo der Erkenntnisfortschritt zum Stillstand gekommen ist (Reichertz 2013: 18)27. Für das akkadische Verb betrifft dies im Rahmen der Fallstudie die Frage nach der Verbalität des STA, der Charakterisierung des Akkadischen als Tempus- oder Aspektsystem, die Erklärung der modalen Lesarten des PRT und den Zusammenhang von paradigmatischen Formen wie PRF und PRS mit stammbildenden Formen wie den t- und D-Stämmen sowie die Frage nach der Gestalt des protosemitischen Imperfekts. Eine Entdeckung ist dieser Erkenntnisfortschritt und keine Erfindung, wenn er sich in die Begriffsbezugsysteme größeren Zusammenhangs einordnet. Eine Erfindung sind in diesem Sinne die in Comrie (1985) vermuteten und in Streck (1995a) postulierten relativen Tempora, denn sie sind als grammatische Kategorie sprachwissenschaftlich nicht valide: ihnen fehlt sowohl der sprachtypologisch fundierte empirische Nachweis als auch eine nicht auf den Aspektbegriff zurückgehende Definition. Der definitorische Unterschied in Streck (1995a: 242) ist die Funktionseinheit von Gleich- und Nachzeitigkeit, die das relative Tempus von einem sonst entsprechenden Imperfektiv unterscheidet. Tatsächlich ist die Funktion zum Ausdruck der Zeitreferenz im Aspekt aber stark modelltheoretisch verhaftet. An den schon in Denz (1971: 11f.) formulierten Annahmen über die Verhältnisse von Aspekt und Zeitbezug kritisiert bereits Bartelmus korrekt: Handlung sich in ihrem lexikalischen Resultat erschöpft, ohne im Diskurs selbst Referenz zu werden (5.3.8) usw. 27 Sie ist für die Altorientalistik methodisch von Interesse, denn die Überlieferungsgeschichte und der Editionsstand der Keilschrifttexte laufen Verfahren zur Standardisierung für quantitative Studien zu wider.

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Einleitung

„In dieser Hinsicht scheint mir die Ausführung bei Denz (1971) 11f. zu stark von den räumlichen Beispielen (Brücke!) geprägt und damit wenig überzeugend. Formallogisch ist Denz‘ Zuordnung der N[ach]Z[eitigkeit] zur ‘Vollständigkeit‘ zwar richtig, denn jeder nachzeitige individuell SV, der als Subjekt eine innerweltliche Größe (d.h. nicht Gott) hat, kommt auch einmal an ein Ende und liegt damit vollständig vor. Die Frage ist nur, ob diese aus der natürlichen Erfahrung gewonnene Erkenntnis auch sprachlich produktiv werden muß, und deshalb als Teilaspekt in einem relativen Zeitlagensystem vorausgesetzt werden darf. […] [B]ezeichnenderweise kommt Denz im praktisch-arabistischen Teil seines Buchs zu dem Ergebnis, daß in den arabischen Aspektsystemen die N[ach]Z[eitigkeit] dem imperfektiven Aspekt zuzuordnen ist. […].” Bartelmus (1982: 4719; Ergänzuungen durch Verfasser). Vergleichbar der corpus-driven (korpusbestimmten) Methode ist das Verfahren der objektiven Hermeneutik in der Zurückstellung von Vorannahmen. Die Thesen werden aus der extensiven Prüfung der Einzelfallstudie und in der Korpuslinguistik aus der quantitativen Auswertung der Korpusstrukturen gewonnen. Bei der Auswahl der Texte ist dabei auf Gattungsdifferenzierungen verzichtet (1.4.2) und rein nach dem Ziel einer hierarchisch strukturierten Kontextualisierung vorgegangen worden, d.h. dass bevorzugt Texte mit gesichertem Kontext bezüglich größerer Archive und einer Edition möglichst jüngeren Datums auf der Basis der Forschungsergebnisse der Spezialisten für die altassyrische Varietät ausgewählt wurden. Deren Übersetzung dient im Rahmen der Kontextualisierung und linguistischen Analyse als Prüfstein für die möglichen Interpretationen der Textsequenzen. Sie sind als Referenz ein Ersatz für den als Informanten in der Sprachtypologie angedachten Muttersprachler (native speaker). Gemein ist beiden, Übersetzer und Muttersprachler, eine auf den Inhalt gerichtete Wiedergabe der kommunikativen Inhalte. Sie sind in dieser Funktion eine Prüfungsinstanz inhaltlicher Richtigkeit gegenüber einer linguistisch orientierten Modellierung des Texts. Von der corpus-based (korpusgestützten) Methode unterscheidet sich die objektive Hermeneutik durch das Primat der Einzelfallanalyse, kennt aber wie diese einen Abgleich am größeren Textbestand. Diese Art der Korpusauswertung ist aber der eigentlichen Textanalyse nachgestellt und kein inhärenter Bestandteil der objektiven Hermeneutik. Als gewählte Einzelfallstudien (2.4.2) wurden die Editionen der Reihe AKT mit den Bänden I bis VIa, die eine noch andauernde Publikationsgeschichte aufweisen, gewählt. Dabei werden im Rahmen einer internen Hierarchie die kontextuellen Übersetzungen jüngerer Editionen herangezogen. Nachrangig wurden diese nach ihrer philologischen Qualität betrachtet, die sich zunächst an Konsequenz und Sorgfalt der Textedition richtet, wodurch etwa die Belege aus AKT IV zurückfallen und etwa AKT III aufgewertet wird. Diese Einzelfallstudien wurden im Anschluss an ihre sprachtypologische Auswertung zusammenfassend und mit einer Nacherhebung (2.4.3) der Daten an den altassyrischen Texten der nachfolgend publizierten AKT Bände und des CDLI-Korpus (2.4.4) aufbereitet, an dem die aus den Einzelfallstudien gewonnenen Begriffe geprüft wurden. Sie folgen dem Prinzip einer begründeten Nacherhebung von Daten aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse (Reichertz 2015: 523) und betreffen in dieser Arbeit u.a. die Auswertung der Zustandsverben der u-Klasse im Altassyrischen.

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Vom Altassyrischen zu einem Verfahren seiner Analyse

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1.4.4 Zur Problematik statistischer Verfahren im altassyrischen Korpus 1.4.4.1 Einleitung Quantitative Verfahren und im Speziellen statistische Erhebungen stehen vor erheblichen methodischen Herausforderungen, wo sie auf keilschriftsprachliche Untersuchungen angewendet werden. Daher sind erhobene Daten praktisch immer Konvenienzstichproben (sample of convenience)28. Von diesen Herausforderungen werden hier die zentralen Probleme skizziert. Sie betreffen allgemeine Fragen der Statistik als Leitwissenschaft quantitativer Forschung und spezielle Probleme der Altorientalistik. Sie sind zugleich Anlass, sich an anderen Verfahren der Datenauswertung zu orientieren, wie es in dieser Arbeit geschehen ist. 1.4.4.2 Skalierung der Daten Grundsätzlich ist in der Philologie die Anwendung ordinalskalierter Daten auf einige wenige Fälle beschränkt, in denen eine natürliche Reihenfolge festgestellt werden kann und ein geordnetes Größenverhältnis besteht (Rasch u.a. 2014: 6f. & 10), wie etwa in der Zahl von Texten in einem Fundkontext oder einer Varietät. Neben einer Sortierung aufgrund der Größe ist der Zentralwert aussagekräftig, der innerhalb einer linearen Anordnung der Werte die mittlere Position besetzt. Ein Beispiel: auf fünf Fundorte einer Grabung ist die Anzahl der Texte folgendermaßen verteilt: 312, 30, 11, 70 und 12. Geordnet erhält man 312, 70, 30, 12, 11. Der zugehörige Zentralwert ist also 30. Er weist gegenüber einem arithmetischen Mittel, welches hier 87 ist, eine größere Robustheit aus, d.h. ist auch unter den mangelhaften Voraussetzungen der Stichprobe repräsentativ (Butler & Oeckler 2010: 126ff.). M.a.W. ein später erschlossener Fundort wird wahrscheinlich um die 30 Texte beibringen. Ein Einzelfund von 80 oder mehr ist nicht als Regelfall zu erwarten. Gibt es keine natürliche Ordnung, etwa bei der Betrachtung der grammatischen Verbalkategorien, so ist eine Nominalskalierung notwendig, d.h. Zuordnung eines Zahlenwertes (Rasch u.a. 2014: 6). Statistisch valide ist dabei nur die Erhebung des Modalwertes, d.h. eine Angabe zum häufigsten Wert (Butler & Oeckler 2010: 125). Vorrausetzung ist allerdings eine quantitative Dominanz des häufigsten Wertes, bei mehreren ähnlich häufigen Werten ist auch der Modalwert nicht aussagekräftig (Butler & Oeckler 2010: 126). Ein Beispiel: ein Korpus von akkadischen Texten hat Formen des Indikativs des PRT, STA, PRS und PRF: in dieser Reihenfolge mit Zuordnung 1, 2, 3 und 4. Stehen die meisten Belege im PRT ist der Modalwert 1, steht hingegen am häufigsten PRF, ist der Modalwert 4; sind aber z.B. PRT und PRS im Verhältnis zu STA und PRF ähnlich häufig belegt, ist kein Modalwert anzugeben. Aus beiden Verfahren lassen sich keine quantitativen Aussagen über beliebige Elemente anstellen. Die Umrechnung in Prozentangaben vermittelt hier oft fälschlicherweise eine statistische Aussagekraft über Modalwert und Zentralwert hinaus. Solche weitergehenden Angaben können nicht statistisch valide sein. Sollen über mehrere nominalskalierten Elementen quantitative Angaben gemacht werden, muss entsprechend komplex untergliedert werden. Dies bedarf umfangreicher strukturierender Aufbereitung des Korpus (1.4.4.3) und erhöht die Gefahr einer fehlerhaften Skalierung entsprechend. 28 Vgl. hierzu Lohr (2009: 5ff. & 73ff.).

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Einleitung

Insgesamt betrachtet, zeigen geisteswissenschaftliche Abhandlungen ein teils naives und populärwissenschaftlich verzehrtes Verständnis von Statistik und quantitativen Methoden, z.B. in der Vermischung des Begriffs der Statistik mit dem Verfahren bloßer Prozentrechnung. Es ist vor dem Einsatz quantitativer Methoden vor allem in Bezug auf den Forschungsdiskurs ratsam, Vorsicht walten zu lassen und Vorarbeiten einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, will man nicht Gefahr laufen statistisch nicht valide Analysen vorzubringen und den Prinzipien der quantitativen Forschung nicht gerecht zu werden. 1.4.4.3 Stichproben und Korpora Ein zentrales Problem struktureller Fehler in quantitativen Analysen betrifft die Erhebung der Korpora. Dabei ist es methodisch teil unumgänglich Teilkorpora zu erheben. Diese sind als Stichproben anzulegen, denen eine Prüfung der erforderlichen Stichprobengröße vorauszugehen hat29. Mit Blick auf strukturierte Korpora ist zu beachten, dass bei unzugänglichen eines Gesamtkorpus nur Stichproben valide sind! Dieses Problem der Nichtbeantwortung (Butler & Oeckler 2010: 30) begegnet in den Sozialwissenschaften in Form von Personen, die aufgrund unterschiedlicher Gründe nicht an Befragungen teilnehmen. In solchen Fällen sind Teilerhebungen erforderlich, die einen entsprechend methodischen Ansatz zur Erhebung der Stichprobe verlangen (Butler & Oeckler 2010: 31). Hierzu sind entsprechende empitrische Kennwerte erforderlich (Rasch u.a. 2014: 16), für die methodisch anspruchsvolle Bestimmungsverfahren der Stichprobengröße erforderlich sind (Rasch u.a. 2014: 59ff.). In der Keilschriftphilologie steht hier dementsprechend das Problem der zufälligen Überlieferung und des aktuellen Ausgrabungs- und Publikationsstands der Texte. Die Vorarbeit zur Erhebung statistischer Daten verlangt daher nach für den Untersuchungsgegenstand mehrfach vorgenommener Stichproben. Aus den unterschiedlichen Häufungen der untersuchten Merkmale in diesen, kann erst dann eine Stichprobengröße ermittelt werden (Rasch u.a. 2014: 25f.). 1.4.4.4 Keilschriftliche Probleme Neben den besonderen Schwierigkeiten des Altassyrischen – einer stetig steigenden Publikationsmenge, einer großen Zahl ungesicherter Fundkontexte und des fehlenden Anschlusses an eine in Assyrien verortete synchrone Varietät als Orientierungshilfe – soll noch ein Punkt angeführt werden: Die Behauptung, aus quantitativen Gründen sei die These zu verwerfen, dass ein Großteil der semitischen Verbalwurzeln auf zweiradikalige Lexeme zurückzuführen sei (Voigt 1988), ist ein Beispiel für einen Trugschluss einer Nominalskalierung: Jaminjung hat nur dreißig Verben und eine Reihe prädikativer Ko-verben bzw. light verbs. “Jaminjung is an interesting language for the study of the lexicalization of spatial expressions, because it only has a closed class of around thirty inflecting verbs and, in

29 Eine keilschriftphilologische Studie mit einer solchen Stichprobenerhebung ist mir nicht bekannt. Auch in verschiedenen linguistischen Studien, wie z.B. in Bybee u.a. (1994: 27ff.), fehlen quantitative Stichprobenerhebungen. Dabei kommt es zu einer Vermischung qualitativer und quantitativer Methodik.

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Vom Altassyrischen zu einem Verfahren seiner Analyse

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addition, a second, open class of inherently predicative (but non- inflecting) coverbs.” Schulz-Berndt (2006: 113) Anhand dieses Beispiels ist eine vergleichbare Struktur für das Protosemitische denkbar, wiewohl keineswegs zwingend, und träfe als solche mit der Überlegung Kouwenbergs, hinter den Präfixen der paradigmatischen Stammformen light verbs zu begreifen, auf eine substantielle Stütze (Kouwenberg 2010: 314ff. & 351ff.). Die Existenz mehrradikaliger nonverbaler Wurzeln bliebe davon unberührt30. Rein kombinatorisch würde hier ein Konsonantenbestand mit sechs Phonemen genügen, um dreißig Vollverben als Wurzeln zu bilden. 1.4.4.5 Ausblick und Aufruf Die vorliegende Arbeit ist methodisch als qualitative Forschung konzipiert. Ihr sind dadurch sowohl in der Fragestellung wie auch in der Auswertung klare Grenzen gesetzt. Hier wird unmittelbar deutlich, dass auf eine quantitative Forschung nicht generell verzichtet werden kann. Zur Umsetzung quantitativer Verfahren und statistischer Erhebungen bedarf es aber grundlegender methodenkonzipierender Vorarbeiten in der Altorientalistik, die Richtlinien für die Datenerhebung festsetzen und Orientierung in den Möglichkeiten ihrer Auswertung geben. Es bedarf hier nicht zuletzt der entsprechenden Fachkenntnisse in der Statistik und quantitativen Forschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften, um diese Vorarbeiten zu leisten. Fachkenntnisse in den Sozialwissenschaften sind hier besonders wünschenswert, denn sie stellen mit ihrem Diskurs um die Erarbeitung quantitativer Methoden den Orientierungsmaßstab für geisteswissenschaftliche Disziplinen. Dieses Bedürfnis nach einer altorientalistischen Methodik und einem Leitfaden ist unter dem Eindruck der stetig wachsenden Zahl edierter Texte und elektronischen Datenbanken eine drängende Herausforderung an die altorientalistische Forschung. 1.4.3 Von der Methode der Analyse zur Methode der Darstellung In der Analyse der Einzelfallstudie weist die objektive Hermeneutik einen gewissen Methodenpluralismus auf. Im Rahmen dieser Arbeit wurde dabei die Sequenzanalyse gewählt. Die Sequenzanalyse baut auf einer extensiven Prüfung des einzelnen Interaktionsbeitrags auf; im Falle dieser Arbeit ist dies der einzelne Teilsatz als koordinierter oder subordinierter Verbalsatz. Diese extensive Prüfung ist kontextfrei und produziert als solche zunächst eine Vielzahl von Lesungen, unter denen jene mit größtmöglicher Wörtlichkeit vorzuziehen ist. In diesem ersten Arbeitsschritt sind dann auch aspektuelle Restriktionen der Verbalformen als Teil des Kontexts von der Analyse ausgenommen. Die aspektsemantischen Vorgaben sind dabei als unzulässige Zusatzannahmen gewertet. Im Rahmen einer linearen Kontextualisierung ist die so gewonnene Lesung auf ihre Widersprüchlichkeit zu prüfen. In diesem Analyseschritt ist die moderne Edition als kontextuelle Aufbereitung der Übersetzung im Zusammenhang des Archivs von Bedeutung. Nach diesem ersten Kontext, d.h. dem Einzeltext und seinem Archiv, ist eine Einordnung in philologische und sprachtypologische Begriffe vorgesehen als Teil einer grammatischen 30 Eine gleichzeitige zweiradikalige Struktur im gesamten Lexikon hat keine empirische Basis. Sie betrifft unmittelbar das Konzept einer Oligosynthese, d.h. einer mit kleinem Lexikon und umfangreicher Inkorporation arbeitenden polysynthetischen Sprache, dem einige amerikanische Sprachen entsprechen sollen. Überzeugende Begründungen fehlen.

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Einleitung

Kontextualisierung, die zugleich den Übergang von einer sozial- zu einer sprachwissenschaftlichen Betrachtung gestaltet. In diesem Arbeitsschritt steht zunächst die Gegenüberstellung des philologischen Anschauungsmaterials mit den sprachtypologischen Begriffen im Vordergrund. Konkret ist hier zunächst die Vereinbarkeit von Beschreibung in der Akkadistik und Begriff in der Sprachwissenschaft zu prüfen. Wo diese nicht zusammenfinden, ist eine Prüfung der sprachwissenschaftlichen Begriffe im Kontext des Aspekts vorzunehmen. So etwa im Falle einer dynamischen Interpretation des STA in gewissen Kontexten, der nicht mit dem Begriff des Resultativs vereinbar ist. Dessen kontextuelle Prüfung führt auf einen auf die semantische Distribution intransitiver Verben gerichteten Begriff der grammatischen Relation (5.2.4) und eine entsprechende Neupositionierung des STA als vom Resultativ unterschiedene Kategorie (5.3.8). Der diesem Arbeitsschritt folgende besteht aus einem qualitativen Abgleich der paradigmatischen Formen im Raster aspektueller Lesarten, wie sie in Situationstypen oder Aspektformen strukturiert sind, woran sich eine erstmalige Gesamtauswertung anschließt. Diese Auswertung kann durch eine Prüfung an einem größeren Korpus erfolgen, das nicht mehr sequenziell zu analysieren ist, sondern nur noch vergleichend geprüft wird. Im Falle widersprüchlicher Befunde ist dabei noch einmal zur Sequenzanalyse des Befunds und seiner zuvor analysierten Entsprechungen zurückzugehen. Die Prüfung am größeren Korpus ist insofern eine korpusgestützte Analyse der gewonnenen Begriffe. Die der Fallstudie vorangestellten sprachtypologischen Erläuterungen, die als Einführung in die Aspektlehre gestaltet sind, werden dabei maßgeblich durch die Ergebnisse der Fallstudie beeinflusst. Dies betrifft die Gewichtung der einzelnen Themen der Kap. 3 und 4 und die Auswahl der Themen und Objektsprachen in Kap. 5.

1.5 Zusammenfassung der Einleitung Die Einleitung hat neben einem Überblick zu Sprachtypologie und Aspektforschung die methodischen Rahmenbedingungen in der Auswahl, Darstellung und Auswertung der Belege dargestellt. Sie hat zugleich eine grundlegende Verortung der Altorientalistik im Kontext moderner linguistischer Forschung geboten und gibt Einsicht in die terminologischen und begrifflichen Verflechtungen der Akkadistik mit sprachlicher Relativität, Sprachtypologie und kognitiver Linguistik. Die Fallstudie und ihre Objektsprache wurden hier ebenfalls im Kontext ihrer methodischen Erfordernisse vorgestellt. Die Einleitung bietet so den Hintergrund zur sprachwissenschaftlichen Diskussion und zur Analyse der Texte und deren Darstellung. Sie zeigt damit den größeren Kontext der Arbeit im Bereich der Altorientalistik und Sprachtypologie auf sowie dessen Berührungspunkte zu Fragen der sprachlichen Relativität und Begriffsfindung sowie Erfordernissen und Herausforderungen der wechselseitigen Umsetzung und Rezeption.

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2 Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung 2.1 Einleitung Dieses Kapitel beinhaltet Erörterungen zu den Formalien der Studie. Diese umfassen die Prinzipien und Umsetzungen linguistischer Aufbereitung von Belegen und eine Darstellung des akkadischen Verbalsystems unter besonderer Berücksichtigung des Altassyrischen. Spezifische Erläuterungen zur Datenerhebung der Fallstudie in den Kap. 6ff. nach den Vorgaben im vorangegangenen Kapitel folgen auf die Erörterungen zur Glossierung und Grammatik. In der Diskussion zur linguistischen Aufbereitung (2.2) stehen die Morphemglossierung und ihre Umsetzung in der Fallstudie im Vordergrund. Sie berücksichtigt eine begriffliche Trennung von Korpus- und Einzelglossierung sowie Anforderungen der altorientalischen Sprachen im Rahmen einer verständlichen Analyse. Auf die Abgrenzung der Morphemglossierung gegenüber Syntax und Phonologie wird gesondert eingegangen. Im Rahmen der Darstellung der Glossierung wird eine allgemeine Einführung in die Prinzipien der Morphemglossierung anhand der Richtlinien der Leipzig Glossing Rules als internationalem Standard diskutiert. Gemäß diesen Richtlinien werden die konkrete Umsetzung in dieser Arbeit durchgeführt und allgemeine Richtlinien für die in der Altorientalistik relevanten Merkmale vorgestellt. Diesen Ausführungen steht eine allgemeine Darstellung zu den Möglichkeiten der Morphemglossierung und ihren Beschränkungen in phonologischen und syntaktischen Fragen voran sowie Ausführungen zum Unterschied sprachwissenschaftlicher Glossierungen in Korpora und Einzelstudien zur Seite. Die besonderen Anforderungen altsprachlicher Untersuchungen werden im Zusammenhang mit korpusbasierten Glossierungen diskutiert, die eine – auf Basis der Morphemglossierung erstellte – Wiedergabe von sprachlichem Material unter Berücksichtigung der Phonetik und Phonologie sowie Syntax ermöglichen. Im Unterschied zur gebräuchlichen Verwendung der Morphemglossierung ist die korpusbasierte Glossierung weder auf spezifische Fragestellungen noch auf eine oder wenige Objektsprachen ausgerichtet; sie strebt eine allgemeine und sprachvergleichende Analyse an. Eine Darstellung der akkadischen Verbalmorphologie (2.3) ist dem Kapitel zur Diskussion des Aspektbegriffs der Kap. 3 5 vorangestellt und dient diesen als Referenz für die akkadichen Beispiele und Belege. Mit Blick auf die Fallstudie wurde das Altassyrische soweit berücksichtigt, wie es zum Verständnis der Belege in der Fallstudie (Kap. 6ff.) erforderlich ist. Dieser Abriss der akkadischen Verbalmorphologie ist sowohl an den philologischen wie linguistischen Rezipienten gerichtet. Dem Philologen wird dabei die sprachtypologische Begrifflichkeit vorgestellt; dem Linguisten werden die Bedeutungen und Eigenheiten der akkadistischen Terminologie des Verbs dargelegt und erklärt, welchen sprachtypologischen Begriffen sie entsprechen.

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

Zum Abschluss des Kapitels findet sich mit Blick auf die Fallstudie in den Kapiteln 6ff. die Umsetzung der Vorgaben qualitativer Datenerhebung im Rahmen dieser Untersuchung (2.4). Die Erläuterungen zur Datenerhebung verknüpfen die Vorgaben in 1.4 mit der Fallstudie zum Altassyrischen in den Kap. 6ff. Sie gehen unmittelbar auf die Eigenheiten des Altassyrischen und auf den Prozess der Datenerhebung und Datenauswertung im Rahmen der Untersuchung des altassyrischen Materials ein. Hier wird der methodische Verlauf der einzelnen Arbeitsschritte nachgezeichnet.

2.2 Die Glossierung der Belege 2.2.1 Prinzipien der Glossierung 2.2.1.1 Einleitung In dieser Arbeit wird eine interlineare und morphologisch segmentierte Glossierung akkadischer Belege gegeben. Die Glossierung basiert auf einer entsprechend segmentierten „zusammenhängenden Umschrift1“ des Akkadischen und gibt lexikalische und grammatikalische Bedeutungen wieder. Diese sind ihrer morphologischen Bildung entsprechend differenziert, um etwa Infixe, Reduplikation oder Kontraktion kenntlich zu machen und voneinander zu unterscheiden2. Sie folgt in ihrer Umsetzung den Leipzig Glossing Rules, wie sie in 2.2.4 ausführlich erklärt werden und deren Erläuterungen zur konkreten Umsetzung hier in 2.2.5 angeschlossen sind. Die Morphemglossierung ist ein nach den Erfordernissen der Untersuchung und der Objektsprache ausgerichtetes Verfahren der Datenanalyse und richtet sich auch nach den Kenntnissen des angenommenen Rezipienten. Sie ist also ein an drei Vorgaben ausgerichtetes Analyseverfahren. Das Glossierungsverfahren richtet sich dabei prinzipiell nach (1) grammatischen Bedingungen der Objektsprache und (2) spezifischen Fragestellungen sowie (3) Sachkenntnissen seiner Rezipienten: “The kind of glossing represented by LGR [Leipzig Glossing Rules] is adequate for the purposes of linguistic typology, namely to make the morphological structure of an example sufficiently explicit so that readers unfamiliar with the object language can understand how it comes to mean what it means. It is, however, insufficient for a corpus, where the retrievability of information on grammatical categories is crucial, […].” Comrie (2015: 218f.; Ergänzungen durch Verfasser). Innerhalb einer Einzelstudie kann dabei auch der Detailgrad zwischen primärer und sekundären Objektsprachen entsprechend unterschiedlich ausfallen (2.2.4.1). Der Vorläufer der Morphemglossierung ist die Wort-für-Wort Glossierung (2.2.4.2), die von Beginn der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zur interlinearen Glossierung ausgearbeitet wird und sich in der Linguistik bis in die 1980er Jahre zum Standard entwickelt (Lehmann 2004: 1836). Diese Entwicklung war eine Reaktion auf die stetig wachsende Zahl von Objektsprachen und -varietäten: 1 Zur Bezeichnung zusammenhängende Umschrift anstelle Transkription s.o. 1.3.4.5 sowie 2.2.3.1. 2 Eine solche Differenzierung fehlt in den Vorgaben zur Glossierung für das Akkadische in Topoi (s.u.).

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Die Glossierung der Belege

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“This situation began to change some years ago. Descriptions from the last decades of the 20th century use some standard abbreviations, usually for gender (m or f), for number (SG or PL) and for some grammatical categories difficult to translate by a simple word. These abbreviations were included in word-by-word translations of the examples, the aim being to facilitate comprehension more than to provide a morphological analysis, […]” Vicente u.a. (2015: 174). In sprachwissenschaftlicher und philologischer Forschung umfasst das moderne Glossierungsverfahren morphemsegmentierte Texte mit einer Übersetzung. In dieser Form erfüllt sie die Darstellung morphologischer und in Teilen auch syntaktischer Merkmale und ist zugleich eine morphologische Analyse. Eine solche Glossierung ist aber kein Analyseverfahren der Phonologie und Phonetik oder der Pragmatik und Diskurslinguistik (Lehmann 2004: 1837). Sie umfasst auch nicht die mediale Form des Sprachmaterials als Text oder Aufnahme. Allgemeine Richtlinien einer akkadistischen Umsetzung der Glossierungsregeln finden sich auf der Seite des Exzellenzclusters Topoi auf der Homepage der HU Berlin 3. Sie bieten Beispiele für eine Wort-für-Wort („advanced“) und eine morphologische („expert“) Glossierung (2.2.4.2). Sie entsprechen in weiten Teilen der in diesem Kapitel vorgeschlagenen Umsetzung der Leipzig Glossing Rules. Von dieser unterscheiden sie sich in Details aufgrund der hier vorliegenden spezifischen Fragestellung, die eine entsprechende Modifikation und Gewichtung rechtfertigt (2.2.4.3). Zu den Schwächen der expert glossings in Topoi zählen die Doppelsetzung von Kasus (GEN/ACC) anstelle einer einfachen Kennzeichnung als obliquem Kasus, z.B. als OBL (2.2.5). sowie die einfache Anreihung der Stamm- und Flexionsform des Verbs an die Wurzel ohne Differenzierung nach morphologischem Typ. Im Akkadischen etwa sind PRS und D-Stamm reduplizierend (2.2.4.7), PRT und STA formal ohne Stammbildungsmorphem (2.2.4.6), PRF und tan-Formen infixal (2.2.4.7) und die meisten paradigmatischen Stammformen präfixal (2.2.4.2). Schließlich werden bei den zirkumfixalen Affixen der PK redundant Person, Numerus und Genus geschieden, obwohl die präfixalen Elemente, babylonisch wohl ursprünglich und sonst akkadisch weitestgehend (GAG § 75h), nur Person und Numerus, die affixalen Elemente ausschließlich Numerus und Genus differenzieren (2.3.3). Eine solche Glossierung erleichtert im Wesentlichen nur den Arbeitsprozess der Glossierung, erschwert aufgrund der Aneinanderreihung von Kürzeln die Rezeption wesentlich; so z.B. Glossing nach Topoi und Leipzig Glossing Rules Topoi Leipzig Glossing Rules i-ptarras-ā anstelle i-prras-ā 3PL.F1-cut\GT.PRS-3PL.F1 3-cut~PRS-PL.F Zu beachten ist, dass Glossierungen nicht Wortformen, sondern Morphemtypen charakterisieren und von Glossen wie PRÄP(osition), SUB(junktion) und allgemeinen Kategorien wie TEMP(us) abzusehen ist. Ausnahmen betreffen Formen, die alleinige Vertreter in der jeweiligen Varietät sind oder sich in der Bedeutung wesentlich überschneiden, so sind etwa akkadisch ul(a) und lā als Negation (NEG), aber e nur als besondere admonitive Negation 3 https://wikis.hu-berlin.de/interlinear_glossing/Akkadian:Glossing_of_common_Akkadian_forms. 01.03.2017.

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

(ADMON) zu begreifen und zu glossieren. Lexeme mit allgemeiner grammatischer Funktion werden dementsprechend nur mit dieser und ohne lexikalische Umschreibung glossiert (Lehmann 2004: 1840), so etwa ana: ALL(ativ) statt ana: Nach oder ša: SUB(ordinativ) statt ša: Welcher (2.2.5). 2.2.1.2 Möglichkeiten korpusbasierter Umsetzungen Die Anfänge der Glossierung liegen am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, etwa in Finck (1909) und haben sich seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts aus verbreitet (Lehmann 2004: 1835f.) Diese Entwicklung geschah von der deskriptiven Typologie ausgehend und wirkte in jüngerer Zeit auch in die philologischen Disziplinen hinein. Die interlineare Glossierung ist in ihrer gängigen Form eine auf Fragestellung und Objektsprachen der jeweiligen Untersuchung hin angepasste Form der Umschreibung. Erst seit Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts werden in Projekten wie CorpAfroAs oder CorTypo allgemeine Ansätze verfolgt, die eine Korpuserstellung und Glossierung unabhängig spezifischer Fragestellungen anstreben und als allgemeine Referenz angedacht sind. Sie sind dabei nicht als Ablösung der Morphemglossierung zu verstehen; sie bieten vielmehr eine methodische Ergänzung für die spezfischen Anforderungen und Zwecke eines Korpus: „[T]he main purpose of glossing as used, for instance, in linguistic typology is to enable the reader to understand the morphological structure of elements in the object language, in order to see at least some of the principles that govern how the original text comes to mean what it does. By contrast, one of the main aims of establishing a corpus is to enable searches to be made, so that one can, for instance, search for all instances of a particular lexical item, or all instances of a particular grammatical category. This means that the glossing possibilities of LRG need to be enriched in order to achieve this more encompassing aim.” Comrie (2015: 215). Gemeinsam ist diesen Projekten eine auf Audiomaterial gestützte Korpuserstellung sowie eine integrierte Analyse der Phonetik und Wortarten oder Syntax: “Although glossing, as with LGR [Leipzig Glossing Rules], provides an enormous advance in the ability to present an analysis of the object language understandable to a linguist unfamiliar with the language, there are still some gaps, some of which will covered by the extensions provided in CorpAfroAs in the GE and RX lines, […]” Comrie (2015: 213; Ergänzungen durch Verfasser). Sie überschreiten mit der phonologischen Darstellung bereits das Prinzip der interlinearen Morphemglossierung, deren Aufgabe die Darstellung morphologischer und syntaktischer Sprachelemente ist (Lehmann 2004: 1837). Für Einzelstudien mit einem Schwerpunkt auf syntaktischen oder phonologischen Fragen bieten sie allerdings zweifelsfrei einen Orientierungsmaßstab bei den Anforderungen der Wiedergabe grammatischer Merkmale über die Morphologie hinaus. Entgegen ihrer formalen Ähnlichkeit unterscheiden sich Glossierungen in Studien und Korpora funktional deutlich. Die Aufgabe der Glossierung in Studien ist Analyse des Belegs im Kontext der These und ihres Untersuchungsgegenstandes. Die Glossierung ist daher nach den Erfordernissen und Schwerpunkten des Untersuchungsgegenstandes ebenso wie an die morphologischen Gegebenheiten der Objektsprache anzupassen. Die Aufgabe der Glossie-

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Die Glossierung der Belege

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rung in Korpora ist die Vergleichbarkeit aller und wo möglich zukünftig noch ergänzter Objektsprachen untereinander und die ungewichtete Glossierung aller grammatischen und lexikalischen Elemente darin; d.h. Verkürzungen oder Vereinfachungen in der Wiedergabe grammatischer Elemente (hierzu 2.2.4.3) sind zu vermeiden, da diese in Abhängigkeit des Rezipienten der Untersuchungsgegenstand sein können. In der Glossierung eines Korpus geht die Aufbereitung des Materials der Untersuchung voran; in der Studie hingegen wird die Glossierung durch die Fragestellung des Verfassers bedingt. Für das Akkadische als semitische Sprache ist auf das CorpAfroAs Projekt für gesprochene Sprachen zu referieren, das auf Basis der Leipzig Glossing Rules ein komplexeres System für Glossierungen in sechs Zeilen bietet und auf Audiodateien aufbaut: “For parsing and retrieval purposes, CorpAfroAs proposes an analysis on six tiers. For each major word category (nouns, verbs and prepositions), it distinguishes between the \mot tier which contains the morphophonological transcription into grammatical words and the \mb tier which contains the underlying form of the words segmented into morphemes (clitics and affixes).” Vicente u.a. (2015: 181). Das CorpAfroAs Projekt umfasst 13 Stunden Audiomaterial für insgesamt dreizehn Sprachen des afroasiatischen Phylums (z.B. Tamascheq, Bedscha, Hebräisch usw.). Es basiert daher anders als keilschriftliche Korpora auf dem gesprochenen Wort, welches in der Sprachtypologie die allgemeine Grundlage der Datenerhebung und der Erstellung des Korpus und linguistischer Analysen ist. Dabei erweitert sich die Wiedergabe gegenüber der dreizeiligen Leipziger Morphemglossierung um insgesamt drei weitere Zeilen: “While glossing following LGR [Leipzig Glossing Rules] typically uses only three lines, as in the examples in Section 1, namely the object language, the glossing, and the free translation, CorpAfroAs uses at least six lines (or tiers) in order to represent an utterance, namely (from top to bottom): TX, MOT, MB, GE, RX, FT.” Comrie (2015: 214; Ergänzungen durch Verfasser). Die mb Zeile entspricht der segmentierten Zeile der Objektsprache in den Leipzig Glossing Rules. In Erweiterung zu diesen stehen die mot und die tx Zeile. Die tx Zeile bietet die Transkription des Audiomaterials in phonologischen Wörtern und die mot Zeile die erste Übertragung in morphologische Wörter ohne Segmentierung 4: “The frst three lines (TX, MOT, MB) all correspond to the LGR [Leipzig Glossing Rules] object language line, but reflect different levels of analysis. […] MB is essentially the same as the object line […], with hyphens indicating morpheme boundaries and equal signs indicating clitic boundaries.” Comrie (2015: 215; Ergänzungen durch Verfasser). 4 Die Bezeichnung Wort findet sich in der modernen Linguistik als ein nach grammatischen Ebenen gegliederter Begriff mit Wort auf phonologischer, morphologischer und orthographischer Ebene. Letzte entspricht den Vorgaben der jeweiligen Orthographie in modernen Schriftsprachen. Morphologisch sind grammatische Wörter, die zusammen und ohne Umstellung oder Trennung begegnen, wie etwa die albanischen enklitischen Objektpronomen mit dem nachfolgenden Verbalstamm (Orel 2000: 242). Phonologisch bilden prosodische Einheiten Wörter, die etwa durch den Akzent bestimmt werden (Dixon & Aikhenvald 2002: 7ff.)

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

Die ft Zeile ist eine Übersetzungszeile. Da die korpusbasierte Glossierung keine thematische Fragestellung vorgibt, die eine Gliederung in Übersetzungseinheiten vorgibt, ist prinzipiell eine satzweise oder eine satzteilweise Strukturierung möglich. CorpAfroAs ist auf eine satzteilweise Übersetzung gestützt; sie folgt den prosodischen Einheiten des Audiotextes und hält so eine gewisse Nähe zu phonologischen bzw. phonetischen Inhalten des Korpus: “FT corresponds more or less to the LGR [Leipzig Glossing Rules] free translation line, with the exception that translation is by intonation groups rather than by sentences.” Comrie (2015: 214; Ergänzungen durch Verfasser). Die Glossierungszeile in CorpAfroAs, die Zeile ge, zeigt eine extensivere Glossierung als in Studien nach Vorgaben der Leipzig Glossing Rules empfohlen. Auch dieses Verfahren ist damit begründet, dass keine thematische Vorauswahl gegeben ist und alle morphologischen Elemente gleichermaßen ausführlich zu kennzeichnen sind – und zwar so, als ob diese im Zentrum einer entsprechenden korpusgestützten Untersuchung stehen: “Thus, the GE line corresponds closely to the glossing line in LGR [Leipzig Glossing Rules], but needs to be maximally explicit. The GE line in this way enables retrieval of all the morphological categories of the language, while the MB line allows retrieval of all lexical items.” Comrie (2015: 216; Ergänzungen durch Verfasser). Eine im eigentlichen Sinne ergänzende Zeile gegenüber der herkömmlichen Glossierung bietet die rx Zeile. Die rx Zeile kommentiert die morphemglossierende ge Zeile bei Entsprechung der Segmentierung und macht Angaben zu Wortart und grammatischen Eigenschaften: “The RX line is essentially a repository of all other grammatical information that is not included in the GE line. Tis is a very broad characterization, and as has been noted in the practice of CorpAfroAs this leaves the set of such information somewhat openended, depending on the state of the art in our investigation of particular linguistic phenomenona, and on developing demands made by researchers who want to exploit retrievability in corpora.” Comrie (2015: 217). Die zusätzliche rx Zeile bietet daher die Möglichkeit, Kategorien ohne Repräsentanz wiederzugeben; etwa morphologisch inhärentes Maskulin in semitischen Sprachen („\ge wedding \rx N.M“ [Vicente u.a. 2015: 182]). Morphologisch wiedergegebenes Feminin hingegen wird in der rx Zeile hinsichtlich seiner grammatischen Funktion charakterisiert – im Falle des Feminins als Morphem der PNG (Person, Numerus, Genus) Gruppe („\ge tribe-F \rx N-PNG“ Vicente u.a. 2015: 183): “[T]hat LGR [Leipzig Glossing Rules] does provide a means of including information on covert categories, one that is surely sufficient for typological purposes; the RX line, however, forms part of a more general solution that fits in well with the overall aim of CorpAfroAs to enable retrievability of all grammatical categories. Comrie (2015: 218; Ergänzungen durch Verfasser). Da die Übersetzungszeile ft in prosodische Teile gegliedert ist, besitzt das CorpAfroAs ein besonderes Bedürfnis nach der Referenz auf grammatische Relationen, die ebenfalls in der rx Zeile zu finden sind.

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Die Glossierung der Belege

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“A further important type of information that is included in the RX line is grammatical relations, such as subject (sbj) and object (obj). Thus, the RX line […] would minimally identify walad ‘boy’ as being a noun (n), as being of masculine gender (m), and as being object (obj) of its clause.” Comrie (2015: 218). Prinzipiell ist bei grammatischen Relationen zwischen einem berechtigten Bedürfnis nach Wiedergabe in Korpora und Studien zur Syntax und der Problematik dieser Begriffe abzuwägen – etwa was ein Subjekt, Objekt oder Prädikat übereinzelsprachlich sei und nach welchen Kriterien es in der Objektsprache identifziert werden kann 5. Auch CorpAfroAs erlaubt Spezifizierungen, die auf die rx Zeile beschränkt sind und sich nicht an hypothetischen Untersuchungen, sondern an bereits bekannten grammatischen Phänomenen der ausgewählten Korpussprache orientieren. Solche, die rx Zeile betreffenden Anpassungen, sind daher bei areal oder genetisch gefassten Korpora zu erwägen: “The open-endedness of the RX line means that it can also be put to corpusspecific uses. Thus, the texts that comprise the CorpAfroAs corpus include frequent codeswitching, and such switching from the base language can be indicated in the RX line.” Comrie (2015: 218). 2.2.1.3 Vorgaben zu einer Kommentarzeile in altorientalistischen Texten Die rx Zeile als Träger zusätzlicher grammatischer Informationen ist zunächst korpusbasierten Darstellungen vorbehalten. Ob eine rx Zeile in Einzelstudien sinnvoll ist, hängt von der Fragestellung der Studie und den Vorgaben zu Verteilung der Merkmale auf die jeweiligen Zeilen ab. So leistet die rx Zeile zum Verb im CorpAfroAs Angaben wie die Bestimmung der Wortart und Kennzeichnung der Kongruenzmerkmale, hingegen finden die Differenzierung von SK (PFV) und PK (IPFV) bereits in der regulären Glossierung Platz. Die rx Zeile ist dabei in einer Studie zu Tempus, Modus und Aspekt entbehrlich. In einer erweiterten Fragestellung kann sie aber von Nutzen sein, etwa dort, wo der Verbalsatz als Träger von Merkmalen des Tempus, Aspekts und Modus mit nominalen Satztypen wechselt und diese bereits auf struktureller Ebene differenziert werden können: “A reasonable demand of a corpus is to be able to retrieve, for instance, all verbs, e.g. as the initial stage of a corpus-based study of verb morphology. Since most languages do not have a morpheme that identifies all and only verbs, LGR [Leipzig Glossing Rules] provide no assistance here. Part of speech must, therefore, be identified in the RX line. Only if a language actually has a morpheme that identifies all and only members of a particular word class would the situation be treated differently.” Comrie (2015: 217; Ergänzungen durch Verfasser). Im Rahmen der exemplarischen Fragestellung zur Syntax können so auch die allgemeine Referenz verschiedener Morpheme, etwa des PRS, hinsichtlich ihrer Kategorie, etwa Aspekt, 5 Zum Subjektsbegriff existiert eine umfangreiche Diskussion – zum Einstieg sei auf Dixon (2010: 76f.) verwiesen. Der Begriff des Prädikats ist weniger diskutiert, aber nicht weniger problematisch, vgl. hierzu etwa Sasse (1991) mit einer Darstellung des grundlegenden Problems. Der Stand der heutigen Linguistik ist vor allem durch das Problembewusstsein im Umgang mit Begriffen grammatischer Relationen gekennzeichnet. Befriedigende Antworten auf die dadurch aufgeworfenen Fragen stehen allerdings noch aus.

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bestimmt und den nominalen Sätzen gegenübergestellt werden, wodurch ein unmittelbarer Vergleich von Verbalsatz und Nominalsatz in der Analyse aufbereitet ist: “Thus, while the GE line identifies individual tense-aspect-mood categories and category values such as “perfective” […], each of these will be identified as “tam” in the RX line. The RX line thus provides a general solution for grouping things together that are identified only individually in the RE line, for instance all affixes can be identified as “AFFX”, or all suffixes as “SUFX” ” Comrie (2015: 217). 2.2.2 Morphemglossierung und Syntax 2.2.2.1 Allgemein Die Möglichkeiten einer Morphemglossierung erreichen in der Wiedergabe analytischer Formen ihre Grenzen. Bei komplexen syntaktischen Einheiten ist eine Glossierung aufgrund ihrer detaillierten und linearen Zuordnung unübersichtlich. Zur Darstellung syntaktischer Strukturen gibt es keinen der Morphemglossierung vergleichbaren linguistischen Standard. Eine Kennzeichnung der Satzglieder in einer zusätzlichen Zeile oder anstelle der Morphemglossierung ist hier zu erwägen (s.o.). In einer Orientierung nach Regel 1 ist hier eine Wort-für-Wort-Glossierung ohne Segmentierung empfehlenswert (2.2.4.2); sie erleichtert dem Rezipienten wesentlich den Überblick über den Satz und seine Satzglieder. Gegenstand einer solchen Syntaxglossierung im Akkadischen sind etwa die Extension von Subjekt und Topik bei einem Anakoluth (GAG § 183), Subjektsakkusativ (GKT § 110) und die semantische Klassifizierung des Subjektnomens im Kontext von PK und SK Wechsel6. So beim Subjektsakkusativ: taḫsistam (…) lū šaṣṣurat Aufzeichnung(AKK) Möge Sie.Ist.In.Verwahrung N.F-SUBJ (…) PART V.SK Die Aufzeichnung möge in Verwahrung bleiben. AKT IV 45: 31ff. N: Nomen; F: Feminin; SUBJ: Subjekt; PART: Partikel; V: Verb; SK: Suffixkonjugation/ Sta.

Eine Möglichkeit zur Kennzeichnung (nicht unterbrochener) Phrasen in der Glossierung bieten die Verwendung eckiger Klammern (Lehmann 2004: 1854) – etwa zur Kennzeichnung komplexer Nominalphrasen oder subordinierter Sätze. Diese Glossierung ist nur bei einer Beschränkung auf einen konkreten Untersuchungsgegenstand hilfreich, so dass in Einzelbelegen möglichst nur einmalig von dieser Kennzeichnung Gebrauch gemacht wird. Anwendungsmöglichkeiten für das Akkadische liegen etwa in der Kennzeichnung subordinierter Phrasen ohne Subjunktiv oder Subjunktion oder der Kennzeichnung nominaler Phrasen bzw. ihres indeklinablen Bestands im status absolutus; so bei finalem Prekativ:

6 D.h. ob bei der Distribution von PK und SK Reste (bzw. Ansätze) einer Verteilung in Abhängigkeit der animacy hierarchy zu erkennen sind, so dass etwa potentiell unbelebte Subjekte im STA mit belebten Subjekten im PRS bei gleichem Lexem wechseln.

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Die Glossierung der Belege

a-ṣé-er [aṣ=ṣēr ALL=Rücken

en-na-nim

šé-bi4-lá-ma šēbil-ā=ma]HS SchickenPN PL=KONJ [Schickt zu PN]HS, [damit er Silber machen kann]NS.

KÙ.BABBAR [kasp-am Silber-AKK

le-p[u-uš] lēpuš]NS OPT.3\Machen

AKT VIa 143: r15f.

2.2.2.2 Sprachtypologische Korpora Im Umgang mit syntaktischen Fragen ist eine Orientierung an der differenzierten Glossierung in Korpora vorteilhaft. Eine Hilfestellung leistet etwa die Ergänzung einer rx Zeile, wie in 2.2.1.3 erörtert, die von der Morphemglossierung nicht aufbereitet werden kann: “More generally, while LGR [Leipzig Glossing Rules] provides a viable means of presenting the morphological analysis of an object-language example, it is not designed to provide a syntactic analysis. An LGR [Leipzig Glossing Rules] glossing of an English sentence like the farmer killed the duckling will not, given the lack of case marking or verb agreement, enable the user to identify subject/agent or object/patient, although the translation into the metalanguage will give such basic information.” Comrie (2015: 213f. ; Ergänzungen durch Verfasser). Als Überblick zur syntaktischen Struktur sieht CorpAfroAs die Übersetzung in der (fakultativen) mft Zeile vor, die anders als die ft Zeile den ganzen Satz wiedergibt. Prinzipiell fehlt auch hier eine Zeile mit einer syntaktischen Strukturmatrix, über die unmittelbar und exklusiv die Satzteile, wie Subjekt, Objekt usw. bestimmt und in ihrer Kongruenz mit anderen Satzteilen ersichtlich werden: “In languages with, for instance, constituent orders different from English, this can mean that this line sometimes has to be split into two, so that the free translations of the individual intonation groups can in turn be joined together into a grammatical English sentence; this is done in the MFT line.” Comrie (2015: 214). Von Bedeutung ist die Angabe der Kongruenz zwischen den Satzteilen etwa in der sprachtypologischen Kategorie der Klassifikatoren oder im semitischen status absolutus. Beiden fehlt kategorisch eine strukturelle Verknüpfung mit Elementen in und außerhalb ihrer Phrase. Hingegen sind Quantifikatoren, entsprechend ihrer Wortart kongruent, etwa deutsches Jeder, Alle in Kongruenz mit dem Verb. Klassifikatorisch gebrauchtes Sack in Zwei Sack Mehl usw. kongruiert weder mit Elementen in noch außerhalb der Phrase 7. 2.2.2.3 Altorientalische Korpora Die wesentlichen Schwierigkeiten syntaktischer Bestimmungen in altorientalischen Korpora sind nicht durch die Phrasenstrukturen, sondern Wortart und Satzteil bestimmt – von besonderer Schwierigkeit sind die Nomina – Verb Distinktion und die Begriffe des Subjekts und Prädikats (s.a. 2.2.1.2). 7 Das deutsche Beispiel dient der Veranschaulichung des Begriffs der Klassifikatoren. Ob das Deutsche echte Klassifikatoren besitzt, ist strittig und von der Begriffsauffassung des Klassifikators abhängig (Aikhenvald 2000: 13ff.). Zur Veranschaulichung des Kongruenzproblems ist das Beispiel jedoch ausreichend.

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Unter das Problem der Satzteilbestimmung gehört etwa der Subjektsbegriff im Sumerischen vor dem Hintergrund der Ergativität im Allgemeinen und des verbalen Splits im Speziellen. Das qualifizierte Subjekt steht zunächst der Absolutiv. Im imperfektiven Aspekt hingegen der Subjektskasus („Nominativ“), in dem intransitives Subjekt und transitives Agens zusammenfallen. Unter dem Problem der Wortarten ist etwa die Personalmarkierung elamischer Wörter zu nennen, wie König: sunki- mit sunki-k: König-1SG usw. (Krebernik 2005: 170f.). Hier ist sprachtypologisch eine Reanalyse der so gebildeten Wörter als Verben neu zu prüfen – wobei dann nur einige wenige Primärnomen als Vertreter der nominalen Klasse verbleiben. Solche für die altorientalischen Sprachen bestehenden offenen Fragen sind in einer korpusbasierten Glossierung nach Vorbild von CorTypo vorab zu klären. Die Altorientalistik muss hier in der Sprachbeschreibung und Begrifflichkeit zunächst Anschluss an die Sprachtypologie finden, bevor sie sich ihrer Verfahren bedienen kann. Dieser Anschluss kann aber nur nach einzelnen Sprachen und grammatischen Fragestellungen gesondert erfolgen, wozu diese Arbeit ein Beitrag ist. Eine korpusbasierte Glossierung bleibt in nächster Zeit ein Desiderat der Altorientalistik, das nicht umzusetzen ist. 2.2.3 Glossierung und Phonologie 2.2.3.1 Phonologie und Transkription im Akkadischen Bei der zusammenhängenden Umschrift (1.3.4.5) wurde eine möglichst einfache und im Vergleich mit Glossierung und Transkription nachvollziehbare Umsetzung verfolgt, die der Phonologie gewisse Zugeständnisse abverlangt – eine Morphemglossierung ist weder Transkription noch Syntaxanalyse! Zu den Eigenheiten der altassyrischen Phonologie und ihrer Umsetzung in der Morphemglossierung soll hier das Wichtigste angemerkt werden. Die zusammenhängende Umschrift übernimmt eine Mittlerrolle zwischen Glossierung und Transliteration. Den Anforderungen an die Transparenz gegenüber der Glossierung und der Transliteration sind die Bezüge gegenüber Syntax und Phonologie nachgeordnet. Hier folgt die Arbeit in der Darstellung den begrifflichen Vorgaben einer Trennung von Morphologie, Phonologie und Syntax. Eine morpho-phonologische Umschrift wurde nicht versucht (1.3.4.4). Die zusammenhängende Umschrift erfüllt auch nicht die Aufgaben einer Transkription. Für das Akkadische ist dies von Bedeutung, denn eine Konvention einer wissenschaftlichen Transkription fehlt. Bezüglich der phonologischen Gegebenheiten sind folgende vier Punkte zu beachten, deren morphologisch bedingte Motivation die in der Umschrift vereinfachte Wiedergabe bestimmen (vgl. hierzu Kouwenberg 2006): 1. Stimmabsätze und Gleitvokale werden nach der orthographischen Wiedergabe vereinfacht und daher in der Regel nicht wiedergegeben. 2. Stimmabsätze bei morphologisch relevanter Gemination werden ungeachtet der zweifelhaften phonologischen Entsprechung mit doppeltem Stimmabsatz wiedergegeben. 3. Wechsel von /e/ und /i/ werden publikationsübergreifend vereinheitlicht; dies gilt insbesondere bei Wechseln der Wiedergabe in Einzelpublikationen. 4. Längen und Vokalharmonien sind nach morphologischer Entsprechung wiedergegeben. Wo die Vokalharmonie mit der Interpretation des Belegs interferiert, wird auf diese ge-

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sondert hingewiesen. Im Unterschied etwa zu Jagersma werden Kontraktionen in der morphologischen Segmentierung fortgeführt (2.2.4.4): “The morphemic analysis gives the basic form of each morpheme, which is not necessarily the phonological form found in the actual example. Assimilations and contractions affecting these basic forms are ignored.” Jagersma (2010: 13). Es ist zu beachten, dass solche Anpassungen keine idiosynkratischen Verfahren der Keilschriftphilologie sind, sondern den Empfehlungen der Glossierungsregeln für Linguisten folgen: “An [interlinear morphemic glossing] will seldom be paired with a phonetic representation. […]. They therefore form an unequal pair.“ Lehmann (2004: 1837) Die phonetische Analyse in der Sprachtypologie ist unmittelbar aus der Analyse der Audiomaterialien motiviert: “CorpAfroAs is so constructed as to present to its end users both sound and transcription linked and aligned to the extent that each relevant unit of language can be easily retrieved and accessed together. The first (tx) tier presents a broad phonetic transcription, whereas the second tier (mot) brings forth a basically phonological representation of the same stretch.” Izre’el & Mettouchi (2015: 14). Hingegen leisten schriftsprachliche Analysen eine Transliteration und keine Transkription. Die aus der Transliteration rekonstruierte Umschrift erfüllt als solches nicht den Maßstab einer sprachwissenschaftlichen Transkription. Sie ist ein Instrument der morphologischen und syntaktischen Analyse. 2.2.3.2 Sprachtypologische Korpora Sprachtypologische Korpora sind auf Audiodateien als Material aufgebaut, die in digitalen Datenbanken unmittelbar mit den linguistischen Daten verknüpft sind. Sie eröffnen neue Möglichkeiten in der Aufbereitung und Analyse phonetischer und phonologischer Daten. Die weite phonetische Transkriptionszeile tx wird dabei Grundlage der nachgelagerten grammatischen Analyseschritte: “The line TX reflects the oral nature of the CorpAfroAs corpus, and is a broad phonetic transcription.” Comrie (2015: 215). Praktisch ist eine enge phonetische Transkription zwar möglich, doch steht sie dem Interesse der grammatischen Darstellung entgegen, deren Zugang über die Erstellung einer phonologischen Transkription und die Gliederung in grammatische Wörter zugleich Datenaufbereitung zur syntaktischen und morphologischen Analyse bietet: “MOT is a stage of analysis before the identifcation of such boundaries, corresponding roughly to a phonological transcription. In fact, the possibility of two levels of representation of the object language corresponding to MOT and MB is envisaged by LGR [Leipzig Glossing Rules]; […].” Comrie (2015: 215; Ergänzungen durch Verfasser). Die einzelnen Zeilen linguistischer Korpora sind auf die fortschreitende Analyse ausgerichtet, die anhand des phonetischen Materials von der Phonologie zur Syntax fortschreitet und

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in der die Morphologie idealiter eine Zwischenetappe darstellt. Hingegen ist sie der Kern morphembasierter Glossierungsverfahren in Einzelstudien. Praktisch ist die Aufbereitung phonologischen Materials allerdings marginal und über seine Ansätze hinaus nur ein Verfahren der Datenaufbereitung. Sprachkorpora mit einer Zeilengliederung in phonologische Wörter und einer Analyse auf segmentaler und suprasegmentaler Ebene vergleichbar der morphologischen Analyse der Glossierung oder ge Zeile fehlen m.W. noch. 2.2.3.3 Altsprachliche Korpora Bei der Erstellung altsprachlicher Korpora ergibt sich ein abweichender Pfad der Datenaufbereitung, der nicht von der phonetischen Transkription, sondern von der Transliteration orthographischer Wörter als Segmente des Quellentexts ausgeht. Von dieser Transliteration kommt man unmittelbar auf die mb zeile – der Weg zu einer tx und mot Zeile verläuft umgekehrt zum CorpAfroAs: mb>mot>tx – zugleich ist die tx Zeile dann ein Endpunkt, die von der Übersetzung wegführt und phonologische Analysen als eigenständige Datenerhebung charakterisiert. Auch aufgrund des zu anderen Bereichen der Grammatik problematischen Vergleichs altsprachlicher Phonologie mit sprachtypologischen Analysen ist eine gesonderte Darstellung phonologischer Analysen daher empfehlenswert. Diese gesonderte Aufbereitung phonologischen Materials in Keilschriftphilologien wird auch den praktischen Schwierigkeiten des jeweiligen Kenntnisstands der Phonologie in semitischen oder indogermanischen Keilschriftsprachen einerseits und phylumsfremden Sprachen andererseits, wie Sumerisch oder Hurritisch, gerecht. Prinzipiell ist hier die Frage zu klären, inwieweit über die genannten beiden Phyla hinaus korpusbasierte phonologische Analysen in der Keilschriftphilologie überhaupt durchführbar sind. Das CorpAfroAs bietet sowohl wegen seines Beitrags zum formalen Aufbau einer korpusbasierten Glossierung als auch aufgrund seiner arealen Orientierung auf den afroasiatischen Raum hin eine hervorragende Ausgangsbasis für die Bemühungen um ein sprachtypologisches keilschriftliches Korpus. In der arealen Orientierung liegt allerdings auch die wesentliche Schwäche des Korpus als Vorlage. Zwar sind hier semitische Sprachen berücksichtigt, denn es umfasst in starkem Maße verwandte Sprachen des afroasiatischen Sprachraums; aber es fehlt an einer diversifizierten Sprachauswahl, wie sie die Keilschriftsprachen erforden. Das keilschriftliche Material bildet zwar Sprachareale, doch sind hier aufgrund der historischen Tiefe sowohl diachrone als auch synchrone Unterschiede zu berücksichtigen -sowohl die Sprachareale zu synchron gefassten Sprachperioden in ihrer jeweilig verfügbaren (d.h. schriftlich belegten) räumlichen Ausdehnung als auch hinsichtlich der diachronen Veränderungen, die sich sprachintern oder in der Entwicklung und Verschiebung arealer Spracherscheinungen vollziehen. Daher kann auch CorTypo nicht einfach übertragen werden. Vielmehr ist eine Konzeption des Korpus unter Berücksichtigung geeigneter Sprachen und Varietäten vorzunehmen. Geeignet sind dabei Sprachen und Varietäten, die sich in Teilen der Grammatik deutlich voneinander unterscheiden. Daher bieten sich etwa Elamisch, Sumerisch, Hurritisch, Hethitisch, Altakkadisch und eine spätere Varietät des Akkadischen als Ausgangspunkt an. Sie bieten eine große Bandbreite unterschiedlicher Strukturen auf Ebenen der Phonologie, Morphologie und Syntax, sind aber zugleich keine Trümmersprachen, mit nur wenigen oder überhaupt keinen eigenständigen Textkorpora. Hier bietet das allgemeinsprachliche Projekt CorpAfroAs einen ersten Ansatzpunkt:

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“Our frst aim has been to propose a cohesive procedure for applying morphemic glosses to data in Semitic languages. […]. Nevertheless, our analysis is not identical for all morphological categories. Obviously each language needs specifc treatment.” Vicente u.a. (2015 293f.). Gegenüber dem Verfahren in CorpAfroAs ist dabei eine Orientierung an allgemeinsprachlichen Bezeichnungen einerseits und an sprachverwandschaftlichen Bezeichnungen andererseits abzuwägen. Das bedeutet, dass einerseits verwandte Morpheme entsprechend übereinzelsprachlich so zu kennzeichnen sind, dass ihre Bezüge erkennbar sind, etwa bei den Affixen der semitischen PK, andererseits die Glossierung der grammatischen Morpheme allgemeinsprachlich vergleichbar ist. So sind etwa das sumerische Imperfekt und das akkadische Präsens Formen der sprachtypologischen Progressivkategorie, werden aber als solche nicht glossiert. Zugleich sind gegenüber der maximalen Glossierung des CorpAfroAs Abstriche erforderlich – man vgl. hierzu etwa die Subjektsangabe in CorTypo: “The Corpus part of the set of resources and tools will be coded according to forms for each language. Thus, in Kabyle, only bound pronouns are unequivocally marked for subject function. Those affixes will be coded with the label SBJ, followed by person, number and gender information. Nouns can be computed as subjects, but they are not coded as such. Their identification is based on the interaction of several coding means: a nominal subject is a noun (coded N) that belongs to the same prosodic unit (coded REF) as the verb (coded V), and either immediately precedes V and is marked by absolute state (coded ABS), or follows V and is marked by annexed state (coded ANN). Therefore, nouns will not be coded for grammatical role in Kabyle. Their grammatical role will be retrievable using ELAN query commands (regular expressions).” (cortypo.huma-num.fr/project.html). Dieser kurze Abriss der Anforderungen des CorTypo und der Diskrepanz zur altorientalistischen Praxis zeigt ein grundlegendes Problem in der Erstellung korpusgestützter Keilschriftdaten auf: Die Erfordernis einer Harmonisierung der Bezeichnungen grammatischer Kategorien, die, auch wenn sie auf korpusbasierte Glossierungsverfahren beschränkt bleibt, einen altorientalistischen Diskurs und einen breiten Konsens voraussetzt, um nicht eine Pluralität von Korpora zu produzieren, die sich zwar inhaltlich komplementieren, sich aber nicht in eine einheitliche Datenbank implementieren lassen. Allgemeine Änderungen der Zeilenstruktur betreffen die Speicherung von Bilddaten der Texte in der ref Zeile anstelle von Audiodateien und einer mot Zeile mit Umschrift in grammatische Wörter sowie einer nachfolgenden tx Zeile mit der Aufbereitung in phonologischen Wörtern und einer phonolgischen Transkription. Die ref Zeile ist ggf. durch Angaben zu Zeichen (Namen und Nummer) sowie einem kritischen paläographischen Apparat zu ergänzen, so dass auch Details des Textes selbst geprüft werden können, falls diese forschungsrelevant sind. Anders als die mot Zeile in z.B. CorTypo ist in keilschriftlichen Korpora die orthographische Wortgestalt zu berücksichtigen, so etwa in der Darstellung von inkorporierten Objekten im Sumerischen oder status constructus Verbindungen im Akkadischen (pronominal in einem Wort aber nominal in zwei Wörtern).

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Die mb und rx Zeilen folgen in ihrem Aufbau praktisch denen in sprachtypologischen Korpora. Als Beispiel einer differenzierten Glossierung mit Auslagerung und Ergänzungen in der rx Zeile sei folgender Entwurf gegeben. Verbalformen nach CorAfroAs mb i-parras ge 3SG-Entscheiden~PRS rx

PK.PN-V~TAM

i-pras-ū 3SG-Entscheiden-PL.M PK.PN-V-PK.NG

i-prus 3SG-(PRT) Entscheiden PK.PN(TAM)V

rx Glossen C Genusindifferent (genus commune) NG Numerus- und Genuskongruenz PK Präformativkonjugation PN Person- und Numeruskongruenz SK Suffixkonjugation TAM Tempus-, Modus- und Aspektkategorie V Verb

Verbalformen nach den Leipzig Glossing Rules: i-parras i-pras-ū i-prus PK.3PK.3-EntscheiPK.3Entscheiden~PRS den-PL.M (PRT)Entscheiden Die Genusdifferenzierung der 3SG der PK ist ein varietätsspezifischer Sonderfall; daher erscheint eine rx Wiedergabe von Genusmerkmalen als PNG statt nur PN, hinsichtlich varietätsspezifischer Unterschiede als irreführend und ist zu meiden. Vergleicht man die beiden Gegenüberstellungen, zeigt sich, dass die Verbalformen in der Morphemglossierung mehr Informationen der kombinierten ge und rx Zeile transportieren. Dies erklärt sich dadurch, dass die Zeilen der Leipzig Glossing Rules nach den Vorgaben der Fallstudie zum Verb ausgestaltet sind und den oben genannten Ausführungen folgen. Daher weist die Verbformenglossierung entsprechend mehr Informationen auf als die Glossierung anderer Lexeme. Nominalformen nach CorAfroAs mb anāku jâti ge 1SG.NOM 1SG.OBL rx

PRO.SUBJ.IDP

PRO.OBJ.IDP

jāˀ-um 1SG.POSS-NOM PRO.POSS.IDPCASE

umm-um MutterNOM N.F-CASE

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awīl-um MannNOM N.MCASE

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rx Glossen PRO Pronomen SUBJ Subjekt OBJ direktes oder indirektes Objekt POSS Possessiv IDP Selbständig, nicht affixal CASE Kasus N Nomen F Feminin M Maskulin

Nominalformen nach den Leipzig Glossing Rules anāku jâti jāˀ-um PERS.1SG OBL.1SG POSS.1SG-NOM

umm-um Mutter-NOM

awīl-um Mann-NOM

Eine korpusbasierte Glossierung muss immer mit Blick auf alle relevanten Objektsprachen konzipiert werden, auch wenn diese anfänglich nicht berücksichtigt sind. In einem altorientalistischen Korpus umfasst dies zumindest die Gesamtheit der Keilschriftsprachen und mit Einschränkungen auch andere Schriftsprachen des Alten Orients, wie das Ägyptische, das Hieroglyphenluwische oder das Hebräische. Mit Blick auf das Sumerische sind etwa die Ambitransitivität der Lexeme (5.2.3 & 5.3.2), kompositionale Bildungen und die orthographische Wiedergabe affixaler Elemente zu berücksichtigen. Daher sind Verballexeme in der einfachen intransitiven Lesung zu glossieren und die transitive Lesung aus dem Vorhandensein eines ergativischen Affixes oder Wortes zu entnehmen (Lehmann 2004: 1838). Sumerische Verben mit fixen Kollokationen, wie z.B. šu -ti: nehmen, die formal getrennt stehen, sind mit Lehmann (2004: 1853) wie Zirkumfixe zu glossieren. So z.B. Deutsch (nach Lehmann 2004: 1853): er 3SG.NOM

hör>t 3SG

jetzt Jetzt

/m/ verstanden werden und nicht als ein nicht weiter analysierbares Element (zur Diskussion Foxvog 2016: 92). 2.2.4 Die Leipzig Glossing Rules 2.2.4.1 Einleitung Die Leipzig Glossing Rules basieren auf zehn Regeln, anhand derer hier die konkrete Umsetzung in dieser Arbeit erläutert werden soll. Sie orientiert sich im Schwerpunkt daher an den Gegebenheiten des Akkadischen, berücksichtigt aber den Umgang mit agglutinierenden und speziell polysynthetischen Sprachen, wie dem Sumerischen. Grundsätzlich ist die Glossierung interlinear, d.h. unmittelbar unter dem jeweiligen Wort bzw. Morphem. 2.2.4.2 Regel 1 und 2 zur Wort- und Morphementsprechung Die ersten beiden Regeln der Leipzig Glossing Rules sind eine komplementäre grundlegende Unterscheidung in der Art der Glossierung. Regel 1 gibt eine Wort-für-Wort-Glossierung vor. Diese ist sowohl für stark isolierende Sprachen geeignet als auch für sekundäre8 oder auf syntaktischer Ebene analysierte Objektsprachen. Bei der Glossierung ganzer Wörter ist wie bei der Morphemglossierung ein Kompromiss zwischen zentraler Bedeutung des Lexems und kontextueller Bedeutung zu finden. Diese ist nach Distribution in der Objektsprache und Textgattung individuell anzupassen. Ein Beispiel für solche Glossierungen findet sich als „advanced glossing“ bei Topoi (2.2.1.1). Im Rahmen dieser Arbeit wird einer solchen Glossierung bei Logogrammen gefolgt, bei denen die entsprechende zusammenhängende Umschrift ausgespart worden ist, da sich die Lesung nicht aus dem Text, sondern lediglich aus einem Textstellenvergleich ergibt. Auf die Gegebenheiten des Altassyrischen, das prinzipiell zu allen Logogrammen parallele syllabische Schreibungen bietet, sei hingewiesen – ihre Auswertung ist daher in eine das Nominalsystem betreffende Untersuchung einzubinden; für eine Studie des altassyrischen Verbalsystems leistet sie keinen Beitrag. Regel 2 beschreibt die Grundlagen der Glossierung auf Morphemebene: Diese werden in Wort und Glossierung mit einer wechselseitig entsprechenden Zahl von Bindestrichen segmentiert. Als Differenzierung kann anstelle des Bindestrichs ein Gleichheitszeichen in beiden Zeilen stehen; es ist für Klitika vorbehalten, worunter hier allgemein Morpheme mit dem semantischen Gehalt eines Wortes zu verstehen sind. Im Akkadischen fallen hierunter die Pronominalsuffixe, die enklitischen Partikel, wie /-ma/ und /-mi/ sowie die Kurzformen der Präpositionen /ina/ und /ana/. Ferner weist Regel 2 auf die Möglichkeit eines nicht segmentierten Texts in Ergänzung hin. Im Falle der Keilschrift ist hier m.E. die Transliteration die bessere Wahl, denn sie erhöht zugleich den Informationsgrad des Belegs durch Wiedergabe der Schriftstruktur der Quelle. Ein Beispiel für solche Glossierungen findet sich als „expert glossing“ bei Topoi (2.2.1.1), die sich bei der Differenzierung auf segmentierbare Morpheme beschränkt.

8 Sekundär ist eine Sprache oder Varietät, die nicht den eigentlichen Untersuchungsgegenstand stellt. In einer Fallstudie zum Altassyrischen sind dies neben anderen Varietäten des Akkadischen auch andere Sprachen.

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2.2.4.3 Regel 3 zur Wiedergabe grammatischer Kategorien Regel 3 sieht eine Wiedergabe grammatischer Morpheme in Großbuchstaben vor. Dazu findet sich im Leitfaden der Leipzig Glossing Rules eine Liste für Abkürzungen häufiger Kategorien. Abweichungen sind empfohlen, wo ein Morphem häufig auftritt, aber seine Standardglosse lang ist: hier kann eine entsprechend verkürzte Glosse gewählt werden. Abweichungen und Ergänzungen sind ebenfalls nach Gegebenheiten der Objektsprache möglich, wie etwa für die Wiedergabe der Stammformen nach ihrer akkadistischen Kennzeichnung, etwa D als Glosse für den D-Stamm, GT als Glosse für den Gt-Stamm usw. nach Vorbild von Topoi (2.2.1.1). Hier kann zum einen, z.B. bei Präpositionen mit weitgehender Übereinstimmung der Bedeutung in Objekt- und Metasprache eine lexikalische Entsprechung gewählt werden, zum anderen kann die Etikettierung der grammatischen Kategorien an die terminologischen Vorgaben der Forschungsarbeiten bzw. die Philologie der Objektsprache angeglichen werden. Die konkrete Umsetzung ist dabei abhängig vom Untersuchungsgegenstand und dessen Bedarf nach einer sprachwissenschaftlichen Etikettierung. Soll etwa eine Reihe von Morphemen in ihrem sprachwissenschaftlichen Begriffsfeld verortet werden, ist eine allgemein-sprachwissenschaftliche Glossierung vorzuziehen; ist die Analyse auf internes Material bzw. allgemeinsprachlich seltene Erscheinungen begrenzt, ist eine Glossierung nach Vorgabe der Philologie vorzuziehen. In dieser Untersuchung betrifft dies vor allem die Frage nach der Glossierung der akkadischen Tempora. Die Arbeit zeigt eine wesentlich aspektuell bestimmte Charakterisierung auf, folgt aber mit Rücksicht auf den Diskurs in den semitistischen Disziplinen zur TempusAspekt Frage und aufgrund des akkadistischen Standards einer Glossierung als Tempora. Ausschlaggebend ist hier letztlich, dass die etablierten Bezeichnungen akkadischer Formen in philologischen und sprachwissenschaftlichen Texten die der Tempora sind. Der Gewinn einer funktionsorientierten Glossierung steht hier der terminologischen Verwirrung nach. Auch eine deskriptive Bezeichnung nach paradigmatischer Form wie iparras statt PRS ist m.E. schon aus Platzgründen im Rahmen einer Glossierung abzulehnen 9. Eine stärker idiosynkratische Etikettierung erschwert den Zugang zur akkadischen Grammatik und kann auch nicht Aufgabe der Philologie sein. Deren Aufgabe kann nur die Erschließung des Anschauungsmaterials im Rahmen der varietätsspezifischen Extension und Intension der jeweiligen Kategorie und – in diesem Verständnis – der Aufarbeitung ihres Individualbegriffs, d.h. der einzelsprachlichen Kategorie, sein. 2.2.4.4 Regel 4 zur Glossierung nicht-segmentierbarer Einheiten Nicht immer lassen sich Morpheme linear segmentieren. Drei Fälle begegnen besonders häufig. (1) Bei der Wiedergabe grammatischer Morpheme ist der Zusammenfall mehrerer grammatischer Eigenschaften in einem Morphem vor allem in flektierenden Sprachen häufig, wie der Wiedergabe von Person und Genus bei den Präfixen der PK. (2) Bei lexikalischen Morphemen kommt es in einzelnen Fällen zu fehlenden Wort-für-Wort Entsprechungen, wenn entweder einem Lexem in der Objektsprache zwei Wörter entsprechen (z.B. rabû(m): groß sein) oder aber einer Wortfolge in der Objektsprache ein Einzelwort entspricht (z.B. ša kīma: 9 Die deskriptiven Etiketten sind also weder für das Erstverständnis noch für die Glossierung in der Linguistik von Hilfe. Sie leisten auch keinen Beitrag zur Anknüpfung an eine sprachwissenschaftliche Kategorie, wie etwa des PRS an das Progressiv, des PRT an das old anterior usw.

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

Stellvertreter). (3) Bei Schachtelmorphemen (Portemanteaumorphem) sind die Übergänge zweier Morpheme nicht mehr erkennbar, und begegnet etwa auch an der Schnittstelle von lexikalischem und grammatischem Morphem (z.B. deutsch sie sind: sie geh-en). Solche formal nicht trennbaren Einheiten können allgemein mit einem Punkt getrennt oder nach verschiedenen Gesichtspunkten differenziert werden. Eine allgemeine Trennung mit Punkt, wie es sich für das Akkadische anbietet, glossiert etwa damāqu(m) als Gut.Sein und ein Morphem -ī als POSS.1SG (Possessivsuffix der 1SG). Verfügt die Sprache über eine große Anzahl von Portemanteaumorphemen oder stehen gewisse Eigenheiten der Morphologie im Fokus der Untersuchung, so ist eine differenzierte Wiedergabe notwendig (Lehmann 2004: 1842). Dabei ist für das Akkadische eine Differenzierung allgemein bei Wiedergabe von Ablaut oder Kontraktion durch einen Rückstrich empfehlenswert, wie in rubû(m) als Fürst\NOM, tu-dammaq als PK.2-Gut.Machen\PRS oder āt als F\PL. Für das Akkadische nur im Einzelfall und abhängig vom Untersuchungsgegenstand sind differenzierend möglich (und in dieser Arbeit nicht durchgeführt): 1. Eine nur die Metasprache betreffende Segmentierung mit tiefgestelltem Bindestrich: damāqu(m) als Gut_Sein statt Gut.Sein. 2. Eine nur die grammatische Kategorisierung betreffende Segmentierung mit Semikolon; ī- als OBL;PL statt als OBL.PL; wodurch (1) und (2) grammatische und lexikalische Elemente differenzieren können. 3. Verzicht auf eine Segmentierung bei für die Untersuchung marginalen Morphemen und Wörtern mit Trennung der Glossierungselemente durch Doppelpunkt: So könnte in einer Untersuchung zum Pronomen ein Verb wiedergegeben werden als tudammaq und PK.2:Gut.Machen:PRS statt tu-dammaq und PK.2-Gut.Machen\PRS. Diese Reduktion bietet sich bei sonst komplexer Segmentierung, etwa im Sumerischen und anderen polysynthetischen Arbeiten an, wenn dadurch marginale Teile der Forschung im Beleg eine für den Rezipienten unübersichtliche Glossierung erfordern. 4. Bei Akkadisch nicht vorkommendem Zusammenfall von pronominalen Subjekt und Objekt ist mit > zu glossieren: z.B. 1PL>2SG usw. So etwa bei Krasis der pronominalen Affixe im Albanischen, z.B. ia (3SG.DAT>3SG.AKK): ihm es. 2.2.4.5 Regel 5 zur Personen- und Numerusglossierung Regel 5 empfiehlt den Verzicht eines Punktes zwischen Person und Numerus (1PL statt 1.PL) und eine verkürzte Wiedergabe von Numerus nach Pronomen, wenn diese häufig auftreten (1s statt 1SG). Auf die zweite Empfehlung wurde hier verzichtet. Bei der Wiedergabe der Pronominalsuffixe, deren Glossierung sperrig ist, wurde mit folgender Personenangabe ohne Vermerk des Pronomens glossiert: POSS.1PL (-ni) statt POSSPRON.1PL und AKK.2.M (šu) statt AKKPRON.2SG.M usw. Diese Glossierung folgt den in den Leipzig Glossing Rules gegebenen Beispielen. Dabei wird in der 2Person und 3Person nur der Plural gekennzeichet, zu dem der Singular die formal unmarkierte Form bietet. 2.2.4.6 Regel 6 und 7 zu Kategorien ohne Repräsentanz Wenn eine grammatische Kategorie nicht repräsentiert ist, kann diese – Regel 6 folgend – in der Glossierung in eckigen Klammern wiedergegeben werden oder mit Bindestrich zur Glos-

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Die Glossierung der Belege

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sierung eines Nullmorphems: In dieser Arbeit wurde letzterem folgend der STA der 3SG maskulin mit -ø und -3SG.SK (Suffixkonjugation) statt [SK] in der Glossierung wiedergegeben. Regel 7 empfiehlt runde Klammern für inhärente Kategorien, die nicht aufgrund des Formenvergleichs lokalisiert werden können. Aufgrund des Formenvergleichs zu erschließen ist z.B. die 3SG maskulin des STA, wo die anderen Personalformen morphologisch als Suffix erscheinen. Hingegen ist das PRT immer der einfache Verbalstamm der PK und durch kein eigenes morphologisches Merkmal bestimmt, dem ein Nullmorphem zugeordnet werden kann. Daher wird das PRT in der Glossierung mit (PRT) wiedergegeben. Eine zusätzliche Glossierung des STA als (STA) wurde ausgespart, da es keine Formendifferenzierung in der SK gibt. Auf die Möglichkeit des Verzichts der Glossierung des PRT sei hingewiesen, denn es ist aus der Kombination von PK (Präformativkonjugation) und Fehlen der PRF oder PRS Glosse erkennbar, d.h i-prus: PK.3-Entscheiden statt PK.3-(PRT)Entscheiden. In der Fallstudie zum Altassyrischen ist die maximale Glossierung gerechtfertigt. Das PRT steht hier im Zentrum des untersuchten Verbalparadigmas. Alternativ zu diesen Glossierungen bieten ausgelagerte Angaben zu Grammatik und Wort in zusätzlichen Kommentarzeilen, wie dem CorpAfroAs (Comrie 2015), non-overte Kategorien in der Kommentarzeile zur Morphemglossierung anzuführen. Dies geschieht dann unter der Last eines zusätzlichen Glossierungsaufwands, der für allgemeine Korpora vertretbar ist, in Einzelstudien – und dies auch bei Zitaten aus komplexen Korpora – bei den meisten Fragestellungen aber entbehrlich ist. Dies ermöglicht etwa Formen mit komplexen grammatischen Eigenschaften, wie Pronomina, zu erläutern, ohne die Glossierungszeile zu überfrachten. So ist etwa in Topoi (2.2.1.1) und ähnlich auch in dieser Arbeit (2.2.5) der pronominale Charakter aus dem Miteinander von Personen und Kasusmarkierung in einem gemeinsamen Segment zu erschließen (anāku: 1SG.C.NOM in Topoi). In zusätzlicher Kommentarzeile hingegen finden etwa Angaben zum pronominalen und nicht-affixalen (independent) Charakter Platz (\“rx PRO.IDP“ Vicente 2015: 190). Hier ist besonders zu beachten, dass nicht alle unmarkierten Merkmale in CorpAfroAs in die rx Zeile verlegt werden: so etwa die 3Person Singular maskulin der SK mit Wiedergabe in [XX] in ge und ohne Represäntanz in rx („\ge sit\PFV[3SG.M] \rx V\TAM“ Vicent 2015: 196). Die Regeln 6 und 7 sind mit Vorsicht umzusetzen und in jedem Fall muss eine Rekonstruktion nicht vorhandener Morpheme im Rahmen einer stringenten grammatischen Analyse gerechtfertigt werden. So erübrigt sich etwa in einer Studie zum Verbalsystem die Kennzeichnung endungsloser Nomina bzw. ihre Differenzierung nach status absolutus und status constructus. Diese Problematik ist etwa bei der Glossierung sumerischer Verbalformen besonders ausgeprägt. So führt Jagersma vier Fälle für das Sumerische an: “The so-called zero-morphemes are a special case. They have a meaning, but their forms consist of the very absence of any overt form. That is to say, a zero-morpheme is the meaningful absence of an overt form. This grammar posits four zero-morphemes for Sumerian: (a) the absolutive case marker {Ø} (§7.4), (b) the person suffix {Ø} (§14.4), (c) the non-finite marker {Ø} (§28.1), (d) the preformative {Ø} (§24.3.1).” Jagersma (2010: 77).

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

Davon ist der erste Fall, das Kasusmorphem, strukturell im Wechsel mit anderen Kasus begründet. Das Nullmorphem der Personalaffixe der 3Person kann ebenfalls im Wechsel mit sonst obligatorischen Morphemen strukturell begründet werden. Im Allgemeinen ist aber bei der Ergänzung von pronominalen Elementen Umsicht gefordert. Mehr noch als die Nullmorpheme gilt dies für in der Schrift nicht wiedergegebene, aber syntaktisch rekonstruierbare Affixe, wie etwa das Ergativsuffix, welches in verschiedenen Varietäten häufig nicht geschrieben wird, auch wenn der Satz eindeutig transitiv ist. Ein Beispiel zur Distribution pronominaler Affixe soll dies verdeutlichen: Das Albanische besitzt einen Satz proklitischer und strukturell unmittelbar vor dem Verbalstamm gesetzter pronominaler Akkusativobjekte. Im Imperativ werden diese vergleichbar dem Sumerischen nach dem Verbalstamm gesetzt und treten dabei zwischen Stamm und Personalendung des Plurals (shko-ni: Gehen-2PL: shruaje-ni Schreiben-AKK.3SG-PL). Der Wechsel zwischen affixaler Verbalform und Verbalform ohne pronominalem Objekt folgt dabei varietätsspezifischen Regeln, d.h. die proklitischen Affixe stehen in Abhängigkeit syntaktischer Regeln. Dementsprechend kann nicht pauschal in allen Imperativen transitiver Verben ein Affix angesetzt werden und ein Nullmorphem ist daher zu meiden. Ein Nullmorphem als non-finites Morphem im Sumerischen steht nicht in distributivem Wechsel und ist nicht strukturell begründet, ebenso setzt ein angenommenes Nullmorphem als Präformativ vor dem Ventiv (Jagersma 2010: 527) voraus, dass das Präfix des Ventivs /mu/ nicht auch aus semantischen Gründen den Ausfall des Präfixes bewirkt. Im Altassyrischen ist ferner die Form puḫur zu nennen, die sowohl als STA wie auch als status absolutus des Nomens in adverbialer Verwendung glossiert werden kann: puḫur-ø als Versammeln-3SG.SK oder Versammlung-ABS.SG; die Einordnung als STA findet sich z.B. bei Kouwenberg (2010: 162). Die Glossierung morphologisch nicht-repräsentativer Elemente ist auf das für die Untersuchung relevante und für die Rezeption erforderliche Maß zu beschränken. Außerhalb allgemeiner Korpora sind daher Sparsamkeit im Umgang mit diesen beiden Regeln der wissenschaftliche Standard: „[E]ven best practice in glossing for typological purposes has typically adopted the practice that where there is a clear markedness relation between two category values, especially if the unmarked versus marked distinction correlates with absence versus presence respectively of an overt indicator of the grammatical category in question, then only the marked value is glossed.” Comrie (2015: 215). Ohne Wiedergabe in der Glossierung ist daher etwa Singular gegenüber Plural, wo nicht entweder eine morphologische Opposition vorliegt, wie in der PK.1 SG: a- und PL: ni-, oder das entsprechende Nullmorphem glossiert wurde. In dieser Arbeit beschränkt sich zweites auf die 3SG maskulin des STA. Hier ist zu beachten, dass aus formalen Gründen in der 3PL des STA keine Personenunterscheidung glossiert wird (2.3.5), denn das Morphem entspricht den auf Numerus und Genus beschränkten Suffixen der PK und ist an sich nicht als personalkongruent zu deuten. 2.2.4.7 Regel 8 bis 10 zur Glossierung besonderer Morpheme Regel 8 gibt Möglichkeiten zu Wiedergabe komplexer Morpheme wie Zirkumfixen vor. In dieser Arbeit folge ich einer separaten Glossierung von präfigierten und suffigierten Elemen-

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Die Glossierung der Belege

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ten in der Präformativkonjugation, die formal ein Zirkumfix bilden (s. 2.3.3): i-prus-ū als PK.3-(PRT)Entscheiden-PL.M. Nicht empfehlenswert ist eine zusammenfassende Glossierung, bei der beide Elemente wiederholt werden (PK.3.M.PL-(PRT)Entscheiden-PK.3.M.PL) oder das zweite Element mit standardisierter Glosse beschrieben wird, z.B. PK.3.M.PL-(PRT)Entscheiden-PK oder PK.3.M.PL-(PRT)Entscheiden-ZK (für Zirkumfix). Davon ist abzusehen, weil sich die semantische Ladung der beiden Affixtypen unterscheidet (2.3.3). Die Bildungspräfixe kongruieren in Person und Numerus, die Bildungssuffixe kongruieren in Numerus und Genus; d.h. in den Präfixen ist keine Genusunterscheidung zu erkennen und in den Suffixen keine Personenunterscheidung10. Zur Kennzeichnung (echter) Zirkumfixe kann mit Lehmann (2004: 1853) >XX< verwendet werden, so etwa in deutschem (nach Lehmann 2004: 1853) ge>lauf-ø >-ABS

ì-ni-bar i-ni- future) oder dem entsprechende irreale nicht-zukünftige Ereignisse: Er sagte, dass er ging (past): Er sagte, dass er ginge (irreal/non-past). Evidentialität (5.3.3.4), wie etwa in der Funktion zitierter Referenz (quotative) im Deutschen, ist bisher im Akkadischen nicht nachgewiesen 26; analog zum Gebrauch der deutschen Tempusstämme im Konjunktiv ist aber für das Akkadische ein funktionaler Modus Konjunktiv für PRS und PRT anzunehmen. Durch die Verdrängung des PRT durch das PRF wird das PRT ab mittelbabylonischer bzw. mittelassyrischer Zeit und außerhalb des Subjunktivs zunehmend auf modale Lesarten reduziert (de Ridder 2018: 436), die in späteren Sprachstufen auch ohne modale Morpheme oder Partikel begegnen (Streck 1995a: 209). In literarischen Texten bleibt das PRT als non-modale Form bewahrt. Einzelheiten der Verdrängung des PRT aus dem non-modalen Paradigma bedürfen noch weitergehender Studien, die sich nach Textgattung und Komplexität der Taxis zu gliedern haben (5.2.6). 2.3.5 Stativ (STA) Im Akkadischen wird der STA nicht nur von Verbalwurzeln, sondern – und das im Gegensatz zu den Suffixkonjugationen (SK) westsemitischer Sprachen – auch von anderen Nomina ge26 Für den Versuch, Evidentialität im Semitischen formal nachzuweisen, vgl. vorerst Gzella (2004) und hierzu ferner die Erläuterungen in 5.3.3. Für eine Untersuchung der Evidentialität im Semitischen verdienen perfektische Formen besondere Aufmerksamkeit (Comrie 1976: 108ff.), so vor allem das perfectum propheticum und confidentiae, ferner sind modale Formen und die attractio temporis möglicher Ausdruck funktionaler Evidentialität. Hinzu kommt die Frage inwieweit die Aspektdichotomie sensorische und nicht-sensorische Evidentialität inhärent kodieren. Studien hierzu fehlen m.W. bisher noch! Diese inhärente Semantik regelt vielleicht auch Formen der attractio temporis.

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Die akkadische Verbalmorphologie

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bildet. Diese Bildungsweise scheint allerdings alt und außerhalb literarischer Texte im Akkadischen auf wenige Nomina beschränkt zu sein27. Seine Position in der akkadischen Grammatik ist umstritten28. In Verbindung mit den modalen Partikeln findet auch der STA zur Bildung modaler Formen Verwendung (s.u.). Eine Funktion inferentieller Evidentialität ist aber ebenfalls anzunehmen (vgl. Bybee u.a. 1994: 95ff.). Das Aspektraster des STA ist ambig. Die in der Literatur resultativ verstandenen Lesarten gehören morphologisch sicher in die erweiterte Perfektkategorie, die funktional und diachron zu den präteritalen und perfektiven Formen gehört, wie aus Latein sowie den romanischen und germanischen Sprachen bekannt ist (4.6). Aufgrund verschiedener imperfektiver Lesarten und seiner syntaktischen Imperfektivität ist eine begriffliche Zusammenfassung der beobachteten Lesarten wiederholt diskutiert worden29. Mit Blick auf Formen, wie etwa das homerische Perfekt, lassen sich auch letztere Lesarten begrifflich erfassen. In letzter Konsequenz erfordert die Analyse dann eine Revision der resultativen Lesarten und der typologischen Resultativkategorie (Nedjalkov 1988). Als Kompromiss in der Glossierung sind die formalen Kennzeichnungen der 3SG und 3PL zu verstehen: paris-ø: Entscheiden-3SG.SK und pars-at: Entscheiden-F.SK folgen der Glossierung der 1. und 2. Person, jedoch entspricht die Endung -at formal femininer endungsloser Form des Nomens im status absolutus bzw. constructus. Entsprechend wäre die Form pars-at-ø Entscheiden-F-SK und paris-ø: Entscheiden-SK zu glossieren. Die Wiedergabe der 3PL, z.B. pars-ū: Entscheiden-PL.M.SK, wäre entsprechend der femininen Form zu glossieren pars-ū-ø: Entscheiden-PL.M-SK. Die SK Glossierung, die die suffixalen SK Elemente der 1Person und 2Person in der Glossierung analogisch auf die 3Person ausgleicht, ist anstelle einer (STA) Glossierung (2.2.4.6) als solche der Rezeption geschuldet und dient der unmittelbaren Gegenüberstellung von SK gegenüber der gesamten PK. Sie ist zugleich ein Beispiel für die in Einzelstudien notwendige Prüfung der Umsetzung aller Regeln, wie sie in der sprachwissenschaftlichen Praxis – trotz Kritik, wie in Lehmann (2004), – allgemeiner Standard ist. 2.3.6 Imperativ Der Imperativ hat nur die erwartete sprecher-orientierte Modalität und ist daher im Indikativ und Ventiv, nicht aber im Subjunktiv belegt. Als negierter Imperativ wird der vom PRS gebildete Prohibitiv verwendet30. Im Imperativ wird wie auch in den infiniten Formen des

27 Vgl. Kouwenberg (2010) und Streck (1995a) als die Vertreter der Hauptströmungen der jeweiligen Interpretationen. Die Bewertung der nominalen Stativformen ist im Rahmen einer arealen Untersuchung auf Bezüge zum elamischen Nominalsystem und dessen Personalformen und der pronominalen Konjugation des Sumerischen vorzunehmen. Eine Interpretation der sogenannten elamischen Bedeutungsklassen des Lokutivs usw. als Entsprechung der nominalen Stative ist typologisch plausibel und wirft Fragen nach der Nomen-Verb Distinktion im mesopotamisch-iranischen Sprachraum des dritten Jahrtausends auf. 28 S. Kouwenberg (2000), Metzler (2002) und Streck (1995a) mit einer Zusammenfassung der älteren Literatur. 29 Streck sieht im STA eine nominale und zuständliche Form und daher eine grundlegende Opposition von zuständlichen Sachverhalten gegenüber dem Verbalsatz (Streck 1995a: 188), in denen zuständliche PK Lesarten unregelmäßige Erscheinungen sind. Loesov (2005 & 2006) sieht im STA vor allem eine telische Form, vgl. zur Wortartendiskussion zuletzt Vernet i Pons (2013: 458). 30 Das PRS dient als paradigmatische Form des negierten Imperativs (5.3.4), gleicht aber semantisch dem Gebrauch des altgriechischen Imperfekts als Verbotsform (Schwyzer & Debrunner 1975: 279).

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

akkadischen Verbs keine Opposition der Aspektstämme fortgeführt 31. Er wird ohne Pronominalaffixe von der kurzen Verbalbasis gebildet, wie sie ähnlich bei PRT und STA vorliegt. Er wird zumeist aber nicht ausschließlich nach Vorbild des PRT transfigiert. “The imperative has the same inflectional stem as the perfective, namely, the prefix base [...]. Synchronically, it is derived from the perfective in its secondary irrealis function by subtraction of the personal prefix [...]. In the historical perspective, however, the relationship is different, [...].” Kouwenberg (2010: 133). Ob die Angleichung oder Abweichung in der Transfigierung sekundär ist, ist nicht geklärt: “Historically, however, the imperative is prior to the perfective and all other finite forms [...]. It is unlikely that it already had specifically imperative function, since this would make it unfit to serve as basis for the development of verbal forms with other functions.” Kouwenberg (2010: 137). Der Imperativ und seine Negation affirmativ negiert (PRS) Sg. mask. purus lā taparras Sg. fem. pursī lā taparrasī Pl. c. pursā lā taparrasā 2.3.7 Suppletive Paradigmen Die Formen des PRT und STA bilden verschiedene zumeist sprecher-orientierte modale Formen. Die verschiedenen Bildungsweisen sind zunächst distributionell, doch gibt es auch Überschneidungen. Im Rahmen des Korpus kann hier nur ein suppletives optativisches Paradigma erstellt werden. Dass dessen Formen aus unterschiedlichen Paradigmen herzuleiten sind, ist anzunehmen, kann aber hier nicht nachgewiesen werden. Optativparadigma

1. Pers. 2. Pers. 3. Pers.

Dynamisch Sg. l-aprus lū taprus-ø/ī l-iprus/lū taprus

Pl. i niprus lū taprus-ā l-iprus-ū/ā

Zuständlich Sg. Pl. lū STA

Neben dem Ausdruck des Wunsches dienen diese als Form des indirekten Befehls und finaler Subordination. Die regelmäßige Opposition von zuständlichen und dynamischen Formen zeigt, dass dem STA gleiche konjunktivische Lesarten wie dem PRT, nicht aber wie dem PRS, zukommen (vgl. hierzu die modalen Lesarten der Kap. 6 8). Auch das PRS kann in Verbindung mit diesem Paradigma stehen. Sicher nachzuweisen ist dies nur für den Prohibitiv, d.h. negierten Formen und negierter Wunschform immer in 31 Anders als etwa im Altgriechischen ist der akkadische Imperativ also aspektuell neutral. Hier ist sicher auch von Bedeutung, dass die akkadischen Verbalwurzeln ausnahmslos Wurzelaoriste sind und es im historischen semitischen Sprachbestand keine erkennbaren ererbten Wurzelpräsentien gibt.

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Die akkadische Verbalmorphologie

Vertretung des Imperativs der 1/3Person durch dieses suppletive Paradigma und in einigen Fällen in Finalsätzen, in denen er affirmatives PRS oder den Prekativ (li-prus) vertritt. Semantisch steht der STA dem PRT also näher als dem PRS. Der vom PRT gebildete Vetitiv ist eine Verbotsform und als funktionaler Admonitiv (Bybee u.a. 1994: 179) nur als Höflichkeitsform in Vertretung des direkten Prohibitivs Teil des Paradigmas und steht sonst paradigmatisch isoliert. 2.3.8 Paradigmatische Stammformen Die für das semitische Verbalsystem charakteristische Stammformenbildung des Verbs ist im Akkadischen und Altassyrischen mit fünf Bildungstypen belegt, die teils in Kombination miteinander auftreten32. Formal lassen sich zwei infigierende Stammbildungen trennen, die mit den anderen (drei) Stammformen kombinierbar sind. Funktional, d.h. semantisch, unterscheiden lassen sich Stammformen mit niedriger Agentivität des Subjekts und teils detransitivierender Derivation im N-Stamm und t-Stamm und Stammformen mit hoher Agentivität des Subjekts und teils transitivierender Derivation etwa beim D-Stamm: “[The D-stem] is usually transitive and by definition agentive and denotes a qualitative increase in valency.” Kouwenberg (2010: 278). Bei dieser Klassifizierung steht der tan-Infixstamm mit iterativer u.ä. Bedeutung gesondert. Die anderen Formen lassen sich aufgrund ihrer Eigenschaften als perfektive Aktionsarten begreifen. Stammformen der PK und SK Stammform Prt Grundstamm iprus D-Stamm uparris Š-Stamm ušapris N-Stamm ipparis t-Stamm iptaras tan-Stamm iptarras 33 Dt-Stamm uptarris

Prf iptaras uptarris uštapris ittapras *iptatras *iptatarras *uptatarris

Prs iparras uparras ušapras ipparras iptarras iptanarras uptanarras

Sta paris parrus šaprus naprus pitrus pitarrus putarrus

Die Stammformen leisten neben der Valenzveränderung semantische Verschiebungen im Bereich dynamischer Situationen; sie können unter eine Opposition des verbalen Genus subsummiert werden (10.4). Die Opposition von dynamischen und zuständlichen Lesarten findet im Wechsel von PK und SK statt. Aufgrund der semantischen Überschneidungen der primären und sekundären Stammformbildungen sind nicht alle möglichen Bildungen für jedes Lexem zu belegen bzw. Bedeutungsunterschiede nachzuweisen. Eine Verschiebung der paradigmatischen Strukturen in späterer Zeit zeigt sich im Gebrauch des t-Stamms des STA und

32 Problematisch ist die Einbeziehung des sog. R-Stamms, hierzu u.a. Whiting (1981) und Groneberg (1989). 33 Der Dt-Stamm steht hier als Beispiel einer der sekundären Stammbildungen, s. hierzu ausführlich Kouwenberg (2010).

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

ist vorbehaltlich einer neuen Untersuchung als Alternative zu sonst doppelinfigiertem PRF zu verstehen: “This explains the second striking feature of many of the ‘new’ Gt-stems emerging in Standard Babylonian: they occur mainly as non-prefix forms and as present participles […].” Kouwenberg (2010: 374). Die Funktionen eines echten Passivs erfüllen die detransitivierenden Derivationen nur zum Teil. Daher ist es besser, diese als Antikausative zu verstehen (Dixon & Aikhenvald 2000: 7f.); mit dieser Bezeichnung lässt sich zugleich die Semantik der Bildungen ohne Valenzreduzierung begreifen: Antikausativ bezeichnet dann das Fehlen eines semantisch eigenständigen Veranlassers der Handlung und gibt dem Subjekt eine semantische Rollenzuweisung als Thema, zugleich schließt es ein Agens in peripherer Rolle aus (5.2.3). Da diese Formen Verbalstämme bilden, ist ihre Glossierung nach allgemeinen Richtlinien nicht vorgesehen (Lehmann 2004: 1838). Sinnvoll ist ihre Glossierung daher nur in Einzeluntersuchungen zu Stammformen und Valenz (Lehmann 2004: 1843). Entgegen der Vorschläge zur Glossierung für das Akkadische in Topoi (2.2.1.1) ist m.E. daher von einer allgemeinen Berücksichtigung stammbildender Morpheme in der Glossierung abzusehen (s.u. 2.3.9). 2.3.9 Aktionsartenmorphologie Der Aktionsartenbegriff im Akkadischen berührt vier unterschiedliche Kategorien der akkadischen Grammatik. Diese sind die (1) Stammformenbildung des Verbs, (2) die paradigmatischen Formen der PK, (3) die lexikalisierte Derivation möglicher zweiradikaliger Verben sowie (4) die Transfixe. 1. Als Aktionsarten sind zunächst die stammbildenden Morpheme zu nennen (2.3.8). 2. Nur historisch als Aktionsarten zu begreifen sind die Stammbildungen von PRS (2.3.4) und PRF (2.3.10), die zunächst in 3.3.6 erörtert werden. 3. Im Lexikon lassen sich Aktionsarten bei suppletivem Gebrauch oder zugehöriger zweiradikaliger Nominalform sicher nachweisen. Weitere Aktionsarten können durch interne Rekonstruktion und Vergleich mit den Lexika der anderen semitischen Sprachen erarbeitet werden. Gegenüber den Möglichkeiten der Rekonstruktion etwa des Indogermanischen ist die Produktivität solcher Rekonstruktionen für das semitische Lexikon stark eingeschränkt, denn der paradigmatische Ausgleich wirkt hier ungleich stärker als im Indogermanischen: Kann etwa für die Wurzel mit der Bedeutung Geben im Semitischen im Wesentlichen nur ein Wechsel des ersten Radikals beobachtet werden (tdn: ndn), bieten die ältesten belegten Sprachstufen des Indogermanischen ein breit gefächertes Bild und verschiedene vorhistorische Lautwandel und Aktionsartenbildungen, die eine umfangreiche Rekonstruktion der ursprünglichen Semantik der Wurzel und Distribution der Derivation erlauben. Man vgl. hierzu etwa homerisch *σεύω: aufspringen, welches nur im Aorist belegt ist und sich aus dem Vergleich mit den Präsensstämmen im Vedischen und Avestischen auf einen Wurzelaorist mit einer momentativen Semantik zurückführen lässt, der im homerischen Sprachgebrauch weitestgehend bewahrt ist (García-Ramón 1994).

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Zur Datenerhebung

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4. Ein Aktionsartencharakter der Transfigierung ist nicht zu nachzuweisen (3.4.3). Ihre Rolle im Rahmen von Ablaut und Vokalklassen ist Gegenstand der Untersuchung in dieser Arbeit. Im historischen Bestand fehlen die den Aktionsartencharakter prägenden derivationalen Funktionen bei den Transfixen weitgehend und sind, wo sie begegnen, zumeist als begleitende Phänomene der Derivation erklärt. Möglich ist hingegen, sie als Teilsystem des Verbalcharakters im Sinne einer semantischen Lesart ohne eigenen Derivationscharakter zu verstehen (3.4.4). 2.3.10 Das t-Perfekt (PRF) In den älteren und literarischen Varietäten ist das PRF die Form der non-sequentiellen Taxis (5.2.6) im Wechsel mit dem PRT und als solches auch begrifflich als Perfekt zu fassen. In seiner Morphologie ist eine Aktionsart zum PRT mit t-Infix innerhalb der Struktur des akkadischen Lexikons als perfektive Aktionsart bzw. derivationales Perfektiv zu erkennen (11.4). Das PRF hat keinen Anteil am modalen Lesartenkatalog des PRT34. Seine Verteilung gegenüber dem PRT im älteren Sprachgebrauch kann nicht aufgrund paradigmatischer oder syntagmatischer Kriterien definiert werden und es ist als solches diskursiv bzw. pragmatisch distribuiert (8.8.4). Ein Einfluss der lexikalischen Semantik ist aber nach Textgattung und Varietät geschieden als plausibel zu erachten (8.8.3). In den ablautenden Klassen folgt das PRF außerhalb der transitivierenden Stämme regelmäßig der Transfigierung des PRS (10.4.5). 2.3.11 Schlussbemerkung Die syntaktischen Eigenschaften des akkadischen Verbs sind weitestgehend unumstritten. Der wissenschaftliche Disput der vergangenen Jahre thematisiert weniger einzelne Funktionen als ihre zusammenfassende Etikettierung als Tempora oder Aspekte. Tatsächlich ist der funktionale Unterschied zwischen diesen Kategorien allgemeinsprachlich viel geringer als einzelsprachliche Beschränkungen (Kap. 4). Einzelsprachliche Beschränkungen sind z.B. die lexikalische Restriktion des neugriechischen Perfekts auf perfektive Lexeme (4.6.5), die obligatorische Verwendung des englischen Futurs in Kontexten, in denen z.B. das Deutsche das Präsens erlaubt (4.1.3) oder auch die Verwendung eines formalen Perfekts zum Ausdruck eines präsentischen/imperfektiven Zustands im älteren Indogermanischen (4.6.6).

2.4 Zur Datenerhebung 2.4.1 Vorgaben der objektiven Hermeneutik In diesem Abschnitt werden die konkreten Ansätze zur Datenerhebung altassyrischen Materials dargestellt. Die modelltheoretischen Vorgaben wurden im vorangehenden Kapitel ausführlich erläutert. Diese Vorgaben orientieren sich an der objektiven Hermeneutik und der Dokumenten- und Aktenanalyse, welche Vertreter der qualitativen Forschung sind und hier im Rahmen einer sprachwissenschaftlichen Untersuchung vor dem Hintergrund der be-

34 Zu den vereinzelten Ausnahmen modalen PRF in non-faktiver Lesart und der ihrer sprachtypologischen Verortung s. 8.6.3 & 5.3.3.

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

sonderen Herausforderungen an die Methodik der Auswertung keilschriftlicher Korpora angewandt werden. Zunächst verlangt die objektive Hermeneutik nach einer möglichst naiven Texterhebung (1.4.3). Gleichzeitig ist unter der Vorgabe der Sinnkonstruktion im Rahmen einer fortschreitenden Sequenzanalyse, die Möglichkeit auf größere Strukturbeziehungen hinauszugehen, wünschenswert (1.4.5). Im Rahmen dieser grundlegenden Datenerhebung wurden auch ethnomethodologische Vorgaben berücksichtigt (1.4.2). Von besonderer Bedeutung sind dabei die Möglichkeit der anwachsenden Kontextualisierung im Rahmen der Dokumenten- und Aktenanalyse und einer Bewertung der erstellten Lesarten der Sequenzanalyse nach sinngemäßen Übersetzungen, die bevorzugt der inhaltlichen Deutung und dem aktuellen Forschungsstand folgen – anstelle einem strengen grammatisch vorgegebenen Übersetzungsverfahren, das dann mit dem Ziel der qualitativen Auswertung der grammatischen Formen interferieren würde (1.4.4). In der Analyse wurde die zusammenfassende Betrachtung einer diachronen Editionsfolge angestrebt, die im zeitlichen Fortschritt ihrer Publikation eine rekursive Kontextualisierung der zuerst gewonnenen Lesarten anhand älterer Publikationen ermöglicht. Rekursiv bedeutet hier die Ordnung der Sequenzanalyse von den jüngsten Publikationen der Ersterhebung hinunter bis zu den Ältesten. Dabei werden die Textsequenzen vor dem Hintergrund der möglicherweise abweichenden Übersetzung und der damit verbundenen Deutung in jüngeren Publikationen verglichen. Kontextuell ist diese Analyse, weil sie zunächst nach inhaltlichem Verständnis und nicht nach grammatischen Prinzipien bewertet. Innerhalb der nachfolgenden linguistischen Analyse wurde die Auswertung der Sequenzen als wechselseitiges Korrektorat älterer und neuerer Übersetzungen im Kontext des grammatischen Verständnisses der jeweiligen Übersetzer erarbeitet. Wechselseitig bedeutet hier, dass eine Ordnung der Textbelege nach ihrer grammatischen Qualität vorgenommen wurde. Dabei wurden Textpublikationen mit einer höheren Übereinstimmung zur altassyrischen Referenzgrammatik als Bezugspunkt gesetzt 35. Zu einem Korrektorat kommt es beim Vergleich dieser zweidimensional betrachteten Belege. Aus dem Vergleich der einerseits nach Grammatik und andererseits inhaltlicher Kontextualisierung erhobenen Belege sind dann die entsprechenden Bewertungen der linguistischen Fragestellungen zu gewinnen. Die jeweils sinnvolle Deutung ist eine mit sprachtypologisch plausiblen Strukturen in Einklang stehende Lesart. Aus den so gewonnen Lesarten entsteht die Gesamtheit der zunächst unstrukturierten semantischen und syntaktischen Eigenschaften der Verbformen und Lexeme, welche dann in eine spezifische Gesamtstruktur zu überführen sind, die dem Altassyrischen entspricht und zugleich in Einklang mit allgemeinen Erkenntnissen zur Diachronie der akkadischen Verbalsyntax und -semantik sowie der Sprachtypologie steht. Dabei aus der Datenerhebung nicht sicher ermittelte Funktionen und Strukturen bedingen zugleich die Vorgaben an eine Nacherhebung. Die jeweiligen Übersetzungen der ausgewählten Textsequenzen als Belege sind unter Vorgabe der möglichen linguistischen Transparenz so gefasst, dass der grammatische und lexikalische Bezug zur Fragestellung verdeutlicht wird. Fragen zur inhaltlichen Deutung sind gegenüber dieser Vorgabe zurückgestellt. Die gebotene Übersetzung folgt dabei der ent35 Zum Zeitpunkt dieser Untersuchung noch die Grammatik der Kültepe Texte (GKT). Erst nachträglich Verwendung findet Kouwenberg (2017).

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Zur Datenerhebung

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gegengesetzten Ausrichtung, d.h. nicht der auf inhaltliche Aspekte ausgerichteten Sequenzanalyse. 2.4.2 Die Ersterhebung Nach Abwägung der jeweiligen Forschungsprämissen (2.4.1) vor dem Hintergrund des Editionsstands wurden zunächst die Texte aus der Reihe Ankaraner Kültepe Texte/Kültepe Tabletleri (AKT) mit den Bänden I bis Va & VIa als anfänglicher Datensatz ausgewählt. Sie sind für das Verfahren der objektiven Hermeneutik besonders geeignet und wurden bisher seltener zitiert und konsultiert, da sie zum Teil jüngeren Datums (AKT V & VI) und zum Teil in türkischer Sprache (AKT I, II, IV) abgefasst sind. Für eine spätere Nacherhebung wurden die Bände mit noch ausstehender Publikation zurückgestellt, wie die Folgebände zu AKT VIa und der Erstbände AKT VII und IX. Geeignet sind die Textpublikationen jüngeren Datums, denn sie bauen auf dem aktuellen Forschungstand auf und sind zugleich nicht das Textmaterial, aus dem die grammatischen Referenzen des Altassyrischen erarbeitet worden sind. Insgesamt zeigen die AKT Publikationen dabei eine breite, aber nicht gewichtete Streuung in diachroner und ethnischer Perspektive der Quellen einerseits und in der Perspektive der Verteilung der akkadistischen Textbearbeiter nach Ausbildungs- und Forschungsstätte. Die fehlende Gewichtung ist dabei kein Nachteil in der Datenerhebung, sondern folgt den Vorgaben der naiven und unsortierten Textauswahl der objektiven Hermeneutik. Exemplarisch für das Altassyrische ist die Untersuchung, da prinzipiell alle Textgattungen und Schreiber verschiedenen sozialen und ethnischen Hintergrunds vertreten sind. Dabei wurde einem Prinzip der einheitlichen Betrachtung der Texte gefolgt, welches die altassyrischen Händler und Schreiber als soziale Gruppe begreift. Überlegungen zu dialektalen und arealen Differenzierungen wurden dieser ersten Analyse nachgestellt. Exemplarisch ist die Untersuchung für das Akkadische, da viele der Beobachtungen und der Ergebnisse auch für andere Varietäten Gültigkeit besitzen. So sind die grundlegende Struktur des Lexikons für das Akkadische insgesamt und die Semantik der Einzellexeme für die assyrischen Varietäten repräsentativ. Die grundlegende Struktur des Paradigmas gilt nicht nur für das Altassyrische, sondern für die älteren Varietäten des Assyrischen und Babylonischen ebenso wie für literarische Textgattungen. 2.4.3 Die Nacherhebung Eine Nacherhebung erfolgte nach drei Gesichtspunkten: (1) Dem Fortlauf der Publikation und der Datenvergrößerung der jeweiligen Archive, (2) der Verortung nach Problemstellungen im Rahmen grammatischer Darstellungen und (3) eine Verdeutlichung der gewonnenen Strukturbeziehungen. Unabhängig konkreter Fragestellungen als Ergebnis der Untersuchung werden die nachfolgenden Bände AKT VIb usf. ausgewertet. Hier wurde zum einen das Belegmaterial ergänzt, zum anderen gezielt nach neuem Belegmaterial gesucht, durch das die bisherigen Lesungen erhellt werden können oder revidiert werden müssen. Hinzu kommen Belege aus anderen Texteditionen des CDLI-Korpus (). In der Fertigstellung wurde die aus der Nacherhebung entstandene Redundanz der Belege im Einzelfall nach Anschaulichkeit in Quantität und Qualität angepasst und einheitlich zusammengestellt. Offene Fragen, die sich aus der Auswertung der Ersterhebung ergeben haben, wurden in der

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Grammatik und Glossierung – Die formale Umsetzung der Untersuchung

Darstellung entsprechend so gewichtet, dass Belege mehrheitlich aus der Nacherhebung entnommen wurden, anhand derer die Fragestellung überprüft wurde. Solche Zusammenstellungen betreffen Fragestellungen, die ursprünglich nicht gestellt wurden und erst im Laufe oder in der Nachbetrachtung der qualitativen Analyse offenbar wurden. 2.4.4 Ein quantitativer Abgleich Mit Schritt (2) und (3) der Nacherhebung verflochten ist ein quantitativer Abgleich, bei dem anhand zweier umfangreicher Textzusammenstellungen, dem Online Korpus Heckers (K. Hecker, Altassyrische Texte in Umschrift, aATU) und den altassyrischen Texten der CDLIDatenbank nach weiteren auffälligen Sequenzen gesucht wurde. Ergänzend wurden auch die Belegstellenwörterbücher zum Abgleich der Varietäten geprüft. Dabei wurde das Augenmerk auf abweichende Verbalkonstruktionen zu häufigen Formulierungen und auf – gegenüber der bisherigen Fallstudienauswertung – korrigierendes Material gerichtet. Bezüglich korrigierenden Materials war in diesem Arbeitsschritt die Suche nach Formen des STA der 3SG maskulin und Belege des Wechsels von PK und SK von Interesse, denn hier stellte sich im Anschluss an die Auswertung der Ersterhebung der wesentliche Klärungsbedarf. Wichtige Befunde betreffen dabei eine vorläufige Trennung assyrischer und altertümlicher Spracherscheinungen von solchen, die nur altassyrisch signifikant sind. Sie betreffen die Distribution von PRF und PRT, PRS und STA sowie PRT bzw. PRF und STA, die Strukturbeziehungen des Lexikons und den begrifflichen Rahmen der paradigmatischen Formen sowie die Bewertung der Beziehungen paradigmatischer Aktionsarten des PRS und PRF und ihrer formalen Entsprechungen, den t-Stämmen (11.4) und D-Stämmen (11.2).

2.5 Zusammenfassung Dieses Kapitel bietet eine Diskussion und Darstellung der konkreten Umsetzung interlinearer Morphemglossierung für die Akkadistik und eine Darstellung der Umsetzung qualitativer Datenerhebung. In der Begründung der konkreten Umsetzung sind zugleich allgemeine, für das Akkadische und die Akkadistik relevante Punkte ausgeführt. Die anschließende Darstellung der Verbalmorphologie bietet die für die nachfolgenden Kapitel relevanten Elemente des Akkadischen im Kontext einer terminologischen Verortung, d.h. einer Disposition akkadistischer in sprachtypologische Terminologie. Für Linguisten bietet sie zugleich eine Hilfestellung zur Rezeption akkadischer Verbalformen. Die Darstellung der Datenerhebung schließt sich inhaltlich an 1.4 an und legt die methodischen Schritte der Datenerhebung offen, die so aus der Analyse der Kap. 6ff. nicht mehr ersichtlich sind.

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3 Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz 3.1 Einleitung Die Situationstypen bieten zugleich ein Raster zur Kategorisierung aspektueller lexikalischer Semantik und des Aspekts auf Satzebene. Bei der lexikalischen Beschreibung ist die Zuordnung nach inhärentem Verbalcharakter und Aktionsarten (3.3 & 3.4), lexikalisch veranlagter Phrasenstruktur (5.2.2), sowie auf Satzebene in Interaktion mit grammatischem Aspekt (4.5) zu unterscheiden. Die Grundlagen der Interaktionen auf Satzebene werden in 3.5. vorgestellt und begrifflich gefasst. Der nicht im Paradigma veranlagte Aspekt wird in der Forschung zumeist in sogenannten Situationstypen gefasst. Diese besitzen neben Affinitäten zur perfektiv: imperfektiv Dichotomie (Kap. 4) noch andere Eigenschaften, die zunächst nicht mit dem Aspektbegriff assoziiert werden. Ferner ist zu beachten, dass Situationstypen eigentlich die Verbalphrase betrachten und nicht allein auf lexikalische und paradigmatische Parameter beschränkt sind 1. Affin und nicht deckungsgleich sind sie, weil in Aspektsprachen lexikalische Situationstypen sowohl in perfektiven als auch in imperfektiven Aspektformen realisiert werden können. Am weitesten verbreitet und in der Assyriologie durch Loesov (2005, 2006a) vorgestellt sind die Vendler classes. Aufgrund ihrer allgemeinen Bedeutung wird auch in dieser Arbeit auf sie referiert (3.2). Auf lexikalischer Ebene wird im Folgenden dann zwischen morphologischer Aktionsart (3.3), die derivativ ist, und inhärentem Verbalcharakter differenziert (3.4), der nicht stammbildend ist. Hierbei ist zu beachten, dass vor allem außerhalb der Indogermanistik diese Differenzierung selten vorgenommen wird und Aktionsart dann für den Begriff des lexikalischen Aspekts insgesamt steht. Zentrales Argument für den Verzicht einer solchen Differenzierung ist zunächst die Homogenität der Verballexeme, die für eine Aktionsart qualifiziert sind. Eine umfangreiche Liste von Aktionsarten ist vor allem da möglich, wo eine große Anzahl verwandter Sprachen mit ausführlichem Lexikon und eine historische Tiefe der Sprache zusammenkommen. Dies ist in der Semitistik der Fall. Daher empfiehlt sich diese Differenzierung bereits aus rein formalen Gründen auch für das Akkadische. Ein Ausblick auf Aspekt im Kontext anderer grammatischer Kategorien (3.6) und eine Zusammenfassung (3.7) schließen dieses Kapitel ab.

1 So begegnen z.B. die Vendler classes gelegentlich unter dem Etikett der Aktionsarten, so u.a. Jenni (2005).

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

3.2 Die Situationstypen 3.2.1 Einleitung Zeno Vendler (1967) hat, von Aristoteles ausgehend, für das Englische vier Klassen zur Beschreibung des Aspekts definiert, die als Vendler classes in die Literatur eingegangen sind. Diese wurden vor allem in der generativen Semantik durch Dowty (1979) sprachwissenschaftstheoretisch weiterentwickelt. Dowtys hervorragendes Werk ist daher in dieser Arbeit die Referenz bezüglich der Vendler classes. Vendler nennt vier Klassen: Atelische dynamische (3.2.2) und zuständliche (3.2.3) sowie telische durative (3.2.4) und momentative (3.2.5). In Varianten zu diesem Modell wurde zumeist eine Erweiterung vorgenommen. Beispiele der Modifikation der Vendler classes finden sich in 3.2.6. Die vier Situationstypen lassen sich nach ihrem inhärenten Endpunkt danach gliedern und ob diesem eine durative dynamische Handlung zugrunde liegt. Einen inhärenten Endpunkt besitzen achievements und accomplishments. States und activities sind hingegen atelisch. Durativ und dynamisch sind activities und accomlishments; states sind durativ, aber nicht dynamisch, und achievements sind dynamisch, aber nicht durativ. Gliederung der Vendler classes dynamisch und durativ inhärenter Endpunkt accomplishment unbegrenzt activity

dynamisch oder durativ achievement state

Eine merkmalsgestützte Beschreibung ist nicht intendiert. Sie finden sich allerdings in Varianten der Modellierung (3.2.6) häufig. Ähnlich wie andere grammatische Kategorien (z.B. Subjekt, Agens usw.) sind die Vendler classes als Prototypen zu verstehen (vgl. hierzu auch 5.1.2). Daraus ergeben sich Wahrscheinlichkeiten der einzelsprachlichen Zuordnung der Verballexeme sowie Erklärungsansätze in varietätsspezifischem Wechsel der Situationstypen verschiedener Lexeme bei geringer prototypischer Entsprechung des Verballexems. Verschiedene Situationstypenlehren innerhalb der Akkadistik finden sich in Streck (1995a) als Beispiel einer Ausdifferenzierung sowie in Loesov (2005 u.a.) als Beispiel einer strengen lexikalischen Interpretation. Generell ist zu beachten, dass die Zuordnung von Lexem und Situationstyp einzelsprachlich vorgenommen werden muss. Von einer auch varietätsspezifischen Mehrdeutigkeit ist dabei insbesondere bei der Unterscheidung telischer und atelischer Situationstypen auszugehen. Dies betrifft bei telischen Verben die Durativität, aber teils auch die Telizität selbst; bei atelischen Verben betrifft dies vor allem die Interpretation als zuständlich oder dynamisch. 3.2.2 Activities Dynamische, atelische Situationen werden als activity geführt. Sie stehen mit Imperfektiv und Progressiv, wie im Englischen, ohne Lesartbeschränkung: He was running. Prototypisch sind activities von mittlerer oder hoher Agentivität eines sich ohne fremdes Einwirken bewegenden Subjekts. In der wichtigsten Variante zeigen sie mittlere Agentivität und eine translokative Bewegung, die einzelsprachlich z.B. in antikausativen (proficīscī: aufbrechen, marschieren) oder reflexiven Konstruktionen (sich bewegen) begegnen können. In Verbindung mit einem Präteritum/Perfekt wird ein abgeschlossener Handlungsverlauf impliziert.

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Die Situationstypen

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Dieser inhärente Abschluss findet sich z.B. bei englischem simple past und französischem passé simple und macht Lesarten ohne explizites Ende ungrammatisch: Handlungsverlauf und Vollendung in activities He ran and then he stopped. ?He ran and is still running. Vgl.: He was running and is still running. Er lief heute Morgen schon und läuft jetzt auch noch. *»Ce matin elle a chanté. Elle chante encore maintenant. » Smith (1997: 198). Mit dem perfektiven Aspekt ist diese Abgeschlossenheit immer obligatorisch 2; so beschreiben z.B. im Russisch perfektive activities explizit die Abgeschlossenheit einer Handlung ohne inhärenten Endpunkt (nach Rappaport 1997): Aspektuelle Differenzierung einer activity im Russischen pisat‘ to write activity imperfektiv do-pisat‘ to add in writing activity perfektiv na-pisat‘ to write onto activity perfektiv Die einzelsprachlichen Beschränkungen sind nur zum Teil abhängig von der Morphologie und Grammatikalisierung der Formen. Die Struktur des Verbalsystems hat einen entscheidenden Einfluss auf die Beschränkungen der Lesarten der Aspekte. So erklärt sich der Kontrast zwischen englischen und deutschen Beispielen durch die obligatorische Form des imperfektiven Aspekts im Englischen (4.3). Diese Art strukturbedingter Beschränkungen und daraus entstehender Unterschiede gelten auch für den Gebrauch der Futurformen in beiden Sprachen (Dahl 1996: 367). Eine Abgrenzung von activity und state ist nur teilweise anhand der lexikalischen Bedeutung möglich. Translokationen können universal als activities verstanden werden. Über diese Gruppe von Lexemen hinaus ist eine sprachinterne Methode der Einteilung erforderlich, um activities zu bestimmen. Solche Testverfahren können anhand von grammatischen Aspektformen, Adverbialphrasen oder formalen Kriterien, wie Aktionsarten, vorgenommen werden. Sprachintern bedeutet dies, dass die Verfahren der Bestimmung an der Einzelsprache geprüft und entwickelt werden müssen. Auch wenn hier Vergleichssprachen, wie das Englische zur Orientierung eine Hilfestellung und Ausgangspunkt bieten, darf nicht vorschnell in die Übersetzung gewechselt werden. Tests anhand von Adverbialphrasen in alten Sprachen sind hier besonders problematisch, denn sie setzen passende Belege voraus und können nicht frei gebildet werden. Es bedarf hier eines Vergleichsrasters lexikalisch und grammatisch ähnlich strukturierter (wo möglich noch gesprochener) Sprachen. Die häufig vorgenommene Unterscheidung von Prozessen und Aktivitäten, etwa in der Akkadistik bei Kouwenberg (2010: 284ff.) oder Streck (1995a: 89f.), und die Semantik des Subjekts sind Gegenstand von Kap. 5 (vgl. auch 3.2.6). Diese terminologische und begriffliche Unterscheidung findet sich in der Case Grammar Theory (Kasusgrammatik) und in Folge z.B. in Lyons (1977: 485ff.).

2 Zur Diskussion, ob etwa die simple tense Formen des Englischen teilweise oder immer perfektiv sind, vgl. 4.4 & 5.3.

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

Im Unterschied zu accomplishments besitzen activities kein intrinsisches Ende. Dem steht entgegen, dass in der außersprachlichen Wirklichkeit activities zeitlich begrenzt sind. Ein Verb wie Laufen oder Lesen kann jedoch an einem beliebigen Punkt zum Ende kommen, ohne dass sich etwas am lexikalischen Verbalvorgang ändert. Hingegen ist der Vorgang von ein Buch lesen erst mit dem intrinsischen Abschluss erfüllt (3.2.4). Im Russischen (zusammengefasst nach Rappaport 1997) gibt es neben den perfektiven Verbstämmen (liset’: berauben [accomplishment]) derivative Präfixe, durch die lexikalisierte perfektive Formen gebildet werden können. So zu pisat‘: schreiben (activity): Lexikalische Differenzierung progressiver Verben im Russischen is-pisat‘ to cover with writing accomplishment o-pisat‘ to prepare an inventory accomplishment vy-pisat‘-sja to write oneself out accomplishment daneben und ebenfalls perfektiv (s.o.): do-pisat‘ to add in writing activity na-pisat‘ to write onto activity Außerhalb der russischen Aspektmorphologie ist nur wenig Material bezüglich perfektiver activities beigebracht worden. Tatevosov (2008) bringt hierzu Belege aus Aspektsprachen mit Verben, deren perfektiver Aspekt telische und atelische Lesart erlauben (s.u. 3.2.4): “These observations strongly suggest that non-culmination is distinct from imperfectivity and cannot be reduced to it. If one assumes a conceptual distinction between grammatical aspect and eventuality type, as commonly done within two-component theories of aspect (e.g., Smith 1991/1997, cf. also Depraetere 1995), non-culmination must be a part of the computation of eventuality type, not of grammatical aspect. As soon as a non-culminating eventuality description is built, it can serve as the input to the perfective aspectual operator yielding perfective non-culminating clauses […].” Tatevosov (2008: 396). 3.2.3 States Nicht-dynamische Lesarten sind states. In der Vendlerschen Situationstypenlehre fallen alle zuständlichen Lesarten hierunter. Die zunächst klare Trennung wird in der Sprachpraxis durch funktionale und formale Überschneidungen kompliziert. Diese betreffen etwa Transitivität (5.3.2), Generizität (5.3.4), Negation (5.3.5) und semantische Rollen (5.2.3) sowie semantische Relationen (5.3.6) und erschweren insbesondere die Trennung von states und activities (3.2.2). Prototypische states besitzen Subjekte von mittlerer Agentivität ohne Fremdeinwirkung auf den Zustand und sind zeitstabil. Die wichtigsten Varianten der prototypischen Semantik betreffen geringere Zeitstabilität in Kombination mit Aspektformen oder Adverbien sowie transitive Relationen, in denen das Subjekt im Zustand des Besitzes oder Eigentums ist. Sie stehen mit Imperfektiv und nur eingeschränkt oder nie mit Progressiven, wie im Englischen (Mr. Smith is standing at the Nile. Comrie 1976: 37) oder der deutschen Verlaufsform (*Ich bin am hier sein.).

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Die Situationstypen

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Die Verbindung von Progressiv und state wird durch die Agentivität des Verbs und die Zeitstabilität bestimmt (5.3.7). In der jeweiligen Sprache besonders zeitstabile Verben sind daher vom Progressiv genauso ausgeschlossen wie Verben mit geringer Agentivität des Subjekts: Zeitstabilität und Progressiv *He is knowing him. He is living in Berlin (now). ?John is hating math.

zeitstabil durch das Subjekt kontrollierter Zustand3 das Subjekt ist kein Agens, sondern experiencer4

In einigen Sprachen, wie dem Russischen, ist die Verbindung von states und Perfektiv ausgeschlossen (3.3.5). Da sonst perfektive und imperfektive Formen im russischen Lexikon paradigmatische Paare bilden, kommt es zu sekundären Paarbildungen. Dabei werden imperfektiven Verben perfektive achievements (s.u.) gegenübergestellt (Rappaport 1997: 249). Die Entsprechung state: achievement ist also paradigmatisch angelegt (3.5.5), die von activity: accomplishment hingegen ist syntagmatisch. States sind charakterisiert durch eine inhärente Zeitstabilität (5.3.4) und der Unveränderlichkeit der Situation über ihre gesamte Dauer wohingegen bei einer Translokation eine ständige Veränderung, etwa bei Laufen, vorliegt: “We may approach the problem by considering a situation that is extended in time, […], we may consider first of all the verb know, referring to a state, and the verb run referring to a dynamic situation […]: in the case of know, all phases of the situation John knows where I live are identical; whichever point of time we choose to cut in on the situation of John’s knowledge, we shall find exactly the same situation. With run, however, this is not so: if we say John is running, then different phases of the situation will be very different: at one moment John will have one foot on the ground, at another moment neither foot will be on the ground and so on. Thus know, on the one hand, involves no change, whereas run involves necessarily change.” Comrie (1976: 48f.; Hervorhebung im Original). Mit Croft (2012: 58f.) lassen sich states als Situationstypen in vier Gruppen unterteilen: vorübergehende Zustände, permanente Zustände als inhärente oder erworbene Eigenschaft sowie punktuelle Zustände. Die Ausführungen zu dieser Unterteilung findet sich in 5.3.4. Eine weit verbreitete Unterscheidung betrifft die Trennung von Eigenschaften (properties) gegenüber states. Eigenschaften, z.B. bei Loesov (2005: 197), sind inhärente Merkmale des Individuums. Sie schließen in der Regel auch erworbene Eigenschaften aus, wie sie etwa in Verbindung mit dem Steigerungsadjektiv und D-Stamm des STA begegnen, so in altassyrisch ṣarrupum: geläutert oder akkadischem gullubu(m): geschoren; auch quddušu(m): geheiligt [zu einfachem qaššu(m)]) begegnet nur als Zustand von weltlichen Dingen und 3 Bei diesen Verben ist nicht immer eindeutig zwischen activity und state zu unterscheiden. Hier kann auch einzelsprachlich die Zuordnung durch den Kontext bestimmt werden. 4 Die progressive Form ist heute in verschiedenen Varietäten akzeptabel. In älteren linguistischen Arbeiten wird sie als falsch eingestuft und belegt die interne Grammatiklasierung des englischen Progressivs (4.7.3).

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

nicht in Verbindung mit Objekten der außerweltlichen, göttlichen Sphäre, deren Heilig-Sein als Eigenschaften (properties) zu verstehen ist5. In Sprachen mit adjektivischer Wortklasse sind Eigenschaften prototypisch adjektivisch – in Sprachen ohne Adjektivklasse, aber mit einer klaren Unterscheidung der Wortarten Nomen und Verb, sind Eigenschaften (properties) prototypisch nominal und states verbal. Diese prototypische Zuordnung bietet eine Hilfestellung in der Trennung von state und activity und gehört formal der Wortartentypologie an. Allgemeinsprachlich ist die Überführung dynamischer Situationstypen in den zuständlichen Situationstyp nur bedingt möglich. Ein solcher Situationstypenwechsel betrifft die Interpretation von negierten Prädikaten als state (5.3.5) sowie Wechsel durch grammatische Aspektformen des Paradigmas (3.5.5). Einzelsprachliche Ambiguitäten betreffen vornehmlich Verben, die nach den prototypischen Zuordnungen nicht eindeutig bestimmt werden können, so etwa engl. to taste, to smell und to feel (Dowty 1979: 67), und deren Subjekt ein experiencer sein kann (5.3.6). 3.2.4 Accomplishments Dynamische Verbalhandlungen, die telisch und durativ sind, werden als accomplishments geführt. Sie sind semantisch eng verwandt mit der activity-Klasse und in vielen Sprachen, wie den Germanischen, nur selten lexikalisch von activities zu trennen. Sie sind daher mit Imperfektiv (4.5) kombinierbar. In dieser Verbindung wird jedoch das Ende der Handlung ausgeblendet. Mit perfektiven und präteritalen Formen ist die Handlung obligatorisch abgeschlossen, so bei Präteritum im Deutschen *Sie schrieb den Brief und schreibt ihn jetzt noch. Analog hierzu ist im Französischen ebenfalls *Elle écrivit la lettre et ce matin elle l’écrit encore. (nach Smith 1997: 196) nicht möglich. Prototypische accomplishments sind agentive activities in Verbindung mit einem intrinsischen Endpunkt. Verballexeme mit niedriger Agentivität sind zumeist intransitiv konstruiert. Rothstein, S. (2004: 75) definiert prototypische accomplishments als kulminierende (culminating) activities, d.h. sie gipfeln in ihrem intrinsischen Endpunkt. Analog dazu sind nicht kulminierende (non-culminating) accomplishments begrifflich erfassbar als Verballexem oder Phrasen, die eine atelische Lesart erlauben (Tatevosov 2008: 396 & vgl. hierzu 3.2.2). Solche nicht kulminierenden accomplishments sind auch für das Akkadische anzunehmen: Das Verbum dâku(m) hat eine Bedeutung von Töten oder Schlagen. Dabei kann Töten als kulminierendes Schlagen begriffen werden. Entgegen dem syntagmatischen Wechsel von atelischer zu telischer Lesart lässt sich aber keine Zuordnung in Abhängigkeit der Phrasenstruktur ausmachen, derart, dass etwa dâku(m) ohne explizites oder definites Objekt Schlagen und mit definitem Objekt Töten bedeutet.

5 Die Belege für qaššu(m), qadištu(m) sind nur in älteren Varietäten (einschließlich literarischer Texte) belegt. Sie bestätigen die ursprüngliche Semantik, die westsemitischen Varietäten ähnelt.

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Die Situationstypen

Kulmination und Situationstyp kulminierend syntagmatisch nicht kulminierend syntagmatisch kulminierend semantisch nicht kulminierend semantisch

Deutsch: Deutsch:

Er schrieb einen Brief. Er schrieb.

Akkadisch (dâkum): Akkadisch (dâkum):

Er tötete ihn. Er schlug ihn.

In den germanischen Sprachen sind die meisten accomplishments durch die Verbindung von Verb und Nominalphrase kompositionell aufgebaut. Ein lexikalisches accomplishment im Deutschen ist z.B. Das Schiff sinkt. Activities und accomplishments wechseln dabei auf syntagmatischer Ebene, abhängig von der Struktur der Adverbien und Argumente des Verbs. Snytagmatischer Situationstypenwechsel Er schrieb activity Er schrieb ein Buch/ drei Bücher accomplishment Er schrieb Bücher activity Er schrieb immer wieder Bücher activity In Kombination mit Adverbien, wie in Er schrieb fertig ist die Zuordnung des Situationstyps problematisch. Der deutsche Sprachgebrauch impliziert den Bezug auf ein Objekt, z.B. im Sinne Er schrieb das Buch fertig. Das Russische hingegen besitzt die Möglichkeit einer perfektiven Ableitung, bei der der Charakter der nicht-kumulativen Verbalhandlung gewahrt bleibt, so z.B. bei do-pisat‘: hinzuschreiben sowie na-pisat‘: auf (etwas) schreiben (3.2.2). Ferner kann durch kontextuelles Wissen der Situationstypenwechsel impliziert werden, d.h. wenn der Kontext eine syntagmatische activity als accomplishment erklärt: “Furthermore, […] it is possible to assign an accomplishment reading to an “activity” verb in the proper context. […]. In fact, I have not been able to find a single activity verb which cannot have an accomplishment sense in at least some special context.” Dowty (1979: 61). Nicht zu den accomplishments gehören Verben, die nur eine abschließende Situationsveränderung bezeichnen, wie deutsches Finden. Dabei ist zu beachten, dass diese Trennung aus der Interaktion von außersprachlicher Wirklichkeit und einzelsprachlichem Lexikon herzuleiten ist. Die außersprachliche Wirklichkeit bestimmt die Konzeption der Situation als andauernd oder plötzlich und durch das Lexikon kann die vorangegangene Situation getrennt werden, wie z.B. deutsch in entsprechenden Kontexten mit Suchen als Situation vor dem Finden. Die accomplishments in der bisherigen Kategorisierung, welche bei Croft gerichtet (directed) bezeichnet werden, unterscheidet Croft (2012: 62) in solche, die sich dem intrinsischen Ziel direkt zu bewegen, wie Ich esse den Apfel und solchen, in denen das intrinsische Ziel durch eine Gesamtheit einzelner Handlungen erreicht wird, wie in Ich repariere die Maschine. Dabei ist der Apfel als Objekt zu Essen ein inkrementelles Objekt. Inkrementell ist der Bezug der Wirkung auf das Objekt hinsichtlich der Veränderung der Handlung, d.h. der allmähliche Verzehr des Apfels als Dekrement beschreibt das Inkrement der Handlung.

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

3.2.5 Achievements In achievements werden zumeist telische Verbalhandlungen unter Ausblendung des vorigen und des folgenden Zustands oder Handlungshergangs auf den Endpunkt der Verbalhandlung beschränkt6. Prototypische achievements bezeichnen Vorgänge, die in Hinblick auf ihren Verlauf als einzelner Moment dargestellt werden. Diese Momentativität oder Punktualität hängt von der sprachwirklichen Konzeption des Vorgangs und der lexikalischen Differenzierung der vorangegangenen Situation ab, wie im Deutschen in Finden und Suchen. Bei der Zuordnung einer lexikalischen activity als Vorereignis ist dabei in der Regel eine kontextuelle Zuordnung möglich. Eine semantische Suppletivität ist nicht anzusetzen. So ergänzt sich Suchen zu Finden nur, wenn das Finden nicht als zufälliges Ergebnis einer anderen Handlung erfolgt ist. Die einzelsprachliche Unterscheidung von achievement und accomplishment ist für das Akkadische nicht klar gefasst. So wird etwa in Loesov (2005: 112f.) Sterben als achievement verstanden, wiewohl etwa aus dem russischen Oppositionspaar eine Entsprechung von accomplishment und activity angenommen werden kann (vgl. ferner 3.5.4): “It is interesting that Russian differs from English here, since in Russian it is quite possible to say Kolja umiral (Ipfv.), no ne umer (Pfv.) ‘Kolya was dying, but he didn’t die’: in other words umirat’/umeret’ ‘die’ in Russian is telic [accomplishment], referring to the process leading up to death, whether or not death is reached.” Comrie (1976: 48; Hervorhebungen im Original, Ergänzungen durch Verfasser). Achievements sind in Einzelsprachen häufig von imperfektiven Lesarten ausgenommen: *I am reaching the summit. Zu den einzelsprachlichen Ausnahmen im Falle des englischen Progressivs bemerkt Dowty: “[T]here are at least some occasional acceptable examples of achievements with progressives, and these exhibit the same failure of inference from progressive to simple tense as do accomplishments: (7) John was falling asleep. (8) John fell asleep. (9) John was dying. (10) John died.” Dowty (1979: 136f.).

6 Ich folge hier einem Telizitätsbegriff der achievements subsummiert, wie er sich etwa in Smith (1997: 20) findet. Andere und m.E. inzwischen weniger verbreitete Auffassungen verlangen für den Begriff der Telizität auch das Vorhandensein eines dahinführenden Prozesses. Sie sind dann weitestgehend mit accomplishments gleichzusetzen (Comrie 1976: 42). Diese Differenzierung leistet aber der Begriff des intrinsischen Ziels in Hinblick auf die Charakterisierung der durativen Verben und ihrer Strukturbeziehungen anstelle des Begriffs der Telizität.

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Die Situationstypen

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Sie können aber auch durch Adverbien oder die Argumentstruktur regelmäßig (wie accomplishment) in eine activity überführt werden. Comrie (1976: 41ff.): Pluaralität und Progressiv They are reaching the summit. Ich bin am Klopfen.

pluralisches Subjekt und daher sukzessive, durative Semantik pluralische Handlung und daher iterative, durative Semantik

Telische Verben können im Perfektiv oder Präteritum syntaktisch meist nicht oder nur unsicher unterschieden werden. Ihre Situationsstruktur ist dann identisch. Dies ist u.a. an der Wahl der Präpositionalphrasen nachweisbar (Verkuyl 1993: 40ff.)7: Telische Intervallsemantik Er baut das Modell seit zwei Stunden. Er erreicht den Gipfel in einer Stunde.

Er baute das Modell in zwei Stunden. Er erreichte den Gipfel in einer Stunde.

Die Verbindung von Präsens oder Imperfektiv mit achievement impliziert eine futurische bzw. nachzeitige Lesart: „Sagt man nun aber er stirbt, so kann nur gemeint sein er wird sterben oder aber er liegt im Todeskampf. Das erstere wäre dann Zukunft, das letztere zwar eine echte Gegenwart, aber mit einer Bedeutung, die von der oben definierten abweicht.“ Denz (1971: 22, Hervorhebungen im Original). Unter den weniger prototypischen achievements stehen zwei Typen besonders durch ihre Überschneidung mit der Kategorie der activity hervor: Semelfaktiva und degree achievements. Bei Semelfaktiva handelt es sich um punktuelle Verben ohne echtes Resultat (wie z.B. Husten, Springen, Klopfen), die daher eigentlich atelische, punktuelle Verben sind. Diese Gruppe von Verben besitzt besonders häufig iterative Lesarten, die inhärent vorliegen können oder durch imperfektiven Aspekt gekennzeichnet werden. Im Unterschied zu telischen Verben (und anderen punktuellen Verben) kann ohne Beschränkungen der Argumentstruktur Iterativität vorliegen: Iterativität und Semelfaktiva They were coughing. He was coughing. They were reaching the summit. *He was reaching the summit.

sukzessiv oder iteriert iteriert sukzessiv -

Neben Semelfaktiva gehören auch die degree achievements zu Problemfällen der Vendler classes: Einige Verben der englischen Sprache, die unter die achievement-Gruppe fallen, ver-

7 Einzelsprachliche Tests erlauben unter Umständen auch eine Differenzierung in genanntem Fall. Für das Englische jedenfalls sind sie problematisch (Dowty 1979: 58f.). Für das vorliegende Korpus oder überhaupt gesamtakkadisch ist mir kein Test zur Differenzierung ersichtlich. Daher gilt hier vorerst Verkuyls (1993) Betrachtung auch für das Akkadische.

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

halten sich in Verbindung mit Adverbien wie durative Verben und werden degree achievements genannt. Sie schwanken also zwischen der Zuordnung als achievement oder activity.: “[T]he class of inchoatives that can occur with durative adverbials are just those which have been called degree words [...].” Dowty (1979: 88). Und ferner: “A sentence like The soup cooled for ten minutes should be analyzed as saying that for each time t within the interval of ten minutes duration, there is some resolution of the vagueness of the predicate cool by which the soup is cool is true at t but not at t1.” Dowty (1979: 90, Hervorhebungen im Original). Charakteristisch handelt es sich um Verben mit einem Subjekt niedriger Agentivität und einer semantischen Überschneidung von state und activity. Für das Akkadische ist mir kein sicherer Beleg bekannt (6.3.6). Croft (2012: 60) unterscheidet neben Semelfaktiva mit Blick auf die Situationsveränderung, ob das Ergebnis permanent oder vorübergehend ist. D.h. die drei achivements korrespondieren mit drei Typen von states (3.2.3) – inhärente states besitzen keine achievement Lesart, Semelfaktiva korrespondieren mit point states. 3.2.6 Varianten der Modellierung Es wurde in der Folge häufiger versucht, mit drei binären Merkmalen eine analytische Beschreibung der Vendler classes zu leisten. Eine typische Analyse verhält sich wie folgt: Binäre Merkmal und Situationstypen activity accomplishment durativ + + telisch + zuständlich -

achievement + -

state + +

Nicht zuletzt durch diese Analyse ist es möglich, die Vendler classes auch auf andere Modelle zu übertragen. Häufig sind sie jedoch selbst Ausgangspunkt für eine neue Klassifizierung. So ergänzt Smith (1997: 29) eine fünfte Klasse, die Semelfaktiva, die in ihrem Verhalten typologisch oft quer zu den Vendler classes liegen (3.2.5) Verkuyl hingegen fasst accomplishments und achievements zu einer einzigen telischen Klasse zusammen, da er in dieser Unterscheidung eine ontologische erkennen will und kommt daher auf nur drei Klassen 8: „There are a great many cases where the Simple Present can be used to report actual winnings and findings. But it also suffers more serious setbacks due to the fact that from the point of view from language the length of (a time unit involved in) an event does not qualify as a meaning element that distinguish certain verbs from others.“ Verkuyl (1993: 49).

8 Vgl. dazu unter anderem Sasse (2002). Laut Verkuyl (1993) ist Durativität keine semantische Eigenschaft des Verbs, sondern hängt vom außersprachlichen Weltwissen ab. Kritiker wie Sasse haben ihm vorgeworfen, dass hier eine syntaktische und keine semantische Analyse zugrunde liege.

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Die Situationstypen

Croft (2012: 53ff.) zeigt eine zweidimensionale Analyse des lexikalischen Aspektes. Darin folgt Croft den grundlegenden vier Kategorien Vendlers, differenziert diese aber vor dem Hintergrund einer geometrischen Modellierung. Dabei unterscheidet er eine zeitliche Struktur von einer qualitativen. Die Situationstypen erklären sich so aus der Veränderung der Qualität über eine zeitliche Ausdehnung. Das Potential dieses Modells bedarf noch weitergehender Studien. Eine offenbare Schwäche im Differenzierungsversuch liegt darin, dass zwar die für das Englische wichtigen Prädikatslevel berücksichtigt werden, nicht aber die Veränderung syntaktischer Relation etwa beim Wechsel zum Resultativ oder semantischer Relation, wie sie bspw. für die Distribution der deutschen Perfekta in Sein und Haben Bildungen von Bedeutung sind. Eine für voll ausgebildete Aspektsprachen wichtige Unterscheidung betrifft ferner achievements und ob deren Lexem auch den resultierenden Zustand wiedergibt (3.5.3) und ferner den Wechsel von activity und accomplishment bei transitiver und intransitiver Konstruktion, z.B. ein Buch lesen (accomplishment): im Buch lesen (activity). Intervallbasierte Analysen, wie sie zuerst von Woisetschlaeger (1982) entworfen wurden, gehen von einer grundsätzlichen Trennung von Situation und Situationsveränderung als kompositionelle Elemente des Situationstyps aus9. Die Stärke dieser Modelle ist ihre modelltheoretische Klarheit. Für tote Sprachen ist allerdings eine umfängliche Intervallanalyse nur dort möglich, wo eine ausreichende Beleglage dies erlaubt. In intervallbasierten Analysen können Sachverhalte als andauernde zuständliche oder dynamische Situationen beschrieben werden. Zum anderen können punktuelle Situationsveränderungen beobachtet werden, die eine durative Situation semantisch nicht zum Ausdruck bringen. Aus der Kombination dieser zwei grundlegenden Komponenten können nun zwei weitere lexikalische Klassen abgeleitet werden, solche, die eine durative Lesart mit einem Endpunkt als Situationsveränderung verbinden, und solche, die die Situationsveränderung mit ihrer nachfolgenden Situation verbinden. Mit einer Differenzierung der nicht-kompositionellen durativen Lesart in Zustände und Aktivitäten gelangen wir zu der von Sasse (u.a. 2002) vorgeschlagenen Kategorisierung. Intervallsemantik bei Breu und Sasse Kürzel Benennung Intervall-1 ACTI Aktivität ø TSTA total-statal ø TTER total-terminativ ø GTER graduell-terminativ Situation ISTA inchoativ-statal ø

Intervall-2 ø ø Situationsveränderung Situationsveränderung Situationsveränderung

Intervall-3 Situation Situation ø ø Situation

In der Role and Reference Grammar (RRG) werden vier Gruppen analog zu Klassifizierung Vendlers unter anderen Bezeichnungen geführt. Konzeptioneller Hintergrund ist die Beschränkung der Vendlerschen Terminologie auf das Lexikon als „Aktionsart“, gegenüber den RRG Situationstypen als syntaktische states of affair (van Valin & LaPolla 1997: 92):

9 Ein Überblick über intervallbasierte Modelle und eine allgemeine Kritik findet sich in Croft (2012: 48ff.).

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

states of affair und Situationstypen situation state event achievement process accomplishment action activity Dadurch wird zugunsten der begrifflichen Klarheit das terminologische Inventar mit weitgehender Synonymie belastet und es findet sich häufiger ausschließliche Bezüge auf eine der Kategorien. Problematisch sind sie aufgrund ihrer Vermischung mit der Teminologie der Case Grammar Theory (Kasusgrammatik; s.a. 3.2.2). Der Vorteil der Vendler classes ist gegenüber diesen die Transparenz bei der Rezeption der Forschungsliteratur und der umfangreiche Kenntnisstand bezüglich problematischer und unklarer Fälle. Außerhalb der Linguistik und im Rahmen von Tempus und Aspekt empfiehlt sich daher ein terminologischer und begrifflicher Anschluss an die klassische Situationstypenlehre. 3.2.7 Zusammenfassung Aus den Beispielen zu den vier Situationstypen ist ersichtlich, dass Vendler sich in seiner Arbeit nicht auf das lexikalische Verb bezog, sondern auf Verbalphrasen (Verb und Objekt). Seine Klassifizierung wurde auf allen, auch der morphologischen Ebene, angewandt. In dieser Arbeit werden die Vendler classes zur Bezeichnung des Satzaspektes verwendet und berücksichtigen Argument- und Adverbialstruktur des Satzes, blenden aber die grammatischen Tempus- und Aspektkategorien des Verbs aus. Aus der Fallstudie zum Altassyrischen wird deutlich werden, dass durch diese Vorgehensweise dem Verständnis des Lexikons des akkadischen Verbs am besten gedient ist10. Die Situationstypen Vendlers sind also zugleich eine lexikalische und eine syntaktische Beschreibung des Verbs und tragen der engen Verknüpfung von lexikalisch veranlagter Lesart und syntagmatischer Verknüpfung Rechnung. Als diskrete Kategorien modelliert bieten sie in der Untersuchung einer Objektsprache mit grammatischem Aspekt im Verbalparadigma eine klare Gruppenbildung, die eine Aspektaffinität einerseits und aspektbedingte Variation der Lesarten (3.5) andererseits strukturell erfasst. Ihr Vorteil gegenüber offenen Klassifizierungen ist eine größere terminologische und begriffliche Transparenz in der Rezeption der Forschungsliteratur. Für das Akkadische und andere wiedererschlossene Sprachen ist auch zu beachten, dass eine detaillierte Unterklassifizierung im Mangel idealer Belege und der Wirklichkeit des Überlieferungsbestands seine Grenzen findet. Dies betrifft etwa Adverbialtests oder die Erfassung besonderer Lesarten, etwa bei degree achievements (3.2.5).

10 Konkret werden daher u.a. accomplishments in Verbindung mit Imperfektiv/Präsens als accomplishments (Satzaspekt) bezeichnet, obwohl sie sich syntaktisch wie activities verhalten. Zu einer davon unabhängigen Beschreibung der accomplishments im Rahmen einer geometrischen Modellierung, die zeitliches Intervall und qualitative Ebene differenziert, s. Croft (2012: 62). Die Darstellung der accomplishments als dreiphasiger Verbalaspekt würde allerdings zu Verwerfungen im Rahmen der hier gewählten inhärent symbolischen Beschreibung führen. Zu letzterer Croft (2012: 37ff.).

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Aktionsarten

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Die vier Situationstypen Vendlers zeigen eine prototypische Semantik, und es ist daher auch bei einer strengen viergliedrigen Situationstypenlehre erforderlich, vornehmlich im Bereich der achievements zu differenzieren. Diese Differenzierung ist zur Erklärung varietätsspezifischer Situationstypenwechsel und Veränderung der paradigmatischen Aspektstruktur relevant und in ihrer Umsetzung abhängig von den wirkungsmächtigen Eigenheiten der Objektsprache. Bei den states zeigt sich zudem eine Überschneidung mit anderen grammatischen Kategorien im Rahmen ihrer prototypischen Bestimmung. Bei der Zuordnung von Situationstypen ist insbesondere auf ambivalente Distribution der Lesarten zu verweisen, wobei der der Semantik des Lexems inhärente Wechsel von einem Wechsel zu unterscheiden ist, der von der Aspektsemantik der paradigmatischen Form abhängt.

3.3 Aktionsarten 3.3.1 Aktionsarten in der Sprachwissenschaft In der zeitgenössischen Forschung bezeichnen die Aktionsarten, wie sie Agrell (1908) definiert hat, den im Lexikon morphologisch veranlagten Aspekt eines Verbs. Er kann auch allgemein gefasst mit dem lexikalischen „aspect“ der Situationstypen in der anglo-amerikanischen Linguistik gleichgesetzt werden (Sasse 2002: 203)11. Sie beschreiben dann ganz allgemein die lexikalisch veranlagte Zeitstruktur des Verbs: „Die Aktionsarten […] versuchen auch im Vorgang selbst den Inhalt bzw. die Stadien des Verlaufs zu erfassen, darzustellen und zu bezeichnen.“ (Schanen 2004: 21). Der Begriff der Aktionsart ist in der deutschsprachigen Forschung geprägt worden und heute durch die Indogermanistik klar umrissen. “Aspects were defined as grammatical categories that do not change lexical meaning, while “Aktionsarten” were taken to be devices of word-formation and thus a matter of lexical enrichment outside the scope of grammatical description (see e.g. […] Koschmieder 1928/29, among others; […].” Sasse (2002: 209). In der deutschsprachigen Indogermanistik wird ein inhärenter Verbalcharakter des Lexems, der nicht morphologisch gekennzeichnet ist, vom Aktionsartenbegriff ausgenommen12. Aktionsarten bezeichnen dann eine morphologische Derivation, d.h. eine morphologische Ableitung im weiteren Sinne, zu der neben Affixen auch Reduplikation, Ablaut u.ä. zu zählen sind. Dementsprechend ist im akkadischen PRF (Kap. 8) formal eine Aktionsart mit ta-Infix zu erkennen (i-pras). Formal bedeutet dies, dass die Funktion des Aktionsartenaffixes auf ihre grammatischen Funktionen beschränkt ist und ein Einfluss auf die Valenz, die lexikalische Semantik und den Situationstyp, wie er in der Derivation des t-Infixes wirkungsmächtig ist, nicht mehr erkennbar ist. Ein Beispiel zur komplexen Wirkung einer

11 Dieser konkurrierende Begriff ist aber um die genannte morphologische Komponente zu reduzieren (s.u.). Es handelt sich dabei nicht mehr um einen formalen Begriff, sondern eine Kategorie aspektueller Funktionen. 12 Für das Deutsche ebenso in Zifonun u.a. (1997: 1860ff.).

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

Aktionsartenbildung stellt sich etwa am deutschen Erkämpfen zum Simplex Kämpfen folgendermaßen dar: Aktionsarten und Situationstyp Lexem inhärenter Verbalaspekt kämpfen Aktionsartenbildung er-kämpfen

lexikalischer Aspekt imperfektiv perfektiv

Situationstyp activity achievement

Aktionsartenbildung des Verbs Erkämpfen Simplex Kämpfen Derivatives Morphem lexikalischer Aspekt Situationstyp Aspekt erperfektiv achievement Semantik zum Verb Kämpfen eine egressive, d.h. die Vollendung anzeigende Bildung. Grammatik zum Verb Kämpfen eine Promotion des fakultativen präpositionalen Objekts des intransitiven Simplex zum Akkusativobjekt (um etwas kämpfen: etwa erkämpfen). Zu den Derivationen der Aktionsarten gehören im Akkadischen neben Affixen (wie im akkadischen PRF) auch Reduplikationen (so akkadisch die Wurzeln rdi: begleiten, führen und rdd: verfolgen). Charakteristisch für diesen Aktionsartenbegriff ist nicht die Aspektsemantik, sondern die Derivation im Allgemeinen. Daher können auch andere Funktionen unter Aktionsarten geführt werden: z.B. sind das altgriechische Futur eine ursprünglich desiderative Aktionsart des Lexems (Rix 1992: 225) und der akkadische Š-Stamm eine primär kausative Aktionsart (vgl. auch Blohm 1990: 20). Aktionsarten im Deutschen sind die verbalen Präfixe mit meist perfektiver Semantik (Leiss 1992: 45f.), wie z.B. jagen: erjagen usw. (vgl. Comrie 1976: 46f.). Diese erweiterte Beschreibung des Aktionsartenbegriffs ist als solche für die Verwendung innerhalb von Sprachen wie dem Deutschen, die keine grammatischen Aspektsysteme zeigen, bestimmend und wird teilweise auch darauf reduziert: „Aktionsarten werden durch Verbalpräfixe gegenüber den Basisverben eingebracht, peripher auch durch das S u f f i x -{e)l (lächeln, streicheln). Aktionsartdifferenzierungen, die immer nur an den abgeleiteten Verben m a n i f e s t werden, werden mit Termini bezeichnet wie ,ingressiv/inchoativ' (losbrüllen gegenüber brüllen, anlaufen gegenüber laufen), ,egressiv'(ausklingen gegenüber klingen), ,iterativ' (streicheln gegenüber streichen), ,intensivierend' (lächeln gegenüber lachen). Sie bringen also ganz bestimmte Spezi f i z i e r u n g e n (meist im Rahmen der Außenperspektive) mit sich, die mit dem entsprechenden Basisverb nicht ausgedrückt werden können.“ Zifonun u.a. (1997: 1861; Hervorhebung im Original). Eine Aktionsart als Derivationsmorphem ist dabei nur selten Träger einer diskreten Funktion13. Regelmäßig liegt eine Interaktion zwischen der Semantik des Lexems und der Semantik des Aktionsartenmorphems vor: So bezeichnet die Reduplikation im Altgriechischen zumeist das Perfekt – neben auch durch Reduplikation gebildeten Präsensstämmen. Ähnlich liegen Reduplikationsstämme im Akkadischen sowohl im Präsens als auch im D-Stamm vor 13 Einen Überblick der Begriffsgeschichte in den Sprachwissenschaften findet sich in Sasse (2002: 208ff.).

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Aktionsarten

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(11.2), in dem neben kausativer Semantik auch andere Funktionen belegt sind (Kouwenberg 2010: 271ff.): „Die Aktionsart als solche hat primär nichts mit Aspektfragen zu tun, ein morphologisch markiertes Kausativ ist ebenso eine Aktionsart wie ein entsprechendes Intensiv oder eine als verbale Kategorie markierte habituelle Tätigkeit. Sie weist aber wie jedes Prädikat auf Grund ihrer Bedeutung automatisch einen der beiden Verbalcharaktere auf, den imperfektiven, […], oder einen perfektiven, […].“ Back (1991: 288). Diachron kann ein solcher Zusammenhang durch den semantischen Wandel einzelner Lexeme derart unkenntlich werden, dass die Aktionsartenmorpheme zwar vorliegen aber in synchroner Analyse ihre eigentlichen Funktionen nicht mehr zu bestimmen sind. Die Darstellung ihres Funktionskatalogs bleibt dann der diachronen und rekonstruierenden Analyse vorbehalten. Mit der morphologisch bestimmten Aktionsartenbegrifflichkeit können dann auch die semitischen Stammformen als Aktionsarten – ohne die etwa von Blohm geforderte Einschränkung für alle Formen der semitischen Einzelsprachen – verstanden werden: „[Dann] kann für das Arabische nur eingeschränkt „ja“ gesagt werden, nämlich mit Bezug auf die Ableitungsketette I. – II- – IV. Stamm […]. Weitere – modifizierende – Phasenbedeutungen sind im Arabischen, in Sonderheit auch bei den abgeleiteten Verbstämmen nicht nachzuweisen.“ Blohm (1990: 20; Ergänzungen durch Verfasser). 3.3.2 Aktionsarten in der älteren akkadistischen Literatur Die Terminologie der akkadischen Referenzgrammatik von Sodens (GAG §§ 78ff.) bezieht sich noch auf eine ältere Diskussion um den Aktionsartenbegriff. Diese Diskussion ist inzwischen Wissenschaftsgeschichte und wurde für die Akkadistik an prominenter Stelle in Landsberger (1926) besprochen. Es ist die Frage nach der Unterscheidung in subjektive und objektive Aspektualität (1.2.1.2). Subjektiv sind dabei zunächst Aspektkategorien als paradigmatische Kategorie der Flexion zu verstehen, wenn sie das Lexem in einer ausgewählten Perspektive darstellen, die entweder die Verbalhandlung in seinen Grenzen oder im Verlauf betrachtet und die Grenzen bewusst ausklammert. In seinen Grenzen vorgestellt ist sie perfektiv; wird nur der Verlauf als Teil der lexikalischen Verbalhandlung betrachtet, ist die Form imperfektiv. Diese Unterscheidung wird nicht durch das Lexem, sondern durch den Sprecher vorgenommen. Insofern ist der Aspekt dann subjektiv und eine syntaktische, dichotome Charakterisierung. Aktionsarten hingegen stellen eine lexikalisierte Beschreibung der Verbalhandlung dar und sind vom Sprecher unabhängig, also objektiv, d.h. sie sind Träger einer spezifischen Semantik. Nach diesem Prinzip sind dann auch Tempora objektiv, denn, obwohl Zeitstufen deiktisch sind und insofern subjektiv bestimmt werden (Landsberger 1926: 261), wird die Verbalhandlung so vorgestellt, wie sie im Lexikon erscheint. Objektiv sind in dieser Modellierung ferner auch solche aspektuellen Formen, die konkrete semantische Beschränkungen aufweisen, wie etwa ein Progressiv, der keine oder nur eingeschränkt Zuständlichkeit zum Ausdruck bringen kann und dessen Funktion nicht durch

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

die Perspektive des Sprechers bedingt ist, sondern eine Interpretation des Situationstyps voraussetzt. Ein Progressiv ist in dieser Terminologie dann also eine objektive Aktionsart14. Soweit ist nun die Begrifflichkeit an sich ungeachtet der Etikettierung (subjektiv: objektiv) nicht vom modernen Aktionsarten- und Aspektbegriff unterschieden. Tatsächlich bezieht sie sich auch nicht auf die Funktion der Formen, sondern ihre Position innerhalb der Sprache und den Strukturen von Aspektsprachen überhaupt. Dabei gilt es aber zu beachten, dass teils eine Entsprechung von Durativität und Imperfektivität (GAG § 78a) einerseits und Punktualität/ Momentativität und Perfektivität (GAG § 79a) andererseits angenommen wurde, der ein heute nicht mehr gebräuchlicher Begriff grammatischer Punktualität zugrunde liegt (1.3.3) 15; prominentes Beispiel ist der altgriechische Aorist im Sinne von: „Er regierte 30 Jahre lang.“ (Übersetzt aus Comrie 1976: 17). Aktionsartensprachen seien demnach Sprachen mit im Lexikon veranlagter Unterscheidung des Aspekts – so etwa die slawischen Sprachen (3.3.5). Aspektsprachen seien dann Sprachen wie das Altgriechische, in denen ein Lexem paradigmatisch in einem der beiden Aspekte erscheint. So wird das Akkadische von Landsberger als Aktionsartensprache geführt, da z.B. das PRS nicht einfach als Imperfektiv erscheint, sondern eine konkrete dynamische Semantik besitzt, die Landsberger als bestimmendes Merkmal der PK sieht: „Das akkadische Verbum [...] wird beherrscht von dem Dualismus zwischen momentan oder punktuell und dauernd. Der momentanen Aktion fällt ein Thema (i-kšud) der dauernden zwei zu (kašid und i-kašad). Diese beiden letzteren [...] unterscheiden sich nur dadurch, daß das eine Mal ein ruhender Zustand, das andere Mal ein dauerndes Geschehen ausgedrückt wird.“ Landsberger (1926: 359). Nun stelle die Dynamik einer Situation keine subjektive Darstellung einer Verbalhandlung dar. Vielmehr ist die Unterscheidung meistens eindeutig, dem strengen Begriff des Aspekts des frühen zwanzigsten Jahrhunderts folgend, wird diese in den Bereich der Aktionsart verwiesen. Das gilt sowohl universell als auch einzelsprachlich. Mögliche Mehrdeutigkeiten betreffen z.B. im Englischen Verben wie leben, hassen, lieben (vgl. Dowty 1979: 66ff.) oder die Interpretation negierter Aussagen, die universal als Zustände charakterisiert werden können (Verkuyl 1993: 163f.). Innerhalb einer konkreten einzelsprachlichen Varietät ist die Varianz dabei zunächst heuristisch zu ermitteln.

14 Tatsächlich ist zu beachten, dass ungeachtet der syntaktischen Imperfektivität eine für eine Aktionsart charakteristische Derivation vorliegt, die nur einen Teil des Lexikons umfasst. Wird das Progressiv als paradigmatischer Aspekt beschrieben, wie in 4.7.3, dann unter der Berücksichtigung seiner Teilhabe am verbalen Paradigma der Sprachvarietät. Inwiefern es überhaupt zweckdienlich sein kann, ein Progressiv als Aktionsart zu führen, kann hier nicht besprochen werden. 15 Unter dem Eindruck der Situationstypenlehre wird in der modernen Forschung die Punktualität nur als Etikett einer semantischen Eigenschaft verwendet. Dadurch spielt die semantisch veranlagte Zeit einer Verbalhandlung die entscheidende Rolle bei der Charakterisierung als punktuell oder durativ! Für einen Überblick zur Subjektiv: Objektiv Diskussion s. Sasse (2002: 210).

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Aktionsarten

Subjektiv: Objektiv Opposition Charakterisierung Imperfektiv subjektiv

Progressiv

objektiv

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Erläuterung Der lexikalische Situationstyp und andere Eigenschaften bleiben erhalten. Die rechte Intervallgrenze der Verbalhandlung wird ausgenommen. Diese Vorgabe ist Ausdruck der Perspektive des Subjekts oder Sprechers und verändert den wiedergegebenen Vorgang qualitativ nicht. Der lexikalische Situationstyp und andere Eigenschaften werden in eine dynamische Situation überführt. Dabei werden Zustände, wenn sie im Progressiv möglich sind, als vorübergehend bzw. situativ charakterisiert. Das Progressiv gibt also im Rahmen seiner Semantik nur eine bestimmte Qualität von Handlungen und Zuständen wieder. Daher beeinflusst es das Verballexem hinsichtlich des außersprachlichen Vorgangs in der Wirklichkeit, über den gesprochen wird. Die rechte Intervallgrenze der Verbalhandlung wird ausgenommen; daher ist das Progressiv zugleich imperfektiv.

Aktionsarten in dieser heute aufgegebenen Gegenüberstellung beabsichtigen eine Unterscheidung von Aspekten und Aktionsarten als lexikalisch weitgehend unabhängige Kategorien, wodurch wiederrum in der modernen Forschung aspektuell verstandene Formen, wie das Progressiv, noch als Aktionsarten begriffen worden sind: „Von diesen Aspekten scharf zu scheiden sind die Aktionsarten, die die wissenschaftliche Grammatik eigentlich erst seit Agrell’s Arbeiten von den Aspekten zu sondern beginnt. Sie drücken nicht aus, wie eine Handlung betrachtet wird, sondern wie sie vor sich geht.“ Koschmieder (1928: 281). 3.3.3 Aktionsart und lexikalische Aspektbedeutung 3.3.3.1 Einleitung Eine besondere Schwierigkeit in der Erfassung der Aktionsarten ist die Trennung lexikalischer und grammatischer Derivation einerseits und ihrer allgemeinen semantischen Ladung und wurzelspezifischer Bedeutung andererseits. Bei einer lexikalischen Derivation zeigt das Bildungsmorphem eine eigenständige semantische Bedeutung, etwa bei Verbindungen von Verbalstamm und Präfix im Altgriechischen, wie etwa zu ἔρχομαι: kommen mit διέρχομαι: hindurchgehen oder ἄπέρχομαι: weggehen. Diese gleichen formal den präfixalen Aktionsarten des slawischen in ihrer lexikalischen Semantik, zeigen aber keine grammatische Derivation (3.3.5.3). Andererseits zeigen grammatische Derivationen, wie der sigmatische Aorist des Altgriechischen, synchron keine semantische Ladung, sondern sind auf ihre grammatische Funktion beschränkt, d.h. im genannten Beispiel die Bildung perfektiver Verbalstämme zu Wurzelpräsentien. Dass dieser Übergang fließend sein kann und sich grammatische und lexikalische Derivation überlagern können, zeigt etwa das innerslawisch

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innovierte Aspektsystem als paradigmatische Erneuerung der indogermanischen Aspektdichotomie (Tichy 1999: 128). Aktionsarten in Grammatik und Lexikon Simplex Derivation Grammatisch ἔρχομαι ἄπ-έρχομαι βασιλεύω ἐβασίλευ-σ-α perfektive Derivation

Semantisch separative Aktionsart -

Schlussendlich kann im Zuge des semantischen Wandels eine Aktionsart in unterschiedlichen und historisch nicht mehr verknüpften Bildungstypen erscheinen. Hier bedarf es der Einzelprüfung, um nicht vorschnell aufgrund einer synchronen formalen Entsprechung eine ursprüngliche Aktionsart zu rekonstruieren. Beispiele zu solchen Fragestellungen an die interne Rekonstruktion bieten etwa im Griechischen sigmatisches Futur und sigmatischer Aorist (Rix 1992: 224f.) oder Reduplikation in Präsens- Perfekt- und selten auch Aoriststamm (z.B. Aorist ἤγαγον zum Präsensstamm ἄγω: führen) oder im Akkadischen die Stämme des PRS (grammatisch) und des D-Stamms (semantisch) und das t-Infix der Stammbildung (semantisch) und des PRF (grammatisch)16. 3.3.3.2 Indogermanische und altgriechische Aktionsarten Für die indogermanische Grundsprache werden eine Reihe von Aktionsartenbildungen angenommen. Sie sind Referenz für die Frage der Grammatikalisierung der Aktionsarten in anderen Sprachen. Hierbei gilt es die begriffliche Feststellung Agrells zu den Aktionsarten zu berücksichtigen, die einen morphologischen und derivationalen und nicht rein semantischen Aktionsartenbegriff umschreiben: „Alle Aktionsartkategorien sind natürlich nicht immer ganz rein, d.h. von anderen Bestimmungen als den sich auf Zeitart und Resultaterreichen beziehenden frei.“ Agrell (1908: 79). Die indogermanischen Aktionsarten umfassen eine kausativ-iterative Aktionsart, vergleichbar akkadischem D-Stamm, eine desiderative Aktionsart, eine intensive Aktionsart, vergleichbar den akkadischen tan-Stämmen und den dynamischen Verben mediae geminatae, eine fientive Aktionsart, vergleichbar akkadischem N-Stamm sowie eine essive Aktionsart. Über die Beziehungen dieser Aktionsartensuffixe und der Stammbildungssuffixe von Präsens-, Perfekt- und Aoriststamm lassen sich auf Basis sprachtypologischer Annahmen und unter Vergleich der jeweils kürzesten Form, d.h. Nullstufe der Suffixe, einige Strukturbeziehungen postulieren. Sie sind auch für die Deutung des akkadischen Verbalsystems von Interesse. Insoweit diese sprachtypologisch betrachtet werden, ist dabei zunächst nicht zwischen historisch ererbten und nur formal angeglichenen Formen zu trennen. Für die Deutung der paradigmatischen Aktionsarten von besonderem Interesse ist das Kausativ-Iterativ Suffix -(é)ie/o-. Ein enger semantischer Zusammenhang zwischen kausativer und iterativer Aktionsartsemantik im Indogermanischen schließt die Lücke zwischen 16 Die Stammbildungen sind primär semantisch zu verstehen, denn Veränderungen der Valenz begegnen mit Ausnahme des Š-Stamms in Abhängigkeit von der Struktur des Lexems und den semantischen Rollen der Argumente.

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akkadischem Präsensstamm, D-Stamm und Iterativinfix, das als Dissimilation aus einem Präsensstamm mit Infix hervorgegangen sein könnte (11.4.5). Dieses Infix ist aber funktional nicht an den dem PRS formal gleichen D-Stamm mit meist kausativer Semantik anzuschließen, auch weil etwa ein denominaler Ursprung im Indogermanischen für das KausativIterativ-Suffix angenommen wird (Rix 2001: 23), wie es auch für den D-Stamm belegt ist, z.B. bei wazzunum: hinhören zu uznum: Ohr. Auch die Präsensbildungen mit Suffix der Typen -ie/o- und -éie/o- sind hier zu berücksichtigen. Unter den gesicherten Präsensstämmen dieser Bildungstypen finden sich überwiegend agentive oder semantisch kausative Verben, wie altgriechisch πεύϑομαι: erfahren, wahrnehmen (vgl. hierzu altassyrisch ammurum: prüfen (11.2.2.3) zu akkadischem Grundstamm amāru(m):sehen); δάπτω: zerfleischen (vgl. hierzu altbabylonisch D-Stamm ~ Grundstamm zu baṣāru(m): zerfleischen); ἀρόω: pflügen (vgl. hierzu jungbabylonisch D-Stamm ~ Grundstamm zu šakāku(m): eggen) sowie hethitisch u.a. tāyezzi: stehlen oder iskiyanzi: salben (vgl. hierzu jungbabylonisch muššû: salben). Aktionsart und Grammatikalisierung -ie/okausativ und iterativ -parrVskausativ und dynamisch

agentives Präsens Progressiv (~agentives Imperfektiv)

Das Desiderativsuffix -s(é/ó)- ist von besonderem Interesse, da für dieses zum einen eine modale Nuance postuliert wird und zum anderen eine semantische Wechselwirkung oder genetische Entsprechung zum Aoristsuffix -s- zu berücksichtigen ist. Letztere ist vor dem Hintergrund der futurischen Semantik modaler perfektiver und präteritaler Formen (5.3.3.2) und einer Deutung des sigmatischen Futurs des Altgriechischen als Aoristsuffix -s- mit Konjunktivendung -e/o- besonders zu beachten. Das Futur wäre dann ein perfektiver Konjunktiv, der durch seine Primärendung zusätzlich als non-past ausgewiesen ist; perfektivem non-past und modalem Perfektiv ist beiden eine futurische Zeitlage inhärent (5.3.3). Aorist und Desiderativ Relation -s(é/ó)Konjunktiv zu -s-sIndikativ

Aktionsart desiderativ -

Tempus futurisch (=perfektives Präsens) perfektiv

Tatsächlich darf diese Gleichung aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass für eine Deutung des Futurstamms als Konjunktiv der sigmatischen Aktionsart des Aorists vornehmlich nur sprachtypologische Argumente vorgebracht werden können. Auf Basis der indogermanischen Rekonstruktion muss diese Hypothese mit Rix eingeschränkt werden: „Gegen die Auffassung, das ältere sigmat[ische] Fut[ur] des Griech[ischen] und […] lat[einisch] capsō […] seien aus dem kurzvokal[ischen] Konj[unktiv] (§251f.) des sigmat[ischen] Aor[ists] umgedeutet, sprechen u.a. die isolierte e-Stufe der Wurzel in Fällen wie gr[iechisch] ἐλεύσομαι (§ 241; Aor[ist] ἤλυθον, schon [indogermanisch] schwundstufig-themat[atisch], § 233) oder das att[ische] Fut[ur] von Wurzeln auf Liquida oder Nasal (τενῶ < *tenesō: Aor. ἔτεινα < *etensa). Eine inhaltliche Einwirkung des Konj[unktiv] Aor[ists] auf das gr[iechische] Fut[ur] (§ 209) ist dagegen kaum zu bestreiten.“ Rix (1992: 225; Anm. durch Verf.).

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Der (rein) formal zum ingressiven Fientiv (-éh1/h1-) gehörende Essiv (-h1ié/o-) mit stataler Lesart könnte als solcher als Kausativ-Iterativ des Fientivs hergleitet werden. Vor dieser zunächst nur sprachtypologisch motivierten Darstellung können möglicherweise semantische Bezüge von D-Stamm in PK und SK des Akkadischen erhellt werden; so etwa indogermanisch *dek̂ -: nehmen, wahrnehmen mit homerischem Kausativ begrüßen und lateinischem Essiv sich ziemen [~begrüßenswert sein(?]) zu altassyrischem qabāˀum: sagen in der PK und befohlen sein in der SK, wobei der Wechsel vom indirekten Objekt der PK zum Subjekt der SK der eines angenommenen Wechsels des Objekts des Grüßens bei indogermanischem *dek̂ - entspräche. Aktionsarten und syntaktische Relation Relation essiv: fientiv Stammform: Derivation -éh1/h1- : -h1ié/oAntikausativ: Kausativ akkadisch šaqālu(m) iššaqil: šaqqulāku

Opposition dynamisch: zuständlich ingressiv: resultativer Zustand Es wurde bezahlt: Ich bin bezahlt worden.

Reduplizierte Stämme begegnen außerhalb der Perfektbildungen im Indogermanischen sowohl als Präsensstämme als auch als Intensivstamm. Ihre formalen Abgrenzungen und strukturellen Beziehungen sind recht komplex und vornehmlich für die Analyse des indogermanischen Perfekts von Bedeutung; ähnlich zeigen auch die akkadischen Bildungstypen (11.5) zahlreiche formale Varianten und unklare strukturelle Bezüge untereinander. Wie für die akkadische PK mit PRT als Verbalstamm und PRF und PRS als ursprüngliche Aktionsarten kann auch für die Verbalstämme des Indogermanischen von einer einzigen ursprünglichen Form ausgegangen werden. Meier-Brügger etwa postuliert den Präsensstamm als ursprüngliche Verbalwurzel, zu dem Aktionsartenbildungen in einem System mit Aoristund Perfektstämmen in Ergänzung zum Präsensstamm grammatikalisiert wurden und die eine weit komplexere Distribution der beteiligten Aktionsarten zeigen als das semitische Verb: „Bei der Durchsicht der Stammbildungen […] fällt auf, daß die Aorist- und Perfektstammbildungen nur 4 Typen stellen, die Präsensstämme aber im Extremfall 21 […]. Nimmt man ferner die Stammbildungen der Aktionsarten dazu (sie sind alle präsentisch!), so ist es wohl nicht falsch, wenn man vermutet, daß das uri[n]d[o]g[ermansiche Verbalsystem zunächst aus einem reichlich ausgebauten Aktionsartensystem bestand. Die Aorist- und Perfektstammbildungen waren ursprünglich ebenfalls Aktionsarten. Erst sekundär wurden sie zu Aspektstämmen und ermöglichten damit ein Aspektsystem, bei dem einem bestimmten Präsensstamm ein darauf bezogener Aorist- oder Perfektstamm gegenüber gestellt werden konnte.“ Meier-Brügger (2002: 176). Gegen Meier-Brügger ist allerdings auch ein Verständnis des ursprünglichen Verbalwurzelsystems als perfektiv zu verstehen, von dem durch zahlreiche Aktionsarten ein Präsensparadigma hergeleitet wurde, wie es im Russischen mit imperfektiven Wurzeln und perfektiven Aktionsarten in entgegengesetzter Richtung geschieht. Von den rekonstruierten Aktionsarten der indogermanischen Sprache sind im historischen Altgriechisch nur Spuren verblieben, die nicht unmittelbar auf die zugehörige Aktionsart verweisen und durch den einzelsprachlichen Lautwandel und paradigmatischen Ausgleich

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teils unkenntlich werden. Für diese aus interner und vergleichender Rekonstruktion gewonnenen Aktionsartenbildungen gilt eine Grammatikalisierungsstufe vergleichbar den akkadischen Stämmen im Tempus/Aspekt-Paradigma und den paradigmatischen Stammformen. Für die durch kompositionale Bildungen gewonnenen Lexeme sind für das Altgriechische den slawischen Sprachen vergleichbare Beobachtungen zu machen. Im Unterschied zu den slawischen Sprachen hat das Griechische diese präfixalen Aktionsarten jedoch nie zur Erneuerung der grammatischen Aspektdichotomie herangezogen. Auch Kritiker aspektueller Semantik der Präfixe wie Debrunner (1942: 287) mochten zumindest einem Teil dieser Verbalstämme eine resultative oder terminative Aktionsart zuerkennen. Die aspektuelle Semantik wird aber durch das voll ausgeprägte grammatische Aspektparadigma des Altgriechischen wesentlich unterdrückt und sie zeigt meist keine oder nur geringe Unterschiede zum zugehörigen Simplex (Napoli 2006: 23). 3.3.3.3 Aktionsarten im Deutschen und Russischen Im Sinne des morphologischen Aktionsartenbegriffs weist das Deutsche eine Reihe von Aktionsarten auf, zu denen der aus -jan Suffix hervorgegangene kausative Ablaut (z.B. fällen) oder eine Reihe perfektiver Präfixe wie er- in erjagen und das häufig applikative (3.3.4.2) be- in beladen usw. zählen sind. Deutsche Aktionsarten applikativ kausativ be*-jan beladen fällen

eggressiv ererjagen

Für das historische Germanisch von besonderem Interesse ist die semantische Ladung und mögliche grammatische Funktion von althochdeutschem ga/gi/ge in ingressiver bzw. perfektiver Funktion (Leiss 1992: 54ff.) sowie die frühneuhochdeutsche Periphrase des Infinitivs mit konjugiertem Präteritum des Verbs werden in ebenfalls ingressiver bzw. perfektiver Funktion (Wiesinger 2001: 181f.). Deren perfektive Semantik verbleibt aber im Bereich lexikalischer und pragmatischer Distribution; überzeugende Studien, die eine paradigmatische Distribution oder eine syntaktische Regel belegen, fehlen. In jedem Fall treten diese Erscheinungen gegenüber der grammatischen Derivation (3.3.5) im Russischen hinsichtlich ihres Grammatikalisierungsalters zurück und sind dabei sprachtypologisch als frühere Grammatikalisierungsstufe eines Aspektsystems, wie des Russischen, zu verstehen, das allerdings selbst nie vollständig grammatikalisiert wurde. Auch im Deutschen treten aspektaffine Situationstypenwechsel auf, die aber, wie die griechischen Präverben, kein Aspektdichotomie beibringen. Prinzipiell sind allerdings auch im Deutschen alle Präfixe perfektiv. Im Vergleich mit den slawischen Sprachen, dem Altgriechischen und dem semitischen Lexikon ist von einer strukturbedingten perfektiven Semantik von Aktionsartenpräfixen auszugehen, die mit anderen Eigenschaften der Einzelsprachen korrelieren. Belegmaterial für eine den indogermanischen Suffixen vergleichbare Ableitung perfektiver Stämme bietet etwa das Material in Bybee u.a. (1994: 88). Sie ergänzen den Bestand perfektiver Suffixe in slawischen Sprachen. Im Umkehrschluss lassen sich allerdings keine imperfektiven Präfixe nachweisen. Möglicherweise sind nur Aktionsartensuffixe

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aspektvariabel, also imperfektiv oder perfektiv; Aktionsartenpräfixe hingegen universal perfektiv. In den slawischen Sprachen sind diese Aktionsarten zu einem System grammatischer Derivation ausgebaut (3.3.5). Die wesentliche Besonderheit der Aktionsartenbildungen ist die Entstehung eines auf lexikalischer Derivation aufbauenden Aspektsystems, dass eine formale Erneuerung der indogermanischen Aspektdichotomie von Präsens- und Aoriststämmen leistet: „[Es] ist die rein lexikalische Aspektbezeichnung russischen Typs jedoch das Ergebnis einer innerslavischen Entwicklung.“ Tichy (1999: 128). 3.3.3.4 Zusammenfassung Aktionsarten zeigen ein komplexes Interaktionsgefüge mit dem Lexikon auf. Grundsätzlich lassen sich die Aktionsarten hinsichtlich ihrer Aspektualität in folgende vier Gruppen unterteilen: In Aspektsprachen (1) als paradigmatisch grammatikalisierte Bildungstypen ohne bewahrte lexikalische Bedeutung, wie etwa der sigmatische Aorist oder das akkadische reduplizierte Präsens, (2) als Derivation an der Schnittstelle zwischen lexikalischer Semantik und grammatischer Derivation, wie bei den slawischen Verbalpräfixen oder dem t-Infix des Akkadischen als Gt-Stamm oder t-Perfekt, in allen Sprachen (3) als lexikalische Derivation mit aspektueller Semantik, wie etwa deutsch bei perfektivem Präfix er- in erkämpfen oder akkadisch in der Reduplikation des mittleren Radikals bei Verben III-infirmae, wie redû(m): (hin)führen zu radādu(m): verfolgen oder dynamischem danānu(m): stark werden zu zuständlichem dān: ist stark und schließlich (4) in Wechsel mit valenzverändernder Bedeutung, wie im Akkadischen im N-Stamm mit valenzreduziereder oder aspektsemantischer (ingressiver) Bedeutung oder in deutschem sich weigern: verweigern anstelle sich weigern: *weigern nach Vorbild anderer Bildungstypen, wie u.a. sich stellen: stellen. Insgesamt sind alle getroffenen Unterscheidungen für die akkadistische bzw. vergleichende semitische Sprachwissenschaft relevant und bei der Rekonstruktion der Begriffsbezugssysteme zu berücksichtigen. Für das Akkadische ist die dritte Gruppe von besonderem Interesse, denn sie berührt die Frage nach der Bedeutung der im Grundstamm lexikalisierten Wechsel der dreiradikaligen Stammbildlung, wie etwa bei Verbalwurzeln mit Wechsel von t- als erstem Radikal (wabālu(m): tabālu(m):: tragen oder altassyrischem *nadānum: tadānum:: geben) sowie etymologisch sekundär zusammengestellten Formen, wie išû(m): haben zu rašû(m): bekommen oder našāqu(m): küssen zu našāku(m): beißen.17 3.3.4 Semantik der Aktionsarten über den Aspekt hinaus 3.3.4.1 Einleitung Bei der Betrachtung der Aktionsarten über ihre Aspektfunktion hinaus ist zu prüfen, welche Bandbreite semantischer Ladungen unter dem Aktionsartenbegriff geführt werden und welche Konsequenzen dies für die Betrachtung des lexikalischen Aspekts mit sich bringt. Orientierungsmaßstab geben hier die Aktionsartentypen der slawischen Sprachen, die unmit17 Der Dental zu išû(m): haben und našāku(m): beißen ist z.B. ugaritisch ṯ und die Übereinstimmung der Dentale der genannten Paare Ergebnis einer innerakkadischen Entwicklung.

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telbar und grammatisch mit dem Aspektbegriff verknüpft sind. Dabei ist neben der syntaktischen Valenz auf Überschneidungen zur adverbialen Semantik und modaler Funktion zu prüfen und diese begrifflich zu fassen. 3.3.4.2 Aktionsarten und Valenz Die in den paradigmatischen Stammformen des Semitischen regelmäßigen Funktionen der Veränderung der Valenz, wie im akkadischen Š-Stamm als Kausativbildung, begegnet auch in anderen Sprachen als Teil des Bedeutungsspektrums von Aktionsartenbildungen. So verfügt etwa das Deutsche über ein Präfix be-, dass zu vielen Verben eine applikative Derivation zeigt, etwa durch Demotion des direkten Objekts zum indirekten Objekt, wie in Ich lade Heu auf den Wagen oder Ich belade den Wagen mit Heu; durch Promotion des indirekten Objekts intransitiver Verben, wie in Ich schimpfe mit ihm zu Ich beschimpfe ihn; oder indem die semantische Rolle des Subjekts niedrigere semantische Agentivität erhält, wie in Ich sinne auf Rache zu Ich besinne mich auf meine Aufgaben. Der Applikativ hat also eine transitivierende Komponente, ergänzt aber anders als eine kausative Bildung kein neues Subjekt, sondern wirkt auf die Argumentstruktur an der Position von direktem und indirektem Objekt. Applikative Funktionen im Akkadischen begegnen vereinzelt beim D-Stamm mit Einführung eines neuen Objekts im Akkusativ in transitiver oder ditransitiver Funktion. Ein ditransitiver Applikativ begegnet z.B. bei ḫarāmum: in Hülle schließen, dass nur altassyrisch im D-Stamm mit zwei Akkusativobjekten belegt ist, sonst im Grundstamm aber nur die Tafel (ṭuppum: Tafel oder taḫsistum: Schreiben) als Objekt führt – seltener in sogenannter elliptischer Funktion den Inhalt des Schreibens als einziges Objekt. Im Allgemeinen zeigt dabei das historische Akkadisch eine starke Tendenz, Applikative ohne formale Derivation zu bilden, wie der ditransitive Grundstamm zu (ḫ)arāmu(m) außerhalb des Altassyrischen oder der häufige Wechsel von intransitiver und transitiver Bildung bei Bewegungsverben: „Ein weiterer Umstand, der die Gruppierung: transitiv-fientisch – intransitiv-fientisch erschwert, ist der Umstand, dass Verben der Bewegung sehr oft in verschiedenen semitischen Sprachen ein Akkusativobjekt bzw. dessen Äquivalent zur Bezeichnung des Ziels o.ä. erhalten, […]“ Aro (1964: 9). Applikativbildungen akkadisch Simplex ana bītim erēbu(m) (intransitiv) Applikativ bītam erēbu(m) (transitiv)

deutsch in das Haus treten das Haus betreten

Eine benefaktive Promotion begegnet vereinzelt beim STA verschiedener Verben, wie dem Grundstamm des STA qabāˀum: sagen, befehlen im Altassyrischen mit indirektem Objekt als Subjekt des STA qabi: befohlen sein oder dem D-Stamm zu šaqālum: bezahlen als šaqqul: bezahlt sein mit etwas (Akkusativ). Sie überschneidet sich inhaltlich mit der Funktion des Applikativs. Es bedarf hier weiterführender Studien zu Valenz und Transitivität im Akkadischen. Solche auf das Objekt einwirkenden derivationalen Verfahren sind aber gegenüber kausativen und antikausativen Aktionsarten in den Stammformen Randerscheinungen – sowohl im Akkadischen als auch in anderen semitischen Sprachen. Charakteristisch für das Akkadische

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ist, (1) dass mit Ausnahme des Š-Stamms valenzverändernde mit rein semantischen Lesarten in den Stammformen wechseln und (2) dass eigentliche passive Bildungen nicht vorliegen, da das Agens nie in peripherer Rolle in den paradigmatischen Stammformen begegnet und das Akkadische gegenüber anderen Varietäten des Semitischen einen konservativeren Zustand wiedergibt und zugleich Ausdruck einer geringeren Subjektsprominenz ist 18. 3.3.4.3 Adverbiale Bedeutung und Aktionsart Adverbiale Bedeutungen bei Aktionsartenbildungen sind vor allem aus den indogermanischen Sprachen bekannt und betreffen präfigierte Derivationen wie hin-, weg- oder hinüberim Deutschen. Diese Bildungstypen sind, wie die vergleichbaren Präfixe im Russischen, semantisch perfektiv und bringen eine meist telische (3.5.2) und perfektive Bedeutung bei oder konkretisieren eine bereits vorhandene im Rahmen ihrer lexikalischen Semantik. Im historischen Sprachstand des Akkadischen spielen solche Bildungstypen keine Rolle. Allerdings ist die Hypothese plausibel, dass in den Präfixen der Stammbildungen ursprüngliche Funktionsverben (sogenannte light verbs) anzunehmen sind, so etwa bei N-Stammm und Š-Stamm: “[T]hey show the original function of the light verb or the prefix that arose from it.” Kouwenberg (2010: 321). Und ferner: “[…], the earlier idea that the causative marker comes from a light verb is functionally far more likely.” Kouwenberg (2010: 353). Im Rahmen dieser angenommenen Grammatikalisierung sind dabei zunächst Vollverben zu Funktionsverben – vergleichbar dem analytischen Perfekt und Futur des Deutschen – geworden. In der fortgeschrittenen Entwicklung sind sie als Vollverben aus dem Lexikon ausgeschieden und haben ihren Wortstatus und ihre lexikalische Bedeutung verloren und sind zu Aktionsartenaffixen reduziert worden. Diese Hypothese ist auch vor dem Hintergrund des Sprachvergleichs mit den ägyptischen Konjugationsaffixen von Interesse, wo neben präfixalen und kausativen Frikativ ś- als weitestgehend lexikalisierte Aktionsart noch ein suffixale -n mit präteritaler und -t mit (non-past) perfektischer Bedeutung (Zonhoven 1996 u.a.) begegnet, die begrifflich mit t-Infix (Kouwenberg 2010: 156f.) und n-Präfix (vgl. Kouwenberg 2010: 315ff.) des Akkadischen zusammengebracht werden können und deren genetischer Bezug noch nicht befriedigend geprüft wurde. Bei adverbialen Präfixen, wie in altgriechischem διέρχομαι: hindurchgehen oder ἄπέρχομαι: weggehen, wird zugleich die Grenze von Aktionsart und Inkorporation von Adverbien überschritten. Dabei ist nach den Gegebenheiten der Einzelsprache zu prüfen, ob von inkorporierten Adverbien oder Aktionsarten zu sprechen ist. Letzteres erfordert eine formale Trennung eines Aktionsartensuffixes vom zugehörigen Adverb, wie etwa russ. pod-: 18 Subjektsprominenz ist Ausdruck der prototypischen Charakteristika, die dem grammatischen Subjekt zukommen (vgl. Thompson & Li 1976 sowie Dixon 2010: 116f.). Ausdruck geringer Subjektsprominenz ist etwa das Fehlen eines Passivs oder der Gebrauch des Subjektsakkusativ (d.h. Akkusativ anstelle Nominativs) im Altassyrischen (GKT § 110). Ein Verursacher in peripherer Rolle begegnet hingegen, wenn auch selten, beim STA des Grundstamms (7.4.2.8).

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unter- zu Präposition pod: unter, bei. Allgemein ist die formale Trennung bei gleichzeitiger präpositionaler Funktion gerechtfertigt; begegnen nur reine adverbiale Verwendungsweisen, ist die Sachlage im Einzelfall der jeweiligen Varietät sorgfältig zu prüfen. Eine Kategorisierung vor dem Hintergrund der Gesamtheit der bekannten Varietäten in eine sprachverbindliche Einteilung ist zu erstellen und zu rechtfertigen. 3.3.4.4 Zu modalen Aktionsarten Mögliche modale Aktionsarten sind neben der Annahme der desiderativen Aktionsart des sigmatischen Futurs etwa Affixe im Baltischen (Holvoet 2009: 202), die, soweit sie historisch belegt sind, allerdings keine echten lexikalischen Derivationen beibringen und als solche den Begriff der Aktionsarten sprengen. Aufgrund ihrer strukturellen Beschränkungen sind sie weniger Aktionsarten als grammatische Derivation und bisher nur im Rahmen einer rekonstruierten non-modalen Semantik mit dem Begriff der Aktionsart zusammenzubringen. Die Annahme echter modaler Aktionsarten ist daher vorerst zu verwerfen. Dementsprechend sind auch die Formen des modalen PRT im Akkadischen mit kontrahiertem Präfix l- als modaler Partikel, nicht aber als Aktionsart aufzufassen. Diese Abgrenzung gegenüber Aktionsarten lässt sich strukturell in den Formen der PK begründen, die das modale Präfix außerhalb der konjugierten Verbalform und noch vor die Personalaffixe stellen (2.3.7). Sprachtypologisch ist zu beachten, dass modale Präfixe vornehmlich bei polysynthetischen Sprachen, wie dem Cayuga (Sasse 2000: 196f.) oder dem Sumerischen, begegnen. Begrifflich sind sie dabei mit Polysynthese (bei abstrakter modaler Semantik) oder Inkorporation (bei lexikalischer modaler Semantik) verknüpft (Holst 2005: 126). 3.3.4.5 Zusammenfassung Betrachtet man Aktionsarten über die Aspektualität hinaus, so lassen sich im Wesentlichen Valenzveränderung, die aspektsemantisch motiviert erklärt werden kann (5.2.2) und adverbiale Bedeutungen hervorheben. Modale Semantik und Aktionsart finden hingegen begrifflich nicht zusammen. Unter dem Eindruck der Bedeutung der slawischen Sprache für den Begriff adverbialer Semantik der Aktionsarten ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Untersuchung anderer hier nicht berücksichtigter (und vermutlich polysynthetischer und inkorporierender) Sprachen die begrifflich strikte Trennung von Modalität und Aktionsart bestätigen oder auch revidieren kann. 3.3.5 Aktionsart und Situationstypen im Russischen 3.3.5.1 Eigenheiten und Bedeutung der slawischen Verbalmorphologie Die slawischen Sprachen sind noch vor den um ein Perfekt bereicherten Sprachen der klassischen Philologie für den Begriff des Aspektdichotomie maßgebend (Pollack 1988: 20ff.). Das Verständnis der verbalen Derivation ist zugleich Voraussetzung für das Verständnis der Diskussion um Aspekt und Aktionsart in Linguistik und Philologie. Den Zugang zur slawistischen Literatur erschweren nicht nur die umfangreiche Literatur in den gegebenen Arbeitssprachen. Auch der interne Diskurs der Slawistik selbst ist unübersichtlich. Im Rahmen einer Transposition wird im Folgenden vornehmlich auf die drei Beiträge Breu (2000); Rappaport (1997) und Isacenko (1962) zum modernen Russischen als Vertreter der slawischen Sprachen

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referiert, die dabei auf sprachtypologischer Ebene terminologisch angeglichen werden, d.h. in eine einheitliche weitestgehend auf Breu (2000) gestützte Darstellung. Es wird dabei in besonderem Maße auf eine Anknüpfung an die wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Begriffe Aspekt und Aktionsart, wie sie in 1.2.1.2 dargestellt sind, geachtet. Die grammatische Aspektdichotomie der slawischen Sprachen wird durch einen Satz von derivationalen Aktionsartenaffixen geleistet, die noch semantische Ladungen ihrer lexikalischen Bedeutung bei der Stammderivation beibringen können. Die Funktion einer Aspektdichotomie erfüllt dieses System, da es eine prinzipielle Entsprechung von Aktionsartenpaaren der slawischen Sprachen zu Aspektoppositionen in anderen Sprachen mit rein grammatischer Aspektdichotomie gibt, die sich in der syntaktischen Distribution äußert: „Dennoch handelt es sich bei dem Ausgangswort und dem Derivat nicht um lexikalisch selbstständige Formen, da sie sich in aspektuell relevanten Kontexten wechselseitig ersetzen und paarweise dieselbe lexikalische Bedeutung aufweisen, d.h. es handelt sich bei diesen ausschließlich aspektuell differenzierten Verben, den Aspektpaaren, um aspektuell vollständige Verblexeme, die über zwei aspektuell differenzierte Teilparadigmen verfügen.“ Breu (2000: 23). Im Folgenden werden zunächst die Prozesse der Derivation vor dem Hintergrund des Verbalwurzelbestands im Russischen vorgestellt (3.3.5.2), woran sich ein Überblick über Inventar und Semantik der Aktionsarten des Russischen anschließt (3.3.5.3). Eine Darstellung zur Wechselwirkung von Aktionsartensemantik und Situationstypenwechsel schließt diese Darstellung ab (3.3.5.4). 3.3.5.2 Verbalwurzeln und Derivation Der überwiegende Teil der lexikalischen Verbalwurzeln im Russischen ist imperfektiv. Perfektive Verbalwurzeln treten vielfach mit synchron nicht mehr analysierbaren Affixen auf, waren also ursprünglich Aktionsarten der slawischen Sprachen (Isacenko 1962: 352f. mit einer Liste der entsprechenden Verben). Die Aspektdichotomie der slawischen Sprachen wird durchgehend derivational im Rahmen eines Aktionsartensystems gebildet. Der lexikalische Gehalt der Aktionsarten schwankt mit deren Produktivität und kann bei polysemen Aktionsarten teil individuelle lexikalische Lesarten mit einzelnen Lexemen aufweisen (Breu 2000: 25). Aufgrund dieser Verflechtung von Aktionsart und Aspektdichotomie ist der Umgang mit dem slawischen Aspektsystem uneinheitlich: „Potentielle Aspektsysteme anderer Sprachen mußten sich deshalb am slavischen Vorbild messen lassen, und nicht selten wurde ihnen aufgrund von Abweichungen von diesem System der Aspektcharakter abgesprochen. […]. Paradoxerweise wird umgekehrt außerhalb der Slavistik gerade der Ausdruck über Verbstammoppositionen bisweilen als Grund dafür angeführt, den grammatischen Charakter des Aspekts im Slavischen in Frage zu stellen.“ Breu (2000: 21f.). In einer sprachtypologischen Konzeptionalisierung folge ich Breu in einer Auffassung des Aktionsartensystems des Russischen als Bildungselement einer Aspektdichotomie, wo diese sich in aspektuellen Kontexten wechselseitig ergänzen und dabei die gleiche lexikalische Grundbedeutung bewahren, d.h. ihre Distribution nur aspektuell und nicht lexikalisch vorgegeben ist (Breu 2000: 23). Bei der Rezeption der slawistischen Literatur ist allerdings prin-

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zipiell auf Bestrebungen einer begrifflichen Alleinstellung des slawischen Verbalsystems zu achten. 3.3.5.3 Das System der slawischen Aktionsarten Die slawischen Aktionsarten unterscheiden sich von der griechischen Derivation der Aspektformen dadurch, dass z.B. die perfektiven Aktionsartenpräfixe neben ihrer perfektiven (meist telischen) Semantik noch eine lexikalische Semantik beigeben, die in Abhängigkeit der Wurzelsemantik unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Nach Rappaport (1997) ergibt sich folgendes Bild: Aktionsarten im Slawischen Lexem Bedeutung pisat‘ to write do-pisat‘ to add in writing is-pisat‘ to cover with writing o-pisat‘ to prepare an inventory

Situationstyp activity activity accomplishment accomplishment

Grammatisch imperfektiv perfektiv perfektiv perfektiv

Hingegen sind altgriechisch die derivierten Perfektiva mit einem einheitlichen Suffix ohne lexikalische Semantik gebildet, der sigmatischen Aoristbildung: „Im Lichte unserer Aktionsartenhypothese sprechen wir […] einfach von einer urspr. telischen Aktionsart auf -s-, […].“ Back (1991: 294). Der altgriechische Bildungstyp kann so zwar auf eine ursprüngliche lexikalische Aktionsartenbildung zurückgeführt werden (3.3.3.2), doch ist diese im Sprachbestand paradigmatisch ausgeglichen und semantisch ausgeblichen. Die slawische Verbalmorphologie befindet sich hier in einem Übergang zwischen Lexikon und Grammatik, und man kann die Bildung der Aspektpaare mit Breu (2000: 23) als grammatische Derivation umschreiben. Perfektive states sind im slawischen Aspektsystem ausgeschlossen (Rappaport 1997: 227). Sofern imperfektive achievements auftreten, sind sie in der Regel von generischer Lesart, die dynamisch oder zuständlich interpretiert werden können. Eine Ausnahme ist das Imperfektiv zu Sterben, das, sofern es nicht als accomplishment verstanden werden soll, als imperfektives achievement vergleichbar dem Englischen verwendet werden kann: on umiral: he was dying (nach Rappaport 1997: 232); hierzu vgl. 3.2.5 und Comrie (1976: 48) mit einer Interpretation von umiral: er starb als accomplishment. Als Aktionsarten treten hierzu immer perfektive Präfixe sowie zu den perfektiven Aktionsarten sekundäre suffixale Aktionsarten mit imperfektiver Semantik auf19. Unter den Präfixen ist po- hervorzuheben, dass hochgradig polysem ist (Breu 2000: 25) und nur selten mit einem lexikalischen Gehalt, z.B. als heran- oder hoch- begegnet (Isacenko 1962: 357). Das Präfix po- begegnet daher hoch produktiv und semantisch weitgehend ausgeblichen in einer den Handlungsverlauf atelischer Verben begrenzenden Lesart, die mit Isacenko (1962: 391f.) delimitativ zu bezeichnen ist. Als solches bringt es über die perfektive Lesart keine weitere Eigenschaft, wie die etwa sonst übliche Telizität (3.5.2) bei; das Präfix bildet also perfektive, 19 Gegen Einwände der älteren Literatur die Präfixe ohne perfektive Semantik annimmt, s. Isacenko (1962: 431ff.).

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

atelische Verbalstämme. Prinzipiell zeigen alle Präfixe eine doppelte Funktion und treten abhängig von der Verbalwurzel als lexikalische oder ohne semantische Ladung als perfektive Derivation auf (Breu 2000: 25). Die in der früheren slawistischen Forschung diskutierte Frage, ob verschiedene präfigierte Bewegungsverben nicht imperfektiv zu verstehen sind, ist mit Isacenko (1962: 431ff.) zu verneinen. Oberflächlich imperfektive und präfigierte Verben sind Teil eines komplexen suppletiven Paradigmas. Die Zusammenhänge der Wurzel und Stammderivationen ist noch an deren Akzenten und akzentbedingten Lautwandel zu erkennen (Breu 2000: 27); transparent sind diese Strukturbeziehungen allerdings nur für den slawistischen Rezipienten. Primäre Präfigierungen mit imperfektiver Semantik liegen nicht vor. Das Problem der Bewegungsverben und ihrer Stammbildung in den slawischen Sprachen zeigt zugleich die Bedeutung einer anschauungsreichen und differenzierten Analyse in Vorbereitung typologischer Begriffsfindung auf. Die imperfektiven Suffixe zeigen keine lexikalische Semantik und dienen nur zur Veränderung der Aspektsemantik (Breu 2000: 24): Imperfektive Aktionsarten im Russischen Lexem Bedeutung Grammatisch uznavát in Erfahrung bringen imperfektiv uznát in Erfahrung bringen perfektiv Neben den imperfektiven Suffixen sind noch semelfaktive Suffixe mit perfektiver Semantik zu nennen (Isacenko 1962: 398ff.). 3.3.5.4 Aktionsarten und Situationstypenveränderung Die Aktionsartenbildungen sind zunächst Ausdruck einer grammatischen Derivation der Aspektdichotmie, die in weiten Teilen noch lexikalische Semantik besitzt. Darüber hinaus zeigt das slawische Aktionsartensystem nur geringe Einflüsse auf die mit dem Lexem verknüpften Situationstypen. Dies äußert sich in der Derivation delimitativer, d.h. atelischer, dynamischer Lesarten mit perfektivem Aspekt (s.o.) und dem Fehlen von perfektiver Aspektderivation zuständlicher Lexeme, deren Paradigma defektiv bleibt (Breu 2000: 27f.), und nur sekundär um ein achievement Verb als Aspektpartner ergänzt wird. So etwa videt‘: sehen (imperfektiv/state): uvidet‘: erblicken (perfektiv/achievement) (Rappaport 1997: 249). Insoweit nicht jedes achievement eine imperfektive Form erlaubt, tritt, wo dies ausgeschlossen ist, meist ein state: achievement Paar an dessen Stelle, welches zugleich die lexikalische Aspektsuppletion der zuständlichen Verben leistet (so etwa bei Sinnesverben, bei deren englischen Lexemen ein unmarkierter Genuswechsel (3.5.4) häufig ist). Wo achievements einen dynamischen imperfektiven Aspektpartner besitzen, ist dieser konativ, d.h. entspricht einem imperfektiven accomplishment und kann als Wechsel von achievement und accomplishment gedeutet werden. Perfektive activities können syntagmatisch zu accomplishments erweitert werden und so auf Satzebene in accomplishments überführt werden (s.u. 3.4.4). Ein state subsummiert im Russischen und anderen slawischen Sprachen generische bzw. habituelle Lesarten (Rappaport 1997: 248). Habituals können von allen Verbkonstellationen abgeleitet werden. Entscheidend für die generische Interpretation ist dabei zum einem, dass

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Aktionsarten

der imperfektive Aspekt als einfache Form des slawischen Verbalparadigmas zugleich einzige Aspektform für zuständliche Lesarten ist; zum anderen sind states bereits inhärent ilevel, d.h. generisch (5.3.4.2) 3.3.6 Aktionsarten im Semitischen Innerhalb der semitischen Sprachen und dem Akkadischen lassen sich drei Typen von Aktionsarten unterscheiden, die zugleich unterschiedlich stark grammatikalisiert sind. Die erste Gruppe sind in Tempus, Modus und Aspekt grammatikalisierte Bildungstypen ohne erhaltene semantische Komponente, vergleichbar dem sigmatischen Aorist. Hierzu zählen im Akkadischen z.B. Subjunktiv (11.8.2) und Präsensstamm (11.2) oder das Imperfekt im Westsemitischen (Tropper 2012: 455ff.). Die zweite Gruppe umfasst die paradigmatischen Stammformen (2.3.8), bei denen in Abhängigkeit von der Wurzel noch ein semantischer Gehalt vorliegen kann. Dieser kann weitestgehend ausgeblichen sein, wie im Š-Stamm (Kouwenberg 2010: 327ff.) oder aber wie bei den t-Stämmen noch komplexe semantische Wechselwirkungen mit der Verbalwurzel zeigen (11.4). Die Grammatikalisierung von lexikalischer zu grammatischer Funktion ist der slawischen Aktionsartenmorphologie vergleichbar als grammatische Derivation zu begreifen (3.3.5.3). Zuletzt sind die im Grundstamm angenommenen Aktionsartenbildungen zu nennen, deren semantische Bedeutung sich nur dort scharf umreißen lässt, wo diese im Rahmen der dreiradikaligen Bildungsstruktur noch mit anderen Aktionsartenbildungen wechselt. Aktionsarten im Akkadischen20 vollständig grammatikalisiert -parras-u Präsensstamm Subjunktiv Progressiv Subordinator -

teilweise grammatikalsiert -naprus-purrusN-Stamm D-Stamm Antikausativ Kausativ ingressiv/ eggressiv/ inaktiv agentiv

lexikalisch I-w denominal/ eggressiv

II-gem. iterative/ intensiv

Auf ursprüngliche Aktionsarten zurückzuführen sind für das Akkadische die suffigierten Modi Ventiv und Subjunktiv (2.3.3) sowie das akkadische PRS und das akkadische PRF. Dem vergleichbar sind für die älteren westsemitischen Sprachen in der formalen Bildung von z.B. Imperfekt oder Kohortativ im Ugaritischen (Tropper 2012: 455ff.) ursprüngliche Aktionsarten zu vermuten. Akkadisch ist zunächst die formale Ähnlichkeit von t-Stamm und PRF einerseits (11.4) und PRS und D-Stamm andererseits hervorzuheben (11.2), die einen Ansatz vorgegeben, von dem aus eine gemeinsame semantische Komponente geprüft werden kann: so lassen sich tStamm und PRF auf eine antikausative (und perfektive) Semantik zurückführen, wohingegen Agentivität als gemeinsames Merkmal von D-Stamm und PRS strittig ist: “[T]he D-stem is originally a denominal category derived from adjectives […], whereas the Imp[er]f[ecti]v[e] *yiqattal- originitates in the category of fientive verbs

20 Erläuterungen zu diesen Zuordnungen bietet Kap. 11.

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

[…]. Neither of them is derives from the other.” Kouwenberg (2010: 154; Ergänzungen durch Verfasser; Hervorhebung im Original). Zur Diskussion, um die Zusammenhänge der Formen sei auf die Kapitel 5.3.6 & 5.3.7 sowie die Kapitel 6, 8 und 11 verwiesen. Innerhalb der semitischen Sprachen nehmen die Stammformen eine prominente Rolle ein und sind für diese Sprachen charakteristisch. Abhängig vom Prinzip der Zählung können zumindest drei primäre Stämme unterschieden werden, die im Akkadischen als N-Stamm, ŠStamm und D-Stamm begegnen. Hinzu kommen verschiedene infixale und marginale (ŠDStamm & R-Stamm) Stammformen, die sich in der arabischen Grammatik auf insgesamt fünfzehn Stämme summieren. Neben der deutlich hervortretenden Funktion der Veränderung der Argumentstruktur sind in ganzer Breite vor allem semantische Funktionen für den Begriff der grammatischen Struktur entscheidend, aus denen heraus sich die verschiedenen konkreten Lesarten als Ergebnis der Interaktion der Semantik von Wurzel und Aktionsart begreifen lassen: „Ursprünglich sind die abgeleiteten Stämme Varianten des Grundstammes zum Ausdruck von Aktionsarten und Verbalcharakter. Man kann die semantischen Merkmale der einzelnen Stämme aus funktionaler Sicht zwar allgemein bestimmen, aber nur in der Tendenz und nie mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit.“ Schulz (2004: 28). Die Aufarbeitung der paradigmatischen Aktionsarten basiert daher zum einen auf der Rekonstruktion ihrer ursprünglichen semantischen Ladung und zum anderen auf einem einzelsprachlichen oder varietätsspezifischen semantischen Wandel einzelner Lexeme, etwa bei hochfrequenten Verbalstämmen oder Ausfall bzw. Fehlen des Wurzellexems im Verbalsystem. Die komplexen und varietätsspezifischen semantischen Wirkungen sind vor allem in der Diskussion des D-Stamms auch außerhalb des Akkadischen prominentes Thema. So etwa in der Arabistik: „Der [Intensivstamm] kennzeichnet die im Grundstamm ausgedrückte Tätigkeit als intensiver, extensiver oder wiederholt. Diese Intensivität kann sich auf das Subjekt, Objekt oder auf begleitende Nebenumstände beziehen. […]. Ebenfalls hierher können die Verben des [Intensivstamms] mit Kausativbedeutung gerechnet werden.“ Blohm (1990: 17; Ergänzungen durch Verfasser). 3.3.7 Zusammenfassung So wie Situationstypen semantische Überschneidungen zu anderen Bereichen der Grammatik zeigen (3.6), gilt dies auch für den lexikalischen Aspekt der Aktionsart. Eine häufig vorgenommene Umdeutung der Bezeichnung Aktionsart auf den lexikalischen Aspekt schlechthin leistet wenig zum Verständnis des Aspekts als komplexes Phänomen und führt zumeist und in einer solchen Deutung durchaus folgerichtig zu einer Synonymie von Aktionsart und Situationstyp, etwa in Rothstein, B. (2008: 124f.) oder Jenni (2005: 83 & 2012: 138). Bereitet die Rezeption einer übertragenen Bedeutung der Aktionsart kaum Schwierigkeiten, ist die Kenntnis des klassischen und hier vorgestellten Aktionsartenbegriffs auch für die Rezeption der indogermanistischen Forschung von Bedeutung, deren Beiträge für die Aspektforschung wesentlich sind und welche auch für die Vergleichende Semitistik Leitdisziplin ist (Weninger 2002). Die Reanalyse der Aktionsart als lexikalischer Aspekt oder Situationstyp ist in der

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Der inhärente Verbalcharakter

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sprachwissenschaftlichen Literatur Teil eines komplexen wissenschaftstheoretischen Diskurses, führt aber letztlich und vor allem in der Rezeption zu einem Verständnis der Aktionsart nach dem Frege-Prinzip als endozentrisches Kompositum, dass die bloße Art (und Weise) der Aktion(alität) beschreibt. Diese Analyse ist aber einer oberflächlichen Rezeption der sprachwissenschaftlichen Forschungsgeschichte und sprachwissenschaftlichen Wirklichkeit in verschiedenen Teildisziplinen gleichzusetzen. Von diesem verallgemeinerten Aktionsartenbegriff wird das Verständnis der sprachwissenschaftlichen Literatur aus erschwert. Aufgegeben werden kann unter den sprachtypologischen und philologischen Fortschritten der Aspektforschung hingegen eine diskrete Trennung von Aktionsart und grammatischem Aspekt (Sasse 2002: 263) sowie Versuche einer Merkmalsgebung objektiver und subjektiver Verbbedeutung (Isacenko 1962: 387). Beizubehalten sind hingegen die Bedeutung der lexikalischen Semantik, der derivationale Charakter und die Interaktion an den Schnittstellen der Grammatik (interfaces).

3.4 Der inhärente Verbalcharakter 3.4.1 Zum Begriff des Verbalcharakters Vom morphologischen Begriff der Aktionsart wird hier der lexeminhärente Aspekt gesondert, wie er vornehmlich in der Germanistik und deutschsprachigen Indogermanistik heute noch gebräuchlich ist; so etwa in der Grammatik der deutschen Sprache (Zifonun u.a. 1997): „Bei der Bezeichnung von Ereignissen durch (verbale) Prädikatsausdrücke kann auf die Position von Ereignissen in dieser Kette Bezug genommen werden; dann kommt eine Art Außenperspektive auf das Ereignis ins Spiel (so z.B. bei finden, kommen). Oder aber Ereignisse werden aus der Binnenperspektive dargestellt, ohne daß Vorgänger- oder Folgeereignisse mit in den Blick geraten (so z.B. bei laufen, gehen). Diese Unterscheidung im VERBALCHARAKTER wird nicht mit grammatischen Mitteln gemacht; sie ist Teil der Verbsemantik. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch von der Kategorisierung AKTIONSART Gebrauch gemacht. Es ist jedoch sinnvoll, den Begriff der Aktionsart für das Wortbildungsphänomen zu reservieren.“ Zifonun u.a. (1997: 1860f.; Hervorhebung im Original). Isacenko bestimmt die Bezeichnung des Verbalcharakters als Ausdruck der inneren, d.h. lexikalischen, Verbbedeutung, die von Aspekt und Aktionsart zu unterscheiden ist (Isacenko 1962: 398). Dem gebräuchlichen Verständnis des Verbalcharakters folgend ist hierunter der Begriff des lexikalischen Aspekts zu verstehen, der durch Derivation (Aktionsart), Paradigma (Aspektdichotomie) und Syntax verändert werden kann, wie etwa bei Leiss: „Mit Aspektualität wird keine Kategorie benannt, sondern eine grammatische Funktion, die auf der lexikalischen Ebene (Verbalcharakter), auf der lexikalisch-grammatischen Ebene (Aktionsarten) und schließlich auf der Ebene der grammatischen Kategorien zum Ausdruck kommt.” Leiss (1992: 45). Wie bei den Aktionsarten begegnet eine weitgehende begriffliche und terminologische Freiheit in der Gliederung der Verbalcharaktertypen. Neben deskriptiven und heuristischen Klas-

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

sifizierungen oder einer Orientierung an Situationstypen ist prinzipiell auch eine aspektdichotome Gliederung möglich. Aus praktischen Gründen ist die Kategorisierung des einzelsprachlichen Lexikons im Raster der Situationstypen oder Aspektdichotomie vorzunehmen. Der Vorteil einer Gliederung nach Situationstypen ist hier die begriffliche Erfassung perfektiver aber atelischer Verben als Kategorie des Verballexikons (3.3.5). Eine Unterscheidung nach Aspektdichotomie ist z.B. im Russischen wenig sinnvoll, da die perfektiven Verben mehrheitlich durch Aktionsartenderivation gebildet werden. Im Altgriechischen und anderen Varietäten des Indogermanischen, die das Nebeneinander von Wurzelpräsentien und Wurzelaoristen bewahrt haben, bietet sich eine aspektdichotome Gliederung an. Sucht man in den semitischen Sprachen nach einem aspektdichotomen Verbalcharakter, so ist dieser Versuch praktisch dadurch beschränkt, dass sowohl die Kurzform der PK, wie z.B. das akkadische PRT, als auch die SK einer perfektiven Kategorie zugehören, wohingegen die imperfektiven Formen formale Derivationen sind, und im historische Semitischen kein Nachweis systematischer Unterscheidung in perfektive und imperfektive Wurzeln plausibel ist. Die wenigen stativa tantum, wie die präfigierten Stative im Akkadischen (8.7), sind Randerscheinungen (wie perfektive Simplizia im Russischen) und sprachtypologisch als Grammatikalisierung perfektiver Formen (eines Resultativs) zu verstehen (4.8.3). Die Unterscheidung von zuständlichen und dynamischen Situationen ist ein prominentes Thema der Akkadistik. Dabei ist zu beachten, dass allgemeinsprachlich nur von einer prototypischen Zuordnung ausgegangen werden darf und einzelsprachliche Kriterien erforderlich sind: “The distinction between states and dynamic situations is one that seems reasonably clear intuitively, and in practice one finds a large measure of agreement between individuals who are asked to classify situations as static or dynamic, and similarly between languages that have overt correlates of the static/dynamic distinction, although there are some instances of disagreement, […].” Comrie (1976: 48). In der Semitistik und Altorientalistik ist aufgrund des Charakters der SK auch eine Trennung von zuständlichen und adjektivischen states gebräuchlich: “[…], I will reserve the term “stative verb” for members of this small set of verbs, which are conjugated like fientive verbs but have a prototypically stative meaning. On the other hand, I will not use the term “stative verb” for the much larger group of adjectival verbs […], since these are only stative when they are used in the stative.” Kouwenberg (2010: 57). Die formale Trennung bezieht sich auf die Entsprechung von Themenvokal in SK und PK und den weitgehenden Ausschluss zuständlicher Lesarten im PRS. Die Wechsel der Situationstypen in SK und PK sind teilweise oder insgesamt paradigmatisch einzustufen (3.5.5): als genusinterner (3.5.4) Wechsel von achievement (3.2.5) und state (3.2.3). Eine innerakkadische Unterscheidung von state und activity ist bisher nicht klar zu fassen. 3.4.2 Eine erste Verbalcharakterklassifizierung des Akkadischen Eine Klassifizierung des Verbalcharakters im Akkadischen, in dem potentiell alle Grundstämme zunächst als Wurzeln anzusetzen sind und denen der Nachweis möglicher Aktions-

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arten zu einer zweiradikaligen Basis in Einzelprüfungen nachgestellt werden muss, ist anhand der Trennung zuständlicher und dynamischer Verben möglich. Die klassische Zuordnung folgt der Vokalisierung in SK und PK. Als Zustandsverben scheiden dabei 1. aus formalen Gründen Lexeme aus, deren PRT mit a oder u vokalisiert ist, im STA aber mit i vokalisiert sind, z.B. Entscheiden:: iprus (PRT): paris (STA) oder Lernen:: ilmad (PRT): lamid (STA); 2. ferner Verben aus, die ein (aktives) Partizip bilden. Eine erste Kritik soll hier ungeachtet der diachronen und synchronen Variationen erfolgen, die teils einen formalen Wechsel von zuständlichem und dynamischem Verb in Abhängigkeit der Varietät nahelegen. Dieser Wandel der Vokalklassen einzelner Lexeme in verschiedenen Varietäten spricht nicht gegen die genannte Gliederung des Lexikons, sondern weist diese als sprachwirkliche und im Wandel befindliche Kategorienbildung im Akkadischen. Gegen (1) sind zunächst einige Formen der SK im Assyrischen anzuführen, die dynamischen Lexemen entsprechen sollen: “Assyrian shows more variation: apart from PaRiS, there are two other (marginal) patterns: PaRaS and PuRuS […]” Kouwenberg (2010: 162). Sie lassen sich wie folgt gliedern: (1) Mögliche nominale Herleitungen der Form purus, (2) mögliche insgesamt zuständliche Lexeme der Form paras sowie (3) eine Gruppe von Verben mit paras und dynamischer Entsprechun. Zur Gruppe (1) sind etwa qurub: nahe sein oder puḫur: versammelt sein anzuführen, zu denen nominale Formen existieren (qurbu(m): nah sowie puḫru(m): Versammlung), zur Gruppe (2) gehören balaṭ: leben oder ḫalaq: verloren sein und zur Gruppe (3) ist vorerst nur wašab: sitzen anzuführen. Dem Beleg wašab: sitzen nebenzustellen ist ḫalaq: verloren sein aus (b), denn beide haben i im PRT. Sie können auch als achievements verstanden werden und ihr zugehöriger STA ist dann zugleich Ausdruck des Situationstypengenus (3.5.4). Erklärungsansätze sind vorerst varietätsspezifisch vorzunehmen und Aufgabe der Fallstudie zum Altassyrischen in den Kapiteln 6ff. Insgesamt zeigt die Kategorisierung in zuständliche und dynamische Lexeme eine Reihe unscharfer Zuordnungen, bei denen formale und semantische Zuordnung unter dem Merkmal der Zuständlichkeit nicht zusammenfinden (5.2.5): „Z.B. ist ḫalāqu „verschwinden, entfliehen“ nach seinem Formenbau ein einwandfreies Zustandsverbum, aber die Bedeutung ist vielmehr fientisch; qarābum „nahe kommen, nahe sein“ bedeutet oft eine Bewegung, ist also eigentlich fientisch, aber fungiert bes. im Stativ als ein Zustandsverbum. […]. Da nun die meisten Verben sowohl präfigierte als auch affigierte Formen bilden, müssen wir feststellen, dass das Fientische und das Zuständliche nicht etwa zwei scharf getrennte Gruppen, sondern zwei Pole des Systems darstellen, und dass „fientisch“ und „zuständlich“ für einzelne Verben oft nur a priori gilt.“ Aro (1964: 9). Gegen (2) und ähnliche Überlegungen zur Distribution des Formenbestands ist einzuwenden, dass diese insofern problematisch sind, wie die akkadischen Varietäten unabhängig des realen Textumfangs begrenzte sprachliche Register wiedergeben und sich zu vielen Verben vollständige Paradigmen erst in Zusammenstellung der Varietäten ergeben und hier zumeist

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

gezielt entlang angenommener Klassifizierungen das Fehlen bestimmter Formen gesucht wird und daher die Frage, wie es um die Beleglage der Partizipien oder Infinitive nach einzelnen Lexemen in den jeweiligen Korpora überhaupt bestellt ist, vorangehender Klärung bedarf. Ferner wechseln in einigen Verben mediae geminatae zwei- und dreiradikalige Bildungen mit einem angenommenen zuständlichen Verbalcharakter der Wurzel im STA, z.B. Stark.Sein:: idnin(PRT): dān (STA) und sind als solches Thema der Aktionsarten (3.3.7). Hinsichtlich der prototypischen Semantik eines Zustandsverbs ist anzumerken, dass zwar das Paradigma defektiv ist (Hopper & Thompson 1984: 726), im Akkadischen jedoch auch dynamische Verben defektiv sind und z.B. keinen STA bilden; so z.B. der Grundstamm rapādu(m): laufen mit einem STA dynamischer Bedeutung im D-Stamm (11.2.4). Aus genannten Gründen ist eine merkmals- oder markierungsgestützte Bestimmung problematisch. Die Distribution in der Verteilung zuständlicher und dynamischer Wurzel ist prinzipiell vergleichbar der Verteilung der Wurzel im Indogermanischen auf Aorist- und Präsensstamm (3.3.3). Man beachte ferner, dass die Zustandsverben formal eine Untergruppe der (lexikalisch) intransitiven Verben bilden und nur wenige auch mit Akkusativ gebildet werden können, der als solches weniger ein prototypisches Objekt ist, wie etwa in palāḫu(m): (etwas=Akkusativ) fürchten. Zugleich ist bei diesen Verben allgemeinsprachlich die Zuordnung zur Gruppe der Zustandsverben nicht verbindlich möglich. Aus diesem Befund heraus lässt sich für das Akkadische und verwandte Sprachen keine befriedigende Begriffsfindung leisten, die den Verbalcharakter strukturiert, und es wird im Rahmen der semantischen Relation in 5.2.4 auf diese Trennung zurückzukommen sein, um die Beschränkungen der aspektaffinen Klassifizierung des Verbalcharakters im Akkadischen aufzuzeigen. 3.4.3 Betrachtungen zu den Vokalklassen des akkadischen Verbs Die Vokalisierung konsonantischer Wurzel in der Art eines Transfixes ist für die semitischen Sprachen charakteristisch. Sie sind in älteren semitischen Varietäten vereinzelt noch als Träger derivativer Funktionen zu vermuten. So nimmt etwa Tropper eine transitivierende Derivation an: „Somit kann die einfache Grundbedeutung nebeneinander entweder intransitive oder transitive Bedeutung haben, abhängig von der Qualität des [Transfixes]. […] Offenbar machten gerade die älteren sem[itischen] Sprachen von der genannten Methode Gebrauch. Belege dafür finden sich in allen klassischen sem[itischen] Sprachen.“ Tropper (2012: 453; Ergänzungen durch Verfasser). Diese vermutlich bereits protosemitische Bildung unterliegt einzelsprachlichen Erneuerungen und paradigmatischem Ausgleich. In Folge des semantischen Wandels sind dabei nicht mehr alle Vokalisierungen auf eine semantische Funktion zurückführbar: „Es ist für die semitischen Sprachen charakteristisch, dass die Formenbildung möglichst vereinheitlicht wird: ein Morphem bildet jeweils dieselben Vokale, die für die betreffende Form grammatisch bedeutsam sind. Dieser Zustand muss natürlich das Ergebnis einer Entwicklung sein; […]. während der Entwicklung der semitischen Sprachen haben diese Bedeutungsklassen sich verschiedentlich entwickelt; sie sind

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teils verwischt worden, und andererseits sind neue Gruppierungen nach neuen Gesichtspunkten entstanden.“ Aro (1964: 189f.). Hinsichtlich des Lexikons und der Vokalklassen des konjugierten Verbs erkennen auch die Kritiker des Aspektbezugs eine zumindest tendenzielle Entsprechung an: “On the basis of its vowel class, then, we can infer some semantic and syntactic features of a verb with reasonable rate of success, […]. For instance, an atelic activity verb has a high probability of being U/u, a transitive verb with punctual Aktionsart is likely to be I/I, and an intransitive verb is very unlikely to be A/u.” Kouwenberg (2010: 70). Vornehmlich in den klassischen Arbeiten findet sich eine angenommene Entsprechung in expliziter Form. Aro etwa formuliert zur Ablautklasse: „Akkadische Ablautklasse iparras – iprus entspricht W[est]S[emitischer] Klasse qatala – yaqtulu der transitiv-fientischen Verben.“ Aro (1964: 153; Hervorhebung im Original). Und ferner: „[Es] ist kein Zweifel möglich, dass diese Klassen auch genetisch zusammengehören.“ Aro (1964: 155). Ähnlich von Soden: „Trotzdem ist gerade dieser Vokal für die Bedeutungsklassen unter den Verbalwurzeln, […], von besonderer Wichtigkeit. Allerdings gibt es Bedeutungsklassen offenbar nur innerhalb des eigentlichen, fientischen Verbums, nicht aber unter den eigentlichen Zustandsverben, […]“ (GAG § 73c). Im Hinblick auf den historischen Wandel des akkadischen Verbalsystems sind auch die Veränderungen einzelner Verben von Interesse. Sie sind Ausdruck eines diachronen Prozesses, der sich in der lexikalischen Vokalisierung zeigt und zugleich auf einen semantischen Gehalt der Vokalisierung verweist: „In mehreren Einzelsprachen haben wir aber schon beobachten können, dass auch innerhalb derselben Sprache die Vokalisierung nicht immer fest bleibt, sondern vielfach Schwankungen vorkommen, indem bald das eine, bald das andere Gruppierungsprinzip bzw. Analogie bestimmend wirkt. Im Akkadischen können besonders diachronische Veränderungen beobachtet werden.“ Aro (1964: 152). Unter der Berücksichtigung des Vokalklassenwandels lassen sich dann gegen die Hypothese in GAG § 73c Funktionsunterschiede auch bei den drei Klassen zuständlicher Verben rekonstruieren (3.4.2 & 3.4.5f.). Ungeklärt bleibt allerdings, ob es sich bei den Vokalwechseln der Ablautklasse um echte grammatische Ablautreihen handelt, wie zuletzt von Vernet i Pons (2010) vorgeschlagen

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

handelt, oder um ursprüngliche Aktionsarten, die in Folge ihrer Lexikalisierung ihren derivationalen Charakter verloren haben, ist nicht geklärt 21. 3.4.4 Akkadische Vokalklassen und perfektive Situationstypen Eine Unterscheidung von achievements und accomplishments findet hier mit der Unterstellung einer semantischen Zuordnung der Situationstypen statt (3.2). Eine funktionale, d.h. hier notwendigerweise syntaktische, Analyse erlaubt die Prüfung des Sachverhaltes nur anhand imperfektiver Formen. Dies bedeutet, dass, da der STA aufgrund seiner Semantik eine telische oder momentative Situation, die lexikalisch veranlagt ist, nur als zugehörigen Zustand zum Ausdruck bringen kann und PRT und PRF aufgrund ihrer perfektiven bzw. präteritalen Semantik ausgeschlossen sind (s.u. & Verkuyl 1993: 49), lediglich das PRS zur Differenzierung von achievements und accomplishments dienen kann. Nirgends ist mir in der assyriologischen Literatur eine solche Prüfung begegnet. Es fehlt bisher an einem gültigen für das Akkadische wirkungsmächtigen Katalog zur syntaktischen Differenzierung. Daher werden in dieser Arbeit (Kap. 6 & 10) anhand der Zustandsverben der i-Klasse und dem Ausschluss von PRS (states) in dieser Gruppe eine entsprechende These anhand semantischer Kriterien formuliert (10.2.3), welche durch das nach Genus (3.5.4) differenzierende akkadische Lexikon gestützt wird. Als eher intuitiv zu verstehen sind vorangegangene Schlussfolgerungen, wie: “[T]he I/I class [...] [encompasses] even some durative activity verbs (which we would rather find in the U/u class) [...].” Kouwenberg (2010: 71f.; Anm. durch Verfasser). Warum es sich bei den folgenden Lexemen der i-Klasse um activities handeln müsse, ist mir unklar. Eine Interpretation als (degree) achievements oder states scheint mir sehr wohl möglich: Ingressive Verben der i-Klasse nazāqu(m) sich ärgern, Kummer haben, knarren pasālu(m) sich um-, abdrehen pašālu(m) kriechen sapādu(m) trauern ṣarāmu(m) sich bemühen, einsetzen

21 Gegen die Annahme echter Apophonie spricht der unmotivierte Wechsel von einfacher Vokalklasse und Ablautklasse im Grundstamm und das Fehlen einer Verknüpfung bestimmter Vokalqualitäten mit einer grammatischen Form, die der etwa von Tropper (3.4.3) vorgeschlagenen Deutung als Aktionsart weitaus besser entspricht.

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Der inhärente Verbalcharakter

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Das scheint m.E. auch deswegen plausibel, da zu diesen Verben auch ansonsten synonyme Verben vorliegen, die durch ihr Transfix als progressiv ausgewiesen werden: Lexikalische Genussuppletion ingressiv progressive (nicht-ablautende u-Klasse) nazāqu(m) ašāšu(m): sich betrüben pasālu(m) saḫāru(m): sich wenden, herumgehen pašālu(m) q/garāru(m): sich krümmen, schlängeln, verkriechen Entsprechung? – entgegen der Etymologie darf akkadisch ein state angenomsapādu(m) men werden. ṣarāmu(m) kapādu(m): erstreben, planen Ganz anders und z.B. entgegen der klassischen Auffassung in GAG § 87c versteht Kouwenberg die Klasse der a/u Verben als achievements: “[M]ost a/u verbs are punctual, [...].” Kouwenberg (2010: 72). Die Probleme bei der Unterteilung telischer Verben in durativ und punktuell wurden in dieser Arbeit mehrfach besprochen. Sie sind nicht universale Eigenschaften bestimmter Vorgänge in der Realität, sondern einzelsprachliche Interpretationen und verlangen daher auch einzelsprachenspezifische Tests zur Bestimmung des Situationstyps. Prominenter Gegner der achievements: accomplishments Opposition ist Verkuyl: “There are a great many cases where the Simple Present can be used to report actual winnings and findings. But it also suffers more serious setbacks due to the fact that from the point of view from language the length of (a time unit involved in) an event does not qualify as a meaning element that distinguish certain verbs from others.” Verkuyl (1993: 49). D.h., dass, solange Akkadisten keine einzelsprachlichen morphologischen (z.B. Transfixe) oder syntaktischen Kriterien (z.B. über Zeitadverbienkompatibilität) nachweisen können, überhaupt keine Unterscheidung von accomplishments und achievements möglich ist. Bei Kouwenberg (2010: 72) scheint allerdings eine Vermischung von Transitivität und ihrer semantisch inhärenten Punktualität vorzuliegen. Punktualität und Durativität als syntaktische oder lexikalische Kategorien haben keine Funktion in seiner Modellierung und sind an das Maß der semantischen Transitivität gekoppelt. Der Unterschied zwischen inhärenter Affinität und impliziter Eigenschaft wird dabei verwischt22. Nach 3.3.5.4 kann in der a/i Klasse ein Wechsel von achievement und accomplishment postuliert werden (z.B. nadānu(m): geben), wenn die imperfektive Lesart ebenfalls dynamisch ist. Wo im PRS bei einigen Lexemen hier auch zuständliche Lesarten begegnen (z.B. wašābu(m): sitzen), darf von einer semantischen Distribution nach Vorbild der Aspektdichotomie der achievement Verben im Slawischen gesprochen werden.

22 Die komplexen Strukturen semantischer Transitivität finden sich in dieser Arbeit in 5.3.2.

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

3.4.5 Vokalisierung der grammatikalisierten Aktionsarten im Akkadischen 3.4.5.1 Einleitung Unter den grammatikalisierten Aktionsarten im Akkadischen sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Diese sind die Gruppe der paradigmatischen Aktionsarten und die Gruppe der Tempus/Aspekt-Stämme. Nur bei ersten ist in Abhängigkeit der lexikalischen Wurzelsemantik noch die ursprüngliche Semantik zu erkennen. Die Charakterisierung einer dem PRF-Infix und dem PRS zugrundeliegenden Aktionsart ist nur unter Berücksichtigung allgemeinsprachlicher Grammatikalisierungspfade und eines Vergleichs mit den morphologisch ähnlichen Stammformen möglich; letzteres vorbehaltlich der Prüfung des genetischen Zusammenhangs der paradigmatischen Stammform und des zugehörigen Stamms von PRF bzw. PRS (Kap. 11). Das Verständnis der Vokalisierung als eine ursprüngliche semantische Eigenschaft der Aktionsart setzt diese Rekonstruktion voraus. Dieser Begriff der Vokalisierung als Ausdruck der semantischen Ladung des Verbalstamms lässt die Unterschiede in den vorherrschenden Vokalisierungstypen etwa im PRS oder den Stammformen als Reflex auf deren jeweilige produktive aspektuelle Funktion verstehen, d.h. die Vokalisierungen dieser Stämme zeigen eine semantische Ladung, die durch die Funktion der Form und Lexem vorgegeben ist und hier im Folgenden erklärt wird. 3.4.5.2 Präsens und Perfekt PRS und PRF werden, sofern das Verbum nicht der nicht-ablautenden i- oder u-Klasse angehört, mit a-Vokal vokalisiert23. Betrachtet man die grundsätzliche Funktion der beiden Formen im Akkadischen als Perfekt und Progressiv und vergleicht deren Intervallstruktur (4.6.4 & 5.3.7) mit den Verben der a-Klasse (3.4.2), lässt sich ein gemeinsamer semantischer Rahmen von Verben der nicht-ablautenden a-Klasse und a-Ablaut in PRS und PRF erkennen: Gemeinsames Merkmal von Progressiv (5.3.7) und Perfektzeitintervall (4.3.4) ist ein begrenzter Zeitraum, in dem das Subjekt mit der Verbalhandlung selbst oder seiner unmittelbaren Wirkung involviert ist. Diese gleicht insofern den transitiven Zustandsverben der aKlasse (3.4.3). Beachtenswert sind hier die in Verbindung mit intransitiven Verben der a/iAblautklasse begegnenden zuständlichen Lesarten des PRS (6.3.1), die als Relation von Verbalzustand und Subjekt als semantisch transitiv beschrieben werden können (5.3.2). Dazu gehören Formen der altassyrischen Verben wašābum: sitzen und izizzum: stehen sowie im DStamm transitives kullum: halten. Für das ebenfalls intransitive a/i-Ablautklasse Verb alākum: gehen sind im PRS altassyrisch nur dynamische Lesarten nachzuweisen. Ein PRS in der Bedeutung von gekommen sein; da sein ist nicht belegt. Von Interesse ist hier aber unter der Berücksichtigung von griechischem ἥκω: ich bin gekommen und οἴχωμαι: ich bin gegangen (4.2.3) ein vorerst einzelner neuassyrischer Beleg, den ich mit einer zuständlichen Lesung von alāku: gehen, kommen wie folgt glossiere und übersetze: issi=šunu i-llak-a Mit=POSS.3.M.PL PK.3-Gehen\PRS-VENT Er war mit ihnen gekommen und ich fragte ihn.

a-ssa’al=šu PK.1-Fragen=AKK.3.M SAA V 171: r5-7

23 Bei der a/i-Klasse zeigen sich zwei Typen der Vokalisierung des PRF (10.4.4).

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Der inhärente Verbalcharakter

Der Semantik von izuzzu(m) oder wašābu(m) folgend ist das PRS hier als Ausdruck des vorübergehenden Zustandes verstanden, d.h. des Zeitraums der unmittelbar auf die Ankunft folgt. Er entspricht auch dem Kontext, in dem der angekommene Abat-šarri-uṣur befragt wird und was nur in der Zeit nach der Ankunft stattgefunden haben kann und eine konative Lesart des PRS ausschließt. Die Lesart der dynamischen Lexeme gestalten sich wie folgt: Vokalisierung dynamischer Verballexeme Präsensstämme -parras-parris-parrusaccomplishment/ achievement activity achievement

Perfektstämme -ptarasaccomplishment

-ptarisachievement

-ptarusactivity

Die Lesart der zuständlichen Lexeme gestaltet sich teils mit Metaptosis (3.5.5.2). Lesarten als states sind wohl in beiden Formen immer s-level (5.3.4.2), zuständliche Lesarten des PRF sind für das Altassyrische nicht sicher nachzuweisen; sichere Belege aus anderen akkadischen Varietäten sind mir nicht bekannt: Vokalisierung zuständlicher Verballexeme Präsensstämme -parras-parris-parrusaccomplishment/ achievement activity/ state state

Perfektstämme -ptarasaccomplishment/ state(?)

-ptarisachievement

-ptarusactivity/ state(?)

Die Präsensstämme mit zuständlicher Lesart werden in Grammatiken des Altgriechischen zum Teil als perfektische Lesarten erklärt (z.B. McKay 1974: 140). Sprachtypologisch plausibel ist eine Deutung nach Vorbild von griechischem βασιλεύω: herrschen mit zuständlicher Lesart im Präsensstamm (Schwyzer & Debrunner 19754: 276) zu zumeist inzeptivem Aorist (4.2.1). Auch der Wechsel der westsemitischen SK mit weitgehend einheitlicher a-Vokalisierung der zum Perfekt grammatikalisierten dynamischen Formen stützt den noch wirkungsmächtigen semantischen Gehalt der Vokalisierung der paradigmatischen Formen und der Vokalklassen, wie auch der enge Bezug von semantischer Ladung innerhalb der a-Klasse (10.4.2) und perfektischen Intervallen (8.5 & 8.8). 3.4.5.3 Stammformen Insoweit die Stammformen – mit Ausnahme des paradigmatischen -tan-Infixes – eindeutig perfektiv zu verstehen sind, erklärt sich eine Vokalisierung der i-Klassen als Genuswechsel, wenn der zugehörige Grundstamm progressiv ist, d.h. den u-Klassen angehört. Zum einen wirken hier valenzverändernde Lesarten aufgrund ihrer hohen semantischen Transitivität (5.3.2) zugunsten eines Wechsel in den Situationstyp mit der höchsten semantischen Transitivität ein, d.h. achievements, zum anderen erklärt sich die a-Vokalisierung im PRS analog zu den Betrachtungen im Grundstamm aufgrund ihrer progressiven Semantik (5.3.7). Der Wechsel in die a/i Klasse ist dabei für zuständliches PRS als s-level (5.3.4.2) und für dynamisches PRS als semantische (möglicherweise auch syntaktische) Überschneidung zu accom-

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

plishments, wie sie in der a/u Klasse begegnen (3.4.3), zu verstehen. Der Wechsel von achivement zu accomplishment kann als sprachtypologisch analog zur Bildung imperfektiver achievements im Russischen verstanden werden (3.3.5.4). Dass nicht alle Grundstämme belegt sind, liegt wohl zum Teil an der Überlieferungslage und ist durch neue Textfunde gegebenenfalls zu revidieren (hierzu 11.2.6 mit einem konkreten Beispiel). Ferner sind Grundstämme möglicherweise zu einer bestimmten Zeit aus dem Lexikon geschwunden, waren aber ursprünglich vorhanden – wobei anhand der Verbalstämme nicht mehr sicher auf die zugrundeliegende Semantik geschlossen werden kann; vgl. hierzu etwa das nur antikausativ verwendete weigern im Deutschen, welches als Wurzel nur antikausativ (sich weigern) sonst aber nur in derivierten Stämmen (verweigern) gebraucht wird. 3.4.5.4 Die lexikalisierten Aktionsarten und ihre Vokalisierung In die Fallstudie zu verweisen ist letztlich die Frage nach einem den lexikalischen Aktionsarten inhärenten Vokalisierungswechsel (11.2.7), der nicht Teil des inhärenten Verbalcharakters und als Hinweis auf einen ursprünglichen Aktionsartencharakter der Vokalklassen zu bewerten ist. Bei dieser Analyse ist der Vergleich mit den paradigmatischen Stammformen unumgänglich und kann im Rahmen einer Aktionsartenlehre des akkadischen Verbs nur sehr eingeschränkte Ergebnisse zur Vokalisierung im Kontext von Aktionsarten beibringen. Wesentliche Fortschritte darf hier durch den Vergleich mit dem Lexikon und der Vokalisierung anderer älterer semitischer Sprachen und Varietäten erwartet werden; diese setzen allerdings einen gesicherten Katalog semitischer Aktionsarten und ihrem einzelsprachlichen Nachwirken voraus. 3.4.6 Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurden die für die Aspektualität relevanten semantischen Eigenschaften und ihre Realisierung im Rahmen der Vokalisierung behandelt. Dabei wurde zunächst zwischen inhärentem Verbalcharakter und Aktionsarten getrennt. Als semantische Eigenschaften des Verbalcharakters wurde zunächst die Alternation von Zuständlichkeit und Dynamik erörtert. Im Rahmen des Begriffs des Verbalcharakters wurde anhand der gängigen Einteilungen nach Zustand und Dynamik und Vokalklasse die Möglichkeit einer Klassifizierung des Verbalcharakters vorgestellt, wie sie für das Akkadische praktikabel ist. Die Diskussion verweist zugleich auf andere Bereiche des Aspekts und wird in 3.5.4 zu den Vokalklassen und zu den Zustandsverben in 5.3.6 fortgesetzt. Dort ist auch zu klären, inwieweit die die Klassenbildung der Zustandsverben in die Klassifizierung intransitiver Verballexeme und der paradigmatischen Stammformen insgesamt eingebunden und mit dieser aspektsemantisch verflochten ist. Die Vokalisierung unter Berücksichtigung der paradigmatischen Aspektformen ist zugleich ein zentrales Thema der Fallstudie zum Altassyrischen in den Kap. 6ff. Hier ist die These einer Trennung von Verbalcharakter- und Aktionsartenbezug der Vokalklassen (3.4.2) zu überprüfen.

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Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik

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3.5 Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik 3.5.1 Einleitung Die Situationstypen sind zugleich Ausdruck des Aspekts auf Satzebene. Einer etwa in der Role and Reference Grammar (RRG) vorgenommenen terminologischen Differenzierung wurde nicht gefolgt, denn die Situationstypen sind bereits auf lexikalischer Ebene eng mit syntaktischen Merkmalen verflochten (5.2). Zugleich spielt hier die Frage nach der Strukturbeziehung der Situationstypen untereinander eine Rolle, aus der heraus die Begriffe der Situationstypen und ihre Klassifizierung zu prüfen sind. Diese Frage betrifft die Gültigkeit der Kritik alternativer Modellierungen (3.2.6) und ob die Vendlerschen Situationstypen einen sprachwirklichen Bezug haben oder in Teilen aufzugeben seien. Die Verknüpfung von Satzaspekt und lexikalischem Aspekt ist dabei sowohl wissenschaftsgeschichtlich als auch begrifflich stärker ausgeprägt als deren jeweiliger Bezug zum grammatischen Aspekt. Lexikalischer Aspekt und Satzaspekt bieten dabei das gemeinsame Raster der Strukturbeziehungen, innerhalb der sich die einzelsprachliche Ausformung des grammatischen Aspekts erklärt. Im Rahmen des Satzaspekts kommt es zu einem deutlichen Bezug der inhärenten Semantik der Aspektbegriffe und ihrem Einfluss auf syntaktische Realisierung, der in andere grammatisch Kategorien verweist (3.6) und dessen Verknüpfung vor dem Hintergrund der in Kap. 3 & 4 diskutierten Aspektbegrifflichkeit in Kap. 5 dargestellt wird. 3.5.2 Telizität Telizität beschreibt Vorgänge hinsichtlich eines intrinsischen Endpunktes und führt in Verbindung mit imperfektiven Formen zu modalen Bedeutungen im Rahmen des Imperfektiv Paradox (4.2.5): “While the question of what telicity is still open, it is generally agreed that telic predicates are characterized by two pieces of linguistic behaviour: cooccurrence with expressions giving information about how long an event took till it was over, in particular in [Zeitintervall] time, and a progressive use which gives rise to the imperfective paradox. Atelicity is characterized by cooccurrence with predicates such as for [Zeitintervall] time, and the progressive does not give rise to the imperfective paradox […]. Thus, we get minimal contrasts such as those in (3) (Note that we are restricting our attention to singular predicates at the moment.) (3) a. John believed in the devil for several years/*in several years. (state) b. Mary ran for half an hour/*in half an hour. (activity) c. John arrived in half an hour/*for half an hour. (achievement) d. Mary dug a ditch in a week/*for a week. (accomplishment)(4) a. John is/was digging a ditch DOES NOT ENTAIL John dug a ditch. b. Mary is/was running ENTAILS Mary ran (on the assumption that she ran for at least a minimal interval.) c. Mary was arriving at the station (when she fell) DOES NOT ENTAIL Mary arrived at the station.” Rothstein S. (2008a: 48f.; Hervorhebung im Original, Ergänzung durch Verfasser). Der Begriff der Telizität hat in weiten Teilen der Linguistik einen Bedeutungswandel vollzogen, der einerseits eine Entsprechung von accomplishments und achievements als prototy-

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

pisch telisch (Rothstein S. 2008a: 49) und andererseits eine Trennung von perfektiv und telisch annimmt (Depraetere 1995 sowie 3.2.2). Ein differenzierter Begriff der Telizität ist ein grundlegendes Element des Verständnisses der Aspektdichotomie und betrifft die Beschreibung des perfektiven Aspekts als vollständig und nicht als vollendet (~telisch): „Zunächst ist festzustellen, wie das schon oft geschehen ist, daß die Worte „vollendet“ (perfektiv) und „unvollendet“ (imperfektiv) in bezug auf eine Handlung eines doppelten Sinnes fähig sind. „Vollendet“ ist nämlich zunächst alles das, was zeitlich der Vergangenheit angehört, und „unvollendet“ alles, was ganz oder teilweise in der Zukunft liegt. Diese erste, an und für sich mögliche Auffassung beruht auf einer subjektiv-relativen Zeitbetrachtung, wie sie allen Sprachen mit reinem Temporalsystem, z.B. dem Deutschen, eigen ist, und liegt natürlich Individuen mit solcher Muttersprache am nächsten.“ Koschmieder (1928: 295). Das Merkmal der Vollständigkeit betriff dabei auch Verbalhandlungen ohne intrinsisches Ziel und erlaubt allgemeinsprachlich auch activities und states als Situationstypen perfektiver Formen. Ob diese Situationstypen in perfektive Formen überführt werden können, ist dabei von der einzelsprachlichen Formensemantik abhängig. Perfektive states sind im Altgriechischen möglich (4.2.1), im Russischen hingegen ausgeschlossen (4.2.2). Existiert keine einzelsprachliche Restriktion für einen Situationstyp oder ein bestimmtes Lexem, so folgen die perfektiven Formen folgender Darstellung: Perfektive Transposition lexikalischer Situationstypen vollendet accomplishment achievement vollständig activity state Anders als in der Aspektdichotomie ist die Verwendung des Telizitätsbegriffs in der Situationstypensemantik ein Problem, das das Verständnis von achievements betrifft. Comrie (1976: 42) sieht diese prinzipiell als atelisch und folgt einer klassischen Interpretation, die eine andauernde Situationsveränderung als Teil der Telizität vorsieht (3.2.5). Die Telizität ist dann mit accomplishments wesensgleich. Die heute verbreitete Position von achievements als telischem Situationstyp ist bei den weniger prototypischen achievements allerding nur begrenzt beizubehalten. Smith (1997: 180) differenziert unter diesem Eindruck etwa Semelfaktiva als fünften Situationstyp (3.2.5). Differenzierung der punktuellen Situationstypen atelische Lesart semelfaktiv durative Lesart telische Lesart achievement durative Lesart

activity degree achievement

Der strengen viergliedrigen Kategorisierung folgend sind daher achievements als nur prototypisch telisch einzustufen. Mit dieser Trennung lassen sich verschiedene Sonderfälle der Aspektualität auch begrifflich fassen, die sonst als Ausnahmen zu führen sind. So kann bspw. die Beschreibung der russischen Aktionsarten als perfektive Präfixe und überwiegend imperfektive Suffixe in 3.3.5 neu formuliert werden als ein Satz perfektiver Präfixe mit meist telischer Semantik und ein Satz atelischer Suffixe mit meist imperfektiver Semantik. Ein

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Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik

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atelisches Präfix ist etwa po- in delimitativer Funktion, ein perfektives, aber atelisches Suffix ist das semelfaktive -n. Entsprechend schreibt Breu: „Besonders die Präfigierung trägt noch die Herkunft der Perfektivopposition als Grammatikalisierung der Terminativitätskategorie in sich.“ Breu (2000: 23). Die Telizität ist mithin Teil einer Merkmalsopposition, die in prototypischen Verwendungen gegenüber den Begriffen der Aspektdichotomie und der Situationstypen keinen Beitrag leistet. Die Unterscheidung atelischer und telischer Lesarten wird erst auf der Betrachtungsebene der Einzellexeme wesentlicher Bestandteil der Aspektlehre, denn unter dieser Merkmalsopposition lassen sich verschiedene zur Struktur von Aspekt und Situationstypen quer liegende sprachliche Erscheinungen begrifflich fassen und beschreiben. 3.5.3 Situationstypen und inhärente Aspektdichotomie Die vier Situationstypen lassen sich entsprechend dem Merkmal der Telizität in imperfektive und perfektive Situationstypen trennen. Praktisch bedeutet dies, dass achievements und accomplishments inhärent perfektive Semantik zeigen und in perfektiven Formen hinsichtlich ihrer Situationstypensemantik prototypisch erscheinen. Die Trennung der beiden Situationstypen ist problematisch, zeigen sie doch in Präterita oder Perfektiva keine eindeutigen intervallsemantischen Unterschiede etwa in Bezug auf ihre Kompatibilität in Verbindung mit Adverbialen (5.2.2). Aspektaffinität imperfektiv perfektiv

activity accomplishment

state achievement

Die Entsprechung von states und activities, die als inhärent imperfektiv und atelisch zu begreifen sind, berührt die einzelsprachliche oder varietätsspezifische Semantik der Lexeme. Sie ist in Sprachen mit progressiven Formen besonders prominent und folglich ein zentrales Thema der Forschung zum Aspekt im Englischen. Die Zuordnung beruht dabei auf aspektfremden Eigenschaften, wie Prädikatslevel (5.3.4) und semantischer Rollen der Lexeme, (5.3.6) sowie aspektspezifischen Veränderungen der Lesarten im Rahmen eines paradigmatisch bedingten Wechsels (3.5.5). Ein Wechsel von activities und accomplishments ist syntagmatisch veranlagt. In den germanischen Sprachen gibt es praktisch keine strikte lexikalische Trennung der beiden Situationstypen (Verkuyl 1996: 46ff.). So werden die meisten inhärent telischen Verben, wie Sterben, als achievements verstanden und sowohl achievements als auch accomplishments implizieren eine inhärente zeitliche Verortung als Vergangenheit, wie etwa in Sprachen ohne paradigmatische Aspekt- und Tempusmorphologie: “(…), when a Chinese sentence does not contain a temporal adverbial marker, its temporal interpretation is sensitive to the situation type. States and dynamic activities give rise to present interpretation, whereas achievements and accomplishments are interpreted in the past.” Lin (2012: 681). Von Bedeutung ist die Trennung der beiden perfektiven Situationstypen im Rahmen einer lexikalischen Zusammenstellung von states und achievements, wie sie z.B. in klassischen

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

Aspektsprachen wie dem Altgriechischen begegnet (3.5.4), aber auch im Zuge der Grammatikalisierung des Progressivs im Englischen zu beobachten ist (Croft 2012: 38) oder bei Stammsuppletion von imperfektiven states und perfektiven achievements im Russischen (Rappaport 1997: 227). Diese Zusammenstellungen des Englischen und Altgriechischen entsprechen dem Wechsel des Situationstyps der akkadischen Zustandsverben, wie in damāqu(m):: gut sein: werden; die Suppletionen des Russischen findet sich im Akkadischen nur mit sekundärer Zusammenstellung bei dem suppletiven Paar von išû(m): haben und rašû(m) bekommen (11.7). Grammatische Beziehung der Situationstypen activity accomplishment syntagmatisacher Wechsel state achievement paradigmatischer Wechsel 3.5.4 Genus 3.5.4.1 Sprachtypologie der Genusklassifizierung In der Systematisierung der vier Situationstypen nach Vendler sind Modelle, die Zuständlichkeit und Dynamik als Merkmale zur Beschreibung der Situationstypen führen, prominent (u.a. Smith 1997: 39f.). Vielfach dienen diese merkmalsspezifischen Beschreibungen nur zur Kennzeichnung eines einzelnen Situationstyps, wie in Comrie (1976: 44f.), wo telische Verben mit accomplishments synonym sind. Solche Gliederungen führen bspw. zur Beschreibung der vier Situationstypen mit drei binären Merkmalen (3.2.6). Vendler selbst (1967: 104ff.) hat eine zur Aspektaffinität quer liegende Klassifizierung als Genus bezeichnet. Sie ergänzt die Klassifzierung nach Aspektaffinität und kann in Zusammenhang mit dieser alle vier Situationstypen merkmalsspezifisch und eindeutig differenzieren. Die besondere Stärke des Genus ist, dass dabei unterschiedliche Probleme erfasst werden, die zu anderen Aspektmodellen quer liegen. Sie erlaubt neben der Gruppierung in eine imperfektive (activity/state) und eine perfektive (accomplishment/ achievement) Klasse eine weitere: In eine Gruppe der mit progressivem Aspekt kombinierbaren Lexeme (activity/accomplishment) und eine, die nur eingeschränkt mit progressiven Lexemen kombiniert werden kann (state/ achievement). Ob diese zweite Gruppierung eine natürliche Klasse bildet, ist umstritten und z.B. im Lexikon der germanischen Sprachen nicht regelmäßig nachweisbar. In Aspektsprachen finden sich jedoch häufiger inchoative Verben, die eine inzeptive, dynamische Lesart im Perfektiv und eine durativ-zuständliche Lesart im Imperfektiv besitzen (3.5.3). Die Situationstypendifferenzierung entspricht dabei der in past und present Formen in see, hear, smell, understand, know, astonish u.a., welche neben ihrer ursprünglichen durativen Lesart auch eine zustandseintretende (achievement) Lesart im past tense erlauben (Croft 2012: 38). Der mögliche Funktionskatalog der Formen des Progressivs in Verbindung mit dem Situationstyp state ist nicht zuverlässig definiert. So treten etwa states im Progressiv in englischen Sätzen wie The socks are lying under the bed (Dowty 1979: 177) auf. Hier ist keine Agentivität zu beobachten. Möglicherweise liegen die Beschränkungen hier im Bereich der Generizität (5.3.4):

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Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik

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“[T]he fact that we can say The book is lying on the table means lie is a stage-level predicate.” Dowty (1979: 177; Hervorhebung im Original). Tatsächlich sind die im Progressiv veranlagten Probleme in ihrer Beschreibung anderen Aspektbegriffen ähnlich; so im Umgang mit resultativen und stativen Formen, wie im Akkadischen (3.5.5.3), Homerischen (4.6.6.4) oder Cayuga (Sasse 2000: 211ff.). Aspekt und Genus progressiv ingressiv

perfektiv accomplishment achievement

imperfektiv activity state

Einen natürlichen Zusammenhang zwischen state und achievement als Genus zeigt auch die Modellierung in Croft (2012), da achievements mehrheitlich einem Typ von state entsprechen und nur inhärente states ohne dynamische Entsprechung bleiben: “To three kinds of states (excluding inherent states, where there is no change in the entity’s lifetime), there correspond three kinds of achievements […].” Croft (2012: 59). Die Genusklassifizierung der Situationstypen unterscheidet sich nicht nur hinsichtlich ihrer Aspektaffinität (s.o), sondern auch hinsichtlich der semantischen Transitivität (5.3.2) ihrer zugehörigen Lexeme. Das Genus der ingressiven Verben von states und achievements umfasst semantisch hoch transitive dynamische Verben und Verben, die aufgrund ihrer Zuständlichkeit besonders niedrige Transitivität besitzen, was sich im Akkadischen am deutlichsten im STA zeigt: “[I]n terms of semantic transitivity statives have “zero transitivity”, since they do not indicate a change in the state of the world. Accordingly, they cannot have an agentive subject, […]. Moreover, […], they are by nature atelic, whereas the fientive verb itself must be telic in order to have a stative at all.” Kouwenberg (2010: 164). 3.5.4.2 Situationstypengenus im Akkadischen Die Verbindung der Situationstypen achievement/state in jeweils einem Lexem kennzeichnet – neben der Trennung in zuständliche und dynamische Verben und der Gliederung nach Vokalklassen – eine weitere systematische Struktur des akkadischen Lexikons. Diese korrespondiert mit den Vokalklassen. Betrachtet man zunächst die dynamischen Verben, bestätigt sich das Postulat in GAG §87c: „Bei den fientischen dreikons[onantigen] Verben gibt es 4 Wurzelvokalklassen. Die Mehrzahl der eine Tätigkeit am Objekt schildernden Verben hat im P[räsesns] und P[erfekt] den Vokal a (iparras/ iptaras), im P[räteritum] aber u (iprus; Ablautklasse der dreikons[onantigen] Verben). Eine kleinere Anzahl von z.T. sehr gebräuchlichen Verben dieser Art hat auch im Prt. a (2.Klasse; z.B. iṣbat „er packte“ […]). i als Wurzelvokal (3.Klasse) haben die fientischen Verben, die eine momentative resultative bzw. als solche angesehene Tätigkeit bezeichnen […]; dazu kommt eine kleine Gruppe von Verben der Bewegung […]. Die 4.Klasse mit Wurzelvokal u bezeichnet

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

Vorgänge und Handlungen nicht-momentativer Art; die meist intransitiven Verben verbinden sich ganz selten (wohl nur sekundär) mit einem äußeren Objekt […]“ (GAG § 87c; Ergänzungen durch Verfasser). Auf die Situationstypen übertragen ergibt sich folgendes Bild 24: Neben einer ingressiven Gruppe (states/ achievements), in die die Verben der i-Klasse und a-Klasse gehören, existiert eine weitere Gruppe mit progressiver Semantik (activities/ accomplishments), die sich aus u-Klasse und a/u-Klasse zusammensetzt. Die sekundäre a/iKlasse kann der ingressiven Gruppe zugerechnet werden, wobei neben genusbezogener Lesartenpaare auch rein perfektive Formen begegnen (10.4.4). Der a-Vokal ist also in PRS Formen beider Genera belegt. Die durativen Lesarten der progressiven Gruppe sind mit aVokal immer dynamisch, während das durative PRS ingressiver Verben der a-Klasse und der a/i-Klasse auch zuständliche Lesarten zeigt (10.4.2). Schließlich ist ein duratives Prs mit iVokal akkadisch bisher nirgends belegt. Die progressiven Verben können durch Tilgung des Objekts in atelische Verben überführt werden. Die dynamischen ingressiven Verben können nur durch den unbestimmten Plural eines Aktanten als atelische Verben charakterisiert werden. Ihre durativ-dynamische Lesart ist dann, wie in 3.2.5 ausgeführt, sekundär. Ebenfalls sekundär ist die zuständliche Lesart in der progressiven Klasse. Sie ist ausschließlich im STA und bei den primär zuständlichen Lexemen der u-Klasse belegt (10.4.5). In der ingressiven Klasse sind hingegen zuständliche Lesarten in allen ihr zugehörigen Vokalklassen belegt, nicht aber für alle Lexeme. Prinzipiell tendieren die Formen der PK immer zu perfektiven Lesarten. Außerhalb des STA erscheinen zuständliche Lesarten nur zur besonderen Anzeige in spezifischen Lesarten der grammatischen Form (5.4) und nicht in allgemeiner Vertretung. Aspektsemantik der Vokalklassen Genus Aspektaffinität u-Klasse progressiv imperfektiv a/u-Klasse progressiv perfektiv i-Klasse ingressiv perfektiv a-Klasse ingressiv perfektiv a/i-Klassen ingressiv perfektiv

Situationstypen activity activity/accomplishment achievement/state achievement/state achievement/state achievement/accomplishment

Beispiele für ingressive Verben (achievements/states) sind akkadisch u.a.: Ingressive Verben im Akkadischen achievement damāqu(m) gut werden našû(m) aufheben etēqu(m) passieren, überschreiten

state gut sein tragen -

24 Zur Klassifizierung nach Vokalklassen 3.4.3 bis 3.4.5.

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Wechsel syntagmatisch paradigmatisch paradigmatisch paradigmatisch paradigmatisch

Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik

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Beispiele für progressive Verben (activities/ accomplishment) sind akkadisch u.a.: Progressive Verben im Akkadischen activity accomplishment šapārum schreiben (über) etwas schicken; etwas schreiben rapādum laufen Die genusbezogene Klassifizierung erlaubt bereits bei einem oberflächlichen Blick auf die Vokalklassen eine einheitliche Klassifizierung, wie sie sonst nicht möglich ist; so verhält sich etwa die Gesamtheit der i-Klasse etwa gegenüber der Transitivität ganz uneinheitlich: “[O]n the one hand, high transitivity verbs denoting punctual actions […] and, on the other hand, adjectival verbs. These groups are semantically each other’s opposite, occupying the two ends of the transitivity continuum.” Kouwenberg (2010: 72). Die zuständlichen Verben liegen im akkadischen Lexikon zur genannten Einteilung quer. So besitzen die Verben der u-Klasse eine zuständliche Lesart, obwohl sie formal progressiv sind. Vergleicht man die Liste der Zustandsverben der u-Klasse (Aro 1964: 29) mit der Liste von Verben in Dowty (1979: 66f.), so fällt sofort auf, dass hier vor allem Verben belegt sind, die nach Dowty auch als activity, d.h. als dynamisch, interpretiert werden können. Das ist für das Verständnis der Vokalklassen von Bedeutung. Nimmt man an, dass die in diesen Verben belegte inzeptive Lesart sekundär zur ingressiven Gruppe nachgebildet wurde, ergibt sich folgendes Bild: Zustandsverben der u-Klasse hatten vorhistorisch wohl lediglich atelische, durative Lesarten und wurden als activity analog zu anderen Verben der u-Klasse interpretiert. Dies bedeutet, dass in den Vokalklassen ursprünglich eine Aktionsart vorgelegen hat, durch die Situationstypen abgeleitet wurden. Dieser Befund wird außerhalb des Altassyrischen durch einige wenige Verbpaare gestützt, die im Konsonantenbestand homonym sind, durch die Vokalklassen aber in einer ingressiv: progressiv Dichotomie stehen. So z.B.: Genusdichotomie progressiv tarāṣu(m) ausstrecken

ingressiv in Ordnung sein/ werden

Im Akkadischen sind demnach als zuständliche Verben solche Lexeme qualifiziert, (1) deren belegtes Verbaladjektiv mit gleicher durativer Semantik auch in Formen der PK belegt ist, (2) die der ingressiven Klasse angehören und eine durative Lesart lexikalisch veranlagt haben und (3) die der progressiven Klasse angehören und zugleich atelisch und im STA belegt sind. Eine Klassifizierung nach Vendlerschem Genus in ingressive Verben (achievements /states) und progressive Verben (activities / accomplishments) wird in der jüngeren Forschung, z.B. Kouwenberg (2010), nicht geprüft. Diese Klassifizierung wird von Kouwenberg nicht erwogen, da eine Zusammenfassung dieser Klassen zur syntaktischen Funktionsanalyse und der Dichotomie von Perfektiv (achievements/accomplishments) und Imperfektiv (activities/states) quer liegt. Der Genusbegriff findet sich hier und andernorts in der Akkadistik nicht. Daher kommt Kouwenberg über die Transfixe des Verbs, die im Wesentlichen am Begriff der Transitivität (5.3.2) geprüft werden, zu folgender Schlussfolgerung:

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

“[T]hey are primarily formal categories, based on vowels that are unmotivated (at least synchronically) and do not have grammatical function.” Kouwenberg (2010: 69). Unklar bleibt schließlich das Kriterium zur Scheidung durativer und punktueller Semantik bei telischen Verben im Lexikon – hierzu findet sich keine These in Kouwenberg (2010) oder in vorangegangenen Arbeiten. Die Klassifizierung nach ihrer semantischen und syntaktischen Transitivität ist für alle akkadischen Varietäten problematisch (5.3.2); zu den Kontexten, unter denen vorgenannte Objekte pronominal aufgenommen werden oder eine Objektellipse vorliegt, fehlen weitergehende Studien. Hingegen zeigt eine situationstypenbasierte Klassifizierung nach ihrem Genus weitereichende Übereinstimmungen mit allgemeinen Beobachtungen zum akkadischen Verballexikon: “The main correlations are the following […]: 1. Syntactic transitivity is relevant to the A/u class, almost all members of which are transitive, and the U/u class, which is predominantly intransitive. 2. Semantic transitivity is a prominent feature of the A/a class, which mainly contains low transitivity “middle verb”. 3 Aktionsart is involved in the U/u class, insofar as it contains many atelic (durative) activity verbs, and in the fientive part of the I/I class, insofar as it mainly contains punctual verbs” Kouwenberg (2010: 69). 3.5.4.3 Zusammenfassung Unter der in der Akkadistik erstmaligen Berücksichtigung des Genusbegriffs wurde eine ingressive von einer progressiven Gruppe getrennt. Diese korrespondieren mit den Vokalklassen derart, dass Verben mit u im PRT der progressiven Klasse angehören und die Verben mit a bzw. i der ingressiven Klasse. Die Transfigierung der anderen Formen ist hingegen kein Reflex der lexikalischen Semantik, sondern Ausdruck der paradigmatischen Aspektsemantik. Der Genusbegriff ermöglicht zugleich einen Anschluss an die älteren akkadistischen Beobachtungen zur Klassenbildung der Verben, wie sie in GAG oder Aro (1964) diskutiert wurden und unter dem Eindruck der jüngeren linguistischen Literatur in der Akkadistik vorschnell aufgegeben wurden. 3.5.5 Paradigmatische Wechsel 3.5.5.1 Einleitung Eine systematische oder begriffliche Erfassung des Wechsels des Situationstyps eines Lexems als Folge der Kombination mit grammatischen Aspektformen fehlt in der Forschung. Die bekannteste Form des Wechsels des Situationstyps betrifft die Verbindung perfektiven Aspekts mit einem zuständlichen Lexem, das dann als achievement realisiert wird. Die hier diskutierten Fälle sind paradigmatisch, d.h. sie erklären sich aus der Semantik der paradigmatischen Aspektform in Kombination mit Lexemen bestimmter Situationstypen. Das prinzipielle Problem dieses Wechsels ist die Trennung inhärent lexikalischer von grammatischen Lesarten. So gilt etwa der Wechsel von activity und accomplishment (3.2.4) als syntagmatisch veranlagt, d.h. die Telizität durch ein Objekt ist Teil einer lexikalischen Gesamtbedeutung von z.B. Er hat das Buch gelesen. Auch sind Wechsel der Lesarten sowohl von der lexikalischen Semantik als auch von der Semantik der grammatischen bzw.

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Lexikalischer Aspekt in Satz und Grammatik

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paradigmatischen Aspektform abhängig. Russische Perfektiva erlauben keine zuständlichen Lesarten, der altgriechische Aorist erlaubt hingegen ein Nebeneinander von inzeptiver (achievement) und zuständlicher (state) Lesart abhängig des Kontexts, das englische Progressiv erlaubt die Lexeme to stand, to sit u.a., aber schließt to be, to know u.a. aus. 3.5.5.2 Metaptosis des Perfektivs und Progressivs Ein fundamentales Ordnungsprinzip des verbalen Lexikons in den Grammatiken und Untersuchungen des Akkadischen ist die strenge Differenzierung in eine zuständliche und eine dynamische Gruppe (3.4.2). Da diese Differenzierung keine morphologische Kennzeichnung besitzt, handelt es sich um einen Verbalcharakter und nicht um eine Aktionsart. Nur die zuständlichen Verben verfügen potentiell über alle drei in 2.3.3 genannten grammatischen Aspektkategorien; dynamischen Verben fehlt zum Teil ein STA. Die Formen des zuständlichen Verbs im PRS besitzen regelmäßig nur eine inzeptive, dynamische Lesart (GAG §78a). Von einigen Verben werden allerdings auch vom PRS aus zuständliche Lesarten gebildet (vgl. Streck 1995a: 90). Nach den Kombinationsmöglichkeiten mit den morphologischen Aspektkategorien und den daraus resultierenden Lesarten können diese Verben dann– unabhängig ihrer Semantik – auf syntaktischer Ebene als state oder achievement im PRS erscheinen. Dieser lexikalische Synkretismus von zuständlichen und inzeptiven Lesarten ist ein typisches Merkmal von aspektdifferenzierenden Sprachen. Charakteristisch ist der Wechsel zum dynamischen Situationstyp in Verbindung mit verschiedenen Aspektformen. Diese beim griechischen Aorist als metaptotisch bezeichnete Lesart (Schwyzer & Debrunner 19754: 2212 & 261) kann auch beim akkadischen PRS beobachtet werden (GAG § 78a); denn das PRS „drückt nur selten statische Sachverhalte aus.“ (Streck 1995a: 90). Zustandsverben und Metaptosis Lexem Form Metaptosis state Aorist (perfektiv) achievement state PRS (progressiv) achievement

ohne Veränderung state (s-level) state (s-level)

Eine kleine Gruppe von Verben wird mit regelmäßiger zuständlicher Lesart in der PK angesetzt (GAG § 78b). Darunter zählen neben den defektiven Verbe idû(m): wissen und išû(m): haben eine Gruppe formal nicht zusammenhängender Verben, wie ḫašāḫu(m): brauchen, oder bašû(m): vorhanden sein. Zu diesen fehlt noch eine nach Varietäten und Aspektformen zusammengestellte Analyse, die die Distribution von zuständlichen und dynamischen Lesarten in der PK erklärt. Eine aufgeschlüsselte Analyse ist vornehmlich für die Formen des PRT notwendig. Die z.B. bei Kouwenberg (2010: 56f.) angeführten Beispiele für zuständliches PRT können auch metaptotisch verstanden werden; der Beleg zu bašû(m) ist negiert und in 5.3.5 zu betrachten. Sein dynamischer Beleg zu altbabylonischem izuzzu(m): stehen im Subjunktiv des PRT kann ebenfalls dynamisch verstanden werden: Bezüglich der Bodenpacht, welche in deine Hand tratPRT. (Kouwenberg 2010: 57). Klarer sind hingegen Belege für zuständliches PRS – alle mir bekannten Belege sind weniger zeitstabile Vorgänge (s-level). Dieser für Aspektsprachen charakteristische Wechsel zwischen zuständlichen und dynamischen Lesarten ist als genusinterner paradigmatischer Wechsel vom ebenfalls genusinternen syntagmatischen Wechsel zwischen accomplishment und activity zu unterscheiden

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

(3.2.2 & 3.2.4). Findet keine Metaptosis statt, geben Perfektiv und Progressiv einen als slevel bestimmten state wieder (5.3.4.2) Zustandsverben und PK Lexem Genus Form state

ingressiv

state state

ingressiv ingressiv

Aorist (perfektiv) PRS (progressiv) PRT (perfektiv)

Metaptosis

Genus

achievement

ingressiv

ohne Veränderung state (s-level)

achievement achievement

ingressiv ingressiv

state (s-level) state (s-level)

3.5.5.3 Lesartenwechsel des Resultativs und Stativs Die dynamischen Verben verfügen teilweise über keine Formen im STA oder sind auf besondere lexikalisierte Lesarten eingeschränkt. So ist amāru(m): sehen im STA als kennen (trans.) und alākum: gehen im STA als kundig(?)25zu übersetzen. So in: li-llik enkidu OPT.3-Gehen PN Enkidu möge vor dir gehen. urḫ-am Weg-AKK

ina SEP/LOK

amir-ø alik-ø SehenGehen3SG.SK 3SG.SK Er kennt (~hat gesehen) den Weg, er ist die Straße gegangen (~der Straße kundig).

pān-i=ka Gesicht-GEN=POSS.2.M

ḫarrān-a Straße-AKK

Gilg. OB III VI: 251f.

In diesen Beschränkungen sind vorerst semantische Interpretationen zu sehen, die vor allem den STA in Verbindung mit Verben verhindern, die durativ, dynamisch und atelisch sind 26. Ebenso ließe sich so waṣûm: hinausgehen im STA als aushäusig sein verstehen. Gegen Loesov (2006a: 138ff.) muss dann auch nicht der STA eines Partizips angesetzt werden. 3.5.5.4 Das universale Perfekt – Ein Ausblick Auch bei den Perfekta der Vorzeitigkeit wie im Deutschen oder Englischen sind Lesarten zur Bezeichnung andauernder imperfektiver Zustände möglich: He has always known it oder Er hat es schon immer geliebt. Es handelt sich um die sogenannten universalen Lesarten des Perfekts (4.6.4). Hier überschneiden sich die Funktionen des grammatikalisch älteren Resultativs mit denen der jüngeren perfektzeitlichen Form. Hierunter sind auch die zuständlichen Lesarten der meisten in Kouwenberg (2010: 55f.) genannten Belege zum PRT anzuführen. Diese sind im Rahmen der Diskussion paradigma-

25 Neben intransitivem Lose, Beweglich Sein. 26 Möglicherweise kann die Verbindung dieser Lexeme mit STA unter der Gruppe der progressiven STA Lesarten gezählt werden (Kap. 7). Fehlende Belege sind dann aufgrund der insgesamt spärlichen Beleglage zu erklären.

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Aspektsemantik und Kontext

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tischen Wechsels von Interesse, denn mit Iatridou u.a. (2001: 193f.) sind diese Lesarten von einer morphologischen oder syntaktischen Realisierung abhängig. 3.5.6 Zusammenfassung Neben dem klassischen Lesartenwechsel von zuständlichen und dynamischen Lesarten im Rahmen der Aspektdichotomie zeigt das Akkadische noch zwei andere Distributionen. Die Distribution des progressiven PRS ist wie die perfektiver Formen metaptotisch. Dem Prinzip der metaptotischen Lesarten in anderen Sprachen folgend, ist deren Präsenz ein wichtiges Indiz für ererbte oder neu entwickelte aspektuelle Bezüge im Paradigma (3.5.4.1). Nicht durch die klassischen Aspektbegriffe zu fassen sind die Wechsel zu resultativer Lesart im STA. Hier ist jedoch auf die Ähnlichkeit z.B. zum homerischen Griechisch zu verweisen (4.6.6.4). Hierbei spielen semantische Relation (5.3.6) zwischen SK und PK eine tragende Rolle. Auf Ebene des Satzaspektes kommen inhärente Bedeutungsmerkmale der paradigmatischn Formen zum Tragen, die semantisch veranlagt unter dem Aspektbegriff geführt werden, wie z.B. die Zeitstabilität der states. Diese Merkmale zeigen sich nicht völlig fremd- oder strukturbedingt, sondern in Abhängigkeit von der Semantik der PK und SK. Aspekt auf Satzebene ist daher deutlicher als im Lexikon eine Kategorie im Kontext und in Überschneidung mit anderen Bereichen der Grammatik. Es ist dabei eine der zentralen Schwierigkeiten im Verständnis des Aspekts, dass dieser zu komplexen semantisch veranlagten Interaktionen fähig ist, die sich im strukturellen Kontext der einzelsprachlichen Varietät äußern und bspw. das Fehlen sonst obligatorischer modaler Morpheme beim PRT im modalen Kontext in späteren Sprachstufen erklären können (GAG § 81g). Sie sind als solches also nicht Ergebnis einer historischen Grammatikalisierung der Verbalformen, sondern der Strukturbeziehungen der Varietäten.

3.6 Aspektsemantik und Kontext Mit dem Verbalcharakter wurde ein Begriff eingeführt, der stärker als Situationstypen, Aktionsart und Aspekt in Kap. 5 auf die aspektuelle Semantik beschränkt ist und nur vermittelst seines begrifflichen Bezugs zu den drei genannten klassischen Begriffen der Aspektforschung Schnittstellen zu anderen grammatischen Bereichen hat. Sie begründen auch ein Festhalten am klassischen Verständnis der Aktionsarten in Ergänzung Synonyme zum Situationstyp. Aspekt ist aufgrund seiner Wissenschaftsgeschichte mit anderen grammatischen Bereichen verknüpft, etwa Modalität im Imperfektiv Paradox oder in der Desiderativ-Aktionsart. Auch die Zeitstabilität verweist über den Aspekt hinaus in den Bereich der Generizität. Diese Schnittstellen sind für klassische aspektdichotome Sprachen von geringerer Bedeutung, in denen die Interaktion mit Tempora von zentraler Bedeutung ist. Für das Akkadische sind diese primär nicht aspektdefinierten Eigenschaften hingegen bis in die paradigmatische Struktur hinein von besonderer Bedeutung für die Darstellung und das Verständnis der Formen und innerakkadischen Entwicklung. Eine ausführliche Darstellung schließt sich nach Themen gegliedert in Kap. 5 an, wo unter Rückgriff auf die erarbeiteten Aspektbegriffe die Schnittstellen (interfaces) deutlich umrissen werden sollen. Hier ist besonders zu beachten, dass mit weiteren Analysen des Akkadi-

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Aktionsart und Situationstyp – Aspekt in Lexikon und Satz

schen und dem Fortschritt der linguistischen Forschung auch bis hierhin nur marginale interfaces noch an Bedeutung gewinnen werden.

3.7 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden zwei traditionelle Forschungsrichtungen zum Begriff des Aspekts vorgestellt und gegeneinander abgeglichen. Der Aktionsartenbegriff wurde in seiner semantischen Breite und seiner Bedeutung für Lexikon und Grammatik vorgestellt und gegenüber dem Verbalcharakter als Bezeichnung eines komplementären Begriffs mit Blick auf andere Forschungsansätze und abweichende Begriffsauffassungen klar umrissen, so dass die Transposition der Terminologie in Einzelfällen erleichtert wird. Dem Synkretismus der beiden Forschungsrichtungen wurden Aktionsart und Verbalcharakter zugleich vor dem Hintergrund der Situationstypenlehre entwickelt. Die Situationstypen wurden in ihrer begrifflichen und modelltheoretischen Differenzierungsmöglichkeit umrissen und Beispiele zur Transposition der Vendlerschen Terminologie in den wichtigsten alternativen Forschungsansätzen gegeben. Dieses Kapitel bietet zugleich ein Organon an Bergriffen, mit deren Hilfe die Aspektdichotomie intern und in Abgrenzung zu Tempus erklärt werden und zugleich die typologischen Varianten in synchroner und diachroner Dimension zu den Kategorien des Perfektivs und Imperfektivs beschrieben werden kann, deren Darstellung Aufgabe des folgenden Kapitels ist.

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4 Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt 4.1 Einleitung 4.1.1 Überblick Dieses Kapitel versucht einen – auf den allgemeinen Rezipienten ausgerichteten – problemorientierten Zugang zum Aspektbegriff zu geben. Dieser beginnt daher mit der allgemeinen und unabhängig des Forschungsschwerpunktes als Aspekt verstandenen Dichotomie von Perfektiv und Imperfektiv. Problemorientiert ist dieser Zugang aufgrund seines strukturellen Zugangs, der zunächst Aspekte vor dem Hintergrund gleichzeitiger Tempusmorphologie in den indogermanischen Sprachen behandelt (4.2) und von dem aus sukzessiv der Begriff des Aspekts abstrahiert wird (4.3ff.). Im Anschluss wendet sich die Betrachtung dem Perfekt als sprachliche Kategorie und der Frage seiner Verortung zwischen Tempus und Aspekt zu (4.6). Dabei werden die begriffliche Differenzierung und die uneinheitlichen Begriffsauffassungen in der philologischen und sprachwissenschaftlichen Literatur in den Vordergrund der Darstellung gestellt. Diese Kapitel bietet zugleich den begrifflichen Rahmen für das Verständnis von Aktionsarten und Situationstypen (Kap. 3) vor dem Hintergrund eines allgemeinen Begriffs, der Lexikon und Grammatik berücksichtigt, sowie der kontextuellen Verortung des Aspekts innerhalb grammatischer Kategorien und ihren Überschneidungen mit dem eigentlichen grammatischen Aspekt in diesem Kapitel. 4.1.2 Syntax und Semantik der Aspektdichotomie Neben der meist um eine Beschreibung in Vollständigkeit und Unvollständigkeit gegliederten Charakterisierung finden sich in Einzelsprachen eine Reihe von Funktionen, die eng mit der jeweiligen Form verknüpft sind, aber begrifflich außerhalb des Aspekts zu verorten sind. Am bekanntesten sind der gnomische Aorist (altgriechisch) mit generischer (5.3.4) und das konative Imperfekt (z.B. lateinisch) mit modaler Bedeutung (5.3.3). Syntax und Semantik der Aspektdichotomie: Imperfektiv syntaktisch intervallbasiert unvollständig semantisch modal konativ u.ä. temporal non-past

Perfektiv vollständig optativisch u.ä past

Diese syntaktischen Funktionen verlaufen entlang diachroner und kategorienspezifischer Vorgaben (4.8) und besitzen syntaktische Bezüge, die auch intervallsemantisch im Rahmen

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

von Situationsveränderungen oder Situationsandauern beschrieben werden können. Sie sind als solche mit der internen Zeitreferenz der Situation verknüpft. Diachronie der Aspektdichotomie: Diachronie der Imperfektivkategorie Progressiv > Präsens/Imperfektiv Diachronie der Perfektivkategorie Stativ/ Resultativ > Perfekt > Präteritum/Perfektiv Generische, modale oder valenzverändernde Lesarten hängen hingegen stark von der jeweiligen Varietät und strukturellen Vorgaben, wie dem Vorhandensein und Gebrauch paradigmatischer Kategorien wie Modus, Tempus usw. ab. Zugleich ist ihre Realisierung auch von der diachronen Entwicklung, d.h. dem Grammatikalisierungsalter abhängig (4.8). Diese Funktionen sind nicht willkürlich oder rein strukturbedingt zu ermitteln; sie folgen vielmehr inhärenten Bedeutungsvorgaben der jeweiligen Aspektkategorie und sind als solche semantisch und nicht syntaktisch (5.3). In ihrer konkreten Realisierung kann die einzelsprachliche Form dabei eindeutig syntaktische Funktionen hervorbringen, wie Valenzveränderung oder den Ergativsplit des sumerischen Verbs1. Die syntaktischen Aspekteigenschaften und ihre begriffliche Trennung vom Tempus stehen im Vordergrund dieses Kapitels. Die Aspektsemantik ist Gegenstand der Darstellung in Kap. 5 und behandelt die Schnittstellen (interfaces) zu Modalität, Transitivität, Relation usw. 4.1.3 Tempus 4.1.3.1 Überblick Für die Tempora ist das Modell von Reichenbach (1947) maßgebend – vergleichbar der Bedeutung Vendlers für die Situationstypenlehre (1.2.1.3). Für den grammatischen Aspekt hingegen fehlt es an einem solch zentralen Modell. Hier herrscht ein komplexes Konkurrenzsystem verschiedener Schulen und methodischer Ansätze (1.2.1.1). Tempora werden auf verschiedene Weise systematisch erfasst und einerseits in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, andererseits in absolute und relative Zeitbezüge gegliedert. Dadurch werden aber verschiedene Gebrauchsweisen, wie die Verwendung eines Präteritums in narrativem Kontext, nicht erfasst. Über die Art der Merkmale und ihre Benennung herrscht keine Einigkeit. In der Beschreibung nach Reichenbach (1947) werden die Tempora durch drei Bezugspunkte bestimmt: dem Sprechereignis „S“, dem Zeitpunkt „E“, an dem das Ereignis stattfindet, und einem dritten Bezugspunkt, der in Relation zu beiden steht: „R“. Auch das Perfekt gehört in Reichenbachs Modell zu den Tempora. Dabei ist die Abgrenzung gegenüber dem ebenfalls vergangene Sachverhalte wiedergebenden Präteritum von zentraler Bedeutung: “The literature on the distinction between the present perfect and the simple past usually revolves around the following points. While both the present perfect and the 1 Kommt es zu einem Ergativsplit, so folgt die imperfektive Form akkusativischer und die perfektive Form ergativischer Relation. Dies gilt sprachübergreifend und ist insofern in der Semantik der Aspektkategorien auch dort festzumachen, wo es nicht zu einem solchen Split kommt (Coon & Perminger 2015: 13).

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Einleitung

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simple past express temporal precedence or anteriority (which is why the perfect is often called a tense), it has often been pointed out that they do so in different ways. In Reichen- bachian terms, for example […], it has been said that while the simple past expresses a temporal precedence between the Speech time and the Reference time (R__S), the perfect expresses a temporal precedence between the Event time and the Reference time (E___R)).” Iatridou u.a. (2001: 190). Perfekta unterscheiden sich von den einfachen Tempora dabei prinzipiell in der zeitlichen Trennung der Ereigniszeit E und Referenzzeit R; die einfachen Tempora zeigen immer eine Entsprechung der beiden mit E=R. In diesem System werden die Formen der englischen Tempora folgendermaßen beschrieben: Past Perfect:

__E1_____R1_____S1________________ mit E vor R und R vor S; __E2,R2_________S2________________ mit R gleichzeitig zu E; __E3__________S3, R3______________ mit S gleichzeitig zu R.

Past: Present Perfect:

Vergangenheit

E1

R1,E2,R2

Gegenwart

E3

S1-3,R3

Z.B.: He went home hours ago (E2). All his friends had gone before (E1). Surely, he has come (E3) home by now. Aus diesem Modell lassen sich die folgenden, bekannten Schlussfolgerungen herleiten: „[D]aß die Gegenwart als Tempus dieselbe Struktur wie der imperfektive Aspekt aufweist [...]. Dies hat zur Folge, daß ein perfektiver Sachverhalt mit der Struktur der Gegenwart nicht vereinbar sein kann, da sein Relationswert per definitionem außerhalb von a-b sich befindet.“ Nebes (1982: 28). Comrie (1985: 122ff.) beschreibt die einfachen Tempora, in denen R zu E oder S gleichzeitig ist, ohne einen Bezugspunkt R, was aber wiederholt Widerspruch erregt hat, so von Socka (2004). Es ist besonders zu beachten, dass Comrie (1985: 64ff.) die Formen des Plusquamperfekts und Futur II als absolut-relative Tempora begreift, das Perfekt aber als Aspekt (1976: 52ff.). Dies ist ein systemimmanenter Zwang, da R ja nur dort berücksichtigt wird, wo R nicht mit S oder E zusammenfällt. Die Übertragung des Reichenbach'schen Perfekts auf Comries Tempusmodell würde daher Präteritum von Perfekt nicht unterscheiden. Dies beschreibt zwar die sogenannten old anteriors (4.6) in ihrem Wandel widerspruchsfrei (Bybee u.a. 1994: 81ff.), kann dann aber nicht die vom Präsensstamm ermöglichte futurische Lesart des Perfekts, wie z.B. im Deutschen, erklären. Ein besonderes Charakteristikum des Präteritums im Rahmen der temporalen Deixis ist dabei die Distanz oder Ferndeixis, die einen Bezugspunkt für das Präteritum erfordert, über den es dann schließlich außerhalb der reinen Zeitlagenverortung in allen Zeitlagen verwendet werden kann, in denen auch das Präsens möglich ist (Thieroff 1994: 122). So ist das Ereignis, dass Florenz in einem breiten Tal liegt, gegenwärtig gültig und verlangt zunächst das Präsens.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Verweist man jedoch auf dieses Ereignis zu einer bestimmten vergangenen Zeit, kann das Präteritum gesetzt werden (attractio temporis): „Wir kamen über die Autostrada nach Florenz, das in einem breiten Tal lag.“ Wunderlich (1970: 137). Der Verweis auf noch andauernde Zustände, wie in Wunderlich (1970: 137), ist ein wichtiges Merkmal, das ein Präteritum von einem Perfektiv unterscheidet; und um es zu erfassen, benötigt man einen dritten Referenzpunkt R. Dadurch lässt sich die Zeitstruktur imperfektiver Sachverhalte beschreiben: „Man fand Barschel in der Badewanne liegend. Er war tot.“ Vater (2005: 142). Er war tot ist imperfektiv und in der Gegenwart noch andauernd. Würde sich S ohne Vermittlung von R auf E beziehen, dürfte nur der letzte Zustand im Präteritum stehen. Vorige Beispiele würden dann ein Präsens verlangen. Da nun bei Comrie Perfekt und Präteritum die gleiche Tempusstruktur aufweisen (E—S), sieht Comrie (1976: 52ff.) das Perfekt als Aspekt an und führt zu dieser Unterscheidung aus: “First, the perfect is distinct conceptually from the absolute-relative tenses. [...] In terms of location in time, however, the perfect is not distinct from the past.” Comrie (1985: 78). Nur Plusquamperfekt und Futur II sind daher (relative) Tempora in Comries Modell (1985: 64ff.). Hier ist besonders bemerkenswert, dass gegenüber Reichenbach die Beschreibung des Futurs II ein vor S liegendes Ereignis E grundsätzlich erfasst. Das hat auch Bedeutung für Strecks Analyse des Perfekts (1995a: 244 & 1999: 122f.) 2, der den Begriff des absolut-relativen Tempus auf das akkadische PRF überträgt, PRT und PRS aber als rein relative Tempora verstehen will. Im Übrigen muss für das Deutsche und seine Präsensstämme eine uneingeschränkte Verwendung zur Bezeichnung des Futurs angenommen werden, die stärker ist als z.B. im Englischen (Dahl 1996: 367). Eine obligatorische Verwendung des Futurs ist allein pragmatisch anzunehmen. So hält Thieroff fest: „Tatsächlich ist, wie für ein Tempus nicht anders zu erwarten, das Futur I immer dann obligatorisch, wenn der Zukunftsbezug nicht durch den Kontext im weitesten Sinne gesichert wird.“ Thieroff (1992: 126). Die futurische Semantik verbleibt bei der Entstehung neuer imperfektiver Formen zunächst beim alten Präsens. So zeigt das stark eingeschränkte Progressiv im Deutschen (die rheinische Verlaufsform) bisher keine futurische Semantik. Das stärker grammatikalisierte present progressive hingegen schon; und das trotz eines sonst obligatorischen Futurs im Englischen: I am leaving tomorrow, welches m.W. ohn deutsche Entsprechung der rheinischen Verlaufsform (etwa Morgen am Gehen) ist.

2 Dabei ist allerdings die Nachzeitigkeit von R zu S unverletzlich, könnte R unmittelbar nachzeitig zu einem vergangenen Ereignis angesetzt werden, muss eine perfektische Lesart hinzugezogen werden, da R dann mit S zusammenfallen kann.

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Einleitung

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“The fact that the future use of a present is a late development may help to explain why in some cases future is coupled with uses that are just a subset of the general present uses.” Bybee u.a. (1994: 277). Solche Belege lassen sich auch für die semitischen Sprachen finden. So u.a. in Varietäten des Aramäischen, wo das Imperfekt neben seinem Gebrauch als Futur und Durativ der Vergangenheit (u.a.) „nur selten zum Ausdruck der Gegenwart, die gewöhnlich durch das Part[izip] umschrieben wird [...] im Mand[äischen] noch von regelmäßig wiederkehrenden und in der Gegenwart andauernden Handlungen [...]“ (Brockelmann 1913: 152; Ergänzungen durch Verfasser) verlangt wird3. Dies führt zur folgenden Darstellung von Präsens und Perfekt im Deutschen: Perfekt Präsens

E < R ≥S E, R ≥S

Das Modell Comries (1985) führt in Sprachen ohne obligatorisches Futur allerdings zu einem widersprüchlichen Befund. Man betrachte dazu folgende Sätze: a. Ich habe meine Arbeit jetzt schon geschrieben.: *Ich werde meine Arbeit jetzt schon geschrieben haben. b. Ich habe meine Arbeit bis morgen geschrieben.: Ich werde meine Arbeit bis morgen geschrieben haben. c. Ich habe meine Arbeit geschrieben.: ?Ich werde meine Arbeit geschrieben haben. In (b) ist das Perfekt uneingeschränkt mit Futur II austauschbar, in (c) ist dies abhängig vom Kontext möglich. In (a) ist Futur II auszuschließen. Daher würden sich, wenn das Perfekt ein reiner Aspekt ist, entweder dem Perfekt Lesarten eines Tempus oder dem Futur II Lesarten eines Aspekts zukommen. Daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, dass ein Perfekt keine intervallsemantische Ladung besitzt. Dies zeigt sich am deutlichsten mit punktuellen Verben, die im Perfekt eine andere Kompatibilität in Verbindung mit Temporaladverbien zeigen als in Präsens und Präteritum (4.6.4): *Er findet seit einer Stunde einen Groschen. * Er fand seit einer Stunde einen Groschen. Er hat seit einer Stunde einen Groschen gefunden. Dem Perfekt mit punktuellem Verb liegt daher offenbar ein Intervall zugrunde, das eine Verbindung mit durativen Zeitadverbien erlaubt. Dabei handelt es sich um das sogenannte extended-now (XN) Intervall (McCoard 1978) oder auch die Perfektzeit bzw. perfect time span (Rothstein B. 2008), die im Unterschied zum Perfektzustand, der nach dem Ereignis einsetzt, nur bis zum Referenzpunkt R reicht (4.6.4). Daher erlaubt das Perfekt Kontexte, in denen sowohl Er hat seine Frau gestern umgebracht. als auch Er hat seine Frau vorgestern umgebracht. gleichermaßen wahr sein können, wie Vennemann (1987: 246) festgestellt hat. Eine ausführliche begriffliche Klärung zu diesen Phänomenen findet sich im Anschluss an die Beschreibung von Tempus und Aspekt in 4.6. 3 Zum Korpusumfang dieser Varietäten im Rahmen des Zitats und ihrer Abgrenzung gegenüber Westaramäisch und Syrisch s. Brockelmann (1908: 12ff.).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Bei der Betrachtung der Tempora wird teils vorschnell das Futur als Tempus auf Funktionen zur Bezeichnung der zukünftigen Situationen beschränkt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in indogermanischen, semitischen und keilschriftsprachlichen Varietäten, welche philologisch erschlossen sind, eine Aspektdichotomie oder eine past: non-past split vorliegt, die ohne eigenes oder mit sekundärem Futur begegnen; ein future: non-future split begegnet nur in Teilsystemen ihrer Grammatik. Hinzuweisen ist hier auf das lateinische futurum historicum mit den Grundbedeutungen als einer dem Diskurs vorausgreifenden Situation bzw. einer erst angefangenen Situation, die über nachfolgende Ereignisse hin fortbesteht (Wackernagel 1920: 207), sowie im Französischen als Ausblick auf den Ausgang oder das fernere Fortschreiten der Handlung zum Diskursende (Wackernagel 1920: 207). Auch das altgriechische Futur kennt Verwendungsweisen, die gegenwärtige Situationen beschreiben, z.B. wenn deren Betrachtung aus einer gedachten zukünftigen Perspektive erfolgt: “In philosophical discourse the future tense is sometimes used to express what will be recognized in the future as being true now […].” McKay (1974: 148). Hieran anzuschließen ist auch der Gebrauch des Konjunktivs II des Verbs Werden im Deutschen zum Ausdruck der Nachzeitigkeit in der Vergangenheit: “The future preterite (e.g. er würde tragen) indicates that the action or situation expressed by the verb is posterior to an action or or situation expressed by the preterite of the verb (e.g. er trug). In die drei Männer warteten gespannt, in zehn Minuten würde die Explosion erfolgen the action of ‘erfolgen’, […] follows in time after that of ‘warten’ […]. That ‘würde erfolgen’ is a future preterite […].” Jorgensen (1966: 40) Dabei kommt es zu einer komplexen syntagmatischen Ordnung der einzelsprachlichen Verbalformen zur Gliederung der Bezüge zwischen den einzelnen Situationen. Diese consecutio temporum bezeichnet ursprünglich im Latein die Entsprechung von Hauptsatz- zu Nebensatztempora, wie etwa Präsens Indikativ im Hauptsatz ein Konjunktiv des Präsens oder Perfekts im Konjunktiv entspricht (Wackernagel 1920: 252f.). In der Akkadistik ist hierunter die reine Abfolge der Formen der PK im Rahmen einer ikonischen Zeitverlaufsstruktur zu verstehen, vornehmlich mit Bezug auf Zeitlagenwechsel (GAG § 156), aber auch zur Gliederung eines narrativen Diskurses, in dem etwa das PRF einen Handlungsverlauf mit PRT abschließt (GAG § 80d). 4.1.3.2 Kombinierte Tempus und Aspektmodellierung In Weiterentwicklungen und Varianten des Reichenbach‘schen Systems hat man versucht, Tempus und Aspekt mit einem einheitlichen Modell zu beschreiben4. Eine Zusammenfassung von Tempus und Aspekt erschwert jedoch die Tempusanalyse erheblich, da die Verbalsemantik, die in enger wechselseitiger Beziehung zu den Aspekten steht, Berücksichtigung verlangt, wo der Aspekt sowohl paradigmatisch als auch lexikalisch kodiert wird (4.3f.). Eine diachrone Betrachtung der morphologischen Kategorien Tempus und Aspekt (Bybee u.a. 1994) zeigt, dass sich diese aus älteren Formen mit stärker semantisch bestimmten Funktionen entwickeln. So gehen Perfektiv und Vergangenheitstempus 4 Z.B. Klein (1994).

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(past) u.a. auf Perfekta, wie beim germanischen Präteritum, zurück (Bybee u.a. 1994: 81ff.) und Gegenwartstempus (non-past) und Imperfektiv u.a. auf Progressive (Bybee u.a. 1994: 140ff.)5. Koschmieders Ansatz (1929) verbindet Aspekt und Tempus in einem Modell. Da sein Modell ohne Referenzpunkt R auskommt, beschreibt er das Perfekt als Tempus mit zwei Zeitstellenwerten: einem Zustand und einer vorzeitigen Handlung (Koschmieder 1929: 14f.). Die relativen Zeitbezüge entsprechen Übertragungen vom Jetzt des Sprechers auf den Zeitstellenwert eines Ereignisses. Von besonderer Bedeutung ist in seinem Modell die sogenannte Richtungsbezogenheit (Koschmieder 1929: 11f.): das Subjekt bewegt sich relativ von der Vergangenheit in die Zukunft und im Umkehrschluss, in der die Perspektive getauscht wird, bewegen sich Tatbestände mit ihrem absoluten Zeitstellenwert von der Zukunft in die Vergangenheit. Diese Unterscheidung, von Geschehendem in der Subjektperspektive und Geschehenem in der Tatbestandperspektive, versteht Koschmieder eben als Unterschied zwischen Imperfektiv und Perfektiv (Koschmieder 1929: 35)6. Ganz ähnlich beschreiben auch andere Autoren die Dichotomie von Perfektiv als Tatbestandsform und Imperfektiv als Subjektszustandsform: „Bei der Passé-simple-Serie erscheint das Subjekt als aktionelle Kraftquelle, es setzt eine Handlung. Demgegenüber wird in der Imparfait-Serie eine existentielle Modalität des Subjekts gekennzeichnet, die – wenigstens für den Zeitpunkt der Aussage – als etwas ihm anhaftendes dargestellt wird, eben als eine Seinsweise dieses Subjekts. […]. Der Sachverhalt erscheint dann als dem Subjekt inhärent.“ Pollak (1988: 190). Aspekt ist nach diesem Modell also die Opposition der Richtungsbezogenheit in der Betrachtungsweise. Da bei Koschmieder das Perfekt den Richtungsbezug des Subjekts besitzt, ist es modelltheoretisch imperfektiv. Letztlich leiden diese Modellierungen unter ihrer vagen Umschreibung. Eine scharfe und nachvollziehbare Begriffsfassung ist nicht gelungen und bleibt außerhalb des engen Kreises der Aspektforschung obskur (Jespersen 1924: 286). 4.1.4 Aspekt 4.1.4.1 Einleitung Aspekt in der Syntax ist eine eng mit dem Tempusbegriff verflochtene Kategorie, die sich vom deiktischen Tempusbegriff durch ihren referentiellen Situationsbezug unterscheidet. Tempus beschreibt also Situation im zeitlichen Kontext des Hier und Jetzt des Sprechers, Aspekt hingegen beschreibt Situation nach ihren internen und strukturellen zeitlichen Bezügen. Intern unterscheiden sich zeitliche Bezüge etwa im Bereich der Abgeschlossenheit der Handlung oder der Situationsveränderung (4.5). Dabei selektieren oder erweitern Aspketformen die lexikalisch veranlagten Potentiale des jeweiligen Verbs. Strukturell beschreiben Aspekte etwa das sequentielle oder inzidente Miteinander einzelner Situationen im Rahmen 5 Das Progressiv ist ein Imperfektiv mit semantischen Restriktionen (4.7.3); Perfekta zeigen eine Intervallsemantik, die vom Situationstyp unabhängig ist, im Deutschen etwa im perfektzeitlichen Intervall, bei Sprachen mit Resultativ oder Stativ mit Wechsel des Situationstyps (4.6). 6 Dieses Modell ist strukturell mit dem ascending/descending time Modell verwandt (Hewson 2001: 74ff.). Koschmieders Folgerungen richten sich allerdings auf die Differenzierung von perfektivem und imperfektivem Aspekt, nicht die auf eine Differenzierung von Tempus und Aspekt als ascending/descending.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

der Kontextualisierung zusammenhängender Handlungsverläufe unter dem Begriff der Taxis (5.2.6). Die in der abstrakten Definition klar bestimmte Abgrenzung von Aspekt und Tempus wird durch Formen mit besonderer semantischer oder grammatischer Funktion sowie inhärente semantische Übereinstimmungen erschwert. Zu Formen mit besonderer semantischer Funktion gehören etwa Progressive (5.3.7) mit einer höheren Überschneidung mit der Funktion des Präsens als allgemeine Imperfektive. Zu Formen mit besonderer grammatischer Funktion gehören etwa Perfekta (5.3.8), wie sie in den meisten modernen Varietäten europäischer Sprachen begegnen: sie bringen besondere intervallsemantische Eigenschaften und varietätsspezifische Restriktionen in der Interaktion mit imperfektivem Aspekt bei. Die inhärenten semantischen Übereinstimmungen äußern sich deutlich im Bereich der modalen Lesart oder der pragmatischen Zeitlagenzuordnung des jeweiligen Aspekts (4.4). In diesen Fällen zeigt sich eine auch den diachronen Prozess der Formenentwicklung bestätigte semantische Ähnlichkeit von Präteritum und Perfektiv einerseits und Präsens und Imperfektiv andererseits. Grundsätzlich ist auf formaler Ebene der Syntax zwischen einer primären Aspektdichotomie und einer offenen Klassifizierung zu unterscheiden. Unabhängig dieser Klassifizerung ist bei der Begriffsfindung der einzelnen Aspekte zwischen privativen und oppositionellen Modellen zu unterscheiden (1.2). Die verschiedenen Ansätze in der Forschung erschweren dabei prinzipiell die Rezeption des Forschungsfortschrittes (4.7). 4.1.4.2 Offene Klassen Über die Aspektdichotomie hinausgehende Systeme unterschiedlicher wissenschaftsgeschichtlicher Herkunft lassen sich als Modelle mit offenen Aspektklassen zusammenfassen. Ausgangspunkt der Überlegung sind formale Strukturen und das Fehlen eines eigenen Perfekts in den slawischen Sprachen. Neben diesen älteren Überlegungen zum Perfekt und seinen bereits in der altgriechischen Sprachgeschichte heterogenen Eigenschaften, treten in der modernen Sprachwissenschaft noch heuristische und zumeist an den grammatischen Formen einzelner Sprachen orientierte Klassenbildungen hinzu (1.2.1). Zu diesen erweiternden Aspektklassen gehören teils spezifizierte Vertreter der Aspektdichotmie, wie das Progressiv (4.7.3), teils andere, den Vertretern der Aspektdichotomie sprachtypologisch nicht eindeutig zuzuordnenden Formen, wie etwa Habituals (4.7.5) als Ausdruck generischer Semantik (Sasse 2002: 210). Diesen allen ist gemein, dass sie deutliche Schnittstellen (interfaces) zu anderen Bereichen der Grammatik aufweisen und letztlich durch diese Eigenschaften gegenüber den aspektdichotomen Formen eingeschränkt, wie das Progressiv, oder erweitert, wie die englischen simple tenses, erscheinen. Solche Formen sind daher im Detail in Kap. 5 zu besprechen. 4.1.4.3 Aspekt und relative Tempora Die Möglichkeiten zum Ausdruck relativer und absoluter Zeitlagen und das Verhältnis zur Tempuskategorie finden sich in der Indogermanistik bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts und wirken als solche auch in Teile der Semitistik und deren Streit um die begriffliche Rückführung der ältesten Verbalsysteme auf den Aspekt oder Tempus hinein (1.2.1). Das Miteinander von Tempus und Aspekt in den indogermanischen Sprachen und das Fehlen einer Sprache ohne Tempus unter diesen hat ihr Verständnis und eine scharfe

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begriffliche Trennung behindert (4.3). Es sind im Wesentlichen sprachtypologische Beiträge zur Interaktion von Modalität und Perfektivität sowie Aspekt und Zeitbezug, die das indogermanistische Bild erhellen (4.4). Hier zeigt sich eine weitgehende Entsprechung von Vorzeitigkeit/Vergangenheit und Perfektiv und Gleichzeitigkeit/Gegenwart mit Imperfektv. Die Nachzeitigkeit/Zukunft ist einerseits mit non-modalen Lesarten des Imperfektivs und andererseits modalen Lesarten des Perfektivs verknüpft (5.3.3) und das Imperfektiv die vorherrschende Form des Ausdrucks der Nachzeitigkeit im non-modalen und nicht-subordinierten Kontext (5.3.3). Diese Zusammenhänge zeigen auch deutlich die praktische Redundanz eines etwa in Denz (1999: 37ff.) vorgeschlagenen Zeitbezugsmodells auf, das auf den Aspektbegriff verzichtet. 4.1.4.4 Verteidigung der Aspektdichotomie Der Vorzug der Aspektdichotomie gegenüber anderen Klassifizierungen ist zum einen die klare Strukturierung und Möglichkeit der Zuordnung der Forschungsergebnisse oppositioneller Modelle hierzu. Sprachtypologische Plausibilität besitzt sie etwa aufgrund der nachweislichen dichotomen Aspektunterscheidung in Perfekta (4.6.5), der syntaktischen Imperfektivität des Progressivs (4.7.3) und der semantischen Fortsetzung der syntaktischen Dichotomie in Schnittstellen der Grammatik, wie z.B. der Modalität (5.3.3). Formal gestützt wird diese Zweiteilung schließlich durch einzelsprachliche Realisierungen von Aspektsystemen und deren zugrundeliegender Dichotomie in Syntax und Semantik. Untergliederungen sind regelmäßig im Rahmen der Schnittstellen etwa als Teil des differential subject markings (5.2.4), wie beim homerischen Perfekt oder akkadischen Stativ (4.6.6.3), zu erklären und überschreiten die Grenzen des Aspektbegriffs wesentlich. Sie verlassen also inhaltlich den Begriff des Aspekts (4.7). Die Beschränkung auf die Aspektdichotomie von Imperfektiv ist nicht nur für den Aspekt und seine Beschreibung, sondern auch für seine Abgrenzung gegenüber Tempus und anderen Kategorien mit einzelsprachlicher Überschneidung zu diesem vorteilhaft (Kap.5). 4.1.4.5 Privative und oppositionelle Modellierung Unter der Aufgabe der strengen Gliederung in vollendet und unvollendet hat sich in Teilen der Aspektforschung eine Beschreibung des Aspekts mit einem funktional unmarkierten imperfektiven Aspekt, u.a. bei Breu (1999: 31), entwickelt. Sie folgt dem Gebrauch in slawischen Sprachen (4.2.5), dem Altgriechischen (4.2.3) oder romanischen Sprachen (4.2.6), in denen die Vollendung der Handlung impliziert werden kann. In der Praxis lassen sich diese privativen Modellierungen mit eingeschränktem Gebrauch nicht ohne weiteres als unmarkiert beschreiben und zeigen zunächst einzelsprachspezifische Restriktionen außerhalb der Funktion der „unvollendeten Handlung“. So schreibt etwa Pollak: „Es ist also zweckmäßig, dann von Imparfait narratif zu sprechen, wenn telische Verba im Imparfait stehen und die dargestellte Handlung in ihrer Ganzheitlichkeit bezeichnen. Anhänger einer Erklärung der Aspektfunktion durch ein privatives Oppositionsmodell sehen in diesem Imparfaitgebrauch ihren Kronzeugen: positiv zu charakterisieren sei nur das Passé simple, und zwar nach dem Merkmal der „Ganzheitlichkeit“, das Imparfait sein in bezug auf dieses Merkmal neutral, das merkmallose Glied der Aspektopposition.“ Pollak (1988: 143.).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Vertreter einer offenen Aspektstruktur, die z.B. das Perfekt als dritten Aspekt integrieren, sehen hingegen zumeist das Perfektiv als unmarkiert an (Comrie 1976: 21). Sie folgen dabei einem auf die griechische Grammatiktradition zurückgehenden Ansatz im Verständnis des Aorists („unbestimmes“) als merkmalslos (4.2.1), wiewohl sich diese Begrifflichkeit auf den gesamten Katalog der Lesarten (u.a. als gnomisch) bezieht und nicht auf die Deutung der einfachen aspektuellen Syntax und Semantik reduziert werden kann. 4.1.5 Zusammenfassung Der Begriff des Aspekts blickt auf eine weitreichende und in der Moderne stark divergierende Forschungsgeschichte zurück (1.2). Sein Zugang erfolgt aufgrund des wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrundes zunächst in seiner Analyse gegenüber dem Tempus zu einem alleingestellten Aspektbegriff, von dem aus wiederrum vor dem Hintergrund der einzelsprachlichen formalen Varianten eine Kontextualisierung im Bereich ihrer begrifflichen Überschneidungen zu erfolgen hat, wie sie etwa Progressiv oder inhärente Lesarten verlangen. Die konkreten Aspektformen interagieren mit dem einzelsprachlichen System sowohl auf syntaktischer als auch auf semantischer Ebene. Es ist bei letzterer zwischen inhärenten semantischen Eigenschaften, etwa im Bereich der Relation oder Modalität und strukturbedingten Funktionen zu trennen, die nur teilweise aus der Aspektsemantik herzuleiten sind und an erster Stelle von der Struktur des Paradigmas und dem Nebeneinander sich funktional überschneidender Formen abhängen (5.3). Grundlegend für den Zugang zum Aspektbegriff ist daher die Trennung von aspektuellen und temporalen Funktionen, deren Verknüpfungen sich in Tempora der Vergangenheit am detailliertesten darstellt. Außerhalb dieser Zeitlage erfüllen Aspektformen in Tempussprachen nur eine untergeordnete Rolle und sind auf einige spezielle und sprachspezifische Verwendungsweisen beschränkt.

4.2 Tempus vor Aspekt – Aspekte als Differenzierung von Tempora 4.2.1 Der griechische Aorist Seiner griechischen Etymologie nach bezeichnet der Aorist das Unbestimmte unter den Tempus- und Aspektformen. Diese Beschreibung des Aorists als merkmallos findet auch in einigen privativen Modellen der der modernen Sprachforschung Fortsetzer (4.1.4.5). In der Klassischen Philologie ist der Aorist einer von drei Verbalstämmen, neben Perfekt und Präsens, und er wird bereits in den älteren griechischen Grammatiken der klassischen Philologie als Träger perfektiven (auch konfektiven oder komplexiven) Aspekts begriffen (Schwyzer & Debrunner 19754: 252). Er ist Teil einer grammatischen Derivation ohne Nachwirken ererbter Aktionsarten, die an seiner Bildung beteiligt sind: „Im Griechischen wird der Aspekt flexivisch ausgedrückt, […]. Diese innerparadigmatische Opposition zwischen Präsens- (bzw. Perfekt-) und Aoristformen durchzieht das ganze Verbum finitum und infinitum, mit der im Neugriechischen beseitigten Ausnahme des altgriechischen Futurs. Das griechische Bezeichnungs-

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system für den Aspekt ist unabhängig von der Bezeichnung der Aktionsart, […].“ Tichy (1999: 128). In der sprachwissenschaftlichen Forschung hat sich die Bezeichnung Perfektiv durchgesetzt, die auf der slawistischen Forschung stammt und Anschluss an das mit den Aoriststämmen zusammengefallene lateinische Perfekt sucht, welches sich aber wesentlich vom altgriechischen Perfekt unterscheidet (4.6.6). Zugleich hat der Terminus Aorist in der Sprachwissenschaft eine Interpretation nach seiner Etymologie als unbestimmtes Tempus erhalten, etwa als Form habitueller Vorgänge ohne Zeitbezug, so z.B. im Türkischen (Lewis 1985: 117)7. Die grundlegenden Funktionen des (perfektiven) Aorists sind der Ausdruck der inzeptiven und kompletiven Lesart eines Lexems, d.h. des Zustandseintritts und der vollständig gegebenen Handlung einschließlich ihres intrinsischen Endes. Entgegen der rein terminologischen Bezeichnung als punktuell – gegenüber durativ oder linear zur Beschreibung des Imperfektivs – ist in den griechischen Grammatiken dabei keine Bezeichnung der absoluten Dauer, sondern ihrer subjektiven Darstellung (Schwyzer & Debrunner 1975 4: 252) gemeint. Mit Verschwinden der Klassifizierung in subjektive und objektive Kategorien wurde dann auch die Bezeichnung als punktuell irreführend und in der Folge oft und dabei nicht selten ahistorisch kritisiert; sie meint nämlich ursprünglich eine grammatische Punktualität, unabhängig der semantisch veranlagten Dauer des Vorgangs (1.3.3). Eine grundlegende Funktion des Aorists ist die Kennzeichnung der eben erst vollführten Handlung (Wackernagel 1920: 176). Diese ersetzt bei Homer und wohl überhaupt im älteren Indogermanischen das perfektzeitliche Perfekt zum Ausdruck der Vorzeitigkeit. Dabei ist zu beachten, dass bei Homer der Gebrauch von Aorist und Imperfekt zum Teil ganz erheblich von den Gegebenheiten des klassischen Griechisch abweicht: „Der Aspektgebrauch bei Homer gilt zwar als „dichterisch“ und somit potentiell ungrammatisch. Das sagt aber vielleicht mehr über den Forschungsstand aus als über die Texte.“ Tichy (1999: 135). Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das homerische Griechisch (4.2.3) und, stärker ausgeprägt, die ältesten Sprachstufen des Indischen und Iranischen (4.2.4), bei Betrachtung der Distribution gegenüber dem Imperfekt einen Funktionskatalog mit Beschränkungen in bzw. Ausschluss des Aorists aus der sequentiellen Taxis zeigen (5.2.6). Sprachtypologisch lassen sich dann der homerische Aorist als old anterior und der indoiranische Aorist als Perfekt begreifen (4.8.2), d.h. als zumindest in Teilen perfektzeitliche Form (4.6.7). Die grundlegenden syntaktischen Funktionen des Aorists sind die Wiedergabe des Handlungsvollzugs telischer Situationstypen, mit denen sie semantisch neutral sind und entsprechend accomplishments und achievements in ihrer lexikalischen Bedeutung wiedergeben. In Verbindung mit activities zeigt der Aorist eine ebenfalls neutrale Lesart in vollständiger (delimitativer) Wiedergabe, ohne ein Moment der Vollendung beizubringen. Mit states sind im Altgriechischen neben einer abgeschlossenen (komplexiven) auch eine (die lexikalische Lesart verändernde) Überführung in ein achievement als Eintritt in den Zustand möglich, die als eine Veränderung der Lesart durch den grammatischen Aspekt etwa auch mit atelischen Verben im französischen passé simple begegnen: 7 D.h. er ist unter den Tempora eine non-modale Form ohne festgelegte Zeitstufe.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

„Bei atelischen Geschehen kann eine inchoative Satzbedeutung entstehen, indem der Satz nicht mehr die Existenz des lexikalisch ausgedrückten Geschehens zum Gegenstand hat, sondern die Existenz von dessen Eintritt.“ Viguier (2013: 119). Die metaptotische Lesart (3.5.5) begegnet auch bei den zu Wurzelaoristen gebildeteten Futura. Dabei ist das Futur prinzipiell indifferent gegenüber den unterschiedlichen aspektsemantischen Vollzugsstufen (Menge u.a. 1999: 182). Einigen Verben im Altgriechischen, die zum Teil auch kein Perfekt besitzen, fehlt ein Aorist. Hierzu gehören Verben mit ausschließlich zuständlicher Lesart, wie κεῖμαι: liegen (Wackernagel 1920: 172) oder das Verb εἰμί: sein. Der Aorist ist Ausdruck des Faktums und kann gegenüber dem Imperfekt die Ergebnisse von Handlungen wiedergeben, wohingegen das Imperfekt den Verlauf der Ereignisse schildert, etwa wenn die Beschreibung eines Ratsschlusses nicht nur den genannten Beschluss umfasst, sondern auch im Kontext nicht relevante aber mögliche Beschlüsse in gleicher Sitzung. So wird durch ein Imperfekt etwa hervorgehoben, wer unter den Ratsherren gerade zu dieser Zeit den Vorsitz hatte, wenn sich dieser über einen Zeitraum erstreckt, der letztgenannte Handlungen umfasst (Wackernagel 1920: 184). Im Griechischen ist aufgrund des viergliedrigen Modussystems und der Fortsetzung der Aspektformen in diesen Modi und in nominalen Formen eine Trennung von syntaktischen und semantischen Eigenschaften möglich. Zu den semantischen Eigenschaften zählen etwa die häufig futurischen Zeitbezüge des Aorist Konjunktivs (Rix 1992: 225). Die semantischen Eigenschaften bestimmen dabei die Interaktionen mit den Schnittstellen (interfaces) des Aspekts zu Modalität usw. (5.3). Semantische Funktionen zeigen sich vor allem außerhalb des indikativen Imperfekts mit Kennzeichnung des Tempus, etwa im Gebrauch von Konjunktiv und Optativ (5.3.3) oder der Infinitive im Rahmen der Taxis (5.2.6). Im Rahmen der Taxis begegnet der Aorist in Sequenz oder Inzidenz. Die Inzidenz findet sich als Charakteristikum der Gegenüberstellung der beiden vollständig grammatikalisierten Formen des Aspekts mit Aorist als Inzidenzakt, dessen Hintergrundereignis ein Imperfekt als Inzidenzbasis wiedergibt (Wackernagel 1920: 174f.). Die sequentielle Taxis ist die letzte funktionale Domäne des Aorists, und er bleibt in dieser bis in das Koine Griechische erhalten, in dem er außerhalb narrativen Diskurses – analog zum deutschen Präteritumsschwund (Fischer 2018: 206f.) – vom Perfekt verdrängt wird: "It is commonly observed that the aorist indicative most often occurs in narrative proper, portraying the narrative mainline.” Campbell (2007: 108). Und an anderer Stelle: “The default position of the present and perfect indicative is direct, indirect, or authorial discourse.” Campbell (2007: 241). Der Aorist als non-past begegnet als emphatische Form vornehmlich in Dramen zum Ausdruck der Erwiderung, der Emotion oder eines drohenden Ereignisses (McKay 1974: 145), ähnlich deutschem Präteritum: Noch ein Wort und er war verloren (Schanen 2004: 21). Im Brief steht der Aorist ferner kontextuell als Ausdruck vergangener Sachverhalte, neben Perfekt, aus der Perspektive des Rezipienten (Menge u.a. 1999: 181).

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Tempus vor Aspekt – Aspekte als Differenzierung von Tempora

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Dass dem Aorist keine Zeitstufe anhaftet, sondern diese erst durch das Augment gegeben ist, wie Wackernagel (1920: 152f.) formuliert, ist differenziert zu betrachten. Zum einen sind die augmentlosen Formen des Konjunktivs und Optativs eine modale Transposition des perfektiven Aspekts und zeigen eine irreale Lesart, die Zukünftiges impliziert (5.3.3), zum anderen sind non-modale Perfektiva sprachtypologisch ganz überwiegend präterital: “[F]or grams marking perfective and imperfective aspect, future arises as a contextually determined use, and not [...] as an evolutionary endpoint [...]. The most usual case is the one in which a general present imperfective (cf. §5.6) can also be used for future time reference in a future context. [...].” Bybee u.a. (1994: 275). Diese Beobachtung entspricht insofern auch dem Befund der augmentlosen Aoriststämme bei Homer oder auch dem Gebrauch des Perfektivs im Sumerischen: “The perfective is also used to express non-past actions, but only in specific types of sub-ordinate clauses. Its use is, for instance, obligatory in forms with the relative-past prefix {u}.” Jagersma (2010: 375). Generizität schließlich ist eine wesentlich strukturbedingte Eigenschaft und nicht Teil der inhärenten Aspektsemantik (5.3.4). Das (oberflächlich) redundante und auch sprachtypologisch auffällige Augment als Charakterisierung des präteritalen Perfektivs ist insofern bemerkenswert: “[C]ontrary to what we have said about the general tendency in Indo-European, there is a consistent marker of past time reference in that language, the so-called augment, i.e. a prefix e- which characterizes both the Aorist and the Imperfect.” Dahl (1985: 83; Hervorhebung im Original). Aus der Perspektive der arealen Morphologie ist diese Erscheinung unter Berücksichtigung des hebräischen Narrativs neu zu untersuchen. Denn auch das zum aufkommenden altgriechischen Augmentgebrauch im Aorist synchrone biblische Hebräisch ergänzt das einfache Perfektiv, die Kurzform der PK, mit einem Augment, wodurch die Form insgesamt präterital und die augmentlose PK Kurzform auf modale Gebrauchsweisen beschränkt wird; dahingegen ist für das Ugaritische eine non-modale perfektive PK Kurzform sicher anzunehmen (Tropper 2012: 695ff.), die im Kontext des zweiten Jahrtausends keinen Augmentgebrauch aufweist8. Der altgriechische Aorist ist eine weitgehend unproblematische Kategorie und begrifflich vom Perfekt und Imperfekt einerseits und Präteritum andererseits klar zu trennen. Gegenüber Perfekt und Imperfekt können die jeweiligen Überschneidungen semantisch gedeutet werden und hängen im Wesentlichen von der Grammatikalisierung dieser Formen und der damit verbundenen Einschränkungen des Aorists zusammen. 8 Sprachtypologisch plausibel ist daher, dass das Augment des Narrativs eine Nachbildung oder sogar eine Entlehnung aus dem linguistischen Areal des zweiten Jahrtausends und eine ursprüngliche Partikel ist, deren Gebrauch am Satzanfang sowohl im Anatolischen, wie auch im Ägyptischen des zweiten Jahrtausends üblich ist. Qualifiziert für einen arealen Vorläufer des hebräischen wa(K)- sind daher etwa die anatolische Quotativpartikel (vgl. Hoffner & Melchert 2008: 354ff.; Payne 2010: 40) oder das topikalisierende jw im Ägyptischen (Loprieno 2015: 330ff.).

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Diese Gegebenheiten und die Wahrnehmung des Präteritums als weitestgehend mit dem Perfektiv funktionsidentisch lassen ihn, wie etwa auch bei Comrie (1976), als merkmalslosen Aspekt erscheinen. Weiterführende Studien sind daher vor allem hinsichtlich der Abgrenzung zu anderen Formen und einer merkmalsgestützen Begrifflichkeit erforderlich 9. Wesentlicher Partner für diese Analyse ist die slawische Sprachfamilie mit ihrem morphologisch sekundären Perfektiv als System grammatikalisierter Aktionsarten; andere indogermanische Sprachfamilien hohen Alters scheiden ganz überwiegend aus, weil sie die griechische Opposition von Präsens- und Aoriststamm nicht besitzen bzw. nicht fortsetzen. 4.2.2 Das perfektive Präteritum des Russischen Unter 3.3.5 wurden bereits die Bildungstypen des russischen Perfektivs erläutert. Ursächlich in Zusammenhang mit dem derivationalen Aktionsartencharakter und dem Fehlen von Wurzelperfektiven hängt der Ausschluss zuständlicher Situationstypen zusammen. Mit dem morphologischen Sachverhalt des Perfektivs als sekundäre Form des Paradigmas möchte man daher die gegenüber anderen Sprachen engere Verwendungsweise deuten. Praktisch ist der Katalog des russischen Perfektivs mit Ausnahme genannten Fehlens komplexiver Lesarten (5.4.2) sprachtypologisch unauffällig und zeigt sich etwa als Form der sequentiellen Taxis (Rapapport 1997: 236; s. in dieser Arbeit 5.2.6) oder Inzidenzakt (Breu 1999: 32). Entgegen der sonst zum Nachteil des Perfektivs herrschenden Bevorzugung des Imperfektivs sind ferner hypothetische und generische Sachverhalte zu nennen; hier steht – sofern keine Iteration impliziert wird – der perfektive Aspekt (Breu 2000: 48). Im Rahmen der derivationalen Bildungen ist die regelmäßige Überführung in atelische activities im Perfektiv besonders interessant, denn sie zeigt, dass der semantische Ausschluss im Russischen sich gezielt auf zuständliche Lexeme bezieht, delimitative Lesarten (5.4.2) hingegen erlaubt: “There are two special prefixes which produce perfective verb stems from these forms. They provide independent bounds for atelic situations, thus confirming to the specificity requirement of the Russian perfective viewpoint.” Rapapport (1997: 243f.). In Verbindung mit telischen Situationstypen zeigen perfektive Formen an, dass die Handlung unternommen bzw. angegangen wurde, aber nicht vollendet worden ist (Rapapport 1997: 256f.). Hier ähnelt negiertes Perfektiv dem konativen Imperfektiv; bei Negation schließt das Imperfektiv wiederum den im affirmativen Satz betonten Versuch bzw. die anfängliche Unternehmung aus. Die Negation in Verbindung mit den Aspekten wird also derart genutzt, dass der jeweils letzte explizite Handlungsabschnitt negiert wird und nicht der Verbalvorgang insgesamt. Der Zeitlagenbezug des Futurs gilt als direkter Nachweis der Perfektivität in Verbindung mit einem Präsens (Rapapport 1997: 258); bei der Koinzidenz (5.2.6) ist allerdings das perfektive Präsens zur Bezeichnung der Gegenwart gebräuchlich. Es bildet als solche einen Son9 Scheinbar originäre Funktionen des Perfektivs teilt sich dieses mit den genannten Formen, etwa als Ausdruck der sequentiellen Taxis mit Präteritum oder der Irrealität mit dem Perfekt usw. Sollte der sprachtypologische Befund sich bestätigen, wonach zu vermuten ist, dass ein Präteritum älter als ein Perfektiv ist, ist mir keine Funktion ersichtlich, die diesen Aspekt exklusiv charakterisiert.

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derfall zum sonst gültigen Zeitlagenbezug (Breu 2000: 50). Hingegen ist die Reanalyse von Gleichzeitigkeit anzeigenden Adverbien als Ausdruck der Vorzeitigkeit nicht nur Indikator der Perfektivität, sondern verläuft parallel zum Gebrauch des PRT in Temporalsätzen im Akkadischen (GAG § 173). 4.2.3 Das Imperfekt im Griechischen und Latein Zunächst ist in der Gegenüberstellung von altgriechischem und lateinischem Imperfekt darauf hinzuweisen, dass das altgriechische Imperfekt in Kontexten begegnet, in denen lateinisch nur Perfekt (bzw. ggf. historisches Präsens) möglich ist: „Dem ganzen Gebrauch des lateinischen Imperfektums entsprechen Anwendungen des griechischen Imperfekts, aber nicht umgekehrt, die Verwendung des lateinischen Imperfekts ist eine fühlbar engere. […]. [A]nders als jenes dient es in der Regel nicht der eigentlichen Erzählung.“ Wackernagel (1920: 189). Der stark eingeschränkte Gebrauch des Lateins bestimmt die allgemeinen und kurzgefassten Begriffsauffassungen des imperfektiven Aspekts und kann sehr wohl als Katalog der Kernfunktionen verstanden werden, der allgemeinsprachlich für Imperfektive gilt. Dieser Katalog umfasst konative Lesarten perfektiver und atelische Lesarten imperfektiver Lexeme, d.h nicht abgeschlossene Situationen aller Situationstypen ohne Metaptosis (3.5.5). Das Imperfekt des Lateins ist dabei historisch und sprachtypologisch Ausdruck einer jüngeren Grammatikalisierungsstufe der Form, denn es ist als solches eine Neubildung mit -bā- Element (Meiser 1998: 197), d.h. Derivation durch eine Aktionsart. Die konativen und inchoativen Lesarten des griechischen Imperfekts sind aspektsemantisch veranlagt und begegnen daher außerhalb des Imperfekts auch im (aspekt)stammgleichen Präsens: “In some contexts, the present tense of action verbs [..] has the effect of so emphasizing the incompleteness of the action, that the most English equivalent is try to do, […]. These effects are more commonly noticed in the imperfect […] and in other moods of the imperfective […].” McKay (1974: 142). In seiner Funktion der Darstellung des Hintergrunds der Handlung (backgrounding) kann das Imperfekt auch die Vorvergangenheit bezeichnen (McKay 1974: 144). Es fungiert dabei in ähnlicher Weise wie die SK zu Beginn eines narrativen Diskurses im Akkadischen oder Bibelhebräischen. Im Übrigen ist das Imperfekt die Form zur Kennzeichnung vergangener aber noch andauernder Situation oder iterierter Handlungen (McKay 1974: 143f.). Wie das akkadische PRS begegnet das griechische Imperfekt vor der direkten Rede, der Aorist danach: „The historians often introduce and conclude a speech with the imperfective and aorist respectively of a verb of saying […].” McKay (1974: 139). Dieses verbreitete Merkmal imperfektiver verba dicendi kennt etwa auch das Sumerische: “Used together with direct speech, the verbs of speaking show a clear division of usage between the imperfective and the perfective. If a verb of speaking precedes the direct speech, it always has an imperfective form, because the act of speaking has not

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yet reached its endpoint at the time talked about. […]. If the direct speech precedes the verb of speaking and the act of speaking took place in the past, the verb of speaking always shows a perfective form (§15.4.2), because the act of speaking reached its endpoint at the time talked about as well as before the present. But if the direct speech precedes the verb of speaking and the act of speaking does not take place in the past, again the imperfective is used, because the imperfective is also used to express nonpast actions.” Jagersma (2010: 379). Ferner kann sich das altgriechische Imperfekt auch auf nicht vergangene Sachverhalte beziehen. Es begegnet in dieser Funktion vornehmlich in philosophischen Texten als Schlussfolgerung aus vorangegangenen Argumenten (McKay 1974: 144) und folgt der Transposition des deutschen Präteritums in Sätzen wie Wer bekam die Suppe? usw. Nicht im Latein, aber im homerischen Griechisch, begegnet das Imperfekt als erzählendes Tempus. An deren Stelle ist im Latein (Wackernagel 1920: 188) nur Perfekt oder historisches Präsens möglich10: „Und so gibt es bei Homer zahlreiche Imperfekte, die schlichtweg, ohne dass mehr als durch den aoristischen Ausdruck ausgemalt würde, dazu dienen zu erzählen. Und man muss nun, […], einfach erkennen, dass das Imperfekt in zahlreichen Fällen das erzählende Tempus gewesen ist, wie denn Herodot und Thukydides, wenn sie schlicht erzählen, in der Regel das Imperfekt gebrauchen.“ Wackernagel (1920: 183). Schließlich begegnet das Imperfekt anstelle des Präsens für in der Vergangenheit schon stattfindende Zustände, auch wenn diese in die Gegenwart hineinreichen (Wackernagel 1920: 184f.). Sie folgen als solche dem Prinzip der attractio temporis im Deutschem (4.1.3): „Wir kamen über die Autostrada nach Florenz, das in einem breiten Tal lag.“ Wunderlich (1970: 137). In der griechischen Philologie als perfektisch verstandene Imperfekta (und Futura) entsprechen in ihrer Lesart den akkadischen PRS Formen zu Verben wie izuzzu(m): stehen, wašābu(m): sitzen usw. (Kap. 3.4.4). Wie die akkadischen PRS Formen zeigen diese eine ebenfalls aus der lexikalisch veranlagten dynamischen Lesart hergeleitete Metaptosis (3.5.5) eines zunächst inzeptiven achievements (3.4.5.2). Sie konkurrieren in dieser mit dem ebenfalls gebräuchlichen STA (3.5.5.3). In der griechischen Sprachgeschichte hat sich dabei eine Verlagerung von der vorklassischen Zeit bis in die hellenistische Zeit fortgesetzt, bei der neue Imperfekta alte Perfekta in subjektsresultativer Lesart ersetzen: “There are two common verbs whose imperfective and future seem to be used with a perfect sense: *ἥκω, I am come; *οἴχομαι, I am gone. In later Greek some classical perfects are partly replaced by new imperfective forms […]. McKay (1974: 140). 10 Ich möchte hier entgegen Wackernagel zwischen Homer und den klassischen Historikern trennen, deren Gebrauch ich zu dem des konstatierenden Imperfekts im Russischen (4.2.5) stellen möchte und eine semantische Schnittstelle zu Evidentialität (5.3.3.3) unterstelle. Der Gebrauch des Imperfekts bei Homer kann hingegen m.E. nur in Vergleich mit dem Indoarischen als Ausdruck einer früheren Grammatikalisierungsstufe des Aorists verstanden werden, die sich sprachtypologisch zwischen anterior, wie im Vedischen, und Perfektiv, wie im Klassischen Griechisch, befindet.

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Das Ergebnis und die Beschränkung des Perfekts mit imperfektiver Syntax auf einige wenige Lexeme kommt dabei der Grammatikalisierung des westsemitischen STA gleich11. 4.2.4 Das indoiranische Imperfekt Dem Gebrauch des altgriechischen Imperfekts sehr nahe stehen die indoiranischen Imperfekta (Wackernagel 1920: 183). So lässt sich etwa der ganz überwiegende Gebrauch des Imperfekts im Altpersischen zunächst varietätsspezfisch dahingehend erklären, dass hier Geschichte berichtet wird, wofür sich auch bei den griechischen Historikern Imperfekt findet (Wackernagel 1920: 183); die wenigen Aoristbelege sind zeitlich außerhalb der historischen Darstellung in der mythischen Schöpfungszeit verortet und zeigen ein stilistische Trennung von Historie und Mythos und ein diesem Zugrunde liegendes Bewußtsein für diese Unterscheidung an. Belege wie Ahuramzada ist der große Gott, welcher die Erde geschaffen hat AORIST (DEa 1ff.). oder Die Länder, die ich in Besitz genommen hatteAORIST:MEDIUM (DPe 8). weisen den Aorist als Form außerhalb des narrativen Verlaufs aus (vgl. Fischer 2018: 206). Beschränkt man sich auf Bildungen des Indikativs kann sprachtypologisch nur von einem old anterior gesprochen werden, dass offenbar keinen Anteil an der sequentiellen Taxis hält (5.2.6). Gleiche Beobachtungen gelten auch für das indoiranische Vedisch (Deo 2006: 107f.). In den späteren Sprachstufen überlebt schließlich nur das Präsens und das Perfekt (Deo 2006: 114ff.); die Kategorien des Imperfekts und Aorists schwinden12. Sprachtypologisch kann die Verwendung des Imperfekts in diesen Sprachen daher nicht herangezogen zu werden, um den imperfektiven vom perfektiven Aspekt zu trennen. Unter Berücksichtigung des homerischen Griechisch ergibt sich vielmehr das zunächst verwirrende Bild eines aspektneutralen Imperfekts und eines davon (durch die Primärendung) abgeleiteten Progressivs mit vornehmlich präsentischer Bedeutung. Das indogermanische Perfekt zeigt hier alle Eigenschaften syntaktisch imperfektiver Resultativa und fasst den Aorist als old anterior, welcher bei Homer, anders als hier, schon die Funktion der sequentiellen Taxis übernimmt. In indoarischen und iranischen Sprachen hingegen schwindet er aus dem Paradigma, offenbar ohne (nachweislich) zum Perfektiv grammtikalisiert worden zu sein. Die grundsätzliche Opposition in diesen Sprachen zwischen Aorist und Imperfekt gleicht daher im Kontext der Vergangenheit eher der Opposition von PRF und PRT als etwa der von PRT und PRS, in dem das augmentierte Imperfekt praktisch den Charakter eines einfachen Präteritums hat13.

11 Der wesentliche Unterschied zwischen der griechischen und westsemitischen Grammatikalisierung ist in der strikten funktionalen und formalen Trennung der SK im Semitischen zu sehen. Aufgrund seiner fehlenden formalen Differenzierung ist die Bestimmung der Lesarten im Griechischen ungleich schwieriger, zumal hier nicht nur Zustandsverben betroffen sind. 12 Die Einordnung als old anterior ist zumindest für das Altpersische zu weit gegriffen. Hier kann nur ein einfacher perfektzeitlicher Gebrauch nachgewiesen werden; für das Altindische bedarf es hier einer kritischen Sichtung der Belege. 13 Die Frage nach Semantik und Syntax nicht-augmentierten Imperfekts ist eine Frage der indogermanischen Rekonstruktion. Sie hilft möglicherweise auch bei der Erschließung des protosemitischen Verbalsystems.

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4.2.5 Das imperfektive Präteritum des Russischen Das imperfektive Präteritum des Russischen ist gegenüber dem Imperfekt des Altgriechischen in zwei Perspektiven eine bessere Referenz für die Betrachtung der Aspektdichotomie: es ist (1) gegenüber dem derivierten Perfektiv die Form der lexikalischen Verbalwurzel und (2) in seiner grundlegenden (und dichotomen) Opposition im Paradigma transparent (hierzu 4.2.3f.). Gegenüber einem klassischen und in seiner Funktion den Begriff des Imperfektivs prägendenden Befund, wie dem des Lateins, zeigt das Russische einen umfangreicheren Lesartenkatalog, der in philologischen Arbeiten nach eben dieser Differenzierung strukturiert ist und sehr deutlich die erweiterten Lesarten eines stärker grammatikalisierten Imperfektivs anzeigt14. Dabei scheidet z.B. Breu (1999: 32) in zentrale und marginale Funktionen. Die beiden wichtigsten Funktionen, die iterierte und prozessuale Lesart, entsprechen dem Gebrauch des Imperfekts im Latein; doch ist hier zu berücksichtigen, dass das komplexive Perfekt des Lateins auch Zustände bezeichnet, wie etwa mit vigēre: leben in Viele Jahrhunderte lebtePERFEKT der Name des Pythagoras (Menge 2000: 187)15. Am deutlichsten konkurriert das Imperfektiv mit dem Perfektiv im Bereich der faktischen Bedutung, wo hier allgemeine Sachverhalte, die außerhalb der sequentiellen Taxis präsentiert werden, im Imperfektiv stehen und nur konkrete im Situationsgeflecht eingebundene Vorgänge den perfektiven Aspekt verlangen (Breu 1999: 33). Diese, sonst sprachtypologisch perfektiv verstandene Lesart, wird daher als eine (aspekt)neutrale Verwendung bezeichnet (Breu 1999: 34). Neben der Verknüpfung der Eigenschaft der Zuständlichkeit mit dem imperfektiven Aspekt und dem Fehlen zuständlicher Aktionsarten auch unter den imperfektiven Suffixen (Isacenko 1975: 365f.) spielt die eindeutige Zuordnung von Verballexem und Situationstyp eine prominente Rolle im slawischen Verbalsystem. Im Unterschied zu Sprachen, wie dem Altgriechischen und auch dem Akkadischen kommt es also nicht zu einer Zweiteilung des Lexikons nach Genus der Situationstypen (3.5.4). Dementsprechend können perfektive accomplishments auch keine atelische Lesarten erhalten, aber in Verbindung mit Adverbien in der Bedeutung von beinahe: počti sowohl das Scheitern des anfänglichen Versuchs, wie auch des erreichten Endpunkts bezeichnen (Rappaport 1997: 243). Erste Lesung spricht für einen semantisch motivierten Wechsel von achievement und accomplishment (3.3.5.4); die zweite für eine veranlagte Lesart als konativ, die dem Prinzip der progressiven Genusgruppierung folgt und sich in gesonderten Kontexten zeigt, aber nicht zu einem Situationstypenwechsel ausgebaut ist, wie in anderen Aspektsprachen (Tatevosov 2008: 396 & vgl. 3.2). Drei bemerkenswerte Lesarten des russischen Imperfektivs, die etwa bei Rappaport (1997: 238f.) als erweiterte Interpretation (augmented interpretation) bezeichnet werden, 14 Diese Formulierung baut unmittelbar auf dem wissenschaftlichen Konsens auf und ist nur dann gültig, wenn im Aufbau des slawischen Aspektsystems nicht eine anfängliche perfektische Semantik der ersten Derivationen gestanden hat. Aufgrund des stark lexikalisch differenzierten Bildungstyps, der es deutlich von der Derivation des Akkadischen PRF mit ta-Infix oder den wenigen Aoristderivationen im Indogermanischen, wo es – vom thematischen Aorist abgesehen – nur zwei Bildungstypen gibt (Rix 2001: 20f.), ist dies aber eine Revision des genannten Konsens sprachtypologisch nicht plausibel. 15 Mögliche Einschränkungen sind mir nicht ersichtlich aber anzunehmen, es ist zu beachten, dass aufgrund des Splits einige Perfekta prinzipiell imperfektiv im Sinne eines Inaktivs sind, wie z.B. odi: ich hasse.

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sind gesondert hervorzuheben, denn sie sind explizit abgeschlossen bzw. vollständig in der Wiedergabe der Situation. Dabei wird das Imperfektiv verwendet, um anzuzeigen, dass (1) die Handlung abgeschlossen wurde, aber ihrer Resultat nicht mehr anhält bzw. ohne Nachwirken bleibt (annulled result; s.a. 5.3.6.4); (2) die Handlung eine längeren Zeitraum umfasst, bevor die anschließende Situation beginnt (discontinuity; s.u. 4.2.6 zum imparfait de rupture) oder (3) ein im Diskurs bekanntes Ereignis, etwa als historisches Faktum, wie im Griechischen (4.2.3), beschrieben wird (statement of fact; s.a. 5.3.3.4). Bemerkenswert für das Russische ist das Fehlen eines Perfekts im Verbalparadigma, wodurch eine Interferenz der Aspektdichotomie, wie in anderen Sprachen ausgeschlossen werden kann. Mir unklar ist die Bedeutung des Fehlens eines resultativen Imperfekts (Rappaport 1997: 233), wie etwa beim Präsens im Altgriechischen, bei Verben wie ἥκω: ich bin gekommen und οἴχωμαι: ich bin gegangen (vgl. 3.4.5). Hypothetisch ist hier eine Wechselwirkung mit syntaktisch imperfektiven Perfekta anzusetzen, wobei entgegen der sonstigen Wiedergabe einfacher Zustände im Imperfektiv, aktivisch verstandene Resultate auch in der entsprechenden Form möglich sind (s. 5.2.4 & 5.3.6). Vergleichbar historischem Präsens im Altgriechischen anstelle des Aorists (McKay 1974: 142) begegnet auch im Russischen ein solches Präsens (Isacenko 1975: 283). Darin entsprechen also beide Sprachen dem Gebrauch des Deutschen, wohingegen für das rein berichtende Präsens des Deutschen das imperfektive Präteritum in beiden Sprachen gebraucht wird. Daher kann die Funktion des historischen Präsens als Eigenschaft des imperfektiven Aspekts ausgeschlossen werden. Berücksichtigt man ferner das Fehlen dieser Funktion bei Homer (Wackernagel 1920: 163) und im Akkadischen, so lässt sich dieses verallgemeinern und die narrative Lesart der imperfektiven Kategorie mit präsentischer Semantik verknüpfen, die in Verbindung mit Progressiven ausgeschlossen ist. Die aspektuellen Infinitive setzen die Aspektdichotomie und Lesarten im Wesentlichen fort; wieso das Russische einen perfektiven Infinitiv bei generischer Lesart erlaubt (Rappaport 1997: 253), ist mir unklar. Prinzipiell gilt aber, dass aufgrund allgemeinsprachlich nur unzureichend erschlossener struktureller und semantischer Eigenschaften infinite Aspektformen innerhalb ihrer Varietät abweichende Lesarten zeigen können 16. Dies ist ein spezifisches Problem verschiedener indogermanischer Sprachen mit morphologischer Fortsetzung der Aspektdichotomie im nominalen Bereich. 4.2.6 Zu den Lesarten des Imperfektivs im Französischen Das Imperfekt des Französischen zeigt einen dem Altgriechischen ähnlichen ausgedehnten Katalog der Lesarten des Imperfekts, der auch solche umfasst, die nicht als unvollständig beschrieben werden können: „Festgestellt muß jedenfalls werden, daß die dem Zeitstellenwert nach fixierte Vollendungsbedeutung und das Imparfait einander nicht ausschließen, wie Koschmieder 16 Strukturell sind etwa Übernahmen imperfektiver Lesarten aufgrund der syntaktisch imperfektiven Konstruktion nominaler Formen in prädikativem Gebrauch oder auch die Wiedergabe eines konservativeren Sprachstands in einem synchron nicht mehr vollumfänglich produktiven Bereich grammatischer Formen; semantisch sind etwa aufgrund formenspezifischer Derivation veranlagte Bedeutungen oder deren Ausschluss, wie etwa bei derivationalen Morphemen mit erhaltener lexikalischer Bedeutung.

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das für das slawische Imperfektivum behauptet, das er dem lateinischen und romanischen Imperfekt aspektmäßig gleichsetzt.“ Pollak (1988: 131). Im Unterschied etwa zu den stark grammatikalisierten Formen älterer indogermanischer Sprachen, wie dem Altindischen, lässt sich seine Ausbreitung in historischer Entwicklung beobachten: „Im 11. Jahrhundert wird das Imperfekt noch sehr wenig gebraucht; im 12. Jahrhundert beginnt es, Fortschritte zu machen; besonders in der zweiten Hälfte, z.B. bei Christian von Troyes, wird es häufiger. Jedoch selbst in der mittelfranzösischen Zeit ist es weit entfernt, den ausgedehnten Gebrauch von heute erreicht zu haben“ Haarmann (1976: 78). Anders als die funktional ähnlichen Imperfektive der älteren indogermanischen Varietäten kann es daher auch diachron als imperfektive Aspektform bestimmt werden. Die Ausbreitung erfolgt dabei zu Lasten des perfektiven Aspektpartners. Da der Aorist im Indogermanischen praktisch ein old anterior ohne sequentielle Semantik ist (4.2.4), könnte eine analoge Entwicklung nur bei Ansetzung eines anderen und historisch nicht überlieferten Perfektivs im Indoiranischen angenommen werden. Insofern diese Rekonstruktion zu weitreichend ist, darf also von einer allgemeinsprachlich gültigen Grammatikalisierung des franzöischen Imperfekts ausgegangen werden, die von aspektdichotomen Strukturen unabhängig ist17. Zu den besonderen Funktionen des Imparfaits gehören seine Verwendung als narrative Form, wo es vergleichbar dem mit -ma angeschlossenen PRS im Akkadischen den Vollzug der Handlung ausdrückt und zugleich das Schlussglied des Diskurses ist (9.2.1). Durch das Imperfekt wird dabei ausgedrückt, was als Folge der vorangehenden Situationen geschieht, und durch seinen Gebrauch die Veränderung besonders hervorgehoben: „Könnte man das Imparfait der erstgenannten Gruppe mit einem Präludium vergleichen […], so die eben besprochene Gruppe mit einem Finale.“ Pollak (1988: 135). Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass imperfektive Formen – und dies auch in der Vergangenheit – Lesarten besitzen können, in denen die Handlung abgeschlossen ist. Beispielhaft wird in vorliegender Arbeit für imperfektive Formen mit den Merkmalen [past] [vollständig] das französische Imparfait als Vergleichsform herangezogen. Der gesonderte Fall narrativen Imperfekts im Französischen, der durch Adverbialbestimmung gekennzeichnet wird, kann unter der Bezeichnung des imparafit de rupture geführt werden (Pollak 1988: 137). Er zeigt unmissverständlich den Ausschluss der Interpretation des Imperfekts als unvollständig an und ist sprachtypologisch daher von besonderem Interesse: “In one case, the Imparfait appears in a sentence which presents a closed situation indicated adverbially. The Imparfait functions to characterize the interval, [...].

17 Welchen Einfluss Perfekta und ihre Grammatikalisierungsstufe auf ein Imperfektiv haben, ist hingegen unsicher. Der lateinische Befund kann hiermit nur bedingt in Einklang gebracht werden, wenn man ihm ein entsprechend junges Grammatikalisierungsalter unterstellt.

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(49) Les iraniens s’en prennent maintenant aux intérêts américains. Hier deux banques américaines étaient saccagées. The Iranians are now turningPres against American interests. Yesterday two American banks wereImpf pillaged.” Smith (1997: 212). Entgegen etwa Jayez (1998: 137) sind m.E. durative telische Vorgänge, die vom Imperfektiv ausgeschlossen sind, als varietätsspezifische achievements zu deuten. Diese Auffassung folgt der Überlegung, dass prinzipiell nur im imperfektiven Aspekt zwischen den beiden telischen Situationstypen geschieden werden kann (3.2). Wie das altgriechische Imperfekt im philosophischen Diskurs (4.2.3) begegnet das französische imparfait forain (Viguier 2013: 108) in futurischem Gebrauch mit Rückverweis auf einen gegebenen oder gedachten vergangenen Kontext. Es entspricht dem Gebrauch des deutschen Präteritums: „Unter der Annahme, daß der Sprecher mit (a) einen relevanten Gesprächsbeitrag machen wollte, muß es ein vergangenes Ereignis geben, das sich in irgendeiner Weise auf es morgen im Theater ... geben beziehen läßt, z.B. einen Akt der Vorerwähnung oder Erinnerung. Der Sprecher bezieht sich also auf eine vorgängige explizite oder implizite Thematisierung des für morgen vorgesehenen Theaterprogramms.“ Zifonun u.a. (1997: 1699). Dem imparfait forain funktional ähnlich ist das sogenannte hypokoristische Imperfekt (Viguier 2013: 114f.). Es vermittelt das Gesagte als Äußerung im Sinne oder Interesse des Rezipienten. Zuletzt ist das imparfait de discrétion zu nennen. Es beschreibt die Situation als imperfektisch im Sinne einer höflichen Nuancierung, die den Rezipienten nicht zwingend festlegt, und kann als solches mit Pollak einfach unter der Funktion der Unvollständigkeit gefasst werden: „In […] „je venais vous demander un service“ bleibt auf Inzidenzsekante – die Reaktion des Gesprächpartners auf die Bitte, seine Zustimmung oder Ablehnung – in Schwebe. Daher der höfliche vorfühlende, provisorisch Charakter des Imparfait, das strukturtypologisch dem Präludium-Schema beim Imparfait narratif entspricht.“ (Pollak 1988: 136f.). 4.2.7 Vergangenheit und Aspektdichotomie Vor dem Hintergrund der transparenten Entwicklung und mit Beschränkung auf präteritale Situationen im Französischen kann für die Entwicklung des imperfektiven Aspekts das eine unvollendete Handlung anzeigende lateinische Imperfekt als frühe Stufe der Grammatikalisierung angesehen werden. Die anderen hier angeführten Formen sind hingegen Vertreter einer späteren Grammatikalisierungsstufe, für die in verkürzter und letztlich oberflächlicher Betrachtung die den imperfektiven Aspekt und auch die Dichotomie prägenden Eigenschaften nicht gelten. Hierzu gehören nicht nur die Möglichkeit vollständige Sachverhalte auszudrücken, sondern, in Abhängigkeit von Kontext und Intention des Sprechers, auch die Möglichkeit vollendete Vorgänge mit telischer Lesart wiederzugeben. Für weitergehende Schlussfolgerungen über die strukturellen Bedingungen ihrer Grammatikalisierung fehlt es vor allem an formal tempusfreien Sprachen, die eine echte Aspekt-

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dichotomie besitzen18. Die Darstellung leistet daher auch keinen Beitrag zur diachronen Ordnung von Tempus und Aspekt. Zugleich ist für die Begriffsbestimmung des perfektiven Aspekts wenig gewonnen; hier bleibt eine feingliedrige Trennung auf das Verhältnis von Perfekt und Perfektiv beschränkt, welche in gleicher Form auch für das Präteritum gilt. Für den perfektiven Aspekt insgesamt lässt sich eine strengere Ausrichtung an der lexikalischen Semantik feststellen, die atelische oder metaptotische Lesarten nur dort erlaubt, wo diese auch auf Ebene der Verballexeme veranlagt sind. Allerdings ist von einer grundlegenden wechselseitigen Beeinflussung auszugehen, in der die Grammatikalisierung der Aspektdichotomie eine Reanalyse des Verballexikons, wie z.B. im Englischen (Croft 2012: 38), bewirkt. 4.2.8 Aspekt und Präsens im Russischen Anders als die älteren indogermanischen Sprachen setzen die slawischen Sprachen die Aspektdichotomie auch außerhalb des Präteritums fort. Dabei wechseln Sprachen mit und ohne periphrastisches Futur des perfektiven Aspekts19; das periphrastische, imperfektive Futur ist hingegen die Regel. Die Futurbildungen stellen dabei innerslawische Neuerungen des binären Tempussystems dar (Isačenko 1975: 287). Aufgrund der pragmatischen Beschränkungen ist das Perfektiv des Präsens praktisch der Aspektpartner des imperfektiven Futurs: „So übernimmt in den nordslavischen (=west- und ostslavischen) Sprachen das p[erfektive] Präsens formal den Ausdruck der perfektiven Zukunft, (…). Diese Funktion ergibt sich unmittelbar aus der Eigenschaft des Präsens, Sachverhalte in der aktuellen Gegenwart nicht ganzheitlich ausdrücken zu können.“ Breu (2000: 29, Hervorhebung im Original). Vergleichbar dem strikten Zukunftsbezug perfektiven Präsens im Russischen, verhalten sich auch einige Verben in verschiedenen altgriechischen Varietäten, wie etwa εἶμι: gehen im Attischen (Wackernagel 1920: 159ff.). Bemerkenswert ist dabei, dass sowohl das präsentische wie auch das modal transponierte Perfektiv eine futurische Zeitlage besitzen (5.3.3). Das imperfektive Präsens zeigt hingegen die erwartete präsentische Semantik und ist in dieser Hinsicht die Lesart zur Bezeichnung der Gegenwart. Die sekundäre Futurbildung verläuft, mit Ausnahme ihrer aspektspezifischen Herleitung, analog zur Bildung dieser Formen in Sprachen, wie dem Deutschen, mit primärer Präteritum: Präsens (d.h. non-past) Opposition. Für die Bezeichnung der Gegenwart ist der imperfektive Aspekt, wie der perfektive Aspekt zur Bezeichnung der Vergangenheit, praktisch merkmalslos. Aufgrund pragmatischer Gegebenheiten in der Konzeption der Gegenwart lassen sich auch keine allgemeinsprachlichen Funktionen des Perfektivs zur Bezeichnung der Gegenwart ausmachen, die nicht varietätsspezifisch zu prüfen sind. 18 Sprachtypologisch zu prüfen ist, wie häufig und bedingt echte Imperfektive in Sprachen ohne Tempus sind. Die Frage bedarf einer gründlichen Metastudie, denn Progressive werden in der Literatur teils vorschnell, teils mit Absicht vereinfacht, als Imperfektiv (z.B. auch Sumerisch) oder Präsens (z.B. auch Akkadisch) bezeichnet. 19 Erstere im Südslavischen und Sorbischen (Breu 2000: 29).

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Aspekt gegen Tempus – Eine kontrastive Darstellung der Kategorien

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4.2.9 Das englische Progressiv als allgemeinsprachliche Kategorie Durch die sprachwissenschaftliche Aufarbeitung des Englischen hat sich die Bezeichnung des Progressivs als allgemeiner Begriff einer imperfektiven Form mit lexikalischer Restriktion in Verbindung mit ingressiven Verballexemen durchgesetzt. Es bezeichnet prinzipiell Formen die keine oder nur eingeschränkt zuständliche Situationen wiedergeben, wozu etwa auch das sumerische Imperfekt gehört (Krecher 1995: 143). Der Begriff des Progressivs ergänzt als vierte Kategorie zu den lateinischen Bezeichnungen des Perfekts und der Dichotomie von Imperfektiv und Perfektiv die Gruppe der als Aspekte verstandenen grammatischen Verbalformen. Das präteritale Progressiv ist, wie das futurische Progressiv, verhältnismäßig selten, denn es eignet sich als solches nur bedingt als Form des backgroundings (Jespersen 1954: 182). Neben der Verwendung in generischen Aussagen in Verbindung mit Adverbien, wie always u.ä. (5.3.4), steht es als Form der imperfektiven Taxis im präteritalen Kontext mit dem simple past als Stellvertreter des perfektiven Aspekts (5.2.6). Eine Funktion des narrativen Präsens in Vertretung einer perfektiven Lesart, wie im Deutschen oder Altgriechischen, ist dem Progressiv hingegen fremd (5.3.7.2). Im Unterschied zu anderen Progressiven, past progressive, perfect progressive usw., steht das präsentische Progressiv als obligatorische Form der durativen und dynamischen, d.h. progressiven Verben (3.5.4), im Englischen regelmäßig und obligatorisch und hat im einfachen (non-modalen und non-generischen) Kontexten im Präsens das simple tense mit Ausnahme der Lexeme, von denen kein oder kein uneingeschränktes Progressiv gebildet wird, verdrängt. Die Distribution ist dabei durch die semantischen Relationen bestimmt (5.3.6). In der Zeitlage des Präsens ist das Progressiv daher bereits die dominante Form und ein Indiz der größeren diachronen Nähe zur Kategorie des Tempus als zu der des Aspekts (4.8). Auf die Herleitung zu den primären Tempora von past und present reduziert ist eine analoge Verteilung zum Nachteil präteritaler Belege wie beim akkadischen PRS zu erkennen. Dabei ist auch zu beachten, dass das präsentische Progressiv des Englischen trotz obligatorischen Futurs ebenfalls als Form zur Bezeichnung der Zukunft Verwendung findet (4.4.2).

4.3 Aspekt gegen Tempus – Eine kontrastive Darstellung der Kategorien Durch die wissenschaftshistorische Betrachtung des Aspekts innerhalb von Tempussystemen wurde in der älteren Forschungsliteratur eine teils scharfe Trennung der beiden grammatischen Einheiten angenommen, die sich sprachtypologisch nicht bestätigt hat. Zum einen besteht zwischen Perfektiv und Präteritum eine Ähnlichkeit der syntaktischen Gegebenheiten, wie sie in früherer Forschung nur für das Verhältnis von Präsens und Imperfektiv erkannt worden ist, zum anderen gleichen sich die Formen in ihren semantischen Eigenschaften, so dass etwa beide die gleichen modalen Lesarten entwickeln. Hier besteht der entscheidende Unterschied vor allem darin, dass Aspekte häufiger ohne morphologische Realisierung modal verwendet werden als Tempora (5.3.3)20. 20 Für Evidentialität gilt offenbar der umgekehrte Befund; gesicherte Studien hierzu fehlen m.W. noch.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Die wesentlichen Fragen der Abgrenzung der beiden Kategorien beziehen sich auf das Verhältnis gegenüber Tempora von Aspektdichotomie einerseits und Progressiven andererseits, für die unterschiedliche Philologien und sprachwissenschaftliche Disziplinen Referenz sind, weswegen eine übergreifende Darstellung noch fehlt. Die indogermanische Stammopposition ist morphologisch und in ihren einzelsprachlichen Umbildungen für den Altorientalisten kaum zu überblicken. Der traditionellen Rekonstruktion der angenommenen Grundsprache folgend, wurde in dieser Studie neben dem Altgriechischen auch das Indoiranische berücksichtigt. Für die Frage nach dem Einfluss auf die allgemeinwissenschaftliche Begriffsbildung kann dabei festgehalten werden, dass die lateinischen Bezeichnungen einerseits auf die Opposition von Imperfekt und Aorist im Griechischen verweisen, die Definition des imperfektiven Aspekts in der Praxis aber auf dem lateinischen Befund aufbaut. Dass in diesen Sprachen die Aspektdichotomie nur im Präteritum voll entwickelt ist, erweist sich sprachtypologisch als unproblematisch, denn die wesentlichen Unterschiede aspektueller Funktionen, die sich nicht im Zeitlagenbezug äußern, sind auch in Sprachen ohne grammatisches Tempus wesentlich auf präteritale Kontexte beschränkt (4.4). Das Russische zeigt ergänzend hierzu im Kontext der Nicht-Vergangenheit den zunächst pragmatischen Ausschluss des Perfektivs aus der Gegenwart und den damit verknüpften Wandel zum Futur (4.2.2). Der Katalog der Lesarten des Imperfektivs bestätigt den altgriechischen Befund (4.2.3 & 4.2.5) und schließt eine sprachtypologische Umdeutung des Imperfekts als Präteritum aus. Für die Aspektdichotmie ist aus den älteren indogermanischen Sprachen das Altgriechische die wichtigste Referenzsprache. Im Altindischen und Altiranischen ist (aus sprachtypologischer Perspektive) überhaupt keine grammatikalisierte Opposition der beiden Verbalstämme erkennbar (4.2.4). Die strukturellen Verhältnisse der Verbalformen im Akkadischen und Westsemitischen kann hier durchaus neue Impulse für die indogermanistische Rekonstruktion geben. Für die Nutzung der Indogermanistik als Hilfswissenschaft ist daher im Rahmen einfacher Aspektfragen eine Beschränkung auf den griechischen und lateinischen Befund zweckmäßig. In Fragen nach der Charakterisierung perfektzuständlicher und -zeitlicher Formen ist hingegen auf das Material des Altindischen und Altiranischen kaum zu verzichten. Für die Altorientalistik und andere Sprachen mit obligatorischen Progressiven ist die Trennung von progressiven und non-progressiven Tempora bzw. die Unterscheidung von Progressiv und Präsens von zentraler Bedeutung. Dabei ist begriffliche Differenzierung in Sprachen ohne Tempus unproblematisch. Sie ergibt sich unmittelbar aus dem Fehlen vornehmlich zuständlicher Lesarten und dem Ausweichen auf andere Formen imperfektiver Syntax. Schwieriger gestaltet sich die Trennung innerhalb von Sprachen mit einer Verflechtung von Progressiv und Tempus. Das englische simple past und seine Charakterisierung stellt eine besondere Herausforderung dar. Gegenüber dem Progressiv wird es einschließlich der zuständlichen Lesarten z.B. bei Smith (1997) als perfektiv begriffen 21. Es ist allerdings praktisch vor dem Hintergrund der Aspektdichotomie nicht begrifflich zu fassen, sondern erscheint als präteritales Tempus in perfektiver Lesart allgemein, in imperfektiver dort, wo kein Progressiv möglich ist. 21 Zur Theorie der state exist Lesart des Perfektivs s. 4.8.3.4.

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Aspekt ohne Tempus – zur Temporalität der Aspektsemantik

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Das gleiche Phänomen begegnet im Sumerischen, in dem das Perfektiv auch Ausdruck von states ist: “States are always expressed with perfective forms. Verbs which can only have a stative meaning (me ‘be’, ĝál ‘be (somewhere)’) are only found in the perfective. Other verbs, which can have a stative meaning in the perfective, always show a dynamic (non-stative) meaning in the imperfective […].” Jagersma (2010: 373). Für die Abgrenzung von Tempus und Aspekt in Sprachen mit obligatorischem Progressiv fehlen der Aspektlehre praktisch die Mittel einer befriedigenden begrifflichen Definition des non-progressiven Partners. Die Zweckmäßigkeit einer solchen immanenten Charakterisierung ist fraglich, weil die Verbalsysteme mit Progressiv sich grundsätzlich in zweigliedrige, wie im Sumerischen, und dreigliedrige System, wie im Akkadischen, trennen lassen 22. Lässt sich das Englische oder Sumerische, wenn auch unbefriedigend in einer Opposition der Progressivität im Rahmen des Aspektbegriffs beschreiben, zeigt sich beim Akkadischen, dem Cayuga u.a. Sprachen das Problem eines solchen Ansatzes deutlich, da hier im Bereich der non-progressiven Form zwischen stativem Imperfektiv und allgemeinem Perfektiv formal geschieden wird und die aus dem Englischen hergeleitete Opposition sich mit der Gliederung der Aspektdichotomie wesentlich überschneidet (5.2.6). Weswegen in diesen Sprachen eine Differenzierung gleicher Tempora nach Relationen zielführend ist, in denen das sprachtypologisch gut erschlossene Progressiv Ausgangspunkt der Strukturbeschreibung ist (5.3.7).

4.4 Aspekt ohne Tempus – zur Temporalität der Aspektsemantik Eine Gegenüberstellung der Aspektdichotomie und der primären Opposition der Tempora von Vergangenheit und Nicht-Vergangenheit, wie sie im Deutschen, Englischen, Französischen oder Altgriechischen begegnet, zeigt eine weitgehende funktionale Entsprechung mit einer Gleichung von Imperfektiv und Präsens und Perfektiv und Präteritum23. Die eigentliche Trennung der beiden Kategorien erfolgt dabei dort, wo nur eine grammatische Kategorie begegnet, aufgrund lexikalischer Gegebenheiten. Grundlegende grammatische Unterschiede sind allgemeinsprachlich m.W. nicht erarbeitet und vorerst nur unter Vorbehalt über den Vergleich einzelner Varietäten hinaus verallgemeinerbar. Sind Aspekte gegenüber Zeitlagen also weitgehend neutral, so besitzen folglich Kontexte ohne vorgegebene Zeitbestimmung besondere Bedeutung bei der Ermittlung der Entsprechung von Zeitbezug durch Aspekt in Vertretung eines Tempus. Hierbei handelt es sich um indefinite Sätze (Fabricius-Hansen 1986: 229ff.), d.h. Sätze, deren Zeitlage nicht durch Zeitangaben im Satz (gestern, 1987 usw.) oder den Kontext zugeordnet werden, son22 Keine Rolle spielen hier sekundäre Differenzierungen über Tempora und Perfekta, wie im Englischen. 23 Tempora sind in aller Regel auf einer binären Opposition aufgebaut, zu der dann eine dritte Zeitlage meist auch morphologisch als sekundär erscheint; so als Periphrase in germanischem oder als reine Aktionsartenbildung im altgriechischen Futur. Die zweite mögliche Opposition von Zukunft und NichtZukunft entspricht den modalen Transpositionen der Aspektdichotomie mit der Gleichung von Perfektiv und Futur und Imperfektiv und Non-Futur (vgl. hierzu 5.3.3).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

dern in denen der primäre Zeitbezug der Verbalform die Situation zeitlich verortet. Von Interesse zur Bestimmung aspektueller Verbalsysteme ist dabei der Gebrauch in den jeweils untypischen Zeitlagen und inwieweit dieser sich zum einen von temporalen zum anderen von kombinierten Tempus/Aspekt Paradigmen unterscheidet. Die zwei grundlegenden Fragen sind daher der Gebrauch des Imperfektivs in der Zeitlage der Vergangenheit und des Perfektivs in denen der Nicht-Vergangenheit. Eine allgemeine Bezeichnung der Nicht-Vergangenheit des perfektiven Aspekts liegt entweder in Verbindung von Perfektiv und Präsens (perfektives Futur) oder in Verbindung von Perfektiv/Präteritum mit modaler Form oder Bedeutung, wie im deutschen Konjunktiv II, vor. Die Verbindung von Perfektiv und Präsens findet sich u.a. in den slawischen Sprachen, deren Tempora ursprünglich nur past: non-past differenzieren (vgl. Isacenko 1975: 287). Da das perfektive Verb in den meisten Fällen im Präsens auf die Zukunft verweist (Ausnahmen sind Koinzidenz u.a.), lässt sich am Russischen stellvertretend für andere slawische Sprachen zusammenfassend festhalten: “The Russian tense system is relatively simple, with two inflectional tenses, Past and Non-past. [...] The temporal meaning of the past tense is independent of viewpoint. It consistently indicates anteriority, either to Speech Time or to Reference Time. But in the Non-past tense, the choice of viewpoint determines temporal meaning. The perfective viewpoint expresses Future time and the imperfective expresses Present time [...]. The imperfective Non-past can be used as a historical past or Futurate; [...].” Rappaport (1997: 250). Von dort wurden unterschiedliche periphrastische Futursysteme in den slawischen Sprachen gebildet (vgl. Breu 2000: 29f.): Futurtempora der slawischen Sprachen: keine n.b. perfektiv pragmatisch ausgeschlossen imperfektiv/perfektiv Sorbisch, Südslawisch imperfektiv West- und Ostslawisch (außer Sorbisch) So im Russischen mit Infinitiv und byt‘: sein: On budet brosat‘ kamni. imperfektiv Er wird Steine werfen / am Werfen sein. *On budet brosit kamni. *perfektiv Für das griechische Futur wird in der Forschung heute allgemein die Ableitung von einer desiderativen Aktionsart angenommen (Rix 1992: 225). Neugriechisch wird eine Aspektopposition im Futur mit Partikel tha und Präsens Indikativ zur Bezeichnung des imperfektiven Futurs und mit Partikel tha und Aorist Konjunktiv zur Bezeichnung des perfektiven Futurs gebildet. Die Bildung geht auf das Verblexem des Wollens zurück (Wackernagel 1920: 195f.) und ist also wie sonst im östlichen Balkansprachbund ein ursprüngliches wollen-

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Aspekt ohne Tempus – zur Temporalität der Aspektsemantik

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Futur24. Ganz ähnlich verhalten sich die deutschen Konjunktive; während Konjunktiv I und Präsens dieselbe temporale Deixis besitzen, unterscheiden sich Präteritum und Konjunktiv II grundsätzlich: Zeitlagenasymmetrie der Modi: Er geht non-past Er ging Er gehe non-past Er ginge

past non-past

Ob durch die Erkenntnisse zum frühneuhochdeutschen Gebrauch der Werden + Infinitiv Periphrase für das neuhochdeutsche Futur eine Analyse als perfektives Präsens möglich ist, müssen zukünftige Arbeiten zeigen25. Für ein Futur mit Differenzierung nach Aspekt darf daher vorerst weiter die Beobachtungen aus Bybee u.a. als gültig anerkannt werden: “[F]or grams marking perfective and imperfective aspect, future arises as a contextually determined use, and not [...] as an evolutionary endpoint [...]. The most usual case is the one in which a general present imperfective (cf. §5.6) can also be used for future time reference in a future context. [...].“ Bybee u.a. (1994: 275). Und ferner: “[P]erfectives with future uses are even less common than imperfectives, as we would expect, given the widespread restriction of perfectives to the past (§ 3.11).“ Bybee u.a. (1994: 278). Die korpusgestützten Belege zu diesen perfektiven Futurformen sind zudem eingeschränkte Lesarten (Futur II oder immediate future). Präteritale Verbformen können nur in wenigen Kontexten unmittelbar auf die Vergangenheit verweisen, sind als solches anaphorisch (Viguier 2013: 98) und benötigen eine kontextuelle zeitliche Verortung im Unterschied zu Perfekt oder Präsens (Fabricius-Hansen 1986: 37). Die wenigen kontextfreien Sätze sind überwiegend zuständlich, wie Es war oder selbst Hintergrund für ein Ereignis, wie Es begab sich26. Texteröffnungen wie Er betrat oder Er sagte sind allenfalls als stilistisches Mittel denkbar: „[Ich bestellte die Zeitung nicht ab.] kann auch ohne Kotext, als isolierte Äußerung, zeitlich voll interpretierbar sein, aber nur unter der Voraussetzung, daß der/die Angesprochene schon weiß, woran — an welche Zeit — der/die andere denkt, er/sie muß die Vorgeschichte der Äußerung kennen und imstande sein, die Zeit, von der die Rede

24 Die Grenze zwischen romanischem Haben-Futur und griechischem Wollen-Futur des Balkansprachbundes verläuft entlang der dialektalen Grenze der gegischen und toskischen Varietäten durch Mittelalbanien, mit Haben-Futur im Gegischen (kam me punue: Ich werde arbeiten) und toskischem Wollen-Futur mit zur Artikel erstarrter Form des Verbs dua: wollen (dua të punoj: Ich werde arbeiten). 25 Vgl. hierzu Wiesinger (2001). Nach dessen Vorbild könnte dann auch das sigmatische Futur des Griechischen als (aktionsarten)deriviertes Perfektiv des Präsens gedeutet werden. Dagegen stehen zunächst nur phonologische Einwände (Rix 1992: 225). 26 Die Möglichkeit, Präteritum im Deutschen zu setzen, ist abhängig vom sogenannten Anschauungsgrad (4.6.5) und ggf. durch die Konsequentialität perfektischer Formen fremdbestimmt (5.3.8).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

ist, mit sprachlichen Mitteln und ohne bezug auf die Sprechzeit zu bestimmen, […].“ Fabricius-Hansen (1986: 37; Ergänzungen durch Verfasser). Bei Homer fehlt das praesens historicum und ist altgriechisch erst ab der klassischen Zeit nachgewiesen (Wackernagel 1920: 163). Abzugrenzen ist es auch vom sachlich berichtenden praesens tabulare (Wackernagel 1920: 163), welches unter 5.3.3 als evidential verstanden wird und auch bei Imperfektiven aber nicht bei Progressiven begegnet. Schließlich teilt das Präsens eine semantische Nuance der Konativität oder Inchoativität mit Imperfektiv und Progressiv, so etwa altgriechisch bei Herodot ὠνεῖσθαι: kaufen im Präsens als feilschen (Wackernagel 1920: 165). In Sprachen ohne formales bzw. obligatorisches Futur bezeichnet das Präsens als nonpast auch die Zukunft. Aus typologischer Perspektive kann auch das Deutsche als Teil des nordeuropäischen Sprachbundes hierzu gezählt werden (Dahl 1996). Vom progressiven/imperfektiven Aspekt können auch Zukunftstempora abgeleitet werden, doch stehen hier weit häufiger modale Funktionen am Anfang der Grammatikalisierung. Die semantische Implikation der Zukunft ist bereits in früherer Grammatikalisierungsstufe der Kategorie veranlagt und begegnet bei Progressiven, wie akkadischem PRS (2.3.4), oder im Englischen in gesonderten Kontexten und trotz obligatorischem Futur: “The present progressive tense of English, in addition to its use in describing an action currently in progress, can be used as a special kind of future tense, as in (29): (29) John is leaving town tomorrow.” Dowty (1979: 154). Auch bei Vorliegen eines Futurs kann das Präsens zur Bezeichnung der Zukunft in spezifischen Kontexten oder mit perfektiver Verbsemantik verwendet werden: so etwa im Altgriechischen bei telischen Bewegungsverben oder der approximativen Gegenwart (5.4.1.3) eines futurischen Sachverhalts (McKay 1974: 142). Der stark eingeschränkte Gebrauch des nonmodalen Perfektivs zur Wiedergabe zukünftiger Ereignisse begegnet in Sprachen mit und ohne Tempusmorphologie. Hier sei zunächst der altgriechische Aorist angeführt. Zu dessen futurischen Lesarten schreibt Wackernagel: „Der Aorist kann etwa auch von einer zukünftigen Handlung gebraucht werden. Wenn wir genau sein wollen, können wir hier zwei Nuancen unterscheiden. […]. Für κατεργάσεντο [: er erreichteAORIST] würde ein Lateiner das Futurum exactum perfecerint setzen; […]. Nicht ganz gleich sind ein paar homerische Stellen, […]. Man beachte, dass solche Aoriste immer im Hauptsatz einer kondizionalen Periode stehen. Dies gilt auch von dem futurischen Aorist des Neugriechischen; […].“ Wackernagel (1920: 177f.; Anm. durch Verfasser). Die Verbindung mit telischen Aktionsarten bzw. Situationstypen mit dem Präsens impliziert eine futurische Lesart, und es ist m.E. eine allgemeinsprachliche Erweiterung auf allgemeinzukünftige Lesarten anzunehmen, die nur strukturell durch ergänzende Futurformen beschränkt wird: „Telische Satzradikale im Präsens drücken nicht nur zur Sprechzeit laufende Prozesse mit zukünftigem Ergebnis aus, sondern auch Prozesse, die erst in der Zukunft ablaufen, […].“ Rebotier (2004: 207)

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Aspekt ohne Tempus – zur Temporalität der Aspektsemantik

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Musterfall dieser Implikation ist das Slawische, wie z.B. Russisch, mit der genannten Paarbildung von perfektivem Präsens und imperfektivem Futur als futurisches Aspektpaar (4.2.8): „Das Präsens eines perfektiven Verbs bezeichnet im Russischen hingegen perfektives Futur […], während ein imperfektives Futur, wie im Deutschen, mit werden + Infinitiv gebildet wird.“ Marschall (2004: 51). Perfektive und perfektische Formen (ohne Kennzeichnung als non-past) sind zum Ausdruck der Zukunft seltener27 und meist nur mit eingeschränkter Verwendung als futurum exactum oder perfektives Präsens belegt (Bybee u.a. 1994: 278). Entgegen Kurylowicz (1972: 79) kann also nicht geschlossen werden, dass ein imperfektives Futur ein perfektives voraussetzt. Richtig ist, dass durch eine fortschreitende Grammatikalisierung zu einem Futur ältere Funktionen (des Aspekts oder der Modalität) verlorengehen können. Wie Sprachen ohne formale Tempora anhand aspektueller Bezüge Zeitlagen zum Ausdruck bringen, ist für die altorientalistische Diskussion und für das Verständnis des Akkadischen von zentraler Bedeutung28. Wie sich Aspektsprachen im Rahmen des Reichenbach’schen Modells verhalten, hat Smith beispielhaft erläutert: „In these languages without tense, linguistic forms involving Reference Time code its relation to Situation Time. The relation of Reference Time to Speech Time is pragmatically determined.” Smith (2007: 246). Die Zuordnung kann dabei pragmatisch durch eine Bestimmung der Zeitlage im Diskurs, d.h. Zeitangaben oder den Kontext der Handlung, erfolgen. Fehlen die Bezüge zur Zuordnung, werden die Formen über das Sprechereignis S kodiert. Dabei gilt, dass perfektive Formen als abgeschlossen und damit als vergangen betrachtet werden, imperfektive Formen als nichtabgeschlossen und damit als non-past (Smith 2007: 234)29. Analog gilt für Sprachen ohne Tempus- und Aspektmorphologie eine Orientierung am lexikalischen Situationstyp; dabei zeigen perfektiv-affine Situationstypen inhärenten Vergangenheitsbezug (Lin 2012). Schließlich zeigen sich in Sprachen ohne Tempora die Funktionen der Aspekte am deutlichsten im Kontext der Vergangenheit; etwa Sumerisch: “The imperfective then expresses the past action as an action which in some way has not reached its endpoint. Thus, the imperfective is used to express a past action with the implication that its result is still operative at the present time […].” Jagersma (2010: 378). In Verbindung des Imperfektivs mit achievements kommen ohne eine Lesung als vollendete Handlung (imparfait de rupture) nur approximative Lesarten in Frage, die ein lexikalisch

27 „[...] many of our perfective grams are restricted to the past, and for the rest the perfective use typically refers to past events. “ (Bybee u.a. 1994: 83). 28 Dies betrifft nicht nur die Frage, ob das Akkadische tempus- oder aspektbasiert ist. Es betrifft auch die Frage nach dem Modell relativer Tempora (Streck 1995a) und dem Verständnis des semitischen Verbs insgesamt. 29 Zu den wirksamen Prinzipien, s. Smith (2007: 230).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

nicht vermitteltes Vorstadium der Situationsveränderung ausdrücken (3.5.5). Die Lesart unterscheidet sich dabei nicht nach reinen achievements und ingressiven Verben (3.5.4): “Punctual verbs (e.g., pà.d ‘find’) refer to actions without any duration: the beginning and end of the action fall together into a single point. Hence, the action of, for instance, ‘finding’ cannot be presented as ongoing. Yet, the imperfective is also used with pà.d ‘find’ while referring to a past action. What does the imperfective express in such forms? One possibility is that it expresses conation, a ‘trying to (do something)’. This is a usage the Russian imperfective may have […] and perhaps it also occurs in Sumerian, which lacks a verb for ‘try to’ (§11.3). Such a meaning would fit the imperfective form ì-pà-dè in the following fragment from a literary text about a contest between two rulers […]. There is another possibility, though. Instead of the meaning ‘trying to’, such forms could conceivably convey a ‘beginning to’, for which Sumerian likewise lacks a separate verb (§11.3). The translation would then be something like ‘he was beginning to find an answer’. Such an ingressive meaning seems to fit the following passage better, which has a similar sequence of an imperfective and perfective form, albeit not of a punctual verb […].” Jagersma (2010: 379f.). Der Unterschied zwischen Aspekt und affinem Tempus äußert sich also weniger in Syntax und Semantik als in den für Tempora unüblichen Situationstypenwechseln ingressiver Verben und semantischer Nuancierungen wie einer impliziten Abegschlossenheit lexikalisch atelischer Verben.

4.5 Perfektiv und Imperfektiv – eine Zusammenfassung 4.5.1 Einleitung Nach den vorangehenden Abschnitten über die Verhältnisse von Tempus und Aspekt (4.3 & 4.4) soll im Folgenden zusammengestellt sein, was sich über das Verhältnis von Perfektiv und Imperfektiv und den vier Situationstypen anhand der bisherigen Darstellung sagen lässt. Hierbei lassen sich die Situationstypen ihrer semantischen Affinität entsprechend in affine und nicht affine Kombinationen unterteilen. Dabei entsprechen die telischen Situationstypen dem perfektiven und die atelischen Situationstypen dem imperfektiven Aspekt (3.5.3). Die Situationstypen sind in ihrer Gliederung nach telischen und atelischen Lesarten also aspektaffin (3.5). Dabei ähneln sich imperfektiver Aspekt und states und activities, sowie der perfektive Aspekt und achievements und accomplishments derart, dass die jeweiligen Formen in Kombination Ausdruck der prototypischen Lesart sind (3.2) und die Kombination mit dem grammatischen Aspekt keine Eigenschaften beisteuert, die gesondert zu führen sind. 4.5.2 Imperfektive Situationstypen und perfektiver Aspekt Die imperfektiven Situationstypen, activities und states, zeigen, in Abhängigkeit von der gegebenen Varietät, Restriktionen, die sich als Ausschluss des Lexems aus der jeweiligen grammatischen Form oder in Form einer semantischen Umdeutung mit einem Wechsel des Situationstyps (Metaptosis) äußern.

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Perfektiv und Imperfektiv – eine Zusammenfassung

Restriktionen sind vornehmlich bei states zu beobachten. Dabei begegnen drei Grundtypen, die in den meisten Sprachen als lexikalisierte Zuordnung auftreten: Typ 1 ist gekennzeichnet durch den Ausschluss zuständlicher Lexeme, wie im Russischen, wodurch es zu einer Suppletion der Lexeme kommt, bei der den imperfektiven states perfektive achievements zugeordnet werden. Dieser Typ begegnet auch bei einigen Verben im Altgriechischen, doch fehlt es hier an einer durch die Grammatiken erfassten sekundären Paarbildung (vgl. Kölligan 2007). Typ 2 betrifft die für Aspektsprachen prägende Metaptosis, bei der, anstelle lexikalischer Suppletion, dem jeweiligen Verballexem eine zumeist auf Perfektive und Progressive beschränkte telische Lesart zugeordnet wird, wie sie u.a. im Altgriechischen aber auch im Akkadischen, z.B. damāqu(m): gut sein :: gut werden, begegnet. Es handelt sich dabei für den – mit Ausnahme der slawischen Sprachen – charakteristischen Fall in Aspektsprachen. Typ 3 basiert auf einem Aspektsystem mit grammatikalisiertem Progressiv, dem eine non-progressive Form mit perfektiv-dynamischer und imperfektiv-zuständlicher Lesart zugeordnet ist (5.2.4.5 & 6), d.h. die vornehmlich perfektive Form wird auch zur Wiedergabe einfacher states mit dann imperfektiver Syntax gesetzt. Sie begegnet im Bibelhebräischen, Sumerischen, Englischen und anderen Sprachen. Die dem Typ 2 gleiche Struktur mit Gliederung des Verballexikons nach Genus kann ererbt sein oder, wie im Englischen, durch die Entwicklung des Progressivs zur obligatorischen Form bedingt sein. Die Kombination mit activities ist weitgehend unproblematisch. Hier kommt es allenfalls zu einer impliziten, telischen Lesart als accomplishment, seltener und wohl nur in Verbindung mit Perfektiv, nicht aber Progressiv, zu Wechseln der Lesarten nach Vorbild der oben genannten drei Typen. Das Verhältnis der beiden progressiven Situationstypen wird aber in der Sprachpraxis universal von syntagmatischen Gegebenheiten dominiert (3.5.5). 4.5.3 Perfektive Situationstypen und imperfektiver Aspekt Das Imperfektiv Paradox besagt, dass imperfektive und progressive Formen in Verbindung mit telischen Verben eine durative Lesart besitzen, aber nicht das Telos der Handlung einschließen (Dowty 1979: 133): Progressiv und durative Situationstypen: (1) John was drawing a circle (2) John drew a circle (3) John was pushing a cart (4) John pushed a cart

accomplishment accomplishment activity activity

Dowtys Vorschlag (1979: 150) sieht eine modale Lesart vor. Er argumentiert damit, dass auch Inzidenz keine zwangsläufige Eigenschaft ist, sondern erschlossen wird, wenn der Kontext der Situation es erlaubt: Progressiv und Inzidenz: (27) John was watching television when Bill entered the room. (28) John was watching television when he fell asleep.

Inzidenz möglich Inzidenz nicht möglich

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Dies erklärt zunächst modale Lesarten imperfektiver Formen, wie das imperfectum de conatu. Dies erklärt den kontinuierlichen Übergang zu einer modalen Lesart und auch den Umstand, dass in Sprachen oft inhärent modale Lesarten im imperfektiven Aspekt auftreten, die in Perfektiven hingegen ganz überwiegend morphologisch gekennzeichnet sind, wie z.B. auch Altbabylonisch und Altassyrisch (Kap. 6ff.). Weiterhin wird dadurch verständlich, dass imperfektive und präsentische Lesarten im Indikativ große Ähnlichkeit hinsichtlich der Tempus- und Aspektbezüge zu ihren konjunktivischen Lesarten besitzen (5.3.3). Perfektive und präteritale Formen hingegen weichen drastisch ab: sie besitzen eine irreale Semantik und bezeichnen eine Zeitlage future, die Gegenwart und Vergangenheit ausschließt (2.3). Schließlich erklärt Dowtys Inzidenzmodell auch die Affinität der Imperfektiv/Präsens-Kategorie zu futurischen Lesarten: “The present progressive tense of English, in addition to its use in describing an action currently in progress, can be used as a special kind of future tense, as in (29): (29) John is leaving town tomorrow.” Dowty (1979: 154). Dowtys Lösung des Paradoxes soll hier nicht weiter diskutiert werden und ist Teil der Diskussion über die Schnittstellen von Aspekt und Modalität in 5.3.3.2. 4.5.4 Ergebnis Im gesamten möchte ich einer strengen „monosemischen“ Analyse (Viguier 2013: 28ff.) folgen und eine einzige semantische Grundfunktion in jeder Kategorie annehmen. In welchen Kontexten diese realisiert werden kann, hängt von den strukturellen Verhältnissen ab. Die Aspekte verfügen daher zunächst über syntaktische Eigenschaften, wohingegen ihre modalen und temporalen Funktionen in Abhängigkeit von der Existenz eigener formaler Modi und Tempora in einer Varietät in Erscheinung treten. Weiter eingeschränkt wird das monosemische Verständnis durch einen der inneren Grammatikalisierung der Formen Rechnung tragenden Begriff der semantischen Funktion. Dabei ist zwischen diachron sehr weit gefassten Begriffen, wie der dem altgriechischen Perfekt zugrundeliegende, von sehr eng gefassten Begriffen, wie dem des perfektiven extended-now Perfekts, zu unterscheiden. Innerhalb der allmählichen Grammatikalisierung sind dabei Begriffe zur Erfassung eines statischen Sachverhalts erforderlich, der als solcher eine Varietät als Ganzes zusammenfasst und die Formen sprachtypologischen Begriffen zuordnet. Welche Funktionen und Lesarten möglich sind, ist dabei m.E. in der jeweiligen Form semantisch veranlagt. Es liegt daher auch kein polysemes Verständnis einer zusammengesetzten Bedeutung vor (Viguier 2013: 35). Vielmehr konkretisiert sich die Semantik einer Form, desto enger ihre sprachwirkliche Diachronie einerseits und diastratische und diaphasische Definition andererseits gefasst werden.

4.6 Das Perfekt 4.6.1 Zwischen Klassik und Standard – die begrifflichen Dimensionen des Perfekts Unter dem Etikett Perfekt findet sich eine Reihe uneinheitlicher Begriffsauffassungen. Diese sind den einzelsprachlichen Formen verpflichtet und orientieren sich teils nur im Ansatz am

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Das Perfekt

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Kernbegriff eines Perfekts. Um sie systematisch zu betrachten, ist eine diachrone Perspektive notwendig. In dieser ist das Perfekt im engeren Sinne des Begriffs eine Form, die aus einer resultativen Konstruktion hervorgeht (Bybee u.a. 1994: 68f.) und zu einer perfektiven oder präteritalen Form (Bybee u.a. 1994: 81ff.) entwickelt werden kann, wie etwa die HabenPerfekta des europäischen Sprachbunds. Zwischen den Lesarten der drei Stufen kann es dabei zu Überschneidungen kommen. Eine Überschneidung zwischen perfektischen und älteren Lesarten liegt z.B. nach-homerisch in βέβυχε: er brüllt sowie οἴδα: wissen vor. Beiden ist gemein, dass sie eine klar präsentische Lesart besitzen, wie sie in dieser Sprachstufe sonst nicht mehr die Regel ist und die dementsprechend nicht mit dem deutschen Perfekt widergegeben werden kann: βέβυχε: *er hat gebrüllt (4.8.3.1). Eine Überschneidung mit jüngeren Lesarten zeigen z.B. der Präteritumschwund der deutschen Umgangssprache (Fischer 2018: 136ff.) oder die Verdrängung des Aorists durch Perfekt in hellenistischer Zeit (Schwyzer & Debrunner 1975: 275). Es ist außerdem zu beachten, dass Formen mit perfektischen Lesarten auch quer ins Formenparadigma eintreten können, wie es im Akkadischen anhand des PRF zu beobachten ist; dabei handelt es sich um derivationale Perfekta, die in der Typologie von Bybee u.a. (1994) nicht gelistet sind. Dass etwa das Englische keinen Schwund des Präteritums zeigt, liegt m.E. an der Reanalyse der paradigmatischen Struktur, die die non-progressiven Tempora zu Inaktiven gegenüber einem aktivischen Progressiv machen, deren zuständliche Lesarten nicht von einer perfektzeitlichen Form verdrängt werden können und hier insbesondere die Analogie der anderen Tempora auf das Präteritum einwirkt (5.3.6)30. Überlegungen einer vom Deutschen abweichenden aspektuellen Lesart nach Vorbild Comries (1976) sind hingegen abzulehnen, weil es weder eine modelltheoretische noch eine sprachtypologische Begründung gibt, wieso diese Formen sich unterscheiden sollten. Thesen, wie in Abraham & Conradi (2001) sind daher zu verwerfen: „Im Englischen konnte sich kein Präteritumschwund entwickeln, weil das (present) perfect wegen seiner aspektuellen Funktion kein Konkurrent für das Präteritum war und bis heute geblieben ist.“ Abraham & Conradi (2001: 94). Betrachtet man Formen, die als Perfekt klar von den Funktionsdomänen perfektiver, präteritaler und resultativer Lesarten getrennt sind, so fällt deren Ambiguität zwischen vollzogener Handlung und entstandenem Zustand ins Auge. Unter diesem wird zugleich der Perfektbegriff im engeren Sinne gefasst. Charakteristisch ist dabei zunächst, dass wie im englischen Perfekt dieser Zustand nicht explizit vorliegt und auch aufgehoben sein kann. Dieser Formengebrauch fügt sich also ins Modell der Vorzeitigkeit. Dadurch unterscheidet es sich von einer resultativen Konstruktion, die den Zustand explizit ausdrückt und daher präsentisch/ imperfektiven Charakter besitzt: “A resultative denotes a state that was brought about by some action in the past. (…). The difference between resultative, passive and anterior is that only resultative con30 Entgegen Elsness (1997: 359) liegt keine Umkehr des Präteritumschwunds im Englischen vor; vielmehr sorgt das Eindringen des Progressivs für eine neue Struktur, die durch die Progressive der einfachen und perfektischen Formen veranlasst sind.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

sistently signals that the state persists at reference time. (…). A resultative sense is only compatible with a predicate that indicates a change of state or an action that produces a change of state.” (Bybee u.a. 1994 63f.). Beide Konstruktionen sind z.B. im Englischen formal differenziert. So wird das Perfekt immer mit to have und Resultativ mit to be konstruiert. Anhand dieser lassen sich dann die Unterschiede der Semantik hinsichtlich des Verhältnisses zum eingetretenen Zustand wie folgt aufzeigen (Bsp. teils nach Bybee u.a. 1994: 63): Perfekt und Resultativ: The door has opened and closed several times. *The door is opened and closed several times. He has gone and come back already. *He is gone and come back already. He is still gone. He has still gone.

Er ist noch weg. Er ist dennoch gegangen.

Das resultative bzw. zustandspassive to be done erlaubt keine Aufhebung des Zustands. Es ist also explizit präsentisch/ imperfektiv. Das Perfekt ist gegenüber diesem Zustand neutral und bezeichnet nur den Vollzug der Verbalhandlung. Ebenso ist es gegenüber einer Aspektdichotomie zunächst neutral. Bei der Abgrenzung gegenüber perfektivem Aspekt ist deutlicher als im Kontrast zu einem Präteritum in einigen Einzelsprachen eine Distribution zulasten des Perfekts zu erkennen, die ansonsten typische Perfektlesarten wie das hot news perfect in perfektiven Formen widergibt. Das Perfekt bleibt dabei auf inferentielle und experentielle Lesarten oder perfekt-resultative Lesarten wie im Neugriechischen (Hedin 1995: 243) und Albanischen (Duchet 1995: 265ff.) beschränkt (4.8.3). Den hier besprochenen perfektischen Formen ist gemein, dass sie nicht allein im Rahmen einer perfektiven oder imperfektiven Semantik beschrieben werden können, sondern allen perfektischen Lesarten eine besondere intervallsemantische Beziehung zur lexikalischen Semantik des Verbs zu eigen ist. Der allgemeinsprachliche Begriff des Perfekts ist also prototypisch zu verstehen. Der Begriff der Prototypen stammt ursprünglich aus der lexikalischen Semantik (5.1.2) und beschreibt die Abstufung, mit der ein Wort von einem Kernbegriff ausgehend Dinge der außersprachlichen Wirklichkeit bezeichnen kann; vgl. hierzu Blank (2001: 44ff.) mit einem wissenschaftsgeschichtlichen Überblick. Sie wirkt aber auch in sprachwissenschaftliche Terminologie hinein und ist integraler Bestanteil verschiedener linguistischer Begriffe. Hier sind zunächst die semantischen Rollen zu nennen (5.2.3), die explizit als Prototypen konzipiert sind. Daher ist beim Perfekt in Bezug auf die begriffliche Extension zwischen weiter und enger Auffassung zu unterscheiden. Erste bezeichnet den Gebrauch der Perfekta in modernen europäischen Sprachen, letztgenannter hierüberhinaus den imperfektiven Gebrauch in Formen, wie homerischem Perfekt und akkadischem STA, sowie in Perfekt- Split, des Lateins oder Bibelhebräisch (5.2.4.7).

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Das Perfekt

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4.6.2 Zwischen Tempus und Aspekt Die theoretische Einordnung des Perfekts unter Aspekt- oder Tempusformen wird in der Praxis der Grammatikbeschreibung zumeist durch die Struktur der Einzelsprache entschieden. In tempusorientierten Sprachen, wie dem Germanischen, ist daher die Etikettierung des Perfekts als Tempus üblich. Prominentester Vertreter ist hier Reichenbachs Modell (4.1.3), das das Perfekt als Tempus beschreibt, dessen Ereignis E zwei Bezugspunkte besitzt, die Sprechzeit S und eine Referenzzeit R. Ihr Bezug zur Sprechzeit S bestimmt die einfache Tempuszuordnung als präterital, präsentisch oder futurisch. Durch die Referenzzeit R, auf die der Sprecher verweist und die zeitlich nach dem Ereignis E liegt, wird das einfache Tempus und seine Verbalhandlung in ein abgeschlossenes Zeitintervall verlegt, auf das nur vermittelst R verwiesen wird. Die Lesarten des griechischen Perfekts (4.6.6 & 5.3.8) zeigen allerdings die Grenzen dieses Modells auf. Diese Interpretation des Perfekts als Ausdruck der Vorzeitigkeit sowie der lateinische Befund wiederum haben u.a. Teile der Hebraistik zu einer formalen Gleichsetzung des Perfekts mit Perfektivität verleitet. So begründet etwa Matheus (2011: 51ff.) eine Gleichsetzung von perfektiv und perfektisch anhand des Deutschen: „So hat im Deutschen das grammatische Phänomen „Perfekt“ die Funktion, die mit dem perfektiven Aspekt beschriebene Situation in einer bestimmten Zeitstufe zu manifestieren; (…).“ Matheus (2011: 55). Diese Aussage ist nur insofern zielführend, wie durch den Präteritumschwund solche Lesarten des Präteritums im Perfekt begegnen, die aufgrund ihrer semantischen Interpretation als perfektiv zu verstehen sind und in Übersetzung etwa griechischem Aorist entsprechen (4.8). Abseits dieser umgangssprachlichen Verwendung ist das Perfekt im Deutschen zunächst aspektneutral und erlaubt auch sogenannte universale Lesarten des Perfekts (4.6.5). Die Ausführungen zur deutschen Sprache in Matheus (2011) und die daraus gefolgerten Verallgemeinerungen sind insgesamt mit Bartelmus (2014: 52) als „extrem kurzschlüssig argumentiert“ noch wohlwollend umschrieben. Gegen die Unterscheidung in Matheus (2011) – wie auch in Metzler (2002) – ist ferner anzuführen, dass in vielen Sprachen eine Differenzierung von perfektischen und perfektiven Lesarten nachgewiesen ist. Vergleicht man den lateinischen Befund mit dem Deutschen oder Altgriechischen, zeigen sich funktionale Überschneidungen des lateinischen Perfekts mit dem deutschen Präteritum und griechischen Aorist (4.2.1). Gegenüber dem Aorist besitzt das lateinische Perfekt mehr semantische Lesarten, die griechisch insgesamt auf Aorist und Perfekt verteilt sind. Aus diesem Grund führen Grammatiken schon seit der Antike bis in die Neuzeit, wie etwa Kühner & Stegmann (1976), das lateinische Perfekt mit zwei unterschiedlichen Lesarten: perfectum praesens (Kühner & Stegmann 1976: 124ff.), dessen grundlegende Funktionen der Ausdruck einer nicht mehr gegenwärtigen Handlung und die Vollendung der Handlung in der Gegenwart, teils auch mit präsentischer Bedeutung, wie im Altgriechischen (z.B. novi: ich weiß), ist und das perfectum historicum (Kühner & Stegmann 1976: 126ff.), dessen Funktion die der erzählenden Zeitform ist, d.h. Kettentempus ist (4.8.3) und Vergangenheitsbezug zeigt und sich nur insofern vom Gebrauch des griechischen Aorists unterscheidet, wie das Imperfekt im Latein einen engeren Gebrauch als im Altgriechischen zeigt (4.2.3).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Gegenüber dem deutschen Präteritum hat das perfectum historicum zunächst nicht alle dessen Lesarten. Die von ihm nicht erfassten Lesarten werden durch das lateinische Imperfekt ausgedrückt (4.2.3). Die Lesarten des deutschen Perfekts können insgesamt unter den Katalog der Lesarten des perfectum praesens gebucht werden – umgekehrt entsprechen die präsentischen Lesarten aber nicht dem Gebrauch des deutschen Perfekts (4.6.5). Eine Gleichsetzung von Perfekt und perfektivem Aspekt hebt diese Differenzierung auf und entzieht dem lateinischen und griechischen Befund ihre begriffliche Unterscheidung. Weiter spricht gegen die Gleichsetzung von Perfekt und Perfektiv die Vielfalt der Lesarten des Perfekts in typologischer Perspektive. Auch sie wird durch eine Gleichsetzung ihrer begrifflichen Unterscheidung beraubt. Dies betrifft vor allem die Deutung einzelner Lesarten des Perfekts, die syntaktisch oder semantisch imperfektiv zu verstehen sind. Zu den syntaktisch imperfektiven Lesarten zählen zustandspassive und zuständliche Lesarten. Nicht syntaktisch aber semantisch imperfektiv sind die universalen Lesarten, in denen der lexikalische Verbalvorgang über die Intervallgrenzen des Perfekts hinaus fortbestehen kann (4.6.5). Ein gemischter Ansatz begegnet in Comrie (1976 & 1985), der das präsentische Perfekt formal als Aspekt einführt, da durch Zusammenfall von R und S keine tempusbasierte Unterscheidung von Perfekt und Präsens in diesem Modell erlaubt sind. Zur Problematik dieses Kompromisses zählen u.a. Sprachen mit non-past Perfekt, in denen Lesarten des Futur II mit Lesarten des einfachen Perfekts zusammenfallen, wodurch sich nach Comries Modell aspektuelle und temporale Lesarten vermischen. Auch die aspektaffinen Interpretationen haben Schwierigkeiten mit der Beschreibung des Perfekts. Diese Schwierigkeiten sind zum einen in der Ambiguität zwischen perfektiven und imperfektiven Intervallen begründet, die innerhalb des Perfekts realisiert werden können, zum anderen in den typologisch widersprüchlichen Befunden, nach denen in einigen Sprachen überhaupt nur perfektive Formen zulässig sind, wohingegen in anderen Sprachen explizit imperfektive Lesarten vorliegen, die keinen Verweis auf eine vollendete Handlung oder eine vollendeten Zeitraum bringen und sich auch in der Interaktion mit Lexemen wie eine imperfektive Form verhalten (4.6.5). Deutlich charakteristische Eigenheiten weist die Möglichkeit der imperfektiven Perfektbildung im Englischen auf: I have been doing. Sie deklariert explizit dynamische Situationen, die über S hinaus andauern können, zumindest aber bis R reichen, also universale Perfekta. So etwa in: Ich habe (die ganze Zeit) gewartet oder in: Ich bin (bis jetzt) gelaufen. Sie sind insofern als imperfektiv zu bezeichnen, wie ihnen die Eigenschaft zukommt noch über das Perfektintervall anzudauern. So etwa Ich habe (die ganze Zeit) gewartet. (Und ich warte noch immer) (Iatridou 2001: 191). Für sie gilt, was zum Imperfektiv Paradox gesagt wurde (4.5). Die universalen Lesarten begegnen im Englischen (Huddlesston & Pullum 2002: 141f.), Deutschen (4.6.4) oder Französischen (Viguier 2013: 125f.). Sie sind allerdings bei einer Beschränkung des Perfekts auf perfektive Formen gänzlich ausgeschlossen. Eine solch restriktive Selektion der Aspektsemantik lässt sich anhand analytischer Formen beobachten: eine Einschränkung auf perfektive Formen zeigt das neugriechische Perfekt (Comrie 1976: 62 & Hedin 1995: 234): “Indeed, standard means that yield the [universal]-perfect in English (…) results in ungrammaticality in, for example, Greek (…).” Iatridou u.a. (2001: 206).

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Das Perfekt

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In anderen Sprachen wird die aspektuelle Differenzierung durch die Formenauswahl der Bildungsbestandteile kenntlich gemacht. Dabei ist zu beachten, dass der semantische Unterschied teils verblichen sein kann. Allgemeine Regel der Struktur des Katalogs der Lesarten einzelsprachlicher Perfekta ist, dass imperfektive Lesarten auftreten können, aber nicht müssen, und dort, wo sie auftreten, eine besondere Semantik der Lesart einbringen 31. 4.6.3 Ansätze der Beschreibung als Tempus oder Aspekt Die heute klassische tempusbasierte Beschreibung des Perfekts, die auf Reichenbach zurückgeht, wurde in 4.1.1.3 erörtert, sie hat auch den gemischten Beschreibungsansatz in Comrie (1976 & 1985) beeinflusst und findet sich praktisch in direkter Übernahme in semitistischen und altorientalistischen Arbeiten, wie Denz (1999: 48f.), Weninger (2001: 33), Streck (1995a: 212) oder Kouwenberg (2014: 140f.). Prominent in der Sprachwissenschaft sind ferner Beschreibungen des Perfekts anhand semantischer Eigenschaften, die maßgeblich durch Comrie (1976) definiert werden und etwa in Iatridou u.a. (2001) zu finden sind 32. In 4.6.4 wird eine weitere, intervallsemantische Modellierung nach McCoard (1978) vorgestellt. Sie ist weniger verbreitet, aber für Sprachen wie das Akkadische von besonderem Wert, denn sie erlaubt eine Trennung syntaktischer Merkmale bei Berücksichtigung semantischer Überschneidungen, wie sie beim Nebeneinander von Resultativ und Perfekt, wie in STA und PRF, begegnen. 4.6.4 Zeit und Zustand – Eine erste grundlegende Unterscheidung 4.6.4.1 Perfektzeit und Perfektzustand Im Begriff des Perfekts sind der Handlungsvollzug und der Zustand voneinander zu unterscheiden. Wird der Perfektzustand explizit ausgedrückt, liegt eine zuständliche Lesart oder eine intensive (perfectum intensivum) Konstruktion vor. Sie drücken syntaktisch ein imperfektives Intervall aus: It is written. The door is closed. βέβυχε: er brüllt. In anderen Lesarten des Perfekts, liegt dieses Intervall, d.h. der Perfektzustand, nur semantisch und nicht syntaktisch vor. Dieser implizite Verweis, wie im Vorzeitigkeitsmodell be31 Von den beiden Beispielen zu unterscheiden sind analytische Formen, in denen der Aspekt am Hilfsverb realisiert werden kann. Ob hier auch ein grundlegender funktionaler Unterscheid vorliegt, ist m.W. nicht nachgewiesen. Man vgl. hierzu z.B. den sogenannten Aorist II der albanischen Grammatik. Naheliegende Überlegungen, das Perfekt insgesamt im Rahmen semantischer Relationen zu beschreiben, sind m.W. in der Forschung nicht diskutiert; es kommt hier allerdings zunächst nur zu einer Verschiebung des Problems, denn ein angenommenes Perfekt als inaktive Kategorie erlaubt im Englischen mit dem perfect progressive eine eingebettete Aktivform (5.2.6). 32 Comrie (1976) ist daher die grundlegende Referenz zur Beschreibung aspektbasierter Modellierungen des Perfekts; Comrie (1985) die Referenz tempusbasierter Beschreibung. Obwohl er zwischen aspektuellem Perfekt und temporalen Plusquamperfekt und futurum exactum trennt, wurden die jeweiligen Kategorien von Rezipienten teils stillschweigend, aber in Konsistenz mit ihrer Modellierung übernommen; so z.B. Iatridou u.a. (2001) oder Streck (1995a).

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schrieben, begegnet u.a. im deutschen sowie englischen und lateinischen Perfekt. Der Perfektzustand kann daher durch den Kontext auch als abgeschlossen ausgedrückt werden (Bsp. teils nach Rothstein B. 2008): 1. 2. 3. 4.

Er hat die Schule erfolgreich beendet und studiert nun seit einigen Jahren. Er hat immer in Berlin gewohnt aber jetzt lebt er in München. Es hat die ganze Zeit Geräusche gemacht und ist jetzt verstummt. Er hat sie schon immer geliebt und liebt sie noch heute.

Der Handlungszeitraum des Perfekts kann neben Handlungen auch Zustände bezeichnen und wird als Perfektzeit geführt. Diese Perfektzeit kann 1. auf die Beschreibung perfektiver Lexeme beschränkt sein, wie im neugriechischen Perfekt (s.o.). Die Beschränkung ist sprachtypologisch auf einen formal perfektiven Bildungstyp zurückzuführen: “In Greek, the perfect participle is based only on the perfective stem, (…). As a result, the U[niversal]-perfect, (…), is not possible. (…). Therefore, the perfect of stative Greek verb will lack the U[niversal]-perfect reading. It is possible to form the present perfect of a stative, but the resulting sentence has only an E[xistential]-reading.” (Iatridou u.a. 2001: 207f.; Ergänzungen durch Verfasser)., 2. gegenüber der Aspektdichotomie unbestimmt sein und entsprechend universale Lesarten (4.6.5), wie deutsch Er hat sie schon immer geliebt, erlauben. 3. einen oder beide Aspekte systematisch differenzieren, wie im englischen mit einfachen Perfekt He has been doing gegenüber progressivem Perfekt He has done. Die bisher angeführten Lesarten weisen die Perfektzeit mit einer aspektneutralen Intervallsemantik aus, die einzelsprachlich auf perfektive Lesarten beschränkt werden kann. Eine Affinität zu perfektiven Lesarten lässt sich auch aus der diachronen Entwicklung des griechischen Perfekts vom syntaktisch imperfektiven Resultativ zu einem Perfektiv ablesen (Schwyzer & Debrunner 1975: 275). In der Interaktion mit verschiedenen Situationstypen kann es allerdings zu Verwerfungen in der Semantik der Lesarten kommen, die sich z.B. im Deutschen in Verbindung von achievement und Perfekt zeigen: “(…) it is possible to ask “how long” with states and activities, but not with achievements and accomplishments. The achievement sentence is not possible in the past tense but with the present perfect: (60) a. ?*Wie lange entdeckte Hans die Formel (schon)? (…) (61) a. Wie lange hat Hans die Formel (schon) entdeckt?“ (Rothstein B. 2008: 42f.). Das Perfekt erlaubt hier im Unterschied zu Präsens und Präteritum eine durative Lesart, die sich nicht auf das Ereignis – ein achievement – beziehen kann. Das Perfekt ist also Träger eines eigenen durativen Intervalls, der die Eigenschaften eines Zustandes (state) auf alle Lexeme überträgt.

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Das Perfekt

Perfektintervall und Situationstyp: Seit gestern arbeitet er an seinem Computer. *Seit gestern entdeckt er den Fehler. Seit gestern schreibt er den Brief. Seit gestern hat er den Fehler entdeckt.

activity ø (achievement) accomplihment state

Diese Intervallsemantik erlaubt, wenn auch mit Thieroff (1994: 122) nur in Abhängigkeit von bestimmten Kontexten, dass die Aussagen Er hat seine Arbeit nachmittags erledigt und Er hat seine Arbeit abends erledigt beide zur gleichen Zeit wahr sind, wie es in Vennemann (1987: 246) dargelegt ist. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass für das Perfekt nicht die Intervallsemantik des Ereignisses maßgeblich ist, sondern die eigene (perfektzeitliche) Struktur, in der das Ereignis eingebettet ist. 4.6.4.2 Die Perfektzeit und ihre Intervallsemantik An die Beobachtungen zur Interaktion mit Situationstypen lässt sich die intervallsemantische Definition der Perfektzeit, die nach McCoard (1978) extended-now (XN) Intervall bezeichnet wird, anschließen. Diese bezeichnet ein dem Perfekt zugrundeliegendes Intervall, das einen Zeitraum umfasst, der bis zu einer vom eingebetteten Ereignis unabhängigen Referenzzeit andauert und dessen Beginn durch Adverbiale wie Seit bezeichnet werden kann. Im Fall des einfachen präsentischen Perfekts ist die rechte Grenze des Intervalls zunächst die Sprechzeit S bzw. das Jetzt des Sprechers. Der von hier bis in die Vergangenheit hineinreichende Zeitraum, der Gegenwart und Vergangenheit verbindet, führt zur Bezeichnung extended-now. Die Trennung von XN-Intervall und Perfektzustand erfolgt dabei nicht durch eine diskrete Unterscheidung, sondern eine Überschneidung, die nicht explizit ausgedrückt wird. In Verbindung mit imperfektiven Formen oder atelischen Lesarten kann der lexikalische Verbalvorgang den Referenzpunkt R auch überschreiten, es liegt dann ein universales Perfekt vor: “The universal perfect (U[niversal]-perfect) conveys the meaning that the predicate holds throughout some interval stretching from a certain point in the past to the present (…). It has been noted that the U[niversal]-perfect can be formed only if the “underlying eventuality” (…) is a stative verb or adjective or a progressive.” Iatridou u.a. (2001: 191). Dabei erstreckt sich der Vorgang über die gesamte Perfektzeit (Rothstein B. 2008: 119). So in den obigen Beispielen 3 und 4: 3. Es hat die ganze Zeit Geräusche gemacht und ist jetzt gerade verstummt. 4. Er hat sie schon immer geliebt und liebt sie noch heute. Die Möglichkeit, unmittelbar bis zur Sprechzeit fortzudauern, ist in c explizit durch jetzt gerade zum Ausdruck gebracht. Dass das universale Perfekt auch über R und S hinaus andauern kann, zeigt schließlich Beispiel 4. Solche Lesarten des Perfekts wechseln in Abhängigkeit der Varietät mit Präsens oder Imperfektiv; so etwa im Altgriechischen bei explizit in der Gegenwart andauernder Handlung (McKay 1974: 142).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Im extended-now Modell begegnet die Perfektzeit als ein Intervall zur Beschreibung eines engeren Perfektbegriffes, der eine Übergangsstufe vom imperfektiven/ präsentischen Resultativ zu perfektiver/ präteritaler Semantik bildet. Als solche besitzt er zunächst keine aspektsemantischen Eigenschaften im Rahmen der Aspektdichotomie, doch kann das Perfekt einerseits formal auf perfektive Formen beschränkt werden (4.6.4.1) und zum anderen syntaktisch als Zustand erscheinen. Die Perfektzeit als Zustand erlaubt dann eine semantische Beschreibung des Perfektzeitintervalls im Rahmen des universalen Perfekts und allgemein imperfektiver Lesarten und Formenbildungen des Perfekts. Zur Möglichkeit der Beschreibung der fortschreitenden Grammatikalisierung des Perfekts anhand einer semantischen Extension des XN-Intervalls ist vorerst auf die Diskussion zum Präteritumschwund in Rothstein B. (2008: 24ff.) zu verweisen. Für eine Extension auf perfektive Lesarten fehlen m.W. noch Untersuchungen. Das Verhältnis des XN-Intervalls zur lexikalischen Semantik ist dem des progressiven Intervalls insoweit ähnlich, als dass beide die Aktanten in einem nicht der lexikalischen Semantik entsprechenden Intervall verorten. Beim Perfekt ist dies im Wandel von imperfektiver und zuständlicher Form zu Perfektiv oder Präteritum im Wechsel einerseits von aktuellzuständlichem zu geschehenem Ereignis zu erkennen und andererseits von abgeschlossenem Handlungsvorgang als Zustand zur Einbettung des Ereignisses im XN-Intervall, bei dem das Ereignis im Rahmen der Grammatikalisierung zur linken Grenze des XN Intervalls hin verschoben wird. Der ursprünglich inhärente i-level des Resultativs wird dabei durch den s-level des Intervalls bestimmt, erlaubt aber zunächst noch universale Lesarten und daher inhärente i-level einzubetten. Beim Progressiv bleibt die imperfektive Semantik prinzipiell gewahrt. Hier wird die dynamische Semantik als inhärenter s-level auf Zustände erweitert, bevor es zur Grammatikalisierung allgemeinen Präsens oder Imperfektivs kommt. Beiden Intervallen gemein ist die semantische Relation zwischen Ereignis und Aktanten, wobei entweder das Intervall selbst ein s-level (XN) ist oder die Verbalhandlung selbst als s-level widergegeben wird (Progressiv). Hierhin zeigt sich eine inhärente Schnittstelle beider zur Kategorie semantischer Relationen. 4.6.5 Das moderne Perfekt und seine Lesarten Das Perfekt in engerer Begriffsfassung umfasst zwei grundsätzliche Kategorien von Lesarten: die sogenannte universale und die existentialen Lesarten des Perfekts, die grammatisch bestimmt sind: “The points we would like to contribute to the U[niversal]/E[xistential]-perfect debate are these (not in order of significance): 1. The U-reading asserts that the underlying eventuality holds throughout the interval specified by the adverbial and at its endpoints. In case of the present perfect, this means that the utterance time is included by assertion. 2. The U-reading is never available to a perfect unless the latter is modified by certain adverbials. We will discuss what contribution the adverbials make. 3. The E__R interval does not have a distinguished status in the perfect. 4. The crosslinguistic distribution of the U-reading is not quirky, as is often assumed, but can be predicted by the morphosyntactic features that enter into the composition of the perfect participle. 5. Anteriority is not part of the meaning of the perfect (participle). From these points, it is clear that we are in the so-called semantic camp, that is, we do not

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believe the difference between the U- and the E-perfect is one of pragmatics; instead, we believe it is one of meaning, determined by the morphosyntactic content of the sentence.” Iatridou u.a. (2001: 193f.). Universale Perfekta bezeichnen solche Zustände und Handlungen, die über das gesamte Zeitintervall des Perfekts gültig sind oder dieses sogar überschreiten (4.6.4). Unter den existentialen Lesarten lassen sich drei wichtige Haupttypen fassen (Iatridou 2001: 191f.): 1. experentielle Perfekta, die ein mindestens einmal stattgefundenes Ereignis bezeichnen (Er ist (schon einmal) in New York gewesen.); 2. perfekt-resultative Perfekta, die ein Ereignis bezeichnen, dass nachfolgend noch vorliegt oder dessen Nachwirkung noch von Bedeutung ist (Er hat die Unterlagen verlegt.). Es drückt eine zumeist nicht lexikalisch veranlagte Resultativität aus (Viguier 2013: 127ff.), die explizit nur in einer zustandspassiven Form wiedergegeben werden kann (4.6.6). Anders als die zustandspassive Lesart des Resultativs kann auch eine indirekte Folge der Verbalhandlung nachwirken; im Falle des Verlegens etwa eine durch das Beschaffen bedingte Verspätung in der Gegenwart als nachfolgender Zeitstufe. Anstelle eines detransitivierenden Zustandspassivs kann das Objektsresultativum (4.6.6.3) als expliziter Ausdruck des Resultats am Objekt gebraucht werden, wenn Formen, wie der akkadische STA hier etwa transitive Lesarten erlauben. Zu beachten ist schließlich, dass einige Autoren, wie auch Iatridou u.a. (2001), nur solche Objektsresultativa als perfekt-resultativ beschreiben33: “I have lost my glasses. Sentence (4) can be a resultative perfect only if said while the glasses are still lost. As soon as the glasses are found, (4) can only be uttered as an experiential perfect.” Iatridou u.a. (2001: 156 Hervorhebung im Original). Perfekt-resultative Lesarten unterscheiden sich von echten Resultativa dadurch, dass für das Resultat eben das gilt, was für das Ereignis des universalen Perfekts gilt (s.o.): das Resultat kann noch vorliegen, wird durch die Form des Perfekts so aber nicht explizit verlangt. Wo das Resultat nicht mehr unmittelbar vorliegt, kommt es dabei zu einer semantischen Überschneidung mit dem hot news perfect. 3. Das hot news perfect, das aktuelle diskursrelevante Ereignisse in den Fokus stellt (Es ist soeben verschickt worden.). Teils in semantischer Differenzierung werden kürzlich zurückliegende Ereignisse als recent past bezeichnet, können aber als Sonderfall des hot news perfects begriffen werden. Inwieweit sich existentiale Lesarten auf Perfekt und Perfektiv verteilen, hängt unmittelbar von der jeweiligen Varietät ab. Der homerische Aorist steht hier noch durchweg für Lesarten in Vertretung perfektzeitlicher Funktion (4.6.6.4). Das französische passé simple hingegen schließt eine Gegenwartrelevanz kategorisch aus (Viguier 2013: 117) und findet sich daher auch nicht als recent past oder hot news. Diese Lesarten sind liegen exklusiv beim perfektischen passé composé (Viguier 2013: 123f.). Insgesamt ist aber mit Pollack von einer 33 Die weitere Begriffsdeutung in dieser Arbeit, wie sie auch in Bybee u.a. (1994: 63) und Comrie (1976: 56f.) zu finden ist, ist durchweg gebräuchlicher in Philologie und Linguistik und eröffnet auch klarere Abgrenzungen gegenüber über Resultativ und Stativ (4.6.6).

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unscharfen Grenze zwischen den beiden Formen auszugehen. Entgegen der strengen grammatischen Vorgabe ist daher in der heutigen Sprachpraxis auch bei frankophonen Sprechern keine sichere Trennung zwischen passé simple und passé composé zu beobachten, wie sie die Lehrbücher suggerieren (Pollack 1988: 105). Die Gründe dürfen m.E. analog zu denen des Wechsels von Präteritum und Perfekt im Deutschen in der Funktion des Kettentempus zu suchen sein (s.u. 4.8.2.3); das Präteritum im Deutschen wird dann obligatorisch, wenn der Sachverhalt durch mehrere Prädikate wiedergegeben wird: „Es spricht viel dafür, daß das Präteritum die Grundfunktionen a) prozessuale Anschauungsvermittlung b) Kettentextaufbau hat und daß diese Grundfunktionen dem Perfekt nicht zukommen.“ Latzel (1974: 254). Der Wechsel von Präteritum zu Perfekt ist dabei abhängig von der diaphasischen Varietät, so dass etwa in Erzählungen Präterita schon in Einzelsätzen begegnen (Latzel 1974: 241). Von den aus Resultativa hervorgegangenen Formen zu trennen sind Formen derivationaler Bildungen des Perfekts, für die Bybee u.a. (1994: 69ff.) Periphrasen mit dynamischen Verben listet, die aber aufgrund des älteren akkadischen Sprachbefunds, d.h. der Distribution von PRF und PRT, um Aktionsartenbildungen erweitert werden müssen. Dabei handelt sich um rein perfektive Derivationen, die das Verbalsystem unmittelbar als existentiales Perfekt betreten und keine vorangehende imperfektive Grammatikalisierungsstufe besitzen. Wieso diese derivationalen Bildungen, anders als etwa die Derivation im Russischen, nicht unmittelbar als perfektive Formen auftreten (Bybee u.a. 1994: 87ff.), sondern (hinsichtlich ihres Grammatikalisierungsalters) als jüngere Form des Perfekts, ist noch ungeklärt. Eine Erklärung, dass die Entsprechung zum existentialen Perfekt eine rein semantische ist und die Lesarten als syntaktisch perfektiv erklärt werden können, ist sprachtypologisch m.W. noch nicht überprüft worden. Der altassyrische Befund stützt aber die Einordnung als perfektzeitliche Form (8.8.2)34; d.h., dass Aktionsarten bzw. bounders (Bybee u.a. 1994: 87f.) auch als perfektische Form in den grammatischen Formenbestand eintreten können. 4.6.6 Resultativ, Stativ und das indogermanische Perfekt 4.6.6.1 Einleitung Einige Lesarten unter dem erweiterten Begriff des Perfekts sind mit dem Modell der Vorzeitigkeit nicht vereinbar. Hier sind zunächst die resultativen Lesarten zu nennen, wie sie oben bereits dargelegt wurden. Unter resultativen Lesarten nach der Typologie eines Perfekts in Bybee u.a. (1994: 63ff.) zählen imperfektive Lesarten, die das Ergebnis einer vorangegangenen Handlung sind. Sie sind also syntaktisch imperfektiv aber semantisch perfektiv oder perfektisch. Reines Resultativ ist z.B. das deutsche Zustandspassiv: Er ist geschlagen. Auch in der modernen Haben-Konstruktion des germanischen und romanischen Perfekts ist noch die ursprüngliche resultative Lesart zu erkennen, die ursprünglich nur einen possessiven 34 Die sprachwissenschaftliche Forschungsliteratur zum Perfekt ist ganz überwiegend nach semantischen Kriterien strukturiert. Daher fehlen nicht selten auch begriffliche Trennungen von dem, was in dieser Arbeit oder auch in Bybee u.a. (1994) usw. unter dem Begriff des syntaktisch imperfektiven Resultativs gebucht ist. Dass auch diese perfektischen Formen semantisch perfektiv sind, führt zu einer Differenzierung des Perfektbegriffs gegenüber Perfektiv und Präteritum anhand des Ausschlusses aus der sequentiellen Taxis (5.2.6).

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Kontext erlaubte und dessen Hilfsverb, wie im Hethitischen (Hoffner & Melchert 2008: 310), Objektkongruenz zeigte (Bybee u.a. 1994: 68f.). Funktional sind Resultativa zunächst in echte Resultativa und Stative andererseits zu unterscheiden. Echte Resultativa bezeichnen das Resultat der Verbalhandlung als Zustand des ursprünglichen Subjekts, direkten oder indirekten Objekts oder transitiv als causative state bzw. possessive resualtative (Nedjalkov & Jaxontov 1988: 9ff.). Stative (Nedjalkov & Jaxontov 1988: 27) sind Formen, die semantisch nicht grammatisch, sondern allenfalls kontextuell auf eine vorangegangene Handlung zurückgeführt werden können. So können im Akkadischen unter Letzten die Formen des STA der Zustandsverben subsummiert werden. Der gemeinsame typologische Rahmen ist (in Ermangelung eines besseren Begriffs) der eines Resultativs in weiter Begriffsauffassung: “The resultative in the broad sense encompasses […] both resultatives and statives […]. Thus, the resultative in the broad sense amalgamates the notion of the resultative proper and the stative.” Siľnickij (1988: 97) Die prinzipiellen Probleme bei der Charakterisierung des Resultativs sind dabei ähnlich denen des Perfekts. Die Extension des Begriffs Perfekt ist allerdings in der diachronen Perspektive verortet, die des Begriffs Resultativ liegt in der sprachtypologischen Varianz. Hier werden, gestützt auf das altgriechische und akkadische Material, Beobachtungen zu den syntaktisch imperfektiven Perfektformen strukturiert dargestellt. Ein erster Ansatz zu einer Typologie des Perfekts als diachrone Kategorie findet sich in 5.3.8. 4.6.6.2 Resultativ Beim altgriechischen Perfekt mit resultativer Lesart wird zwischen intransitiven Lexemen und Zustandspassiven getrennt. Zu den intransitiven Perfekta gehört etwa τέθηκε: er ist tot des Verbs Sterben; zu den Zustandspassiven etwa λέλυται: es ist gelöst zu transitivem Lösen oder λέλRJχDich bin im Besitz zum Präsens zugeteilt erhalten (Wackernagel 1920: 168). Resultativ ist ferner das im Englischen m.W. heute ungebräuchliche he is come, welches nicht he has come entspricht, sondern he is gone (Jespersen 1954: 31). Hingegen ist durch die Beibehaltung des Splits im deutschen Perfekt die resultative Lesart praktisch auf deutsches Zustandspassiv beschränkt, und intransitives Verballexem in der Verbindung von Sein und Partizip Perfekt Passiv ist (zumindest außerhalb besonderer Kontexte) perfektzeitlich zu verstehen. Sprachtypologisch ist daher auch beim Resultativ in enger Begriffsauffassung nach rein zustandspassiver, d.h. detransitivierender Lesart, und allgemeiner resultativer Lesart zu trennen. Nicht belegt ist m.W. eine Kombination, in der zustandspassive und stativer Lesarte belegt sind, aber intransitive Resultative, wie I am gone oder alik: er ist gegangen, im Katalog fehlen, so dass folgende und rein synchrone Hierarchie postuliert werden kann: Zustandspassiv > intransitiver Resultativ > Stativ Diese Hierarchie ist so zu lesen, dass neben reinen Zustandpassiva Formen des intransitiven Resultativs auch erstgenannte Lesarten erlauben; der Stativ schließlich erlaubt auch Lesarten der anderen beiden Kategorien. Dabei ist zu beachten, dass ein Stativ strengere Vorgaben an die Resultativität stellt und die Lesart implizit immer den Zustand als permanent und inhärent wiedergibt, was noch unter 5.3.6 zu erläutern ist.

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4.6.6.3 Stativ und das altgriechische Perfekt Das homerische Perfekt zeigt weitgehend eindeutig imperfektive Syntax (4.6.6.4). Auch im klassischen Griechisch hat es sich diese Lesart vielfach bewahrt: “In action verbs […] the perfect sometimes expresses responsibility for the action […]. In stative verbs […] the perfect denotes a state […] and often can be translated as if it were the imperfective […].” McKay (1974: 139). Vergleichbar der praktischen Beleglage zum akkadischen STA (Kouwenberg 1997: 351 & s.u. 5.3.6), ist echte Resultativität selten und der kontextuelle Bezug zum dem Resultat der Verbalhandlung vorangehenden Ereignis nur schwach ausgeprägt: “The perfect expresses the state or condition of the subject of the verb […] most often with comparatively little reference to the action itself […].” McKay (1974: 139). Vergleichbar den akkadischen Verben idû(m): wissen und išû(m): haben, die nur im PRT beelegt sind (8.7), besitzt das Griechische einige Verben, die nur als Perfekt vorkommen und semantisch inaktiv sind. Diese altgriechischen perfekta tanta sind in allen Sprachstufen imperfektiv. Einige korrespondieren etymologisch noch mit zugehörigen Verben in Aorist und Präsensstamm, wie das Perfekt οἴδα: wissen zum Aorist εἶδον in der Bedeutung Sehen. (McKay 1974: 140). Solche Formen gehören hinsichtlich ihres Grammatikalisierungsalters der Resultativkategorie, d.h. den perfektzuständlichen Perfekta an. Diese verweisen auf eine ursprüngliche Semantik der Formen mit imperfektivem und inaktivem Charakter, sind also ältere Lesarten einer früheren Grammatikalisierungsstufe und als solche in den Grammatiken erkannt (Schwyzer & Debrunner 1975: 263). Eine einheitliche Charakterisierung des altgriechischen Perfekts ist daher kaum möglich. Sicher ist aber der älteste Sprachbefund auch für die indogermanische Form charakteristisch: „Das Perfekt ist im altindogermanischen Tempus/Aspekt-System als Zustandspräsens eingeordnet, zeigt aber die Besonderheit, daß der aus einer vorausgehenden Handlung resultierende Zustand bezeichnet wird. Die implizite Handlung ist abgeschlossen, wenn das Resultat nicht miteinbezogen ist, wird sie im Aorist bezeichnet. Insofern ist das Perfekt zwar eine imperfektive Kategorie, zugleich aber inhärent perfektiv.“ Tichy (1999: 129; Hervorhebung durch Verfasser). Charakteristisch für Sprachen wie das Altgriechische ist, dass einige dieser Lesarten in der Entwicklung des Perfekts erhalten bleiben; auch im klassischen Griechisch begegnen daher noch detransitivierende Perfekta, deren Muster zum Teil auch der Aorist folgt 35: „In some transitive verbs too, there is an intransitive strong perfect and/or aorist active whose meaning corresponds with that of the imperfective and future middle ἕστηκα, I stand and ἔστην I stood are intransitive […], not transitive like ἵστημι, I make stand.” McKay (1974: 135). 35 Zumindest semantisch zeigt der Aorist damit perfektische Eigenschaften; ob etwa das Indoiranische den Aorist als ursprüngliches old anterior präsentiert und nicht als Perfektiv, ist m.W. nicht gesichert (vgl. 4.2.4).

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Das Perfekt

Überschneidungen mit syntaktisch imperfektiven Lesarten innerhalb formal eindeutigen Perfekts finden sich nicht im deutschen oder englischen Perfekt. Allerdings sind sie durch die griechischen Grammatiken und Einzelstudien (u.a. Pereľmuter 1988) bezeugt und aufgearbeitet. Vorbehaltlich weiterer Studien zu Resultativ und Stativ, ist anzunehmen, dass nur letztere bei der Grammatikalisierung zum perfektzeitlichen Perfekt noch syntaktisch imperfektive Lesarten erhalten, wie sie im Griechischen, Latein und Bibelhebräischen belegt sind; Resultativa im engeren Sinne des Begriffs werden hingegen ohne einen syntaktischen Split grammatikalisiert. Zu diesen resultativen und stativen Lesarten gehört vielleicht noch als jüngste das sogenannte Objektsresultativum, das eine am äußeren Objekt nachwirkende Handlung bezeichnet (entsprechend einem perfekt-resultativen Perfekt), für die bei Homer noch der Aorist gebräuchlich ist. Wie bei den ursprünglich possessiven Haben-Konstruktionen (s.o.) kann auch griechisch hier eine analytische Form mit ἔχειν: haben begegnen. Die transitiven Objektsresultativa stehen dem Perfekt des erreichten Zustandes nahe, das auch solche transitiven Konstruktionen erlaubt, in denen ein inneres Objekt wie z.B. οἴδα: wissen im Perfekt steht und schließlich auch ein äußeres Objekt erlaubt, sofern das Subjekt immer noch am erreichten Zustand Anteil hat. Anders als die ebenfalls aus intransitven Konstruktionen grammatikalisierten Progressive (Coon & Perminger 2015) vollzieht sich die Erweiterung zu transitiven Konstruktionen bei Formen der Perfektkategorie in Abhängigkeit von der Semantik des Objekts und seinem Verhältnis zum Subjekt. Die Progressive entwickeln sich strikt syntaktisch und erlauben zunächst nur pronominale, später auch nominale Objekte (van Pottelberge 2005: 183). Zum Objektsresultativum im STA gibt es m.W. keine Belege, denn der transitive STA bezeichnet immer auch den Zustand des Subjekts und kann als solcher als causative state begriffen werden. So im Akkadischen auch mit äußerem Objekt bei Verben wie adāmum: beschaffen, im Besitz haben36 (vgl. altgriechisch λέλRJχDich bin im Besitz): 1

TÚG

1/3

ma-na

4

GÍN

Ein

Gewand

1/3

Mine

Vier

Schekel

ší-im-šu šīm=šu Preis=POSS.3.M

Ein Gewand -1/3 Minen und 4 Schekeln ist sein Preis – (…) habe ich beschafft.

(…) (…)

ad-ma-ku adm-āku Beschaffen1SG.SK

AKT VIa 1: 33ff.

Sie bilden als solches eine gemeinsame sprachtypologische Kategorie der Resultativ > Perfekt Formen. Die transitiven Objektsresultativa sind daher eine frühe Grammatikalisierungsstufe der possessiven Haben-Konstruktion des Perfekts, wie sie im Latein periphrastisch begegnen und in den romanischen Sprachen zum Perfekt werden: „Es zeigt sich die große Spannweite, die sich aus der üblichen Definition des Perfekts ergibt. Bei dem besprochenen Beispiel ist das Partizip nicht in eine Perfektperiphrase 36 Die Übersetzung lässt eine Interpretation als Objektsresultativum zu. Der Kontext der Belege zu adāmum bietet aber keinen Beweis für diese Interpretation derart, dass der STA hier nicht imperfektiv zu verstehen ist (vgl. hierzu 10.3.4). Eine Studie im Rahmen einer intervallsemantischen Analyse fehlt. Daher kann griechisch vorerst auch ein XN-Intervall angesetzt werden.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

inkorporiert, sondern ein prädikativer Akkusativ zu einem Transitivobjekt, was auch in der Konkordanz zum Ausdruck kommt: habeo cultellum comparatum „Ich habe ein Messer, das dadurch gekennzeichnet ist, daß es gekauft worden ist“. Ist nun der Besitzer zugleich der Käufer so ergibt sich: „Ich habe ein (von mir) gekauftes Messer“ und schließlich unter weitgehender Minderung der Eigenbedeutung des finiten Verbs: „ich habe ein Messer gekauft“. Pollak (1988: 88; Hervorhebung im Original). Zu beachten ist, dass Rowton (1964: 235) diese vor allem in den Lexika der älteren Sprachregister des Altbabylonischen und Altassyrischen und dem gehobenen literarischen Varietäten des Jungbabylonischen ausmacht. Die Grammatikalisierung der SK geht daher im Akkadischen anders als im Westsemitischen weniger in Richtung einer perfektzeitlichen Form als vielmehr in einem Split imperfektiver Formen in zuständliche und dynamische Lesarten (5.2.4). Der für eine mögliche perfektzeitliche Lesung des STA vorgebrachte Beleg verdient besondere Aufmerksamkeit: a-na-kam



li-bi4

annakam lā libbi Hier NEG Herz Leider ist PN hier verstorben.

i-li-e-ma īl-im=ma Gott-GEN=KONJ AKT I 11: 26f.

a-šurma-lik PN

me-et mēt-ø Sterben-3SG.SK

Hier ist auf die Möglichkeit des Deutschen verwiesen, ebenfalls selten in ähnlichem Kontext das Zustandspassiv in Verbindung mit einer Ortsbestimmung zu erlauben, wenn diese von besonderer Relevanz für den Zustand ist: „Auch die folgenden Sätze sind im Grunde akzeptabel: (750) Er war bei Verdun verwundet. (751) Sie ist in Ravensbrück umgebracht. Diese beiden Sätze können Aussagen über Schicksale sein, und eine Ortsbestimmung dieser Art ist eine relevante Information bei der Charakterisierung des Schicksals.“ Litvinov & Nedjalkov (1988: 139). Für sich allein stehen griechisch zunächst die immer durch Reduplikation und Ablaut gekennzeichneten perfecta intensiva. Diese Perfekta, wie z.B. βέβυχε: er brüllt bezeichnen Zustände und Triebhandlungen des Subjekts, d.h. sie sind teils nur dynamisch zu verstehen. Wackernagel (1920: 166f.) unterscheidet fünf Gruppen solcher präsentischen Perfekta, die nicht resultativ zu deuten sind: (1) Schallverba, wie das schon genannte βέβυχε: er brüllt, (2) experentielle und wirkende Sinnesverben, wie ὄπωπε: er sieht oder ὄδωδε: er duftet, (3) Affektverben, welche schon bei Homer häufiger mit synonymen Präsens wechseln, (4) Gebärden ausdrückende Verben, wie κέχηνε: er sperrt den Mund auf und schließlich (5) Verben, die eine Bewegung des Subjekts ausdrücken, worunter auch τέθηλε: er blüht fällt37.

37 Das rein formal nicht mehr resultativ konstruierte Perfekt im Mittelhochdeutschen (Paul 2007: 292) ist hier anzuführen, denn es verwendet Präteritum anstelle erwarteten Perfekts mit den Adverbien ie: jemals, immer und nie: niemals (Paul 2007: 290). Möglicherweise ist der Ausschluss des Perfekts in experentieller Lesart ein Hinweis auf die in Teilen noch vorhandene resultative Lesart.

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Für diese Lesarten fehlen altassyrisch sichere Belege (7.4.3), sind aber im Akkadischen sonst literarisch in dallā: they keep praising. (Kouwenberg 2010: 176) sowie dabbāku: ich rede (OECT VI 73: 18) und aplūni (Metzler 2002: 639f.) bezeugt38. Aufgrund der lexikalischen Ambiguität der zuständlichen Verben (3.4.2), die immer auch dynamische Lesarten zeigen können, ist für das Akkadische nicht sicher zu entscheiden, ob die zuständlichen Lesarten des STA den Perfekta des erreichten Zustandes zugehören oder hier perfecta intensiva vorliegen. So möglicherweise bei: ṣí-ba-t[im] ú-lá ḫa-áš-ḫa-ku ṣib-āt-im ula ḫašḫ-āku Zins-F\PL-GEN NEG Brauchen-1SG.SK Ich brauche keine(n) Zins(zahlungen). AKT VIa 142: 35 mì-šu ša a-ma-kam (…) na-lá-tí-ni-ma miššu ša ammakam nāl-āti-ni=ma Warum SUB Hier (…) Schlafen-2SG.SK-SUBJ=KONJ Warum schläfst du hier (…). AKT VIa 287: 4ff.

Die wenigen eindeutig dynamischen Lesarten des STA bedürfen noch einer eingehenden Untersuchung. Dabei lassen sich zunächst drei mögliche Gruppen erkennen: (1) eine Gruppe mit syntaktischer Umdeutung von state zu activity mit ingressiven Verben mit assyrischem našāˀum: aufheben, tragen als vorerst einzig sicherem Beleg; (2) eine mögliche Gruppe von STA Formen der intensiven und kausativen Stammbildungen (vgl. hierzu Kouwenberg 2010: 176); sowie (3) der eben genannten verba dicendi. Der Katalog der möglichen Belege der verba dicendi umfasst m.W. ausschließlich progressive Verben ohne Resultat. Daher ist anzunehmen, dass die Vorrausetzungen zur Bildung dynamischen STA ähnlich wie z.B. im Cayuga (Sasse 2002) oder im Altgriechischen sind. Hingegen werden solche verba dicendi, denen eine Konsequenz zu Eigen ist (Chafe 1970), zustandspassiv, d.h. zuständlich, realisiert: so in qabi (Sta): befohlen sein (etwas zu tun). Verben entsprechend der oben genannten Gruppe (5) listet Rowton (1964: 257) auf und bemerkt in Übereinstimmung mit den hier geäußerten Beobachtungen, dass es sich um unbelebte Subjekte – wie Wasser und Gewässer, Blut oder Licht – handelt, d.h. dass eine Deutung des STA mit dynamischer aber inaktiver Lesart plausibel ist (5.3.6.3). Entsprechend der Beobachtungen zum altgriechischen Perfekt sind auch die Formen des präteritalen und futurischen Perfekts nicht als Ausdruck der Vorvergangenheit bzw. Vorzeitigkeit in der Zukunft aufzufassen, sondern als zu Zuständen des Perfekts analoge imperfektive Lesarten mit futurischer oder vergangener Zeitlage (Wackernagel 1920: 185ff.); und es ist daher nicht treffend das futurische Perfekt des Altgriechischen unter dem Begriff des lateinischen futurum exactum zu führen (Wackernagel 1920: 208f.). Bemerkenswert ist hingegen, dass das hellenistische Plusquamperfekt teils in Vertretung des Aorists begegnet (Wackernagel 1920: 186) und als solches mit der Grammatikalisierung des Perfekts zum präteritalen Perfektiv konkurriert (4.7.2 & 4.8.3). Ähnliches gilt für spätere Sprachstufen des Lateins, dessen Perfekta von Beginn an bereits old anterior sind (Wackernagel 1920: 190). 38 Hierzu vielleicht auch der STA von ri’āšum: jauchzen.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

Gleiches gilt schließlich auch für das aus dem Latein ererbte Haben-Perfekt des Romanischen. Die Grammatikalisierungsstufe des old anterior ist etwa für das Altfranzösische belegt und unstrittig: „Unbeschadet dieser grundsätzlichen Auseinandersetzung bezüglich der Urheberschaft einschneidender sprachlicher Veränderungen steht eines fest: es gab bereits in altfranzösischer Zeit ein Passé composé in reiner Präteritalfunktion.“ Pollak (1988: 93). Die Motivation für die Verwendung des Plusquamperfekts anstelle des Perfekts in perfektivpräteritalem Kontext im Latein sind mir unklar (Menge u.a. 1999: 188f.), befriedigende Erklärungen fehlen m.W. Berücksichtigt man die schwache Beleglage intensiver Lesarten des STA und die Grammatikalisierung des Westsemtischen oder den semantischen Split im Sumerischen (5.2.4.5), ist anzunehmen, dass der Intensiv keine dritte Form der Resultativkategorie darstellt, sondern eine stärker ausgeprägte Form des Stativs ist, die nicht bloß zuständliche sondern insgesamt inaktive Lesarten subsummiert (5.3.6), wohingegen die Beschränkung auf zuständliche Lesarten eine Reflex auf die voranschreitende Grammatikalisierung entlang der Perfektivkategorie darstellt (4.8.3). 4.6.6.4 Homerisches Perfekt und indogermanischer Stativ Für die Frage des Übergangs einer perfektzuständlichen zur perfektzeitlichen Form bietet das Altgriechische das am besten aufgearbeitete Referenzmaterial mit einer umfangreichen Beleglage der Grammatikalisierung bis zum old anterior. Das homerische Griechisch zeigt die deutlichste Ausprägung eines Resultativs mit detransitivierenden, stativen und intensiven Lesarten. Bezüglich der syntaktischen Imperfektivität stellt sich dabei die Frage, welche der semantischen Lesarten perfektzeitlichen Perfekts bereits bei Homer zu beobachten sind. Hier zu nennen sind Belege mit universaler oder experentieller Lesart, die das Nachwirken oder Fortwirken der Handlung in die Gegenwart bezeichnen, also im gegenwärtigen Kontext von diskursrelevanter Konsequenz sind, wozu prominentes Beispiel Od. B 272 ist (nach Wackernagel 1920: 169): Unzählige gute Werke hat Odysseus bis zum heutigen Tag vollbrachtPERF. Transitive Perfekta mit äußerem Objekt, d.h. XN-resultative Lesarten des Perfekts, sind erst nach Homer belegt (Wackernagel 1920: 170). Daher ist die These zu formulieren, dass die Ausbreitung experentieller Lesarten an der Grenze zur Grammatikalisierung perfektzeitlicher Lesarten steht, experentielle und universale Lesarten aber schon in der vorangehenden Stufe der Formenentwicklung möglich sind. 4.6.6.5 Zusammenfassung Im Rahmen des Vergleichs mit dem indogermanischen Perfekt, der Berücksichtigung dynamischer Lesarten und der Diskrepanz von imperfektiver Syntax und perfektiver Modalität ist begründet, dem STA besondere Aufmerksamkeit in einer Untersuchung des Verbalsystems zu schenken, weil er eine entscheidende Stelle im Paradigma einnimmt und komplexe Oppositionen zu anderen Formen besitzt. Autoren, wie zuletzt Vernet i Pons postulieren hingegen eine marginale Rolle:

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„Wenn der Stativ auch eine finite verbale Form darstellt, ist er dennoch ein Randbestandteil des Paradigmas, da er keine Handlung ausdrücken kann, sondern lediglich Zustände. Diese Randposition erklärt, warum er eine Neutralisation in diversen Unterscheidungen zeigt, die in den präfigierten Konjugationen stattfinden, wie etwa Modus oder Tempus.“ Vernet i Pons (2013: 462). Diese angenommen marginale Position wird weder dem sprachtypologischen Befund noch dem akkadischen Belegkatalog gerecht und reduziert letztlich den STA unzulässig auf seine häufig belegten Lesarten. 4.6.7 Das Perfekt als sprachtypologische Kategorie Als sprachtypologische Kategorie wird das Perfekt von den Eigenheiten seines diachronen Wandels bestimmt. Als Vorstufe der Entwicklung zu Perfektiv und Präteritum ist es durch den Verlust seiner (zumeist) ursprünglichen imperfektiven Syntax gekennzeichnet. Dies macht die Beschreibung der einzelnen Entwicklungsstufen schwierig und schärft mehr als bei anderen Formen den Blick für Zwischenstufen, wie das old anterior, oder Splits, wie im Latein oder Deutschen. Die Diachronie des Perfekts wird in 4.8.3 diskutiert und ein erster Entwurf der um die Erkenntnisse dieser Darstellung bereicherten und den akkadischen Befund berücksichtigenden Typologie findet sich in 5.3.8. 4.6.8 PRF und PRT im Akkadischen In diesem Abschnitt wird die Begriffsbestimmung des Perfekts als typologische Kategorie und sein Verhältnis zu PRT, PRF und STA erläutert. Der STA ist die perfektzuständliche Form des Paradigmas und nimmt aspekt- bzw. tempusbegrifflich nur eine marginale Rolle ein. Wesentliche Merkmale seiner Semantik und Distribution sind unter dem Begriff der Relationalen Typologie (5.2.4) und semantischen Relationen (5.3.6) zu erfassen. PRT und PRF zeigen perfektzeitliche Lesarten (Kap.8). Das PRT als Form der sequentiellen Taxis ist dabei in den älteren Varietäten ein old anterior (5.2.6). Mit zunehmender Verdrängung durch das PRF ist es außerhalb literarischer Varietäten nur in modalen Syntagmen nachzuweisen (5.3.3), wozu, neben PRT des Subjunktivs und negierten Formen (5.3.5), Fragesätze und modale Lesarten (5.3.3) zählen. Das PRF ist ein derivationales Perfekt und vermutlich rein existential (4.6.5). Die Bestimmung seiner internen Diachronie (4.8.3) bedarf noch weitergehender Studien und ist exemplarisch anhand des Altassyrischen in Kap. 8 angelegt. Die dortigen Ergebnisse weisen auf eine graduelle Verdrängung des PRT zunächst bei semantisch perfektiven Lexemen hin. Erst in der weiteren Grammatikalisierung erfolgt der paradigmatische Ausgleich über das gesamte altassyrische Lexikon. Ob die Verdrängung des PRT aus der sequentiellen Taxis dialektal (wie in der akkadistischen Forschung unterstellt) oder diaphasisch ist, bleibt allerdings unsicher.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

4.7 Chimären – Versuche offener Aspektklassifizierungen 4.7.1 Einleitung Eine Reihe in der modernen Philologie und teils auch der Linguistik noch postulierte Aspektkategorien ist vor dem Hintergrund der gewonnenen sprachtypologischen Erkenntnisse entweder aufgrund diachroner Zusammenhänge oder der synchronen Evidenz, d.h. des sprachvergleichenden Materials, aufzugeben. Die Kenntnis des jeweiligen Forschungsdiskurses in seiner grundlegenden Überlegung ist Vorraussetzung für das Verständnis und die vergleichende Rezeption der spezifischen Forschungsliteratur. Der Abschnitt 4.7 kann als solches sowohl in Ergänzung zu 1.2 als auch als Überleitung dieses Kapitels zum folgenden Kapitel betrachtet werden. Dies umfasst einerseits Kategorien, die prinzipiell hypothetisch konstruiert wurden (4.7.4), und andererseits die Defintion problematischer Perfektformen (4.7.2). Andere Formen und Funktionen können können hingegen durch eine einfache Auslagerung der Merkmale in andere Bereiche der Grammatik widerspruchsfrei erklärt werden. Hierzu gehören Progressive (4.7.3) und generische Lesarten (4.7.5). 4.7.2 Ein stativer Aspekt und das griechische Perfekt Heute vornehmlich in der Forschungsliteratur des biblischen Griechisch gibt es Bestrebungen, das Perfekt als stativen Aspekt gesondert zu führen (Campbell 2008: 47ff.). Dieser stative Aspekt baut allerdings auf einer Klassifizierung auf, die in den Bereich der grammatischen Relationen gehört (5.2.4) und sich auf die atelische und non-progressive Syntax bezieht, die Kennzeichen resultativer Formen ist (4.6.6). Bei Einschränkungen der Lesart sind Telizität und semantische Agentivität des Subjekts von Bedeutung. Insofern bezeichnet der STA durativer dynamischer Verben den mit der Verbalhandlung verbundenen Zustand oder dessen Konsequenz (5.3.6.5). In anderen Formen tritt diese Lesart bei diesen Verben niemals auf. Das bedeutet, dass diese Lesart zwar analog zu den zuständlichen Verben gebildet ist, aber eine Erweiterung der lexikalischen Semantik beinhaltet. Der STA entspricht in dieser Funktion, wenn er nicht transitiv kodiert ist, einem Zustandspassiv. Gleiches gilt für die echten state Lesarten des griechischen Perfekts. Über diese erste Betrachtung hinaus zeigt sich im biblischen Griechisch, wie im gesamten nachklassischen Koine Griechisch, eine quantitative Ausbreitung des Perfekts zum Nachteil des Aorists (4.8.3). Diese kann regelmäßig auf Diskursebene erklärt werden, d.h. ist nicht streng syntaktisch motiviert. Das Perfekt in Vertretung klassischen Aorists begegnet dabei vor allem in Diskursen außerhalb der eigentlichen Narration (4.8.3.6); d.h. der Aorist bleibt als Form der sequentiellen Taxis erhalten (5.2.6). Das grundlegende Verhältnis von Aorist und Perfekt entspricht dem von Präteritum und Perfekt im Deutschen; d.h. das Perfekt des biblischen Griechisch ist ein old anterior, dass einige atelische und imperfektive Lesarten aus älterer Zeit bewahrt hat. Dabei kommt es zu einem Split des Perfekts, der grundlegend dem Split der SK im biblischen Hebräischen gleicht (5.2.4.5) und sich durch semantische Relationen und nicht durch die Aspektsemantik erschließt.

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Chimären – Versuche offener Aspektklassifizierungen

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4.7.3 Ein Ausblick auf das Progressiv Im Rahmen der Diskussion zum imperfektiven Aspekt wurde bereits auf Formen referiert, die Progressive sind (4.2.9). Allgemeinsprachlich ist die bestimmende Eigenschaft die Beschränkung zuständlicher Lesarten, bei der im Falle der fortgeschrittenen Grammatikalisierung, wie im Englischen, von einer großen Zahl dieser Verben Progressive als s-level states gebildet werden können (5.3.4). Prinzipiell ist die Referenz auf Progressive im Rahmen syntaktischer Eigenschaften unproblematisch. Dabei entsprechen alle progressiven Lesarten denen eines echten Imperfektivs, nicht aber umgekehrt. Die Unterscheidung betrifft im Wesentlichen die semantische Charakterisierung. Progressive werden formal bzw. ihrer Bezeichnung nach nicht konsequent von Imperfektiven getrennt. So wird das Imperfekt des Sumerischen praktisch in keiner Literatur als Progressiv geführt, obwohl es als solches begrifflich etwa in Krecher (1995: 143) oder Jagersma (2010: 376) erkannt wurde, und zuständliche Lesarten, vergleichbar der Distribution im Englischen oder Bibelhebräischen, dem Perfektiv zukommen (5.2.4). Die mangelnde Differenzierung ist für syntaktisch veranlagte Analysen prinzipiell unproblematisch, denn das Progressiv unterscheidet sich nur semantisch, d.h. in seiner lexikalischen Restriktion, von einem allgemeinen Imperfektiv. Prinzipiell ist dabei zu fragen, ob diese Unterschiede streng genommen überhaupt unter den Begriff des Aspekts fallen oder aus rein wissenschaftshistorischen Gründen hierunter gefasst werden (5.3.7). Eine Differenzierung von Progressiv und Imperfektiv ist dabei in Sprachen mit diachroner Entwicklung des Verbalsystems oder einem Miteinander zweier syntaktisch imperfektiver Formen notwendig. Erst genannter Fall betrifft etwa das Englische; letztgenannter Fall das Akkadische mit STA und PRS. Progressive sind ursprünglich intransitive Konstruktionen, wie van Pottelberge (2005: 183) anhand der Verteilung deutscher Varietäten zeigt. Ihre Erweiterung zu transitiven Formen verläuft syntagmatisch und unabhängig von der Semantik des Objekts39. Vor allem bei Ergativsprachen kommt es bei der Erweiterung auf transitive Syntagmen zu einer akkusativischen Relation als Split im System (5.2.4). Progressive stehen auf einer früheren Grammatikalisierungsstufe als Präsens oder Imperfektiv und sind entsprechend häufiger, wie z.B. im Englischen, periphrastisch konstruiert. Durch das Englische sind die Eigenschaften im Verhältnis zu Tempora gut bestimmt. Zu Wechselwirkungen mit inaktiven Formen (5.3.6) fehlen hingegen noch allgemeine Darstellungen. Die Analyse ist dabei auf die Einzelprüfung entsprechender Varietäten angewiesen, um durch diese zu allgemeinsprachlich gültigen Aussagen zu gelangen. Diese Arbeit folgt dabei einem den Progressiv in seiner Begrifflichkeit aus dem Bereich des Aspekts auslagernden Ansatz, der entlang des Kap. 5 vorbereitet ist und in 5.3.7 zusammengefasst wird. 4.7.4 Zur Hypothese eines non-progressiven Imperfektivs Comrie (1976: 25) hat in seiner Gliederung des imperfektiven Aspekts die Existenz eines kontinuativen Aspekts postuliert, der progressive und non-progressive Lesarten umfasst, aber nicht habituell verwendet wird. Sowohl die Trennung kontinuativer und habitueller als auch non-progressiver und progressiver Lesarten als Teile des genannten kontinuativen Aspekts 39 Vgl. hierzu ein zunächst intransitives statives bzw. resultatives Perfekt mit einem semantischen Wandel, der zunächst nur possessive Resultativa und innere Objekte erlaubt, bevor auch äußere Objekte möglich sind (4.3.6.3).

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wurden durch die sprachtypologische Forschung der letzten Jahre nicht bestätigt (Bybee u.a. 1994: 137ff.). Die habituelle Lesart als Ausdruck der Generizität kann bereits im Progressiv begegnen und ist nicht unmittelbar mit der Aspektsemantik verknüpft (5.3.4). Der nonprogressive Aspekt existiert allenfalls in Gestalt eines Resultativs, der als solcher der Perfektiv- (4.6.6) bzw. der Inakativkategorie (5.3.6) angehört. Der kontinuative Aspekt ist daher als solches unbegründet, weil er weder eine diachrone noch synchrone Differenzierung darstellt und sprachwirklich nicht zu belegen ist (Bybee u.a. 1994: 139). 4.7.5 Wohin mit den habituellen Lesarten Die Annahme eines habituellen Aspekts kann aus zwei Gründen aufgegeben werden: (1) mangelnder struktureller Bezüge zur Aspektdichotomie und (2) der Abhängigkeit von und Interaktion mit anderen grammatischen Kategorien und Strukturen (5.3.4). Zu berücksichtigen ist hingegen, dass einerseits strukturbedingte Distributionen generischer Lesarten Aufschluss über die früheren Grammatikalisierungsstufen der Formen geben können (4.8) und andererseits einige semantisch veranlagte, inhärente Lesarten generischer Art existieren. Hierbei handelt sich allerdings nicht um Eigenschaften, die unmittelbar an die Aspektdichotomie (4.1.2) anknüpfen, sondern um Interaktionen mit Situationstypen (3.2) und semantischen Relationen (5.3.6). 4.7.6 Zusammenfassung Die hier vorgestellten Kategorien bezeichnen eine Reihe in der sprachwissenschaftlichen und philologischen Forschung verbreite Hypothesen zur Gliederung komplexer Verbalsysteme innerhalb eines allgemeinen meist dichotomen Aspektbegriffs als übergeordneter Einheit. Diese Subklassifizierungen sind teils sprachwirklich nicht zu fundieren, teils verlassen sie den hier vorgestellten Rahmen und implementieren aspektfremde Eigenschaften. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die im heutigen Diskurs fest etablierten Situationstypenlehren solche Ansätze stützen, weil bereits in ihnen eine Vermischung mit anderen grammatischen Kategorien veranlagt ist. Die Kenntnis der hier genannten geläufigeren Klassifizierungen ist Voraussetzung für den Zugang zur Forschungsliteratur. In der praktischen Auseinandersetzung mit der Forschung ist daher die Sachkenntnis der sich überlagernden grammatischen Begriffe und ihrer Interaktion unumgänglich, um Aspektsprachen vor dem Hintergrund der modernen Forschung zu verstehen.

4.8 Diachronie 4.8.1 Einleitung Die Grammatikalisierungsforschung, d.h. die diachrone Sprachtypologie, ist als Leitdisziplin für die Erschließung des morphologischen und syntaktischen Wandels im Akkadischen anzuerkennen. Gegenüber der indogermanistisch ausgerichteten Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft besteht der wesentliche Unterschied, dass hier die Phonologie nur eine untergeordnete Rolle spielt. Daher ist der Umsetzung für das Akkadische, deren Verbalmorpheme keine wesentlichen formalen, sondern funktionale Änderungen erfahren, ein unmittel-

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barer Ansatz zur Analyse und Deutung seiner Sprachwandelprozesse gegeben, deren Klärung zugleich Voraussetzung für den Vergleich mit anderen semitischen Sprachen ist. Die an verschiedenen Stellen in dieser Arbeit bereits diskutierten Grammatikalisierungspfade (gram paths) und -kategorien werden hier im Überblick dargeboten. Sie sind hinsichtlich des Erkenntniszugewinns gegenüber dem immer noch grundlegenden Werk von Bybee u.a. (1994) behutsam aktualisiert. Grammatikalisierungspfade lassen sich aus der Übertragung sprachtypologischer Hierarchien auf eine diachrone Ebene gewinnen (1.3.1) und bedürfen zunächst keines eigenständigen Materials mit historischer Tiefe. Dieses muss zwingend erst zur Prüfung der so aufgestellten Pfade herangezogen werden, auch wenn in der Forschungspraxis die Einbindung von Anfang der Untersuchung her üblich ist. Sie können daher auch dazu dienen, Hypothesen über nicht belegte Sprachwandelprozesse aufzustellen und zu prüfen. Sie bieten zugleich eine Möglichkeit solche Modellierungen auszuschließen, die im Widerspruch zu gesicherten Sprachwandelprozessen stehen. 4.8.2 Externe Diachronie 4.8.2.1 Überblick Die Fragen zur akkadischen Grammatikalisierung betreffen im Wesentlichen protosemitische und interne Entwicklungen und sind von den historischen Entwicklungen des Westsemitischen (hierzu z.B. Rubin 2005) unabhängig. Über die vorhistorischen Beziehungen herrscht kein Konsens, und der Diskurs dreht sich vor allem um die Frage nach einem ursprünglichen protosemitischen Imperfekt. Zumeist übersehen wird dabei die Tatsache, dass das akkadische PRS, und – zumindest in Varietäten, wie dem Bibelhebräischen, – die westsemitische Langform der PK Progressive sind40. Unstrittig ist hingegen, dass in PRT und STA die jeweils älteren Grammatikalisierungsstufen der Grundformen von PK und SK erhalten sind. In diesem Abschnitt werden zunächst die übergreifenden Grammatikalisierungen begrifflich getrennter Kategorien diskutiert. Neben der eigenständigen synchronen Definition ist dabei auch eine diskrete Trennung einzelner Etappen des Sprachwandels Voraussetzung, um nicht in den Bereich der internen Diachronie (4.8.3) zu fallen. Die Beziehung von Aspekt und Tempus ist daher – etwas überraschend – Teil einer internen Grammatikalisierung, d.h. es fehlt an einem Nachweis der strikten diachronen Differenzierung. Vielmehr geben die sprachtypologischen Befunde nur Hinweise auf eine Entwicklung, in der das Tempus die Vorstufe zum Aspekt ist (Bybee u.a 1994: 105); wiewohl abstrakte Erklärungsansätze vor dem Hintergrund der begrifflichen Herleitung des Progressivs aus dem Imperfekt gerne – aber nicht plausibel – eine Grammatikalisierung von Aspekt zu Tempus vorgeschlagen haben. 4.8.2.2 Der perfektive Grammatikalisierungspfad Der einfache perfektive Grammatikalisierungspfad besteht aus drei Stufen: die erste Stufe bildet der perfektzuständliche und syntaktisch imperfektive Resultativ in seinen verschiedenen sprachtypologischen Varianten, d.h. als Zustandspassiv, Stativ usw; aus diesen werden 40 Hatte das Protosemitische ein echtes Imperfekt, so ist es nicht historisch belegt. Aufgrund der Genese des STA und der perfecta intensiva des PRT (Kap. 8.7) ist ein semantischer Split (5.2.4) auch für das Protosemitische plausibel.

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Perfekta im engeren Sinne des Begriffs auf zweiter Stufe des Sprachwandelprozesses gebildet, d.h. perfektzeitliche Formen, mit einer eigenen syntaktischen Intervallstruktur, die imperfektive und perfektive Intervalle einbetten kann (4.6.4). Abhängig von der terminologischen Tradition werden diese beiden Kategorien, etwa in der Klassischen Philologie (4.6.6), auch unter dem Begriff des Perfekts insgesamt zusammengefasst. Aus Perfekta entstehen in der Folge auf dritter Stufe Perfektive und Präterita, die zumindest in der heutigen Forschung keine diskrete Trennung aufweisen: „Another indication of the similarity between past and perfective is the considerable historical and comparative evidence showing that simple past and perfective develop from the same lexical sources and go through a stage of signaling anteriority.” Bybee u.a. (1994: 85). Auch eine interne diachrone Ordnung Aspekt und Tempus lässt sich allgemeinsprachlich nicht nachweisen. Prinzipiell ist aber von Tempora als vorangehender Grammatikalisierungsstufe auszugehen (4.8.3.5). Der einfache Pfad der Perfektivkategorie sieht daher folgendermaßen aus: Resultativ > Perfekt > Präteritum/Perfektiv Diesem Grammatikalisierungspfad folgt auch das PRT (Andrason 2010). Neben den aus imperfektiven Resultativen entwickelten perfektzeitlichen Verbalformen, beschreiben Bybee u.a (1994: 69ff.) die Bildung periphrastischer Perfekta mit verschiedenen dynamischen Verballexemen in wohl durchweg telischen Periphrasen, wozu Bybee u.a. (1994: 70ff.) exemplarisch Samarin anführen, dessen Phrase Verballexem-PERSON-Beenden (: awe)41perfektische Bedeutung hat (Bybee u.a. 1994: 104f.): periphrastisches Perfekt > Perfekt Daneben nennen Bybee u.a (1994: 87ff.) (adverbiale) Aktionsartenderivationen als alternative Quelle perfektiver Formen (Perfektive Aktionsart > Perfektiv): “Another very different source for the development of perfective is also attesed, for instance in the Slavic languages. […], grams from such adverbial sources are referred to as bounders because of the semantic effect that they have.” Bybee u.a (1994: 87; Hervorhebung im Original) Aufgrund der allgemeinen Erkenntnisse zur Entwicklung von PRF und PRT, die durch den Katalog in Kap. 8 und die Auswertung des Aktionsartenmorphems in 11.4 bestätigt werden, sind Aktionsarten als zweite Möglichkeit derivationaler Perfektbildungen zu ergänzen: > Perfektiv Perfektive Aktionsart > Perfekt

41 Wörtlich etwa Er beendet hören ~ Er hat gehört; man vgl. hierzu noch hethitisches pai-: kommen und uwa-: gehen (zuletzt Koller 2013) mit perfektischer Semantik, etwa als Admirativ u.ä. (vgl. Teffeteller 2007: 762ff.).

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Ebenfalls nicht in Bybee u.a. (1994) berücksichtigt sind Resultativa, die über die einfache zustandspassive bzw. perfektzuständliche Semantik hinausreichen und im Semitischen oder Altgriechischen im synchronen Befund und diachroner Entwicklung vorliegen 42. Sogenannte old anteriors (Bybee u.a. 1994: 78ff.) begegnen, wenn das Perfekt neue Lesarten übernimmt, die eindeutig perfektiv oder präterital sind. Prinzipiell ist dabei die Übernahme perfektiver Lesarten, wie im Latein und Koine Griechisch (Schwyzer & Debrunner 1975: 287), von der Übernahme präteritaler Lesarten, wie in der deutschen Umgangssprache zu trennen. Das altgriechische Perfekt in Vertretung des Aorists begegnet etwa ab dem 3. Jh. v. Chr. (Wackernagel 1920: 170). Seine Verteilung etwa in biblischen Texten legt allerdings nahe, dass es noch nicht zum Kettentempus (4.8.3.6) entwickelt und in komplexen Sequenzen der Aorist weiterhin die einzige perfektive Form war (5.2.6.3). Das lateinische Perfekt ist hingegen schon in ältester historischer Zeit Vertreter des Perfekts und des Perfektivs und ist auch sprachgeschichtlich mit dem indogermanischen Perfektiv verwoben43: „Die Grundsprache kannte einen Perfekt- […] und vier Aoristtypen […]. Durch lautlich-morphologische Entwicklungen sind jedoch einerseits unterschiedliche Bildungstypen zusammengefallen (etwa [indogermanisches] Perfekt und reduplizierter Aorist), andererseits das ursprünglich einheitliche [urindogermanische] Perfekt in Subtypen […] aufgespalten.“ Meiser (1998: 203). Zum Vergleich mit dem Griechischen findet sich schon beim spätantiken Grammatiker Priscian der Hinweis auf die zweigliedrige Natur des lateinischen Perfekts, das einerseits in Funktion des griechischen Aorists, andererseits in Funktion des griechischen Perfekts begegnet (Prisciani institutionum grammaticalium librorum VIII 97). Der erweiterte Pfad der Perfektkategorie zeichnet sich dann folgendermaßen: Resultativ > Perfekt > old anterior > Präteritum/Perfektiv Bei den genannten Fällen mit der Verdrängung einer perfektiven Form kommt es zu einer Opposition von Perfekt und Imperfekt. Dieser liegt formal-semantisch eine Fusion perfektischer und perfektiver Lesarten zugrunde (old anterior), die nur einzelnen philologischen Fachrichtungen, wie der lateinischen Philologie, unter dem Etikett Perfekt subsummiert werden. Formale Perfekt: Imperfekt Dichotomie Form Perfekt Funktion perfektisch perfektiv

Imperfekt imperfektiv

Genetisch verwandte Formen als Vertreter der Stufen von Perfekt bis Perfektiv zeigen die ältesten indogermanischen Sprachen mit dem Indoiranischen als perfektischen Aorist (4.2.4) und dem homerischen Aorist als old anterior (4.2.1). Zeugnis für die weitere Grammatikalisierung eines old anteriors unter Verlust der perfektischen Lesarten geben die Entwicklung

42 Die diachrone Entwicklung der semitischen SK ist nur durch externen Vergleich des Akkadischen mit z.B. Hebräischen möglich, praktisch in der Forschung aber unstrittig. 43 Es ist also auch für das Latein fraglich, ob es überhaupt ein Perfektiv in Gestalt des Aorists besessen hatte. Sprachtypologisch plausibel ist es m.E. nicht.

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des lateinischen Perfekts zum romanischen passé simple (Wackernagel 1920: 188) sowie des indogermanischen Perfekts zum germanischen Präteritum44. Die einzelsprachliche Analyse formalen Imperfekts wird durch die Eigenheiten des Gebrauchs erschwert. So weist das lateinische Imperfekt einen enger gefassten Katalog der Lesarten als das griechische Imperfekt auf; so etwa im Sinne der Sperrung der Handlung (s.a. 4.3.5 & 4.2.6) in der epischen Erzählung: „In epischer Sprache besteht die Tendenz, bei nicht-momentanen Handlungen durch die Verwendung des Imperfekts den Handlungsablauf zu veranschaulichen. Auf diese Weise wird z.B. ein Innehalten der handelnden Person zu einem Ruhepunkt in der Erzählung. Wenn dieses Innehalten allerdings in einer Handlungskette eingegliedert ist, muß vor dem darauffolgenden Glied ein separater Handlungsabschluß folgen. Die für das Epos typische Abfolge Handlung im Imperfekt plus Handlungsabschluß im Aorist ist z.B. im traditionellen αὐτάρ-ἐπεί-Stil verfestigt […].“ Tichy (1999: 141). Altpersisch schließlich behauptet sich das Imperfekt im überlieferten Sprachregister als allgemeines Vergangenheitstempus und beschränkt den Aorist im Indikativ auf perfektische Formen außerhalb der sequentiellen Taxis45. Das Perfekt bleibt dabei auf perfektische Lesarten beschränkt. Die Verdrängung eines präteritalen Perfektivs zeigen auch jüngere und umgangssprachliche Varietäten, in denen ein zum old anterior grammatikalisiertes passé composé mit dem passé simple konkurriert, ohne dieses bereits vollständig verdrängt zu haben (Viguier 2013: 527). Die fortgeschrittene Entwicklung ist dem Verhältnis von PRF und PRT in akkadischen Varietäten, wie dem Altbabylonischen und Altassyrischen (Kap. 8), ähnlich und unterscheidet sich im Wesentlichen durch den Ausschluss universaler Lesarten im PRF einerseits und Reste perfektischer Lesarten im PRT andererseits, die sie das französische passé simple nicht besitzt (Viguier 2013: 117). Die Grammatikalisierung der Opposition von PRF und PRT verläuft in sprachtypologisch regelmäßiger Entwicklung entlang diskursiver Verdrängung des älteren PRT durch das old anterior: “[R]enewal of an old form typically starts in “main asserted clauses”, and it takes over all its functions only gradually. Non-assertive clauses are not used for expression of focus or topic and tend to be conservative. So, the old form continues to be used in such non-assertive contexts and adopts irrealis semantic aspects form it.” Kouwenberg (2010: 13220). Dabei ist auf 4.8.3 zu den Details des Wechsels im Gebrauch der Formen zu verweisen, der, unter dem Eindruck des deutschen Präteritumschwunds und des Altgriechischen nicht rein syntaktisch oder semantisch zu erklären ist, sondern in Abhängigkeit vom Diskurs durch die diaphasische Varietät bestimmt wird. Das ein neu entwickeltes Perfekt von einem alten Prä44 Die germanische Grammatikalisierung ähnelt der lateinischen formal und strukturell. Der Unterschied besteht in der Entwicklung zum Tempus, wohingegen im Latein ein Aspekt grammatikalisiert wird. 45 Es steht hier semantisch ganz analog zum Imperfekt etwa bei Herodot oder Thukydides als einfaches Erzähltempus (vgl. hierzu Schwyzer & Debrunner 1975: 277). Eine sprachtypologisch widerspruchsfreie Deutung des Aorists in diesen Varietäten und für die indogermanische Grundsprache ist mir nicht bekannt.

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teritum ganz oder teilweise zurückgedrängt werden kann, hat sich durch die sprachtypologische Forschung nicht bestätigt46. 4.8.2.3 Der imperfektive Grammatikalisierungspfad Der imperfektive Grammatikalisierungspfad wird bestimmt durch die Entwicklung des Progressivs zu einem Präsens oder Imperfektiv (Bybee u.a. 1994: 140ff.). Alternative Herleitungen aus Formen mit spezifischer Semantik sind nicht klar zu belegen (Bybee u.a 1994: 164ff.). Es ist daher davon auszugehen, dass sich die lexikalischen und periphrastischen Quellen eines Imperfektivs oder Präsens vermittelst der Grammatikalisierungsstufe des Progressivs entwickeln; zumal der Foschungsstand zu Resultativen und Stativen für non-progressive Imperfektive eine Zugehörigkeit zur Perfektivkategorie ausweist und deren semantische Perfektivität die Entwicklung der Form bestimmt. > Präsens Progressiv > Imperfektiv

Imperfektive Aktionsartenbildungen sind praktisch – und wohl durch das Primat der Slawistik – nicht sorgfältig untersucht worden. Eine offenbare imperfektive Derivation ist die westsemitische Langform der PK, die, wie imperfektive Aktionsarten im Slawischen, suffixal ist. Auch die Rolle der Reduplikation, wie beim PRS, bleibt bei Bybee u.a (1994: 166ff.) undurchsichtig und m.W. fehlen wesentliche weitergehende Beiträge zur Reduplikation, die etwa Überschneidungen mit dem semantischen Feld der Pluralität und Iterativität einerseits und der formalen Kategorie der Aktionsarten andererseits erhellen 47. 4.8.2.4 Aussteiger der Grammatikalisierungspfade Wohl nicht inhärent in den Formen veranlagt, sondern durch Verdrängung aus dem Paradigma und daher primär strukturell bedingt, ist der Verlust der einfachen non-modalen Lesarten und die Beschränkung auf modale, generische und subordinierte Lesarten. Je nach Zugehörigkeit zur Imperfektiv- oder Perfektivkategorie sind mit den Formen auf semantischer Ebene spezifische modale Lesarten verknüpft (5.3.3). Fehlen eigenständige Modi, werden die Formen anders als etwa im Indogermanischen für die entsprechenden modalen Lesarten verwendet. Bei der Grammatikalisierung neuer non-modaler Formen kommt es dann zu einer Verdrängung der alten Form in den Bereich der Modalität. Anschauliches Beispiel bietet die Grammatikalisierung des PRT und der Befund der verwandten PK Kurzform im Westsemitischen. Nach dem gleichen Prinzip werden Indikative zu Subordinativen. Entsprechend der Verwendung der neuen Form als Fokus (5.3.5) wird die alte Verbalform zunächst nach rein 46 Die Verdrängung des sḏm.n.f Perfekts im Ägyptischen ist rein virtuell, da Neu- und Mittelägyptisch verschiedenen Dialekten angehören. Eine Ausbreitung des deutschen Präteritums, wie von Ruoff (1975: 253) postuliert, konnte durch die germanistische Forschung nicht bestätigt werden 47 S. hierzu 3.3 und Kap. 11. Die Grammatikalisierung des Progressivs ist vermutlich ähnlich komplex, wie die eines Perfekts und kann sich aus unterschiedlichen Aktionsarten aber auch lexikalischen Quellen speisen, wie etwa der lokativischen Periphrase in deutschem am Machen oder den Präsensstammbildungsaffixen im Indogermanischen.

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pragmatischen Regeln bevorzugt im subordinierten Kontext verwendet, wodurch es zu einer Reanalyse der Distribution als syntaktische Regel, mit alter Form als Subordinativ und neuer Form als Indikativ, kommt (Bybee ua.a 1994: 231). Dieser sprachtypologische Prozess ist eines der wichtigsten und m.W. von Anhängern der Theorie eines akkadischen Präsensstamm (11.4) als protosemitisches Imperfekt nicht ausreichend gewürdigtes Argument für ein urspüngliches ya-prVs-u Imperfekt, welches dann dieser Argumentation folgend im Akkadischen zum Subordinativ wurde. 4.8.3 Interne Diachronie 4.8.3.1 Vom Stativ zum existentialen Perfekt Die Frage nach dem Übergang von perfektzuständlichen in perfektzeitliche Formen lässt bereits theoretisch universale Lesarten als gemeinsames semantisches Feld annehmen, da sie z.B. im STA syntaktisch imperfektiv sind und im Perfekt das Andauern der Handlung bzw. des Zustands über die Referenz- bzw. Perfektzeit hinaus erlauben, also eine eingebettete aber immer noch imperfektive Situation bezeichnen. Hingegen zeigt sich für existentiale Belege ein anderes Bild, und der singuläre Beleg experentiellen Perfekts bei Homer (4.6.6), sowie die ebenfalls nur vereinzelten Belege im altassyrischen Korpus (7.4.3) lassen vermuten, dass zunächst experentielle Lesarten in noch imperfektivem Syntagma auftreten, bevor es zu einer syntaktischen Umdeutung in ein extended-now kommt, womit die Kategorie des Resultativs verlassen wird und dann auch resultativ-perfektische Lesarten ermöglicht werden. Die Verwendung als hot news perfect ist semantisch so eng mit der Funktion des Perfektivs verknüpft (4.6.1 & 4.6.5), dass es als letzte Lesart perfektzeitlicher Formen anzunehmen ist und wohl zugleich den Übergang zur Grammatikalisierung eines old anteriors kennzeichnet. experentieller Resultativ > experentielles Perfekt > resultatives Perfekt > hot news perfect Bei Resultativen im Sinne des homerischen Perfekts oder der SK kommt es dabei zu einem Split mit imperfektiven Lesarten und perfektzeitlichen Lesarten. Dieser Split kann auf eine Trennung in zuständliche und dynamische Situationstypen, wie beim STA oder nach anderen semantischen Merkmalen niedriger Agentivität, wie im Altgriechischen verlaufen. Hier kommt es dann zu einem Split auf Basis des intransitiven Inaktivs als Grundform der Grammatikalisierung (5.3.6): > extended-now Perfekt intransitives Inaktiv

> old anterior

Split in zwei Lesartentypen > Stativ/Intensiv

4.8.3.2 Vom intransitiven Aktiv zum obligatorischen Progressiv Nimmt man Progressive, wie englisches to be doing oder akkadisches iparras (PRS), als Endpunkt der Grammatikalisierung dieser Kategorie, so bilden die fakultativen und teils intran-

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sitiven Progressive der deutschsprachigen Varietäten eine offensichtliche Vorstufe, die allmählich um dynamischen Lesarten und transitive Syntagmen erweitert wird (4.7.3): intransitives Progressiv > fakultatives Progressiv > obligatorisches Progressiv Insofern die frühen Stufen des Progressivs bereits syntaktisch imperfektiv und Ausdruck dynamischer, intransitiver semantischer Relation sind (5.3.7), kann von einer Form des differential subject markings (DSM) als Vorstufe eines Progressivs gesprochen werden (5.2.4). Die Grammatikalisierungsstufen des Progressivs können dann unter der Erweiterung semantischer Relationen erfasst werden (5.3.6): > Progressiv (in Akkusativsprachen) intransitives Aktiv > akkusativisches Imperfektiv (in Ergativsprachen)

4.8.3.3 Von Rom bis Persopolis – Das Imperfektiv Sprachtypologisch sind Fragen zur Neugestaltung eines Verbalsystems, etwa durch Innovation eines Tempus, noch unklar. Insbesondere für die Deutung verschiedener indogermanischer Sprachen besteht hier noch Klärungsbedarf. Analog zur Grammatikalisierung des tempuslosen Progressivs zum Imperfektiv oder Präsens lässt sich im Vergleich der älteren indogermanischen Varietäten eine Grammatikalisierung zum neutralen Tempus beim Imperfekt vermuten. An erster Stufe steht hier das lateinische Imperfekt, welches explizit unvollendete Handlungen beschreibt; das altgriechische Imperfekt hingegen begegnet schon bei Homer als Form, die gegenüber der Vollendung der Verbalhandlung neutral ist und daher etwa auch bei Historikern als einfache Form des Berichts Verwendung findet (4.2.3). Zu dieser Verwendung lässt sich auch der Gebrauch des Imperfekts im Indoiranischen, wie z.B. in altpersischen Inschriften, zählen (4.2.6). Doch folgt hier eine fast ausnahmslose Verdrängung bei einer paradigmatischen Reanalyse des Verbalsystems als Tempussprache (4.2.4). Ob der vergleichbar dem französischen oder russischen Imperfekt umfangreiche Katalog an Lesarten hier entscheidend ist oder der strukturbedingte Weg eines paradigmatischen Ausgleichs der Formen auf einen einheitlichen Präsensstamm im Vordergrund steht, ist m.W. nicht ausreichend untersucht. Prinzipiell lässt sich aber folgender Pfad postulieren (4.2.6): konatives Imperfektiv(past) > allgemeines Imperfektiv > Präteritum? Eine möglicherweise in Umkehr verlaufende Grammatikalisierung könnte für das Slawische, Indoiranische und Altgriechische unterstellt werden. Doch ist weitestgehend unklar, ob es nicht im vorhistorischen Sprachstand ein echtes Perfektiv gab. Der zugehörige Grammatikalisierungspfad widerspräche aber zumindest indoiranisch und altgriechisch nicht der Unidirektionalität, da vielmehr ein Split semantischer Relationen entstehen würde mit einem gesonderten Perfektiv gegenüber Perfekt, wodurch die neue Form auf inaktivische Imperfektivität reduziert wird. Kommt es alternativ zur Bildung eines neuen Progressivs, wie im Endungssatz der Primärendungen im Indogermanischen ist auch die Beschränkung auf ein zunächst inaktives und präteritales Imperfekt denkbar, dass erst nach fortgeschrittener Grammatikalisierung des Progressivs zum Tempus ein einfaches, aber präteritales Imperfektiv wird:

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

unter Eintritt eines Progressivs

präteritales Inaktiv?

unter Eintritt eines old anteriors

Inaktiv

Tempus>

4.8.3.4 Perfektiv und Zustand Entgegen früherer Überlegungen, dass imperfektive states unmittelbar aus der perfektiven Semantik hervorgehen können (Bybee u.a. 1994: 77), ist hervorzuheben, dass die diachron gesicherten Lesarten dieser Art in Perfektiven und Perfekta aus älteren Grammatikalisierungsstufen ererbt sind. Die in Bybee u.a. (1994: 76f.) genannten Formen, die vermeintlich später entwickelte sogenannte state exist Lesarten belegen sollen, können m.W. nicht diachron bestätigt werden. Es ist daher – unter Vorbehalt weitergehender Prüfung – die Hypothese aufzustellen, dass imperfektive Lesarten perfektzeitlicher und perfektiver Formen ererbt und Teil eines Splits semantischer Relation sind und ferner diese Splits einen Inaktiv voraussetzen, der nicht auf rein resultative Lesarten beschränkt ist (5.3.6). 4.8.3.5 Tempus zu Aspekt – Indizien der diachronen Entwicklung Die m.W. erstmals in Bybee u.a. (1994) explizit aufgestellte Hypothese, dass Tempora ein höheres Grammatikalisierungsalter als Aspekte besitzen, wird dort sowohl für den perfektiven wie auch den imperfektiven Pfad formuliert und stützt sich auf das ausgewertete Material: “As we said in section 3.14, we do not know of documented cases of perfective evolving into simple past but there is some indication that simple pasts are older [...].” Bybee u.a. (1994: 105). Dies ist bemerkenswert, weil in weiten Teilen sprachwissenschaftlicher und philologischer Forschung und in mangelnder Berücksichtigung der Arbeit Bybees u.a. (1994) eine Rekonstruktion postuliert wird, bei denen Aspekte Vorstufen zu Tempora sind; so auch bei Reuschel für das Arabische (1996: 68 & 241) oder Kouwenberg (2010: 127), der eine Überlagerung von präteritalen Funktionen in einem ursprünglich perfektiven PRT unterstellt. Auch das Beispiel des Altindischen ist irreführend. Die dort Aorist genannte Form ist sprachtypologisch ein Perfekt, dass sich in späteren Sprachstufen zum Tempus entwickelt und die ältere aspektuelle Struktur überlagert 48. Er steht dort also nicht in apektdichotomer Beziehung zum indogermanischen Imperfektiv (4.2.4): “As observed by Whitney (2003: 329), in the two older strata of the language —i.e. in Vedic and Brāhmanas— the Aorist most commonly has the value of a proper present perfect or discursive recent past. It expresses a previously accomplished action that is relevant for the present. It indicates that something has just occurred, that some48 In den ältesten Texten als Perfekt und damit nicht in sequentieller Taxis verwendet, lässt sich über die vorhistorischen Sprachzustände nur spekulieren; entgegen Andrason (2012: 67) erkenne ich keinen begründeten Bedarf nach einer komplexeren Modellierung des Grammatikalisierungspfades. Vielmehr ist aus sprachtypologischer Perspektive plausibel, dass die ältesten indoarischen Varietäten eine frühere perfektische Stufe des Aorists zeigen. Dass sich im Nebeneinander mit Imperfekt Lesarten eines Präteritums offenbaren, stützt hingegen die These, dass diese (grammatikalisierungstheoretisch) älter sind als Aspekte. Die Bezeichnung als Aorist ist rein formal und schließt an die genetische Entsprechung zum griechischen Aorist an.

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Diachronie

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thing has never, once or often occurred, that something has been occurring, and that something has formerly or recently occurred. On the contrary, in the later Sanskrit language, the Aorist is employed as a simple past tense, a preterite. In this function, it is equivalent to the Imperfect and Perfect and introduces any past events and activities: indefinite, recent and discursive, remote and narrative, as well as perfective and nonperfective […].” Andrason (2012: 64). Es ist daher – zumindest sprachtypologisch – davon auszugehen, dass sich der indogermanische Aorist erst in Einzelsprachen zum perfektiven Aspekt entwickelt hat; unter Umständen nur im Altgriechischen (!). Die indoiranisch oft vorgebrachte inhaltliche Überschneidung der beiden Aspekte, z.B. bei Homer, ist der nicht voll vollständig zum Perfektiv grammatikalisierten Form geschuldet. Die dort teils aspektneutral wahrgenommene Semantik des Aorists spricht für eine anfängliche Entwicklung temporaler Semantik. 4.8.3.6 Kettentempus Die Distribution des Perfekts und Präteritums im modernen Deutsch bietet eine breite empirische Basis zur Frage, wie ein Perfekt ein Präteritum verdrängt 49. Prinzipiell ist dabei eine weitgehende Analogie zur Verdrängung eines Perfektivs (altgriechisch) oder eines old anteriors (akkadisch) plausibel. Im Deutschen begegnet in der Umgangssprache weitgehend nur Perfekt anstelle des Präteritums. Erst bei komplexeren Verhältnissen wird an späterer Stelle zu Präteritum gewechselt: „Die häufigste Textstruktur ist, wie wir gezeigt haben: Perfektsatz als Einleitungssatz + Präteritumsätze. Dieses Schema "funktioniert" offenbar so stabil, daß auch bei Meldungen, deren Überschrift im Präteritum (oder im Präsens) 77 steht, der Einleitungssatz (mit demselben Verb wie in der Überschrift) im Perfekt erscheint. Z.B.: Guerrilleros überfielen Stadt Die nordkolumbische Stadt San Pablo ist von 200 Guerillas überfallen worden. (+ Präteritumsätze) Frankfurter Rundschau,"Kurz gemeldet" 10.1.72.“ Latzel (1974: 241). Isolierte Sätze mit nur einem Prädikat stehen außerhalb der Narration, die die letzte Funktionsdomäne des Präteritums oder Perfektivs ist (Dahl 1996: 366), regelmäßig im Perfekt: „Präteritumskelettsätze mit einwertigem Prädikatsverb scheinen nur in der Erzählung als Einleitungssätze möglich zu sein, und zwar als Einleitungssätze, die direkt in das Geschehen hineinführen: Der Kampf begann.---, Anna schlief. ---, etc. […].“ Latzel (1974: 241; Hervorhebung im Original). Die Beobachtungen lassen sich daher derart zusammenfassen, dass der Wechsel von Perfekt zu Präteritum im Wesentlichen durch die Komplexität des Textes begünstigt wird: „Sofern das Perfekt-Prädikationsmuster oder die mehrfach dargelegten Redundanzverhältnisse nicht gegeben sind, gilt (innerhalb des von uns ausgewerteten Materials) folgende (schwerpunktmäßige) Distribution von Perfekt und Präteritum: Einzeltext+ V => Perfekt Kettentext+V => Präteritum wobei Kettentext+V Mehr-Satz-Meldungen 49 Die folgende Darstellung stützt sich auf Latzel (1974).

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

sind oder – wie bei einem bestimmten Typ der Aphorismen – isolierte Sätze mit Pronomen.“ Latzel (1974: 252). Zuletzt bedeutet dies bei Verben, die eine Handlung ohne Einbettung in eine Ereigniskette beschreiben (isoliert bzw. E0), eine perfektische Form unabhängig der Diaphase möglich ist; ein Präteritum hingegen nur in spezifischen Kontexten: „Es gibt für [isolierte Einzelsätze ohne Nebensatz] der geschriebenen Sprache keinen obligatorischen Präteritumgebrauch, wohl aber […] einen obligatorischen Perfektgebrauch.“ Latzel (1974: 254; Ergänzungen durch Verfasser). Verben mit niedrigem Anschauungsgrad, wie deutsche Modalverben sowie Haben, Denken, Wissen stehen häufiger im Präteritum und dies auch bei isolierten Sätzen. Dieser Anschauungsgrad setzt sich prototypisch50 aus verschiedenen Eigenschaften zusammen, so dass etwa visuell wahrnehmbare sowie durative Verbalhandlungen „anschaulicher“ sind 51. Für das Deutsche fasst Latzel diesen Befund wie folgt zusammen: „Es ist also eine abnehmende Perfekt- und eine aufsteigende Präteritumlinie von gehen und verlassen über versterben zu müssen festzustellen. Wir formulieren es anders: Die Linie geht absteigendperfektl aufsteigendpräteritum von einem Verb mit dem Merkmal [+ visuell wahrnehmbar]zu einem Verb mit dem Merkmal [- visuell wahrnehmbar] und sie fälltperfekt/steigtpräteritum innerhalb der Gruppe der Verben mit dem Merkmal [+ visuell wahrnehmbar] von einem perfektiven Erstreckungsverb über ein zweiwertiges punktuelles Verb zu einem einwertigen punktuellen Verb. Wir simplifizieren wahrscheinlich nicht, wenn wir diese Linie als eine Fall-Linie vom Pol [+ visuell wahrnehmbar] zum Pol [- visuell wahrnehmbar] interpretieren, […]. D.h.: Wir haben von oben nach unten eine abnehmende Zahl von Wahrnehmungselementen. […].“ Latzel (1974: 206f.; Hervorhebung im Original). Mit steigendem Anschauungsgrad begegnet das Perfekt allerdings häufiger: „Es hat sich erwiesen […], daß Verben mit dem Anschauungsgrad A 0 textsortenunabhängig im Präteritum stehen können. b) Es spricht viel dafür, daß der Präteritumgebrauch in E-Sätzen bei Verben mit dem Anschauungsgrad A1,2 eher möglich ist als bei Verben mit einem höheren A-Grad.“ Latzel (1974: 253). Bemerkenswert ist die Beobachtung Latzels, dass morphologisch komplexe Präterita, wie Passiva und Modalverben, häufiger anstelle Perfekts auftreten als Präterita, d.h. das Schema der sonst vorherrschenden Distribution überlagern: „Das Perfekt-Prädikationsmuster ist gegeben; a) bei gemischter Prädikation (Prädikation nicht nur durch das finite Prädikatsverb) b) bei nicht-verbaler [+V]-Information c) bei Zugehörigkeit des Prädikatsverbs zu der Klasse Verb [ -sinnlich wahrnehmbar].“ Latzel (1974: 253).

50 Sie folgt also nur allgemeinen Richtlinien und wird durch die Varietät und den einzelnen Sprecher und ihrer außersprachlichen Konzeption in ihren Details bestimmt. 51 Man vgl. hierzu die Kategorie der Konsequentialität in 5.3.6.

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Dieser Befund korrespondiert mit der Verdrängung eines alten Perfekts durch ein neues (4.8.3.6) und stützt für das Akkadische die These, dass das PRF als ein ursprünglicher GtStamm des PRT und morphologisch gekennzeichnete Form rein pragmatisch zu non-modalem PRT distribuiert wurde (8.8)52. Bei Betrachtung der akkadischen Texte seit mittelbabylonischer bzw. -assyrischer Zeit ist die Verdrängung non-modalen PRT durch das PRF als abgeschlossen anzusehen. Demgegenüber werden literarische Texte unter dem Etikett des Jungbabylonischen als eigenständige und sich an den älteren Sprachgebrauch anlehnende Varietät angesehen (u.a. GAG § 191; Kouwenberg 2010: 16f.). Vorbehaltlich des Unterschieds der Formen mit akkadischem old anterior und deutschem past, ist allerdings plausibel, dass der Übergang im Gebrauch von rein modalem zu non-modalem PRT fließend ist und sich einerseits diaphasisch erklärt und andererseits von der Komplexität der Textstruktur abhängig ist. So ist in Briefen als alltäglichem Sprachgebrauch non-modales PRT erst bei komplexen Textstrukturen zu erwarten, in der Dichtung hingegen schon als Erstverb anstelle eines PRF. In der Praxis bedeutet das, dass non-modales PRT in Briefen nicht literarisch ist, sondern Teil des regulären Sprachgebrauchs und keinen Wechsel sprachlichen Registers bedeutet. Ferner ist daraufhin zu prüfen, ob die Varietät des Jungbabylonischen grammatisch einheitlich ist oder nur als Diaphase zum jeweiligen Dialekt erklärt werden kann, in dem der Text zu verorten ist. Für die jeweiligen Quellen des Neuen Testaments in altgriechischer Sprache sind nach Erhebung Campbells (2007: 145ff.) mehr als 95% der Perfektbelege außerhalb der sequentiellen Taxis. Sie finden sich im von Campbell in Unterscheidung zum eigentlichen narrativen Teil des Texts als Diskurs (discourse) bezeichneten Einheiten (Campbell 2007: 3f.), welcher direkte und indirekte Rede sowie an den Leser gerichtete Äußerungen des Autors umfasst (Campbell 2007: 240). Das Perfekt in diesen Vertretern des Koine Griechischen ist also ein old anterior, dass sich vom Aorist nur dadurch unterscheidet, dass es nicht als Kettentempus gebraucht werden kann. Die Verteilung erfolgt also nicht nach syntaktischen, sondern diskursiven bzw. pragmatischen Gesichtspunkten, die vom Kontext und Textgattung abhängen und daher -nach sprachvergleichender Erwägung und zunächst als Hypothese – in anderen Textgattungen als den Bibeltexten abweichende Distributionen zeigen können. Dieser Verteilung spiegelt sich auch in der relativen Häufigkeit des Perfekts der 2Person im Deutschen wieder (Fischer 2018: 143). Zusammenfassend lässt sich sprachtypologisch und den Beobachtungen zum Deutschen entsprechend bei fortschreitender Grammatikalisierung eine Differenzierung von narrativem Präteritum/Perfektiv (Dahl 1996: 366) und diskursivem Perfekt (Campbell 2007: 241) feststellen: „Es spricht viel dafür, daß das Präteritum die Grundfunktionen a) prozessuale Anschauungsvermittlung b) Kettentextaufbau hat und daß diese Grundfunktionen dem Perfekt nicht zukommen.“ Latzel (1974: 254).

52 D.h. die Distribution ist weder lexikalisch, noch morphologisch oder grammatisch bestimmt. Die jeweiligen Funktionsdomänen werden überlagert von pragmatischen Gebrauchsweisen, in denen z.B. Prf oder deutsches Passiv des Präteritums als eine vollere und dadurch hervorgehobene Form bevorzugt wird.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

4.8.3.7 Von Tempus und Aspekt zum Modus Der Übergang eines Tempus oder Aspekts zum reinen Modus ist strukturell bedingt und schreitet sukzessive, wie etwa im Akkadischen, voran. Das wesentliche Problem in der Beschreibung des PRF ist dem Umstand geschuldet, dass seine Distribution weder durch Restriktionen der lexikalischen Aspektsemantik noch einen perfektischen Zeitbezug beschrieben werden kann, auch wenn das PRF im Altassyrischen und in älteren Sprachstufen überhaupt auf den Kontext XN-Intervall ≥ R und Nachzeitigkeit in der Vergangenheit beschränkt ist. Dennoch besitzt es vor allem zur Bezeichnung des XN-Intervalls keine exklusive Distribution gegenüber PRT auf syntaktischer Ebene. Daher können auch Überlegungen eines perfektischen Aspektes als Erweiterung der perfektiv: imperfektiv Dichotomie im Präsens ausgeschlossen werden. Im Sinne von Kurylowicz (1964: 26) wäre das Perfekt ein relativer Aspekt und Erweiterung zu einer allgemeinen Dichotomie, die durch das Perfekt auf den präsentischen Zeitbezug vervollständigt wird. Eine Entwicklung des Perfekts aus dem oder ergänzend zum Perfektiv (Kurylowicz 1964: 92) ist aber nirgends historisch belegt. Vielmehr lässt sich das Gegenteil beobachten (Bybee u.a. 1994: 81ff.). Auch im Akkadischen geht mit dem PRT eine Form mit perfektischer Semantik einer Form voraus, die historisch wietestgehend perfektive Semantik entwickelt (PRF). Um sich den pragmatischen Voraussetzungen der Verwendung des PRF im Altassyrischen anzunähern, hilft ein Blick auf die Entwicklung des spanischen Subjunktivs. Klein-Andreu (1975) hat in ihrer Untersuchung anhand der Entwicklung des spanischen Subjunktivs die These aufgestellt, dass ein neues Plusquamperfekt zuerst nur in Phrasen mit höherem Fokus auftritt. Diachron entstehen so eine neue indikativische und eine alte nur noch modal gebrauchte Form. Im Vergleich mit der Distribution PRF: PRT im Altassyrischen erhalten wir folgendes Bild, das eine grundlegende Ähnlichkeit zwischen dem akkadischen und dem spanischen Befund zeigt: Perfekt und Fokus: fokussiert Span. Plusq.perf. transitiv-dynamisch belebtes Subj./Obj. initial53

Altassyrisch (PRF: PRT) PRF PRF PRT

nicht fokussiert Span. Subjunktiv negiert zuständlich Relativsatz

Altassyrisch (PRF: PRT) PRT PRT PRT

Der semantische Wandel zum modalen PRT verläuft dann weitgehend parallel mit dem des spanischen Subjunktivs (-ra Form): “(…) as the new periphrastic pluperfect is preferred for foregrounding. It is not surprising that –ra should go on further as indicating “non-assertiveness”.” Klein-Andreu (1991: 173.). Formal erklärt sich der Gebrauch der neuen Form aufgrund ihrer morphologischen Gestalt, die sie gegenüber der älteren Form als markiert ausweist. Diese These wird etwa durch Lat53 Klein(-Andreu) untersucht eine Form der Vorvergangenheit. Daher kommt es zu Verwerfungen in der Matrix des Analogiewandels gegenüber dem akkadischen PRF als non-past (Kap. 8).

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zels Untersuchung zum Deutschen gestützt, wo er feststellt, dass komplexere Präterita, wie Passiva, seltener vom Perfekt verdrängt werden: „Das passivische Präteritum ist also im Vergleich zum aktivischen wesentlich häufiger belegt als das passivische Perfekt verglichen mit dieser Form im Aktiv. Es liegt der Schluß nahe, daß sich der "Mehr"- Teil der passivischen Präteritumformen aus "eigentlichen" Perfektformen zusammensetzt.“ Latzel (1974: 244). Auch hier spielt also die morphologische Komplexität eine Rolle, so dass ein verwandter Prozess angenommen werden darf, der vorbehaltlich weiterer Prüfung charakteristisch für die spätere Grammatikalisierung von Perfekt zu Präteritum oder Perfektiv ist. Die Funktionsverben und Passiva im Deutschen folgen dabei der analytischen Konstruktion und sind von gleicher morphologischer Komplexität, d.h. sie zeigen, mit Latzel (4.8.3.6), ein PerfektPrädikationsmuster: „Für Einleitungssätze von Mehr-Satz-Meldungen gilt, daß sie a) zu einem hohen Prozentsatz im Perfekt stehen, b) daß von den Präteritum-Einleitungssätzen die meisten Sätze mit dem Perfekt- Prädikationsmuster sind (Passiv oder Funktionsverbgefüge).“ Latzel (1974: 254). 4.8.4 Zusammenfassung Es ist offensichtlich, dass die Akkadistik von der Sprachtypologie und ihrer Ausrichtung auf Morphologie und Syntax profitiert, da sich im historischen Sprachstand nur wenige phonologische Wandel vollziehen. So lassen sich auf Grundlage allgemein anerkannter Grammatikalisierungsprozesse die Entwicklung des STA und der Opposition von PRT und PRF plausibel erklären. Noch umfangreicher sind die hier für das PRS gewonnene Erkenntnisse, denn diese erklären nicht nur seine Syntax und Semantik als Progressiv, sondern relativieren die etwa bei Kienast (2000) vorgebracht Hypothese eine urspünglichen -parras- Imperfektivs im Protosemitischen, stützen aber auch nicht Kouwenberg (2010: 98) in der Behauptung, dass hier die Langform der PK als Entsprechung akkadischen Subjunktivs auch das protosemitische Imperfektiv stellt, zumal auch dieses nur als Progressiv in den ältesten Varietäten erscheint; dass es aus der progressiven Semantik des Subjunktivs hergeleitet werden kann, ist hingegen unproblematisch. Gäbe es aber andererseits kein Progressiv im Protosemitischen ist die Deutung des Präsensstammes insgesamt nicht plausibel darzulegen (s. hierzu 11.2). Grundlegend zeigt das Akkadische aber auch neue sprachwissenschaftliche Erkenntnisse auf. Aus der Opposition von STA und PRS lässt sich deutlicher, als bisher angenommen, die diachrone Verflechtung dieser Kategorien mit den Funktionen semantischer Relationen erkennen. Dass das PRF zuerst als perfektische Form auftritt, ist sowohl für den Grammatikalisierungspfad derivationaler Perfektive, wie etwa im Russischen, von Bedeutung, als auch für das Verständnis der Funktion und des Grammatikalisierungsalters des indogermanischen Aorists, der vor dem Hintergrund der hier gewonnen Erkenntnisse und des indoiranischen Sprachstands in der indogermanischen Grundsprache so nur als perfektzeitliche Form, wie akkadisches PRF im Altassyrischen, plausibel erscheint.

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Perfektiv und Imperfektiv – Der paradigmatische Aspekt

4.9 Zusammenfassung und Ausblick Die Aspektdichotomie des perfektiven und imperfektiven Aspekts wurde in diesem Kapitel vor dem Hintergrund der lexikalischen Aspektkategorien in Kap. 3 besprochen und begrifflich von der Kategorie des Tempus gesondert. Mit den in Philologie und Linguistik erarbeiteten Begriffsbezugssystemen der Situationstypen, der Aktionsarten und des Verbalcharakters ist eine klare Bestimmung der grammatischen Aspektkategorien und ihrer Interaktion mit Tempora möglich, die sich auf synchroner und diachroner Ebene differenzieren lassen. Hier wurde zum einen die semantische und syntaktische Ähnlichkeit von Aspekt und Tempus herausgestellt und zum anderen, anhand einzelsprachlicher Varietäten, die Lesarten erläutert, die nicht pauschal auf einfache Merkmalsoppositionen wie die von Vollständigkeit: Unvollständigkeit oder Vordergrund: Hintergrund zurückgeführt werden können. Die konkreten Verwendungsweisen werden vielmehr durch (1) die strukturellen Beziehungen im Paradigma, (2) das Grammatikalisierungsalter der Formen sowie (3) der semantischen Eigenschaften der Bildungselemente bestimmt. Dies betrifft etwa eine weitergehende Verwendungsweise des imperfektiven Aspekts in romanischen, slawischen und indoiranischen Sprachen im Vergleich zum Latein, weil dort die Form in struktureller Opposition zu einem Perfektiv steht, welches (1) noch als old anterior fungiert, wie im Vedischen; (2) ein höheres Grammatikalisierungsalter aufweist, wie im Französischen; oder (3) keine eigenen Bildungselemente mit semantischer Ladung aufweist, wie die Wurzelimperfektive im Russischen. Dabei bleiben die grundsätzlichen Eigenschaften der dichotomen Unterscheidung bestehen, bilden aber nur das allgemeine Raster zur Formenbestimmung. Der Katalog aller Lesarten ist hingegen varietätsspezifisch, wobei prinzipiell von einer typologischen Hierarchie ausgegangen werden muss, bei der seltene Lesarten eine Reihe typologisch häufigerer Lesarten voraussetzen, auch wenn diese in Korpora nicht nachzuweisen sind – eine gesicherte Hierarchie der Lesarten aspektueller Formen fehlt m.W. noch. Die Kategorien des Perfekts und Progressivs zeigen andererseits das prinzipielle Problem der Aspektforschung auf: die strukturelle Verflechtung von dem, was unter dem Etikett des Aspekts geführt wird, mit Kategorien semantischer oder syntaktischer Art, die eigentlich aspektfremd sind. Die entsprechenden begrifflichen Überlagerungen wurden bereits in diesem Kapitel angesprochen, und sie sind das größte Hindernis beim Verständnis des Aspekts. Das folgende Kapitel bietet daher eine nach Kategorien aufgeschlüsselte Diskussion relevanter Begriffe, die zum Verständnis aspektueller Formen, wie Progressiven und Stativen, erforderlich sind.

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5 Aspekt im Kontext 5.1 Einleitung 5.1.1 Interfaces Schnittstellen (interfaces) bezeichnen die Strukturen, die verschiedene grammatische Kategorien miteinander in Verbindung setzen. Prinzipiell wird ihre Diskussion von Fragen zur Interaktion der großen grammatischen Bereiche der Phonologie, Morphologie und Syntax bestimmt und vorangetrieben (Ramchand & Reiss 2007). Für die Aspektforschung spielen vornehmlich Schnittstellen auf einer kleineren Ebene eine Rolle. Diese betreffen zum einen die in den Aspektkategorien semantisch veranlagten Bedeutungen, die sich explizit nur in Abhängigkeit von den Strukturen der Sprachen in Lexikon und Grammatik äußern. Zum anderen sind Interaktionen auf syntagmatischer Ebene zu beachten, denn sie weisen verschiedene Möglichkeiten der Selektion der Lesarten auf, die grammatisch oder lexikalisch bedingt sind. Hierzu gehören etwa die Verbindung mit Adverbien und die grammatischen Merkmale der Nominalphrasen aber auch die Verknüpfung mehrerer verbaler Prädikate. Anders als die semantischen Schnittstellen, werden syntaktische Merkmale in der Forschung allgemein berücksichtigt, und der Abschnitt 5.2 bietet daher eine grundlegende Zusammenfassung von bereits in Kap. 4 angesprochenen Sachverhalten. Mit der Diskussion um Tempus und Aspekt in Kap. 4 wurde bereits eine Schnittstelle des Aspektbegriffs vorgestellt, die im Wesentlichen syntaktisch analysiert wird. Diese nimmt eine besondere Stellung ein, denn ihre Trennung bestimmt die Aspektforschung von der Antike bis in die Moderne und stellt ein zentrales Problem der Rezeption der Forschung dar. Unter den semantischen Schnittstellen, die bereits angesprochen wurden, befinden sich grammatische Kategorien, wie Generizität, Modalität oder Relationen. Aus den hierzu relevanten Arbeiten ist besonders der Sammelband zu Aspekt und Modalität, Abraham & Leiss (2008), hervorzuheben. Weitere Standardwerke sind u.a. Coon & Perminger (2015) zu semantischen Relationen oder Carlson & Pelletier (1995) zur Generizität. Die in 5.3 gegebene Darstellung trägt die noch disparaten Erkenntnisse zu diesen Interaktionen zusammen und ist stärker als alle anderen Teile dieser Arbeit an Erkenntnisse der jüngeren linguistischen Forschung geknüpft. 5.1.2 Prototypen & Extensionalität Der in den vorangegangenen Kapiteln bereits angeführte Begriff des Prototyps kommt ursprünglich aus der Semantik (Mangasser-Wahl 2000) und bezeichnet eine Kategorie mit einer Reihe von Eigenschaften, deren sprachwirkliche Vertreter nur einen Teil aller darunter angeführten Eigenschaften umfassen, was letztlich für alle empirischen Begriffe mit individuellen Vertretern gilt. Innerhalb der Grammatik findet sich die Verwendung des Prototypenbegriffs entsprechend häufiger bei semantischen Kategorien, die keine formale grammatische Entsprechung besitzen, wie semantische Rollen (Agens, Patiens usw.) gegenüber syn-

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Aspekt im Kontext

taktischen Rollen (Nominativ, Ergativ, Ablativ usw.), oder aber im diachronen und sprachvergleichenden Gebrauch eine weitgefasste Begriffsbestimmung verlangen, wie etwa der Begriff des Perfekts vom ältesten indogermanischen Gebrauch bis zum standard average european (SAE) Perfekt. Im Bereich der Grammatik bestimmt sich das Verständnis des Begriffs eines Prototyps aufgrund der vorherrschenden nicht-extensionalen Etikettierung grammatischer Kategorien rein aus dem Forschungsdiskurs und nicht aus der Terminologie. So folgen Begriffe wie Perfekt, Aktionsart usw. nicht dem Kompositionalitätsprinzip (Frege-Prinzip), nach dem sich ihre Bedeutung aus der Bezeichnung herleitet. Vielmehr ist der ursprünglich in der Slawistik gebildete Aktionsartenbegriff eine Bezeichnung der die Aktionsart verändernden Verbalaffixe, die ausschließlich aktional, d.h. dynamisch, sind. Vor allem in der anglo-amerikanischen Tradition erfolgte eine strenge extensionale Umdeutung in einen Begriff der „Art der Aktion“ unabhängig ihrer morphologischen Gestalt (Kap. 1.2.1), der aber nur in Teilen der sprachwissenschaftlichen Forschung Verwendung findet. Ebenfalls nicht extensional sind die Etikettierung der akkadischen Verbalformen mit den Bezeichnungen von Tempora, wie Präsens (PRS) usw. Denn auch tempusorientierte Darstellungen der Verbalformen können nicht den auf dynamische Situationen spezialisierten und daher progressiven Charakter des PRS abstreiten (z.B Streck 1995). Das Perfekt in seinen einzelsprachlichen Varianten bildet im Rahmen dieser Arbeit das deutlichste Beispiel (5.3.8). Es fasst unter seinem Begriff (1) syntaktisch rein imperfektive Formen, wie im ältesten Griechisch, (2) auf perfektive Situation beschränkte perfektzeitliche Verwendungen, wie im Neugriechischen, (3) allmähliche Überschneidungen mit präteritalen und perfektiven Formen und deren Verdrängung aus dem Paradigma sowie (4) Splits von perfektischen und zuständlichen Lesarten, wie im klassischen Altgriechisch oder im Bibelhebräischen, zusammen. Der Prototyp des Perfekts ist dabei eine diachrone Kategorie im Sinne einer kontinuierlichen Formengrammatikalisierung mit einer idealtypischen Überführung in Perfektiv oder Präteritum. Letztlich sind sprachtypologische Begriffe grammatischer Kategorien immer dann prototypisch, wenn kein allgemein verbindlicher, die Kategorie definierender Kern an Eigenschaften bestimmt werden kann. Auch dann ist im Einzelfall abzuwägen, ob dem Forschungsinteresse damit gedient ist. Betrachtet man die Aspektdichotomie in Kap. 4, so lässt sich z.B. für das Imperfektiv ein Kernbegriff festlegen, der sich mit dem Gebrauch des Lateins deckt. Mit Blick auf das romanische, slawische oder altgriechische Imperfekt zeigt sich jedoch eine weitergehende Entsprechung der Lesarten, deren Verbreitung so groß ist, dass sie für den allgemeinsprachlichen Begriff m.E. nicht übergangen werden dürfen. Insofern hier eine differenzierende Definition an den praktischen Gegebenheiten scheitert, kann auch nicht auf eine Differenzierung ausgewichen werden, die ein lateinisches Imperfektiv-1 von einem der anderen Formen als Imperfektiv-2 unterscheidet – auch weil ein gradueller Übergang zwischen beiden plausibel ist. So bleibt als letztes der – wenn auch nicht befriedigende – Rückgriff auf eine prototypische Definition des grammatischen Aspekts. In Fragen nach impliziten semantischen Eigenschaften, die formal anderen grammatischen Kategorien zugehören, wie etwa der Modalität, ist dieses Problem, auch aufgrund fehlender Vorarbeiten, noch stärker ausgeprägt.

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5.1.3 Aspekt und Schnittstellen Betrachtet man die Beschreibungen der Aspektbegriffe in Grammatik und Lexikon, so findet sich nur im Begriff der Aspektdichotomie eine weitgehende Beschränkung auf dessen eigentliche Funktionen. Hingegen zeigen sich in Aktionsarten und Situationstypen unterschiedlichste Elemente, die andere grammatische Kategorien betreffen und den Aspekt so im Kontext einer komplexen Interaktion grammatischer Kategorien einbinden. Diese grammatischen Kategorien werden hier im Anschluss an die Diskussion zum Aspekt aufgeführt. Sie sind allerdings nicht rein lexikalisch, sondern auch in der paradigmatischen Aspektdichotomie klassischer Vertreter der Aspektualität, wie dem altgriechischen Aorist, klar zu erkennen. Prinzipiell lassen sich die Kontexte des Aspektbegriffs in syntaktische und semantische Interaktionen unterteilen. Hierbei ist zu beachten, dass diese Kategorien selbst wiederum sekundäre semantische bzw. syntaktische Charakteristika besitzen, die in die Wechselwirkungen mit der Aspektkategorie hineinwirken. Daher ist die Zweiteilung nach Syntax und Semantik rein oberflächlich und als Ausgangspunkt der jeweiligen Interaktion zu verstehen. Dieses Kapitel schließt mit einer terminologischen und begrifflichen Strukturierung ab (5.4), in denen die Lesarten ausgewählt und ihre Bezeichnung im Kontext ihrer Begriffsgeschichte und des Akkadischen dargelegt werden. Hierin wird auch das Verfahren zur Zuordnung von Lesarten im Akkadischen besprochen.

5.2 Aspekt im Kontext der Syntax 5.2.1 Einleitung Im Rahmen syntaktischer Kategorien wurde in Kap. 4 bereits die Verflechtung des Aspekts mit der Kategorie des Tempus vorgestellt, von der aus beide begrifflich differenziert wurden. Zu den syntaktischen bzw. syntagmatischen Verknüpfungen gehören ferner Argumentstrukturen der Nomina und Adverbiale sowie ihre grammatischen Relationen und Rollen. Hier soll zunächst der Begriff der Valenz erläutert werden. In den weiteren Abschnitten werden die Bedeutung der Struktur der Verbalargumente (5.2.2) und syntaktische und semantische Rollen erläutert (5.2.3). Auf diese beiden Abschnitte bauen die Erläuterungen zur Relationalen Typologie (5.2.4) und syntagmatischen Ergänzungen (5.2.5) auf. Schließlich wird der Begriff der Taxis als Verknüpfung verbaler Prädikate in seiner Theorie und nach Syntagmen gesondert diskutiert (5.2.6). Auf die Arbeit Tesnières (1959) geht der Begriff eines seine Argumente bindenden Verballexems zurück. Nach dem Vorbild der Chemie wird der Begriff der Valenz derart auf die Syntax übertragen, dass anhand der einem Verballexem zukommenden Valenz die Zahl seiner obligatorischen Argumente festgestellt wird. Sie unterscheidet sich von syntaktischer Transitivität dadurch, dass nicht nach der syntaktischen Form, sondern lediglich nach der Zahl der Argumente gefragt wird, so dass etwa akkadisch erēbu(m): eintreten zwar intransitiv oder intransitiv konstruiert ist, jedoch in beiden Fällen zweiwertig im Sinne seiner Valenz: intransitiv mit ana: hinein und transitiv mit Akkusativobjekt (Kouwenberg 1997: 96f.). In Erweiterung des Begriffs der syntaktischen Valenz kann auf semantischer Ebene hinsichtlich des Referentenbezugs unterschieden werden. So sind einwertige Verben mit dummy-Subjekt es im Deutschen semantisch nullwertig (es regnet, es ist heiß usw.). In dieser

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Differenzierung zeigt sich eine weitere Eigenheit des Akkadischen: Die Entsprechung von semantischer und syntaktischer Valenz. Hingegen operiert das Deutsche mit einer Herleitung der Zustandseintritte über transitive Strukturen mit einem Reflexivpronomen als Objekt. Dabei bleibt die syntaktische Valenz des transitiven Lexems erhalten. Die semantische Valenz hingegen wird reduziert. Subjekt und Objekt haben den gleichen Referenten. Die Valenzrahmen im Deutschen weisen hier häufiger Unterschiede auf zwischen syntaktischer und semantischer Valenz auf: Valenzrahmen Ich schreibe einen Brief. Ich gehe herum. Ich wasche mich. Es regnet.

syntaktisch 2 1 2 1

semantisch 2 1 1 0

Im Unterschied zu diesen Ambiguitäten lässt sich im Akkadischen eine regelmäßige Übereinstimmung von syntaktischer und semantischer Valenz beobachten, die zu einigen Abweichungen in der Struktur der Lexeme gegenüber ihrer Wiedergabe im Deutschen führen kann. Synkretismus der Situationstypen stehen sich stellen etwas stellen izuzzum/izizzum (synt. einwertig) šakānum stehen stellen (zweiwertig)

Bedeutung Akkadisches Lexem Deutsches Lexem

Im Akkadischen besteht also eine Tendenz, nach dem Vorbild der metaptotischen Lesarten (3.5.5), Zustände und Zustandseintritte in einem Lexem zusammenzufassen und Verben nach einer ingressiven Genusgruppierung zu ordnen (3.5.4). Ein solcher Synkretismus von achievement und state findet sich z.B. im Lexikon des englischen Verbs bei zumeist transitiven zuständlichen Verben, die eine Lesung als achievement oder state erlauben (know, see, hear, worry, u.a. [Dowty 1979: 66f.]). Dieselbe Affinität führt im Russischen zu sekundären Paarbildungen von state (imperfektivem Lexem) und achievement (perfektivem Lexem): videt‘: uvidet‘ (sehen) ponjat‘: ponimat‘ (verstehen). Diese Strukturunterschiede betreffen im Akkadischen vor allem den lexikalischen Synkretismus von achievement und state sowie Stammformen mit einem Verballexem reziproker und reflexiver Lesart. Valenz akkadischer Verbalstämme syntaktisch labāšum: kleiden 2 litabšum: sich bekleiden 1 nakāpum: stoßen 2 nitakpum: einander stoßen 1

semantisch 2 1 2 1

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5.2.2 Verbalargumente 5.2.2.1 Überblick Verbalargumente sind die Satzteile, die das Syntagma des verbalen Prädikats vervollständigen. Im Rahmen der durch die Semantik des Verbs vorgegebenen Nominalphrasen sind deren Quantität und Definitheit von besonderer Bedeutung für die Situationstypenzuordnung des Satzes, was vor allem den syntagmatischen Wechsel von activity und accomplishment betrifft. Die Möglichkeit, vornehmlich adverbiale Argumente hinzuzusetzen, die nicht durch das Verb obligatorisch verlangt werden, sondern fakultativ sind, ist ein Hilfsmittel zur Bestimmung verschiedener Eigenschaften, die etwa den Wechsel der Prädikatslevel (5.3.4) oder das Vorhandensein einer telischen Lesart (3.5.2) anzeigen. Sie dienen aber auch dazu, nachzuweisen, welche Beschränkungen grammatische Formen und lexikalische Klassen besitzen. 5.2.2.2 Quantität und Definitheit Auf Ebene des Satzes bzw. der Verbalphrase spielen die Argumentstrukturen und ihre Quantifizierbarkeit eine wichtige Rolle in der Bestimmung von Telizität (3.5.2) und Generizität (5.3.4). So sind indefinite und pluralische Argumente affin zu atelischen und generischen Lesarten. Dabei dominieren varietätsspezifische Strukturregeln den semantischen Gehalt der Verbalformen. Allgemeinsprachlich gilt, dass ein Plural in Subjekts- oder Objektsposition dynamische Situationen einheitlich in activities überführt, z.B. ein achievement, wie to reach in They were reaching the summit (Comrie 1976: 43). Die Beobachtung Kouwenbergs (1997: 24ff.) zur Pluralität des D-Stamms deckt sich insofern mit der semantischen und syntaktischen Perfektivität, die bei pluralischem Argument das Genus und den Situationstyp des achievements der i-Klasse beibehält (3.5.4). Schwieriger gestaltet sich die Wechselwirkung zwischen Quantität und Situationstyp im progressiven Genus, zumindest anhand des Englischen oder Deutschen kann postuliert werden, dass die Quantität keinen Einfluss auf accomplishments besitzt. In Verbindung mit indefiniten Objekten ist hingegen auch bei progressiven Verben ein Wechsel möglich. So wird ein accomplishment wie Schreiben in Er schreibt Briefe zur activity. Umgekehrt kann die Hinzufügung eines fakultativen definiten Objekts, wie in Er ging den Weg den umgekehrten Situationstypenwechsel beibringen (3.5.5). Inwieweit dies auf akkadische Bewegungsverben übertragen werden darf, ist mir unklar, da für diese nicht der Wechsel der Transitivität, sondern der des Applikativs entscheidend ist (3.3.4.2). Möglicherweise kann diesen ein Wechsel zwischen atelischer Lesart mit Adverbial und telischer Lesart mit direktem Objekt nach Vorbild des Kasuswechsels im Russischen unterstellt werden1. Die Definitheit wird im Russisch teils durch die Genitiv: Akkusativ Opposition wiedergegeben. Dabei erfüllt der Genetiv die Rolle zur Kennzeichnung eines funktionalen Partitivs, d.h. nur teilweise betroffenen Objekts (Rappaport 1997: 241). Die partitive Lesart ist damit zugleich implizit imperfektiv. Insoweit die Perfektivität durch den Verbalstamm eindeutig bestimmt wird, beschränkt sich die Funktion im Russischen aber praktisch auf die Aufhebung der Telizität (3.5.2). Mit Austausch des Akkusativs durch den Genitiv können so atelische, aber perfektive activities auf syntaktischer Ebene erzeugt werden. 1 Derart, dass etwa erēbu(m) in Verbindung mit Adverbialphrase nur den Weg zum Ziel explizit beschreibt, wohingegen das Akkusativobjekt das schließliche Eintreten explizit umfasst. Vgl. Kouwenberg (1997: 97).

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Zu beachten ist, dass die Definitheit zugleich ein Mittel zur Kennzeichnung der Generizität ist. Sorgfältig zu trennen sind die situationstypenspezifischen und aspektuellen Prozesse daher von einer Interpretation generischer Sachverhalte, die nicht primär aspektsemantisch bestimmt werden, sondern strukturbedingt sind (5.3.4). Ob etwa Lions live in Africa generisch zu verstehen ist, kann nicht primär an der englischen Opposition von simple tense und progressive ausgemacht werden. Die Zuordnung hängt etwa auch davon ab, welche Form die geringste Ausprägung aspektueller oder temporaler Semantik zeigt (Dahl 1995: 425) und in welcher Funktion im Englischen Nominalphrasen indefinit verwendet werden usw. Die Frage der jeweiligen Grammatikalisierung ist also sprachstrukturspezifisch und kann nicht aus der Semantik der einzelnen Formen hergeleitet werden. Für die Akkadistik fehlt es noch an grundlegenden Arbeiten zur Quantität und Definitheit der Nominalphrasen, und die dadurch erkannten Eigenschaften der akkadischen Syntax geben die Vorgaben an, nach denen der Einfluss auf den Verbalaspekt zu prüfen ist. Nach den Untersuchungen zu Syntax und Semantik nominaler Phrasen sind daher ggf. Erkenntnisse zum Verbalsystem einer Revision zu unterziehen. 5.2.2.3 Obligatorische und fakultative Argumente Bei Valenz – aber auch syntaktischer Transitivität (5.3.2) – ist von einer prototypischen festgelegten Anzahl von Argumenten auszugehen. Tatsächlich ist die einzelsprachliche und varietätsspezifische Trennung nicht ohne weiteres in eine einfache Dichotomie von obligatorischer und fakultativer Ergänzung zu trennen. Akkadisch etwa gehört zu den Sprachen, deren Indikative vollwertige Ein-Wort-Sätze bilden können. Durch die Möglichkeit des Anschlusses suffixaler Objektponomen gilt dies, über die Möglichkeiten des Lateins oder Altgriechischen hinaus, auch für transitive Sätze2. Für das Akkadische sind auf Seiten der fakultativen Elemente die Verwendung temporaler einerseits sowie die Verwendung lokaler Adverbiale andererseits von Interesse. Bei den obligatorischen Argumenten sind Applikative (3.3.4.2) sowie die Möglichkeit zur Auslassung des Objektarguments (5.3.2) von Bedeutung. Temporale und lokale Adverbiale sind eine Hilfestellung bei der Bestimmung generischer Lesarten im Rahmen der Trennung von stage und individual level (5.3.4). Für die Prüfung der Telizität und der Aspektdichotomie sind sie weitestgehend ungeeignet, da keine kontextfreie Zuordnung zu verschiedener Adverbialphrasen im Akkadischen nachzuweisen ist, wie es etwa englisch mit for und in möglich ist (3.5.2). Auch die Beschränkung in Verbindung von Resultativ und Lokaladverb ist für das Akkadische nicht bindend und auch sprachtypologisch unsicher (4.6.6). Bei den Objektellipsen und Applikativen (Kouwenberg 1997: 96f.) kann ich keine aspektrelevanten Veränderungen erkennen. Die Bedeutung der Objektellipse für das Syntagma und den D-Stamm transitiver Verballexeme ist hingegen sprachhistorisch für die Genese der syntaktisch imperfektiven Formen von Interesse (5.3.7f.).

2 Vergleichbar der Diskussion um den Subjektsbegriff ist die Frage einer allgemeinsprachlichen Definition der Begriffe Prädikation und Prädikat schwierig. Eine übergreifende Diskussion zur sprachtypologischen Klassifizierung bietet etwa Sasse (1991).

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5.2.3 Typologie semantischer und syntaktischer Rollen 5.2.3.1 Einleitung Rollen bezeichnen Eigenschaften der Argumente auf syntaktischer oder semantischer Ebene. Auf semantischer Ebene lassen sich im Rahmen einer offenen und prototypischen Klassifizierung Rollen wie das Agens, das Patiens oder experiencer unterscheiden. Der Katalog der semantischen Rollen ist abhängig von den Gegebenheiten der Objektsprache und dem Untersuchungsgegenstand und entsprechend zu differenzieren. Syntaktische Rollen bilden einen einzelsprachlichen diskreten Satz von Kategorien, nach denen etwa Subjekt und Objekt unterschieden werden. Die Differenzierung kann dabei durch Kasus, Kongruenz oder Wortstellungsregeln (Topologie) erfolgen. Syntaktische Rollen überschneiden sich thematisch und inhaltlich mit syntaktischen und semantischen Relationen (5.2.5) “Thematic roles are also significant: much effort has been invested into showing that occurrence of aspectual shifts is in covariation with thematic affectedness […].” Sasse (2002: 219). 5.2.3.2 Bedeutung der Rollen im Aspektparadigma Semantische Rollen besitzen Eigenschaften, die zunächst nicht in den Bereich des Aspekts fallen, aber einen Einfluss auf die Aspektsemantik haben können. Sie führen bei einigen speziellen Aspektformen, wie etwa Progressiven (5.3.7) oder Stativen (5.3.8), zur Veränderung der syntaktischen Rollenverteilung, etwa durch Detransitivierung. Semantische Rollen werden vornehmlich hinsichtlich agentiver und nicht-agentiver Subjekte differenziert. Dabei werden in verschiedenen Forschungsarbeiten die Situationstypen entsprechend erweitert. Die prominenteste Modellierung ist eine, die Prozesse von Aktivitäten unterscheidet (z.B. bei Streck 1995a: 88f. oder Kouwenberg 2010: 257). Prozesse sind dort sich ohne Einwirken des Subjekts vollziehende Vorgänge, wohingegen Aktivitäten vom Subjekt kontrollierte Handlungen darstellen: Der Ball rollt (Prozess): Ich rolle mich aus dem Bett. Das Subjekt eines Prozesses ist ein theme, das Subjekt der Aktivität ein Agens. In Verbindung mit einigen Formen, wie dem akkadischen STA oder dem homerischen Perfekt (5.4.4), ist ferner der Wechsel in der Valenz einzelner Lexeme zu berücksichtigen, der durch Zuordnung syntaktischer Rollen bestimmt wird, die in Wechselwirkung mit den semantischen Rollen treten können. Insofern paradigmatische Aspektformen mit Einfluss auf die Valenz des Verbs begegnen, sind auch diese für die Aspektsemantik von Bedeutung. 5.2.3.3 Semantische Rollen Im Rahmen der Aspektsemantik des Akkadischen sind folgende semantische Rollen zu differenzieren: Agens, Patiens, theme und experiencer. Die Zuordnung erfolgt im Einzelfall prototypisch (5.1.2), d.h. in vielen Fällen erfüllt das konkrete Subjekt die Merkmale der semantischen Rolle nur eingeschränkt. Prototypische Eigenschaften eines Agens sind Handlungskontrolle und Veranlassung, Freiwilligkeit und Nicht-Betroffenheit, d.h. es wird durch die Handlung nicht beeinflusst oder verändert. Das Agens tritt in Nominativsprachen regelmäßig als Subjekt transitiver Sätze auf. Das Patiens in Nominativsprachen wird zumeist als Objekt transitiver Sätze reali-

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siert3. Es wird durch ein Einwirken beeinflusst, in seinem Zustand verändert oder neu hervorgebracht. Das theme steht semantisch zwischen Agens und Patiens. Prototypische Eigenschaften des themes sind Affiziertheit, Zustandsveränderung und Effiziertheit, wie beim Patiens, ohne jedoch durch ein Agens bedingt zu sein bzw. selber Agens zu sein. Es begegnet regelmäßig in Subjektposition intransitiver Verben, wie Sich Bewegen, oder als Objekt ditransitiver Verben, wie Geben, Berichten und Schicken. Im Akkadischen kann als semantische Rolle des Subjekts ein theme für die Mehrheit zuständlicher Lesarten angesetzt werden. Entsprechend ist das theme zumeist die semantische Rolle des intransitiven STA. Analog dürfen auch einige Bewegungsverben mit theme als Subjekt angesetzt werden. Dies betrifft zunächst Aktionsarten, die sonst valenzreduzierende Lesarten besitzen (3.3.6). Prototypische Eigenschaften des experiencers sind fehlende Kontrolle der Handlung und Beeinflussung durch eine äußere Quelle, z.B. Frieren, Sehen, Fürchten. Experiencer treten als Subjekte verschiedener transitiver Verben auf, vor allem aber bei transitiven Zuständen, wie Sehen, wenn die Verbsemantik das Subjekt nicht als Agens ausweist, wie in Hinschauen4. Die genaue Abgrenzung für das Altassyrische erfolgt in der Analyse des Verbalcharakters (Kap. 10) und der Aktionsarten (Kap. 11). Sie versteht sich zugleich als Vorarbeit zur Verbalsemantik und einer Analyse valenzverändernder Verfahren. Andere und im Allgemeinen wichtige semantische Zuweisungen, etwa als Lokalrolle, Rezipient u.a., werden hier nicht angeführt, da sie die Aspektsemantik (im Akkadischen) m.E. nicht (ersichtlich) beeinflussen. 5.2.3.4 Syntaktische Rollen Zur Bestimmung der syntaktischen Rollen und syntaktischen Relationen ist eine Beschreibung der Struktur erforderlich, die nicht mit dem Begriff des Subjekts, sondern mit den semantischen Rollen verknüpft ist. Dabei sind im Rahmen der Aspektsemantik, das intransitive Subjekt S, das Agens A und das Patiens P der transitiven Verbalsätze zu unterscheiden. In ergativischer Rektion folgt die Markierung von S der von P, in nominativischen Sprachen folgt die Markierung von S der von A (vgl. Dixon 2010: 126ff.). Hinzu kommt ein zweites oder indirektes Objekt bzw. der Rezipient R der Handlung, mit dessen Kennzeichnung auch ein theme bei Vorhandensein eines Agens bezeichnet werden kann. Bei Veränderungen der Valenz ist zwischen einer Derivation und einem freien Wechsel zu unterscheiden (Malchukov u.a. 2010: 3ff.). Eine Derivation S:P liegt etwa bei Faktitiven vor, bei denen das intransitive Subjekt des Grundstamms (damāqu(m): gut sein) zum Patiens des D-Stamms wird (dummuqu(m): gut machen). Ein freier Wechsel bei sogenannten ambitransitven Verben begegnet etwa bei deutschem Zerbrechen mit S=P (Dixon 2010: 124): Die Vase zerbricht und Ich zerbreche die Vase. Der STA vieler lexikalisch transitiver Verben ist intransitiv. Das Subjekt des intransitiven "S" entspricht dabei dem transitiven Objekt "P". Das Subjekt des transitiven Lexems wird getilgt und das Objekt erscheint mit STA als Subjekt im Nominativ: S:P, d.h. das intransitive Subjekt entspricht dem Objekt der transitiven, lexikalisch veranlagten Lesart. Verallgemeinert für intransitive Lexeme bedeutet dies, dass im STA S wie ein Objekt P gekennzeichnet 3 Das Verhältnis von Subjekt und Objekt ist in Ergativsprachen umgekehrt. Hier ist das Patiens des transitiven Satzes in der Regel das Subjekt (Dixon 2010: 411). 4 Vgl. etwa amāru(m) im Grundstamm als Sehen und D-Stamm als Prüfen.

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wird, also Sp (Dixon 2010: 120f.). Dagegen ist die für eine Nominativsprache übliche Variante Sa, wie in den Formen der PK. Es ist dabei wichtig zu beachten, dass diese semantische Relation außerhalb der Verbalform nicht fortgeführt wird. Die Erscheinung entspricht der des deutschen Perfekts mit Auxiliar Sein, das als Form dem Prinzip der semantisch differenzierten Relation folgt, wenn man ungeachtet der konventionellen Trennung rein formal alle Formen mit Sein und Partizip Passiv, also Zustandspassiv und Perfekta, auf Sein zusammenstellt5. Er ist gestorben. (Resultativ – S:P). Er ist gegangen. (Perfekt – Sp). Er hat getanzt. (Perfekt – Sa). Das Subjekt zu Gehen wird durch die Hilfsverbkonstruktion wie das ursprüngliche Objekt eines transitiven Lexems im Zustandspassiv gekennzeichnet, das Subjekt zu Tanzen hingegen wie das Subjekt transitiven Perfekts. Bei einem lexikalischen Wechsel der Transitivität mit S=A verhält es sich anders. So bei: S=A ambitransitiv transitiv šapāru(m) schicken, schreiben

intransitiv schreiben (über)

Hier verändert sich das Subjekt nicht. Subjekt des intransitiven Satzes S und Subjekt des transitiven Satzes A entsprechen einander: S=A. Dieser Wechsel ist in Nominativsprachen unauffällig. Nur wenige akkadischen Verben weisen eine Entsprechung S=P auf, sie ist syntaktisch auffällig, weil der Wechsel der syntaktischen Rolle mit einem Wechsel des Kasus von Nominativ zu Akkusativ verbunden ist6. So: S=O ambitransitiv transitiv emēdu(m) anlehnen

intransitiv sich anlehnen

5.2.4 Relationale Typologie – Interaktionen von Kasus und Aspekt 5.2.4.1 Einleitung Neben der rein syntaktisch analysierbaren Relation (5.2.4.2) von Akkusativ- und Ergativsprachen, gibt es komplexere Relationen, die semantisch veranlagt sind (5.2.4.4). In der jüngeren Forschung setzt sich dabei die Erkenntnis durch, dass die syntaktischen Relationen, vor allem aber syntaktische Splits aus semantischen Relationen hervorgehen. Im Rahmen dieser Studie sind nur aspektsensitive Relationen von Interesse. Dabei spielt die Indizierung von Argumenten eine entscheidende Rolle. Indizierung (indexing) ist (mit Malchukov u.a. 2010: 8ff.) die Wiedergabe syntaktischer Argumente an

5 Solch eine der morphologischen Form entsprechenden Differenzierung für das Deutsche wird in Litvinov & Nedjalkov (1988) präsentiert. 6 In Ergativsprachen, wie dem Sumerischen, ist dieser Wechsel entsprechend syntaktisch unauffällig, weil S und P im Absolutiv stehen.

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der Verbalphrase, wie etwa des Subjekts in der akkadischen PK oder Subjekts, Objekts und anderer syntaktischer Elemente in komplexen sumerischen Verbalphrasen. Gegenstück hierzu ist die Kennzeichnung am syntaktischen Element (flagging) mit Kasusaffixen, Adpositionen usw. Die beiden Formen formaler Kennzeichnungen können in unterschiedlichen Ausprägungen in Sprachen begegnen. Mit zunehmender Zahl der Argumente kann es dabei zu Inkongruenzen zwischen indexing und flagging kommen, wie etwa bei der Korrespondenz von Ergativ und Terminativ-Lokativ zwischen Verb und Nomen im Sumerischen (Jagersma 2010: 465). Die Relationale Typologie ist eine Klassifizierung entlang der syntaktischen oder morphologischen Ausrichtung (alignment) der Sprache und ihrer Satzteile. Auf syntaktischer Ebene zählt hierzu etwa die Klassifizierung als akkusativisch oder ergativisch. Dabei gibt es in der Mehrzahl aller Sprachen eine interne Varianz, etwa im Spanischen mit differentieller Kennzeichnung des direkten Objekts, bei der ein belebtes (animated) Nomen mit a angeschlossen werden, ein unbelebtes zumeist ohne weiteres Element (García 2014: 1). In dieser Studie zum Aspekt spielt nur die Wiedergabe des Subjekts in der Verbalphrase aufgrund der begrifflichen Verflechtungen mit den Kategorien des lexikalischen und grammatischen Aspekts eine Rolle. Semantisch sind Systeme, wenn bereits die Argumente intransitiver Bildungen unterschiedlich gekennzeichnet werden. Von der grundlegenden Struktur des differential subject markings (DSM) in 5.2.3.4 ausgehend, lässt sich diese über einfache intransitive Syntagmen hinaus erweitern. Die differenzierende Kennzeichnung, die in Abhängigkeit von der Semantik des Verballexems, seltener der Verbalphrase ist, kann sich im Nominalsystem (als flagging) und im Verbalsystem (als indexing) unabhängig entwickeln. Für die Aspektlehre und auch für das Akkadische sind aber Splits in der Verbalmorphologie entscheidend, wie sie bei der SK oder dem indogermanischen Perfekt auszumachen sind. Betrachten wir zunächst den deutschen Sein: Haben Split intransitiver Verben mit Sein: Sp und Haben: Sa, so kann weiter differenziert und in (1) Verballexeme mit strikter Zuordnung, wie Gehen (Sp) oder Reden (Sa), und (2) solchen mit wechselndem Syntagma, wie Tanzen der Schwimmen, geschieden werden (Dixon 2000: 119ff.). Die erste Gruppe wird als split subject marking umschrieben (Dixon 2000: 120). Verben mit Nebeneinander beider Bildungstypen, wie Ich habe geschwommen und Ich bin geschwommen oder stationärem Ich habe getanzt aber translokativem Ich bin in den Raum getanzt werden unter fluid subject marking gefasst (Dixon 2000: 121). Ein rein intransitives Progressiv folgt dem Muster des differential subject markings. Bei der Übertragung auf transitive Bildungen führt dies in Ergativsprachen zum syntaktischen Tempus-Aspekt Split, wie im Sumerischen, bei Akkusativsprachen ist der semantische Prozess nicht sichtbar, da die semantische Relation mit der syntaktischen Relation des Nominativs korrespondiert (Coon & Preminger 2015: 35ff.). Neben diesem Wechsel zur syntaktischen Relation kann auch die ursprünglich nur bei intransitiven Verben wirkungsmächtige Differenzierung im Verbalsystem mit transitiven fortgeführt werden. Es kommt dann zu einem Verbalsystem mit einer Trennung in inaktive und aktivische Formen. Dabei kann ein Progressiv als gesonderte aktivische Form vorliegen oder ein Stativ als inaktive, perfektische Form. Die verschiedenen sprachtypologisch plausiblen Splits werden in Anschluss an 5.2.4.4 behandelt.

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5.2.4.2 Syntaktische Relationen Die Splits mit Ergativ und Akkusativ im Verbalsystem folgen oberflächlich der Dichotomie von Perfektiv und Imperfektiv. Sie sind syntaktisch veranlagt und unmittelbar aus den grammatischen Gegebenheiten heraus definiert. Dabei gilt – zunächst vereinfacht betrachtet –, dass in Ergativsprachen ein Imperfektiv akkusativisch und in Akkusativsprachen ein Perfektiv ergativisch gebildet werden kann. Die den syntaktischen Splits zugrundeliegenden Mechanismen sind erst im Kontext der Grammatik einer spezifischen Sprache zu deuten: “Importantly, it is not clear that any of these patterns really instantiate a split between ergative-absolute and nominative-accusative per se; that verdict might ultimately be a matter of terminology (e.g. whether one wants to call the marking on the P argument in non-ergative alignments ‘accusative’ even though it is identical to a marker that serves as oblique elsewhere in the language).” Coon & Perminger (2015: 12). So ist etwa das baskische Progressiv die akkusativische Form eines Tempus-Aspekt Splits. Tatsächlich ist es wie auch Progressive anderer Sprachen aus einer intransitiven Form abgeleitet (5.3.2). Die transitive Konstruktion ist sekundär und gleicht dem Englischen, in dem die syntaktische Struktur jedoch mit der (akkusativischen) Relation korrespondiert: “The difference is that in a nominative-accusative system, this insulation of the subject for case purposes has no effect on the marking of subjects: A and S arguments in a nominative-accusative system receive the same marking (nominative) regardless of whether or not a direct object is syntactically accessible.” Coon & Perminger (2015: 7). Entsprechend finden sich in Tempus-Aspekt Splits Reste eines ursprünglichen differential subject markings (5.3.6) intransitiver Verben, das um transitive Konstruktionen erweitert wurde, wie etwa im Sumerischen: “Subject and object marking in the imperfective inflection follows partly an accusative, partly a tripartite system, depending on the category of person. The forms for the third person follow a tripartite system, with three different affixes for the three categories transitive subject, direct object, and intransitive subject. For the third person singular human, for instance, the person suffix {e} (§14.5) expresses a transitive subject, the final person-prefix {n} (§13.2.3) a direct object, and the person suffix {Ø} (§14.4) an intransitive subject […].” Jagersma (2010: 361). 5.2.4.3 Tempus-Aspekt Split Sumerisch zeigt im Imperfekt eine Bildung mit Absolutiv als Agens und obliquem Argument als Patiens, wie etwa auch Samoanisch (Coon & Perminger 2015: 8ff.). D.h., dass das ursprünglich intransitive Imperfektiv ein transitives Objekt als obliques Argument in der Verbalphrase indiziert (Coon 2013: 209ff.), wohingegen etwa Baskisch mit doppeltem Absolutiv, d.h. Agens und Patiens mit gleichem Kasusaffix, indiziert (Coon 2013: 191). Solche Splits sind in Ergativsprachen gut belegt. Der entsprechende Split in Akkusativsprachen ist m.W. selten und folgt der Grammatikalisierung eines intransitiven Resultativs mit einem Agens als obliques Argument, z.B. im Mittelpersischen mit dem Bildungstyp der Hilfsverben h-/baw-: sein/werden und präteritalem Partizip (Sundermann 1989: 152ff.). Zur Wiedergabe transitiver Syntagmen wird bei diesen das Agens in peripherer Rolle realisiert

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(vgl. deutsch Er ist von ihnen besiegt [worden]). Der vorgebrachte Einwand, dass kein eigener Ergativ gebildet werde (Steiner 1976: 234f.), ist ein Trugschluss, denn auch in Ergativsprachen wird kein eigener Akkusativ gebildet. Tempus-Aspekt Splits sind also das Ergebnis einer sekundären transitiven Konstruktion intransitiver Formen, wie Progressiven oder Resultativen (Bubenik 2016). Zumindest die verbalen Splits syntaktischer Relationen sind daher Grammatikalisierungen semantischer Splits (Coon & Perminger 2015: 13)7. Die erweiterten transitiven Konstruktionen folgen dann entweder einer indifferenten Kasuskennzeichnung oder einer mit abweichenden Suffixen für das ergänzte Argument. So auch im Sumerischen mit einem eigenständigen Satz Affixe: “The forms for the first and second persons follow an accusative system, with one and the same set of person suffixes marking the transitive subject and the intransitive subject, while a direct object is expressed with a final person-prefix. For the first person singular human, for example, the personsuffix {en} (§14.2) expresses the subject in both transitive and intransitive forms, while the final person-suffix {÷} (§13.2.5) marks a direct object […].” Jagersma (2010: 362). Nie findet sich hingegen eine Gleichung von Ergativ und Akkusativ bei Splits, daher ist für die Analyse im Sumerischen – gegen Jagersma (2010: 360ff.) – Autoren, wie Attinger (1985 & 1993), Wilcke (1990a: 481) oder Edzard (2003: 84f.), zu folgen, die einen zumindest teilweise getrennten Satz von Objekt- und Ergativaffixen annehmen. Es ist praktisch davon auszugehen, dass allen Tempus-Aspekt Splits in Ergativsprachen Progressive und keine echten Imperfektive zugrunde liegen. Umgekehrt sind in Akkusativsprachen alle ergativischen Perfektive vermutlich aus intransitiven Resultativa grammatikalisiert, deren Subjekt aus einer ursprünglichen peripheren Realisierung des Agens, wie in passivischen Konstruktionen hervorgeht, wie etwa im Mittelpersischen als Musterbeispiel der Tempus-Aspekt Splits in Akkusativsprachen (s.o.). 5.2.4.4 Semantische Relationen Im Unterschied zu syntaktischen Relationen sind semantische Relationen vornehmlich im Bereich intransitiver Syntagmen untersucht worden (DeLancey 1985: 48f.). In der jüngeren Forschung setzt sich die Erkenntnis durch, dass sich Systeme mit Gliederung nach semantischen Relationen über intransitive Syntagmen hinaus fortsetzen (Donohue 2008: 74). Preminger & Coon (2015) haben aufgezeigt, dass die syntaktischen Splits (5.2.4.2) das Ergebnis der Grammatikalisierung intransitiver Konstruktionen sind, deren semantischer Split syntaktisch umgestaltet wird. Betrachtet man zunächst intransitve Splits, lassen sich diese über die formale Kennzeichnung ihres Subjekts beschreiben (Dixon 2000: 119ff.), dem differential subject marking (DSM), Verben mit Kennzeichnung ihres intransitiven Subjekts nach Vorbild des transitiven Agens (Sa) und Verben mit Kennzeichnung ihres intransitiven Subjekts nach Vorbild des transitiven Patiens (Sp). So bezeichnet im Lakota (Pustet & Rood 2008: 336ff.) etwa das 7 Theoretisch plausibel gilt dies analog für andere Splits der Relationen, z.B. beim Nomen, wie dem indogermanischen Neutrum mit doppeltem Absolutiv (Nominativ-Akkusativ), aber einem gesondertem „Ergativ“ im Hethitischen (Hoffner & Melchert 2008: 66f.).

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Präfix ma- die 1SG Patiens, das Präfix ya- die 2SG Agens am Verb, die Präfixverbindung ma-ya- bedeutet dann Du mich (…). Bei intransitiven Konstruktionen wechseln Verbalformen mit Präfixen, die das Agens ausschließen, mit solchen, die kein Patiensaffix erlauben. In aktivischer Relation kennzeichnet dann das Agenspräfix das Subjekt. In inaktiver Relation steht das Patienspräfix als Subjekt. Im mittelamerikanischen Otomi bezeichnen kombinierte Personen-Tempusaffixe das Agens transitiver Verben (Palancar 2008: 359) und Personalsuffixe das Patiens (Palancar 2008: 360). Bei den intransitiven Verben wechseln aktivische, suffixlose Formen mit inaktiven Formen, bei denen dann das Präfix der 3SG als reines TMA Affix Verwendung findet und keine Person kennzeichnet. Die beiden Beispiele zeigen, dass, wie bei syntaktischen Splits (5.2.4.2), nicht eine einfache morphologische Entsprechung bei semantischen Relationen hergestellt wird, die sich eindeutig auf das System z.B. akkusativischer Relationen übertragen lässt. Vielmehr begegnet beim DSM eine einzelsprachliche Ausgestaltung mit einer Lösungsstrategie nach den strukturellen Vorgaben der Sprache. Sie ähneln als solche den Verfahren der syntaktischen Splits (5.2.4.3). Ähnlich den syntaktischen Relationen ist also die Umsetzung eines differential subject marking nicht immer direkt zu erkennen. So ist etwa am Beispiel der deutschen Phrase von Sein mit Partizip Perfekt Passiv die Sp Kennzeichnung aus der semantischen Analyse herzuleiten (5.2.4.1). Das Patiens transitiver Verben erscheint bei diesen Konstruktionen als Subjekt. Daher sind auch die Konstruktionen mit intransitvem Verbalexem formal als semantisches Patiens zu deuten, die gemeinsame Eigenschaft von SeinPerfekt und Zustandspassiv ist also eine des DSM’s mit Sp Kennzeichnung (Litvinov & Nedjalkov 1988). Prinzipiell ähneln Resultativa und rein intransitive Progressive dem Verfahren im Lakota, die Resultativkonstruktion unterdrückt die Wiedergabe des Agens, das Progressiv die Wiedergabe des Patiens. Der Unterschied zum Lakota ist dabei formal und wird dort durch ein Morphem bewirkt, hier aber durch die semantische Eigenschaft des Stamms (z.B. STA oder indogermanisches Perfekt) oder der Periphrase bestimmt, z.B. durch die Verbindung von Kopulativverb mit Partizip Perfekt Passiv zum Resultativ oder mit am und Infinitiv zum Progressiv im Deutschen). Die Verben mit DSM zerfallen rein formal in zwei Haupttypen (5.2.4.1): (1) Dem split subject marking (Dixon 2000: 120) mit fester Zuordnung von Lexem und Subjektsmarkierung und (2) dem fluid subject marking (Dixon 2000: 121) mit einer Zuordnung nach Deutung des semantischen Gehalts in Abhängigkeit von Phrase oder Kontext. Im Pilaga (Vidal 2008: 420ff.) zeigen eine Reihe von Verballexemen ein Miteinander von aktivischer und inaktiver Bildung, worunter Lexeme wie Öffnen, Trocknen und Zerbrechen fallen. Dabei kommt es aber, ähnlich wie bei telischen Verben im in 4.6 angesprochenen Cayuga (Sasse 2000) zu einer Lesartendistribution mit resultativem Inaktiv, die ich unter split subject marking rechnen möchte und solchen mit einer rein semantischen Nuance, wie u.a. Sehen und verschiedenen translokativen Verben (Vidal 2008: 426), die unter dem Etikett des fluid subject markings zu begreifen sind, d.h. ohne Veränderung der Valenz oder des Situationstyps8. Dass im modernen eurasischen Raum und insbesondere im nordeuropäischen Sprachbund semantische Relationen nur eine geringe Rolle spielen hängt möglicherweise ursächlich mit 8 Eine formale Beschränkung des fluid subject marking auf Lexeme, die in nur einer semantischen Relation auftreten ist nicht zweckmäßig, denn darunter fallen in den verschiedenen Sprachen teils nur vereinzelte Verben, wie etwa im Akkadischen einige atelische Verben mit Ausschluss vom STA.

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dem Fehlen eines ausgeprägten flaggings zu Gunsten eines indexings zusammen (Nichols 2008: 121f.). Eine Ausnahme bilden hier in einigen Sprachen die Konstruktionen mit dativischem Subjekt, wie Me thinks, Mir ist kalt usw. Allerdings handelt es sich hier um marginale Bildungstypen semantischer Relationen, die aufgrund ihrer Struktur auf wenige Verballexeme beschränkt sind und man mit Bezug auf die tertiäre Rolle in der Valenz und ihrer Funktion als Rezipient als Sr Split bezeichnen kann9. Klassen mit ambiguer Relation sind innerhalb verschiedener Sprachen nach ihrer Semantik in spezifischen Varietäten gesondert zu betrachten. Ein Beispiel für Verben mit wechselnder semantischer Relation sind etwa Affektverben, so erlaubt englisch to hate in einigen Varietäten auch ein Progressiv. Zu den Affektverben, welche schon bei Homer häufiger mit synonymem Präsens wechseln, gehört etwa das Paar χαίρειν: sich freuen oder κεχαρηότα (Partizip Perfekt): sich freuend (Wackernagel 1920: 167). Nicht zu den semantischen Relationen gehören Formen ohne formale Differenzierung der Relation, wie etwa das indogermanische Medium, welches formal eine Derivation (und keine Suppletion) zum Aktiv ist und keine eigenständige Relation des Subjekts beibringt (Rix 1992: 240). Auch Konjugationstypen, deren Unterschiede auf ihre Stammbildung zurückzuführen sind, wie z.B. im Latein (Meiser 1998: 185ff.), sind nicht als Ausdruck semantischer Relation zu verstehen. Schwieriger verhält sich etwa mit den beiden anatolischen Konjugationstypen. Da der ḫi-Konjugation die Endungen indogermanischen Perfekts zugrunde liegen, wäre die Deutung als Opposition semantischer Relation naheliegend. Ein Modell einer solchen Strukturierung des Verbalsystems ist aber weder für den historischen noch rekonstruierten Sprachstand des Anatolischen bisher vorgelegt worden. Die folgenden Abschnitte 5.2.4.5ff. erläutern vier Splits semantischer Relationen. Sie sind für verschiedene Keilschriftsprachen und andere semitische und indogermanische Varietäten relevant und besitzen als solches keinen Anspruch auf eine vollständige Typologie verbaler Paradigmen mit semantischen Relationen. 5.2.4.5 Progressiv-Split Unter Progressiv-Split wird hier ein Sonderfall des Tempus-Aspekt Splits besprochen, der eine progressive und eine non-progressive Form unterscheidet. Die non-progressive Form umfasst Lesarten imperfektiver states und perfektiver dynamischer Situationstypen10. Der Progressiv-Split wird charakterisiert durch Vorhandensein einer imperfektiven Form mit semantischer Beschränkung hinsichtlich zuständlicher Verben (3.2.3), ohne dass eine das Imperfektiv komplettierende Form vorliegt, wie etwa im Akkadischen mit dem STA. Sprachen ohne gesondertes inaktives Imperfektiv vereinen in einer einzelnen Form – einem generalisierten Inaktiv (5.3.6.3) – sowohl zuständliche imperfektive wie auch perfektive Lesarten insgesamt. In diesem weiten Begriff eines Inaktivs ist die Form gekennzeichnet durch ein Subjekt, dass semantisch keine Handlung ausführt. Liegt ein einfacher Zustand vor, 9 Eine auch von der Kennzeichnung als Sa und Sp abweichende, aber solche Sonderformen berücksichtigende Etikettierung bietet Nichols (2008: 127ff.). In dieser Studie und m.E. für Studien zum Aspekt insgesamt sind solche differenzierten Aufstellungen nicht zielführend. 10 In der Aspektforschung als sogenannte state exist (u.ä.) Lesarten perfektiver Formen gefasst, ist diese Beschreibung unter dem Eindruck der ererbten imperfektiven Lesart aufzugeben, da diese entgegen u.a. Bybee u.a. (1994: 78f.) sich nicht später aus Formen entwickeln, sondern aus den frühesten Grammatikalisierungsstufen ererbt sind.

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ist die Form imperfektiv, liegt eine dynamische Handlung vor, ist die Form perfektiv und betrachtet das Subjekt in Relation zu einer abgeschlossenen Handlung, wohingegen das Progressiv das Subjekt im Moment des Handlungsverlaufs ansieht. Die Abgeschlossenheit der Handlung ist ungeachtet der nachfolgenden Situation inaktiv, d.h. auch bei ingressiver Lesart mit nachfolgender dynamischer Handlung ist das Subjekt hinsichtlich des Situationswechsels (eines achivements) inaktiv. Ein solch – scheinbar exotischer – semantischer Split begegnet in der Opposition von englischem simple und progressive tense, von sumerischem ḫamṭu und marû Stamm und westsemitischen Perfekt und Imperfekt, wie im Bibelhebräischen11. Diese drei repräsentieren in Hinblick auf die Gesamtstruktur drei Variationen des Progressiv-Splits. Dem Bildungstyp liegt die Struktur eines syntaktischen Tempus-Aspekt Splits zugrunde – aufgrund der grammatischen Akkusativstruktur bleiben sie im Englischen oder Bibelhebräischen rein semantisch und sind syntaktisch unauffällig: “[T]he underlying mechanisms responsible for these splits are not a special property of ergative-patterning languages; the phenomena above are also found in predominantly nominative-accusative languages (for example, the progressive construction in Dutch and the English conative alternation). The difference between, e.g., Samoan on the one hand and, e.g., English on the other, is that—by definition—transitive and intransitive subjects are marked alike in a nominative-accusative system, making it impossible to see what would otherwise be a split in subject marking.” Coon & Perminger (2015: 13). Sumerisch zeigt im Rahmen der Stammbildungen die Opposition von Progressiv und Inaktiv, die sich als Paar von Progressiv und kombinierter Perfektiv/Zustandsform äußert (Krecher 1995: 143). Zu nicht völlig geklärten Verwerfungen kommt es aber beim oberflächlich perfektiven Verb tùm: bringen im imperfektiven Syntagma (Jagersma 2010: 366ff.) oder in Verbindung mit Präfixen, wie z.B. ba- (Jagersma 2010: 389ff.) mit einem Einfluss auf die Valenz des Verbs12. Unter den westsemitischen Sprachen ist das Bibelhebräische von besonderem Interesse, denn es hat hier im Narrativ noch die ursprüngliche Kurzform der PK im non-modalen Kontext als perfektive Form erhalten. Das inaktive Perfekt, d.h. die SK, ist die Form der imperfektiven Zustände mit formal differenzierter Transfigierung und der perfektischen Lesart dynamischer Verben. Die Distribution von Narrativ und dynamischem Perfekt ist dabei der von Präteritum und Perfekt im Deutschen vergleichbar. Die bibelhebräische SK ist lediglich durch den Ausschluss des Gebrauchs als Kettentempus vom Narrativ gesondert und hat sonst bereits alle perfektiven Lesarten übernommen. Aufgrund der genetischen Verwandtschaft von PRT mit Narrativ und STA mit SK lässt sich auf eine größere diachrone Grammatikalisierung schließen, die von einem Imperfektiv-Split (s.u.), wie im Akkadischen, zu einem Progressiv-Split führt – mit der Zwischenstufe des Bibelhebräischen, das das 11 Dabei ist der hebräische Narrativ, d.h. das non-modale Perfektiv als im synchronen Bestand marginale Form anzusehen. Dieser Ansatz ist berechtigt, weil etwa in jüngeren Texten, der Narrativ auch von der imperfektiven Form gebildet wird, d.h. das Präfix alleiniger Merkmalsträger wird. 12 Möchte man tùm als dynamischen Inaktiv verstehen gehört es in die Gruppe der Lexeme, der im Sumerischen im Allgemeinen nur die Zustandsverben angehören (s.o.).

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Perfektiv als Kettentempus noch bewahrt hat. Zugleich stellt es den Bildungstyp des Narrativs mit Präfix bzw. präfigierter Partikel in den arealen und sprachtypologischen Kontext der Perfektive mit Tempuskennzeichnung, zu denen die augmentierenden indogermanischen Sprachen des Indoiranischen und Altgriechischen gehören 13. Komplexer wird dieses System durch das Vorhandensein einer perfektzeitlichen Form (4.6.4), welche die Opposition von Progressiv und Inaktiv fortsetzt, wie im Englischen mit einem einfachen Perfekt und einem Perfekt zum Progressiv (have been doing). Dies ist ein deutlicher Beleg dafür, dass ein extended-now (XN) Perfekt intervallsemantisch nicht eine Unterklasse der dichotomen Aspekte ist und auch nicht ohne weiteres im Rahmen der inaktiven Semantik der Resultativkategorie zu begreifen ist. Sprachtypologisch sind unter den Progressiv-Split auch die altgriechischen Paare von medialem Präsens und aktivem Aorist zu zählen, die zumeist bei Verben sinnlicher Wahrnehmung im Altgriechischen formal der oben genannten Opposition von Perfekt und Präsens folgen. Hierzu gehören Verben wie δέρκομαι: ἔδρακον:: sehen oder πτάρνυμαι: ἔπταρον:: niesen. Sie sind als solche aber weniger stark ausgebildet und beschränken sich auf dynamische Lesarten und setzen dabei die dem Präsens sprachtypologisch inhärente progressive Semantik fort, weswegen das Medium mit niedriger semantischer Agentivität den lexikalischen Partner des aktiven Perfektivs stellt. Ein vom Medium formal gesondertes Passiv kennen im Altgriechischen nur Futur und Aorist (5.3.1.2). Unterstellt man beiden eine perfektive Aktionsartenbildung (Kap. 3.3.3), so ergibt sich daraus, dass ursprüngliche eine Detransitivierung im Aorist vorgelegen hat, der in Verbindung mit Präsensstamm eine Transitivierung entspricht, weswegen aktiver Aorist medialem Präsens und mediales Futur aktivem Präsens entspricht. Diese synchron widersprüchliche Struktur kann bei einer grundlegenden Semantik des Futursuffixes als Konjunktiv des sigmatischen Aorists (3.3.3) als strukturbedingte Alternanz erklärt werden. Im Aorist wird die sigmatische Aktionsart durch die Opposition paradigmatisch ausgeglichen. Dabei kommt es im Rahmen des semantischen Wandels zu einer Reduzierung auf den aspektuellen Gegensatz. Die ursprüngliche Aktionsart des sigmatischen Aorists ist hingegen noch im homerischen Sprachgebrauch zu erkennen, wo transitiver sigmatischer Aorist und intransitiver Aorist II bei Verben wie ἔρρηξε: zerreißen (transitiv) und ἐρράγεν: zerreißen (intransitiv) wechseln (Wackernagel 1920: 138). Im Futur hingegen bleibt der enge formale Bezug zum Präsensstamm bestehen. Zugleich wird das Futur mit der Primärendung gebildet, die semantisch eindeutig als progressives Suffix zu begreifen ist (5.3.6) und daher ursprünglich nur agentive Argumente in Subjektsrolle erlaubt. Diese verlangen bei intransitivem Präsens mit Subjekt von niedriger Agentivität eine Transitivierung, die durch die mediale Bildung korrigiert wird. Im Ergebnis ist die Entsprechung von Futur und Aorist vergleichbar der akkadischen Opposition von PRS und D-Stamm. Akkadisches PRS und griechischer Aorist entwickeln sich entlang der Tempus- und Aspektsemantik. D-Stamm und griechisches Futur erhalten hingegen das Merkmal der aktivischen semantischen Relation, die als solche noch in den medialen Futurstämmen des Griechisch und kausativen Verben des D-Stamms deutlich hervortritt. 13 Inwieweit eine wechselseitige Beeinflussung der genannten Sprachen vorliegt, ist eine Fragestellung der arealen Typologie. Mit den genetisch verwandten Sprachen der Region des vorangehenden Jahrtausends lässt sich zugleich prüfen, wie bzw. ob diese Bildungstypen auf topikalisierende Partikel zurückzuführen sind, wie sie u.a. Anatolisch und Ägyptisch begegnen.

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5.2.4.6 Imperfektiv-Split Unter Imperfektiv-Split wird hier die Struktur gefasst, in der zwei Imperfektive, d.h. eine progressive und eine resultative Form, stehen, die von perfektiven oder perfektiv-perfektischen Formen ergänzt werden. Hier werden also syntaktisch imperfektive Lesarten formal in ein aktives Progressiv und einen inaktiven Stativ getrennt. Im Akkadischen ist er in den umgangssprachlichen Varietäten praktisch nur als state bezeugt. Einzige regelmäßige Ausnahme bildet assyrisch der STA zu našāˀu(m): tragen (7.4.3). Vornehmlich literarischen Texten sind Belege für dynamischen und atelischen STA zu entnehmen, der vermutlich auf Lexeme ohne wahrnehmbares bzw. diskursrelevantes Resultat beschränkt ist (5.3.8). Im homerischen Perfekt treten vor allem Verben unwillkürlicher oder affektiver Art als dynamische Belege neben Formen zuständlicher Lesart auf (4.6.6). Die irokesischen Sprachen, wie etwa das Cayuga (Sasse 2000), zeigen einen weitergehenden Gebrauch der inaktiven Form, wobei im Cayuga der Stativ das gebräuchliche Imperfekt der meisten atelischen und auch einiger telischer Verben ist und der Progressiv, von generischen Lesarten abgesehen, vornehmlich dort Verwendung findet, wo der zugehörige Stativ zustandspassiv bzw. resultativ ist (Sasse 2000: 219). Schließlich fehlen einigen Verben im Altgriechischen eigene Präsensformen zum Perfekt. Hier ist das inaktive Perfekt die einzige imperfektive Form. Neben οἴδα: wissen etwa noch δέδοικα: ich bin in Furcht wozu nur homerisch noch ein Präsens δείδω in gleicher Bedeutung begegnet14. Insgesamt nimmt deren Zahl im Verlauf der griechischen Sprachgeschichte aber ab (Wackernagel 1920: 169). Ähnliches gilt für das Cayuga (Sasse 2000: 199f.). Hier unterscheidet sich das Akkadische, in dem einige Lexeme nur selten und teils mit abweichender Bedeutung auftreten, wie alik: kundig sein statt *gegangen sein oder gar nicht belegt sind, wie rapādum: laufen (GAG § 77), zu dem nur im D-Stamm auch ein STA begegnet (11.2.4). Die Entwicklung im Akkadischen in späteren Varietäten (4.6.6.3) spricht für eine weitere Ausbreitung dieses Splits ohne Wechsel in einen Progressive Split wie im Westsemtischen oder Sumerischen. Diese Entwicklung wird durch die Grammatikalisierung einer neuen rein perfektiven Form unterstützt, d.h. dem PRF, die sich bereits altbabylonisch und altassyrisch weit ausgebreitet hat und durchaus in kausalem Zusammenhang mit dem Schwinden dynamischer Lesarten des STA gesehen werden kann. Betrachtet man die Beschränkung imperfektiver SK Belege im Westsemitischen auf die Gruppe der Zustandsverben und den Erhalt des perfectum intensivum im Altgriechischen, so ist neben der Unterscheidung von (reinem) Resultativ und Stativ eine untergeordnete Trennung von Stativ und Intensiv zu erwägen (4.8.3). 5.2.4.7 Perfekt-Split Das suppletive Paradigma intransitiven Perfekts im Deutschen mit Sein oder Haben ist Ausdruck einer differenzierten Markierung des Subjekts, mit der das Auxiliar als Träger der Flexionsmerkmale kongruiert. In einer Begriffsauffassung semantischer Relation, die auf dem DSM Prinzip aufbaut, ist das Deutsche allgemeine Referenz für diese Form des perfektinternen Splits.

14 Nämliches Präsens ist eine phonologisch bedingte Ausnahme und wohl aus δείGRLDkontrahiert

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Gegen eine Zuordnung hierunter ist u.a. Donohue (2008: 33f.) anzuführen. Dieser begründet den Ausschluss deutschen Perfekts aus dem Begriff der semantischen Relation auf einer rein lexikalischen Zuordnung, die keine Interaktion mit anderen nominalen oder verbalen Relationen in der Sprache zeigt. Dagegen ist einerseits die rein formale Differenzierung des Verbs anzuzeigen, die sich im Rahmen eines indexings äußert. Diese korrespondiert mit einer semantischen Zuordnung, die sich nach der lexikalisch veranlagten Agentivität richtet. Ferner ist die Sein-Phrase mit Partizip Perfekt Passiv selbst Teil eines Splits in Opposition mit resultativem Zustandspassiv, bei dem das lexikalische Objekt in die Subjektsrolle promoviert wird. Die Kennzeichnung des zustandspassiven Subjekts folgt dabei einer Sp Indizierung, die entsprechend auch das Sein-Perfekt als Sp indexing begreifen lässt. Eine von Donohue angedachte Auslagerung in den Bereich der Unakkusativität (1.3.4.2) ist irreführend, denn diese Zuordnung führt direkt auf eine Teilbedeutung dieser Terminologie, die der des DSM entspricht (Dixon 2010: 155f.), d.h. es kommt zur reinen Umetikettierung ohne begriffliche Neufassung. Der reine Perfekt-Split selber zeigt wesentliche Ähnlichkeiten zu Splits mit Beteiligung perfektischer Formen. Diese sind (1) ein Split in imperfektive (Zustandspassiv) und perfektzeitliche (Sein-Perfekt) Lesarten, wie im späteren Altgriechisch oder der westsemitischen SK, (2) die resultative Wiedergabe telischer Lexeme, wie im homerischen Griechisch oder im Akkadischen, und (3) eine Tendenz zur paradigmatischen Trennung und Ausgleich des formalen Bildungstyps, wie etwa im Latein mit dem Perfekt historischer und präsentischer Bedeutung, das zuletzt in den Folgesprachen zum rein perfektiven Formenstamm wird (Wackernagel 1920: 186) oder im Englischen mit Tilgung des to be Perfekts aus dem Paradigma. 5.2.4.8 Präsens-Split Schwieriger zu charakterisieren sind komplexe Befunde mit Überlagerungen von Tempus und Aspekt, wie im Latein oder Koine-Griechischen. Hier begegnet ein Perfekt, dass sowohl als Inaktiv zum Präsensstamm als auch als Perfektiv Verwendung findet. Dabei ist das lateinische Perfekt zugleich allgemeines Perfektiv, wohingegen das griechische Perfekt als old anterior erscheint und keinen Anteil an der sequentiellen Taxis besitzt (4.8.3.6). Anders als beim Progressiv-Split sind aber die Formen des Präsensstamms nicht eindeutig auf eine progressive Lesart zurückzuführen und die Distribution rein lexikalisch zu bestimmen. Inwieweit hierbei besondere Distributionsprinzipien oder allgemeinsprachliche Strukturregeln wirkungsmächtig sind, ist mir unklar. Ob etwa das Nebeinander von perfektzeitlichen Lesarten eines old anterior und inaktiver imperfektiver Lesart für einen solchen Präsens-Split charakteristisch ist oder ein areales Phänomen des Koine-Griechisch und klassischen Latein bedarf eingehender Studien und der vorangehenden Erschließung geeigneter und vergleichbarer Strukturen in anderen Sprachen, welche mir nicht bekannt sind. 5.2.4.9 Zusammenfassung Die oberflächliche Zweiteilung in syntaktische und semantische Relationen im Verbalparadigma zeigt, dass die syntaktischen Sonderfälle Erweiterungen zu den semantischen Relationen sind, wie sie Progressiven und Resultativen zugrunde liegen.

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Die Ausgestaltung der semantischen Splits ist in ihrer Breite hier nur heuristisch erfasst, folgt aber einem klar erkennbaren Muster aktivischer Progressive und inaktiver Perfekta 15. Die wesentlichen Varianten folgen dabei der Grammatikalisierung der beiden Formen im Rahmen ihrer diachronen Entwicklung. Die hier zusammengetragenen Varianten sind dabei wesentlich durch die heterogenen Entwicklungen resultativer Formen bestimmt, die zum einen als rein perfektzuständlich oder -perfektzeitlich auftreten oder einen Split beider Lesarten besitzen (5.2.4.7), zum anderen inaktive und perfektive Lesarten als old anterior zusammenfassen können (5.2.4.5). Die Formen inaktiver Relation und ihrer semantischen Merkmale sind dementsprechend zentrales Thema des Abschnitts zu Relationen im Kontext der Aspektsemantik (5.3.6). 5.2.5 Syntagmatische Ergänzungen 5.2.5.1 Temporal- und Lokaladverbien und Syntagma Temporal- und Lokaladverbien sind mit den meisten Verballexemen und Verbalformen frei kombinierbar und können zugleich den Satzaspekt modifizieren oder bestimmte Verbalformen verlangen. In Interaktion mit der Semantik können sie auch generische Lesarten bezeichnen (3.2.3) oder ausschließen. Temporaladverbien bringen zwar eine zeitliche Begrenzung, aber keine telische Semantik bei. In Verbindung mit atelischen dynamischen Verben ergibt sich eine (perfektive) delimitative Lesart, wie sie in Verbindung von perfektiven Formen mit activities möglich ist (5.4.2). Entgegen Viguier (2013: 43) sind daher Adverbien wie en une minute lediglich delimitativ und bringen m.E. selbst keine Telizität zu vorher nicht bereits telischen Satzverbindungen bei. Unterscheidet eine Sprache zwischen durativen und kompletiven Adverbien, wie das Russische (Rappaprt 1997: 251f.) oder Deutsche, lassen sich atelische Lesarten an der Verbindung mit durativen Adverbien erkennen (z.B. He ran for an hour), telische Lesarten an der Verbindung mit kompletiven Adverbien. Regelmäßig fällt eine intervallsemantische Unterscheidung telischer Situationstypen im Perfektiv bei letztgenannten aus. Daher können achivements (He arrived in an hour) wie accomplishments (He wrote the letter in an hour) syntaktisch kompletiv gebildet werden (5.4.2) und der Unterschied ist dann nur semantisch zu erschließen. Prinzipiell lassen sich zwei Strukturmodelle im Rahmen der Situationstypen und Aspekte beobachten. Diese sind (1) eine Restriktion der möglichen Aspekte und Situationstypen aufgrund der Temporaladverbien, wie im Englischen und Deutschen, oder (2) eine Spezifizierung der adverbialen Semantik durch die Verbalphrase, wie im Akkadischen, welches keine strikte Trennung kompletiver und durativer Adverbien beibringt. Lokaladverbien implizieren einen s-level (5.3.3), doch kann diese Regel bei inhärent ortsspezifischen Aussagen und sogenannten schicksalshaften Verknüpfungen verletzt werden. Die durch die Adverbien geleistete generische Klassifizierung ist also abhängig von 15 Daher findet sich kein Split der die Opposition von SK zur PK als Ganzes erfasst, obwohl strukturelle Prozesse dieser Distribution u.a. in 10.3 diskutiert werden. Es fehlt hier aber m.E. an einem einheitlichen Begriff unter denen die bestimmenden Merkmale erfasst werden können und daher ist die Verteilung in dieser Arbeit gesondert nach einer Opposition zu progressiven und perfektiven/perfektischen Formen erfolgt.

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der Semantik der Verbalphrase. Schicksalhafte Ereignisse sind etwa im deutschen Resultativ mit Lokalangabe möglich, obwohl das deutsche Zustandspassiv solche Adverbien meist kategorisch ausschließt. Möglich sind daher z.B. Er war bei Verdun verwundet (Litvinov & Nedjalkov 1988: 139) oder Er ist hier besiegt, aber ?Die Vase ist hier zerbrochen. Dabei sind die Ortsadverbien als Lokalisation des Ereignisses zu verstehen und entsprechen der Verknüpfung von Lokaladverb und STA zu Sterben: Er ist hier gestorbenSTA (10.4.3). Ortsgebunden sind unbewegliche Objekte, wie Siedlungen, Landschaften, Gebäude usw. Sie können daher ohne Einschränkung in Verbindung mit Ortsadverbien verknüpft werden und behalten ihren andauernden (i-level) Charakter, wie Florenz liegt in einem breiten Tal. .

5.2.5.2 Telizität und Syntax Im Unterschied zu zumeist inhärent telischen achievements (3.2.5) gibt es sprachtypologisch nur wenige lexikalisch inhärente accomplishments. Innerhalb der durativen dynamischen Verben ist die Telizität prototypisch durch die Struktur der Verbalphrase und insbesondere ihre Objektargumente bestimmt, also syntagmatisch veranlagt. Dies betrifft vornehmlich transitive Verben. Daher sind lexikalisch differenzierte accomplishments und activities zumeist im Bereich der intransitiven Verben anzutreffen. In Verbindung mit modalen Adverbien können verschiedene Ambiguitäten aufgehoben werden. Die Zusammenhänge sind jedoch einzelsprachlich und lexikalisch zu erfassen, und mir sind keine regelmäßigen Bezüge für das Akkadische bekannt, mit denen sich etwa konative und kompletive (5.4) Lesarten sicher trennen lassen, wie z.B. im Englischen mit quickly: “The whole event reading is only available with telic events; when quickly occurs with atelic events as in (18a), the only reading available is that the manner in which John pushed the cart was quick (18a versus 18b). (18) a. John pushed the cart quickly. b Manner reading: John moved fast while he was pushing the cart. c. *Whole event reading: the event of pushing the cart took a short period of time.” Thompson (2005: 165; Hervorhebung im Original). Der Rückgriff auf Adverbialphrasen zur Prüfung aspektueller Eigenschaften hängt insgesamt von drei Grundprämissen ab. Diese sind (1) ein Katalog der semantischen Differenzierung der Adverbien, z.B. von kompletiver und durativer Bedeutung, (2) eine ausreichende Beleglage zur kontrastiven Gegenüberstellung in möglichst kleinteiliger Zusammenstellung sprachlicher Varietäten und (3) ein allgemeiner Katalog der aspektuellen Lesarten und der Wiedergabe nicht aspekt-affiner Situationstypen, welcher als einziges der genannten Voraussetzungen Teil dieser Studie in den Kap. 6ff. ist. 5.2.6 Taxis 5.2.6.1 Einleitung Taxis begegnet nicht als eigenständige grammatische oder syntaktische Kategorie, sondern als Merkmal von Tempus- und Aspektformen. Terminologie und Begriff wurden durch Jakobson definiert: “Taxis characterizes the narrated event in relation to another narrated event and without reference to the speech event.” Jakobson (1957: 135).

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Breu (2000: 32) nennt die drei klassischen Beziehungen der Taxis: (1) Gleichzeitigkeit der Handlungen, (2) Abfolge von Handlungen sowie (3) Einbettung der Handlung. Sie sind um eine vierte zu erweitern, in denen der imperfektive auf einen perfektiven Aspekt folgt und die etwa in den romanischen Sprachen belegt ist (Vising 1888). Die Bezeichnung Taxis ist sprachtypologisch im weiteren Diskurs der EUROTYPE Forschung zu verorten und findet sich etwa in Breu (2009), Sasse (2002) oder Siľnickij (1999). In ihrem Zeitbezug ist die Taxis zu Aspekt und Tempus komplementär. Tempus charakterisiert den formalen deiktischen Zeitbezug und Aspekt den inhärenten und funktionalen zeitlichen Aufbau der Situation. Aspekt verweist also auf verbinhärente referentielle Zeitbezüge. Der deiktische Bezug der Tempora ist unabhängig der internen zeitlichen Struktur in Relation zum Sprecher. Taxis ist hingegen eine strukturelle Beziehung der unterschiedlichen Situationen und der Relation ihres Zeitverhältnisses (Maslov 1988: 64). Entsprechend findet sich bei Maslov eine präzisere über Jakobson hinausgehende Definition des Begriffs “Taxis is a category which defines the "action" denoted by the predicate in terms of its relations with another "action", named or implied in the given utterance, that is, the chronological relations between them (simultaneity, precedence or sequente), and also the opposition of the secondary "action" to the principal one.” Maslov (1988: 64). 5.2.6.2 Klassische Taxis Die vier Formen der klassischen Taxis umfassen die Sequenz, Gleichzeitigkeit, Inzidenz und Resumptivität. Sie werden bestimmt durch das Syntagma der aspektdichotomen Formen. Dabei entsprechen sich Progressiv und Imperfektiv im Gebrauch und zeigen m.W. allgemeinsprachliche Unterschiede nur im geringeren Gebrauch zum Ausdruck der Gleichzeitigkeit und Inzidenz, weil diese zumeist mit einer vom Progressiv nicht geleisteten backgrounding Funktion einher gehen und somit entsprechend seltener auftreten, wo es kein voll grammatikalisiertes Imperfektiv gibt (4.2.9). Die Gleichzeitigkeit verlangt ein Miteinander von imperfektiven Formen, auch wenn die Ereignisse explizit als abgeschlossen zu verstehen sind. Es begegnet in dieser Funktion allgemeinsprachlich, z.B. beim griechischen Imperfekt (McKay 1974: 143) oder auch im Latein (Menge 2000: 631). In Funktion der abgeschlossenen Handlung bei Gleichzeitigkeit ist ferner die imperfektive Konstruktion des ägyptischen Wechselsatzes anzuführen (Schenkel 1994: 177ff.). Diese Funktion ist auch bei Progressiven, z.B. im Sumerischen belegt: “More specifically, the imperfective can be used to express an action which is simultaneous with the action or state expressed by the preceding.” Jagersma (2010: 378). Nach Vorbild des Altgriechischen und Mittelägyptischen begegnet auch im Akkadischen das PRS in inhaltlich abgeschlossenen Handlungen, die untereinander in ganzer oder teilweiser Gleichzeitgkeit stehen, so etwa im Gilgamesch Epos: d d tarkull-ī ÌR.RA.GAL i-nassaḫ i-llak NIN.URTA PfostenPK.3DN PK.3-Gehen\PRS DN OBL.PL Ausreissen~PRS Errakal riß heraus die Pfosten, Ninurta ging vorbei (…). Gilg. XI, 102f.

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Folgen die Handlungen einander, steht als reguläre Form im Kontext der sequentiellen Taxis eine perfektive bzw. präteritale Form: „Zwei oder mehr Handlungen, die zeitlich aneinander anschliessen, – der Terminus der russischen Grammatik lautet Handlungskette – werden im perfektiven Aspekt bezeichnet.“ Tichy (1999: 129). Anstelle dieser sind imperfektive Formen seltener möglich. Deren Verwendung in der sequentiellen Taxis ist an zwei Bedingungen geknüpft: (1) Ein besonderer Kontext, der die Verwendung einer imperfektiven oder präsentischen Form erlaubt, und (2) eine entsprechende Grammatikalisierung der Form. Eine systematische Zusammenstellung auf allgemeinsprachlicher Ebene fehlt. Die geläufigen Kontexte betreffen die Verwendung des praesens historicum z.B. im Latein, das konstatierende Imperfekt im Russischen (4.2.5) oder das narrative Imperfekt im Französischen (4.2.6). Im Unterschied zum Perfektiv verorten sie die Handlung in einer bereits angeführten Zeit und bieten keinen kontextuellen Fortschritt (Viguier 2013: 88). Der scheinbare Wiederspruch zu ihrer Verwendung in sequenzieller Taxis ist praktisch so zu erklären, dass die imperfektive Handlung die Ausführung eines Gesagten oder Vorhergesehenen erklärt, wodurch eine zeitliche Verortung gegeben ist. So folgt etwa der Gebrauch des Imperfekts in altpersischen Texten (4.2.4) dem Prinzip einer Darstellung der Handlungssequenz, die durch den Erzähler, hier den König, durch Bericht oder Wahrnehmung erfahren worden ist, also eine Information erster Hand, für die der Sprecher selbst Zeuge ist. Die wenigen Aoristbelege im Altpersischen verweisen hingegen auf eine mythische Schöpfungszeit, die der direkten Wahrnehmung oder Augenzeugenberichten entrückt sind. Sie sind also weder unmittelbar noch durch Hörensagen, sondern durch Überlieferung zu einem Allgemeinwissen geworden und sprachtypologisch allenfalls als old anterior aber nicht als vollständig grammatikalisiertes Perfektiv anzusehen 16. Hier ist zu beachten, dass durch den Kontext und gewisse Adverbien perfektive Formen auch zur sequentiellen Abfolge quer angeordnet werden können und dies kein Ausdruck einer perfektischen Semantik ist, wie sich am Gebrauch im Französischen zeigt, dessen passé simple eine gegenwartsbezogene Lesart ausschließt, aber eine Abweichung vom sequentiellen Ordnungsprinzip erlaubt (Viguier 2013: 117). Die Einbettung oder Inzidenz der Handlung beschreibt das Einsetzen einer zweiten (perfektiven) Handlung während einer imperfektiven Handlung. Die Semantik der imperfektiven Handlung wird dadurch modal konnotiert und kann auch unterbrochen werden (Dowty 1979: 150). Die Nachwirkung des imperfektiven Aspekts ist dann eine rein diskursive: „[D]ie Handlung geht zwar nicht weiter, wohl aber die Stilwirkung des Imparfait als ein Neugier erregendes Moment.“ Pollak (1988: 136). Das Inzidenzschema ist unmittelbar in der Apsektsemantik der Formen veranlagt und tritt etwa auch im Gebrauch der altgriechischen Infinitive hervor, in denen der Aorist die Haupthandlung, das Imperfekt die Nebenhandlung zum Ausdruck bringt (Wackernagel 1920: 175).

16 Der Distribution von Imperfektiv anstelle Perfektivs liegt eine evidentiale Bedeutung zugrunde. Zu den Einzelheiten der semantischen Bezüge – soweit diese geklärt sind – s.u. 5.3.2.

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Insofern die Inzidenzbasis eine Nuancierung als Hintergrund des Handlungsverlaufs zeigt, ist das Inzidenzschema in Sprachen mit Progressiv entsprechend seltener zu erwarten 17. Eine vierte Form der Taxis ist für Semitistik und Akkadistik von besonderem Interesse. Strukturell ist diese das Gegenstück zur Inzidenz, d.h. die Folge eines Imperfektivs auf das Perfektiv mit explikativer oder kausaler Funktion des imperfektiven Aspekts, wie er in Verbindung mit dem PRS in der akkadischen Epik begegnet (Streck 1995b: 56ff.) oder auch in den romanischen Sprachen. So im Französischen: „Das Imparfait in explikativer Funktion bezeichnet demnach kein aktionales Novum, keine neue Etappe in der sukzessiven Reihung der Fakta; es ist dem vorangehenden Passé simple, dem eigentlichen Träger der Vorgangsdynamik, in erläuternder Funktion zugeordnet.“ Pollak (1988: 136f.). Diese Form eines resumptiven Imperfektivs findet auch Verwendung im Gebrauch des altgriechischen und lateinischen Präsens, welcher als solches dem des semitischen Umstandssatzes entspricht: Hier beschreibt das Präsens (trotz eines sonst obligatorischen Futurs) den gleichzeitigen Begleitumstand eines zukünftigen Ereignisses, steht also in Verbindung mit dem Futur (Wackernagel 2010: 162). So bei Thuk. VI 91, 3: „[…] „wenn die Stadt wird genommen sein, so hat man ganz Sizilien“. Im Deutschen sagt man ohne weiteres so, aber es ist damit ein zukünftiges Haben ausgedrückt; […].“ Wackernagel (2010: 162). Wie diese Konstruktion bei Sprachen ohne Tempus verwendet werden, kann zeigt etwa das Akkadische mit einem Präsens des Begleitumstands, wie in ittašab ibakki: Er setzte sichPRF und weintePRS dabei (Streck 1995b: 56ff.). Hieraus lässt sich darauf schließen, dass diese vierte Form der Taxis bereits im Progressiv veranlagt ist und anders als die Diskursfunktion des backgroundings keine erst im Imperfektiv voll entwickelte Eigenschaft. Semantisch kann diese als konsekutiv von der ihr ähnlichen sequentiellen Lesart unterschieden werden, begegnet aber selbst nicht bei perfektiven, sonder nur bei imperfektiven und perfektzeitlichen Konstruktionen. Die Ausnahme zu dieser Regel sind optativische Formen, wie die des Prekativs, denen formal eine perfektive Semantik zugrunde liegt (5.3.3.2). Sie erlauben eine resumptive Lesart in finaler Bedeutung18. 5.2.6.3 Taxis und Perfektzeit Eine allgemeinsprachliche Besonderheit in der Entwicklung der sequentiellen Taxis betrifft die Verdrängung einer perfektiven oder präteritalen Form durch ein Perfekt. Diese Verdrängung geschieht in Abhängigkeit von Varietät, Textgattung und Komplexität des Kontexts. Praktisch bedeutet dies, dass in gehobenen und längeren Passagen schneller ins Präteritum gewechselt wird als in kurzen Passagen mit nur ein oder zwei verbalen Prädikaten und in umgangsprachlichem Kontext. Präteritum oder Perfektiv werden zur Form des Kettentempus (Latzel 1974), das Perfekt allgemeines old anterior außerhalb der Narration (Dahl 1996: 17 Vergleichende Auswertungen fehlen m.W. Im Akkadischen ist das Inzidenzschema von PRS und PRT aber derart selten, dass Streck anhand seiner Studie für das Spätbabylonische noch dessen Fehlen für das Akkadische postuliert hat (Streck 1995a: 240541). 18 So z.B. im Altgriechischen (Wackernagel 1920: 238).

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365f.). Die Verdrängung eines Perfektivs gleicht der eines Präteritums durch ein Perfekt und vollzieht sich sukzessiv und ist Teil der Taxis in komplexen Handlungssequenzen. So beschreibt etwa Campbell die Kontexte, in denen das Perfekt anstelle des Aorists im KoineGriechischen begegnet als „Diskurs“ im Unterschied zu narrativem („mainline“) Kontext des Aorists19: “The default position of the aorist indicative is within mainline material. […]. The default position of the present and perfect indicative is direct, indirect, or authorial discourse.” Campbell (2007: 241). Siľnickij (1999: 302) begreift auch die charakteristische Funktion des perfektzeitlichen Perfekts als eine der Taxis und erklärt die Vorzeitigkeitsfunktion also als gesondert von Aspekt und Tempus. Dabei kommt es zu einer Interferenz mit der Taxis des imperfektiven Aspekts: „Sätze im Perfekt oder Plusquamperfekt bei transformativer Proposition können tatsächlich den Inhalt ‚Handlung im Verlauf‘ realisieren, vgl.: (2) Während sie das Haus abgerissen haben/ hatten, haben/ hatten sie die ganze Zeit auf Spuren der ursprünglichen Bauweise geachtet. […] Das Taxisschema Parallelität ist, wie das Beispiel zeigt, auch beim Tempus Plusquamperfekt möglich.“ Andersson (2004: 7f.; Hervorhebung im Original). Hier sind ferner Belege des resumptiven Perfekts, wie in der akkadischen Folge von PRT und PRF hinzuzustellen (GAG § 156c), in denen die perfektzeitliche Form ebenfalls in Vertretung einer imperfektiven Form begegnet. Das PRF erscheint dabei als konsekutiv (s.o) und sein Gebrauch ähnelt formal einer sequentiellen Lesart. Es ist allerdings zu beachten, dass die sequentielle Taxis charakteristisch für den perfektiven Aspekt ist und diesen von einer perfektzuständlichen Form unterscheidet. Bei der Grammatiklasierung des Perfekts aus einem Resultativ ist die Übernahme der Funktion zum Ausdruck resumptiver Taxis das entscheidende Merkmal, zu dessen Entwicklung etwa auf die Erhebung zum Perfekt im Mittelhochdeutschen bei Dentler (1997: 111ff.) verwiesen sei 20. Umgekehrt ist zu beachten, dass dort, wo kein Perfekt in Verwendung des SAE Perfekts vorliegt (5.1.2), die perfektive Form auch zum Ausdruck der Vorzeitigkeit der Vergangenheit Verwendung findet, so etwa im Griechischen. Dies ist auch in Sprachen ohne Perfektkategorie, etwa im Slawischen, zu beobachten: „Bei vorzeitigen Hintergrundhandlungen steht im griechisch-slavischen System normalerweise das perfektive Präteritum, d.h. dieselbe Kategorie, die auch im Erzählvordergrund verwendet wird.“ Tichy (1999: 134). Die Beobachtungen zu diesem Verhältnis von Perfekt und Sequenz sind m.W. in der Literatur noch nicht in übereinzelsprachlicher Betrachtung zusammengefasst worden, und es ist

19 Diskurs bildet dabei das Gegenstück zum narrativen Text und beschreibt Textpassagen als direkte sprachliche Äußerung, etwa eines Handelnden oder des Autors (Campbell 2007: 240). 20 Die Entsprechung der resumptiven Taxis findet sich dort unter „Funktionsbereich B“.

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vorerst auf die jeweiligen und überwiegend philologischen Studien zum Thema zu verweisen21. 5.2.6.4 Koinzidenz Einen Sonderfall der Taxis stellt die Koinzidenz dar, in der Sprechakt und Handlung übereinstimmen (Breu 1999: 50f.), d.h. das Gesagte die Handlung selbst und nicht deren Wiedergabe oder Beschreibung ist: „Der Koinzidenzfall ist jener Spezialfall, in dem das Sprechen über eine Handlung mit der Handlung selbst identisch ist. […] mit Sätzen wie „ich danke Ihnen.“, „Ich gestehe, dies getan zu haben.“, „Ich schwöre, die Wahrheit zu sagen.“, „Ich verkaufe Ihnen hiermit dieses Haus.“ und dergleichen.“ Weninger (2001: 76f.). Ähnlich wie etwa Generizität (5.3.4) lässt sich die Koinzidenz nicht regelmäßig mit übereinzelsprachlichen Verbalkategorien verknüpfen. Die Wahl der Tempus- oder Aspektform hängt daher wesentlich von den einzelsprachlichen Strukturbeziehungen der Formen ab. Hierzu ist ferner zu beachten, dass es sich um eine enge Begriffsauffassung der Bezeichnung Koinzidenz handelt, unter die etwa in Grammatiken der Klassischen Philologie auch die Gleichzeitigkeit der Handlungen gefasst wird (Menge 2000: 631). Es ist daher in Einzelfall in der Literatur zu prüfen, auf welchen Begriff durch die Koinzidenz referiert wird. 5.2.6.5 Taxis und semantische Relation Formen, die nicht der Aspektdichotomie zuzuordnen sind, aber aspektuelle Semantik zeigen, sind neben den besprochenen perfektzeitlichen Formen Resultativa und Stative sowie Progressive. Bei letzten entsprechen die syntagmatischen Verwendungsweisen denen einfachen Imperfektivs, werden jedoch dadurch beschränkt, dass das Progressiv eine aktivische Relation besitzt und daher als backgrounding Form praktisch ungeeignet ist. Allgemeinsprachlich ist davon auszugehen, dass ein Progressiv, ähnlich dem historischen Präsens eines Perfektivs in sequentieller Lesart begegnet, was aber m.E. weder im Englischen noch Akkadischen sicher nachzuweisen ist (5.3.7.3). Der Befund des homerischen Griechisch spricht sogar dagegen, doch kann hier auch der geringe Umfang des Textes die Fehlanzeige begünstigen. Resultative Lesarten eignen sich sowohl im Rahmen ihrer imperfektiven Semantik als backgrounding Form in Vertretung eines Imperfektivs, wie auch aufgrund ihrer perfektischen Semantik als Vertreter einer perfektzeitlichen Form, z.B. zum semantisch kodierten Ausdruck der Vorzeitigkeit. Ob Stativ und echter Resultativ sich – aufgrund ihrer semantischen Unterschiede – darüber hinaus im Rahmen der Taxis unterscheiden, ist mir nicht ersichtlich. In Vertretung eines Perfektivs zum Ausdruck der Sequenz oder als Inzidenzbasis begegnen sie nicht, weil sie syntaktisch imperfektiv sind. 5.2.6.6 Zusammenfassung Die Form der Taxis, d.h. der syntagmatischen Zusammenstellung der Aspekte, wird wesentlich über ihre syntaktischen Eigenschaften gesteuert. Besondere semantische Eigenschaften, 21 So Campbell (2007) für das Altgriechische und Fischer (2018: 207ff.) für das Deutsche und Kap. 9 in dieser Arbeit für eine Diskussion des Befunds im Akkadischen, der consecutio temporum.

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wie beim Progressiv, können die Verwendungsweisen einschränken aber verändern diese nicht. Perfektiv und Imperfektiv werden in den klassischen Syntagmen, der Inzidenz, Gleichzeitigkeit und Sequenz verwendet. Hinzu kommt als viertes die Verwendung eines resumptiven Imperfektivs mit teils adverbialer, teils konstatierender Bedeutung. Für die Bestimmung aspektueller Formen im Rahmen der Aspektdichotomie ist die Taxis daher ein allgemeinsprachlich wirksames Prüfverfahren, setzt allerdings die Analyse der Belege über Einzelsätze hinaus voraus. Lesarten perfektzeitlicher Formen zeigen eine größere Nähe zu imperfektiven Formen, doch fehlen speziell zu aspektuell beschränkten Perfekta noch gründliche Untersuchungen.

5.3 Aspekt im Kontext der Semantik 5.3.1 Einleitung Bieten die Abschnitte zur Syntax des Aspekts in 5.2 weitestgehend allgemein erschlossen und größtenteils bereits implizit in den Kap. 3 & 4 vorgestellte Erkenntnisse, so sind die darauf aufbauenden Erörterungen zur Semantik größtenteils nur in der linguistischen Fachliteratur zu finden. Zusammenfassende Darstellungen der Interaktion des Aspekts mit den hier aufgeführten Kategorien fehlen mit wenigen Ausnahmen noch. Andere der hier zusammengetragenen Forschungsergebnisse sind bisher allenfalls vereinzelt in der Forschung zum Aspekt berücksichtigt. Der Abschnitt 5.3 bietet daher m.W. den ersten Gesamtüberblick der semantischen interfaces in dieser inhaltlichen Breite. Für Altorientalistik und Semitistik ist dieser Abschnitt von besonderem Interesse, denn er leistet einen klärenden Beitrag zu zentralen Fragen von Struktur und Bedeutung des älteren semitischen Verbalsystems im Rahmen seiner Verortung in den relevanten grammatischen Kontexten über Tempus und Aspekt hinaus. Neben z.B. schon bei Kouwenberg (2010) besprochenen Kategorien, wie Transitivität als semantische Kategorie, gehören hierzu Modalität, Generizität und Evidentialität im Rahmen der in Aspektformen implizit angelegten Eigenschaften, wie diese in verschiedenen Varietäten in Erscheinung treten und welche strukturellen Voraussetzungen diesen zugrunde liegen. 5.3.2 Transitivität Transitivität in der sprachtypologischen Forschung wird als Merkmal auf zwei Ebenen verstanden: (1) Auf Ebene der Syntax als diskretes Unterscheidungsmerkmal der Argumentstruktur und (2) auf Ebene der Semantik als graduelle Eigenschaft der Verballexeme. Grundlage dieser Unterscheidung ist der Aufsatz von Hopper & Thompson (1980). Dieser zweiteilige Begriff findet sich in der Akkadistik z.B. bei Kouwenberg: “Two kinds of transitivity are currently distinguished, syntactic and semantic. […]. Semantic transitivity […] is a gradient feature that is determined by a combination of factors involving not only the meaning and the construction of the verb but also the clause as a whole […].” Kouwenberg (2010: 67).

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Die begriffliche Verflechtung zeigt sich allgemeinsprachlich in der Entsprechung von syntaktischer Transitivität und hoher semantischer Transitivität: “Syntactic and semantic transitivity are often closely parallel semantic high transitivity implies syntactic transitivity, because it requires strongly affected patient. Syntactic intransitivity normally correlates with low transitivity. […]. Examples of low transitivity verbs with a direct object are expressions such as to sing a song, to cross a street, to pass an exam, to have the flu. […]. This description also applies to Akkadian. Both syntactic and semantic transitivity can be relavant for a description of the Akkadian verb.” Kouwenberg (2010: 66; Hervorhebung im Original). Für die Frage nach der Wechselwirkung von Verbalform und syntaktischer Transitivität spielt das Altgriechische eine prominente Rolle. Diese ist bedingt durch seine große synchrone wie diachrone Vielfalt im Gebrauch der drei Verbalstämme (Präsens, Perfekt und Aorist) und ihrer Deutung als Aktiv, Medium und Passiv (Wackernagel 1920: 123). Zugleich zeigen sich hier deutlich stammbedingte Varianten: Der Wechsel der syntaktischen Transitivität innerhalb einer Diathese ist also nicht rein willkürlich oder lexikalisch bedingt, sondern zunächst eine Eigenschaft der jeweiligen aspektuellen Semantik der drei Stämme und als solches für alle Formen des jeweiligen Stamms gültig. So weist das altgriechische Medium, vergleichbar detransitivierenden Bildungen im Akkadischen, wie šitkunum: stellen, eine Reihe transitiver Bildungen auf (McKay 1974: 135). “[C]lauses with a low transitivity have characteristically one participant, describe a non-action, are atelic, non-punctual, non-volitional, negative and non-real, have an agent low in potency and an object which is not affected and non-individuated.” Kouwenberg (1997: 93). Auch zwischen den drei Aspektstämmen des Altgriechischen kommt es zu Wechseln syntaktischer Transitivität. Bei einem Perfekt von ebenfalls früher Grammatikalisierungsstufe begegnet die umgekehrte Veränderung der Valenz als S=P, mit semantischem Objekt als Subjekt des detransitivierten Perfekts. So zeigt im Griechischen das ältere, homerische Perfekt deutlich eine Tendenz zur intransitiven Wiedergabe transitiver Verben, wobei mediales Präsens aktivem Perfekt entspricht (Wackernagel 1920: 134). Diese wurden in der altgriechischen Sprachgeschichte zum Teil um ein neugebildetes Perfekt ergänzt, wodurch die Veränderung der syntaktischen Transitivität als Teil der griechischen Diathese – mit dem alten intransitiven Perfekt als Medium – umgedeutet wurde, so πέπηγe: er ist fest: „Dieses πέπηγα [ich bin fest] konnte von den alexandrinischen Gelehrten wohl deswegen vom eigentlichen Aktiv ausgeschlossen werden, weil die hellenistische Sprache ein neues Perfekt πέπηχα, das transitiver Bedeutung war […].“ Wackernagel (1920: 121). Gleiches begegnet seltener auch beim Aorist mit einer Stammsuppletion aktiven, intransitven Aorists und medialen Präsens: „In some transitive verbs too, there is an intransitive strong perfect and/or aorist active whose meaning corresponds with that of the imperfective and future middle ἕστηκα,

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I stand and ἔστην I stood are intransitive […], not transitive like ἵστημι, I make stand.” McKay (1974: 135). Dieser Wechsel findet sich schließlich auch zwischen Präsens und Futur. Mit Willi (2011) ist es als Reflex des perfektiven (und transitivierenden) Futursuffixes mit ursprünglich transitiver Lesung im Futur Aktiv zu verstehen. Es ist nach Vorbild des sigmatischen Aorists eine innergriechische Neuerung: „Während das mediale Futur wie das Futur selbst eine Neuerung des Griechischen ist, dürfte es sich bei der Distribution Präsens Medium und Perfekt Aktiv im Altindischen und Griechischen aber um eine Altertümlichkeit der indogermanischen Grundsprache handeln.“ Lühr (2012: 222). Analog begegnet bei Homer noch innerhalb aoristischer Bildungstypen ein Wechsel, wo transitiver sigmatischer Aorist und intransitiver Aorist II bei Verben wie ἔρρηξε: zerreißen (transitiv) und ἐρράγεν: zerreißen (intransitiv) ein suppletives Paar bilden (Wackernagel 1920: 138). Wechselwirkungen mit der Transitivität zeigen sich bei weniger stark grammatikalisierten Formen, wie Progressiv und Perfekt im Rahmen einer Valenzveränderung. Sie partizipieren als Formen zugleich an Strukturen semantischer Relation und entsprechender Splits (5.2.5.5 & 5.2.5.6). Schwach grammatikalisierte Progressive zeigen eine Beschränkung auf intransitive Konstruktionen, die sowohl intransitive Verben wie auch Objektellipsen umfassen, wenn diese möglich sind. Solche Progressive finden sich in verschiedenen Varietäten des Deutschen (van Pottelberge 2005). Charakteristisch ist bei einer Detransitivierung S=A, d.h. der Erhalt des ursprünglichen Agens in Subjektsposition, analog zum akkusativischen Aspektsplit (5.2.5.3). Bei vollständig grammatikalisierten Aspektdichotomien wird eine mögliche Opposition in der Valenz in einem Split der syntaktischen Relation ausgedrückt, mit einer imperfektiven Form mit akkusativischer und einer perfektiven Form mit ergativischer Relation (5.2.5.3). Eine Korrelation von intransitiver und imperfektiver Syntax findet sich nicht nur bei Progressiven, sondern auch bei Resultativen (und Stativen), die in ihrer frühesten Grammatikalisierungsstufe syntaktisch streng monovalent konstruiert sind. Sie äußert sich etwa in den zustandspassiven Lesarten deutlich. Sowohl transitive wie intransitive Konstruktionen können über Erweiterungen verfügen, wie Dativobjekte, Präpositionalphrasen, doppeltem oder adverbialem Akkusativ usw. Diese jeweils erweiterten Typen heißen extended intransitive bzw. extended transitive. Sie sind etwa bei Applikativen (3.3.4) oder Rezipientenpassiva (vgl. 5.3.6.5) von Bedeutung und es ist besonders zu beachten22, dass extended intransitives ebenso bivalent sind wie (unerweiterte) transitive Syntagmen23. Insofern bestimmte Situationstypen und die jeweiligen Aspektformen eine Tendenz zur Bildung transitiver Syntagmen besitzen, ist es zweckmäßign von einer Kategorie der semantischen Transitivität zu sprechen, in der z.B. states und Imperfektive niedrige, achievements und Perfektive hohe Transitivität besitzen (Hopper & Thompson 1980: 252). Viele Verben 22 In der Bedeutung von „Ich bekomme geholfen“. 23 Daher auch pseudo-transitive genannt.

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Aspekt im Kontext der Semantik

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lassen sich dabei nicht eindeutig zuordnen, und so kommt es zu einer unscharfen Kategorie der mittleren Transitivität. Das Medium mit aktiver Bedeutung ist ein Vertreter solch mittlerer Transitivität. Lexeme mit semantisch mittlerer Transitivität und syntaktisch stabiler Transitivität sind im Altgriechischen z.B. γαμέω: heiraten (zumeist aktivisch eine Frau und medial einen Mann), τιθημι: stellen mit medialen teils transitiven Bedeutungen wie Ergreifen u.a. sowie χράω: verlangen, aber Leihen mit medialem Sich Leihen (McKay 1974: 135). Die Einzelheiten solcher Entsprechungen sind lexikalisch und nicht allgemeinsprachlich festzumachen. Vor allem die semantische Agentivität spielt eine Rolle bei der Auswahl der Aspektformen im Akkadischen. Auf eine Etikettierung unakkusativ: unergativ wurde verzichtet, da sie mehrdeutig ist (1.3.4.2). Dies wurde an den drei Phänomen (S=A/O, S: A/O und Sa/Sp) erläutert24. Der Unterschied von Transitivität in Syntax und Semantik ist auch im Akkadischen ersichtlich: syntaktisch transitiv: ṣí-ba-t[im] ú-lá ḫa-áš-ḫa-ku ṣib-āt-im ula ḫašḫ-āku Zins-F\PL-OBL NEG Brauchen-1SG.SK Ich brauche keine(n) Zins(zahlungen). AKT VIa 142: 35 semantisch transitiv: a-[ta] ki-ma at-ta kīma PERS.2.M Weil

ša-zu-úz-tám tù-ša-zi-zu-ú pá-al-ḫa-ku-ma šazzuzt-am tu-šazziz-u palḫ-āku=ma VertretungPK.2-(PRT)Stehen.LassenFürchtenAKK SUBJ 1SG.SK=KONJ Du – weil du die Geschäftsvertreter hast hintreten lassen, fürchte ich mich. AKT VIa 238: 11ff.

Parallel zu transitiven Medialformen neben transitivem Aktiv im Altgriechischen (McKay 1974: 135) können auch die transitiven STA Formen und transitiven Formen der zumeist detransitivierenden Stämme erklärt werden. Sie sind lexikalisch bestimmt und beginnen mit Verben mittlerer semantischer Transitivität und Verben, denen eine autobenfaktive Bedeutung zukommen kann. Extended intransitives im Wechsel mit Transitiven begegnen im Akkadischen häufig bei Bewegungsverben: “[T]he transitive construction with an accusative often correlates with a higher degree of affectedness of the patient than the prepositional construction.” Kouwenberg (2010: 69). Hierzu gehören ferner ambitransitive Formen, unter denen am deutlichsten dummuqu(m) hervortritt: “Apart from its factitive meaning “to make good, better”, “to improve”, [dummuqqu] can also be used intransitivitely in the meaning “to do a good deed, to act well, […]”, 24 Weitere Ausführungen u.a. in Aikhenvald & Dixon (2000).

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Aspekt im Kontext

often with a dative: “to do s[ome]b[ody] a turn, a favour” […]” Kouwenberg (1997: 261; Ergänzungen durch Verfasser). Ausdruck der Transitivität sind auch Formen des Verbaladjektivs in status constructus Verbindungen, die zugleich Vorbild transitiver Konstruktionen des STA sind (7.2.1). Da diese selten sind, ist aber nicht nachzuweisen, ob sie Vorlage der ältesten STA Verbindung mit Akkusativ sind. Für das akkadische Verbalsystem in Lexikon und Grammatik besteht nur eine geringe Interaktion mit der Kategorie der Transitivität. Die in ihrer Kernfunktion intransitiven Formen des PRS und STA zeigen unterschiedlich weit vorangeschrittene Übernahme transitiver Syntagmen, umgekehrt zeigen die sich auf Valenzveränderung hin entwickelnden Stammformen noch umfangreiche Verwerfungen aufgrund semantischer und lexikalisierter Vorgaben. Das Lexikon selbst ist aufgrund seiner Differenzierung nach Genus zur semantischen Transitivität quer strukturiert und unterscheidet progressive Verben mittlerer Transitivität von ingressiven Verben, die beide Enden des Spektrums semantischer Transitvität, aber keine mittlere Position, einnehmen können. Sie findet sich daher den allgemeinsprachlichen Regeln entsprechend erst auf Diskursebene. Die syntaktische Transitivität der Lexeme im Akkadischen folgt pragmatischen Gesichtspunkten (Hopper & Thompson 294f.) und spielt für Morphologie und Lexikon nur eine untergeordnete Rolle im Akkadischen. 5.3.3 Modalität & Evidentialität 5.3.3.1 Epistemische und deontische Modalität Die zwei grundlegenden Kategorien modaler Funktionen sind Aussagen mit einer Wertung der Wahrscheinlichkeit oder Wahrheit und solche mit einer Wertung der Notwendigkeit. Epistemisch sind modale Aussagen, die mit einer Wahrscheinlichkeit wahr sind und etwa Mögliches als Realis und Unmögliches als Irrealis unterscheiden, wie etwa in den deutschen Konjunktiven. Deontisch sind modale Aussagen, die Befehle, Wünsche und Absichten formulieren, wozu etwa Optative und Imperative zählen. Es ist zu beachten, dass Modi, wie auch Modalverben, zumeist sowohl epistemische als auch deontische Lesarten miteinander verknüpfen und die jeweilige Lesart kontextsensitiv ist und nicht lexikalisch oder grammatisch bestimmt werden kann (Palmer 2001: 7f.). Trotz dieser inhaltlichen Überscheidungen in den Formen ist die dichotome begriffliche Trennung beider modaler Kategorien allgemeiner Standard in der Linguistik. Weitere Differenzierungen oder auch die Trennung von Modalität und Evidentialität werden hingegen ganz uneinheitlich gefasst. So stellt etwa Palmer Evidentialität begrifflich mit epistemischer Modalität zusammen (Palmer 2001: 35ff.), auch wenn sich in der Linguistik ein Ansatz der scharfen Trennung inzwischen durchgesetzt hat (Aikhenvald 2004: 4). Wie genau deontische Lesarten differenziert werden sollen, ist strittig (Palmer 2001: 84f.). Ich folge hier Bybee (1985: 166) aufgrund der Beobachtungen zur Interaktion von Aspekt und Modalität in dieser Arbeit. Dabei sind Lesarten, die den Wunsch und die Absicht des Sprechers wiedergeben, d.h. sprecher-orientiert sind, von solchen getrennt, die eine Aussage über Befähigung, Eigenschaften oder Zwänge des Subjekts beschreiben, d.h agens-orientiert sind. Sprecher-orientiert sind Befehle und Wünsche, agens-orientiert Formulierungen wie Der Nächste kann jetzt hereinkommen oder Er sollte zur Wahl gehen (Bybee u.a. 1994: 177). Wie

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bei der Unterscheidung in deontische und epistemische Lesarten gilt auch hier, dass diese Einteilung zu Formen in Einzelsprachen quer liegt und etwa Der Nächste kann jetzt hereinkommen als Aufruf an z.B. wartende Patienten eine unmittelbare und gerichtete Aufforderung und daher sprecher-orientiert wäre, hingegen als Feststellung über eine vorliegende Vakanz und an die bereits Anwesenden gerichtet die bloße Möglichkeit bezeichnet, dass jemand kommen könne, so z.B. bei Personenkontrollen mit Einzelabfertigung. Insbesondere mit den deutschen Modalverben ist die jeweilige Lesart kontextsensitiv, Aspekte zeigen jedoch eine gewisse Präferenz, die die hier verfolgte Trennung begründen (s.u.). Prinzipiell unterscheidet sich die Opposition von deontischer und epistemischer Modalität von der Einteilung in sprecher- und agens-orientierte Lesarten durch deren sprachtypologisch begründete Struktur, wohingegen erstgenannte Begrifflichkeit keine sprachwirklichen Entsprechungen findet und allenfalls eine sprachphilosophische Kategorisierung darstellt. Zumindest aus Perspektive des Verbalaspekts scheint eine Zusammenfassung agens-orientierter und epistemischer Modalität sinnvoll. In der wissenschaftlichen Praxis wird sich aber vermutlich keine Veränderung der Gliederung modaler Lesarten durchsetzen, obwohl die genannte inhaltliche Entsprechung bereits in Steele (1975) festgestellt wurde. Formal zu trennen sind Konjunktive und von diesen gesonderte Optative. Beide können wiederrum nach Tempus bzw. Aspektstamm differenziert werden, wie in den deutschen Konjunktiven. Der Optativ als primär deontische Modalform hat einen starken futurischen Bezug – insbesondere in solchen Sprachen, in denen keine Aspektdichotomie vorliegt, und er bezeichnet im selbständigen Satz immer eine futurische Zeitlage (McKay 1974: 149). So gibt etwa Wulfila ein altgriechisches Futur häufig, aber nicht ausschließlich mit Optativ wieder (Wackernagel 1920: 193). Im späteren Germanisch schwindet der Optativ ebenso wie im Koine-Griechisch (Wackernagel 1920: 221f.). Seine beiden Hauptfunktionen sind die des Wünschens in Parallelität zum Wollen des Konjunktivs und des Potentialen in Parallelität zum prospektiven Konjunktiv (Wackernagel 1920: 232). Außerhalb der deontischen Modalität kann der Optativ zur Kennzeichnung des Irrealen dienen (Wackernagel 1920: 237). Der Gebrauch als Befehlsform schließlich zeigt sich etwa im deutschen Imperativ Sei (Wackernagel 1920: 217), einem ursprünglichen Optativ anstelle des u.a. in rheinischen Dialekten noch belegten Bis. Umgekehrt finden sich auch konjunktive und primär epistemische Formen zum Ausdruck deontischer Modalität. Wo z.B. im Altgriechischen der primär epistemische Konjunktiv zum Ausdruck des Wollens gebraucht wird, kann durch ihn das Imperativparadigma suppletiert werden, so etwa Altgriechisch (McKay 1974: 149) oder auch in späteren Varietäten des Akkadischen, in denen das PRT des Indikativs nur modal Verwendung findet, etwa im Spätbabylonischen (Streck 1995a: 127).25 In akkadischen Varietäten finden sich morphologische Elemente und grammatische Wörter nur zur Bildung primär sprecher-orientierter Formen. Epistemische Modalität wird 25 Die modale Lesart umfasst den Gebrauch in Wortfragen und negierten Sätzen (s.u.). Ob non-modales PRT in allen jüngeren Varietäten ausgeschlossen ist, ist nicht sicher zu sagen. Die Möglichkeit der Funktion eines Kettentempus setzt entsprechend komplexe Passagen voraus, die gemeinhin als literarisch und daher als Teil einer konservativen Varietät verstanden werden. Möglicherweise sind aber nicht alle jüngeren Texte mit non-modalem PRT Teil einer literarischen Varietät und vielmehr mit dem Gebrauch in Urkunden unter dem Phänomen des Kettentempus einzuordnen (5.2.6).

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Aspekt im Kontext

morphologisch nur durch lexikalische Wörter wiedergegeben, wie midde, tuša u.a. (Wasserman 2012: 7). Auch agens-orientierte Modalität wird lexikalisch realisiert, wozu die wenigen akkadischen Modalverben in ihrer Hauptfunktion dienen (Wasserman 2012: 6) 26. 5.3.3.2 Aspekte und modale Lesarten Realis und Irrealis als Kategorien wurden bereits im obigen Abschnitt mit Verweis auf die Opposition präsentischen und präteritalen Konjunktivs im Deutschen erwähnt. Diese Termini sind in ihrer Definition strittig und es gibt hierzu unterschiedliche Begriffsauffassungen (Palmer 2001: 149). So subsummieren Capell & Hitch (1970: 67) unter dem Realis den Indikativ der Nicht-Vergangenheit und den Imperativ. Palmer (2001: 1f.) verwendet sie als Bezeichnung formaler Kategorien mit wechselnder Zuordnung von Imperativen und Futur in Abhängigkeit der varietätsspezifischen Strukturen. Ich folge hier (wie andernorts) nicht Palmer (2001: 160ff.) und möchte dies mit modalen Lesarten des Imperfektivs begründen, die formal Indikative sind, aber inhärent modal, wie etwa das imperfectum de conatu (4.1.2). Das Begriffspaar Realis und Irrealis ist daher hier eine deskriptive und heuristische Kategorie zur Beschreibung der impliziten Modalität der Aspektdichotomie 27. Im Konjunktiv und in modalen Lesarten aspektueller Formen ist der Zeitbezug der Tempusformen verfremdet. In solcher modalen Transposition stehen sie in Opposition von Realis: Irrealis mit einer Affinität zu future: non-past, etwa im Deutschen (4.4): Zeitlagenasymmetrie der Modi: Er geht non-past Er ging Er gehe non-past Er ginge

past non-past

Ein Irrealis als non-future impliziert perfektive und perfektische Semantik und ist etwa im Deutschen auf den Konjunktiv des Plusquamperfekts beschränkt (Zifonun u.a. 1997: 1779). Das Altgriechische verwendet den Optativ (Wackernagel 1920: 237). Im Akkadischen wechselt sonst immer non-modales PRF mit optativischem PRT (8.6). Die semantische Nähe von Konjunktiv und Futur äußert sich u.a. im Altgriechischen: Im homerischen Griechisch kann der Konjunktiv der Aspektformen das Futur, welches hier noch am Anfang seiner Grammatikalisierung steht, in allen Kontexten vertreten (McKay 1974: 140). Ein Wechsel der beiden Formen in dubitativen oder deliberativen Fragen begegnet noch im klassischen Altgriechisch (Wackernagel 1920: 205). In allgemeinen Aussagen ohne spezifizierten Zeitbezug begegnet es als Möglichkeitsform in Opposition zu den anderen Indikativen: 26 Wie weit es inhaltliche Überschneidungen zwischen beiden Kategorien gibt, ist nicht untersucht. Wasserman (2012) betrachtet nur epistemische Funktionen. Agens-orientierte Modalität (root modality) erwähnt er nur beiläufig und berücksichtigt diese nicht in der eigentlichen Korpusanalyse. Eine weitergehende inhaltliche Überschneidung ist aber plausibel (Bybee u.a. 1994: 195). 27 Kouwenberg (2010: 132f.) versteht etwa den Imperativ als Irrealis, weil er sich aus der entsprechenden irrealen Funktion des PRT herleite. Die Diskussion um die Einordnung des Imperativs kann hier nicht geführt werden, doch spricht m.E. sprachtypologisch nichts gegen das Verständnis einfachen Imperativs als Realis (Capell & Hitch 1970: 67). In Tropper (2012: 735) wird eine Dreiteilung (mit Literatur) vorgeschlagen, die einen non-modalen Realis von einer Opposition von Potentialis und Irrealis unterscheidet. Diese entspricht etwa der deutschen Grammatik, aber weder der Sprachwirklichkeit noch altertümlicher Lesart und ihrem Gebrauch des Indikativs in modaler Funktion (s.u.).

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Aspekt im Kontext der Semantik

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“In timeless contexts, the future tense usually conveys something of intention or likelihood in comparison with the present, aorist and perfect […].” McKay (1974: 148). Ferner anzuführen ist die gelegentliche Wiedergabe lateinischen futurum exactum mit Konjunktiv Aorist in Übersetzungen aus dem Altgriechischen (Wackernagel 1920: 210) oder die alleinige Vertretung der präteritalen Nachzeitigkeit durch den Konjunktiv des Verbs Werden im Deutschen, dessen präteritaler Indikativ (*Ich wurde gehen) fehlt (Jorgensen 1966: 40). Auch das lateinische Imperfekt findet sich als Irrealis der Gegenwart (Wackernagel 1920: 251). Ausdrucksmöglichkeit der Irrealität, die sich explizit auf Vergangenes bezieht, sind im Griechischen die Indikative aller präteritalen Tempora (zumeist aber Imperfekt und Aorist, nicht aber Plusquamperfekt [McKay 1974: 152]) und im Akkadischen ein PRT, mit den abgeleiteten Formen des PRF oder Prekativs(?) (8.6.3). Dieser Gebrauch erklärt sich, da die non-faktive Vergangenheit als solches gesichert ist und keine echte Graduierung von Wahrscheinlichkeit (epistemisch) oder Notwendigkeit (deontisch) modaler Formen besitzt. Die Auslagerung der Irrealität aus perfektiver Semantik in den Konjunktiv (analog zur Verwendung der Konjunktive im Deutschen) findet sich z.B. im Latein (Wackernagel 1920: 242), d.h. dass Präterita des Indikativs im Altgriechischen im Latein regelmäßig mit Konjunktiv des Imperfekts und Plusquamperfekts wiedergegeben werden. Die non-modale Opposition der Aspektdichotomie, etwa von Abgeschlossenheit u.ä., wird dabei also nicht fortgesetzt, so etwa auch sumerisch: "It is modality that in a great measure governs the aspect of the verb. Thus, for instance, deontic modals naturally tend to have incompletive aspect; one can hardly ask someone to do something already completed or in the past." Civil (2000: 40). Die Unterschiede der Aspekte sind dabei gegenüber non-modalen Lesarten entsprechend verlagert (s.a. Thomsen 1984: 193ff.). Dass es sumerisch überhaupt keine Opposition der Stämme im modalen Kontext gibt, widerspricht hingegen den sprachtypologischen Erkenntnissen, auf denen Civil seine Untersuchungen zur sumerischen Grammatik aufbauen will (Civil 2000: 40f.). Zu beachten ist, dass die Nähe zwischen Aspekt und Modus größer ist als die zwischen Tempus und Modus. Daher finden sich in Aspektsprachen weniger Modalverben (Abraham & Leiss 2008: VXf.) und modale Lesarten ohne morphologische Kennzeichnung sind häufiger als in Tempussprachen vertreten. Inhärente modale Lesarten eines Präteritums, z.B. im Deutschen, werden daher tendenziell aus dem Sprachgebrauch verdrängt: „Ältere seltenere Gebrauchsmöglichkeiten des Präteritums […] zeigen auch auf eine modale Distanzierung hin […]: Ein Wort mehr und er war verloren (=und er wäre verloren gewesen).“ Schanen (2004: 21). Die perfektive Modalität ist Ausdruck irrealer Lesarten (Abraham & Leiss 2008) und entsprechend in deontischer Funktion auf sprecher-orientierte Modalität zu beschränken. Agens-orientierte Modalität begegnet hingegen vornehmlich im Imperfektiv. Kontrafaktive und irreale Wünsche sind prinzipiell semantisch mit der Perfektivkategorie verknüpft und begegnen etwa im Altgriechischen neben Aorist sowohl im Imperfekt (Wackernagel 1920:

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Aspekt im Kontext

242), welches als präteritale Form zusätzlich semantisch perfektiv ist 28, als auch im diachron der perfektiven Kategorie zugehörigen Plusquamperfekt (McKay 1974: 148)29, welches regulär in Relation zum Imperfekt als zweite imperfektive Vergangenheitsform steht – analog zum Verhältnis von Präsens und Perfekt: “In most of its uses the pluperfect bears the same kind of relationship to the perfect tense as the imperfect does to the present. It is not used simply to record a previous past action […].” McKay (1974: 147). Das altgriechische Präsens, das sowohl als Tempus wie als Aspektform imperfektiv ist, ist hingegen ausgeschlossen. Die Überlagerung von imperfektiver Syntax und perfektiver Semantik findet sich analog im akkadischen STA, dessen Lesarten syntaktisch die nonprogressive (~griechisches Imperfekt) und perfektische (~griechisches Perfekt) Imperfektivität umfassen, der modal aber aufgrund seiner Semantik der Perfektivkategorie zugehörig ist (Kap 7.5). Besitzt eine Sprache sowohl eine Aspektdichotomie als auch eine Opposition von Optativ und Konjunktiv, kommt es zu einer Konkurrenz der Modi, deren mögliche modale Opposition bereits durch die Fortführung der Aspekte gewährleistet ist. In prospektiver Funktion etwa konkurriert der Konjunktiv mit der Kernfunktion des Potentialen des Optativs. Da im Griechischen die Aspektdichotomie fortgesetzt wird, schwindet der prospektive Konjunktiv als produktive Form schon in vorklassischer Zeit (Wackernagel 1920: 236). Der Optativ als deontischer und mithin semantisch perfektiv-affiner Modus übernimmt in der potentiellen Lesart auch die Funktion des Irrealis der Vergangenheit (Wackernagel 1920: 237), wie es etwa modale perfektive oder präteritale Formen leisten können. Irreales Perfektiv begegnet etwa im Akkadischen in allen Varietäten im PRT (altassyrische Belege in 8.6), irreales Präteritum begegnet etwa im deutschen Konjunktiv II. Beide zeigen hier, wie der Optativ, eine primäre Funktion des Ausdrucks des Zukünftigen, akkadisch etwa das durch modale Morpheme als Prekativ gekennzeichnete PRT usw. (9.4.3), deutsch am deutlichsten in der Umgangssprache bei Verabredungen und Plänen, wie in Ich könnte morgen bei dir sein usw. Die modale Semantik ist inhärent Teil des Perfektivs des Semitischen (Gai 2000), und ihre Fromenbildung hängt vom varietätsspezifischen Gebrauch im non-modalen Kontext ab. Der Optativ des Aorists drückt den Wunsch nach Vollendung des noch nicht Wirklichen aus, und auch der Konjunktiv des Aorists referiert auf diese gedachte Vollendung (Wackernagel 1920: 151). Sie haben also eine zukünftige Semantik und finden sich als solche im Wechsel mit imperfektivem Aspekt z.B. im Finalsatz (Wackernagel 1920: 238). Entsprechend dem Fehlen des Optativs im Latein finden sich optativische Lesarten ganz überwiegend im Konjunktiv des Perfekts, welches als old anterior Träger perfektiver Semantik ist. Die primäre Funktion des Imperfektivs (und Präsens) ist die eines epistemischen Realis und agens-orientierter Lesart. Es kann in diesen Kontexten häufiger in non-modaler Form wie ein Perfektiv verwendet werden, wobei seine Funktion allerdings modal ist. Das franzö28 Der großen Nähe von Perfektiv und Präteritum ist es geschuldet, dass es zu Verwerfungen der semantischen Bezüge kommt, wo beide Kategorien miteinander verwoben sind. Im Beispiel des Altgriechischen dominiert das Tempus. 29 Das Plusquamperfekt ist hier semantisch zweifach perfektiv: temporal und aspektuell. Es verdrängt daher sprachtypologisch ebenfalls mögliches einfaches Perfekt in diesem Kontext.

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Aspekt im Kontext der Semantik

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sische Imperfekt z.B. begegnet in klar modaler Verwendung in hypothetischen si-Sätzen und kontrafaktischen, d.h. in der Vergangenheit nicht geschehenen, Lesarten. Nur in der Kindersprache begegnet das Imperfekt als Form der imaginierten Erzählung (imparfait preudique) (Viguier 2013: 113). Auch das westsemitische Imperfekt (yaqtulu) findet sich z.B. Ugaritisch zum Ausdruck agens-orientierter Modalität, die sich mit Müssen, Können oder Dürfen umschreiben lässt (Tropper 2012: 734). Im Bereich sprecher-orientierter Modalität gibt es sprachtypologisch m.W. nur eine eindeutige Verwendungsweise: Ein Imperfektiv vertritt hier einen negativen Imperativ, etwa im Altgriechischen (Schwyzer & Debrunner 1975: 279) oder (paradigmatisch) im Akkadischen (2.3.6). Der Ausschluss aus der Verbotsform ist sprachtypologisch nicht ungewöhnlich und findet sich etwa auch in verschiedenen sprachlichen Registern des Lateins (Wackernagel 1920: 214) und ist mit der polaren Semantik negativer Formen verflochten (5.3.5). Gegenüber dem modalen Perfektiv findet sich das Imperfektiv in Modi zumeist auf Kontexte der Gegenwart beschränkt. Altgriechisch etwa drückt der Optativ des Präsens den Wunsch nach Fortdauer des Wirklichen in der Gegenwart aus, und auch der Konjunktiv des Präsens referiert auf diese Fortdauer (Wackernagel 1920: 151). Sie haben also eine non-future Semantik. Ganz analog ist im Deutschen der primär irreale Konjunktiv II gebräuchlich, wenn auf ein zukünftiges Ereignis referiert wird (Es wäre schön, wenn du morgen kommst). Im Rahmen der Subordination kann es zu Verwerfungen hinsichtlich der modalen Semantik kommen (Cristofaro 2005: 277ff.). Sprachtypologisch gesicherte Formen finden sich z.B. im Latein, dem die Kategorie des Konjunktivs seinen Namen verdankt und welches der Etymologie nach eigentlich die Verbalform der (Satz)verbindung ist und im Klassischen Latein auch bei Gliedsätzen direkter Rede verwendet wird, etwa wenn finaler, konsekutiver, kausaler oder ein interrogativer Anschluss vorliegt (Menge u.a. 1999: 626f.) 30. Ein Rückgriff auf Modalverben zum Ausdruck der Subordination ist auch sprachtypologisch bezeugt und keine Eigenheit indogermanischer Sprachen (Palmer 2001: 111ff.). Für das Akkadische der jüngeren Varietäten ist hier der konservative Gebrauch der Verbalformen im Subjunktiv interessant, der diachron die Gegebenheiten des Indikativs auf synchroner Ebene konserviert und daher z.B. im Spätbabylonischen non-modales PRT erlaubt (Streck 1995a: 255f.). Ebenso für das Akkadische von Interesse ist der Gebrauch des PRT in Entscheidungsfragen in diesen Varietäten31. Auch diese folgt der Reanalyse von Interrogativen als modal (Givon 2001: 312). 5.3.3.3 Evidentialität Die Evidentialität ist der grammatische Ausdruck der Herkunft der Kenntnis über das Gesagte durch den Sprecher. Es darf nicht verwechselt werden mit einer möglichen Aussage über die Herkunft der Kenntnis über das Gesagte des Subjekts, d.h. der Modalität. Evidentialität ist also ein deiktischer Bezug zwischen Sachverhalt und Sprecher. Sie verhält sich dabei zu Modalität wie Tempus zu Aspekt, erstgenannte sind deiktische Bezugssysteme, die Situationen im Verhältnis zum Standpunkt des Sprechers verorten. Letztgenannte sind referentiell strukturiert und regeln die Bezüge zu Entitäten, wie Subjekten oder anderen Prädikaten, 30 Subjunktiv ist eine lateinische Lehnübersetzung zu griechischem Hypotaktisch. 31 Spätbabylonisch steht in offenbar immer PRF, zu unsicheren mitelassyrischen Belegen in Briefen s. de Ridder (2018: 438).

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Aspekt im Kontext

und sind unabhängig von ihrem Verhältnis zum Sprecher32. Insbesondere in Verbalformen der 1SG vermischen sich dabei pragmatisch oder lexikalisch bedingt Evidentialiät und andere grammatische Eigenschaften aufgrund der durch die grammatische Person und den Zusammenfall von Sprecher und Subjekt bedingten deiktischen Bezüge. So findet sich altgriechisch schon bei Homer ἀκούειν: hören auch in der Bedeutung durch angehört haben Wissen (Wackernagel 1920: 166) als eine lexikalische Umschreibung von sensorischer Evidentialität, welches formal aber mit resultativen Imperfektiven zusammengestellt werden muss (4.2.3). Es fehlt an einer allgemeinen und klaren Trennung von Evidentialität als Eigenschaft gegenüber der evidentialen Form (evidential), wie sie in anderen Kategorien des Verbs selbstverständlich ist, so z.B. in Modalität und Modus, Temporalität und Tempus oder Aspektualität und Aspekt. Auch gibt es in den indogermanischen oder keilschriftlichen Sprachen keinen morphologischen Ausdruck der Evidentialität, und der Begriff und seine Forschungsliteratur sind daher ursprünglich durch die Sprachtypologie geprägt. Als Lesart morpholgischer Formen begegnet der Ausdruck der Evidentialität etwa beim Konjunktiv und einigen Modalverben im Deutschen oder verschiedenen Perfektbildungen der Balkansprachen. Diese sind aber Ausdruck sekundärer Funktionen anderer Verbalkategorien (Friedman 1986: 169), von denen hier Modalität, das Perfekt sowie Tempus und Aspekt von besonderem Interesse sind, weil sie die für diese Studie relevanten Schnittstellen besitzen. Formale Evidentialitiät als Kategorie findet sich vor allem unter den Sprachfamilien Amerikas, sie ist aber auch im Finno-Ugrischen, Kaukasischen oder Türkischen existent (Aikhenvald 2004: 28). Das Morphem -miş- etwa kennzeichnet im Türkischen Informationen, die der Sprecher nicht erster Hand besitzt, sondern durch Bericht, Rückschluss oder non-visuell – aber sensorisch – erlangt hat (Johanson 2003: 274f.). Unter den non-modalen, paradigmatischen Verbalformen mit Schnittstellen zur Evidentialität ist das Perfekt besonders hervorgehoben. Bereits die Entkoppelung von Referenz- und Ereigniszeit impliziert eine inferentielle Evidenz, d.h. den indirekten Rückschluss auf eine Situation. Auch Comrie (1976: 108ff.) führt diese Funktion des Perfekts mit Beispielen aus dem Türkischen, Bulgarischen, Estnischen u.a. an, obwohl er das Perfekt sonst nicht als Form mit Vorzeitigkeitsbezug im Sinne Reichenbachs (Comrie 1976: 52f.), sondern als Erweiterung der Aspektdichotomie versteht. Bybee u.a. (1995: 95) postulieren aufgrund ihres sprachtypologischen Materials einen alternativen Grammatikalisierungspfad einer perfektzeitlichen Form zu einem primären Ausdruck der Evidentialität anstelle Präteritums oder Perfektivs. Grammatische Kategorien, die im Rahmen ihrer Semantik primär evidentiale Lesarten entwickeln können, sind neben dem genannten Perfekt auch Resultativa, Präterita und Futur, Modi und modale Formen, Passiva u.a. (Aikhenvald 2004: 369). Das Perfekt kann bei weitergehender Grammatikalisierung inferentieller Evidentialiät zu allgemeiner Evidentialität der Informationsquellen werden, die nicht erster Hand (non first-hand) vorliegen (Aikhenvald 2004: 370). Die zumeist visuell konnotierte, d.h. von dem, was der Sprecher sieht, 32 Anders als die Bezeichnung sprecher-orientiert vermuten lässt, handelt es sich nicht um einen deiktischen Bezug der Modalität, denn es ist semantisch unerheblich, in welchem Verhältnis sich Sprecher und Subjekt befinden. Der deiktische Bezug des Imperativs in der 2Person ist ein Ergebnis der Personaldeixis, und in imperativen Formen der 3Person ist es möglich, Sprecher und Subjekt räumlich und zeitlich zu trennen, ein unmittelbar deiktischer Bezug besteht in der Form nicht.

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hergeleitete, Inferenz des Perfekts wird dabei verallgemeinert von einer nicht erster Hand erfahrenen Situation zu einer nicht erster Hand erfahrenen Information. Gzella (2004) möchte für das Reichsaramäische das prädikative Partizip als Ausdruck direkter, visueller Evidentialität verstehen: Da fanden sie Daniel gerade betendPARTIZIP und um Erbarmen flehendPARTIZIP (Dan 6, 12 nach Gzella 2004: 277). Zum Ausdruck indirekter Evidentialität führt er das Perfekt bei Referenz auf einen Traum an: Du hast gesehenPERFEKT, dass sich vom Berg ein Stein löste (Dan 2, 45 nach Gzella 2004: 277). Die Belege sind unglücklich, zeigen aber die Bedeutung von sekundären evidentialen Lesarten in Verbindung mit der Person des Subjekts an. Tatsächlich hätte das erste Beispiel nur in Verbindung mit einem Subjekt der 1Person (Wir fanden) die von Gzella postulierte evidentiale Semantik. Im zweiten Beispiel, der Deutung des Traums des Königs durch Daniel als Sprecher, bezieht sich die inferentielle Bedeutung des Perfekts nicht auf das Verb Sehen, sondern seinen Objektsatz. Hier konkurriert aber die angenommene deiktische mit der temporalen, d.h. vorzeitigen Semantik. Möchte man die Stelle im Sinne Gzellas deuten, gilt dies sprachübergreifend für alle Formen mit perfektzeitlicher Semantik in Anrede einer zweiten Person, ist also inhärent in der perfektischen Semantik und der direkten Rede verortet und keine spezifische Eigenschaft des Aramäischen oder semitischer Sprachen. Es ist prinzipiell zu beachten, dass es zwar keine regelmäßige Entsprechung formaler Evidentialität und „revelativer“ (offenbarter) Information gibt (Kratschmer & Heijnen 2010: 354f.), aber die semantische Veranlagung der Inferenz im Perfekt den Gebrauch etwa des prophetischen Perfekts im Hebräischen (Rogland 2003: 53ff.) im Rahmen einer indirekten Evidentialität widerspruchsfrei erklärt, da die SK nur zum Bericht des vergangenen Traumes, nicht aber zur Wiedergabe dessen verwendet wird, was gerade geschaut werden kann, d.h. die Informationsquelle liegt nicht direkt vor (Aikhenvald 2004: 344ff.). Ganz analog hierzu verwendet etwa das Altgriechische das Präsens als Wiedergabe erster Hand, also visueller Evidenz, bei einem den Vorgang schauenden Orakel (Wackernagel 1920: 161f.). Zur evidentialen Semantik von Tempus und Aspekt ist anders als zum Perfekt oder zum Lexikon (Diewald & Smirnova 2010) bisher nur wenig erarbeitet worden. Die Auflistung zumeist varietätsspezifischer Verwendungsweisen mit evidentialer Semantik verläuft daher rein heuristisch. Auch über die semantische Verflechtung von Evidentialität mit genannten Kategorien ist wenig bekannt. Beachtenswert in diesem Zusammenhang sind die vornehmlich bei Tempusformen begegnenden Verschiebungen der Referenz und Wechsel des Formengebrauchs, die nur schlecht mit einer tempusbasierten Semantik erklärt werden können (Woodbury 1986: 195f.): Hierzu gehört das praesens historicum oder das Präsens des Berichts und praesens tabulare, z.B. in einer Inhaltswiedergabe. Ebenso verwendet werden das erzählende Imperfekt bei griechischen Historikern (Wackernagel 1920: 183), das Imperfekt als statement of fact im Russischen (4.2.5) oder das sogenannte hypokoristische Imperfekt im Französischen (4.2.6) u.a. Das praesens tabulare (Wackernagel 1920: 163) unterscheidet sich vom praesens historicum deutlich, denn es gibt nicht das Vergangene als lebhaft wieder, sondern als bloßes Faktum. Das erzählende Imperfekt oder Präsens vermitteln das Gesagte als erster Hand erfahren, das Präsens des Berichts und das praesens tabulare zeigen eine evidentiale Funktion, die auf eine vorliegende, direkte Informationsquelle referieren bzw. ein dem Sprecher bekannter Sachverhalt und insofern ebenfalls eine Information erster Hand:

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„Jedenfalls kann gesagt werden, dass in notizartigen Mitteilungen, wo es einfach darauf ankommt ein Faktum schmucklos mitzuteilen, wo die Zeit entweder gleichgültig ist, oder sich durch Beisetzung ergibt, das Präsens gesetzt wird.“ Wackernagel (1920: 165). Vornehmlich im älteren Altgriechisch begegnet in Beischriften der Künstler das Verb des Verfertigens im Imperfekt anstelle Aorists, wo im Latein das Perfekt die Regel ist (Wackernagel 1920: 181). Es kann dieses Imperfekt im Rahmen der Evidentialität als Ausdruck auf die unmittelbare Quellenreferenz verstanden werden, das referierte Werk ist ja selbst Träger der Beischrift und als solches die Referenz des Textes. Mit der zunehmenden Grammatikalisierung als reines Präsens geht dieser Gebrauch dann in klassischer Zeit entsprechend zurück, und hier wäre in genannter Funktion dann wie etwa im Deutschen bei unmittelbarer Quelle ein Präsens zu erwarten. Dass nun der Aorist gebräuchlich ist, erklärt sich ebenso wie gelegentliches Imperfekt als Fortsetzung einer stilistischen Tradition, die den überlieferten Formengebrauch bevorzugt und im klassischen Altgriechisch vor dem Hintergrund des voll grammatikalisierten Präsens das Imperfekt nicht mehr richtig einzuordnen weiß. Hingegen herrscht bei den Angaben zur Weihung der Aorist vor (Wackernagel 1920: 182) – das Werk selbst zeugt ja nicht von der Weihung, dies leistet nur die Weihinschrift. Die Funktion des Präteritums und des Perfektivs zeigt sich vornehmlich im Rahmen sequentieller Taxis als Form der Erzählung, wo sie auch in Geschichten zukünftigen Geschehens wirksam ist. Insofern sind die Formen, ähnlich wie Resultativ und Perfekt, Ausdruck indirekter Evidentialität und finden als solches auch dort Verwendung, wo die Information zwar erster Hand gewonnen, aber aus der Erinnerung heraus referiert wird, wie z.B. in einem Reisebericht. Zu unterscheiden vom Perfekt sind Perfektiv und Präteritum, weil sie auch frei einer Interferenz als echt indirekte Evidentialität Verwendung finden. Neben einer vom kulturellen und kontextuellen Rahmen abhängigen Deutung dieser Opposition ist dabei sprachübergreifend die imaginierte Erzählung als Prototyp zu verstehen, denn es gibt für diese keine Referenz im Sinne einer direkten Evidentialität, weil sie weder durch Erfahrung, Hörensagen oder Zeugnis gewonnen werden kann. Die revelative (s.o.) Evidentialität hängt unmittelbar von der außersprachlichen Konzeption der Offenbarung und des Kontextes der Rede ab (Aikhenvald 2004: 348ff.). Das Altgriechische etwa kennt ein prophetisches Tempus im Orakelgebrauch, das Präsens (Wackernagel 1920: 161f.). Die Wiedergabe des Zukünftigen als Gegenwärtiges im Orakel verläuft ganz analog zum Prinzip der direkten Evidenz, d.h. hier der durch das Orakel in der als Hier-und-Jetzt gesehenen Zukunft. Ganz analog begegnet prophetisches Perfekt im Hebräischen erst bei der Wiedergabe ohne vorliegende Quelle (Rogland 2003: 53ff.), das auf die eigentliche Offenbarung rückverweist. Insgesamt lässt sich eine engere semantische Verflechtung zwischen Tempora und Evidentialität vermuten, die sich analog zu der von Aspekt und Modalität verhält (5.3.3.2). Zu den formalen und begrifflichen Hintergründen und einer prototypischen Evidentialität der Tempora bleiben allerdings grundlegende Fragen noch offen. Diese betreffen u.a. die inhärenten und strukturellen Vorbedingungen zur Ausbildung evidentialer Funktionen und ihrer diachronen Verflechtung sowie ihre gemeinsame semantische Opposition gegenüber den Kategorien von Modus und Aspekt. Bei Fehlen eines grammatischen Systems der Evidentialität bestimmen vor allem modale Paradigmen die Lesarten. Je nach Sprachstruktur finden

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sich dabei Modi und Modalverben in entsprechender Verwendung mit einem um evidentiale Lesarten erweiterten Katalog. Evidentialität verweist auf die Informationsquelle des Sprechers im Rahmen der Aussage, wie etwa im deutschen Konjunktiv in zitierter Rede: Er sagte, dass er gehe. Dabei ist der Konjunktiv praktisch Träger der quotativen Evidentialität, das Verb Sagen in der Verbindung mit dem Objektsatz Ausdruck lexikalisierter Evidentialität. Irrelevant ist hingegen der Wahrheitsgehalt im Sinne epistemischer bzw. der Notwendigkeit im Sinne deontischer Modalität (Aikhenvald 2004: 4). Die im Deutschen mögliche Differenzierung zwischen wahrer (er gehe) und unwahrer (er ginge) Aussage ist daher modal in ihrer Funktion und überlagert in dieser Funktion den Gebrauch als quotative Form. Ähnlich verwendet werden können, z.B. im Deutschen, Modalverben als Verweis auf ein Hören-Sagen (hear say): Er soll steinreich sein (Palmer 2001: 40). Ob etwa Sollen im Einzelfall modal oder evidential zu deuten ist, hängt vom Kontext ab, wobei sich zuständliche Aussagen eher als evidential verstehen lassen, dynamische Situation, wie Er soll reinkommen, eher deontisch. Eine allgemeine Schnittstelle besitzt die Kategorie der Evidentialität mit allen sprachlichen Systemen, die deiktische Bezüge entwickeln können, so etwa mit den schon genannten Personalbezügen – vornehmlich in der direkten Rede. Daher kann Wer bekam die Suppe? auch als Ausdruck indirekter Evidenz zweiter Hand (second-hand) verstanden werden, die durch die Angesprochenen als Informanten bestimmt ist. Nach dem sprachtypologischen Befund sind in Aspekten, aber auch in Präsens und Progressiv evidentiale Lesarten nur als Nebenfunktion möglich, eine Reanalyse zur evidentialen Form ist nicht nachzuweisen (Aikhenvald 2004: 369). 5.3.3.4 Zusammenfassung Die modalen Formen des Akkadischen sind im Wesentlichen auf sprecher-orientierte Modalität beschränkt. Agens-orientierte und epistemische Modalität wird durch die indikativischen Formen der grammatischen Aspektkategorien beigebracht. Entsprechend vertreten die akkadischen Modalformen im Wesentlichen imperativische und optativische Funktionen: “Apart from the imperative, […], Akkadian has three verbal categories to express (mainly deontic) modality: the precative, the vetitve, and the prohibitive.” Kouwenberg (2010: 211). Tempus und Evidentialität haben gegenüber Aspekt und Modalität einen deiktischen Charakter gemein, der sich entweder auf das Hier und Jetzt des Sprechers oder seine Informationsquelle bezieht. Gegenüber Aspekt und Tempus haben Evidentialität und Modalität offenbar gemeinsame Eigenschaften, die eine in der älteren Forschung vertretene Subkategorisierung der Evidentialität als Sonderfall der Modalität hervorgebracht haben. Beiden gemein ist jedenfalls ein normativer Charakter, denn sie geben einen Sachverhalt nicht rein deskriptiv, sondern in Beziehung zu seinem Wahrheits- oder Notwendigkeitsgehalt als modal oder in Beziehung zu seiner Vermittlung, d.h. der Herkunft der Kenntnis über das Gesagte durch den Sprecher, wieder. Ihnen ist insofern ein normativer Charakter gemein, wie sie eine Bewertung des Sachverhalts im Rahmen der jeweiligen Kategorie geben.

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Aspekt im Kontext

TAME Symmetrie: deskriptiv referentiell Aspekt deiktisch Tempus

normativ Modalität Evidentialität

5.3.4 Generizität 5.3.4.1 Einleitung Generizität ist die Bezeichnung für Situationen, die nicht episodisch oder in begrenzter Wiederholung auftreten, sondern andauern oder andauernd wiederkehren. Die verschiedenen Bezeichnungen und ihre begriffliche Extension sind in starkem Maße vom jeweiligen Autor und seiner Forschungsschule abhängig. Eine allgemeine Definition für Generizität, Habitualität usw. ist daher praktisch nicht möglich. Zugleich bestehen im Rahmen der jeweiligen Forschungsrichtung Tendenzen, eine eigene Terminologie auszubilden, wie sie etwa in der Münchner Schule zu finden ist (5.3.4.4) und insbesondere für die deutschsprachige Akkadistik von Bedeutung ist. Generizität ist ein von der Semantik der Aspektkategorien unabhängiger Komplex, der aber mit den Verbalformen und Nominalformen strukturell in Verbindung steht. Strukturell bedeutet, dass zwar Verbformen, wie der gnomische Aorist, oder Nominalformen, wie ein indefiniter Plural im Deutschen oder Englischen (Krifka u.a 1995: 2ff.), sprach- und varietätsspezifisch generische Funktionen übernehmen, ohne dass diese einem allgemeinsprachlichen Prinzip folgen. So ist die Frage, welche Verbalform generische Lesarten zeigt, vorrangig davon abhängig, wie umfangreich ihre Grammatikalisierung ist (Dahl 1995: 425). Für generische Tempus- und Aspektformen gilt dabei ähnlich, wie beim grammatischen Wandel von non-modalen zu modalen Formen, eine strukturbedingte Formenentwicklung, die sich von der Generizität allerdings in ihrer semantisch veranlagten Vorgabe der modalen Lesarten äußert (5.3.3). Bei Zusammenfall non-progressiver Lesarten kommt es zu einer Trennung episodischer und generischer dynamischer Situationen. Vom Englischen ausgehend, sind dabei solche Situationstypen, die mit dem Progressiv vereinbar sind, im Perfektiv nur mit einer präteritalen oder generischen Lesart denkbar, wodurch ein stärker generisch ausgeprägter Funktionskatalog entsteht, wie etwa auch im Sumerischen (Alster 2005: 209). Desto stärker das jeweilige Progressiv in Richtung auf ein allgemeines Imperfektiv grammatikalisiert wird, desto eher begegnen dabei Distributionen zum Gebrauch generischer Lesarten eines Perfektivs, welche Akkadisch noch selten sind, hingegen im Altgriechisch und Bibelhebräisch regelmäßig belegt sind. Für einen typologischen Ansatz geben die Prädikatslevel das wesentliche Modell vor. Sie unterscheiden nach dauernden und vorübergehenden Situationen einerseits (5.3.4.2) und konkreten und allgemeinen Referenten andererseits (5.3.4.3). Sie sind auch im Rahmen der Semantik von Aspekten, wie dem Progressiv, seit Dowty (1976) die verbreitete Referenz zu Wechselwirkungen von Generizität und Situationstypen. Den maßgeblichen Überblick zu Prädikatslevel gibt der Sammelband Generic Book von Carlson & Pelletier (1995).

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5.3.4.2 Stage level & individual level Prädikate bezeichnen entweder vorübergehende Eigenschaften von Individuen als s(tage)level oder dauerhafte Eigenschaften des Individuums als i(ndividual)-level. Die Begrifflichkeit und ihre Bedeutung für die Aspektformen finden sich u.a. in Dowty (1979). Eine allgemeine Darstellung bietet Kratzer (1995). Ein i-level bezeichnet einen charakterisierenden Zustand, der permanent oder regelmäßig zutrifft. Ein s-level bezeichnet einen situativen Zustand, der nicht Teil der Charakterisierung des Subjekts ist. Z.B. ist Liegen für Orte ein ilevel state, denn sie verändern ihre Lage nicht – zumindest nicht charaktertypisch. Für bewegliche oder belebte Subjekte ist die Möglichkeit zur Positionsveränderung aber charaktertypisch. Im Allgemeinen ist dann deutsches Liegen ein s-level. Betrachtet man den Situationstyp state, so bietet sich mit Croft (2014: 58f.) eine vierteilige Gliederung an. Gesondert führt dieser zunächst s-level in zweifacher Unterscheidung an. Diese sind vorübergehende Zustände (transitory states) und punktelle Zustände (point state), wie Die Sonne steht am Zenit und Beim nächsten Ton ist es 11 Uhr 34 und 26 Sekunden, welche etwa bei Egg (2004: 105) intergressiv genannt werden. Diese point states sind qualitative states, denen eine außersprachliche zeitliche Ausdehnung fehlt. Insofern states sonst prototypische i-level sind (Chierchia 1995: 177), zeigen diese beiden Typen von states eine semantische Überschneidung mit activities. Vergleicht man vorübergehende Zustände (transitory states) mit activities, so zeigen letztere einen dynamischen Situationsverlauf ohne intrinsisches Ende (3.5.2), wie z.B. Er läuft, Er arbeitet usw. Ebenfalls ohne intrinsisches Ende zeigen vorübergehende Zustände Situationen an, die nicht selbst dynamisch sind, aber durch Einsetzen einer kontextuell erwarteten dynamischen Situation verändert werden können. Dabei ist das Subjekt des Zustands als theme zu verstehen und ändert entweder aus sich heraus oder durch einen Veranlasser seinen Zustand. Selbst veranlasste Zustandsveränderungen sind zumeist bei belebten Subjekten (z.B. Der Mann steht an der Straße > Dann geht er hinüber) kausative Zustandsveränderungen bei unbelebten Subjekten (z.B. Das Handtuch liegt auf dem Boden > Dann hebt ein Mann das Handtuch auf) anzutreffen. Im paradigmatischen Aspekt äußert sich diese Unterteilung in Formen, die states im Allgemeinen ausschließen, aber s-level states erlauben. Dies sind Perfektive und Progressive in Abhängigkeit ihrer varietätsspezifischen Grammatikalisierung (4.5.3), die dann als obligatorische s-level states zu lesen sind, wohingegen states im Imperfektiv oder Stativ in Hinblick auf ihren Prädikatslevel nicht differenziert sind. Unter den i-level states unterscheidet Croft permanente Zustände (permanent states) als inhärente (inherent) oder erworbene (acquired) Eigenschaft. Nur letztere korrespondieren mit einem ihren Zustand bewirkenden achievement (Croft 2014: 58f.). In Sprachen mit nominal orientierter Wiedergabe von Eigenschaften stehen beide Typen mehrheitlich oder ausschließlich als nominale Form, so im Deutschen mit Adjektiven wie gut, groß, schwer usw. Der Trennung von Croft folgend entsprechen inhärente Zustände im Deutschen einfachen Adjektiven, erworbene Eigenschaften können (als Wurzellexem) durch einfache Adjektive (taub, lahm) oder morphologisch deriviert durch Partizip Passiv (geschlagen, gebrochen) wiedergegeben werden. Im Akkadischen begegnet hier eine Opposition von einfachem Verbaladjektiv (damqum: gut) und Steigerungsadjektiv (altassyrisch dummuqum: gut als erworbene Eigenschaft). Prinzipiell begegnen dabei akkadisch Steigerungsadjektive regelmäßig zur Differenzierung erworbener Eigenschaften, so altassyrisch mit verarbeiteten

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Aspekt im Kontext

Materialien (Kouwenberg 2017: 251) und sonst akkadisch etwa bei körperlichen Einschränkungen oder Veränderungen, wie g/qubbuḫu(m): kahl oder uppuṭu: blind (Kouwenberg 1997: 371ff.). Im Unterschied zum Deutschen spielt hier die semantische Verknüpfung mit der hervorbringenden Handlung eine untergeordnete Rolle und steht entsprechend seltener. Zur Verknüpfung mit der (faktitiven) Handlung ist akkadisch ebenfalls das Steigerungsadjektiv möglich. Über diese Funktion hinaus zeigt das Steigerungsadjektiv purrus jedoch eine Tendenz zum Gebrauch als s-level mit teil dynamischer Lesart im STA, wie ṭubbuḫ: schlachten (Kouwenberg 2010: 176), und darf daher nicht auf eine funktionale Entsprechung zum deutschen Partizitp Passiv oder auf Stativstamm zu kausativen Stammformen reduziert werden. Einige lexikalisierte Formen haben diese Bedeutungsnuance verloren und entsprechen im synchronen, akkadischen Sprachgebrauch einfachem (und verdrängtem) Adjektiv, so quddušum: qaššum:: heilig33. Die Gründe für den Prozess solchen semantischen Wandels sind im Einzelfall zu prüfen – plausibel ist aber eine enge pragmatische Verknüpfung mit den in dieser Arbeit vorgestellten semantischen Funktionen des Steigerungsadjektivs (11.2). Neben der Trennung in s-level und i-level auf Grundlage der außersprachlichen Wirklichkeit, besteht in Verbindung mit Aspekten die Möglichkeit einer Transposition von i-level in s-level, die der kontextuellen Perspektive, d.h. dem Diskurs folgend, entspricht. Dabei kommt es zu einer Art von Attraktion der Prädikatslevel vergleichbar einer Tempus- oder Modusattraktion. Der so grammatisch als s-level charakterisierte Zustand ist dabei aus einem bestimmten Blickwinkel und nicht an sich definiert, und man kann von einem rein perspektivischen oder perspektivisch bedingtem s-level sprechen, der als imperfektive Lesart zu deuten ist, aber bevorzugt mit progressiven Formen bzw. progressiven Lesarten imperfektiver Formen begegnet 34. Ein anschauliches Besipiel bringt Dowty bei: “When you enter the gate to the park there will be a statue standing on your right, and a small pond will be lying directly in front of you” Dowty (1979: 175; Hervorhebungen durch Verfasser). Auch die scheinbar widersprüchliche Funktionseinheit von s-level mit teils dynamischer Lesart der Steigerungsadjektive ist dabei als ursprünglich progressive Lesart zu deuten, nämlich als perspektivischer s-level im Verhältnis zu einer Verfertigung, wie altassyrischem ṣarrupum: geläutert oder einer nachwirkenden Veränderung. Hierzu gehört auch die foregrounding Funktion des purrus Stamms des STA, der im Wechsel mit Grundstamm die Aktualität hervorhebt und durch die s-level Semantik impliziert wird: “This suggests that these D forms have a foregrounding function, […]; once this is done, the neutral G-stem is used.” Kouwenberg (1997: 193). 5.3.4.3 Object level & kind level Eine Differenzierung der i-level betrifft die Beschaffenheit des zugehörigen Individuums: Sie können sich auf spezifische bzw. einzelne Individuen beziehen oder gattungsspezifisch sein. 33 Das einfache Verbaladjektiv qaššumPräsens>Aorist.“ Kölligan (2007: 398). Kölligan führt Aspekformen als häufigste Kategorie an: „Für das Griechische ist entsprechend zu erwarten, daß – abgesehen von Diathesensuppletion, die nicht vorkommt – Aspektstammsuppletion am häufigsten sein sollte, gefolgt von Tempus- und Modusstammsuppletion.“ Kölligan (2007: 26f.). Entgegen seiner Definition des Begriffs der Suppletion möchte ich Fälle von Wechseln der Diathese zwischen den verschiedenen Verbalstämmen im Altgriechischen (5.3.2) hierunter zählen und entsprechend die Hierarchie analog zu Bybee (1985: 35ff.) modifizieren (Dia50 Auch Präsensstammbildungen des Indogermanischen zeigen keine lexikalische Semantik. Die ihnen zugesprochenen Eigenschaften (denominal, iterativ, kausativ u.ä.) sind rein grammatisch. 51 Studien hierzu fehlen. Es bleibt der Vergleich der semitischen mit den indogermanischen Aspektsprachen, die eine größere Zahl von Beispielen in der Verwendung von Suppletion im Verbalsystem bieten. 52 Die belegte Teilsuppletion ist in sprachhistorischer Perspektive dann eine Vollsuppletion!

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Aspekt im Kontext

these>Aspekt>Tempus/Modus>Person). Suppletion der Diathesen findet sich Akkadisch etwa im Wechsel der SK und eines N-Stamms, wobei vorerst varietätsspezifische Zusammenstellungen erforderlich sind (11.7.3), bevor allgemeine Strukturegeln für das Akkadische formuliert werden können. Bemerkenswert für das Akkadische und andere semitische Sprachen ist ihr auch sonst wirkungsmächtiger paradigmatischer Ausgleich, der eigentlich eine Verschiebung des Verbalsystems zu Tempora begünstigt. So besitzen die indogermanischen Vertreter eines schwach ausgebildeten Suppletionsverhaltens in ihren ältesten überlieferten Sprachstufen praktisch keinen grammatischen Aspekt, aber eine voll entwickelte Opposition past: nonpast: „Vergleicht man das Suppletionsverhalten des Griechischen mit dem anderer altindogermanischer Sprachen, so fällt auf, daß Sprachen mit einem das gesamte Verbalsystem prägenden Aspektsystem deutlich stärker zu Suppletion neigen als Sprachen, in denen entweder das Aspektsystem dem Tempussystem untergeordnet ist – etwa das Lateinische, in dem die Aspektunterscheidung imperfektiv – perfektiv nur im Präteritum vorkommt – oder in denen nur noch Reste des möglicherweise (spät)grundsprachlichen Aspektsystems vorhanden sind (etwa im das Vedische, […].).“ Kölligan (2007: 400). Von den Formen paradigmatischer Suppletion sind ferner semantische Suppletionen zu unterscheiden. Insofern išûm: rašûm beide ein PRT besitzen, liegt keine paradigmatische Suppletion vor. Aktionsartensuppletion ist bereits altassyrisch nicht häufig und in den späteren Varietäten des Babylonischen und Assyrischen noch seltener anzutreffen 53. Bei diesen beschränkt sie sich praktisch auf den Wechsel von reduplizierter Wurzel in der PK und einfacher Wurzel in der SK bei den Zustandsverben mediae geminatae, die sich etwa in der Vokalisierung nicht von der historischen Entwicklungstendenz anderer Zustandsverben unterscheiden: „Zunächst finden wir im Akkadischen bei den Verben mediae geminatae eine u – u Klasse, zu welcher neben intr.-fientischen Verben offenbar auch einige Zustandsverben gehören. […]. Normalerweise aber gehen die akkadischen Zustandsverben mediae geminatae nach der i – i Klasse, […].“ Aro (1964: 170f.). Betrachtet man die Gegebenheiten nach einer kontinuierlichen Trennung von lexikalischen zu grammatischen Wörtern, so sind es letztere, die häufiger suppletiv gebraucht werden: „Aspekt neigt also stärker zur Suppletion als Tempus, und dies wiederum stärker als Person/Numerus: Aspekt> Tempus>Numerus. […]. Umgekehrt läßt sich also sagen, daß Verben, die stärker zur Grammatikalisierung als Funktionswörter, Hilfsverben, Affixe usf. tendieren [..] häufiger suppletiv sind als Verben, die selten grammatikalisiert werden.“ Kölligan (2007: 401).

53 Daraus folgt als Hypothese, dass das Protosemitische ein stärker ausgeprägtes Aspektsystem mit der Dichotomie von Perfektiv und Imperfektiv besessen hat. Für dessen Rekonstruktion sind dann aber nur bedingt Rückschlusse anhand des paradigmatisch ausgeglichenen, historischen Sprachstands möglich.

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Lesarten der grammatischen Aspekte und ihre Bestimmung

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Suppletion nach Numerus begegnet im Sumerischen und anderen Sprachen und ist verknüpft mit der Interpretation des Situationstyps oder der Qualität der Verbalhandlung und erhellt die Funktion pluralischen D-Stamms als Merkmal ihrer semantischen Intensität 54: “Verbal number may be indicated lexically, derivationally, or inflectionally. A large number of North American languages show lexical distinctions of number. (…) The verbs that show such alternations tend to represent situations in which the number of participants is viewed as significantly affecting the nature of the action or state, such as sitting or living, standing, lying, eating, talking, walking, running, coming, going, dying, killing, and various kinds of handling. Living alone is presented as being significantly different from living in a group. Killing one may be murder, but killing a group would be a massacre, a different kind of event.” Mithun (1999: 84f.).

5.4 Lesarten der grammatischen Aspekte und ihre Bestimmung 5.4.1 Katalog der Lesarten des imperfektiven Aspekts 5.4.1.1 Einleitung Bei der Erstellung der Lesarten vor dem Hintergrund der Situationstypen und der lexikalischen Semantik des Verbs lassen sich zunächst die aspektneutralen Lesarten mit activities und states von den Kombinationen mit perfektiven Situationstypen trennen. Letztere sind Lesarten des sogenannten Imperfektiv Paradox. Allgemeinsprachlich ist dabei von einer unbeschränkten Verbindung von accomplishment und Imperfektiv auszugehen, wohingegen die Verknüpfung mit achievement von der jeweiligen varietätsspezifischen Grammatikalisierung des Imperfektivs abhängig ist. Die Bezeichnungen der progressiven und imperfektiven Lesarten sind deskriptiv und außerhalb des modalen und generischen Gebrauchs nach den Vorgaben der Kombinationen von Aspektdichotomie und Situationstyp aufgestellt. Sie orientieren sich weitgehend am Katalog der Lesarten in Sasse (1999). 5.4.1.2 Aspektneutrale Lesarten States sind Imperfektiven gegenüber semantisch und syntaktisch neutral. Dies gilt nicht nur für die Merkmale der Zuständlichkeit und der atelischen Semantik, sondern insbesondere hinsichtlich der inhärenten i-level Lesart dieses Situationstyps (5.3.4.2). Die Lesart wird als zuständlich (Sta-5) im Katalog bezeichnet. Auffälligkeiten weisen hier auf das Vorliegen eines Progressivs hin (5.4.1.4). Auch mit activities ist der imperfektive Aspekt neutral und zeigt eine dynamische und atelische Lesart, die wie alle dynamischen Lesarten inhärent einen s-level bezeichnet. Die Lesart wird hier als prozessual (Prs-2 & Sta-6) bezeichnet. Um dynamische von zuständlichen Lesarten zu trennen, sind mehrere Parameter erforderlich. Eine dynamische Lesart liegt vor, (1) wenn eine Erweiterung um ein inhärentes Ziel auf syntagmatischer Ebene und damit die Überführung in ein accomplishment möglich sind, 54 Man vgl. hierzu den oft auf die Pluralität der Handlung oder des Objekts reduzierten D-Stamm (5.2.2 & 11.2) sowie reduplizierte Perfektive im Sumerischen (Jagersma 2010: 319ff.).

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wie in Er liest: Er liest den ganzen Brief, (2) das Verb eine wahrnehmbare Bewegung ausdrückt, wie in Der Ball rollt oder (3) das Verb im Progressiv eine generische Lesart besitzt. Eine zuständliche Lesart ist möglich – aber nicht hinreichend gesichert -, (1) wenn eine Metaptosis im paradigmatischen Wechsel zu einem achievement begegnet, wie in He always believed (state): He suddenly believed (achievement), (2) das Verb überhaupt kein oder kein duratives Progressiv zeigt, (3) transitiv ist aber keine Veränderung des Objekts bezeichnet (z.B. in Er besitzt mehrere Gemälde), oder (4) eine Lage- oder Eigenschaftsbezeichnung des Subjekts ausdrückt (z.B. in Er befindet sich in Prag). Zwei Typen aspketneutraler Lesarten sind Sonderfälle der lexikalisch veranlagten Situationstypen und daher gesondert aufzuführen: Semelfaktiva im imperfektiven Aspekt sind durativ als iterative (Prs-3 & Sta-7) Lesart zu führen und zeigen praktisch einen Wechsel von achievement und activity an (z.B. deutsch Klopfen) oder auch die Überführung einer beliebigen Lesart durch syntagmatische (mehrmals usw.) oder grammatische (akkadisches tan- Infix) Verfahren. Degree achievement werden im Imperfektiv als graduell (Prs-6) geführt und zeigen ebenfalls einen Wechsel von achievement und activity an – als achievement sind sie allerdings telisch (z.B. deutsch abkühlen, sich aufhellen). Iterative Lesarten im Akkadischen sind durch oben genannte syntagmatische oder grammatische Elemente eindeutig bestimmbar. Kontextuelle Überführungen sind denkbar, aber problematisch. Graduelle Lesarten konnten bisher im Akkadischen nicht belegt werden. Auch in dieser Arbeit kann im Rahmen der Fallstudie keine überzeugende Methode zur Bestimmung dieser Lesarten im Altassyrischen vorgestellt werden55. Eine genauere Prüfung des Sachverhalts erfordert auch eine Untersuchung des Nominalsystems und dort belegter degree words (Dowty 1979: 88). 5.4.1.3 Paradoxe Lesarten Unter das sogenannte Imperfektiv Paradox fallen Verbindungen des Imperfektivs mit telischen, d.h. perfektiven Situationstypen, die eine Situation ausdrücken, die ein intrinsisches Ende besitzt, aber über dessen Erreichen keine Angaben macht. Die Lesarten sind daher zugleich modal konnotiert. Aus der lateinischen Grammatik stammt die Bezeichnung als konativ (Prs-4). Sie umfassen im klassischen Gebrauch imperfektive accomplishments, die den Versuch eines Handlungsvollzugs ausdrücken. Der konative Charakter ist aber allen imperfektiven accomplishments gemein und kann daher entsprechend breit ausgelegt verwendet werden. Gesondert anzuführen sind die achievements im imperfektiven Aspekt aus drei Gründen: (1) sie sind teils lexikalisch vom imperfektiven Aspekt ausgenommen, (2) sie beschreiben keinen Handlungsverlauf und sind daher im imperfektiven Aspekt (im Unterschied zum perfektiven) syntaktisch verschieden von accomplishments, und (3) in Verbindung mit Progressiven kann diese Lesart sekundär durch Metaptosis atelischer Lexeme begegnen (s.u.). Diese Lesart wird approximativ (Prs-5) genannt, insofern sie die Nähe zum lexikalischen Situationstyp umfasst. Im imperfektiven Aspekt ist sie praktisch auf Lesarten ohne lexikalisch durativen Gehalt beschränkt und daher akkadisch zumeist in modaler, futurischer oder konsekutiver Funktion anzutreffen. Approximativ sind – analog zum futurischen Gebrauch des 55 Zu möglichen degree achievements im Akkadischen s.o. 3.4.4 & 6.3.6.

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akkadischen PRS – auch verschiedene futurische Lesarten des altgriechischen Präsens anstelle eines Futurs (McKay 1974: 142). Wo achievements und accomplishments nicht formal differenziert werden können, basiert ihre Trennung im imperfektiven Aspekt auf der möglichen Interpretation der Form in Verbindung mit Adverbien. Dabei ist zu prüfen, ob Temporaladverbien eine Angabe zur Dauer der Situation erlauben oder nur zum nachzeitigen Zeitpunkt des Situationswechsels. Ist eine Trennung nur kontextuell bzw. aufgrund der adverbialen Komplemente möglich, so darf regelmäßig von einer varietätsspezifischen Freiheit im Wechsel der beiden Situationstypen ausgegangen werden. Für das Akkadische hingegen ist eine systematische Trennung der perfektiven Situationstypen achievements und accomplishments anzunehmen (3.5.4). Die Prüfung der Beiden erfolgt zuerst auf Basis allgemeiner Kriterien. Dabei liegt grundsätzlich eine Annahme zur Struktur des Lexikons der Verben nach Genus zugrunde: In Bezug auf das (1) Merkmal der Transitivität gehören Verben mit Wechsel von intransitiver und transitiver Lesart potentiell in die Gruppe der progressiven Verben. Die anderen Lexeme, die obligatorisch einen Zustandswechsel beschreiben oder semantisch von hoher Transitivität sind, gehören in die Gruppe der ingressiven Verben. Aufgrund formaler Kriterien sind (2) Verben gleicher Vokalklassen demselben Genus zuzuordnen. Die Zuordnung richtet sich nach der mehrheitlich plausiblen Bestimmung. (3) Syntagmatisch sind konative Lesarten, etwa im Inzidenzschema im PRS, Ausdruck einer durativen und telischen Lesart der Form. Schließlich sind (4) semantisch die Zuordnung zur Gruppe der Zustandsverben und Belege zuständlicher Lesarten in der PK ein Nachweis ingressiven Genus. Nicht alle Verben lassen sich anhand dieser Kriterien einwandfrei bestimmen. Es ist insbesondere unsicher, ob (1) Zustandsverben der u-Klasse eine Lesart als achievement erlauben, (2) unter welchen Voraussetzungen Verben mit Wechsel von achievement und activity möglich sind, (3) welche aspketuellen Implikationen mit der a/i-Ablautklasse verknüpft sind und wie diese vorherzusagen sind und (4a) wie dynamische Verben der aKlasse prinzipiell zu deuten sind, (4b) sie auf eine einheitliche aspektuelle Struktur zurückgeführt werden können und (4c) welche Wechselwirkungen zwischen a-Klasse und Ablautklassen anzunehmen sind. Diese Problembereiche der Bestimmung verlangen nach einer Untersuchung anhand der einzelnen Varietäten, denn es ist m.E. plausibel, dass diese gesamtakkadisch uneinheitlich erfasst werden. Entsprechend der gegebenen Annahmen sind in allen akkadischen Varietäten Verben mit i oder a im PRT ingressiv, Verben mit u im PRT progressiv. Von der Genusklassifizierung abweichende oder spezifizierende Merkmale sind jeweils gesondert zu begründen. Eine gesonderte Betrachtung kann Klassen von Verben betreffen, wie intransitve a/u-Verben gegenüber intranstiven nicht-ablautenden u-Verben oder einzelne Lexeme, wie assyrisches našāˀum: aufheben, tragen. 5.4.1.4 Progressive Lesarten und Metaptosis Mit states bleibt die charakteristische Beschränkung des Progressivs auf s-level erhalten. Neben einem generellen Ausschluss, wie in englischem to know, altgriechischem οἴδα: wissen oder akkadischem išû(m): haben, sind zwei Lesarten möglich. Ohne Veränderung des Situationstyps steht das Progressiv zum Ausdruck eines s-level states und ist als Lesart aktuell-zuständlich (Prs-1). Eine zusätzliche Charakterisierung des

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Zustands kann durch Temporal- oder Lokaladverbien erfolgen, ist aber redundant, da ein Progressiv keine anderen zuständlichen Lesarten erlaubt. Mit Veränderung des Situationstyps bzw. Metaptosis kommt es zu einer Überführung in ein achievement als approximativ (Prs-5). Die Veränderung der Lesart entspricht der Metaptosis des perfektiven Aspekts. Sie ist zugleich Ausdruck eines nachzeitigen oder zukünftigen Zustands. In Aspektsprachen sind die lexikalische Einheit von achievement und state charakteristisch. Diese Lesart ist überall dort anzunehmen, wo eine aktuell-zuständliche Lesart zur Referenzzeit noch nicht vorliegen kann. Eine Beschränkung auf nachfolgende slevel ist sprachtypologisch nicht plausibel. Gegenüber einer Differenzierung des Prädikatslevels des (von dieser Lesart beschriebenen) eintretenden Zustands ist sie neutral, d.h. der der approximativen Lesart folgende Zustand kann s-level oder i-level sein. Unter dieser Lesart können schließlich auch eintretende dynamische Situationen erfasst werden, d.h. die approximative Lesart ist auch hinsichtlich einer Differenzierung der nachfolgenden atelischen Situation als activity (z.B. Loslaufen) oder state neutral. Diese Unterdifferenzierung ist gerechtfertigt, denn die Möglichkeit eines Situationstypenwechsels von state und activity basiert bei vielen Lexemen auf ihrer kontextuellen Verwendung. Sie betrifft im Rahmen von Progressiven und Stativen eine Überführung von state zu activity. Der umgekehrte Fall ist wohl irregulär56. Metaptotisches Imperfektiv begegnet bei iterativen (Prs-3) Lesarten semelfaktiver Lexeme und graduellen (Prs-6) Lesarten der degree achievements, wenn die perfektiven Formen der Varietät keine durative Lesart erlauben. Es ist allerdings plausibel anzunehmen, dass solche Beschränkungen von der Semantik des Perfektivs abhängen und keine Eigenheit der imperfektiven Form und daher auch nicht paradigmatisch distribuiert sind (s.o. 5.4.1.2f.). 5.4.1.5 Modale und generische Lesarten Generische und modale Lesarten erweitern den Katalog imperfektiver Formen auf unterschiedliche Weise. Modalität kann unmittelbar als Teil der Semantik des grammatischen Aspekts bestimmt werden. Die Beleglage richtet sich nach dem Vorhandensein formaler Modi und inwieweit diese obligatorisch oder fakultativ verwendet werden. Aufgrund ihrer Stammbildungen lassen sich die Modi im Akkadischen auf eine jeweilige Aspektform zurückführen. Ein über beide Aspekte ausgebildetes System von Optativ oder Konjunktiv, wie im Altgriechischen, oder der modalen Präfixe mit Imperfektiv und Perfektiv, wie im Sumerischen (Civil 2000), existiert nicht. Mit Ausnahme der sprecher-orientierten Modalität der Formen perfektiver Semantik des PRT und STA begegnen daher nur modale Lesarten im Indikativ. Prinzipiell ist auf einen noch unzureichenden Forschungsstand zur modalen Se-

56 Der genannte Situationstypenwechsel ist nicht primär aspektuell, sondern relevant für die semantischen Relationen. Durch Erweiterung des Progressivs auf lexikalische states wird dabei eine Recharakterisierung als activity ebenso begünstigt wie die Grammatikalisierung einer resultativen inaktiven Form zum Perfekt entlang des perfektiven Grammatikalisierungspfades, der zuständliche Lesarten reduziert oder tilgt. Eine Grammatikalisierung, die eine Erweiterung der lexikalischen states begünstigt, ist in der Entstehung neuer Inaktiva (5.3.6.3) zu suchen. Prinzipiell ist hier zu fragen, ob die dadurch aktivisch interpretierte Form einen Wechsel von activity zu state erlaubt oder lediglich eine Differenzierung in inaktive und aktivische activities erfolgt. Studien hierzu fehlen m.W.

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mantik der Aspekte hinzuweisen, der manche allgemeinsprachlichen Details nicht hinreichend erklärt hat57. Drückt eine modale imperfektive Form nicht den Wahrheitsgehalt einer Aussage aus, ist deren deontische Lesart in der Regel eine Aussage über die Eigenschaften des Subjekts. Von perfektiven deontischen Lesarten unterscheiden sie sich dadurch, dass sie nicht die Absichten des Sprechers ausdrücken, wie ein Imperativ. Zu beachten ist, dass etwa deutsche oder englische Modalverben keine solche Trennung vornehmen und sprecher-orientierte perfektive Modalität von einer agens-orientieren imperfektiven Modalität nur kontextuell geschieden werden kann. So ist etwa Er kann eintreten als indirekter sprecher-orientierter Ausdruck im Kontext einer Aufforderung oder Erlaubnis an einen Wartenden. Hingegen ist Er kann lesen im Kontext der Bewertung eines Kindes in einer Leistungsbesprechung agensorientiert. Letzgenannte Lesart wird hier als dispositionell (Prs-9) bezeichnet. Imperfektive Formen in Vertretung des negierten Imperativs sind sprachtypologisch häufig und begegnen nicht nur im Semitischen, sondern auch in indogermanischen Varietäten. Ähnlich den deutschen Modalverben zeigen sie eine Überschneidung sprecherorientierter und agens-orientierter Modalität, die sich im Wesentlichen nur kontextuell auflösen lässt. Unter der prohibitiven (Sta-13 & Prs-10) Lesart wird hier versucht, diese sprecher-orientierten Lesarten imperfektiver Formen gesondert zu führen. Bewertet der imperfektive Aspekt den Wahrheitsgehalt oder lässt in Frage, ob etwas tatsächlich geschehen ist, so liegt epistemische Modalität vor, entsprechend wird diese Lesart epistemisch (Prs-11) genannt. Die Verteilung epistemischer Lesarten auf imperfektiven und perfektiven Aspekt ist analog zu der zwischen Präsens und Präteritum. Dabei zeigen Imperfektiv und Präsens eine reale oder non-futurische Semantik, Präteritum und Perfektiv eine irreale oder futurische Semantik. Generische Lesarten sind nur bedingt aus der Semantik der Aspekte heraus vorherzusagen. Sie sind zunächst strukturbedingt und in Abhängigkeit vom sonstigen Gebrauch der Form. Dabei gilt, dass ein Rückgang der Verwendungsweisen in Tempus, Modus und Aspekt generische Lesarten, wie im englischen simple present, begünstigt. Allgemein werden in dieser Arbeit unter habituell (Prs-8) alle Lesarten geführt, die den i-level dynamischer Situationen beschreiben. Sie begegnen in Belegen und dem akkadistischen Diskurs überwiegend in Verbindung mit dem PRS. Aufgrund der Belege generischen PRT ist die Frage nach Merkmalen der Distribution berechtigt, doch ist die altassyrische Fallstudie hier nicht aussagekräftig. Die Möglichkeit habitueller Lesarten dynamischer Situationstypen ist scharf von der Beschränkung des Progressivs zu unterscheiden, states nur als s-level zu darzustellen. Aufgrund der allgemeinen Beleglage und dem sprachtypologischen Vergleich ist eine generische Lesart für das PRS zu prüfen, die eine Handlung als charakteristische Tätigkeit oder Profession des Subjekts beschreibt und okkupationell (Prs-7) genannt wird. Sprachtypologische Evidenz bieten die funktionale Überschneidung mit agens-orientierter Modalität, als dessen Grammatikalisierung eine okkupationelle Lesart begriffen werden kann. Ebenfalls sprachtyplogisch evident ist die Beleglage okkupationeller Lesarten in Sprachen mit Progressiv: Stativ Split, wie dem Cayuga (Sasse 2000). Der sprachtypologische Befund ist 57 Vgl. vorerst Bybee u.a. (1994) sowie Abraham & Leiss (2008) als Referenzen für die Interaktion von Modus und Modalität mit paradigmatischen Formen.

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von besonderem Interesse, denn er überschneidet sich thematisch mit der akkadistischen Diskussion um die Genese des Präsensstamms und seine Anknüpfung an Steigerungsadjektiv, D-Stamm und nominales parrās-, welches u.a. auch okkupationelle Semantik besitzt, wie in šarrāqu(m)58: Dieb, gewohnheitsmäßiger Stehlender. 5.4.1.6 Zusammenfassung Die imperfektiven Lesarten sind aufgrund des Verbalsystems des Akkadischen mit einer progressiven Form im Bereich der states und der Generizität stärker zu differenzieren als die der anderen Formen des Paradigmas. Bereits der Überblick der Lesarten des Imperfektivs zeigt, dass sich die non-modalen Lesarten des STA hier verorten lassen, modalem STA aber nicht durch den Katalog der imperfektiven Lesarten genüge getan wird. Die Formen von STA und PRS können als solches nur in Teilbereichen innerhalb der aspektdichotomen Einteilung zugeordnet werden. Im gesamten paradigmatischen Gebrauch zeigen sich hingegen verschiedene Verwerfungen, die Ausdruck der semantischen Eigenschaften sind und nicht unter einer syntaktischen Opposition zusammengefasst werden können. 5.4.2 Katalog der Lesarten des perfektiven Aspekts 5.4.2.1 Einleitung Perfektive Lesarten sind einerseits im Rahmen der Aspektdichotomie von imperfektiven Lesarten zu trennen, andererseits besteht eine besondere Herausforderung in der Trennung perfektischer und perfektiver Syntax und Semantik. Wo, wie im Akkadischen, keine dichotomen Strukturen vorliegen, ist die Formenbestimmung zunächst im Rahmen des sprachtypologischen Begriffs erforderlich. Praktisch ist die Zuordnung der Belege in Perfektiv und Perfektisch in vielen Fällen kontextsensitiv und nicht allein grammatisch zu bestimmen. Für das Altassyrische und andere Varietäten darf eine Trennung auch deswegen, weil das PRF eine Form mit strikt perfektischer Eigenschaft ist, allerdings nicht aufgegeben werden. Mit Blick auf die Vergleichbarkeit ist daher auch in (diaphasischen) Varietäten mit rein modalem PRT diese Aufstellung erforderlich, um eine Vergleichbarkeit der akkadischen Befunde zu gewährleisten. Die Bezeichnungen der perfektiven Lesarten sind deskriptiv und außerhalb des modalen und generischen Gebrauchs nach den Vorgaben der Kombinationen von Aspektdichotomie und Situationstyp aufgestellt. Sie orientieren sich weitgehend am Katalog der Lesarten in Sasse (1999). 5.4.2.2 Aspektneutrale Lesarten Die Situationstypen mit telischer Lesart, d.h. achievements und accomplishments, sind gegenüber dem perfektiven Aspekt neutral. Eine syntaktische Unterscheidung im perfektiven Aspekt ist auch sprachtypologisch schwierig, und daher findet die Zuordnung zu den entsprechenden Lesarten auf semantischer Ebene statt. Accomplishments im perfektiven Aspekt schließen das intrinsische Ende der Handlung mit ein und werden hier als kompletiv (Prt-3) bezeichnet. Achievements werden nach ihrer lexikalischen Struktur geschieden. Einfache punktuelle Verben ohne Lesart als state werden 58 Altassyrisch aufgrund der Vokalharmonie šarraqum ohne Längung des zweiten Vokals.

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als punktuell (Prt-4) bezeichnet. Verben mit lexikalischer state Lesart werden inzeptiv (Prt2) genannt und sind als metaptotisch zu deuten (5.2.4.5). Praktisch bedeutet das, dass Verben, die als telisch bestimmt werden können und dem progressiven Genus angehören, immer kompletiv sind, die angenommenen Zustandsverben des Lexikons hingegen inzeptiv. Die punktuelle Lesart ist vornehmlich bei den Stammformen mit a/i-Ablaut und ingressiven Bewegungsverben plausibel, die keinen STA zeigen59. 5.4.2.3 Lesarten der einfachen Vollendung Erlaubt die perfektive Form einer spezifischen Varietät dynamische Lexeme ohne telische Komponente, wie im Russischen, so werden diese nach Vorbild der Slawistik als delimitativ (Prt-1) bezeichnet. Sie beschreiben eine Handlung, die abgeschlossen wurde, deren Abschluss aber nicht lexikalisch oder syntagmatisch veranlagt ist, wie in russischem dopisat‘: to add in writing (perfektiv). Nach Vorbild der delimitativen Lesart sind auch abgeschlossene Zustände im perfektiven Aspekt sprachtypologisch möglich, im Russischen und verschiedenen anderen Aspektsprachen allerdings ausgeschlossen. Diese komplexive (Prt-5) Lesart begegnet in der Regel bei aus einem Resultativ grammatikalisierten Perfektiv und ist möglicherweise bei einer perfektiven Aktionsartenderivation (zumindest anfänglich) ausgeschlossen 60: „Nicht-momentane Handlungen irrelevanter Dauer werden überwiegend als perfektiv eingeordnet und entsprechend bezeichnet. Das Ergebnis ist ein komplexiver Aorist, d.h. das perfektive Präteritum eines durativen oder iterativen Verbums, wie z.B. im Falle von Handlung k “er redete mit ihnen“. Eine Ausnahme macht das Russische, weil in dieser Sprache Aspekt und Aktionsart gekoppelt sind; anstelle eines komplexiven Aorists steht im zitierten Beispiel das Einheitsprätritum des imperfektiven Verbums.“ Tichy (1999: 132f.). 5.4.2.4 Metaptotische Lesarten Weiter verbreitet sind in Verbindung mit states, seltener auch mit activities, metaptotische Lesarten mit Überführung in eine inzeptive Lesart zum lexikalischen Situationstyp. Diese perfektive Metaptosis ist für die Zustandsverben fester Bestandteil des ingressiven Verballexikons. An diese allgemeinen Beobachtungen knüpft sich die Frage an, ob einige Verben IIIinfirmae der i-Klasse eine querliegende Klassifizierung als achievement/activity Verben verlangen, (10.4.4) und ferner, wie Zustandsverben der u-Klasse strukturell (10.2.3), d.h. im Rahmen der Genusklassifizierung, zu deuten sind. Bei diesen sind dynamische Lesarten möglicherweise auszuschließen oder Ergebnis einer nicht im Lexikon veranlagten Metaptosis.

59 Auch Bewegungsverben mit STA in besonderer Nuance gehören hierhin, denn der STA beschreibt nicht den lexikalischen Zustand zum Vorgang, etwa alik: kundig sein u.ä. (3.5.5.3). 60 Von besonderem Interesse sind hier die Beleglage und Interpretation des sigmatischen Aorists und die Frage, ob die möglichen komplexiven Lesarten sekundär durch paradigmatischen Ausgleich entstanden sind.

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5.4.2.5 Modale Lesarten Bei den modalen Lesarten des perfektiven Aspekts ist eine scharfe Trennung innerhalb der Diachronie zwischen Resultativ, Perfekt und Perfektiv nicht zielführend. Anders als die syntaktischen Eigenschaften bleibt der semantische Gehalt im Bereich der Modalität recht stabil, und die entsprechenden Lesarten begegnen überwiegend unabhängig der Grammatikalisierungsstufe. In Abgrenzung zur imperfektiven Lesart ist eine Trennung zwischen epistemischer und sprecher-orientierter Modalität grundsätzlich empfehlenswert, auch wenn innerhalb des Perfektivs sich beide inhaltlich überschneiden. Akkadisch wird diese Trennung durch den Umstand begünstigt, dass sprecher-orientierte Modalität regelmäßig morphologisch deriviert wird, z.B. als Prekativ, Vetitiv usw. Doch kommt es auch hier zu sprachtypologisch typischen Überschneidungen, wie etwa beim finalen Optativ im Altgriechischen (5.3.3). Prinzipiell ist auch bei der perfektiven Modalität auf einen noch unzureichenden Forschungsstand hinzuweisen, der manche allgemeinsprachlichen Details nicht hinreichend erhellt hat. Die einfache perfektive Modalität verbindet irreale und futurische Semantik und drückt als solches aus, was im Diskurs nicht geschehen ist, aber in Zukunft noch stattfinden kann. Die Lesart des perfektiven Aspekts etwa in Interrogativ- oder Konditionalsätzen wird als potentiell (Prt-10 & Sta-8) bezeichnet. Ebenfalls in Konditionalsätzen und anderen Subordinationsverhältnissen mit irrealer Nuance steht eine konjunktivische (Prt-12 & Sta-10) Lesart, etwa mit konzessiver u.ä. Semantik. Sie thematisiert anders als die potentielle Lesart keine mögliche Verwirklichung in der Zukunft, sondern beschreibt die logische Verknüpfung zu einem weiteren Satz und ist daher etwa auch die reguläre Lesart der Apodosis zu einer potentiellen Protasis im Konditionalsatz. Die kontextsensitive Differenzierung als Ausdruck der perfektiven Semantik der beiden Lesarten ist dem Umstand geschuldet, dass das Akkadische vom Mittel der logischen Subordination reichen Gebrauch macht. Die zweiteilige Gliederung der irrealen Lesarten ist daher der Betrachtungen der Aspekte im Rahmen der Taxis (Kap.9) geschuldet, welche ein zentrales Thema der früheren akkadistischen Forschung und Grammatik ist. Die sprecher-orientierte Modalität lässt sich für die Belange der Aspektsemantik im Wesentlichen als einheitliche optativische (Prt-13 & Sta-11) Lesart beschreiben, der im Akkadischen formal ein suppletives Paradigma distributioneller Modi entspricht (2.3.7). Gesondert hierzu ist die negierte Form modalen Perfektivs im Akkadischen, der Vetitiv, anzuführen, der neben imperfektiven Prohibitv steht und admonitiv (Prt-14 & Sta-12) bezeichnet wird. Von seiner Semantik stärker mit dem Perfekt verknüpft ist die non-faktive (Prt-11 & Sta9) Lesart, die etwa im Deutschen den Konjunktiv des Plusquamperfekts verlangt, d.h. ein Perfekt des Präteritums. Sie bezeichnet irreale Sachverhalte der Vergangenheit bzw. Gegenwart und schließt eine zukünftige Realisierung aus. Im Akkadischen begegnet sie als Lesart perfektiver Formen, die keine präsentischen Bildungselemente besitzen, und ist auch beim STA möglich. Letzteres bestätigt die semantische Orientierung an der perfektiven Kategorie, wäre doch aufgrund der imperfektiven Syntax ein Ausschluss der non-faktiven Lesart vergleichbar deutschem Konjunktiv des (präsentischen) Perfekts hypothetisch möglich gewesen. Die non-faktive Lesart zeigt als einzige modale Lesart Belege des PRF im altassy-

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rischen Katalog. Dieser Befund bestätigt die in dieser Arbeit postulierte enge sprachtypologische Verknüpfung von non-faktiver und perfektischer Semantik. 5.4.2.6 Zusammenfassung Bei der Beschreibung der perfektiven Lesarten spielt die scharfe Abgrenzung modaler und non-modaler Lesarten eine entscheidende Rolle, da diese (1) sich anders als im imperfektiven Aspekt grundsätzlcih asymmetrisch verhalten und einer non-modalen Vergangenheit/Vorzeitigkeit eine modale Zukunft/Nachzeitigkeit entspricht, d.h. ein Wechsel der impliziten Zeitlagenverhältnisse des perfektiven Aspekts. Auch beherrscht die perfektive Semantik (2) den syntaktisch imperfektiven STA als diachronen Teil der perfektiven Kategorie. Schließlich spielen (3) die Unterschiede in der Distribution von PRF und PRT in älteren Varietäten eine entscheidende Rolle in der Deutung der späteren Grammatikalisierung im Akkadischen und der Deutung der Kurzform der PK im Semitischen insgesamt. Dabei zeichnet sich ein sprachtypologisch plausibles Bild der Verdrängung des PRT ab, und es ergeben sich zugleich neue Ansätze zur Deutung literarischer Varietäten des späteren Akkadischen. 5.4.3 Katalog der Lesarten des extended-now Perfekts 5.4.3.1 Einleitung Anders als die Etikettierung perfektiver und imperfektiver Lesarten besteht für perfektische Formen ein Katalog von Lesarten, der in den Sprachwissenschaften auf einen breiten Konsens und entsprechende Verbreitung aufbauen kann. Der Forschungsdiskurs dreht sich hier praktisch um Details der Zuordnung der Lesarten des hot news perfect und recent past zu Perfekt oder Perfektiv. Anders als die Einteilung aspektdichotomer Lesarten ist die Differenzierung des Perfekts allerdings semantisch und nicht syntaktisch veranlagt und entsprechend kontextsensitiv. Die Mehrheit der Lesarten eines extended-now Perfekts lassen sich unmittelbar aus einer perfektiven Semantik heraus erklären. Begründet wird der gesonderte Katalog durch das Auftreten universaler Lesarten (die mit dem perfektiven Aspekt unvereinbar sind) und durch die syntaktische Beschränkung des PRF. Diese ist nicht nur ein sicherer Hinweis auf eine perfektische Form. Aufgrund des Wechsels mit PRT in gleichen Kontexten ergibt sich für das PRT der Nachweis perfektischer Lesarten und eine Charakterisierung als old anterior. Daher sind auch die imperfektiven Belege des PRT als universale Lesarten des Perfekts zu deuten. Um diese als Beleg einer Interpretation des PRT als Tempus anzuführen, muss ein perfektischer Bezug im Einzelfall sicher ausgeschlossen werden. Die Bestimmung perfektischer Lesarten nach existentialen und universalen Belegen basiert auf semantischen Kriterien und ist daher kontextuell zu deuten. Die allgemeine Zuordnung zum extended-now Perfekt kann aufgrund der besonderen Intervallsemantik auch syntagmatisch erfolgen, wenn der Satz entsprechend eingebettet ist. Eine sichere Trennung perfektischer von perfektiven Lesarten ist daher nur bei Formen (1) mit rein perfektischem Lesartenkatalog und (2) universalen Lesarten möglich. Daher sind die ihrer Semantik nach perfektiven Lesarten des existentialen Perfekts des PRT im Altassyrischen nur bedingt zu erschließen und nicht unmittelbar zu erkennen. Grundlage dieser Bedingung ist ein syntag-

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Aspekt im Kontext

matischer Kontext, der ein PRF erlaubt, etwa am Ende eine Reihe von PRT Formen usw. (s. hierzu Kap. 9)61. Im Katalog der Lesarten sind alle Einträge mit XN für extended-now gekennzeichnet, um diese von resultativen Lesarten (5.4.4) zu trennen. Er orientiert sich an den Vorgaben der sprachtypologisch differenzierten Bedeutungen, wie in Iatridou u.a. (2001). 5.4.3.2 Aspekt und Situationstypen Lesarten des extended-now Perfekts werden in existentiale, d.h. semantisch perfektive, und universale, d.h. semantisch imperfektive, Lesarten geschieden. Gegenüber der Aspektdichotomie ist ein Perfekt neutral, d.h. es erlaubt perfektive und imperfektive Lesarten. Einzelsprachliche Perfekta können allerdings auf perfektive Lesarten beschränkt sein und diese Unterscheidung ist in solchen Varietäten von besonderem Interesse, in denen old anterior und extended-now Perfekt, wie im Altassyrischen, miteinander konkurrieren. 5.4.3.3 Existentiale Lesarten Unter drei Einträgen werden im Katalog existentiale Lesarten geführt. Dabei werden (1) hot news perfect und recent past (Prt-6) zusammengefasst. Sie sind kontextsensitiv und stehen der perfektiven Semantik am nächsten, so dass nicht immer sicher entschieden werden kann, ob solche Lesarten unter perfektiver oder perfektischer Funktion zu führen sind. Sie beschreiben ein Ereignis, welches vor kurzem geschehen ist (recent past) oder als neue Information und von besonderer Diskursrelevanz als Neuigkeit vorgestellt wird (hot news perfect) und überschneiden sich funktional mit den anderen existentialen Lesarten, denn sie schließen eine eigentliche resultative oder experentielle Semantik nicht aus. Die Lesarten mit einer direkten Nachwirkung des Ergebnisses einer Verbalhandlung sind (2) resultativ bzw. konsekutiv (Prt-8). Neben dem unmittelbaren Resultat der Handlung dienen sie ferner dazu, eine Diskurseinheit abzuschließen. Dementsprechend ist diese Lesart die charakteristische Lesart des PRF literarischer Texte des Akkadischen. Konsekutiv wird dabei als resumptive Taxis der resultativen Lesart verstanden. Perfekta mit einer (3) nur indirekt am Subjekt nachwirkenden Handlung sind experentiell (Prt-7). Sie beschreiben vergangenen Situation als Thema des aktuellen Diskurses. 5.4.3.4 Universale Lesarten Universale (Prt-9) Lesarten beschreiben imperfektiv dynamische oder zuständliche Situationen, die durativ sind und deren Handlungsverlauf in der nachfolgenden Zeitlage andauern kann, zumindest aber bis an diese heranreicht. In der Deutung akkadischer Belege ist das Problem der kontextuellen Trennung praktisch auf die Gruppe der ingressiven Verben beschränkt. Diese können, wenn sie als universale Lesart qualifiziert sind, alternativ auch resultativ gedeutet werden. Sichere Belege universalen Perfekts verlangen daher neben der kontextuellen Einordnung nach einer syntagmatischen Angabe über das Andauern der Verbalhandlung.

61 Ob die entsprechende Varietät ein PRF dieses Lexems erlaubt, ist insofern von Interesse, wie es die Deutung des PRT als perfektische Form wahrscheinlicher macht, etwa von progressiven Verben in altassyrischen Urkunden (8.8.3).

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Lesarten der grammatischen Aspekte und ihre Bestimmung

283

Theoretisch sind Adverbien mit einer Angabe des Andauerns (immer, ständig usw.) einfacher zu deuten als bloße Zeitangaben, die im extended-now Perfekt auch das Intervall umschreiben können, in dem die perfektive Handlung eingebettet ist. Liegen solche idealen Belege nur vereinzelt vor, so sind in der Praxis der Deutung nur wenige Belege kontextuell als universal qualifiziert. 5.4.3.5 Zusammenfassung Das extended-now Perfekt wird im Rahmen semantischer Lesarten gefasst und ihre Zuordnung ist daher in unterschiedlichem Maße kontextsensitiv. Bei der Betrachtung akkadischer Formen sind dabei die Restriktion universaler Lesarten des PRF von besonderem Interesse, welches aufgrund seiner perfektiven Ableitung (nach Stand der Grammatikalisierungsforschung) nur existentiale Lesarten zeigen darf. Ferner sind semantische Lesarten und ihre Abgrenzung gegenüber der Resultativkategorie (s.o.) von Interesse. Dabei zeigt sich der Vorteil einer semantischen Beschreibung perfektischer Lesarten. Sie lassen sich trotz der syntaktisch unterschiedlichen Funktionen eines Resultativs einheitlich bezeichnen, und so ist auch die zusätzliche Kennzeichnung der Lesarten als XN (5.4.3.1) in Kap. 8 gerechtfertigt. 5.4.4 Katalog der Lesarten der Resultativkategorie 5.4.4.1 Einleitung Resultativa sind im Rahmen der Grammatikalisierung der Perfektivkategorie die früheste Stufe. Sie zeigen eine Reihe von spezifischen Eigenschaften und Differenzierungen und sind faktisch die am wenigsten aufgearbeitete Kategorie im Bereich von Tempus und Aspekt. Beim akkadischen STA wurde bereits darauf hingewiesen, dass dieser einer Untergruppe des Resultativs angehört, die sich durch primäre Zuständlichkeit auszeichnet, zu der echt zustandspassive Lesarten sekundär und semantisch bedingt sind. In den Varietäten der akkadischen Briefe, Wirtschafts- und Rechtsurkunden finden sich nur wenige Spuren einer imperfektiven und dynamischen Lesart des STA, die selbst in literarischen Texten lediglich vereinzelt begegnet. Sie erfordert einen Rückgriff auf Sprachen mit stärker ausgeprägten Systemen semantischer Relation und eine Erklärung der Beschränkungen in allen akkadischen Varietäten im Rahmen der grammatischen Strukturen des Verbalsystems. Hier spielen die grammatischen Stammformen eine zentrale Rolle. Einige der Lesarten des STA folgen der Etikettierung des Perfekts in 5.4.3. Sie erklären sich als semantische Deutung der Belege, die einen Blick auf die funktionalen Überschneidungen zwischen Perfekt und Resultativ im Akkadischen aufzeigen sollen. Die modalen Lesarten sind semantisch veranlagt und folgen daher – mit Ausnahme des Prohibitivs – dem Katalog der perfektiven Lesarten in 5.4.2.5 und nicht etwa denen des imperfektiven Aspekts. Die Bezeichnungen der stativen Lesarten sind deskriptiv und außerhalb des modalen und generischen Gebrauchs nach den Vorgaben der Kombinationen von Aspektdichotomie und Situationstyp aufgestellt. Sie orientieren sich weitgehend am Katalog der Lesarten in Sasse (1999) für den Stativ im Cayuga.

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284

Aspekt im Kontext

5.4.4.2 Metaptotische Lesarten Durch Metaptosis begegnet akkadisch nur im STA eine perfektzuständliche (zustandspassive) (Sta-2) Lesart, d.h. sie bezeichnet anders als das perfektzeitliche extended-now Perfekt den dem Resultat der Verbalhandlung entsprechenden Zustand. Dieser ist keinesfalls strikt mit der zugehörigen Verbalhandlung verknüpft und daher nur in Abhängigkeit vom Kontext auch zustandspassiv zu begreifen. Ebenfalls durch Metaptosis kommen perfektzuständliche Lesarten zustande, die den perfektzeitlichen Lesarten des recent pasts (Sta-1) und des experentiellen (Sta-3) und universalen (Sta-4 & Sta-5) Perfekts entsprechen. Auf die strikte Beibehaltung der syntaktischen Imperfektivität im Akkadischen ist dabei zu achten! Experentielle Lesarten begegnen altassyrisch – und wohl insgesamt akkadisch – selten. Sie kennzeichnen zugleich den Übergang von der imperfektiven zur perfektischen Syntax. Sie finden sich für das indogermanische Perfekt z.B. bereits homerisch, bleiben aber insgesamt auch im Altgriechischen selten (4.6.6.4). Ein hot news perfect ist anders als ein recent past im STA nicht anzusetzen. Begründet ist dies in einer in der imperfektiven Syntax veranlagten Beschreibung eines Sachverhalts unter Ausschluss seiner Intervallgrenzen. Ist aber ein Sachverhalt nicht in seinem Eintritt spezifiziert, kann er praktisch keine Neuigkeit beschreiben. 5.4.4.3 Imperfektive Lesarten Sind die metaptotischen Lesarten semantisch als perfektisch einzustufen, so charakterisiert die non-modalen Lesarten eine der Syntax der Form entsprechende imperfektive Semantik. Der den Lesarten zugrundeliegende Begriff folgt den Beschreibungen in 5.4.1. Mit Ausnahme der namensgebenden Wiedergabe von states, d.h. der zuständlichen (Sta5) Lesarten des STA, begegnen im Akkadischen insgesamt nur wenige Belege imperfektiven STA. Die zuständlichen Lesarten sind gegenüber den möglichen Prädikatsleveln neutral und daher implizit generisch. Anders als im PRS lassen sich vereinzelte Belege okkupationellen (Sta-4) STA beibringen (5.4.1.5). Sie korrespondieren mit der einfachen imperfektiven Syntax des STA. Mit Ausnahme des assyrischen STA zu našāˀu(m): tragen, der auch altassyrisch häufig belegt ist, lassen sich nur vereinzelte und unsichere Belege für prozessualen (Sta-6) STA beibringen. Ihre prozessuale Deutung wird erst vor dem Hintergrund der gesamten akkadischen Beleglage und der sprachtypologischen Begriffsauffassung plausibel. Die semantische Relation ist also stark zugunsten einer Aktiv: Stativ Diathese ausgeprägt und zeigt nur sporadisch inaktive dynamische Lesarten im Altassyrischen und anderen Varietäten. Die theoretisch denkbaren, aber nicht belegten iterativen (Sta-7) Lesarten des STA besitzen einen gesonderten Eintrag mit Fehlanzeige eines Belegs. 5.4.4.4 Zusammenfassung Der STA beschränkt sich in seinen Lesarten praktisch auf Entsprechungen zu den Lesarten der vorangegangenen Formen. Sie sind im Spannungsfeld perfektiver Semantik und imperfektiver Syntax quer distribuiert. Als Resultativ im engeren Sinne sind lediglich die Lesarten der perfektzuständlichen Metaptosis und der allgemeinen zuständlichen Belege anzuführen.

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Lesarten der grammatischen Aspekte und ihre Bestimmung

Modale Lesarten folgen einer semantischen Perfektivität. Darüber hinaus ist seine Charakterisierung im Bereich der semantischen Relationen zu leisten. 5.4.5 Gesamtübersicht zum Katalog der Lesarten Die folgende Übersicht fasst die Lesarten aus 5.4 zusammen. Sie erfüllen den Anspruch Verbalsysteme von aspektdichotomer sowie aktivischer Struktur zu beschreiben. Die indikativischen Lesarten sind dementsprechend nach lexikalischen Situationstypen differenziert. Modale und Generische Lesarten sind nur soweit differenziert, wie es für die angedachten Verbalsysteme von Bedeutung ist. Perfektische Lesarten sind gesondert aufgeführt und nach den allgemein üblichen Differenzierungen semantischer Funktionen gegliedert. Zu beachten ist, dass in Sprachen mit einer einfachen Dichotomie von Aktiv und Inaktiv, wie im Englischen und Sumerischen, das Inaktiv alle perfektiven und non-progressiven Lesarten führt und auch perfektische Lesarten besitzen kann, wenn diese nicht perfektzuständlich sind. Für Sprachen mit Tempussystemen ist eine zweite Differenzierung nach absoluten Zeitlagen erforderlich und auf Zuordnungen zu kombinierten Tempus-Aspekt Kategorien zu achten. Gleiches gilt für in Aspektstämme untergliederten Modi, wie im Altgriechischen. Die grundlegenden Vorgaben, wie sie hier aufgestellt sind, bleiben aber in jedem Falle erhalten. Zu den charakteristischen Wechselwirkungen mit Tempora sei auf Kap. 4, für Modi und andere Formen auf dieses Kapitel zu verwiesen62. Katalog der Lesarten: Lesart admonitiv

Situationstyp - (modal)

aktuell-zuständlich

state

approximativ

achievement

delimitativ

activity

dispositionell

- (modal)

epistemisch

- (modal)

Beschreibung Lesart des höflichen oder indirekten Verbots. Lesart einfacher Zustände, die explizit nicht generisch zu verstehen sind. Imperfektive Lesart punktueller Situationen. Perfektive Lesart dynamischer Situationen ohne intrinsisches Ende. Allgemeine Lesart der agensorientierten Modalität Allgemeine Lesart der epistemsichen Modalität. Sie wird durch non-faktive (perfektische) und konjunktivische (perfektive) Lesart ergänzt.

Verweis 5.4.2.5 & 5.4.4.1 5.4.1.2 & 4

5.4.1.3 5.4.2.3

5.4.1.5 5.4.1.5

62 Die zahlreichen Wechselwirkungen finden sich an der jeweils für den Begriff des Aspekts relevanten Stelle und hier sind insbesondere Ausführungen zu einzelsprachlichen Formen zu beachten.

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Aspekt im Kontext

Lesart experentiell

Situationstyp existential/ state

graduell

activity

habituell

- (generisch)

hot news perfect

existential

inzeptiv

achievement

iterativ

activity

kompletiv

accomplishment

komplexiv

state

konativ

accomplishment

konjunktivisch

- (modal)

konsekutiv

existential

non-faktiv

- (modal)

Beschreibung Lesart mit einem Nachwirken der Handlung als bloße Erfahrung. Sie begegnet mit perfektzuständlichen und perfektzeitlichen Formen. Lesart der Lexeme mit andauernder Veränderung aber ohne intrinsisches Ziel. Ein gesichertes Verfahren zu ihrem Nachweis im Akkadischen fehlt. Allgemeine generische Lesart dynamischer Situationen. Umstrittene Lesart des Perfekts zur Kennzeichnung aktueller und neuer Informationen. Punktuelle Lesart, die den Eintritt in eine Situation wiedergibt, die lexikalisch veranlagt ist (vgl. punktuell). Lesart der wiederholten Situation. Unabhängig des ursprünglichen Situationstyps ist die Lesart immer atelisch. Lesart der durativen und telischen Situation im Perfektiv. Lesart des perfektiven Zustands, der durch den expliziten Abschluss gekennzeichnet ist. Lesart der durativen und telischen Situation im Imperfektiv. Subordinierte modale Lesart perfektiver Formen mit irrealer, epistemischer Semantik. Sonderfall des resultativen Perfekts zur Kontextualisierung der Situation als Folge einer Handlungssequenz. Lesart der irrealen Vergangenheit und Gegenwart, ohne potentielle zukünftige Realisierung

Verweis 5.4.3.3 & 5.4.4.2

5.4.1.2 & 4

5.4.1.5 5.4.3.3

5.4.2.2

5.4.1.2 & 5.4.1.4 & 5.4.4.3 5.4.2.2 5.4.2.3

5.4.1.3 5.4.2.5 & 5.4.4.1 5.4.3.3

5.4.2.5 & 5.4.4.1

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Lesarten der grammatischen Aspekte und ihre Bestimmung

Lesart okkupationell

Situationstyp - (generisch)

optativisch

- (modal)

perfektzuständlich

state

potentiell

- (modal)

prohibitiv

- (modal)

prozessual

activity

punktuell

achievement

recent past

existential/ state

resultativ

existential

universal

universal

zuständlich

state

Beschreibung Generische Lesart der Situation als berufsmäßige oder charakteristische Eigenschaft des Subjekts. Altassyrisch kein Beleg im PRS. Form der sprecher-orientierten Modalität ohne vollwertige imperativische Bedeutungsnuance. Metaptotische Lesart zur Bezeichnung des lexikalisch impliziten Resultats. Irreale Lesart mit potentieller zukünftiger Realisierung. Lesart der Vertretung negierter sprecher-orientierter Modalität, wie dem Imperativ. Lesart atelischer dynamischer Situationen im Imperfektiv. Lesart punktueller Verben im Perfektiv (vgl. inzeptiv). Lesart der (außersprachlich oder im Diskurs) unmittelbaren Vergangenheit. Perfektische Lesart des unmittelbar oder mittelbar nachwirkenden Resultats einer telischen Verbalhandlung. Allgemeine Lesart des imperfektiven (perfektzeitlichen) Perfekts. Allgemeine imperfektive Lesart der Zustände. Diese ist implizit generisch.

Verweis 5.4.1.5 & 5.4.4.3

5.4.2.5 & 5.4.4.1

5.4.2.5 & 5.4.4.1 5.4.1.5

5.4.1.2 & 5.4.4.3 5.4.2.2 5.4.3.3 & 5.4.4.2 5.4.3.3

5.4.3.4 & 5.4.4.2 5.4.4.3

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6 Belegkatalog zum altassyrischen Präsens 6.1 Einleitung 6.1.1 Allgemeines Das PRS lässt sich gesamtakkadisch als Progressiv begreifen, da es in allen Varietäten nur solche Zustände ausdrücken kann, die vorübergehend sind (5.3.7)1. Fragen zu seinen Lesarten in einzelnen Varietäten beschränken sich auf die konkreten semantischen Vorgaben bei der Beschränkung mit Einzellexemen und Situationstypen (5.3.6), sowie generische Lesarten in Abgrenzung zur s-level Semantik des Progressivs (5.3.4). Für das Altassyrische sind Hinweisen auf einen konservativen Sprachstand im Falle des PRS im Bereich der Distribution mit dem STA besonderes Augenmerk zu schenken. Die möglichen Eigenheiten im Gebrauch weisen aber keine Alleinstellungsmerkmale des PRS aus. Praktisch beschränkt sich die Leistung des Katalogs der Lesarten in der Fallstudie auf die Überprüfung gesamtakkadisch formulierter Annahmen zum PRS und Bestimmung der Eigenschaften des Lexikons (3.4.3) und der Aktionsarten (3.3.6). Die des Lexikons betreffen die Frage nach dem semantischen Gehalt der Vokalklassen und ihrer Interaktion mit den Konjugationsformen der PK (3.4.5). Die der Aktionsarten betreffen die Frage nach vorhistorischem Zusammenhang von Präsens- und D-Stamm (11.2) sowie Möglichkeiten einer einheitlichen Deutung des Subjunktivs des Akkadischen und des imperfektiven Suffixes des Westsemitischen (11.8). 6.1.2 PRS und PK Die zentrale wissenschaftsgeschichtliche Fragestellung zum PRS ist um die begriffliche Trennung von Tempus und Aspekt aufgebaut. Der von Kouwenberg angedachte Wandel von Aspekt zu Tempus innerhalb der Formen (“[…] older more aspectual function” [Kouwenberg 2010: 95], also PRT [perfektiv > präterital]) kann so aus keiner Sprache abgeleitet werden. “As we said in section 3.14, we do not know of documented cases of perfective evolving into simple past but there is some indication that simple pasts are older [...].” Bybee u.a. (1994: 105). Für imperfektive Formen gilt dies analog (4.8.2.3). Auch die indogermanischen Belege stützen diesen Befund (4.8.3.3). Typologisch plausible und empirisch nachprüfbare Grammatikalisierungen würden einen Synkretismus von imperfektivem PRS und perfektivem PRT in einem neuen temporalen Präsens neben dem PRF oder STA als Präteritum erwarten lassen, wie etwa im Deutschen. Hierzu sind verschiedene Varianten möglich, von denen aber keine 1 N.B. Die Charakterisierung des PRS als Progressiv ist keine Frage der Analyse. Sie ergibt sich aufgrund der sprachwissenschaftlichen Betrachtung des akkadistischen Befunds, d.h. als synthetische Schlussfolgerung. Diese ist dann im Folgenden im Rahmen der weiteren Analyse von Bedeutung.

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

auf das Akkadische übertragbar wären. Unbegründet ist daher der Schluss, den Kouwenberg zieht: “However, the temporal use of the Akkadian imperfective is so dominant in terms of frequency that it is best regarded basically as a tense, [...] its marginal use in the past contexts is a residue of its older, more aspectual function.” Kouwenberg (2010: 95). Die „Dominanz“ des PRS zur Bezeichnung der Gegenwart und Zukunft lässt sich unmittelbar aus der Semantik des Progressivs erklären (5.3.7). Mit Blick auf das Englische scheint ferner hinsichtlich der Grammatikalisierung vielmehr der umgekehrte Prozess (Tempus > Aspekt) belegt zu sein, wie in Smith (1997: 169ff.) angeführt. Kouwenberg hingegen versteht das Akkadische in einem Übergang von Aspekt zu Tempus: “The aspectual function of the imperfective is only activated when the temporal location is specified as past by the context of the situation in general.” Kouwenberg (2010: 92). Er lässt hier allerdings eine Erläuterung zu Sprachen ohne Tempora und ihrer Kodierung temporaler Sachverhalte durch Aspektformen vermissen (hierzu s.o. unter 4.4). Entgegen seiner Annahme eines hohen Alters des PRS sind Progressive sprachtypologisch relativ junge Grammatikalisierungen2. Daher sind sowohl das akkadische PRS wie auch das westsemitische yaqtulu nicht als alte Form zu begreifen3. Imperfektiv und Präsens sind fortgeschrittene Grammatikalisierungen. Sie entstehen diachron aus Progressiven (Bybee u.a. 1994: 110). Daher lässt sich für das PRS mit Kouwenberg allenfalls eine Entwicklung von Progressiv zu Präsens postulieren. Allerdings fehlt der Nachweis allgemeiner zuständlicher Lesarten (6.3.1). Aufgrund der jungen Grammatikalisierungsstufe des Progressivs erklärt sich auch die beim akkadischen PRS (11.2) noch transparente Semantik der ursprünglichen Aktionsartenbildung: “[I]n many languages from [Bybee u.a. (1994)] sample that have a progressive, it has a transparent etymological background and thus a relatively recent origin. This is an indirect indication that renewal is a fairly common phenomenon.” Kouwenberg (2010: 107; Anm. durch Verf.).

6.2 Beschreibung der Lesarten 6.2.1 Übersicht Den Vorgaben zu den Lesarten in 5.4.1 lassen sich die Belege des PRS in drei Hauptgruppen unterteilen: Non-modal sind (6.3) die eigentlich progressiven Lesarten mit syntaktischer Imperfektivität, einer dynamischen Semantik und Beschränkung im Bereich der Prädikatslevel, 2 Hier ist nur das Grammatialsierungsalter der Verbalform angesprochen. Es ist m.E. plausibel, dass der zugrunde liegende Stamm -parrVs- hohen chronolgischen Alters ist und daher protosemitsch, seine systematische Entwicklung zur grammatischen Form sich jedoch erst protoakkadisch vollzogen hat. 3 Auch yaqtulu weist im Wesentlichen nur dynamische Lesarten aus. Aufgrund der Opposition imperfektiver Lesarten mit zuständlichen Lesarten in der SK ist auch yaqtulu der älteren westsemitischen Sprachen progressiv.

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Beschreibung der Lesarten

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nur bedingt von der Semantik des PRS abhängig sind (6.4) die generischen Lesarten. Sie sind, wie für ein Progressiv zu erwarten, stark eingeschränkt. Zuletzt sind (6.5) die modalen Lesarten, die der imperfektiven Semantik folgen, aufgelistet. Durch Tempusssemantik motivierte Lesarten lassen sich für das PRS keine erkennen. Die Affinität zum Ausdruck gegenwärtiger Zeitbezüge ist unmittelbar als Eigenschaft des Progressivs zu erklären. Umgekehrt sind die ingressiven Lesarten zuständlicher Verben kein Beleg eines perfektiven PRS. Die Metaptosis (3.5.5.2) ist im Gegenteil ein Beleg des progressiven Charakters des PRS (5.3.7). 6.2.2 Progressive Lesarten Die progressiven Lesarten des PRS zeigen altassyrisch – wie auch sonst im historischen Akkadischen – keine Beschränkung transitiver Konstruktionen (5.3.2). Darüberhinausgehend ist in Opposition zum STA (Kap. 7) eine fakultative Opposition von s-level und i-level bei einem Teil der Lexeme mit zuständlicher Lesart gegeben. Aufgrund der Beleglage sind diese als formal beschränkt zu definieren – es findet sich kein Beleg des aktuell-zuständlichen PRS mit i-Vokalisierung (Kap. 10.4.3). Mit denen eines Imperfektivs in ihrer Extension gleich sind die weiteren progressiven Lesarten Prs-2 bis Prs-6. Diese umfassen die Wiedergabe von atelischen Situationen als prozessual oder iterativ (Prs-2 & Prs-3). Des Weiteren zählen hierzu die imperfektiven Lesarten von telischen Situationen im imperfektiven Aspekt, in der accomplishments konativ (Prs-4) und achievements approximativ (Prs-5) verstanden werden. Die imperfektiven Belege der approximativen Lesart ergänzen die durch Metaptosis des Progressivs beigebrachte Überführung zuständlicher in dynamische Situationen (5.4.1.4). Ohne sicheren Beleg im Korpus wird eine Lesart Prs-6 als graduell geführt. Diese umfasst degree achievements. Als solche sind verschiedene Lexeme aus sprachtypologischer Perspektive im Altassyrischen qualifiziert, für die aber kein Nachweis bzw. kein wirksames Nachweisverfahren beigebracht werden konnte. 6.2.3 Generische Lesarten Prinzipiell sind generische Lesarten in hohem Maße strukturbedingt (5.4.1.5). In der Sprachwirklichkeit ist der Übergang von durativer und habitueller Lesart fließend (Kouwenberg 2017: 611). Der Einfluss der Semantik der jeweiligen Verbalform ist sekundär (5.3.4). Im Falle des progressiven PRS betrifft diese sekundäre Beschränkung die Lesart habitueller und dynamischer Gegenwart unter Prs-8. Mit Rückverweis auf 5.3.4 ist für das Akkadische eine komplexe Distribution generischer Lesarten plausibel, wie sie anhand von diaphasischen Varietäten des alltäglichen schriftlichen Privat- und Geschäftsverkehrs (1.4.2) nicht vollumfänglich erschlossen werden kann. Sie ist der Untersuchung literarischer Varietäten vorbehalten. Eine besondere Berücksichtigung finden okkupationelle Lesarten unter Prs-7, obwohl hier kein Beleg beigebracht werden konnte. Allerdings treffen in dieser Lesart sprachtypologische Evidenz und akkadistische Theorien zur Genese des Präsensstamms zusammen (11.2), die eine Berücksichtigung rechtfertigen.

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

6.2.4 Modale Lesarten Unter den modalen Lesarten finden sich nur Belege des PRS, die sich nicht unmittelbar aus der Verknüpfung perfektiver Situationstypen und imperfektivem Aspekt ergeben (6.2.2) 4. Prinzipiell besteht kein Unterschied zwischen modalen Lesarten imperfektiver Formen im Allgemeinen und denen des Progressivs im Speziellen. Neben der agens-orientierten Lesart und der epistemischen Lesart ist als dritte Form der Prohibitiv des PRS geführt, der hauptsächlich sprecher-orientierte Modalität wiedergibt, und z.B. dem Gebrauch des altgriechischen Imperfekts als Verbotsform ähnelt (Schwyzer & Debrunner 1975: 279).

6.3 Katalog der progressiven Lesarten 6.3.1 Prs-1) aktuell-zuständlich (state) 6.3.1.1 Einleitung Der das Progressiv sprachtypologisch bestimmende Unterschied gegenüber einem allgemeinen Imperfektiv ist die Beschränkung auf vorübergehende Zustände. Bemerkenswert ist, dass das PRS – wie andere Progressive – auch generische Lesarten zeigt, dabei aber diese charakteristische Beschränkung seiner Lesarten beibehält. Eine aktuell-zuständliche Situation ist ein vorübergehender Zustand (s-level). Das Subjekt ist zumeist agentiv, hat also Kontrolle über den Verlauf des Zustandes. Wo die Verben auch im STA belegt sind, kontrastieren sie durch obligatorische s-level Lesarten mit neutralem STA, der nicht auf einen Prädikatslevel festgelegt ist (Sta-5). Die Verwendung des PRS ist also fakultativ. Die Lesart erklärt sich aus der progressiven Semantik (3.2.2). Zur Bestimmung der state-Klasse im akkadischen Lexikon vgl. 3.3.2 & 3.4.3. Die Überführung allgemeiner Zustandsbeschreibungen in solche aktuell-zuständlichen Situationen findet sich etwa in englischen Grammatiken auch als die metaphorische Beschreibung eines Zustands als Aktivität (action). Praktisch lassen sich viele, aber nicht alle Belege zuständlicher Verben im Progressiv derart umschreiben. Verben der a/i-Klasse sind unter dieser Lesart anzutreffen, sofern ihr Lexem zuständliche Lesarten erlaubt (10.4.4). Kein Beleg für ein zuständliches PRS mit i-Transfix ist m.W. überhaupt akkadisch belegt (3.4.4). 6.3.1.2 Intransitive states Die Mehrheit der zuständlichen Lexeme ist syntaktisch und semantisch intransitiv. Die zuständlichen PRS Belege sind ganz überwiegend extended intransitives. Sie verfügen über ein präpositionales Argument oder sind mit einem s-level anzeigenden Adverb gekennzeichnet, das den Vorgang temporal oder lokal begrenzt. Intransitive states mit adverbialer Erweiterung begegnen bei Verben von zumeist mittlerer semantischer Transitivität, wie palāḫum: fürchten, takālum: vertrauen oder izizzum:

4 Die sogenannten paradoxen Lesarten des Imperfektivs, d.h. die Verknüpfung telischen Situationstyps mit einem Imperfektiv oder Progressiv ist zwar formal modal, aber praktisch Teil des non-modalen Lesartenkatalogs (4.5.3).

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Katalog der progressiven Lesarten

stehen. Hierzu gehören neben Verben mit Lokaladverb experiencer-Verben, die mit und ohne Erweiterung gebildet werden können (Hess 2010: 742f.): lá a-ta-kál a-ku-a-tí a-ta-kál lā a-takkal ak=kuāti a-takkal NEG PK.1SG-Vertrauen~PRS ALL=PERS.2.OBL PK.1SG-Vertrauen~PRS (…) vertraue ich nicht. Dir vertraue ich. TTC 24: edge2

Häufig im PRS begegnet izizzum: stehen – auch weil im Korpus hier überwiegend s-level vorliegen. Semantisches Objekt der Hilfsverbkonstruktion ist die Allativphrase: a-na É a-bi4-ni da-la-ḫi-im i-za-zu ana ab-i=ni dalāḫ-im i-zzazz-ū ALL Haus Vater-GEN=POSS.1PL Stören-GEN PK.3-Stehen\PRS-PL.M Sie stehen bereit, dass Haus unseres Vaters zu stören. CCT 2 33: 9ff.

Formen mit temporaler Bestimmung sind etwa: a-šu-mì aššumi Wegen

mu-ší mūš-ī NachtOBL.PL

ú u KONJ

ú-ri urr-ī TagOBL.PL

lá lā NEG

Habe ich mich deswegen nicht bei Nacht und Tag unter Druck gesetzt?

a-ša-ga-šu-ni a-ššaggaš-u-ni PK.1SGUnter.Druck.Gesetzt.Werden~ PRS-SUBJ5-SUBJ AKT VIa 233: 11f.

Erweiterte und durch lokale Präpositionalphrase bzw. Lokaladverb gekennzeichnete intransitive s-level im PRS sind häufig mit Verben des Sitzens, Wartens und Stehens: a-na-kam šu-be-lúm ú-ša-áb annakam uššab Hier PN PK.3\Sitzen\PRS Hier sitzt PN. Prag 483: 3f.

Die Wechsel solcher Verben mit STA variieren nach formalen und semantischen Gegebenheiten der Lexeme. Sichere Belege für zuständliche und einfache intransitive PRS Belege dieser Verben im Altassyrischen fehlen! Die entsprechenden Belege sind teils zweifelsfrei dynamisch (approximativ, s.u. 6.3.5). Sicher als zuständlich erkennbare Belege fehlen mir. Dynamisch ist z.B.:

5 Siehe auch Kouwenberg (2017: 494). Anstelle der fehlenden Vokalharmonie des antikausativen NStamms wäre auch eine reflexive Lesung mit Pronominalsuffix und unter Auslassung von rāmanum: selbst möglich (Hinweis Kryszat).

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

šu-ma ṭa-áb-šu-um šumma ṭâb-ø=šum Wenn(KOND) Gut.Sein-3SG.SK=DAT.3.M Wenn es ihm gefällt, soll er sich dort niederlassen.

ú-ša-áb uššab PK.3\Sitzen\PRS AKT III 15: 10f.

Das Verb qaˀāum: warten steht altassyrisch regelmäßig in Formen der PK. Es ist semantisch in seiner Grundbedeutung des Wartens sicher als semantisch transitiv zu verstehen. Zu beachten ist, dass die Formen der prototypisch transitiven states zu Haben und Wissen im Akkadischen defektiv sind und die nur ein PRT bilden (8.7). a-dí adi Bis

té-er-ta-kà têrta=ka Weisung=POSS.2.M

i-ba-lá-kà-ta-ni nu-qá-a i-bbalakkat-an-ni nu-qˀˀa PK.3-Herübergehen~PRSPK.1PL-Warten\PRS VENT-SUBJ Wir werden warten, bis deine Weisung hinüberkommt. AKT VIc 536: 24ff.

Antikausative mit Ergänzung durch Modaladverb gehören ebenfalls hierhin. Altassyrisch ist hier der Dt-Stamm zu kullum: halten zu nennen: iš-tí KÙ.BABBAR uk-ta-al išti u-ktâl Mit Silber PK.3-Gehalten.Werden\PRS Mit dem Silber wird er gehalten. AKT III 15: 5f.

Das Verb bašāˀum: vorhanden sein ist prototypisches s-level Prädikat und semantisch intransitiv. Der s-level ist in Kontexten des Altassyrischen primär perspektivisch (5.3.4) und nicht mit dem Subjekt des Verbs verknüpft. Es ist das einzige Lexem im Altassyrischen mit gesicherter zuständlicher Lesart, das mit syntaktischer nicht-erweiterter intransitiven Konstruktion regelmäßig im PRS steht. Die Opposition als obligatorischer s-level gegenüber undifferenziertem STA bleibt erhalten: KÙ.BABBAR Silber

ù u KONJ

KÙ.GI Gold

i-na ina SEP/LOK

bé-ti-a bēt-i=ja Haus-GEN=POSS.1SG

i-ba-ší

i-bašši PK.3-Vorhanden.Sein~PRS Silber und Gold ist in meinem Haus.

AKT VIa 7: 8ff.

a-limki i-ba-ší-ú āl-im i-bašši-ū Haus Stadt-GEN PK.3-Vorhanden.Sein~PRS-PL.M Sie sind im Stadthaus. AKT VIa 76: 28 É

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Katalog der progressiven Lesarten

a-na-kam a-dí-ni i-ba-ší annakam adīni i-bašši Hier Noch PK.3-Vorhanden.Sein~PRS Es (=die Stoffe!) ist immer noch hier. BIN 4 73: 6f.

6.3.1.3 Transitive states States sind ihrer Semantik nach prototypisch intransitive und sind daher zunächst nur syntaktisch transitiv. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Syntax und Semantik erklärt, wieso die einzelsprachliche Bildung dieser Lexeme ganz uneinheitlich behandelt wird. Dass etwa Haben und Wissen mit der Form der perfektiven PK (8.7) gebildet werden, andere Lexeme aber mit PRS, ist eine Eigenheit des Akkadischen, die nur im Rahmen Ihrer Grammatikalsierung erklärt werden kann. Hieraus lassen sich zwar weiterführende Überlegungen zur Diachronie aufstellen, aber keine Typologie. Die lexikalisch deutlich geringere Zahl syntaktisch transitiver states begegnet im PRS im Verhältnis häufig. Dies betrifft einige wenige Verben, für die der STA ungebräuchlich ist. Typische altassyrische Belege für transitive Zustände umfassen Verben des Verfügens, des Wollens oder Vertrauens: Verfügen: šu-ma šumma Wenn(KOND)

iš-tí išti Mit

e-na-ḫi-DINGIR PN

a-wa-tam awāt-am Sache-AKK

ṣú-ḫa-ra-am iš-té-en6 lá ta-bé-el ṣuḫār-am išten lā ta-bêl Diener-AKK Einen NEG PK.2-Verfügen\PRS Wenn er den Fall mit PN zerschlägt, wird er nicht über einen einzigen Diener verfügen.

Wollen (9.5): iš-tù MU.5.ŠÈ ištu Von 5.Jahre

i-du-uk i-dūk PK.3-(PRT)Zerschlagen

AKT I 16: 17ff.

a-na ana ALL

té-er-tí-šu i-ze-za-am lá têrt-i=šu izizz-am lā WeisungStehen-AKK NEG GEN=POSS.3.M Seit 5 Jahren wollen wir nicht auf seine Weisung hin hintreten (~gehorchen). AKT VIa 115: 57f.

ni-mu-a ni-mu’’a PK.1PLWollen\PRS

Ferner zählen hierzu Belege zu Warten mit akkusativischem Objekt: a-na 5 u4-me-e ú-qá-a-kà ana ūm-ē u-qaˀˀâk=ka ALL Fünf Tag-OBL.PL PK.1SG\Warten\PRS\VENT=AKK.2.M Fünf Tage lang warte ich auf dich. AKT III 53: 9f.

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

In der Bedeutung von Kosten bezeichnet wabālum: tragen den aktuellen Handelskurs verschiedener Waren in altassyrischen Texten. Diese Kurse sind schwankend und daher ein anschauliches Beispiel eines s-level states: ½

GÍN

URUDU

lá tù-ba-al lā tubbal ½ Schekel Kupfer NEG PK.3.F\Tragen~PRS (Der Löffel) kostet keinen ½ Schekel Silber.

AKT VIc 656: 7f.

Syntaktisch transitiv sind auch Belege mit einer Objektellipse, die im Altassyrischen häufig begegnet (Kouwenberg 2017: 743f.). Das Objekt ergibt sich aus dem Kontext: a-na 30 ḫa-am-[š]a-[t]im ana ḫamš-āt-im ALL 30 Woche-F\PL-OBL 30 Wochen verfügt er (darüber).

i-be-el i-bêl PK.3-Verfügen\PRS AKT IV 9: 5f.

6.3.1.4 Verben mit unsicherer Zuordnung der Lesart An der Grenze zur dynamischen Lesart stehen Verben von mittlerer semantischer Transitivität, die im konkreten Gebrauch weder lexikalisch noch syntaktisch telisch sind. Die formale Vertretung von Verben dieser Art ist das progressive Genus (3.5.4). Die Zuordnung ingressiver Verben zu dieser Gruppe ist unsicher. Die altassyrischen Belege für states weisen das Subjekt als Rezipienten oder source der lexikalischen Semantik aus. Die semantische Subjektsrolle kann unter der des experiencers zusammengefasst werden. Hierzu gehören eine Reihe von intransitiven Verben mit obliquen Argumenten (Hess 2010: 731ff.). Verben der Wahrnehmung im PRS mit unveränderlichen Zuständen als Objekt der Beobachtung sind altassyrisch mögliche zuständliche Lexeme. Altassyrisch gehört hierzu etwa dagālum: schauen: šu-ma šumma Wenn(KOND) wa-šu-ra-at-ma waššur-at=ma

ta-da-gal-ma ta-daggal=ma PK.2-Schauen~PRS=KONJ

ḫa-ra-an ḫarrān Weg

Freilassen-F.SK=KONJ Wenn du siehst, dass der Schmuggelpfad nicht frei ist, (…).

sú-qí-nim suqinn-im Gasse-GEN

lá lā NEG

AKT VIc 571: 33f.

Ebenso wie diese experiencer Verben ist šeˀāˀum in der Bedeutung Fordern zu deuten: mì-ma mimma INDEF

ta-šé-e-ni-a-tí ta-šeˀˀe=niāti PK.2Fordern~PRS=OBL.1PL

um-ma umma QUOT

il5-we-da-ak-ma PN=KONJ

ša-zu-úz-tum šazzuzt-um VertretungNOM

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Katalog der progressiven Lesarten

a-tù-nu attunu PERS.2.M.PL

mì-ma mimma INDEF

ku-nu-tí kunūti PERS.2.M.PL.OBL

ù-lá ula NEG

Was forderst du von uns? Folgendermaßen (sagte) PN: Stellvertreter seid ihr. Ich fordere nichts von euch.

a-šé-e-ku-nu a-šeˀˀe=kunu PK.1SGFordern~PRS=AKK.2.M.PL AKT III 43: 11ff.

Das Verb dalāḫum: stören kann analog zum Englischen to bother als Zustandsverb gedeutet werden. Dort begegnen progressive Lesarten des Verbs im Wechsel mit simple tense zum Ausdruck der gesteigerten Wirkung auf das Objekt (theme) oder der willentlichen Herbeiführung des Störens durch das Subjekt. Ein echter Situationstypenwechsel ist aber nicht zu erkennen. Seine Einordnung folgt vor dem Hintergrund anderer akkadischer Varietäten und dort dem beobachteten Wechsel von STA und PRS, der nicht varietätsspezifisch zu erklären ist. Zuständlich ist daher ferner vielleicht auch das PRS des D-Stamms (10.4.4): a-mur-ištar

É-tí

ú-da-lu-ḫu u-dalluḫ-u PN Haus=POSS.1SG PK.3-Stören~PRS-SUBJ (was ist es, dass ich höre,) dass PN meinen Haushalt stört.

AKT V 31: 4

6.3.2 Prs-2) prozessual (activity) 6.3.2.1 Einleitung Prozessuale Lesarten sind atelische dynamische Situationen. Neben lexikalischen activities können auch perfektive Formen in diese Lesart überführt werden (3.2.2), die syntagmatisch überführt werden (3.5.3). 6.3.2.2 Intransitive activities Die intransitiven activities, die überwiegend der nicht-ablautenden u-Klasse angehören (10.4.5), bilden im Altassyrischen und anderen akkadischen Varietäten eine kleine Gruppe von Verben. Die Mehrzahl der Lesarten als activity sind Teil eines Genuspaares mit syntagmatischem Wechsel von telischer zu atelischer Lesart des jeweiligen Lexems (3.5.4.2) und gehören zur Ablautklasse. Prinzipiell ist auch für Verben der u-Klasse, für die keine telische Lesart belegt ist, eine solche theoretisch denkbar, auch wenn sie sprachwirklich nicht gebraucht wurde (3.2).

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

a-ḫa-at-kà a-na a-bi-kà ma-da-tí-ma ta-ta-wu aḫāt=ka ana ab-i=ka mād-āt-i=ma ta-tawwu Schwester= Vater-GEN= ALL Viel-F\PL-OBL=KONJ PK.2-Sprechen~PRS POSS.2.M POSS.2.M Deine Schwester spricht viel zu deinem Vater. AKT V 11: 26ff.

6.3.2.3 Transitive activities Die überwiegende Anzahl der Belege für activities des PRS in altassyrischen Texten ist durativer Lesart mit gegenwärtiger Zeitlage und mit einem Objekt, welches nur gering affiziert wird und sich über die Dauer der Handlung nicht durch diese verändert. Die Handlung des Subjekts am Objekt zeigt kein intrinsisches Ziel6. Teilweise sind hier Interpretationen als degree achievements zu erwägen (6.3.6). Mit mašāḫum (a/u): rauben im Beispiel mit Vokalharmonie, also keine i-Klasse: [ù] a-wi-il5-tum i-a-tí ta-ma-ší-ḫi-ma u awīlt-um jâti ta-maššiḫ=ī=ma KONJ Dame-NOM OBL.1SG PK.3.F-Berauben~PRS=AKK.1SG=KONJ Und die Dame ist mich am Berauben. AKT VIa 141: 48 ú É-et a-bi-a É.GAL-lúm i-na-ṣa-ar u bēt ab-i=ja ekall-um i-naṣṣar KONJ Haus Vater-GEN=POSS.1SG Palast-NOM PK.3-Bewachen~PRS Und der Palast bewacht das Haus meines Vaters. KTS 37a: 16f.

Ferner gehören auch Belege verschiedener Lexeme der eigentlich ingressiven a/i-Klasse entsprechend der allgemeinen Überlegungen zum Akkadischen in 3.5.4.2 hierhin. Das sind solche Verben die semantisch den unter 6.3.1.4 aufgeführten Lexemen ähneln, aber dynamisch zu verstehen sind: a-ta a-na ú-ṭí-tí-im tù-sà-na-aq-ni-a-tí atta ana uṭṭit-im tu-sannaq=niāti PERS.2.M ALL Getreide-GEN PK.2-Prüfen~PRS=OBL.1PL Du (selbst) verhörst (~prüfen) uns wegen des Getreides. AKT VIa 115: 52f.

6.3.3 Prs-3) iterativ (activity) Das PRS aller Stammformen und Modi kann iterative Semantik ausdrücken. Das Verhältnis zum STA ist dabei möglicherweise exklusiv (s.u. Sta-7). Lesart Prs-3 kann dabei aus perfektiven Verben, die in activities überführt werden, erzeugt werden, wenn die Argumentstruktur nicht einfache Prozessualität (Prs-2) bezeichnet, sowie aus allen imperfektiven Lesarten. Eindeutige Belege stehen in Verbindung mit der iterativen Stammform (–tan-Infix) als Aktionsartenbildung. 6 Das Deutsche impliziert in der Übersetzung bei diesen Verben eine syntagmatisch konstruierte Telizität (3.5.2). Zu den Bildungstypen transitiver activities ist auf die erläuterten Beispiele in 3.2.2 zu verweisen.

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ù a-ša qá-ta-tim ta-ta-na-dí-na-ni u aš=ša qātāt-im ta-ttanaddin-an=ni KONJ ALL=SUB Bürge-GEN PK.2-I.W.Geben~PRS-VENT=AKK.1SG Aber du gibst mich immer wieder an den Bürgen. AKT VIa 86: 11f. mì-nam té-ta-na-pá-áš mīnam tētanappaš Warum PK.2\I.W.Machen~PRS Warum machst du das immer wieder?

TCL 20 94: 17

6.3.4 Prs-4) konativ (accomplishment) 6.3.4.1 Einleitung Unter der konativen Lesart lassen sich alle durativen Situationen fassen, die eine dynamische und telische Komponente besitzen. Ihre implizite Zeitlage ist die eines Futurs. Der Beginn der Handlung kann im Gegensatz zu Prs-7 schon in der Vergangenheit begonnen und in der Gegenwart noch nicht abgeschlossen sein. Diese Lesarten sind weitestgehend vom STA ausgeschlossen (7.4.3). In Abhängigkeit von der Semantik des Verbs kann das Subjekt Träger verschiedener semantischer Funktionen sein. Die Zuordnung in gegenwärtige und zukünftige Zeitbezüge ist problematisch und bei kritischer Prüfung ist ganz überwiegend von einer futurischen Lesart auszugehen (Kouwenberg 2017: 612). Auch nicht iterierte, aber habituelle Handlungen im Gtn-Stamm sind möglicherweise Ausdruck einer konativen Lesart (Kouwenberg 2017: 516). Diese Deutung bleibt jedoch unsicher und in diesem Belegkatalog werden diese Formen daher unter Prs-8 gelistet. 6.3.4.2 Transitive accomplishments Die Mehrzahl der accomplishments im akkadischen Lexikon sind transitiv. Sie können syntagmatisch mit activities wechseln. Das Subjekt ist ein a. Agens, bei den meisten Verben, die der a/u-Klasse angehören: 10 ma-na KÙ.BABBAR mi-iš-lu-um a-mu-ru-um iš-tù ḫa-mu-uš-tim mana mišl-um ammur-um ištu ḫamušt-im 10 Mine Silber Halb-NOM Geprüft-NOM Von Woche-GEN ša šu-sú-en6 DUMU lu-zi-na a-ITU.KAM i-ša-qal ša i-šaqqal SUB PN1 Sohn PN2 ALL=Monat PK.3-Zahlen~PRS Zehn Minen Silber, die Hälfte geprüftes, soll er ab der Woche des PN1, Sohnes des PN 2, monatlich zahlen. AKT III 12: 7ff.

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300 ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK

Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

ša ša SUB

ḫu-bu-ul ḫubull Schuld

a-bi4-a lá a-du-ak ab-i=ja lā a-duˀˀak VaterPK.1SGNEG GEN=POSS.1SG Schlagen\PRS Die Tafel über die Schulden meines Vaters werde ich nicht zerschlagen. AKT VIIa 62: 34f.

b. Patiens oder theme bei antikausativen Verben und Stammformen. Bei intransitiven Verben ist aber nur eine approximative Lesart zu belegen (Prs-7). Da das Akkadische syntaktisch kein vollwertiges Passiv ausbildet (2.3.8), ist hier eine Differenzierung von Patiens und theme nicht möglich: šu-pì-a-aḫ-šu PN1

iš-tí išti Mit

ta-mu-ri-a PN2

šu-ma šumma Wenn(KOND)

e-ta-mar e-tmar PK.3-Gesehen.Werden

i-du-wa-ak i-ddu’’ak PK.3-Geschlagen.Werden~PRS Wenn PN1 mit PN2 gesehen wird, wird er geschlagen werden.

TCL 21 253: r6ff.

6.3.4.3 Intransitive accomplishments Nach Vorbild der Verben der transitiven a/u-Ablautklasse gehören zu den konativen Lesarten auch die intransitiven Formen der II-u Verben, die mit Ablaut gebildet werden. Entgegen der Annahme, dass dieser Ablaut rein formal zur Kennzeichnung des PRS verwendet wird, spricht die hohe Anzahl der transitiven Verben die syntagmatisch telisch sind (3.5.3). Für das Akkadische bedeutet dies, dass anders als im Deutschen eine morphologische Differenzierung intransitiver Verben in telische und atelische Lexeme möglich ist. Die sprachtypologisch bemerkenswerte Gruppe telischer, intranstiver Verben wird dabei durch die Erweiterung der Ablautklasse geleistet. Dementsprechend sind dann nuāḫum: ausruhen oder ruāqum: fern sein als kumulative (3.2.4) intransitive accomplishments zu deuten: KÙ.BABBAR-áp-ku-nu

lá i-ru-aq lā i-ruˀˀaq Silber=POSS.2.M.PL NEG PK.3-Fern.Sein\PRS Euer Silber darf nicht fortkommen. AKT VIc 555: 12f. li-bi a-wi-le-e lá i-nu-ah libbi awīl-ē lā i-nuˀˀaḫ Herz Mann-OBL.PL NEG PK.3-Ruhen\PRS Das Herz der Männer kommt nicht zur Ruhe. TCL 14 41: 31f.

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Katalog der progressiven Lesarten

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Diese formale Einordnung bestätigt die Deutung des Verbs muātum: sterben als accomplishment, wie sie etwa in GKT §74d zu finden ist: ṭup-pú-um ša ku-nu-ki-šu-nu i-mu-a-at ṭupp-um ša kunukk-ī=sunu i-muˀˀat Tafel-NOM SUB Siegel-OBL.PL=POSS.3.M.PL PK.3-Sterben\PRS Die Tafel mit ihren Siegeln wird ungültig. AKT VIIa 62: 35f.

6.3.5 Prs-5) approximativ (achievement) 6.3.5.1 Einleitung Punktuelle Verben und semantische Imperfektivität schließen sich pragmatisch aus. Dennoch können achievements in imperfektiven Formen verschiedener Sprachen beobachtet werden (3.2.5). Wo diese Verbindung auftritt, hat die Form approximativen Charakter (5.4.1). Ein Vorstadium der Handlung, wie in Prs-4 oder gradueller Verlauf, wie in Prs-6, kann semantisch nicht ausgedrückt werden. Das approximative PRS drückt hier immer eine nachzeitige bzw. futurische Zeitlage aus, besitzt also eine inhärent modale Komponente (5.3.3.4). Die approximative Lesart ist bei allen Verben der i-Klasse (10.4.3) und den Zustandsverben regelmäßig (10.2.3) – bei Letzteren außerhalb der i-Klasse jedoch im Wechsel mit Prs-1. Die approximative Zeitlage impliziert zumeist einen zukünftigen Zustand ohne Differenzierung des Prädikatslevels. 6.3.5.2 Die ingressiven Verben ohne Ablaut Für Verben mit i im PRS lassen sich altassyrisch keine durativen Lesarten nachweisen – auch aus anderen Varietäten sind mir keine sicheren Belege bekannt. Alle Belege dieser Verballexem gehören daher unter die Lesart Prs-5: KÙ.BABBAR

lá i-ma-li-ik lā i-mallik Silber NEG PK.3-Beraten~PRS Er wird nicht über das Silber beraten. AKT VIa 128: 37

Hierzu gehören auch intransitive Verben mit inchoativ-stataler Bedeutung (s.a. Prt-2) a-na-ku a-na-ki-ir anāku a-nakkir PERS.1SG PK.1SG-Leugnen~PRS Wegen des Silbers werde ich bestreiten. li-bu-šu lá libb-u=šu lā Herz-NOM=POSS.3SG NEG Sein Herz soll nicht böse werden.

AKT VIIa 260: 22f.

i-la-mì-in? i-lammin PK.3-Böse.Sein~PRS AKT VIIa 243: 24

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

6.3.5.3 Die ingressiven Verben mit a im Prs Ablaut Das PRS ist sowohl in der a-Klasse (10.4.2) als auch die a/i-Klasse (10.4.4) mit durativer Lesart belegt (vgl. 6.3.1.4). Hinzukommen hier dynamische Lesarten, die in Verbindung mit der a-Klasse approximativ zu verstehen sind. Daher ist wašābum: sitzen nur vorbehaltlich der Darstellung in 10.4.4 hier als approximativ verstanden: šu-ma ṭa-áb-šu-um šumma ṭâb-ø=šum Wenn(KOND) Gut.Sein-3SG.SK=DAT.3.M Wenn es ihm gefällt, soll er sich dort niederlassen.

ú-ša-áb uššab PK.3\Sitzen\PRS AKT III 15: 10f.

Nach Vorbild der Einordnung der Zustandsverben unter das ingressive Genus, ist altassyrisch balāṭum: leben approximativ in Sätzen wie z.B.: ša i-lá-kà-ni lá i-ba--aṭ ša i-llak-an-ni lā i-ballaṭ SUB PK.3-Gehen\PRS-VENT-SUBJ NEG PK.3-Leben~PRS Der, der kommt, wird nicht leben. AKT VIa 115: 44f.

6.3.5.4 Zustandsverben der u-Klasse Ob die Zustandsverben der u-Klasse im PRS approximativ gelesen werden können, ist nach einzelnen Varietäten und mit Sorgfalt zu prüfen. Die möglichen Lexeme für Zustandsverben der u-Klasse sind altassyrisch nicht aussagekräftig (vgl. hierzu auch 7.8.3). Zu häufigem taqānum: sicher sein fehlt eine PK. Ein mögliches u-Klasse Zustandsverb ist altassyrisch napāšum: atmen mit der Bedeutung Fordern oder Protestieren in der PK: ú-lá ta-na-pu-ša ula ta-nappuš-ā NEG PK.2-Fordern~PRS-PL Ihr werdet nicht protestieren.

AKT VIIa 30: 29

6.3.6 Prs-6)? graduell (achievement) 6.3.6.1 Allgemein Für eine graduelle Lesart des PRS, d.h. degree achievements (3.2.5), fehlen sichere Belege. Ob sich in Verbindung mit einigen als approximativ angesetzten Lesungen vielleicht graduelle Lesarten ansetzen lassen, konnte bisher für das Akkadische nicht nachgewiesen werden. 6.3.6.2 Mögliche Belege mit gradueller Nuance in dieser Fallstudie Bis auf weiteres bleibt überhaupt unklar, ob das Akkadische degree achievements kennt. Ob diese aus Verben der ingressiven Klasse, Zustandsverben der u-Klasse oder progressiven Verben der Aktionsart I-n (11.3.3) herzuleiten sind, ist anhand des Altassyrischen nicht abschließend zu beantworten. Von besonderem Interesse sind hier Verben der a/i-Klasse, für die neben möglichen Wechseln des Genus von achievement zu accomplishment im PRS auch

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Katalog der generischen Lesarten

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mit einer atelischen zuständlichen Lesart in Art eines degree achievements gerechnet werden kann. Hierzu vgl. etwa den Beleg aus 6.3.2.3: a-ta a-na ú-ṭí-tí-im tù-sà-na-aq-ni-a-tí atta ana uṭṭit-im tu-sannaq=niāti PERS.2.M ALL Getreide-GEN PK.2-Prüfen~PRS=OBL.1PL Du (selbst) verhörst (~prüfen) uns wegen des Getreides. AKT VIa 115: 52f.

6.3.7 Zusammenfassung der progressiven Lesarten Alle bisherigen Lesarten und ihre Einschränkungen können als Ausdruck progressiver Semantik verstanden werden. Situationsgrenzen sind nur implizit ausgedrückt. Die rechte Grenze kann nur modal erfasst werden und steht im Akkadischen häufiger zum Ausdruck der Nachzeitigkeit. Daher lässt sich im Korpus vor allem im non-past eine Differenzierung von Gegenwart und Zukunft zwischen PRS und STA beobachten (8.2 & 9.3.2).

6.4 Katalog der generischen Lesarten 6.4.1 Einleitung Zu generischen Lesarten ist in der Akkadistik bisher wenig geforscht. Die umfangreichste Darstellung bietet immer noch Streck (1995a) für das Spätbabylonische. Eine dringend benötigte Untersuchung anhand literarischer Varietäten fehlt. Hier ist der Rückgriff auf Mayer (1992: 391ff.) erforderlich, der sich speziell mit dem generischen PRT beschäftigt. Aufgrund der fehlenden Vorarbeiten ist insbesondere für die Alltagsvarietäten des Briefverkehrs eine weniger stark differenzierte Darstellung der Lesarten sinnvoll. Die generischen Lesarten eines Progressivs unterscheiden sich von denen eines einfachen Imperfektivs durch den Ausschluss generischer Lesarten zuständlicher Situation, die grundlegend für die begriffliche Trennung der beiden Kategorien ist. In diesem Lesartenkatalog sind von den allgemeinen habituellen Lesarten die des okkupationellen PRS getrennt. Diese Trennung erfolgt trotz des Fehlens sicherer Belege für letztere im Altassyrischen aufgrund der prominenten Position der Fragstellung in der Akkadistik. 6.4.2 Prs-7) *okkupationell 6.4.2.1 Einleitung Nach der Darstellung des akkadischen Verbalsystems in Landsberger (1926: 360f.) bestand die Überlegung die Steigerungsadjektive, die berufs- oder gewohnheitsmäßige Eigenschaften wiedergeben, mit dem Präsensstamm zusammenstellen. Diese Diskussion war durch die Erkenntnisse der morphologischen Unterschiede und dem Mangel an aussagekräftigen Belegen im Akkadischen zwischenzeitlich nicht mehr aktuell. Auch wenn diese Untersuchung keine aussagekräftigen Belege anhand des Altassyrischen beibringen kann, ist ein eigener Eintrag für die okkupationellen Lesarten vorgesehen, denn ein Vergleich verbaler Systeme auf sprachtypologischer Ebene lässt zumindest Reste

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

einer früheren okkupationellen Lesart plausibel erscheinen. Die Möglichkeit eines solchen Gebrauchs des PRS ist also weniger für das Altassyrische als für die interne Rekonstruktion und Erschließung des Protosemitischen von Interesse, berührt das Thema doch unmittelbar die Frage nach den ererbten semitischen Imperfektivstämmen und ihrer Genese. 6.4.2.2 Vergleich des sprachtypologischen und akkadistischen Befunds Aus dem Vergleich mit dem Cayuga sind für das akkadische PRS okkupationelle Lesungen anzunehmen, in der die Situation zugleich die charakterisierende Tätigkeit des Subjekts ist (Sasse 2000: 207f.), doch lassen sich hier nur habituelle Sachverhalte, wie in Prs-5, sicher belegen. Eine formale Differenzierung in dieser Arbeit ist aber mit Landsberger (1926: 360f.) als vielleicht ursprüngliche Grundfunktion des dem PRS zugrundeliegenden Stamms anzusetzen. Formen des Typs -parras- sind selten und nicht eindeutig begrifflich von synonymen -purrus- Formen oder Pluralformen des entsprechenden Verbaladjektivs zu trennen (Kouwenberg 1997: 49ff.). Möglich ist, dass etwa altassyrisches šarraq-: Dieb eine vorübergehende Charakterisierung und keine permanente Eigenschaft darstellt, d.h. keine okkupationelle Bedeutung hat. Die Gruppe der -parrās-Formen, nach deren Vorbild šarraqaußerhalb des Altassyrischen gebildet ist, lassen sich zwar als okkupationell verstehen (GAG § 55o), doch ist ihr Bezug zum Präsensstamm nicht gesichert. Möglicherweise liegt eine im Altassyrischen noch nicht abgeschlossene Reanalyse der Formen mit kurzen Vokalen oder eine nominale Derivation (Kouwenberg 1997: 61) vor. Die Abgrenzung zu Partizip (pāris-) gegenüber dem Präsensstamm fällt dabei klarer als gegenüber dem Steigerungsadjektiv aus. Sie stützt die Annahme eines einzigen ursprünglichen Stamms der Formen des PRS, des D-Stamms und Steigerungsadjektivs mit agentivischer und progressiver Semantik (11.2): “[The participle] cannot be used predicatively as a kind of progressive form. […]. If we find a stative of a present participle, the latter is substantivized, either as a name of profession […] or as a habitual activity.” Kouwenberg (2010: 206). 6.4.2.3 Belege Belege für das hier diskutierte PRS im Altassyrischen fehlen. 6.4.2.4 Okkupationelle Lesarten der Steigerungsadjektive Anders als in anderen akkadischen Varietäten, in denen Steigerungsadjektive vor allem zur Kennzeichnung erworbener körperlicher Eigenschaften Gebrauch finden (Kouwenberg 2010: 27724), begegnen altassyrisch vor allem Bezeichnungen herbeigeführter Materialeigenschaften in Folge ihrer Verarbeitung (Kouwenberg 2017: 251f.), dabei kann es sich um Verfeinerungen handeln (ṣarrupum: geläutert) oder bei Verfertigung entstandene oder offenbar gewordene Fehler. Diese erworbenen Eigenschaften sind inhärente s-level und Verhalten sich zum einfachen Verbaladjektiv wie deutsches Partizip Perfekt Passiv zu einfachem Adjektiv. Dieser zur Semantik des PRS zunächst widersprüchliche Befund, kann vor dem Hintergrund des sonstigen Gebrauch der Steigerungsadjektive, etwa im STA des D-Stamms (11.2.3) erhellt werden und zeigt eine im Akkadischen Lexikon veranlagte gemeinschaftliche Klassifizierung von inaktiven activities und erworbenen Zuständen (11.2.4).

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6.4.3 Prs-8) habituell Das habituelle PRS dient zur Kennzeichnung generischer dynamischer Sachverhalte (Kouwenberg 2017: 611). Es bezeichnet regelmäßig dynamische Verbalhandlungen. Echte zuständliche Situationen sind aufgrund des progressiven Charakters des PRS für das Altassyrische sicher auszuschließen. Die Deutung einfachen PRS als habituell ist kontextabhängig7 und nur auf Ebene der Diskursanalyse des Textes nachweisbar. Wie in den Lesarten Prs-3 ist die eindeutige Zuordnung daher häufig durch abgeleitete iterative Stammformen mit tanInfix erleichtert. Zur Bezeichnung der habituellen dynamischen Gegenwart im iterativen Gtn-Stamm: áš-ta-na-pá-ar-ma ⸢a-lá⸣-kam ú-lá i-[mu-a] a-štanappar=ma alāk-am ula i-mu’’a PK.1SG-Ständig.Schreiben~PRS=KONJ Gehen-AKK NEG PK.3-Wollen\PRS Ich schreibe ständig, aber er will nicht kommen. AKT VIa 124: r3 qá-qá-ad-kà lá ta-ta-na-dí qaqqad=ka lā ta-ttanaddi Kopf=POSS.2.M NEG PK.2-Ständig.Hängen.Lassen~PRS Du sollst deinen Kopf nicht ständig hängen lassen. AKT VIa 138: 7f.

Einige Belege sind möglicherweise Ausdruck eines konativen tan-Infixes (Kouwenberg 2017: 516). Diese Lesart kann aber unmittelbar aus dem atelischen, dynamischen Charakter der Aktionsart hergeleitet werden und ist Teil der inhärenten Semantik der Situationstypen.

6.5 Katalog der modalen Lesarten 6.5.1 Einleitung Indikativ und modale Lesarten im imperfektiven Aspekt sind, anders als bei Perfektiv und Perfekt, nicht scharf voneinander zu trennen (5.3.3). Speziell die konative (Prs-4) und die approximative (Prs-5) Lesart sind praktisch modal und nur aufgrund der strukturellen Ausrichtung unter den non-modalen Lesarten geführt. Dies betrifft nicht nur die Gestaltung des Lesartenkatalogs und der philologischen Tradition, sondern auch die sprachwirkliche Verwendung solcher Imperfektive im non-modalen Syntagma. Eine einfache Gliederung erfolgt anhand der allgemeinen Kategorien der Modalität in epistemische und agens-orientierte Lesarten einerseits und prohibitive Lesarten (als Unterkategorie sprecher-orientierter Modalität) andererseits. Letztere ist sprachtypologisch die einzige funktionale Domäne des imperfektiven Aspekts im Bereich sprecher-orientierter Modalität8. 7 Beispiele habituellen Grundstamms des Altassyrischen finden sich in GKT §74e oder Kouwenberg (2017: 611). 8 Davon sind paradigmatische Modalformen, die die Art der Modalität vorgeben aufgenommen, wenn diese eine Aspektopposition oder die -dichotomie fortsetzen, wie z.B. im Altgriechischen als Innovation des (wahrscheinlich) indifferenten Modussystems im Indogermanischen.

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6.5.2 Prs-9) dispositionell (agens-orientiert9) Im Altassyrischen begegnet die dispositionelle Lesart als nicht-epistemische Modalität beim PRS häufig in Rechtsentscheidungen (dīnum), die in Urkunden festgehalten sind. Dort beschreiben sie die einer Person auferlegten Pflichten. Allgemein Verwendung findet altassyrisch die Disposition, die sich unmittelbar auf das Agens bezieht und ohne syntaktische Kontextualisierung, wie einem Konditionalsatz, auskommt. Prinzipiell sind hier alle Nuancen agens-orientierter Modalität anzutreffen (z.B. zu tun haben, dürfen, können). 21



SÍG.ḪI.A

a-ḫu-kà a-na ì-lí-dan i-da-an-ma aḫ-u=ka ana i-ddan=ma BruderPK.3-Geben\PRS= 21 Talent Wolle ALL PN NOM=POSS.2.M KONJ Dein Bruder hat dem PN21 Talente Wolle zu geben. AKT VIa 285: 28ff. šu-ku-bu-um

a-na ana ALL

PN1 ⸢i-tur4⸣-DINGIR

kà- né-eš15 ON

i-lá-ak-ma i-llak=ma PK.3-Gehen\PRS=KONJ

ù u KONJ

ku-a-tí a-na šu-be-lim kuāti ana PERS.2. PN2 ALL PN3 OBL PN1 hat nach ON zu gehen und PN2 und dich dem PN3 bestätigen zu lassen.

ú-kà-an u-kân PK.3Bestätigen.Lassen\PRS AKT VIa 76: 11ff.

šu-uq-lu-um lá i-pá-ṭá-ar šuql-um lā i-ppaṭṭar Paket-NOM NEG PK.3-Geöffnet.Werden~PRS Das Paket darf nicht geöffnet werden. AKT VIa 178: 12 ma-ma-an KÙ.BABBAR i-na eq-lim ⸢lá⸣ i-lá-qé mamman ina eql-im lā i-laqqe INDEF Silber SEP/LOK Feld-GEN NEG PK.3-Nehmen~PRS Niemand darf das Silber unterwegs nehmen. AKT VIa 294: 19f.

9 „Agent-oriented modality reports the existence of internal and external conditions on an agent with respect to the completion of the action expressed in the main predicate. (…). Obligation reports the existence of external social conditions (…). Ability reports the existence of internal enabling (…). “ (Bybee u.a. 1994: 177). Im Korpus (und im Akkadischen überhaupt?) sind sichere Belege agens-orientierter Modalität finiter Verbalformen nur im PRS anzutreffen. Sie wurden daher in Prs-8 zusammengefasst.

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6.5.2.1 Disposition zum subordinierten Sachverhalt In Verbindung mit Subjunktionalsätzen ist auch außerhalb des Konditionalsatzes ein dispositionelles PRS möglich. Der für die Deutung relevante Kontext erschließt sich unmittelbar aus dem Satz, d.h. dem Verhältnis von Haupt- und Nebensatz. iš-tù-ba ištu=ba Von=IRREAL

ar-nam arn-am Unrecht-AKK

ù u KONJ

ší-lá-tim šillāt-im Frechheit\F\PL-OBL

i-šu-a-ku-ni mì-nam īšu-ak=kun-ni mīn-am PK.3\Haben-VENT=DAT.2.M-SUBJ INTERROG-AKK Nachdem er doch (nur) Unrecht und Frechheiten für dich hat, was soll ich da noch sagen?

a-qá-bi a-qabbi PK.1SG-Sagen~PRS AKT III 62: 43ff.

Ist das Subjekt selbst nicht spezifiziert, liegt ein fließender Übergang zu kind-level Prädikaten vor (5.3.4.3), z.B. bei indefinitem Pronomen oder Subjektsatz ohne Bezugsnomen. Es ist zu beachten, dass im Unterschied zur Lesart Prs-8 die generische Semantik aus den Nominalphrasen abzuleiten ist. Spezifische Regeln zur Kombination mit Prädikaten sind mir für akkadische Varietäten nicht bekannt. ša i-lá-qé-ú i-ša-ri-iq-šu-um ša i-laqqe-u i-ššarriq=šum SUB PK.3-Nehmen~PRS-SUBJ PK.3-Beschlagnahmt.Werden~PRS=DAT.3.M Wer etwas nimmt, dem wird es beschlagnahmt. AKT III 94: 28

6.5.2.2 Dispositonelles PRS der Apodosis Regelmäßig begegnet das dispositionelle PRS auch als Lesart der Apodosis, in der es ausdrückt, was das Subjekt in einem genannten Fall muss oder darf. šu-ma šumma Wenn(KOND)

lá lā NEG

ṭa-áb-šu-um ṭāb-ø=šum Gut.Sein-3SG.SK=DAT.3.M

ú-ta-ar-ma u-târ=ma PK.3Zurückbringen\PRS=KONJ

a-šar ašar Wo(SUBJ)

KÙ.BABBAR-áp-šu Silber=POSS.3.M

li-bi-šu libb-i=šu HerzGEN=POSS.3.M

Wenn es ihm nicht gefällt, wirk er das Silber zurückzahlen und kann, wohin er will, er gehen10.

i-ta-lá-ak i-ttallak PK.3-Weggehen ~PRS AKT III 15: 12ff.

10 Zum Gebrauch des Gt-Stamms von alākum in der Parataxe s. 9.2.2.

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6.5.2.3 Dispositionelles PRS in Protasen Auch das PRS in Protasen kann dispositionell sein, wenn der eintretende Fall von der Handlung des Subjekts abhängig ist. Die Bestimmung dieser Protasen folgt dem Muster der allgemeinen kontextuellen Bestimmung (s.o.), kann also nicht satzintern bestimmt werden. šu-ma a-wa-tám i-ga-mar! šumma awāt-am i-gammar Wenn(KOND) Sache-AKK PK.3-Beenden~PRS Wenn er die Sache beenden will, soll er (sie) beenden.

li-ig-mu-ur li-gmur OPT.3-Beenden AKT I 25: 23f.

6.5.2.4 Modalverb Formal als Vertretung des dispositionellen PRS kann eines der wenigen Modalverben mit Infinitv stehen (9.5), wobei dann frei zwischen den Formen der PK gewechselt werden kann11. So z.B. leˀûm: können: pá-zu-ur-tí pazurt=ī Schmuggelware=POSS.1SG

še-ru-ba-am lá šērub-am lā Hineinkommen.LassenNEG AKK Sie können nicht meine Schmuggelware hineinkommen lassen.

i-le-e-ú i-leˀˀû PK.3Können~PRS\PL.M AKT VIa 139: 46f.

Oder muˀāum: wollen: ta-dá-na-am lá i-mu-ú tadān-am lā i-mû Geben-AKK NEG PK.3-(PRT)Wollen\PL.M Sie wollten (es) nicht geben. AKT VIb 352: 17f.

6.5.2.5 PRS konsekutiver Semantik Dispositionell sind schließlich verschiedene Lesarten des subordinierten PRS in resumptiver Taxis (9.2.4): KÙ.BABBAR Silber

e-ta-am-dum ētamd-um Zusammengelegt-NOM

i-lá-kam-ma i-llak-am=ma PK.3-Gehen\PRS-VENT=KONJ

i-ba-áb a-bu-lim la a-ba-áš ib=bāb abull-im lā a-bâš SEP/LOK=Tor Stadttor-GEN NEG PK.1SG-S.Schämen\PRS Das Silber soll zusammengelegt kommen, sodass ich mich im Tor der Stadt nicht schämen muss. AKT III 71: 11ff.

11 Modalverb im PRS dienen dabei allein zur Eingrenzung der modalen Nuance durch das Hilfsverb, die Funktion im Rahmen der Taxis bleibt dieselbe.

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Mit finaler Semantik: lá-tù-ra-ma tù-dí-tám i-na ir-tí-ki a-ša-kán la-tūr-am=ma tuditt-am ina irt-i=ki a-šakkan OPT.1SG-ZurückkommenSchmuckSEP/ BrustPK.1SGVENT=KONJ AKK LOK GEN=POSS.2.F Stellen~PRS Ich will zurückkommen, um dir den Schmuck auf deine Brust zu legen. AKT III 51: 10f.

Als Anerkennung einer Rechtsverpflichtung: ú-la a-tù-ar-ma lá a-na-pu-uš ula a-tuˀˀar=ma lā a-nappuš NEG PK.1SG-Zurückkommen~PRS=KONJ NEG PK.1SG-Fordern~PRS Ich werde nicht darauf zurückkommen und nicht protestieren. AKT VIa 283: 34ff. a-dí adi Bis

e-né-a ēn-ē=ja AugeOBL.PL=POSS.1SG

ta-mì-ri-ni a-ma-ma-an lá ta-dí-ni tammir-i-ni am=mamman lā ta-ddin-i PK.2-Geben\ PK.2\Sehen~ ALL=INDEF NEG PRS-F PRS-F-SUBJ Gib es niemandem, bevor du nicht mich persönlich (~meine Auge) siehst. BIN 6 14: 31f.

6.5.3 Prs-10) prohibitiv 6.5.3.1 Einleitung Nur beim negierten PRS mit prohibitiver Semantik kann im Kontext sicher eine sprecherorientierte Modalität nachgewiesen werden (s.o. Prs-8), die sonst Merkmal semantisch perfektiver Formen ist (5.3.3.3). Sprachtypologisch darf diese Bildung als Reanalyse der kombinierten Merkmale des Aspekts und der Negation (5.3.5) gedeutet werden (Abraham & Leiss 2008: XIII), die außerhalb des modalen Lesartenkatalogs im Akkadischen sonst nicht nachzuweisen ist. Der Prohibitiv bezeichnet hier das direkte Verbot und findet sich als solcher in Briefen oder der direkten Rede in Urkunden. Er ist die Form des negierten Imperativs und kann auch als Ausdruck negierten Wunsches stehen. Die Abgrenzung gegenüber negiertem agens-orientiertem PRS (Prs-9) ist fließend. Dies gilt in besonderem Maße für die Belege mit PRS der 1Person (s.u.). 6.5.3.2 Negierter Imperativ Der negierte Imperativ ist die gewöhnliche Verwendungsweise des Prohibitivs. Er ist klar sprecher-orientiert und auch altassyrisch häufig belegt: TÚG-ba-tí Gewand-OBL.PL

ša ša SUB

li-bi4 libbi Herz

i-dí-a-šúr

DUMU

dān?-a-šùr

PN1

Sohn

PN2

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ša-dí-šu lá ta-ga-mì-il5-šu šaddi=šu lā ta-gammil=šu Deponieren.Lassen= AKK.3.M NEG PK.2-Schonen~PRS=AKK.3.M Die Gewänder, die sich bei PN1, Sohn des PN2, befinden, lasse ihn deponieren! Schone ihn nicht! AKT I 16: 28ff. a-pu-tum la ta-ša-lá-aṭ apputum lā ta-šallaṭ Bitte NEG PK.2-Verfügen~PRS Bitte! Handle nicht eigenmächtig! AKT VIa 224: 27f. pu-ru-i puru=i Gemeinheit=POSS.1SG

lá lā NEG

ta-ša-kà-an-ma ta-šakkan=ma PK.2Stellen~PRS=KONJ

lá lā NEG

Du sollst keine Gemeinheiten über mich sagen und mich nicht fernhalten! a-dí adi Bis

am-tám amt-am Magd-AKK

a-na ana ALL

ší-mì-im šīm-im Preis-GEN

lá lā NEG

tù-ri-qá-ni tu-riqq-an=ni PK.2Fern.Halten~PRSVENT=AKK.1SG AKT VIIa 41: 33f.

ta-dí-nu ta-ddin-u PK.2-(PRT)Geben-SUBJ

a-ṣe-ri-a lá ta-lá-kam aṣ=ṣēr-i=ja lā ta-llak-am ALL=Rücken-GEN=POSS.1SG NEG PK.2-Gehen\PRS-VENT Bevor du die Magd verkauft hast, komm nicht her zu mir! BIN 6 10: 17ff.

6.5.3.3 Negierte Wunschform Anstelle der optativischen Lesarten des PRT begegnet das prohibitive PRS in Erweiterung der Lesart negierten Imperativs als negierte sprecher-orientierte Form der 3Person: li-ba-kà [lá] ⸢i⸣-pá-ri-id libba=ka lā i-parrid Herz=POSS.2.M NEG PK.3-Erschrecken~PRS Dein Herz soll nicht erschrecken! AKT VIa 175: 44f.

Auch die 1Person fällt hierunter, wenn nicht die voluntative Intention, sondern die Konsequenzen der Umstände die Handlungswirkung bestimmen:

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ṭup-pá-am ša a-limki ù ra-bi-ṣa-am lá nu-na-aḫ ṭupp-am ša āl-im u rābiṣ-am lā nunnaḫ TafelSUB StadtKONJ AnwaltNEG PK.1PL\Belasten\PRS AKK GEN AKK Die Tafel der Stadt und den Anwalt wollen wir nicht belasten! AKT VIa 257: 34f.

6.5.3.4 Negierter Voluntativ Anstelle der optativischen Lesarten des PRT begegnet das PRS in Erweiterung der Lesart negierten Imperativs als negierte sprecher-orientierte Form der 1Person: ta-zi-ma-tí-ší-na lá tazzim-āt-i=šina lā Beschwerde-F\PL-OBL=POSS.3.F.PL NEG Ich will ihre Beschwerden nicht ständig hören.

áš-ta-na-me-e a-štanamme PK.1SG-Ständig.Hören~PRS AKT V 10: 22f.

6.5.4 Prs-11) epistemisch Modifiziert das PRS nicht das Subjekt, sondern beschränkt sich auf die Darstellung der Wahrscheinlichkeit einer Situation, so ist es epistemisch und ohne besonderen Kontext vergleichbar dem Konjunktiv I des Deutschen eine potentielle Wirklichkeit. Diese potentielle Semantik ist unmittelbar Ausdruck der Kombination aus modaler und imperfektiver Semantik (Abraham & Leiss 2008: XIIf.), wie in den Lesarten Prs-4 und Prs-6. Formal nicht gekennzeichnete epistemische Lesarten des PRS sind dementsprechend dort zu verorten12. 6.5.4.1 Protasen In Protasen kann aufgrund der syntaktischen Vorgaben sicher von einer epistemischen Lesart ausgegangen werden. Sie hat in ihrem Gebrauch eine stärkere Orientierung an der Sprechzeit und impliziert, dass die Handlung schon eingetreten sein kann oder unmittelbar bevorsteht. Unklar ist, inwieweit das Altassyrische im Wechsel zwischen PRS und PRF, eine vom Sprecher intendierte Abstufung zwischen potentiell wahrem bzw. eintretendem und hypothetischem Sachverhalt wiedergibt. Wie wohl sprachtypologisch plausibel ist eine solche Differenzierung bisher nicht nachweisbar13:

12 Auch hier ist der Lesartenkatalog im Bereich modaler Lesarten stark vereinfacht. Diese Beschränkung ist der Erhebung, die sich auf non-modale Syntagmen konzentriert und der noch unzureichenden methodischen Vorarbeit geschuldet. Bei letzter fehlt es einerseits an einer akkadistischen Transposition der sprachtypologischen Begriffe der Generizität und Modalität, andererseits existiert nur eine unzureichende Erschließung der sprachwissenschaftstheoretischen Hintergründe der Zusammenhänge von Aspektsemantik und modalen Lesarten der Formen. Für das Akkadische ist dies im Bereich des PRS als der semantisch einzigen imperfektiven Form am stärksten ausgeprägt, weil hier die Grenze zur Modalität nicht scharf gefasst werden kann, wie es bei semantisch perfektiven Formen, zu denen auch STA und PRF gehören, möglich ist. 13 Möglich ist hingegen, dass einige Schreiber, mit einem feineren Sprachgefühl hier genau differenzierten. Hierzu bedarfs es einer nach Verfasser getrennten Erhebung und Auswertung der Belege.

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Belegkatalog zum altassyrischen Präsens

šu-ma iš-ti DAM šu-be-lim šumma išti Wenn(KOND) Mit Gattin PN Wenn er es von der Frau des PN nimmt, (…).

i-la-qé i-laqqe PK.3-Nehmen~PRS AKT III 36: 11f.

šu-ma ta-aḫ-sí-is-ta-am i-a-tám tù-kà-al šumma ṭaḫsist-am jā-t-am tu-kâl Wenn(KOND) Aufzeichnung-AKK POSS.1SG-F-AKK PK.2-Halten\PRS Wenn du meine Aufzeichnung zurückhältst, (…). AKT IV 18: 18f.

6.5.4.2 Morpholgisch epistemisches Prs Mit der Partikel lū ist m.E. eine Lesung des PRS als epistemisch gerechtfertigt, sofern keine Rechtsverpflichtung bezeichnet wird (Kouwenberg 2017: 642). lu ú-kà-al ki-ma ú-ni-ḫi-ni lū u-kâl kīma unniḫ=ī-ni AFFIRM PK.1SG-Festhalten~PRS Wie PK.3\(PRT)Belasten=AKK.1SG-SUBJ Ich will fürwahr behalten, dass er mich belastet hat. AKT VIa 289: 23

6.6 Diskurs Im Diskurs beschreibt das PRS außerhalb der impliziten Zeitlagenkennzeichnung dynamischer Situation und s-level states der Nicht-Vergangenheit auch im Altassyrischen gelegentlich vergangene Sachverhalte im Indikativ. Bei genanntem Gebrauch ist theoretisch zwischen historischem Präsens und kontextuellen Übertragungen zu unterscheiden. Der inexpressive Gebrauch historischen Präsens ist sicher auszuschließen, für expressive Verwendungen mit aoristischer Bedeutung bringt das Altassyrische keine Belege bei (5.3.7). Dies fügt sich insofern in das Gesamtbild des Akkadischen (5.3.7.3), jedoch ist für das Altassyrische diese Feststellung nur vorbehaltlich fehlender narrativer Texte gültig. Im Subjunktiv ist die absolute Zeitlagenbezeichnung durch die Relation der Teilsätze überlagert (9.3). Die eigentlich belegten Verwendungen des Indikativ PRS sind solche, die durch Adverbien bzw. Adverbialsätze bestimmt sind (9.2.1.8) oder in denen das PRS selbst syntaktisch adverbial ist (9.2.4.6). Ein Progressiv zum Ausdruck des backgrounds und der Vergangenheit funktioniert anders als imperfektive Form nur begrenzt (9.2.1.3). Vereinzelte Belege finden sich daher vor allem literarisch (5.2.6), im Altassyrisch begegnen hier Lexemen mit zuständlichem PRS (Kouwenberg 2017: 613).

6.7 Grammatikalisierungsalter und Entwicklung Betrachtet man den Lesartenkatalog und versucht diesen in eine diachrone Ordnung zu bringen, so stehen aktuell-zuständliche Lesarten (Prs-1) an prominenter Stelle als jüngste

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Zusammenfassung

Lesart des Progressivs, wodurch es zugleich an der Schwelle zur Grammatikalisierung zum Präsens oder Imperfektiv zu verorten ist. Dass diese die jüngste Lesart des PRS ist, wird durch den Befund des Fehlens zuständlichen PRS im Subjunktiv gestützt, der im Verhältnis zum Indikativ der jeweiligen Varietät konservativer im Sprachstand ist (11.8.2). Die approximative Lesart (Prs-5) ist als paradigmatischer Ausgleich zu verstehen und eine Erweiterung der konativen Lesart (Prs-6) auf achievement Verben. Als einfache Lesart des Progressivs sind die prozessualen und iterativen Lesarten sicher die ältesten Bildungstypen. Der non-modale Grammatikalisierungspfad ist daher im PRS wie folgt zu charakterisieren: Grammatikalisierungspfad Progressiv (PRS) interne Grammatikalisierung (>) intransitiv, dyprozessual/ namisch & iterativ atelisch

konativ

approximativ

zuständlich

extern Präsens/ Imperfektiv

Die im Akkadischen wirkungsmächtigen Grammatikalisierungsprozesse sind allerdings kleinteiliger und nicht anhand der Situationstypen zu bestimmen. Sie verlaufen auf Diskursebene und betreffen den Gebrauch des Progressivs als historisches Präsens, sowie den der Evidentialität und Modalität (5.3.3). Zu diesen Fragen bedarf es allerdings weiterführender und vergleichender Studien in anderen Varietäten.

6.8 Zusammenfassung Das PRS ist unzweifelhaft als Progressiv erkennbar. Dessen Merkmale erhellen Wechselwirkungen von SK und PK und sind die Basis der Analyse des Verbalformenbestands. Aufgrund der Semantik des Progressivs als sprachtypologische Kategorie ist auch eine größere inhaltliche Nähe zum D-Stamm und kausativen Lesarten einerseits und zur Genese des tan-Stamms andererseits möglich, der die formalen Ähnlichkeiten bestätigt (11.2 & 11.4.5). Auch die Verwendung im modalen Kontext ist vor dem Hintergrund des Formengebrauchs in anderen Sprachen unproblematisch. Zur Bedeutung der evidentialen Semantik etwa in Diskursfunktionen des Progressivs fehlen allerdings noch sprachwissenschaftliche Vorarbeiten (5.3.3). Der Befund generischer Lesarten ist das wesentliche sprachtypologische Problem. Die Beleglage im Altassyrischen läuft plausiblen Erwartungen zur internen Rekonstruktion und aufgrund der Sprachtypologie zuwider. Das Korpus leistet hier keinen klärenden Beitrag.

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7 Belegkatalog zum altassyrischen Stativ 7.1 Einleitung 7.1.1 Allgemein Der STA wird in der Akkadistik zumeist auf zwei Eigenschaften reduziert. Diese sind die Resultativität telischer Verben und die Wiedergabe einfacher Zustände. Die wenigen dynamischen Lesarten spielen in der Beschreibung meist eine untergeordnete Rolle. Der Forschungsdiskurs bewegt sich um die Frage nach der Verbalität und der Entwicklung perfektischer Lesarten, wie sie für das Westsemitische charakteristisch sind. Der diachrone Bezug von Resultativ und Perfekt ist durch die Grammatikalisierungsforschung inzwischen aufgeklärt. Zur Einordnung non-resultativer Lesarten und der Entwicklung eines Splits im Bereich aktiver und stativer Lesarten, wodurch es zu dynamischperfektischen und zuständlich-imperfektiven Lesarten kommt, fehlen allerdings Gesamtdarstellungen in der Linguistik. Dementsprechend hängt die Qualität der Analyse des STA in besonderem Maße von der Sichtung der sprachwissenschaftlichen Literatur ab. Zu Anfang steht dabei die Frage, welche Literatur überhaupt weitere Einblicke erlaubt. Mit Blick auf das Kapitel 5 dieser Arbeit sind dies, neben den bereits genannten Forschungsfeldern, die Bereiche der semantischen Relation, des griechischen Perfekts und der split-ergativity. Aus diesen disparaten Forschungsarbeiten ist daher ein Begriff des STA herzuleiten, der in sich stimmig ist und sowohl den sprachtypologischen Anforderungen wie auch denen der Vergleichenden Semitistik und der Akkadistik genügt. Dabei zeigt sich, dass der STA nicht auf einen einheitlichen Aspektbegriff reduziert werden kann. Die Form ist daher, deutlicher noch als ein Progressiv, in den Strukturen semantischer Relationen und nach den Kategorien der Relationalen Typologie zu erklären. Diese Einleitung zum Belegkatalog umfasst eine Diskussion der jüngeren Forschung (7.1.2) anhand Kouwenberg (2010). Der Beschreibung der Lesarten (7.2) folgt der eigentliche Katalog, der semantisch perfektische (7.3) von semantisch imperfektiven Lesarten trennt (7.4). Den Abschluss des eigentlichen Katalogs bieten die modalen Lesarten (7.5). Ergänzend zum Lesartenkatalog steht eine Darstellung der semantischen Eigenschaften und ihrem Einwirken auf das Lexem (7.6), allgemeine Beobachtungen zum Zeitlagenbezug des STA (7.7) und die Schemata der Transfigierung im Altassyrischen (7.8) 7.1.2 Der Forschungsstand in The Akkadian verb and its Semitic background 7.1.2.1 Einleitung Kouwenberg (2010) ist das Referenzwerk zum akkadischen Verbalsystem. Die Diskussion bemüht sich deutlicher als in vorangegangen Forschungsbeiträgen, um die Deutung der Lesarten, die nicht auf einen Resultativ zurückgeführt werden, wobei Kouwenberg dynami-

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

sche Lesarten (7.1.2.6) und sogenannte locational statives (7.1.2.4) unterscheidet. Die syntaktische Imperfektivität des STA ist auch in der neueren Forschung unstrittig: “Aspectually, the stative has imperfective aspect, since it does not envisage the beginning or the end of the state.” Kouwenberg (2010: 164; Anm. durch Verf.) 1. Weniger problemorientiert ist die Betrachtung der Strukturbeziehung zur PK (7.1.2.2) und der Bestimmung der semantischen Transitivität (7.1.2.3), die hier den Erläuterungen in Kouwenberg (2010) folgend in ihren Grundzügen noch einmal umrissen werden sollen. Ergänzend hierzu tritt ein Abriss der Überlegungen zur Grammatikalisierung der Form (7.1.2.5), der sich im Wesentlichen auf die Beobachtungen zu den (nach dem Bild der akkadistischen Grammatiken) regulären, d.h. zuständlichen, Lesarten stützt. 7.1.2.2 Das Verhältnis des STA zur Präformativkonjugation Den STA versteht Kouwenberg als Verbalform, die vom Verbaladjektiv (past participle) abgeleitet wurde: “[T]he verbal stative is subordinate in rank to and (synchronically) derived from the fientive prefix conjugations [...]. Historically, of course the stative is derived from the past participle, but the verbalization of the stative has reversed their relationship.“ Kouwenberg (2010: 164). Entgegen Kouwenberg kann ich weder eine synchrone Derivation noch eine historische Derivation erkennen2. Vielmehr steht der STA zu den Formen in einem komplexen Oppositionsverhältnis (5.3.6.5): a. Split-subject marking: Gegenüber PRS ist der STA in obligatorischer Opposition innerhalb der intransitiven Verben der i-Klasse (10.4.3) und wohlmöglich der intransitiven Bewegungsverben der u-Klasse (10.4.5). b. Fluid subject marking: Gegenüber PRS ist der STA in fakultativer Opposition bei allen anderen intransitiven Verben (10.3). c. Aspekt: Gegenüber PRT ist der STA zusammen mit dem PRS in obligatorischer Opposition als imperfektive Form (9.2). d. Modalität: In modaler Opposition steht der STA zum PRT im Kontext einer konjunktivischen/ optativischen Lesart (7.5 & 8.6). Beide Formen sind dabei semantisch perfektiv und alternieren wie PRS und STA im non-modalen Kontext (differential subject marking). e. Konjugationstypen: Nur bei transitiven Verben steht der STA hingegen meist in allgemeiner Opposition zur Präformativkonjugation als Zustandspassiv mit komplementärer und kompositioneller Semantik. Das Fehlen des STA bei verschiedenen hoch

1 Syntaktisch imperfektiv anstelle aspektuell imperfektiv wäre hier die unmißverständliche Formulierung. Ferner ist der Beginn der Handlung in syntaktisch imperfektiver Lesart nur implizit ausgeschlossen, das Ende der Handlung aber explizit (4.2). 2 Ob dem STA ein perfektisches oder resultatives Partizip zugrunde liegt, ist fraglich. Ein Verbaladjektiv mit zuständlicher Semantik ist vorerst plausibel.

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Einleitung

transitiven Verben, wirft allerdings die Frage auf, ob der STA selbst resultative Semantik besitzt (10.3.3). Eine (synchrone) Derivation könnte daher allenfalls bei den progressiven Verben im Sinne einer Erweiterung der lexikalischen Semantik angesetzt werden (10.4). Die zustandspassiven Lesarten lassen sich jedoch unmittelbar vom Verbaladjektiv ableiten. Ihr Aufbau ist kompositionell und unabhängig von der Semantik der anderen (finiten) Verbalformen. Nur in wenigen Fällen ist eine direkte Wechselwirkung zwischen STA und PRT zu beobachten. So in Fällen der semantischen Opposition (11.7.5) von Grundstamm (STA): N-Stamm (PRT) z.B. in: lá bé-ú-lá-tí-kà lā beˀūlāt-ī=ka NEG Verfügungskapital-OBL.PL=POSS.2.M (…) ohne dass ich dein Verfügungskapital trage.

na-aš-a-ku našâku Tragen\1SG.SK AKT III 25: 10ff.

ku-nu-ki-ni li-ba-a ù ku-bi-a i-ni-iš-ú kunukki=ni u i-nnišû Siegel=POSS.1PL PN1 KONJ PN2 PK.3-(PRT)Bringen\PL.M PN1 und PN2 haben es unter unserem Siegel gebracht. AKT V 6: 12

7.1.2.3 Transitivität des STA Die prototypische semantische Transitivität eines Zustands ist niedrig (5.3.2.3). Betrachtet man den STA im Begriff der einfachen Zustands- bzw. Nominalform, auf die er in der akkadistischen Diskussion in der Regel reduziert wird, lässt sich zunächst mit Kouwenberg die Fehlanzeige semantischer Transitivität postulieren: “[I]n terms of semantic transitivity, statives have zero transitivity, since they do not indicate a change in the state of the world.” Kouwenberg (2010: 164). Tatsächlich lassen sich nun aber die verschiedensten transitiven Zustände in den Sprachen der Welt annehmen. Der fehlende change in the state of the world ist nur ein Anzeichen niedriger, nicht aber fehlender Transitivität (Hopper & Thomson 1980: 252). Zu den Verben mit syntaktisch oder semantisch transitivem Zustand gehören im Altassyrischen alle Verben der a-Klasse (10.4.2). Englische transitive states sind z.B. proud, jealous und die stative causatives in Dowty (1976: 124). Die altassyrischen Belege für zuständlichen, aber transitiven STA sind in zwei Gruppen zu fassen syntaktisch transitiv: ṣí-ba-t[im] ú-lá ṣib-āt-im ula Zins-F\PL-OBL NEG Ich brauchte keine Zins.

ḫa-áš-ḫa-ku ḫašḫ-āku Brauchen-1SG.SK AKT VIa 142: 35

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

oder semantisch transitiv: at-⸢ta⸣ atta PERS.2.M

ki-ma kīma Wie

ša-zu-úz-tám tù-ša-zi-zu-ú pá-al-ḫa-ku-ma šazzuzt-am tu-šazziz-u palḫ-āku=ma VertretungPK.2-(PRT)Stehen.LassenFürchtenAKK SUBJ 1SG.SK=KONJ Du – weil du die Geschäftsvertreter hast hintreten lassen, fürchte ich mich. AKT VIa 238: 11ff.

Schließlich ist für das Assyrische zumindest ein Lexem sicher belegt, dass im STA transitiv und dynamisch-imperfektiv zu verstehen ist und eine Translokation von A (Objekt) durch B (Subjekt) nach C (Dativobjekt) beschreibt (Sta-6): šé-bu-ul-ta-ku-nu (…) na-áš-a-ku-nu-tí šebulta=kunu našâk=kunūti Sendung=POSS.2.M.PL (…) Tragen\3SG.SK\VENT=DAT.2M.PL Eure Sendung (…) trägt er zu euch. AKT VIa 232: 20ff.

Entgegen Kouwenberg (2010: 173) dürfen dieser und ähnliche Belege wohl als Ausdruck einer dynamischen Lesartsemantik bergriffen werden. Unter dem Eindruck dieses Lexems wird deutlich, dass der STA nicht alleine durch die Merkmale Zuständlichkeit und zero transitivity beschrieben werden kann. 7.1.2.4 Die Etymologie der locational statives Eine Reihe zuständlicher Lesarten des STA verschiedener transitiver Lexeme kann nicht als resultativ begriffen werden. Hierzu schreibt Kouwenberg: “[T]he stative of some verbs may express a state that strictly speaking does not result from a previous event, doubtless as a secondary extension of their core function. This applies particular to the frequent “locational” statives of šakānu ‘to place’ [...] and nadû ‘to put down’ [...]. “ Kouwenberg (2010: 174). Hier soll beispielhaft šakānum in der Bedeutung Gelegen Sein (STA) erörtert werden. Tatsächlich liegt auch hier eine synchrone Korrespondenz zum N-Stamm (11.3.3) vor und keine im STA veranlagte semantische Extension. Bei diesen locational statives bedarf der genaue Sachverhalt noch einer weiterführenden Erklärung: Während der STA als Zustandspassiv noch zumindest in Übersetzung implizit auf ein an der vorangegangenen Situation beteiligtes Agens verweist (10.3.3), das nur selten auch syntaktisch realisiert wird (dazu Bsp. in Kouwenberg 2010: 175), sind die im Akkadischen detransitivierenden Stämme zunächst von perfektiven Aktionsarten grammatikalisiert (11.3 & 11.4). Wie die ingressiven Verben des Grundstamms mit niedriger Agentivität kodieren diese im Akkadischen nirgends ein Agens (10.3.1) – sie sind also keine prototypischen Passivbildungen, sondern antikausativ3. Diese antikausative Semantik erlaubt dann eine semantische Stativität solcher Situationen, die nicht im aktiven, transitiven Grundstamm der PK aber in dem des STA ausgedrückt 3 In anderen semitischen Sprachen sind auch passive Grammatikalisierungen belegt. Im Akkadischen lässt sich diese Entwicklung nicht beobachten.

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Einleitung

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werden können. Dabei bleibt die Frage nach der Resultativität des STA und einer möglichen ursprünglichen Semantik locational statives als nicht-resultativ zunächst ungeklärt. Es ist jedoch plausibel, dass die locational statives Teil der primären Semantik des STA sind und die Resultativität eine semantische Extension darstellt (10.3.2). 7.1.2.5 Die Grammatikalisierung zum Perfekt Von besonderem Interesse für die Semitistik ist, welche Ansätze im Übergang von perfektzuständlicher zu perfektzeitlicher Lesart in den Varietäten des Akkadischen zu erkennen sind. Bei Kouwenberg sind dabei vor dem Hintergrund der sprachtyplogischen Charakterisierung des Resultativs Lokal- und Temporaladverbien von Bedeutung, wie sie in Verbindung mit dem STA bereits im Altassyrischen begegnen, etwa mit dem Verb muātum: sterben (7.3.1), welches ganz entsprechend auch in verschiedenen anderen Varietäten in diesem Syntagma begegnet, dessen Distribution noch nicht systematisch erfasst ist. Für Kouwenberg ist das Syntagma hinreichend für eine Charakterisierung als perfektzeitliche Lesart des sonst perfektzuständlichen STA: “However, the inclusion of a specification of the time and/ or the place of death (as in all these instances) shifts the attention from the present state to the previous event, since it can only refer to the event itself. Therefore, the stative is used as a perfect here.” Kouwenberg (2010: 175). Dass der STA perfektische Semantik besitzt, ist ebenso offensichtlich wie seine semantische Imperfektivität. Die Kodierung prototypisch perfektischer Situationen im STA geschieht hier aber ohne nachweisliche Verletzung dieser Regeln. Zum einen weist “the inclusion of a specification of the time and/ or the place” den STA hier nur als s-level Prädikat aus. Dass diese Kodierung bspw. im Englischen unüblich ist, kann nicht auf das Akkadische übertragen werden und man vgl. hier etwa Litvinov & Nedjalkov (1988: 139) für das Deutsche (5.6.6.3 & 5.2.5.1). Zum anderen kodiert ein Perfekt zunächst die Perfektzeit nicht den Perfektzustand – zum Beweis einer echten Orientierung von “the present state to the previous event” bedarf es solcher Situationen, die nicht mehr als aktueller Perfektzustand vorliegen. Im Vorliegenden ist aber vom aktuellen Tot-Sein im Diskurs auszugehen. Ein akkadischer Beleg für einen STA zum Ausdruck echter Vorzeitigkeit fehlt m.W. bisher (vgl. unten 7.3). Der STA unterscheidet sich von den perfektischen Lesarten des PRT und PRF (8.5) durch seine perfektzuständliche Ausrichtung (4.6.4). Die Formen der PK sind hingegen perfektzeitlich (4.6.8) und verweisen, wie etwa deutsches oder englisches Perfekt nur implizit auf einen durch die Handlung hervorgebrachten Zustand: “The corresponding perfectives or t-prefects would simply have stated the occurrence of the event. This explains why so many active statives come from verbs denoting legally binding actions.” Kouwenberg (2010: 172f.). Ob der Stamm des STA mit dem des PRT genetisch verwandt ist und diesen ein passives Partizip zugrunde gelegt werden kann, wie bei Kouwenberg (2010: 176) postuliert, ist unsicher. Die Annahme eines passiven oder perfektischen Partizips ist aus einer Analogie zu Resultativen, wie dem deutschen Zustandspassiv, hergeleitet. Ob einem Inaktiv, wie der akkadischen SK, eine vergleichbare Entwicklung zukommt ist m.W. rein spekulativ, könnten doch auch aktivische Partizipien einer antikausativen Lesart zugrunde gelegt werden

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

(5.3.6.5). So wird etwa die ältere Form passiven Progressivs im Englischen noch mit is building (Jespersen 1954: 205) anstelle von is being built konstruiert. Ganz analog kommt für den STA vor allem unter Beachtung der unechten resultativen Semantik (4.6.6) eine Ableitung vom PRT mit sekundärer Differenzierung der beiden zu einem ursprünglichen Wurzelaorist (2.3.2) ebenso in Betracht wie die Herleitung von einem valenzneutralen Adjektiv (5.3.2.4) oder einer anderen nominalen Form, durch die der STA aus Verkürzung einer nominalen oder präpositionalen Phrase entstanden ist. Rest eines nominalen Gebrauchs wäre etwa die mögliche altbabylonische Genitivverbindung šaknat napištim (Kouwenberg 2010: 20119). 7.1.2.6 Nicht-zuständliche Lesarten Weitestgehend auf literarische Texte beschränkt sind Lesarten des STA, die nicht als zuständlich umschrieben werden können. Sie drücken eine atelische, dynamische Situation aus (activity). Eingehende Studien und eine systematische Berücksichtigung dieser Lesarten fehlen in der Forschung4: “[I]n Standard Babylonian literary texts, we find occasional instances of statives in contexts that exclude a stative interpretation. [...]. A detailed investigation of this phenomenon is required before we can venture an explanation.” Kouwenberg (2010: 176). Von den dort genannten Belegen ist hier zunächst dallā: they keep praising interessant. Es wurde darauf hingewiesen, dass auch die Agentivität des Lexems und nicht allein die Zuständlichkeit der im STA realisierten Form eine Rolle spielt (4.6.6), da Verben mit niedriger Agentivität seltener im Progressiv (4.7.3), d.h. im PRS, stehen. Die Problematik ist hier in der aspektuellen Opposition von PRS und STA, ihrer Diskussion und der begrifflichen Erfassung veranlagt (5.3.3).

7.2 Beschreibung der Lesarten 7.2.1 Allgemeines Den Vorgaben zu Lesarten in 5.4 lassen sich die Belege des STA in drei Hauptgruppen unterteilen. Hierzu gehören semantisch perfektische Lesarten, die sich mit dem Begriff des Resultativs decken und syntaktisch imperfektiv sind. Die erste Gruppe umfasst die in Hinblick auf Syntax und Semantik homogene Gruppe der perfektischen Lesarten des STA (7.3), die im Katalog hinsichtlich inhaltlicher Überschneidungen zu PRT und PRF weiter differenziert sind. Lesarten, die aus kontextuellen und semantischen Gründen im altassyrischen (und akkadischen) Lexikon nicht aus einer resultativen Reanalyse des Verballexems herzuleiten sind, werden einheitlich unter den imperfektiven Lesarten geführt (7.4). Die letzte Gruppe umfasst die modalen Lesarten des STA, die von der semantischen Perfektivität geprägt werden und daher mit den Lesarten in 8.6 zu vergleichen sind. Generi4 Dass es solche Lesarten gibt, wird nur bei wenigen Autoren, wie Kouwenberg (2010) oder Rowton (1962), berücksichtigt.

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Beschreibung der Lesarten

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sche Lesarten werden aufgrund der inhärenten Semantik von states als s-level nicht gesondert geführt, denn sie lassen sich nur kontextuell, d.h. pragmatisch oder im Rahmen der Diskursanalyse bestimmen und entsprechen sonst einer der hier angeführten non-modalen Lesarten. Weitere zu diesem Katalog quer liegenden Fragen zum STA sind in den nachfolgenden Abschnitten zur Semantik (7.6), Zeitlagenbezug (7.7) und Transfigierung (7.8) angeschlossen. 7.2.2 Perfektische Lesarten Die perfektischen Lesarten umfassen alle perfektzuständlichen Lesarten, zu denen etwa zustandspassive und possessive resultatives (5.3.6) gehören. Sie sind semantisch perfektiv und aufgrund des perfektzuständlichen Intervalls, das den STA charakterisiert syntaktisch imperfektiv. Neben den eigentlich perfektzuständlichen Lesarten (Sta-2) sind hier Lesarten in Funktion der Vorvergangenheit bzw. unmittelbaren Vergangenheit (Sta-1) und mögliche experentielle Belege (Sta-3) zu nennen. Sie entsprechen semantisch den perfektischen Lesarten des PRT und des PRF in 8.5. Im Rahmen der Analyse des STA können sie im Katalog auch an anderer Stelle verbucht werden, da sie nicht die explizite Funktion, sondern eine diskursive Nuance in Abhängigkeit des Kontexts bezeichnen. Sie werden gesondert geführt, um Überschneidungen zu perfektischen Formen der PK aufzuzeigen, die sonst im nach Situationstypen und Aspektdichotomie gesonderten Katalog nicht erfasst würden. 7.2.3 Imperfektive Lesarten Der überwiegende Anteil imperfektiver Lesarten im STA sind states, d.h. die einfachen – und daher inhärent generischen – zuständlichen Lesarten (Sta-5). Von diesen gesondert sind die aus akkadistischer und sprachtypologischer Perspektive im PRS (Prs-7) vermuteten okkupationellen Belege (Sta-4) – sie sind streng genommen eine Teilgruppe der kontextuell als ilevel eingepflegten Belege. Prozessuale Lesarten (Sta-6) sind abgesehen vom Lexem našāˀum: aufheben, tragen nur vereinzelt zu erkennen, für die Charakterisierung des STA aber von zentraler Bedeutung. Sie können als atelische oder telische Imperfektiva auftreten – die syntagmatisch klar als telisch gekennzeichneten Kosntruktionen beschränken sich auf ingressives našāˀum. Atelische Belege sind hingegen vermutlich auf progressive Lexeme beschränkt. Die Möglichkeit davon gesonderter iterativer Lesarten für das Altassyrische (Sta7) bleibt vorerst hypothetisch. 7.2.4 Modale Lesarten Die modalen Lesarten entsprechen überwiegend denen des PRT in einer Opposition von Zustand und Dynamik. Besonders hervorzuheben sind allerdings die Lesarten des prohibitiven STA im Altassyrischen (Sta-13) in Opposition zum PRS und des möglichen nonfaktiven STA (Sta-9) in Opposition zur einzigen modalen Lesart des PRF (8.6). Weitere modale Lesarten, die streng in genannter Opposition zum PRT stehen, sind die des potentiellen STA (Sta-8) in Fragen und Protasen, konjunktivischer STA (Sta-10) in Apodosis oder adverbialer Funktion, optativischer STA (Sta-11) zum Ausdruck sprecherorientierter Modalität und admonitiver STA (Sta-12) als Form der modalen Negation perfektiver Formen.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

7.3 Katalog der perfektischen Lesarten 7.3.1 Sta-1) Vorvergangenheit und recent past (perfektisch) Vorvergangenheit und recent past haben als Ereignis erst kürzlich vor der dem Jetzt des Sprechers oder dem im Diskurs erörterten Geschehen stattgefunden. Da die Situation als semantisch andauernd kodiert wird, kann diese Lesart nur indirekt erschlossen werden. Eine syntaktische Bestimmung der Lesart ist in Verbindung mit Ortsbestimmungen möglich5. Der Übergang der Lesarten von Sta-1 zu anderen perfektischen und imperfektiven Lesarten ist fließend. Die Vorvergangenheit oder unmittelbare Vergangenheit (recent past) sind durch den Kontext bestimmt. Jeder non-modale STA kann daher in Sta-1 Lesart transponiert werden. 7.3.1.1 Recent past Beim Gebrauch des recent past überlagern sich der Ausdruck der Perfektzeit als aktueller Zustand und das dadurch implizierte, kürzlich geschehene Ereignis: a-na-kam lá li-bi4 annakam lā libbi Hier NEG Herz Leider ist PN hier verstorben.

i-li-e-ma īl-im=ma Gott-GEN=KONJ AKT I 11: 26f.

a-šur-ma-lik PN

me-et mēt-ø Sterben-3SG.SK

KÙ.BABBAR

qá-tí šu-ta-aṣ-bu-ut qāt=ī šutaṣbut-ø Silber Hand=POSS.1SG Zusammenbingen-3SG.SK Meine Hand hat das Silber zusammengebracht. AKT III 91: 23f. a-dí a-w[a-tim] ša ma-šu-ḫa-ku-ni adi awāt-im ša maššuḫ-āku-ni Bis Sache-GEN SUB Berauben-1SG.SK-SUBJ Wegen der Angelegenheit, dass ich beraubt wurde. AKT VIb 428: 5f.

7.3.1.2 Kontextuelle Vorvergangenheit Zum Ausdruck der Vorvergangenheit anstelle des PRT ist der STA die einzige Form, da das PRT zugleich Form der sequentiellen Taxis ist (9.2.4) und das PRF vom Kontext der Vorvergangenheit ausgeschlossen ist (9.2.2). Als Ausdruck der Vorvergangenheit begegnet der STA im Indikativ (1) kontextuell in Diskurseinheiten in Briefen, die auch als backgrounding gedeutet werden können (9.2.1):

5 Zur Problematik der Verbindung zustandspassiver Lesart mit deiktischen Adverbien bei einer charakterisierenden Verknüpfung mit dem Ereignis s. 5.2.5.

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Katalog der perfektischen Lesarten

⸢ma-na⸣ KI (…) na-am-gu5-r[a-ni] mana namgur-āni Eine Mine Mit (…) S.Einigen-1PL.SK Auf eine Mine haben wir uns mit PN1 und PN2 geeinigt. AKT VIb 439: 5ff. 1

sowie allgemein (2) als Verweis auf die Umstände des diskurs-relevanten Zustands: a-na a-limki ša-ak-šu-dam qá-bi-a-ku ana āl-im šakšud-am qabi-āku ALL Stadt-GEN Ankommen.Lassen-AKK Sagen-1SG.SK Ich war angewiesen worden, (das Silber) zur Stadt gelangen zu lassen. AKT V 53: 26f.

Ferner begegnet der STA als Ausdruck der Vorvergangenheit im Subjunktiv im Wechsel mit Formen des PRT (9.3.3): iš-tù ištu Von 2 Zwei

en-um-a-šur PN1 ma-na mana Mine

me-tù-ú mēt-ø-u Sterben-3SG.SK-SUBJ

15

GÍN

KÙ.BABBAR

a-ba-ba

15

Sche-kel

Silber

PN2

ra-bi-ṣú-um il5-qé rābiṣ-um i-lqe Anwalt-NOM PK.3-(PRT) Nehmen Nachdem PN1 gestorben war, zwei Minen und 15 Schekel Silber nahm PN2, der Anwalt.

AKT VIa 295: 1ff.

7.3.2 Sta-2) perfektzuständlich (zustandspassiv) 7.3.2.1 Einleitung Der perfektzuständliche STA bringt den auf das Ereignis folgenden Perfektzustand zum Ausdruck. Im Gegensatz zum deutschen Perfekt ist dieser auch syntaktisch kodiert. Der STA bleibt imperfektiv. Er gleicht in dieser Lesart weitestgehend dem deutschen Zustandspassiv, das allerdings eine ausgewiesene Resultativkonstruktion ist (Nedjalkov 1988). Er kann – wenn auch selten und im Unterschied zu genanntem Zustandspassiv– transitiv kodiert werden. Die entsprechenden Belege lassen sich von den eigentlichen zuständlichen Lesarten besonders dort eindeutig trennen, wo das intransitive Zustandspassiv eines transitiven Lexems oder der transitive Zustand zu einem dynamischen Vorgang vorliegt. Die Trennung intransitiver Verben in perfektzuständliche und zuständliche (Sta-5) Lesarten ist aus formalen Kriterien des Verbalcharakters und möglichem Wechsel mit zuständlichem PRS herzuleiten. Dabei gilt, dass Lexeme der Ablautklasse keine Zustandsverben stellen und

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

der STA der abgeleiteten Stämme mit u-Vokalisierung (7.8.4) semantisch zwischen activity und state steht (11.2.4) und daher von nicht-perfektischer Lesart sein muss und, dass Lexeme mit Beleg als aktuell-zuständlichem PRS im STA imperfektiv sind, da das PRS weder semantisch noch syntaktisch resultative Lesarten im Altassyrischen erlaubt 6. 7.3.2.2 Intransitiver Zustand telischer Verben Zu einer durativen, telischen zumeist transitiven Verbalhandlung, findet sich zustandspassiver STA häufig: ší-ip-kà-at i-sú-SUDx ša a-na ša-lim-a-šùr ša-ap-ku šipkāt ša ana šapk-ø-u Vorräte PN1 SUB ALL PN2 Anhäufen-3SG.SK-SUBJ Die Vorräte des PN1, die für PN2 angehäuft sind. AKT VIa 191: 6ff. a-wa-tum ša um-me-an a-bi4-šu-nu ga-am-ra-at awāt-um ša ummeān ab-i=šunu gamr-at Sache-NOM SUB Geldgeber Vater-GEN=POSS.3.M.PL Erledigen-F.SK Die Angelegenheit der Geldgeber ihres Vaters ist erledigt. AKT VIa 288: 7f. ší-ip-kà-at puzur4-a-šur ša a-na a-šur-SIPA ša-áp-ku-ni šipkāt ša ana šapk-ū-ni Vorräte PN1 SUB ALL PN2 Anhäufen-PL.M.SK-SUBJ Die Vorräte des PN1, die für PN2 angehäuft sind. AKT VIIa 182: 8ff. ki-ma TÚG.ḪI.A na-ak-šu-ni kīma nakš-ū-ni Wie Gewänder Weglegen-PL.M.SK-SUBJ Weil die Gewänder bei Seite gelegt sind, (…). CTMMA 81a+b: 26f. 8

ku-ta-nu (…) a-ḫa-ma da-ar-ku kutān-ū aḫamma dark-ū 8 Stoff-NOM\PL (…) Außerdem Verpacken-PL.M.SK Acht Kutanu-Stoffe (…) sind außerdem verpackt. TCL 19 43: 41f.

7.3.2.3 Intransitiver Zustand mit präpositionaler Agensrelation Mit passiver Subjektrelation als aktueller Zustand kann im STA anders als in den detransitivierenden Stammformen (2.3.8) der Verursacher (Agens oder Instrument) durch die Präpositionalphrase wiedergegeben werden (Kouwenberg 2010: 259). Es handelt sich somit um die einzige Möglichkeit passivischer Syntagmen (Dixon 2012: 225) im Akkadischen. Ein möglicher altassyrischer Beleg ist:

6 Zu möglichem resultativen PRS außerhalb des Altassyrischen s. 3.4.5.2.

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Katalog der perfektischen Lesarten

a-ša ba-ri-ku!-nu iš-tí-kà le-ma-ku aš=ša bar-i=kunu išti=ka lêm-āku ALL= ZwischenUnter.Druck.SetzenMit=POSS.2.M SUB GEN=POSS.2.M.PL 1SG.SK Dort – wegen den (Stoffen) zwischen euch – bin ich von dir unter Druck gesetzt durch dich. AKT III 90: 30f. a-ma-kam ammakam Dort

Die Möglichkeit akkusativischer Verursacherrelation im Altbabylonischen und Altassyrischen (Kouwenberg 2010: 259) scheint auf unbelebte Aktanten in der semantischen Rolle eines Instruments beschränkt zu sein7. 7.3.2.4 Transitiver STA Vielleicht semantisch agentive Subjektrelation liegt vor in adāmum: beschaffen (vgl. altgriechisches Perfekt λέλογχα:ich bin im Besitz [von etwas]). So in einer Aufzählung: 1

TÚG

1/3

ma-na

4

GÍN

Ein

Gewand

1/3

Mine

Vier

Schekel

ad-ma-ku adm-āku Beschaffen-1SG.SK Ein Gewand -1/3Minen und 4 Schekeln ist sein Preis – (…) habe ich beschafft. ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK

ša ša SUB

ší-ip-kà-tim šipkāt-im Vorrat-GEN

ša-lim-a-šùr PN

Die Tafel über die Einlagen, die PN bei dir getätigt hat.

ší-im-šu šīm=šu Preis=POSS.3.M

(…) (…)

AKT VIa 1: 33ff. ad-ma-⸢ku-ni⸣ adm-ø-ak=kun-ni Beschaffen-3SG.SKVENT=DAT.2.M-SUBJ AKT VIa 213: 9f.

Mit theme als Subjektrelation und als aktueller Zustand: wa-at-ra-am lá kà-áš-du-ni watr-am lā kašd-ø-u-ni Mehr-AKK NEG Erreichen-3SG.SK-SUBJ-SUBJ (dass) er nicht mehr erreicht habe. AKT VIa 156: 11f.

Nicht hierunter verbuchen möchte ich šakānum: setzen, stellen. Alle Belege sind m.E. in ihrer außersprachlichen Realisierung nicht mit der Verbalhandlung verknüpft, sondern zeigen 7 Aussagekräftiges Material fehlt mir. Die möglichen altassyrischen Bildungstypen sind zunächst gegenüber dem Gebrauch des Subjektsakkusativ abzugrenzen. Eine weiterführende Studie hierzu und die Klärung, inwieweit diese Belege nicht in den Bereich der Syntax und Semantik der Kasus gehören, ist m.E. Voraussetzung für eine Auswertung im Rahmen der Semantik und Syntagmen des STA.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

lediglich eine Ähnlichkeit der Zustände (7.6.2), so etwa im Altassyrischen häufiges Die Hand ruht darauf. KÙ.BABBAR

ša qá-tí a-šùr-SIPA ša qāti Silber SUB Hand PN Das Silber, auf dem die Hand des PN liegt.

ša-ak-na-at-ni šakn-at-ni Stellen-F.SK=SUBJ AKT VIIa 178a: 8f.

Diese Formen sind zugleich die einzigen Syntagmen des Altassyrischen mit der sich passive syntaktische Relationen umschreiben lassen. Allerdings sind die Belege durchgehend zuständlich. Dynamische Lesarten fehlen und in der PK nur antikausativ möglich. 7.3.2.5 Aktiver STA Die Belege möglichen aktivischen Perfektzustands sind unsicher. Formen intransitiver und nicht-ablautender u-Stämme und der STA Formen mit u-Vokalisierung sind zum Teil möglicherweise hier anzuführen. Eine interne Beweisführung im altassyrischen Korpus ist allerdings nicht möglich. Die Diskussion zu den jeweiligen Befunden findet sich in 7.8.3, 7.8.4, 10.3.3, 10.4.5 und 11.2.4. Ferner zu nennen ist maqātum: fallen mit Verweis auf die Diskussion in 7.6.2 & 10.4.5: šu-ma ṣú-ḫa-ru-um a-na li-bi4-kà šumma ṣuḫār-um ana libb-i=ka Wenn(KOND) Diener-NOM ALL Herz-GEN=POSS.2.M Wenn der Diener bei dir eingetroffen ist, (…). AKT III 114: 16ff.

ma-qí-it maqit-ø Fallen-3SG.SK

7.3.2.6 Perfektzuständlicher D-Stamm Kontextuell gesichert als perfektzuständlich darf der STA zu šabbu’um: sättigen gelten. Er begegnet in Analogie zur Lesart des Steigerungsadjektivs als permanent state (5.3.4.2). Permanent ist dieser und nicht inhärent (5.3.4.2), da er in der Relation von Subjekt und Objekt und nicht als absolute Eigenschaft des Subjekts zu begreifen ist. Die Sättigung betrifft nur den konkreten Fall und den zugehörigen Preis, nicht aber die Sättigung des Subjekts an sich. KÙ.BABBAR

ša-bu-a-ku šabbu-āku Silber Sättigen-1SG.SK Ich bin mit dem Silber gesättigt. AKT VIa 161: 13f. [K]Ù.BABBAR

ša-bu-a-tí šabbu-āti Silber Sättigen-2SG.SK Du bist mit dem Silber gesättigt.

AKT VIIa 278: 5

Andere Lexeme im D-Stamm des STA lassen sich parallel zu šabbu’um: sättigen als permanent state verstehen, wenn keine Deutung als activity vorzuziehen ist (5.3.6). Allerdings ist

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Katalog der perfektischen Lesarten

auf Fälle hinzuweisen, in denen nicht die dynamische Handlung des Zahlens voraus geht, sondern eine Leihgabe oder ähnliches. Die Formen werden in 11.2.4.2 im Rahmen ihrer Aktionsartenbildung zusammenhängend besprochen. Als Beispiel sei hier der D-Stamm zu šaqālum: zahlen angeführt: a-na ṣí-it É a-bi4-a-ma ana ṣīt ab-i=ja=ma ALL Ausgang Haus Vater-GEN=POSS.1SG=KONJ Für die Ausgaben des Hauses meines Vaters wurde es gezahlt.

ša-qú-ul šaqqul-ø Auszahlen-3SG.SK TCL 19 79: r3f.

7.3.3 Sta-3) *experentiell (perfektisch) Experentiell werden hier perfektische Lesarten ohne resultativen Charakter bezeichnet (Comrie 1976: 58f.), wie Ich bin (schon einmal) im Ausland gewesen (4.6.5). Vielleicht als Ausdruck experentieller Semantik in Verbindung mit dem zuständlichen Charakter des STA sind folgende Lesarten außerhalb dieses Korpus zu erklären: alikSTA: kundig sein?, amirSTA: kennen und waṣiSTA: aushäusig sein (3.5.5.3). Eindeutige Belege für das Altassyrische fehlen mir. Sie sind aber in anderen Sprachregistern zu erwarten. Als experentielle Lesart kann möglicherweise der STA des Verbs epēšum: machen gedeutet werden. Dessen Deutung als experentiell entspricht dem homerischen Beleg in Od. B 272 (nach Wackernagel 1920: 169): Unzählige gute Werke hat Odysseus bis zum heutigen Tag vollbrachtPERF (4.6.6.4): a-šar (…) a-ḫu-tám iš-tí-a i-ip-šu-ni ašar aḫūt-am išti=ja ipš-ū-ni Wo(SUBJ) (…) Bruderschaft-AKK Mit=POSS.1SG Machen-PL.M.SK-SUBJ wo sie (…) brüderlich mit mir verfahren haben, (…). AKT VIa 139: 42ff. i-na lá tá-da-ni-⸢im⸣ la-mu-tám ep-šu-⸢ú⸣ ina lā tadān-im lamutt-am epš-u SEP/LOK NEG Geben-GEN Übel-AKK Machen-PL.M.SK Damit, dass man sie nicht verkaufte, taten sie ein Schlechtes. AKT VIb 366: 22f.

In Verbindung mit anderen Verben kann nur in Abhängigkeit des Kontexts eine experentielle Lesart vermutet werden. Die entsprechenden Stellen können auch als imperfektiver (Sta-5) oder perfektischer (Sta-2) Zustand verstanden werden. qá-tum i-na qá-tim qāt-um ina qāt-im Hand-NOM SEP/LOK Hand-GEN Hand auf Hand ist da gegen dich gelegt.

a-ma ša-ak-na-at-kum amma šakn-at=kum Da Stellen-F.SK=DAT.2.M ATHE 62: 47

7.3.4 Zusammenfassung der perfektischen Lesarten Der STA gibt im Gebrauch ein zunächst inkohärentes Bild, wenn man versucht alle Lesarten auf eine perfektische Semantik im Sinne eines perfektzuständlichen Intervalls zurückzu-

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

führen. Der Zusammenhang wird klar, wenn der syntagmatische Gebrauch der Kontextualisierung als background Funktion mit Rückgriff auf die imperfektive Syntax des STA und die resultative Deutung der lexikalischen Verbalsemantik als Ausdruck der Semantik der sprachlichen Kategorie Resultativ erklärt wird, die eine frühe Form der Grammatikalisierung perfektiver Formen ist. Die eigentlich resultativen Lesarten sind daher gesondert aufzuführen, denn sie sind zwar sind syntaktisch imperfektiv, aber ihre Deutung wird von der perfektischen Semantik überlagert. Sichere Beispiele für einen Übergang auf syntaktischer Ebene von perfektzuständlicher zu perfektzeitlicher Bedeutung fehlen hingegen und entsprechen der ausbleibenden Grammatikalisierung in späteren Sprachstufen und der Genese des PRF als innovierte perfektzeitliche Form.

7.4 Katalog der imperfektiven Lesarten 7.4.1 Sta-4) okkupationell Die okkupationellen Lesarten haben generischen Charakter (i-level Prädikate). Sie scheinen im Akkadischen insgesamt selten belegt zu sein (3.5.5.3). Wo sie altassyrisch belegt sind, sind sie nur kontextuell von anderen zuständlichen Lesarten Sta-2 & Sta-5 zu trennen und nur für einige unbelebte Subjekte vielleicht als Lesart möglich. KÙ.BABBAR

i-qá-qá-ad šál-mì-ni iq=qaqqad šalm-i=ni Silber SEP/LOK=Haupt Gesund-GEN=POSS.1PL Das Silber ist an den finanziell Gesunden unter uns gebunden.

ra-ki-is rakis-ø Binden-3SG.SK AKT I 25: 18

Vielleicht zu tamāˀum: eidlich binden im D-Stamm als dauerhafte Bindung des Subjekts, da ein Eid unbedingt bestehen bleibt und daher im STA des D-Stamms regelmäßig als permanent state und nicht als eigentlicher s-level zu vermuten (11.2.4.2): iš-tí a-ba-ba ta-ma-ku išti tammâku Bei PN Eidlich.Binden\1SG.SK Ich bin (gemeinsam) mit PN eidlich gebunden.

AKT VIa 293: 21f.

7.4.2 Sta-5) zuständlich (state) 7.4.2.1 Einleitung Die einfache zuständliche Lesart des STA ist häufig und womöglich seine Kernfunktion (4.6.6) und nur semantisch von der Lesart Sta-2 zu trennen (5.3.8). Das Subjekt befindet sich in einem aktuellen Zustand, der vorübergehend (s-level) ist oder einem permanenten charakteristischen Zustand, der zeitstabil (i-level) ist. In der Übersetzung ins Deutsche stehen hier zumeist Kopulativsätze mit einem Adjektiv als Prädikatsnomen.

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Katalog der imperfektiven Lesarten

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7.4.2.2 I-level Das Verb wašābum: sitzen, wohnen, leben (in) wechselt in Abhängigkeit von Kontext im STA zwischen i-level und s-level. Die syntagmatische Zuordnung erfolgt z.B. über die Interpretation eines Temporal- oder Lokaladverbs: i-na (É)bé-et ra-mì-ni-a uš-ba-ku-ma ina bēt ramin-i=ja ušb-āku=ma SEP/LOK Haus Selbst-GEN=POSS.1SG Sitzen-1SG.SK=KONJ Ich lebe in meinem eigenen Haus. AKT IV 63: 10f.

In Verbindung mit prototypisch adjektivischen Lexemen sind i-level die regelmäßige Lesart. Es handelt sich um Verben, die in indogermanischen Sprachen überwiegend zum Nominalsystem gehören und inherent states wiedergeben (3.5.4). ṭup-pu-um ša e-li-a-ni sà-ar ṭupp-um ša elli-an-ni sar-ø Tafel-NOM SUB PK.3\Heraufkommen~PRS-VENT-SUBJ Falsch.Sein-3SG.SK Eine Tafel, die hervorkommen sollte, ist falsch. AKT III 14: 15ff.

7.4.2.3 S-level Durch Adverbien des Ortes oder der Zeit kann der STA zumeist eindeutig als s-level erkannt werden. Allerdings ist bei der Zuordnung zu prüfen, ob die lexikalische Semantik nicht auf besondere Weise interagiert und etwa eine permanente, aber erworbene Eigenschaft ist (5.3.4). Die s-level Semantik kann durch Adverbien mit Subjunktiv und Indikativ des STA oder durch eine temporale Subjunktion gekennzeichnet werden. Dies folgt dem Muster der adverbialen Kennzeichnung und ist dem folgend hierunter gebucht. Die Zuordnung als s-level erfolgt durch Adverb (im Subjunktiv): a-šar a-ni-i ša-lim-a-šùr ašar anni PN Wo Jetzt Wo PN jetzt wohnt, (…).

wa-áš-bu-ni wašb-ø-u-ni Sitzen-3SG.SK-SUBJ-SUBJ AKT VIa 9: 4ff.

mì-šu ša a-ma-kam miššu ša ammakam Warum SUB Dort Warum schläfst du dort (…).

(…)

na-lá-tí-ni-ma nāl-āti-ni=ma (…) Schlafen-2SG.SK-SUBJ=KONJ AKT VIa 287: 4ff.

Die Zuordnung als s-level durch die Subjunktion (im Subjunktiv): a-dí adi Bis

a-na-kam annakam Hier

wa-áš-ba-ku-ni wašb-āku-ni Sitzen-1SG.SK-SUBJ

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

a-ša-pá-ar-ma a-mu-tám ú-bu-lu-nim a-šappar=ma amutt-am ubbul-ū-nim PK.1SG-Schreiben~PRS=KONJ Eisen-AKK PK.3\Bringen~PRS-PL.M-VENT Während ich hier verweile, werde ich schreiben, dass man Eisen bringt. AKT VIa 177: 8ff.

Die Zuordnung als s-level durch ein Adverb (im Indikativ): i-na pá-ni-tim lu-mu-un li-bi4-a ma-ad ina panīt-im lumun libb-i=ja mād-ø SEP/LOK Früher-GEN Böse Herz-GEN=POSS.1SG Viel.Sein-3SG.SK In früherer Zeit war ich sehr böse (deswegen). TCL 20 93: r16ff. a-šar da-al-tim lu na-al ašar dalt-im lū nāl-ø Ort Tür-GEN OPT Liegen-3SG.SK An der Stelle der Tür soll er schlafen. KTH 6: r 15f.

Altassyrisch weist einige STA Formen des Typs paras auf (7.8.2). Sie sind inhärente s-level und umfassen neben dynamischen Verballexemen auch potentiell denominierte Formen. Die Zuordnung als s-level erfolgt durch den Ko(n)text – so bei schon genanntem wašābum: sitzen, wohnen, leben (in). Wohl nur mit Indikativ, nicht aber Subjunktiv, begegnet hier auch PRS. Die s-level Lesart bei wašābum ist die implizite, und sie korrespondiert mit der lexikalischen Grundbedeutung Sitzen: i-nu-mì inūmi Als

i-na ina SEP/LOK

kà-ni-iš ON

tù-uš-bu-ni tušb-u-ni PK.2\(PRT)Sitzen-SUBJ-SUBJ

šu-iš-ḫa-ra

ma-aḫ-ri-kà wa-ša-áb maḫri=ka wašab-ø PN Vor=POSS.2.M Sitzen-3SG.SK Als du dich in ON niedergelassen hast, wohnte PN gegenüber von dir (aber du hast ihn nicht ergriffen).

TCL 19 60: 10ff.

Wie wašābum erlauben auch andere Formen mit a-Vokalisierung eine Interpretation als slevel. So etwa ḫalāqum: verschwinden: KÙ.BABBAR

i-na be-tí-a ina bēt-i=ja Silber SEP/LOK Haus-GEN= POSS.1SG Das Silber ist aus meinem Haus verschwunden.

ha-lá-aq ḫalaq-ø Verschwinden-3SG.SK AKT VIc 669: 9f.

Seltener als s-level zu bestimmen sind Formen des STA ohne Adverb. Verben der i-Klasse (10.4.3) sind hier wohl im Rahmen ihrer lexikalischen Semantik auszuschließen. Hierhin gehö-

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Katalog der imperfektiven Lesarten

ren Verben mit unbelebtem Subjekt, die aufgrund eines (noch) wirkungsmächtigen semantischen Splits nicht als zuständliches PRS belegt sind oder als activity gedeutet werden können (5.3.6). Hierzu gehören etwa Wetterangaben, die nicht impersonal wiedergegeben werden: šu-ma šumma Wenn(KOND)

i-nu-mì inūmi Wenn

lu-qú-tum luqūt-um Ware-NOM

a-n[i-t]um anni-t-um DEM-F-NOM

ú-ṣí-a-ni u4-mu-ú kà-ṣú uṣṣi-an-ni ūm-ū kaṣû PK.3\Hinausgehen~PRS-VENT-SUBJ Tag-NOM Kalt.Sein\PL.M.SK Wenn, sobald diese Ware hinausgeht, die Tage kühl sind, (…). AKT VIII 18: 29f.

Vor allem bei Verben der a-Klasse (10.4.2) ist eine Interpretation als s-level aufgrund des Kontexts regelmäßig plausibel, etwa weil z.B. von der Furcht eines Subjekts in Briefen nicht an sich, sondern in Bezug zu bestimmten Ereignissen oder Gegebenheiten gesprochen wird. So auch wenn diese die Protasis eines Satzes bildet und innerhalb eines konditionalen Gefüges gültig ist: šu-ma pá-al-ḫa-tí šumma palḫ-āti Wenn(KOND) Fürchten-2SG.SK Wenn du Furcht hast, (…). CCT 4 8b: r11

7.4.2.4 Syntaktisch transitiver STA mit experentieller Subjektrelation Transitive STA mit experentieller Subjektrelation finden sich regelmäßig bei Lexemen der aKlasse. Sie bezeichnen mittlere semantische Transitivität, erlauben aber syntaktisch auch im STA regelmäßig syntaktisch transitive Bildungen: ṣí-ba-t[im] ú-lá ḫa-áš-ḫa-ku ṣib-āt-im ula ḫašḫ-āku Zins-F\PL-OBL NEG Brauchen-1SG.SK Ich brauche keine(n) Zins(zahlungen). AKT VIa 142: 35 a-⸢ta⸣ atta PERS.2.M

ki-ma kīma Wie

ša-zu-úz-tám šazzuzt-um Vertretung-NOM

tù-ša-zi-zu-ú tu-šazziz-u PK.2(PRT)Stehen.LassenSUBJ Vor dir – weil du die Geschäftsvertreter hast hintreten lassen, fürchte ich mich.

pá-al-ḫa-ku-ma palḫ-āku=ma Fürchten1SG.SK=KONJ

AKT VIa 238: 11ff.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

Vor dem Hintergrund des Zusammentreffens mittlerer semantischer mit syntaktischer Transitivität ist auf Loesov (2006a: 136ff.) zu verweisen, der auf das weitgehende Fehlen des STA hoch transitiver Verballexeme hinweist (7.6.2). 7.4.2.5 Zustand eines immediate futures In Verbindung mit allativischer Phrase kann der STA ein immediate future, zumeist mit qabiSTA: befohlen sein (9.5), wiedergeben. Das entsprechende Lexem im STA behält seine lexikalische Bedeutung dabei. Es findet keine Grammatikalisierung im Altassyrischen statt. Hinweise auf eine solche Entwicklung in späteren Sprachstufen sind mir nicht bekannt. Im Unterschied zu prozessualen Lesarten (Sta-6) liegt keine dynamische Semantik vor. Der STA gibt einen Zustand des erwarteten oder angestrebten Handlungseintritts an. a-na a-limki ḫa-ra-ni ek-pá-at ana āl-im ḫarrān=ī ekp-at ALL Stadt-GEN Weg=POSS.1SG Herankommen-F.SK Meine Reise zur Stadt steht bevor. AKT VIb 338: 13f.

Der geläufige Vertreter dieser Lesart eines immediate future im Altassyrischen ist der STA von qabāˀum in der Bedeutung von Befohlen Sein (etwas zu tun) als Rezipientenzustandspassiv (5.3.3.6): “Indirect objects and similar constituents cannot be passivized either, with one exception – the verb qabû ‘to say, order (+Dat[ive]), in which the indirect object may occur as subject of a passive stative in Old Assyrian and also very rarely in Old Babylonian: […].” Kouwenberg (2010: 260). Ferner ist als periphrastisches immediate future auch panāˀum: sich wenden anzuführen: iš-tù qá-sú pá-ni-a-at-ni ištu qās=su pani-at-ni Von Hand=POSS.3.M S.Wenden-F.SK-SUBJ Weil sein Anspruch voran steht, (gib Acht)!

AKT VIb 315: 11f.

7.4.2.6 Von Zustandsverben der u-Klasse Mögliche Zustandsverben der u-Klasse sind im Altassyrischen nur taqānum, saḫārum, napāšum und lamānum. Die Interpretation von napāšum: atmen als state hängt wesentlich von der Deutung als inaktives Lexem durch den überwiegenden Gebrauch des STA ab. Da sonst inaktive dynamische Formen des STA außerhalb literarischer Texte nur vereinzelt begegnen, ist eine altassyrische Reanalyse als state plausibel – jedoch nicht gesichert: i-na ina SEP/LOK

wa-aḫ-šu-ša-na

li-ni-dí-ma li-nnidi=ma OPT.3ON Deponiert.Werden=KONJ Es möge in ON deponiert werden, damit ich durchatmen kann.

lu lū OPT

na-áp-ša-ku napš-āku Atmen-1SG.SK

CCT 4 3a: 8ff.

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Katalog der imperfektiven Lesarten

Auch saḫārum: sich aufhalten steht semantisch an der Grenze zwischen state und activity. Der STA wechselt mit PRS. Ein i-level ist ohne Veränderung der lexikalischen Bedeutung nicht anzusetzen: šu-ma sà-aḫ-ra-tí šumma saḫr-āti Wenn(KOND) S.Aufhalten-2SG.SK Wenn du dich aufhälst, (…). AKT VIb 356: 7f.

Ob taqānum: sicher sein ein Verb der u-Klasse im Altassyrischen ist oder wie etwa balāṭum: leben vielleicht auch der a-Klasse angehört, ist nicht gesichert, aber aufgrund der Beleglage in anderen Varietäten plausibel (7.8.3): LUGAL

da-me e-ta-pá-áš-ma ku-sí-šu lá dam-ē ēpaš=ma kussi=šu lā BlutPK.3\Machen=K Thron= König NEG OBL.PL ONJ POSS.3.M Der König hat Blut vergossen, als/weil sein Thron nicht sicher war.

ta-aq-na-at taqn-at Sicher.Sein-F.SK CCT 4 30a: 13f.

Auch prototypisch adjektivische Verben gehören hierhin und zeigen, wie das Lexem IV-u, eine inhärente s-level Semantik: a-na ni-qí-a lu er-sú ana nīq-i=ja lū ersû ALL Opfer-GEN=POSS.1SG OPT Bereit\3SG.SK Für mein Opfer sei es bereit. AKT VIIa 253: 24f.

Zur Diskussion um den möglichen Grundstamm des STA ?lamun: schlecht sein s. 7.8.3. 7.4.2.7 Paradigmatische Stammformen Verben der paradigmatischen Stämme mit u-Vokalisierung sind ganz überwiegend imperfektiv zu deuten. Mögliche resultative Bedeutung begegnet größtenteils bei den zugehörigen Adjektiven als permanent state, im STA selbst sind sie altassyrisch selten (10.3). e-ṣú-ma eṣu-ø=ma Wenig.Sein-3SG.SK=KONJ Es bleibt wenig zurück. IGI

a-ḫu-ur aḫḫur-ø Zurückbleiben-3SG.SK AKT VIc 638: 23f.

[a]-pá-pá

ni-kà-sú-ni na-pu-ṣú nikkass-ū=ni nappuṣ-ū Vor PN Abrechnung-NOM\PL=POSS.1PL Zerschlagen-PL.M.SK Vor PN sind unsere Rechnungen gestundet. KUG 8: 11ff.

Bei Verben des N-Stamms liegt eine Interpretation als Perfektzustand nahe. Praktisch zeigen die Belege aber Charakteristika eines s-levels. Sie beschreiben nicht den permanenten

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

Zustand in absoluter, sondern in situativer Perspektive, etwa im Verhältnis zu einem Begünstigten (Benefaktiv) oder einer relationalen Entsprechung (reziprok). Sie sind insofern perspektivische s-level, welche auf eine zugrundeliegende Semantik deuten, die als progressiv im Sinne des Aspekts oder aktivisch im Sinne der Relation zu verstehen ist (5.3.3.2). ša qá-ta-at a-bi-i-a-a na-al-pu-tù ša qātāt ab-i=ja nalput-ū SUB Bürge Vater-GEN=POSS.1SG Eingetragen.Werden-PL.M.SK\SUBJ Die, die als Bürgen meines Vaters eingetragen sind. AKT VIa 213: 25f. a-na ma-lá na-am-gu5-ra-ni-ni ana mala namgur-āni-ni ALL Alles S.Einigen-1PL.SK-SUBJ Entsprechend dem, worauf wir uns geeinigt haben.

AKT VIc 621: 31f.

7.4.2.8 S-level und Verursacher In seltenen Fällen begegnet ein Verursacher in peripherer Rolle in Präpositionalphrase. Die belegten Formen im Altassyrischen sind unter den Begriff einer semantischen Rolle mittlerer Agentivität zu stellen, als source oder force (5.2.3). Ein theoretisch mögliches Agens ist nicht sicher nachzuweisen. Die SK wurde von dieser Konstruktion aus weder zu einem Passiv oder als Split ergativisch grammatikalisiert8. ⸢a-šu-mì-kà?⸣ aš=šūm-i=ka ALL=Namen-GEN=POSS.2.M Deinetwegen halte ich mich auf.

⸢sà⸣-aḫ-ra-ku-ma saḫr-āku=ma S.Aufhalten-1SG.SK=KONJ AKT VIb 388: 24f.

7.4.3 Sta-6) prozessual (activity/ accomplishment) 7.4.3.1 Einleitung Die Zustände verschiedener Verben mit inzeptiver Lesart können im STA auch prozessual gedeutet werden. Sicher nachzuweisen ist das allerdings nur dort, wo die durative dynamische Semantik des Verbs auf syntagmatischer Ebene zu einem accomplishment mit konativer Lesart erweitert werden kann und dadurch telisch wird. Das ist vorerst m.W. assyrisch nur an našāˀum: aufheben, tragen zu zeigen. Möglicherweise sind eine Reihe prozessualer Formen des STA anderer Lexeme nie oder nicht nachweislich konativ (10.3.3). Für alle Lesarten ist zu beachten, dass im STA kein Agens als Subjekt anzusetzen ist. Dies gilt für translokative Semantik (vgl. deutsch Ich bin gegangen.) ebenso wie mögliche Belege bei verba dicendi sowie Verben des Š- und D-Stamms (11.2.4 & 11.3.4).

8 Die Formen mit peripherem Verursacher sind praktisch ergativisch, doch fehlen eben Belege mit semantischem Agens. Ein Split mit ergativischer Form – über die hier vorliegende rudimentäre Verwendungsweise hinaus – ist in Akkusativsprachen allerdings selten (5.2.4).

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Katalog der imperfektiven Lesarten

7.4.3.2 Das Lexem našāˀum Mit der Erweiterung des Lexems našāˀum: aufheben, tragen durch Ventiv erhält man das accomplishment Tragen (zu jmdm.), wodurch die Argumentstruktur des STA eine Translokation ausdrückt. Diese kann nur dynamisch verstanden werden. Die konative (vgl. Prs-4) Lesart ist nur für das ingressive našāˀum nachzuweisen. šé-bu-ul-ta-ku-nu šebulta=kunu Sendung=POSS.2.M.PL

ku-nu-ki-a a-lu-wa na-áš-a-ku-nu-tí kunuk-ī=ja našâk=kunūti SiegelTragen\3SG.SK\VENT=D PN OBL.PL=POSS.1SG AT.2.M.PL Eure Sendung trägt PN unter meinen Siegeln zu euch. AKT VIa 232: 20ff.

Hingegen ist ohne die Kodierung eines Zielpunktes im Satz auch eine Interpretation als Zustand (Sta-5) plausibel: a-na e-bu-ṭim na-áš-a-ku-ni ana ebūṭ-im našâku-ni ALL Zinsloses.Darlehen-GEN Tragen\1SG.SK-SUBJ (Das) ich als zinsloses Darlehen trage. AKT I 22: 59f.

7.4.3.3 Progressive Lexeme Progressive Lexeme, zu denen neben den Grundstämmen der progressiven Verben auch der D- und Š-Stamm des STA gehören (7.8.3), zeigen vereinzelt prozessuale Lesarten. Belege für konative Lesarten fehlen und sind möglicherweise für STA mit progressivem Genus ausgeschlossen (10.3.3). Prozessual darf vielleicht nazzumum: klagen verstanden werden9: ḫi-ir-am-šu sá-na-qám na-zu-um ḫiram=šu sanāq-am nazzum-ø Umschlag=POSS.3.M Prüfen-AKK Klage.Führen-3SG.SK Er klagt, seine eingehüllte Tafel zu prüfen. AKT VIIa 96: 20f.

Ebenso prozessual ist der D-Stamm STA zum Grundstamm des Verbs rapādum: laufen als Stören. Man darf aufgrund der Semantik des D-Stamms (11.2) von einer tendenziell agentivischen Semantik10 und in Verbindung mit einem translokativen Verballexem von einer dynamischen Lesart ausgehen: šu-ma šumma Wenn(KOND)

qá-dí-šu-ma qadi=šu=ma Zusammen=POSS.3.M=KONJ

áp-lúm apl-um Erbe-NOM

a-na-ku-ni-ma anāku-ni=ma PERS.1SGSUBJ=KONJ

9 Die sonst mit nazzum mögliche passive Lesung ist aufgrund des Akkusativs hier auszuschließen. 10 Der STA bleibt formal inaktiv. Das Subjekt wird aber semantisch promoviert. Dazu gehört etwa Dynamizität als Ausdruck höherer semantischer Agentivität – ohne aber vollwertiges Aktiv zu werden.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

ú É a-bi4-a ra-pu-da-ku-ni u ab-i=ja rappud-āku-ni KONJ Haus Vater-GEN=POSS.1SG Bedrängen-1SG.SK-SUBJ (…), ob ich mit ihm Erbe bin oder das Haus meines Vaters bedränge.

CCT 5 11d: 17ff.

Dem Kontext nach liegt möglicherweise progressiver STA des D-Stamms zu ašāšum: sich beunruhigen vor in: um-ma umma QUOT

šu-ut-ma šūt=ma PERS.3.M=KONJ

e-dí-in-a-šùr PN

a-šu-uš-ma aššuš-ø=ma Ärgern-3.M.SK=KONJ

ú u KONJ

-ṣé-ri-a im-ta-na-qú-ut ú iš-ta-na-pá-ra-am iṣ=ṣēr-i=ja i-mtanaqqut ū i-štanappar-am SEP/LOK=RückenPK.3PK.3-I.W.Schreiben~PRSDISJ GEN=POSS.1SG I.W.Fallen~PRS VENT Folgendermaßen er: PN versursacht Ärger (indem) er immer wieder eintrifft oder mir schreibt. kt n/k 10: 22ff.

7.4.4 Sta-7) *iterativ (activity) Für iterative Lesarten fehlen im Korpus mögliche Belege. Die regelmäßige Fehlanzeige von STA im Gtn-Stamm stützt die Annahme, dass iterative und distributive Lesarten im STA semantisch nicht kodiert werden können. 7.4.5 Zusammenfassung der non-modalen Lesarten Die Lesarten Sta-1 bis Sta-3 können problemlos als Ausdruck eines Resultativs und damit der Perfektkategorie zugehörig verstanden werden (4.6). Die Lesung Sta-4 kann auch modal erklärt werden (5.3.3 & 5.3.4). Die zuständliche Lesart Sta-5, die hier oberflächlich nicht hinzugehört, kann als lexikalische Ambiguität zwischen ingressiver und zuständlicher Semantik im akkadischen Lexikon verstanden werden (3.5.4). Es ist jedoch zweckmäßig sie mit den folgenden Lesarten zusammenzufassen. Für die Lesarten Sta-6 und Sta-7 (letztere hier nicht zu belegen) gilt, dass diese nur unter dem erweiterten Begriff des Resultativs zu fassen sind (5.3.8): Es sind die inaktiven, imperfektiven Lesarten, die bereits im Lexikon kodiert sind und die syntaktisch teils nach dem Vorbild durativer Verben zu einem accomplishment erweitert werden können (Sta-6). Der STA gehört also der diachronen Perfektivkategorie an, ist aber in seiner Gesamtheit nicht ohne Berücksichtigung der Begrifflichkeit semantischer Relationen (5.3.6) zu erklären. Inwieweit der STA überhaupt echte Resultativität ausdrückt wird bei genauerer Prüfung der Belege hingegen unklar (10.3.3).

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Katalog der modalen Lesarten

7.5 Katalog der modalen Lesarten 7.5.1 Die modalen Lesarten des STA Die Lesarten Sta-8 bis Sta-12 sind die modalen Entsprechungen der Lesarten Prt-10 bis Prt14 (8.6). Diese Opposition ist auffällig, da ja die non-modale Analyse den STA als komplementär zum PRS ausweist – beide sind syntaktisch imperfektiv. Die modalen Lesarten stehen in der grundsätzlich gleichen Alternation Statik zu Dynamik mit den Formen des PRT, wodurch der STA semantisch als perfektive Form ausgewiesen wird! Funktionales Zeichen der semantischen Perfektivität ist die weitgehende Beschränkung auf sprecher-orientierte Modalität (Abraham & Leiss 2008: XII). 7.5.2 Sta-8) potentiell-zuständlich 7.5.2.1 Einleitung In Protasen und Fragesätzen hat der STA zumeist eine modale Lesart, die potentielle zuständliche (selten auch dynamische) Situationen beschreibt. Die Trennung potentieller und konjunktivischer Lesarten ist abhängig vom Kontext und dessen Interpretation. Die Trennung von Sta-8 und Sta-10 ist mithin zwar aufgrund des gesamten Belegkatalogs gerechtfertigt, aber nur bedingt für den einzelnen Beleg zu bestimmen. 7.5.2.2 Zuständlich Die überwiegende Zahl der Belege ist zuständlich, imperfektiv oder perfektisch. Sie sind modale Lesarten der Formen des STA, die in 7.3 und 7.4 gelistet sind. ki-a-am da-mì-iq kiām damiq-ø So Gut.Sein-3SG.SK Ist es so (etwa) gut? AKT I 14: 21 šu-ma ṭa-áb-šu-um šumma ṭāb-ø=šum Wenn(KOND) Gut.Sein-3SG.SK=DAT.3.M Wenn es ihm gefällt, soll er sich dort niederlassen. É Haus

ú-ša-áb uššab PK.3\Sitzen\PRS AKT III 15: 10f.

ma-ma-an lu pá-ar-kà-ku mamman lū park-āku INDEF OPT Sperren-1SG.SK Soll ich in jemandes Haus eingesperrt sein?

TCL 14 36: r16

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

šu-ma be-ú-lá-tí-ku-nu šumma beˀūlāt-ī=kunu Wenn(SUBJ) Verfügungskapital-OBL.PL=POSS.2.M.PL Wenn ihr wegen eures Verfügungskapitals im Rückstand (~abgerissen) seid.

ba-at-qá-tù-nu batq-ātunu Abreißen-2PL.M.SK AKT VIa 293: 17ff.

7.5.2.3 Dynamisch Für die Beleglage dynamischen, modalen STA gelten die gleichen Restriktionen, die für nonmodale dynamische Formen aufgeführt sind (Sta-6). Der wesentliche Unterschied ist, dass der STA hier mit dem PRT wechselt und nicht mit dem PRS. Im Rahmen dieses Katalogs nimmt er Beobachtungen zur Distribution innerhalb der übergeordneten Opposition von PK und SK vorweg (10.3.4). Ein futurischer STA zu našāˀum ist immer modal. Das non-modale Futur steht im PRS: šu-ma šu-a-tí šumma šuāti Wenn(SUBJ) PERS.3.OBL.PL Wenn ihr sie bringen solltet, (…).

na-áš-a-tù-nu našâtunu Tragen\2PL.M.SK AKT VIa 126: 24f.

7.5.3 Sta-9) non-faktiv Belege für non-faktiven STA in Opposition zu Prt-11 sind unsicher. Möglicherweise liegt hier eine Verschiebung zugunsten der PK vor, auch weil das PRF in dieser modalen Lesart begegnet. Ein möglicher Beleg ist: a-na ga-me-er-tim lá kà-áš-da-ku ana gamert-im lā kašd-āku ALL Vollständigkeit-GEN NEG Erreichen-1SG.SK (Falls er sagt:) Ich kann/könnte es nicht vollständig bezahlen. (Lass ihn dann die Hälfte bezahlen.)

AKT V 5: 20f.

7.5.4 Sta-10) konjunktivisch Unter konjunktivisch sind verschiedene modale Lesarten mit konzessiv oder ähnlicher adverbialer Nuance zusammengefasst. Sie sind oftmals in ein Satzgefüge eingebettet (9.2). Praktisch lassen sich in altassyrischen Texten nur für Konditionalsätze sichere Belege beibringen. Hierunter zählen auch Formen des STA in Apodosis. Die modale Semantik ist aber wohl nicht in der Verbalform veranlagt. Es handelt sich um eine modale Transposition des ganzen Satzes. Die konditionalen Belege fassen den Gebrauch des STA in der Protasis des Konditionalsatzes mit šumma: wenn zusammen. Das reguläre Syntagma des šumma-Satzes verlangt den Indikativ der Verbalform, d.h. der Satz wird durch die Subjunktion insgesamt modal transponiert, ohne dass weitere morphologische oder syntaktische Veränderungen folgen.

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Katalog der modalen Lesarten

ta-arma-na

šu-ma

i-na

É-tí-šu

ša

šumma Wenn(SUBJ)

ina SEP/LOK

bēt-i=šu Haus-GEN=POSS.3.M

ša SUB

a-na i-na-ar lá ṭá-áb-šu-um ana lā ṭāb-ø=šum ALL PN2 NEG Gut.Sein-3SG.SK=DAT.3.M Wenn es dem PN2 im Hause des PN1 nicht gefällt, (…).

PN1

AKT III 41: 6ff.

šu-ma 1.1/2 GÍN.TA lá-pì-it šumma lapit-ø Wenn(KOND) 1.1/2 Schekel.Jeweils Eintragen-3SG.SK Wenn jeweils anderthalb Schekel eingetragen sind, (…). AKT VIIa 126: 21f.

Der STA in Apodosis kann allgemein als konjunktivisch geführt werden, auch wenn die Protasis potentiellen Charakter hat. 1.2/3

ma-na

1.2/3

mana Mine

5

Fünf

GÍN

Schekel

KÙ.BABBAR

Silber

1 2/3 Minen und fünf Schekel Silber ist PN essen gelassen worden.

(…)

(…)

a-šurSIPA PN

ša-ku-ul šākul-ø Essen.Lassen -3SG.SK

AKT VIIa 75: 19ff.

7.5.5 Sta-11) optativisch 7.5.5.1 Einleitung In optativischer Funktion suppletiert der STA das Paradigma des PRT im modalen und meist sprecher-orientierten Kontext (5.3.9.3). Diese semantisch motivierte Opposition zweier perfektiver Formen, des dynamischen PRT und zuständlichen STA, entspricht der non-modalen Opposition des STA und PRS. Anders als die syntaktisch imperfektive Opposition, wird die modale Opposition von der perfektiven Semantik des STA bestimmt. Für Formen des zuständlichen Prohibitivs s.u. Sta-13.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

7.5.5.2 Allgemeine zuständliche Form Der optativische STA bildet regelmäßig zuständliche Lesarten des modalen Paradigmas anstelle des PRT (8.6): qá-dum KÙ.BABBAR-pì-šu-nu i-ša-ḫa-at a-ḫi-kà qadum iš=šaḫāt aḫḫ-ē=ka Nebst Silber=POSS.3.M.PL SEP/LOK=Seite Bruder-OBL.PL=POSS.2.M ba-ab kà-ri-im lu kà-a-na-tí bāb kār-im lū kān-āti Tor Karum-GEN OPT Beständig.Sein-2SG.SK Nebst ihrem Silber sollst du, an der Seite deiner Brüder, im Tor des Karum beständig sein. AKT III 67: 32ff. lá-li-a PN

i-na ina SEP/LOK

ma-ḫu-ra-at maḫḫurat Gegenseite

É-tim bēt-im Haus-GEN

lu lū OPT

wa-ša-áb e-er-šu-šu áš-ra-kam lu na-da-a-at wašab-ø eršu=šu ašrakam lū nadât Sitzen-3SG.SK Bett=POSS.3.M Daselbst OPT Werfen\F.SK PN möge in auf der dem Haus gegenüberliegenden Seite wohnen, sein Bett möge daselbst platziert sein. AKT III 80: 29ff. lu-qú-tum ša šé-ep [ku]-ra lu luqūt-um ša šēp lū Transportgut-NOM SUB Transport PN OPT Das Transportgut zum Transport des PN möge verfügbar sein. ṭé-mì-i lu ṣa-áb-ta-⸢am⸣ ṭēm=ī lū ṣabt-ø-am Verstand=POSS.1SG OPT Ergereifen-3SG.SK-VENT Mein Verstand möge mir ergriffen sein (~Ich möge mich entschliessen).

šál-ṭá-at šalṭ-at Verfügen-F.SK AKT III 65: 24f.

AKT VIa 220: 35f.

7.5.5.3 Kohortativ Der STA dieser Lesart begegnet auch in kohortativer Funktion als zuständliche Entsprechung des PRT: šál-ma-ku lu ḫa-dí-a-ni7 šalm-āku lū ḫadi-āni Wohl.Sein-1SG.SK OPT Froh.Sein-1PL.SK Mir geht es gut. Lass uns froh sein. AKT VIa 293: 4

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Katalog der modalen Lesarten

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7.5.5.4 Möglicher dynamischer STA Inwieweit der STA mit modaler Lesart auch dynamisch belegt ist, ist unsicher. Hier ist auf die problematische Beleglage und Deutungsschwierigkeiten des STA zu verweisen (10.3.2). Ein möglicher Beleg ist altassyrisch z.B.: ṭup-pu-ú lu ša-⸢ṣú⸣-ru ṭupp-ū lū šaṣṣur-ū Tafel- NOM\PL OPT Bewachen.Lassen-PL.M.SK Die Tafeln sollen bewacht werden. AKT VIc 647: 22

7.5.6 Sta-12) admonitiv Als zuständliche Form des Vetitivs (Prt-14) findet sich altassyrisch ebenfalls der STA. Im gesamtakkadischen und wohl auch im altassyrischen Befund ist dieser Bildungstyp ungewöhnlich (Kouwenberg 2017: 639). Sprachtypologisch ist er m.E. unauffällig. Möglicherweise ist der admonitive STA eine sprachkontaktbedingte Interferenz und nicht originär altassyrisch. Der einzig gesicherte Beleg ist: e na-áš-a-tí-ma ē našâti=ma ADMON Tragen\2SG.SK=KONJ Du magst doch bitte nicht tragen.

CCT 1 50: 13

7.5.7 Sta-13) prohibitiv Neben den der morphologischen Form entsprechenden modalen Funktionen (Sta-8 bis Sta12) besitzt der STA auch mindestens eine modale Lesart in Opposition zu Prs-9 (vgl. GKT §77d & Kouwenberg 2017: 637). Die Lesart Sta-11 hier als affirmative Entsprechung augefasst werden oder als analogische Übertragung der syntaktischen Imperfektivität auf das modale Paradigma verstanden werden (Schwyzer & Debrunner 1975: 279). a-nu-a-e-kà lá an=nuā-ē=ka lā ALL=Einheimischer-OBL.PL=POSS.2.M NEG Wegen deiner Einheimischen habe keinen Kummer!

na-az-qá-tí nazq-āti Kummer.Haben-2SG.SK AKT III 66: 20

Analog begegnet der Prohibitiv der 1Person ebenfalls im STA: a-na-kam lá wa-áš-ba-ku-ma annakam lā wašb-āku=ma Hier NEG Wohnen-1SG.SK=KONJ Hier will ich nicht wohnen! AKT III 94: 30

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

ma-ma-an lá pá-ar-kà-ku mamman lā park-āku INDEF NEG Quer.Liegen-1SG.SK Ich will niemandem zur Last fallen (~quer liegen)!

AKT IV 66: 31

7.6 Semantik der imperfektiven Formen 7.6.1 Einleitung Aufgrund der allgemeinen Beobachtungen der Erstauswertung (2.4.2) wurde bei der Nacherhebung (2.4.3) gezielt auf Belege geachtet, die weder echt resultativ sind noch rein perfektisch verstanden werden können, sondern möglichst in Breite die semantischen Eigenschaften und ihre Verteilung gegenüber PRS erhellen. 7.6.2 Konsequentialität Belege von besonderem Interesse für die Fragestellung nach der Aspektsemantik und Interaktion mit dem Lexikon sind im Altassyrischen Verben der niedrigsten Anschauungsgrade (Latzel 1974: 207), sofern diese keine perfecta intensiva im PRT bilden (8.7). Ferner beachtenswert sind Verben wie Sterben und dessen Beleglage im Altassyrischen zugunsten des STA anstelle PRT oder PRF (10.3.4.3). Dem Merkmal der Konsequentialität (5.3.6) folgend begegnet der metaptotische STA bei Lexemen mit einem wahrnehmbaren und diskursrelevanten Resultat aus der Verbalhandlung. Bei den Intransitiva der ingressiven Verben ist dieses zumeist Teil der lexikalisch veranlagten Semantik, wie z.B. bei den Zustandsverben. Bei Transitiva und progressiven Verben, wechseln bei belegten Formen des STA Zustandspassiva und semantische Verschiebungen der lexikalischen Bedeutung, sofern der STA belegt und nicht prozessual ist. Von dieser allgemeinen Trennung ausgehend ist zu beobachten, dass der STA des Grundstamms hoch transitiver Verben, wie akkadisch maḫāṣu(m): schlagen oder ḫepû(m): zerbrechen, selten ist oder regelmäßig nur in abweichender Bedeutung zur PK auftritt, wie altassyrisches maqātum: fallen, mit der SK eingetroffen sein (Loesov 2006a: 136ff.). Sieht man den STA als echten Stativ (7.6.3) und nicht als Resultativ (5.3.8), so erklärt sich die Beleglage dadurch, dass im Akkadischen resultative Lesarten in der SK nur kontextuell veranlagt sind und die grundlegende Semantik die des inhärenten Zustands ist (10.3.3). Mit Loesov (2006a: 138) möchte ich die fehlenden SK Belege mancher hoch transitiver Verben dadurch erklären, dass ihr Patiens im Diskurs nicht mehr als Referent verfügbar ist, d.h. keinen wahrnehmbaren und bedeutenden Zustand hinterlässt. Die perfektive bzw. perfektzeitliche PK ist im Grundstamm daher die einfache Form resultativer Sachverhalte (4.6.8). Sie zeigt dann solche Resultate an, die in ihrem Resultat nicht anschaulich sind. Die Einteilung des Lexikons ist eine Frage varietätsspezifischer Zuordnung, etwa im Falle des STA zu maqātum in metaphorischer Bedeutung im Altassyrischen oder der Gebrauch des STA zu muātum: sterben anstelle der PK des PRT oder PRF im Assyrischen. Anders verhält es sich mit den Formen des D-Stamms sowie des N- und Š-Stamms, die ein u als Themenvokal zeigen (11.2.4). Sie sind inhärent als s-level zu deuten und daher im Einzelfall als activity zu begreifen (10.3). Im Zuge einer semantischen Extension können sie

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Semantik der imperfektiven Formen

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komplementär zum Grundstamm ebenfalls permanente Eigenschaften bezeichnen, doch sind diese, sofern keine allgemeine Grammatikalisierung zum Nachteil des Grundstamms vorliegt, immer erworben und nicht inhärent11. Für die Form parus fehlen altassyrische Belege (7.8.3), paras (7.8.2) kann sicher als s-level state, nicht aber als activity gedeutet werden. Daraus ergibt sich folgende Strukturmatrix: Distribution der SK von Grund- und D-Stamm i-level s-level inhärent erworben state activity: state paris parrus paras/ parus? parrus Über eine strukturierte Darstellung der Verballexeme mit metaphorischer Extension herrscht keine Einigkeit. STA mit Lesung eines causative state findet sich z.B. bei Rowton (1962: 267). Die Lexikalisierung ist unstrittig: “Numerous other verbs have an active stative with more or less lexicalized meanings, […].” Kouwenberg (2010: 173). Betrachtet man Verben, wie amāru(m): sehen (PK):: kennen (STA) oder rakābu(m) reiten (PK):: (be)fahren (STA), so lassen sich unter erstgenanntem Verb konsequentielle Lesarten fassen, deren Zustand nicht der metasprachlichen Zuordnung entspricht. Ein Verb wie rakābu(m): reiten ist hingegen non-konsequentiell. Seine Lesart im STA zeigt prinzipiell die gleiche imperfektive Handlung wie im PRS an und es folgt den Lesarten prozessualen STA progressiver Verben (7.4.3.3). Sowohl bei Zustandspassiva als auch bei Stativen kann bei einer signifikanten Verbundenheit von Ereignis und seiner Konsequenz ein Ortsadverb stehen (4.6.6.3). Bei Stativen ist dies unproblematisch, wenn der Zustand nicht objekts- sondern ortsgebunden ist. Mit perfektzuständlichen Lesarten liegt möglicherweise eine semantische Extension vor. Diese Extension kann für das Akkadische durch Einwirken der imperfektiven Lesarten erklärt werden. Die vereinzelten Belege mit deutschem Zustandspassiv (Litvinov & Nedjalkov 1988: 139) lassen jedoch einen allgemeinen Grammatikalisierungspfad vermuten. Schicksalsbezug zeigen Verben mit einem einschneidenden Ereignis für das Subjekt. Neben muātum: sterben (4.6.6.3) gehört hierhin etwa ḫalāqum: verlieren: ša i-na mì-da-áš-ku-ri-a ša ina SUB SEP/LOK ON Die in ON verlustig gegangen sind.

ḫa-al-qú-ni ḫalq-ū-ni Verlieren-PL.M.SK-SUBJ AKT VIIa 300: 12f.

11 Nominales Beispiel einer solchen semantischen Extension ist quddušu(m) (5.3.4). Zum Nachteil einfachen *qadšu(m) ist es allgemeines Lexem in der Bedeutung Heilig. Zu beachten ist aber, dass es m.W. ganz überwiegend nur Verbindung mit weltlichen Referenten, wie Tempeln u.ä. steht, die anders als Wesenheiten und Objekte der göttlichen Sphäre nicht an sich heilig sind, sondern durch Verfertigung diese Eigenschaft erworben (acquired) haben.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

Ortsbezug betrifft vornehmlich Bewegungs- und Positionsverben. Darüber hinaus sind hierunter Belege zu zählen, die einen abstrakten Ortsbezug aufweisen, wie etwa ein Lokalsatz mit STA eines Zustandsverbs. a-šar us-ma-at-ni le-pu-šu ašar usm-at-ni lēpuš-ū Wo Geeignet.Sein-F.SK-SUBJ OPT.3\Machen-PL.M Wo es angebracht ist, sollen sie handeln. TCL 14 3: 44

In übertragener Bedeutung als reines Positionsverb ohne perfektzuständliche Nuance findet sich im Akkadischen u.a. šakānu(m): setzen, stellen (Kouwenberg 2010: 174): a-ru-tum [ša-a]k-na-at-ma arrut-um šakn-at=ma Fluch-NOM Stellen-F.SK=KONJ Ein Fluch war gelegt worden.

BIN 4 84: 6f.

lu-qú-tám luqūt-am Transportgut-AKK

a-dí-na-ku-ma qá-tí ša-ak-na- a-ddin-ak=kum=ma qāt=ī šakn-at PK.1SG-(PRT)GebenHand=POSS.1SG Stellen-F.SK VENT=DAT.2.M=KONJ Ich gab dir das Transportgut, aber meine Hand liegt (darauf). AKT III 45: 5f.

Nach Vorbild von šakānum lassen sich weitere Lexeme im STA mit Lokaladverb deuten, die ich, nach Vorbild von The village is surrounded by woods (5.3.6), insgesamt als echt imperfektiv verstehe: a-na-kam annakam Hier ki-ma kīma Wie

i-tur4-DINGIR PN

i-na ina SEP/LOK

ba-áb bāb Tor

pá-ri-ik-ma parik-ø=ma Querliegen3SG.SK=KONJ PN liegt hier am Tor des Karum wie ein Löwe quer, (…) 12.

kà-ri-im kār-im Karum-GEN

né-ší-im nēš-im Löwe-GEN

AKT VIc 528: 15ff.

Bei progressiven Verben ist eine dynamische Lesart nur bei atelischem Syntagma und daher wohl bei fehlender Konsequentialität möglich (7.4.3). Die Bildung eines konativen STA ist

12 Der Kontext ist mit dem STA parik mit =ma adverbial zu übersetzen (9.2.3) als Weil PN wie ein Löwe querliegt (…), können wir ihn nicht überwinden und ihm keine Zeugen stellen

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Semantik der imperfektiven Formen

also mit našāˀum als einzig belegtem Lexem im Korpus nur bei ingressiven Verballexem möglich13. Weitere konative Belege sind m.W. auch gesamtakkadisch nicht erschlossen. 7.6.3 Stativ und Inaktiv Entgegen der Überstzungspraxis und ihrer Tendenz alle – auch prozessuale und imperfektive – Lesarten, perfektzuständlich umzudeuten, finden sich im STA, neben der Trennung in nonkonsequentielle und konsequentielle Belege, (1) eine inaktive semantische Ausrichtung, die unbelebte Subjekte bevorzugt und ein Agens in semantischer Rolle als Subjekt ausschließt, sowie (2) eine inhärente Zuständlichkeit, die nur kontextuell als resultativ verstanden werden kann. “Usually, the preceding event is not explicitly mentioned. The occurrence of resultative statives is therefore restricted to verbs denoting telic events, which culminate in a state. Atelic verbs for activities, […] do not normally have a stative.” Kouwenberg (2010: 169). Auch die Lesarten der SK des D-Stamms können aus formalen Gründen, d.h. Vokalklasse (10.4) und Stammbildung (11.2), sowie funktionalen Erwägungen als primäre s-level Prädikate der SK angesehen werden, zu denen erworbene Zustände (Resultate) eine metaphorische Extension des Prädikatslevel darstellen, die semantisch zwischen prototypischen i-level (d.h. inhärenten) und s-level (d.h. erworbenen) states zu verorten sind, und auch in anderen Sprachen von einfachem (i-level) Zustandsausdruck gesondert sind (5.3.4), so z.B. im Deutschen mit Adjektiv und Partizip Perfekt Passiv. Die fehlende Resultativität des STA zeigt sich am deutlichsten bei nominalen Formen und Lexemen mit Merkmalen prototypischer Adjektive: ki-ma ša a-šùr a-wa-[at]-ka dam-qá-at kīma ša aššur awāt=ka damq-at Wie SUB DN Wort=POSS.2.M Gut.Sein-F.SK Dein Wort ist so gut wie das des DN. KTB 6: 8 ez-za-at pu-ul-ḫa-at ezz-at pulḫ-at Wüten-F.SK Furchtbarkeit-F.SK Sie ist zornig (~als Zürnende), sie ist die Furchtbarkeit

kt 94k 821: 1

13 Der Vermerk erscheint trivial, doch fehlen m.W. sprachtypologische Regeln, die die syntagmatische Bildung telischer Situationstypen verbietet. Bestätigt sich die These, so ist von einer besonderen sprachwissenschaftlichen Relevanz der Interaktion syntagmatischer Verknüpfungen des dynamischen und syntaktisch imperfektiven Inaktivs auszugehen! Die Hypothese lautet hier, dass progressive Verben zunächst nur intransitiv, dann transitiv und schließlich auch telisch gelesen werden können und diese letzte Phase zugleich den Übergang zur perfektiven Lesart der Form im Rahmen eines Progressiv-Splits (5.2.4.5) bestimmt.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

maš-ku wa-as-mu mašk-ū wasm-ū Fell-NOM\PL Geeignet.Sein-PL.M.SK Die Felle sind geeignet. KTB 3: 17

Eine formale Möglichkeit Resultativität bei z.B. telischen Verben zu verorten, scheitert letztlich an der ungenügenden Trennung des akkadischen Lexikons in zuständliche und dynamische Verben, da alle Verben und potentiellen STA Formen der Verbaladjektive gleichermaßen mit dem am Genus orientierten Lexikon korrespondieren. Die Möglichkeit einer protoakkadischen Struktur des Lexikons mit einer lexikalischen Aktiv-Diathese ist damit nicht widerlegt, kann aber m.E. keinen Beitrag für die Deutung des Akkadischen oder Rekonstruktion des Protosemitischen leisten14. Ein anschauliches Beispiel für fehlende Resultativität bietet ein Passus aus der Urkunde CCT 5 17a, in der an einer Stelle die Verwendung der SK einen Zustand beschreibt, der auch in deutscher Übersetzung mit Schulden wiedergegeben wird, aber nicht ursächlich mit dem Vorgang des Schuldig Werdens im Sinne von ḫabālum: leihen verknüpft ist, wie es das deutsche Verballexem impliziert. Die kontextuelle „Schuld“ bezieht sich auf ein Pfand, welches bei Rückgabe zu erstatten ist. Das Leihen selbst findet also bezüglich eines Objektes statt und hat keine Entsprechung in dem dynamischen Grundstamm ḫabālum: leihen, dessen D-Stamm STA sich hier auf die Pfandgabe bezieht: ke-na kēna Fürwahr

a-ša-pár-tim aš=šapart-im ALL=PfandGEN



GÍN

KÙ.BABBAR



Schekel

Silber

a-dí-a-ki-im a-ddi-ak=kim PK.1SG-WerfenVENT=DAT.2.F.S G

ta-dí-nim-ma ta-ddin-ī-m=ma PK.2-Geben-FVENT=KONJ



GÍN



Schekel

kà-ta-pá-am katapp-am Katappu-AKK

ša-ni-a-am lá ḫa-bu-lá-ki-im šani-am lā habbul-āk=kim Andere-AKK NEG Schulden-1SG.SK=DAT.2.F.SG Silber Führwahr, 1,5 Schekel Silber gabst du mir und das Katappu deponierte ich dir zum Pfand. 1,5 Schekel Silber – nichts anderes bin ich dir schuldig. CCT 5 17a: 21ff. mì-ma mimma INDEF

KÙ.BABBAR

Bei allen Lesarten des STA kann eine semantisch bedingte Distribution gegenüber PRS festgestellt werden, die das Merkmal der Konsequentialität gegenüber PRS als Wechsel der 14 Mir ist unklar, wie diese lexikalische Diathese strukturell realisiert sein kann. Sprachtypologisch ist hier ein weitgehender Ausschluss zuständlicher Semantik aus dem Verballexikon zugunsten einer adjektivischen Wortklasse anzunehmen.

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Semantik der imperfektiven Formen

347

semantischen Relation wiedergibt. Dieser Wechsel kann mit Einschränkungen auf die Opposition von SK und PK insgesamt übertragen werden (10.3.4). Faktisch steht der STA mit inaktiven Subjekten, wobei Lesarten vom dynamischen, inaktiven Typ entsprechend selten sind, aber unter dem Begriff des Inaktivs eine regelmäßige Erscheinung und keine Verwerfung im System bedeuten (5.3.6): pu-šu-ke-en6

mì-ma ú-lá ṭá-ḫu-ú mimma ula ṭaḫḫu-ø PN INDEF NEG Nah.Bringen-3SG.SK PN erhebt keinen Anspruch (auf Zinn oder Silber). ATHE 16: 10f. lá lā NEG

na-ṭù-ma lá i-ma-ḫu-ru-ni-ku-um naṭu-ø=ma lā i-maḫḫur-ū-nik=kum Geeignet.SeinNEG PK.3-Empfangen~PRS-PL.M-VENT=DAT.2.M 3.M.SK=KONJ Es ist nicht angebracht, dass sie sich dir zuwenden. KTB 3: 22f. a-ḫi aḫ=ī Bruder=POSS.1SG

me-et ù ṭup-pu-šu me-et mēt-ø u ṭupp-u=šu mēt-ø Tot.Sein- KONJ Tafel-NOM=POSS.3.M Tot.Sein-3SG.SK 3SG.SK Mein Bruder ist tot und seine Tafel ist ungültig. KKS 19a: 9f.

7.6.4 Zusammenfassung Maßgeblich für die Semantik des STA und seinen Lesartenkatalog ist, dass die perfektischen Lesarten nur durch Übersetzung oder Kontext das Resultat der lexikalischen Verbalhandlung anzeigen. Der Regelfall – auch im Altassyrischen – ist die Wiedergabe eines Zustands, der zwar wahrgenommen dem Resultat gleicht, aber kontextuell nur im Einzelfall auf dieses referiert, sonst aber mit der Verbalhandlung nicht verbundene Zustände anzeigt. Hier zeigt sich ein gradueller Übergang zwischen Entsprechung von Zustand und Resultat, z.B. bei lapit: eingetragen sein (s. u. Sta-2), der erst im Kontext mit ersichtlich fehlendem Bezug, wie bei ḫabbul: schulden (7.6.3), inhärenter Abweichung wie bei šakin: liegen (7.6.2) und deutlich bei einer Verschiebung des semantischen Bezugs, wie z.B. bei maqit: eingetroffen sein, offensichtlich wird. Literarische Varietäten bieten nicht nur deutlichere Beispiel für zuständliche Lesarten mit Verwerfung der lexikalischen Semantik, wie in amir: kundig sein (3.5.5), sondern auch die Mehrzahl aller Belege für dynamischen und damit non-konsequentiellen STA im Akkadischen (5.3.8). Altassyrisch sind hierfür vornehmlich nur Belege der paradigmatischen Stammformen des D- und Š-Stamms zu nennen, wohingegen das dynamische naši: tragen als Resultat des achievements desselben Lexems zu verstehen ist (Sta-6), d.h. zwar dynamisch, wie vielleicht einige andere Verben III-i (11.6.3), aber dennoch zugleich konsequentiell begriffen werden kann.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

7.7 Zeitlagenbezug 7.7.1 Einleitung Der STA wird in der Akkadistik zumeist als zeitstufenlose bzw. indifferente Form bezeichnet (Kouwenberg 2010: 164), und in Teilen der Akkadistik auch deswegen als nominale Form verstanden (u.a. Streck 1995a: 188), obwohl seine Kongruenz und dynamischen Lesarten ihn praktisch und sprachtypologisch plausibel nur verbal begreifen lassen (Kouwenberg 2010: 165). Praktisch begegnet der STA außerhalb des narrativen Diskurses als Indikativ vornehmlich zur Bezeichnung der Gegenwart und dies auch in Opposition zur perfektischen PK als perfektzuständliche Form mit Überschneidung zur perfekt-resultativen Lesart (Kouwenberg 2017: 627). 7.7.2 Vergangenheit Im Kontext der Vergangenheit ist semantisch zwischen zuständlichem Imperfektiv und perfektzuständlichem Plusquamperfekt zu unterscheiden. Als Inaktiv und Form der zuständlichen Imperfektivität vertritt der STA im Kontext der Vergangenheit ein einfaches Imperfekt. Ein möglicher Beleg für einfachen präteritalen Stativ ist15: ú a-na-ku a-dí mu-ṣí-im u anāku adi mūṣîm KONJ PERS.1SG Wegen Musu\GEN Und ich war in Furcht wegen des Muzus.

pá-al-ḫa-ku palḫ-āku Fürchten-1SG.SK AKT VIa 176: 12f.

In Funktion der Vorzeitigkeit der Vergangenheit wechselt der STA mit PRT, nicht aber mit dem PRF (8.5), in semantischer Funktion eines Plusquamperfekts: a-na a-limki ša-ak-šu-dam qá-bi-a-ku ana āl-im šakšud-am qabi-āku ALL Stadt-GEN Ankommen-AKK Sagen-1SG.SK Ich war angewiesen worden, (das Silber) zur Stadt zurückzukommen zu lassen.

AKT V 53: 26f.

Nicht als Belege zur Bezeichnung der Vergangenheit anzuführen sind die semantisch an der Grenze zum echten Perfekt stehenden Belege resultativen und intransitiven STA, wie sie bei Kouwenberg (2017: 627) gelistet sind. Sie gehören nicht in die Diskussion um den Funktionsbereich des Zeitalgenbezugs des STA, sondern in die Betrachtung der Strukturprozesse semantischen Wandels zwischen SK und PK (10.3.4). Sie sind Teil der konsequentiellen Semantik des STA (7.6.2) 7.7.3 Gegenwart Für atelische imperfektive Lesarten, die im STA die Belege beherrschen, ist die Gegenwart, die einfache Zeitlage in Indikativ und Subjunktiv. 15 Eindeutige Belege scheinen selten. Es ist überwiegend perfektischer Kontext anzunehmen.

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Zeitlagenbezug

Der Zeitlagenbezug wird also von der Syntax der SK und nicht ihrer Semantik beherrscht, wie es im modalen Kontext geschieht. KÙ.GI

da-mì-iq wa-ta-ar damiq-ø watar-ø Gold Gut.Sein-3SG.SK Überschüssig.Sein-3SG.SK Das Gold ist außerordentlich gut. AKT VIa 166: 8 ù li-bi4-i na-as-hu u libbī nasḫ-ø-u KONJ Herz=POSS.1SG Ausreissen-3SG.SK-SUBJ und (weil) mein Herz ausgerissen ist, (…). ICK 1, 017b+c: 10

In der Funktionsdomäne des non-past ergänzen sich in einigen Lexemen STA und PRS zu einer sekundären present: future Opposition im Indikativ (11.7.5), so bei našāˀum: tragen mit präsentischem STA und futurischem PRS: šé-bu-ul-ta-ku-nu šebulta=kunu Sendung=POSS.2.M.P L

ku-nu-ki-a a-lu-wa kunuk-ī=ja SiegelPN OBL.PL= POSS.1SG Eure Sendung trägt PN unter meinen Siegeln zu euch. KÙ.BABBAR

na-áš-a-ku-nu-tí našâk=kunūti Tragen\3SG.SK\VENT=DAT.2.M.P L AKT VIa 232: 20ff.

i-ku-pì-a

a-na-ší-am a-našši-am Silber PN PK.1SG-Aufheben~PRS-VENT (werde ich verfügbar machen und [dann]) Das Silber des PN werde ich bringen.

AKT III 71: 7f.

7.7.4 Zukunft Im Indikativ kann der STA zukünftige Sachverhalte beschreiben, wenn diese Zeitlage durch (1) den Kontext, (2) Adverbiale oder (3) eine modale Lesart vorgegeben ist. Prinzipiell ist dabei zu beachten, dass zum einen die Verknüpfung imperfektiver und non-modaler Syntax die futurische Zeitlage miteinschließt und formal nur ein Ausschluss aus der Gegenwart erforderlich ist, und zum anderen der STA aufgrund seiner perfektiven Semantik im modalen Kontext Nachzeitigkeit impliziert.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

(1) Kontextuell gekennzeichnete Zukunft: na-sí-ih nasiḫ-ø Ausreissen-3SG.SK

ù u KONJ

hu-bu-lam šu-ut-ma i-ša-qal ḫubull-am šūt=ma i-šaqqal SchuldPERS.3.M=KONJ PK.3-Zahlen~PRS AKK Er wird zurückgewiesen und die Schuld wird er bezahlen. ICK 1 12: 36f.

(2) Adverbiale gekennzeichnete Zukunft: a-dí ší-na u4-me-e adi šinā ūm-ē Bis Zwei Tag-OBL.PL Binnen zwei Tagen bin ich da.

a-ma-kam wa-áš-ba-ku ammakam wašb-āku Dort Sitzen-1SG.SK AKT VIc 659: 23f.

a-dí 5 u4-me a-ma-kam adi um-ē ammakam Bis 5 Tag-OBL.PL Dort In fünf Tagen werde ich dort sitzen.

wa-áš-ba-ku wašb-āku Sitzen-1SG.SK TPAK 1 7: 22f.

(3) Modaler und daher irrealer, d.h. implizit zukünftiger, STA: e-ma-ru-kà emār-ū=ka Esel-NOM\PL=POSS.2.M Deine Esel sollen speisen. i-na ina SEP/LOK

wa-aḫ-šu-ša-na

lu ak-lu lū akl-ū OPT Essen-PL.M.SK AKT VIb 330: 28

li-ni-dí-ma lu li-nnidi=ma lū OPT.3ON OPT Deponiert.Werden=KONJ So soll es in ON deponiert werden, damit ich aufzuatmen vermag.

na-áp-ša-ku napš-āku Aufatmen-1SG.SK CCT 4 3a: 8ff.

7.7.5 Zusammenfassung Die Verwendungen des STA zur Kennzeichnug der jeweiligen Zeitlage sind durch unterschiedliche Eigenschaften motiviert. Aus der imperfektiven und zuständlichen Lesart heraus ist die Gegenwart als einfache Zeitlage zu begreifen. Kontextuell bzw. adverbial bestimmt sind die Belege des STA zur Bezeichnung der Vergangenheit. Komplexer gestaltet sich der Gebrauch des STA im Kontext der Zukunft, da hier die imperfektive Syntax und perfektiven Semantik einander überlagern. Hier können solche Belege, die eine kontextuelle oder adverbiale Transposition des STA im Rahmen seiner imperfektiven Syntax erfahren, von Belegen, die modal und daher futurisch sind, geschieden werden. Die perfektische Semantik der perfektzuständlichen Lesarten spielt für den Zeitlagenbezug keine Rolle. Es ist hier allerdings zu beachten, dass inhaltlich korrespondierende Wechsel zwischen perfektischer PK und STA einen Zeitlagenwechsel implizieren, da die perfektzeit-

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Schemata der Transfigierung

351

lichen Formen das vergangene Geschehen bezeichnen und nicht einen resultativen Zustand. Auf ähnliche Weise kommt es bei vereinzelten Verben zu einer pragmatischen Trennung von Gegenwart und Zukunft durch eine Tempusopposition von STA und PRS. Ob diese in anderen Varietäten stärker ausgeprägt ist, ist mir nicht bekannt.

7.8 Schemata der Transfigierung 7.8.1 Einleitung Ungeachtet der Stammbildung als Ausdruck der Aktionsarten lassen sich im Altassyrischen vier Bildungstypen entsprechend der Transfigierung als Ausdruck des Verbalcharakters unterscheiden (Kouwenberg 2017: 497)– wobei unterstellt wird, dass der STA des Nomens diesen Prozess überlagert und neutral ist16, d.h. seine semantischen Eigenschaften lexikalisch zu bestimmen sind17. Im Folgenden werden zunächst die Vokalisierungstypen a-a (7.8.2) und a-u (7.8.3) besprochen und geklärt, wie sich diese in das Ordnungsprinzip des akkadischen Verbalcharakters einfügen lassen. Im Anschluss daran wird der Typ u-u (7.8.4) diskutiert. Eine Zusammenfassung zum Vokalisierungstyp a-i (7.8.5), der am häufigsten begegnet, schließt diese Darstellung ab. Entgegen Kouwenberg (2017: 622ff.) ist die Annahme eines vom STA der Verbalwurzel gesonderten STA zum Adjektiv m.E. unbegründet. Zur einzigen formalen Überlegung hierzu s. die Diskussion zu purus (7.8.4). Auch die begriffliche Fassung des Stamms der SK als perfektisches oder resultatives Partizip, wie bei Kouwenberg (2010: 200), ist m.E. nicht plausibel. So schreibt Kouwenberg bei der Beschreibung des Partizips: “Just as the stative the past participle can be derived from both transitive and intransitive verbs and is (at least in principle) neutral with regard to the active/passive distinction. However, to an even larger degree than that of the stative, its actual use is severely constrained by semantic and pragmatic factors.” Kouwenberg (2010: 200). Und ferner: “In some verbs, however, the resultative meaning of the past participle and the active meaning of the present participle more or less coincide so that they converge in function and become more or less interchangeable […].” Kouwenberg (2010: 202). Hiergegen ist einzuwenden, dass der STA entgegen seiner Assoziation mit z.B. dem deutschen Zustandspassiv, nur in weitestem Sinne ein Resultativ ist und diese Lesarten, wie Kouwenberg (2010: 169) richtig bemerkt nur kontextuell resultativ zu verstehen, sonst aber neutral stativisch, sind. Daher ist auch für das flektierte paris der Begriff des Partizips unpassend und die Bezeichnung als Verbaladjektiv dem Befund des Akkadischen näher. 16 An dieser Stelle nur auf den Grundstamm bezogen. Aufgrund der Darstellung und Analyse in dieser Arbeit auf alle paradigmatischen Einträge zu übertragen. Im Übrigen fehlt mir ein Beleg der Form parus, sodass angenommene Lesungen taqun oder lamun hypothetisch sind, auch wenn an ihrer Existenz im Altassyrischen kein theoretisch begründeter Zweifel vorgebracht werden kann. 17 So etwa bei der Trennung in s-level oder i-level u.ä.

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

Ebenso kommt beim STA der in den historischen Varietäten nur marginale Gebrauch als nonkonsequentielle Form hinzu (Kouwenberg 2010: 174ff.), dessen dynamische und atelische Lesarten weder synchron noch diachron mit dem Begriff eines resultativen Partizips zusammengehen. Insofern der STA als Verbalform prototypisch adjektivische Sachverhalte wiedergibt, ist es auch deswegen plausibel anzunehmen, dass mit Loesov (2005: 143) keine lexikalische, protosemitische Adjektivklasse existierte und die entsprechenden Eigenschaften verbal kodiert wurden. 7.8.2 a-a Nach Vorbild der Verben der a-Klasse (3.4.3 & 10.4.2) sind die Formen des Typs a-a Ausdruck eines semantisch transitiven STA. Semantische Transitivität kann sich etwa auf eine Relation von Subjekt zu einem Ort (wašābum), einem Zeitraum (ḫalāqum), einem Vergleichsbezug (waqārum) oder einer source (palāḫum) beziehen und teilweise auch syntaktisch transitiv realisiert werden. Durch den relationalen Bezug sind sie inhärent als s-level zu deuten: S-level mit Orts- und Vergleichsbezug: KÙ.BABBAR

i-na ina Silber SEP/LOK Silber ist in ON teuer.

wa-aḫ-ṣu-ša-na ON BIN 4 6: 2ff.

wa-qá-ar waqar-ø Teuer.Sein-3SG.SK

S-level mit source als Objekt: ni-a-tám pá-al-ha-ni niatt-am palḫ-āni POSS.1PL.F-AKK Fürchten-1PL.SK Wegen unsrigem sind wir in Furcht. CCT 3 35b: 31

Der Typ a-a findet sich beim Grundstamm altassyrisch auch bei dynamischen Verben. Hierzu gehören wašābum: sitzen, wohnen und ḫalāqum: verlieren (Kouwenberg 2017: 497). Unter den Verben ohne belegte 3SG maskulin der SK sind möglicherweise noch weitere dieses Typs. Diachron betrachtet, ist es aber plausibel von einer bereits altassyrisch marginalen Erscheinung auszugehen, die sich nur bei Bildungen hochfrequenter Verballexeme erhalten hat. Gesicherte zuständliche Verben sind im Altassyrischen etwa watārum: überschüssig sein, ḫašāḫum: brauchen und balāṭum: leben. Die prototypisch transitiven Zustände von Haben und Wissen, die zugleich s-level sind, sind hingegen als PRT Formen grammatikalisiert. Nur in spezifischen Kontexten verfügt das Akkadische hier über funktionsgleiche Formen des STA und m.W. nur bei Wissen im Sinne von als Wissen Erworben mit dem Verb amārum: “Cf. Greek (w)oida, Sanskrit veda ‘I know’, which are also resultatives of a verb ‘to see’, preserved in the Greek aorist (w)eidon ‘I saw’ and Latin vidēre; cf. also the Gtn stative of amāru: ‘to have seen many times’ > ‘to know well’ (AHw 41b s.v. Gtn 2).” Kouwenberg (2010: 17341, Hervorhebung im Original).

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Schemata der Transfigierung

7.8.3 a-u Formen des Typs a-u finden sich altassyrisch ganz überwiegend im D-Stamm und anderen derivierten Stammformen der SK. Die ganz vereinzelten Belege dieses Bildungstyps im Grundstamm können aufgrund der orthographischen Gegebenheiten nicht zweifelsfrei als DStamm ausgeschlossen werden. Mögliche Verben der Form a-u sind altassyrisch taqānum: sicher sein oder lamānum: böse sein, wovon nur lamānum drei mögliche Belege der 3SG beibringt, die jedoch nicht mit letzter Sicherheit als Grundstamm gedeutet werden können, da auch das Steigerungsadjektiv lammunum altassyrisch belegt ist18: 4½



URUDU

lá-mu-num lammun-um Schlecht-NOM

ḫu-ma

ta-⸢aṣ-ḫi-ra⸣ ta-ṣhir-ā PK.24 ½ Talent Kupfer PN (PRT)In.Abzug.Kommen-PL Viereinhalb Talente schlechtes Kupfer habt ihr Huma abgezogen. AKT VIc 622: 5f.

Daher sind die Belege für angenommenes lamun möglicherweise überwiegend als lammun zu verstehen. So etwa in AKT VIII 236: 18 nach Vorbild erworbener Eigenschaften mit purrus Adjektiv (5.3.4.2): a-wi-lu-um la-mu-un awīl-um lammun-ø Mann-NOM Schlecht.Machen-3SG.SK Er ist ein übler Mensch. AKT VIII 236: 18

Ganz analog gilt dies für die Beschreibung von gefertigten Materialien 19: mi-iḫ-ṣa-am miḫṣ-am Webware-AKK

a-dí-na-kum a-ddin-ak=kum PK.1SG-(PRT)GebenVENT=DAT.2.M Die Webware gab ich dir; sie ist nicht schlecht.

lá lā NEG

la-mu-un lammun-ø Schlecht.Sein-3SG.SK AKT VIII 256: 18f.

Gesicherter Belege für einen Grundstamm des STA etwa als lamnū findet sich m.W. nur im Subjunktiv (und ist daher vielleicht konservativ): ki-ma a-ḫu-ni kīma aḫ-ū=ni Wie Bruder-NOM\PL=POSS.1PL Weil unsere Brüder erbost sind, (…).

la-am-nu-ni lamn-ū-ni Böse.Sein-PL.M.SK-SUBJ TC II 40: 29

Die Fragestellung bedarf noch weitergehender Untersuchungen.

18 Für den Hinweis, dass es sich um Grundstamm des STA handelt und somit einen parus Beleg, danke ich Kouwenberg nach persönlicher Rückfrage zur Deutung des STA des Lexems lamānum. 19 Hierzu kommt emendiertes lam(m)un in Prag 686: 10 und OAA 1 81: 27. (Hinweis Kouwenberg).

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Belegkatalog zum altassyrischen Stativ

Analog zu einer Deutung von lamānum als D-Stamm der SK ist die Beleglage zu watārum mit D-Stamm der SK in: šu-ma šumma Wenn (KOND)

URUDU Kupfer

mì-ma mimma INDEF

a-ḫu-ur aḫḫur-ø Zurückbleiben3SG.SK

ba-tí-iq batiq-ø Abziehen3SG.SK

ù u KONJ

wa-tù-ur wattur-ø Hinzufügen -3SG.SK

dí-na-ma din-ā=ma

Geben-PL=KONJ Wenn irgendwelches Kupfer übrig bleibt, verkauft es billig oder teuer.

AKT VIII 170: 16ff.

Hingegen Grundstamm in: KÙ.GI

da-mì-iq wa-ta-ar damiq-ø watar-ø Gold Gut.Sein-3SG.SK Überschüssig.Sein-3SG.SK Das Gold ist außerordentlich gut. AKT VIa 166: 8

Zu taqānum fehlt die 3SG der SK: LUGAL König

da-me dam-ē Blut-OBL.PL

e-ta-pá-áš-ma ēpaš=ma PK.3\Machen=KONJ

ku-sí-šu kussi=šu Thron=POSS.3.M

ta-aq-na-at taqn-at Sicher.Sein-F.SK Der König hat Blut vergossen, als/weil sein Thron nicht sicher war.

lá lā NEG

CCT 4 30a: 13f.

Die Formen parrus als Steigerungsadjektiv oder im STA des D-Stamms bezeichnen keine Eigenschaften (inherent states) sondern erworbene Zustände (acquired states) im Altassyrischen (5.3.4.2): ṭup-pu-ú-šu ṭupp-ū=šu Tafel-NOM\PL=POSS.3.M Seine Tafeln sind versiegelt.

ḫa-ru-mu ḫarrum-ū Versiegeln-PL.M.SK BIN 4 114: 10f.

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Schemata der Transfigierung

355

Daneben begegnen auch im D-Stamm, vor allem aber Š-Stamm s-level Belege mit einer semantischen Nähe zu einer Lesung als activity (11.3.4.2): ṭup-pu-ú lu ša-⸢ṣú⸣-ru ṭupp-ū lū šaṣṣur-ū Tafel- NOM\PL OPT Bewachen.Lassen-PL.M.SK Die Tafeln sollen bewacht werden. AKT VIc 647: 22

Die semantische Differenzierung der Formen des STA gilt auch für die Verbaladjektive. Unter den in Kouwenberg (2010: 5930) gelisteten Adjektiven, die sich nur schlecht in eine Opposition fientischer und statischer Verben aufteilen lässt, ist daher eine Klassifikation nach Vokalklassen zielführend und unterscheidet Eigenschaften, die inhärent sind, von solchen, die nur vorübergehend bestehen. So darf las(i)mu: schnellfüßig als i-level aber ar(u)ḫu(m): schnell, etwa bei einer Waffe, deren Schnelligkeit nicht in ihr selbst veranlagt ist, als s-level interpretiert werden. 7.8.4 u/u? Formen des Typs purrus begegnen assyrisch nicht als STA des D-Stamms. Für das Altassyrische ist daher fraglich, ob es eine echte Verbalbildung mit einer Vokalisierung u-u gegeben hat. Die Belege für purus sind daher besser nominal zu verstehen (Kouwenberg 2010: 64). Details bedürfen noch weitergehender Erklärung: “The PuRuS pattern of Type 2 is the only pattern of basic adjectives that does not show a in the first syllable. Apart from the four adjectives lists above, it also occurs in a few statives of verbs that do not seem to be adjectival […]. A possible explanation is that PuRuS is secondary, resulting from the occasional assimilation of a to u in the next syllable. […]. Moreover, this also presupposes the existence of *paḫur and *mašul, which remains speculative.” Kouwenberg (2010: 65; Hervorhebung im Original). 7.8.5 Der Basistyp a-i Der häufigste Bildungstyp des STA mit paris kann als Ausdruck zuständlicher Lesart und einer damit verbundenen Transposition progressiver Verben ins ingressive Genus (Metaptosis) verstanden werden (3.5.4.1). Insofern auch die Zustandsverben in der akkadischen Sprachgeschichte in Richtung einer i-Vokalisierung drängen (3.5.4.2), ist der paradigmatische Ausgleich im STA analog anzusehen.

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8 Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt 8.1 Einleitung 8.1.1 Allgemein Das PRT ist in den älteren Sprachstufen, wie dem Altassyrischen, Ausdruck der einfachen Vergangenheit und in Wechsel mit dem PRF Ausdruck perfektzeitlicher Sachverhalte. Es ist daher in einer ersten Begriffsfassung als old anterior zu verstehen1. Die wesentlichen Fragen betreffen die Distribution von PRT und PRF (8.8) und ihre Entwicklung über die akkadische Sprachgeschichte sowie die aspektuelle Semantik des PRT und ob diese im Altassyrischen perfektische mit präteritalen oder mit perfektiven Lesarten verknüpft sind. Dabei ist eine mögliche Beschränkung imperfektiver Lesarten nach drei Gruppen gesondert vorzunehmen. Diese betrifft (1) mögliche ererbte imperfektive und dann im einfachen Kontext präsentische Lesarten einer vorhistorischen Funktion als Resultativ (8.2.5 & 8.7), (2) universale Lesarten, d.h. in der Perfektzeit eingebettete imperfektive Intervalle (8.2.3 & 8.5.4) und (3) echte imperfektive Lesarten in der Zeitlage der einfachen Vergangenheit (8.2.2 & 8.6). 8.1.2 Der Forschungsstand zum PRT Die einfache Form des Paradigmas ist das PRT, welches nach Kouwenberg mit den präfigierten Modi, dem PRF und dem Imperativ eine Gruppe bilde und vom PRS und auch vom STA abzugrenzen sei. Unproblematisch ist zunächst das Verständnis des PRF als derivative Form des PRT, das neu im akkadischen Paradigma erscheint und das das PRT in seinem non-modalen Kontext verdrängt. Die Beschreibung des älteren PRF als (non-past) perfektisch findet sich nicht im Text, doch ist es das wohl, was Kouwenberg meint, wenn es heißt: “[T]he speaker represents the past event as still actual to the moment of speech. [...], the t-perfect constraints with both the perfective, which denotes a simple past event and is neutral as to the speaker’s attitude towards it, and the stative which denotes a (usually present) state from a preceding event.” Kouwenberg (2010: 140). Zum PRT heißt es: “As opposed to the imperfective, the perfective indicates past tense, perfective aspect, and realis mood but in practice it has the value of a simple past tense: it presents the event as real, anterior to a temporal reference point and completed (in telic verbs) or terminated (in atelic verbs).” Kouwenberg (2010: 127). Hier, wie beim PRF, schließt das Etikett simple past offensichtlich perfektische Lesarten mit ein. Eine Differenzierung, wie u.a. in Streck (1995a), fehlt in Kouwenberg (2010) jedoch. 1 N.B. Die Charakterisierung des PRT als old anterior ist keine Frage der Analyse. Sie ergibt sich aufgrund der sprachwissenschaftlichen Betrachtung des akkadistischen Befunds, d.h. als synthetische Schlussfolgerung. Diese ist dann im Folgenden im Rahmen der weiteren Analyse von Bedeutung.

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Vermisst werden muss in diesem Zusammenhang vor allem die Diskussion der Frage, ob das PRT nicht exklusiv durch perfektive und perfektische Lesarten beschrieben werden kann und andere präteritale Lesarten, d.h. imperfektive, ausgeschlossen werden dürfen und es sich daher auch typologisch nicht um ein simple past handelt. Tatsächlich sind wohl alle Lesarten des PRT, die nicht perfektzeitlich sind, syntaktisch punktuell zu analysieren2, wie schon Landsberger (1926: 359) festgestellt hat (3.3.2). Die wohl älteren perfektischen Lesarten können nicht auf completed (in telic verbs) or terminated beschränkt werden und daher kann entweder die perfektive Lesart erst sekundär grammatikalisiert worden sein, in der das PRT auch als Inzidenzbasis belegt ist (Kouwenberg 2010: 95) oder aber es liegt gar kein Aspekt, sondern ein echtes Präteritum als Tempus, das modal undifferenziert ist (±modal), vor. Für den Indikativ fehlt insgesamt eine klare Beweisführung, ob es sich bei der Präformativkonjugation um Tempora oder Aspekte handelt. Zu den ursprünglich morphologisch gekennzeichneten modalen Lesarten des PRT heißt es: „However, in Late Babylonian the perfective is attested with a volitive function and without the precative markers l- and i- [...] and sporadic instances can even be quoted from Old Babylonian Mari [...].” Kouwenberg (2010: 128). Durch die Belege aus Mari sondern, aber auch aufgrund der typologischen Plausibilität dürfen modale Lesarten als Teil der ursprünglichen Semantik des PRT Stamms und ihre morphologische Kennzeichnung, wie deren Fehlen in späteren Sprachstufen, als pragmatisch und nicht als syntaktisch motiviert verstanden werden. Eine semantische Extension für das PRT im Bereich der Modalität kann daher nicht angenommen werden, sondern vielmehr die bloße Restriktion auf vorhandene modale Lesarten, die dann aus pragmatischen Vorgaben keiner zwingenden, formalen Kennzeichnung mehr bedürfen (9.1.2). Daher liegt m.E. weder eine Grammatikalisierung durch die PRT: PRF Opposition noch der inhärenten Semantik des PRT vor, wie Kouwenberg vorschlägt: “It is difficult to determine whether this process is related to the fact that in Late Babylonian the perfective is no longer used in affirmative main clauses, [...] or whether it is an independent development related to the widespread use of past tense forms in irrealis function, [...].” Kouwenberg (2010: 128f.).

8.2 Beschreibung der Lesarten 8.2.1 Allgemein Das PRT kann im Altassyrischen eindeutig als old anterior bestimmt werden. Es ist die einfache Form der non-progressiven Lesarten im Altassyrischen, wie etwa zur Wiedergabe perfektischer Bezüge und einfacher Vergangenheit. Zuständliche Lesarten sind aufgrund seiner Semantik und der Distribution gegenüber dem STA eingeschränkt und begegnen regelmäßig nur in perfektzeitlicher Einbettung oder als komplexiver state. Der Wechsel mit PRF ist pragmatisch veranlagt und es kann daher als gesonderte Form der perfektischen Lesarten 2 Man darf grammatische nicht mit semantischer Punktualität verwechseln!

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Beschreibung der Lesarten

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des PRT verstanden werden. In Konsequenz begegnet das PRF im modalen Kontext nur als Irrealis der Vergangenheit, wohingegen das PRT die erwarteten Lesarten eines modalen Perfektivs zeigt. 8.2.2 Perfektive Lesarten Das PRT zeigt die erwarteten vollständigen (Prt-1 & Prt-5) bzw. Vollendung anzeigenden (Prt-3 & Prt-4) Lesarten zu den vier Situationstypen, sowie die Metaptosis zuständlicher Lexeme als inzeptive Lesart. Mögliche Belege imperfektiv präteritaler Lesart könnten durch eine Reanalyse der Vollständigkeit anzeigenden Lesarten oder eine Deutung der inzeptiven Lesarten als einfache states beigebracht werden. Einer kritischen Prüfung hält keiner dieser Belege stand und die offenbar imperfektiven Belege sind unter dem universalen Perfekt zu buchen (Prt-9). Praktisch lassen sich alle Belege für PRF im Altassyrischen unter dem Katalog des Perfekts buchen (8.5) und es ist als solches als Form der Narration bzw. Kettentempus sicher auszuschließen (Kouwenberg 2017: 619f.). Dem folgend wird kein PRF unter 8.3 angeführt. 8.2.3 Perfektische Lesarten In der Betrachtung des PRT selbst ist keine Notwendigkeit veranlagt, perfektzeitliche Lesarten als Teil der Charakterisierung der Verbalform als old anterior anzunehmen. Erst aufgrund des Wechsels in den verschiedenen Syntagmen und der charakteristischen Beschränkungen des PRF, die keine Interpretation als Kettentempus zulassen, folgt der Rückschluss auf die Existenz einer perfektischen Semantik im PRT. Die entsprechenden existentialen Lesarten des recent pasts und hot news perfect (Prt-6), des experentiellen Perfekts (Prt7) und des resultativen Perfekts (Prt-8), worunter hier auch die Form resumptiver Taxis (5.2.6) gerechnet wird, können daher als PRT oder PRF begegnen, doch ist im Rahmen des Diskurses (8.8) für das hot news perfect und die konsekutive Lesart ganz überwiegend nur PRF zu erwarten. Darüberhinaus kommt es in einer weitergehenden Analyse zur Fehlanzeige gesicherter universaler Lesarten des PRF einerseits und imperfektiver Lesarten außerhalb der Perfektzeit beim PRT andererseits. Daher spricht der Befund des Altassyrischen – vorbehaltlich seiner Beschränkungen auf wenige Diaphasen – für eine Charakterisierung des PRF als perfektives Perfekt, welches nur existentiale Lesarten erlaubt und des PRT als allgemeine perfektzeitliche Form, die vollumfänglich perfektive Lesarten entwickelt hat – sowohl im Altassyrischen, wie im historischen Akkadisch insgesamt. In einem letzten Schluss können die sogenannten präfigierten Stative des PRT (8.7) als aus der Grammatikalisierungsstufe des Resultativs ererbte Lesarten verstanden werden. Diese Rekonstruktion, die durch das Fehlen eines perfektiven Elements zur Derivation im PRT veranlasst wird, ist durch das Vorhandensein universaler Lesarten gestützt, die einer theoretischen perfektiven Derivation des perfektischen PRT widersprechen. Unter Ausschluss einer perfektiven Periphrase oder Aktionsart verbleibt nur die Deutung als ursprünglich syntaktisch imperfektiver Resultativ. 8.2.4 Modale Lesarten Alle modalen Lesarten des PRT stehen in Opposition zu modalen Lesarten des STA (7.2.4). Einziger Ausdruck perfektischer Modalität ist das non-faktive PRT (Prt-11) mit modalen PRF

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Belegen. Die modale Semantik entspricht Konjunktiv des Plusquamperfekts im Deutschen oder den entsprechen non-faktiven Lesarten altgriechischen Aorists, d.h. eines perfektiven Präteritums. Die modalen Lesarten perfektiver Semantik, die in genannter Opposition zum STA und nur im PRT – nicht aber im PRF – stehen, sind die des potentiellen PRT (Prt-10) in Fragen und Protasen, des konjunktivischen PRT (Prt-12)3, des optativischen PRT (Prt-13) zum Ausdruck sprecher-orientierter Modalität und des admonitiven PRT (Prt-14) als Form der modalen Negation perfektiver Formen. 8.2.5 Perfekta Intensiva Nur in Verbindung mit den Lexem išāˀum: haben und idāˀum: wissen sind imperfektive Lesarten belegt (Prt-15). Sie folgen dem Prinzip der perfecta intensiva im Altgriechischen oder Latein (5.3.8) und sind als solcher Rest einer früheren perfektzuständlichen Grammatikalisierungsstufe. Unklar bleibt, ob sie aus einer resultativen oder stativen Semantik hergeleitet werden und wie das strukturelle Verhältnis zur Kategorie des STA auf dieser Stufe anzusetzen ist. Diese Formen bleiben trotz der Ausbreitung des PRF erhalten4.

8.3 Non-modale perfektive Lesarten 8.3.1 Prt-1) delimitativ (activity) Delimitativ bezeichnet hier eine semantisch durative, dynamische Situation, die abgeschlossen ist. Dieser kann eine weitere Situation im gleichen Zeitlagenverhältnis in sequentieller Taxis folgen. Eine Telizität ist weder semantisch noch syntaktisch kodiert. Die Handlung hätte also auch früher abgebrochen oder noch fortgeführt werden können, ohne dass die Proposition dadurch verändert worden wäre. Neben atelischen Prädikaten zählen hierzu auch morphologische achievements und accomplishments, die durch die Argumentstruktur zu activities werden. Diese Lesart wird etwa bei Kouwenberg als terminated bezeichnet und umfasst dort auch zuständliche Verben, wie sie unter Lesart Prt-5 zu finden sind: “[PRT] presents the event as real, anterior to a temporal reference point and completed (in telic verbs) or terminated (in atelic verbs).” Kouwenberg (2010: 127).

3 Eine echte, d.h. in der Verbalform veranlagte, konjunktivische Lesart ist für das Altassyrische nicht sicher nachzuweisen. Da die Konstruktion des Konditionalsatzes mit dem Indikativ eine Sonderstellung in der Syntax einnimmt, fehlt es an vergleichbaren Konstruktionen. Daher ist (im Altassyrischen) von einer modalen Transposition des ganzen Satzes auszugehen, in der PRF nach Vorgaben der non-modalen Syntagmen begegnet. 4 Haben und Wissen gehören z.B. auch im Deutschen zu den Lexemen, die Präteritum anstelle Perfekts bevorzugen (Fischer 2018: 140f.).

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Non-modale perfektive Lesarten

Syntaktische activity z.B. lapātum: anfassen, schreiben, hier nach PRF: us!-ta-ki-lu-ni-ma a-bi ma-da-tim u-skkil-ū-nim=ma ab=ī mād-āt-im PK.3-Heimlich.AneignenVater=POSS.1SG Viel-F\PL-OBL PL.M-VENT=KONJ il5-pu-ta-ni i-lput-an=ni PK.3-(PRT)Schreiben-VENT=AKK.1SG Sie eigneten sich heimlich an und mein Vater schrieb fürwahr vieles an mich.

lu lū AFFIRM

AKT VIa 264: 43f.

Semantische activity z.B. mit epāšum: machen: lá-am-ni-iš e-pu-šu-ni-a-tí-ma lamniš ēpuš-ū=niāti=ma Schlecht PL.3\(PRT)Machen-PL.M=OBL.1PL=KONJ Man behandelte uns schlecht. AKT VIa 294: 8f.

Das Verb šapārum in intransitiver Konstruktion als Schreiben ist eine activity. In Verbindung mit Objekt verändert sich nicht nur der Situationstyp – es tritt auch eine Bedeutungsverschiebung ein, die wohl die ursprüngliche lexikalische Semantik als Schicken wiedergibt, woraus durch Ellipse eines Objekts wie Brief, Tafel o.ä. Schreiben geworden ist. a-šu-mì aššumi Wegen

KÙ.BABBAR Silber

ša ša SUB

ḫi-ri-iš-na-nim ḫirišnān-im Stoff?-GEN

Wegen des Silbers für den Stoff, worüber du schriebst:

ša ta-áš-pu-ra-ni ša ta-špur-an-ni SU PK.2-(PRT)SchreibenB VENT-SUBJ AKT III 63: 7ff.

8.3.2 Prt-2) inzeptiv (achievement) 8.3.2.1 Einleitung Inzeptiv bezeichnet ein punktuelles Ereignis, das den inchoativen Eintritt in eine dynamische oder zuständliche Situation beschreibt. Der weitere Verlauf dieser durativen Situation ist durch das PRT nicht kodiert. Im PRT ist es nur semantisch von Prt-4 zu unterscheiden, d.h. die Trennung muss sekundär über andere Formen des verbalen Paradigmas erfolgen (hierzu 3.3). 8.3.2.2 i-Klasse Die inzeptiven Lesarten begegnen regelmäßig bei allen Verben der i-Klasse und ihrer Ablautklasse (3.5.4.2). Die Verben III-i zeigen eine für die Semantik der deutschen Lexeme zum Teil auffällige Bedeutung der eintretenden Zustände, wie etwa bei našāˀum: aufheben im STA Tragen (7.4.3) oder qabāˀum: sagen im STA Befohlen Sein (11.2.4).

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Der eintretende Zustand ist Hintergrund der nachfolgenden Handlung: a-ba-ru-um (…) iḫ-li-iq-ma abār-um i-ḫliq=ma Blei-NOM (…) PK.3-(PRT)Verschwinden=KONJ Das Blei ging verlustig, (daher gab ich …). AKT VIb 300: 4f.

Der eintretende Zustand ist Hintergrund der nachfolgenden direkten Rede: mì-ma mimma

a-wi-lu awīl-ū

a-ni-ú-tum anni-ūt-um

i-na ina

pu-ùḫ-ri-im puḫr-im

INDEF

Mann-NOM\PL

DEM-ADJ.PL-NOM

SEP/LOK

Versammlung-GEN

i-na ina SEP/LOK

kà-ri-im kār-im Karum-GEN

bu-ru-uš-ḫa-dim ON

uš-bu-ú ušb-ū PK.3\(PRT)Sitzen-PL.M

šu-nu-ma šunu=ma PERS.3.M.PL=KONJ Alle diese Männer in einer Versammlung im Karum von ON setzten sich zusammen und sie (beschlossen) folgendes:

umma umma QUOT

AKT VIa 111: 11ff.

Der eintretende Zustand reicht bis in die Gegenwart des Absenders (daher möglicherweise auch als Prt-8 s.u.): ù u KONJ

2

ku-ta-nu i-na e-kál-lim iḫ-li-qú kutān-ū ina ekall-im i-ḫliq-ū Zwei StoffSEP/LOK Palast-GEN PK.3-(PRT)VerschwindenNOM\PL PL.M Und zwei Kutanu-Stoffe gingen im Palast verloren. AKT VIa 185: 20f.

So auch bei qabāˀum: sagen in Bedeutung von Zusagen, etwa antikausativ im N-Stamm: KÙ.BABBAR

iq-qí-bi4 i-qqibi Silber PK.3-(PRT)Gesagt.Werden Silber wurde zugesagt. Giessen 31: 7

Aktiv im Grundstamm: URUDU

iq-bi-am i-qbi-am Kupfer PK.3-(PRT)Sagen-VENT Er sagte mir Kupfer zu. KTH 14: 5

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Non-modale perfektive Lesarten

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Sofern sie nicht auch im PRT als komplexiv (Prt-5) zu verstehen sind, können die Verben IIIi unter der Lesart Prt-2 verbucht werden. Neben qabāˀum: sagen gehört hierzu altassyrisch bašāˀum: vorhanden sein: “Both ibašši and ibšī can refer to a past state, but the perfective ibšī is far less common and presumably states more emphatically that the situation no longer exists. The same semantic relationship exists between izzāz and izzīz […]: izzīz either denotes a past state ‘he was standing’ or a past event (and then is telic and ingressive): ‘he stood up’ […]” Kouwenberg (2010: 56f.; Hervorhebung im Original). Im altassyrischen Korpus fehlen mir sichere Belege für ein komplexives PRT zu bašāˀum: vorhanden sein. Auch die altbabylonischen Belege in Kouwenberg (2010: 56) sind im Unterschied zu PRT des a/i-Klasse Verbs izizzum: stehen (Kouwenberg 2010: 57) m.E. inzeptiv. 8.3.2.3 a-Klasse Unter die inzeptive Lesart sind zudem die wenigen Verben der a-Klasse zu zählen (10.4.2): mì-šu-um miššum Warum

i-na ina SEP/LOK

e-né-šu ēn-ē=šu Auge-OBL.DU=POSS.3.M

Warum beschämtest du mich in seinen Augen?

tu-ba-a-ša-ni tu-bāš-an=ni PK.2-(PRT)BeschämenVENT=AKK.1SG AKT I 14: 10f.

ḫu-sà-ra-am iš-ú-mu-ni-ku-um ḫusār-am i-šum-ū-nik=kum ? Hämatit -AKK PK.3-(PRT)Kaufen-PL.M-VENT=DAT.2.M Sie kauften Hämatit für dich. AKT VIa 128: 19f.

So auch das PRT zu palāhum: fürchten: be-el-kà bēl=ka Herr= POSS.2.M

ta-áp-lá-ah-ma ta-plaḫ=ma PK.2(PRT)Fürchten=KONJ

KÙ.BABBAR

lá lā NEG

-šé-bi4-lam tu-šēbil-am PK.2Silber (PRT)SchickenVENT Du bekamst Furcht vor deinem Herrn und schicktest das Silber nicht an mich. TCL 20 87: 6f.

Der eintretende Zustand ist Hintergrund der nachfolgenden direkten Rede: a-ší-a-tí aš=šiati ALL=OBL.3.F

áp-lá-aḫ-ma um-ma a-na-ku-ma a-plaḫ=ma umma anāku=ma PK.1SG-(PRT)Fürchten QUOT PERS.1SG=KONJ =KONJ Deswegen bin ich in Furcht geraten und ich (sagte): AKT VIIa 279: 22f.

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Der eintretende Zustand ist Hintergrund der nachfolgenden Handlung: ki-ma kīma Wie

šu-bé-lim PN

nu-ší-ib-ma nūšib=ma PK.1PL\(PRT)Setzen=KON J

it-mu-ú-ma i-tmû=ma PK.3-(PRT)Schwören\PL.M=KONJ Anstelle des PN setzten wir uns und sie schworen beim Leben der Stadt.

ni-iš nīš Leben

a-limki āl-im Stadt-GEN

AKT VIa 83: 15ff.

8.3.2.4 Verben der nicht-ablautenden u-Klasse Als Verben mit inzeptiver Lesarten kommen unter den progressiven Lexemen nur die Zustandsverben in Betracht (3.5.4). Sichere Belege für u-Klasse Zustandsverben im Altassyrischen fehlen (7.8.3). So ist balāṭum: leben assyrisch a-Klasse und für das Verb taqānum: sicher sein fehlt ein PRT im Altassyrischen. Ein mögliches PRT mit zuständlichem Lexem bietet šaḫātum: sich fürchten. Die zugehörigen Lesarten sind unter Prt-5 einzusortieren. Mögliche Belege inzeptiver u-Klasse bieten ferner Verben III-u, wie z.B. panāˀum: sich wenden, welches im Unterschied zu saḫārum: sich wenden eine aktivische Handlung impliziert, in dem das Gewendet Sein nicht bloßer Zustand sondern Teil einer hervorgehenden Handlung ist, die weiter spezifiziert werden kann: a-na ana ALL

šu-eš18-dar

áp-nu-ma im-ta-ag-ra-ni a-pnu=ma i-mgr-an=ni PK.1SGPK.3-ZustimmenPN (PRT)S.Wenden=KONJ VENT=AKK.1SG Ich wandte mich an PN und er stimmte zu. KTH 17: 3f.

Der eintretende Zustand reicht bis in die Gegenwart des Absenders (daher möglicherweise auch als Prt-8 s.u.): iš-tí išti Mit

ku-ṣí-a PN1

ù u KONJ

a-šùr-ba-ni PN2

ta-az-ku-ú um-ma dan-a-šùr-ma az-ku ta-zkū umma PN3=ma a-zku PK.2-(PRT)Rein.Sein\INTERROG QUOT PN3=KONJ PK.1SG-(PRT)Frei.Sein Bist du mit PN1 und PN2ins reine gekommen? Folgendermaßen (sagte) PN3: Ich bin ins reine gekommen. AKT III 50: 4ff.

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Non-modale perfektive Lesarten

8.3.2.5 Iterative Stammformen Die inzeptive Lesart ist in Kombination mit iterativen Lesarten praktisch ausgeschlossen, weil diese den Situationstyp in eine durative Lesart überführt. Mögliche Ausnahmen betreffen syntagmatisch veranlagte Endpunkte der Handlung. Ob die iterative Verbalhandlung dadurch grammatisch als ingressiv zu verstehen ist, kann nicht sicher bestimmt werden: šu-sú-en6 PN

ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK

né-ta-ri-iš-ma nētarriš=ma PK.1PL\(PRT)I.W.Verlangen=KONJ

um-ma umma QUOT

Von PN verlangten wir immer wieder die Tafel und er (sagte) folgendes:

šu-ut-ma šūt=ma PERS.3.M =KONJ AKT V 12: 11ff.

8.3.3 Prt-3) kompletiv (accomplishment) Kompletiv bezeichnet eine durative und telische Situation, die mit ihrem Endpunkt zusammengefasst wird. Sie verhält sich wie die Prt-4 Lesart. Sie kann teils semantisch, teils durch Vergleich mit anderen Formen zugeordnet werden. Sie ist syntaktisch nicht von Prt-2 zu unterscheiden (Verkuyl 1993: 40ff.) und eine syntaktische Trennung der beiden ist nur unter Rückgriff auf eine imperfektive Form möglich. Hierzu gehören wohl alle Verben der a/uAblautklasse. Kein Beleg ist mir dafür bekannt, dass ein Verb dieser Ablautklasse keine durative Komponente besitzt. Alle vorgebrachten Belege sind aus Übersetzungssprachen erschlossen. Daher kann GAG 87c („Die Mehrzahl der eine Tätigkeit am Objekt schildernden Verben hat im Prs und Prf. den Vokal a (iparras, iptaras) im Prt. aber u (iprus, Ablautklasse der dreikons. Verben). Eine kleinere Anzahl von z.T. sehr gebräuchlichen Verben hat auch im Prt. a (…).“) ergänzt werden: die Verben der Ablautklasse sind durativ und regelmäßig telisch, die Verben der a-Klasse inchoativ. Hierunter fallen verschiedene und gut belegte transitive Verben, wie kanākum: siegeln: ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK

ip-té-ú-ma i-pte-ū=ma PK.3-(PRT)ÖffnenPL.M=KONJ

ú u KONJ

iš-tí- išti=šunu Mit=POSS.3.M.PL

ni-ik-nu-uk ni-knuk PK.1PL-(PRT)Siegeln Sie öffneten die Tafel und wir haben mit ihnen (die Tafel) gesiegelt.

AKT III 52: 45f.

Ferner kašādum: erreichen: iš-tù ištu Von

wa-aḫ-šu-ša-na ON1

a-dí adi Bis

ša-la-tù-a-ar

1.5/6

ON2

1.5/6

ma-na mana Mine

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

GÍN.TA

URUDU

(…)

ik-šu-ud-ni-a-tí i-kšud=niāti Fünf Schekel.Jeweils Kupfer (…) PK.3-(PRT)Erreichen=OBL.1PL Von ON1 bis ON2 entfielen auf (~erreichen) uns jeweils 1 5/6 Mine und fünf Schekel Kupfer. AKT III 34: 1ff.

Im Unterschied zu ingressivem patāˀum: öffnen das Verb paṭārum: 1 Ein

né-pì-ša-am nēpiš-am Packet-AKK

ša ša SUB

10 10

ma-na mana Mine

ap-ṭur4-ma 9 ma-na-e-šu-ma a-pṭur=ma mana-ē=šu=ma PK.1SG-(PRT)Öffnen=KONJ Neun Mine-OBL.PL=POSS.3.M=KONJ 1 Packet von zehn Minen öffnete ich und neun seiner Minen (waren darin). AKT III 73: 7f.

Andere Verben sind batāqum: abschneiden, paḫārum: sammeln, šaqālum: zahlen, ṣarāpum: läutern und lapātum: eintragen: iš-tí ì-lí-dan a-wa-tám ni-ib-tu-uq išti awāt-am ni-btuq Mit PN Sache-AKK PK.1PL-(PRT)Abschneiden Wir schnitten die Sache mit PN ab (~erledigten). AKT VIa 285: 12f. 15.1/3

GÍN

KÙ.BABBAR

15.1/3

Schekel

Silber

a-na ana ALL

a-lá-ḫi-nim alaḫḫin-im Müller-GEN

15 1/3 Schekel Silber zahlte ich an den Müller PN. a-mu-tám amutt-am Eisen-AKK Eisen läuterte er. um-ma umma QUOT

ta-li-a

áš-qul a-šqul PK.1SGPN (PRT)Zahlen Giessen 26: 11ff.

iṣ-ru-up-ší-ma i-ṣrup=ši=ma PK.3-(PRT)Läutern=AKK.3.F=KONJ CCT 4 4b: 38f.

ma-ṣí-ì-li-ma

ṭup-pì ṭupp=ī Tafel=POSS.1SG

a-ḫu-kà aḫ-u=ka BruderPN=KONJ NOM=POSS.2.M Folgendermaßen PN: Meine Tafel hat mir dein Bruder ausgestellt.

il5-pu-ut i-lput PK.3(PRT)Eintragen KKS 19a: 6f.

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Non-modale perfektive Lesarten

Analog zur Lesart des prozessualen STA (Sta-6) kann das inchoativ-statale Verb našāˀum: aufheben, tragen eine kompletive Lesart erhalten. Hier steht im PRT altassyrisch häufiger der N-Stamm (11.7.5), wobei plausibel ist, dass bei einigen ingressiven Verben der Klasse III-i neben der achievement Lesart eine durative, dynamische Lesart anstelle eines states veranlagt wird (11.6.1): a-na ana ALL

a-šùr-ni-šu

DUMU

IZ-kà-nim

PN

Sohn

PN

Ich brachte es zu PN1 dem Sohn des PN2 und vertraute (es ihm) an.

a-ni-iš-a-ma a-nnišâm=ma PK.1SG(PRT)Aufheben\VENT=K ONJ

áp-qí-id a-pqid PK.1SGAnvertrauen

AKT V 50: 32

Zu den durativen Verben darf Akkadisch auch muātum: sterben gerechnet werden. Diese Interpretation ist entgegen Loesov (2005: 112f.) vorzuziehen (7.2.2): 1

ANŠE

Ein

Esel

i-ḫa-ra-nim iḫ=ḫarrān-im SEP/LOK=Weg-GEN

i-mu-ut-ma i-mūt=ma PK.3-(PRT)Sterben=KONJ

iš-qúl!?-ma 1 ANŠE iš-am i-šqul=ma i-šām PK.3PK.32 1/2 Zinn Ein Esel (PRT)Zahlen=KONJ (PRT)Kaufen Ein Esel starb auf dem Weg und er zahlte zweieinhalb Minen Zinn und kaufte einen Esel. AKT III 75: 9f. 2½

ma-na mana Mine

AN.NA

8.3.4 Prt-4) punktuell (achievement) Punktuell bezeichnet eine telische Situation ohne zeitliche Ausdehnung. Sie ist im PRT nur semantisch von Prt-3 zu unterschieden. Im Subjunktiv sind vielleicht immer Lesarten im XNIntervall (Perfektzeit) anzunehmen (9.3). Sicher hierzu zu zählen sind nur Verben der iKlasse. Aufgrund der Lesartsemantik des PRS (Prs-6) sind für die Verben der a/u-Ablautklasse prinzipiell Lesarten unter Prt-3 anzunehmen. Semantisch motiviert ist hingegen eine Überschneidung mit Prt-2. Mögliche Verben mit punktueller Lesart sind etwa sanāqum: prüfen und ezēbum: verlassen. AN.NA-kà

ni-is--iq-ma ni-sniq=ma Zinn=POSS.2.M PK.1PL(PRT)Prüfen=KONJ Dein Zinn prüften wir und es fehlte eine Mine.

1 Ein

ma-na mana Mine

im-ṭí i-mṭi PK.3-(PRT)Fehlen

AKT I 82: 6ff.

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368 mì-ma mimma INDEF

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

a-nim annîm DEM\GEN

a-na ana ALL

bu-ut-ki-im

en-nam-a-a

PN1

PN2

ù u KONJ

a-bi4-a PN3

e-zi-ib

ēzib PK.1SG\(PRT)Lassen Dies alles ließ ich dem PN1, dem PN2 und dem PN3.

AKT III 16: 5ff.

Ob das Verb nadānum: geben besser als inzeptiv zu verstehen ist, ist unsicher. Der zu einer inzeptiven Lesart gehörende Zustand wird aber im Altassyrischen mit Suppletion des Stamms tadānum: geben gebildet. Zumindest hier ist das PRT und sein Stamm praktisch als punktuell zu bewerten – sowhl in präteritaler als auch in perfektischer Lesart: mì-ma mimma INDEF

a-nim annîm DEM\GEN

a-ni-qí-šu-nu a-dí-šu-nu-tí an=nīq-i=šunu a-ddiš=šunūti ALL=OpferPK.1SGGEN=POSS.3.M.PL (PRT)Geben=DAT.3.M.PL Dies alles gab ich ihnen für ihr Opfer. AKT III 32: 18f. i-pá-ni-tim a-dí-in ip=panīt-im a-ddin SEP/LOK=Früher-GEN PK.1SG-(PRT)Geben Zuvor hatte ich ihm gegeben. CCT 4 17a: 24

Bei Verben der a-Klasse ist ganz überwiegend die inzeptive Lesart anzunehmen. Punktuell ist vielleicht maḫāṣum: schlagen, welches sich mit Blick auf das Lexikon und die Semantik der a-Klasse ferner als semelfaktives Lexem verstehen lässt5: ú-lá ula NEG

ú-ba-áš-kà-ma qá-at-kà u-baˀˀaš=ka=ma qāt=ka PK.1SGHand= Beschämen~PRS=AKK.2.M= KONJ POSS.2.M Ich werde dich nicht beschämen und habe deine Hand nicht ausgeschlagen.

ú-lá ula NEG

am-ḫa-aṣ a-mḫaṣ PK.1SG(PRT)Schlagen

AKT VIb 350: 8f.

5 D.h., dass mögliche punktuelle Verben der a-Klasse zugleich semelfaktiv zu verstehen sind. Das Altassyrische ist hier nicht aussagekräftig und es bedarf der Untersuchung an Texten mit komplexeren Ereignisstrukturen, um den Sachverhalt genauer zu prüfen

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Non-modale perfektive Lesarten

369

Das Verb patāˀum: öffnen – sonst formal inzeptiv – kann in intransitiver Konstruktion mit der Bedeutung Informieren als punktuell verstanden werden. Dies ist als Übertragung von transitiver Kollokation zu patāˀum: (Ohren) öffnen = informieren zu verstehen6. ú-lá ula NEG

i-de8 ide PK.3\(PRT)Wissen

i-na ina SEP/LOK

wa-ar-ki-tim warkīt-im Später-GEN

(…) wußte ich nicht. Er hat mich (erst) später informiert.

ip-té-a-ma i-pte-am=ma PK.3-(PRT)ÖffnenVENT=KONJ TCL 14 35: 9f.

Beim N-Stamm ist die Lesart Prt-4 formal häufig und folgt der zumeist antikausativen Semantik der Stammform7: ša ša SUB

KÙ.BABBAR Silber

a-na ana ALL

ṣí-it ṣīt Ausgaben

ku-li-a PN

Dass mir das Silber für die Ausgaben des PN bezahlt wurde.

i-ší-iq-lu-i-ni i-ššiql-u=i-ni PK.3-(PRT)Bezahlt.WerdenSUBJ=AKK.1SG-SUBJ AKT V 10: 13ff.

Die a/i-Ablautklasse der abgeleiteten Stämme ist überwiegend dynamisch aufzufassen. Daher sind Wechsel der Lesarten Prt-2 und Prt-4 auszuschließen, wo nicht auch eine Lesart Prt-5 belegt ist (s.u.): šu-ku-bu-um

ú-ṣa-ḫi-ir u-ṣaḫḫir PN PK.3-(PRT)Abziehen PN hat es abgezogen. AKT VIIa 288: 11 me-ra-kà ú-ra-bi-ma merˀa=ka u-rabbi=ma Sohn=POSS.2.M PK.1SG-(PRT)Groß.Ziehen=KONJ Ich zog deinen Sohn groß. CCT 3 6b: 24 a-na ma-lá a-zu-za e-lá-lí ú-ra-ki-sú ana mala u-rakkis-u ALL Soviel PN1 PN2 PK.3-(PRT)Binden-SUBJ Insoweit PN1 den PN2 gebunden hat, (…). KKS 29: 1f.

6 Wechsel zwischen inzeptiver und punktueller Lesart sind nicht sicher zu prüfen. Im genannten Beispiel wird unterstellt, dass mit Ellipse des Objekts eine semantische Verschiebung vollzogen wird, die nicht mehr das Resultat des Informierens, sondern den einmaligen Vorgang beschreibt. 7 Das -i- vor dem Subjunktiv der Verbalform i-ší-iq-lu-i-ni habe ich als Pronominalsuffix wiedergegeben. In der Übersetzung in AKT V kann ich keine Entsprechung finden.

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370

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

8.3.5 Prt-5) komplexiv (state) Komplexiv bezeichnet eine zuständliche oder inchoative Situation, die abgeschlossen ist. Inchoativ bezeichnet hier eine dynamische Situation, die aus einer im gleichen Lexem kodierten inzeptiven Situation hervorgeht. In einigen Fällen (7.3.2) ist die inchoative Lesartsemantik telisch, zumeist verhält sie sich syntaktisch wie Prt-1. Progressive Verben sind nur möglich, wenn diese der Gruppe der Zustandsverben zugehören. Belege für Verben III-i fehlen mir. Sie sind aufgrund der besonderen lexikalischen Semantik (11.6), wie sie für qabāˀum: sagen und našāˀum: aufheben gesichert sind, vielleicht insgesamt als Prt-5 ausgeschlossen. Sofern einige a-Klasse Verben nicht als semelfaktiv zu verstehen sind (10.4.2), darf formal für alle diese Lexeme die Möglichkeit der Lesart Prt-5 angenommen werden, auch wenn für das jeweilige Verballexem kein Beleg vorliegt. Altassyrische belegt sind z.B. marāṣum: krank sein und ḫašāḫum: brauchen vor: a-na-kam annakam Hier

a-ma-at-kà amat=ka Magd=POSS.2.M

KÙ.BABBAR

1

GÍN

Silber

Ein

Schekel

ta-aḫ-ša-aḫ-ma ⸢a⸣-dí-ší-im ta-ḫšaḫ=ma a-ddiš=šim PK.3.FPK.1SGZwei Schekel (PRT)Brauchen=KONJ (PRT)Geben=DAT.3.F Hier verlangte deine Magd ein oder zwei Schekel und ich habe (es) ihr gegeben. AKT III 102: 22ff. ù ū Oder

2

GÍN

i-na ba-ar-ki-tim li-bi im-ra-aṣ-ma ina warkīt-im libb=ī i-mraṣ=ma SEP/LOK Später-GEN Herz=POSS.1SG PK.3-(PRT)Krank.Sein=KONJ Es tat mir später im Herzen weh. TCL 20 129: ‘12f.

Ein mögliches Zustandsverb der u-Klasse ist šaḫātum: sich fürchten. Allerdings fehlen die erwarteten inzeptiven Lesarten und hier ist eine lexikalische Suppletion der Lesarten mit parādum: erschrecken zu vermuten, welches der i-Klasse angehört und im PRT nur als achievement zu verstehen ist. Inwieweit außerhalb des Altassyrischen Belege für Prt-5 progressiver Verben beigebracht werden können, bedarf weitergehender Untersuchungen: ù u KONJ

a-na ana ALL

qá-ba-im qabā-im Sagen-GEN

IGI Vor

ša ša SUB

ki-ma kīma Wie

ku-a-tí kuāti OBL.2

Und etwas zu sagen vor deinen Stellvertretern fürchtete er sich nicht.

ú-lá ula NEG

iš-ḫu-ut i-šhut PK.3(PRT)S. Fürchten AKT VIa 124: r5f.

Ob Verben der a/i-Klasse unter Prt-5 gelistet werden können, ist unsicher, aber in einigen Fällen naheliegend. Dies ist insofern bemerkenswert, da Verben der nicht-ablautenden i-

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Bemerkungen zu perfektischen Lesarten und ihrer Distribution

371

Klasse als Prt-5 nicht begegnen. Unter Berücksichtigung dessen, sind die entsprechenden Belege vielleicht unter Prt-9 als perfektisch zu verstehen: 10

GÍN

KÙ.BABBAR

(…)

Zehn

Schekel

Silber

(…)

KÙ.BABBAR

ú-kà-il5-ma u-kaˀˀil=ma PK.3-(PRT)Zurückhalten=KONJ

a-na-ku anāku PERS.1SG

al-qé-ma a-lqe=ma PK.1SGSilber (PRT)Nehmen=KONJ 10 Schekel Silber (…) hielt er zurück/hatte er zurückgehalten aber ich (selbst) nahm (es).

AKT V 50: 42f.

Zu diesen nicht sicher zuzuordnenden Verben darf vielleicht auch das II-infirmae Verb biātum gesetzt werden: a-ḫa-ma É al-pí a-bi-it aḫamma alp-ī a-bīt Außerdem Haus Rind-OBL.PL PK.1SG-(PRT)Nächtigen Darüber hinaus schlief ich im Rinderstall. KTH 3: r2f.

Sofern nicht alle Belege unter Prt-9 gelistet werden müssen, kann vereinzelt auch im Subjunktiv Prt-5 angesetzt werden: du-ur-⌈ḫumì-it⌉

i-nu-mì

i-na

inūmi Als

ina SEP/LOK

ON

a-baba PN

MAŠKIM

ú-qá-i-ú-ni

Verwalter

uqaˀˀi-ū-ni PK.3\(PRT)Warten-PL.MSUBJ

Als Sie in ON auf den PN, den Verwalter, gewartet haben, (…).

AKT VIa 273: 31f.

8.4 Bemerkungen zu perfektischen Lesarten und ihrer Distribution Die perfektischen Lesarten des PRT sind als perfektzeitlich (4.6.4) von den perfektzuständlichen Lesarten des STA zu unterscheiden. Diese entsprechen semantisch und syntaktisch etwa dem modernen Perfekt des SAE (5.1.2). Ein Vergleich mit den Lesarten des STA zeigt, dass sich diese semantisch teilweise überschneiden. Sie gehören daher grammatikalisierungstheoretisch zu den ältesten Lesarten des PRT überhaupt, da hier keine alternative Herleitung zu der aus einem Resultativ plausibel ist (4.8.3.1). Die intervallsemantische Charakterisierung auf syntaktischer Ebene ist problematisch (4.6.5) und die Diskussion um den aspektuellen oder temporalen Charakter des Perfekts füllt die Bibliotheken unterschiedlichster Philologien und linguistischer Fachrichtungen (4.6.1). Die Unterscheidung in Perfektzeit und Perfektzustand als Orga-

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

non der Analyse ist für die Struktur des Altassyrischen durchgehend zweckmäßig (4.6.8). Es darf aber nicht übersehen werden, dass dem zugrundeliegenden Begriff des extended-now noch an einer breiten sprachtypologischen Basis fehlt (4.6.7) Seine Modellierung vor dem Hintergrund des komplexen diachronen Kontextes im Wandel von syntaktischer Imperfektivität zu Perfektivität im Grammatikalisierungspfad des Resultativs ist hier noch zu leisten. Die Distribution zwischen PRT und PRF, welches ausschließlich perfektzeitlich Verwendung findet, kann weder syntaktisch noch semantisch beschränkt werden (5.3.8). Einzige Ausnahme bilden die universalen Lesarten (5.4.3.4). Das Fehlen gesicherter Belege für das PRF bestätigt den oberflächlichen Eindruck einer ursprünglichen Derivation perfektiver Aktionsart (11.4.2). Ob der Ausschluss universaler Lesarten kategorisch und für das Akkadische repräsentativ ist, ist hier allerdings nicht zweifelsfrei zu klären.

8.5 Perfektische Lesarten 8.5.1 Einleitung Die Lesarten Prt-6 bis Prt-9 können nur teilweise als perfektiv oder präterital verstanden werden. Insgesamt ist es daher gerechtfertigt dort eine perfektische Lesartsemantik für PRT anzusetzen (so auch schon Streck 1995a: 167f.). Belege für eine eindeutige imperfektive Lesart fehlen außerhalb der perfektischen Semantik (8.3). Dies verlangt nach einer eigenständigen intervallsemantischen Analyse (8.8). Die einzelnen Lesarten sind die in 5.4.3 unter dem Begriff des extended-now Perfekts vorgestellten. 8.5.2 Prt-6) XN, recent past & hot news (perfektiv) 8.5.2.1 Präteritum (PRT) Das PRT ist als hot news perfect auszuschließen, denn es erfüllt nicht die pragmatischen Voraussetzungen (8.8.4.2). Als recent past können hingegen Formen mit Zeitadverbial der Nahdeixis (Jetzt u.ä.) verstanden werden: e-re-qá-tim ú-lá a-bu-uk ereqq-āt-im ula ābuk Wagen-F\PL-OBL NEG PK.1SG\(PRT)Fortführen Die Wagen habe ich nicht fortgeführt. CCT 2 31a: r2

8.5.2.2 Perfekt (PRF) Im recent past wird ein kürzlich stattgefundenes Ereignis beschrieben. In Verbindung mit Zeitadverbien wie Jetzt steht hier häufiger das PRF, das ein recent past eindeutig bestimmt. Wo die Bedeutung der Neuigkeit im Vordergrund steht und das Ereignis auch weiter zurückliegen kann aber im Diskurs als neu eingeführt wird, ist von hot news perfect zu sprechen: um-me-a-nu a-bi4-ni be-tám ummeān-ū ab-i=ni bēt-am Geldgeber-NOM\PL Vater-GEN=POSS.1PL Haus-AKK Die Geldgeber unseres Vaters haben das Haus (nun) gesiegelt.

ik-ta-an-ku i-knk-ū PK.3-Siegeln-PL.M AKT VIa 233: 36f.

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Perfektische Lesarten

373

ší-ip-ru-um šipr-um Gesandt-NOM

ša kà-ri-im iš-ta-sí-ma ša kār-im i-šsi=ma SU Karum-GEN PK.3-Rufen=KONJ B Der Gesandte des Karums hat nun vorgelesen, (…). AKT VIc 525: 11ff. a-šur

i-ta-da-a-ni-ma i-tdân=ni=ma DN PK.3-Werfen\VENT=AKK.1SG=KONJ DN hat mich verworfen. ATHE 65: 29

8.5.3 Prt-7)? XN, experentiell (perfektiv) Die experentielle Lesart beschreibt ein Ereignis als eine schon einmal vom Subjekt gemachte Erfahrung. Eindeutige Belege fehlen, sind aber aufgrund von Prt-6 bis 9 insgesamt zu erwarten. Die Beleglage ist dürftig und es sind aus pragmatischen Gründen möglicherweise alle (möglichen) Belege des Altassyrischen auf das PRF beschränkt, so bei: lu-mu-un li-bi4-im e-ta-ap-šu-ni lumun libb-im ēpš-ū=ni Leid Herz-GEN PK.3\Machen-PL.M=AKK.1SG Sie taten mir (aber) Böses an. AKT III 71: 14f.

Mit negiertem PRF: ba-áš-tám ú-lá ⸢ar⸣-ta-áš-a-kum bāšt-am ula a-ršâk=kum Scham-AKK NEG PK.1SG-Bekommen\VENT=DAT.2.M Habe ich nicht für dich eine Weihgabe(~Scham) bekommen (von 10 Schekel Silber)? AKT VIb 426: 10f.

8.5.4 Prt-8) XN, resultativ (& konsekutiv) (perfektiv) 8.5.4.1 Einleitung Die XN-resultative Lesart ist die zentrale Lesart des PRF. Sie beschreibt das in der Perfektzeit eingetretene Resultat der Handlung als implizit andauernd. Sein Ende wird vom Jetzt des Sprechers aus betrachtet und kann auch das Zeitlagenverhältnis eines futurum exactum annehmen (R≥S). Ob das Resultat noch besteht, wird als möglich beschrieben, muss aber nicht zwingend wahr sein. Daher besitzt diese Lesart, wie auch Prt-9, eine inferentielle Evidentialität (5.3.3). PRT ist insbesondere in resumptiver Taxis nur ausnahmsweise zu erwarten (9.2.2). Zu den Kontexten möglicher Ausnahmen gehören etwa der Subjunktiv (11.8), isolierte Sätze mit einem einzelnen verbalen Prädikat (4.8.3.6) und Urkundenformulare oder literarische Formulierungen (8.8.4). Die ermittelten Kontexte sind rein heuristisch und können durch

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

weitergehende Untersuchungen zu PRT und PRF ggf. noch präziser gefasst werden (zu Protasen mit futurischer Zeitlage s. Prt-12)8. 8.5.4.2 Perfekt (PRF) Insbesondere das PRF dient als Abschluss einer Reihe von Situationen im PRT als Form des nachwirkenden Resultats, vornehmlich bei telischen Verben: dí-tám ša a-limki i-na ditt-am ša āl-im ina Prozeß- SUB StadtSEP/ AKK GEN LOK Den Prozess der Stadt habe ich (selbst) durch Erwägen abgeschlossen. a-na-ku anāku PERS.1SG

šu-té-bu-lim šutēbul-im ErwägenGEN

ag-ta-mar a-gmar PK.1SGBeenden AKT IV 30: 27ff.

li-bi-i im-ta-ra-aṣ libb=ī i-mraṣ Herz=POSS.1SG PK.3-Krank.Sein Mein Herz war gekränkt. AKT VIc 656: 12 it-bé-a-ma i-tal-kà!-ni!-ma i-tbe-ā=ma i-tlk-ā-nim=ma PK.3PK.3(PRT)S.Erheben(PRT)WeggehenPL.F=KONJ PL.F-VENT=KONJ Am dritten Tag machten sie sich auf und gingen. CCT 3 6b: 30f. i-na ina SEP/ LOK

ša-al-ší-ma šalš-im=ma DritterGEN=KONJ

u4-mì-im ūm-im Tag-GEN

Als Einzelsatz in zeitlich isoliertem Kontext : pu-uz-ra-am puzr-am GeheimnisAKK

i-ṣa-ba-at i-ṣbat PK.3Packen

ù u KONJ

KÙ.BABBAR Silber

Er versteckte sich und das Silber wurde nicht bezahlt.

ú-lá ula NEG

i-ta-áš-qal i-tšqal PK.3Bezahlt. Werden CCT 5 1a: 15

ṣú-ḫa-ru-um (…) e-ta-áb-ta-ni ṣuḫār-um ēbt-an=ni Diener-NOM (…) PK.3\Fliehen-VENT=AKK.1SG Der Diener (den du mir verkauft hast) ist mir entflohen. CCT 3 39b: 7ff.

8 Eine Korpusuntergliederung sortiert nach den Verfassern der Briefe bietet sich hier als Ansatz an. Daraus gewonnene Distributionen können an erweiterten Korpora geprüft werden.

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Perfektische Lesarten

8.5.4.3 Präteritum (PRT) In den möglichen Kontexten mit PRT ist die Handlung zum Jetzt des Sprechers abgeschlossen oder es liegt ihm das Resultat vor: Im Hauptsatz: a-ší-a-tí a-lu-wa aṭ-ru-dam aš=šiāti a-ṭrud-am ALL=PERS.3.F.OBL PN PK.1SG-(PRT)Schicken-VENT Deswegen habe ich (dir) PN geschickt. AKT VIa 139: 40 ú-lá ula NEG

a-šé-e-kà ak-bu-sà-ku-um a-šeˀˀe=ka a-kbus-ak=kum PK.1SGPK.1SG-(PRT)Ausgleichen-VENT=DAT.2.M Suchen~PRS=AKK.2.M Ich werde nichts gegen dich (er)suchen; ich habe es dir ausgeglichen. Prag 534: r8f. 2/3 2/3

ma-na mana Mine

5

GÍN

KÙ.BABBAR

Fünf

Schekel

Silber

im-ḫu-ru-ma i-mḫur-ū=ma PK.3-(PRT)EmpfangenPL.M=KONJ

a-na ú-ṣú-ur-ša-a-šùr DUMU a-šùr-ma-lik ana ALL PN1 Sohn PN2 Zwei Drittel Mine und fünf Schekel Silber haben sie empfangen und dem PN1, dem Sohn des PN2, gegeben.

i-dí-nu i-ddin-ū PK.3-(PRT)Geben-PL.M AKT I 15: 3ff.

Mit dem Verb našāˀum: aufheben: a-na ana ALL

mì-ma mimma INDEF

té-er-tí-a têrt-i=ja Weisung-GEN=POSS.1SG

ša ša SUB

ki-ma [na-áš-p]á-ra-tí-a ta-ni-iš-ú kīma našpar-āt-i=ja ta-nnišû Wie Schreiben-F\PL-OBL=POSS.1SG PK.2-(PRT)Aufheben\SUBJ Entsprechend meiner Weisung, der gemäß du meine Schreiben gebracht hast. AKT III 88: 24f.

Im Nebensatz begegnet das Prf nur selten. Die altassyrisch noch pragmatische Distribution wird in späteren Variäteten zu einer syntaktisch regelmäßigen Opposition im Gebrauch der beiden Formen.

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376 ki-ma kīma Wie

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

té-er-ta-kà têrta=ka Weisung=POSS.2.M

ša ša SUB

ḫi-na-a

ni-iš-me-ú ni-šme-u PK.1PL-(PRT)HörenPN SUBJ Als wir deine Weisung bezüglich des PN gehört haben, (…). AKT I 18: 5f. ša a-na-aḫ-ì-lí (…) a-na a-limki i-ni-iš-ú ša ana āl-im i-nnišû SUB PN (…) ALL Stadt-GEN PK.3-(PRT)Aufheben\SUBJ (Silber), das PN (…) zur Stadt gebracht hat. AKT V 51: 15f. ma-[lá] mala Alles(SUBJ)

um-mì-[a-ni] ummiān=ī Geldverleiher=POSS.1SG

ú-ra-ki-sú-ni-ni u-rakkis-ū=ni-ni PK.3-(PRT)BindenPL.M=AKK.1SG-SUBJ Alles, womit mich meine Geldverleiher (vertraglich) gebunden hat, (…) AKT VIa 13: 19f.

8.5.5 Prt-9) XN, durativ/universal (imperfektiv) Eine atelische Situation, die vor dem Jetzt des Sprechers liegt und auch das Zeitlagenverhältnis eines futurum exactum annehmen kann (R≥S), wird XN-durativ oder universal bezeichnet. Diese Lesart fasst alle universalen Lesarten gegenüber den existentiellen (Prt-6 bis Prt8) zusammen (6.2). Zu möglichen Belegen mit PRF s.u. 8.8.2. ša ⌈I-sú-SUDx⌉ iš-ta-ku-nu ša i-štakkun-u SUB PN PK.3-(PRT)Immer.Wieder.Stellen-SUBJ Die PN immer wieder gestellt hat. AKT VIa 164: 34f.

Die Situation kann über die rechte Grenze des XN-Intervalls (d.h. der Perfektzeit) hinaus andauern, so in: ù u KONJ

tí-ra-at têrat Weisung

e-kal-lim ekall-im Palast-GEN

a-na-kam annakam Hier

a-qú-ul-ší-na a-qūl=šīna PK.1SG(PRT)Beachten=AKK.3.F.PL Und die Weisungen des Palastes habe ich beachtet. AKT VIa 104: 36f.

Bei atelischen Situationen – sofern diese nicht komplexiv aufzufassen sind: ur-ḫa-am iš-té-en nu-na-pì-iš urḫ-am išten nu-nappiš Monat-AKK 1 PK.1PL-(PRT)Aufatmen Wir haben einen Monat lang durchgeatmet. AKT VIc 677: 9

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Modale Lesarten

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8.5.6 Zusammenfassung der non-modalen Lesarten Die ersten fünf Lesarten können als Nuancen perfektiver Lesarten in zahlreichen Sprachen beobachtet werden. Die Lesarten Prt-6 bis Prt-9 hingegen lassen sich nicht alle perfektiv verstehen. Besonders in den Urkunden des Korpus und in geringerem Maße in Briefen begegnet das PRT auch mit solchen perfektischen Lesarten. Diese Lesarten dürfen synchron als Erweiterung einer perfektiven Lesart verstanden werden. Aus innersprachlichen und typologischen Argumenten kann das aber nicht den sprachgeschichtlichen Entwicklungen gerecht werden. Das akkadische PRF ist eine derivationale Form des PRT (6.5.1), die zum einen die Übernahme bereits vorhandener perfektischer Lesarten in einer perfektiven Aktionsart wahrscheinlich macht und zum anderen einen vorangehenden Sprachbestand anzeigt, in dem es kein Perfekt als Tempus-/ Aspektstamm gab und dessen Lesarten daher vermittelt einer anderen Form ausgedrückt werden musste. Ferner ist typologisch ein Perfekt als Ausgangspunkt für die Grammatikalisierung präteritaler oder perfektiver Formen und nicht als Resultat solcher Formen anzusetzen. Dies führt dort, wo es in der Sprache kein Perfekt gibt oder die Form noch im Übergangsstadium ist, zum sogenannten old anterior (4.6.7), das perfektische Lesarten mit perfektiven/ präteritalen synchron vereint (Bybee u.a. 1994: 78ff.). Dies erklärt die defektiven Lesarten unter Prt-15 als Reliktformen eines älteren Sprachbestandes (8.7).

8.6 Modale Lesarten 8.6.1 Einleitung Aus dem bisher beschriebenen Befund heben sich die im Folgenden behandelten Verwendungsweisen deutlich heraus. Sie unterscheiden sich zunächst nur dadurch, dass sie altassyrisch für bestimmte Kombinationen von PRT mit modalen Präfixen oder Partikeln Gültigkeit haben. Ausdruck der Perfektivität ist die weitgehende Beschränkung der Lesarten auf sprecher-orientierte Modalität (5.3.3.1), wie sie in Abraham & Leiss (2008: XII) postuliert wird. Sie betreffen Formen des modalen Paradigmas und stehen teilweise in suppletivem paradigmatischem Zusammenhang mit dem Imperativ und insgesamt in einer Opposition Statik: Dynamik mit PRT als Vertretung dynamischer und dem STA (Sta-8 bis Sta-13) als Vertretung zuständlicher Lesarten. Charakteristisch ist der von der perfektiven Syntax implizierten pastZeitlage abweichende Bezug dieser Lesarten auf zukünftiges oder in der non-future-Zeitlage (noch) irreales (5.3.3.2). Besonders hervor tritt dabei das non-faktive Prt-11, das nicht nur explizit bezeichnet, was in Gegenwart oder Vergangenheit nicht wirklich ist, sondern auch als einziges ein modales PRF erlaubt, welches die Kombination perfektischer und perfektiver Semantik der Lesart kennzeichnet (5.4.2.5). 8.6.2 Prt-10) potentiell-dynamisch Potentiell ist ein im Diskurs als irreal betrachtetes Geschehen. Das Ereignis kann in der Zukunft noch stattfinden. Semantisch steht die Lesart deutschem Konjunktiv II nahe. Der gängigen Übersetzungspraxis folgend wird hier der Indikativ verwendet. Dessen Gebrauch ist im Rahmen einer Modalitätsstudie und der Wechselwirkung von Modalität mit Tempus und Aspekt aber zwingend neu zu prüfen (s.a. 9.2.1).

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378

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

mì-nam e-pu-uš-kà mīn-am ēpuš=ka INTERROG-AKK PK.1SG\Machen=AKK.2.M Was habe ich dir getan? AKT I 14: 4 šu-ma šumma Wenn(KOND)

a-na ana ALL

ITU.1.KAM Monat.1

a-ṣé-er aṣ=ṣēr ALL=Rücken

tám-kà-ri-ku-nu tamkar-i=kunu KaufmannGEN=POSS.2.M.PL

a-na wa-aḫ-šu-ša-na lá ta-li-kà-ma ana lā ta-llik-ā=ma ALL ON NEG PK.2-(PRT)Gehen-PL=KONJ tám-kà-ar-ku-nu lá tù-ú-ša-ba tamkar=kunu lā tu-šabbâ Kaufmann=POSS.2.M.PL NEG PK.2-(PRT)Sättigen\PL Wenn ihr in einem Monat nicht zu eurem Kaufmann nach ON gegangen seid um euren Kaufmann zu sättigen, (…).

AKT III 56: 8ff.

šu-ma-ba KÙ.BABBAR tù-ša-qí-il5 šumma=ba tu-šaqqil Wenn (SUBJ)=IRREAL Silber PK.2-(PRT)Auszahlen Wenn du doch das Silber ausgezahlt haben solltest, (…). AKT VIa 65: r10f.

8.6.3 Prt-11) non-faktiv 8.6.3.1 Einleitung Non-faktiv ist ein Ereignis, das nicht stattgefunden hat und irreal ist. Es entspricht zumeist einem deutschen Konjunktiv des Plusquamperfekts (Zifonun u.a. 1997: 1779). Die Möglichkeit einer späteren Realisierung des Ereignisses ist dabei pragmatisch ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Verwendung eines non-faktiven PRF, welches altassyrisch sonst keine modale Funktion hat, deckt sich mit dem Gebrauch des Indikativs der Vergangenheitstempora im Altgriechischen anstelle ihrer modalen Formen Optativ oder Konjunktiv (McKay 1974: 152). Sichere Belege sind mit verschiedenen Merkmalen versehen, wie dem Gebrauch des Prekativs oder Interrogativa sowie der Subjunktion šumma. Ein Irrealis der Vergangenheit ohne weitere Kennzeichnug durch Partikel begegnet altassyrisch aber nur mit einem PRF (Kouwenberg 2017: 742):

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379

Modale Lesarten

šu-ma šumma Wenn(KOND)

a-na-ku anāku PERS. 1SG

lá lā NEG

a-zi-iz-ma a-zziz=ma PK.1SG(PRT)Stehen=KONJ

(…) (…)

Wenn ich nicht hingetreten wäre, hättest du (…) eine Übereinkunft getroffen.

ta-tá-am-gàr-ma ta-tmgar=ma PK.2S.Einigen= KONJ AKT V 43: 34ff.

Mit der irrealen Partikel (Kouwenberg 2017: 739ff) steht non-faktives PRT9: šu-ma URUDU lá-šu-mì-in šumma laššu=min Wenn(KOND) Kupfer NEG\PK.3\(PRT)Nicht.Haben=IRREAL Wenn das Kupfer nicht da gewesen wäre, (…). AKT VIc 686: 14 šu-ma-mì-in šumma=min Wenn(KOND)=I RREAL

té-ri-ša-ni tēriš-an=ni PK.2\(PRT)FordernVENT=AKK.1SG

ak-lá-a-ku-mì-in a-klâk=kum=min PK.1SG(PRT)Zurückhalten\VENT=DAT.2.M=I RREAL Wenn du es von mir gefordert hättest, hätte ich es dir zurückgehalten. ATHE 45: 8f.

8.6.4 Prt-12) konjunktivisch Konjunktivisch ist hier eine zu Prt-10 und Prt-11 häufig auftretende Variante, in der eine subordinierte, modale Lesart vorliegt. Die modale Semantik ist wohl nicht in der Verbalform veranlagt. Es handelt sich um eine modale Transposition des ganzen Satzes. In Protasis: [šu-ma] šumma Wenn(KOND)

ú-nu-tí-ni lá is-ri-dam unūt-ī=ni lā i-srid-am TransportgutNEG PK.3-(PRT)AufbindenOBL.PL=POSS.1PL VENT Wenn er unsere Transportgüter nicht aufgebunden haben wird, (…). AKT I 9: 9ff.

Im Fragesatz: ma-tí-ma matīma Wann

a-na ana ALL

a-ḫi-i-a aḫ-i=ja Bruder-GEN=POSS.1SG

ú-na-ke-er-kà u-nakker=ka PK.1SG(PRT)Feindlich.Tun=AKK.2.M Habe ich mich gegen dich, meinen Bruder, irgendwann feindlich verhalten? AKT I 14: 5f.

9 Vgl. hierzu die griechischen Modalpartikel ἄν und κε/α.

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380

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Konjunktivisches PRT Im Wechsel mit dem PRF begegnet häufig in Protasen. Das PRF steht dann üblicherweise bei Verben des ingressiven Genus und referentiellem Objekt (5.3.3.6), d.h. nach seinen syntagmatischen Vorgaben in non-modalem Kontext (8.8.4). Die Modalität ist daher nicht im PRF veranlagt. Es handelt sich um einen konditional transponierten Satz10: šu-ma KÙ.BABBAR tù-uš-ta-áš-qí-il5 šumma tu-ššqil Wenn(KOND) Silber PK.2-Zahlen.Lassen Wenn du (ihn) das Silber solltest zahlen gelassen haben, (…).

AKT VIc 543: 20f.

šu-ma ha-ra-num a-ni-ša-am i-ta-áp-té šumma ḫarrān-um annišam i-tpte Wenn(KOND) Weg-NOM Hierhin PK.3-Geöffnet.Werden Wenn der Weg hierhin sich geöffnet haben sollte, (…). CCT 2 25: 30f. šu-ma šumma Wenn (KOND)

ṣí-ib-tum10 ṣibt-um Zins-NOM

i-ṣé-er iṣ=ṣēr SEP/LOK= Rücken

bu-za-zu PN

mì-ma mimma INDEF

lá lā NEG

Wenn kein Zins zu Lasten des PN genommen worden sein sollte, (…).

i-tal-qé i-tlqe PK.3- Genommen. Werden ATHE 13: 14ff.

8.6.5 Prt-13) optativisch Neben eigentlichen Wünschen sind unter der optatvischen Lesart auch suppletive Formen der 1Person und 2Person zu zählen, die den Imperativ ergänzen. Alle sind Formen einer sprecher-orientierten Modalität. Als Voluntativ: ší-ma-at a-bi4-ni lá-áš-me šīmāt ab-i=ni la-šme Testament Vater-GEN=POSS.1PL OPT.1-Hören Das Testament unseres Vaters will ich hören. AKT III 94: 8f.

Als Kohortativ: ṭup-pá-am lu ni-il5-qé-ma ṭupp-am lū ni-lqe=ma Tafel-AKK OPT PK.1PL-(PRT)Nehmen=KONJ Die Tafel wollen wir nehmen. AKT VIa 85: 15

10 Davon nicht berührt wird die Frage, ob das PRT in diesen Kontexten vorhistorisch oder in späteren Varietäten modal verstanden wird.

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Modale Lesarten

KÙ.BABBAR

lu ni-iš-qú-ul lū ni-išqul Silber OPT PK.1PL-(PRT)Zahlen Das Silber wollen wir zahlen. AKT VIa 220: 30 ù ku-nu-ki lu u kunukk-ī lū KONJ Siegel-OBL.PL OPT Und die Siegel wollen wir ausweisen.

nu-dí nūddi PK.1PL\(PRT)Kenntlich.Machen AKT VIIa 37: 14

Als Imperativ der 3Person: ku-li-a

i-pá-ni-šu ip=pān-i=šu PN SEP/LOK=Gesicht-GEN=POSS.3.M PN soll es mir in seinem Angesicht herbringen.

li-ni-iš-a-am li-nnišâm OPT.3-Aufheben\VENT AKT V 2: 15f.

en-num-a-š[ùr]

ù a-lu-wa lu-uk-ta-i-[nu-šu] u lu-kta’’in-ū=šu PN1 KONJ PN2 OPT.3-Bestätigt.Werden-PL.M=AKK.3.M PN1 und PN2 sollen sich gegenseitig bestätigen. AKT VIa 151: 26f.

Mit finaler Semantik und dann häufig nach Imperativ begegnet die modale Form im Wechsel mit konsekutivem PRS: ṭup-pé-e ṭupp-ē Tafel-OBL.PL

šé-bi-lam-ma šēbil-am=ma SchickenVENT=KONJ

KÙ.BABBAR Silber

ša ša SUB

pá-aq-du paqd-ø-u Anvertrauen3SG.SK-SUBJ

lu-wa-ší-ru-nim

lu-waššir-ū-nim OPT.3-Freilassen-PL.M-VENT Schicke mir die Tafeln, damit sie das anvertraute Silber freigeben! ù u KONJ

ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK

šé-ṣí-a-ma šēṣi-ā=ma Hervorholen-PL=KONJ

AKT III 62: 14f. iš-tí-ku-nu išti=kunu Bei=POSS.2.M.P L

Und eine Tafel holt hervor, damit sie bei euch vorhanden ist!

li-ib-ší-ma li-bši=ma OPT.3Vorhanden.Sein= KONJ AKT III 64: 12f.

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382

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Als Wechselsatz mit Optativ in Vertretung imperfektiver Formen (9.2.1 & 9.2.4): té-er-ta-kà têrta=ka Weisung=POSS.2.M

li-li-ik-ma li-llik=ma OPT.3Gehen=KONJ

ší-im šīm Preis

30

TÚG

30

Gewand

i-a-ú-tim jā-ūt-im=ma POSS.1SG-ADJ.PLOBL=KONJ

li-iš-lu-ṭù-ma

li-šluṭ-ū=ma OPT.3-Verfügen-PL.M=KONJ Deine Weisung soll gehen, damit sie über den Kaufpreis meiner 30 Gewänder verfügen.

AKT VIb 386: 4ff.

8.6.6 Prt-14) admonitiv Die Formen Prt-10 bis Prt-13 werden regelmäßig durch negiertes PRS verneint. Nur als Höflichkeitsform bzw. negierter Wunsch, d.h. in admonitiver Funktion, steht hier Prt-14, der Vetitiv, dessen Lesart keine affirmative Entsprechung hat. Seine Teilnahme am modalen Paradigma des PRT ist sekundär. Ob die Form originär assyrisch ist oder in Sprachkontak entstanden, bedarf noch einer weitergehenden Prüfung. DAM.QAR

e ē ADMON

it-ba-al-ma e tù-ri-i-qá-ni i-tbal=ma ē tu-rīq-an=ni PK.3Kaufmann ADMON PK.2-(PRT)Fernhalten(PRT)Wegbringen= VENT=AKK.1SG KONJ Der Kaufmann möge es nicht wegbringen und du mögest mich nicht fernhalten. AKT I 17: 24f. ma-ma-an e is-li-ší mamman ē i-sli=ši INDEF ADMON PK.3-(PRT)In.Unkenntnis.Lassen=AKK.3.F Niemand möge sie in Unkenntnis lassen! AKT VIc 667: 18f. li-bi ù li-ba-ku-nu e im-ra-aṣ libb=ī u libba=kunu ē i-mraṣ Herz=POSS.1SG KONJ Herz=POSS.2.M.PL ADMON PK.3-(PRT)Krank.Sein Mein Herz und euer Herz sollen nicht krank werden. AKT VIa 152: 15f.

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Prt-15) perfectum intensivum

ṣí-ib-tum e im-id-ma ṣibt-um ē i-mīd=ma Zins-NOM ADMON PK.3-(PRT)Viel.Sein=KONJ Der Zins soll nicht viel werden. AKT VIIa 279: 23f. ú-ma-am iš-tí-in e is-ḫu-ur ūm-am ištin ē i-sḫur Tag-AKK 1 ADMON PK.3-(PRT)S.Aufhalten Er soll sich keinen Tag aufhalten. AKT VIc 538: 7f.

8.7 Prt-15) perfectum intensivum Einige wenige defektive Verben besitzen einen präsentischen bzw. zuständlichen Vertreter im PRT. Ihnen fehlt nicht nur ein formales PRF sondern auch STA und PRS. Die Verben sind prototypische transitive states, zugleich Lexeme des niedrigsten Anschauungsgrades (7.6.2). Prekativ und Prohibitiv werden regulär gebildet (Kouwenberg 2017: 606). Ein Vetitiv zu diesen Verben ist nicht belegt (Kouwenberg 2017: 639). Flektierte Formen werden gebildet von: išāˀum: haben 1 Eins

ma-na mana Mine

púzur-a-šur

KÙ.BABBAR Silber

i-ṣé-er iṣ=ṣēr SEP/LOK =Rücken

e-lá-a PN1

a-šur-ma-lik PN2

i-šu

īšu PN3 PK.3\(PRT)Haben Eine Mine Silber zu Lasten von PN1 und PN2 hat PN3 e-lá-an elān Über.Hinaus

ù u KONJ

15

GÍN

KÙ.BABBAR

Fünfzehn

Schekel

Silber

AKT I 2: 1ff. mì-ma mimma INDEF

i-li-bi4 ḫu-za-lá i-ku-pí-a lá i-šu il=libbi lā īšu SEP/LOK=Herz PN1 PN2 NEG PK.3\(PRT)Haben Über die fünfzehn Schekeln Silber hinaus hat PN2 nichts bei PN1. AKT II 4: 1ff.

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

ma-nu-a

pá-na-nu-um a-ša-tám lá i-šu-ma panānum aššat-am lā īšu=ma PN Früher Frau-AKK NEG PK.3\(PRT)Haben=KONJ PN hat vorher keine Frau gehabt. TCL 20 103: 3f. Ì.GIŠ

a-na pí-ta-ší-a lá i-šu ana pitašš-i=ja lā īšu Öl ALL S.Einreiben-GEN=POSS.1SG NEG PK.3\(PRT)Haben Es gibt kein Öl um mich einzureiben. CCT 4 18a: 23ff.

Bei der 3Person maskulin kann formal auch ein STA vorliegen. Sicher als PRT zu bestimmen sind hingegen: 1½

GÍN

ṣa-ru]-pá-am (…) tí-šu ṣarrup-am tīšu 1 ½ Schekel Silber Geläutert-AKK (…) PK.3.F\Haben Anderthalb Schekel geläutertes Silber hat sie (…). AKT IV 25: 46ff. mì-ma mimma INDEF

KÙ.[BABBAR

ša-ni-a-am šani-am Anderer-AKK

lu-mu-un lumun Übel

li-bi-im lá libb-im lā HerzNEG GEN Wir haben nichts anderes Böses im Herzen gegen ihn.

ni-šu-šu-um nīšu=šum PK.1PL\Haben=DAT.3.M AKT VIa 115: 62ff.

Ebenso: iš-tù-ba ištū=ba Von=IRREAL

ar-nam ù ší-lá-tim arn-am u šillât-im UnrechtKONJ Frechheit\F\PL-OBL AKK Nachdem er doch Unrecht und Frechheiten für dich hat, (…).

i-šu-a-ku-ni īšu-ak=kun-ni PK.3\(PRT)HabenVENT=DAT.2.M-SUBJ AKT III 62: 43f.

Die dazu gebildete Nebenform ist erstarrtes laššu: nicht habend > nicht da sein in semantischer Opposition zu affirmativem bašāˀum: vorhanden sein (Kouwenberg 2017: 681): a-na-kam a-mu-ur-qá-tí-ištar la-šu annakam lāššu Hier PN NEG\PK.3\(PRT)Nicht.Haben PN war nicht hier. AKT I 78: 34f. um-ma šu-ut-ma e-ra-dí lá-šu-ma umma šūt=ma lāššu=ma QUOT PERS.3.M=KONJ PN NEG\PK.3\(PRT)Nicht.Haben=KONJ Folgendermaßen (sagte) er: PN war nicht da. AKT III 40: 4f.

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Prt-15) perfectum intensivum

In der Bedeutung von Nicht Haben findet sich unkontrahiertes lā išu (Kouwenberg 2017: 606f.). Mit futurischer Zeitlage: šu-ma šumma Wenn(KOND)

i-ba-áb ib=bāb SEP/LOK= Tor

wa-ṣa-i-šu waṣā-i=šu HinausgehenGEN=POSS.3.M

a-bu-ni ab-u=ni VaterNOM=POSS.1PL

e-ri-iš-ma ēriš=ma PK.3\(PRT) Wünschen=K ONJ

lá i-té-bir tar-ki-is-tum lá-šu lā ībir tarkist-um lāššu NEG PK.3\Herüberkommen Bürgschaft-NOM NEG\PK.3\(PRT)Nicht.Haben Wenn unser Vater (es) zu Beginn seiner Reise wünscht und er nicht (hin)überschreitet, wird es keine Bürgschaft geben. AKT I 9: 13ff.

idāˀum: wissen: a-tù-nu lá tí-de8-a attunu lā tīde-ā PERS.2.M.PL NEG PK.2\(PRT)Wissen-PL Wisst ihr (denn) nicht, (wieviel Silber PN (…) aufgenommen hat)?

AKT VIa 141: 47

Im spezifischen Kontext steht PRT hier auch zur Bezeichnung von Zuständen in der Vergangenheit: um-ma umma QUOT

puzur4-a-na-ma

a-na-ku ma-na-aḫ-ta-kà anāku mānaḫta=ka PERS. PN=KONJ Mühe=POSS.2.M 1SG Folgendes (sagte) PN: Ich wusste nicht von deiner Mühe.

lá lā NEG

i-de8 īde PK.3\(PRT)Wissen

AKT III 25: 14ff.

Die verschiedenen perfecta intensiva bilden auch nominale Formen, wobei von affirmativem išāˀum ein Beleg noch aussteht (Kouwenberg 2017: 606). Sie sind morphologisch unauffällig, d.h. der besondere Status eines zuständlichen PRT findet dort keine Entsprechung: wa-áš-bu-um ú lá-šu-um wašb-um u lāššu-um Vorhandenes-NOM KONJ NEG\Nicht.Sein-NOM Vorhandenes und nicht vorhandenes. Giessen 34: 40f.

Für das PRT und seine Semantik sind solche intensiven Lesarten unproblematisch. Sie sind in Einklang mit den perfektischen Lesarten des old anterior und implizieren eine Herleitung von einem Resultativ, der einen Split mit inaktiven Lesarten ermöglicht. Dass es sich beim PRT um eine grammatikalisierte und ursprünglich perfektzuständliche Form handelt, steht im

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Einklang mit dem morphologischen Befund der keinen Hinweis auf Affixe gibt, die das PRT als Derivation erklären können. Die Hypothese, dass die transitiven Lesarten des STA jünger sind, wird hier ebenfalls bestätigt, da die beiden primären perfecta – und zwar deren beide prototypische Vertreter schlechthin – intensiva transitive states sind. Die negative Derivation zu išāˀum: haben ist in ihrer sprachtypologischen Bedeutung dadurch noch nicht hinreichend erschlossen. Es ist hier zu prüfen, ob die Formenbildung nicht ein Relikt ursprünglicher Bildung mit Negativverb ist oder die Bildung als solche im Semitischen singulär ist.

8.8 Semantik der Distribution 8.8.1 Einleitung Es lassen sich altassyrisch – wie wohl in allen älteren Sprachstufen –für das PRF insgesamt nur perfektische Lesarten nachweisen. Deren Distribution in PRF und PRT kann weder in Urkunden noch in Briefen durchgängig durch Syntax (consecutio temporum, Adverbien usw.) oder Semantik (Konsequentialität) bestimmt werden, wiewohl dies in vielen Fällen möglich ist und an entsprechender Stelle dargestellt wurde. Im Folgenden werden die dazu erörteten Einzelbeobachtungen zu Semantik, Syntax und Diskurs systematisch zusammengefasst, vervollständigt und erörtert. 8.8.2 Syntax 8.8.2.1 Überblick zum perfektiven PRF und PRT In allen Kontexten steht das PRF als verstärkende Form des non-modalen PRT. Ein konjunktivischer Gebrauch lässt sich außerhalb konsequentieller Lexeme nicht sicher belegen. Aus dem Vergleich mit späteren akkadischen Sprachstufen, sind nur das konjunktivische PRF in Protasen (8.2.4.4) und das negierte PRF vielleicht hierunter zu zählen (s.a. 9.2.1 und 9.3.4). Negiertes PRF: ú-lá áš-tap-ra-am ula a-špr-am NEG PK.1SG-Schicken-VENT (Einen Stellvertreter) habe ich nicht geschickt.

AKT VIb 329: 22

Konjunktivisches PRF: šu-[ma] a-mu-tum lá i-ta-an-dí-in šumma lā i-tndin Wenn(KOND) Meteoreisen NEG PK.3-Gegeben.Werden Wenn das Meteoreisen noch nicht verkauft ist, (…). AKT VIb 411: 44f.

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Semantik der Distribution

a-wi-lúm awīl-um Mann-NOM

ša-ni-iš šanîš Wiederholt

i-dí-ma i-ddi=ma PK.3(PRT)Werfen=KONJ

KÙ.BABBAR Silber

ú-lá ula NEG

i-tí-dí-ni-a-tí

i-tdin=niāti PK.3-Geben=OBL.1PL Der Mann vernachlässigte (es) wiederholt, uns das Silber zu geben.

AKT VIa 215: 13f.

Das semantische Merkmal der Konsequentialität verhält sich altassyrisch gegenüber modalen Lesarten neutral, ist aber aus pragmatischen Gründen wohl in den meisten modalen (und negierten) Kontexten auszuschließen. Dieser Ausschluss ist durch die geringe Signifikanz eines negierten Sachverhaltes begründet, der nur selten eine bedeutende Information an sich darstellt11. Hingegen begegnet das PRF in späteren Sprachstufen im Indikativ nur in nonmodalen Lesarten. Dabei ist zu beachten, dass unter modalen Lesarten für das Akkadische auch negierte Aussagesätze und Wortfragen zählen (9.2.4). Dass zur Distribution des PRF auch (und zwar in Briefen) pragmatische Faktoren zählen, wird aus dem Vergleich von verschiedenen Kontexten offenbar. So steht in Protasen von Urkunden gewöhnlich negiertes šaqālum: zahlen im PRT als futurum exactum – ein Verb dessen STA üblicherweise altassyrisch im D-Stamm begegnet (s. 7.4). Zu beachten ist hier, dass das zugehörige Objekt selbst nicht-referentiell ist, d.h. nur auf eine abstrakte Einheit verweist, nicht aber auf ein konkretes Objekt12. Daher steht PRT anstelle PRF der semantisch niedrigen Konsequentialität wegen: a-na ana ALL

15 15

ḫa-am-ša-tim ḫamš-āt-im Woche-F\PL-OBL

i-ša-qal i-šaqqal PK.3-Zahlen~PRS

šu-ma šumma Wenn(KOND)

iš-qú-ul i-šqul PK.3-(PRT)Zahlen Innerhalb von fünfzehn Wochen wird er bezahlen. Wenn er nicht bezahlt, (…).

lá lā NEG

AKT IV 3: 11f.

11 Man vgl. hierzu etwa Nachrichtenschlagzeilen, Werbeslogans usw. 12 Das Zahlen von Silber bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Silber, sondern nur auf dessen Menge. Man kann hier zwar andernorts auf das gleiche Silber verweisen, nicht aber auf dasselbe. Im Übrigen ist das Geschäft als solches in aller Regel eine Alltäglichkeit, die nicht auf die Partizipierenden derart nachwirkt, dass dies für dritte unmittelbar ersichtlich wird. Die Fehlanzeige des STA Grundstamms ist hier mit den gleichen semantischen Merkmalen der Konsequentialität wie die des PRF zu begreifen.

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Zur Hervorhebung begegnet das PRF dann auch bei diesen Verben außerhalb des konservativen Formulars: a-na ana ALL

40

ḫa-am-ša-tim ḫamš-āt-im Woche-F\PL-OBL

40

šu-ma šumma Wenn(KOND)

i-na ina SEP/ LOK

i-ša-qú-lu i-šaqqal-ū PK.3-Zahlen~PRS-PL.M

ma-lá-a mala Voll

u4-mì-šu ūm-ī=šu TagOBL.PL=POSS.3.M

Innerhalb von 40 Wochen wird er zahlen. Wenn er bei seiner Terminfrist (~vollen Tagen) nicht bezahlt haben sollte, (…). a-ma-kam ammakam Dort

šu-ma šumma Wenn(KOND)

ša ša SUB

lá lā NEG

iš-ta-aq-lu i-šqul-ū PK.3ZahlenPL.M AKT VIIa 11: 21ff.

ki-ma kīma Wie

a-lam5ki im-ta-aḫ-ru um-ma āl-am i-mḫr-ū umma StadtPK.3-EmpfangenQUOT AKK PL.M Wenn dort die seine Stellvertreter sich an die Stadt gewandt haben und sie folgendermaßen (gesagt haben): šu-a-tí šuati OBL.3.M

šu-nu-ma šunu=ma PERS.3.M.PL=KONJ

AKT VIc 530: 21ff.

“Generally speaking, conservative use, especially literary and legal texts, lag behind in completing the strict syntactic division between the two tenses. The literary dialect of Standard Babylonian never adopted it all and continued using perfectives in main clauses, just as Old Babylonian, side by side with t-perfects.” Kouwenberg (2010: 154). 8.8.2.2 Imperfektive perfektische Lesarten Selten steht das PRF vielleicht auch zum Ausdruck imperfektiver Semantik (XN-durativ). Klare Belege fehlen. Vielleicht sind alle möglichen Lesarten insgesamt als perfektiv und existentiell zu beurteilen, d.h. universale und imperfektive Lesarten auszuschließen. Mögliche Belege sind im Altassyrischen solche mit der Präpositionalphrase adi ūmim: bis zu dem Tag: ú u KONJ

a-di adi Bis

(ú-)u4-mì-im ūm-im Tag-GEN

a-nim annîm DEM\GEN

Bis zu diesem Tage hast du mich festgehalten.

tù-uk-ta-ṣí-dá-ni tu-kṣṣid-an=ni PK.2-FesthaltenVENT=AKK.1SG AKT V 26b: 20ff.

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Semantik der Distribution

a-dí u4-mì-im a-nim ta-sú-ḫu-ur adi ūm-im annîm ta-sḫur Bis Tag-GEN DEM\GEN PK.2-S.Aufhalten. Du hältst dich bis zu diesem Tag (hier) auf. AKT III 67: 27f. mì-nam mīn.am Warum

ša ša SUB

a-dí adi Bis

u4-mì-im a-nim ūm-im annîm TagDEM\GEN GEN Warum hast du bis zu diesem Tag bei mir gesessen.

ta-ta-áš-ba-ni ta-tšb-an-ni PK.2-Sitzen-VENT-SUBJ ATHE 42: 3f.

Nicht als universal dürfen Intervallangaben mit Beginn der linken Grenze der Perfektzeit mit ištu: seit gedeutet werden, die parallel zu deutschem Perfekt in Verbindung von Seit und achievement verstanden werden können (4.6.4): mì-šu-um miššum Warum

(…) (…)

iš-tù ištu Aus

ITU.10.KAM Monat.10

i-qé-ra-áb iq=qerab SEP/LOK=Inneres

a-limki āl-im Stadt-GEN

ta-áp-ta-ah-a-ni-i

ta-pḫân=ni PK.2-Einschliessen \VENT=AKK.1SG Warum hast Du mich seit 10 Monaten (wie eine Frau) in der Stadt eingeschlossen?

CCT 4 45b: 16ff.

Unabhängig der Phrasen sind Formen von wašābum in der Bedeutung Dienen im PRF hierunter zu zählen. Diese Form tritt allerdings so auffällig hervor, dass eine fehlerhafte Deutung nicht auszuschließen ist. Formal kann dieser Fehler in einer fehlenden Analyse als Gt-Stamm mit der altassyrischen semantischen Bedeutung Dienen < Sich Selbst Hinzusetzen o.ä. liegen, semantisch in einer Fehlinterpretation des Lexems im Kontext als rein inzeptives und dynamisches Sitzen mit der kontextuellen Entsprechung Dienen, d.h. ohne grammatische Durativität (zur Diskussion, ob im Beleg vorangehendes šamāḫum PRF ist s. Kouwenberg 2017: 496): šu-ma šumma Wenn(KOND)

a-šùr-ba-áš-tí PN

iš-tù-mu-ùḫ-ma i-šmuḫ=ma PK.3-Gedeihen=KONJ

iš-tí išti Mit

ša-ni-im šanîm Zweiter\GEN

i-ta-ša-áb

i-tšab PK.3-Sitzen Wenn er erfolgreich war und bei jemand anderem gewohnt hat, (…).

KKS 9a: 6ff.

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390

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

8.8.3 Semantik In allen Varietäten begegnet das PRF nach Lexemen gesondert unterschiedlich häufig. Vor allem progressive Verben sind dabei aufgrund der Beleglage und ihrer semantischen Merkmale im konservativeren Sprachgebrauch gänzlich ausgeschlossen. Daraus ist auf eine ursprünglich semantisch gesteuerte Ausbreitung des PRF – ähnlich dem Deutschen (Fischer 2018: 360) – zu schließen. Beispiele für den semantisch motivierten Gebrauch des PRF sind: a) Am Ende einer Darstellung von Ereignissen vor futurischen Sachverhalten als recent past bzw. konsekutiv: um-me-a-nu a-bi4-ni be-tám ummeān-ū ab-i=ni bēt-am Geldgeber-NOM\PL Vater-GEN=POSS.1PL Haus-AKK Die Geldgeber unseres Vaters haben das Haus (nun) versiegelt.

ik-ta-an-ku i-knk-ū PK.3-Siegeln-PL.M AKT VIa 233: 36f.

b) Mit Adverbiale als Perfekt wie beim babylonischen Briefperfekt: ki-ma kīma Wie

a-na-ku anāku PERS.1SG

ig-ri igri Miete

be-tim bēt-im Haus-GEN

lá-qá-im laqā-im Nehmen-GEN

a-ni anni Gewiss

pu-šu-ki-in PN

il5-té-qe

i-lqe PK.3-Nehmen Statt, dass ich die Hausmiete nehme, hat gewiss PN genommen! a-ni-i ta-ar-ta-ag-ma-nim anni ta-rgm-ā-nim Jetzt PK.2-Klagen-PL-VENT Jetzt habt ihr geklagt. AKT VIa 277: 49 c)

AKT I 14: 21ff.

Als konjunktivisches und konsekutives (Prt-8) Ereignis nach einem PRS:

i-dí-dadad

a-na-na

PN1

PN2

a-ša-tám aššāt-am Frau-AKK

ša-ni-tám šani-t-am Zwei-F-AKK

e-ḫu-uz ēḫuz PK.3\(PRT)Fassen ú-lá ula NEG

i-na ina SEP/LOK

e-ḫa-az eḫḫaz PK.3\Fassen~PRS

GÁN-lim Feld-GEN šu-ma šumma Wenn(KOND)

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e-ta-ḫa-az ēḫaz PK.3\ Fassen

391

Semantik der Distribution

ù u KONJ

e-té-zi-ib-ší ēzib= ši 3\Verlassen=AKK.3.F

5 Fünf

ma-na mana Minen

KÙ.BABBAR Silber

PN1 hat PN2 geheiratet. Im Ausland wird er keine andere Frau heiraten. Wenn er heiratet oder sie verlässt, dann wird er fünf Minen zahlen.

i-ša-qal i-šaqqal PK.3Zahlen~PRS

AKT I 76: 1ff.

d) Nur in seltenen Fällen kann das PRF die Zeitlage der Vorvergangenheit ausdrücken. Die Konsequentialität (5.3.6) bleibt auf pragmatischer Ebene bestehen. Zur Transposition des PRF in die Vorvergangenheit bedarf es altassyrisch m.W. eines Subjunktionalsatzes der Nachzeitigkeit mit PRT: lá-ma lāma Bevor

a-li-kà-ni a-llik-an-ni PK.1SG-(PRT)Gehen-VENTSUBJ

ip-té-té-e i-pte PK.3-Öffnen

a-lá-ḫu-um PN

uš-té-ṣí-i u-šṣi PK.3Hinausgehen.Lassen Bevor ich kam, hatte PN die Verwahrung geöffnet und mein Betriebskapital hinausgenommen. AKT VIa 225: 30ff.

e)

ú u KONJ

ma-ṣa-ar-tám maṣṣart-am Verwahrung-AKK

bu-lá-tí bûlāt-ī Betriebskapital–OBL.PL

Häufig und vielleicht als Ausdruck niedriger Agentivität mit allen Arten von Verben der Bewegung, die dann sowohl im Rahmen der Aktionsart (6.5) als auch im Rahmen der Konsequentialität (5.3.6) – dort als Affizierung des Subjekts – erklärt werden können:

šu-ma šumma Wenn(KOND)

sà-pá-ra-áš-na

ku-ul-sí-a

PN1

PN2

e-té-zi-ib ēzib PK.3\Verlassen

be-É-tám ki-lá-lá-šu-nu i-zu-zu bēt-am kilalla=šunu i-zuzz-ū Haus-AKK Beide=POSS.3.M.PL PK.3-Teilen~PRS-PL.M Wenn PN1 PN2 verlässt, werden sie untereinander das Haus teilen. šu-ma šumma Wenn(KOND)

ḫa-ra-num ḫarrān-um Karawane-NOM

ša ša SUB

ma-at māt Land

AKT I 21: 11ff.

ša-pì-il5-tim šapil-t-im Unterer-F-GEN

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392

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

e-ta-ar-ba-am

ērb-am PK.3\Eintreten-VENT Wenn die Karawane vom unteren Land hereinkommt, (…).

AKT III 74: 8ff.

In Briefen und direkter Rede steht häufiger PRF als in Urkunden, das dann oft eine betonende Funktion zu haben scheint, um neue oder wichtige Sachverhalte einzuführen und begegnet dort auch initial oder isoliert (6.7). Es ist dann nicht mehr semantisch, sondern pragmatisch motiviert. Aus den Überlegungen zur Konsequentialität lässt sich nicht nur das PRF erklären, sondern auch die semantische Distribution perfektischer Lesarten, in der zunächst PRF und STA als Formen der Konsequentialität auftreten. Hingegen bleibt das PRT gegenüber diesem semantischen Merkmal indifferent. So erklärt sich noch nicht die dialektale Verteilung von STA und PRF, die als Teil der allgemeinen Distribution zwischen den finiten Formen in 9.2 erläutert wird. Zu beachten ist ferner, dass durch das Merkmal der Konsequentialität zwar die ungleiche Verteilung des PRF hinsichtlich des Lexikons erklärt wird, aber nicht die Distribution auf syntagmatischer Ebene mit dem PRT, die den Übergang zur syntaktischen Distribution in mittelassyrischer (de Ridder 2018: 442) und -babylonischer (Aro 1955: 83ff.) Zeit kennzeichnet. Verben der i-Klasse und ihrer Ablautklasse stehen an gleicher Stelle wie das PRT progressiver zumeist im PRF. Für diese ist dann auch regelmäßig ein referentielles Objekt anzunehmen, d.h. es wird bei späterem Verweis auf dasselbe Objekt und nicht bloß das gleiche Bezug genommen – so z.B. bei einer konkreten Person als causee: a-ṣé-er aṣ=ṣēr ALL=RÜCKEN

ki-a-am-ma kīam=ma So=KONJ

KÙ.BABBAR

1

Silber

Eine

ma-na mana Mine

ù 2 ma-na tù-uš-ta-ag-me-er-šu ū mana tu-šgmer=šu Oder (KONJ) Zwei Mine PK.2-Ausgeben.Lassen=AKK.3.M Überdies hast du ihn an Silber eine Mine oder zwei Minen ausgeben lassen. AKT VIa 213: 30f. a-bu-ša-lim

qá-sú uš-ta-*bi4 qās=su u-šbbi PN Hand=POSS.3.M PK.3-Sättigen PN hat (ihn) mit seinem Anteil gesättigt. AKT III 14: 8f.

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393

Semantik der Distribution

Neben PRF des N-Stamms des möglicherweise als suppletiv zum PRT verstandenen PRF bei intransitivem Grundstamm ist ferner reflexiver N-Stamm zu nennen: mu-tum ú a-šu-tum mūt-um u aššut-um Mann-NOM KONJ Frau-NOM Mann und Frau haben sich getrennt.

i-tap-ru-sú i-tprus-ū PK.3-S.Trennen-PL.M TCL 21 214a: 3f.

Als Träger des Satzfokus, d.h. in der Funktion des foregroundings, der assertiveness usw. (Kouwenberg 2010: 145) begegnet PRF allgemein mit perfektiver Semantik anstelle des PRT als resultatives Perfekt (im XN-Intervall). Seine Distribution ist dabei von semantischen Beschränkungen abhängig. Semantisch beschränkte, d.h. konsequentielle, Lesarten sind: e-ma-ar-kà iš-té-en6 i-tí-zi-iz šu-ḫu-ut emār=ka išten i-tziz šuḫut Esel=POSS.2.M Einer PK.3-Stehen Bereinigen Einer von deinen Eseln blieb übrig (~ist hingetreten). Bereinige (das)!

AKT III 39: 25f.

a-wi-lam awīl-am Mann-AKK

ù u KONJ

i-na ina SEP/LOK

a-wa-tim awāt-im Sache-GEN

nu-ub-ta-iš nu-bˀˀiš PK.1PL-Beschämen

ší-bi ša lá i-dim i-šé-e-ma šīb-ī ša lā id-im i-šeˀˀe=ma ZeugePK.3SUB NEG ArmOBL.PL GEN Suchen~PRS=KONJ Den Herrn beschämten wir in der Sache und jetzt sucht er grundlos nach Zeugen. i-na ina SEP/LOK

lu-qú-tim luqūt-im Transportgut-GEN

a-ni-tim anni-t-im DEM-F-OBL

a-ni anni Jetzt

AKT III 92: 24ff.

qá-tí qāt-ī Hand-OBL.PL

ša-zu-za-at a-bi-ni i-ta-dí-nu šazzuzāt ab-i=ni i-tdin-ū Geschäftsvertreter Vater-GEN=POSS.1PL PK.3-Geben-PL.M Auf dieses Transportgut haben (ihre) Hände die Geschäftsvertreter unseres Vaters gelegt. AKT VIa 229: 25ff.

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394

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

8.8.4 Diskurs 8.8.4.1 Formularischer und freier Gebrauch des Perfekts Außerhalb des strengen Formulars der meisten Urkunden findet sich auch das PRF unabhängig der Semantik. Ein Vergleich mit dem PRT führt zu dem Schluss, dass die Setzung des PRF hier nach pragmatischen Überlegungen vorgenommen werden kann, wenn der Sprecher oder Schreiber dies für angebracht erachtet – unabhängig der Referenzstruktur des Objekts. Lexikalische Restriktionen sind wohl bereits altassyrisch außerhalb der konservativen Formulare nicht anzunehmen. Das PRF in diesen Kontexten kann nicht mehr regelmäßig durch die Konsequentialität erklärt werden, sondern kennzeichnet bereits den Beginn der Verdrängung des PRT aus dem non-modalen Paradigma, ist also Ausdruck einer begonnenen Grammatikalisierung, die im STA nicht zu erkennen ist. Der diskursabhängige Gebrauch überlagert den semantischen soweit, dass er in der Betrachtung der Briefe auf diese eine Funktion reduziert wird (Kouwenberg 2010: 150): šu-ma šumma Wenn(KOND)

ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK

ša ša SUB

ku-nu-ki-kà kunukk-i=ka SiegelGEN=POSS.2M

a-na-aḫ-ì-lí PN

lá lā NEG

im-ta-aḫ-ra-ni

i-mḫr-an=ni PK.3-Empfangen-VENT=AKK.1SG Wenn die Tafel mit deinem Siegel PN nicht von mir empfangen, (…).

AKT V 7: 14ff.

PRF: PRS Wechsel bei gleichem Korpus und Autor: šu-ma e-ma-ra-am iḫ-ta-ša-aḫ ša-ma-šu-⸢.um⸣ šumma emār-am i-ḫšaḫ šām-ā=šum Wenn(KOND) Esel-AKK PK.3-Brauchen Kaufen-PL=DAT.3.M (PN bringt euch 4 Minen Zinn mit meinem Siegel). Wenn er einen Esel verlangt hat, kauft ihm einen! AKT VIc 586: 13f. šu-ma ANŠE i-ḫa-ša-aḫ ANŠE šumma i-ḫaššaḫ Wenn(KOND) Esel PK.3-Brauchen~PRS Esel (PN bringt euch 4 Minen Zinn mit meinem Siegel). Wenn er einen Esel verlangt, kauft ihm einen Esel!

ša-ma-⸢šu⸣-um šām-ā=šum Kaufen-PL=DAT.3.M AKT VIc 584: 17f.

Die Abweichung vom Formular begegnet auch in Privataufzeichnungen, die in der 1Person verfasst sind: šu-ma KÙ.BABBAR lá šumma lā Wenn(SUBJ) Silber NEG Wenn sie das Silber nicht bezahlen, (…).

iš-ta-a[q-lu] i-šql-ū PK.3-Bezahlen-PL.M AKT V 35: 17f.

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395

Semantik der Distribution

a-wa-at DINGIR.ḪI.A ta-am-tí-ší-i awāt ta-mšī Wort Götter PK.2-Vergessen Hast du das Wort der Götter vergessen? TCL 20 94: 21f.

8.8.4.2 Pragmatische Lesarten Einige Kontexte des PRF Gebrauchs lassen sich unter pragmatischen Funktionen zusammenfassen. Sie folgen keiner syntaktischen oder morphologischen Beschränkung, begegnen allerdings regelmäßig: a) Als Thema eines Schreibens im Anschluss an die Briefeinleitung: a-na ana ALL 13

ša-lim-a-šur PN1

qí-bi4-ma qibi=ma Sprechen=KONJ

a-bu-ša-lim-ma PN2=KONJ

i-ta-dí-in i-tdin Dreizehn Esel PN3 PK.3-Geben Zu PN1 sprich: Folgendermaßen (spricht) PN2: Dreizehn Esel hat PN3 verkauft. um-ma umma QUOT

ANŠE.ḪI.A

um-ma umma QUOT

a-mur-ištar

i-šar-be-li

a-na ana ALL

ṣú-ḫa-ri-a a-za-al-pá ṣuḫār-i=ja az=zalpa PN keinDienerALL=ON ma? GEN=POSS.1SG Folgendermaßen (sagte) PN: meinem Diener habe ich nach ON geschrieben.

AKT VIa 179: 1ff. áš-ta-pá-ar a-špar PK.1SGSchicken AKT VIa 194: 19f.

b) In Briefen und der direkten Rede neben seinem Gebrauch als futurum exactum häufig als hot news perfect zur Darstellung im Diskurs neu eingeführter Informationen: umma umma QUOT

puzur4-ištar-ma PN=ma PN=KONJ

a-bu-kà abu=ka VaterPOSS.2 .M

maš-ke-e mašk-ē TierfellOBL.PL

il5-ta-qé-ma i-lqe=ma PK.3Nehmen= KONJ

KÙ.BABBAR Silber

ša-bu

šabbû Sättigen\PL.M.SK Folgendes (sagte) PN: Dein Vater hat die Tierfelle (bereits) genommen und er ist mit dem Silber gesättigt.

AKT VIa 83: 13f.

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396 c)

Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Als konstatierender Nachsatz, d.h. in resumptiver Taxis (5.2.6):

áš-me-ma a-šme=ma PK.1SG(PRT)Hören=KONJ

li-bi libb-ī Herz=POSS.1SG

ki-ma kīma Wie

im-ta-ra-aṣ i-mraṣ PK.3-Krank.Sein Ich hörte es und da ist mein Herz ob der zehn Minen krank geworden. 3



URUDU

SIG5

Drei

Talent

Kupfer

Gut

iš-tí išti Bei

ku-ku-wa PN

KÙ.BABBAR

10

Silber

10

ma-na mana Mine

AKT III 89: 22f. ú-mu-šu ūm-ū-šu Tag-NOM\PL-POSS.3.M

e-ta-at-qú ētq-ū PK.3-Passieren-PL.M Drei Talente gutes Kupfer sind bei PN – seine Frist ist abgelaufen.

AKT VIa 129: 37f.

d) Als subjektive Erfahrung des Sprechers: lu-mu-un li-bi4-im e-ta-ap-šu-ni lumun libb-im ēpš-ū=ni Leid Herz-GEN PK.3\Machen-PL.M=AKK.1SG Sie taten mir (aber) ein Leid an. AKT III 71: 14f. a-ša-qal a-šaqqal PK.1SGZahlen~PRS

KÙ.BABBAR Silber

a-na ana ALL

ú-ṣú-ra-nim PN

aš?-ta-qal a-šqal PK.1SGZahlen

ù ṭup-pu-šu ḫa-ar-ma-am al-té-qé u ṭupp-u=šu ḫarm-am a-lqe KONJ Tafel-NOM=POSS.3.M Versiegelt-AKK PK.1SG-Nehmen (…) werde ich zahlen. Dem PN habe ich das Silber schon gezahlt und seine versiegelte Tafel nahm ich. AKT VIIa 261: 11ff.

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Semantik der Distribution

e)

Mit affirmativer emphatischer Partikel:

um-ma umma QUOT

a-na-ku-ma anāku=ma PERS.1SG= KONJ

ku-a-tí kuāti PERS.2. OBL

lu lū AFFIRM

uš-ta-bi4-ma u-šbbi=ma PK.1SGSättigen= KONJ

i-ṣú-ra-tum iṣur-āt-um UrkundeF\PL-NOM

i-a-a-tum

jā-t-um POSS.1SG-F-NOM Folgendermaßen (sage) ich: Ich habe dich fürwahr gesättigt und (daher) sind die Urkunden meine. f)

Affirmativ gegenüber negiertem PRT:

ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK GÍR

mì-ma mimma INDEF

ša ša SUB

ù-lá ula NEG

il5-qé i-lqe PK.3-(PRT)Nehmen

a-šur

a-qá-tí a-wi-li iš-ta-kà-an aq=qāt-ī awīl-ī i-škan ALL=HandDolch DN Mann-OBL.PL PK.3OBL.PL Setzen Er nahm keine Tafel. Stattdessen legte er den Dolch des Assur in die Hände der Männer. AKT III 92: 22f.

g) Mit emphatischem Subjekt im Brieftext: a-ta atta PERS.2.M

TÙG.ḪI-tí-a té-ta-az-ba-am ṣubāt-ī=ja tēzb-am GewandPK.2\Hinterlassen-VENT OBL.PL=POSS.1SG Du (selbst) hast mir meine Gewänder hinterlassen. AKT VIa 129: 13f.

h) Mit emphatischem, aber inkorporiertem Objekt a-ta atta PERS.2.M

ú-za-ni-ma uzan=ni=ma Ohr-POSS.1PL=KONJ

lá lā NEG

ta-áp-té-té-e ta-pte PK.2Öffnen Unser Ohr aber hast du nicht geöffnet (~uns nicht informiert).

AKT VIc 535: 10f.

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

Altassyrisch ergibt sich für das PRF folgendes Bild, bei dem die Beschränkung auf perfektzeitliche Lesarten zu beachten ist (s.u. 11.4.2)13: PRF als Form des Fokus transitiv-dynamisch belebtes Subjekt/Objekt XN-Intervall ≥ R

PRF PRF PRF

8.8.4.3 Non-Fokus-Lesarten (PRT) in Auswahl Die Lesarten des PRF als Träger des Fokus der Aussage wurden in der Literatur von verschiedenen Autoren begrifflich unterschiedlich gefasst. So schreibt etwa Kouwenberg: “Free t-perfects […] convey notions such as involvement of the speaker/ writer, urgency, and actuality; the events in question arouse strong feelings in the speaker, are recent or relevant to the present situation and/or the people involved, and often as yet unknown to the addressee.” Kouwenberg (2010: 142). Im Umkehrschluss erhobene Belege für PRT als Non-Fokus fehlen m.W. Eine solche Zusammenstellung ist wichtig, weil nicht eine einfache komplementäre Verteilung von PRT und PRF anzusetzen ist, und der Fokus auch auf anderen Satzteilen als einem Prädikat liegen kann. Einige heuristisch zusammengetragene Belege für das Altassyrische, auf deren Prädikat nicht der Fokus der Aussage liegt und daher PRT steht, sind: Mit Fokus auf der Apodosis der zwei Konditionalsätze in Z.19 (PRS): Sie befreien ihn von Ansprüchen. ṭup-pu-šu iḫ-ri-im-ma ṭupp-ū=šu i-ḫrim=ma TafelPK.3NOM=POSS.3.M (PRT)In.Hülle.Schliessen=KONJ Seine Tafel schloss er in Hülle und (…) – wenn (…).

(…)

šu-ma šumma Wenn(KOND)

(…)

AKT VIIa 62: 4ff.

Bei Negation bzw. gehobener Sprachgebrauch der Richter: šu-ma šumma Wenn(KOND)

lá lā NEG

ú-kà-i-nu-šum u-kaiˀˀn-ū=šum PK.3-BeweisenPL.M=DAT.3.M

mì-ma mimma INDEF

Wenn sie es ihm nicht beweisen, kommt nichts in Abzug. 4½



URUDU

lá-mu-num lammun-um

ḫu-ma

ú-lá ula NEG

i-ṣa-ḫi-ir i-ṣaḫḫir PK.3In.Abzug.Kommen~ PRS AKT VIIa 205: 12f.

ta-⸢aṣ-ḫi-ra⸣ ta-ṣhir-ā

13 Der Wandel des PRF zum old anterior und die Verdrängung des PRT bedarf noch diachroner Untersuchung. Zur mittelassyrischen Distribution s. de Ridder (2018: 436ff.). Zum XN-Intervall s.o. 4.6.4 & 4.8.3.

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Zusammenfassung

PK.2(PRT)In.Abzug.KommenPL Viereinhalb Talente schlechtes Kupfer habt ihr Huma abgezogen. AKT VIc 622: 5f. 4½

Talent

Kupfer

Schlecht-NOM

PN

Fokus auf der direkten Rede: áp-qí-id-sú-um um-ma a-pqis=sum umma PK.1SG-(PRT)Anvertrauen=DAT.3.M QUOT (…) vertraute ich ihm an; folgendermaßen ich:

a-na-ku-ma anāku=ma PERS.1SG=KONJ AKT VIIa 62: 26f.

Fokus liegt auf der Beurkundung (das bereits Bekannte wird beurkundet): (…) (…)

i-ri-ḫa-am i-rīḫ-am PK.3(PRT)Übrig.SeinVENT

lá-lu-um PN

ki-ma kīma Wie

šu-a-tí šuāti PERS.3. OBL

KÙ.BABBAR Silber

is-ni-qam

i-sniq-am PK.3-(PRT)Prüfen-VENT (1 2/3 Minen und 4 Schekel) blieben mir übrig. PN sein Stellvertreter prüfte das Silber für mich.

AKT VIIa 199: 6ff.

Fokus auf vorangehendem Prekativ: ma-nu-um mann-um INTERRO G-NOM

KÙ.BABBAR-pí Silber=POSS.1SG

li-iš-qú-lam li-šqul-am OPT.3-ZahlenVENT

i-ku-num PN

mì-ma mimma INDEF

[lá] lā NEG

e-pu-lá-ni

ēpul-an=ni PK.3\(PRT)Zahlen-VENT=AKK.1SG Wer soll mir mein Silber zahlen? PN hat mir nichts bezahlt!

AKT VIIa 254: 10ff.

8.9 Zusammenfassung Der PRT-Stamm entspricht aufgrund der Funktionsanalyse im historischen Sprachbestand einem Resultativ. Die Ähnlichkeit des Imperativs zum PRT beschränkt sich zunächst auf die Identität des Themenvokals. Die tatsächliche Transfigierung weist aber eine Reihe von Abweichungen auf, die es unmöglich machen, den ersten Vokal als Vorschlagsvokal ohne semantischen Gehalt zu interpretieren – namentlich in Imperativen der Form piras (Kouwen-

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Belegkatalog zu Präteritum und Perfekt

berg 2010: 134f.). Hinzu kommen andere, den Wortstamm betreffende Abweichungen, wie bei den Verben I-n und I-w, die den Imperativ der zweikonsonantigen Wurzeln als neutralen Stamm gegenüber einer perfektiven Aktionsart ausweisen, die durch paradigmatischen Ausgleich lexikalisch generalisiert wurden. Den Imperativ weist die Zahl unregelmäßiger Bildungen zunächst als historisch vom PRT unabhängigen Stamm aus. Die regelmäßige Entsprechung darf hingegen als Ausdruck der gemeinsamen lexikalischen, dynamischen Semantik in PRT und Imperativ verstanden werden, wodurch Unterschiede zum STA zu erklären sind, der nur die imperfektive (zumeist zuständliche) Lesart beschreibt. Die genaueren Zusammenhänge bleiben daher m.E. undurchsichtig. Aufgrund des hohen anzunehmenden Alters ist eine befriedigende Erklärung zur Genese des Imperativs wohlmöglich überhaupt auszuschließen. Drei semantische Perfekta besitzt das Akkadische. Unter diesen steht der STA als syntaktisch imperfektive Form hervor. Der STA selbst kann als solches nur unter einem erweiterten Perfektbegriff gefasst werden, der z.B. den älteren Lesarten des griechischen Perfekts gleicht (4.6.6). Das PRT lässt sich altassyrisch – wie in den älteren Sprachstufen überhaupt – als old anterior begreifen (8.5.6). Seine perfektischen Bezüge mit den Lesarten Prt-6 bis Prt9 sind allesamt unter dem Begriff des extended-now (XN) Intervalls als perfektzeitliche Formen fassbar (8.5.1). Perfekt im engeren Sinne des Begriffs als Ausdruck eines XNIntervalls ist altassyrisch das PRF. Das PRF in seiner Distribution als innovierte Form zum perfektischen PRT steht bevorzugt mit Verben semantischer Konsequentialität (5.3.6.6) und darüber hinaus als hervorhebende Form, die den Satzfokus auf das verbale Prädikat verlegt (4.6.8). Diachron drängt die Fokusfunktion den semantischen Gehalt des Infixes zugunsten seines grammatischen zurück und die ursprüngliche Derivation des PRT wird zur paradigmatischen Form. In späteren Varietäten verliert es dann auch seine Funktion als Träger des Fokus mit der Verdrängung des PRT ins modale Paradigma in den meisten belegten Varietäten14. Das PRF bezeichnet immer ein XN-Intervall – d.h. die Perfektzeit und nicht den Perfektzustand (4.6.4) – im altassyrischen Sprachbestand. Unsicher bleibt aufgrund der Belege, ob der eingebettete Aspekt immer perfektiv zu interpretieren ist, also das PRF auf perfektive Lesarten beschränkt bleibt. Wird sich diese Überlegung bestätigen, so verhält es sich als Ableitung aus einer perfektiven Aktionsart aus typologischer Perspektive ganz analog zu morohologisch perfektiven Perfektbildungen (4.8.2.2). Universale Lesarten sind dann auszuschließen (4.6.2). Wenn sich das semantische Merkmal Konsequentialität, wie hier für das PRF vorgestellt, in anderen Dialekten bestätigt, darf dann auch die Semantik des ta-Infixes der Stammformen dahingehend gedeutet werden.

14 Ob das PRT dialektal oder nur diaphasisch zur modalen Form wird, ist neu zu untersuchen (5.2.6).

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9 Taxis 9.1 Einführung 9.1.1 Allgemeines Die syntagmatische Verknüpfung aspektueller Formen wird Taxis genannt (5.2.6). Unter diese kann bspw. das Inzidenzschema gezählt werden. Neben der Zusammenstellung nach ihrer Aspektdichotomie sind ferner Formen mit besonderen semantischen Eigenschaften (das Progressiv und alle Typen des Perfekts [4.6.7]) von Bedeutung. Im Akkadischen konstituiert sich das System der Taxis (1) am Bestand der non-modalen Verbalformen, (2) der Opposition von Subjunktiv und Indikativ sowie (3) dem Gebrauch modaler Formen. Gegenüber einem einfachen System perfektiver und imperfektiver Formen wird das Altassyrische durch das Nebeneinander zweier syntaktisch imperfektiver Formen sowie der pragmatischen Distribution von PRF und PRT im perfektzeitlichen Kontext bestimmt. Der Gebrauch des Subjunktivs ist vor allem durch seine regelmäßige Beschränkung auf Nebensätze bestimmter Typen noch auf eine aspektuelle Grundfunktion zurückzuführen und als solches als Aktionsart erkennbar (9.3). Der Gebrauch modaler Formen schließlich, z.B. im finalen Sinn im Wechsel mit non-modalen Formen und die Distribution modaler Lesarten auf die verschiedenen Stämme verläuft ganz analog zum Altgriechischen und unterscheidet sich von diesem im Wesentlichen durch das Fehlen eines formalen Konjunktivs, dessen Lesarten im Indikativ des Altassyrischen und anderer akkadischer Varietäten aufgehen. Beim Etikett des Indikativs im Altassyrischen ist zu beachten, dass dieser zunächst funktional auch konjunktivische Semantik besitzt und dass das einfache PRT späterer Sprachstufen weitgehend modal verwendet wird und in Funktion eines etwa im Altassyrischen morphologisch gekennzeichneten optativischen Kontextes begegnet (s.u.a. Streck 1995a: 127). 9.1.2 Taxis als Funktion des grammatischen Aspekts Die Taxis spielt in der Untersuchung der Aspektsemantik eine zunächst untergeordnete Rolle, ist als solche gesondert zu berücksichtigen (Sasse 2003: 263). Sie wird hier in einem eigenen Kapitel umrissen, denn die Darstellung des Subjunktivs und seiner Wechselwirkung mit den Aspektkategorien des Verbs führen zu einer anderen Darstellung desselben als in vorangegangenen Studien zum akkadischen Verb. Die grundlegenden Erkenntnisse zu den Modi des Akkadischen sollen damit keineswegs in Frage gestellt werden. Im Vordergrund steht hierbei vielmehr ihre semantische Komponente. Die bisherigen Studien zu den Tempora des Akkadischen sowie des semitischen Verbs insgesamt haben in zunehmendem Maße syntaktische Bezüge in den Vordergrund gestellt.

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402

Taxis

Dies hat zum einen den Blick auf die Semantik der Formen verstellt 1, zum anderen auch den Weg für ein Modell der relativen Tempora geebnet (1.2.2). In diesem Kapitel werden daher die wesentlichen Beobachtungen kurz angeführt und darüber hinaus werden einige Bemerkungen über spezifische syntagmatische Erscheinungen im altassyrischen Textkorpus gegeben, deren Prüfung in anderen Varietäten noch aussteht.

9.2 Indikativ und modale Formen 9.2.1 Die Präformativkonjugation 9.2.1.1 Allgemeines Nach seiner syntaktischen Aspektsemantik unterscheidet der Indikativ des Verbs im einfachen Zeitkontext vergangene Situationen im PRT oder PRF (Kap. 8) von nicht vergangenen Situationen im STA (Kap. 7) oder PRS (Kap 6). Die Möglichkeiten zur Bezeichnung der Vergangenheit durch PRS oder STA sind altassyrisch nur selten belegt2. Die grundlegende Opposition von STA und PRS führt zu einer Alternation von Zuständlichkeit und Dynamik: Imperfektive Taxis state activity accomplishment achievement

~ stativer Aspekt/stative Diathese

STA

progressiver Aspekt/ progressive Diathese

PRS

Durch Eigenschaften verschiedener Lexeme kommt es allerdings zu Verwerfungen in dieser Distribution: Für den progressiven Aspekt ist im Akkadischen besonders die stark grammatikalisierte Funktionsweise zur Bezeichnung der Nachzeitigkeit zu beachten. Im allgemeinen Gebrauch der Tempora betrifft dies vor allem die Verbindung mit achievement und das sogenannte futurate progressive (4.4). Hierbei handelt es sich grundsätzlich nicht um seltene Funktionen des Progressivs und auch nicht um einen seinen Begriff erweiternden Funktions1 In einer rein syntaktischen Analyse werden STA und PRS zunächst immer als imperfektive Formen in Erscheinung treten. Unstimmigkeiten treten allerdings bei der Analyse des STA als recent past usw. auf. Für das PRS kann die Definition non-past bei Ausblendung der lexikalischen Restriktionen erfolgen. Erst aufgrund der Semantik ist ein Progressiv anzusetzen. Die fortgeschrittene Grammatikalisierung desselben ist sowohl für die Frage nach dem semantischen Wandel der Präsens/Imperfektiv-Kategorie von Interesse als auch dafür, ob der regelmäßige Grammatikalisierungspfad von Progressiv und Imperfektiv ein Präsens als Zwischenstufe erfordert (Zum ganz analogen Verhältnis des Perfekts zu Präteritum und Perfektiv vgl. Bybee u.a. 1994: 105). Die Hypothese, dass past: non-past Tempora eine Unterkategorie der jeweiligen Perfekt/ Perfektiv und Progressiv/ Imperfektiv Kategorie und ferner future: non-future Tempora eine modale Derivation derselben sind, ist daher durchweg plausibel, verlangt aber noch nach eingehender Untersuchungen anhand der Wechselwirkung mit weiteren obligatorischen TMA-Morpheme sowie der Frage nach dem paradigmatischen Ausgleich semantischer Lesarten der Lexeme und der Möglichkeit neue Restriktionen auszubilden. Das gilt in noch größerem Maße für die Frage nach der begrifflichen Einordnung von Progressiv und stativem Perfekt, nämlich ob diese eigentliche Aspektformen oder Diathesen einer semantischen Relation mit Split im imperfektiven Formenbereich darstellen (5.3.6). 2 S. hierzu die Belege und ihre Besprechung unter 6.6 und 7.7.2.

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403

Indikativ und modale Formen

bereich. Gegenüber der englischen Sprache oder dem Cayuga (Sasse 2000) kommt es im Akkadischen allerdings durch das Fehlen diskreter das Tempus bezeichnender Morpheme zu einem stärker ausgeprägten Gebrauch dieser Funktionen. Die Alternation von Statik und Dynamik kann nicht auf die Distribution von PRT und PRF übertragen werden, und in späteren Sprachstufen des Akkadischen (vgl. Streck 1995a) ist vor allem der Beleg zuständlicher Lesarten im PRT zu beachten (8.3.5). Die indikativische Aspektsemantik der beiden Formen bildet im Altassyrischen keine syntaktische Opposition. Für den Gebrauch ist allerdings bemerkenswert, dass das PRF regelmäßig von der Bezeichnung der Vorvergangenheit (8.8.3) oder einfachen Vergangenheit ausgeschlossen ist3. Einfacher Zeitlagenbezug der akkadischen Verbalformen past non-past Perfekt PRT PRT/PRF Differenzierter Zeitlagenbezug der Vergangenheit imperfektiv perfektiv non-progressiv progressiv STA PRS PRT

non-past PRS/STA

perfektisch XN, imperfektiv

XN, perfektiv PRT/PRF

Die prinzipiellen Möglichkeiten zum Ausdruck der verschiedenen Taxisformen folgen den syntaktischen und semantischen Vorgaben der Aspektdichotomie und des Perfekts. Allerdings ist zu beachten, dass das Altassyrische zugleich ein dem homerischen Griechisch gleichendes imperfektives Perfekt, wie auch zwei extended-now Perfekta besitzt, von denen das PRT ein old anterior ist. Das PRF hingegen ist ein rein perfektives Perfekt ohne universale Lesarten. 9.2.1.2 Zeitlagenwechsel Die Parataxe PRT/PRF-PRS bezeichnet regelmäßig den Zeitlagenwechsel Vergangenheit: Gegenwart. Auch ein dem PRS vorangehendes PRT ist dabei zumeist als resultativ zu deuten. Die semantischen Lesarten überschneiden sich mit denen perfektiver Formen wie etwa beim Präsens im Altgriechischen, z.B. bei Verben wie ἥκω: ich bin gekommen und οἴχωμαι: ich bin gegangen (vgl. 4.2.5). Bei Annahme eines nicht-perfektischen PRT ist umgekehrt auf ein PRS der Nachzeitigkeit oder Sperrung in der Vergangenheit zu prüfen. Diese Abweichungen von der standardisierten Lesung sind jeweils am Einzelfall zu prüfen. um-me-a-nu ummeān-ū GeldgeberNOM\PL

ša ša SUB

a-bi4-ni ab-i=ni VaterGEN=POSS.1PL

i-ṣa-áb-tù i-ṣbt-ū PK.3-Packen-PL.M

3 Das isolierte PRF hat altassyrisch immer auch perfektische Semantik, da eine präteritale oder perfektive Semantik den Gebrauch in der sequentiellen Taxis prinzipiell ermöglicht.

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Taxis

ù sí-ki-ni ú-kà-lu u sikki=ni u-kall-ū KONJ Saum=POSS.1PL PK.3-Halten~PRS-PL.M Die Geldgeber unseres Vaters haben (40 Minen Kupfer) gepackt und sie halten uns(eren Saum) fest.

AKT VIa 230: 7ff.

9.2.1.3 Inzidenz und Sequenz Die Verfügbarkeit von zwei Formen für syntaktische Imperfektivität hat zur Folge, dass das Inzidenzschema in Verbindung mit dem PRT als perfektiver Basis in zwei verschiedenen Konstruktionen vorliegen kann. Insgesamt ist die Belegzahl insbesondere für das PRS im Akkadischen gering und es finden sich häufiger nominale Konstruktionen und Temporalsätze4. Zudem steht mit dem STA eine zweite imperfektive Form mit einer für das backgrounding geeigneteren Semantik zur Verfügung. Die seltenen backgrounding Belege des PRS betreffen vor allem die prozessuale Inzidenz. Hier ist besonders die (vorläufige) Fehlanzeige einer Inzidenz mit PRF anstelle eines PRT zu vermerken. Zu erklären ist diese durch den perfektischen Charakter des PRF, die eine Verwendung im Inzidenzschema solange sperrt, wie die sprachliche Varietät nicht bereits erste nicht-perfektische, perfektive Lesarten des PRF erlaubt5. Beleg eines perspektivischen s-levels (5.3.4.2): ḫi-dam ḫidd-am Perle-AKK

KÙ.GI Gold

ša ša SUB

a-na ana ALL

ṣú-ḫa-ar-tim ṣuḫart-im Mädchen-GEN

tù-šé-bi4-lá-ni tu-šēbil-an-ni PK.2-(PRT)BringenVENT-SUBJ

ma-sú-ùḫ-ma

massuḫ-ø=ma Verächtlich.Behandeln-3SG.SK=KONJ Die Perle aus Gold, die du dem Mädchen schicktest, war minderwertig (sie wollte sie nicht nehmen).

AKT VIb 348: 34f.

Für eine prozessuale Inzidenz im Altassyrischen ergeben sich keine Belege 6. Ein Beleg für prozessuale Inzidenz wird für die literarischen Texte in Streck (1995b: 63f.) erbracht: enūma Als

Enlil DN

i-rammuk-u PK.3-Baden~PRS-SUBJ

mê Wasser\OBL

ell-ūt-i Rein-ADJ.PLOBL

4 Daher behauptet Streck (1995a: 240541) noch es gäbe keine Inzidenz mit dem PRS. Diese Aussage wird durch Streck (1995b: 64) revidiert. Tatsächlich lässt sich wohl auch in Streck (1995a: 117) ein Beleg für Inzidenz finden. 5 Zum sprachtypologischen Kontext s.o. 4.8.3.6. 6 Hierzu vgl. die Belege in Kouwenberg (2010: 93) für andere akkadische Varietäten.

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Indikativ und modale Formen

[...]

ṭup Tafel

šīmāt-i Schicksal-GEN

i-kšud-a PK.3-(PRT)Erreichen-VENT

qāt-uš=šu HandLOK=POSS.3.M Als Enlil im reinen Wasser badete, da erreichte er die Tafel des Schicksals in seiner Hand.

„Festzuhalten ist die Tempusfolge des akkadischen Satzgefüges: die Inzidenzbasis verwendet das Präsens irammuku, der Inzidenzakt das Präteritum ikšuda. Vgl.: französisch: Inzidenzbasis imparfait, Inzidenzakt passé simple [...].“ (Streck 1995b: 64). In der Sequenz begegnet zunächst nur PRT, seltener auch eine Reihe von PRF Formen in Briefen. Das sukzessive Eindringen sequentiellen PRF in die altassyrischen Texte kann als Ausdruck der Diaphase der Briefe verstanden werden, auf die die Alltagssprache leichter einwirken kann als auf juristische Formulare und formularische Passagen (8.8.4.1). Die belegten Abfolgen von PRF in Briefen des Altassyrischen (8.8.4.2) verlaufen dem Muster nach ähnlich denen des Altbabylonischen (Kaplan 2002: 86). 9.2.1.4 Konditionales PRF Als Fokusträger steht das PRF entsprechend häufig in Protasen (Prt-12). Ob die Lesart hier rein perfektzeitlich zu erklären ist oder doch modal ist, bleibt unsicher (8.6.4): šu-ma šumma Wenn (KOND)

KÙ.BABBAR Silber

a-dí adi Bis

ITU.KAM Monat

ù u KONJ

2

ITU.KAM

2

Monat

lá lā NEG

uš-ta-ak-ší-id

u-škšid PK.3-Erreichen.Lassen Wenn er das Silber nicht in ein bis zwei Monaten hat eintreffen lassen, (…).

AKT VIIa 88: 8f.

9.2.1.5 Das Schema PRT – PRF Das regelmäßige Schema des PRF ist in Folge von einem oder mehreren PRT Formen, die durch ein PRF – in einzelnen Diaphasen auch durch mehrere PRF Formen – fortgesetzt werden. In diesem Kontext stehen sie als Ausdruck resumptiver Taxis (8.5.4) und können allgemein als existentiales Perfekt gegenüber allgemein perfektzeitlichen PRT verstanden werden. PRT-PRF: [i]-tù-ur-ma i-tūr=ma PK.3-(PRT)Umkehren=KONJ

a-na ana ALL

tí-ri tīr-ī Höfling-OBL.PL

⸢e⸣-kál-lim ekall-im Palast-GEN

[a-n]a ana ALL

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Taxis

40

ma-na mana Minen

40

KÙ.BABBAR Silber

a-ḫu-bu-ul aḫ=ḫubull ALL=Schuld

[a]-bu-ša-lim-⸢ma⸣ PN=KONJ

i-ta-ad-na-ni

i-tdn-an=ni PK.3-Geben-VENT=AKK.1SG Er kam zurück und für die Palasthöflinge gab er mir vierzig Minen Silber für die Schulden des PN. e-tí-iq-ma wa-ar-ki-tí-ma ētiq=ma warkitimma PK.1SG\(PRT)Passieren=K Später ONJ Ich zog weiter und danach hat PN eine Frau genommen. a-na ana ALL

kà-ri-im kār-im KarumGEN

ir-dí-a-ni-ma i-rdi-an=ni=ma PK.3-(PRT)FührenVENT=AKK.1SG=KONJ

ma-ma-ḫi-ir PN

AKT VIa 110: 29ff. a-ša-tám aššat-am Frau-AKK

e-ta-ḫa-az ēḫaz PK.3\Packen

AKT VIb 315: 5ff. KÙ.BABBAR

5

GÍN

Silber

Fünf

Schekel

uš-ta-ag-me-ra-ni-ma ṭup-pá-am ša ší-bi-a al-te-qé u-šgmer-an=ni=ma ṭupp-am ša šīb-ī=ja a-lqe PK.3TafelPK.1SGSUB ZeugenAusgeben.LassenAKK OBL.PL=POSS.1SG Nehmen VENT=AKK.1SG=KONJ Vor das Karum führte er mich und Silber von fünf Schekeln ließ er mich ausgeben und ich nahm eine Tafel mit meinen Zeugen. AKT VIb 350: 24ff.

Die Parataxe PRT-PRF ist auch bei Verben zu beobachten, die sonst nur selten im PRF belegt sind und dann den Fokus der Aussage tragen (8.8.4). Innerhalb der perfektisch/perfektiven Formenkategorie dient das PRF so als Form des foregroundings (8.8.3). So mit šaqālum: zahlen: ub-lá-ma ubl-am=ma PK.3\(PRT)Bringen-VENT=KONJ (…) brachte er mir und bezahlte.

iš-ta-[qal] i-šqal PK.3-Zahlen AKT VIa 203: 40f.

Die Parataxe steht auch mit negiertem PRF, wenn die negierte Handlung den Diskurs konstatiert, also der Fokus auf dieser negierten Aussage liegt:

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Indikativ und modale Formen

a-ta atta PERS.2.M

kà-ra-am kār-am Karum-AKK

tal-qé-ma ta-lqe=ma PK.2-(PRT)Nehmen=KONJ

a-na ana ALL

lá lā NEG

kà-ri-im kār-im Karum-GEN

KÙ.BABBAR

lá tù-uš-té-bi4-lam lā tu-šbil-am NE PK.2-Schicken-VENT Silber G Du (selbst) hast das Karum als wäre es nicht das Karum behandelt und das Silber hast du nicht geschickt. AKT V 74: 13ff.

Bei einer nachfolgenden Verbalform bleibt die consecutio temporum bewahrt. Sie steht dann ebenfalls im PRF und es kommt zur attractio temporis (4.1.3) und zum Ausdruck inferentieller Evidentialität (5.3.3.3): TÙG.ḪI.A Gewänder

tù-šé-li-a-ma tu-šēli-am=ma PK.2(PRT)Hoch.Sein.LassenVENT=KONJ

a-ni-ša-am annišam Hierhin

lá lā NEG

ḫa-ra-kà ta-ta-lá-ak ḫarrak=ka ta-ttalak Reise=POSS.2.M PK.2-Gehen Du hast die Gewänder heraufkommen lassen, und hast ohne hierhin einzutreten deine Reise angetreten.

té-ta-ar-ba-am tērb-am PK.2\EintretenVENT

AKT V 22: 11ff.

Ausnahmen der Parataxe PRT-PRF sind nur vereinzelt zu beobachten. So mit defektivem Verb idāˀum: wissen: a-na ana ALL

a-limki āl-im Stadt-GEN

uš-té-bi4-lu-ma u-šbil-ū=ma PK.3-Bringen.LassenPL.M=KONJ Sie ließen (es) zur Stadt bringen und du weißt es.

li-ba-kà libba=ka Herz=POSS.2. M AKT VIa 229: 32ff.

i-de8 īde PK.3\(PRT) Wissen

9.2.1.6 Isoliertes PRF Isoliertes PRF kann als einfache perfektzeitliche Form begegnen. Seine Setzung ist in Distribution zu PRT möglicherweise häufiger und entsprechend den Regeln der Verteilung neuer und alter Formen in Einzelsätzen (4.8.3.6):

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Taxis

a-na ḫa-al-pì-im da-ni-ìš ta-áš-ta-ak-na-ni ana ḫalp-im danniš ta-škn-an=ni ALL Angeklagt-GEN Sehr PK.2-Stellen-VENT=AKK.1SG Sehr zum Angeklagten hast du mich gemacht! AKT VIIa 272: 12ff.

Vom isolierten Kontext ist der Übergang zur sequentiellen Taxis für das Akkadische noch nicht hinreichend untersucht. 9.2.1.7 Wechsel im Diskurs Die Folge von PRS-PRF(/PRT) wird beim Übergang zu einer neuen Ereignisfolge im Diskurs verwendet. Hier wird das zukünftige Ereignis (PRS) ins Perfekt übertragen (futurum exactum), d.h. als Ereignis, das dem neuen Diskurs vorangeht, eingeführt. Auch mit Subjunktion (šumma) stehen Konditionalsätze im Indikativ. In der Protasis steht im Subjunktionalsatz zumeist – bei futurischer Zeitlage neben PRF und PRS – PRT. Mit PRT: a-na ana ALL

15

ḫa-am-ša-tim i-ša-qal šu-ma lá ḫamš-āt-im i-šaqqal šumma lā Woche-F\PLPK.3Wenn 15 NEG OBL Zahlen~PRS (KOND) In fünfzehn Wochen wird er bezahlen. Wenn er nicht bezahlt, (…).

iš-qú-ul i-šqul PK.3-(PRT)Zahlen AKT IV 3: 11f.

Mit PRF: a-na ana ALL

a-ḫi-a lá tù-ša-ar šu-ma tù-ta-šé-er aḫ-i=ja lā tuššar šumma tū\ššer Bruder-GENPK.2\Überlassen\P Wenn(KOND) PK.2\ NEG POSS.1SG RS Überlassen Überlasse es nicht meinem Bruder. Wenn du es meinem Bruder überlässt, (…). AKT VIa 249: 16f.

9.2.1.8 Das negierte PRF Das negierte PRF ist vermutlich altassyrisch seltener anzutreffen als in altbabylonischen Texten. Diachron können die Belege als PRF gedeutet werden, dass erst durch die Grammatikalisierung zur modalen Opposition in späterer Zeit von negierten Sätzen ausgeschlossen ist. Zu beachten ist allerdings, dass die diaphasische Abgrenzung jüngerer Varietäten noch nicht hinreichend untersucht wurde und hier noch von der Prämisse auszugehen ist, dass die literarischen Texte des Jungbabylonischen und ihr Gebrauch des non-modalen PRT keine Diaphase der synchronen umgangssprachlichen Varietäten ist sondern eine archaische Form des Akkadischen darstellt.

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Indikativ und modale Formen

Beispiel für negiertes PRF: [a]-na kà-né-eš ú-lá e-ta-ar-ba-am ana ula ērb-am ALL ON NEG PK.3\Eintreten-VENT (…) und nach ON ist er nicht gekommen. AKT VIIa 280: 39

9.2.1.9 Besondere Funktionen des PRS Das PRS drückt neben der Inzidenz (s.o.) gleichzeitige oder sich teilweise überlagernde Sachverhalte aus. Inweiweit die Setzung bzw. Auslassung einer Konjunktion Ausdruck einer inhaltlichen Differenzierung ist, bedarf noch weitergehender Untersuchung: KÙ.BABBAR

e-ra-ba-ma AN.NA-kam ni-ša-a-ma errab-am=ma ni-šâm=ma PK.3\Eintreten~P Zinn-AKK PK.1PL-KauSilber RSfen\PRS=KO NJ VENT=KONJ Sobald das Silber eintritt, werden wir Zinn kaufen und dir schicken. ri-ig-ma-am rigm-am Klage-AKK

nu-šé-ba-lá-ku-um nu-šēbal-ak=kum PK.1PLSchicke\PRSVENT=DAT.2.M AKT I 18: 29ff.

lá lā NEG

ni-na-dí DUMU i-na-a lá i-ša-me-e ni-naddi lā i-šamme PK.1PLSohn PN NEG PK.3-Hören~PRS Werfen~PRS So wie wir keine Klage erheben, so soll auch der Sohn des PN nichts davon hören. AKT V 23: 10ff.

Im Kontext der Vergangenheit begegnet das PRS selten außerhalb der literarischen Varietäten des Akkadischen (Kouwenberg 2017: 613ff.). Aufgrund der geringen Komplexität der altassyrischen Texte lassen sich nur wenige Formen eindeutig als Vergangenheit verstehen. Ein Gebrauch als Vergangenheitsform durch adverbiale Konstruktionen ist vornehmlich für das zuständliche bašāˀum: vorhanden sein zu finden: ur-ki KÙ.BABBAR e-na-na-tim i-sà-ḫu-ru-ú urki i-saḫḫur-ū Nach Silber PN PK.3-Suchen~PRS-PL.M mì-ma i-qá-tí-šu lá i-ba-ší mimma iq=qāt-i=šu lā i-bašši SEP/LOK=HandINDEF NEG PK.3-Vorhanden.Sein~PRS GEN=POSS.3.M Nach dem Silber des PN haben sie gesucht-es war nicht bei ihm vorhanden. AKT V 23: 23ff.

Verwendungen mit impliziter Beendigung des Vorgangs begegnen auch außerhalb literarischer Texte und sind Ausdruck fortgeschrittener Grammatikalisierung des akkadischen PRS als Progressiv (5.4.1). Die besondere Stellung des PRS am (Doppel-) Versende, die in der

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Taxis

Dichtung häufig belegt ist, ist mit der konsekutiven Lesart im Akkadischen wohl funktionsidentisch. Wo das PRS nicht durch logische Subordination – konsekutiv, temporal u.ä. – erklärt werden kann, darf typologisch von einem imparfait de rupture gesprochen werden (4.2.6): „It presents a closed situation which constitutes a clear break with the preceding events. The Imparfait de Rupture often appears at the end of a sequence of perfective sentences. […]. Il me sourit et me tendit la main… avant de sortit, Armand prit une lettre fort épaisse, adressée à son père, et confidente sans doute de ses impressions de la nuit. Une demi-heure après nous arrivions à Montmartre. […]. The Imparfait de Rupture often contains an indication of the following moment, which completes the break with the preceding material.” Smith (1997: 212f.). So z.B.: i-a-tí jâti OBL. 1SG

AN.NA Zinn

ṭa-áp-ša-am ṭapš-am Fett-AKK

tù-uš-té-bi4-lam tu-šbil-am PK.2Bringen.L assen-VENT



i-lá-qé-šu

ú

a-na

lā NEG

i-laqqe=šu PK.3Nehmen~PRS=AKK.3.M

u KONJ

ana ALL

ú u KONJ

5.GÍN.TA Fünf.Schekel.Jeweils

ša-lá-tùwa-ar ON

Du hast mir “fettes” Zinn bringen lassen, aber zu je 5 Schekeln nahm es niemand und ich habe es nach Shalatuwar bringen lassen.

ma-ma-an mamman INDEF

uš-té-bi4-lá-šu u-šbil-aš=šu PK.1SGBringen.Lassen -VENT=AKK.3.M KBo 9 6: 8ff.

Dass auch ein achievement mit einem Progressiv verbunden werden kann, wird in der Literatur häufig vernachlässigt. Beispiele für den eingeschränkten Gebrauch im Englischen finden sich in Dowty (1979: 136f.). Ob einige relativische Anschlüsse (9.2.5) des PRS an PRT auch hierhin zu zählen sind, kann aus dem Kontext der Briefe und Urkunden nicht sicher erschlossen werden. Möglich ist hier auch die Lesung als Gleichzeitigkeit in der nachfolgenden Zeitstufe. Im Subjunktiv begegnet die Kennzeichnung der Vergangenheit häufiger und ist Ausdruck der semantischen Ladung des Subjunktivs als funktionale Gleichzeitigkeit (9.4.3). So in einem Kausalsatz und durch den Hauptsatz als vergangen bestimmt: ki-ma kīma Wie

lá-am-ni-iš lamniš Böse

e-ta-n[a]-pu-šu ētanappuš-u PK.3\I.W.Tun~PRS-SUBJ

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Indikativ und modale Formen

iš-tù išṭu Von

na-⸢aḫ⸣-ri-a ON

té-er-tí têrti Weisung

a-šur-ma-lik

DUMU

šu-ištar

PN1

Sohn

PN2

i-li-kam

i-llik-am PK.3-(PRT)Gehen-VENT Da er immer wieder Böses tat, kam aus ON eine Weisung des PN1, Sohnes des PN2.

AKT VIa 171: 5ff.

Lesart eines resultativen Imperfektivs (4.2.3) im Altassyrischen liegt vielleicht vor: a) semantisch bei Verben der sinnlichen Wahrnehmung und möglicherweise als Ausdruck sensorischer Evidentialität (5.3.3.3)7: a-ša-me-ma a-šamme=ma PK.1SGHören~PRS=KONJ

a-na ana ALL

ku-ta-ni kutān-ī Stoff-OBL.PL

ší-mu-um šīm-um Preis-NOM

i-na ina SEP/LOK

kà-ni-iš ON

i-ba-ší

i-bašši PK.3-Vorhanden.Sein~PRS Ich höre, dass es einen Preis für Kutanu-Stoffe in ON gibt.

AKT VIa 150: 14ff.

b) in temporalen Nebensätzen mit futurischem Zeitstellenwert: iš-tù ištu Von 15

30 30 ma-na mana Mine

ḫa-am-ša-tum ḫamš-āt-um Woche-F\PL-NOM KÙ.BABBAR

i-ma-lu-ú-ni i-mallû-ni PK.3-(PRT)Voll.Sein~PRS\PL.M-SUBJ a-na ana ALL

30

ḫa-am-ša-tim i-ša-qú-lu ḫamš-āt-im i-šaqqul-ū Woche-F\PLPK.3-Zahlen~PRS15 Silber 30 OBL PL.M Nachdem 30 Wochen vorbei sind, warden sie fünfzehn Minen Silber binnen 30 Wochen bezahlen. AKT VIa 182: 6ff.

9.2.2 t-Infix Aktionsart und Taxis In Erweiterung des Katalogs der Taxis des PRF treten verschiedene t-infigierte Formen auf, die formal nicht als Derivation des PRT zu deuten sind und somit auch kein PRF im Sinne der Morphologie sind. Sie sind altassyrisch für das PRS, den Imperativ und Prekativ nach-

7 Mittelassyrisch und ohne =ma (de Ridder 2018: 496) etwa in KAV 194: 8 (s.a. de Ridder 2018: 435).

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412

Taxis

zuweisen und beschränken sich nach dem Befund dieser Studie auf das Verb alākum: gehen (zur Stammform s.a. Kouwenberg 2010: 363 & 2017: 234 & 447). Das t-Perfekt des PRS begegnet als analogische Übertragung zu PRT-PRF mit dem GtStamm von alākum: gehen in der Folge PRS-PRS(Gt): i-ma-qú-tù-nim-ma a-ta-be-a-ma a-ta-lá-kam i-maqqut-ū-nim=ma a-tabbe-am=ma a-ttallak-am PK.3-Fallen~PRS-PL.MPK.1SG-Aufstehen~PRSPK.1SG-Weggehen~PRS-VENT VENT=KONJ VENT=KONJ (So wie) sie hier eintreffen, werde ich mich aufmachen und (dann) kommen8. AKT IV 39: 15ff.

Dagegen steht in nicht-finaler Position alākum im Grundstamm: i-ša-kán-ma i-šakkan=ma PK.3-Stellen~PRS=KONJ

a-na ana ALL

a-limki āl-im Stadt-GEN

i-lá-ak-ma i-llak=ma PK.3-Gehen\PRS=KONJ

a-limki en-um-a-šùr i-ša-a-am āl-im i-šâm StadtPK.3PN GEN Kaufen\PRS Investiert er und wird in die Stadt gehen und – die Ware – PN wird in der Stadt kaufen. AKT III 13: 16ff. [ší-mu]-um šīm-um Ware-NOM

i-na ina SEP/LOK

Andere Verben kodieren hingegen alle non-past Formen im PRS: i-ta-ma-ma i-tamma=ma PK.3Schwören~PRS= KONJ

18 18

ma-na ma-na Mine

URUDU

[a]-šur-ták-lá-ku

Kupfer

PN1

[a]-na ana ALL

be-lúm-ba-ni PN2

i-da-an

i-ddan PK.3-Geben\PRS Er wird schwören, dass PN1 achtzehn Minen Kupfer wird dem PN2 geben.

AKT III 35: 11ff.

Über den Befund einer solchen Tempusfolge in anderen Dialekten ist m.W. nichts bekannt. Dies betrifft sowohl die Frage ihrer historischen Distribution wie die Möglichkeit einer zumindest ursprünglichen dialektalen Eigenheit des Assyrischen. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die Taxis der verba dicendi in epischen Texten vor direkter Rede, die neben Formen in der Reihenfolge PRT – PRF -PRS noch eine zumeist auf 8 Zur Übersetzung so wie 8.2.3.

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Indikativ und modale Formen

413

Grundstamm des PRS folgende Form mit dem Wortstamm -zzakkar- erlaubt, die in Analogie zum altassyrischen Befund zu alākum als Gt des PRS begriffen werden darf9. Mit gleicher analogischer Übertragung sind altassyrisch ferner noch der Imperativ und der optativische Formen belegt, d.h sprecher-orientierte Modalformen der Lesart Prt-13. Imperativ des ti-dí-ma tí-ba-a-ma a-tal-kam Infixes:ta-aḫ-síis-ta-kà taḫsista=ka idi=ma tibâm=ma atalk-am AufzeichWerfen=KONJ Aufstehen\VENT=KONJ Weggehen-VENT nung=POSS.2.M Deponier die Aufzeichnung, mach dich auf und komm! AKT VIc 668: r5ff. tí-ba-a-ma a-ta-al-kam tibâm=ma atalk-am Aufstehen\VENT=KONJ Weggehen-VENT Steh auf und komm! KKS 33a: 19f.

Optativische Form des t-infix: lá-aḫ-ri-im-ma lá-at-be-a-ma lá-tal-kam la-ḫrim=ma la-tbe-am=ma la-ttalk-am OPT.1SGOPT.1SG-AufstehenOPT.1SG-Weggehen-VENT In.Hülle.Schliessen=KONJ VENT=KONJ Ich will sie in Hülle schließen, mich aufmachen und kommen. AKT VIc 639: 26f. li-li-kam-ma lá-at-be-a-ma lá-tal-kam li-llik-am=ma la-tbe-am=ma la-ttalk-am OPT.3-GehenOPT.1SG-AufstehenOPT.1SG-Weggehen-VENT VENT=KONJ VENT=KONJ (Deine Weisung) soll kommen, ich mich aufmachen und kommen. AKT VIc 688: 20ff.

9.2.3 Der Stativ (STA) Im STA ist anders als in der PK häufiger keine Suffixkonjunktion (=ma) anzutreffen, wenn der Handlungszusammenhang es erfordern würde, d.h. STA in nicht finaler Position der verbalen Parataxe steht. Stattdessen steht die SK zumeist dort, wo dem STA eine adverbiale Bedeutung zukommt. In einfacher Parataxe und ohne enklitische Konjunktion ist der STA koordiniert. Eine Trennung von neu einsetzendem Diskurs ist dabei nur kontextuell möglich:

9 Ein möglicher Beleg für nadāˀum findet sich in AKT VIa 281: 20.

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414

Taxis

15

ma-na mana

KÙ.BABBAR

ṣa-ru-pá-am ṣarrup-am

ni-is-ḫa-sú nisḫ-ās=su

DIRI

15

Minen

Silber

GeläutertAKK

AbzügeF\PL=POSS. 3.M

Aufgeschlagen

ša-bu-ú

i-na

li-bi

lu-qú-tí-kà

ša šé-ep

šabû Gesättigt\ PL.M.SK

ina LOK/SEP

libbi Herz

luqūt-i=ka TransportgutGEN=POSS.2.M

ša.šēp Lieferung

ša-du-a-sú šadduās=su SteuerF\PL=POS S.3.M

pu-šu-kiin

il5-ba-ni

PN1

PN2

ub-lá-kum

ubl-ak=kum PK.3\(PRT)Bringen-VENT=DAT.2.M 15 Minen geläutertes Silber, die Abzüge sind aufgeschlagen, seine Steuern sind gesättigt, brachte dir PN2 von deinem Transortgut, aus der Lieferung des PN1.

AKT VIa 2: 3ff.

Als Apposition: lu ra-bi4-a-at ku-nu-uk-ma lū rabi-at kunuk=ma OPT Groß.Sein-F.SK Siegeln=KONJ (…) – sei groß – siegel ihn! AKT VIc 649: 11f.

Nicht prädikativ ist ferner der STA ohne =ma, wo dieser das Subjekt beschreibt und attributiv ist. Im Unterschied zur Verwendung als prädikatives Attribut (s.u.) beschreibt er Eigenschaften des Subjekts unabhängig der kontextuellen Situation ma-aṣ-a-ku ú-kà-al-kà maṣâku u-kâl=ka Genügen\1SG.SK PK.1SG-Halten\PRS=AKK.2.M Ich bin veranwortlich, dich zu halten.

AKT VIb 495: 16

In Koppelung (Kouwenberg 2017: 695ff.) steht der asyndetisch koordinierte STA allerdings mit adverbialer Semantik (in Analogie zur Koppelung der Präformativkonjugation): KÙ.GI

da-mì-iq wa-ta-ar damiq-ø watar-ø Gold Gut.Sein-3SG.SK Überschüssig.Sein-3SG.SK Das Gold ist außerordentlich gut.

AKT VIa 166: 8

In Parataxe mit enklitischer Konjunktion ist der STA meist logisch subordiniert und zeigt adverbiale Semantik. Der Gebrauch des enklitischen =ma folgt dabei der Emphase bei

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415

Indikativ und modale Formen

adverbialen Ausdrücken im Akkadischen (regelmäßig und als solches lexikalisiert etwa bei Indefinita, hierzu GAG §§ 118b, 119b & 120b und Kouwenberg 2017: 758ff.) oder im Ugaritischen (Tropper 2012: 825). Analoge Verwendung von =ma mit Adverb finden sich auch altassyrisch (Kouwenberg 2017: 469f.). Bei kontextuell gegebenem prädikativem (kausal, Konzessiv usw.) Verhältnis ist die adverbiale Bedeutung prinzipiell offensichtlich. So kausal in: a-šur-DU10 PN1

i-na ina SEP\LOK

ub-lu-nim-ma ubl-ū-nim=ma PK.3\(PRT)BringenPL.M-VENT=KONJ

wa-aḫ-šu-ša-na

wa-ša-áb-ma wašab-ø=ma Sitzen3SG.SK=KONJ

ON

a-na ana ALL

lu-lu

8

GÍN.TA

PN2

Acht

Schekel.J e

AN.NA-kà Zinn=POSS.3.M

i-dí-nu-šu-ma i-ddin-ū=šum=ma PK.3\(PRT)GebenPL.M=DAT.3.M=KONJ

KÙ.BABBAR

a-ṣé-er a-šur-DU10 ú-šé-bi4-lu aṣ=ṣēr u-šēbil-ū Silber ALL=Rücken PN1 PK.3\(PRT)Bringen.Lassen-PL.M Weil PN1 in ON war, brachte man dein Zinn und verkaufte es an PN 2 zu Acht Schekeln und liess das Silber zu Lasten PN 1 bringen. BIN 5 23: 28ff.

Sowie konzessiv in: kà-i-lá kaˀˀil-ā Festhalten-PL

ki-ma kīma Wie

mì-ma mimma INDEF

lá lā NEG

ḫa-bu-lá-ak-šu-ni-ma ḫabbul-ak=šun-ni=ma Schuldig.Machen1SG.SK=DAT.3.M-SUBJ=KONJ

a-na 14 ma-na KÙ.BABBAR sí-ki ú-kà-lu ana mana sikk=ī u-kall-u ALL 14 Mine Silber Saum=POSS.1SG PK.3-Halten~PRS-SUBJ Haltet fest, dass, obwohl ich ihm nichts schulde, er wegen vierzehn Minen meinem Saum hält. AKT III 46: 18ff.

Schwieriger zu erkennen sind Verwendungen als prädikatives Attribut. In dieser Funktion beschreibt der STA Eigenschaften des Subjekts abhängig von der kontextuellen Situation. D.h., insofern er sich auf das Subjekt bezieht, ist er attributiv. Der s-level des STA wird dabei durch die zugehörige Verbalhandlung der PK begrenzt. Solche Syntagmen lassen sich ohne größere Bedeutungsverluste zumeist auch parataktisch ins Deutsche transponieren:

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416

Taxis

bu-lá-tù bûlāt-ū BetriebskapitalNOM\PL

ša ša SUB

a-bi4-kà ab-i=ka Vater-GENPOSS.2.M

kà-an-ku=ma kank-ū=ma SiegelnPL.M.SK=KONJ

Das Betriebskapital deines Vaters ist als gesiegeltes vorhanden.

i-ba-ší-ú i-bašši-ū PK.3Vorhanden.Sein~PRSPL.M AKT VIa 208: 15ff.

Ausnahme zu der Regel über die Verknüpfung von =ma und STA besteht vielleicht, wenn die nachfolgende Form selbst adverbiale Semantik besitzt, so mit konsekutivem PRS. Im genannten Beispiel ist eine Umkehrung der Subordination in der Übersetzung auszuschließen: mì-nam mīn-am INTERROGAKK

É

ana ALL

a-bi4-kà ab-i=ka VaterGEN= POSS.2.M

ù u KONJ

ku-a-tí kuāti PERS. 2.OBL

ḫa-bu-lá-ku-ma ḫabbul-ø-ak=kum=ma Schuldig.Machen-3SG.SKVENT=DAT.2.M=KONJ

ta-kà-na-ak

ta-kannak Haus PK.2-Siegeln~PRS Was bin ich deinem Vater und dir schuldig, dass du mein Haus siegelst ?

AKT III 47: 6f.

Auch STA in finaler Position kann eine adverbiale Semantik haben. Da an finaler Position die SK mit enklitischer Kopula =ma syntagmatisch ausgeschlossen ist, kann nur kontextuell entschieden werden, welche der Formen adverbial subordiniert ist. Die Deutungsmöglichkeiten folgen dem Beispiel von STA=ma PK, in denen der PK anstelle des STA adverbiale Semantik zukommt. 3 Drei

ša-na-at šanāt Jahr

a-šu-mì-kà aššum-i=ka WegenGEN=POSS.2.M

ra-qá-a-ku râq-āku Fern.Sein1SG.SK

lá lā NEG

bé-ú-lá-tí-kà beˀūlāt-ī=ka VerfügungskapitalOBL.PL=POSS.2.M

na-aš-a-ku

našâku Tragen\1SG.SK Drei Jahre war ich deinetwegen weg, ohne dass ich dein Verfügungskapital trug. qá-qá-ad qaqqad Haupt

KÙ.BABBAR Silber

a-wi-lá-am awīl-am Mann-AKK

AKT III 25: 9ff.

iṭ-ra-šu-ma iṭr-ā=šu=ma NehmenPL=AKK.3.M=KONJ

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a-wi-il5-tum awīlt-um Dame-NOM

417

Indikativ und modale Formen

kà-aṣ-da-at

kaṣd-at Festhalten-F.SK Nehmt dem Mann den Hauptteil des Silbers weg, denn die Dame ist festgehalten.

AKT VIa 136: 16ff.

Hingegen koordiniert mit Objektellipse (9.2.5): lu-qú-tám luqūt-am Transportgut-AKK

a-dí-na-ku-ma a-ddin-ak=kum=ma PK.1SG-(PRT)GebenVENT=DAT.2.M=KONJ

qá-tí qāt=ī Hand=POSS.1SG

ša-ak-na- šakn-at

Stellen-F.SK Ich gab dir das Transportgut, auf dem meine Hand lag.

AKT III 45: 5f.

Der STA steht syntaktisch als imperfektive Diskursform zum backgrounding: ša-lim-a-šùr

šu-bé-lúm

PN1

PN2

ù u KONJ

en-na-sú-en6

na-aṣ-bu-tù-ma naṣbut-ū=ma Einander.GreifenPL.M.SK=KONJ

PN3

um-ma umma QUOT

šu-bé-lúm-ma

PN2 PN1, PN2 und PN3 hielten einander gegriffen – (da sagte) PN2 folgendes: (…).

AKT VIa 59: 1ff.

Als Form der imperfektiven Beschreibung (backgrounding)10: ú a-na-ku a-dí mu-ṣí-im u anāku adi mūṣîm KONJ PERS.1SG Wegen Musu\GEN Und ich war in Furcht wegen des Muzu. ḫa-ra-an ḫarrān Weg

sú-ki-nim sukinn-im Gasse-GEN

dan-⸢na-at⸣ dann-at Schwer.Sein-F.SK

pá-al-ḫa-ku palḫ-āku Fürchten-1SG.SK AKT VIa 176: 12f. lá lā NEG

na-ṭù-ma naṭu-ø=ma Geeignet3SG.SK=KONJ

10 Zu naṭu/ū=ma s. Kouwenberg (2017: 697f.).

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lá lā NEG

418

Taxis

né-ra-⸢áb⸣

nērrab PK.1PL\Eintreten~PRS Der Schmuggelpfad ist schwierig. Es ist nicht möglich, dass wir (ihn) betreten.

AKT VIc 536: 7ff.

Durch die regelmäßigen Beschränkungen auf zuständliche Semantik können Beispiele nur für zuständliche Inzidenz beigebracht werden: i-nu-mì inūmi Als

a-bu-ni me-tù-ni ma-ṣa-ar-tám ku-nu-ki ab-u=ni mēt-ø-u-ni maṣṣart-am kunukki VaterSterben-3SG.SKDepot-AKK Siegel NOM=POSS.1PL SUBJ-SUBJ ša a-bi-ni a-lá-ḫu-um ip-té-ma ša ab-i=ni i-pte=ma SUB Vater-GEN=POSS.1PL PN PK.3-(PRT)Öffnen=KONJ Als unser Vater gestorben war, da öffnete PN das Depot mit den Siegeln unseres Vaters. AKT VIa 255: 2ff. KÙ.BABBAR

ma-sú-ùḫ massuḫ-ø Verächtlich.Behandeln-3SG.SK

nu-ṣa-id-ma nu-ṣa’’id=ma PK.1PLSilber (PRT)Zerschmelzen=KONJ Das Silber war von schlechter Qualität und wir schmelzten es (und es fehlten 5 Schekel). AKT VIb 371: 4f.

Der akkadische STA zeigt Konstruktion ohne enklitische Kopula einfache Parataxe, wie sie bei der PK mit =ma gekennzeichnet wird oder seltener attributive Funktion, wobei der STA im Satz des nachfolgenden Prädikats eingebettet ist. Die erhobenen Daten dieser Studie zeigen für das Altassyrische bei der Verknüpfung mit =ma hingegen durchweg eine adverbiale Nuance mit zumeist prädikativer Funktion, seltener als prädikatives Attribut, d.h. als Attribut eines Arguments, das nur für die Dauer der Verbalhandlung besteht 11. Attributive und prädikative Bildungstypen Deutsch attributiv Adjektiv prädikativ Adverb prädikatives Attribut Adverb

Latein Adjektiv Adverb Adjektiv

Sta -ø =ma =ma

11 Die Partikel =ma zu Verknüpfung von Verbalformen ist mittelassyrisch im Rückbau begriffen (de Ridder 2018: 496f.), sonst aber in allen Funktionen noch belegt (de Ridder 2018: 281ff.) und es fehlen mir sowohl Belege für mögliches asyndetisches Syntagma mit adverbialem STA (de Ridder 2018: 498f.), wie Belege des STA in Verbindung mit =ma (de Ridder 2018: 455ff. & 520ff.).

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Indikativ und modale Formen

9.2.4 Katalog der Formen der Taxis und ihres Aspekts Die Taxis beschreibt die Eigenschaften der Aspektformen im Rahmen ihrer syntagmatischen Verknüpfung (5.2.6). Die vier Grundtypen sind die der Sequenz, der Gleichzeitigkeit, die Inzidenz und der Resumptivität. Sequenz kann durch alle Formen der PK ausgedrückt werden. Die Wahl hängt von weiteren Gegebenheiten ab, wie pragmatischen und syntaktischen Restriktionen beim PRF oder PRS. Das PRT ist hier die einfache Form der Taxis im narrativen Text, wozu altassyrische Belege allerdings fehlen (vgl. hierzu 4.2.1). Gleichzeitigkeit (4.1.4) beschränkt sich auf das Nebeneinander syntaktisch imperfektiver Formen und findet praktisch eine Entsprechung im attributiven und prädikativen Gebrauch des STA in Verbindung mit einem weiteren STA oder PRS. Inzidenz (4.5.3) findet sich insgesamt im Akkadischen beim PRS nur selten und im Korpus fehlt ein sicherer Beleg. Unter den wenigen in der Literatur aufgeführten Belegen sind zumeist literarische Texte aufgeführt. Entsprechend häufiger begegnet der STA mit im Korpus erwarteter Lesart zuständlicher Inzidenzbasis. Auch das optativische PRT findet Verwendung zur Anzeige der Gleichzeitigkeit. Die entsprechenden Belege sind allerdings adverbial und offenbar erst durch die fortgeschrittene Grammatikalisierung der Form möglich (8.6.5.5 & 8.6.5.6). Resumptivität (5.2.6) bezeichnet eine Verbalhandlung in Folge einer anderen, die im Unterschied zur Sequenz einen Abschluss anzeigt und dann auch adverbiale Funktion, etwa in konsekutiver oder finaler Lesart, übernehmen kann. Sowohl Imperfektive als auch perfektzeitliche Formen sind dazu qualifiziert. Hinzu kommen ferner optativische Bildungstypen. Die Verwendung des imperfektiven PRS entspricht praktisch der Beleglage im Französischen (4.2.6). Dass der STA hier keine Belege beibringt ist aufgrund seiner Verknüpfung imperfektiver Syntax und perfektiver Semantik bemerkenswert, aber folgerichtig, wenn man berücksichtigt, dass er prinzipiell in zuständlichen Lesarten nur implizit ein Resultat bezeichnet (7.6.3). Anstelle eines perfektzeitlichen PRT ist wohl nur PRF in dieser Funktion, die als Taxis der Lesart Prt-8 verstanden werden darf, sicher anzusetzen12. Versteht man den Prekativ als Optativ des PRT, ist diese dessen letzte vollumfänglich wirkungsmächtige Verwendungsweise, beschränkt sich aber praktisch auf die Funktion finaler Subordination. Primär können die vier Typen der allgemeinen Taxis nach der syntaktischen Aspektdichotomie zugeordnet werden. Sekundär überlagern verschiedene semantische Eigenschaften diese Relation, so dass etwa ein PRS in sequentieller Taxis unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Gesondert zu betrachten sind perfektzeitlich eingebettete Situation aufgrund der besonderen Intervallsemantik und Distribution von PRT und PRF. Altassyrische Taxis primär sekundär perfektzeitlich

Sequenz PRT PRS PRF

Gleichzeitigkeit PRS, STA PRT (optativisch) PRT (universal)

Inzidenz STA/PRS-PRT -

Resumptivität PRS PRT (optativisch) PRF

12 Siehe dort zu den möglichen Kontexten, in denen älteres PRT noch zur Anzeige der Resumptivität Verwendung findet.

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420

Taxis

In subordinierter Funktion begegnen die Formen entsprechend der Lesarten der Taxis in Lesarten gleichzeitiger, adverbialer Funktion beim PRS und beim STA, der auch spezifischere und daher wohl grammatikalisierte Lesarten konzessiver oder kausaler Art anzeigt. 9.2.5 Objektellipse und relativischer Anschluss Bei Koordination des Indikativs begegnet eine logische Subordination nach dem Prinzip eines relativischen Anschlusses, welches im Deutschen mit einem Relativpronomen realisiert wird, so in Köln wird Deutscher Meister. Worüber ich mich sehr freue. Dabei ist das Objekt nicht ein Argument des vorangehenden Satzes, sondern der Satz insgesamt ist relativisch angeschlossen13. Akkadisch begegnet dies bei Verknüpfung mit =ma und anschließender Objektellipse, wenn nicht das vorangehende Objekt selbst, sondern das sich aus der Handlung ergebende Objekt gemeint ist. Ein koordinierter STA steht ohne Konjunktion (9.2.3): lu-qú-tám a-dí-na-ku-ma qá-tí ša-ak-na- luqūt-am a-ddin-ak=kum=ma qāt=ī šakn-at Transportgut- PK.1SG-(PRT)GebenHand=POSS.1SG Stellen-F.SK AKK VENT=DAT.2.M=KONJ Ich gab dir das Transportgut, auf dem meine Hand lag. AKT III 45: 5f. a-dí adi Bis(SUBJ)

iš-tù ištu Aus

ú-la-ma ON

a-tù-ra-ni a-tūr-an-ni PK.1SG-(PRT)Zurückommen-VENT-SUBJ

u4-mu-šu-nu ma-al-ú a-ša-ḫu-ut ūm-ū=šunu malû a-šaḫḫut TagPK.1SGVoll.Sein\PL.M.SK NOM\PL=POSS.3.M.PL S.Sorgen~PRS Bis ich aus ON zurückgekommen war, war ihr Termin vorbei (~Tage voll). (Worüber) ich in Sorge war.

AKT III 50: 13ff.

9.3 Subjunktiv 9.3.1 Einleitung Der Subjunktiv ist die Form des subordinierten Satzes und bringt als solches nur non-modale Semantik bei. Ausnahmen stellen die in der imperfektiven Syntax telischer Formen veranlagte modale Nuance und der Gebrauch im Eid dar (9.3.3.5). Die wesentlichen Ausdrucksmöglichkeiten des Subjunktivs beschränken sich auf direkte und metaphorische Gleichzeitigkeit. Stärker grammatikalisierte Formen entstehen aus der Interaktion des Subjunktivs mit der Aspektsemantik und der lexikalischen Semantik der Subjunktionen. Dabei bleibt das formale Inventar im Verlauf der akkadischen Sprachgeschichte weitgehend unverändert. Die 13 Inwieweit auch andere Formen der Ellipse (Kouwenberg 2017: 743ff.) ein Ausdruck spezifischer syntaktischer Konstruktionen sind, bedarf weitergehender Untersuchungen.

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Subjunktiv

Erweiterung der möglichen Ausdrücke des Subjunktionalsatzes sind daher im Wesentlichen auf die Grammatikalisierungen der Subjunktion beschränkt. Der Subjunktiv selbst ist in seiner Kernfunktion und auch indirekt in den daraus grammatikalisierten Satztypen aufgrund des Ausdrucks der Gleichzeitigkeit theoretisch auf eine suffixale und imperfektive Aktionsart zurückzuführen (11.8). Ob diese als produktives Element in der proto-akkadischen oder proto-semitischen Sprachgeschichte wirksam war, bleibt dabei offen. Eine genetische Entsprechung zum westsemitischen Imperfekt der Langform ist allerdings ebenso naheliegend wie eine Interferenz des – zumindest in diesem Kontext – wohl mit dem Lokativ gleichgestellten Subordinationssuffix des Sumerischen 14. Unabhängig dieses arealen Einflusses kann dabei eine ursprünglich non-verbale Form mit adverbialer (Lokativ)endung, die älter ist als die voll entwickelte Präformativkonjugation, nicht ausgeschlossen werden. 9.3.2 Formen des Subjunktivs 9.3.2.1 Subjunktionalsätze und Subordination Der Subjunktiv ist die Form des konjugierten Verbs in Subjunktionalsätzen. Mit wenigen Ausnahmen (9.3.2.1) verlangen alle Verbalsätze den Subjunktiv. Er begegnet aber im Assyrischen auch beim Prädikat nominaler Nebensätze (zum Altassyrischen Kouwenberg 2017: 510). Neben den Subjunktionalsätzen gibt es eine Reihe von parataktischen Zusammenstellungen im Akkadischen, die Ausdruck logischer Subordination im Indikativ sind (9.2.4.6). Die Übertragung der Taxis des Indikativs auf den Subjunktiv ist nur eingeschränkt möglich. Eine regelmäßige und widerspruchsfreie Beschreibung ist dadurch nicht gelungen und die Darstellung bleibt deskriptiv. Unter der Frage nach Aspekt und Lexikonorganisation, wird hier eine Beschreibung der internen Struktur des Subjunktionalsatzes angewandt, die nicht nur zweckdienlich ist, sondern ein taugliches Modell zur Beschreibung hypotaktischer Satzverhältnisse bereitstellt, in dem die häufigen Ausnahmen als regelmäßiger Reflex auf Überschneidungen der Aspektsemantik des Verbs mit der des Subjunktivs erklärt werden können. 9.3.2.2 Indikativische Subjunktionalsätze Mit Indikativ trotz Subjunktion wird altassyrisch nur der Konditionalsatz gebildet (Kouwenberg 2017: 768). Ob der Bildungstyp indikativer Subjunktionalsätze auch vorhistorisch eine Sonderstellung oder einen sonst geschwundenen Bildungstypen darstellt, bleibt unklar 15. šu-ma šumma Wenn(KOND)

iš-tí išti Mit

e-na-ḫi-DINGIR PN

a-wa-tam awāt-am SacheAKK

i-du-uk i-dūk PK.3(PRT)Zerschlagen

14 Ungesehen der möglichen unterschiedlichen Herkunft und Lautgestalt der beiden Suffixe im Sumerischen. 15 Vgl. zur Diachronie dieses Satztyps Deutscher (2000).

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422

Taxis

ṣú-ḫa-ra-am iš-té-en6 lá ta-bé-el ṣuḫār-am išten lā ta-bêl Diener-AKK Einen NEG PK.2-Verfügen\PRS Wenn er den Fall mit PN zerschlagen hat, wirst du über keinen Diener verfügen.

AKT I 16: 17ff.

Die Verbindung der Subjunktion mit Indikativ bleibt auch bei sekundären Bildungstypen mit Wenn > Ob erhalten: šu-ma al-qé šumma a-lqe Wenn(SUBJ) PK.1SG-(PRT)Nehmen Ich werde nachsehen, ob ich es nahm

a-dá-gal-šu a-daggal=šu PK.1SG-Sehen~PRS=AKK.3.M AKT VIa 56: 30

9.3.2.3 Zu den Subjunktivsätzen im Altassyrischen Die Mehrzahl der formalen Nebensätze sind Relativ- und Adverbialsätze (Kouwenberg 2017: 779ff.). Mit Ausnahme der vom Relativsatz abgeleiteten oder mit kīma gebildeten Objektsätze sind andere Bildungstypen selten (Kouwenberg 2017: 811 & 812). An deren Stelle und in Vertretung finaler und konsekutiver Adverbialsätze steht häufiger ein Indikativ in logischer Subordination (Kouwenberg 2017: 810). 9.3.2.4 Objektsätze in Indikativ und Subjunktiv Auch Objektsätze begegnen (neben altassyrisch schon aus modalem Nebensatz hergeleitet Objektsatz im Subjunktiv) häufig im Indikativ. Der Indikativ ist koordiniert und die Subordination aus dem Kontext zu erschließen. Bsp. ohne Subjunktion mit Suffixkonjunktion (=ma): a-⸢ša⸣-me-ma KÙ.BABBAR lá-[q]é a-šamme=ma laqe-ø PK.1SGSilber Nehmen-3SG.SK Hören~PRS=KONJ Ich höre, dass das Silber genommen wurde AKT VIa 136: 9 Ohne Subjunktion und ohne Suffixkonjunktion (=ma) in der Folge von PRF-PRS: a-na-kam a-du um-mì-a-an a-bi-ni a-wi-lu-ú 2ší-na annakam adu ummiān ab-i=ni awīl-ū šina VaterMannHier Wegen Geldgeber Zwei GEN=POSS.1PL NOM\PL im-ta-ag-ru-ni i-mgr-ū-ni PK.3-ZustimmenPL.M-VENT

mì-ša-al mišal Hälfte

KÙ.BABBAR Silber

ma-aḫ-ri-šu maḫr-i=šu VorGEN=POSS.3.M

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Subjunktiv

a-ša-kà-an-ma a-šakkan=ma PK.1SG-Stellen~PRS=KONJ Wegen des Geldgebers unseres Vaters haben hier die zwei Männer sich geeinigt, dass ich vor ihm die Hälfte des Silbers hinstellen soll.

AKT VIa 224: 3ff.

Von Subjunktionalsätzen abgeleitet und daher mit Subjunktiv auftretende Objektsätze sind: a) vom Relativsatz (Kouwenberg 2017: 813 & 821f.) abgeleitete Objektsätze (analog zum deutsch: dass < das): ša ni-iš a-[lim]ki ta-mu-ú ša nīš āl-im tamû SUB Leben Stadt-GEN Schwören\3SG.SK\SUBJ Was beim Leben der Stadt geschworen wurde, (behalte).

AKT VIa 59: 26f.

Mit Subjunktion in der Folge von PRS-PRT: i-ta-ma (…) ša (…) lá i-dí-nu-šu-ni i-tamma ša lā i-ddin-u=šun-ni PK.3PK.3-(PRT)Geben- SUBJ=DAT.3.M(…) SUB (…) NEG Schwören~PRS SUBJ Er wird schwören, dass er ihm (…) nicht gab. AKT III 35: 1ff.

b) Mit kīma (Kouwenberg 2017: 813, 817 & 818ff.): kà-i-lá ki-ma um-ma šu-ut-ma kaˀˀil-ā kīma umma šūt=ma Halten-PL Wie QUOT PERS.3.M=KONJ Haltet fest, dass er folgendermaßen (sagte): AKT III 49: 27f.

9.3.2.5 Zu den Verwendungsweisen von kīma Insbesondere kīma (Kouwenberg 2017: 437ff. & 802ff.) ist semantisch produktiv. Metaphorische Adverbialsätze im Subjunktiv sind u.a.: Konsekutiv- und Finalsätze (Kouwenberg 2017: 803): ki-ma É a-bi-a té-ṭí-ra-ni ep-ša kīma ab-i=ja teṭṭir-ā-ni epš-ā Wie Haus Vater-GEN=POSS.1SG PK.2\Retten~PRS-PL-SUBJ Machen-PL Macht (es) so, dass ihr das Haus meines Vaters rettet. AKT VIa 232: 28f.

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Taxis

Vergleichssätze (Kouwenberg 2017: 802): ki-ma kīma Wie ù u KONJ

ša a-na ra-mì-ni-kà ša ana ramin-i=ka SUB ALL Selbst-GEN=POSS.2.M i-a-tim tù-uš-ta-ba-ru-⸢ú⸣-ni jât-im tu-štabarrû-ni POSS.1SG\F\PLPK.2- SorgfälGEN tig.Überwachen~PRS\SUBJ-SUBJ So wie du dich für deine eigenen und meine (Dinge) abhungerst, gib Acht!

iḫ-da-ma iḫd-am=ma Acht.GebenVENT=KONJ AKT VIa 241: 8ff.

Der diversifizierte Gebrauch ist unmittelbar auf den modalen Charakter zurückzuführen, der eine Grammatikalisierung über Lesarten logischer Gleichzeitigkeit hinaus erlaubt (9.3.3.1). 9.3.3 Funktionen des Subjunktivs 9.3.3.1 Semantik des Subjunktivs Der Subjunktiv beschreibt im Kern nur Subordinationsverhältnisse mit temporaler Gleichzeitigkeit und Lokalsätze. Vielleicht auch diachron sind die Lokalsätze der Kern des Begriffsbezugssystems, von dem aus weitere Subordinationsverhältnisse direkt oder indirekt durch metaphorische Extension gebildet werden. Insofern der Ausdruck der Gleichzeitigkeit Ausdruck imperfektiver Aktionsartensemantik ist, zeigen sich in Verbindung mit STA und PRS keine oder nur geringe Verschiebungen der inhärenten Aspektsemantik. Direkte metaphorische Extension lokativer Semantik Funktion temporal attributiv Typ Gleichzeitigkeit Relativsätze Deutsches (der) wo in (Präposition) (süddeutsch) Bsp. Weitere metaphorische Extension lokativer Semantik LG (linke Grenze des Intermodal/ temporal valls) +Gleichzeitigkeit

attributiv

Gleichzeitigkeit+RG (rechte Grenze des Intervalls) Ergänzungssätze

instrumental Modalsätze indem

logisch kausal da, weil (vgl. etym. derweil)

mhd. mit dem instrumental: dâ sol ich mîme hêrrenwerben ein ander wîp, sîd diu ist derstorbender schœnen Helchen lîp. Nibel. 1109, 2.

vgl. deutsches das > dass

Lokalsätze (Kouwenberg 2017: 380 & 383) sind als semantischer Kern des Begriffsbezugssytems anzunehmen, die status constructus Verbindung als sein formaler Ursprung (Kouwenberg 2017: 779). Ob sie auch historisch die ältesten Satztypen sind oder sekundär auf

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Subjunktiv

eine Sprachbunderscheinung z.B. als Reanalyse des sumerischen Subordinationssuffixes als Lokativ zurückgehen, bleibt hier offen. a-li ali Wo

ni-na-mu-ru ni-nnammur-u PK.1PLS.Sehen~PRS-SUBJ

KÙ.BABBAR Silber

ù u KONJ

ṣí-ba-sú ṣibas=su Zins=POSS.3.M

Wo immer wir uns sehen, wird er mir Silber und seinen Zins bezahlen. a-li ali Wo

URUDU Kupfer

i-na ina SEP/LOK

li-bi4-ni libb-i=ni Herz-GEN=POSS.1PL

i-ša-qá-lam i-šaqqal-am PK.3Zahlen~PRSVENT AKT IV 4: 14ff.

i-bu-ra-ni i-būr-an-ni PK.3-(PRT)AuftauchenVENT-SUBJ

KÙ.BABBAR-áp-šu

ni-ta-dí-a-ku-um ni-tdi-ak=kum Silber=POSS.3.M PK.1PL-Hinterlegen-VENT=DAT.2.M Wo Kupfer bei uns auftauchte, haben wir dir sein Silber hinterlegt. AKT VIa 281: 18ff.

Satzverhältnisse, die nicht direkt aus logischer Gleichzeitigkeit/ lokativer Semantik abzuleiten sind, stehen daher häufiger im Indikativ. 9.3.3.2 Gleichzeitigkeit In späteren Sprachstufen ist die Distribution der Formen in PRF und PRT im Subjunktiv offensichtlich eine andere als im Indikativ. Im Rahmen dieses Korpus kann festgestellt werden, dass zuständliche Lesarten des PRS im Subjunktiv weitestgehend fehlen. Augenscheinlich ist dies beim häufig belegten Verb wašābum: sitzen, das im Indikativ zum Ausdruck des s-level häufiger das PRS benutzt. Aufgrund der weiteren Semantik des PRS kann daher auch im Altassyrischen auf einen konservativen Sprachzustand der Aspektsemantik im Subjunktiv geschlossen werden (s.a. 7.4 & 6.3). i-nu-mì i-na wa-aḫ-šu-ša-na inūmi ina Als SEP/LOK ON Als ich in ON war, (…). AKT III 39: 13f.

wa-áš-ba-ku-ni wašb-āku-ni Sitzen-1SG.SK-SUBJ

9.3.3.3 Vorzeitigkeit Die Verbindung Gleichzeitigkeit und expliziter rechter Grenze (d.i. der späteste Zeitpunkt, der im Syntagma veranlagt ist) des Intervalls durch die Subjunktion bedarf bei PRT/PRF der besonderen Betrachtung. Der Subjunktiv selbst vermittelt nur die Gleichzeitigkeit. Eine rechte Intervallgrenze wird durch die Grammatikalisierung der Subjunktion und den perfektischen Bezug der Verbalform ermöglicht.

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Taxis

Durch die Semantik der Subjunktion kommt es dabei zur Setzung einer rechten Grenze, zu der die Perfektzeit sicher abgeschlossen ist. Beide fallen nicht unmittelbar zusammen und sie ist daher als terminus ante quem der perfektischen Form von PRT oder PRF zu verstehen16. Intervallgrenzen des Subjunktivs perfektiver Formen Subjunktionalsatz (Gleichzeitigkeit +rechte Grenze) Perfektzeit (Intervall der Verbalform) Perfektzustand Bsp.: i-na ina SEP/LOK

a-mu-tim amutt-im Eisen-GEN

ša-lim-a-šur

i-sí-ú-ma i-ssi-u=ma PK.3-(PRT)RufenSUBJ=KONJ

PN1

a-na ana ALL

ša ša SUB

É Haus iš-tí išti Mit

a-limki āl-im Stadt-GEN id-na-a-šùr PN2

ad-mu-ma adm-ø-u=ma Beschaffen-3SG.SKSUBJ=KONJ

kà-ni-iš

ú-šé-bi4-lu qá-tám (…) il5-qe-ma u-šēbil-u qāt-am i-lqe=ma PK.3Anteil- (…) PK.3ON (PRT)Bringen.LassenAKK (PRT)Nehmen=KONJ SUBJ Von dem Eisen, das PN1 im Stadthaus abgerechnet (gerufen) hat, bei PN2 investiert hat und nach ON hat bringen lassen – den Anteil (…) hat er genommen. AKT VIa 46: 8ff.

Die Perfektzeiten aller drei Prädikate dauert bis zum Referenzpunkt des Hauptsatzes (ilqema: er nahm). Die Perfektzustände sind wiederum anders strukturiert. Der Perfektzustand von šasāˀum: rufen geht dem von adāmum: beschaffen voran, der wiederrum dem von šēbulum: bringen lassen voran geht. Sie entsprechen also der ikonischen Anordnung. Alle Perfektzeiten erhalten ihren absoluten Zeitstellenwert durch den übergeordneten Satz, der die Vergangenheit bezeichnet. Dadurch kommt allen Verbalformen im Nebensatz der Zeitwert der Vorvergangenheit zum Prädikat des Hauptsatzes zu, welches zugleich die rechte Grenze (RG) der Intervalle der Perfektzeit des Nebensatzes ist. Innerhalb des Subjunktivs sind dabei perfektive und imperfektive XN-Intervalle möglich. Aus der ikonischen Anordnung lässt sich der logische Verlauf der Ereignisse als šasāˀum>adāmum>šēbulum rekonstruieren.

16 Die Verbindung von Subjunktiv und PRT schließt offenbar eine einfache perfektive Lesart aus, so dass das Intervall des imperfektiven Aktionsartensuffixes formaler Ausdruck des XN-Intervalls ist, in den die Verbalsituation als existential oder universal eingebettet ist.

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Subjunktiv

Die universale Lesart besitzt einen Perfektzustand, der zum Zeitstellenwert des Hauptsatzes andauert (extended now, imperfektiv): i-nu-mì inūmi Als(SUBJ)

a-na-kam annakam Hier

tù-uš-bu tušb-u PK.2\(PRT)SitzenSUBJ

a-na ana ALL

a-mu-tim amutt-im Eisen-GEN

pí-kà pi=ka Mund= POSS.2.M

ta-dí-na-am

ta-ddin-am PK.2-(PRT)Geben-VENT Als du dich hier gesetzt hattest, gabst du mir wegen des Eisens ein Versprechen.

AKT VIa 177: 3ff.

In existentialer Lesart ist der Perfektzustand des Nebensatzes durch die Handlung des Hauptsatzes abgeschlossen (extended now, perfektiv): Als accomplishment: ma-lá mala Alles

um-me-a-ni-šu a-na KÙ.GI i-kà-ṣú-ru-šu-ni ummeān-ī=šu ana i-kaṣṣur-ū-ni GeldgeberPK.3-Zusammenbinden~PRSALL Gold OBL.PL=POSS.3.M PL.M-SUBJ Soviel, wie seine Geldgeber für das Gold zusammenbinden, (…). AKT VIIa 181: 7f.

Als achievement: ma-na-um 4 GÍN n[usic-ṣa]-ḫi-ir-ma mana-ūm nu-ṣaḫḫir=ma Ein Mine-LOK Vier Schekel PK.1PL-(PRT)Abziehen=KONJ (…) zogen wir je Mine vier Schekel ab, (…) AKT VIa 52: 1ff. 1

ta-aḫ-sí-is-tám ša ki-lá-lá-ni nu-uk-ta-nu taḫsist-am ša kilallāni nu-ktannû Aufzeichnung-AKK SUB Beide PK.1PL-Bestätigen~PRS\SUBJ Die Aufzeichnung, die wir gemeinsam bestätigen. AKT VIIa 257: 19f.

9.3.3.4 Nachzeitigkeit im Subjunktiv Da der Subjunktiv als formaler Modus selbst nur die Gleichzeitigkeit zum Ausdruck bringt (11.8.2), ist es in Kombination mit den Aspektkategorien des Verbs zunächst nicht möglich auch Nachzeitigkeit auszudrücken. Die Grammatikalisierung dieser Satzgefüge ist im Akkadischen besonders gering ausgeprägt und geht nur vereinzelt über temporale Subjunktionalsätze hinaus. Um dennoch explizit die Nachzeitigkeit im non-modalen Kontext zu bezeichnen, ist daher ein negiertes Prädikat oder eine zur Subjunktion promovierte Negation erforderlich. Die vier

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Taxis

Arten von Nachzeitigkeit können in zwei non-modale und zwei modale gegliedert werden, bei denen nur im non-modalen Kontext Lesarten des Subjunktivs anzuführen sind: Nachzeitigkeit im Akkadischen modal epistemisch/agens-orientiert past PRS non-past PRS Metaphorischer Ausdruck lā(NEG)=ma(KONJ): la-ma lāma Bevor

a-lu-wa

a-na ana ALL

der

sprecher-orientiert PRT/STA PRT/STA

Nachzeitigkeit durch

ṣé-ri-a ṣēṛ-i=ja RückenPN GEN=POSS.1SG Bevor du mir den PN geschickt hattest, (…).

non-modal Indikativ

Subjunktiv

PRF ø

perfektiv imperfektiv

negierte

Subjunktion

lāma:

ta-áš-pu-ra-ni ta-špur-an-ni PK.2-(PRT)Schreiben-VENTSUBJ AKT VIa 176: 5f.

lá-ma pu-ru-šu i-ší-ik-nu lāma puru=šu iššikn-u Bevor Nachrede=POSS.3.M PK.3-(PRT)Gestellt.Werden-SUBJ Bevor böses Gerede über ihn entsteht, (…). AKT VIIa 253: 13f.

9.3.3.5 Der Eid Die Eidesformel mit Subjunktiv ist entweder aus einem verkürzten Satz hervorgegangen, in dem der Subjunktiv regulär mit Subjunktion steht oder eine Reliktform der westsemitischen Langform yaqtulu (Kouwenberg 2010: 213f.) – letzteres unter der Prämisse, dass diese Form einen protosemitischen Ursprung hat. Der erstgenannten Interpretation entspricht der Gebrauch der Form, die keinen Unterschied zum Subjunktiv anderer Satztypen erkennen lässt (Kouwenberg 2010: 232). Das Gesagte gilt auch für das Altassyrische im Speziellen mit analoger Verwendung von PRT, STA und PRS im Subjunktiv des Eides. Dass das PRF in Eiden keine Verwendung findet (Kouwenberg 2017: 730), lässt sich mit dem Deutschen Befund gleichsetzen, wo ebenso in bestimmten Textgattungen noch Präteritum statt Perfekt verwendet, wenn Beschaffenheiten und Fähigkeiten bezeichnet werden und nicht einfache Verbalhandlungen (Latzel 1974: 214)17. Sprachintern begründet sich das Fehlen aus dem konservativeren Sprachgebrauch des Subjunktivs im Altassyrischen, doch müssten diesem Prinzip folgend vereinzelte Belege beizubringen sein. Unabhängig der Spekulationen zur Genese ist die Eidesformel im Altassyrischen der einzige Gebrauch des Subjunktivs, in dem eine modale Semantik verortet werden kann. Ob diese

17 Sprachtypologisch nicht endgültig geklärt. Vermutlich folgt der Gebrauch im Deutschen denen der Lageprädikate (7.6.2) und damit der Reanalyse als niedriger Anschauungsgrad (4.8.3.6).

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Relative Zeitlagen

mit dem Gebrauch des PRT Subjunktiv in späteren Varietäten begrifflich zusammengefasst werden kann, ist allerdings nicht plausibel, weil diese non-modale Lesart erst sekundär durch die Reanalyse der PRT: PRF Opposition als modal begriffen werden kann und der Subjunktiv hier einen konservativen Sprachzustand wiedergibt (s.a. 4.6.8).

9.4 Relative Zeitlagen 9.4.1 Einleitung Entsprechend der Aspektsemantik der Verbalstämme des Paradigmas und ihrer syntaktischen Aspektdichotomie im Indikativ sowie der Aktionsartensemantik des Subjunktivs und seiner Wechselwirkung mit den Verbalstämmen, lassen sich relative Zeitlagen darstellen. Sie sind Ausdruck der grundlegenden und ikonischen Verhältnisse der Taxis und folgen den allgemeinsprachlichen Regeln für tempuslose Sprachen. 9.4.2 Vorzeitigkeit und Gleichzeitigkeit Die Vorzeitigkeit ist prinzipiell die Funktionsdomäne von PRT und PRF. Der Gebrauch des STA zum Ausdruck einer kontextuellen Vorzeitigkeit bleibt auf den Subjunktiv beschränkt. Der Perfektzustand kann im STA einfach vorliegen oder vom XN-Intervall durch Subjunktiv abgeleitet sein (PRT/PRF). Zeitlagen der semantisch perfektiven Formen Vergangenheit Gegenwart Indikativ PRT PRT/PRF Subjunktiv Perfektzustand Perfektzustand

Zukunft PRT/PRF Perfektzustand

Die Gleichzeitigkeit ist dem Funktionsbereich der syntaktisch imperfektiven Formen vorbehalten, d.h. STA und PRS. Bei diesen Formen bringt die Aktionsart des Subjunktivs keine erkennbare semantische Veränderung steht also in einer Leerlauffunktion aus formal-syntaktischen Gründen zur Anzeige des Subjunktionalsatzes. Zeitlagen der syntaktisch imperfektiven Formen prozessual zuständlich Indikativ PRS/ STA? PRS (s-level) /STA Subjunktiv PRS/ STA? PRS (s-level) /STA

metaphorisch ø PRS/STA

Eine besondere Form der Gleichzeitigkeit ist der Wechselsatz, der neben PRS (9.2.1) auch optativisches PRT erlaubt. Er beschreibt zwei Handlungen als wechselseitig abhängig und ist für Imperfektive und Progressive sprachtypologisch unauffällig. Er begegnet auch im Sumerischen (Jagersma 2010: 378) oder Ägyptischen (Schenkel 1994: 177ff.). Der Gebrauch des Optativs unter der Lesart Prt-13 ist sprachtypologisch nicht einwandfrei zu erklären. Er kann historisch sowohl aus Analogie zum Gebrauch des Optativs und PRS in logischer Nachzei-

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Taxis

tigkeit oder zum Gebrauch disjunktiven lū (Kouwenberg 2017: 752f.) grammatikalisiert worden sein18. 9.4.3 Nachzeitigkeit 9.4.3.1 Nachzeitigkeit in PRS und modalem Perfektiv Zum Ausdruck der Nachzeitigkeit dienen zunächst PRS und optativische Formen. Das Prs besitzt als Progressiv einen Anteil an zukünftigen Situationen und kann nach Kontext verschiedene Situationen ganz oder teilweise in zukünftiges Geschehen verlagern. Für perfektive Situationstypen ist die nachzeitige Lesart implizit. Optativische Lesarten der modalen, perfektiven Formen zeigen futurische bzw. nachzeitige Semantik entsprechend der modalen Transposition perfektiver Formen (5.3.3.2, 7.5 & 8.6). Analog zum Gebrauch des Imperfektivs und Optativs im Griechischen (4.2.1 & 4.2.3) zum Ausdruck subordinierter nachzeitiger Situationen in finalem und konsekutivem Sinne stehen auch akkadisch PRS und optativische Formen: Finaler Prekativ nach Imperativ begegnet häufig: a-ṣé-er en-na-nim šé-bi4-lá-ma aṣ=ṣēr šēbil-ā=ma ALL=Rücken PN Schicken-PL=KONJ Schickt zu PN, damit er Silber machen kann.

KÙ.BABBAR

le-p[u-uš] lēpuš Silber OPT.3\Machen AKT VIa 143: r15f.

Das PRS scheint dem Begriff des non-modalen Imperfektivs analog zum Altgriechischen auf konsekutive Lesarten beschränkt zu sein (5.3.7.3): la lā NEG

tù-úš-té-ṣa-a-ma tu-štēṣâ=ma PK.2-S.Streiten\PRS\PL=KONJ

ša-li-um šāli-um Übeltäter-NOM

i-ṣé-er iṣ=ṣer SEP/LOK

É

a-bi4-ku-nu lá i-ša-lá ab-i=kunu lā i-šalla Haus Vater-GEN=POSS.2.M.PL NEG PK.3-Unrecht.Tun~PRS Streitet euch nicht, so dass ein Übeltäter nicht ein Unrecht gegen das Haus eures Vaters tut. AKT VIa 236: 10ff.

Fälle finalen PRS als Abweichung der Distribution können als diskursbedingte Reanalysen begriffen werden. Dabei ist zunächst nicht relevant, ob diese im Einzelfall durch die Übersetzung oder durch den Schreiber in Verwendung des PRS anstelle des Prekativs veranlasst ist. Der Gebrauch des finalen PRS ist möglicherweise durch Interferenz mit der Semantik des modalen Prohibitivs begünstigt (6.5).

18 Sprachtypologisch valides Vergleichsmaterial fehlt mir. Möglicherweise eröffnet sich dies z.B. bei gründlicher Durchsicht des altgriechischen Optativs.

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Relative Zeitlagen

ki-ma kīma Wie

a-ta atta PERS.2.M

tù-ṣú-ni tūṣû-ni PK.2\(PRT)Hinausgehen\SUBJ-SUBJ

a-šùr-bé-el-a-wa-tim

i-li-kam-ma maš-ke-e i-llik-am=ma mašk-ē PK.3-(PRT)GehenPN Fell-OBL.PL VENT=KONJ Als du hinausgegangen warst, kam PN, um die Felle zu teilen.

i-zu-a-áz i-zu’’az PK.3-Teilen\PRS AKT I 15: 16ff.

Das PRS kann allerdings auch imperfektiv zum Ausdruck der Nachzeitigkeit stehen für neu einsetzende Vorgänge und Zustände. So vor allem in literarischen Texten am Versende und vor direkter Rede auch als achievement. Die Lesarten für Nachzeitigkeit und Futur können als modal erklärt werden (6.3). Auf die (implizite) Abgeschlossenheit (5.2.6.2), wie auch die pragmatische Verwendung der imperfektiven Formen zum Ausdruck nachzeitiger Zeitlagen mit perfektiven Situationstypen und die Analogie mit anderen Situationstypen in Funktion eines non-past19, wurde bereits hingewiesen20. Die semantische Erweiterung der Lesarten kann für das PRS folgendermaßen gegliedert werden: Situationstyp und PRS Situationstyp activity state accomplishment achievement

Semantik non-modal s-level modal modal

Zeitlage gleichzeitig/ gegenwärtig gleichzeitig/ gegenwärtig gleich-/nachzeitig nachzeitig/konsekutiv

Die konsekutive Nachzeitigkeit in der Vergangenheit ist in Briefen eine häufige Funktion des PRS und Prekativs. Die Zuordnung der absoluten Zeitlage ist dabei, wie für Formen ohne Tempusmorphem nicht anders zu erwarten, nur kontextuell zu erschließen. Klar zu erkennen ist die konsekutive Lesart in Folge eines Imperativs mit futurischer Zeitlage: ta-ú-r[u-ma] taˀˀur-ū=ma Zurückgeben-PL-M.SK=KONJ

URUDU Kupfer

pá-ni-am-ma panī-am=ma Vorderer-AKK=KONJ

e-ma-[ru] emmar-ū Esel-NOM\PL

19 Zum Gt des PRS in Analogie zum PRF s.o. 9.2.1.6. 20 Vgl. hierzu annulled result, discontinuity und statement of fact in 4.2.5 sowie erzählendes Imperfekt, historisches Präsens und resultatives Imperfekt in 4.2.3.

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Taxis

a-na ša-lá-tù-ar i-za-bi-lu ana i-zabbil-ū ALL ON PK.3-Tragen~PRS-PL.M Sie wurden eingetauscht, sodass Esel das Kupfer früh nach ON tragen konnten.

AKT VIa 176: 9ff.

Die Gebrauchsweise des PRS zum Ausdruck der Nachzeitigkeit ist sicher von der approximativen Lesart abgeleitet (Prs-5) und damit eine modale. Die Funktion der Nachzeitigkeit kann also unter der des modalen PRS subsummiert werden, welches gegenüber dem modalen PRT/STA größere Gewissheit anzeigt und daher auch häufiger als konsekutiv begriffen werden kann, wohingegen letztere semantisch final sind. 9.4.3.2 Nachzeitigkeit im PRF Zum Ausdruck der perfektiven Nachzeitigkeit in der Vergangenheit kann des Weiteren das PRF dienen. Die Gebrauchsweise ist aus dem Kontext der Briefe und Urkunden nicht sicher zu erschließen und findet sich vor allem in literarischen Texten am Versende in syntagmatischer Opposition zum PRS, ohne dass hier Gegenwartsbezug vorliegen kann. Hier ist das PRF die Form des foregroundings gegenüber PRT als besondere Form der Taxis (5.2.6.3). Das PRF kann ebenso wie das PRS eine Handlungsfolge von PRT Formen abschließen. Es hat dann immer eine non-modale perfektische Syntax. Seine Übersetzung entspricht einem deutschen Perfekt. Die Semantik ist aber altassyrisch (und vermutlich in allen Varietäten des Akkadischen) immer perfektiv, d.h. universale Lesarten sind ausgeschlossen (8.8.2.2). ik-nu-ku-ma i-knuk-ū=ma PK.3-(PRT)SiegelnPL.M=KONJ

am-tám amt-am MagdAKK

ù u KONJ

ÌR Knecht

Sie siegelten und haben Magd und Knecht fort gebracht.

uš-té-ṣí-ú u-šṣi-ū PK.3Hinausgehen.LassenPL.M AKT VIa 50: 4f.

Da das PRF auch zum Ausdruck der Vorzeitigkeit in der Zukunft in Protasen und als hypothetisches Perfekt belegt ist (s.o.), scheidet die Analyse als relatives Tempus sicher aus21. Zur Nachzeitigkeit ist allerdings zu beachten, dass sie nur in besonderen kontextuellen Positionen und vielleicht überhaupt nur im narrativen Diskurs eindeutig in Erscheinung tritt. 9.4.3.3 Zusammenfassung des Funktionsbereichs der Nachzeitigkeit Der Ausdruck der Nachzeitigkeit ist im Korpus durch einfache imperfektive und modal transponiert perfektive Formen gegeben. Das Nebeneinander von perfektiven (modalen) und

21 In Teilen der Semitistik wird vielmehr eine Funktionseinheit von Vor- und Nachzeitigkeit als semantische Eigenschaft des perfektiven Aspekts gesehen, die sich derart äußern sollte, dass in Aspektsprachen ohne formale Tempora der perfektive Aspekt zum Ausdruck der Vergangenheit und Zukunft diente, der imperfektive Aspekt auf Gleichzeitigkeit bzw. Gegenwart beschränkt bliebe, so in Denz (1971) und Schülern wie Nebes (1982). Hingegen wurde schon in Bartelmus (1982: 47 19) diese modelltheoretische Konzeption verworfen. Sie ist als solches auch sprachtypologisch falsifiziert.

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Relative Zeitlagen

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imperfektiven Formen zum Ausdruck der Nachzeitigkeit mag seltsam anmuten, doch ist sprachtypologisch unauffällig und es findet sich eine ähnliche Struktur auch im Altgriechischen. Dort steht im Finalsatz Konjunktiv oder Optativ. Zum Ausdruck des Optativs steht akkadisch immer eine modale perfektive Form während nicht-optativische Konjunktive nur durch das PRS eindeutig widergegeben werden können. Ferner sind die futurischen Lesarten des present progressive zu berücksichtigen (Dowty 1979: 154ff.). Im Übrigen ist auch die werden (Konjunktiv II)-Infinitiv Phrase im Deutschen als Ausdruck der Nachzeitigkeit morphologisch modal, präterital und möglicherweise historisch sogar perfektiv (Wiesinger 2001). Man beachte schließlich alākum: gehen als einzigen Beleg für Nachzeitigkeit im Gt des PRS im Korpus (9.2.1.6). Dem Prekativ und anderen modalen perfektiven Formen entspricht z.B. altgriechischer Optativ oder deutscher Konjunktiv II von Werden mit Infinitiv (Er würde gehen), der keine Entsprechung im Indikativ besitzt (*Er wurde gehen). Dem PRS vergleichbar sind etwa Gebrauchsweisen des französischen Imperfekts (4.2.6). Zudem besitzt das Akkadische mit dem PRF eine nicht-imperfektive Form, die als Fokusträger Informationen gegenüber ebenfalls perfektivem PRT hervorheben kann und z.B. deutschem Perfekt in seinem Gebrauch ähnelt. Diese Funktionen sind im Akkadischen durch das Fehlen eines Systems der Tempora zum Ausdruck der Nachzeitigkeit ohne Konkurrenz, als solches strukturbedingt und keinesfalls als idiosynkratisch zu begreifen. 9.4.4 Überblick zur Funktion des relativen Zeitbezugs Die vereinfachte Zusammenstellung der relativen Zeitbezüge im Altassyrischen lässt sich wie folgt darstellen und sich auf literarische Texte und die älteren Sprachstufen des Akkadischen übertragen. Sie sind wie die absoluten Tempora unmittelbar aus der paradigmatischen Aspektsemantik (Kap. 6 8) herzuleiten. Durch die Reorganisation der PRF: PRT-Distribution kommt es spätestens ab mittelassyrischer Zeit zu Funktionsverschiebungen im Paradigma (de Ridder 2018: 441ff.). Die Vorzeitigkeit ist Funktionsbereich der syntaktisch und semantisch perfektiven Aspekt-(PRT) und Perfektform (PRF). Syntaktisch imperfektive Formen sind in Indikativ und Subjunktiv auszuschließen. Vorzeitigkeit past non-past

Indikativ ø22 Prt/Prf

Subjunktiv perfektiv perfektiv

Die Gleichzeitigkeit ist Funktionsbereich der syntaktisch imperfektiven Formen. Die Verteilung der paradigmatischen Formen auf Vorzeitigkeit und Gleichzeitigkeit ist also komplementär. 22 In Ermangelung eines echten Plusquamperfekts wechseln PRT oder STA zur Angabe vorzeitiger Situationen der Vergangenheit. Die entsprechende Zuordnung erfolgt aber nur kontextuell. Sie ist keine Funktion ihrer Taxis. Gesonderte Verbalformen oder Satzkonstruktionen die initiale von sequentiellen Prädikaten unterschieden besitzt das Akkadische nicht und dies ist m.E. eine areale Erscheinung, die noch eingehender Untersuchung bedarf (vgl. hierzu den Gebrauch von Partikeln im Bibelhebräischen, Ägyptischen und anatolischen Sprachen).

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Taxis

Gleichzeitigkeit Indikativ Prs/Sta ø

past non-past

Subjunktiv imperfektiv imperfektiv

Die Nachzeitigkeit zeigt komplexe Wechselwirkung mit der non-modalen und modalen Semantik der Formen. Der Subjunktiv als funktional imperfektive Aktionsart (11.8.2) kann nur vermittelt einer Negation die Nachzeitigkeit ausdrücken. Nachzeitigkeit past non-past

Indikativ PRS/Prekativ/PRF ø/ Gt des PRS alākum

Subjunktiv negiert negiert

9.5 Modal- und Auxiliarverben Hilfsverbkonstruktionen sind im Akkadischen insgesamt selten. Die geringe Zahl der Modalverben darf als direktes Indiz auf den aspektbestimmten Charakter des Verbalsystems des Akkadischen verstanden werden, da komplexe Aspektsysteme modale Lesarten innerhalb der Verbaloppositionen kodieren (5.3.3.2). Zu den Modalverben gehören altassyrisch zunächst nur muāˀum: wollen und leˀûm: können23: KÙ.BABBAR

kà-ú-nam lá kaˀˀun-am lā Silber Bestätigen-AKK NEG Das Silber wollten sie uns nicht bestätigen. 1

GÍN

KÙ.BABBAR

i-mu-ni-a-tí i-mū=niāti PK.3-(PRT)Wollen=OBL.1PL AKT VIa 235: 34

ta-da-nam tadān-am Ein Schekel Silber Geben-AKK Einen Schekel Silber kann er nicht geben. pá-zu-ur-tí pazurt=ī Schmuggelware=POSS.1SG

lá i-le-e lā i-leˀˀe NEG PK.3-Können~PRS AKT V 23: 26f.

šé-ru-ba-am lá šērub-am lā Hineinkommen.LassenNEG AKK Sie können nicht meine Schmuggelware hineinkommen lassen.

i-le-e-ú i-leˀˀû PK.3Können~PRS\PL.M AKT VIa 139: 46f.

23 Entgegen Kouwenberg (2017: 819) möchte ich ḫašāḫum: brauchen und kašādum nicht hierunter zählen. Das Verb kašādum: erreichen hat nur in spezifischen Kontexten die Bedeutung von Imstande Sein und ḫašāḫum entspricht keiner modalen Gebrauchsweise nach den Vorgaben in 5.3.3 und ist m.E. seiner Konstruktion nach ein Vollverb (s.a. 7.4.2.4 & 8.8.4.1 für Beispiele mit PK und SK)

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435

Modal- und Auxiliarverben

Ferner begegnet altassyrisch u.a. das Verb izizzum: stehen in verschiedenen Kombinationen in der Bedeutung von Auf etwas Bestehen. Der Übergang zu einem Auxiliarverb ist nur schwach ausgeprägt und zeigt keinen Reflex zunehmender Grammatikalisierung in späteren Sprachstufen, etwa in Form eines Modalverbgebrauchs, wodurch zugleich ein Hinweis auf die im späteren Akkadischen erhaltene Aspektsemantik aufgezeigt wird. a-na ana ALL

a-limki āl-im Stadt-GEN

ša-sú-ḫa-ak šassuḫ-āk Herausreissen.Lassen-1SG.SK

MAŠKIM

ù be-el a-wa-tí-i-a i-za-zu u bēl awāt-i=ja i-zzazz-ū Verwalter KONJ Herr Fall-GEN=POSS.1SG PK.3-Stehen\PRS-PL.M Darauf, dass ich zur Stadt herausgerissen bin, bestehen der Verwalter und mein Ankläger (~Herr meines Falls). AKT III 46: 5ff. a-wi-[lu] NA4.ZA.GÌN (…) a-na e-ṭá-ri-ni awīl-ū ana eṭār-i-ni MannLapislazuli (…) ALL WegnehmenNOM\PL GEN=POSS.1PL Die Männer bestehen darauf uns den Lapislazuli wegzunehmen.

i-za-zu i-zzazz-ū PK.3-Stehen\PRS-PL.M AKT VIa 230: 24ff.

a-ḫu-ka É a-bi4-ni a-na ḫa-lu-qí-im i-tí-zi-iz aḫ-u=ka ab-i=ni ana ḫalluq-im i-tziz BruderPK.3Haus VaterALL ZerstörenNOM=POSS.2.M GEN=POSS.1PL GEN Stehen Trat dein Bruder hin, um das Haus unseres Vaters zu zerstören? AKT VIa 247: 18ff.

Ebenso qabāˀum: sagen im Sinne von Befehlen bzw. eines immediate future (Kouwenberg 2017: 670f.): ṣú-ḫa-ru ṣuḫār-ū Diener-NOM\PL

iš-tù ištu Von

pu-ru-uš-ḫa-tim ON

ú-ma-am ūm-am Tag-AKK

ú-ra-am urr-am MorgigAKK

wa-ṣa-am waṣâm Hinausgehen\AKK

qá-⌈bi-ú⌉

qabi-ū Sagen-PL.M.SK Die Diener sind befohlen aus ON am morgigen Tag hinauszugehen.

AKT I 16: 5ff.

Vereinzelte Belege für den STA anderer Lexeme finden sich unter 7.4.2.5.

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436

Taxis

9.6 Zusammenfassung Der Indikativ des Verbs gibt die gesamte Breite der möglichen Funktionsweisen im Rahmen der Taxis wieder und umfasst neben den Lesarten der klassischen Taxis, auch spezielle Syntagmen perfektzeitlicher Formen. Der Belegreichtum bestätigt eine Interpretation der Formen der PK als Ausdruck aspektueller bzw. relationaler Semantik, die nicht unter dem Begriff des Tempus gefasst werden können. Die Formen logischer Subordination und modaler Lesarten sind den allgemeinen Affinitäten der Kategorien entsprechend distribuiert. Das an echten Modi oder Modalverben arme Paradigma verteilt die Lesarten entsprechend der Semantik der Aspektdichotomie. Die in späteren Sprachstufen nicht mehr konsequente morphologische Kennzeichnung sprecher-orientierter Modalität ist sprachtypologisch unauffällig. Der Subjunktiv wird bestimmt von einer Semantik der Gleichzeitigkeit, die für ein Verständnis als suffixale und imperfektive Aktionsart spricht. Will man diese mit dem westsemitischen yaqtulu zusammenbringen, kann die Funktion der protosemitischen Aktionsart nur die eines Progressivs gewesen sein. Für die Grammatikalisierung der Subjunktionen aus status constructus Verbindungen ist überdies plausibel, dass die dem Akkadischen zugrunde liegende Form noch streng intransitiv und Form eine DSM war, womit die Langform als protosemitisches Imperfekt disqualifiziert wäre24. Ob der Subjunktiv hingegen eine eigenständige modale Semantik beibringt, ist nicht sicher zu beantworten und hängt für den Sprachstand des Altassyrischen weniger vom Befund als von dessen Modellierung ab. Die relativen Zeitlagen sind analog zu denen absoluter Tempora, aber aufgrund der aspektuellen Eigenschaften der Formen stärker ausgeprägt. Sie entsprechen daher bei imperfektiver Semantik einem non-past, bei perfektiver Semantik non-modalem past oder modalem future und in perfektzeitlich modaler Lesart einem Irrealis der Vergangenheit. Den Charakter einer formalen Kategorie erhalten die Verbalformen dadurch nicht.

24 Ähnliche Probleme ergeben sich bei Überlegungen, im PRS das ursprüngliche Imperfekt zu sehen (11.2).

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10 Lexikon 10.1 Einleitung Das altassyrische Verballexikon lässt sich anhand dreier sich überlagernder Kriterien ordnen. Dies sind die Unterscheidung in zuständliche und dynamische Verben (10.2), die Klassifizierung nach semantischer Relation (10.3) und die Genusopposition der Situationstypen (10.4). So wie die Kapitel 5 bis 9 auf die Ergebnisse der in den Kapiteln 3 bis 5 gemachten allgemeinen sprachtypologischen Ergebnisse aufbauen und rückverweisen, gilt für dieses und das folgende Kapitel zusätzlich der Rückverweis auf die Kapitel 6 bis 8, aus denen nicht alles hier in gleicher Ausführlichkeit wiederholt wird. Die Differenzierung in zuständliche und dynamische Verben wurde für das Akkadische allgemein in 3.4.2 erörtert. Sie findet sich auch in den allermeisten Forschungsarbeiten und Grammatiken der Akkadistik wieder und ist als Ordnungsprinzip des Lexikons allgemeiner Konsens. Nichtsdestoweniger ist eine scharfe Trennung der jeweiligen Verben strittig. So nennt GAG § 87 etwa nur exemplarisch einige Lexeme, wohingegen die Auflistung in Aro (1964: 18ff.) zwar Vollständigkeit anstrebt, jedoch keine Begründung zur individuellen Einteilung beibringt. Kouwenberg (2010: 58ff.) hingegen unterscheidet Verben die primär adjektivisch sind von fientischen Verben. Die Opposition in zuständlicher und dynamischer Lesart begreift er als grammatisch und nicht lexikalisch veranlagt, d.h. als Opposition von PK und SK (Kouwenberg 2010: 55). Die Klassifizierung ist aber als solche eine Weiterentwicklung der traditionellen Unterscheidung und leidet wie diese an dem Fehlen einer formalen Zuordnung, die teilweise auf intuitives Erwägen des Verfassers zurückgreift 1. Semantische Relationen (5.3.6), wie sie am deutlichsten bei der Betrachtung von PRS und STA hervortreten und nur eingeschränkt bei PRT und PRF zu erkennen sind, sind außerhalb des DSM intransitiver Verbformen auch in der Linguistik ein erst in der jüngeren Forschung erschlossenes Thema. Es fehlt hier zu vielen Teilbereichen noch an weiterführenden Untersuchungen. Darin ist die Fallstudie daher eng mit dem aktuellen linguistischen Diskurs verwoben. Die in 3.5.4 vorgestellte Differenzierung in eine Opposition des Genus der Situationstypen ist für die Akkadistik m.W. neu. Sie leitet sich aber aus der traditionellen Auffassung eines mit den Vokalklassen verknüpften Verbalcharakters ab, wie z.B. in Aro (1964), die in Arbeiten späterer Autoren aufgegeben wurde. Dieser Verzicht auf das Verständnis der Vokalklassen als bedeutungstragend ist jedoch zum Teil auf eine falsche Zuordnung von Eigenschaften zurückzuführen. So kommt etwa Kouwenberg zu dem Ergebnis, dass keine erhaltene Bedeutung im historischen Sprachbestand vorliegt, weil die i-Klasse zugleich die beiden äußeren Grenzen der semantischen Transitivität besetzt (Kouwenberg 2010: 72). Der Widerspruch löst sich allerdings vor dem Hintergrund der Annahme eines ingressiven Genus mit 1 Mit diesem Erwägen der Situationstypen verknüpft ist die implizite These einer metasprachlichen Zuordnung von Situationstyp und Lexem anhand der Bedeutung des jeweiligen Verbs.

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438

Lexikon

achievement und state als Lesarten. Diese entsprechen hoher (achievement) und niedriger (state) Transitivität unter einem einheitlichen Begriff der i-Klasse.

10.2 Dynamizität 10.2.1 Einleitung Die oberflächlich einfache Charakterisierung eines Verbs als dynamisch oder zuständlich wird im Akkadischen dadurch aufgebrochen, dass mit Ausnahme der perfecta intensiva (8.7) allen zuständlichen Verballexemen die dynamische Lesart eines achievements in der PK zukommen kann (3.4.4). Als dynamisch qualifiziert sind daher zunächst Verben der Ablautklassen (10.4.4 & 10.4.5) und Verben der i-Klasse (10.4.3), die entweder syntaktisch transitiv sind oder bei denen der STA ungebräuchlich ist und die daher keine reguläre Lesart als state erlauben. Verben der a-Klasse sind problematisch (10.4.2), weil diese auch transitive Zustände (causative states) erlauben. Dass dann etwa ṣabātum: packen als dynamisches Verb, balāṭum: leben als Zustandsverb verstanden wird, ist nicht durch die Bestimmung des Situationstyps, sondern durch die semantische Rolle des Subjekts begründet. Praktisch lassen sich daher Verben der a-Klasse, wie auch Verben der nicht-ablautenden u-Klasse, nicht zweifelsfrei unterscheiden. Stattdessen wird eine Transposition der semantischen Rolle unternommen, bei der Verben mit niedriger Agentivität des Subjekts und insoweit sie keine Translokation beschreiben zuständlich (so wohl taqānum: sicher sein) und alle anderen Verben dieser Gruppe dynamisch (so z.B. rapādum: laufen) begriffen werden. 10.2.2 Dynamische Verben Zu den dynamischen Verben gehören alle Lexeme der paradigmatischen Stammformen. Daher greift die Unterscheidung nur beim Grundstamm. Hierhin gehören alle Verben der a/uAblautklasse und alle transitiven Verben der i-Klasse. Sie werden in den Belegkatalogen unter Prt-1, Prt-3 und Prt-4 sowie Prs-1 und Prs-4 geführt. Auch die unter Sta-2 mit zuständlicher Lesart geführten Lexeme gehören hierhin. Die prototypischen Vertreter der dynamischen Verben sind Lexeme der a/u-Ablautklasse: a-šar i-ša-pu-ku ašar i-ššappuk-u Wo PK.3-Aufgehäuft.Werden~PRS-SUBJ Wo man es aufhäuft, (mache kenntlich)!

AKT VIb 434: 30

Verben der nicht-ablautenden u-Klasse sind möglicherweise im Altassyrischen insgesamt unter die dynamischen Verben zu zählen. Die wenigen möglichen Ausnahmen wurden unter 7.8.3 diskutiert. Hierzu gehört ferner vielleicht das Verb napāšum in der Bedeutung Fordern in der PK (6.3.5.4) gegenüber Atmen in der SK:

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Dynamizität

ú-lá ta-na-pu-ša ula ta-nappuš-ā NEG PK.2-Fordern~PRS-PL Ihr werdet nicht protestieren.

439

AKT VIIa 30: 29

Bei den ingressiven Verben gestaltet sich die Zuordnung in Teilen als schwierig. So sind aus der a-Klasse unabhängig der syntaktischen Transitivität nur solche Verben als dynamisch zu begreifen, die die perfektzuständliche Lesarten (Sta-2) zeigen (s.u. 10.4.2). Sicher zu den dynamischen Verben der intransitiven i-Klasse zählen solche mit translokativer Bedeutung (10.4.3). Die a/i-Klasse (10.4.4) kann in Analogie zu den Stammformen auch im Grundstamm als primär dynamisch verstanden werden. Charakteristisch ist bei diesen ein prototypischer s-level, sofern das Lexem über eine zuständliche Lesart verfügt. Sie werden teils als Mischformen verstanden, so etwa in Kouwenberg (2010: 55ff.) als fientische Verben mit zuständlicher Bedeutung. 10.2.3 Zuständliche Verben Neben der historischen Tendenz der Zustandsverben, in der i-Klasse zusammenzukommen, (Aro 1964: 18ff.) ist auch in den Lesarten eine Orientierung an dieser Transfixklasse zu beobachten, die wesentlich von der Semantik der u-Klasse abweicht (3.4). Die verschiedenen Formalia zu Bestimmung zuständlicher Verben im Altassyrischen folgen den in 3.4.2 diskutierten. Im Allgemeinen sind dabei Verben, die nicht der i-Klasse angehören und deren STA Form mit u vokalisiert wird, formal als Zustandsverben einzuordnen: “The fact that fientive verbs have a predictable stative/past participle PaRiS implies that verbs that do not have PaRiS must be adjectival.” Kouwenberg (2010: 58). Eine bedeutende Rolle spielen auch die Agentivität des Subjekts und s-level bei Verben der a- und u-Klasse (3.4.4). Auch Verben, die nicht der i-Klasse angehören, haben häufiger eine approximative Lesart im PRS (Prs-7), die im Diskurs meist futurisch zu interpretieren ist. Hier ist auf breiterer Basis als in dieser Studie zu prüfen, ob für Verben dieser Typen nicht eine Unterscheidung in aktivisch und inaktiv zweckdienlich ist, die nicht konsequent in der hier vorgestellten Opposition reanalysiert wurde. Zu den möglichen Zustandsverben der a-Klasse gehört altassyrisch balāṭum: ša i-lá-kà-ni ša i-llak-an-ni SUB PK.3-Gehen\PRS-VENT-SUBJ Der, der kommt, wird nicht leben.

lá i-ba--aṭ lā i-ballaṭ NEG PK.3-Leben~PRS AKT VIa 115: 44f.

Obwohl sie gemeinhin dynamisch begriffen werden, zeigt eine Reihe der Verben der a/i Klasse teils zuständliche Lesarten im PRs und bei diesen ist das approximative PRS selten: eš18-dar-DINGIR-šu

a-bu-ta-šu-nu-ma i-za-az abbūta=šunu=ma i-zzāz PN Vaterschaft=POSS.3.M.PL=KONJ PK.3-Stehen\PRS PN wird für ihre Vaterschaft einstehen. CCT 4 24a: 18f.

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440

Lexikon

Konsequent telisch sind hingegen Formen des PRS translokativer und transitiver Verben dieser Klasse, wie nadānum: geben und alākum: gehen, allerdings liegt hier möglicherweise in Analogie zur a/u-Klasse ein Wechsel von achievement und accomplishment vor (11.2.5): a-lá-ak a-llak PK.1SG-Gehen\PRS

ú-ḫa-ra-ma u-ḫarram=ma PK.1PLSiegeln\PRS=KONJ Ich werde gehen. Ich werde siegeln. TCL 4 82: 12 1/3

ma-na mana Mine

5?

GÍN

KÙ.BABBAR

a-da-na-kum a-ddan-ak=kum PK.1SG-Geben\PRSDrittel Fünf Schekel Silber VENT=DAT.2.M Ein Drittel Minen und fünf Schekel Silber werde ich dir geben. AKT IV 16: 15f.

Dementsprechend ist auch im PRT formal progressiver Lexeme häufiger eine inzeptive Lesart zu beobachten, die sonst nur im PRT auf –a- bzw. –i- zu erwarten wäre, so bei zakāˀum: verfügbar sein: KÙ.BABBAR

iz-ku-ma i-zku=ma Silber PK.3-(PRT)Frei.Sein Silber wurde verfügbar und PN nahm (es).

ku-li-a

il5-qé i-lqe PN PK.3-(PRT)Nehmen=KONJ AKT V 50: 15

Zusammenfassend lässt sich für den zuständlichen Verbalcharakter folgende Distribution feststellen: Lesarten zuständlicher Verballexeme komplexiv zuständlich (state) (state) s-level PRT STA/PRS i-level * STA

approximativ (achievement) PRS *

inzeptiv (achievement) PRT *

In der i-Klasse (10.4.3) kommt nur der STA zum Ausdruck aktuell-zuständlicher Semantik in Betracht, das PRS ist ausgeschlossen: a-na-ku-ú anākū PERS.1SG\INTERROG Bin ich wohlauf?

ša-al-ma-ku-ma šalm-āku=KONJ Wohl.Sein-1SG.SK=KONJ AKT III 79: 9

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Semantische Relation

Unter den ingressiven Lexemen nehmen die Verben III-i eine Sonderstellung ein. Bašāˀum etwa ist auch im PRS zuständlich (11.6.1): i-na na-aq-ri-bi4-im=ma ina naqrib-im=ma SEP/LOK Bälde-GEN=KONJ In Bälde wird es Meteoreisen geben.

a-ší-ú-um ašī-um Meteoreisen-NOM

i-ba-ší i-bašši PK.3-Vorhanden.Sein~PRS CCT 2 48: 26f.

Altassyrisch begegnen eine Reihe von Verben mit a-a Vokalisierung der SK(7.8.2), die nicht als Zustandsverben qualifiziert sind (3.4.2 & 10.4.4). Insgesamt widerspricht dies nicht dem Befund für das Akkadische insgesamt, weist u.a. aber das Altassyrische als eine Varietät aus, in der die Zuordnung zu Zustandsverben anhand der Form des STA nicht allein varietätsintern, sondern varietätsvergleichend erfolgen muss, sofern die Beleglage zu Formen des STA 3SG, des Verbaladjektivs, des Partizips usw. aussagekräftig ist.

10.3 Semantische Relation 10.3.1 Agentivität und DSM Die Agentivität bildet keine diskrete Gruppe von Verben im Lexikon. Vielmehr kann sie durch metaphorische Extension bestimmter sprachlicher Verwendungsweisen produktiv entwickelt werden. Als solche wird sie durch pragmatische Interpretation einer Verbalphrase lexikalisiert. Bedeutung für den Aspekt hat die Agentivität (3.2) vornehmlich für die Semantik des progressiven PRS und des inaktiven STA (5.3.6). Die Lexikalisierung bestimmter Phrasen entspricht zunächst den Lesarten, die aufgrund der genannten Gruppierungen im Lexikon verlangt werden – so etwa der STA zum Ausdruck von Zuständen. Durch den semantischen Wandel der Phrasen kommt es zu Verwerfungen in den Katalogen Lesarten, die zu neuen Lesarten der paradigmatischen Formen in bestimmten Kontexten führen. Diese Lesarten, die durch den semantischen Wandel lexikalischer Phrasen und der ihnen zugeordneten paradigmatischen Form entstehen, etablieren die Agentivität als relevante Eigenschaft des Lexikons. Sie erklärt die Verwendungsweisen des STA als Suffixkonjugation (SK) gegenüber den anderen Formen des Paradigmas, der Präformativkonjugation (PK). Da die Bestimmung der Agentivität pragmatisch und nicht lexikalisch erfolgt, kommt es zu einem fließenden Übergang im Gebrauch von SK und PK. Die abweichenden agreement-Affixe am Verb bieten dabei ein differential subject marking (DSM): einem fluid-subjekt marking. Dahingegen weisen die Zustandsverben der i-Klasse eine dichotome Distribution PRS (dynamisch): STA (zuständlich) auf, d.h. split-subject marking (5.2.4). Semantischer Gehalt dieser Unterscheidung ist eine Unterteilung in aktive und inaktive/statale Verben, bei der anders als in ergativischer und akkusativischer Konstruktion das Subjekt nicht eindeutig (als Absolutiv oder Nominativ) zugeordnet wird, sondern je nach semantischer Ladung wie das Objekt (SK) oder wie das (transitive) Subjekt (PK) gekennzeichnet wird. Zu beachten ist, dass das hier beschriebene DSM sich nur innerhalb eines Teilsystems der Konjugation findet (2.3.3.2). Als Beispiel zum DSM innerhalb der Konjugation sei das deutsche Perfekt herangezogen: Transitive Verben werden mit dem Hilfsverb Haben gebildet (Er hat ihn geschlagen). Intran-

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Lexikon

sitive Verben folgen teils dieser Bildung (Er hat gesungen) doch begegnen vor allem translokative Bildungen mit Sein, die formal dem Zustandspassiv entsprechen (Er ist gegangenPERFEKT: Er ist geschlagenZUSTANDSPASSIV.). Die Kennzeichnung des Subjekts am Verb folgt also der zustandspassiven Bildung, die das semantische Objekt, d.h. das Patiens kennzeichnet. Zu beachten ist, dass die zunächst nur intransitive Bildung auch transitiv erweitert werden kann (Er ist den Weg gegangen). Die Trennung der Verben ist dabei zunächst strikt, d.h. es liegt ein split-subject marking vor (Er ist gegangen: *Er hat gegangen). Doch treten bei einigen Bildungen teils lexikalisch teils syntaktisch motivierte Doubletten auf, d.h. es liegt dann ein fluid-subjekt marking vor. So ist Er hat geschwommen: Er ist geschwommen lexikalisch motivert. Hingegen ist Er hat getanzt: Er ist in den Raum (Translokation) getanzt syntaktisch motiviert. Letzteres zeigt im Deutschen aber keine funktionale Differenzierung auf. 10.3.2 Semantische Relation und Dynamizität Dynamische Verben begegnen auch dann mit PRS anstelle des STA, wenn das Subjekt niedrigere Agentivität aufweist. So hat alākum: gehen, kommen wohl immer ein theme als Subjektrelation, wie es bei Bewegungsverben häufig ist. Es erlaubt daher auch ein unbelebtes Subjekt: ší-tí šitti Rest

KÙ.BABBAR Silber

i-na ina SEP/LOK

a-limki āl-im Stadt-GEN

a-ma-lá ammala Entspreche nd

ṭup-pì-šu ṭupp-i=šu TafelGEN=POSS.3.M

i-lá-ak-šu-um

i-llak=šum PK.3-Gehen\PRS=DAT.3.M Der Rest des Silbers kommt ihm in der Stadt entsprechend seiner Tafel zu.

AKT III 20: 26ff.

ṣí-ib-tum ma-dí-iš i-li-ik-ma ṣibt-um mādiš i-llik=ma Zins-NOM Viel PK.3-(PRT)Gehen=KONJ Der Zins ist reichlich aufgelaufen. AKT V 53: 8f.

Bei anderen Bewegungsverben ist auch der STA möglich. Entscheidend ist hier, dass das Subjekt unmittelbar am Resultat der Handlung beteiligt ist, d.h. ein Perfekt des erreichten Zustands vorliegt. Die syntaktische Relation ist also imperfektiv (5.2.4). So bei kašādum: (Preis) erreichen: ki-ma KÙ.BABBAR-áp-kà lá kīma lā Wie Silber=POSS.2.M NEG Weil dein Silber nicht ausreichte, (…).

kà-áš-[d]u-ni kašd-ø-u-ni Erreichen-3SG.SK-SUBJ-SUBJ AKT III 45: 15

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Semantische Relation

Hingegen steht PRT, wo der erreichte Zustand nicht mehr bzw. nicht mehr zwingend vorliegt und ein XN-Intervall oder eine rein perfektive Lesart vorliegt 2: 1 5/6 1 5/6

ma-na ma-na Mine

5

GÍN.TA

URUDU

Fünf

Schekel.Jeweils

Kupfer

1 5/6 Minen und 5 Schekel entfielen jeweils auf uns.

(…)

ik-šu-ud-ni-a-tí i-kšud=niâti (…) PK.3(PRT)Erreichen= OBL.1PL AKT III 34: 3ff.

Verben mit mittlerer Agentivität des Subjekts zeigen hingegen in antikausativen Stämmen keine Demotion des Subjekts, so etwa altassyrisches ḫabālum: “If these verbs occur in the N-stem, [they are] usually rather ingressive rather than passive, e.g., ḫabālu N ‘to become indebted’ […]. Yet there is no passivization of these verbs.” Kouwenberg (2010: 260 26; Hervorhebungen im Original; Korrekturen durch Verf.). Vergleicht man den Gebrauch des Stativs im Akkadischen mit dem in anderen Sprachen, wie dem Altgriechischen oder dem Cayuga, so ist die naheliegende Hypothese, dass die inaktive Semantik zum Nachteil der SK im Verbalsystem zurückgebaut wurde und im historischen Bestand vornehmlich nur noch einfache Zustände und konsequentielle Situationen wiedergegeben werden. Anstelle der Wiedergabe inaktiver und dynamischer Verbalhandlungen im STA begegnet hier das semitische System der paradigmatischen Stammformen, wodurch zum Grundstamm sowohl Formen mit höherer (z.B. im D-Stamm) als auch niedriger (z.B. im NStamm) Agentivität in Opposition gesetzt werden können. Ob die paradigmatischen Stammformen hier im vorhistorischen Sprachstand dementsprechend wirkungsmächtig gewesen sind, ist eine Fragestellung der Semitistik. 10.3.3 Resultativer und inaktiver Stativ Resultativ sind Verben der Lesart Sta-2. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der STA nur kontextuell echte Resultativität ausdrückt, die Form selbst auch bei einer zustandspassiven Derivation zunächst nur einen einfachen Zustand beschreibt: a-pá-tum (…) pa-at-[a] ap-āt-um patâ Öffnung-F\PL-NOM (…) Öffnen\PL.F.SK Die Fenster (…) waren geöffnet. ICK 1 128: 5f.

Insgesamt scheint sich der STA zunächst aufgrund der Struktur des Verballexikons auch bei Zustandsverben als Resultativ zu erklären. Der Übergang zu einer reinen imperfektiven Lesart im Sinne eines perfectum intensivum ist bei einigen Verben, insbesondere bei šakānum: legen, stellen, fließend. Es ist noch zu klären, ob der STA überhaupt ein echtes

2 Zu beachten ist, dass der STA kein sogenanntes Objektsresultativum wie im Griechischen ausdrücken kann (6.2).

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Lexikon

Patiens oder nur das Vorhandensein eines themes bezeichnen kann (5.2.3 & s.a. Kouwenberg 2010: 174): 92 92

ma-na mana Mine

URUDU Kupfer

ú u KONJ

15

GÍN



15

Schekel

Gold

i-na ni-kà-sí lá ša-ki-in ina nikkass-ī lā šakin-ø SEP/LOK Abrechnung-OBL.PL NEG Stellen-3SG.SK 92 Minen Kupfer und fünfzehn Schekel Gold liegen nicht in der Abrechnung vor. mì-šu miššu Warum a-na ana ALL

ša ša SUB lá lā NEG

AKT III 25: 6ff.

áš-ta-na-me--ni-ma a-štanamme-u-ni=ma PK.1SG-I.W.Hören~PRS-SUBJ-SUBJ=KONJ a-wi-lim awīl-im Mann-GEN

i-na ina SEP/LOK

e-ni-kà ēn-ī=ka AugeOBL.PL=POSS.2M Warum höre ich immer wieder, dass ich wie ein unzuverlässiger Mann in deinen Augen dastehe (~liege).

ša-ak-na-ku-ni šakn-āku-ni Stellen-1SG.SK-SUBJ

AKT IV 69: 3ff.

KÙ.BABBAR

i-qá-qá-ad šál-mì-šu-nu ra-ki-is iq=qaqqad šalm-i=šunu rakis-ø SEP/LOK= GesundSilber Binden-3SG.SK Haupt GEN=POSS.3.M.PL Das Silber ist an den finanziell Gesunden unter ihnen gebunden. AKT IV 5: 16ff.

Inaktiver STA bei Naturerscheinung als Subjekt: šu-ma u4-mu-ú e-mu šumma ūm-ū emû Wenn(KOND) Tag-NOM\PL Heiß.Sein\PL.M.SK Wenn die Tage warm sind. AKT VIII 18: 25f.

Bei nominalen Formen: um-ma DINGIR-na-da-ma eṭ-lá-ku umma PN=ma eṭl-āku QUOT PN=KONJ Mann-1SG.SK Folgendermaßen PN: Ich bin ein Mann! AKT VIIa 108: 15f.

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Semantische Relation

Nominal ist vielleicht auch der STA der Wurzel ṣeḫērum: iš-tù ṣa-aḫ-ra-ku-ni ištu ṣaḫr-āku-ni Von Kleiner?-1SG.SK-SUBJ Seit ich klein war, (…). BIN 6 24: 3

Vielleicht eine inaktive activity ist saḫārum: sich aufhalten: a-na-ku anāku PERS.1SG

sà-aḫ-ra-ku-ma (…) ma-lá-kam lá saḫr-āku=ma malāk-am lā S.Aufhalten(…) Beraten-AKK NEG 1SG.SK=KONJ Weil ich aufgehalten wurde, konnte ich nichts entscheiden (…).

a-al-té-e a-l’e PK.1SG-Können AKT VIb 329: 30ff.

Außer našāˀum: aufheben (Sta-6) wohl dynamisch zu verstehen sind: e-ma-ru-kà emār-ū=ka Esel-NOM\PL=POSS.2.M Deine Esel sollen speisen.

lu lū OPT

ak-lu akl-ū Essen-PL.M.SK AKT VIb 330: 28

i-na wa-aḫ-šu-ša-na li-ni-dí-ma ina li-nnidi=ma SEP/ OPT.3ON LOK Deponiert.Werden=KONJ So soll es in ON deponiert werden damit ich aufatmen kann.

lu lū OPT

na-áp-ša-ku napš-āku Aufatmen-1SG.SK

CCT 4 3a: 8ff.

Zustandspassive Belege hoch transitiver Verben fehlen hingegen weitgehend. Es ist allerdings auch möglich, dass dabei nicht die Verbalsemantik, sondern der Charakter des Resultats entscheidend ist, der bei diesen konsequentiell, aber nicht anschaulich ist 3. 10.3.4 Strukturprozesse der semantischen Relation im Altassyrischen 10.3.4.1 Einleitung Im Rahmen des DSM ist zwischen vier Phänomenen des Strukturwandels im Altassyrischen zu unterscheiden: einem Wechsel von SK zu PK (10.3.4.2), einem Wechsel von PK zu SK (10.3.4.3), einer Extension von Phrasen mit SK Prädikat (10.3.4.4) und eine Extension von Phrasen mit PK Prädikat (10.3.4.5). Extension bezeichnet hier die Grammatikalisierung spezifischer Verbalphrasen. Wechsel bezieht sich auf die Lexeme unabhängig ihrer syntaktischen Struktur. Diese Unterscheidung ist der ursprünglich in den Formen veranlagten Sem3 Hierzu Loesov (2006: 139) & 5.3.6.6. Eine begriffliche Zusammenfassung des Anschauungsgrades und der Konsequentialität ist bei der Gruppe dieser Verballexeme nicht befriedigend möglich und zeigt auf, dass zu einer allgemeinsprachlichen Definition noch weitere Analysen erforderlich sind.

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Lexikon

antik geschuldet und gilt zunächst nur für das Altassyrische. Für das Akkadische im Allgemeinen ist sowohl eine diachrone als auch eine dialektale Dimension anzunehmen, so dass sich die Strukturen der semantischen Relation nicht nur nach Zeitstufe, sondern auch nach babylonischer und assyrischer Provenienz hin unterscheiden. 10.3.4.2 Der Wechsel von SK zu PK In der a- und u-Klasse der Zustandsverben wird das PRS als Form zum Ausdruck von Zuständen verwendet um s-level zu kennzeichnen. Sie dient zugleich zur Bezeichnung einer höheren Agentivität. Hier dient das PRS als Form des DSM. Prs-1 s-level: iš-tí KÙ.BABBAR uk-ta-al išti u-ktâl Mit Silber PK.3-Gehalten.Werden\PRS Mit dem Silber wird er gehalten. AKT III 15: 5f.

Undifferenzierte Verwendung im STA (Sta-5): Als s-level: a-šar a-ni-i ša-lim-a-šùr wa-áš-bu-ni ašar anni PN wašb-ø-u-ni Wo Jetzt Sitzen-3SG.SK-SUBJ-SUBJ Wo(immer) PN sich jetzt aufhält, (…). AKT VIa 9: 4ff.

Als i-level: i-na (É)bé-et ra-mì-ni-a uš-ba-ku-ma ina bēt ramin-i=ja ušb-āku=ma SEP/LOK Haus Selbst-GEN=POSS.1SG Sitzen-1SG.SK=KONJ Ich lebe in meinem eigenen Haus. AKT IV 63: 10f.

Grundlage dieser Unterscheidung ist eine Assoziation von Kontrolle des Subjekts bei vorübergehenden Zuständen nach Art einer activity, die im Unterschied zu einem state prototypisch durch das Subjekt kontrolliert und durch dieses beendet werden kann. Die Verknüpfung des PRS mit dem Situationstyp state folgt dabei einer pragmatischen Interpretation des s-levels als activity im Progressiv. Nach Vorbild der zustandspassiven Formen des STA (Sta-2), in denen das intransitive Subjekt S das Objekt P des transitiven Lexems ist, liegt bei intransitiven Verben in der SK eine objektähnliche Sp Kongruenz vor, die von der in der PK als Sa zu unterscheiden ist, in der das intransitive Subjekt mit dem Kongruenzmerkmal des transitiven Subjekts realisiert wird (3.2.3).

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Semantische Relation

Sp marking: Intransitiver Zustand zu einer transitiven Verbalhandlung: šu-um-kà mì-ma lá lá-pì-it šum=ka mimma lā lapit-ø Name=POSS.2.M INDEF NEG Eintragen-3SG.SK Dein Name war nicht eingetragen. AKT IV 59: 9f.

Intransitiver Zustand zu einer intransitiven Verbalhandlung: mì-šu ša a-ma-kam miššu ša ammakam Warum SUB Dort Warum schläfst du dort (…).

(…)

na-lá-tí-ni-ma nāl-āti-ni=ma (…) Schlafen-2SG-SUBJ=KONJ AKT VIa 287: 4ff.

In beiden Fällen wird das Subjekt am Verb, d.h. dem STA gleich gekennzeichnet. Jedoch ist die intransitive Lesart kongruent mit dem semantischen Objekt P des eigentlich transitiven Lexems. Demgegenüber sind transitive Lesarten im STA paradigmatisch sekundär. Dies ist aus dem typologischen Vergleich, ihrer geringeren Häufigkeit, aber auch anhand der morphologischen Restriktion des STA, der Akkusativsuffixe wohl ursprünglich ausschließt, zu schließen. Morphologisch sind beide Bildungen gleichwertig, insofern dem STA das Verbaladjektiv und kein perfektisches oder resultatives Partizip zugrunde liegt (s.a. 7.6.3). Syntaktisch transitiver STA – der STA selbst kann nur intransitiv in seiner Kongruenz sein: 1

TÚG

1/3

ma-na

4

GÍN

Ein

Gewand

1/3

Mine

Vier

Schekel

ší-im-šu šīm=šu Preis=POSS.3.M

Ein Gewand -1/3Minen und 4 Schekeln ist sein Preis – (…) habe ich beschafft.

(…) (…)

ad-ma-ku adm-āku Beschaffen1SG.SK

AKT VIa 1: 33ff.

Bei allen Belegen sind zunächst nur pragmatische Kriterien zur Kennzeichnung des s-level anzusetzen. Eigentliche activities sind aufgrund ihrer höheren Agentivität vom STA zunächst ausgeschlossen: a-ḫa-at-kà a-na a-bi-kà ma-da-tí-ma aḫāt=ka ana ab-i=ka mād-āt-im=ma Schwester=POSS.2 ALL Vater-GENViel-F\PL-OBL=KONJ .M POSS.2.M Deine Schwester spricht viel mit deinem Vater. AKT V 11: 26ff.

ta-ta-wu ta-tawwu PK.3.FSprechen~PRS

Hingegen darf bei STA mit u-Transfix wohl auch activity angenommen werden (7.2.3). 10.3.4.3 Der Wechsel von PK zu SK DSM zugunsten des STA lässt sich bei Vergleich des Assyrischen mit den babylonischen Varietäten z.B. anhand von muātum oder maqātum belegen. Hier kann assyrisch auch dort der STA gesetzt werden, wo das Ereignis und nicht der Zustand im Fokus des Diskurses ste-

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hen. Offenbar handelt es sich um Verben niedrigeren Anschauungsgrades (7.6.2). Dies wird altassyrisch durch die niedrige Agentivität des Subjekts motiviert. Beim Wechsel zur SK begegnet das Sp-marking des STA bei einem idiomatischen Ausdruck, der als Prozess (progressives Verb) die Formen der PK verlangt. Wie im Babylonischen ist es auch in der Übersetzung hier ungrammatisch, eine imperfektive Form anzuzeigen, die im Assyrischen syntaktisch vorliegt. Ein Beleg für eine perfektive oder XN-resultative Lesart im STA kann dadurch nicht erbracht werden. Vielmehr dürfen für das Akkadische (zumindest in den assyrischen Varietäten) ganz analog zum Deutschen resultative Konstruktionen mit Ortsadverbien im Einzelfall als zulässig anerkannt werden (zu deutschen Belegen Litvinov & Nedjalkov 1988: 139) und dies möglicherweise allgemein als dialektspezifisches Merkmal gegenüber den babylonischen Varietäten. Als recent past (Sta-1): a-na-kam lá li-bi4 i-li-e-ma annakam lā libbi īl-im=ma Hier NEG Herz Gott-GEN=KONJ Leider Gottes ist PN hier verstorben.

a-šur-ma-lik PN AKT I 11: 26f.

me-et mēt-ø Sterben-3SG.SK

Zu einem intransitiven Bewegungsverb (Sta-2): šu-ma ṣú-ḫa-ru-um a-na li-bi4-kà ma-qí-it šumma ṣuḫār-um ana libb-i=ka maqit-ø Wenn(KOND) Diener-NOM ALL Herz-GEN=POSS.2.M Fallen-3SG.SK Wenn der Diener bei dir eingetroffen ist, (…). AKT III 114: 16ff.

Wann altassyrisch der STA zu muātum durch ein PRT oder PRF vertreten werden kann, ist nicht sicher. Einen einzelnen möglichen Beleg perfektiver oder perfektzeitlicher Lesart bietet AKT IXa 48: 1 ANŠE i!-mu-ut 1 i-mūt 1 Esel PK.3-(PRT)Sterben Ein Esel ist gestorben. AKT IXa 48: 10

10.3.4.4 Extension von Phrasen mit SK Prädikat Durch Erweiterung des fluid-subject marking außerhalb der Zustandsverben der i-Klasse (10.4.3) auf transitive Formen des STA können im gesamten Lexikon agentive und nichtagentive Lexeme unterschieden werden. Syntaktisch transitiver STA mit belebtem Subjekt als Possessor (~theme): ṭup-pá-am

ša

ší-ip-kà-tim

ṭupp-am Tafel-AKK

ša SUB

šipkāt-im Einlagen-GEN

ša-lim-ašùr PN

Die Tafel der Einlagen, (die) PN bei getätigt hat.

ad-ma-⸢ku-ni⸣ adm-ø-ak=kun-ni Beschaffen-3SG.SKVENT=DAT.2.M-SUBJ AKT VIa 213: 9f.

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Semantische Relation

Semantisch transitiver STA mit belebtem Subjekt als theme: a-na ga-me-er-tim lá ana gamert-im lā ALL Vollständigkeit-GEN NEG Ich kann es nicht vollständig bezahlen.

kà-áš-da-ku kašd-āku Erreichen-1SG.SK AKT V 5: 20f.

PRT mit unbelebtem Subjekt als theme mit höherer Agentivität: iš-tù ištu Von 5

wa-aḫ-šu-ša-na ON1 GÍN.TA

a-dí adi Bis URUDU

ša-la-tù-a-ar

1 5/6

ON2

1 5/6

ma-na mana Mine

(…)

ik-šu-ud-ni-a-tí i-kšud=niāti Fünf Schekel.Jeweils Kupfer (…) PK.3-(PRT)Erreichen=OBL.1PL Von ON1 bis ON2 entfielen (~erreichen) auf uns jeweils 1 5/6 Mine und fünf Schekel Kupfer. AKT III 34: 1ff. ki-ma É-tum an-ḫu-ni kīma anḫ-ø-u-ni Wie Haus Ermüden-3SG.SK-SUBJ-SUBJ Weil das Haus baufällig ist, geriet ich in Furcht.

áp-lá-aḫ-ma a-plaḫ=ma PK.1SG-(PRT)S.Fürchten=KONJ AAA 1/3 1: 5f.

Eigentümlich für die assyrischen Varietäten ist der Gebrauch von našāˀum: aufheben, welches ingressiv ist und dessen Zustand Tragen eine Interpretation als activity erlaubt. Durch Erweiterung zum accomplishment kommt es dabei zu einem echten dynamischen STA (Sta-6): šé-bu-ul-ta-ku-nu ku-nu-ki-a a-lu-wa šebulta=kunu kunuk-i=ja SenSiegelPN dung=POSS.2.M.PL GEN=POSS.1SG Eure Sendung trägt PN mit meinem Siegel zu euch.

na-áš-a-ku-nu-tí našâk=kunūti Tragen\3SG.SK\VENT=DAT.2.M.PL AKT VIa 232: 20ff.

10.3.4.5 Extension von Phrasen mit PK Prädikat Für die Verwendung von STA und PRS zur Kennzeichnung der Agentivität spielt die Belebtheit als semantische Eigenschaft des Nomens keine Rolle. Entscheidend für die Agentivität ist immer die Interpretation der ursprünglichen Phrase. Ist diese dynamisch, so bleibt die Form der PK zum Nachteil des STA bei inaktiver Semantik erhalten. Das erlaubt im PRS unbelebte Subjekte, wo diese in einem dynamischen Ausdruck oder als s-level begegnen.

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Lexikon

Intransitives PRS mit unbelebtem Objekt: ší-tí šitti Rest

KÙ.BABBAR Silber

i-na ina SEP/ LOK

a-limki āl-im Stadt-GEN

a-ma-lá ammala Entsprechend

ṭup-pì-šu ṭupp-i=šu TafelGEN=POSS.3.M

i-lá-ak-šu-um

i-llak=šum PK.3-Gehen\PRS=DAT.3.M Der Rest des Silbers kommt ihm in der Stadt entsprechend seiner Tafel zu.

AKT III 20: 26ff.

S-level mit unbelebtem Subjekt: a-limki āl-im Haus Stadt-GEN Sie sind im Stadthaus. É

i-ba-ší-ú i-bašši-ū PK.3-Vorhanden.Sein~PRS-PL.M AKT VIa 76: 28

10.4 Genus & Vokalklassen 10.4.1 Überblick In 3.5.4 wurde im Rahmen der Struktur der Situationstypen im Lexikon ein Begriff des Genus nach Vendler aufgegriffen, der in der Literatur nur selten begegnet und die Situationstypen in solche von progressiver Semantik und solche von non-progressiver Semantik scheidet. Letztere sind in dieser Arbeit als ingressiv bezeichnet worden. Diese Einteilung liegt zunächst rein formal zu der der Aspektaffinität quer (3.5.3). Kennzeichen der progressiven Situationstypen von accomplishment (3.2.4) und activity (3.2.2) sind die semantischen Merkmale der Durativität und Dynamizität. Ihr lexikalischer Synkretismus begegnet auch außerhalb von Aspektsystemen häufig, z.B. in Sprachen wie dem Deutschen, in denen die beiden Situationstypen zumeist nur syntagmatisch differenziert werden (3.5.3). Für achievements und states ist eine gemeinsame Klasse zunächst nur ex negativo zu bestimmen: sie sind entweder nicht durativ oder nicht dynamisch. In grammatischer Perspektive ist die Opposition der beiden Klassen hingegen deutlicher und sie findet sich etwa in der Restriktion des Progressivs mit ingressiven Verben (5.3.7) oder der paradigmatischen Differenzierung dieser Verben vornehmlich in aspektdichotomen Sprachen (3.5.5), aber auch Sprachen mit voll grammatikalisiertem Progressiv, wie dem Englischen oder Akkadischen (5.3.7). Die Ordnung nach dem Genus der Situationstypen deckt sich mit den Befunden in verschiedenen Arbeiten zu den Vokalklassen – und dies unabhängig der Bewertung derselben als bedeutungstragend oder semantisch leer. Unter den Vertretern der These bedeutungstragender Transfigierung ist etwa von Soden zu nennen, welcher in seiner Grammatik Verben der i-Klasse als zuständlich oder punktuell versteht, Verben mit u im PRT als durativ und

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Genus & Vokalklassen

dynamisch (GAG §86c). Kouwenberg als Gegner dieser These bemerkt, dass in der i-Klasse Verben mit hoher und niedriger semantischer Transitivität zusammenkommen (Kouwenberg 2010: 72). Diese unbestrittene Merkmalsopposition korrespondiert allerdings mit dem achievement als Situationstyp der höchsten und state als Situationstyp der niedrigsten semantischen Transitivität (5.3.2)4. Für das Altassyrische, wie auch andere akkadische Varietäten, kann daher die Diskussion um die Vokalklassen derart zusammengefasst werden, dass sich die jeweiligen Beobachtungen, mit denen argumentiert wird, nur mangels einer allgemeinsprachlichen Definition widersprechen, jedoch in dem hier vorgestellten Begriff des Genus zusammenfinden. 10.4.2 Die a-Klasse Die Lesarten der a-Klasse sind zumeist inzeptiv. Der dadurch eintretende Zustand hat den gleichen Valenzrahmen und dieselben Aktanten wie das vorausgehende dynamische Ereignis. Die Verben dieser Klasse sind sehr oft syntaktisch transitiv und wohl immer semantisch transitiv (5.3.2). Die eintretenden Zustände müssen semantisch als inhärente s-level verstanden werden. aṣ-ba-at-kà ku-a-tí a-ṣbat=ka kuāti PK.1SG-(PRT)Packen=AKK.2.M PERS.2.OBL Ich packte dich und ich (sagte) folgendermaßen:

um-ma umma QUOT

a-na-ku-ma anāku=ma PERS.1SG=KONJ AKT III 88: 4f.

ni-ip-lá-aḫ-ma e-na-na-tum ú a-na-ku ḫu-ur-ša-am ni-ip-té-e-ma u anāku ḫurš-am ni-pte=ma ni-plaḫ=ma PN KONJ PERS. KammerPK.1PLPK.1PL1SG AKK (PRT)Öffnen= (PRT)Fürchten= KONJ KONJ AKT V 23: 12ff. Wir gerieten in Furcht und PN und ich öffneten die Kammer. ba-lu-um ḫi-na-a ù ší-bi aṣ-ba-at u šīb-ī a-ṣbat balum PN KONJ Zeuge-OBL.PL PK.1SG-(PRT)Packen Ohne AKT VIa 194: 8f. Ich packte (sie) ohne PN und ohne Zeugen.

Bei einigen Verben ist ein semantisch transitiver Zustand nicht so deutlich im Lexem veranlagt. Es kommt dann, wie balāṭum: leben, in einigen Varietäten zu anderen Transfigierungen (3.4.3), entsprechend einer Ambiguität von activity und state, wie sie z.B. auch im Modernen Englisch begegnet (Dowty 1979: 66ff.).

4 Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Transitivität und seiner Differenzierung nach Syntax und Semantik in den vergangenen Jahrzehnten sehr einflussreich war und sich folgerichtig auch in Kouwenbergs Arbeiten niederschlägt. Die dort etablierte Opposition findet sich auch in dieser Arbeit wieder, in der der Begriff des Aspekts nach seinen Eigenschaften in Syntax und Semantik geschieden wird.

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Ein Beispiel für semantische Transitivität als relationaler Zustand zwischen Subjekt und Präpositionalphrase ina maḫrišunu: vor ihnen mit balāṭum: leben: i-na ma-aḫ-ri-šu-nu li-ib-lá-aṭ-ma ina maḫr-i=šunu li-blaṭ=ma (…) SEP/LOK Vor-GEN=POSS.3.M.PL OPT\3-Leben=KONJ Silber AKT VIa 229: 57f. Das Silber soll vor ihnen verfügbar werden. KÙ.BABBAR

(…)

Semantische Transitivität im STA, syntaktisch realisiert durch eine Präpositionalphrase: a-na ana ALL

ṭup-pí-im ṭupp-im Tafel-GEN

ša sa SUB

ḫu-bu-li-ku-nu ḫubbul-i=kunu Schuld-GEN=POSS.2.M.PL

ù u KONJ

ṭup-pí-im ša dí-in da-a-nim lá pá-al-ḫa-tí sa dīn dajjān-im lā palḫ-āti ṭupp-im Richter-GEN NEG Fürchten-2SG.SK Tafel-GEN SUB Urteil Wegen der Tafel über eure Schuld und der Tafel mit dem UrAKT III 62: 17ff. teil des Richters, mögest du dich nicht fürchten! a-šu-mì-ku-nu ni-ip-lá-ah-ma aššūmi=kunu ni-plaḫ=ma Wegen=POSS.2.M.PL PK.1PL-(PRT)Fürchten=KONJ Euretwegen gerieten wir in Furcht. CCT 5 3a: 36f.

Syntaktische Transitivität im STA: ni-a-tám pá-al-ha-ni niatt-am palḫ-āni POSS.1PL.F-AKK Fürchten-1PL.SK Wegen unsrigem sind wir in Furcht.

CCT 3 35b: r16

ṣí-ba-t[im] ú-lá ḫa-áš-ḫa-ku ṣib-āt-im ula ḫašḫ-āku Zins-F\PL-OBL NEG Brauchen-1SG.SK Ich brauche keine(n) Zins(zahlungen). AKT VIa 142: 35

Die iterativen tan-Stämme haben besonders häufig eine habituelle oder zumindest durative Lesart: a-na-kam

a-šur-iš-tí-kál



annakam Hier

PN1

u KONJ

ì-lí]-⸢e⸣mu-qí PN2

Hier halten wir PN1 und PN2 beständig fest.

ni-ṣa-na-ba-at-ma ni-ṣṣanabbat=ma PK.1PLBeständig.Festhalten~PRS=KONJ AKT VIa 214: 19ff.

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Genus & Vokalklassen

Bei Verben der a-Klasse kann das PRS auch den Zustand bezeichnen (Prs-1). Hier scheinen morphologische Restriktionen durch die Transfigierung und keine semantischen vorzuliegen. Altassyrisch sicher mit zuständlicher Semantik im PRS belegt ist takālum: vertrauen nur in der a-Klasse, das andernorts akkadisch auch der i-Klasse angehören kann5: a-na ana ALL

ša ša SUB

[k]i-ma kīma Wie

ia-tí jâti OBL.1S G

lá lā NEG

a-ta-kál a-takkal PK.1SGVertrauen~PRS

a-ku-a-tí ak=kuāti ALL=PERS.2.OBL

a-ta-kál a-takkal

PK.1SG-Vertrauen~PRS Meinen Stellvertretern vertraue ich nicht; dir vertraue ich.

TTC 24: edge2

Bsp. mit PRF der i-Klasse und dort nicht zuständlich: lá-ni-šu ta-tí-ki-il5 a-na lān-i=šu ta-tkil ana Gestalt-GEN=POSS.3.M PK.2-Vertrauen ALL AKT V 11: 8 Du hast Vertrauen in seine Gestalt gefasst.

Zur a-Klasse gibt es akkadisch keine Ablautklasse. Der a-Vokal bildet aber die Grundlage der anderen Ablautklassen (s.u.). Der STA des Typs a-a (7.8.2) wird bei Lexemen analog zur transitiven Semantik der PK der a-Klasse verwendet, bezeichnet also einen relationalen Zustand. So etwa bei ḫalāqum: verschwinden zu Anzeige des Verlusts in Bezug auf die Besitzer: šu-ma šumma Wenn(KOND)

iḫ-tí-li-iq i-ḫliq PK.3-Verschwinden

a-na ana ALL

ki-lá-li-šu-nu kilallī=šunu Beide=POSS.3.M

ḫa-la-aq

ḫalaq-ø Verschwinden-3SG.SK Wenn es verlustig geht, ist es beiden verlustig.

KKS 10a: 13ff.

5 Auch der Imperativ tikal statt takal und der STA takil sind belegt (Kouwenberg 2017: 50028).

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Lexikon

Möglicherweise erlauben Verben der a-Klasse, die keinen Zustand beschreiben, eine iterierte Handlung und sind daher semelfaktiv (8.3.4.2): ú-lá ula NEG

ú-ba-áš-kà-ma qá-at-kà ú-lá u-bāš=ka=ma qāt=ka ula PK.1SGHand=POSS.2.M NEG (PRT)Beschämen=A KK.2.M=KONJ Ich beschämte dich nicht und habe dir nichts ausgeschlagen.

am-ḫa-aṣ a-mḫaṣ PK.1SG-(PRT)Schlagen

AKT VIb 350: 8f.

10.4.3 Die i-Klasse Über die i-Klasse ist in der Einleitung schon gesprochen wurde. Der widersprüchliche Befund vom Nebeneinander von achievement und state ist Ausdruck des ingressiven Genus. Dies erklärt auch die unterschiedliche semantische Transitivität (5.3.2). Der paradigmatische Wechsel wird in den Wörterbüchern durch das lexikalische Nebeneinander von Sein und Werden bei den Verben zur Beschreibung prototypisch adjektivischer Verben dabei am deutlichsten. Zur i-Klasse gehören, neben transitiven und zuständlichen Verben der i-Klasse, zumindest teilweise die Verben III-i (vgl. 7.3.2). Die Verben dieser Klasse weisen neben Lesarten als achievement häufig eine komplexive bzw. zuständliche Semantik (state) auf. Letztere sind allerdings für das PRF nicht belegt. In der i-Klasse ist das (dynamische) PRF häufig belegt. Von Verben der Bewegung/ des Bewegens: ḫu-sà-ru-um e-ta-li-a-am ḫusār-um ēli-am Hämatit?PK.3\HervorkommenNOM VENT Wenn der Hämatit zum Vorschein kommt, siegelt mir ihn! šu-ma šumma Wenn(SUBJ)

ku-un-kà-šu-ma kunk-ā=šu=ma SiegelnPL=POSS.3.M=KONJ AKT VIa 135: 16ff.

Von transitiven Verben: mì-ma mimma INDEF ša ša SUB

ú-ṭé-tim uṭṭet-im Getreide-GEN nu-a-e nuā-ē EinheimischerOBL.PL

ú u KONJ a-bi ab=ī Vater= POSS.1SG

KÙ.BABBAR Silber i-a-tí-ma jâti=ma OBL.1SG=KONJ

e-ta-aṣ-ra-am ēṣr-am PK.3\EinzeichnenVENT

Alles Getreide und Silber der Einheimischen hat mein Vater mir gezeichnet (~zugesprochen).

AKT VIa 225: 13ff.

Für das PRS der i-Klasse fehlen zuständliche (non-modale) Lesarten (s.o.). Neben der syntaktischen Bildung achievement > activity (etwa durch Iterativlesarten usw.) kann das PRS noch im Prohibitiv mit Verben der i-Klasse stehen. Ob dies als state zu interpretieren ist, ist

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Genus & Vokalklassen

unklar (5.3.5). Vermutlich dominiert aber die Modalität der Aspektkategorie die semantischen Restriktionen der lexikalischen Klasse 6: li-ba-kà lá i-pá-ri-id mì-ma libba=ka lā i-parrid mimma Herz=POSS.2.M NEG PK.3-Erschrecken~PRS INDEF Es soll sich überhaupt nicht erschrecken/Dein soll (vor) nicht(s) erschrecken. mì-ma i-li-bi4-kà lá il=libb-i=ka lā mimma SEP/LOK=Herz-GEN=POSS.2.M NEG INDEF Sorge dich um nichts, was du auf deinem Herzen hast.

AKT IV 70: 6f.

ta-na-ḫi-id ta-naḫḫid PK.2-Acht.Geben~PRS AKT V 19: 7

Der STA hat mit dynamischen Verben zustandspassive Semantik und ist zumeist mit Verben mittlerer Transitivität belegt (5.3.2), d.h. mit affiziertem, aber nicht effiziertem Objekt. Insofern kann nicht nur das Subjekt des STA, sondern auch seine semantische Rolle in der PK bzw. im Lexikon als theme verstanden werden (5.2.3): So zu paqādum: anvertrauen: ŠU.NÍGIN

2



8

Summe

Zwei

Talent

Acht

ma-na mana Mine

AN.NA Zinn

a-wi-it a-šur-ma-lik

a-šur-i-mì-tí pá-qí-id ana paqid-ø awīt PN ALL PN Anvertrauen-3SG.SK Güter 1 2 Insgesamt zwei Talente und acht Minen Zinn Güter des PN1 sind dem AKT II 11: 7ff. PN2 anvertraut.

Und rakāsum: binden: i-qá-qá-ad šál-mì-ni iq=qaqqad šalm-i=ni SEP/LOK=Haupt Gesund-GEN=POSS.1PL Silber Das Silber ist an den finanziell Gesunden unter uns gebunden. KÙ.BABBAR

ra-ki-is rakis-ø Binden-3SG.SK AKT I 25: 18

Der STA hat mit zuständlichen Verben zuständliche Semantik: šál-ma-ku lu ḫa-dí-a-ni7 šalm-āku lū ḫadi-āni Wohl.Sein-1SG.SK OPT Froh.Sein-1PL.SK Mir geht es gut. Lass uns froh sein.

AKT VIa 293: 4

6 Dafür, dass Negationen akkadisch insgesamt modal und nicht situationstypenspezifisch angesehen werden müssen, spricht auch die spätere modale Opposition im Indikativ PRT: PRF der jüngeren Sprachstufen (s.o. Kap. 8 und 9).

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Lexikon

Nicht in diese Gruppe gehört zumindest ein Teil der Verba III-i mit teils abweichendem Funktionskatalog (s.u. 7.3.2). Insgesamt ist der STA in der i-Klasse insbesondere bei Verben mit anzunehmender hoher semantischer Transitivität weniger häufig. Dieser Befund deckt sich mit der Erhebung in Loesov (2006a: 136ff.) für das Altbabylonische und Altassyrische (10.3.3)7. 10.4.4 Die Ablautklasse des i-Transfixes Die a/i-Ablautklasse zeigt gegenüber der Struktur der anderen Transfigierungen einige Unregelmäßigkeiten hinsichtlich ihres primär ingressiven Genus und ihres Paradigmas. Sie bildet ihr Präsens immer auf a. Nach der Vokalisierung des PRF allerdings lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Zur Klasse der Verben mit i-PRF gehören, neben den Formen der valenzerweiternden Stämme, unregelmäßige Verben wie izizzum und nadānum (Kouwenberg 2017: 608), nicht aber andere Grundstämme dieser Klasse (Kouwenberg 2017: 491). Erstgenannte haben das PRS wohl erst durch paradigmatischen Ausgleich differenziert, da es hier wohl ursprünglich keinen Präsensstamm gab (etwa im Š-Stamm) oder dieser in der Grundform bereits vorlag (11.2). Sollte bei Letzten auch diachron derselbe Stamm vorgelegen haben, wäre im D-Stamm wohl ein imperfektives Antipassiv zu einem antikausativen einfachen Stamm anzunehmen, dem semitischen Ablautpassiv, das Akkadisch nicht belegt ist (11.2.5). Ob für die schwachen Verben ein ursprünglicher Präsensstamm angenommen werden darf, kann hier nicht beantwortet werden. Die regelmäßige Bildung dynamischer Formen der transitivierenden Stammformen, darf zugleich als Ausdruck der hohen semantischen Transitivität der i-Klasse als formaler Ausdruck eines achievement verstanden werden. Das PRT hat zumeist punktuelle Lesart: ½ ½

ma-na mana Mine

5

GÍN

(…)

É

Fünf

Schekel

(…)

Haus

a-na e-na-sú-en6 ú-ṣa-ḫi-ru kà-ri-im ana u-ṣaḫḫir-ū kār-im ALL PN PK.3-(PRT)Abzeihen-PL.M Karum-GEN Eine halbe Mine und fünf Schekel (…) haben sie im Haus des Karum für AKT II 10: 1ff. PN abgezogen. i-na ší-im-tim ina šīmt-im SEP/LOK Festgesetzter.Betrag-GEN Silber Silber ist vom festgesetzten Betrag übriggeblieben. KÙ.BABBAR

i-ri-iḫ i-rīḫ PK.3-(PRT)Übrig.Sein AKT IV 12: 12f.

7 Hierzu bedarf es noch weiterführender Untersuchungen der Transitivität und Valenz in Paradigma und Valenz des Akkadischen unter besonderer Berücksichtigung des DSM (10.3) und Stativität als formale Kategorie (10.2).

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Genus & Vokalklassen

ša ša SUB

i-li-m[ì-im il=līm-im SEP/LOK= Eponymat-GEN

ša] ša SUB

i-dí-a-bi-im PN

iš-tí-šu išti=šu Mit=POSS. 3.M

i-li-ku-ni i-llik-ū-ni PK.3-(PRT)GehenPL.M-SUBJ

Die im Eponymat des PN mit ihm gingen.

AKT III 37: 13ff.

púzur-ištar DUMU a-ta-a-a i-dí-in a-na i-ddin ana PN1 Sohn PN2 PK.3-(PRT)Geben ALL (16 Schekel) hat er an PN1, Sohn des PN2, gegeben.

AKT IV 13: 4ff.

Analog zu anderen Verben der i-Klasse darf so auch wabālum: bringen als achievement verstanden werden. Semantisch bedeutet dies, dass nur der Moment des Bringens zum Ausdruck kommt, der Weg des Agens hingegen, also das Hinüberreichen oder -kommen, keine Berücksichtigung findet: i-na ina PN SEP/L OK Von jener Ware brachte er zu PN. a-ṣé-er aṣ=ṣēr ALL=Rücken

ku-lu-ma-a

lu-qú-tim luqūt-im Ware-GEN

ší-a-tí šiāti OBL.3.F

ú-bi-il5 ūbil PK.3\(PRT)Bringen AKT III 87: 12f.

Die Interpretation des denominalen wa-Präfixes mit biltum: Last, Abgabe lässt sich bei einer Zerlegung in atomare Prädikate als starke faktitive Kausativität, wodurch sich im Übrigen eine inhaltliche Nähe zum D-Stamm aufzeigen lässt (s.u.), interpretieren: Atomare Prädikation des Verbs wabālum waMorphem Machen(ach) Semantik

bil(tum) Abgabe

Keinesfalls aber darf diese mit dem historischen Befund stimmige Deutung als valide interne Rekonstruktion verstanden werden. Ob die zweiradikaligen Wurzeln zu Lexemen wie wabālum in vorhistorischer Zeit verbal oder nominal waren, kann hier nicht beurteilt werden8. Wie bei der i-Klasse steht auch in der zugehörigen Ablautklasse häufiger PRF, wenn nach der Zeitstruktur des Textes perfektischer Bezug zu erwarten ist. So vor allem als futurum exactum in Protasen.

8 Folgt man dem Bildungsmuster denominaler Verballexeme ließe sich als Hypothese formulieren, dass zumindest ein Teil des semitischen Lexikons aus der Inkorporation von Objekten entstanden ist und die historisch als Aktionsart verstandenen Affixe eigentlich die ursprünglichen Verballexeme sind. Man gelangt dann zu einer kleinen Gruppe von Primärverben nach Vorbild polysynthetischer Sprachen, wie dem Sumerischen.

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Lexikon

Auf eine Zusage im PRS (Ich werde PN1 und PN2 sich an meiner Stelle setzen lassen): šu-ma-ba šumma=ba Wenn (SUBJ)=IRREAL

bu-zu-a PN1

ù u KONJ

a-gi-a PN2

i-na ga-mar a-wa-tim ⸢lá⸣ tù-uš-té-ší-ib gamār awāt-im lā tu-ššib ina Abschluss Sache-GEN NEG PK.2-Setzen.Lassen SEP/LOK Wenn du doch PN1 und PN2bei Abschluss der Sache sich nicht hätAKT VIa 53: 23ff. test hinsetzen lassen, (...)

Ganz entsprechend zur a-Klasse und abweichend von der Semantik der i-Klasse kann das PRS entgegen der lexikalischen Semantik und wohl durch paradigmatische Analogie einen Zustand im s-level ausdrücken: Bei Verhältnis von source (Subjekt): experiencer (Objekt) im Š-Stamm9: ú-ša-aḫ-du-ru-ni a-na-kam u-šaḫdur-ū=ni annakam PK.3-Ängstigen\PRS-PL.M=AKK.1SG Hier Hier ängstigen sie mich.

AKT V 10: 28

Bei dem Grundstamm der Verben der a/i-Ablautklasse: 1/3 1/3

ma-na mana Mine

4

GÍN

KÙ.BABBAR

Vier

Schekel

Silber

qá-sú qās=su Anteil=POSS.3.M

ša ša SUB

a-ḫi-a i-a-tí i-za-za-am aḫ-i=ja jâti izzazz-am Bruder-GEN=POSS.1SG OBL.1SG PK.3-Stehen\PRS-VENT PN Ein Drittel Mine, vier Schekel Silber, der Anteil des PN, meines Bruders, AKT I 11: 22ff. stehen mir zu. sú-e-a

Nach Vorbild der a/u-Ablautklasse (10.4.5) begegnet ferner auch eine telische Lesung als accomplishment: ù u KONJ

gám-ra-am gamr-am Ausgabe-AKK

ma-da-ma mād-am=ma Viel-AKK=KONJ

Und eine große Ausgabe lasst ihr mich ausgeben.

tù-ša-ag-ma-ra-ni tu-šagmar-ā=ni PK.2-Ausgeben.Lassen\PRSPL=AKK.1SG AKT VIa 277: 49f.

9 Ein Beispiel mit Vokalharmonie. Es liegt also kein u-Transfix vor.

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Genus & Vokalklassen

Das PRF hat wie in der i-Klasse zumeist XN-resultative Lesart: ù ṣí-ba-sú im-tí-da-kum u ṣibas=su i-md-ak=kum KONJ Zins=POSS.3.M PK.3-Viel.Sein-VENT=DAT.2.M Silber AKT VIa 83: 9f. Das Silber und sein Zins sind viel für dich geworden. KÙ.BABBAR

Ausnahmen mit XN-durativer Lesart (also imperfektiver Semantik) sind in einigen Fällen möglicherweise anzusetzen (8.8.2.2): So für wašābum mit XN-durativer oder komplexiver Lesart als einzigem möglichen Beleg universalen Perfekts im PRF: a-ma-kam ki-ma a-wi-lim a-ta ammakam kīma awīl-im atta Wie Mann-GEN PERS.2.M Dort ša-na-at ta-ta-ša-áb ra-qí-im šanāt ta-tšab raqîm Jahr PK.2-Sitzen Leer.Sein\GEN Du (selbst) – wie ein Mann, der nichts hat, hast du hier gesessen (XN)/ saßt du hier (komplexiv) für ein Jahr.

AKT VIa 287: 14ff.

Dagegen mit inzeptiver Lesart: lá-ma-sa-tum PN

i-na ina SEP/LOK

(É)bé-tí-kà bēt-i=ka HausGEN=POSS.2.M

ta-ta-ša-ab ta-tšab PK.3.FSitzen

um-ma umma QUOT

PN hat sich in deinem Haus niedergelassen und (sprach) folgendermaßen:

ší-it-ma šīt=ma PERS.3.F =KONJ

AKT IV 45: 20ff.

Das PRS lexikalischer Zustandsverben kann auch eine durative Semantik besitzen (causative state). Hier ist in Einzelfällen eine Interpretation als activity möglich: ú ṣú-ḫa-ar-tám ma-ma-an ṣú-ḫa-ra-am u ṣuḫart-am mamman ṣuḫār-am KONJ Mag-AKK INDEF Knecht-AKK Jemand behandelt den Knecht und die Magd schlecht.

ú-lá-ma-an u-lamman PK.3-Schlecht.Behandeln\PRS AKT III 79: 10f.

Der STA hat immer durative Lesart: a-na 17 GÍN KÙ.BABBAR am-tí ana amt=ī ALL 17 Schekel Silber Magd= POSS.1SG Meine Magd wohnt für siebzehn Schekel Silber bei dir.

iš-tí-ki išti=ki Mit= POSS.2.F

wa-áš-ba-at wašb-at Sitzen-F.SK AKT III 51: 6f.

Durative Lesarten sind prinzipiell nur für Formen mit a-Transfix anzunehmen. Inwieweit dann bereits lexikalisch eine Zuordnung von atelischer und telischer Semantik veranlagt ist, bleibt noch zu klären.

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Lexikon

10.4.5 Die u-Klasse und ihre Ablautklasse In die Klasse der Verben mit u-Transfix im PRT gehören die durativen, dynamischen Verben. Das PRT der u-Klasse beschreibt eine durative, abgeschlossene Situation. Die Telizität wird durch die Semantik des Verbs vorgegeben und begegnet regelmäßig nur in der zugehörigen Ablautklasse. Im Hauptsatz: É šál-ma-a-šùr a-na a-wa-tim né-ru-ub-ma a-na ana awāt-im nērub=ma ana Haus PN ALL Sache-GEN PK.1PL\(PRT)Eintreten=KONJ ALL AKT VIa 106: 1f. Ins Haus des PN sind wir wegen dieser Sache eingetreten.

Im Konditionalsatz (Indikativ): u4-mì-šu ma-al-ú-tim ūm-ī=šu mal-ūt-im Tag-OBL.PLVoll-ADJ.PLPOSS.3.M GEN Wenn er bei Ablauf seiner Frist nicht bezahlt, (…). šu-ma šumma Wenn(SUBJ)

i-na ina SEP/LOK

lá lā NEG

iš-qú-ul i-šqul PK.3(PRT)Bezahlen AKT I 3: 9ff

Daher darf durchwegs eine durative Semantik angenommen werden. Dies zeigt sich deutlich in Kontrast zu Lexemen, die im Deutschen oder Englischen als punktuelle Verben verstanden werden. So muātum: sterben im PRS mit einer konativen oder daraus abgeleiteten futurischen Semantik: a-ni-um i-mu-at ṭup-pu-um anni-um i-muˀˀat ṭupp-um DEM-NOM PK.3-Sterben\PRS Tafel-NOM Diese Tafel wird ungültig werden (~sterben)

AKT I 65: 7f.

ṣú-ùḫ-ru-um i-na bu-bu-tim i-mu-a-at ina bubūt-im i-muˀˀat ṣuhr-um SEP/LOK Hunger-GEN PK.3-Sterben\PRS Kinder-NOM Die Kinder sterben vor Hunger (~sind im Begriff vor Hunger zu sterben)

BIN 6 197: 14f.

Loesov (2005: 112f.) erkennt hier ein punktuelles Verb. Wieso im Akkadischen kein duratives Verb für Sterben, wie etwa im Russischen, vorliegen soll (3.2.5), ist mir allerdings unklar. Das PRS der nicht-ablautenden Klasse hat dementsprechend die Gegenwart als einfache Zeitlage. Es handelt sich dann lexikalisch immer um eine activity10: i-na-zu-mu-ú i-nazzum-ū PK.3-Beschweren~PRS-PL.M 5=POSS.3PL Alle fünf beschweren sich. 5-šu-nu

AKT V 10: 8f.

10 Zumindest einmal ist ein PRS der Form -nazzam- belegt (Kouwenberg 2017: 494). Möglicherweise eine Verschreibung oder aber mit Emendation als D-Stamm der PK des Lexems nazāmum: tu!-na-za-am.

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Genus & Vokalklassen

mì-šu miššu Warum

ša ša SUB

a-ma-kam ammakam Dort

a-na ana ALL

a-hi-im ù aḫ-im u BruderKONJ GEN Warum beschwerst du dich dort bei Bruder und Freund?

ib-ri-im ibr-im FreundGEN

ta-na-zu-mu ta-nazzum-u PK.2-Beschweren~ PRS-SUBJ KTS 6: 3f.

Als lexikalisch transitive Variante zu maqātum: fallen kann kašādum: erreichen verstanden werden, welches im konkreten Gebrauch wesentliche Überschneidungen zeigt und einen inhärenten Zielpunkt besitzt. Letztgenanntes beschreibt bei unbelebtem Subjekt zumeist ein metaphorisches Erreichen mit der Bedeutung von Ausreichen: šu-ma šumma Wenn(KOND)

lu-qú-sú luqūs-su Ware= POSS.3.M

a-na ana ALL

KÙ.BABBAR Silber

ù u KONJ

ṣí-ba-tim ṣib-āt-im Zins-F\PLOBL

lá lā NEG

i-kà-ša-ad

i-kaššad PK.3-Ankommen~PRS Wenn seine Ware für Silber und Zinsen nicht ausreicht, (…).

KTB 4: 20f.

Telisches maqātum, welches zumeist mit unbelebtem Subjekt begegnet, ist hingegen über die semantische Rolle des inaktiven Fallens = Eintreffen zu bestimmen, wohingegen kašādum die aktivische Entsprechung ist. Im historischen Sprachzustand ist der Gebrauch dann in Konkurrenz mit kašādum zu sehen: šu-ma a-wa-[tum] lá šumma awāt-um lā Wenn(KOND) Sache-NOM NEG Wenn die Sache nicht eintrifft, (…).

im-t⸢ù-qú-ut⸣ i-mqut PK.3-Fallen BIN 6 266: 3’f.

Entsprechend erlauben die Verben der a/u-Klasse einen Wechsel von activity und accomplishment, der bei transitiven Verben über die Phrasenstruktur – also syntagmatisch (3.5.4) – bestimmt wird: ú i-na i-dí-nim i-du-ku-šu ū ina idīn-im i-dukk-ū=šu DISJ SEP/LOK Steppe-GEN PK.3-Schlagen~PRS-PL.M=AKK.3.M Oder man wird ihn in der Steppe (er)schlagen. KKS 36a: 10f.

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Lexikon

Bei einem Verb mit zuständlicher Semantik oder (seltener) niedriger Agentivität (10.3) steht hingegen häufiger der STA zum Ausdruck der Gegenwart: a-ší-im sá-aḫ-ra-a-ku a-šu-mì ašîm saḫr-āku aššumi Meteoreisen\GEN S.Aufhalten-1SG.SK Wegen AKT V 17: 3f. Ich halte mich hier wegen des Meteoreisens auf.

In Analogie zu Verben der u-Klasse sind dann auch die STA Formen (mit u-Transfix) der Kausativstämme als inhärente s-level anzusetzen. Die semantische Kausativität wird darin als weniger zeitstabil angesehen als der durch sie veranlasste Zustand. Hier ist auch eine Interpretation als activity möglich ist (vgl. hierzu auch die Belege in Kouwenberg 2010: 176). ša-bu-a-at ù-lá ta-tù-ra-am šabbu-at ula ta-turr-am Sättigen-F.SK NEG PK.2.F-Zurückkommen~PRS-VENT Sie ist gesättigt. Sie wird nicht darauf zurückkommen.

AKT V 51: 23f.

na-áš-pár-tum pá-ni-tum na-zu-ma-at-ma naspart-um pani-t-um nazzum-at=ma Schreiben-NOM Früher-F-NOM Beschweren-F.SK=KONJ Das frühere Schreiben steht unter Beschwerde. u4-mu-šu 2 ḫa-am-š⸢a-tim⸣ ūm-ū=šu ḫamš-āt-im Tag-NOM\PL=POSS.3.M 2 Woche-F\PL-OBL Seine Frist läuft noch zwei Wochen.

AKT VIIa 276: 20f.

a-ḫu-ra aḫḫur-ā Zurückbleiben-PL.F.SK AKT VIc 610: 5f.

So zu dem, was jemandem auf eine Tafel geschrieben wurde (s-level): a-ma amma Da

i-na ina SEP/LOK

ṭup-pí-šu ṭupp-i=šu Tafel-GEN= POSS.3.M

ša

5



KÙ.BABBAR

SUB

Fünf

Talent

Silber

ù e-li-iš la lá-pu-ta-kum ū eliš lā lapput-ø-ak=kum KONJ Oben NEG Schreiben-3SG.SK-VENT=DAT.2.M Also wirklich, sind dir auf seiner Tafel (Ware im Wert) von fünf Talenten Silber oder mehr nicht eingetragen?

AKT VIa 104: 26ff.

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Genus & Vokalklassen

Im Vergleich zu dem, was auf einer Tafel (hier: ein Bürge) eingetragen ist: i-na ina SEP/LOK

KÙ.BABBAR Silber

ša ša SUB

i-na-a PN

qá-ta-tí-kà qātāti=ka Bürge=POSS.2.M

Von dem Silber, für das PN als dein Bürge eingetragen ist.

li-tap-tù litapt-ø-u Eintragen-3SG.SKSUBJ AKT III 59: 5f.

Während die Verbindung von Benefaktiv und dem Zustand der Eintragung im ersten Beispiel als s-level verstanden werden darf, ist die Verbindung von Bürge und Tafel offensichtlich wechselseitig abhängig. Die Existenz des Bürgen als Bürgen ist dauerhaft mit der Existenz der Tafel verknüpft, auch wenn das Geschäft bereits abgeschlossen wurde. Nach Vorbild der a-Klasse wäre daher eine abweichende Vokalisierung **pitras anzunehmen. Offenbar beschränkt sich die Semantik der Transfigierung auf den s-level der Gesamtsituation und die reziproke bzw. reflexive Grundbedeutung des Gt-Stamms ist bei der Übertragung in den STA nicht als semantisch transitiv kodiert11. Die dynamische Entsprechung im N-Stamm: ša ša SUB

ṭup-pu-um ṭupp-um Tafel-NOM

ša ša SUB

kà-ri-im kār-im Karum-GEN

i-li-ip-tù-ma i-llipt-u=ma PK.3-(PRT)Geschrieben.WerdenSUBJ=KONJ Über die aber eine Tafel des Karum geschrieben wurde. AKT III 88: 8f.

Betrachtet man das Verhältnis von PRS Formen mit a-Transfix, die teils als states und teils als (imperfektives) accomplishments zu interpretieren sind (10.4.2 & 10.4.4), darf dementsprechend beim STA ein Wechsel von states und activities angenommen werden (10.3.3). Der Typ a-u des STA umfasst dabei neben eigentlichen activities vor allem s-level states, so auch beim STA der Stammformen, die wie der N-Stamm detransitivierend sind: a-na ma-lá na-am-gu5-ra-ni-ni ana mala namgur-āni-ni ALL Alles S.Einigen-1PL.SK-SUBJ Entsprechend dem, worauf wir uns geeinigt haben.

AKT VIc 621: 31f.

(…)

na-aṣ-bu-ta-ku naṣbut-āku (…) Streiten-1SG.SK Ich bin im Streit. AKT VIIa 262: 9

11 Ungeachtet des möglichen paradigmatischen Ausgleichs folgt die Transfigierung des STA daher der im Akkadischen wirkungsmächtigen Übereinstimmung von syntaktischer und semantischer Valenz (5.2.1). Daher ist vielleicht auch in der Beschreibung der a-Klasse auf den Begriff der Transitivität zu verzichten und mit einer Definition über Rollenzuweisung und Valenz auf semantischer Ebene eine bessere Charakterisierung möglich, mir jedoch noch im Korpus nicht klar ersichtlich.

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Lexikon

Verben, die formal eindeutig der Form parus und damit als Zustandsformen einzuordnen sind fehlen altassyrisch bisher12. Hierunter gehört möglicherweise taqānum (7.4.2): LUGAL

da-me

e-ta-pá-áš-ma ku-sí-šu lá ēpaš=ma kussi=šu lā BlutPK.3\ Thron=POSS.3 NEG König OBL.PL Machen=KONJ .M Der König hat Blut vergossen, als/weil sein Thron nicht sicher war.

ta-aq-na-at taqn-at Sicher.Sein-F.SK CCT 4 30a: 13f.

Nur wenige intransitive Verben des progressiven Genus erscheinen als mögliche Zustandsverben. Soweit sie der a/u-Ablautklasse angehören, sind sie sicher dynamisch. Daher steht diese Klasse wohl auch für syntaktisch intransitive Verben, die telisch sind. So tu’ārum: zurückkommen: me-re-e ša-lim-a-šur lá ta-tù-⸢ar⸣ a-na mer-ē lā ta-tuˀˀar ana Sohn-OBL.PL PN NEG PK.2-Züruckkommen\PRS ALL AKT VIa 277: 48 Du sollst nicht auf die Söhne des PN zurückkommen!

Auch unter den wenigen nicht-ablautenden Verben sind auch potentiell telische Verben. hier sind Verben der Klasse III-u zu nennen: ru-ba-im a-ṣé-er ruba-im aṣ=ṣēr ALL=Rücken Fürst-GEN Zum Fürsten traten wir ein.

né-ru-ma nērum=ma PK.1PL\(PRT)Eintreten=KONJ AKT VIa 113: 14f.

ša ki-ma ku-a-tí ip-nu-ú-ni-ma kīma kuāti i-pnû=ni=ma ša PERS.2.OBL PK.3-(PRT)S.Wenden\PL.M=AKK.1SG=KONJ SUB Wie AKT VIa 243: 28 Deine Stellvertreter wandten sich an mich.

Die altassyrisch nicht eindeutig belegten Formen der Zustandsverben der u-Klasse sind akkadisch Verben mit prototypischer s-level Semantik verknüpft, wie babylonisches balāṭu(m): leben oder ṭanāpu: schmutzig sein. Die in Aro (1964: 29) und Kouwenberg (2010: 62) gelisteten Verben können ihrer Bedeutung nach aber auch als inaktive activities verstanden werden. Eine Zuordnung zu den Zustandsverben ist bei diachronem Wechsel in die i-Klasse plausibel, wie etwa lapānu(m): arm sein oder ḫarābu(m): wüst sein (Kouwenberg 2010: 78). Auch in der u-Klasse ist außerhalb der Urkundenformulare das PRF möglich. Die Kontexte erlauben eine einheitliche Interpretation dieser Belege als hot news perfect: um-ma umma

šu-ut-ma šūt=ma

8

TÚG.ḪI.A

12 Hierzu gehören Lexeme, zu denen auch STA des D-Stamm möglich ist. Sie sind in der Schreibung altassyrisch nicht vom Grundstamm des STA zu unterscheiden. Mittelassyrische Belege sind in de Ridder (2018: 353) nicht aufgeführt. Die Belege der Verben III-u scheiden aus formalen Gründen aus (hierzu 11.6).

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Genus & Vokalklassen

QUOT

PERS.3.M=KONJ

Acht

Gewänder

il5-ba-ni

a-ṣé-ri-a im-tù-qú-ut aṣ=ṣēr-i=ja i-mqut ALL=Rücken-GEN=POSS.1SG PK.3-Fallen PN Folgendermaßen (sagte) er: Wegen acht Gewänder ist PN über AKT VIa 171: 8ff. mich hergefallen!

Im PRT liegen in der a/u-Ablautklasse dagegen immer kompletive Lesarten (accomplishment) vor. Die Situation ist mit ihrem Abschluss kodiert. So paṭārum: öffnen: a-na ra-mì-ni-kà ta-ap-ṭur4-ma ana ramin-i=ka ta-pṭur=ma ALL Selbst-GEN=POSS.2.M PK.2(PRT)Öffnen=KONJ Du öffnetest (es) und hast (es) für dich selbst genommen.

ta-al-té-qé ta-lqe PK.2-Nehmen AKT III 78: 13f.

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11 Aktionsarten im Altassyrischen 11.1 Einleitung In der Gliederung der Aktionsarten des Altassyrischen ist hier ein gemischter Ansatz vorgenommen, der die formalen Klassifizierungen vor dem Hintergrund der akkadischen Entwicklung betrachtet. Dabei sind angenommene altassyrische Aktionsarten nicht immer historisch ererbt, sondern zum Teil neu und in innovierte und differenzierte Typen zu trennen. Innovationen umfassen solche Bildungstypen, die aufgrund ihrer semantischen Ähnlichkeit und formalen Struktur zusammenfallen, aber vor dem Hintergrund der historischen semitischen Phonologie auf unterschiedliche Morpheme zurückgehen, wozu Beispiele unter 11.6 gelistet sind. Ein differenzierter Bildungstyp findet sich bei D-Stamm und PRS, für die zunächst aus grammatikalisierungstheoretischen Gründen ein gemeinsamer Präsensstamm plausibel ist, der durch formale Ähnlichkeiten in der Morphologie gestützt wird und daher als sekundär differenziert begriffen werden kann. Grundlegende Orientierungshilfe bei der Bestimmung der Aktionsarten, die hier rein heuristisch erfolgt, sind die paradigmatischen Stammformen und Verben mit lautlicher Besonderheit sowie die wenigen suppletiven Verben. Insbesondere für die paradigmatischen Aktionsarten gilt dabei, dass sie keine wesentliche aspektuelle Funktion zeigen, sondern hauptsächlich die Valenz der Aktanten und Agentivität der Argumente verändern. Der Rückschluss auf selbige Aktionsarten im Grundstamm wird vornehmlich anhand des Intensivstamms und des N-Stamms versucht, da bei den entsprechenden Lexemen teils aufgrund lautlicher Besonderheiten teils aufgrund einer Suppletion diese Analyse offensichtlich ist. Die weitere Gliederung der lexikalisierten Aktionsarten wird im Wesentlichen anhand von Paarbildungen versucht, die sich lautlich bis auf mögliche derivative Morpheme ähneln. Unter diesen stehen die Verben mit reduplizierten Radikalen an prominenter Stelle, ist doch auch hier ein Aktionsartencharakter bereits weitgehend anerkannt. Die Betrachtung gliedert sich in die Diskussion um den Präsensstamm (11.2), die perfektiven Präfixe (11.3), das Verhältnis von PRF und Infixen (11.4), Verballexem mit Reduplikation (11.5), mögliche Suffixe und die Klassifizierung der verba infirmae (11.6) sowie Suppletion und Defektivität (11.7). Eine Betrachtung des Subjunktivs und Ventivs in Bezug auf ihren formalen Charakter (11.8) schließt das Kapitel ab. So, wie die Kapitel 5 bis 9 auf die Ergebnisse der in den Kapiteln 3 bis 5 gemachten allgemeinen sprachtyplogischen Ergebnisse aufbauen und rückverweisen, gilt für dieses und das vorangegangene Kapitel zusätzlich der Rückverweis auf die Kapitel 6 bis 8, von denen nicht alles hier in gleicher Ausführlichkeit wiederholt wird.

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Aktionsarten im Altassyrischen

11.2 Der Präsensstamm 11.2.1 Einleitung Der Präsensstamm -parrVs- ist Basis des PRS und des D-Stamms. Inwieweit diese beiden auf eine gemeinsame Form mit einer diskreten semantischen Funktion zurückgeführt werden können, soll an den altassyrischen Belegen erläutert werden. Zu den wichtigsten Gegnern einer protoakkadischen Einheit der historisch differenzierten Formen gehört Kouwenberg (2010: 102). Die Annahme einer Formenverwandtschaft findet sich vor allem in der älteren akkadistischen Literatur – teils in Annäherung an die grundlegenden wirkungsmächtigen semantischen Felder, die eine solche Einheit begründen. So schreibt etwa Aro: „Das akkadische Präsens hat gegenüber dem Präteritum noch das zweite Merkmal, das dafür namentlich in Grundstamm noch charakteristischer ist: die Verdoppelung des mittleren Radikals […]. Diese Aktionsart kommt in den semitischen Sprachen ganz allgemein in den Verwendungsarten des Doppelungsstammes zum Vorschein, der bekanntlich bei transitiven Verben eine gewissermassen iterative Aktionsart bezeichnen kann […].“ Aro (1964: 193). Nach der älteren Einteilung Kouwenbergs (1997: 91ff.) lassen sich vier Typen von D-Stämmen unterscheiden. Diese sind: Typ I: Transitiver D-Stamm zu transitivem Grundstamm, Typ II: intransitiver D-Stamm zu intransitivem Grundstamm, Typ III: transitiver D-Stamm zu intransitivem Grundstamm und Typ IV: ditransitiver D-Stamm zu transitivem Grundstamm. In der neueren Einteilung bezieht sich Kouwenberg (2010: 54f.) 1 auf eine vorausgehende semantische Klassifizierung der Verben in inaktive und aktive Grundstämme. Er stellt dabei den Zustandsverben die dynamischen Verben gegenüber, die er nach action und process gliedert (3.2.6). Bei dieser Situationstypenklassifizierung, wie sie auch Streck (1995a: 88f.) anführt, werden dynamische Verben im Allgemeinen (oder gelegentlich nur activities), nach ihrer semantischen Relation unterschieden (5.3.6). 11.2.2 Die transitiven D-Stämme 11.2.2.1 Transitivierende Stammformen Der D-Stamm hat häufig kausative (meist faktitive) Bedeutung und kann vom Grundstamm des Verbs oder von einem Nomen abgeleitet werden. Es handelt sich also um die Derivation inaktiven Grundstamms (Kouwenberg 2017: 517f.) oder eine denominale Faktitivbildung. Charakteristisch ist für alle Lesarten dieses Stamms allerdings nicht eine intensive oder faktitive Semantik, sondern eine hohe Agentivität des Subjekts in der PK 2. So etwa beim Verb malû(m): “The importance of the qualitative valency change from non-agentive to agentive is especially clear from the use of the G- and D-stem of malû “to be(come) full, to cover”. It shows unambiguously that, at least in this verb, it is the presence of an 1 An dieser Stelle – und wohl versehentlich – bezeichnen events agentive Verben. A.a.O. werden sie von Kouwenberg actions genannt, events sind die Obergruppe dynamischer Verben (3.2.6). 2 So für den hebräischen D-Stamm (Jenni 2005: 92ff.) dargelegt und hier ganz analog anzusetzen.

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Der Präsensstamm

agentive subject, rather than that of a direct object, which is the decisive criterion for the use of a factitive D-stem.” Kouwenberg (1997: 252). Kennzeichen des D-Stamms ist die aktivische Semantik der Stammbildung, die bei ursprünglich intransitiven Grundstämmen regelmäßig zu Faktitivlesarten führt. Der Ablaut der Präformative hingegen und die Zugehörigkeit zur a/i-Ablautklasse deuten die enge funktionale Verwandtschaft zu den Verben I-w und dem semitischen und ägyptischen Ablautpassiv an. Ob diese funktionale Verwandtschaft auf eine genetische zurückzuführen ist, bedarf noch eingehender Untersuchung3. Faktitiv des Grundstamms z.B. bei ṣaḫārum: wenig sein: a-na ḫu-lu-q[á]-i-šu ú-ṣa-ḫe-er ana ḫulluqā-i=šu u-ṣaḫḫer ALL Verlust-GEN=POSS.3.M PK.1SG-(PRT)Abziehen Für seinen Verlust habe ich (es) abgezogen. KÙ.BABBAR-áp-kà

(…)

3 5/6

Silber=POSS.2.M

(…)

3 5/6

20 20

ma-na mana Mine

KÙ.BABBAR Silber

ša ša SUB

ma-na mana Mine

AKT IV 48: 25ff.

i-na ina SEP/LOK

ta-na-pá-lá-ni ta-nappal-an-ni PK.2-Bezahlen~PRSVENT-SUBJ

Dein Silber kam dann (…) mit 3 5/6 Minen von den 20 Minen, die du mir zu bezahlen hast, in Abzug (~wurde wenig).

iṣ-ḫe-er-ma i-ṣḫer=ma PK.3(PRT)Wenig.Sein=K ONJ AKT III 61: 45ff.

Zum Ausdruck starker, d.h. faktitiver, Kausativität: qá-sú uš-ta-⸢bi4⸣ qās=su u-šbbi PN Hand=POSS.3.M PK.3-Satt.Machen PN hat ihn mit seinem Anteil gesättigt. AKT III 14: 8f. a-bu-ša-lim

li-ba-kà tù-lá-ma-nam libba=ka tu-lamman-am Herz=POSS.2.M PK.2-Schlecht.Machen\PRS-VENT Du bekümmerst dich. AKT IV 63: 12

3 Etwa in Opposition der Aspektstämme in der perfektiven Aktionsart mit wV- Präfix in Verbindung mit perfektivem Stamm -prus- (~Ablautpassiv) bzw. imperfektivem Stamm -parras- (agentivische, transitive Semantik: Intensivstamm, akkadisch mit sekundär gebildetem Ablautpräsens).

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Aktionsarten im Altassyrischen

i-na kà-né-eš ú-ṭa-áb-kà ina u-ṭâb=ka SEP/LOK ON PK.1SG-Zufreiden.Stellen\PRS=AKK.2.M Ich will dich in ON zufrieden stellen. AKT VIIa 272: 11f. TUR

GAL

DUB.ŠAR

ú-pá-ḫa-ar u-paḫḫar Klein Groß Schreiber PK.3-Versammeln\PRS Schreiber groß und klein wird er versammeln. JSOR 11 19: ‘5f. ku-lu-šu-nu-ma kul-u=šunu=ma Alle-NOM=POSS.3.M.PL=KONJ

pu-ùḫ-ru puḫr-ū Versammeln-PL.M.SK

i-ku-num

ù kàr-wa-a lu-uk-ta-i-nu-ma u lu-kta’’in-ū=ma PN1 KONJ PN2 OPT.3-Gehalten.Werden-PL.M=KONJ Sie alle sind versammelt und PN1 und PN2 sollen (als Bürgen) gehalten werden. OPI 27 62: r1ff.

Dieser semantischen Charakterisierung folgend ist die Kausativbildung zu aktivischen Verben (actions) nicht möglich (Kouwenberg 2010: 257). Dies lässt nicht zwingend auf genetische Verwandtschaft, sicher aber auf eine Wechselwirkung mit dem Grundstamm des PRS schließen, der ebenfalls agentiv ist (11.2.5). Seltener zum Ausdruck mittlerer Kausativität, d.h. in Veranlassung der einer Handlung durch den causee mit funktionaler Überschneidung zum Š-Stamm, begegnet der D-Stamm vereinzelt und die These, dass dabei der causee, d.h. das Subjekt des Grundstamms, semantisch demoviert zum theme oder Patiens wird, ist zumindest für die ursprüngliche Verwendungsweise plausibel. Wie bei Verben, die nur im D-Stamm vorkommen, darf aber in den jeweiligen Varietäten ohne parallelen Š-Stamm ein Schwinden dieser semantischen Nuance im Zuge der Verallgemeinerung angenommen werden. Der D-Stamm ist dann einfach kausativ. So etwa bei tamāˀum: schwören4: ni-iš a-limki nu-ta-mì-šu-nu-ma nīš āl-im nu-tammi=šunu=ma Leben Stadt-GEN PK.1PL-(PRT)Schwören.Lassen=AKK.3.M.PL=KONJ Beim Leben der Stadt ließen wir sie schwören. AKT III 60: 4f.

4 AHw 1318a listet nur einen einzelnen Š-Stamm aus Mari. Die Einordnung dieses Belegs zu sonst üblichem D-Stamm ist mir unklar.

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Der Präsensstamm

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Die Frage nach der Entstehung des D-Stamms mit Blick auf die Agentivität als semantische Kernfunktion des Progressivs und Faktitivs ist bisher nicht sprachtypologisch bewertet worden. Alternativen, etwa anhand der Rekonstruktion des Akkadischen und Semitischen, ergeben eine Vielzahl möglicher Erklärungsansätze, wie etwa: “The specification of the D-stem of process verbs to clauses with an agentive subject may have originated in cases where a simple adjective and an adjective with germination of R2 coexisted and where both of them had a derived fientive verb.” Kouwenberg (2010: 284). Entscheidend im historischen Befund ist die Agentivität des Verballexems im Grundstamm. Sie deckt sich widerspruchslos mit der rein sprachtypologisch plausiblen Rekonstruktion eines einzigen Präsensstamms zu beiden: “The dividing line is […] between verbs denoting [agentive] actions which affect the object, and the rest of the verbs, whether they have an object or not.” Kouwenberg (1997: 95; Anm. durch Verf.). 11.2.2.2 Ambitransitives purrudum: parādum Transitivität ist eine prototypische Kategorie (Kouwenberg 1997: 94). Von den vereinzelten ambitransitiven des Typs S=P ist für das Altassyrische das Syntagma des Grundstamms parādum von Interesse. Es verweist möglicherweise auf einen paradigmatischen Ausgleich der Opposition von D-Stamm und Grundstamm zum Nachteil der ambitransitiven Verballexeme mit S=P, der auch altassyrisch nur noch vereinzelt zu erkennen ist. Neben faktitivem purrudum: erschrecken begegnet häufiger ein möglicher ambitransitiver Wechsel im Grundstamm der altassyrischen Belege. Faktitiver Beleg mit indefinitem Agens: ma-ma-an lá ú-pá-ra-sú mamman lā u-parras-su INDEF NEG PK.3-Trennen\PRS=AKK.3.M Niemand soll ihn (von meiner Seite) trennen. Giessen 39: 9f.

Der zugehörige intransitive Beleg mit definitem experiencer Subjekt (dein Herz): li-ba-kà [lá] ⸢i⸣-pá-ri-id libba=ka lā i-parrid Herz=POSS.2.M NEG PK.3-Erschrecken~PRS Dein Herz soll nicht erschrecken! AKT VIa 175: 44f.

Die im Altassyrischen belegte Bildung mit indefinitem Pronomen im Syntagma des Grundstamms ist mehrdeutig5. Die semantische Rollenzuweisung ist unproblematisch: mimma ist source und libbaka der experiencer. Ob die Form dabei S=A mit experiencer als Subjekt oder S=P mit mimma als Subjekt ist, ist nicht morphologisch festzustellen.

5 M.W. nur altassyrisch belegt.

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Aktionsarten im Altassyrischen

li-ba-kà lá i-pá-ri-id mì-ma libba=ka lā i-parrid mimma Herz=POSS.2.M NEG PK.3-Erschrecken~PRS INDEF Es soll sich nicht überhaupt erschrecken/Dein soll (vor) nicht(s) erschrecken.

AKT IV 70: 6f.

Sollte die Kollokation mit mimma eine S=P Lesart besitzen, so darf dies als Hinweis auf eine vorhistorische Sprachstufe mit stärkerer ambitransitiver Ausrichtung des Grundstamms im Akkadischen verstanden werden. Die sonst vorherrschende Erklärung von mimma als Verstärkung der Negation (überhaupt nicht) ist problematisch, denn die spezifische Konstruktion begegnet eben nur hier in Verbindung mit parādum (Kouwenberg 2017: 352), d.h. anders als die Deutung des Lexems als S=P gibt es keine altassyrischen Parallelen. Die entsprechende Konstruktion in anderen Varietäten ist m.W. an transitive Verben geknüpft (GAG §48e) 6. 11.2.2.3 Valenzneutrale Transitiva Die Valenz der Verben mit einem semantischen Agens im Grundstamm bleibt unverändert. Hierzu gehören einige intransitive und die überwiegende Zahl der transitiven Verben. Ob der D-Stamm überhaupt ditransitive Derivation erlaubt, ist strittig (Kouwenberg 2010: 274). lu-qú-tám ša ás-qú-dim ša ú-ṣa-bi-tù luqūt-am ša ša u-ṣabbiṭ-u Ware-AKK SUB PN SUB PK.1SG-(PRT)Packen-SUBJ Die Ware des PN, die ich ergriff, (machte ich zu Silber). KTS 30: 7f. ú ri-ḫi-bu-um u ri’īb-um KONJ Raibu.Krankheit-NOM Die R.-Krankheit soll mich packen

li-iṣ-bi4-tí li-ṣbit=ī OPT.3-Packen=AKK.1SG KTS 15: 40

Teilweise scheinen die Aktionsartenbildungen semantisch dem Grundstamm zu entsprechen. Es ist jedoch bei den Verben der a/u-Ablautklasse durch Vokalklassenwechsel im D-Stamm (zu a/i) eine wesentliche aspektuelle Veränderung anzunehmen7, die von der deutschen Übersetzung nicht eindeutig erfasst. Abgesehen von der Pluralität des Objekts (Kouwenberg 1997: 64ff.) sind – möchte man am Begriff der Pluralität als Kernfunktion des D-Stamms festzuhalten – auch im Altassyrischen semantische Wandel anzusetzen8. Für einige progressive Verben wie kanākum: siegeln gilt, dass der D-Stamm nicht in Verbindung mit der Pluralität des Objekts, sondern mit Stoffbezeichnungen begegnet, die grammatischen Singular zeigen: 6 Aufgrund der grammatischen Gegebenheiten des Akkadischen gehören hierzu auch Syntagmen mit Objektellipse (9.2.5). 7 Die Kausativstämme sind immer perfektiv. Der Grundstamm ist in der Regel ambigue. Zum Wechsel der Transfigierung vgl. die Bemerkungen zu 5.3.3. 8 Sprachwissenschaftstheoretisch unproblematisch ist hingegen die semantische Relation des Aktivs als Grundfunktion, die unter Veränderung der aspektuellen Eigenschaften bei der nachfolgenden Grammatikalisierung beibehalten wurde.

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Der Präsensstamm

[URUDU]

ú-pá-ḫa-ar-ma u-paḫḫar=ma Kupfer PK.1SG-Sammeln\PRS=KONJ Ich werde das Kupfer sammeln und siegeln.

473

ù-kà-na-ak-ma u-kannak=ma PK.1SG-Siegeln\PRS=KONJ AKT II 38: 21f.

Der altassyrisch häufig belegte D-Stamm zu šaqālum: zahlen wird von Kouwenberg (2010: 276) als distributiv verstanden, d.h. im Sinne einer Pluralität der Zahlungen oder der Empfänger. Möchte man die Pluralität als echte semantische Eigenschaft des D-Stamms beibehalten ist daher hier eine Verschiebung der Bedeutung in Richtung Iterativität anzunehmen (Kouwenberg 2017: 518). a-na zí-tí-kà lá ú-ša-qí-il5 ana zitt-i=ka lā u-šaqqil ALL Anteil-GEN=POSS.2.M NEG PK.1SG-(PRT)Auszahlen Habe ich (dich) auf deinen Anteil nicht ausbezahlt? AKT IV 18: 16 iš-tù KÙ.BABBAR a-na ZI.GA nu-ša-qí-lu ištu ana nu-šaqqil-u Von Silber ALL Verlust PK.1PL-(PRT)Zahlen-SUBJ Nachdem wir das Silber für den Verlust bezahlt hatten, (…). AKT VIc 671: 40

Für diese metaphorischen Extensionen der Pluralität gilt, dass sie durch das Merkmal der Agentivität erklärt werden können, so dass etwa eine gerichtete Aufmerksamkeit des Subjekts für die Durchführung erforderlich ist oder angenommen wird, weil die Verbalhandlung nicht beiläufig vollzogen werden kann, da sie an sich bzw. ihr Objekt in der außersprachlichen Wirklichkeit komplex ist. Bereits im Grundstamm transitiv und im D-Stamm mit doppeltem Akkusativ sind Belege, die Kouwenberg (2017: 517ff.) nicht als ditransitive Stämme führt, sondern unter dem adverbialem Akkusativgebrauch (Kouwenberg 2017: 224): ù ší-tí KÙ.BABBAR ṭup-pí-šu ú-ḫa-ri-mu u šitti ṭuppi=šu u-ḫarrim-ū KONJ Rest Silber Tafel=POSS.3.M PK.3-(PRT)Verschliessen-PL.M Und über den Rest des Silbers haben sie seine Tafel verschlossen ausgestellt. AKT VIa 115: 10f.

Auch hier begegnen regelmäßig syntagmatisch einfach transitive Konstruktionen, weswegen Ditransitive mit Kouwenberg (2010: 274) als Ausnahmen der syntaktischen Transitivität zu führen sind, wie z.B. bei ḫarāmum: siegeln: ṭup-pè-e nu-ḫa-ra-ma ṭupp-ē nu-ḫarram=ma Tafel-OBL.PL PK.1PL-Siegeln\PRS=KONJ Die Tafeln werden wir versiegeln. BIN 6 73: 25

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Aktionsarten im Altassyrischen

Sprachtypologisch ist es jedoch möglich den doppelten Akkusativ als Ausdruck der Objekte in ditransitiven Konstruktionen zu erklären, wie z.B. in deutschen Kausativen in der Verbindung von Lassen mit transitivem Lexem. Dass davon nicht konsequent gebraucht gemacht wird, erklärt sich dann durch die Möglichkeit zur Objektellipse (9.2.5) und bedarf weitergehender Untersuchungen im Bereich der Valenz und Subordination. Teilweise entspricht die Unterscheidung zu transitivem Grundstamm in deutscher Übersetzung verschiedenen Lexemen und lässt sich als Wechsel der Agentivität erklären. Dies betrifft Verben, deren Grundstamm teils oder regelmäßig ein transitives Subjekt in semantischer Rolle eines experiencer oder themes verlangt. So bei amārum: sehen mit dem D-Stamm im Altassyrischen häufig in der Bedeutung Prüfen: KÙ.BABBAR

i-na a-lá-[ki-a] ina alāk-i=ja Silber SEP/LOK Gehen-GEN=POSS.1SG Das Silber werde ich bei meiner Abreise prüfen.

ú-ma-ar ummar PK.1SG\Prüfen\PRS AKT IV 37: 14f.

Altassyrisch von besonderem Interesse ist der nur hier bezeugte Grundstamm galābum, welchen ich entgegen der Interpretation in Kouwenberg (2010: 277 24) – aber in Übereinstimmung mit seiner Übersetzung – als antikausative Lesart zu gullubum: rasieren verstehe und dessen Akkusativ ich adverbial interpretieren möchte, also galābum: sich rasieren. Agentivität und die damit verbundene Interpretation zeigt sich schließlich bei verschieden ingressiven Lexemen, die in Übersetzung und Glossierung den Charakter eines rein dynamischen Verbs erhalten und auch im STA (als activity) fortsetzen. Bei diesen Verben spielt die Agentivität eine entscheidende Rolle. So schreibt Kouwenberg u.a. zu dabābu(m): reden und kašādu(m): ankommen: “[T]hey have the same valency as the G-stem. The difference from G is that they denote actions rather than processes and have an agentive subject and often personal object.” (Kouwenberg 1997: 256). Hierzu kann altassyrisch masāḫum: schlecht dran sein mit transitivierender Lesart gestellt werden, welches zugleich (wie der D-Stamm transitiver Grundstämme) eine aktivische (und dynamische) Nuance beigibt und in der Übersetzung der PK entsprechend lexikalisch differenziert als Verschmähen wiedergegeben werden kann9: ší-tí URUDU-im um-ta-sí-iḫ šitti u-mssiḫ Rest Kupfer-GEN PK.3-Verächtlich.Behandeln Den Rest des Kupfers hat er aber verschmäht. AKT VIc 621: 33

9 Altassyrisch fehlt der zugehörige Grundstamm ganz (Kouwenberg 2017: 519f.).

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Der Präsensstamm

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11.2.3 Intransitive D-Stämme 11.2.3.1 Einleitung Es lassen sich altassyrisch und wohl gemeinakkadisch drei intransitive Bildungstypen im DStamm unterscheiden. Diese sind (1) durchweg intransitive D-Stämme (11.3.3.2), (2) ambitransitive D-Stämme (11.3.3.3) und (3) die antikausativen Dt-Stämme (11.3.3.4). Sie sind für die Rekonstruktion der angenommenen Grundfunktion des D-Stamms von besonderer Bedeutung, denn es lässt sich daran sowohl die Bedeutung semantischer Transitivität und syntagmatischer Pluralität als auch auf eine inhaltliche Überschneidung mit dem ursprünglich intransitiven Paradigma des progressiven PRS prüfen10. Der Hypothese historischer Entsprechung der beiden Stämme folgend sind in den hier geführten D-Stämmen die wesentlichen Merkmale des Progressivs zu verorten: Dynamizität, Agentivität, Atelizität und Imperfektivität. Die beiden letztgenannten Eigenschaften sind mit der Definition des D-Stamms im Akkadischen zunächst nicht vereinbar und ihr mögliches Einwirken in den intransitiven Formen daher im Folgenden zu prüfen. 11.2.3.2 Intransitiver D-Stamm Innerhalb des Altassyrischen fehlen klare Belge einer Entsprechung intransitiven Grundstamms zu ebenfalls intransitivem D-Stamm. Die Beleglage der in Kouwenberg (1997: 281f.) gelisteten Verben ist insgesamt dürftig und baut weitestgehend auf vereinzelte und zumeist literarische Belege auf. Von diesen möglicherweise für das Altassyrische anzuführen ist nazāmum: beschweren mit nur im Altassyrischen gebräuchlichen Grundstamm anstelle des sonst akkadisch üblichen D-Stamms. Der hier belegte Grundstamm der u-Klasse (10.4.5) wechselt regelmäßig mit der PK des Dt- und der SK des D-Stamms. Vornehmliche Belege im Altassyrischen bringen einige D-Stämme ohne belegten Grundstamm bei. Sie sind zum Teil denominiert, wie z.B. wazzunum: hören. (11.2.6). Prinzipiell können die denominalen Derivationen als Faktitiv zum Nomen gedeutet werden (11.3.2). Die Beleglage echt intransitiver D-Stämme spricht allerdings für einen bereits altassyrisch vollzogenen paradigmatischen Ausgleich zugunsten transitiver Lesarten. Komplementäre und rein intransitive Lesarten finden sich dann hingegen in der SK (11.2.4.2) oder mit Derivation in Lesarten des Dt-Stamms (11.2.3.4). Hier ist noch zu bemerken, dass es keine defektiven Verben gibt, die nur im PRS belegt sind. Die möglichen Lesarten solcher Verben wären als progressiv und agentiv anzusetzen und die theoretisch möglichen Belege sind vielleicht vorhistorisch durch den D-Stamm verdrängt worden, der dort keine eigenständige Funktion beigebracht hätte, aber eine Unterscheidung nach Formen der PK und SK erlaubt.

10 Zweifelsfrei ist, dass das PRS sprachtypologisch progressiv ist und grammatikalisierungstheoretisch Progressive aus intransitiven Syntagmen entwickelt werden, vgl. hierzu 5.3.7.

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Aktionsarten im Altassyrischen

11.2.3.3 Ambitransitiver D-Stamm Einige ambitransitive D-Stämme des Akkadischen finden sich in Kouwenberg (1997: 262ff.)11. Sie folgen dem Muster S:A. Prominentes Beispiel ist damāqu(m) im D-Stamm mit transitivem Gut Machen und intransitivem Gut Handeln (5.3.2): “Apart from its factitive meaning “to make good, better”, “to improve”, [dummuqqu] can also be used intransitivitely in the meaning “to do a good deed, to act well, […]”, often with a dative: “to do s[ome]b[ody] a turn, a favour” […]” Kouwenberg (1997: 261; Ergänzungen durch Verfasser). Hinzuzufügen ist dieser Gruppe von Verben der D-Stamm zu ḫarāmum: versiegeln, welcher im Altassyrischen zumeist (in anderen Varietäten immer) syntaktisch transitiv ist: ṭup-pè-e nu-ḫa-ra-ma ṭupp-ē nu-ḫarram=ma Tafel-OBL.PL PK.1PL-Siegeln\PRS=KONJ Die Tafeln werden wir versiegeln. BIN 6 73: 25

Hier begegnet zu ḫurrumum ein intransitiver D-Stamm, bei dem das Objekt sich nicht durch relativischen Anschluss erklären lässt (9.2.5). Es liegt auch kein kontextuell erwähnter Referent vor. Die Aussage bezeichnet den Vorgang des Siegelns unabhängig dessen, was dazu gesiegelt werden muss. Sie ist syntaktisch analog zu oben genanntem Gut Tun: Gut Machen12: a-lá-ak ú-ḫa-ra-ma a-llak u-ḫarram=ma PK.1SG-Gehen\PRS PK.1PL-Siegeln\PRS=KONJ Ich werde gehen. Ich werde siegeln. TCL 4 82: 12

11.2.3.4 Der Dt-Stamm Im Dt-Stamm zeigt sich trotz oberflächlicher Synonymie die semantische Nähe zur ursprünglichen Kategorie des Progressivs. Die Formen geben als solches ursprünglich intransitive activities wieder, die aufgrund der Semantik der Vokalklassen als accomplishment im PRS und achievement in PRT und PRF erscheinen (10.4.4). Wesentliches Kennzeichen der ursprünglich progressiven Semantik ist die Beschaffenheit des Subjekts im Rahmen der semantischen Relation als belebt:

11 Hiermit zusammenfassen möchte ich die bei Kouwenberg (1997: 259f.) gesonderte Gruppe von Verben, deren intransitive Lesart in serieller Verbkonstruktion begegnet (Koppelung). Diese sind syntagmatisch relativische Anschlüsse und die intransitiven D-Stämme haben daher Objektcharakter zum nachfolgenden Prädikat und sind als solche selbst ein eingebetteter, aber syntaktisch vollwertiger Satz. 12 Der scheinbare Unterschied ist ein Problem der Übersetzungssprache: im Deutschen ist Siegeln ein accomplishment und kann daher syntagmatisch in eine activity überführt werden (3.5.4). Faktitives Machen ist ein achievement, das einem Lexem exklusiv als Situationstyp ungeachtet seiner Transitivität oder der Verknüpfung mit einer Verbalform zukommt. Dagegen ist akkadisches Gutes Tun als atelisches achievement zu deuten.

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Der Präsensstamm

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“[W]hereas G basically denotes a process, some Dt-stems are more likely to refer to an activity. They have an animate subject, and […] they rather express the notion of “to act, to behave in a particular way. These activities are similar to the ones expressed by some factitive D-stems used without object, […].” Kouwenberg (1997: 322). Ebenso deutlich sind semantische Überschneidungen zum D-Stamm, wo dieser bereits intransitiv ist: “A number of intransitive D-stems, […], also occur in the Dt-stem without observable difference in meaning from the D-stem.” Kouwenberg (1997: 331). Die Gruppe der Verben im Akkadischen mit D~Dt umfasst Verben der Lautäußerungen (Kouwenberg 1997: 282f.) und Geräusche (Kouwenberg 1997: 284f.), wie Schallverben (vgl. altgriechisch brüllen: βέβυχα u.ä.) oder waqû(m): warten, letztes auch altassyrisch: ITU.KAM

1

ù šé-na ū šena Monat Einer Oder Zwei Einen oder zwei Monate harrt aus!

ú-ta-qí-a-ma utaqqi-ā=ma Warten-PL=KONJ AKT III 70: 16f.

Im Dt-Stamm finden sich daher die dem STA offenbar fehlenden Belege zu Lexemen mit inaktiver, aber dynamischer Lesart. Altassyrisch begegnen im Dt-Stamm vornehmlich Antikausativa, aber auch einige Verben, wie Gehalten Werden, die kontextuell passivisch in ihrem Gebrauch zu verstehen sind (Kouwenberg 2017: 520f.): iš-tí KÙ.BABBAR uk-ta-al išti u-ktâl Mit Silber PK.3-Festgehalten.Werden\PRS Mit dem Silber wird er festgehalten. AKT III 15: 5f.

Der Dt-Stamm zu kuānum u.a. Lexemen kann mit Kouwenberg (2017: 521) auch reflexiv (sich als Zeuge zeigen) übersetzt werden. Ob diese metasprachliche Differenzierung aber zweckdienlich ist, bedarf weiterführender Untersuchungen zu Valenz und Transitivität. Andere Dt-Stämme sind problematisch. Ob etwa kabātum: schwer sein einen eigenen DtStamm (Kouwenberg 1997: 332) mit der Bedeutung Sich Mühen zu Tun besitzt, bleibt unsicher (Kouwenberg 2017: 521). In der Verbindung von D-Stamm und t-Infix kommen prinzipiell zwei konkurrierende Bedeutungsklassen zusammen, die einer aktivischen und die einer inaktiven Aktionsart. Dabei ist vorläufig von der Prüfung des jeweiligen Lexems und seiner Kontexte abhängig, welche Merkmale der Agentivität, wie Belebtheit, Dynamizität oder Volitionalität bei der sekundären Derivation erhalten bleiben. Ein Überblick der t-Infixderivation im Altassyrischen findet sich unter 11.4.3.

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Aktionsarten im Altassyrischen

11.2.4 Besondere Lesarten der SK des Präsensstamms 11.2.4.1 Begriffliche Trennung der Funktionen von SK und PK Den Ausführungen zu semantischen Relationen (5.3.6) und der Relationalen Typologie (5.2.4) folgend, zeigt sich der Einfluss dieser grammatischen Kategorien sowohl in den Flexionskategorien als auch in den paradigmatischen Stammformen. Die grundlegenden aber sich überlagernden Oppositionen bieten dabei aktivische Formen, wie (1) das PRS gegenüber STA, (2) die PK gegenüber der SK oder (3) transitivierende Stammformen gegenüber Verbalwurzeln und den anderen Stämmen. Die strukturellen Verhältnisse von PRS und STA bewegen sich im Bereich eines Splits der syntaktischen Imperfektivität (5.2.4.6), dessen konkrete Distribution im Altassyrischen sich in den Belegkatalogen in den Kap. 6 & 7 findet. Die Opposition von SK und PK bewegt sich im Rahmen des Splits der Semantik, wobei in Abhängigkeit von der Verwendung der SK im Diskurs diese entweder mit PRT und PRF oder mit PRS korrespondiert. Die damit verbundenen Strukturprozesse im Altassyrischen finden sich in 10.3. Hier wird im Zuge der weiteren Betrachtung des angesetzten Präsensstamms als historische Aktionsart die SK transitivierender Stammformen des D-Stamms und formenverwandter Bildungen des Lexikons diskutiert. Der Š-Stamm und seine SK werden unter den Präfixen in 11.3.4 besprochen. Einige charakteristische Eigenschaften der Semantik des Präsensstamms in PRS und DStamm sollen hier zunächst anhand der PK zusammengefasst werden. Vor deren Hintergrund wird dann die SK des D-Stamms, d.h. der Intensiv des STA, diskutiert. Ein interessantes Beispiel ist magārum: zustimmen, dessen D-Stamm syntagmatisch synonym zum Grundstamm ist. Mit AHw 576a lässt sich aber ein semantischer Wandel ansetzen mit einem Wechsel von inaktivem magārum: zustimmen zu aktivem muggurum: jemanden zur Zustimmung bringen. Die semantische Verschiebung gleicht der angenommenen Promotion des indirekten Objekts zum Subjekt beim STA zu qabāˀum: sagen in der Bedeutung Befohlen Sein, dort ebenfalls mit einem Wechsel der semantischen Relation (Kouwenberg 2017: 670ff.). a-na 6 ma-na KÙ.BABBAR ana mana ALL Sechs Mine Silber Sie stimmten uns auf 6 Minen Silber zu.

ú-ma-gi5-ru-ni-a-tí u-maggir-ū=niāti PK.3-(PRT)Zustimmen-PL.M=OBL.1PL Giessen 48: 21

Das Verb pazārum zeigt im D-Stamm ein Nebeneinander von als unmittelbar aus dem Grundstamm angenommener Derivation in der Bedeutung von Verbergen (aus pazāru(m): sich verbergen) und der im Altassyrischen semantisch gewandelten Form mit der Bedeutung Schmuggeln13: šu-ma iš-tù ha-ba-ta-li šumma ištu Wenn(KOND) Von PN Wenn er vor PN etwas verbirgt, (…).

mì-ma mimma INDEF

ú-pá-za-ar u-pazzar PK.3-Verbergen\PRS TCL 1 240: 7f.

13 Zu dem isolierten jungbabylonischen Beleg des Grundstamms in AHw 852a vgl. noch die altbabylonischen Belege Streck (2018: 80).

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479

Der Präsensstamm

Einen derartigen semantischen Wandel über die faktitive Lesart hinaus zeigen auch andere Verben. Hierzu gehört altassyrisch etwa der D-Stamm zu naḫādum: Acht geben: a-na-kam-ma a-bi ú-na-ḫi-da-kà annakam=ma ab=ī u-naḫḫid=ka Hier=KONJ Vater=POSS.1SG PK.3-(PRT)Beunruhigen=AKK.2.M Hier aber hat mein Vater dich beunruhigt. HUCA 39 L 29-573: 3f.

Ferner sind Zustandsverben zu nennen, die bevorzugt in der PK auftreten. Neben den perfecta intensiva (8.2.5), gehören hierhin s-level Prädikate, wie intransitives bašāˀum: vorhanden sein oder kullum: halten. Bei diesen ist das mögliche PRS als s-level anzeigendes Imperfektiv die häufigste Form (Kouwenberg 2010: 55f.), ein praesens tantum gibt es hingegen nicht; und diese Funktion erfüllt offenbar der Bildungstyp D-tantum (Kouwenberg 2010: 277f.). a-na mì-nim ik-ri-bi tù-kà-al ana mīn-im ikrib-ī tu-kâl ALL INTERROG-GEN Weihung-OBL.PL PK.2-Halten\PRS Aus welchem Grund hälst du die Weihgeschenke zurück? BIN 6 30: 19f.

Vor allem bei transitiven Grundstämmen des ingressiven Genus ist die Interpretation der Pluralität der Verbalhandlung naheliegend (11.2.2.3). Prinzipiell ist hier m.E. nicht relevant, ob das Objekt selbst pluralisch ist oder nur die Handlung wiederholt ausgeführt wird, d.h. intensiver ist. Die Möglichkeit des D-Stamms bei pluralischen Vorgängen ingressiver Verben ist dann semantisch begründet, da die entsprechenden dynamischen Lesarten dieser Lexeme achievements sind und eine längere Tätigkeit implizit ausschließen. Die nicht vollständige, aber doch naheliegende Unvereinbarkeit von ingressivem Verballexem und Pluralität wird dann nach Vorbild anderer Bildungen gleichen Stamms als agentivisches achievement derart gefasst, dass die telische Situationsveränderung auf einer implizierten und kontrollierten Handlung aufbaut, die nicht Teil der Lesart der perfektiven PK ist14. Die problematische, weil sprachtypologisch imperfektive, Deutung des D-Stamms als pluralisch wird dabei vermieden15: ma-lá mala Alles

a-qá-tí-šu-nu aq=qāt-i=šunu ALL=HandGEN=POSS.3.M.PL

a-dí-šu-nu-tí-ni a-ddiš=šunūti-ni PK.1SG-(PRT)Geben= DAT.3.M.PL-SUBJ

Alles, was ich ihnen gab, sollen sie euch überantworten.

lu-pá-qí-du-ni-ku-nu-tí lu-paqqid-ū-nik=kunūti OPT.3-Anvertrauen-PL.MVENT=DAT.2.M.PL

KTH 18: 16f.

Aufgrund der belegten Derivationen und ihres semantischen Gehalts lässt sich die PK des DStamms auf eine agentive Grundfunktion zurückführen, welche ferner für das PRS als Progressiv als unstrittig gelten muss: 14 In sekundärer Verknüpfung mit dem ebenfalls agentiven Progressiv, d.h. PRS, ist dann eine accomplishment Lesart nach Vorbild der a/u-Ablautklasse möglich (10.4.5). 15 Die Pluralität ist inhaltlich eng verknüpft mit den Begriffen syntaktischer und semantischer Imperfektivität. Die Definition des D-Stamms als perfektive Derivation zu einem progressiven Präsensstamm erklärt diese Verknüpfung widersprüchlicher Eigenschaften unproblematisch.

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Aktionsarten im Altassyrischen

“First, the change-of-state verb malû ‘to be(come) full, fill, cover’ can both be transitive and intransitive in the G-stem but takes the D-stem when its subject is agentive. […]. Second, some factitive D-stems can be used intransitively, in which case they differ from G in denoting an action or an activity rather than a process. […]. Third, when process verbs, especially adjectival verbs, are used in combination with a fientive main verb […], they tend to appear in the D-stem even when they are intransitive, […].” Kouwenberg (2010: 272f.; Hervorhebung im Original). 11.2.4.2 Intensiv der SK Der STA des D-Stamms, und in Teilen auch anderer Stammformen, wie des Š-Stamms, kann in terminologischer Anlehnung an den Begriff der perfecta intensiva (8.2.5) als Intensiv der SK bezeichnet werden, denn er zeigt altassyrisch und auch außerhalb dieser Varietät einen klaren Bezug zu s-level und non-konsequentiellen Lesarten. Diese überlagern sich mit einer aus den s-level hervorgehenden Bedeutungsnuance erworbener Eigenschaften, die den Gebrauch der stammverwandten Steigerungsadjektive beherrscht und eine semantische Opposition zur inhärenten Zustandssemantik des STA leistet16. Unter den Steigerungsadjektiven ist der Befund im Altassyrischen – vermutlich aufgrund des der inhaltlichen Ausrichtung der Varietät – grundsätzlich stärker auf die Bezeichnung des herbeigeführten Zustands ausgerichtet als in anderen Varietäten, in denen, nach Konsens in der Akkadistik, die Charakterisierung wesentliches Merkmal ist. Hierzu gehören auch altassyrisch belegte Verben wie sakkukum: taub. Dabei handelt es sich- wie auch in anderen Varietäten – um erworbene und nicht um prototypisch inhärente Eigenschaften, so wie auch bei den altassyrisch typischen Materialbeschreibungen (Kouwenberg 2017: 251), z.B. šubburum: zerbrochen. “The semantic nature of these word groups and the general function of purrus […] suggest that these purrus forms serve to underline the permanence of the condition involved.” Kouwenberg (1997: 346). Insbesondere bei letztgenannten kann daher durchgängig davon ausgegangen werden, dass Verfertigungsprozesse hier an den Materialen vorangegangen und keine Beschreibung der unbearbeiteten Produkte gemeint sind. Hierunter lassen sich dann auch die Steigerungsadjektive zu einfachen Adjektiven und D-Stamm Verben wie ṣarrupum: geläutert zählen. Eindeutig inhärente Eigenschaften kann ich darunter keine erkennen. Der Übergang zu echten s-level ist fließend und betrifft etwa Steigerungsadjektive, die zumeist als SK begegnen, wie ḫarrumum: in Hülle geschlossen oder ḫabbulum: schuldig sein, bei denen ein angenommener, aber nicht intrinsischer Endpunkt impliziert wird, ohne dass das beschriebene Objekt, hier die Tafel bzw., der Schuldner, dabei aufhört zu existieren. Neben diesen erworbenen Zuständen, die sich als Zustandspassiv der Kausativa begreifen lassen, zeigen einige Formen s-level Semantik mit non-konsequentieller Lesart (7.6.2). Zu den wenigen Beispielen des D-Stamms im Altassyrischen gehört etwa rapādum: laufen, welches dann eine agentive Semantik des Subjekts beibringt, die man in der Bedeutungsverschiebung von Laufen zu Bedrängen, Stören erkennt:

16 Entgegen Kouwenberg (2017: 251) führe ich laššum: nicht habend nicht unter diesen Formen (11.7).

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Der Präsensstamm

šu-ma šumma Wenn(KOND)

qá-dí-šu-ma qadi=šu=ma Zusammen=POSS.3.M=KONJ

áp-lúm apl-um Erbe-NOM

a-na-ku-ni-ma anāku-ni=ma PERS.1SG-SUBJ=KONJ

ú É a-bi4-a ra-pu-da-ku-ni u ab-i=ja rappud-āku-ni KONJ Haus Vater-GEN=POSS.1SG Bedrängen-1SG.SK-SUBJ (…), ob ich mit ihm Erbe bin oder das Haus meines Vaters bedränge. CCT 5 11d: 17ff.

Zur Frage der Pluralität als Merkmal des D-Stamm transitiver, ingressiver Verben ist für paqādum: prüfen ferner der auch mittelassyrisch begegnende Wechsel von Grundstamm und D-Stamm des Verbs paqādu(m) von Interesse (de Ridder 2018: 359): “Evidence for plurality of the indirect object as a motive for using the D-stem is scarce; it may be provided by […] paqādu “to entrust” in M[idle]A[ssyrian]. […]. D seems to be distributive here, and underlines that the action is directed at various people.” Kouwenberg (1997: 149f.; Ergänzungen durch Verfasser). Dass die Pluralität nicht der bestimmende Begriff der Distribution sein kann, zeigt sich deutlicher im Sumerischen, wo sonst singularisches du oder ĝen mit pluralischem Argument begegnet, wenn der Vorgang qualitativ sich ebenso verhält, als ob ein einzelner Aktant die Handlung durchführt (nach Jagersma 2010: 318): alan-da ĝen-a-me(š) Statue-KOM (PFV.SG)Gehen-SUB-3PL.SK Sie sind es, die mit der Statue kamen. RTC 395 15; L; 21

Die Quantität ist nicht nur im akkadisch-sumerischen Sprachbund, z.B. bei suppletiven Verbalpaaren nach Numerus im Sumerischen (Jagersma 2010: 315ff.), sondern auch sprachtypologisch Ausdruck einer zunächst qualitativen Differenzierung. Hierzu erläutert Mithun (1999: 84f.) anhand amerikanischer Sprachen, dass Stammalternanz beim Numerus an semantische Kriterien der Qualität geknüpft und nicht von der Pluralität der Handlung als quantitatives Merkmal abhängig ist: “(…) Living alone is presented as being significantly different from living in a group. Killing one may be murder, but killing a group would be a massacre, a different kind of event.” Mithun (1999: 85). Die Situation im Altassyrischen ist insofern speziell, weil wohl sonst häufige purrus Formen inhaltsbedingt im Altassyrischen fehlen (vgl. hierzu 1.4.2): “[The technical jargon] may be largely responsible for the rarity in O[ld]A[ssyrian] of the most common D-stems associated with plurality in other dialects […].” Kouwenberg (1997: 184 Ergänzungen durch Verfasser).

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Aktionsarten im Altassyrischen

Seltener besteht auch eine Beziehung zwischen D-Stamm STA als Rezipientenpassiv (11.7.3) oder Zustandspassiv und dem Grundstamm in PRT/PRS als dynamisches Passiv. Der STA des D-Stamms darf hier zunächst als s-level und in einigen Fällen möglicherweise als activity begriffen werden. Insofern der Grundstamm des STA aber gegenüber den Prädikatsleveln indifferent ist (7.2), muss ferner ein lexikalisierter oder pragmatischer Ausschluss angenommen werden (7.6). Zustandspassiv bei lapātum: eintragen, berühren: a-ma amma Da

i-na ina SEP/LOK

ṭup-pí-šu ṭupp-i=šu Tafel-GEN= POSS.3.M

ša

5



KÙ.BABBAR

SUB

Fünf

Talent

Silber

ù e-li-iš la lá-pu-ta-kum ū eliš lā lapput-ø-ak=kum KONJ Oben NEG Schreiben-3SG.SK-VENT=DAT.2.M Da ist dir auf seiner Tafel (Ware im Wert) von fünf Talenten Silber oder mehr nicht eingetragen worden.

AKT VIa 104: 26ff.

Ebenso zustandspassiv: lu lū AFFIRM

ú-kà-al u-kâl PK.1SG-Halten\PRS

ki-ma kīma Wie

ni-kà-sú nikkass-ū Abrechnung-NOM\PL

ma-šu-hu-ni-ma lá a-sí-ú maššuḫ-ū-ni=ma lā a-ssi-u Wegnehmen-PL.M.SK-SUBJ=KONJ NEG PK.1SG-(PRT)Rufen-SUBJ Ich werde fürwahr behalten, dass, da die Abrechnungen weggenommen sind, ich nicht abgerechnet (~gerufen) habe. AKT VIa 104: 40ff.

Dagegen PRT G: a-šùr-UTU-ší

uz-na-tí-ni il5-pu-ut uzn-āt-i=ni i-lput PN Ohr-F\PL-OBL=POSS.1PL PK.3-(PRT)Berühren PN hat unsere Ohren berührt. AKT III 53: 23f.

Rezipientenzustandspassiv bei šaqālum: bezahlen: mì-šu ša um-ma a-ta-ma

ša-qú-lá-ku miššu ša umma atta=ma lā šaqqul-āku Warum SUB QUOT PERS.2.M=KONJ NEG Bezahlen-1SG.SK Warum (ist es so), dass du folgendermaßen (sagst): Ich bin nicht ausbezahlt. AKT I 17: 34f.

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Der Präsensstamm

Dagegen PRT G: a-na-ku-ma anāku=ma PERS.1SG=KONJ

KÙ.BABBAR Silber

i-ra-mì-ni-a ir=ramin-i=ja SEP/LOK=SelbstGEN=POSS.1SG

áš-qú-ul-ma a-šqul=ma PK.1SG(PRT)Zahlen=KONJ

ṭup-pá-am ṭupp-am Tafel-AKK

ú-šé-ṣí-a-ma i-tí-ki-ir u-šēṣi-am=ma i-tkir PK.1SG-(PRT)Hinausgehen.LassenPK.3-Abstreiten VENT=KONJ Ich zahlte das Silber von meinem eigenem und stellte eine Tafel aus, aber er stritt (es) ab. AKT III 83: 14ff.

11.2.5 Die Semantik des Präsensstamms in Grundstamm und D-Stamm Von der gemeinsamen agentiven Semantik ausgehend zeigt das PRS eine strikte Beibehaltung der damit verbundenen progressiven Lesart und imperfektiven Syntax in Verbindung mit transitiven und ingressiven Verballexemen. Der D-Stamm hingegen behält die semantische Relation bei. Dadurch kommt es in Verbindung mit Verben inaktiver Relation zur Transitivierung und Demotion des Subjekts des Grundstamms in die Objektsrolle. Die so gebildeten Transitiva sind dann prototypische achievements und die Derivation eine perfektive. Das PRS steht daher bei allen Arten inaktiver und aktivischer Relation als imperfektive Form mit Beschränkung auf dynamische Situationstypen und s-level states. So bei Verben, die dynamisch inaktiv oder zuständlich sind: tám-kà-ru-um a-na pá-ni-a tamkār-um ana pān-ī=ja Händler-NOM ALL Gesicht-OBL.PL=POSS.1SG Der Händler verlässt sich auf mich.

i-da-gal i-daggal PK.3-Schauen~PRS AKT VIb 322: 23f.

ma-lá KÙ.BABBAR (…) i-ḫa-šu-ḫu-ni mala i-ḫaššuḫ-ū-ni Alles Silber (…) PK.3-Brauchen~PRS-PL.M-SUBJ Wieviel Silber sie auch verlangen, (…). AKT VIb 369: 18ff. a-ma-nim a-da-gal am=mann-im a-daggal ALL= INTERROG-GEN PK.1SG-Schauen~PRS Auf wen kann ich mich verlassen (~schauen)? AKT VIc 533: 21

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Aktionsarten im Altassyrischen

Ebenso bei antikausativem Grundstamm ohne Veränderung der Valenz: a-na kà-ni-iš i-pá-hu-ra-ma ana i-paḫḫur-ū=ma ALL ON PK.3-S.Sammeln~PRS-PL.M Nach ON werden sie sich versammeln.

CRRAI 34 481-482 2: r5f.

Der D-Stamm ist hingegen obligatorisch aktivisch und ggf. transitivierend. a-ra-kà kà-bu-tù-ma tù-kà-ba-at arak=ka kabbut-um=ma tu-kabbat Schuld=POSS.2.M Schwer.Machen-NOM=KONJ PK.2-Schwer.Machen\PRS Deine Schuld machst du nur größer! TCL 20 94: 19f.

Nach Vorbild der Lesarten des D-Stamm begegnet das PRS der a/i-Ablautklasse teils mit durativer s-level Semantik als causative state: ṭup-pí!-ú a-ni-ú-tim a-na ṭupp-ū anni-ūt-im ana TafelDEM-ADJ.PLALL NOM\PL OBL Diese Tafeln stehen zwischen (ihnen) aus.

ba-ri bari Zwischen

(…)

i-za-zu i-zzazz-ū (…) PK.3-Stehen\PRSPL.M KKS 1a: 16ff.

Diese durative Semantik begegnet nach gleichem Muster auch beim Š-Stamm. a-dí GÍR ša a-šùr ú-ša-aṣ-bu-tù-šu adi ša u-šaṣbut-ū=šu Bis Dolch SUB DN PK.3-Packen.Lassen\PRS-PL.M=AKK.3.M Bis dahin, dass sie den Dolch des DN packen liessen. BIN 4 37: 7f.

Bei anderen Verben dieser Gruppe ist daher möglicherweise ein Wechsel von achievement zu accomplishment veranlagt (3.3.5.4): šu-ma puzur4-sá-tu eq-lam i-lá-ak šumma eql-am i-llak Wenn(KOND) PN Feld-AKK PK.3-Gehen\PRS Wenn er über Land (= durch das Land) zieht, (…). KKS 3b: 11f.

11.2.6 Nominale Formen und denominale Funktionen Der PRS besitzt mit dem akkadischen Nominalsystem zwei Berührungspunkte. Diese sind nach ihrer sprachhistorischen Qualität (1) in einen offenbaren Derivationsprozess zu trennen, der auch außerhalb des PRS begegnet und (2) in einen aus der internen Rekonstruktion gewonnenen, genetischen Zusammenhang nominaler Formen des Typs pVrrVs- (GAG §55m): 1. Der synchron offenbare Berührungspunkt betrifft die Derivation verbaler D-Stämme von Primärnomen. Diese Derivation folgt dem Bildungstyp der Verben I-w als präfixale

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Der Präsensstamm

Verballexembildung zu zweiradikaligen Primärnomen. Sie überschneidet sich funktional mit dem im akkadischen D-Stamm belegten Ablaut der Präfixe der PK. 2. Der internen Rekonstruktion folgend, ist ein Zusammenhang zwischen Präsensstamm und Steigerungsadjektiv anzusetzen, der zunächst für die Semantik der SK des D-Stamms und der nominalen Formen naheliegend ist. Zusätzliche Argumente für diese Zusammenstellung bietet die Grammatikalisierung des Progressivs im Cayuga gegenüber dessen Stativ. Deren strukturelle Distribution der Lesarten gibt ein sprachtyplogisches Argument für die historische Rekonstruktion eines gemeinsamen Stamms pVrrVs-, zu dem auch Nomina des Typs parrās- gehören. Denominale Bildungen sind durch Derivation eines D-Stamm möglich. Bei zweiradikaligen Verben ist hingegen eine Ableitung mit faktitivem wa-Affixen, seltener auch mit anderen Affixen, üblich. Ob ein genetischer Bezug zum D-Stamm besteht ist nicht erkennbar, doch darf zumindest von einem inhaltlichen Einwirken und dann in Verbindung mit einem paradigmatischen Ausgleich der Vokalisierung ausgegangen werden. So bei waṣāˀum zu akkadischem ṣītu(m): Ausgang. a-limki i-ta-ṣa-am āl-im i-tṣâm StadtPK.3- HinausGEN gehen-VENT Wenn er aus der Stadt hinauskommen sollte, informiere mich! šu-ma šumma Wenn(KOND)

iš-tù ištu Von

úz-ni pé-té-e uzn=ī petê Ohr= Öffnen\PL POSS.1SG AKT VIb 300: 18ff.

So bei wabālum zu biltum: Last. 7

GÍN

KÙ.BABBAR

Sieben

Schekel

Silber

a-na ana ALL

ša ša SUB

URUDU Kupfer

ub-lu-ni-ni ubl-ū-nin-ni PK.3\(PRT)BringenPL.M-VENT-SUBJ

a-dí-in

a-ddin PK.1SG-(PRT)Geben Denen, die das Kupfer brachten, gab ich sieben Schekel Silber.

BIN 4 178 (ganzer Text)

Ebenfalls hierhin gehört das altassyrisch belegte wazzunum: zuhören, ein D-Stamm zur I-w Ableitung des Nomens uznum: Ohr (Kouwenberg 2010: 459) a-ma-kam wa-zi-na-ma ammakam wazzin-ā=ma Dort Zuhören-PL=KONJ Dort hört zu! ATHE 64: 43

Zu denominalen Bildungen im Einzelnen s. Kouwenberg (2017: 481f.). Die nicht-präfigierten Formen des D-Stamms, mit Ausnahme des Imperativs, lassen sich in Rückbezug auf das Steigerungsadjektiv erklären. Einige sonst homonyme D-Stämme sind dabei möglicherweise sekundär denominalisiert und nicht, wie oberflächlich anzunehmen, unmittelbar vom Grundstamm abgeleitet:

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Aktionsarten im Altassyrischen

“It seems plausible that the D-stem gullubu is a denominal verb of this adjective with factitive meaning: ‘to make bold’ > ‘to shave’, which replaced the simple verb in Babylonian and Assyrian.” Kouwenberg (2010: 27724; Hervorhebung im Original). 11.2.7 Zusammenfassung In seiner Struktur unterscheidet sich der D-Stamm vom PRS nicht. Der Ablaut in der PK, wie er auch im Š-Stamm vorkommt, ist im Rahmen eines paradigmatischen Ausgleichs der kausativen Stammformen nicht mehr eindeutig mit dem ursprünglichen D-Stamm zu verknüpfen. Eine Angleichung an das denominale Präfix wa- ist plausibel, denn diese Aktionsart hat mit dem D-Stamm eine faktitive und perfektive Semantik gemein (11.3.2). Mit dem progressiven Präsensstamm stimmt der D-Stamm durch die strikte Beibehaltung der Agentivität des Subjekts überein. Sie ist im PRS durch die Integration ins Paradigma und die Grammatikalisierung in Richtung eines Imperfektivs oder Präsens verblichen (4.8.3.2). Parallel dazu ist die Grammatikalisierung des PRS mit der Übernahme syntaktisch transitiver Lexeme verknüpft, die auch im D-Stamm zunächst unverändert bleiben. Dabei können vor allem transitive Grundstämme mit gleicher Valenz im D-Stamm begegnen und über einen Genuswechsel erfasst werden (11.2.4). In wenigen anderen Fällen (11.2.2.3) lässt sich keine semantische oder formale Unterscheidung ausmachen. Dass D- und Präsensstamm unterschiedlicher historischer Herkunft wären, ist deswegen unwahrscheinlich, weil sie auf eine gemeinsame grundlegende Semantik der Subjektsrolle und semantischen Relation zurückgeführt werden können (5.3.6): “Even though the Imp[er]f[ecti]v[e] iparrVs has little or no relationship with plurality, it seems reasonable to assume that its germination has the same background but that the grammaticalization replaced plurality with the more abstract aspectual function of imperfectivity, a kind of process for wich there are ample parallels in Afroasiatic; […]. [i]ts genesis as a form [..] must date back to a remote period, a fact that is confirmed by the Afroasiatic parallels […]” Kouwenberg (2010: 97; Anm. durch Verf).

11.3 Die Präfixe 11.3.1 Einleitung Unter den verschiedenen möglichen Präfixen der Verbalbildung sind zunächst solche als Aktionsarten auszumachen, von denen paradigmatische Stammformen gebildet werden. Dies sind der Š-Stamm und der N-Stamm. Aufgrund der formalen und inhaltlichen Nähe lässt sich auch für die Verben I-w nach Vorbild des D-Stamms eine kausative Funktion erschließen (11.2.6). In der Bildung suppletiver Grundstämme im Altassyrischen sind ferner Bildungen mit I-t anzuführen (11.4.4). Diese stehen semantisch den infixalen Bildungen nahe (11.4.3). Insofern sie aber mit I-w und I-n Bildungen wechseln, werden auch sie hier angeführt. Die Verben mit Stimmabsatz, die orthographisch einen vokalischen Anlaut zeigen, lassen sich nicht auf klare Grundfunktionen zurückführen. Daher sind keine Aktionsarten zu rekonstruieren, doch möglicherweise ist es durch den Zusammenfall der vier protosemitischen Konsonanten in vokalisch anlautende Wurzeln mit und ohne e-Umlaut (Kouwenberg 2017:

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Die Präfixe

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546) zu Verwerfungen ursprünglich distinkter Merkmale der Aktionsartenbildung gekommen. 11.3.2 Die Verben I-w und I-j Der Grundstamm der Verben I-w lässt sich als kausative oder faktitive Aktionsart erklären. Davon geschieden sind ursprüngliche Verben I-j, deren Präfix offenbar Zustandsverben bildet: “[I]n the prefix forms of the I/w verbs, the adjectival verbs are conjugated like I/y verbs […]. but the fientive verbs have the prefix vowel u […].” Kouwenberg (2010: 58). Diese Unterscheidung ist insofern klassenbildend, wie im Altassyrischen auch die wenigen Zustandsverben, die als I-w zu rekonstruieren sind, dem Konjugationsmuster der Verben I-j folgen (Kouwenberg 2017: 537). Der Imperativ der Verben I-w wird von der zweikonsonantigen Wurzel gebildet (Kouwenberg 2017: 538) – hier liegt also ein suppletives Paradigma vor: a-na kà-ri-im a-wa-tí ana kār-im awāt=i ALL Karum-GEN Sache=POSS.1SG Bringt meine Sache vor den Karum.

bi4-lá bil-ā Bringen-PL AKT III 46: 21ff.

Nach der Transfigierung des PRT ist ein ursprüngliches achievement mit paradigmatischem Ablaut in PRF und PRS anzunehmen. Das PRS hat wohl in Analogie zur a/u-Ablautklasse und den Verben der a-Klasse durative Semantik (10.4.2), bei telischen transitiven Verben meist konativ als accomplishment: a-na ú-ṣur-ša-ištar ú-šar ana uššar ALL PN PK.3\Überlassen\PRS Dem PN wird er (es) überlasssen. AKT II 18: 12f.

Bei atelischen Verben zum Ausdruck eines vorübergehenden Zustandes (s-level), nach Vorbild der state Lesart des PRS D-Stamms z.B. mit qaˀāum, welches wohl a/i-Ablautklasse zuzurechnen ist (Kouwenberg 2017: 537): té-er-ta-kà za-ku-⌈tám⌉ ú-qá-a têrta=ka zaku-t am u-qaˀˀa Weisung=POSS.2.M Klar-F-AKK PK.1SG\Warten\PRS Ich warte auf deine klärende Anweisung. AKT I f.

11.3.3 Die Aktionsart I-n Der paradigmatische N-Stamm gehört zu den detransitivierenden Bildungstypen des Akkadischen und kann, neben antikausativer im Allgemeinen, reziproke und vielleicht reflexive Lesart im Speziellen beibringen (Kouwenberg 2017: 528ff.), so z.B. zu amārum: sehen:

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Aktionsarten im Altassyrischen

iš-tí a-hi-kà išti aḫ-i=ka Mit Bruder-GEN=POSS.2.M Triff dich mit deinem Bruder!

na-me-er namer S.Sehen BIN 4 233: 14f.

ri-ik-sú-um e i-na-me-er-ma riks-um ē i-nnamir=ma Paket-NOM ADMON PK.3-(PRT)Gesehen.Werden=KONJ Das Paket darf nicht gesehen werden. KTS 37a: 19

Dagegen zeigt der G-Stamm eine Konstruktion, hier mit Sehen~Treffen, welches als transitive Variante zum N-Stamm von amārum sonst synonym ist: a-li zi-ki a-mu-ur ali ammur-u Wo PN PK.1SG\Sehen~PRS-SUBJ Wo ich PN treffe, (…). KKS 16a: 15f.

Im N-Stamm kann das Objekt noch in peripherer Rolle in erweiterter (extended) intransitiver Konstruktion begegnen, wie es auch bei indogermanischen Medialformen möglich ist17: a-dí ta-lá-kam-ma iš-tí-a adi ta-llak-am=ma išti=ja Bis PK.2-Gehen\PRS-VENT=KONJ Mit=POSS.1SG Bis du kommst und dich mit mir triffst, (…).

ta-na-mu-ru ta-nnammur-u PK.2-S.Sehen~PRS-SUBJ ATHE 47a: 29f.

Der N-Stamm ist antikausativ und bei transitivem Grundstamm ist kontextuell zu prüfen, ob ein echtes Passiv impliziert wird: šu-pì-a-aḫ-šu PN1

iš-tí išti Mit

ta-mu-ri-a PN2

šu-ma šumma Wenn(KOND)

e-ta-mar e-tmar PK.3-Gesehen.Werden

i-du-wa-ak i-ddu’’ak PK.3-Geschlagen.Werden~PRS Wenn PN1 mit PN2 gesehen wird, wird er erschlagen werden.

TCL 21 253: r6ff.

ú ší-na i-pá-hi-a-ma u šīna i-ppaḫi-ā=ma KONJ Zwei PK.3-(PRT)Verschlossen.Werden-PL.F(DU)=KONJ und beide wurden verschlossen. ICK 1 128: 11

17 Vgl. hierzu etwa deutsches oder albanisches takoj: ich treffe (transitiv) zu takohem: ich treffe mich (me: mit).

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489

Die Präfixe

Im Grundstamm I-n begegnen teils transitive, inzeptive oder intransitive, faktive, progressive Verben (s.u.). Sie sind aus Kombination zweiradikaliger Wurzel zu einem neuen Grundstamm oder aus einem dreiradikaligen Grundstamm zu einer Stammform im N-Stamm erwietert worden. Im N-Stamm sind inzeptive Lesarten teils noch sichtbar18. Dass ähnlich des D-Stamms die valenzverändernde Funktion nicht voll ausgebildet istund semantisch überlagert wird19, zeigt sich hier häufiger als in anderen perfektiven Aktionsarten des Akkadischen. So altassyrisch bei ḫabālum: Stammformopposition von ḫabālum leihen (progressiv) mit dem Resultat des Schuldig Seins G Stamm ḫbl aus der Handlung des Leihens schuldig werden (ingressiv) mit dem Eintretenden des ZuN Stamm ḫbl stands Schuldig Seins. KÙ.BABBAR Silber

ša ša SUB

lá-ma-sú-tum

a-na-n[a]

PN1

PN2

ù u KONJ

áb-ša-lim PN3

a-na ḫa-šu-ú-ma-an i-ḫi-ib-lá-ni-ma ana i-ḫḫibl-ā-ni=ma ALL PN4 PK.3-(PRT)Schuldig.Werden-PL.F-SUBJ=KONJ Silber, das PN1, PN2 und PN3dem PN4 schuldig geworden sind. AKT VIa 12: 4ff.

Ingressive Lesarten sind auch bei den mehrradikaligen Verben häufig, doch liegt im ablautenden PRS vielleicht ein syntaktisches accomplishment vor: ší-mu-um šīm-um Preis-NOM

i-ba-lá-kà-ta-ma i-bbalakkat-am=ma PK.3-Wandeln~PRSVENT=KONJ

15 [½



URUDU]

[D]AM.QAR

15 ½

Talent

Kupfer

Kaufmann

i-ša-qá-lam

i-šaqqal-am PK.3-Zahlen~PRS-VENT Der Preis wandelt sich und 15 ½ Talente Kupfer wird der Kaufmann mir bezahlen.

AKT I 17: 17ff.

18 Zur ebenfalls intransitiven dynamischen Aktionsart I-n im Ägyptischen vgl. Vernus (2009). 19 Inwieweit hier im engeren Sinne Passivität vorliegt, bedarf noch eingehender Untersuchung. Syntaktisch ist in den akkadischen detransitivierenden Aktionsarten die Kodierung des Verursachers in peripherer syntaktischer Rolle nicht möglich (wohl aber im STA). Daher sind die valenzreduzierenden Lesarten des Akkadischen zunächst nur antikausativ. Vgl. deutsches sich öffnen (antikausativ): geöffnet werden (durch) (passiv).

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490

Aktionsarten im Altassyrischen

Besonders bemerkenswert ist der N-Stamm des PRT und Imperativ zu našāˀum anstelle des Grundstamms (11.7.5): “These verbs show that the dividing line between the passive and the ingressive functions of the N-stem is not so much determined by syntactic transitivity (the presence of a direct object) as by semantic transitivity.” Kouwenberg (2010: 296). So z.B.: na-ru-qam narruqq-am Geschäftskapital-AKK Nimm das Kapital!

na-an-ší-ma nanši=ma Aufheben=KONJ Fs. Matous 150a 39: r11

Diese Suppletion ist einmalig (und mittelassyrisch m.W. nicht bezeugt; vgl. hierzu de Ridder 2018: 366), doch begegnet in babylonischen Texten ein N-Stamm PRF anstelle eines t-infigierten PRF: “A remarkable phenomenon in Old and Standard Babylonian is the use of a reciprocal N form in the t-perfect in a suppletive relationship with the Gt-stem in order to avoid a double t-infix […].” Kouwenberg (2010: 295). Neben diesen Lesarten begegnen auch reziproke, reflexive u.a. So bei: Reziproke und Reflexive Derivation Wurzel Grundstamm amr sehen epš tun lbš anziehen mḫṣ schlagen

N-Stamm sich sehen getan werden sich bekleiden geschlagen werden

Detransitivierende Lesarten des N-Stamms in semantischer Nähe zu einfachem Passiv sind häufig20: ṭup-pá-šu-nu i-ḫi-ir-mu-ú ṭuppa=šunu i-ḫḫirm-u Tafel=POSS.3.M.PL PK.3-(PRT)In.Hülle.Geschlossen.Werden-SUBJ (Über das) ihre Tafel in Hülle geschlossen wurde. AKT V 53: 5

Das Verhältnis des antikausativen N-Stamms zu resultativem STA des Grundstamms ist dann etwa dem des deutschen Zustandspassivs zum einfachen dynamischen Passiv (getan sein: werden) entsprechend zu begreifen, bleibt aber im Akkadischen antikausativ (Dixon 2012: 225): 20 Man beachte in der deutschen Übersetzung die Konstruktion des werden-Passivs und der Übersetzung vieler ingressiver Lesarten der akkadischen Zustandsverben mit Werden + Adjektiv. Die antikausative Semantik als Vorläufer einer passiven kann hier zugleich als Entwicklung aus der inzeptiven Semantik und der ingressiven Lexemkategorie verstanden werden (3.4.3).

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Die Präfixe

ṭup-pu-šu ḫa-ar-mu ṭupp-ū=šu ḫarm-ū Tafel-NOM\PL=POSS.3.M In.Hülle.Schliessen-PL.M.SK Seine Tafeln sind in Hülle geschlossen. AKT IV 15: 5

Weitere Belege zum detransitivierenden N-Stamm: IGI Vor

a-wi-li awīl-ī Mann-OBL.PL

a-ni-ú-tim anni-ūt-im DEM-ADJ.PL-OBL

a-wa-tum awāt-um Sache\PL-NOM

a-ni-a-tum anni-āt-um DEM-F\PL-NOM

i-gi5-im-ra

i-ggimr-ā PK.3-(PRT)Beendet.Werden-PL.F Vor diesen Männern wurden diese Sachen beendet. ik-ri-bu-um ikrib-um Gebet-NOM

AKT VIa 119: 34ff.

i-na ina SEP/LOK

ba-ri-ku-nu bar-i=kunu ZwischenGEN=POSS.2.M.PL Eine Weihgabe zwischen ihnen soll vereinbart werden.

li-qí-bi-ma li-qqibi=ma OPT\3Gesprochen.Werden=KONJ AKT VIa 220: 27f.

Beispiele für reziproke Lesarten: a-šu-mì AN.NA a-na-kam iš-tí DAM.QAR *na-*⌈w⌉u-a-ku-ma aššumi annakam išti nāwu-āku=ma Wegen Zinn Hier Mit Kaufmann S.Besprechen-1SG.SK=KONJ Wegen des Zinns bin ich hier in Besprechung mit dem Kaufmann. AKT III 103: 5ff. i-mì-ig-ru-ma i-mmigr-ū=ma PK.3-(PRT)S.EinigenPL.M=KONJ

ni-iš nīš Leben

a-limki āl-im StadtGEN

i-na ina SEP/ LOK

kà-ni-iš ON

Sie einigten sich und schworen in ON beim Leben der Stadt.

it-mu-ú i-tmû PK.3-(PRT) Schwören\PL.M

AKT VIa 119: 6ff.

a-ta ú ma-ma-ḫi-ir na-me-ra-ma atta u nāmer-ā=ma PERS.2.M KONJ PN S.Sehen-PL=KONJ Du und PN – trefft euch! AKT VIa 288: 33

Bei den ingressiven Grundstämmen mit n-Präfix ist zu beachten, dass die Verben III-i teils eine Verbindung inzeptiver und dynamischer (atelischer) Lesart sind (11.6.1). Die anderen Lexeme hingegen können entsprechend ihrer Transfigierung als ingressiv verstanden werden:

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Aktionsarten im Altassyrischen

ṭup-pá-am lu ni-dí-na-kum ṭupp-am lū ni-ddin-ak=kum Tafel-AKK AFFIRM PK.1PL-(PRT)Geben-VENT=DAT.2.M Wir haben dir die Tafel fürwahr gegeben. AKT VIa 113: 11f. a-na ana ALL

ṭá-tí-kà ṭāt-i=ka Abgabe-GEN=POSS.2.M

ša ša SUB

mì-ma mimma INDEF

É Haus

kà-ri-im kār-im Karum-GEN

la lā NEG

na-ad-a-tí-ni

nadâti-ni Legen\2SG.SK-SUBJ Bezüglich der Abgabe, von der du nichts im Haus des Karum deponiert hast, (…). ri-ig-ma-am ú-lá a-na-dí-i rigm-am ula a-naddī Ruf-AKK NEG PK.1SG-Werfen~PRS (Wenn es nicht geeignet ist -) soll ich keine Klage erheben?

Verben I-n der ingressiven Klassen Wurzel Bedeutung nbi nennen, berufen ndn geben nḫs zurückweichen nkl künstlich sein, werden nkp stoßen

AKT VIIa 259: 19f.

BIN 4 35: 28f. Transfixklasse i a/i, i i i i

Bei den progressiven Verben kann überwiegend eine inaktive Semantik angesetzt werden: ḫa-ra-an ḫarrān Weg

sú-ki-nim sukinn-im Gasse-GEN

dan-⸢na-at⸣ dann-at Schwer.Sein-F.SK

lá lā NEG

na-ṭù-ma naṭu-ø=ma Geeignet.Sein3SG.SK=KONJ

lá lā NEG

né-ra-⸢áb⸣

nērrab PK.1PL\Eintreten~PRS Der Schmuggelpfad ist schwierig. Es ist nicht möglich, dass wir (ihn) betreten.

AKT VIc 536: 7ff.

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493

Die Präfixe

a-a-e-ma lá a-na-mu-uš ajjēma lā a-nammuš INDEF NEG PK.1SG-S.Bewegen~PRS Ich werde mich nirgendwohin bewegen. a-dí adi Bis

u4-mu um-ū TagNOM\PL

ša ša SUB

TÚG.ḪI.A Gewänder

RA 60 106: r5f.

i-ma-lu-ú-ni i-mallû-ni PK.3-Voll.Sein~PRS\PL.M-SUBJ

lá lā NEG

ta-na-mu-ša-am

ta-nammuš-am PK.2-S.Bewegen~PRS-VENT Bis die Termine für die Gewänder verstrichen sind, wirst du dich nicht (zu mir) in Bewegung setzen

CCT 4 29a: 6f.

Die progressiven Verben I-n sind den Verben III-i ähnlich. Beide beschreiben wohl ursprünglich den Beginn einer Handlung. Synchron ist an diesen Verben aber davon nichts mehr festzustellen, d.h. in allen Fällen folgen die Lesarten des Lexems den Vokalklassen und nicht einer gemeinsamen Grundfunktion der Aktionsart. Auch das Aspektraster zeigt keine Abweichung von anderen Verben ihrer Klasse. Rein nach der lexikalischen Semantik sind in dieser Klasse einige besondere Verben wie degree achievements (6.3.6) und Semelfaktiva zu vermuten. Verben I-n der progressiven Klassen Wurzel Bedeutung nbṭ aufleuchten (degr.) npḫ anblasen (semel.) npl zu Fall bringen, abbrechen npš blasen, (auf)atmen (degr.)

Transfixklasse u a/u a/u u

Einige wenige progressive Verben sind hingegen von offenbar aktivischer Semantik: 1/3

ma-na.TA

(…)

i-sú-ḫu i-ssuḫ-ū 1/3 Mine.Jeweils (…) PK.3-(PRT)Abziehen-PL.M Sie zogen jeweils ein Drittel Minen ab. AKT III 34: 7ff.

Der Übergang der beiden Formen ist fließend. Außerhalb der belegten Formen von nakārum: anders sein, werden (i/i neben a/u) ist auch für andere der progressiven Verben eine (ursprüngliche?) Transfigierung (i/i) anzunehmen, aus der die progressive Klasse erst später nach der Lexikalisierung der Aktionsart im dreiradikaligen Grundstamm entwickelt wurde. Daneben ist eine Opposition im Grundstamm vielleicht noch festzustellen bei den Verben napālum: bezahlen (a/u) als Ableitung zu apālum: antworten:

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494 i-na ina SEP/LOK

Aktionsarten im Altassyrischen

20 20

ma-na mana Mine

KÙ.BABBAR Silber

ša ša SUB

Von den 20 Minen, die du mir zu bezahlen hast, (…).

ta-na-pá-lá-ni ta-nappal-an-ni PK.2-Bezahlen~PRS-VENTSUBJ AKT III 61: 47

ù 5 ku-ta-ni ni-is-ḫa-tim ni-na-pá-al u kutān-ī nisḫ-āt-im ni-nappal KONJ Fünf Stoff-OBL.PL Abzug-F\PL-OBL PK.1PL-Bezahlen~PRS Und für die fünf Kutanu-Stoffe Abzüge werde ich dir eine Ausgleichszahlung leisten. AKT IV 22: 18ff. a-na-ku a-wa-[sú-nu] a-ta-na-pá-al anāku awās=sunu a-ttanappal PERS.1SG Sache=POSS.3.M.PL PK.1SG-I.W.Antworten~PRS Ich beantworte immer wieder ihre Angelegenheiten. AKT VIc 650: 15f.

Derivierte Stämme überschreiben die etwaigen noch erkennbaren semantischen Eigenschaften des lexikalischen I-n: ḫi-ir-mu-šu na-zu-mu ḫirm-ū=šu nazzum-ū Hülle-NOM\PL=POSS.3.M Klage.Führen-PL.M.SK Seine eingehüllten Tafeln werden beklagt. AKT VIIa 50: 15 a-šar ta-tí-ni-li-ni ašar ta-ttinill-i-ni Wo PK.2-I.W.Hinlegen~PRS-FEM-SUBJ Wo auch immer du schläfst, (…). BIN 6 1: 7 i-šé-er-tám i-ta-šu išert-am i-tšû Rechte-AKK PK.3-Tragen\PL.M Sie nahmen die normale Menge an sich.

CCT 4 11: ‘5

Sollte sich die light verb theory Kouwenbergs bestätigen (3.3.4.3), so lassen sich die Aktionsartenpräfixe möglicherweise auf eine geschlossene Klasse von Verben zurückführen, aus denen durch Objektinkorporation neue Verben gebildet wurden, wie es als Bildungstyp etwa im Sumerischen sichtbar ist. Die inzeptive Semantik des N-Stamms ist historisch nicht mehr eindeutig aufzuzeigen. Daher darf nicht ausgeschlossen werden, dass eine andere perfektive Semantik als Ausgangspunkt angesetzt werden muss. Allerdings ist zu beachten, dass die inzeptive Semantik als

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495

Die Präfixe

Merkmal der ingressiven Kategorie die Grammatikalisierung der antikausativen und der dieser folgenden passiven Semantik, wie etwa im bibelhebräischen N-Stamm, widerspruchsfrei erklärt. 11.3.4 Š-Stamm Der Š-Stamm kodiert regelmäßig mittlere und schwache Kausativität, d.h. ein Veranlassen oder Gewähren Lassen. Starke faktitive Kausativität wird zumeist im D-Stamm kodiert (7.3.5). Alle Kausativstämme gehören der a/i Klasse an. Das nur durch Ablaut gekennzeichnete PRS ist möglicherweise sekundär zur Vervollständigung des Paradigmas der PK entstanden. Mittlere Kausativität findet sich z.B. bei: la lā NEG

ta-tù-ri-ma ta-tūr-ī=ma PK.2-(PRT)Zurückkehren-F=KONJ

ša ša SUB

ki-ma kīma Wie

a-mì-im ammîm DEM\GEN

lá lā NEG

tù-šé-bi4-li-im

tu-šēbil-i-m PK.2-(PRT)Bringen-F-VENT Du hast so etwas nicht noch einmal geschickt. KÙ.BABBAR

ší-im šīm Preis

URUDU

a-na ana ALL

TCL 19 17: r8f. a-limki āl-im Stadt-GEN

ù-ša-ak-ša-da-ku-ma u-šakšad-ak=kum=ma PK.1SGSilber Kupfer Ankommen.Lassen\PRSVENT=DAT.2.M=KONJ Ich werde dir das Silber, den Preis des Kupfers, zur Stadt kommen lassen. AKT V 71: 14ff.

Starke Kausativität findet sich z.B. bei: šu-ut šūt PERS.3.M

ù u KONJ

GÉME-sú Magd=POSS.2.M

a-wi-lá-tim awīl-āt-im Frau-F\PLOBL

Er und seine Magd mißachteten die Frauen.

ú-ša-am-ṭù u-šamtû PK.3(PRT)Mißachten\PL.M TCL 14 40: 34f.

Beim STA liegt vielleicht vor Schwache Kausativität in: ta-aḫ-sí-is-tám (…) lu ša-ṣú-ra-at taḫsist-am lū šaṣṣur-at Aufzeichnung-AKK (…) OPT Verwahrt.Sein.Lassen-F.SK Die Aufzeichnungen soll sie im Auge behalten. AKT IV 45: 31ff.

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Aktionsarten im Altassyrischen

In der Aktionsartengruppe des š(a)-Präfix finden sich altassyrisch auch einige vierradikalige Verben. Sie werden teils wie die paradigmatische Mischklasse der ŠD-Stämme gebildet (Kouwenberg 2017: 533f.). So šukaˀˀunum: sich prosternieren: uš-kà-in a-na u-škaˀˀin ana PK.1SG-(PRT)S.Prosternieren ALL Ich unterwerfe mich der Tafel der Stadt.

ṭup-pì-im ṭupp-im Tafel-GEN

ša a-limki ša āl-im SUB Stadt-GEN AKT VIa 229: 53f.

šubalkitum: hinüberbringen: me-eḫ-ra-at ší-ma-tim šu-ba-al-ki-ta-ma meḫrat šīmāt-im šubalkit-ā=ma Kopie Testament-GEN Hinüberbringen-PL=KONJ Bringt eine Kopie des Testamentes hinüber. AKT VIa 233: 22f.

Wiewohl anzunehmen ist, dass das š(a)-Präfix auch im Grundstamm auftritt, fehlen im Korpus dafür klare Belege mit semantischer Entsprechung. Die lexikalisierten Št-Stämme (Kouwenberg 2010: 457) bilden das PRS vom Präsensbzw. D-Stamm: “It is somewhat less frequent in Old Assyrian and Middle Babylonian and used only sporadically in Middle Assyrian. […], there are no certain instances of any Št-stems in Neo-Assyrian.” (Kouwenberg 2010: 404). Auch die altassyrischen Belege lassen sich nicht auf eine grammatische Kategorie oder semantische Funktion reduzieren (Kouwenberg 2017: 524)21. Belege sind z.B.: a-ra-ma-na-tí-ku!- tù-uš-ta-ma-ra-ṣa-ni ar=raman-āt-i=kunu tu-štamarraṣ-ā-ni ALL=Selbst-F\PLPK.2-Bemühen~PRS-PL-AKK.1SG OBL=POSS.2.M.PL Ihr werdet euch um mich dort wie um euer selbst bemühen. AKT II 22: 10f. a-ma-kam ammakam Dort

ki-ma kīma Wie

KÙ.BABBAR

(…)

uš-ta-ṣa-ba-at u-štaṣabbat Silber (…) PK.1SG-Zusammenbringen~PRS Das Silber (…) werde ich zusammenbringen. TCL 19 16: 14ff.

21 Ob etwa eine Studie zu Valenz und Semantik der Lexeme eine inhaltliche Definition der lexikalisierten Stämme beizubringen vermag, bleibt fraglich. Es fehlt m.W. auch noch an einer geeigneten Arbeitshypothese.

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Perfektstamm und Infixe

497

11.4 Perfektstamm und Infixe 11.4.1 Einleitung In diesem Abschnitt wird zunächst das der Aktionsart formengleiche PRF in Rückverweis aus Kap. 8 erörtert. Ihre Wechselwirkung mit der Semantik des Derivationsinfixes als Ausgangspunkt der Entwicklung des PRF wird darin zusammenhängend diskutiert. Die perfektischen Lesarten des PRT sind in Kap. 8 aufgeführt. Im akkadischen PRF ist formal eine Aktionsart mit ta-Infix zu erkennen (i-pras). Die Etikettierung als Perfekt ist umstritten. Sie ist in der Praxis vor allem deswegen problematisch, weil auch in anderen Formen des Akkadischen klare perfektische Funktionen bezeugt sind. Landsberger (1926: 361) erkennt es als punktuelles Präsens. Dahinter steht eine formale Interpretation des Perfekts als typologische Erweiterung des perfektiven Aspekts. So werde der perfektive Aspekt in einem dreigliedrigen Zeitlagensystem um eine dritte Zeitstufe ergänzt, in der er ursprünglich nicht erscheint. Dabei handele es sich um ein Perfekt (Kurylowicz 1964: 26), eine Interpretation wie sie ähnlich auch durch Comrie (1976) vertreten wird (s.a. 4.1). In der Forschung ist die Interpretation des Perfekts weiterhin umstritten (1.2.1). Für die Akkadistik ist das Modell Reichenbachs (1947) maßgebend (4.1.3). GAG §§80b ff. und Kouwenberg (2010: 141) weisen auf die Funktionen hin, die das PRF zwischen Vergangenheit und Gegenwart verorten. Dass der Begriff des Perfekts bei Kouwenberg gemieden wird, obwohl er ausdrücklich auf die Funktion als Futur II (Kouwenberg 2010: 141) verweist, liegt in der Opposition zum PRT begründet. In keinem syntaktischen Kontext der älteren Sprachstufen ist das PRF exklusiv anzutreffen. Da die perfektischen Lesarten des PRF auch im PRT begegnen, ist die Opposition bereits altassyrisch pragmatisch (8.8). Die Stammformen mit infigiertem –ta-, die formal der Bildung des PRF entsprechen, haben sehr oft unterschiedliche antikausative, reflexive oder reziproke Lesarten und stehen semantisch den Aktionsartenpräfixen nahe (11.3). Diese werden zusammen mit den Stammformen von Verben der Bewegung in der Akkadistik als mediale Lesarten gefasst (Klom 2014: 181)22. Wieweit der Begriff des Mediums hier zweckdienlich ist, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht entschieden werden23. In vielen Fällen ist eine formale Differenzierung auch im einzelnen Kontext nicht ausreichend, um eine paradigmatische Stammbildung vom Perfekt zu unterscheiden. Dies betrifft zumeist die Verben des Grundstamms und hier besonders die intransitiven Verben der Bewegung, sofern für diese auch ein Gt-Stamm angesetzt werden kann. 11.4.2 Das akkadische Perfekt (PRF) Syntax und Semantik des altassyrischen PRF wurde in 8.8 in Abgrenzung zum PRT erläutert. Soweit man von diesen Beobachtungen auf eine Aktionsart schließen kann, ist sie perfektiv. Das impliziert auch eine Tendenz zur Detransitivierung, wie sie vereinzelt beim altgriechi22 Vgl. dazu die Perfektbildung vieler Verben der Bewegung im Deutschen und Niederländischen mit Sein anstelle von Haben, Deponentien wie griechisch ἔρχομαι u.a. sowie die Ausführungen in Klom (2014: 170ff.). 23 Zuletzt Klom (2014). Der Begriff des Mediums ist diffus und kann auch nicht herangezogen werden, um t-Stämme von anderen Antikausativen im Akkadischen zu differenzieren (1.3.4.3). Hier bedarf es wieterführender Studien zur Semantik und Valenz der Stammformen.

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498

Aktionsarten im Altassyrischen

schen Aorist begegnet (4.2.1). Diese im PRF nicht offenbare Funktion entspricht der des tInfixstamms. Daher besteht in der heutigen Forschung weitgehender Konsens einer genetischen Entsprechung beider, sowie damit verknüpfter Überlegungen zur Grammatikalisierung der Aktionsart in Loesov (2004a: 167) oder Kouwenberg (2010: 159). Vom diskursabhängigen Gebrauch ausgehend, der im Altassyrischen deutlicher als in anderen Varietäten ist (Kouwenberg 2017: 618f.), lässt sich die in späteren Varietäten übliche syntaktische Beschränkung des PRF in Wortfragen und negierten Aussagen als modal deuten. Die Funktion des PRT als Narrativ im Altassyrischen (Kouwenberg 2017: 619) ist hingegen möglicherweise über die gesamte Historie des Akkadischen nicht geschwunden, wozu z.B. mittelbabylonisch Belege in Aro (1955: 83ff.) erhoben worden sind 24. Nach der Beleglage in dieser Studie ist das PRF auch in perfektzeitlichen Lesarten imperfektiv, d.h. kann ähnlich dem neugriechischen Perfekt nicht universal gelesen werden (4.6.5). Die Diskursfunktion des foregroundings ist gegenüber dem PRT in allen altassyrischen Textgattungen zu erkennen (Kouwenberg 2010: 145) und auf perfektzeitliche Intervalle beschränkt. PRF und STA unterscheiden sich durch die Trennung in perfektzuständliche und perfektzeitliche Intervallsemantik, sind aber semantisch beide perfektiv: “[T]he t-perfect represents a past event as still associated with the present moment, whereas the stative describes a state resulting from a past event. Accordingly, the choice is often subjective, and we found both forms in the same context […].” Kouwenberg (2010: 171; Hervorhebung im Original). Daher begegnen diskursabhängige Wechsel von STA und PRF, die sich nicht nach den Regeln der Intervallsemantik richten und mittel- und altassyrisch (Kouwenberg 2017: 627) steht z.B. STA mēt: Er ist tot regelmäßig anstelle eines erwarteten und babylonisch m.W. entsprechend vorherschendem PRT oder PRF (S.O. 10.3.4.3). 11.4.3 t-Stämme Die altassyrischen Belge des Gt-Stamms sind mehrheitlich reziprok oder seltener reflexiv bzw. semantisch antikausativ (Kouwenberg 2017: 512f.). “By far the most important function is reciprocity; a marginal one is reflexivity, represented by a very small number of verbs in the older dialects. In addition, there is a third group of Gt-stems, many of them from intransitive verbs, in which the meaning of the t-infix is unclear.” Kouwenberg (2010: 360). Unter den wenigen Lexemen mit abweichender Bedeutung lässt sich nur das gut belegte alākum: gehen hier deuten, welches eine Funktion in der Taxis übernimmt, die der des PRF entspricht, aber in Opposition von Grundstamm und Gt-Stamm auch bei modalen Formen und dem PRS begegnet (9.2.2), andere Verben lassen sich nicht überzeugend kategorisieren: “[I]t occurs in a large number of Gt-stems that either do not show a significant difference in meaning from the G-stem or have some idiosyncratic difference that is seemingly unrelated to reflexivity, especially the alleged Gt-stem of alāku ‘to 24 Ein Überblick findet sich in Kouwenberg (2010: 154f.).

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499

Perfektstamm und Infixe

go/come’. These verbs can be regarded as the Akkadian representation of middle verbs, […].” Kouwenberg (2010: 267; Hervorhebung im Original). Reziproke Bedeutung des ta-Infixes: ù u KONJ

i-na ina SEP/LOK

dí-i[n] dīn Prozess

tám-kà-ru-tim tamkarūt-im Kaufmannschaft-GEN

e-ta-wu ētawwû PK.3\S.Besprechen~ PRS\PL.M (…) und sie werden im Prozess der Kaufmannschaft miteinander reden. AKT VIa 45: 12ff.

Reflexiv kann der Gt-Stamm von lapātum: eintragen gedeutet werden. Der STA des GtStamms bleibt weitgehend synonym und vielleicht ist hier im Unterschied zur PK von einer Nachwirkung am Subjekt auszugehen, wie sie etwa im indogermanischen Medium begegnet. ša i-na ṭup-pì-im ba-at-qam lá-áp-tù ša ina ṭupp-im batq-am lapt-ø-u SUB SEP/LOK Tafel-GEN Abzug-AKK Eintragen-3SG.SK-SUBJ (Gold), welches als Abzug auf der Tafel eingetragen ist. AKT VIIa 40: 6ff. i-na ina SEP/LOK

KÙ.BABBAR Silber

ša ša SUB

i-na-a PN

qá-ta-tí-kà qātāti=ka Bürge=POSS.2.M

Von dem Silber, für das PN als dein Bürge eingetragen ist.

li-tap-tù litapt-ø-u Eintragen-3SG.SKSUBJ AKT III 59: 5f.

Diese Deutung entspricht dem für das PRF genannten Merkmal der Konsequentialität (8.8) und korrespondiert zugleich mit den überwiegend auf das Subjekt zurückwirkenden Handlungsstrukturen reflexiver oder reziproker Lesarten. Ferner sind dann entgegen Kouwenberg (2010: 515f.) nicht alle Belege, die eine Handlung des Subjekts als nachhaltig oder nachwirkend beschreiben, dem tan-Stamm zuzuordnen. Zweifellos aber überschneiden sich beide Stämme hier inhaltlich. So bei amārum: sehen: e-né-kà (…) a-ta-mar ēn-ē=ka a-tammar Auge-OBL.PL=POSS.2.M (…) PK.1SG-Ständig.Sehen~PRS Deine Augen werde (aus 100 Meilen Entfernung) ich ständig sehen.

AKT VIc 526: 11ff.

Gleiches gilt für šapārum: schreiben oder maḫāṣum: schlagen, wenn man Gt des PRS anstelle hier glossierten Gtn des PRT ansetzt und dann in einer Bedeutung der Nachdrücklichkeit oder Sorgfalt der Handlung durch das Subjekt versteht:

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500

Aktionsarten im Altassyrischen

(…)

áš-ta-pá-ra-ni a-štappar-an-ni (…) PK.1SG-Schreiben~PRS-VENT-SUBJ Ich schreibe ausdrücklich.

AKT VIb 309: 27

a-na-kam ki-ma ku-nu-tí am-ta-ḫu-ṣú!-ma annakam kīma a-mtaḫḫuṣ-u=ma Hier Wie OBL.2PL PK.1SG-Kämpfen~PRS-SUBJ=KONJ Weil ich mich hier an eurer statt im Kampf befinde, (…). AKT VIb 450: 6ff.

Mit Verben der Wahrnehmung gilt diese Ambiguität bei allen Formen mit t-Infix, wodurch das Subjekt als experiencer und nicht als Agens qualifiziert wird (vgl. deutsch hören: hinhören) – auch die Interpretation als PRF ist nicht immer ausgeschlossen, wenn formengleiches Gt des PRT vorliegt: ṭup-pá-am ṭupp-am TafelAKK

ma-lá mala Alles(SUBJ)

i-pì-šu-nu ip=pi=šunu SEP/LOK=Mund=P OSS.3.M.PL

ni-iš-ta-me-ú ni-dí-in ni-štame-u ni-ddin PK.1PLPK.1PL-Hören-SUBJ (PRT)Geben oder: PK.1PLHören-SUBJ Eine Tafel über alles, was wir aus ihrem Munde hörten, gaben wir. AKT III 50: 21f.

Kouwenberg schlägt ein reflexives Element vor, ähnlich der ägyptischen sḏm.tw.f Form (Allen 2014: 267): “It is typological parallel to Latin, where the deponent verbs, characterized by endings that are mostly contain r, are a typical middle category, which is gradually being replaced by the new reflexive marker, the pronoun se/sibi/sui […].” Kouwenberg (2010: 267). Areal plausibel ist hingegen eine parallele Bildung zu ebenfalls perfektischem sḏm.n.f (Allen 2014: 254f.) und sḏm.t.f (Allen 2014: 254f.), welche beide perfektisch sind. Warum das t-Infix daher nicht wie der N-Stamm auf ein light verb zurückgehen könne, erschließt sich mir nicht: “The t-infix goes back to a prototypical reflexive marker in a very remote period of Afroasiatic […], which in Akkadian has only preserved its reflexive function in small and residual group of naturally reflexive verbs.” Kouwenberg (2010: 267; Hervorhebung im Original). Reflexive Lesarten im Grundstamm sind auch durch syntaktische Elemente möglich. Wie sie sich mit t-Stämmen ergänzen und distribuiert werden, ist noch nicht befriedigend erklärt. So z.B.: ra-ma-ku-nu za-ki-a-ma ramak=kunu zaki-ā=ma Selbst=POSS.2.M.PL Reinigen-PL=KONJ Reinigt euch selbst (~Befreit euch selbst von Ansprüchen)!

AKT VIa 208a: 5

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Perfektstamm und Infixe

501

Weniger eindeutig ist die Derivation mit –ta-Infix verschiedener valenzerweiternder Stammformen. Bei einigen transitivierenden Stammformen ist das ta-Infix regelmäßig antikausativ oder reflexiv (Kouwenberg 2017: 520f. & 524ff.): Antikausativ: iš-tí KÙ.BABBAR uk-ta-al išti u-ktâl Mit Silber PK.3-Festgehalten.Werden\PRS Mit dem Silber wird er festgehalten. AKT III 15: 5f. šu-[ku-b]u-um

KÙ.BABBAR-áp-šu

uš-⸢ta⸣-ba u-štabba PN Silber=POSS.3.M PK.3-Gesättigt.Werden\PRS PN wird mit seinem Silber gesättigt werden. AKT VIa 278a: 15f.

Hingegen antikausativ, aber nicht mit passivischer Semantik, sondern vielleicht mit Agens als Subjekt ist nazāmum – beschweren ~ zur Klage bringen (D-Stamm): Klage führen, sich beschweren (Dt-Stamm), welches der Suppletion im Grundstamm nähersteht (vgl. Kouwenberg 2017: 521)25: ḫa-nu-ba

a-na-kam annakam PN Hier PN führt hier Klage.

ú-ta-za-am u-ttazzam PK.3-Klage.Führen\PRS AKT V 19: 27f.

Ähnlich auch waqāˀum: warten: ITU.KAM

1

ù šé-na ū šena Monat Einer Oder Zwei Einen oder zwei Monate harrt aus!

ú-ta-qí-a-ma utaqqi-ā=ma Warten-PL=KONJ AKT III 70: 16f.

Die Interpretation von Verben der Bewegung als separativ ist nicht ohne weiteres einleuchtend. Vergleicht man ferner reflexive Verben wie Sich Waschen, Sich Schämen mit Sich Setzen und Sich Bewegen sowie den Perfektbildungen im Deutschen, wie Er hat auf dem Tisch getanzt, aber Er ist in den Raum getanzt und Ich habe mich bewegt, aber Ich bin gegangen, so zeigt sich, dass eine niedrige Agentivität – in diesen Fällen die Affiziertheit des Subjekts – einmal pronominal (mich) und einmal durch das Auxiliar Sein gekennzeichnet wird. Auch im Vergleich mit anderen Stammformen ist hier zunächst eine Funktion zur Anzeige niedriger semantischer Agentivität plausibel. Diese bei Verben der Bewegung im Deutschen teils obligatorische Zuordnung begegnet akkadisch als Stammderivation zu einem semantisch neutralen Grundstamm, also als Spezifizierung der lexikalischen Semantik. 25 Die deutsche Entsprechung Sich Beschweren mag reflexiv anmuten, ist es aber ebenso wenig wie das akkadische Lexem. Daher begegnet die intransitive Lesart in akkadischen Varietäten teils auch im einfachen D-Stamm.

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502

Aktionsarten im Altassyrischen

So bei alākum: gehen: dan-a-šur

li-ta-al-kam li-ttalk-am PN OPT.3-Weggehen-VENT PN soll kommen (von dort). AKT III 74: 23 za-ku-a-ku ki-ma dan-a-šur e-ru-ba-ni a-ta-lá-kam zaku-āku kīma ērub-an-ni a-ttallak-am Frei.SeinPK.3\(PRT)EintretenPK.1SG-Weggehen~PRSWie PN 1SG.SK VENT-SUBJ VENT Ich bin frei (zur Abreise). So wie PN eingetroffen ist, werde ich kommen. AKT III 67: 4f.

Die consecutio temporum (5.2.6) scheint bereits in der Semantik der Stammform (9.2.2) veranlagt zu sein. So in einer Folge von Imperativen im Grundstamm abgeschlossen durch den Gt-Stamm: al-kà-nim-ma e-en a-šur am-ra-ma ù alk-ā-nim=ma ēn amr-ā=ma u Gehen-PLSehenAuge DN KONJ VENT=KONJ PL=KONJ Kommt, seht das Auge des DN und steht auf und geht.

tí-ba-a-ma a-tal-ka tibâ=ma atalk-ā Aufstehen\ (Weg)gehenPL=KONJ PL AKT III 111: 21ff.

11.4.4 I-t Verballexeme Besondere Aufmerksamkeit verdienen transitive Grundstammbildungen im Rahmen einer Suppletion. Hieran kann der Übergang von Stammform zu paradigmatischem Aspekt nachvollzogen werden. Insgesamt besitzt daher das -ta-Infix eine perfektive Semantik, die altassyrisch noch im suppletiven Formengebrauch von perfektiven Wurzeln wie wbl/tbl: tragen und ndn/tdn: geben als Aktionsart erkannt werden kann: Suppletiv: a-na kà-ri-im a-wa-tí bi4-lá ana kār-im awāt=ī bil-ā ALL Karum-GEN Sache=POSS.1SG Bringen-PL Bringt meine Sache vor das Karum. AKT III 46: 21ff. a-ša-pá-ar-ma a-mu-tám a-šappar=ma amutt-am PK.1SG-Schreiben~PRS=KONJ Eisen-AKK Ich werde schreiben, dass man (dir) Eisen bringt.

ú-bu-lu-nim ubbul-ū-nim PK.3\Bringen~PRS-PL.M-VENT AKT VIa 177: 10f.

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Perfektstamm und Infixe

DAM.QAR

503

e ē ADMON

it-ba-al-ma e tù-ri-i-qá-ni i-tbal=ma ē tu-rīq-an=ni PK.3Kaufmann ADMON PK.2-(PRT)Fernhalten(PRT)Wegbringen= VENT=AKK.1SG KONJ Der Kaufmann möge es nicht wegbringen und du mögest mich nicht fernhalten. AKT I 17: 24f.

Dagegen paradigmatisch: na-áš-pè-ra-tí-ku-nu našper-āt-i=kunu Schreiben-F\PL-OBL-POSS.2.M.PL Eure Schreiben will ich hören.

lá-áš-ta-me-ma la-štame=ma OPT.1SGHören=KONJ AKT VIa 231: 19f.

Durch die Bildung transitiver Gt-Stämme ist die Möglichkeit gegeben, syntaktische Konstruktionen ohne Valenzreduktion mit –ta-Infix zu bilden. Analog zu diesen suppletiven Stämmen kann die Bildung des PRF semantisch als Ausdruck des XN-Intervalls derart gedeutet werden, dass das Subjekt noch von der Handlung betroffen ist, da es sich in der Perfektzeit befindet und daher im Rahmen der perfektischen Semantik unabhängig der lexikalischen Semantik am Vorgang oder Zustand Teil hat. Wiewohl die Identität von Aktionsart, Suppletionspräfix und PRF Infix hier nicht nachgewiesen werden kann, sind zumindest eine Nähe semantischer Eigenschaften sowie eine Beeinflussung und daraus folgende Verwerfung der Semantik klar zu erkennen. Sie erklären dann den Befund und die weitere Entwicklung der PRT und PRF in Wechselwirkung mit den Aktionsarten. Für die genetischen Bezüge fehlen allerdings klare Belege. 11.4.5 tn-Stamm Das tan-Infix zeigt im Wesentlichen iterative Semantik. Seine Genese ist noch nicht geklärt (Kouwenberg 2010: 435 & Klom 2014: 163ff.). Aufgrund seiner formalen Ähnlichkeiten zum ta-Infix und dem Präsensstamm (11.2), ist es zu vermuten, dass es (satz)akzentbedingte Dissimilation aus einem PRS mit ta-Infix hergeleitet und grammatikalisiert wurde 26. Als solches begegnet es im Grundstamm in Situationstypen und allen Formen, mit Ausnahme des PRF, Verbaladjektivs und Stativs. Bei den letztgenannten ist die Fehlanzeige wohl semantisch begründet (Kouwenberg 2017: 514). Fehlende Formen des PRF sind rein formal zu deuten oder durch die Fehlanzeige universaler Lesarten begründet (8.8.2), doch ist auch die Genese aus dem ta-Infix hier möglicherweise als Ursache zu sehen.

26 Vorbild des suprasegmentalen Prozesses sind dann Schreibungen wie inamdin statt inaddin oder minde statt midde.

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Aktionsarten im Altassyrischen

Negiert: li-bi4 lá ip-ta-na-ri-id libb=ī lā i-ptanarrid Herz=POSS.1SG NEG PK.3-I.W.Erschrecken~PRS Mein Herz soll nicht die ganze Zeit erschreckt sein.

AKT VIc 606: 22f.

Mit Infinitiv: i-na ṭup-pí ší-ta-pu-ri-im ina ṭupp-ī šitappur-im SEP/LOK Tafel=POSS.1SG I.W.Hören-GEN Mit dem ständigen Schreiben meiner Briefe.

BIN 6 74: 28f.

Mit achievement: a-sà-kam il5-ta-na-qé asakk-am i-ltanaqqe Unrecht-AKK PK.3-I.W.Nehmen~PRS Er begeht immer wieder Unrecht. ATHE 38: 23

Mit accomplishment: a-ta atta PERS.2.M

i-na ina SEP/LOK

kà-ar kār Karum

kà-ar-ma kār=ma Karum=KONJ

pu-ru-i puru=ī Gemeinheit=POSS.1SG

ta-áš-ta-na-kann

ta-štanakkan PK.2-I.W.Setzen~PRS In jedem Karum verleugnest du mich immer wieder (~Gemeinheit setzen).

AKT I 17: 43f.

Die iterative Grundfunktion als Ausdruck einer pluralischen Handlung kann mit valenzneutralen D-Stamm und einfachem PRS konkurrieren und etwa im Bereich habitueller Lesart (möglicherweise rein formal) begegnen (Prs-8). Ob das tan-Infix auch konative Bedeutung hat (Prs-4) ist unsicher (Kouwenberg 2017: 516), so in einem hier als state geführten Beleg: a-na-ku-ma ak-ta-na-lá-ší anāku=ma a-ktanallâš=ši PERS.1SG PK.1SG-I.W.Zurückhalten\VENT=AKK.3.F Ich aber halte sie immer wieder zurück. AKT III 94: 9f.

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Reduplikationsstämme

Auch zeigt das tan-Infix keine Beschränkungen in Kombination mit anderen Stammformen. Im D-Stamm: mì-šu ša a-na-ku i-dí-sú-en6 uk-ta-na-šu-du miššu ša anāku u-ktanaššud-u Warum SUB PERS.1SG PN PK.1SG-I.W.Verfolgen~PRS-SUBJ Warum soll ich den PN immer wieder verfolgen? AKT III 74: 29f.

Ebenso im N-Stamm: a-na ša-al-ša-tim ta-ta-na-am-ga-ar ana šalš-āt-im ta-ttanamgar ALL Drei-F\PL-GEN PK.2-S.I.W.Einigen~PRS Du einigst dich immer wieder auf Drittel(anteile). AKT III 98: 13f.

Mögliche Belege für eine intensive Lesart sind schwer beizubringen, weil nicht immer sicher ta- und tan-Infix zu trennen sind. So z.B. bei amārum (Kouwenberg 2017: 515f.): e-né-kà (…) a-ta-mar ēn-ē=ka a-tammar Auge-OBL.PL=POSS.2.M (…) PK.1SG-Ständig.Sehen~PRS Deine Augen werde (aus 100 Meilen Entfernung) ich ständig sehen.

AKT VIc 526: 11ff.

Diese Belege können zum Teil als habituell verstanden werden: a-dí (…) ba-al-ṭú-ni it-ta-na-bal-šu-nu-ma adi balṭ-ū-ni i-ttanabbal=šunu=ma Bis (…) Leben-PL.M.SK-SUBJ PK.3-I.W.Tragen~PRS=AKK.3.M.PL=KONJ Solange sie leben, wird er sie unterstützen. Fs. Kraus: 4ff.

11.5 Reduplikationsstämme Bei den reduplizierenden Verben ist zwischen Reduplikation des ersten Konsonanten an dritter Stelle (PRP) und des zweiten Konsonanten zu unterscheiden (PRR). Die Verben Typ PRP zeigen eine vielleicht ursprünglich perfektive Semantik27: ḫašāḫum: brauchen28: šu-ma e-ma-ra-am iḫ-ta-ša-aḫ ša-ma-šu-⸢um⸣ šumma emār-am i-ḫšaḫ šām-ā=šum Wenn(KOND) Esel-AKK PK.3-Brauchen Kaufen-PL=DAT.3.M Wenn er einen Esel verlangt hat, kauft ihm einen. AKT VIc 586: 13f.

27 Nach dem Vorbild perfektiver Präfixe ist vielleicht eine Analyse als R-PR gegenüber PR-P vorzuziehen (7.5). 28 Ein Beleg mit im STA wohl historisch sekundärem Akkusativobjektssuffix.

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Aktionsarten im Altassyrischen

šu-ma ANŠE i-ḫa-ša-aḫ šumma i-ḫaššaḫ Wenn(KOND) Esel PK.3-Brauchen~PRS Wenn er einen Esel verlangt, kauft ihm einen Esel

ANŠE Esel

ša-ma-šu-um šām-ā=šum Kaufen-PL=DAT.3.M AKT VIc 584: 17f.

Im STA mit semantischer Demotion des Subjekts: a-na er-bi-a ana erb-i=ja ALL Begrüssungsgeschenk-GEN=POSS.1SG Ich brauche sie für mein Begrüssungsgeschenk.

ḫa-áš-ḫa-ak-šu-nu ḫašḫ-āk=šunu Brauchen-1SG.SK=AKK.3.M.PL AKT VIa 152: 24

šagāšum: erschlagen: ra-ma-kà lá ta-ša-gi5-iš! ramak=ka lā ta-šaggiš Selbst=POSS.2.M NEG PK.2-Unter.Druck.Setzen~PRS Setze dich nicht selbst unter Druck! AKT III 62: 36f. a-šu-mì aššumi Wegen

mu-ší ú ú-ri lá a-ša-ga-šu-ni mūš-ī u urr-ī lā a-ššaggaš-u-ni NachtKONJ TagNEG PK.1SG-Unter.Druck. GeOBL.PL OBL.PL setzt.Werden~PRS-SUBJ-SUBJ Habe ich mich deswegen nicht bei Nacht und Tag unter Druck gesetzt? AKT VIa 233: 11f.

Der Typ PRR zeigt überwiegend imperfektive Lesarten dynamischer Lexeme. Iterative und vielleicht auch semelfaktive Semantik ist bei den Verben Typ PRR zu beobachten, teils als sogenannter Kettendurativ (GAG §88h). Hierzu anzuführen sind im akkadischen Lexikon mögliche originäre schwache Verben mit zwei Radikalen (von Soden 1959: 54f.), wozu ich altassyrisch auch das hier nur im D-Stamm belegte nadādum zu nadāˀum: werfen, deponieren zähle: lu-ta-me ù ú-nu-tám lu-na-dí-id lu-tamme u unūt-am lu-naddid OPT.3-Schwören.Lassen KONJ Utensilien-AKK OPT.3-Zusammenraffen Wo (immer) der Aufpasser überwacht, soll er schwören lassen und die Utensilien zusammenraffen. AKT VIa 135: 24ff. ú-nu-tám ša en-na-sú-en6 unūt-am ša Utensilien-AKK SUB PN Die Utensilien des PN rafft zusammen!

na-dí-dá-ma naddid-ā=ma Zusammenraffen-PL=KONJ AKT VIa 135: 15f.

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Reduplikationsstämme

Insgesamt scheint eine imperfektive Stammbildung sicher, die bei Verben der ingressiven Klasse allerdings einer Prüfung bzw. Klärung des semantischen Wandels bedarf und auch bei a/u Verben die nicht durchgängig als Kettendurativ zu erklären ist: “Many fientive II/gem verbs show a specific semantic nature: […] their reduplication (sic!) iconically reflects the repetitive nature of the activity they denote. […]. In many other cases however, this repetitive nature is dubious or outright lacking, […]” Kouwenberg (2010: 494). Daher sind diese Verben ganz überwiegend progressiv29: ša i-na qá-tim ša ina qāt-im SUB SEP/LOK Hand-GEN Was ich in die Hände bekam. ší-bi šīb-ī Zeuge-OBL.PL

aḫ!-ta-šu-šu a-ḫtaššuš-u PK.1SG-(PRT)I.W.Zusammenfassen-SUBJ AKT VIa 194: 11f.

li-iš-du-da-ma li-šdud-am=ma OPT.3-Ziehen-VENT=KONJ

2 Zwei

ma-na mana Mine

a-na a-mur-a-šùr a-ša-qal ana a-šaqqal Silber ALL PN PK.1SG-Zahlen~PRS Zeugen möge er (dafür heran)ziehen, dass ich zwei Minen und 5 1/3 Schekel Silber an PN zahle.

*5 1/3

GÍN

5 1/3

Schekel

KÙ.BABBAR

a-ša-ar ašar Wo(SUBJ)

a-wi-lu awīl-ū Mann-NOM\PL

a-ni-ú-tum anni-ūt-um DEM-ADJ.PL-NOM

Wo diese Männer als Richter eingetragen sind, (…).

AKT III 58: 12ff.

da-a-nu dajjān-ū RichterNOM\PL

wa-du-ú waddû Sichtbar.Machen\PL.M.SK\SU BJ AKT I 25: 11f.

Von den dynamischen Verben dieses Typs nur im STA zu unterscheiden sind die adjektivischen Verben ohne Gemination, aber vermutlich mit einer orthographisch nicht sicheren Längung (Kouwenberg 2017: 580). Daher darf angenommen werden, dass die Form der PK dort eine zur zweikonsonantigen Wurzel gebildete Aktionsart mit dynamischer Semantik darstellt: “[I]n II/gem[inatae] verbs the 3ms stative is bisyllabic in fientive verbs […] but monosyllabic in adjectival verbs […].” Kouwenberg (2010: 58; Anm. durch Verf.).

29 Man würde auch Verben der a-Klasse hier erwarten, doch akkadisch belegt sind m.W. nur lazāzu und ṣalālu(m).

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Aktionsarten im Altassyrischen

ṭup-pu-um ša e-li-a-ni ṭupp-um ša elli-an-ni Tafel-NOM SUB PK.3\Hervorkommen~PRS-VENT-SUBJ Eine Tafel, die hervorkommen sollte, ist falsch.

sà-ar sār-ø Falsch.Sein-3SG.SK AKT III 14: 15ff.

Nicht als imperfektiv zu deuten sind Verben der ingressiven Gruppe: a-li ra-bi4-ṣú-um ali rābiṣ-um Wo Anwalt-NOM Wo ein Anwalt überwacht.

i-pá-li-lu i-pallil-u PK.3-Überwachen~PRS-SUBJ AKT VIa 135: 24f.

Hierzu s.a. auch Kouwenberg: “Therefore, only the very rare verbs salālu and palālu contradict W. von Soden’s claim (GAG § 101b) that no fientive II/gem[inatae] verbs have the vowel class I/I, because their repetitive and durative nature […] is incompatible with the “momentary” nature of the root vowel.” Kouwenberg (2010: 491; Anm. durch Verf., Hervorhebung im Original). Im D-Stamm wird die ursprüngliche Semantik entsprechend der Vorgaben der Derivation (11.2) überlagert: kà-ra-am É.GAL-lúm kār-am Karum-AKK Palast-NOM Der Palast erinnert das Karum.

ú-ha-sà-as-ma u-hassas=ma PK.3-Erinnern\PRS=KONJ AKT III 93: 23f.

i-na kà-ri-im nu-šé-ba-la-kum-ma nu-qá-lá-al-kà ina kār-im nu-šēbal-ak=kum nu-qallal=ka SEP/ KarumPK.1PL-Bringen.Lassen\PRSPK.1PL-Gering.Machen\PRS= LOK GEN VENT=DAT.3.M AKK.2.M Wir werden es dir aus dem Karum schicken. Dich werden wir geringachten. TCL 14 41: r.2ff.

Vom Präsensstamm unterscheidet sich der Typ PRR semantisch durch die strikte Lexikalisierung der Dynamizität. Er begegnet daher wie Prs-5 zu Sta-5 als dynamische Variante zur zweiradikaligen Form des STA der Zustandsverben und als atelische Lesart und mit Blick auf das gesamte akkadische Lexikon als Aktionsart mit Lesart einer activity zu Verben IIIinfirmae (3.3.1 & 3.3.3).

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509

Infirmae und Suffixbildungen

11.6 Infirmae und Suffixbildungen 11.6.1 Infirmae Verben mit ursprünglichem Guttural als Radikal der Wurzel oder vokalischem Laut 30 werden im Rahmen der Aktionsartendiskussion hier zusammengefasst. Für das Altassyrische ergibt sich dabei aufgrund der Orthographie eine ungleich genaue Wiedergabe für die jeweiligen Bildungstypen, etwa bei der phonologischen Realisierung von Formen als iqbiū oder iqbiyū usw. (Kouwenberg 2010: 502), andererseits lassen sich die historisch geschwundenen Gutturale überwiegend rekonstruieren (Kouwenberg 2006: 154f.). Gegenüber diesem Kenntnisstand der historischen Phonologie, kann über mögliche semantische Funktionen nur wenig ausgesagt werden. Dies mag an einem fehlenden Aktionsartencharakter ausgefallener Gutturale oder an Verwerfungen und paradigmatischem Ausgleich im Anschluss an den jeweiligen Lautwandel liegen. Zuletzt kann eine mögliche Aktionsart hinsichtlich ihrer Semantik im Rahmen der Analyse auch einfach nicht erkannt worden sein! Nicht zu den Aktionsarten gehört die Charakterisierung der intransitiven Verben mit u anstelle zweiten Radikals. Ihre Deutung als intransitive accomplishments ist vorerst als Ausdruck des Verbalcharakters zu verstehen. Nach Vorbild von našāˀum ist bei Verben III-infirmae der i-Klasse auf einige Besonderheiten hinzuweisen. Sofern man sie als einheitliche Gruppe zusammenfassen will, sind sie innerakkadisch innoviert und lassen keinen Rückbezug auf eine einheitliche protosemitische Wurzelstruktur erkennen. Das formal ingressive Verb zeigt eine prozessuale Lesart im STA: lá bé-ú-lá-tí-kà lā beˀūlāt-ī=ka NEG Verfügungskapital-OBL.PL=POSS.2.M ohne dass ich dein Verfügungskapital trage.

na-aš-a-ku našâku Tragen\1SG.SK AKT III 25: 10ff.

Andere Verben sind im STA zuständlich. Sie folgen jedoch aus der inzeptiven Handlung, die lexikalisch veranlagt ist, auf gleiche Weise, wie diese prozessuale Lesart. Die durative Lesart begegnet regelmäßig nur bei perfektischer Semantik. Der STA steht zum Ausdruck des andauernden Zustands oder der begonnen Handlung: ṣú-ḫa-ru ṣuḫār-ū DienerNOM\PL qá-⸢bi-ú⸣

iš-tù ištu Von

pu-ru-uš-ḫa-tim ON

ú-ma-am ūm-am Tag-AKK

ú-ra-am urr-am MorgigAKK

wa-ṣa-am waṣâm Hinausgehen\AKK

qabi-ū Sagen-PL.M.SK Die Diener sind befohlen aus ON am morgigen Tag hinauszugehen.

AKT I 16: 5ff.

30 D.h. zweikonsonantige Verben mit ursprünglichem /w/ oder /j/ anstelle des zweiten oder dritten Radikals oder Guttural (Kouwenberg 2010: 496). Vokalischer Inlaut kann auch auf eine ursprünglich zweiradikalige Wurzel verweisen (Kouwenberg 2010: 474).

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510

Aktionsarten im Altassyrischen

Das PRT steht mit perfektischer Lesart zur Darstellung abgeschlossener durativer Zustände in allen Zeitlagen: 3 Drei

ku-ta-ni kutān-ī StoffOBL.PL

ú-ṣú-ur-ša-a-šùr PN

il5-qé-ma i-lqe=ma PK.3-(PRT) Nehmen=KONJ

a-na ana ALL

É Haus

kà-ri-im kār-im KarumGEN

i-dí-i

i-ddi PK.3-(PRT)Werfen Drei Kutanu-Stoffe nahm PN und deponierte (sie) im Haus des Karum.

AKT I 15: 6f.

Perfektives PRT ist als achievement zu lesen: a-dí AN.NA-ki (…) a-na adi ana Wegen Zinn-OBL.PL (…) ALL Wegen des Zinns sprach ich mit PN.

e-na-nim

aq-bi-ma a-qbi=ma PN PK.1SG-(PRT)Sagen=KONJ AKT II 5: 1ff.

Das PRT mit perfektiver Lesart steht häufiger mit dem ingressiven N-Stamm anstelle des Grundstamms: Perfektiver N-Stamm zum Ausdruck der Situationsveränderung. So u.a. bei bašāˀum: ta-am-gi5-ir-tum i-bi4-ší-ma tamgirt-um i-bbiši=ma Einigung-NOM PK.3-(PRT)Entstehen=KONJ Eine Einigung wurde erzielt. AKT V 13: 44f. šu-ma šumma Wenn(KOND)

a-ma-kam ammakam Dort

mu-ta-er mutaˀˀer Gegner

a-wa-tí=kà awāt-i=ka Sache-GEN-POSS.2.M

i-na pu-ùḫ-ri-im i-ta-áb-ší ina puḫr-im i-tbši SEP/LOK Versammlung-GEN PK.3-In.Erscheinung.Treten Wenn dort ein Gegner deiner Sache in der Versammlung in Erscheinung tritt. AKT VIa 242: 2ff.

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511

Infirmae und Suffixbildungen

5



SÍG.ḪI.A

Fünf

Talent

Wolle

É

ša ša SUB

ba-ri-ni bar-i=ni Zwischen-GEN=POSS.1PL

⸢i?-dí?⸣-DINGIR

i-bi-ší-ma tal-qé i-bbiši=ma ta-lqe Haus PN PK.3-(PRT)Entstehen=KONJ PK.2-(PRT)Nehmen Fünf Talente Wolle für uns beide wurden für uns im Hause des PN verfügbar und du hast (sie) genommen. AKT VIa 203: 22ff.

So wie našāˀum im STA begegnen andere Verben mit einer für die nicht-ablautende i-Klasse ungewöhnlichen dynamischen Komponente in einer Paarbildung von achievement und activity im PRS. Altassyrisch kann ich aber hier nur das Lexem radāˀum im PRS mit sicherer prozessualer Lesart anführen: mì-ma a-nim pu-šu-ke-en6 mimma annêm INDEF DEM\GEN PN Dies alles bringt PN zu dir.

i-ra-dí-a-kum i-raddi-ak=kum PK.3-Führen~PRS-VENT=DAT.2.M AKT VIIa 245: 18ff.

In die Klasse III-i gehören einige hochfrequente Verben, die eine inzeptive und eine durative Komponente aufweisen und insofern der i-Klasse entsprechen (10.4.3), aber prototypische slevel bezeichnen: PRS zur Darstellung durativer Zustände in allen Zeitlagen ohne Begrenzung mit bašāˀum als s-level: me-eḫ-ra-at meḫrat Kopie

ta-aḫ-sí-is-tim a-ni-tim iš-tí taḫsist-im anni-t-im išti AuzeichnungDEM-FMit GEN GEN Eine Kopie der Aufzeichnung befindet sich bei PN. a-na ana ALL

É

e-ra-dí

Haus

PN

2

il5-lu īl-ū Ledersack-NOM\PL

pí-lá-aḫ-a PN

i-ba-ší i-bašši PK.3Vorhanden.Sein~PRS AKT I 19: 13ff.

a-li-ik-ma a-llik=ma PK.1SG-(PRT)Gehen=KONJ

ku-nu-ku-šu i-ba-ší-ú kunukk-ū=šu i-bašši-ū SiegelPK.3-Vorhanden.Sein~PRSZwei NOM\PL=POSS.3.M PL.M Er ging zum Haus des PN, wo/und zwei Ledersäcke mit seinem Siegel vorhanden waren. AKT III 40: 20ff.

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512

Aktionsarten im Altassyrischen

Dazu steht ein perfektiver Grundstamm mit inzeptiver Semantik: zi-ta-kà-a i-ib-ší-ma ù a-ni-i i-ta-áb-lu-šu-nu zitta=ka i-bši=ma u anni i-tbl-ū=šunu AnPK.3-(PRT) VorhanPK.3-BringenKONJ Nun teil=POSS.2.M den.Sein=KONJ PL.M=AKK.3.M.PL Dein Anteil kam heraus, aber sie brachten sie (die Felle seines Anteils) nun weg. AKT I 15: 19ff. a-šar ašar Wo(SUBJ)

a-ší-um ib-ší-ú a-dí-in-ma aši-um i-bši-u a-ddin=ma MeteoreisenPK.3-(PRT)Vorhanden.SeinPK.1SGNOM SUBJ (PRT)Geben=KONJ Wo Meteoreisen vorhanden war, gab ich (es). AKT III 45: 23

Obligatorisch ist der N-Stamm hingegen in Suppletion bei našāˀum (11.7.5). 11.6.2 Die Verben III emphatisch Konsonantische Apophonie als Aktionsart ist möglicherweise für einige akkadische Verben anzusetzen. Sollte sich diese Hypothese bestätigen, so ist die Aktionsart nach innerakkadischem Lautwandel innoviert. Protosemitische Paarbildungen lassen sich m.W. nicht beibringen. Die Entwicklung als innerakkadisch ähnelt dann der Suppletion von rašāˀum und išāˀum (11.7.2). Aus den Beobachtungen zu den Transfixklassen und der Annahme eines ingressiven und eines progressiven Verbalaspekts lässt sich dann auch die Aktionsart mit emphatischem konsonantischem Auslaut im Grundstamm deuten, die nach inhaltlichen Kriterien bisher nicht als einheitlich zu erkennen ist31. Hier ist der emphatische Ablaut als Derivation zu verstehen, die von perfektiven, progressiven Verben perfektive, ingressive Verben ableitet, die durch den Transfixklassenwechsel angezeigt werden und deren inhaltliche Semantik stärker abweicht. Die bekannten Beispiele aus dem Lexikon sind: Die hypothetische emphatische Aktionsart Grundform našākum: beißen (a/u-Klasse) šarākum: schenken (a/u-Klasse)

Emphatischer Auslaut našāqum: küssen (i-Klasse) šarāqum: stehlen (i-Klasse)

31 Ein Situationstypenwechsel (hier accomplishment > achievement) als Charakterisierung einer Aktionsart bei einer sonst hohen semantischen Ähnlichkeit findet sich für die semitischen Sprachen bereits in Jenni (2005).

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513

Suppletion und Defektivität

11.7 Suppletion und Defektivität 11.7.1 Vorbemerkung Der paradigmatische Ausgleich der semitischen Verbalparadigmen ist auch im Akkadischen wirkungsmächtig und komplettiert mögliche defektive Lexeme. Daher spielt auch die Suppletion praktisch keine Rolle. Praktisch gibt es daher altassyrisch nur zwei defektive Verben, die prototypischen transitive states der Lesart Prt-15 (11.7.2). Im Rahmen der Suppletion, die praktisch unter dem Wechsel der Aktionsart zusammengefasst werden kann, wird entsprechend der Form und Funktion zwischen dem Wechsel der Stammform zwischen PK und SK (11.7.3) und der lexikalisch bedingten Aktionsartensuppletion im Rahmen der Valenzstruktur (11.7.4) unterschieden. Nicht behandelt werden hier Verben zu denen kein STA belegt ist sowie mögliche Paarbildungen von synonymen Verben mit unterschiedlichem Genus. Beide Fälle sind in noch nicht absehbarem Maße von der Beleglage abhängig und hier Thesen zur Distribution zu äußern, ist anhand der Ergebnisse dieser Arbeit nicht möglich. 11.7.2 Die defektiven Verben Die Lexeme zum Ausdruck des Wissens und Habens sind im Akkadischen perfecta intensiva des PRT. Die Suppletion bei defektiven Verben begegnet bei išāˀum: haben (5.1.18). Hier liegt eine paradigmatische Suppletion von PK und SK innerhalb der Konjugation sowie vielleicht eine aspektuelle Suppletion mit rašāˀum: bekommen als dynamisch-inzeptive Entsprechung (7.3.4), wie sie sonst in Lexemen des Akkadischen in der ingressiven Klasse zusammenfallen (3.4.3), vor. iš-tù-ba ištu=ba Von= IRREAL

ar-nam arn-am UnrechtAKK

ù u KONJ

ší-lá-tim i-šu-a-ku-ni šillāt-im īšu-ak=kun-ni FrechPK.3\(PRT)Haben-VENT=DAT.2.Mheit\F\PLSUBJ OBL Nachdem er doch (nur) Unrecht und Frechheiten für dich hat, (…). AKT III 62: 43f.

Bei der 3Person maskulin kann formal auch ein STA vorliegen. Sicher als PRT zu bestimmen ist hingegen: 1½

GÍN

ṣa-ru]-pá-am ṣarrup-am 1 ½ Schekel Silber Geläutert-AKK Anderthalb Schekel geläutertes Silber hat sie (…). lu lū AFFIRM

KÙ.[BABBAR

ša ša SUB

pá-e pa-ē Ausspruch-OBL.PL

a-na ana ALL

(…) (…)

tí-šu tīšu PK.3.F\Haben AKT IV 25: 46ff.

a-bi-a ab-i=ja Vater-GEN=POSS.1SG

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Aktionsarten im Altassyrischen

tí-šu-a úz-ni pè-té-e tīšu-ā uzn=ī pete PK.2\(PRT)Haben-PL Ohr=POSS.1SG Öffnen Darüber, (…) oder ob ihr einen (Zeugen) des Ausspruchs gegen meinen Vater habt, informiere mich!

AKT VIIa 74: 20f.

Bei der negierten Form, die auch die Bedeutung von Nicht Da Sein haben kann, kommt es zur Kontraktion nach Vorbild der Prekativbildung, die in der Bedeutung von Nicht Da Sein Verwendung findet: i-na kà-né-eš ina SEP/LOK ON (Es) ist nicht in ON

lá-[šu] laššu NEG\PK.3\(PRT)Nicht.Haben AKT VIb 373: 41

Hierzu begegnet gelegentlich ebenfalls erstarrtes affirmatives bašāˀum: vorhanden sein im PRS (Kouwenberg 2017: 681). Das Verb idāˀum: wissen steht hingegen ohne Aspektpartner als perfectum intensivum im PRT: i-lu-um īl-um Gott-NOM

lu lū AFFIRM

i-de₈-e īde PK.3\(PRT)Wissen

ú u KONJ

e-ṭá-mu eṭamm-ū TotengeistNOM\PL

i-de₈-ú īde-ū PK.3\(PRT)Wissen-PL.M Gött möge es wissen und die Totengeister mögen es wissen. a-tù-nu lá tí-de8-a attunu lā tīde-ā PERS.2.M.PL NEG PK.2\(PRT)Wissen-PL Wisst ihr (denn) nicht, (wieviel Silber PN (…) aufgenommen hat)?

lu lū AFFIRM

AKT I 14: 12ff.

AKT VIa 141: 47

11.7.3 Stammformensuppletion Auf Suppletion zwischen Stammformen, beim gleichzeitigen Wechsel von PK und SK, wurde in 7.2.3 eingegangen. Charakteristisch ist hier, dass diese Verwerfungen dadurch entstehen, dass sowohl die Stammformen als auch die SK valenzverändernde Funktionen besitzen und dem STA des D-Stamms aufgrund seiner Transfixe geringere Zeitstabilität (slevel) und höhere Agentivität zukommen als dem STA des Grundstamms (10.4.5). So bei ḫabālum: entleihen mit lexikalischen Entsprechungen zueinander in der deutschen Übersetzung:

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515

Suppletion und Defektivität

Betrachte man zunächst PK des Grund- und N-Stamms: PRT G: a-na ana ALL

½

ma-na mana Mine

½



1

GÍN

KÙ.GI

Minus

Ein

Schekel

Gold

ša ša SUB

ik-ri-bi-a ša aḫ-bu-lá-ku-ni ikrib-i=ja ša a-ḫbul-ak=kun-ni WeihungSUB PK.1SG-(PRT)Leihen-VENT=DAT.2.MGEN=POSS.1SG SUBJ Für 29 Schekel Gold meiner Weihung, die ich von dir geliehen habe. AKT VIa 193: 20ff.

PRT N: ša ⸢sú⸣-e-ta-ta i-ḫi-bi-lá-⸢ni⸣ ša i-ḫḫibil-an-ni SUB PN PK.3-(PRT)Schuldig.Werden-VENT-SUBJ (…), die PN schuldig geworden ist. AKT VIa 203: 33 šu-ma ana ištar-ba-ni i-ku-pá-ša šumma ana Wenn (KOND) ALL PN1 PN2 Wenn PN2 dem PN1 es schuldig geworden ist, (…).

i-ta-aḫ-ba-al i-tḫbal PK.3-Schuldig.Werden AKT IXa 89: 2ff.

PRS G: *1 1/3 1 1/3

ma-na mana Mine

dan-a-šur

(…)

5

GÍN

šu-ku-bu-um

PN1

(…)

Fünf

Schekel

PN2

Eineindrittel Mine entleiht PN1(…) und fünf Schekel PN2. chekc übers/Krysz

i-ḫa-bu-lu i-ḫabbul-ū PK.3Entleihen~PRSPL.M

AKT III 31: 1ff.

Und vergleiche diese mit dem STA D: en-nam-a-šùr

(…)

PN (…) PN schuldet mir.

ḫa-bu-lam ḫabbul-ø-am Schuldig.Machen-3SG.SK-VENT AKT III 38: 22ff.

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516

Aktionsarten im Altassyrischen

12

GÍN

KÙ.BABBAR

12

Schekel

Silber

ša ša SUB

ma-lá-ḫu-um PN1

a-na bé-lúm-ba-ni DUMU šu-ra-ma ḫa-bu-lu-ma ana ḫabbul-ø-u=ma ALL PN2 Sohn PN3 Schuldig.Machen-3SG.SK-SUBJ=KONJ Zwölf Schekel Silber, die PN1 dem PN2, Sohn des PN3 schuldig ist. AKT V 51: 30ff. il5-ba-ni

DUMU

mu-ta-lim

3

GÍN

Schekel PN1, Sohn des PN2 ist drei Schekel Silber schuldig. PN1

Sohn

PN2

Drei

KÙ.BABBAR Silber

ḫa-bu-ul ḫabbul-ø Schuldig. Machen-3SG.SK

AKT V 58: 10f.

1

ma-na 15 GÍN KÙ.BABBAR ḫa-bu-lá-tí mana ḫabbul-āti Ein Mine 15 Schekel Silber Schulden-2SG.SK Eine Mine und 15 Schekel Silber bist du (mir) schuldig. AKT VIIa 20: 5f.

Hier ist sofort ersichtlich, dass der STA das Zustandspassiv zu den anderen Stammformen in der PK ist. Charakteristisch für den gebräuchlichen STA des D-Stamms ist ferner die syntaktische Realisierung des Benefaktivs als Dativ. Der semantische Rahmen steht daher in engem Bezug zum Rezipientenpassiv in 7.3.5. Der Transfigierung folgend kann er den Zustandsverben der u-Klasse zugeordnet werden, d.h. er tendiert inhärent zu einer Interpretation als s-level und kann in Einzelfällen auch als activity gedeutet werden (7.2.3). 11.7.4 Aktionsartensuppletion Suppletiv sind altassyrisch nur wenige Verben, wie z.B. das hochfrequente Verb n/tadānum: geben. Das PRT wird regulär mit lautgesetzlicher Assimilation gebildet: iddin

> Periphrase > Aktionsart > Aktionsart >

Perfekt (deutsch) Perfektiv, Russisch passé simple

Perfekt>

old anterior>

Präteritum Perfektiv

>

>

Perfektiv

Resultativ > Aktionsart > Resultativ >

Perfekt > Perfektiv Perfekt >

old anterior>

Präteritum*

old anterior >

Perfektiv

*nur in einzelnen Diaphasen

Imperfektiv extern Präsens Progressiv > Imperfektiv

Perfektiv intern Resultativ > Perfekt experentieller Resultativ >

experentielles Perfekt >

Resultativ > imperfektiv >

Perfekt > perfektzuständlich >

resultatives Perfekt >

hot news perfect old anterior perfektiv

Split eines Inaktivs bei Grammatikalisierung zum Perfekt intransitives Inaktiv >

intransitives Inaktiv >

Split in zwei Lesartentypen

> extended-now Perfekt

> old anterior

> Stativ/Intensiv

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550

Grammatikalisierungspfade

Imperfektiv intern Progressiv im Paradigma intransitives Progressiv >

fakultatives Progressiv >

obligatorisches Progressiv

Entwicklung von intransitivem zu transitivem Progressiv > Progressiv (in Akkusativsprachen) intransitives Aktiv > akkusativisches Imperfektiv (in Ergativsprachen)

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Indices Index altassyrischer Belege AAA 1/3 1: 5f. AKT I 2: 1ff. AKT I 3: 9ff. AKT I 9: 9ff. AKT I 9: 13ff. AKT I 11: 22ff. AKT I 11: 26f. AKT I 14: 4 AKT I 14: 5f. AKT I 14: 10f. AKT I 14: 12ff. AKT I 14: 21 AKT I 14: 21ff. AKT I 15: 3ff. AKT I 15: 6f. AKT I 15: 16ff. AKT I 15: 19ff. AKT I 15: 21 AKT I 16: 5ff. AKT I 16: 17ff. AKT I 16: 26f. AKT I 16: 28ff. AKT I 17: 17ff. AKT I 17: 24f. AKT I 17: 34f. AKT I 17: 43f. AKT I 18: 5f. AKT I 18: 29ff. AKT I 19: 13ff. AKT I 21: 11ff. AKT I 22: 59f. AKT I 25: 11f. AKT I 25: 18 AKT I 25: 23f. AKT I 65: 7f. AKT I 76: 1ff. AKT I 78: 34f. AKT I 82: 6ff. AKT II 4: 1ff. AKT II 5: 1ff. AKT II 10: 1ff.

449 383 460 379 385 458 188, 322, 448, 378 379 363 514 337 390 375 510 431 512 75 435, 509 295, 422 487 310 489 382, 503 482 504 376 409 511 391 335 507 328, 455 308 460 391 384 367 383 510 456

AKT II 11: 7ff. AKT II 18: 12f. AKT II 22: 10f. AKT II 38: 21f. AKT III 12: 7ff. AKT III 13: 16ff. AKT III 14: 8f. AKT III 14: 15ff. AKT III 15: 5f. AKT III 15: 10f. AKT III 15: 12ff. AKT III 16: 5ff. AKT III 20: 26ff. AKT III 25: 6ff. AKT III 25: 9ff. AKT III 25: 10ff. AKT III 25: 14ff. AKT III 31: 1ff. AKT III 32: 18f. AKT III 34: 1ff. AKT III 34: 3ff. AKT III 34: 7ff. AKT III 35: 1ff. AKT III 35: 11ff. AKT III 36: 11f. AKT III 37: 13ff. AKT III 38: 22ff. AKT III 39: 13f. AKT III 39: 25f. AKT III 40: 4f. AKT III 40: 20ff. AKT III 41: 6ff. AKT III 43: 11ff. AKT III 45: 5f. AKT III 45: 15 AKT III 45: 23 AKT III 45: 26f. AKT III 46: 5ff. AKT III 46: 18ff. AKT III 46: 21ff.

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455 487 496 473 299 412 392, 469 329, 508 294, 446, 477, 501 294, 302, 337 307 368 442, 450 444 416 317, 509 385 515 368 366, 449 443 493 423 412 312 457 515 425 393 384 511 339 297 344, 417, 420 442 512 517 435 415 487, 502

566

Indices

AKT III 47: 6f. AKT III 49: 27f. AKT III 50: 4ff. AKT III 50: 13ff. AKT III 50: 21f. AKT III 51: 6f. AKT III 51: 10f. AKT III 52: 45f. AKT III 53: 9f. AKT III 53: 23f. AKT III 56: 8ff. AKT III 58: 12ff. AKT III 59: 5f. AKT III 60: 4f. AKT III 61: 45ff. AKT III 61: 47 AKT III 62: 14f. AKT III 62: 17ff. AKT III 62: 36f. AKT III 62: 43f. AKT III 62: 43ff. AKT III 63: 7ff. AKT III 64: 12f. AKT III 65: 24f. AKT III 66: 20 AKT III 67: 4f. AKT III 67: 27f. AKT III 67: 32ff. AKT III 70: 16f. AKT III 71: 7f. AKT III 71: 11ff. AKT III 71: 14f. AKT III 73: 7f. AKT III 74: 8ff. AKT III 74: 23 AKT III 74: 29f. AKT III 75: 9f. AKT III 78: 13f. AKT III 79: 9 AKT III 79: 10f. AKT III 80: 29ff. AKT III 83: 14ff. AKT III 87: 12f. AKT III 88: 4f. AKT III 88: 8f. AKT III 88: 24f. AKT III 89: 22f. AKT III 90: 30f. AKT III 91: 23f. AKT III 92: 22f.

416 424 364 420 500 459 309 365 295 482 378 507 463, 499 470 469 494 381 452 506 384, 513 307 361 381 340 341 502 389 340 477, 501 349 308 373, 396 366 392 502 505 367 465 440 459 340 483 457 451 463 375 396 325 322 397

AKT III 92: 24ff. AKT III 93: 23f. AKT III 94: 8f. AKT III 94: 9f. AKT III 94: 28 AKT III 94: 30 AKT III 98: 13f. AKT III 102: 22ff. AKT III 103: 5ff. AKT III 111: 21ff. AKT III 114: 16ff. AKT IV 3: 11f. AKT IV 4: 14ff. AKT IV 5: 16ff. AKT IV 9: 5f. AKT IV 12: 12f. AKT IV 13: 4ff. AKT IV 15: 5 AKT IV 16: 15f. AKT IV 18: 16 AKT IV 18: 18f. AKT IV 22: 18ff. AKT IV 25: 46ff. AKT IV 30: 27ff. AKT IV 37: 14f. AKT IV 39: 15ff. AKT IV 45: 20ff. AKT IV 45: 31ff. AKT IV 48: 25ff. AKT IV 59: 9f. AKT IV 63: 10f. AKT IV 63: 12 AKT IV 66: 31 AKT IV 69: 3ff. AKT IV 70: 6f. AKT V 2: 15f. AKT V 5: 20f. AKT V 6: 12 AKT V 7: 14ff. AKT V 10: 8f. AKT V 10: 13ff. AKT V 10: 22f. AKT V 10: 28 AKT V 11: 8 AKT V 11: 26ff. AKT V 12: 11ff. AKT V 13: 44f. AKT V 15: 4ff. AKT V 17: 3f. AKT V 19: 7

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

393 508 380 504 307 341 505 370 491 502 326, 448 387, 408 425 444 296 456 457 491 440, 516 473 312 494 384, 513 374 474 412 459 58, 495 469 447 329, 446 469 342 444 455, 472 381 338, 449 317 394 460 369 311 458 453 298, 447 365 510 256 462 455

Index altassyrischer Belege AKT V 19: 27f. AKT V 22: 11ff. AKT V 22: 18f. AKT V 23: 10ff. AKT V 23: 12ff. AKT V 23: 23ff. AKT V 23: 26f. AKT V 24: 10ff. AKT V 26b: 20ff. AKT V 31: 4 AKT V 35: 17f. AKT V 43: 34ff. AKT V 50: 15 AKT V 50: 32 AKT V 50: 42f. AKT V 51: 15f. AKT V 51: 23f. AKT V 51: 30ff. AKT V 53: 26f. AKT V 53: 5 AKT V 53: 8f. AKT V 58: 10f. AKT V 71: 14ff. AKT V 74: 13ff. AKT VIa 1: 33ff. AKT VIa 2: 3ff. AKT VIa 7: 8ff. AKT VIa 9: 4ff. AKT VIa 12: 4ff. AKT VIa 13: 19f. AKT VIa 45: 12ff. AKT VIa 46: 8ff. AKT VIa 50: 4f. AKT VIa 52: 1ff. AKT VIa 53: 23ff. AKT VIa 56: 30 AKT VIa 59: 1ff. AKT VIa 59: 26f. AKT VIa 65: r10f. AKT VIa 76: 11ff. AKT VIa 76: 28 AKT VIa 83: 9f. AKT VIa 83: 13f. AKT VIa 83: 15ff. AKT VIa 85: 15 AKT VIa 86: 11f. AKT VIa 104: 26ff. AKT VIa 104: 36f. AKT VIa 104: 40ff. AKT VIa 106: 1f.

501 407 517 409 451 409 434, 517 518 388 297 394 379 440 367 371 376 462 516 323, 348 490 442 516 495 407 187, 325 414 294 329, 446 489 376 499 426 432 427 458 422 417 423 378 306 294, 450 459 395 364 380 299 462, 482 376 482 460

AKT VIa 110: 29ff. AKT VIa 111: 11ff. AKT VIa 113: 11f. AKT VIa 113: 14f. AKT VIa 115: 10f. AKT VIa 115: 44f. AKT VIa 115: 52f. AKT VIa 115: 57f. AKT VIa 115: 62ff. AKT VIa 119: 6ff. AKT VIa 119: 34ff. AKT VIa 124: r3 AKT VIa 124: r5f. AKT VIa 124: r8 AKT VIa 126: 24f. AKT VIa 128: 19f. AKT VIa 128: 37 AKT VIa 129: 13f. AKT VIa 129: 37f. AKT VIa 135: 15f. AKT VIa 135: 16ff. AKT VIa 135: 24f. AKT VIa 135: 24ff. AKT VIa 136: 9 AKT VIa 136: 16ff. AKT VIa 138: 7f. AKT VIa 139: 40 AKT VIa 139: 42ff. AKT VIa 139: 46f. AKT VIa 141: 47 AKT VIa 141: 48 AKT VIa 142: 35 AKT VIa 143: r15f. AKT VIa 150: 14ff. AKT VIa 151: 26f. AKT VIa 152: 15f. AKT VIa 152: 24 AKT VIa 156: 11f. AKT VIa 161: 13f. AKT VIa 164: 34f. AKT VIa 166: 8 AKT VIa 171: 5ff. AKT VIa 171: 8ff. AKT VIa 175: 44f. AKT VIa 176: 5f. AKT VIa 176: 9ff. AKT VIa 176: 12f. AKT VIa 177: 3ff. AKT VIa 177: 8ff.

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

567 406 362 492 464 473 302, 439 298, 303 295 384 491 491 305 370 518 338 363 301 397 396 506 454 508 506 422 417 305 375 327 308, 434 385, 514 298 189, 237, 317, 331, 452 59, 430 411 381 382 506 325 326 376 349, 354, 414 411 465 310, 471 428 432 348, 417 427 330

568

Indices

AKT VIa 177: 10f. AKT VIa 178: 12 AKT VIa 179: 1ff. AKT VIa 182: 6ff. AKT VIa 185: 20f. AKT VIa 191: 6ff. AKT VIa 193: 20ff. AKT VIa 194: 8f. AKT VIa 194: 11f. AKT VIa 194: 19f. AKT VIa 203: 22ff. AKT VIa 203: 33 AKT VIa 203: 40f. AKT VIa 208: 15ff. AKT VIa 208a: 5 AKT VIa 213: 9f. AKT VIa 213: 25f. AKT VIa 213: 30f. AKT VIa 214: 19ff. AKT VIa 215: 13f. AKT VIa 220: 27f. AKT VIa 220: 30 AKT VIa 220: 35f. AKT VIa 224: 3ff. AKT VIa 224: 27f. AKT VIa 225: 13ff. AKT VIa 225: 30ff. AKT VIa 229: 25ff. AKT VIa 229: 32ff. AKT VIa 229: 53f. AKT VIa 229: 57f. AKT VIa 230: 7ff. AKT VIa 230: 24ff. AKT VIa 231: 19f. AKT VIa 232: 20ff. AKT VIa 232: 28f. AKT VIa 233: 11f. AKT VIa 233: 22f. AKT VIa 233: 36f. AKT VIa 235: 34 AKT VIa 236: 10ff. AKT VIa 238: 11ff. AKT VIa 241: 8ff. AKT VIa 242: 2ff. AKT VIa 243: 28 AKT VIa 247: 18ff. AKT VIa 249: 16f. AKT VIa 255: 2ff. AKT VIa 257: 34f.

502 306 395 411 362 324 515 451 507 395 511 515 406 416 500 325, 448 334 392 452 387 491 381 340 423 310 454 391 393 407 496 452 404 435 503 318, 335, 349, 449 423 293, 506 496 372, 390 434 430 237, 318, 331 424 510 464 435 408 418 311

AKT VIa 264: 43f. AKT VIa 268: 16f. AKT VIa 273: 31f. AKT VIa 277: 48 AKT VIa 277: 49 AKT VIa 277: 49f. AKT VIa 278a: 15f. AKT VIa 281: 18ff. AKT VIa 281: 20 AKT VIa 283: 34ff. AKT VIa 285: 12f. AKT VIa 285: 28ff. AKT VIa 287: 14ff. AKT VIa 287: 4ff. AKT VIa 288: 7f. AKT VIa 288: 33 AKT VIa 289: 23 AKT VIa 293: 4 AKT VIa 293: 17ff. AKT VIa 293: 21f. AKT VIa 294: 8f. AKT VIa 294: 19f. AKT VIa 295: 1ff. AKT VIb 300: 4f. AKT VIb 300: 18ff. AKT VIb 309: 27 AKT VIb 315: 5ff. AKT VIb 315: 11f. AKT VIb 322: 23f. AKT VIb 329: 22 AKT VIb 329: 30ff. AKT VIb 330: 28 AKT VIb 338: 13f. AKT VIb 348: 34f. AKT VIb 350: 24ff. AKT VIb 350: 8f. AKT VIb 352: 17f. AKT VIb 356: 7f. AKT VIb 366: 22f. AKT VIb 369: 18ff. AKT VIb 371: 4f. AKT VIb 373: 41 AKT VIb 386: 4ff. AKT VIb 388: 24f. AKT VIb 411: 44f. AKT VIb 426: 10f. AKT VIb 428: 5f. AKT VIb 434: 30 AKT VIb 439: 5ff. AKT VIb 450: 6ff.

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361 519 371 464 390 458 501 425 413 309 366 306 459 189, 329, 447 324 491 312 340, 455 338 328 361 306 323 362 485 500 406 332 483 386 445 350, 445 332 404 406 368, 454 308, 517 333 327 483 418 514 382 334 386 373 322 438 323 500

569

Index altassyrischer Belege AKT VIb 495: 16 AKT VIc 525: 11ff. AKT VIc 526: 11ff. AKT VIc 528: 15ff. AKT VIc 530: 21ff. AKT VIc 533: 21 AKT VIc 535: 10f. AKT VIc 536: 24ff. AKT VIc 536: 7ff. AKT VIc 538: 7f. AKT VIc 543: 20f. AKT VIc 555: 12f. AKT VIc 571: 33f. AKT VIc 584: 17f. AKT VIc 586: 13f. AKT VIc 606: 22f. AKT VIc 610: 5f. AKT VIc 621: 31f. AKT VIc 621: 33 AKT VIc 622: 5f. AKT VIc 638: 23f. AKT VIc 639: 26f. AKT VIc 647: 22 AKT VIc 649: 11f. AKT VIc 650: 15f. AKT VIc 656: 7f. AKT VIc 656: 12 AKT VIc 659: 23f. AKT VIc 667: 18f. AKT VIc 668: r.5ff. AKT VIc 669: 9f. AKT VIc 671: 40 AKT VIc 677: 9 AKT VIc 686: 14 AKT VIc 688: 20ff. AKT VIIa 11: 21ff. AKT VIIa 20: 5f. AKT VIIa 30: 29 AKT VIIa 37: 14 AKT VIIa 40: 6ff. AKT VIIa 41: 33f. AKT VIIa 50: 15 AKT VIIa 62: 4ff. AKT VIIa 62: 26f. AKT VIIa 62: 34f. AKT VIIa 62: 35f. AKT VIIa 74: 20f. AKT VIIa 75: 19ff. AKT VIIa 88: 8f. AKT VIIa 96: 20f.

414 373 499, 505 344 388 483 397 294 418, 492 383 380 300 296 394, 506 394, 505 504 462 334, 463 474 353, 399 333 413 341, 355 414 494 296 374 350 382 413 330 473 376 379 413 388 516 302, 439 381 499 310 494 398 399 300 301 514 339 406 335

AKT VIIa 108: 15f. AKT VIIa 126: 21f. AKT VIIa 178a: 8f. AKT VIIa 181: 7f. AKT VIIa 182: 8ff. AKT VIIa 199: 6ff. AKT VIIa 205: 12f. AKT VIIa 243: 24 AKT VIIa 245: 18ff. AKT VIIa 253: 13f. AKT VIIa 253: 24f. AKT VIIa 254: 10ff. AKT VIIa 257: 19f. AKT VIIa 259: 19f. AKT VIIa 260: 22f. AKT VIIa 261: 11ff. AKT VIIa 262: 9 AKT VIIa 272: 11f. AKT VIIa 272: 12ff. AKT VIIa 276: 20f. AKT VIIa 278: 5 AKT VIIa 279: 22f. AKT VIIa 279: 23f. AKT VIIa 280: 39 AKT VIIa 288: 11 AKT VIIa 300: 12f. AKT VIII 18: AKT VIII 18: AKT VIII 170: AKT VIII 236: AKT VIII 256: AKT IXa 48: 10 AKT IXa 89: 2ff. ATHE 13: 14ff. ATHE 16: 10f. ATHE 38: 23 ATHE 42: 3f. ATHE 45: 8f. ATHE 47a: 29f. ATHE 62: 47 ATHE 64: 43 ATHE 65: 29

444 339 326 427 324 399 398 301 511 428 333 399 427 492 301 396 463 470 408 462 326 363 383 409 369 343 25f. 29f. 16ff. 18 18f. 448 515 380 347 504 389 379 488 327 485 373

BIN 4 6: 2ff. BIN 4 35: 28f. BIN 4 37: 7f. BIN 4 73: 6f. BIN 4 84: 6f. BIN 4 114: 10f. BIN 4 178

352 492 484 295 344 354 485

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570

Indices

BIN 4 233: 14f. BIN 5 23: 28ff. BIN 6 1: 7 BIN 6 10: 17ff. BIN 6 14: 31f. BIN 6 24: 3 BIN 6 30: 19f. BIN 6 73: 25 BIN 6 74: 28f. BIN 6 197: 14f. BIN 6 266: 3’f.

488 415 494 310 309 445 479 473, 476 504 460 461

CCT 1 50: 13 CCT 2 25: 30f. CCT 2 31a: r2 CCT 2 33: 9ff. CCT 2 48: 26f. CCT 3 6b: 24 CCT 3 6b: 30f. CCT 3 35b: 31 CCT 3 35b: r16 CCT 3 39b: 7ff. CCT 4 3a: 8ff. CCT 4 4b: 38f. CCT 4 8b: r11 CCT 4 11: ‘5 CCT 4 17a: 24 CCT 4 18a: 23ff. CCT 4 24a: 18f. CCT 4 29a: 6f. CCT 4 30a: 13f. CCT 4 30a: 16f. CCT 4 45b: 16ff. CCT 5 1a: 15 CCT 5 2a: 8f. CCT 5 3a: 36f. CCT 5 11d: 17ff. CCT 5 17a: 21ff. CRRAI 34 481–482 2: r5f. CTMMA 81a+b: 26f.

341 380 372 293 441 369 374 352 452 494 332, 350, 445 366 331 494 368 384 439 493 333, 354, 464 517 389 374 519 452 336, 481 346 484 324

Fs. Matous 150a 39: r11 Fs. Kraus: 4ff.

490 505

Giessen 26: 11ff. Giessen 31: 7 Giessen 34: 40f. Giessen 39: 9f. Giessen 48: 21

366 362 385 471 478

HUCA 39 L 29–573: 3f.

479

ICK 1 12: 36f. ICK 1 017b+c: 10 ICK 1 128: 5f. ICK 1 128: 11

350 349 443 488

JSOR 11 19: ‘5f.

470

KBo 9 6: 8ff. KKS 1a: 16ff. KKS 3b: 11f. KKS 9a: 6ff. KKS 10a: 13ff. KKS 16a: 15f. KKS 19a: 6f. KKS 19a: 9f. KKS 29: 1f. KKS 33a: 19f. KKS 36a: 10f. kt 94k 821: 1 kt n/k 10: 22ff. KTB 3: 17 KTB 3: 22f. KTB 4: 20f. KTB 6: 8 KTH 3: r2f. KTH 6: r 15f. KTH 14: 5 KTH 17: 3f. KTH 18: 16f. KTS 6: 3f. KTS 15: 40 KTS 30: 7f. KTS 37a: 16f. KTS 37a: 19 KUG 8: 11ff.

410 484 484 389 453 488 366 347 369 413 461 345 336 346 347 461 345 371 330 362 364 479 461 472 472 298 488 333

OAA 1 81: 27

353

OPI 27 62: r1ff.

470

Prag 483: 3f. Prag 534: r8f. Prag 686: 10

293 375 353

RA 60 106: r5f.

493

TC II 40: 29 TCL 1 240: 7f. TCL 4 82: 12 TCL 14 3: 44 TCL 14 35: 9f. TCL 14 36: r16 TCL 14 40: 34f.

353 478 440, 476 344 369 337 495

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

571

Index sprachwissenschaftlicher Termini TCL 14 41: 31f. TCL 14 41: r.2ff. TCL 19 43: 41f. TCL 19 16: 14ff. TCL 19 17: r8f. TCL 19 60: 10ff. TCL 19 79: r3f. TCL 20 87: 6f. TCL 20 93: r16ff.

300 508 324 496 495 330 327 363 330

TCL 20 94: 17 TCL 20 94: 19f. TCL 20 94: 21f. TCL 20 103: 3f. TCL 20 129: ‘12f. TCL 21 253: r6ff. TCL 21 214a: 3f. TPAK 1 7: 22f. TTC 24: edge2

299 484 395 384 370 300, 488 393 350 293, 453

Index sprachwissenschaftlicher Termini Ablaut 68, 72, 74, 76, 81, 87, 103, 111, 128, 188, 275, 279, 300–302, 367, 469, 485 487, 495, 512, 516, 524, 526 Accomplishment 8–10, 14, 30, 92, 94–102, 117f., 126f., 129–139, 153, 160, 172f., 180, 213, 227f., 254, 273–275, 278, 286, 291, 299–302, 334–336, 360, 365, 402, 427, 431, 440, 449, 450, 458, 461, 463, 465, 476, 479, 484, 487, 489, 504, 509, 512 Achievement 8–10, 14, 30, 92, 95, 98–104, 117f., 122f., 126f., 129–140, 153, 158, 160, 163, 171–173, 180f., 212f., 228, 236, 249, 253f., 260, 273–276, 278f., 285–287, 291, 298, 301–303, 313, 347, 360f., 367, 370, 389, 402, 410, 427, 431, 438, 440, 450f., 454, 456f., 476, 479, 483, 484, 487, 493, 504, 510–512, 518, 521, 524 Acitivity 8–10, 14, 30, 92–102, 104, 117f., 122, 126, 129, 131–139, 153, 156, 172f., 181, 189, 203, 213, 227f., 249, 254, 273– 276, 279, 285–287, 297–299, 304, 320, 324, 326, 331, 333f., 336, 342f., 355, 360f., 402, 431, 445–447, 449–451, 454, 459–464, 468, 474, 476, 480, 482, 508, 511, 516 action 30, 102, 148, 157, 292, 468, 470, 474, 480f. Agens 24, 33, 60, 78, 86, 92, 95, 114, 209, 215f., 219–221, 236, 238–243, 247, 254, 267, 277, 285, 292, 299, 305f., 309, 318, 324, 334, 345, 428, 457, 471f., 500f., 521

Agens-orientiert 78, 238–243, 247, 267, 277, 292, 305f., 309, 428 Agentiv(ität) 34, 85, 92, 94–96, 100, 109, 113, 119, 134f., 192, 200, 215, 224, 226, 237, 253–255, 261, 292, 304, 318, 320, 325, 334f., 391, 438f., 441–443, 446–449, 462, 467–471, 473–475, 477, 479f., 483, 486, 501, 514, 524 Aktionsart 3–6, 8–17, 19, 21, 30, 75, 77f., 85– 87, 90f., 94–96, 98, 100, 102–122, 124– 126, 128, 130, 132, 134, 136–143, 152, 156f., 160, 167–170, 184, 196, 199, 208, 210f., 216, 224, 251, 257, 261, 264, 268, 271f., 279, 289f., 298, 302, 305, 318, 327, 351, 359, 372, 377, 391, 400f., 411, 421, 424, 426, 429, 434, 436, 457, 467–470, 472, 474, 476–478, 480, 482, 484, 486– 490, 492–494, 496–498, 500, 502–504, 506–510, 512–514, 516, 518–520, 520, 522, 525, 528 Aktivisch 18, 19, 161, 175, 207, 218, 221, 224, 227, 233, 237, 255, 262f., 267, 276, 285, 219, 326, 334, 364, 439, 461, 469f., 474, 477f., 483f., 493, 521, 524f. alignment 22, 218 Ambitransitiv 15, 65, 217, 237, 262, 471f., 475f. animacy hierarchy 23, 58 Anschauungsgrad 169, 204, 258, 342, 383, 428, 445, 448, 525, 530 Antikausativ 24, 80, 86, 92, 110, 113, 119, 130, 293f., 300, 318f., 326, 362, 369, 443,

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

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Indices

456, 474f., 477, 484, 487–490, 495, 497f., 501, 518 Aorist 4–6, 18, 30, 77f., 84, 86, 106–110, 112, 117, 119, 122, 124, 129, 139, 140, 143, 152–162, 166, 168, 170, 175, 177, 179, 183, 186f., 189, 192, 197f., 202f., 205, 207, 211, 224, 230, 232, 235f., 241f., 246, 248, 260, 265, 269, 271, 279, 312, 320, 360, 498, 529 Apophonie 126, 512 Applikativ 15, 18, 111, 113, 213f., 236, 520 Aspektdichotomie 3, 5–7, 9–11, 16–18, 21, 30, 39, 82, 108, 111f., 115f., 118, 121f., 127, 132f., 141–144, 148, 150f., 160–164, 166f., 176, 180, 182, 194, 208, 210f., 214, 229, 233f., 236, 239–242, 244, 263, 271, 273, 278, 281–283, 285, 321, 401, 403, 419, 429, 436, 450, 520f., 523, 529 Backgrounding 13, 157, 165, 229, 231, 233, 290, 312, 315, 322, 328, 404, 417, 486, 521 Case Grammar Theory 93, 102 causative state 185, 187, 317, 343, 438, 459, 484 degree achievement 99f., 102, 126, 132, 274, 276, 291, 298, 302f., 351, 493, 521, 524 Demotion 113, 443, 483, 506 Diaphasisch 41f., 44, 174, 184, 191, 198, 204f., 253, 258, 278, 359, 400, 405, 408, 523 Distanz 145, 529 D-Stamm 26, 33f., 53, 67, 75, 77, 80, 80f., 85, 95, 104, 108–110, 113, 119f., 124, 213f., 216, 224f., 254, 261, 265, 273, 278, 289, 297, 304, 313, 326–328, 334–336, 342– 346, 353–355, 387, 443, 456f., 460, 464, 467–487, 489, 495f., 501, 504–506, 508, 514, 516, 524 dummy-Subjekt 211 endozentrisch 121 epistemisch 1, 18, 78, 238–242, 247, 277, 280, 285f., 292, 305f., 311f., 428

Ergativität 18f., 23f., 38, 60, 144, 216, 218– 220, 236, 243f., 215, 334, 441 Evidentialität 20, 25, 82f., 158, 165, 170, 230, 234, 238, 243–248, 266, 313, 373, 407, 411 existential 149, 182–184, 191, 200, 268, 281– 283, 286f., 359, 376, 388, 405, 426f., 522 experentiell 176, 183, 188, 190, 200, 269, 282, 284, 286, 321, 327, 331, 359, 373 extended-now 147, 174, 181f., 200, 224, 259, 281–284, 372, 400, 403 fientisch 113, 123, 125, 135, 263, 272, 355, 437, 439 flagging 218, 222 fluid subject marking 218, 221, 316, 448 Fokus 183, 199, 206, 252, 257, 393, 398–400, 405f., 433, 447, 522 Foregrounding 206, 250, 393, 406, 432, 498 Frege-Prinzip 121, 210 Funktionsverb 114, 207, 433 Geminatae 108, 124, 272 Generizität/Generisch 2, 3, 9, 20, 94, 117–119, 134, 141, 143f., 150, 155f., 161, 165, 192, 194, 199, 209, 213f., 225, 227, 233f., 248, 251, 273f., 276–278, 283–287, 289, 291f., 303, 305, 307, 311, 313, 320, 321, 328, 523 Genus 10, 18, 23, 53, 64, 67, 70–72, 79f., 85, 118, 122f., 126f., 129, 134–140, 160, 173, 212f., 238, 251, 271, 275, 279, 296f., 302, 335, 346, 355, 380, 437, 450f., 453–457, 459, 461, 463–465, 479, 486, 513, 521, 523f., 526 Grammatikalisierung 11, 23–25, 77, 93, 108f., 114, 119, 122, 134, 141, 155, 159, 162– 164, 170f., 174, 182, 182, 187–191, 193, 195, 197–201, 205, 207, 214, 219f., 223, 225, 227, 230, 240, 244, 246, 248f., 260, 262, 264–268, 272f., 276f., 281, 283, 289f., 313, 316, 318f., 328, 332, 343, 358, 377, 394, 402, 408f., 419, 421, 424f., 427, 435f., 445, 472, 485f., 495, 498, 519, 523, 525, 530

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Index sprachwissenschaftlicher Termini Grammatikalisierungsalter 20, 111, 144, 162, 184, 186, 202, 207f., 267, 312 Grammatikalisierungspfad 24, 128, 195f., 199, 201f., 207, 244, 276, 313, 343, 372, 402 Habitual (Aspekt) 7, 118, 150, 248 hot news 176, 183, 200, 281f., 284, 286, 359, 372, 395, 464 Ikonisch 148, 426, 429 Imperfektiv 2, 6f., 9–11, 14, 17f., 20f., 24, 30, 38, 45, 60, 77f., 80–83, 87, 91–96, 98f., 102, 104–107, 109–112, 116–119, 122, 126f., 130–137, 140–144, 146, 148–154, 156–168, 168, 170–176, 178–182, 184– 202, 204, 206–208, 210, 212, 213f., 219f., 222f., 225f., 229–234, 236, 240–244, 248– 257, 259, 262–269, 272–278, 280–287, 289–292, 298, 301, 303–305, 311–313, 315f., 318–324, 327–329, 331, 333, 335– 337, 339, 341–345, 347–350, 357–360, 365, 372, 376, 382, 388, 400–404, 411, 417, 419–421, 424, 426–434, 436, 442f., 448, 456, 459, 463, 469, 475, 478f., 483, 486, 498, 506–508, 519, 521–525, 526, 529 Inaktiv 119, 160, 175, 179, 186, 189f., 193, 200–202, 218, 221–227, 250, 253–255, 259, 263f., 266f., 276, 284f., 304, 319, 332, 335f., 345, 347f., 385, 439, 441, 443– 445, 449, 461, 464, 468, 477f., 483, 492, 521–523, 525 Indexing 217f., 222, 226 infirmae 65, 112, 279, 371, 467, 508f., 511, 518 ingressiv 10, 104, 110–112, 119, 126f., 135– 138, 140, 165, 172, 189, 212, 223, 238, 253f., 255, 257, 260f., 269–271, 275, 279, 282, 291, 296, 298, 301f., 318, 321, 335f., 342, 345, 355–367, 380, 437, 439, 441, 443, 449f., 454, 456, 474, 479, 481, 483, 489–492, 495, 507–510, 512f., 522 Inkorporation 49, 63, 71, 114f., 188, 397, 457, 494, 528 Inkrementell 97

573

interne Rekonstruktion 20, 40, 86, 108, 304, 313, 457, 484f. Irrealis 84, 156, 238, 240–242, 359, 378, 436 Kasusgrammatik 93, 102 Kohortativ 119, 340, 380 Komplexiv 18, 152f., 156, 160, 279, 286, 358, 363, 370, 376, 440, 454, 459 Konfektiv 152 Kongruenz 59, 348, 446f. Konsequentialität 169, 204, 256, 258–261, 269, 342, 344, 346, 386f., 391f., 394, 400, 445, 499, 518, 522, 525, 528, 530 Kontinuativ 193f. kulminierend 96f. Leipzig Glossing Rules 35, 51–53, 55–57, 59, 64–68, 71, 75 light verb 48f., 114, 494, 500, 528 Medium 34, 159, 222, 224, 235–237, 269, 497, 499 Metaptosis 39, 129, 139f., 157f., 172f., 256, 267, 274–276, 279, 284, 291, 355, 359 Metasprache 16, 26, 67f., 343, 437, 477 Modalität 1–3, 78f., 83, 115, 141, 144, 149, 151f., 154, 171, 174, 190, 199, 209f., 234, 238–241, 243f., 246–248, 251f., 254, 276f., 280, 285, 287, 292, 305f., 309, 311, 313, 316, 321, 337, 358–360, 377, 380, 436, 455, 522f. Modus 1, 3, 31f., 34, 57, 64, 73, 79–82, 119, 144, 154, 174, 199, 206, 238, 240–244, 246f., 250, 271f., 276f., 280, 285, 298, 305, 357, 401, 427, 436 Morphemglossierung 51f., 54–56, 58–60, 64, 66, 69, 75f., 90, 527 Neo-Whorfianer 31f. non-culminating 94, 96 N-Stamm 34, 80, 85, 108, 112, 114, 119, 251, 272, 299, 305, 313, 317f., 333, 336, 362, 367, 369, 393, 463, 467, 486–491, 494f., 499f., 503, 505, 510, 512, 515, 519 object level 250f., 523 Objektiv 6, 105–107, 121, 153

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

574

Indices

Objektsprache 9, 25f., 35, 43, 50–52, 54f., 57, 65–67, 76, 102, 103, 215 Objektsresultativum 183, 187, 258, 443 old anterior 67, 145, 153, 159, 162, 186, 189– 192, 197f., 200, 202f., 205, 208, 226f., 230f., 242, 259, 268, 281f., 357–359, 377, 385, 398, 400, 403, 521f., 525f. Optativ 79, 84, 143, 154f., 231, 238–240, 242, 243, 247, 276, 280, 287, 310f., 316, 321, 339f., 360, 378, 380, 382, 401, 413, 419, 429f., 433 Paradigmatisch 3, 9, 11–13, 15, 20, 25, 45, 49f., 53, 67, 77, 80f., 83, 85–87, 90f., 95, 103, 105f., 108, 110–114, 117, 119f., 122, 124, 128–130, 133f., 136, 138f., 141, 143f., 146, 148, 150, 152, 154, 156, 158, 160, 162, 164, 166, 168, 170, 172, 174– 176, 178, 180, 182, 184, 186, 188, 190– 192, 194, 196, 198, 200–202, 204, 206, 208, 211, 215, 224, 226, 243f., 249, 260– 262, 269, 270, 272, 274, 276–279, 305, 313, 333, 347, 351, 355, 377, 400, 402, 433, 438, 441, 443, 447, 450, 454, 456, 458, 463, 467, 471, 475, 478, 485–487, 497, 502f., 509, 513, 518, 521f., 524f. Patiens 33, 209, 215f., 219–221, 257, 262, 300, 342, 442, 444, 470 Perfekt 3, 5, 7f., 18f., 21, 24, 27, 33f., 72, 76– 78, 83, 87, 92, 101, 104, 108, 108, 110, 112, 114f., 128f., 140, 143–162, 164, 165, 167, 169, 174–193, 196–208, 210, 215, 217f., 221–226, 231f., 232–236, 242, 244– 246, 255–258, 260–269, 271, 276, 280– 284, 286f., 304f., 315, 319, 323, 325, 345, 348, 357–360, 362, 364, 366, 368, 370– 372, 374. 376–378, 380, 382, 384, 386, 388–390, 392–394, 396, 398, 400–403, 405, 408, 412, 419, 428, 432f., 441f., 459, 497f., 525f., 528f. Perfektiv 6–8, 10f., 14, 17–19, 20, 24f., 30, 33, 77f., 82f., 85, 87, 91, 93–97, 99, 104f., 108–112, 114, 116–119, 122, 126, 129, 132–140, 143f., 146, 148–156, 158–162, 164–178, 180, 182–184, 186, 188–198,

200–208, 210, 212, 213, 219, 220, 222– 227, 229–232, 234, 236, 240–243, 246, 248f., 251, 253–255, 257, 259f., 262–265, 267–269, 272–283, 283–287, 289, 291, 295, 297f., 305, 311, 316, 318, 321, 337, 339, 342, 345, 349f., 357–361, 363, 365, 367, 369, 372f., 377, 386, 388, 400–404, 406, 426–433, 443, 448, 467, 469, 472, 479, 483, 486, 489, 494, 497f., 502, 505, 510, 512, 518f., 521f., 525f., 529 Perfektzeit 128, 140, 147, 149, 153, 159, 175, 179–185, 187f., 190f., 196, 200, 202, 207, 210, 224, 226f., 231–234, 244f., 256, 259, 267f., 284, 286f., 319, 322, 328, 342, 350, 357–359, 367, 371–373, 376, 389, 398, 400f., 405, 407, 419, 426, 436, 448, 498, 503, 519, 521f., 525f. Perfektzustand 147, 166, 179–181, 186, 190, 191, 195, 197, 200, 227, 232, 256, 267, 284–287, 319, 321, 323, 326–328, 333, 343–345, 348, 350, 360, 371, 385, 400, 426f., 429, 439, 498, 519, 521, 525f. Phylum 55, 62, 81 point state 100, 249 Polarität 251f. Polysynthese 49, 66, 68, 115, 457 Präformativkonjugation 15, 30, 64, 71, 79f., 316, 358, 402, 414, 421, 441 Pragmatik 53 Präsens 3, 7, 8, 24, 29, 38, 63, 72, 76, 78f., 81, 87, 99, 102, 104, 108f., 112, 128, 144–148, 150, 152, 156–159, 161, 164–171, 174, 178, 180–182, 185, 188, 193, 199, 201, 203, 206, 210, 224, 226, 231, 233, 235f., 242f., 245–247, 253, 262, 264–267, 275, 277, 289f., 292, 294, 296, 298, 300, 302, 304, 306, 308, 310, 312f., 402, 431, 456, 486, 496f., 529 Präteritum 3, 7, 24, 72, 76, 79, 81, 92, 96, 99, 111, 133, 144–147, 149f., 154–156, 158– 161, 163–169, 175–178, 180, 182, 184, 188, 191f., 196–199, 201–205, 207, 210, 223, 231f., 241f., 244, 246, 258f., 268, 272, 277, 279f., 289, 357f., 360, 362, 364, 366, 368, 370, 372, 374–376, 378, 380,

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

Index sprachwissenschaftlicher Termini 382, 384, 386, 388, 390, 392, 394, 396, 398, 400, 402, 428, 518, 529 Prekativ 18, 38, 58, 79, 85, 231, 241f., 280, 378, 383, 399, 411, 419, 430f., 433f., 514, 521 Progressiv (Aspekt) 2, 7, 17–19, 23f., 38, 63, 67, 92, 94f., 98f., 99, 105–107, 109, 119, 128, 131, 134f., 139f., 144, 146, 149–152, 159, 161, 164–167, 170, 173, 175, 179f., 182, 187, 192–195, 199–201, 207f., 210, 213–215, 218–227, 229, 231, 233f., 236, 242, 247–250, 253, 254, 261–267, 273– 278, 289–292, 303, 305, 312f., 315, 320, 334, 345, 401–403, 409, 410, 429f., 433, 436, 446, 450, 471, 475f., 479, 485f., 519, 521–525, 528, 529 process 30, 102, 468, 471, 474, 480, 486 Progressiv (Lesart) 10, 14, 94, 127, 129, 133– 141, 160, 165–167, 173, 189, 193, 199, 238, 248, 250, 253, 258, 261, 264–266, 271, 273, 275, 279, 282, 285, 290–293, 295–297, 299, 301–304, 317, 321, 335f., 342–345, 355, 358, 364, 370, 390, 392, 403, 440, 448, 450, 464, 489, 493, 507, 512, 522, 524–526 Prohibitiv 78, 83–85, 277, 280, 283, 287, 292, 305, 309f., 321, 339, 341, 383, 430, 454, 472, 483, Promotion 24, 104, 113, 478 Realis 238, 240, 242 recent past 183, 202, 281f., 284, 287, 322, 359, 372, 390, 402, 448 Relation 18f., 22, 37f., 50, 56f., 78, 80, 94, 101, 110, 124, 141, 144, 152, 165, 167, 179, 182, 191–194, 201f., 207, 209, 211, 215–227, 233, 236, 242, 250, 253–255, 257, 259f., 263, 267, 276, 283–285, 315, 324–326, 331, 336, 347, 402, 419, 436f., 441–443, 445–447, 449, 452f., 468, 472, 476, 478, 483, 486, 490, 521–526, 528 Resultativ (Lesart) 34, 77, 83, 110f., 135, 141, 158, 161, 175f., 183–185, 187f., 190. 192f., 200, 202, 221, 225–227, 244, 254, 257–260, 263, 268f., 276, 282, 286f., 315–

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321, 324, 327f., 333, 342, 342, 345, 348, 351f., 359f., 373, 393, 403, 411, 431, 443, 447f., 459, 490, 526 Resultativ (Perfekt) 19, 24, 27, 50, 83, 101, 122, 140, 144, 149, 159, 176, 179f., 182– 187, 190, 193–197, 199f., 214, 217, 219– 221, 224–226, 228, 232f., 236, 244, 246, 253, 256f., 259–261, 263, 267f., 279f., 283f., 315, 319, 320, 323, 328, 336, 342, 345f., 351, 357, 359, 371f., 385, 399, 443, 522, 526 Role and Reference Grammar 101, 131 R-Stamm 80, 85, 120 Schachtelmorphem 68 Semelfaktiv 99f., 118, 132f., 274, 276, 368, 370, 454, 493, 506, 521, 524 Situationstyp 3f., 8–13, 16–18, 20f., 24, 30, 50, 91–104, 106–108, 110–112, 114–118, 120, 122–144, 149, 153, 156f., 160, 163, 170–173, 180f., 194, 200, 208, 211–215, 221f., 227f., 236, 248f., 252f., 259f., 267, 269, 273–279, 282f., 285–287, 289, 292, 297, 305, 313, 321, 345, 359, 361, 365, 430f., 437f., 446, 450f., 455, 468, 476, 483, 503, 512, 521, 524, 526 split subject marking 218, 221, 316, 441f., Sprachbund 10, 21, 25, 40, 41, 168–170, 175, 221, 425, 481, 527 Sprachliche Relativität 2, 28f., 31f., 50 Sprachtypologie 2f., 11–14, 17–19, 21–25, 27–29, 31, 33, 35, 37–39, 42, 44–46, 49– 51, 55, 59–64, 76, 78f., 87f., 90, 108–111, 115f., 121f., 129f., 134, 150f., 153, 155– 160, 162, 164–167, 174f., 180, 184f., 187, 191f., 194f., 197–203, 205, 207, 210, 214, 218, 224, 228–230, 234, 239–244, 247, 251f., 254, 259, 261f., 264, 267, 269, 276– 282, 284, 290–292, 300, 303–305, 309, 311, 313, 315, 321, 341, 345f., 348, 372, 386, 404, 428f., 430, 432f., 436f., 471, 474f., 479, 481, 519, 521–529 Sprachverwandtschaft 21, 36 sprecher-orientiert 74, 78, 83f., 238f., 241, 243f., 247, 267, 276f., 280, 287, 292, 305,

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Indices

309–311, 337, 339, 360, 377, 380, 413, 428, 436 Š-Stamm 17, 104, 108, 113f., 119, 335, 342, 456, 458, 470, 478, 480, 484, 486, 495, Standard Average European 12, 21, 34, 210, 232, 371 State 8–10, 19, 56, 63, 92–96, 100–103, 117– 119, 122, 126f., 129, 131–137, 139–141, 153, 161, 166f., 172f., 176, 180f., 185, 187, 189, 192f., 202, 212, 222, 225, 236, 245, 249, 252–254, 256, 258, 260, 266, 269, 273–279, 284–287, 292, 294–296, 312, 317, 319, 321, 324, 326, 328f., 332f., 343, 345, 354, 358f., 363, 367, 370, 383, 386, 402, 431, 438, 440, 446, 450f., 454, 459, 463, 483f., 487, 498, 504, 513, 518, 521, 525 Stativ 3, 76, 79, 81–83, 122, 140, 144, 149, 151, 183–187, 190f., 195, 199f., 208, 215, 218, 225, 233, 236, 249f., 253f., 256–259, 261, 263, 267f., 276f., 283f., 315f., 318, 320, 322, 324, 326, 328, 330, 332, 334, 336, 338, 340, 342–345, 346, 348, 350, 352, 354, 359, 413, 443, 456, 485, 503, 521, 528, 530 status absolutus 58f., 65, 69f., 83, 527 status constructus 63, 65, 69, 83, 238, 424, 436, 527 Subjektiv (Aspekt) 6, 105–107, 153 Suffixkonjugation 58, 64, 69, 77, 80, 82, 441, 525f. Syntagmatisch 3, 9f., 14, 18, 78, 87, 95–97, 102, 118, 133f., 136, 138f., 148, 173, 191, 193, 200f., 209, 211, 213f., 218–220, 223, 227–229, 233f., 236 ,238 ,251, 253, 262, 273–275, 279, 281f., 297–300, 305, 311, 319, 321, 324–326, 328f., 334, 338, 344f., 359f., 365, 380, 392, 401f., 415f., 418f., 425, 432, 436, 450, 461, 471f., 473, 475f., 478, 524, 527 tan-Stamm 75, 85, 108, 299, 305, 313, 336, 452, 499, 503 Taxis 3, 10, 11, 18, 78, 82, 87, 150, 153f., 156, 159, 160, 165, 184, 191f., 198, 202, 205,

211, 226, 228–234, 246, 280, 282, 308, 322, 359f., 373, 396, 401–406, 408, 410– 412, 414, 416, 418–422, 424, 426, 428– 430, 432–434, 436, 498, 521, 523–525 Telizität 6, 8, 14, 17, 92, 98, 117, 131–133, 138, 192, 213f., 227f., 298, 360, 460, 475 Temporalität 2, 11, 167, 169, 171, 244 Tempus 1, 3, 7, 8, 13, 17–20, 25, 31f., 34, 39, 45, 57. 64, 67, 81, 102, 109, 111, 119, 128, 142–144, 146–155, 157–159, 161, 163– 169, 171f., 174, 177, 179, 195f., 198, 201f., 206, 208f., 211, 218–220, 222–224, 226, 228f., 231–234, 239, 241–248, 250, 262, 263f., 266, 271f., 277, 281, 283, 285, 289f., 358, 377, 403, 432, 436, 519, 521, 523, 526, 528f. Theme 215f., 249, 254, 297, 300, 325, 442, 444, 448, 449, 449, 455, 470, 474, 518 Transfigierung 13, 38, 76f., 84, 87, 138, 223, 260f., 315, 321, 351, 353, 355, 399, 450f., 453, 456, 463, 472, 487, 491, 493, 516, 518 transformative Grammatik 11, 22, 26 Transitivität 2, 10, 17, 22, 34, 65, 94, 113, 127, 129, 135, 137f., 144, 211, 213f., 217, 234– 238, 261f., 266, 275, 292, 296, 316f., 331f., 352, 437–439, 451f., 454–456, 463, 471, 473, 475–477, 521, 524 Transkription 34–37, 52, 55, 60–63, 75 Transliteration 34f., 37, 60–62, 66, 71f., 75 t-Stamm 67, 77, 85, 112, 119, 294, 307, 389, 399, 463, 475–477, 497–499, 501f., 517f., 543 unakkusativisch 26, 33, 226, 237, 255 unergativisch 33, 237, 255 universal 11, 18, 22, 93, 106, 112, 127, 140, 173, 177f., 180–183, 190, 198, 200, 281– 284, 287, 357, 359, 372, 376, 388f., 403, 419, 426f., 432, 459, 498, 503, 521–523 Universalien 22–24, 27 Valenz 9, 16, 33, 75, 81, 85f., 103, 108, 113, 115, 144, 211f., 214–216, 221–223, 235f., 238, 258, 261, 451, 456, 463, 467, 472, 474, 477, 484, 486, 496f., 503, 513, 517

© 2019, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11243-7 - ISBN E-Book: 978-3-447-19873-8

Index sprachwissenschaftlicher Termini Varietät 2–4, 15, 20, 23–26, 35, 39, 40f., 46– 48, 52f., 62, 64–67, 70f., 77–79, 82, 87, 89f., 92, 95f., 103, 106, 114f., 120, 122f., 124, 129f., 133, 138f., 141, 144, 147f., 150, 159, 161–164, 167, 169, 172, 174, 181, 183f., 188, 191, 193, 195, 198, 201f., 204f., 207f., 213f., 222, 225, 228, 231, 234, 236, 239f., 242f., 245, 248f., 251– 255, 257, 259–261, 264, 272f., 275–279, 281–283, 284, 289, 291, 297, 301–304, 307, 313, 319, 333, 342, 347, 351f., 380, 390, 400–402, 404, 408f., 429, 432, 441, 447–449, 451, 472, 476, 480, 498, 501, 521–524, 526, 528f., 530

577

Vendler classes 91f., 99f., 102 Verbalcharakter 14, 16–19, 38f., 87, 91, 103, 105, 120–125, 127, 129f., 139, 141f., 208, 216, 323, 351, 437, 440, 509 Vetitiv 38, 85, 280, 341, 382f. Zustandspassiv 19, 77, 176, 178, 183–185 188f., 192, 195, 197, 217, 221, 225f., 228, 236, 253, 257, 259, 261, 268, 283f., 316– 319, 321–324, 332, 342f., 351, 442f., 445f., 455, 480, 482, 490, 516

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