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German Pages 284 Year 2010
Stefan Enzinger Kausative und perzeptive Infinitivkonstruktionen
studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf
studia grammatica 70
Stefan Enzinger
foUSatlVe Ulld perzeptive Infinitivkonstruktionen Syntaktische Variation und semantischer Aspekt
Akademie Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-05-004653-2 ISSN 0081-6469
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2010 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck: Books on Demand, Norderstedt Printed in the Federal Republic of Germany
Inhaltsverzeichnis
Vorrede
1
Einleitung
6
Sprachliches Wissen
10
Die Bestandteile eines syntaktischen Modells
11
Aspekt, Aktionsart und Measuring-out
12
Die Rolle der Semantik in einem minimalistischen Syntax-Modell
15
Spezifikation des Syntax-Modells für natürliche Sprachen
16
Zusammenfassung
18
Aufbau der Dissertation
19
Kapitel 1 : Kausative, perzeptive und kontinuative Infinitivkonstruktionen 1.1 Gemeinsamkeiten
21 23
1.1.1 Komplemente mit reinem Infinitiv
23
1.1.2 Die Frage der Satzwertigkeit der Infinitivkomplemente
24
1.1.3 Typologie
26
1.2 Unterschiede
28
1.2.1 Deutsch
28
1.2.2 Englisch
39
1.2.3 Französisch, Italienisch, Spanisch
41
1.3 Die Typologie von KK im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen
42
1.3.1 Kausative Matrixverben
43
1.3.2 Kausative A.c.I.-Konstruktionen
44
1.3.3 Reduzierte Kausativkonstruktionen (Faire Infinitive)
46
1.3.4 Das /¿men-Passiv (Faire Par)
51
1.4 Zusammenfassung
54
vi
Kapitel 2: Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK 2.1 Die Bedeutung der Komplemente: Situationen
55 57
2.1.1 Davidson'sche Situationen als raumzeitliche Entitäten
57
2.1.2 A.C.I.- und lassen-Passiv-Komplemente sind Situationen
60
2.1.3 Verschiedene Arten von Situationen
61
2.2 Die Bedeutung der Matrixverben
62
2.2.1 Die Vendler'schen Verbklassen
62
2.2.2 Die Unterscheidung kausativer von kontinuativer und perzeptiver Situationen mit Hilfe der Vendler'schen Verbklassen
66
2.2.3 Verbklassen als Bündel von Merkmalen
68
2.2.4 Dynamizität der kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixsätze
70
2.2.5 Telizität der kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixsätze
73
2.2.6 Durativität der kausativen, Nicht-Durativität der perzeptiven und kontinuativen Matrixsätze
74
2.2.7 Funktion des direkten Objekts für die Realisierung von Telizität
74
2.3 Aspekt
79
2.3.1 Der Aspekt-Begriff der Philologie
80
2.3.2 Eine relationale Theorie von Aspekt
84
2.3.3 Die Relation von Matrix- und Komplementsituation
87
2.4 Zusammenfassung Kapitel 3: Universelle syntaktische Eigenschaften von KK, PVK und KoK 3.1 Überblick über die syntaktischen Konzepte und Begriffe
87 88 90
3.1.1 Die Operation der Verkettung von syntaktischen Objekten (.Merge')
91
3.1.2 Struktureller Kasus und die Operation der Bewegung (,Move')
93
3.1.3 Funktionale Projektionen
96
3.1.4 Phasen der Derivation
98
3.1.5 Die reduzierte φ-Merkmalmenge von Situationen 3.2 Die Komplemente von KK, PVK und KoK als Aspekt Phrasen (AspP)
100 103
3.2.1 Konstituententests
104
3.2.2 Die Komplexität des Komplements
105
3.2.3 AspP-Analysen
118
3.3 Die Syntax der Matrixverben 3.3.1 Die Syntax von Aktionsart und measuring-out - Vorbemerkungen
120 121
Inhaltsverzeichnis
vii
3.3.2 Die Syntax von Aktionsart-Merkmalen
123
3.3.3 Die Syntax des Measuring-out
124
3.3.4 Ein Beispiel: Das Verb lassen
124
3.3.5 Nicht-interpretierbare Merkmale
125
3.4 Zusammenfassung Kapitel 4: Die Spezifikation des universellen Modells 4.1 Unabhängige Evidenz
126 128 132
4.1.1 Dativ- und Lokativ-Alternationen
132
4.1.2 Resultativkonstruktionen
139
4.1.3 Verb-Partikel-Konstruktionen
145
4.1.4 Bewegungsverben
149
4.1.5 Das Reflexivpronomen bei transitiven accomplishment-Verben
151
4.1.6 Transitiv-/Unkausativ-Alternationen
154
4.1.7 Transitive achievement-Verben
158
4.1.8 Unakkusativität (intransitive achievement-Verben)
159
4.1.9 Medialkonstruktionen
173
4.1.10 Die Interpretation des Partizips 2 in Perfekt-Tempora und Passiven
182
4.1.11 Eventive Interpretation des Präsens
184
4.2 Syntaktische Eigenschaften der einzelnen Sprachen
185
4.2.1 Deutsch
185
4.2.2 Englisch
189
4.2.3 Italienisch
191
4.2.4 Spanisch
194
4.2.5 Französisch
197
4.3 Zusammenfassung
199
Kapitel 5: Erklärung der Eigenschaften von Kausativ- und Perzeptionsverbkonstruktionen 5.1 Deutsch
200 202
5.1.1 Typologie
202
5.1.2 Nicht-Satzwertigkeit der Infinitivkomplemente
211
5.1.3 IPP-Effekt (Ersatzinfinitiv)
212
5.1.4 Temporale Relation von Matrix- und Komplementsituation
222
5.1.5 Verbklassen der Infinitivkomplemente
224
viii
5.2 Englisch
228
5.2.1 Matrixverben
229
5.2.2 Typologie
229
5.2.3 Progressiv-Form des Komplements im Englischen
231
5.2.4 Die Bildung von Matrixpassiv im Englischen
232
5.3 Das Französische
234
5.3.1 Typologie
235
5.3.2 Lange Passivierung des Komplement-Objekts
240
5.3.3 Passivierung des eingebetteten Subjekts
241
5.3.4 Fehlende Partizipkongruenz bei klitischen Objektpronomina
241
5.3.5 Reflexives si
243
5.3.6 Antikausativ-Morphem
244
5.3.7 Keine Faire Par Konstruktion mit intransitiven Verben
245
5.4 Das Italienische
246
5.4.1 Typologie
246
5.4.2 Lange Passivierung des Komplement-Objekts
248
5.4.3 Passivierung des eingebetteten Subjekts
249
5.4.4 Partizip-Kongruenz bei klitischen Objektpronomina
250
5.4.5 Klitisches Reflexivpronomen
250
5.4.6 Antikausativ-Morphem
251
5.4.7 Faire Par Konstruktion mit intransitiven Verben
252
5.5 Das Spanische
252
5.5.1 Typologie
252
5.5.2 Lange Passivierung des Komplement-Objekts
255
5.5.3 Keine Passivierung des eingebetteten Subjekts
256
5.5.4 Keine Partizip-Kongruenz
256
5.5.5 Klitisches Reflexivpronomen
256
5.5.6 Antikausativ-Morphem
257
5.5.7 Die Faire Par-Konstraktion
257
5.6 Zusammenfassung
258
Zusammenfassung
260
Literaturverzeichnis
263
Vorrede
Das vorliegende Buch will die Grandlagen legen zu einer allgemeinen Theorie von Infinitivkonstruktionen. Die Betonung dabei liegt auf dem Adjektiv „allgemein". Es kontrastiert meine Argumentation und meine Ergebnisse mit „klassischen" oder auch neueren Arbeiten zu kausativen und perzeptiven Infinitivkonstraktionen wie etwa Kayne (1975), Nedjalkov (1976), Burzio (1986), Felser (1999) oder Wurmbrandt (2000), und es verweist auf das 1936 erschienene Werk „The General Theory of Employment, Interest and Money" von John Maynard Keynes. Ich verstehe unter „allgemein" die Bezugnahme einer linguistischen Theorie auf das g e s a m t e sprachliche Wissen eines Sprechers; demnach darf die Theorie kausative, perzeptive und andere Infinitivkonstruktionen nicht isoliert betrachten, sondern muß sie als Spezialfälle ansehen, deren syntaktische Eigenschaften durch die Theorie ebenso wie die anderer Konstruktionen adäquat zu beschreiben und zu erklären sind. Nicht anders muß die ökonomische Theorie nach Ansicht von Keynes verfahren. Wenn die Rezepte der traditionellen Ökonomie in einer Rezession oder Depression versagen, so liegt dies daran, daß ihre Annahmen selbst Mängel aufweisen, so daß die Theorie nur für einen Spezialfall, nämlich Vollbeschäftigung, gelten kann: Wenn es aber durch den Ausfall der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zu einer hohen Arbeitslosigkeit kommt, dann sind Lohnsenkungen kein Mittel, um Vollbeschäftigung wiederherzustellen, da dadurch nämlich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, damit das Preisniveau und letztlich wiederum die Nachfrage nach Arbeitskräften sinkt. Eine konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit hat damit andere Ursachen als etwa die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland nach der Einfuhrung der D-Mark, die durch eine drastische Anhebung der Löhne an das Niveau im Westen ohne Rücksicht auf den Produktivitätsunterschied zustandekam. Eine Theorie der Infinitivkonstruktionen ist genau dann allgemein, wenn es ihr gelingt, Grammatikalitätsurteile von Sprechern einer Sprache durch eine Theorie ihres sprachlichen Wissens zu erklären. Deshalb hat sie zumindest drei Kriterien zu erfüllen: Sie muß a) für die verschiedenen Arten von infiniten Komplementen, b) für die einzelnen kausativen und perzeptiven Matrixverben wie sehen, lassen, machen sowie c) für eine ganze Reihe anderer Konstruktionen und grammatischer Phänomene, wie z.B. Resultativkonstruktionen, Partikelverben, Unkausative, Ergativität, Medialkonstraktionen oder Passivarten die semantischen und syntaktischen Eigenschaften in der untersuchten Sprache jeweils erklären.
2
Vorrede
Dem Anspruch einer allgemeinen Theorie werden auch neuere Arbeiten zu Infinitivkonstruktionen (Felser 1999, Wurmbrandt 2000) nur zum Teil gerecht. Zwar wird das erste Kriterium durch eine syntaktische Repräsentation von infiniten Komplementen als reduzierte Sätze genüge getan: In der Chef ließ hart arbeiten ist das unterstrichene Komplement syntaktisch einfacher als in der A.c.I.-Konstruktion der Chef sah die Leute hart arbeiten. Und diese infiniten Komplemente sind wiederum einfacher als ein kompletter finiter Nebensatz aufgebaut, wie in der Chef sah, daß die Leute arbeiten. Aber schon beim zweiten Kriterium hinsichtlich der Matrixverben bestehen Defizite. Ich würde hier für alle kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixverben eine Darstellung der spezifischen syntaktischen Eigenschaften erwarten, im Deutschen also für lassen, machen, sehen, hören, fühlen und spüren, im Französischen für faire, laisser, voir, entendre, im Englischen für make, cause, induce, have, see, watch, hear etc. Mit Hilfe semantischer Theorien (z.B. Vendlers Verbklassen) lassen sich diese Matrixverben unterscheiden, und Felser diskutiert für das Englische in der Tat semantische wie syntaktische Eigenschaften perzeptiver und kausativer Konstruktionen, doch stellt sie den Zusammenhang von Semantik und Syntax einer Sprache nicht explizit her. Die Bedeutung des dritten Punkts für kausative und perzeptive Infinitivkonstruktionen ist mir durch die Studie Events and Predication von Montserrat Sanz klar geworden leider bin ich erst einige Jahre nach dem Erscheinen auf das Buch aufmerksam geworden. Zwar hat es bereits mit dem Prinzipien- und Parameter-Ansatz in der Generativen Grammatik einen Versuch gegeben, sprachspezifische Eigenschaften syntaktisch zu erfassen (vgl. Grewendorf 1995), doch bleibt bei diesen Arbeiten der Zusammenhang zwischen den Eigenschaften von einfachen Sätzen und Infinitivkonstruktionen im dunkeln. Von Interesse für das Englische wäre etwa, was die Ungrammatikalität von John made the car repair mit dem Fehlen eines Reflexivpronomens in the door opens, dem Fehlen eines Infinitivmorphems, dem Fehlen eines unpersönlichen Passivs (vgl. das ungrammatische it was worked) oder der - abgesehen von bestimmten Zuständen wie love oder know - ausschließlich habituellen Interpretation des Präsens in dieser Sprache zu tun hat. Das alles kann kein Zufall sein. Für das Französische (und Italienische) wäre der Zusammenhang zwischen einer Adjazenz des kausativen Verbs faire (machen) und des Infinitivs und einer obligatorischen Adjazenz von Verb und direktem Objekt in donner la main à Jean zu begründen. In den mir bekannten Arbeiten zu Infinitivkonstruktionen geschieht dies nicht. Ich denke, man ist noch ein gutes Stück entfernt von einer allgemeinen Theorie des sprachlichen Wissens von Sprechern des Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen oder Spanischen. Mein Modell soll ein Schritt in diese Richtung sein. Bei der Ausformulierung des Modells waren mir zwei Autoren eine bedeutende Hilfe, die ich deshalb vor allen anderen hier erwähnen muß: Noam Chomsky und Montserrat Sanz. Sanz argumentiert dafür, daß die semantischen Eigenschaften von Verb und Nomen auf eine sprachspezifische Weise in funktionalen Projektionen syntaktisch als interpretierbare und nicht-interpretierbare Merkmale repräsentiert sind. Sie erklärt mit ihrer Theorie typische Unterschiede zwischen der Syntax des Englischen und des Spanischen. Auf diese Weise lassen sich auch kausative und perzeptive Verben syntaktisch unterschiedlich repräsentieren. Bei Chomsky geht es mir vor allem um seine Idee einer zyklischen Derivation des Satzes. Am Ende eines jeden Zyklus (einer Phase) wird die gebildete Derivation ausgesprochen und semantisch interpretiert. Chomskys Theorie ermög-
Vorrede
3
licht es, die Derivation von Infinitivkonstruktionen in Z y k l e n zu zerlegen: Dabei werden Komplement und Matrixsatz in einzelnen Z y k l e n generiert und interpretiert. Mit Hilfe von C h o m s k y s Idee einer zyklischen Derivation ist es möglich, die Theorie von Sanz über ihr ursprüngliches Feld hinaus auf kausative und perzeptive Infinitivkonstruktionen anzuwenden. Damit gelangt man dann zu einer viel allgemeineren Theorie von Infinitivkonstruktionen, man kann die Spezifika einer natürlichen Sprache sehr viel besser erfassen und zur Erklärung der syntaktischen Eigenschaften einer Sprache nützen. Selbstverständlich stellen sich gerade im Anschluß an die Ergebnisse dieser Arbeit viele weitere Fragen, die sich nicht unmittelbar beantworten lassen, sondern erst durch den Rekurs auf zusätzliche Annahmen eine Erklärung finden. Ich möchte z w e i Arten einer potentiellen Weiterentwicklung unterscheiden: Erstens die weitere Verallgemeinerung dieser Theorie und zweitens die Entwicklung einer diachronen Syntax-Theorie fiir die germanischen und romanischen Sprachen. Eine allgemeinere Theorie müßte auch solche Bereiche eines Satzes betrachten, die fiir Infinitivkonstruktionen selbst nicht direkt relevant sind und die ich zur Vereinfachung ignoriere: in den B e g r i f f e n eines topologischen Syntax-Modells sind es vor allem die Eigenschaften von V o r f e l d und linker Satzklammer. Eine diachrone Theorie stellt nicht einzelne Sprachen nebeneinander, sondern untersucht die historische Entwicklung einer Sprache. Dies macht einige zusätzliche Annahmen erforderlich, z . B . eine Theorie des Sprachwandels unter Berücksichtigung sprachexterner Faktoren. B e i m Spanischen wären da etwa die Besiedelung der Iberischen Halbinsel und der Sprachkontakt zwischen den Einwanderern b z w . Eroberern und der einheimischen Bevölkerung, die gesellschaftliche Schichtung und die Prägung durch soziale Milieus, der Zustand der staatlichen oder kirchlichen Bildungseinrichtungen etc. zu berücksichtigen. Ich möchte meine Vorstellung von dem W e g zu einer allgemeinen und zu einer diachronen Syntax-Theorie an einem nicht-linguistischen Beispiel illustrieren, das mich in den letzten Jahren ebenfalls beschäftigt hat: die Entwicklung der Sportstadien in der Bundesrepublik Deutschland. Unsere Beobachtungen können wir zu drei Trends zusammenfassen: Erstens den B a u von Stadien ohne Leichtathletik-Anlagen, zweitens den Einbau von V I P - L o g e n , Business Seats und Hospitality-Bereichen anstelle von Stehplatzbereichen sowie drittens der Kreation und den V e r k a u f v o n „StadionNamensrechten" an Großunternehmen wie in Hamburg A O L und H S H Nordbank, in Frankfurt Commerzbank oder in München Allianz. Wollte man diese Entwicklung mit einer allgemeinen Theorie auf den Punkt bringen, müßte man sagen, daß hier öffentliche Güter wie die freie Rede auf räuberische W e i s e privatisiert werden. S o wird mit der Kommerzialisierung des Stadionnamens jeder einzelne Bürger „zur Leistung einer Gehirnwäsche, zur Tilgung und Neucodierung seines persönlichen Stadtlexikons verpflichtet" (Jens Jessen in Die Zeit). Öffentliches wird zur Privatsache, und der Bürger zum Konsumenten. Die Bürgerschaft hat keinen Nutzen mehr von diesem Stadion, und dafür wird sie auch noch zur Kasse gebeten. S o sieht sie aus, die Sozialisierung der Kosten und Risiken und die Privatisierung der Gewinne. Die Steuerzahler werden ausgeplündert, indem die Erträge in die Taschen von Investmentbanke(r)n, Architekten, Anwälten, Spielervermittlern, Geschäftsleuten und Investoren fließen. Das ist die Story, um die es geht.
4
Vorrede
Wenn man die Annahme von Herman & Chomsky (1988) zugrundelegt, daß die Medien ein Bild der Welt zeichnen, das den Interessen dieser privilegierten Gruppen gerecht wird, so erklärt dies, warum die Medien diesen Zusammenhang nicht diskutieren. Eine allgemeine Theorie der Sportstadien ist damit im Grunde eine Theorie über die Öffentlichkeit und über die sog. Elite in Deutschland. Über diese Entscheidungsträger schreibt Albrecht Müller, von 1973 bis 1982 Leiter der Planungsabteilung im Kanzleramt, sie seien, von Ausnahmen abgesehen, dumm oder korrupt, im ganzen mittelmäßig, gierig und unglaublich geistig beschränkt. Und der Verwaltungsrechtler Hans Herbert von Arnim beobachtet eine Gleichschaltung der Medien und sagt, daß Politiker und Wirtschaftsbosse gleich absoluten Herrschern in einem kontrollfreien Raum agieren (vgl. Müller 2006, von Arnim 2008). Einer diachronen Theorie stellen sich solche Fragen, warum in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Münchner Olympiastadion gebaut werden konnte und heute nur belanglose Bauten, welches Ausmaß früher und heute Dummheit und Korruption, Interessenverflechtung und Ämterpatronage haben, warum Managergehälter so stark gestiegen sind oder warum die dafür erbrachte Leistung in vielen Fällen sehr zu wünschen übrig läßt. Da aber in diesem Jahr mit der Leichtathletik-WM wie in 1936 das bedeutendste Sportereignis der Welt in Berlin stattfindet und aus diesem Anlaß der Film BERLIN '36 in die deutschen Kinos kommt mit Karoline Herfurth in der Hauptrolle, in dem sie die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann spielt, die 1936 bei den Württembergischen Meisterschaften in Stuttgart ihre Bestleistung erzielt hat, aber nicht in die deutsche Olympia-Mannschaft für Berlin nominiert wurde, wäre an dieser Stelle zu erwähnen, daß sie selbst in diesem Stadion heute nicht mehr würde springen können, weil man die Leichtathletik-Anlagen zerstört hat. Das Stadion, das damals Adolf-Hitler-Kampfbahn hieß, nennt sich heute passenderweise Mercedes Benz Arena (Arena ist griechisch für Kampfbahn, nach dem Gott Ares, und Mercedes unterhielt im Dritten Reich als Sponsor und Auto-Lieferant exzellente Beziehungen zum Namenspatron des Stadions). Da fällt es kaum mehr ins Gewicht, daß nebenan eine Halle nach Ferdinand Porsche benannt ist, der nach 1945 wegen der Beschäftigung von Zwangsarbeitern und der Ausplünderung der französischen Automobilindustrie, die er als Wehrwirtschaftsflihrer betrieben hat, fast zwei Jahre im Gefängnis saß. Man darf sich fragen, was die Verantwortlichen sich wohl gedacht haben: die Führung des VfB Stuttgart, der Ex IBM-Manager Erwin Staudt als hauptamtlicher Präsident eines gemeinnützigen Vereins, der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und die übrigen VfBAufsichtsräte sowie der Daimler-Chef Dieter Zetsche. Offensichtlich geht es diesen Leuten nur darum, daß ihr Geschäftsmodell künftig noch mehr abwirft. Das ist eine asoziale und antidemokratische Haltung! Es geht nach dem einfachen Schema: Die Kosten und Risiken werden sozialisiert, die Gewinne privatisiert. Geschäftsleute erwerben als Stille Gesellschafter 75% der Marketing-Rechte am VfB Stuttgart e.V., anschließend sorgen sie dafür, daß öffentliche Unternehmen wie LBBW und EnBW als neue Hauptsponsoren des Vereins auftreten, als nächstes beteiligt sich dann der (gemeinnützige) Verein zu einem Schnäppchenpreis am Stadion und läßt dann wieder den Steuerzahler die Zerstörung der Leichtathletik-Anlagen (Laufbahn) bezahlen. (Beim VfB Stuttgart sind überdies die Risiken unkalkulierbar, da der Verein noch nie einen Jahresabschluß veröffentlicht hat.) In den nächsten Jahren
Vorrede
5
haben die Stillen Gesellschafter dann die Möglichkeit, Kasse zu machen und die Fußballabteilung aus dem Gesamtverein auszugliedern. Und die Bürger haben noch so ein „systemisch relevantes" Unternehmen am Hals. Wenn man also von Elite spricht, sollte man wissen, was sich wirklich dahinter verbirgt... Wie man an diesem Beispiel sieht, fuhrt eine gute allgemeine Theorie auch zu vielen interessanten Beobachtungen, die als Evidenz dienen. Und dies gilt, das verspreche ich, auch fur kausative und perzeptive Infinitivkonstruktionen in den untersuchten Sprachen. Die vorliegende Arbeit wäre nicht ohne die Hilfe zahlreicher Kollegen und Freunde zustande gekommen, bei denen ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte. Als erstes danke ich Günter Grewendorf, der über viele Jahre mein Lehrer in Linguistik war, für sein Interesse, für seine Kommentare und Vorschläge, die für mich von großer Bedeutung waren. Er hat nicht nur die Betreuung der Arbeit übernommen, sondern mich überhaupt erst in einem Seminar auf den Gedanken gebracht, Kausativkonstruktionen zum Thema meiner Dissertation zu machen. Vielen anderen Menschen, die mich im Laufe meines Studiums und während der Arbeit an dieser Dissertation auf vielfältige Weise unterstützt haben, z.B. mit Kommentaren, Hinweisen auf Fehlern und Verbesserungsvorschlägen, bin ich ebenso zu großem Dank verpflichtet. Namentlich erwähnen möchte ich insbesondere Isabelle Baczek, Patrick Brandt, Sonja Ermisch, Eric Fuß, Christoph Naedler, Andrea Padovan, Joachim Säbel, Karl-Heinz Schreiber, Magdalena Schwager, Marina Stoyanova, Helmut Weiß, Melani Wratil, Jochen Zeller und Thomas Ede Zimmermann. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern. Frankfurt am Main, den 9. August 2009
Einleitung
Die Absicht dieser Arbeit ist es, Kausativkonstruktionen (KK), Perzeptionsverbkonstruktionen (PVK) und Kontinuativkonstruktionen (KoK) im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen zu vergleichen und die dabei zu beobachtenden grammatikalischen Unterschiede in einem syntaktischen Modell zu erklären, d.h. sie auf sprachspezifische syntaktische Eigenschaften zurückzuführen. Ich werde zunächst ausgewählte Satzpaare gegenüberstellen, deren Grammatikalität unterschiedlich beurteilt wird - etwa Beispiele für KK in den fünf genannten Sprachen oder solche für Kausativ-, Perzeptionsverb- und Kontinuativkonstruktionen im Deutschen - und dann im Rahmen der Generativen Syntax-Theorie ein Modell entwickeln, mit dem sich die Grammatikalitätsunterschiede erklären lassen Dem Modell zugrunde liegt die Annahme, daß semantische Eigenschaften der jeweiligen Matrixverben (Kausation, Perzeption bzw. Kontinuation) auf eine sprachspezifische Art und Weise den syntaktischen Strukturaufbau beeinflussen. Um die Grammatikalitätsunterschiede zwischen den Konstruktionen in den einzelnen Sprachen zu erklären, ist es nötig, ein universelles Modell dieser Konstruktionen zu entwickeln, dieses dann für die untersuchten Sprachen zu spezifizieren und daraus schließlich syntaktische Derivationen zu bilden. Kausativkonstruktionen (KK) sind Infinitivkonstruktionen, die ausdrücken, daß das Subjekt das Zustandekommen einer Situation1 bewirkt; im Deutschen werden sie mit den Verben lassen bzw. machen gebildet (1). Perzeptionsverbkonstruktionen (PVK) sind Infinitivkonstruktionen, die ausdrücken, daß das Subjekt eine Situation wahrnimmt; sie werden im Deutschen mit den Wahrnehmungsverben sehen, hören, fühlen und spüren gebildet (2), und Kontinuativkonstruktionen (KoK) sind Infinitivkonstruktionen, die im Deutschen mit dem Verb lassen gebildet werden und die ein Fortbestehen der Komplementsituation implizieren (3). (1)
1
Kausativkonstruktion (KK) a. Hans ließ den Studenten das Auto reparieren. b. Hans ließ das Auto (von dem Studenten) reparieren. c. Hans ließ den Studenten hart arbeiten. d. Hans ließ hart arbeiten.
Zu Davidsons Theorie der Situationen vgl. 2.1.
Einleitung (2)
Perzeptionsverbkonstruktion (PVK) a. Hans sah den Studenten das Auto reparieren. b. *Hans sah das Auto (von dem Studenten) reparieren. c. Hans sah den Studenten hart arbeiten. d. *Hans sah hart arbeiten.
(3)
Kontinuativkonstruktion (KoK) a. Hans ließ den Mantel am Haken hängen. b. *Hans ließ (vom Mantel) am Haken hängen. c. Die Eltern ließen ihre Kinder lange schlafen. d. *Die Eltern ließen lange schlafen.
7
In (1-3) ist für transitive und intransitive Infinitive gezeigt, daß die drei Matrixverben im Deutschen eine Eigenschaft gemeinsam haben: Sie selegieren Komplemente mit reinen Infinitiven (Infinitiven ohne zu) und weisen deren Subjekten Akkusativ-Kasus zu. In den a.- und c.-Sätzen ist der Typ zu sehen ist, der unter dem Namen A.c.I.-Konstruktion bekannt ist. Ein anderer Satztyp, in dem das Komplementsubjekt (wie beim Passiv) wegfällt bzw. durch die Präposition von Kasus erhält, kann hingegen nur mit einem kausativen Matrixverb 2 gebildet werden (Ib., Id. im Vergleich zu den ungrammatischen mit einem Stern versehenen - Beispielen 2b., 2d., 3b., 3d.). Dieser Typ wird lassenPassiv oder Faire Par-Konstruktion (Kayne 1975) genannt. (4) zeigt zum Vergleich eine andere Konstruktion mit einem um die Konjunktion zu erweiterten Infinitiv und einem impliziten Komplementsubjekt, das vom Matrixsubjekt (Hans) kontrolliert wird (d.h. mit ihm identisch ist), die sog. Kontrollkonstruktion. In den Beispielen wird sie mit den Verben versprechen und versuchen gebildet: (4)
Kontrollkonstruktion a. Hans versprach das Buch zu lesen. b. Hans versuchte das Buch zu lesen.
Betrachten wir als nächstes KK im Englischen. Die KK wird in dieser Sprache immer als A.c.I. gebildet (5a.), d.h. der Wegfall des Komplementsubjekts ist unzulässig, das lassenPassiv kann nicht gebildet werden (5b.). (5)
a. John made the student repair the car. b. *John made the car repair (by the student).
Das Französische hingegen zeigt ein anderes Bild. Zwar findet sich die vertraute Abfolge Komplementsubjekt - Infinitiv in PVK (6a.), in KK mit faire bzw. hacer aber ist dieselbe Abfolge ungrammatisch (6b.).
2
Mit dem Verb machen kann diese Konstruktion ebenfalls gebildet werden (i). (i) Das macht (uns) hoffen.
Einleitung
8 (6)
PVK und KK in romanischen Sprachen a. Jean voit l'étudiant réparer la voiture. 'J. sieht den Studenten reparieren das Auto' b. *Jean fait l'étudiant réparer la voiture. 'J. macht den Studenten reparieren das Auto'
KK bilden in dieser Sprache wie auch im Italienischen und Spanischen stattdessen einen weiteren Typ: die sog. Faire /«//«//¡'ve-Konstruktion (Kayne 1975). Sie zeichnet sich dadurch aus, daß das Subjekt eines transitiven Infinitivs den Dativ-Kasus erhält und der Infinitiv vor dem Komplementsubjekt piaziert ist (7a.-c.). Im Französischen unterliegt diese Konstruktion bestimmten Restriktionen (7d.)3, im Deutschen ist diese Abfolge hingegen gänzlich ungrammatisch (7e.). (7)
Faire Infinitive-Konstruktion mit transitiven Infinitiven a. Elle a fait visiter la ferme à ses parents, 'sie nom hat lassen besuchen die Farmacc ihre Elterndat' (Kayne 1975: 204) b. Maria ha fatto riparare la macchina a Giovanni 'M.nom hat lassen reparieren das Autoacc G.dat' (Burzio 1986: 228) c. Juan hizo comer el pastel al niño. (Goodall 1987: 102) 'J.nom läßt essen den Kuchenacc das Kindda,' d. *Jean fait réparer la voiture à l'étudiant. 'J. nom macht reparieren das Auto dem Studenten' e. *Hans ließ reparieren das Auto dem Studenten.
Auch die Infinitive intransitiver Verben stehen in KK nicht nach dem Komplementsubjekt (8a.), sondern gehen ihm voran (8c., e.-f.). Das Komplementsubjekt l'étudiant steht aber hier nicht im Dativ, sondern im Akkusativ (8c., e.). Demgegenüber stehen in PVK Infinitive intransitiver Verben bevorzugt vor dem Komplementsubjekt (8b., d.). (8)
3 4
Faire Infinitive-Konstruktion mit intransitiven Infinitiven a. *Jean fait l'étudiant travailler. 'J. läßt den Studenten arbeiten' b. Jean voit l'étudiant travailler. 'J. sieht den Studenten arbeiten' c. Jean fait travailler l'étudiant. 'J. läßt arbeiten den Studenten' d. ?Jean voit travailler l'étudiant. 'J. sieht arbeiten den Studenten' e. Maria ha fatto lavorare Giovanni. 'M.nom hat lassen arbeiten H.acc · f. Hice venir a Juan.4 '(ich) ließ kommen J.'
(Burzio 1986: 236) (Bordelois 1988: 82)
Diesen Hinweis verdanke ich Isabelle Baczek. Aufgrund einer Besonderheit des Spanischen steht vor dem belebten Nomen die Präposition a.
Einleitung
9
Ein weiterer interessanter Unterschied von KK im Vergleich zu PVK und KoK zeigt sich bei der Bildung der Perfekt-Tempora im Deutschen und in anderen westgermanischer Sprachen. Das kausative lassen bildet in Infinitivkonstruktionen das Perfekt nicht (wie zu erwarten wäre) mit dem 2. Partizip (9a.), sondern stattdessen mit dem Infinitiv, dem sog. Ersatzinfinitiv (9b.). Das Verb machen hingegen (so wie lehren oder lernen) bildet das Perfekt „im allgemeinen" (Duden-Grammatik 1984: 193) mit dem 2. Partizip (10a.). Die Bildung mit Infinitiv wie in (10b.) wird demgegenüber als „selten" bezeichnet: (9)
a. *Maria hat Peter das Auto waschen gelassen. b. Maria hat Peter das Auto waschen lassen.
(10) a. Der Clown hat die Kinder lachen gemacht. b. *Der Clown hat die Kinder lachen machen.
kausatives lassen
kausatives machen
PVK und KoK lassen beide Arten der Perfektbildung zu, wobei sehen eine Präferenz zeigt für den Infinitiv (Duden-Grammatik, a.a.O.). Dies ist in (IIa.) für PVK und (IIb.) für KoK gezeigt. (11) a. Peter hat das Buch im Regal stehen (?ge)sehen. b. Peter hat das Buch im Regal stehen (ge)lassen. Wenn wir die in (1) bis (l 1) beobachteten Grammatikalitätsunterschiede klassifizieren, so können wir diese auf vier Ursachen zurückführen (12): (12) Klassifikation der in (1-11) dargestellten Unterschiede von KK, PVK und KoK a. Unterschiede zwischen den Komplementen: verschiedene Arten von infiniten Komplementen: A.c.I.-, lassen-Passiv-, Faire Infinitive-, Kontrollkonstruktionen (1-4) b. Unterschiede zwischen den Matrixverben: verschiedene Arten von kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixverben (lb.) vs. (2b.) sowie (3b.) und (9-11) c. Unterschiede bei KK zwischen den einzelnen Sprachen: ( 1 , 5 , 7 , 8a. und 8c.) d. Unterschiede zwischen Partizip 2- und Infinitivformen im Deutschen (9-11) Die Grammatikalität hängt offensichtlich von verschiedenen Bestimmungsgrößen (Einflußfaktoren) ab. So kommt es für die Ungrammatikalität von (5b.), einem englischen /assew-Passiv Satz, auf folgende Faktoren an: a) die syntaktischen Eigenschaften des lassen-Passiv Komplements im Vergleich zu dem A.c.I.-Komplement, b) die syntaktischen Eigenschaften von kausativen und nicht-kausativen Matrixverben, weil nur erstere in diesen Sprachen überhaupt das /assew-Passiv bilden können, und c) die spezifischen Eigenschaften des Englischen im Vergleich zu solchen Sprachen, die ein /owen-Passiv bilden, wie Deutsch, Französisch, Italienisch oder Spanisch.
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Einleitung
Sprachliches Wissen Angesichts der Grammatikalitätsunterschiede stellt sich die Frage nach dem Warum: Warum wird ein deutscher Sprecher einen Satz wie Hans ließ das Auto reparieren (lb.) als wohlgeformt, ein englischer Sprecher den entsprechenden Satz John made the car repair (5b.) aber als schlecht beurteilen? Die Sprecher verfügen offensichtlich über die Fähigkeit, syntaktisch wohlgeformte Sätze zu bilden und zu verstehen, und diese Fähigkeit liegt den Urteilen zugrunde. Sie läßt sich als Teilbereich des sprachlichen Wissens auffassen. Die Frage zielt damit ab auf die Art und die Entstehung der für die Beurteilung relevanten Bereiche des sprachlichen Wissens. Der heutzutage vorherrschenden Theorie des Spracherwerbs erlernen Kinder ihre Sprache nicht dadurch, daß sie mit entsprechenden sprachlichen Daten konfrontiert werden und aus den Daten Generalisierungen bilden (vgl. Grewendorf et al. 1986: 17). Ansonsten müßten deutsche, französische, italienische und spanische Kinder eine Regel erlernen, daß sie bei kausativen, aber nicht bei perzeptiven und kontinuativen Verben das Komplementsubjekt tilgen können, englische Kinder hingegen, daß sie das Subjekt niemals tilgen dürfen. Gegen solch eine „empiristische" Theorie des Spracherwerbs spricht vor allem die Beobachtung, daß systematische Zusammenhänge bestehen zwischen den Eigenschaften dieser Infinitivkonstruktionen und denen anderer Konstruktionen5: Z.B. werden kausative Faire Par-Konstruktionen nur in solchen Sprachen gebildet, die den Infinitiv mit einem Morphem markieren6 bzw. die in den (mit Transitiven Verben (13) alternierenden) Unkausativen (13') und Medialkonstruktionen (14) ein Reflexivpronomen setzen: Dies ist im Deutschen, im Französischen, im Italienischen und im Spanischen der Fall, aber nicht im Englischen. (13) Transitive Verben a. John opens the door. b. Hans öffnet die Tür. c. Jean ouvre la porte. d. Juan abre la puerta. e. Giovanni apre la porta. (13') Unkausative Alternanten mit / ohne Reflexivpronomen a. The door opens. b. Die Tür öffnet sich. c. La porte s'ouvre. d. La puerta se abre. 5
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Gegen eine „empiristische" Theorie des Spracherwerbs spricht auch, daß ein Kind in der kurzen Zeit des Spracherwerbs mit zu wenigen und noch dazu defekten Daten konfrontiert wird, um aus diesen für die Vielzahl von Konstruktionen korrekte Generalisierungen zu bilden (vgl. Grewendorf et al. 1986: 17 f.). Guasti (1992) weist daraufhin, daß im Englischen der Schwund des Infinitivmorphems -n im Spätmittelalter zeitlich zusammenfiel mit dem Verlust der Faire Par-Konstruktion.
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e. La porta si apre. (14) Medialkonstruktionen mit / ohne Reflexivpronomen a. This book sells well. b. Das Buch verkauft sich gut. c. Ce livre se vend bien. d. Este muro *(se) golpea muy bien. ,die Mauer se trifft gut' e. si mangia bene qui ,SI ißt gut hier'
(Sanz 2000: 16)
Solche systematischen Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften verschiedener Konstruktionen sind ein wichtiges Argument für eine alternative Theorie des Spracherwerbs 7 . Demnach verfugen Kinder über ein angeborenes sprachliches Wissen (eine sog. Universalgrammatik UG). Sie erwerben die Sprache dadurch, daß bestimmte Spezifikationen 8 , die in der UG zur Verfügung stehen, auf der Basis von sprachlichen Daten in seiner Umgebung getroffen werden. Diese „nativistische" Theorie des Spracherwerbs macht folgende Vorhersage über die Erklärung der Grammatikalität bzw. Ungrammatikalität der Sätze: Es ist möglich, ein universelles Modell dieser Konstruktionen für einzelne Sprachen auf der Grundlage von bestimmten anderen grammatischen Konstruktionen (d.h. unabhängiger Evidenz) zu spezifizieren und damit die einzelnen Beurteilungen zu erklären 9 . D.h. auf der Grundlage solch einer Theorie des sprachlichen Wissens läßt sich ein syntaktisches Modell entwikkeln und für einzelne Sprachen spezifizieren, durch das sich die oben aufgeführten Grammatikalitätsbeurteilungen erklären lassen.
Die Bestandteile eines syntaktischen Modells Nach dem bisher Gesagten muß ein syntaktisches Modell, mit dem die Grammatikalitätsunterschiede von KK, PVK und KoK in den fünf Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch erklärt werden können, also die folgenden Bestandteile beinhalten: 1.
2.
7 8 9
Semantische Konzepte, mit denen die logische Struktur dieser Konstruktionen (d.h. die semantischen Unterschiede von KK, PVK und KoK untereinander und zu anderen Infinitivkonstruktionen) sich erfassen läßt. Dazu zählt ein Konzept zur Analyse des infiniten Komplements ebenso wie Konzepte zur Unterscheidung von kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixverben. Ein universell angelegtes Modell der syntaktischen Derivation, das Mechanismen bereitstellt, um diese logischen Unterschiede syntaktisch zu realisieren, wie es z.B.
Naturgemäß ist die Theorie des Spracherwerbs an dieser Stelle stark vereinfacht dargestellt. Dies wird vielfach auch als „Parametrisierung" bezeichnet. Die „klassische" Formulierung einer Theorie wissenschaftlicher Erklärungen deduktiver Art ist Hempel & Oppenheim (1948). Ein aktuelle Darstellung findet sich in Newton-Smith (2000).
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im Rahmen des Minimalistischen Programms der Generativen Grammatik entwikkelt wurde. 3. Spezifikationen dieses Modells für die untersuchten natürlichen Sprachen. Dies geschieht über die Darstellung der Eigenschaften der folgenden Konstruktionen: Dativ- und Lokativalternationen, Resultativkonstruktionen, Partikelverben, Bewegungsverben, klitische Reflexivpronomina bei transitiven Verben, Transitiv-/ Unkausativ-Altemationen, Transitive achievements, Unakkusative Verben, Medialkonstruktionen, Passiv sowie eine nicht-habituelle Präsens-Verwendung in den fünf untersuchten Sprachen. In den folgenden drei Abschnitten möchte ich die wesentlichen theoretischen Konzepte skizzieren, die in dem Modell verwendet werden.
Aspekt, Aktionsart und Measuring-out Die Bezeichnungen Kausativ-, Perzeptionsverb- und Kontinuativkonstruktion beziehen sich auf die Bedeutung eines Verbs, und schon deshalb liegt es nahe, zur Erklärung der syntaktischen Eigenschaften der Konstruktionen auf semantische Konzepte zu rekurrieren.10 Die Erfassung der Bedeutung der Konstruktionen geschieht separat für Komplement und Matrixverb. Zunächst wird die Bedeutung von A.c.I.- und /asse/j-Passiv-Komplementen abgegrenzt von ZM-Infinitivkomplementen und finiten Nebensätzen. Ich nehme an, daß das infinite Komplement von KK, PVK und KoK eine Situation im Sinne von Davidson (1967) (d.h. eine raumzeitliche Entität, genauer gesagt, ein Teil einer solchen Entität) darstellt. D.h. dem Komplement läßt sich ein nicht-atomares Zeitintervall zuordnen. Dies zeigt sich in der Ungrammatikalität von A.c.I.-Konstruktionen mit den Infinitiven bestimmter statischer Verben wie besitzen, kennen oder mögen (15). (15) a. *Die Bank sieht / läßt das Grundstück den Spekulanten besitzen, b. *Die Polizei sieht Peter den Täter kennen. Charakteristisch ist nun die Relation zwischen den Zeitintervallen von Matrix- und Komplementsituation: Die Komplementsituation läuft als Ganzes oder zumindest als Teil simultan ab mit dem Vorgang des Sehens, Hörens, Fühlens, Spürens, Belassens, Machens oder Veranlassens. Eine Vorzeitigkeit oder Nachzeitigkeit des Komplements ist nicht möglich. Dies unterscheidet KK, PVK und KoK von anderen infiniten Konstruktionen und generell von finiten Nebensätzen. Läuft die Komplementsituation als Ganzes simultan ab, so entspricht dies dem perfektiven Aspekt, läuft sie nur zum Teil simultan ab, so entspricht dies dem imperfektiven Aspekt. Damit ist die Funktion dieser Konstruktionen vergleichbar mit der Funktion der 10
Ebenso beschränkt das sog. Minimalistische Programm der Generativen Grammatik (Chomsky 1995) die Syntax auf die zwei Repräsentationsebenen Logische Form und Phonologische Form, die als Schnittstellen den syntaktischen Input zur Interpretation und zur Artikulation liefern. Zu empirischen Argumenten für die Relevanz der Semantik für die Syntax vgl. die nächste Seite.
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Kategorie Aspekt: Ein imperfektiver Aspekt stellt einen Vorgang als in einem gewählten Zeitintervall unvollendet dar und ein perfektiver als in diesem Intervall vollendet dar. Der zweite Teil einer Semantik von KK, PVK und KoK bezieht sich auf die Bedeutung der Matrixverben. Hier geht es um Konzepte, mit denen sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixverben erfassen lassen (12b.). Das erste dieser Konzepte dient dazu, kausative von nicht-kausativen Matrixverben zu unterscheiden. Der Unterschied muß damit zusammenhängen, daß das Subjekt von kausativem lassen (der Causer), also eine Person, die etwas veranlaßt, als in hohem Maße agentiv vorgestellt wird, während das Subjekt von kontinuativem lassen, also jemand, der etwas unverändert läßt, als nur in geringem Maße agentiv vorgestellt wird. Dieser Unterschied zeigt sich auch bei Wahrnehmungsverben im Vergleich von schauen (engl. watch, frz. regarder) bzw. horchen (engl, listen, frz. écouter) mit sehen (engl, see, frz. voir) bzw. hören (engl, hear, frz. entendre). Ein verbreitetes Konzept der semantischen Klassifizierung, mit dem sich die Unterscheidung von kausativen und nicht-kausativen Matrixverben erfassen läßt, sind die Vendler'schen Verbklassen. In Vendler (1967) wurden vier Verbklassen unterschieden: states (Zustände), activities (Tätigkeiten), accomplishments (Taten) und achievements (Vollendungen). Vendler gab für jede der Klassen eine Reihe von T e s t s " an. Beispiele sind in (16) gegeben: (16) Beispiele zu den Vendler'schen Verbklassen 12 a. states (Zustände): sitzen, stehen, liegen, besitzen, mögen, hassen, lieben, kennen b. activities (Tätigkeiten): gehen, arbeiten, Apfel essen c. accomplishments (Taten): den Apfel essen, das Buch lesen, den Wagen beladen, zwei Fahrräder auf den Wagen laden, (den Weg) nach Offenbach gehen, (Häuser) bauen d. achievements (Vollendungen): erreichen, ankommen, berühren, gewinnen, finden accomplishments und achievements zeichnen sich gegenüber den anderen beiden Klassen dadurch aus, daß sie telisch sind, d.h. einen Kulminationspunkt besitzen, der ihr natürliches Ende markiert: das Buch lesen oder nach Offenbach laufen haben genauso wie gewinnen, ankommen oder berühren einen solchen Endpunkt, während states und activities wie sitzen, hassen, laufen, arbeiten oder Bücher lesen kein solches Ziel haben. Der Unterschied zwischen accomplishments und achievements ist der folgende: Während accomplishments aus einer andauernden activity und einem Endzustand bestehen, beinhalten achievements lediglich wenige aufeinanderfolgende Zeitpunkte, die in einen 11 12
Zu solchen Tests vgl. 2.2. Wie die Beispiele zeigen, ist die Klassifikation nicht auf das Verb allein, sondern nur auf die Kombination von Verb und Objekten anwendbar. Nur aus dieser Kombination ist ersichtlich, daß Äpfel essen als activity zählt (16b.) und den Apfel essen als accomplishment (16c.). Bei bestimmten anderen Verben wie machen oder bauen wiederum wird die Klassifikation als accomplishment aber inhärent durch das Verb festgelegt, also ist auch Häuser bauen (16c.) ein accomplishment.
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Endzustand münden. Deshalb ist das Subjekt von accomplishments (so wie das von activities) als in hohem Maße agentiv (d.h. es muß fortlaufend „Energie" aufwenden, um das Geschehen am Laufen zu halten), das von achievements aber als nur in geringem Maße agentiv ausgezeichnet. Kausative Matrixverben stellen somit accomplishments und nichtkausative achievements dar. Eine weitere Unterscheidung der Matrixverben ist die zwischen Wahrnehmungsverben (Perzeptionsverben) wie sehen, hören, fühlen und spüren auf der einen und kontinuativem lassen auf der anderen Seite. Entscheidend ist hierbei offensichtlich der folgende Unterschied: Perzeptionsverben besitzen normalerweise nur ein nominales Objekt (etwas sehen bzw. hören), während lassen neben diesem direkten auch ein indirektes Objekt bzw. eine Präpositionalphrase selegiert (z.B. dem Kind das Buch lassen bzw. das Rad in der Garage lassen). Meiner Annahme zufolge liegt dies daran, daß bei Perzeptionsverben ein indirektes Objekt implizit durch die Bedeutung des Verbs gegeben ist, weil das Licht bei dem „Seher" bzw. der Schall bei dem „Hörer" endet, während der „Lasser" etwas von sich irgendwohin nach außen gibt. Schließlich geht es noch um die Unterscheidung der kausativen Verben lassen und machen. Hier greift ein anderes Konzept zur Klassifizierung telischer Verben, das diese nach der semantischen Funktion der direkten Objekte unterscheidet (vgl. hierzu Tenny 1997). Demnach werden drei Arten telischer Verben unterschieden: incremental theme Verben, change of state Verben und route Verben mit einem Pfad-Objekt. Beispiele sind in (17) zu sehen: (17) Bsp. für incremental theme Verben (a.), change of state Verben (b.) und route Verben (Pfad Objekt-Verben (c.)): a. etw. essen, etw. trinken, (Häuser) bauen, machen b. sterben, etw. erhitzen, bemerken, sich erinnern, den Gipfel erreichen, schmelzen c. (den Weg) nach Offenbach gehen, (in Frankfurt) bleiben, ein Stück im Theater geben bzw. aufführen, eine Sonate spielen, etw. nehmen, kaufen, (be)lassen, seherP, hören, fühlen, spüren, behalten Bei incremental theme Verben (17a.) zeigt sich die Telizität dadurch, daß das direkte Objekt einem stückweisen (inkrementellen) Wandel unterliegt. Dieses wird entweder erschaffen (in Verben der Kreation wie machen oder bauen) oder aber verzehrt (in Verben der Konsumption wie etw. essen oder etw. trinkenI4). Die kausativen Verben machen, make, faire, fare, hacer erschaffen eine Situation; sie sind demnach solche incremental theme Verben. Bei change of state Verben (17b.) ändert sich das direkte Objekt nicht stückweise, sondern als ganzes, d.h. eine grundlegende Eigenschaft wie die Temperatur oder die Konsistenz. Bei der Gruppe der route Verben (Pfad Objekt-Verben) (17c.) unterliegt das direkte Objekt gar keiner Veränderung, vielmehr stellt es (ggf. im übertragenen Sinne) eine Wegstrecke (einen Pfad) dar. Es definiert einen Pfad und damit eine Distanz, die im Laufe der Situation schrittweise bewältigt wird, z.B. beim Gehen des Wegs nach Offen13 14
Wahrnehmungsverben können u.U. auch als Zustände (wie kennen) interpretiert werden. Die intransitiven Formen stellen demgegenüber activities dar.
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bach oder beim Vortrag einer Sonate. Zusätzlich kann der Endpunkt der Wegstrecke durch ein indirektes Argument oder alternativ durch ein Ortsadverbial ausgedrückt werden.
Die Rolle der Semantik in einem minimalistischen SyntaxModell Den theoretischen Rahmen der Analyse von KK, PVK und KoK bildet ein universelles Modell des Satzaufbaus (der syntaktischen Derivation), das verschiedene syntaktische Operationen bereitstellt, um die Wortabfolgen zu generieren. Demnach geht die Derivation in Zyklen (Phasen) vonstatten (vgl. Chomsky 2000, 2001), an deren Ende der Bereich semantisch interpretiert wird. Die semantischen Eigenschaften der Konstruktionen sind damit von Bedeutung für den Aufbau des Satzes und damit auch für die Unterschiede zwischen KK, KoK und PVK. Für die grundsätzliche 15 Relevanz der Semantik für die Syntax möchte ich im folgenden einige empirische und methodische Argumente aufführen: 1.
2.
3.
4.
Die „Infinitivkonjunktion" (Duden-Grammatik) zu (engl, to, frz. à) erscheint, wenn die Komplementsituation zeitlich vor oder nach der Matrixsituation liegt, wie in den sog. Kontrollkonstruktionen in (4); demgegenüber fehlt sie bei PVK, KoK und KK, in denen die Komplementsituation partiell simultan zur Matrixsituation ablaufen muß. KoK weisen bezüglich ihrer syntaktischen Eigenschaften mehr Gemeinsamkeiten auf mit PVK als mit KK, z.B. im Deutschen im Hinblick auf das Fehlen des lassenPassivs (2b. und 3b.) und das optionale Partizip 2 im Perfekt (11). Diese Eigenschaften korrelieren mit der semantischen Klassifikation von KoK und PVK als achievements und von KK als accomplishments. Syntaktische Operationen ohne semantischen Effekt sind in minimalistischen Theorien durch das Prinzip der vollständigen Interpretation als Verstoß gegen die Ökonomie grundsätzlich ausgeschlossen. Die Phasentheorie der Syntax (Chomsky 2000 bzw. 2001) besagt, daß syntaktische Strukturen in einzelnen Phasen aufbaut werden und eine Phase nach Abschluß ihrer Derivation semantisch interpretiert wird. Damit ist es auch möglich, einem aus mehreren lexikalischen Elementen gebildeten Syntaktischen Objekt eine Bedeutung als Situation (raumzeitlicher Entität) zuzuordnen.
In dieser Arbeit bediene ich mich eines typischen syntaktischen Mittels, um semantische Eigenschaften zu berücksichtigen: durch die Annahme von funktionalen Projektionen oberhalb der Basispositionen der Argumente im Spezifikator von VP bzw. vP, die im Verlauf der Derivation besetzt werden. Die natürlichen Sprachen unterscheiden sich durch Art und Besetzung dieser funktionalen Projektionen.
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Auf die Frage nach dem Wie? einer Berücksichtigung der semantischen Eigenschaften beim Strukturaufbau gibt es nur eine sprachspezifische Antwort (vgl. Kap. 4).
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Allgemein gilt, daß die auf Verb und direktes Objekt bezogenen Merkmale wie [+Measure] oder [+Path] in einer Projektion oberhalb der VP und die auf eine Situation bezogenen Aktionsart-Merkmale in einer Projektion oberhalb der vP überprüft werden. Nachdem also nun prinzipiell der Mechanismus geklärt ist, über den die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK die syntaktische Derivation berühren, kommt es nun darauf an zu sehen, wie dies in einzelnen natürlichen Sprachen tatsächlich geschieht. Dazu muß jeweils über die Eigenschaften bestimmter anderer Konstruktionen der Nachweis erbracht werden, daß eine syntaktische Operation in dieser Sprache auch tatsächlich stattfindet. M.a.W. muß das universelle Modell muß für diese Sprachen spezifiziert werden.
Spezifikation des Syntax-Modells für natürliche Sprachen Der dritte Bestandteil einer Analyse von KK, PVK und KoK ist die Spezifikation des universellen Modells für einzelne natürliche Sprachen, in diesem Fall Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch, um deren spezifische syntaktische Eigenschaften zu berücksichtigen (12c.).16 Um zu sehen, warum die Satzpaare in den Sprachen unterschiedliche Beurteilungen erfahren, muß man sehen, wie die Grammatik von Sprechern einer Sprache aussieht, die diesen Urteilen zugrundeliegt. An dieser Stelle müßte nun eine Darstellung dieses einzelsprachlichen Wissens für die fünf Sprachen stehen. Hier genügt nicht wie zuletzt der Rekurs auf bestimmte in der Semantik oder Syntax etablierte theoretische Konzepte wie Vendlers Verbklassen oder der Phasenbegriff aus Chomsky (2001). So wie Kinder mit einer Vielzahl von sprachlichen Beispielen konfrontiert werden, aus deren Eigenschaften sie eine Grammatik bilden, so muß auch das Modell des sprachlichen Wissens an einer Reihe von anderen Konstruktionen auf seine Adäquatheit überprüft werden. Selbstverständlich übersteigt den Rahmen dieser Einleitung. An dieser Stelle kann nur an einigen Beispielen gezeigt werden, wie das sprachliche Wissen sich unterscheidet und was daraus für die Eigenschaften von KK, PVK und KoK folgt: am Vergleich zwischen der Verkettung von Infinitiv und direktem Objekt im Deutschen und Englischen, an der Verwendung eines klitischen Reflexivpronomens bei bestimmten transitiven Verben des Spanischen und an der im Englischen und Deutschen vorhandenen Dativalternation. Beginnen wir mit dem Vergleich der Verkettung von Infinitiv und direktem Objekt in einem Infinitiv-Komplement des Deutschen (das Auto reparieren) und des Englischen {repair the car). Im Deutschen kann wie gesagt ein kausatives Verb ein solches Komplement selegieren (das Auto reparieren lassen), im Englischen nicht (* make repair the car). Der dafür maßgebliche Unterschied ist offensichtlich der, daß im Deutschen ein Infinitiv über ein Morphem markiert ist (reparier-en), im Englischen nicht {repair). Die Folge davon ist, daß im Deutschen das durch die Verkettung von Infinitiv und direktem Objekt entstandene Syntaktische Objekt als eine Situation interpretiert werden kann, im 16
Für den Unterschied von Partizip 2 und Infinitiv im Deutschen (12d.) im Vergleich zu anderen Sprachen ohne Ersatzinfinitiv gilt sinngemäß das Gleiche.
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Englischen nicht. Voraussetzung hierfür ist nach meiner Auffassung eine syntaktische Operation: die Bewegung von Verb und Objekt in eine bestimmte funktionale Projektion Event Phrase. Im Deutschen (und in den romanischen Sprachen) gibt es durch das Reflexivpronomen in Unkausativen und Medialkonstruktionen unabhängige Evidenz für eine solche Bewegung, im Englischen fehlt sie. Dies könnte erklären, wieso im Englischen im Gegensatz zu den vier anderen untersuchten Sprachen die Faire Par-Konstruktion ungrammatisch ist. Das zweite Beispiel für den sprachspezifischen Aufbau der syntaktischen Strukturen und gleichzeitig für den semantischen Einfluß auf die Syntax einer Sprache findet sich im Italienischen und Spanischen. In diesen Sprachen können (18, It.) bzw. müssen (19, Span.) bestimmte Verben der Konsumption (z.B. essen, lesen) mit einem Reflexivpronomen markiert werden, falls das direkte Objekt vollständig verzehrt wird. 17 In den drei anderen untersuchten Sprachen fehlt ein solches Reflexivpronomen. (18) Italienisch a. Maria si è mangiata tutte le pesche. 'Maria hat alle Pfirsiche gegessen' b. Maria ha / * è mangiato tutte le pesche. 'Maria hat alle Pfirsiche gegessen' (19) Spanisch a. Pedro se leyó un libro. 'Pedro se las ein Buch' b. Pedro (*se) leyó un libro durante tres horas. 'Pedro las drei Stunden lang in einem Buch'
(Reumuth & Winkelmann 1996)
(Sanz 2000)
(19a.) stellt ein accomplishment dar, (19b.) hingegen eine activity (erkennbar an der für activities typischen Temporaladverbiale, vgl. 2.2). Der Vergleich des spanischen Satzes (19a.) mit der deutschen Übersetzung zeigt, daß im Deutschen das Reflexivpronomen fehlt. Im Deutschen wird die accomplishment-Lesart allein durch das Verb und ein zählbares direktes Objekt markiert {ein Buch lesen), im Spanischen muß in diesem Fall zusätzlich ein Reflexivpronomen stehen. Dies zeigt, daß der Aufbau von syntaktischen Strukturen auf sprachspezifische Weise mit der Bedeutung der solcherart erzeugten Strukturen verknüpft ist. Nehmen wir ein drittes und letztes Beispiel für den sprachspezifischen Aufbau der Syntax, auf dessen Relevanz für die Eigenschaften von KK schon in Aissen (1974) hingewiesen wurde: die sog. Dativalternation. Es geht darum, daß bei bestimmten accomplishment-Verben im Deutschen ('ein Buch
an Peter senden' und 'dem Peter ein Buch senden') und im Englischen ('to give a book to Peter' und 'to give Peter a book') zwei Varianten bestehen, im Französischen aber nur die Variante gebildet wird, in der das direkte Objekt adjazent zum Verb steht (frz. donner un livre à Pierre als dt. 'geben ein Buch an P.' vs. frz. * donner Pierre un livre als dt. 'geben P. ein Buch'). Im Französischen (wie auch im Italienischen) muß offensichtlich das direkte Objekt adjazent zu einem accomplishment-Verb stehen.
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In semantischer Hinsicht handelt es sich dann bei den reflexiven Sätzen um accomplishments.
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Das direkte Objekt leistet bei accomplishments einen wichtigen Beitrag zur Interpretation. So ist beim Geben des Buches das Buch der Gegenstand, der seinen Ort wechselt und damit das Maß des Veränderung sichtbar macht. (Das Verb geben ist ein Pfad Objekt-Verb i.S. von Tenny, das direkte Objekt definiert im übertragenen Sinne den Pfad und damit die Distanz, die im Laufe der Situation bewältigt wird.) Im Französischen und Italienischen wird die Satzstruktur so aufgebaut, daß bei accomplishments das Objekt in jedem Fall zum Verb adjazent stehen muß, im Deutschen und Englischen nicht. Dies erklärt, wieso bei KK im Französischen und Italienischen die (ein Zeitintervall denotierende) Verbindung von Infinitiv und direktem Objekt vor das Komplementsubjekt geschoben werden muß, bei PVK aber nicht: Infinitiv und direktes Objekt machen zusammen als Situation das Ausmaß der Kausation sichtbar. In beiden Sprachen kann dies einzig in einer zum kausativen Verb adjazenten Position geschehen.
Zusammenfassung Zur Erklärung von Grammatikalitätsurteilen über KK, PVK und KoK wird das sprachliche Wissen von Sprechern des Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen, das den Beurteilungen zugrunde liegt, rekonstruiert. Den Rahmen der Analyse bildet ein universalgrammatisches Modell, wie es in der Generativen Grammatik-Theorie entwickelt wurde. Das spezifische sprachliche Wissen der Sprecher entsteht durch die Spezifikation dieser Grammatik, ausgelöst im Rahmen des Spracherwerbs durch die Konfrontation mit bestimmten sprachlichen Daten. An diesem Punkt stellen sich diese beiden Fragen: Auf welche Bereiche eines Satzes bzw. syntaktischen Operationen kommt es bei der Spezifizierung an? Und aus welchen Daten (welchen anderen Konstruktionen) läßt sich Evidenz für die Art der Spezifizierung beziehen? Aus dem über die semantische Interpretation (über die logische Struktur) von KK, PVK und KoK Gesagten folgt, daß den Konstruktionen jeweils eine rekursive Satzstruktur aus dem Matrixsatz mit dem telischen Verb und einem „reduziertem Komplementsatz", der eine zur Matrixsituation partiell simultane Komplementsituation darstellt, zugrunde gelegt wird. Dann kommt es auf folgende syntaktische Operationen und Bereiche des Satzes an: Erstens auf die zur Interpretation des Komplementsatzes als Situation nötigen syntaktischen Operationen und zweitens auf die Bewegung von lexikalischen Elementen aus dem Komplementsatz in den Matrixsatz zu dessen Interpretation. Der für die syntaktischen Eigenschaften relevante Bereich sind damit im Komplement und Matrixsatz die funktionalen Projektionen oberhalb von VP und vP und die Operationen die Bewegung von lexikalischen Elementen in diese Positionen. Die Grundthese der Arbeit ist damit, daß sich natürliche Sprachen darin unterscheiden, auf welche Weise als - weitgehend - invariant vorgestellte semantische Eigenschaften in funktionalen Projektionen syntaktisch encodiert sind und die Derivation bestimmen.
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Aufbau der Dissertation Im ersten Kapitel stelle ich die Daten vor. Es geht um Beispiele für KK, PVK und KoK aus dem Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen. Es werden jeweils Satzpaare gegenübergestellt, zwischen denen ein charakteristischer Grammatikalitätsunterschied besteht. Als erstes geht es in 1.1 um Infinitivkomplemente, im Deutschen um die Komplemente von A.c.I.-Konstruktionen, /ossen-Passiv und zn-Infinitiven, im Englischen um bare infinitive Komplemente und io-Infinitive und das in dieser Sprache fehlende /assew-Passiv sowie in den romanischen Sprachen um die Unterschiede zwischen den grammatischen Faire infinitive und Faire Par-Komplementen zu den anders gebauten Komplementen von PVK. In 1.2 geht es für jede der Sprachen um die jeweiligen grammatischen Unterschiede zwischen KK, PVK und KoK. In 1.3 geht es umgekehrt fur KK um einen Vergleich der Eigenschaften von A.c.I.-, Faire Infinitiveund Faire Par-Konstruktionen in den fünf Sprachen. Im zweiten Kapitel behandle ich die Semantik von KK, PVK und KoK. Dazu diskutiere ich die Bedeutung von Matrixsatz und infinitem Komplement. In 2.1 geht es um die Bedeutung des Komplements. Zunächst führe ich den Situationsbegriff aus Davidson (1967) ein und weise dann nach, daß die Komplemente die typischen Eigenschaften von Situationen (raumzeitlicher Entitäten) aufweist: 1. Sie verbinden sich mit lokalen Modifikatoren, 2. sie sind zählbar, 3. sie verbinden sich mit Manner-Angaben wie situationsbezogenen Partizipien, Adverbien und Komitativen und 4. sie verbinden sich nur mit solchen statischen Infinitiven, die sich auf ein nicht-atomares Intervall beziehen können. In 2.2 geht es dann um die kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixverben, die mit Hilfe von zwei semantischen Konzepten unterschieden werden: erstens in bezug auf die Verbklassen von Vendler (1967) und zweitens auf die Arten des measuring-out (Tenny 1997). In bezug auf Vendlers Verbklassen lassen sich kausative Verben als accomplishments gegenüber Perzeptionsverben und dem kontinuativen lassen als achievements durch Tests abgrenzen. Somit ist Kausation durativ und Kontinuation punktuell. Nach Tenny läßt sich machen (ebenso wie die Übersetzungen frz. faire, it. fare, engl. make) als inkrementelles Verb charakterisieren, während lassen sowie Perzeptionsverben generell route Verben (Pfad-Objekt-Verben) darstellen. Im dritten Kapitel wird als theoretischer Rahmen für die folgende Analyse von KK, PVK und KoK ein universalgrammatisches Modell entwickelt. In 3.1 wird in die wesentlichen theoretischen Konzepte und Grundbegriffe der Generativen Grammatik eingeführt. Es beginnt mit den strukturbildenden Operationen der Verkettung (,Merge') und der Bewegung von Konstituenten (,Move l ). Bewegung wird verstanden als Spezialfall der allgemeineren Übereinstimmung (,Agree') zwischen formalen Merkmalen einer lexikalischen Kategorie (z.B. den φ-MerkmaIen Person und Numerus einer Nominalphrase) und einer funktionalen Kategorie (z.B. einem Tense-Kopf), ein lexikalisches Element in eine funktionale Projektion (z.B. Tense Phrase oder Aspekt Phrase) versetzt wird. Ich nehme an, daß nicht nur ein Nomen, sondern auch eine Situation über einen (eventuell reduzierten) Satz solcher φ-Merkmale verfügt. In 3.2 diskutiere ich die Struktur und den kategorialen Status der Infinitivkomplemente. Ich weise durch Tests nach, daß die Komplemente syntaktisch jeweils eine Konstituente darstellen und argumentiere dafür, daß die A.c.I.-Komplemente den Status einer Aspekt Phrase innehaben, während die Faire Infinitive- und Faire Par-Komplemente syntaktisch jeweils eine Event Phrase
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darstellen. In 3.3 stelle ich verschiedene Möglichkeiten vor, die Verbklassen und die Telizität syntaktisch zu repräsentieren. Dabei wird nach einem Vorschlag von Sanz (2000) das Measuring out und die Aktionsart einer Situation durch eine Kombination von formalen Merkmalen, wie [+/- Measure], [+/- Goal] in der Transitiv Phrase oder [+/- Telisch], [+/- Punktuell], [+/- Dynamisch] in der Event Phrase syntaktisch encodiert. Das vierte Kapitel untersucht nacheinander die Variation syntaktischer Eigenschaften in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. In 4.1 stelle ich jeweils die Eigenschaften bestimmter anderer Konstruktionen vor, die dann als Evidenz fur die Eigenschaften von KK, PVK und KoK in diesen Sprachen dienen: Dativund Lokativalternationen, Resultativkonstruktionen, Verb-Partikel-Konstruktionen, Bewegungsverben, klitische Reflexivpronomina bei transitiven Verben, Transitiv-/ Unkausativ-Alternationen, Transitive achievements, Unakkusative Verben, Medialkonstruktionen, Passivarten (Vorgangs- und Zustandspassiv) sowie die im Englischen fehlende eventive Präsens-Verwendung. In 4.2 werden dann die von mir angenommenen syntaktischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK fur die fünf Sprachen fur accomplishments und achievements jeweils begründet. Bei den Derivationen kommt es insbesondere an auf • die Basisposition des direkten Objekts relativ zum Verb (Schwesterposition oder nicht) • eine etwaige funktionale Projektion TransP oberhalb der VP und deren formale Merkmale ([+Measure] bzw. [+Path] und [+Goal]) • funktionale Projektionen oberhalb der vP wie EvP bzw. AspP und deren formale Merkmale und • die syntaktische Derivation von Infinitiv und Partizip 2. Im fünften Kapitel geht es dann darum, mit Hilfe des syntaktischen Modells und der in ihm formulierten universellen Eigenschaften und der vorgeschlagenen einzelsprachlichen Encodierung dieser semantischen Eigenschaften die in Kapitel 1 vorgestellten Daten zu erklären. In 5.1 geht es um die Erklärung der Beispiele aus dem Deutschen, in 5.2 um die Erklärung der englischen Beispiele, in 5.3 um die Beispiele aus dem Französischen, in 5.4 um das Italienische und in 5.5 um das Spanische.
Kapitel 1 : Kausative, perzeptive und kontinuative Infinitivkonstruktionen
Im ersten Kapitel stelle ich die relevanten Daten vor. Ich werde Beispiele für Infinitivkonstruktionen mit Verben der sinnlichen Wahrnehmung, der Kausation und der Kontinuation im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen aus verschiedenen Perspektiven betrachten: Zunächst durch die Abgrenzung von anderen Infinitivkonstruktionen (z.B. Kontroll- und Anhebungskonstruktionen), dann durch den Vergleich der drei Konstruktionen miteinander und zuletzt durch den Vergleich der Eigenschaften von KK in allen fünf genannten Sprachen. In jedem der drei Abschnitte werden entsprechende Beispielsätze einander gegenübergestellt und auf ihre Grammatikalität beurteilt. KK, PVK und KoK haben eine morpho-syntaktische Eigenschaft gemeinsam: Sie haben in ihrem Komplement einen reinen Infinitiv, d.h. für das Deutsche einen Infinitiv ohne zu, für das Englische ohne to, für das Französische ohne à und für das Italienische und Spanische ohne a. Im Deutschen sind die Verben sehen, hören, fühlen, spüren, lassen™ und machen entsprechend die einzigen Verben, welche die A.c.I.-Konstruktion bilden. In 1.1 möchte ich KK, PVK und KoK abgrenzen von anderen Infinitivkonstruktionen. Dazu stelle ich die Gemeinsamkeiten der drei Konstruktionen heraus. Wichtig ist insbesondere, daß diese Konstruktionen mit einem reinen Infinitiv gebildet werden (1.1.1). Infinite Komplemente ohne zu können im Gegensatz zu zw-Infinitiven nicht extraponiert werden (1.1.2). Insgesamt gesehen finden sich bei KK, PVK und KoK drei syntaktische Konstruktionstypen: Faire Infinitive- und Faire Par- und A.c.I.Konstruktionen (1.1.3). In 1.2 geht es dann darum, die Unterschiede zwischen KK, PVK und KoK zu erfassen, und zwar nacheinander für alle fünf Sprachen. Im Deutschen bilden die kausativen Verben lassen und machen19 sowohl die A.c.I.-Konstruktion als auch ein sogenanntes /ossew-Passiv, die Perzeptionsverben und das kontinuative lassen nur die A.c.I.Konstruktion (1.2.1.1). In den Perfekt-Tempora von KK mit lassen wird die Partizip 218
19
Dabei sind nach Huber (1980) zwei Verwendungsweisen des Verbs lassen zu unterscheiden: ein kausatives lassen, welches, indem es einen Infinitiv selegiert, mit dem ein Zustandswechsel ausgedrückt wird, als ein Aspekt-Hilfsverb fungiert, und ein nicht-kausatives lassen, welches nur mit durativen Verben, bevorzugt in festen Verbindungen mit Positionsverben (stehenlassen, liegenlassen, sitzenlassen, hängenlassen etc.) erscheint. Vgl. Huber (1980) für die Eigenschaften von kausativem und nicht-kausativem lassen und fur Perzeptionsverben Felser (1999).
22
Kapitel 1
Form obligatorisch durch den Infinitiv ersetzt, wohingegen dies bei machen nicht geschehen darf, während diese Ersetzung in den Perfekt-Tempora von PVK und KoK immerhin optional ist (1.2.1.2). Kausative Verben können sich nur mit nicht-statischen (dynamischen) Infinitiven verbinden, während nicht-kausative Verben auch bestimmte statische Infinitivkomplemente (z.B. Positionsverben wie liegen, stehen, sitzen) selegieren können (1.2.1.3). Deshalb gelten für kausatives und kontinuatives lassen unterschiedliche Präsuppositionen, aber gleiche Implikationen: Kausatives lassen ist ein negativ-präsupponiertes Verb und nicht-kausatives lassen ein positiv-präsupponiertes Verb (1.2.1.4). Im Englischen können kausative Verben nur den reinen Infinitiv (bzw. bei have mit dem Partizip 2) selegieren, während Perzeptionsverben optional und kontinuatives leave obligatorisch auch die Progressivform selegieren (1.2.2.1). Im Französischen und Italienischen sind bei perzeptiven Verben A.c.I.-Konstruktionen zulässig, bei kausativen Verben mit nominalem Komplementsubjekt unzulässig (1.2.3.1). Im Italienischen ist in PVK-Komplementen das Reflexivpronomen grammatisch und in KK-Komplementen nicht (1.2.3.2). In italienischen KK ist die Bildung eines Matrixpassivs möglich und in PVK nicht (1.2.3.3). In 1.3 werden KK im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen miteinander verglichen und daraus eine Typologie gebildet (vgl. Baker 1988 oder Watanabe 1993). Die Typologie richtet sich dabei nach dem Kasus, in dem die Argumente des Komplements jeweils stehen: Beim A.c.I.-Kausativ erhalten Subjekt und Objekt den Kasus des direkten Objekts, bei der Faire Infinitive-Konstruktion erscheint nur das Komplementobjekt im Kasus des direkten Objekts und das -subjekt im Kasus des indirekten Objekts, und schließlich erhält bei der Faire Par-Konstruktion das direkte Objekt wieder den Objekt-Kasus, während das Subjekt im obliquen Kasus erscheint. Im Englischen gibt es eine große Anzahl kausativer Verben mit Bedeutungsunterschieden, im Deutschen lassen und machen, während die romanischen Sprachen über ein direktives und ein permissives kausatives Verb verfügen (1.3.1). A.c.I.-Konstruktionen finden sich im Deutschen und Englischen, eine Passivierung ist nicht möglich (1.3.2.1); in den romanischen Sprachen findet sie sich nur bei einem pronominalen Komplementsubjekt, das dann an das Matrixverb klitisiert (1.3.2.2). In 1.3.3 geht es um die Faire Infinitive-Konstruktion. Diese ist selbst im Deutschen in einigen Beispielen aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert für statische Infinitive belegt (1.3.3.1). In den romanischen Sprachen bestehen Unterschiede hinsichtlich der Abfolge von Infinitiv und Komplementsubjekt: Im Französischen und Italienischen geht der Infinitiv dem Komplementsubjekt voraus. Im Spanischen besteht keine solche Restriktion (1.3.3.2). Lange Passivierung des eingebetteten Objekts ist im Italienischen möglich, im Spanischen allenfalls marginal bei bestimmten Infinitiven und im Französischen generell ausgeschlossen (1.3.3.3). Im Italienischen findet sich in KK Kongruenz des Partizip 2 mit dem Objektpronomen, im Französischen nicht (1.3.3.4). Im Gegensatz zu anderen Akkusativ-Klitika wie z.B. franz. le, la, les kann das reflexive Klitikum im Französischen (und Spanischen, aber nicht im Italienischen) an den eingebetteten Infinitiv des Kausativ-Komplements klitisiert werden (1.3.3.5). Wenn kausative Verben die Infinitive unkausativer Verben einbetten, so klitisiert im Spanischen an den Infinitiv obligatorisch ein Antikausativ-Morphem, im Französischen ist dies optional, während dies im Italienischen nicht geschehen kann (1.3.3.6). Lange
Kausative, perzeptive und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
23
Bindung des eingebetteten indirekten Objekts ist im Italienischen marginal möglich, nicht aber im Französischen (1.3.3.7). Im Deutschen und in den romanischen Sprachen werden KK ebenfalls als lassenPassiv (Faire Par-Konstruktion) gebildet (1.3.4). Im Englischen ist das /aííe«-Passiv im späten Mittelalter zugleich mit dem Infinitivmorphem geschwunden (1.3.4.1). Zwischen dem /ossert-Passiv und der Passivkonstruktion bestehen Gemeinsamkeiten wie Unterschiede (1.3.4.2). Kausativ-Komplemente mit intransitiven Verben erlauben im Deutschen wie im Italienischen, nicht jedoch im Englischen oder Französischen Auslassung des Subjekts (1.3.4.3).
1.1 Gemeinsamkeiten Die Duden-Grammatik und Eisenberg (1999) nennen als A.c.I.-Verben für das Deutsche sehen, hören, fühlen, spüren, lassen, machen, heißeri20. Wenn man heißen ausklammert, das nach meiner Auffassung kein A.c.I.-Verb darstellt, weil es den doppelten Akkusativ selegiert 21 , liegen also im Deutschen drei nach ihrer Bedeutung unterscheidbare Arten von A.c.I.-Verben vor: sehen, hören, fühlen, spüren als Perzeptionsverben (verba sentiendi), mit denen PVK gebildet werden können, dann das kontinuative lassen und zuletzt die kausativ verstandenen Verben lassen und machen, die kein Bestehen, sondern eine Veränderung eines Zustands bezeichnen. Somit besteht ein Zusammenhang zwischen Begriffen, die auf die Semantik Bezug nehmen, wie Kausativ-, Perzeptionsverb- und Kontinuativkonstruktionen, und dem syntaktisch motivierten Begriff einer A.c.I.-Konstruktion. Im folgenden sollen diese drei Konstruktionen durch ihre syntaktischen Gemeinsamkeiten charakterisiert und dadurch von anderen Infinitivkonstruktionen abgegrenzt werden.
1.1.1 Komplemente mit reinem Infinitiv Im Deutschen sind Infinitivkomplemente in Abhängigkeit vom Verb des Matrixsatzes mit oder ohne zu markiert (1). (1)
20 21
a. b. c. d. e. f. g.
Hans versprach morgen *kommen / zu kommen Hans wollte erst morgen kommen / *zu kommen Hans scheint erst morgen *kommen / zu kommen Hans dürfte erst morgen kommen / *zu kommen Maria veranlaßte Hans erst morgen *kommen / zu kommen Maria läßt Hans erst morgen kommen / *zu kommen Maria sieht Hans nach Hause kommen / *zu kommen
Zu einer Diskussion über mögliche A.c.I.-Verben des Deutschen vgl. Reis (1977). Als Folge davon stellt bei heißen das Nomen im Akkusativ nicht das Komplementsubjekt, sondern in Wirklichkeit ein direktes Objekt des Verbs dar.
24
Kapitel I
Solche Verben wie versprechen, bitten, scheinen erfordern, daß das Infinitivkomplement mit zu markiert ist, während A.c.I.-Verben wie lassen oder sehen sowie Modalverben in deontischer (lb.) wie auch in epistemischer Verwendung (ld.) dies nicht zulassen. Auch in anderen Sprachen verhalten sich kausative und perzeptive Verben einheitlich, indem sie einen reinen Infinitiv selegieren. Im Komplement fehlt eine „Infinitivkonjunktion" (Duden-Grammatik), die im Deutschen zu, im Englischen to, im Französischen à bzw. de lautet. Für das Englische und Französische ist dies durch den Vergleich von PVK bzw. KK in (2) mit Kontrollkonstruktionen (3) gezeigt: (2)
a. b. c. d.
John saw Harry (*to) run. Jean a vu Henri (*de) courir. John made Harry (*to) build a house. Jean a fait (*à) construire une maison à Henri.
(3)
a. b. c. d.
John persuaded Harry to run. Jean a persuadé Henri de courir. John forced Harry to build a house. Jean a forcé Henri à construire une maison.
1.1.2 Die Frage der Satzwertigkeit der Infinitivkomplemente Ein zweites wichtiges Kriterium, um A.c.I.-Konstruktionen von anderen Infinitivkonstruktionen zu unterscheiden, ist die Möglichkeit, das Komplement zu extraponieren (in das Nachfeld eines Nebensatzes zu stellen). Dies ist bei finiten Nebensätzen zweifellos gegeben (4), ebenso ist dies bei den sog. Kontrollkonstruktionen mit zw-Infinitiven u.U. möglich (5), aber bei Raisingkonstruktionen (mit Verben wie scheinen) (6) und bei Komplementen von A.c.I.- oder Modalverben (7) immer unmöglich: (4) finite Komplemente a. ... weil der Finanzminister versprach / versuchte / ankündigte, daß er den Haushalt saniert. b. ... weil es schien, daß der Finanzminister den Haushalt sanierte. c. ... weil die Bürger sahen / zuließen, daß die Regierung das Land ruinierte. (5)
Kontrollkonstruktionen a. ... weil der Finanzminister den Haushalt zu sanieren versprach / versuchte b. *... weil der Finanzminister den Haushalt zu sanieren ankündigte
(6)
Raisingkonstruktionen (Anhebungskonstruktionen) a. *... weil der Minister schien, den Haushalt zu sanieren b. *... weil der Minister pflegte, das Geld mit beiden Händen auszugeben
(7)
A.c.I.-Verben / Modalverben a. *... weil der Kanzler ließ / sah die Abgeordneten die Steuern erhöhen b. *... weil der Kanzler wollte die Steuern erhöhen
Kausative, perzeptive
und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
25
In Bech (1955/83) sind deshalb auch die A.c.I.-Konstruktionen als kohärent charakterisiert, weil die infiniten Komplemente wie gesehen nicht extraponiert werden können. Aus dieser von Bech so genannten Kohärenz folgt nun aber nicht, daß A.c.I.-Komplemente nicht satzwertig sind. Dies zeigt sich, wenn man Bindungsdaten untersucht. 22 Grundsätzlich gilt, daß ein Reflexivpronomen in einem Bereich, der auch ein Subjekt enthält (z.B. einem Satz), gebunden sein muß (= über ein koreferentes Antezedens verfügt), ein nicht-reflexives Pronomen in diesem Bereich nicht gebunden sein darf. 23 In (8) ist nun zu sehen, daß in A.c.I.-Komplementen das unterstrichene Komplementsubjekt eine Reflexivierung des Objektpronomens blockiert. (8)
a. Hans/ läßt Maria ihm/ / *sich/ die Haare kämmen. b. Hans, hört den Lehrer ihn, / *sich, an die Tafel rufen.
Die Koreferenzverteilung hierbei ist unabhängig davon, ob es sich um kausative (9a.) oder nicht-kausative (9b.) lassen-Konstruktionen handelt: (9)
a. Maria/ läßt Peter ihr, / *sich, den Rücken eincremen, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. b. Hans, hat, boshaft wie er war, die Leute stundenlang ihn, / *sich, rufen gelassen, ohne sich zu melden.
Bei reflexiven Präpositionalphrasen ist die Lage nicht ganz so eindeutig. Hier ist nämlich in manchen Fällen trotz intervenierendem A.c.I.-internen Subjekt bei Koreferenz mit dem Matrixsubjekt Reflexivierung der Präpositionalphrase obligatorisch, in anderen Fällen immerhin möglich. Dabei gibt es mehrere Faktoren, welche für die Wahl eines reflexiven oder nicht-reflexiven Pronomens verantwortlich sind (vgl. Reis 1976, Grewendorf 1982). Dies ist in den Generalisierungen 1 und 2 festgehalten. Generalisierung 1: Präpositionalphrasen, die Argumente des Infinitivs sind, dürfen bei Koreferenz mit dem Matrixsubjekt keinesfalls reflexiviert werden (10). Generalisierung 2: Präpositionalphrasen, die an den Infinitiv adjungiert sind, werden bei Koreferenz mit dem Matrixsubjekt zumindest im Falle einer kausativen Lesart reflexiviert. (10) a. b. c. d. e.
Der Gefangene, sieht (läßt) den Polizisten, auf ihn, / *sich, achten. Der Enkel, fühlt (läßt) die Großmutter, an ihm/ / *sich, hängen. Hans, hört (läßt) den Professor, mit ihm/ / *sich, sprechen. Hans/ sieht (läßt) Fritz, gegen ihn/ / *sich, stimmen. Hans, hört (läßt) Irene, mit ihm, / *sich, anbinden. Grewendorf ( 1982)
(11) a. Der Gefangene, läßt auf sich/ / *ihn/ achten. 22 23
Günther Grewendorf, p.M. Im Rahmen der Bindungstheorie ist dies als Prinzip (A) und (B) formuliert (vgl. u.a. Grewendorf 1988).
26
Kapitel 1 b. c. d. e.
Hans, hört (läßt) mit Hans, hört (läßt) mit Hans, läßt bei sich, / Hans/ läßt auf sich, /
sich, / *ihm, sprechen. sich, / *ihm, hadern. *ihm, anfragen. *ihn, blicken.
1.1.3 Typologie Charakteristisch fur KK in den untersuchten Sprachen ist das doppelte Auftreten in einer aktivischen und einer passivischen Variante. So unterscheidet man im Deutschen bei dem kausativ verstandenen Verb lassen zwischen dem sog. A.c.I.-Kausativ (12a.) und dem sog. /asse/i-Passiv (12b.): (12) a. Hans ließ den Studenten das Auto reparieren. b. Hans ließ das Auto (von dem Studenten) reparieren. Auch bei dem heutzutage viel seltener und in engeren Kontexten gebrauchten Verb machen finden sich Beispiele ohne Komplementsubjekt, so (13a.) im Vergleich zu (13b.): (13) a. Die Organisatoren der Spiele von 1972 wollten die NS-Spiele vergessen machen. b. Die Organisatoren der Spiele von 1972 wollten die Welt / uns die NS-Spiele vergessen machen. Bei den übrigen deutschen A.c.I.-Verben hingegen, ob kausativ oder nicht, sind nur die A.c.I.-Beispiele grammatisch (14), die Sätze ohne Komplementsubjekt sind ungrammatisch (15): (14) a. Hans sah den Studenten das Auto reparieren. b. Hans ließ seine Frau ein Buch über ihn schreiben. (15) a. *Hans sah das Auto (von dem Studenten) reparieren, b. *Hans ließ ein Buch (von seiner Frau) schreiben. Dieser Unterschied zeigt sich auch bei intransitiven Verben24. Aktor-Ellipse ist nur bei kausativem lassen möglich (16). Sätze mit Perzeptionsverben oder kontinuativem lassen sind ungrammatisch (17): (16) a. Hans ließ die Leute hart arbeiten. b. Hans sah die Leute hart arbeiten. c. Hans hat seinen Sohn hängen gelassen / ließ die Torte stehen. (17) a. Hans ließ hart arbeiten. b. *Hans sah hart arbeiten. c. *Hans hat hängen gelassen / ließ stehen. 24
Bei intransitiven Verben ist die Wiederaufnahme des eingebetteten Subjekts in einer von-Phrase unmöglich.
Kausative, perzeptive und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
27
Hingegen bilden intransitive Verben, die über kein thematisches Subjekt verfugen, sog. ergative Verben, z.B. sinken, bei KK (18) und bei PVK (19) nur die A.c.I.-Konstruktion und kein /awe«-Passiv 25 : (18) a. Der Sturm ließ das Schiff sinken, b. *Der Sturm ließ sinken. (19) a. Peter sah das Schiff sinken, b. *Peter sah sinken. Auch in den romanischen Sprachen unterscheidet man bei KK zwischen einer aktivischen Form, dem Faire Infinitive-Kausativ (20, 21), und einer passivischen Form, der Faire Par-Konstruktion (22). Beim Faire Infinitive-Kausativ erscheint das eingebettete Subjekt des transitiven Verbs im Dativ, also a Giovanni bzw. à ses élèves in (20): (20) Faire Infinitive mit transitivem Infinitiv a. Maria ha fatto riparare la macchina a Giovanni. M.nom hat lassen reparieren das Autoacc G.^, (Burzio 1986: 228) b. Le prof a fait lire le texte à ses élèves. der Lehrernom hat lassen lesen den Textacc seinen Schülern^, (21) Faire Infinitive mit intransitivem Infinitiv a. Maria ha fatto lavorare Giovanni. M. nom hat lassen arbeiten H.acc b. Pierre fera travailler Marie. P-nom w i r d - l a s s e n
arbeiten M.acc
(Burzio 1986: 236) ( Z u b i z a r r e t a 1985: 2 6 9 )
(22) Faire Par mit transitivem Infinitiv a. Maria ha fatto riparare la macchina da Giovanni. M.nom hat lassen reparieren das Autoacc von G. (Burzio 1986: 228) b. Elle fera manger cette pomme par Jean. sie wird-lassen essen diesen Apfel von J. (Kayne 1975: 234) Die Sätze (23) und (24) aus der Bantu-Sprache Chichewa ähneln den romanischen Beispielen (20) und (21), mit dem Unterschied freilich, daß in Chichewa das Kausatiwerb its- ein Affix ist und deshalb von einem Verb attrahiert wird - entweder wie in (23) von einem semantisch leeren Dummy-Verb oder wie in (24) von einem Vollverb. Der eingebettete Satz erscheint jeweils als Argument des Kausativverbs des Hauptsatzes. Beide Sätze haben jeweils ein morphologisch distinktes Verb, so daß sie Wort für Wort ins Deutsche übersetzt werden können.
25
Es finden sich aber auch Belege wie der folgende, in der Aktor-Ellipse einer perzeptiven A.c.I.Konstruktion beigeordnet erscheint: „Eine Natur, die mit sich ganz einig wäre, die man nur befehlen, der man nur gehorchen sähe, würde kein tragisches Interesse hervorbringen." (Goethe über Schillers Wallenstein).
28
Kapitel 1 (23) a. Mtsikana ana-chit-its-a kuti mtsuko u-gw-e. girl AGR-do-make-ASP thatwaterpot AGR-fall-ASP "The girl made the waterpot fall." b. Aphunzitsi athu ana-chit-its-a kuti mbuzi zi-dy-e udzu. teachers our AGR-do-make-ASP that goats AGR-eat-ASP grass "Our teachers made the goats eat the grass." (24) a. Mtsikana anau-gw-ets-a mtsuko. girl AGR-fall-made-ASP waterpot "The girl made the waterpot fall." b. Catherine ana- kolol- ets- a mwana wake chimanga.Trithart (1977) Catherine AGR-harvest-made-ASP (Indie) child her corn "Catherine made her child harvest corn."
Wie zu sehen ist, bestehen starke Unterschiede zwischen den Komplementen von KK, PVK und KoK auf der einen und sonstigen Infinitivkonstruktionen auf der anderen Seite. Betrachten wir diese Konstruktionen genauer, so zeigen sich auch Unterschiede zwischen KK, PVK und KoK. Diese werden wir im nächsten Abschnitt näher betrachten.
1.2 Unterschiede Die Unterschiede, die zwischen den drei genannten Konstruktionen bestehen, werden nun für die genannten Sprachen nacheinander dargestellt. Ich stütze mich dabei für das Deutsche auf die Darstellung der Unterschiede von KK und KoK in Huber (1980), für das Englische auf die Beobachtungen zu KK und PVK in Felser (1999) und für die romanischen Sprachen im wesentlichen auf Burzio (1986) und Guasti (1993).
1.2.1 Deutsch In Huber (1980: 35-71) werden zwölf distributive Unterschiede zwischen dem kausativen und dem nicht-kausativen Konstruktionstyp von lassen aufgeführt. Ich möchte die wichtigsten dieser Unterschiede im folgenden referieren, dabei aber die Perspektive erweitern und in die Darstellung auch A.c.I.-Konstruktionen mit Perzeptionsverben und dem Verb machen einbeziehen. 1.2.1.1 Typologie: Das
lassen-Passiv
Ein wichtiger Unterschied zwischen Kausativ- (KK), Perzeptionsverb- (PVK) und Kontinuativkonstruktionen (KoK) im Deutschen ist aus der Einleitung bereits bekannt: KK können im Deutschen grundsätzlich auf zwei verschiedene Weisen gebildet werden, als A.c.I.-Konstruktion und als Zossen-Passiv, während PVK und KoK nur die A.c.I.-Konstruktion bilden. D.h. bei KK ist der Wegfall des Komplementsubjekts prinzipiell möglich, bei PVK und KoK nicht. Dieser Unterschied ist in der Einleitung in den Beispielen (1) - (3) zu sehen, die hier als (25) - (27) wiederholt sind.
Kausative, perzeptive und kontinuative Infinitivkonstruktionen
29
(25) Kausativkonstruktion (KK) a. Hans ließ den Studenten das Auto reparieren. b. Hans ließ das Auto (von dem Studenten) reparieren. c. Hans ließ den Studenten hart arbeiten. d. Hans ließ (*von dem Studenten) hart arbeiten. (26) Perzeptionsverbkonstruktion (PVK) a. Hans sah den Studenten das Auto reparieren. b. *Hans sah das Auto (von dem Studenten) reparieren. c. Hans sah den Studenten hart arbeiten. d. *Hans sah hart arbeiten. (27) Kontinuativkonstruktion (KoK) a. Hans ließ den Mantel am Haken hängen. b. *Hans ließ (vom Mantel) am Haken hängen. c. Die Eltern ließen ihre Kinder lange schlafen. d. *Die Eltern ließen lange schlafen. In (25d.) ist zu sehen, daß das /owew-Passiv sich auch mit Infinitiven intransitiver Verben bilden läßt; in diesem Fall ist es allerdings nicht möglich, das Subjekt mit einer vonPhrase wiederaufzunehmen. Aber nicht immer ist es möglich, zu einem Beispiel beide Typen von KK zu bilden. Dies zeigt sich an Sätzen, in denen das logische Subjekt nicht-agentiv ist und in denen deshalb nur das /ossen-Passiv grammatisch ist, wie in (28). (28) a. Karl ließ sich (von Jakobs Reichtum) beeindrucken. b (von dem Argument) überzeugen. c (von dem Anblick) nicht erschüttern. d (von dem Fehlschlag) nicht entmutigen. e (von der Melodie) in den Schlaf wiegen. f. (davon) nicht verblüffen. Die A.c.I.-Konstruktion wird als ungrammatisch aufgefaßt (29): (29) a. * Karl ließ Jakobs Reichtum ihn beeindrucken. b. * das Argument ihn überzeugen. c. * den Anblick ihn nicht erschüttern. d. * den Fehlschlag ihn nicht entmutigen. e. * die Melodie ihn in den Schlaf wiegen. f. * davon ihn nicht verblüffen.
1.2.1.2 Ersatzinfinitiv
(IPP-Effekt)
Ein weiterer charakteristischer Unterschied zwischen KK, PVK und KoK im Deutschen zeigt sich bei der Bildung der Perfekt-Tempora, die bei Infinitivkonstruktionen in Abhängigkeit vom jeweiligen Matrixverb mit dem Partizip 2 oder auch mit dem Infinitiv
30
Kapitel 1
gebildet werden. So wird bei machen das Partizip 2 bevorzugt, aber bei kausativem lassen ist der Infinitiv obligatorisch. Demgegenüber stehen bei Perzeptionsverben und kontinuativem lassen beide Optionen zur Verfügung 26 , während bei Modalverben oder bei heißen der Infinitiv bevorzugt wird (vgl. Duden-Grammatik). Die Verwendung des Infinitivs anstelle des eigentlich zu erwartenden Partizip 2 wird Ersatzinfinitiv oder infinitivus pro participio (IPP) genannt. Dieses Phänomen tritt auch in anderen westgermanischen Sprachen auf, sogenannten Ersatzinfmitivsprachen wie Westflämisch oder Niederländisch. Die Sätze (30-32) zeigen zunächst, daß in diesen Sprachen das periphrastische Perfekt bei nominalen Komplementen mit dem 2. Partizip und nicht mit dem Infinitiv gebildet wird: (30) a. *Ich habe das immer wollen, b. Ich habe das immer gewollt.
Deutsch
(31) a. *Ik heb dit altijd willen, b. Ik heb dit altijd gewild.
Niederländisch
(32) a. *'k (h)en dad oltied willen, b. 'k (h)en dad oltied gewild.
Westflämisch Schmid (2000)
Der Ersatzinfinitiv steht stattdessen in solchen Konstruktionen, in denen das Matrixverb statt eines Nomens ein infinites Komplement selegiert, z.B. bei Modalverben (33-35): (33) a. Ich habe das immer machen wollen, b. *Ich habe das immer machen gewollt. 27
Deutsch
(34) a. Ik heb dit altijd b. *Ik heb dit altijd
willen doen. gewild doen.
Niederländisch
(35) a. 'k (h)en dad oltied b. *'k (h)en dad oltied
willen doen. gewild doen.
Westflämisch
Dabei ist das Auftreten der IPP-Konstruktion verbklassensensitiv, d.h. ob der Ersatzinfinitiv obligatorisch, optional oder unmöglich ist, hängt davon ab, welcher Verbklasse das potentielle Ersatzinfinitivverb angehört (vgl. dazu Askedal 1991, den Besten & Edmondson 1983 sowie Ijbema 1997). Die Auftretenswahrscheinlichkeit des Ersatzinfinitivs nimmt tendenziell von tosew-Kausativen und Modalverben über Perzeptionsverben bis hin zu Kontroll- und Anhebungsverben ab (vgl. Schmid 2000).
26 27
Bei sehen wird lt. Duden-Grammatik der Infinitiv bevorzugt verwendet. Im Bairischen hingegen ist dieser Satz grammatisch (nach dem Urteil von mehreren von mir befragten Sprechern).
31
Kausative, perzeptive und kontinuative Infinitivkonstruktionen
Das Verhalten der Verbklassen fiir das Deutsche wird im folgenden anhand je eines Beispiels dargestellt:
28
(36) a. Maria hat Peter das Auto waschen lassen, b. *Maria hat Peter das Auto waschen gelassen.
kausatives lasseri28 Schmid (2000: 328)
(37) a. Ich habe das immer machen wollen, b. *Ich habe das immer machen gewollt.
Modalverben Schmid (2000: 328)
(38) a. Sie hat ihn kommen sehen, b. Sie hat ihn kommen gesehen.
Perzeptionsverben Schmid (2000: 328)
(39) a. Maria hat die Torte stehenlassen, b. Maria hat die Torte stehengelassen.
kontinuatives lassen Duden-Grammatik
(40) a. ?Marie hat Peter die Kisten tragen helfen. b. Marie hat Peter die Kisten tragen geholfen.
Benefaktive Schmid (2000: 328)
(41) a. ??Der Clown hat die Kinder lachen machen, b. Der Clown hat die Kinder lachen gemacht.
kausatives machen
(42) a. *Sie ist liegen bleiben, b. Sie ist liegen geblieben.
Durative Schmid (2000: 328)
(43) a. *Peter hat zu kochen anfangen, b. Peter hat zu kochen angefangen.
Inchoative Schmid (2000: 328f.)
(44) a. *Maria hat Peter zu überzeugen versuchen, b. Maria hat Peter zu überzeugen versucht.
Kontrollverben Schmid (2000: 329)
(45) a. * Peter hat zu lesen scheinen, b. Peter hat zu lesen geschienen.
Anhebungsverben Schmid (2000: 329)
Bei der folgenden (eindeutig) kausativen Verwendung von lassen ist aber das Partizip 2 ebenfalls möglich (zu einer Erklärung vgl. 5.1.3.1): (i) a. Peter hat den Stein fallengelassen. b. Der Minister hat den Günstling fallengelassen.
Kapitel 1
32
Tabelle 1 (aus Schmid 2000: 330, vereinfacht) faßt die Grammatikalitätsverteilung für vier Ersatzinfinitivsprachen (Deutsch, Schweizerdeutsch, Niederländisch, Westflämisch) zusammen: Tabelle 1 : Verbklassen und Ersatzinfinitive in verschiedenen Sprachen (vgl. Schmid 2000) 29 Ν = Niederländisch D = Deutsch WF = Westflämisch SD = Schweizerdeutsch (St. Gallen)
+ = obligatorischer IPP-Effekt +/ - = optionaler IPP-Effekt - = kein IPP-Effekt
D
SD
Ν
WF
+ +
+ +
+ +
+ +
+/-
+/-
+
+
+/-
+/-
(+)
+
—
—
+
+
Perzeptionsverben Benefaktive Durative
+/-
+ +
Inchoative Kontrollverben
—
+/—
Verbklassen Kausative Modalverben
Beispiele kausatives lassen brauchen, wollen, können, müssen, dürfen, sollen, mögen sehen, hören, fühlen helfen, lernen, lehren bleiben, liegen, sitzen, laufen, sein, stehen beginnen, anfangen, aufhören versuchen, wagen, versprechen, überreden
Interessanterweise findet sich in Ersatzinfinitiv-Kontexten vielfach eine andere Abfolge der Verben als in Partizip 2-Kontexten. In Nebensätzen mit Verb-Endstellung ist in Partizip 2-Kontexten die Abfolge der Verben grundsätzlich kopf-final 3-2-1 (vgl. 46), in IPP-Kontexten ist die Abfolge stattdessen überwiegend kopf-initial 1-3-2 oder aber auch 3-1-2 (vgl. 47): (46) mit Partizip 2: Abfolge 3-2-1 a.... daß sie kommen (3) können (2) will (1) b.... daß Peter das Unglück kommen (3) gesehen (2) hat (1) c.... daß Maria die Torte stehen(3)gelassen (2) hat (1) d.... daß Maria Peter zu überzeugen (3) versucht (2) hat (1) (47) mit Ersatzinfinitiv: Abfolgen 1-3-2,3-1-2 a.... daß Peter das Unglück hat (1) kommen (3) sehen (2) a.'... daß Peter das Unglück kommen (3) hat (1) sehen (2) b.... daß Maria die Torte hat (1) stehen(3)lassen (2) b'.... daß Maria die Torte stehen (3) hat (1) lassen (2) In Tabelle 2 ist für eine ganze Reihe von Sprachen die Art der Änderung der Verbabfolge in IPP-Kontexten im Vergleich zu Nicht-IPP-Kontexten vermerkt.
29
Immer dann, wenn die Angaben innerhalb der Tabelle in Klammern stehen, ist die Datenlage unsicher (vgl. Schmid 2000: 330).
Kausative, perzeptive
und ¡continuative
Infinitivkonstruktionen
33
Tabelle 2: Abfolge der Verben in IPP- und Nicht-IPP-Kontexten in einzelnen westgermanischen Sprachen (Ijbema 1997: 147): Sprache Niederländisch Westflämisch Zürichdeutsch Zaans (Dialekt in der Provinz Noord-Holland) Hochdeutsch Westfriesisch Achterhoeks (ostniederländischer Dialekt) Friesisch *)
Abfolge ohne IPP 1-2-3 1-2-3 1-2-3 3-2-1 3-2-1 3-2-1 1-2-3/1-3-2/3-2-1 3-2-1
Abfolge mit IPP 1-2-3 1-2-3/2-3-1*) 1-2-3») 1-2-3/1-3-2/3-1-2 1-3-2/3-1-2 1-2-3 1-2-3/1-3-2/3-2-1 -
Objekt-NP kann innerhalb eines Verbalkomplexes enthalten sein
Bei der Verbabfolge gelten nach Ijbema die folgenden Regularitäten: Die Verbabfolge in IPP-Konstruktionen weicht öfters von der in Nicht-IPPKontexten ab, bevorzugt in solchen Sprachen, die bei Nicht-IPP-Konstruktionen eine 3-2-1 Abfolge aufweisen. Das Auxiliar steht dort immer vor dem IPPInfinitiv. Weiterhin findet man von allen sechs theoretisch möglichen Abfolgen die Abfolge 2-1-3 in keiner dieser Sprachen. Das Friesische hat das Präfix ge- frühzeitig eingebüßt und weist keinen IPPEffekt auf (Ijbema 1997).
1.2.1.3 Aktionsart der Infinitiv-Komplemente Ein weiterer charakteristischer Unterschied zwischen KK, PVK und KoK besteht darin, daß die Matrixverben sich jeweils nur mit bestimmten Arten von Infinitiven verbinden. Dies zeigt die folgende Beobachtung: Das Verb lassen, das wie gesagt prinzipiell ambig ist zwischen einer kausativen und einer kontinuativen Lesart, verliert diese Ambiguität vielfach durch sein infinites Komplement. (48) zeigt zunächst anhand von zwei Beispielen, daß diese Ambiguität nicht nur bei infiniten, sondern auch bei nominalen Komplementen auftritt: Zu beiden Beispielen ist jeweils eine Interpretation denkbar, wonach das direkte Objekt einem Ortswechsel unterliegt (48') oder aber am selben Ort verbleibt (48"). (48) a. Peter läßt das Fahrrad in der Garage. b. Der Lehrer läßt einem Schüler seine Zigarette. (48') a. Peter stellt das Fahrrad in der Garage ab. b. Der Lehrer gibt seine Zigarette einem Schüler. (48") a. Peter rührt das Fahrrad in der Garage nicht an. b. Der Lehrer nimmt einem Schüler dessen Zigarette nicht ab.
34
Kapitel 1
Bei A.c.I.-Konstruktionen hingegen ist oftmals nur die kausative oder die kontinuative Interpretation erhältlich, aber nicht beide zugleich. Wie der Satz interpretiert werden kann, hängt sicherlich von der Aktionsart des Infinitivkomplements ab. So weisen etwa die folgenden Beispiele keine vergleichbare Ambiguität auf: (49a.) mit dem punktuellen Infinitiv springen und (49b.) mit dem Infinitiv absaufen können ganz sicherlich nur kausativ interpretiert werden, und in (49c.) mit dem statischen Infinitiv stehen ist umgekehrt nur die kontinuative Lesart zulässig. (49) a. Der Dompteur läßt den Hund durch einen brennenden Reifen springen. b. Er läßt den Motor absaufen. c. Laßt diesen Zettel bitte hängen! (Huber 1980:40) Dies kann man an der unterschiedlichen Akzeptabilität der Partizip 2-Form bei der Perfektbildung in der kausativen und der kontinuativen Variante sehen (49', zum IPP-Effekt cf. 1.2.1.2). (49') a. *Der Dompteur hat den Hund durch einen brennenden Reifen springen gelassen. b. *Er hat den Motor absaufen gelassen. c. Hans hat den Zettel hängen gelassen. Selbst wenn die unterschiedliche Interpretation des Matrixverbs als kausativ oder kontinuativ teilweise auf pragmatische Effekte zurückzuführen ist, so wird doch allein durch die Semantik von Kausation bzw. Kontinuation eine Interpretation des Infinitivkomplements als statisch bzw. punktuell ausgeschlossen: Eine Kausation bedeutet eine Veränderung des Zustands, und damit sind nur solche Infinitivkomplemente zulässig, die eine Veränderung ausdrücken können, diese sind damit prinzipiell nicht-statisch. Und eine Kontinuation bedeutet, daß sich die vom Infinitivkomplement denotierte Situation 30 zeitlich so weit ausdehnt, daß sie - kontinuativ - sich erstreckt von Zustand vor dem (Nicht-)Eingreifen des Matrixsubjekts bis zu einem Zustand danach. Damit muß sich die Komplementsituation über eine bestimmte Mindestzeitdauer erstrecken und kann damit nicht punktuell sein. Die Gültigkeit dieser Generalisierung zeigt sich daran, daß demgegenüber die Sätze in (50), bei denen das Komplement durch die Infinitivphrase als ununterbrochen andauernder Vorgang (dynamisch - durativ) interpretiert wird, ambig interpretiert werden können: (50) a. Er hat den Motor laufen gelassen / lassen. b. Er hat das Badewasser einlaufen gelassen / lassen. Diese Ambiguität kann durch ein Adverb aufgehoben werden. So ist in (51) durch die Adverbiale auf einmal bzw. plötzlich nur eine kausative Interpretation möglich; dies zeigt sich wieder an der Ungrammatikalität des Partizip 2.
30
Zum Begriff einer Situation vgl. 2.1.
Kausative, perzeptive und kontinuative
Inßnitivkonstruktionen
35
(51) a. Auf einmal hat er den Motor laufen * gelassen / lassen. b. Plötzlich hat er das Badewasser einlaufen * gelassen / lassen. Eine andere Gruppe von Infinitiven, die mit keiner Interpretation von lassen vereinbar ist, sind schließlich statisch-punktuelle Infinitive wie kennen, besitzen, hassen, können, mögen etc. Die folgenden Beispiele aus Huber (1980) zeigen die Ungrammatikalität solcher Verbindungen: (52) a. *Wir haben ihn das Auto besitzen lassen. b. *Wir haben ihn Schokolade mögen lassen. c. *Wir haben ihn das Gedicht können lassen. Im folgenden Schaubild (Huber 1980: 42) ist die Interpretation der Matrixsituation als kausativ oder nicht-kausativ in Abhängigkeit von der Aktionsart des Komplements dargestellt: Bewegung Statisch
Dynamisch + Caus
- Caus
+ / - Caus
Punktuell Zeit
Durativ
Vergleichen wir dies nun mit Perzeptionsverben. Diese lassen sich ebensowenig wie lassen mit punktuell-statischen Infinitiven verbinden (53). (53) a. *Wir haben ihn das Auto besitzen sehen. b. *Wir haben ihn Schokolade mögen sehen. c. *Wir haben ihn das Gedicht können sehen. Alle anderen Arten von Infinitiven in den Komplementen sind hingegen zulässig (54). (54) a. Der Dompteur sah den Hund durch einen brennenden Reifen springen, b. Hans sah den Mantel am Haken hängen. Die Ergebnisse dieses Abschnitts sind in (55) zusammengefaßt: (55) Matrixverb und Aktionsart der Infinitivkomplemente a. Nicht-statische und punktuelle Infinitive verbinden sich mit kausativem lassen und mit Perzeptionsverben, aber nicht mit kontinuativem lassen. b. Nicht-statische und durative Infinitive sind mit kausativem wie mit kontinuativem lassen und auch mit Perzeptionsverben vereinbar. c. Statische und durative Infinitive sind mit Perzeptionsverben und kontinuativem lassen vereinbar, aber nicht mit kausativem lassen. d. Statisch-punktuelle Infinitive sind mit keinem der Matrixverben vereinbar.
36
Kapitel 1
1.2.1.4
Passivierbarkeit
A.c.I.-Konstruktionen lassen sich generell schlecht passivieren. Bei kausativen Verben31 ist wie bei Modalverben die Passivierung gar nicht möglich (56-58). Perzeptionsverben werden etwas besser beurteilt (59), noch besser kontinuatives lassen - dies gilt sowohl bei statischen (60b.) wie bei nicht-statischen Infinitiven (60d.) - oder bestimmte Kontrollverben mit der sog. Restrukturierungseigenschaft wie versuchen oder beginnen (61) im Gegensatz zu anfangen (62): (56) a. Wir lassen das Auto reparieren, b. *Das Auto wird reparieren gelassen.
kausatives lassen
(57) a. Wir wollen das Auto reparieren, b. *Das Auto wird reparieren gewollt.
Modalverben
(58) a. Der Alkohol macht den Schmerz vergessen, b. *Der Schmerz wird vergessen gemacht.
kausatives machen
(59) a. Maria hört Peter auf dem Klavier üben, b. ??Peter wird auf dem Klavier üben gehört.
Perzeptionsverben
(60) a. b. c. d.
Maria läßt den Kuchen stehen. kontinuatives lassen Der Kuchen wird stehengelassen. Der Fahrer läßt den Motor an der Ampel laufen. Der Motor wird an der Ampel laufen gelassen.
(61) a. b. c. d.
Maria versucht, Peter zu überzeugen. Peter wird zu überzeugen versucht. Peter begann, die Traktoren zu reparieren. Die Traktoren wurden zu reparieren begonnen.
Restrukturierungsverben
(62) a. Peter fing an, die Traktoren zu reparieren. keine Restrukturierung b. *Die Traktoren wurden zu reparieren angefangen. 1.2.1.5
Adverbiale
Der nächste Punkt, die unterschiedliche Verteilung von Adverbialphrasen bei kontinuativem und kausativem lassen, hängt unmittelbar zusammen mit der vom Matrixverb restringierten Aktionsart der Komplemente: So sind durative Temporaladverbiale (z.B. die 31
Vgl. aber wieder einmal die kausative Verbindungya//e«/a.sie« (i), die passiviert werden kann (ii) und die das Perfekt mit dem Partizip 2 bilden kann (iii): (i) Peter ließ den Stein fallen. Der Kanzler ließ seinen Minister fallen. (ii) Der Stein wurde fallengelassen. Der Minister wurde fallengelassen. (iii) Peter hat den Stein fallengelassen. Der Kanzler hat seinen Minister fallengelassen. Erklären läßt sich dies damit, daß in fallenlassen ausnahmsweise einmal eine kausative Situation punktuell ist (vgl. 2.2.6).
Kausative, perzeptive und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
37
ganze Nacht) mit beiden Lesarten von lassen vereinbar (63a.), punktuelle Adverbiale (z.B. plötzlich) so wie punktuelle Verben nur mit der kausativen Interpretation (63b.). Wie zu erwarten sind beide Arten von Adverbialen gleichermaßen mit Perzeptionsverben verträglich (64): (63) a. Er hat die ganze Nacht über sein Radio spielen lassen / gelassen. b. Er hat plötzlich sein Radio spielen lassen / gelassen. (Huber 1980: 49) (64) a. Er hat die ganze Nacht über die Musikanten spielen hören / gehört, b. Er hat plötzlich die Musikanten spielen hören / gehört. Nach Huber (1980) bestehen auch fur instrumentale Adverbien Unterschiede in bezug auf die Kombinierbarkeit mit A.c.I.-Verben. Sie könnten nicht mit kontinuativem lassen (65), aber doch mit kausativem lassen (66) kombiniert werden. Bei machen (67) und Perzeptionsverben (68) ist dies ebenfalls möglich. (65) a. * Indem wir einen zweiten Nagel einschlugen, haben wir deinen Zettel hängen gelassen. b. *Mit Hilfe eines Pflanzenlexikons haben die Kinder die geschützten Blumen stehen lassen. c. *Mit Hilfe des deutschsprachigen Oberkellners habe ich Kaffee und Kuchen stehengelassen. d. *Durch Auswechseln der Sicherung hat er das Licht brennen lassen. (Huber 1980) (66) a. Durch Auswechseln der Sicherung hat er das Radio wieder spielen lassen. b. Mit Hilfe eines deutschsprechenden Oberkellners habe ich mir Kaffee und Kuchen bringen lassen. c. Durch zuviel Gas beim Starten hat der Fahrschüler den Motor absaufen lassen. d. Durch leichtes Kopfnicken habe ich mir Kaffee und Kuchen hinstellen lassen. (Huber 1980) (67)
Durch seine Grimassen macht er die Leute lachen.
(68) a. Mit Hilfe einer Schutzbrille sehen die Kinder den Mond sich vor die Sonne schieben. b. Durch das Eintauchen ihrer Hand fühlt sie das Wasser heiß werden. Weiterhin liegen in beiden /asiert-Konstruktionen Skopus-Unterschiede bei der Interpretation von Adverbialphrasen vor (vgl. die folgenden Beispiele aus Huber 1980: 50). Die a)-Varianten sind jeweils kontinuativ, die b)-Varianten kausativ zu interpretieren. (69) a. Sie hat ihn verärgert gehen gelassen, b. Sie hat ihn verärgert gehen lassen. (70) a. Sie hat ihn im Bett krank liegen gelassen.
38
Kapitel 1 b. Sie hat ihn im Bett still liegen lassen. (71) a. Er hat die Sonderanfertigung aus Japan kommen gelassen, b. Er hat die Sonderanfertigung aus Japan kommen lassen. (72) a. Ich habe die Frau in meinem Bett schlafen gelassen, b. Ich habe die Frau in meinem Bett schlafen lassen.
Wie Huber feststellt, gilt für die Prädikative (69-70) bzw. Adverbialphrasen (71-72) in den kontinuativen a)-Sätzen jeweils, daß sie das Komplementsubjekt modifizieren. Für die Adverbien oder direktionalen bzw. lokalen Adverbialen in den kausativen b)-Sätzen hingegen gilt folgendes: In (69b.) bezieht sich verärgert auf das Matrixsubjekt. In (70b.) modifiziert still das Komplementverb, wodurch sich eine dynamisch-durative Interpretation ergibt. Ebenso hat die direktionale bzw. lokale Adverbialphrase in (71b.) bzw. (72b.) den Status eines Modaladverbs, das das Komplementverb modifiziert, und nicht den eines subjekt-modifizierenden Adverbs wie in (71a.) bzw. (72a.). 1.2.1.6 Präsuppositive
und implikative
Beziehungen
Für affirmative Konstruktionen mit kausativem und nicht-kausativem lassen gelten unterschiedliche präsuppositive, aber - wie es scheint - gleiche implikative Beziehungen (vgl. Huber 1980: 44 ff.). Kausation bedeutet das Zustandebringen, Kontinuation der Fortbestand. Vergleiche z.B. die folgenden Sätze: (73) a. Der Lehrer hat den Schüler reden gelassen, b. Der Lehrer hat den Schüler reden lassen. In (73a.) liegt eindeutig nicht-kausatives lassen vor. Der Lehrer hat den Schüler nicht unterbrochen. Wenn die prinzipiell ambige Variante (73b.) ausschließlich kausativ interpretiert wird, so hat der Lehrer dem Schüler das Wort erteilt. Entsprechend gilt als Voraussetzung zur Kontinuation in (73 a.), daß unmittelbar zuvor das Reden bereits im Gange war (74a), als Voraussetzung zur Kausation in (73b.) hingegen gilt das NichtReden (74b.). (74) Präsupposition von (73) a. Der Schüler redete vorher. b. Der Schüler redete vorher nicht.
(von 73 a.) (von 73b.)
Als Folgerung aus einer KK (73 a.) und einer KoK (73b.) hingegen wird unbedingt (75a.), aber niemals (75b.), akzeptiert: (75) Implikation aus (73) a. Der Schüler redete nachher. b. *Der Schüler redete nachher nicht.
(aus 73a.-b.) (*)
Kausative, perzeptive und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
39
Somit ist kausatives lassen ein negativ präsupponierendes, kontinuatives lassen ein positiv präsupponierendes Verb, aber beide positiv implikative Verben. Wie sieht es nun bei Perzeptionsverben aus? Nach allgemeiner Überzeugung (vgl. etwa Felser 1999) herrscht hier eine Bedingung der Simultaneität von Matrix- und Komplementsituation vor: In (76) finden die Rede und Marias Hören zumindest partiell gleichzeitig statt (sofern einmal von der Ausbreitung der Schallwellen abstrahiert wird). Dies entspricht dem üblichen Verständnis von Wahrnehmung. (76)
Maria hörte den Politiker reden.
Bei Perzeptionsverben bleibt offen, ob hier eine bestimmte Voraussetzung oder Folgerung gilt. Eine präzise Aussage über den zeitlichen Verlauf von Hören und Rede kann damit nicht getroffen werden.
1.2.2 Englisch Die nun folgende Darstellung der Unterschiede von KK und PVK im Englischen orientiert sich an Kap. 2.5 aus Felser (1999). Der einzige Typ, in der diese Konstruktionen in dieser Sprache auftreten, ist die ECM- (A.c.I.-) Konstruktion mit einem reinen Infinitiv ohne to.
1.2.2.1 Progressiv-Form des Komplements Im Englischen, wo progressive und nicht-progressive Verbformen morphologisch unterschieden werden, lassen sich Perzeptionsverben mit der Progressivform und dem reinen Infinitiv kombinieren (77), Kausativverben nur mit dem Infinitiv 32 (78), während das kontinuative Verb leave nur die Progressivform selegiert (79): (77) a. John saw the boy crossing the street, b. John saw the boy cross the street. (78) a. *John made his son crossing the street, b. John made his son cross the street. (79) a. The children leave the plants standing, b. *The children leave the plants stand. Nicht nur das Verb make, sondern auch alle anderen im Englischen verwendeten kausativen Verben, wie z.B. get (80), have (81) und let (82) vertragen sich nicht mit der Progressivform: (80) a. *John got the boy crossing the street.
32
Felser (1999) weist in Kap. 2.5 auf diesen Unterschied in den Selektionseigenschaften von kausativen Verben und Perzeptionsverben im Englischen hin.
40
Kapitel
I
b. John got the boy to cross the street.33 (81) a. *John had the boy crossing the street, b. John had the boy cross the street. (82) a. *John let the boy crossing the street, b. John let the boy cross the street. Für die syntaktische Analyse von PVK ist der Nachweis wichtig, daß die -/«g-Komplemente strukturell ambig sind (vgl. Felser 1999). Decklerck (1982) argumentiert dafür, daß dem Satz (83) drei verschiedene Lesarten zugeordnet werden können, die in (83'a.c.) paraphrasiert sind: (83)
I saw the moon rising over the mountain.
(83') a. I saw the moon which was rising over the mountain. b. I saw the moon as it was rising over the mountain. c. I saw the event of the moon's rising over the mountain. Satz (83'a.) verdeutlicht die Lesart eines reduzierten Relativsatzes (,pseudo-modifier construction' bei Decklerck), Satz (83'b.) zeigt einen adjungierten Partizip-Satz, während schließlich (83'c.) die Situationslesart illustriert. Diese Interpretation des Komplements als Situation entspricht am ehesten der Lesart des infiniten Komplements in (84). (84)
I saw the moon rise over the mountain.
1.2.2.2 Pronominalisierung
des
Komplement-Nominals
Felser weist darauf hin, daß im Englischen PVK-Komplemente pronominalisiert werden können (85a.), Komplemente von KK aber nicht (85b.).34 (85) a. Bill saw John jump, and Mary saw it too b. *Bill made/helped/let/had John jump, and Mary made/helped/let/had it too.
33
34
Hier unterscheiden sich allerdings die Verben make, have, let von get', get wird in der aktivischen Form mit dem to-Infinitiv verbunden, die übrigen Verben nur mit dem reinen Infinitiv. Für Mittwoch (1990) ist charakteristisch, daß bei PVK das durch das Komplement ausgedrückte Ereignis (event) oder die Situation (situation) unabhängig von der Wahrnehmung existiert, bei KK aber erst durch die Kausation zustandekommt. Hingegen deutet dieser Kontrast für Thomas Ede Zimmermann (persönliche Mitteilung) auf die sogenannte referentielle Opazität kausativer Verben hin. Insofern handle es sich hier weniger um die Frage der unabhängigen Gegebenheit einer Situation als um den Unterschied zwischen (spezifischem) Einzelereignis (85a.) und (unspezifischem) Ereignistyp (85b.). Zu einer Definition von referentieller Transparenz vgl. Quine (I960: 144).
Kausative, perzeptive und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
41
1.2.2.3 Nominalisierung des Komplements Dementsprechend besteht derselbe Unterschied zwischen diesen Verbgruppen auch in bezug auf die Nominalisierung. Anders als bei einem perzeptiven Verb ist bei einem kausativen Verb eine Ersetzung des Infinitivkomplements durch ein Nomen unzulässig (86). (86) a. b. c. d.
We saw/watched Mary depart We saw/watched Mary's departure We made/helped/let/had Mary depart *We made/helped/let/had Mary's departure
1.2.2.4 Matrixpassivierung Die Verben let und make unterscheiden sich dadurch von den anderen kausativen Verben, daß sie gelegentlich die Bildung des Matrixpassivs zulassen, allerdings beschränkt auf eine Reihe von eingefrorenen Syntagmen mit idiomatischen Ausdrücken (vgl. Felser 1999: 55). (87) a. John was let go by the police. b. She was made believe that she wouldn't have to pay anything. c. *John was seen/made/helped/had go (by Mary). (Felser 1999:54)
1.2.3 Französisch, Italienisch, Spanisch Im folgenden beschränke ich mich auf drei charakteristische Unterschiede von KK und PVK. Erstens diskutiere ich den Unterschied zwischen den mit Perzeptionsverben grammatischen und den mit kausativen Verben ungrammatischen A.c.I.-Konstruktionen mit nominalem Komplementsubjekt (vgl. Kayne 1975), zweitens im Italienischen die Grammatikalität eines Reflexivpronomens beim Infinitiv von PVK-Komplementen, aber dessen Ungrammatikalität beim Infinitiv von KK-Komplementen. Und drittens die im Italienischen in KK mögliche und in PVK unmögliche Bildung eines Matrixpassivs.
1.2.3.1 Typologie In Sprachen wie dem Französischen oder Italienischen besteht zwischen KK und PVK ein grundlegender Unterschied. In KK darf kein Nomen zwischen kausativem Matrixverb und Infinitiv intervenieren, so daß Verb und Infinitiv adjazent stehen müssen 35 (88a., c., e.). In PVK hingegen existiert keine solche Restriktion, und somit sind beide Abfolgen möglich (für das Französische (88b.) und (88d.)). (88) a. *Jean fait l'étudiant travailler. 'J. läßt den Studenten arbeiten' b. Jean voit l'étudiant travailler. 35
Dies schließt nicht aus, daß nicht doch bestimmte adverbiale Ausdrücke intervenieren können (vgl. Kayne 1975).
Kapitel 1
42 'J. sieht den Studenten arbeiten' c. Jean fait travailler l'étudiant. 'J. läßt arbeiten den Studenten' d. Jean voit travailler l'étudiant. 'J. sieht arbeiten den Studenten' e. Maria ha fatto lavorare Giovanni. 'Μ. ηοπ1 hat lassen arbeiten H. acc ·
(Burzio 1986: 236)
1.2.3.2 Reflexivpronomen im Italienischen Guasti (1993: 115) weist daraufhin, daß in den Komplementen von italienischen KK ein Reflexivpronomen ungrammatisch ist, in den Komplementen von PVK es aber präsent ist. Im Spanischen und Französischen findet sich kein vergleichbarer Unterschied. Dies ist für KK in (89), für PVK in (90) zu sehen. Der Grammatikalitätsunterschied im Italienischen zeigt sich in (89a.) vs. (90a.). (89) a. *Ho fatto svegliarsi la ragazza. b. J'ai fait se réveiller la jeune fille. c. Hizo despertarse a la niña. Ί made the girl wake herself up' (90) a. Ho visto svegliarsi la ragazza. b. J'ai vu se réveiller la jeune fille. c. Vi despertarse a la niña. Ί have seen the girl wake herself up'
1.2.3.3 Passivierung im Italienischen Eine weitere im Italienischen zu beobachtende Asymmetrie zwischen KK und PVK betrifft die Matrixpassivierung 36 . Nach Guasti (1993) ist sie in KK zu finden (91) und in PVK nicht (92). (91)
La macchina fu fatta riparare (da Ugo), 'the car was made repair (by Ugo)'
(92)
* La macchina fu vista riparare (da Ugo). 'the car was seen repair (by Ugo)'
1.3 Die Typologie von KK im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen KK weisen in natürlichen Sprachen eine größere syntaktische Variabilität auf als PVK und KoK. Dies zeigt sich insbesondere in der Unterscheidung von drei Typen von KK 36
Diese fehlt im Französischen und ist allenfalls marginal möglich im Spanischen, vgl. 1.3.3.
Kausative, perzeptive und kontinuative Infinitivkonstruktionen
43
mit unterschiedlichen syntaktischen Eigenschaften (vgl. Baker 1988, Watanabe 1993), die in den einzelnen Sprachen unterschiedlich verteilt sind: A.c.I.-Konstruktionen, Faire Infinitive- und Faire Par-Konstruktionen. Entsprechend geht es im folgenden darum, die Eigenschaften von KK in den untersuchten Sprachen zu vergleichen, angefangen von der Anzahl der Matrixverben über die Eigenschaften von A.c.I.-Kausativen, Reduzierten Kausativkonstruktionen (Faire Infinitive) bis hin zum /asie/j-Passiv (Faire Par). 1.3.1 K a u s a t i v e M a t r i x v e r b e n Sprachen unterscheiden sich durch die Anzahl und die Bedeutung kausativer Verben. So existieren in den romanischen Sprachen zwei kausative Verben: frz. faire und laisser, it. fare und lasciare und span, hacer und dejar. Das eine wird direktiv-kausativ, das zweite permissiv-kausativ verstanden 37 . Von den deutschen Verben ist lassen gegenüber machen sehr viel produktiver. Das Englische hingegen verfugt über eine ganze Reihe kausativer Verben, die einen Bedeutungsunterschied aufweisen: induce, get, cause, have, make. Betrachten wir an einigen Beispielen die Bedeutungsunterschiede (vgl. Talmy 1976, S. 106 ff.):
(93)
(94)
induced! Smoke getting in its eyes « * got f the squirrel to leave its tree, caused J induced I got > the squirrel to leave its tree by fanning smoke in its eyes. * caused J
Induce ist bezüglich des Typs der Kausation am neutralsten. Es legt dem Satz keine Restriktionen auf. Get folgt obligatorisch einem agentiven Matrixsubjekt (94), während umgekehrt cause nur nach einem genauer spezifizierten Ereignis steht. Dies erfordert die Verwendung der Verlaufsform im Matrixsatz (93). Have wiederum folgt wie get obligatorisch einem agentiven Matrixsubjekt und ist zudem inkompatibel mit der ¿^-Phrase (95b.): (95) a. *My giving her instructions had the maid clean the kitchen. b. I had the maid clean the kitchen (* by giving her instructions). Zudem spezifiziert have, daß die Kausation vom Matrixsubjekt in Form einer Vorschrift vorgegeben wird, der das Komplementsubjekt (der Causee) zu folgen hat, so daß es sich beim Causee um ein vernunftbegabtes Wesen handeln muß. Die Komplementsituation muß von einem agentiven Subjekt ausgeführt werden können. Dementsprechend ist (96) ungrammatisch und (97) mit dem agentiven Verb hide grammatisch: (96)
37
* I had the squirrel leave its tree.
Das zweite Verb hat jeweils neben einer permissiv-kausativen Bedeutung (zulassen) auch eine kontinuative Lesart.
Kapitel 1
44 (97)
I had him * misplace / hide the pen somewhere in the kitchen.
Make wiederum spezifiziert, daß das Subjekt des Matrixsatzes die Handlung mit Hilfe von Drohungen erzwingt, get nicht (98, 99): f got
i ^ him (to) clean the garage I* madej
(98)
H
(99)
Ii
by promising to raise his allowance (if he did).
Í g0t Ì> him (to) clean the garage by threatening to cut his allow, (if he didn't). I madej
1.3.2 Kausative A.c.I.-Konstruktionen In A.c.I.-Konstruktionen wird das Subjekt des eingebetteten Infinitivs zum ersten Objekt und das direkte Objekt zum zweiten Objekt. In Baker (1988) wird die Bildung dieses Typs durch die folgende Regel erfaßt: (100)
Regel zur Bildung der Faire Infinitive Konstruktion Subjekt • Erstes Objekt Objekt • Zweites Objekt
Kausative A.c.I.-Konstruktionen finden sich im Deutschen und Englischen (vgl. 1.2). In den romanischen Sprachen findet sich eine A.c.I.-Struktur nur bei einem pronominalen Komplementsubjekt, das dann an das Matrixverb klitisiert.
1.3.2.1 A.c.I.-Konstruktionen mit kausativen Verben in den romanischen Sprachen Während eine A.c.I.-Struktur mit einem nominalen Komplementsubjekt in den romanischen Sprachen nicht möglich ist ((101a.) für das Italienische und (102a.) fur das Französische), erlauben das Italienische (101b.) als auch das Französische (102b.) bei einer Klitisierung des Komplementsubjekts eine A.c.I.-Struktur. Das Italienische (101c.), nicht aber Französische (102c.) erlaubt darüber hinaus die A.c.I.-Struktur, wenn das eingebettete Subjekt passiviert wird. (101)a. *Maria ha fatto [Giovanni riparare la macchina] 'M. nom hat gelassen G.noin reparieren das Autoacc' b. ?Maria lo ha fatto [ [e] riparare la macchina] 'M-noiri ihnacc hat lassen reparieren das Auto acc ' c. Giovanni fu fatto [t¡ riparare la macchina] 'G.nom wurde gelassen reparieren das Auto acc '
(Burzio 1986: 236)
(Burzio 1986: 232)
(102)a. *Jean a fait Pierre rencontrer ces femmes (Rouveret & Vergnaud 1980: 156) 'J.nom hat lassen P.acc treffen diese Frauen acc '
Kausative,
perzeptive
und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
45
b. Jean l'a fait rencontrer ces femmes 'J.non) ihnacc hat lassen treffen diese Frauenacc' c. *Ces femmes ont été fait rencontrer Jean 'die Frauen nom wurden gelassen treffen J. acc' 1.3.2.2 Kausative A.c.¡.-Konstruktionen
im Englischen
Im Englischen gibt es bei KK zwei Arten von Passiven: Das eine ist die schon besprochene Art mit reinem Infinitiv, die aber nur in wenigen Wendungen vorliegt (103). ( 103) a. John was let go by the police b. She was made believe that she wouldn't have to pay anything c. *John was seen/made/had go (by Mary) Der andere Typ sieht so aus, daß in der passivierten Fassung ein to eingesetzt werden muß (104), das in der aktiven Fassung fehlt (105). (104)a. *John was made fix the car b. John was made to fix the car ( 105)a. Mary made John fix the car b. *Mary made John to fix the car Nun stellt allerdings Felser m.E. zu Recht in Frage, ob ein perzeptiver Satz wie (106b.) wirklich das passive Pendant zu einem aktiven Satz wie (106a.) ist. Sie zeigt, daß das Verhältnis von (106a.) zu (106b.) ein anderes ist als zwischen gewöhnlichen Aktiv- und Passivsätzen (107) (Felser 1999: 30).38 (106)a. Someone saw John draw a circle b. John was seen to draw a circle (107)a. John drew a circle b. A circle was drawn by John Diese Diskrepanz zeigt sich erstens darin, daß z.B. in dem folgenden Satzpaar ein deutlicher Grammatikalitätskontrast zwischen aktiver und passiver Form (vgl. Felser 1999: 31) besteht: (108)a. I smelled the toaster burn the toast b. *The toaster was smelled to burn the toast
38
Grammatische Beispiele, die mit ίο-Infinitiv gebildet werden und die das passive Korrelat zu PVK darstellen sollen (vgl. Kirsner 1977), lassen sich stattdessen auf io-Perzeptionsverbkonstruktionen zurückführen.
46
Kapitel 1
Zweitens gibt es im Englischen eine ganze Reihe von kausativen und nicht-kausativen Verben, die in ECM-Konstruktionen gar kein Passiv bilden können, wie watch und listen (109). (109)a. We watched John draw a circle b. *John was watched to draw a circle Und drittens spricht dagegen, daß es im Englischen eine Reihe von Verben gibt, die sog. wager-Verben, die nur die Einbettung eines passiven Komplements zulassen (vgl. Postal 1973 sowie meine Anmerkungen in 5.2), so daß die Derivation der passiven Konstruktion offensichtlich über eine lexikalische Eigenschaft der Verbform gesteuert wird und nicht als syntaktische Derivation zählt.
1.3.3 Reduzierte Kausativkonstruktionen (Faire Infinitive) Beispiele für reduzierte KK stellen die Sätze in (110) für transitive Verben und (111) für intransitive Verben dar. 39 Dabei ist diese Konstruktion im Französischen nicht in allen Fällen möglich, in denen sie im Italienischen gebildet werden kann. (1 lOd.) ( 110)a. Maria ha fatto riparare la macchina a Giovanni. 'M.nom hat lassen reparieren das Auto acc Hans^,' b. Elle a fait visiter la ferme à ses parents. 'sie nora hat lassen besuchen die Farm acc ihre Eltern^,' c. Juan hizo comer el pastel al niño. 'J. nom ließ essen den Kuchen acc das K ü u W d. *Marie a fait réparer la voiture à Jean. 'M. nom hat lassen reparieren das Auto acc J.^,' (11 l)a. Maria ha fatto lavorare Giovanni. 'M. hat machen arbeiten Hans' b. Pierre fera travailler Marie. 'P. wird-machen arbeiten M.' c. Hice venir a Juan. 'ich ließ kommen J.' d. Lo hice venir. 'ihn ich ließ kommen'
(Burzio 1986: 228) (Kayne 1975: 204) (Goodall 1987: 102) (Isabelle Baczek, p.M.)
(Burzio 1986: 236)
(Bordelois 1988: 82)
Die Kausativbildung mit der Faire Infinitive-Konstruktion zeichnet sich dadurch aus, daß in transitiven Komplementverben das Komplementsubjekt im Dativ und das Komplementobjekt im Akkusativ steht.
39
Zitiert nach Grewendorf ( 1995).
Kausative,
perzeptive
und kontinuative
47
Infinitivkonstruktionen
In Baker (1988) werden die Eigenschaften dieses Typs durch folgende Regel beschrieben: (112)
Regel zur Bildung der Faire Infinitive Konstruktion Ergativ • Indirektes Objekt Absolutiv • Direktes Objekt
Die Faire Infinitive-Konstruktion findet sich in vielen romanischen Sprachen und im Türkischen oder im Berber. In diesem Fall unterscheiden sich die kausative Konstruktion deutlich von Perzeptionsverbkonstruktionen (vgl. Guasti 1993). Solche Konstruktionen fehlen im heutigen Deutsch und im Englischen.
1.3.3.1 Deutsch (18. Jahrhundert): Beispiele für reduzierte
Kausative
Im heutigen Standarddeutschen werden KK entweder als A.c.I. bzw. lassen-Passiv gebildet, während der dritte Typ, die sog. reduzierten Kausative (Faire Infinitive-Konstruktion) fehlt. Allerdings finden sich im Deutschen des 17. und 18. Jahrhunderts Beispiele für Infinitivkonstruktionen, die mit dem kausativen lassen (aber nicht mit machen) gebildet werden, welche die Eigenschaften von reduzierten KK aufweisen: Das logische Subjekt des Infinitivs erscheint im Dativ. Diese Konstruktion ist beschränkt auf Infinitive des Wissens, Erfahrens, Fühlens, Empfindens (vgl. Ebert et al. 1993: 404). 40 Zumindest kommen die Beispiele in DWB bzw. Paul aus dieser engen Gruppe von Infinitiven: (113)a. diese Aufschrift wird ihnen den Inhalt ungefähr erraten lassen (Lessing, n. Paul: 590) b. wo man's so nach und nach den Leuten sehen läßt (Goethe) c. er möchte dem Junker wenigstens wissen lassen (Heinrich von Kleist) d. er liesz ihnen wissen, dasz er morgen früh auf befehl des sultans deylhi verlasse (Wieland 8,443) e. lasz du deinem liebling niemals fühlen, dasz [...] lasz ihm nie empfinden, o du holde, dasz (Gökingk3, 102f.) Ebenso findet sich in der kirchlichen Liturgie mit dem Segen (4 Moses 6, 21-27) ein interessantes Beispiel für die aus den romanischen Sprachen bekannte, im heutigen Deutschen untypische Adjazenz von finitem Verb und Infinitiv in Hauptsätzen (114). (114)
Der Herr lasse leuchten sein Haupt über euch und schenke euch Frieden.
Mit den oben aufgeführten Beispielen hat der Segen gemeinsam, daß der Infinitiv leuchten ansonsten üblicherweise einen Zustand denotiert, bei KK aber als dynamisch gedeu40
„Diese Entwicklung hängt zweifellos mit dem Rückgang des doppelten Akkusativs bei dreistelligen Verben wie lehren, kosten, heißen [...] zusammen; der Einfluß des Französischen ist wohl auch mit im Spiel." (Ebert et al. 1993: 404)
Kapitel I
48
tet wird. Dies spricht dafür, daß die Bildung von reduzierten KK im Deutschen niemals vollständig grammatikalisiert war, sondern immer verbunden war mit einer bestimmten Funktion des kausativen Matrixverbs lassen·. Es deutet die infinite Komplementsituation als dynamisch um.
1.3.3.2 Abfolge von Komplementsubjekt (Causee) und Infinitiv Im Französischen und Italienischen ist die Abfolge von Komplementsubjekt und Infinitiv vorgegeben: Der Infinitiv geht dem Komplementsubjekt voraus (vgl. 11 la.-b.). Eine Umkehrung der Abfolge ist ungrammatisch (115). (115)a. *Maria ha fatto Giovanni lavorare, b. *Pierre fera Marie travailler. Im Spanischen hingegen ist die Abfolge im Komplement nicht festgelegt. In den meisten spanischen Dialekten kann das Komplementsubjekt ebenfalls in prä-infinitiver Position stehen (vgl. Torrego 1998). Die folgenden Beispiele (116) und (118) aus Treviño (1994) belegen dies, während (117) zum Vergleich die entsprechenden Sätze aus dem Französischen zeigt: ( 116)a. Hizo a su hermano vender la casa. 'pro made to his brother sell the house' b. Hizo vender la casa a su hermano, 'pro made sell the house to her brother' (117)a. *Elle fait à son frère vendre la maison. 'she made to his brother sell the house' b. Elle fait vendre la maison à son frère, 'she made sell the house to her brother' (118)a. El fantasma hizo *(a) una niña llorar desconsoladamente, 'the ghost made to a child cry sorrowfully' b. El fantasma hizo llorar *(a) una niña, 'the ghost made to a child cry sorrowfully'
1.3.3.3 Lange Passivierung des eingebetteten Objekts In einigen Sprachen besteht die Möglichkeit, das eingebettete Objekt zu passivieren. Die lange Passivierung des eingebetteten Objekts ist möglich im Italienischen und Berber (119a., Alalou & Farrell 1993), aber nicht im Französischen (119b., vgl. Zubizarreta 1985, Burzio 1986). (119)a. La macchinai fu fatta riparare t, a Giovanni/da Giovanni (Burzio 1986: 258) b. *La maison a été faite construire par Jean
Kausative, perzeptive und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
49
Entsprechende Beispiele aus dem Spanischen werden unterschiedlich beurteilt. So wird in Zubizarreta (1985) das Beispiel in (120) als ungrammatisch beurteilt, während Torrego (1998: 97) die Beispiele in (121) aus dem Spanischen und Katalanischen akzeptiert. (120) * La casa fué hecha construir (por Casimiro)
(Zubizarreta 1985: 268)
(121) a. Este palacio fue hecho construir por el rey X b. Aquest palau fou fet construir pel rei Χ
(Torrego 1998: 97)
1.3.3.4
Partizip-Kongruenz
Während das Spanische generell (entsprechend auch in Kausativkonstruktionen) keine Kongruenz des Partizips mit dem klitischen Objektpronomen aufweist (122a.), weisen das Französische (122b.) und Italienische (122c.) zwar „normalerweise" Partizip-Kongruenz auf, bei KK ist die Kongruenz jedoch nur im Italienischen (123a.), aber nicht im Französischen vorhanden (123b.) (Guéron & Hoekstra 1988: 69). ( 122) a. Los he tomado 'sieacc (ich) habe genommen' b. Je les ai prises (fem., pl.) 'ich sieacc habe genommen' c. Li ho presi 'sieacc (ich) habe genommen'
Spanisch Französisch (Guéron & Hoekstra 1988: 69) Italienisch
(123)a. La ho fatta riparare a Giovanni 'sieacc/fem (ich) habe lassenfem reparieren G.dat' (Burzio 1986: 258) b. Jean les a fait acheter à Marie 'J. sieacc hat lassen kaufen M.^,' (Rouveret & Vergnaud 1980: 166)
1.3.3.5 Reflexives KlitiJcum Im Gegensatz zu sonstigen Akkusativ-Klitika wie z.B. franz. le, la, les klitisiert das Reflexivpronomen im Französischen und Spanischen, aber nicht im Italienischen an den eingebetteten Infinitiv des Kausativ-Komplements. (124)a. On a fait se¡ raser Pierre¡ 'man hat lassen sich rasieren P.' b. *Elle fera le manger à Jean 'sie wird-lassen es essen J.^,' c. Lo hicimos afeitarse a Pedro d. *Mario ha fatto accusarsi Piero 'M. hat lassen anklagen-sich P.'
(Zubizarreta 1985: 274) (Kayne 1975: 270) (Zubizarreta 1985: 274)
Im Französischen (nicht aber im Spanischen) hat diese Form der Klitisierung die Besonderheit, daß das Subjekt des Kausativ-Komplements nicht im Dativ erscheint, was nahelegt, daß das reflexive se nicht als direktes Objekt zählt, cf. (124a.) mit (125):
Kapitel 1
50 (125)
On a fait se¡ laver les mains à Pierre; 'man hat lassen sich waschen die Hände P.'
Diese Unterdrückung des Dativs ist allerdings keine reflexiv-spezifische Erscheinung, wie Rouveret & Vergnaud (1980) zeigen. Sie ist auch zu beobachten mit nicht-reflexivem te, me, vous, nous: (126) a. *Pierre a fait te¡ raser à Paul b. ?Pierre a fait te, raser Paul c. Pierre t'a fait te¡ raser (127)a. ""Pierre t'a fait raser à Paul b. »Pierre t'a fait raser Paul 1.3.3.6
(Rouveret & Vergnaud 1980: 143)
Antikausativ-Morphem
In sog. Transitiv-AJnkausativ-Alternationen kann das externe Argument durch ein Antikausativ-Morphem (se im Französischen, si im Italienischen) ersetzt werden. Dies ist in (128) für das Französische (externes Argument: le vent) und in (129) für das Italienische gezeigt (externes Argument: il vento). ( 12 8) a. Le vent dissipe les nuages 'der Wind löst-auf die Wolken' b. Les nuages se dissipent 'die Wolken sich lösen-auf c. *Les nuages dissipent ( 129) a. Il vento dissipa le nubi 'der Wind löst-auf die Wolken' b. Le nubi si dissipano 'die Wolken sich lösen-auf c. *Le nubi dissipano
(Zubizarreta 1985: 266)
Wenn solche Unkausative von dem kausativen Verb faire / fare / hacer eingebettet werden, fehlt das Antikausativ-Morphem im Italienischen (130), im Französischen kann es optional erscheinen (131), und im Spanischen ist es obligatorisch (132): (130)
Il vento ha fatto dissipare le nubi
(131)a. Le vent a fait dissiper les nuages b. Le vent a fait se dissiper les nuages (132)a. *E1 viento hizo disipar las nubes b. El viento hizo disiparse las nubes
(Zubizarreta 1985: 268,282)
Kausative, perzeptive und kontinuative Infinitivkonstruktionen
51
1.3.3.7 Lange Bindung des eingebetteten indirekten Objekts Lange Bindung des eingebetteten indirekten Objekts durch das Subjekt des Matrixsatzes ist im Italienischen marginal möglich, nicht aber im Französischen. In (133) sind die Bindungsbeziehungen zwischen Subjekt und Reflexivpronomen durch Ko-Indizierung verdeutlicht. (133)a. ?Maria¡ farà telefonare Giovanni a se stessa¡. (Burzio 1986: 310) 'M. wird-lassen telefonieren G.acc mit sich' b. Abbiamo fatto telefonare la segretaria a tre o quattro studenti ciascuno (Burzio 1986 :243) '(wir¡)-haben lassen telefonier, die Sekretärinacc mit 3 oder 4 Studenten jeder¡ ' c. *Nous ferons écrire notre ami l'un à l'autre¡ (Kayne 1975: 285) 'wir werden-lassen schreiben unseren Freunden einander'
1.3.4 Das lassen-Passiv (Faire Par) Beispiele für das /assew-Passiv sind in (134) aufgeführt: (134)/asic«-Passiv im Deutschen, Italienischen, Französischen und Spanischen a. Hans ließ von dem Studenten das Auto reparieren. b. Maria ha fatto riparare la macchina da Giovanni. 'M.nora hat lassen reparieren das Autoacc von Hans' c. Elle fera manger cette pomme par Jean, 'sie wird-lassen essen diesen Apfel von J.' d. Hicieron destruir la ciudad por los soldados. '(sie) ließen zerstören die Stadtacc von den Soldaten' (Bordelois 1988: 58) Beim /asje«-Passiv erscheint das Objekt der Komplement-Situation in der Objekt-Position des Matrixverbs, während das Subjekt der Komplement-Situation (optional) im obliquen Kasus erscheint. Im Deutschen ist dies eine vo/i-Präpositionalphrase (oder eine i/wrc/2-Präpositionalphrase). Dieses Verhältnis wird in der folgenden Regel dargestellt (135): (135)
Regel zur Bildung der Faire Par-Konstruktion (des /asse«-Passivs) Subjekt • Obliques Objekt (optional) Objekt • Objekt
1.3.4.1 Typologie: Der Schwund des lassen-Passivs im Englischen Auch im Englischen lohnt der Blick auf frühere Sprachstufen des lassen-Passivs (Faire Par), denn nach Guasti (1993) war früher diese Konstruktion durchaus gebräuchlich. Das moderne Englische aber bildet kein lassen-Passiv. Dies ist in (136) zu sehen. (136) * John made the car fix by the student.
Kapitel 1
52
Guasti sieht einen Zusammenhang des Schwunds dieser Konstruktion mit dem Verlust des Infinitiv-« im 16. Jahrhundert (Guasti 1993: 112). Dies sollen die von ihr aufgeführten Beispiele aus dem Mittelenglischen belegen (137): (137)a. cl200 Juliana (MS Royal) 40,1 ich makede tenden ierusalem b. cl374 Chancer, Boece II metr. 6,3 He leet brennen the cite of Rome (Visser, vol. III 1973: 1355-61) In diesen Beispielen ist der Infinitiv anders als im modernen Englisch durch die Endung -n gekennzeichnet. 1.3.4.2 Gemeinsamkeiten
und Unterschiede von Passiv und Faire Par
Guasti (1990: 206 f.) fuhrt in Anlehnung an Kayne (1975) und Burzio (1986) einige Gemeinsamkeiten von Passiv und Faire Par auf: - Beide Konstruktionen erlauben die vow-Phrase für das externe Argument. -Ausdrücke des unveräußerlichen Besitzes sind weder bei KK noch bei Passiven zu finden (138). (138)a. *Der Kopf wurde von Hans geschüttelt, b. * Maria läßt von Peter den Kopf schütteln. -Nicht-passivierbare idiomatische Ausdrücke erlauben kein Faire Par (139). (139)a. *Die Daumen wurden von Hans gedrückt, b. *Maria läßt von Hans die Daumen drücken. - Maßangaben können weder passiviert werden noch erlauben sie Faire Par (140). (140) a. * 180 cm werden von Peter gemessen. b. * Seine Diät ließ ihn nur noch 150 kg wiegen. Hingegen bestehen zwischen beiden Konstruktionen auch eine Reihe von Unterschieden: -Bei Faire Par gibt es normalerweise keine Passivmorphologie. Im Japanischen ist es möglich, daß ein Passivmorphem innerhalb des Kausativmorphems vorkommt. Im Schwedischen gibt es Faire Par mit overter Passivmorphologie (vgl. Vikner 1987). - Die Konstruktion ist auf Infinitive beschränkt, die affizierte Objekte haben. D.h. Verben wie fürchten, sehen, verdienen, hoffen bilden die A.c.I.-Konstruktion, aber kein Faire Par, obwohl sie das Passiv bilden können (141). (141)a. Das Regime läßt den Botschafter den Gefangenen sehen. b. *Das Regime läßt den Gefangenen (vom Botschafter) sehen, c. Der Gefangene wird (vom Botschafter) gesehen.
A.c.I. lassen-Passiv Passiv
Kausative, perzeptive und kontinuative
Infinitivkonstruktionen
53
Drittens kann im Gegensatz zur von-Phrase des Passivs die vow-Phrase der Faire ParKonstruktion nicht kontrollieren (142-144). (142)a. Die gesamte Arie wurde von Raimondi wiederholt ohne PROj eine Pause zu machen. b. Der Dirigenti ließ die gesamte Arie von Raimondij wiederholen ohne PROj/.j eine Pause zu machen (143)a. Questo monumento è stato construite dall' architetto Nervi per ottenere appoggi politici. 'dieses Bauwerk ist gebaut vom Architekten Nervi um erhalten Unterstützung politische' b. *I1 sindaco ha fatto construir il monumento per ottenere appoggi politici, 'der Bürgermeister ließ bauen dieses Bauwerk um erhalten Unterstützung politische' (144)a. Der Studenti wurde eingeladen ohne PRO¡ eine schriftliche Einladung zu erhalten. b. *Maria ließ den Studenten¡ von ihrer Sekretärin einladen ohne eine schriftliche Einladung zu erhalten Nicht immer besteht auch eine Alternation zwischen A.c.I. und /owe/j-Passiv, wie sie zwischen Aktiv und Passiv besteht (vgl. Höhle 1978: 71). (145)a. Karl ließ sich von dem Reichtum beeindrucken, b. *Karl ließ den Reichtum ihn beeindrucken. 1.3.4.3 Aktor-Ellipse
bei intransitiven
Verben
Kausativ-Komplemente mit intransitiven Verben erlauben im Deutschen wie im Italienischen (cf. Burzio 1986: 253), nicht jedoch im Englischen oder Französischen Auslassung des Subjekts. Dies ist in (146-148) für diese Sprachen gezeigt. (146)a. *Der Chef ließ von den Studenten arbeiten b. Der Chef ließ hart arbeiten c. *The boss made work hard (147) a. *Farò lavorare da Piero '(ich) werde-lassen arbeiten von P.' b. Per la therapia fanno camminare fur die Therapie lassen (sie) laufen (148) * Jean a fait partir. 'J.acc hat lassen abreisen'
(Burzio 1986: 253)
(Rouveret & Vergnaud 1980: 128)
54
Kapitel 1
1.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden eine ganze Reihe von erklärungsbedürftigen Beobachtungen zu KK, PVK und KoK festgehalten. Dazu wurden jeweils analog gebildete Sätze gegenübergestellt, deren Grammatikalität sich deutlich unterscheidet. Auf diese Weise wurden als erstes in 1.1 KK, PVK und KoK von anderen finiten und infiniten Konstruktionen abgegrenzt. Als nächstes wurden dann in 1.2 die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch jeweils auf Grammatikalitätsunterschiede zwischen KK, PVK und KoK hin untersucht. Zum Schluß wurden in 1.3 die sprachspezifischen Eigenschaften von KK in diesen fünf Sprachen miteinander verglichen. Dazu wurde eine etablierte Typologie von KK vorgestellt: Demnach ließen sich drei syntaktische Typen von KK identifizieren: A.c.I.-Konstruktionen wie im Deutschen und Englischen, Faire Infinitive-Konstruktionen wie in den romanischen Sprachen und Faire Par-Konstruktionen im Deutschen und den romanischen Sprachen. In den folgenden Kapiteln wird es darum gehen, ein theoretisches Modell zu entwikkeln, das diesen Unterschieden gerecht wird. Nach den Daten aus diesem Kapitel ist klar, wie dieses Modell grundsätzlich aussehen muß: 1. Es muß Annahmen beinhalten über die Bedeutung dieser Konstruktionen. Die hierfür relevanten semantischen Konzepte werden im Kap. 2 vorgestellt, ihre Relevanz für die Syntax wird in Kap. 3 begründet. 2. Es muß Annahmen beinhalten Uber die syntaktischen Eigenschaften der betreffenden natürlichen Sprachen, die wiederum anhand von externer Evidenz begründet werden müssen. Diese Annahmen werden in Kap. 4 vorgestellt.
Kapitel 2: Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
In diesem Kapitel geht es darum, die charakteristischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK durch geeignete theoretische Konzepte zu erfassen und damit diese Konstruktionen von anderen Infinitivkonstruktionen abzugrenzen. Da die Bezeichnungen auf ihre Bedeutung Bezug nehmen, so liegt es nahe, zur Beschreibung Konzepte aus der Semantik zu verwenden. Zur Analyse von Matrixsatz und Komplement werde ich die folgenden vier semantischen Konzepte verwenden: die Theorie einer Situation als einer raumzeitlichen Entität aus Davidson (1967), die Theorie der Verbklassen von Vendler (1967) sowie die Arten des measuring-out (Tenny 1997) und schließlich eine Theorie von Aspekt als eine Relation zwischen zwei partiell simultanen Zeitintervallen (Klein 1994). Der Begriff einer Situation geht zurück auf Davidsons berühmten Aufsatz „The Logical Form of Action Sentences" aus dem Jahre 1967. Er wird dort verwendet für raumzeitliche Entitäten, d.h. für Entitäten, mit denen sich ein nicht-atomares Zeitintervall verbindet. Solche Situationen treten als Variable auf und werden in der logischen Form von einem Existenzquantor gebunden. In diesem Kapitel wird es entsprechend nacheinander um drei Punkte gehen: Zunächst geht es darum, für das Infinitivkomplement die Bezugnahme auf ein Zeitintervall nachzuweisen. Anschließend werde ich dasselbe auch für den Matrixsatz tun, wobei hier zugleich der Bedeutungsunterschied von kausativen und nicht-kausativen Matrixverben in den Blick rückt. Zur Unterscheidung zwischen kausativen und nicht-kausativen Matrixsituationen dienen Vendlers Theorie der Verbklassen und Tennys Arten des measuring-out. Zuletzt geht es um den Nachweis, daß in KK, PVK und KoK die Intervalle von Matrix· und Komplementsatz sich überschneiden. Beide Intervalle liegen also partiell simultan, in anderen Infinitivkonstruktionen hingegen liegt der Matrixsatz zeitlich vor oder nach dem Komplementsatz. Sinneswahrnehmung findet (wenn wir bei Sehen und Hören jeweils absehen von der Ausbreitung von Licht und Schall) im selben Moment statt wie das Wahrgenommene geschieht, und dasselbe gilt für Kausation und Kontinuation eines Geschehens. Demgegenüber geht ein Versprechen oder ein Versuch, etwas zu tun, der Tat zeitlich immer voraus, ein Bedauern oder ein Leugnen, etwas getan zu haben, folgt ihr zwangsläufig nach.
56
Kapitel 2
Somit besteht eine Parallele zwischen der Bedeutung von KK, PVK und KoK und der Funktion von Aspekt. 41 Bei den Konstruktionen geht wie bei der Aspekt-Morphologie um die Frage, ob ein Geschehen (die Komplementsituation) als Ganzes (Perfektivität) oder als Teil eines Ganzen (Imperfektivität) betrachtet wird. In den mit z«-Infinitiven gebildeten Konstruktionen hingegen geht es wie beim Tempus-Begriff um die Frage, ob das Geschehen im Komplementsatz zeitlich vor dem Geschehen im Matrixsatz (wie bei einem Zukunftstempus) oder danach (wie bei einem Vergangenheitstempus) zu liegen kommt. In 2.1 widme ich mich den Komplementen von KK, PVK und KoK. Ich argumentiere dafür, daß sie Situationen i.S. von Davidson (1967) darstellen, d.h. raumzeitliche Entitäten. Dazu führe ich zunächst in 2.1.1 Davidsons Situationsbegriff ein. In 2.1.2 weise ich nach, daß die Infinitiv-Komplemente die typischen Eigenschaften solcher Situationen aufweisen: 1. Sie verbinden sich mit lokalen Modifikatoren, 2. sie sind zählbar, 3. sie verbinden sich mit Manner-Angaben wie situationsbezogenen Partizipien, Adverbien und Komitativen und 4. sie enthalten keine Infinitive, die sich nicht auf ein nicht-atomares Intervall beziehen können (wie z.B. lieben, mögen, hassen, besitzen, kennen etc.). In 2.2 widme ich mich dem anderen Bestandteil von KK, PVK und KoK, dem Matrixsatz. Zur Unterscheidung von kausativen und nicht-kausativen Matrixsätzen verwende ich in 2.2.1 die Theorie der Verbklassen aus Vendler (1967): Zustände (states), Tätigkeiten (activities), Taten (accomplishments) und Vollendungen (achievements). In 2.2.2 zeige ich, daß kausative Verben accomplishments, perzeptive und kontinuative Verben achievements darstellen. In 2.2.3 werden diese Verbklassen jeweils durch die Kombination von drei dichotomischen Merkmalen als dynamisch oder statisch, telisch oder atelisch und durativ oder punktuell charakterisiert. Ensprechend wird gezeigt, daß die A.c.I.-Verben dynamisch (nicht-statisch) (2.2.4) sowie telisch (2.2.5) sind. In 2.2.6 argumentiere ich dafür, daß kausative Situationen durativ (nicht-punktuell) und kontinuative und perzeptive punktuell (nicht-durativ) sind. In 2.2.7 klassifiziere ich die beiden kausativen Verben im Deutschen nach einem weiteren Kriterium: nach der Funktion des direkten Objekts. In dieser Hinsicht wird in Tenny (1997) unterschieden zwischen incremental theme Verben (bei ihnen ändert sich das direkte Objekt im Verlauf stückweise), change of state Verben (bei ihnen ändert es sich als ganzes) und route Verben mit Pfad-Objekten (bei ihnen ändert sich das Objekt nicht, sondern bezeichnet das Ausmaß der Änderung). Demnach ist machen ein incremental theme Verb und lassen ein route Verb, dessen Pfad als direktes Objekt und dessen Endpunkt als indirektes Objekt realisiert ist. Dies bedeutet, daß bei /asse/j-Konstruktionen das Subjekt eine Absicht und damit ein Ziel hat, was bei /wacAcw-Konstruktionen fehlt. In 2.3 wird dann die Art der zeitlichen Überlappung von Matrix- und Komplementsatz untersucht. Ausgangspunkt ist in 2.3.1 der Aspekt-Begriff der Philologie: Demnach lassen sich zu jedem Verbstamm mehrere Aspekt-Formen mit unterschiedlicher Bedeutung bilden. In 2.3.2 stelle ich die relationale Aspekt- und Tempus-Theorie von Klein (1994) vor. Demnach drücken Aspekt- und Tempus-Formen Relationen zwischen Zeitintervallen aus: Aspekt bezieht die Situationszeit auf das sog. Betrachtzeit-Intervall, Tempus als Vor-, Nach- oder Gleichzeitigkeit diese Betrachtzeit auf den Zeitpunkt der Äußerung. Der Aspekt drückt die Teil-Relation (Imperfektiv) oder die Ganze-Relation (Perfektiv),
41
Zum Aspekt-Begriff vgl. 2.3 und die dort angegebene Literatur, zum Tempus-Begriff ibd.
Die semantischen
Eigenschaften
von KK, PVK und
KoK
57
das T e m p u s Vorzeitigkeit (Vergangenheit), Gleichzeitigkeit (Gegenwart) oder N a c h z e i tigkeit (Zukunft) aus. In 2.3.3 wird schließlich fur KK, P V K und K o K gezeigt, daß z w i schen Matrix- und Komplementsituation solche aspektuellen (d.h. keine temporalen) Relationen gelten.
2.1 Die Bedeutung der Komplemente: Situationen Für eine A n a l y s e der Bedeutung der K o m p l e m e n t e möchte ich im f o l g e n d e n D a v i d s o n s berühmten A u f s a t z „The Logical Form o f Action Sentences" aus d e m Jahre ( 1 9 6 7 ) 4 2 heranziehen und n a c h w e i s e n , daß die K o m p l e m e n t e solche raumzeitlichen Entitäten 4 3 denotieren, fur die D a v i d s o n den B e g r i f f „Situationen" 4 4 geprägt hat. D a s bedeutet, daß ein K o m p l e m e n t ein nicht-atomares Zeitintervall denotiert. S e h e n wir uns also nun den Situationsbegriff v o n D a v i d s o n 4 5 an.
2.1.1 Davidson'sche Situationen als raumzeitliche Entitäten D a v i d s o n fuhrt den Situationsbegriff bei der D i s k u s s i o n der l o g i s c h e n Struktur v o n Sätzen w i e ( l a . ) ein. 4 6 D i e l o g i s c h e Struktur ermöglicht die Ableitung der aus ( l a . ) l o g i s c h folgenden Sätze in Form v o n Konjunkten. In der logischen Struktur fuhrt D a v i d s o n hierzu eine Entität ein, die in mehrfacher Hinsicht gekennzeichnet wird ( I b . ) . (1)
42
43
44
45
46
a.
Müller schmierte i m B a d e z i m m e r mit e i n e m M e s s e r u m Mitternacht ein Brötchen.
b.
Müller tat es im Badezimmer, mit e i n e m Messer, u m Mitternacht...
Deutsche Übersetzung erschienen als: D. Davidson: Die logische Form der Handlungssätze. In: Davidson (1998): Handlung und Ereignis. Zweite Auflage. Frankfurt: Suhrkamp, 155-177. In Eckardt (1998) wird begründet, daß eine Charakterisierung Davidsonscher Situationen durch die Dimensionen Zeit und Raum unzureichend ist (Thomas Ede Zimmermann, p.M.). U m zwischen verschiedenen Situationen unterscheiden zu können, die zur selben Zeit am selben Ort ablaufen, müssen Raum und Zeit um die Teilhabenden (semantic participants) einer Situation ergänzt werden. Für die Zwecke dieser Arbeit spielt dieses Kriterium keine Rolle, es reicht aus, eine Situation als eine Entität zu charakterisieren, mit der ein Zeitintervall verbunden ist. Eine Bemerkung ist an dieser Stelle nötig: Wie Maienbom (2000) spreche ich von Situationen als Oberbegriffe für Ereignisse (events), Prozesse (processes) und bestimmte Arten von Zuständen, die durch regelmäßige Zustandsverben, aber nicht durch state terms ausgedrückt werden; dies entspricht Bachs (1986) Terminus „Eventualität". In Davidson (1998) wird event wörtlich als Ereignis übersetzt. Alternativ finden sich auch die Bezeichnung „spatio-temporal location" z.B. bei Kratzer (1989/1995) oder schlicht die Bezugnahme auf ein „Davidsonian argument" bei Chierchia (1995). Davidson prägte den Begriff für Handlungssätze. In der Folge wurde dieses Konzept auch auf andere Satzarten übertragen. Für die infiniten Komplemente von Perzeptionsverben wurden solche Situationen angenommen von Higginbotham (1983), siehe auch Bayer (1986) oder Felser (1999). Vgl. Davidsons Aufsatz „Handeln" von 1971 in dem angegebenen Sammelband.
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Kapitel 2
Was ist dieses „es", das im Badezimmer, mit einem Messer, um Mitternacht geschah? Von der Bedeutung her stellt (la.) einen singulären Term dar, der sich auf eine Entität, mußmaßlich eine Handlung (weil es vorsätzlich geschah) bezieht, und in mehrfacher Hinsicht gekennzeichnet wird, nämlich durch einige der in (lb.) angegebenen Begriffe. Davidson deutet dieses „es" als Situationsausdruck. Dazu setzt er in ein Prädikat eine zusätzliche Variable, ein Situationsargument an, die von einem Existenzquantor gebunden wird. Die Ausdrücke in (Ib.), welche syntaktisch gesehen als Adjunkte fungieren, stellen demnach keine Argumente des Verbs dar, sondern sind nähere Bestimmungen der Situation, von der gesprochen wird. Entsprechend kann dann die logische Struktur von (la.) als Konjunktion gedeutet werden, wobei die einzelnen Konjunkte das es näher bestimmen (2): (2)
Müller schmierte ein Brötchen, und es war um Mitternacht, und es war im Badezimmer, und es war mit einem Messer.
Die logische Struktur der in (2) beschriebenen Situation kann formal wie in (3 a.) ausgedrückt werden, dessen Bedeutung in (3b.) paraphrasiert wird: (3)
a. (3x) (Schmiert(Müller, ein Brötchen, x) & (im Badezimmer,x) & (mit einem Messer,x) & um Mitternacht,x)) b. Es gibt eine Situation x, und χ ist ein Brötchen-Schmieren von Müller, und χ ist im Badezimmer, und χ ist mit einem Messer, und χ ist um Mitternacht
Damit weisen Situationen nach Davidson in Verbindung mit bestimmten Temporal- und Lokaladverbialen als Umstandsangaben, den sog. lokalen Modifikatoren (Maienborn 2000), ein typisches Inferenzmuster auf, das verantwortlich ist für die raumzeitliche Lokalisierbarkeit von Situationen. Eine genaue Bestimmung der lokalen Modifikatoren nimmt Maienborn (2000) vor. Sie unterscheidet zwischen drei verschiedenen Typen lokaler Modifikatoren: rahmensetzenden, situationsexternen und situationsinternen Modifikatoren. Betrachten wir dazu ihren Beispielsatz und ihre Erläuterung (vgl. dazu auch Maienborn 1996, 1998): (4)
In den Anden werden Schafe v. Pfarrer auf dem Marktplatz an d. Ohren geH brandmarkt. jj || rahmensetzend
situationsextern
situationsintern
„Das Lokaladverbial in den Anden gehört zur Klasse der rahmensetzenden Modifikatoren. Diese haben eine syntaktische Basisposition an der linken Peripherie des Mittelfeldes. Aufgrund ihrer hohen Mittelfeldplazierung sind rahmensetzende Modifikatoren bevorzugte Kandidaten für die Vorfeldbesetzung. Ihr semantischer Beitrag besteht in der Setzung eines lokalen Rahmens für die gesamte Proposition; d.h. rahmensetzende Modifikatoren sind propositionsbezogen. Das Lokaladverbial auf dem Marktplatz ist ein Vertreter der situationsexternen Modifikatoren. Diese sind an der VP-Peripherie angesiedelt, und ihr semantischer Beitrag besteht in der räumlichen Situierung der durch die VP bezeichneten Situation. Das Lokaladverbial an den Ohren schließlich ist ein situationsinterner Modifikator. Diese nehmen eine Basisposition in unmittelbarer Nähe des Verbs
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und Ko Κ
59
ein und liefern zusätzliche räumliche Information über den internen Aufbau der Situation." (Maienborn 2000: 284f.)
Die von Maienbom so genannten rahmensetzenden Modifikatoren fuhren eine Beschränkung der Bezugsdomäne ein. Nach der in (4) präferierten Lesart wird der Geltungsbereich der Aussage zum Brandmarken der Schafe geographisch auf die Anden eingeschränkt. Bei rahmensetzenden Modifikatoren kann dies, wie Maienborn am Beispiel (5) zeigt, auf mindestens drei verschiedene Weisen geschehen. (5)
In Chile genießt Pinochet diplomatische Immunität.
Bei der üblicherweise präferierten Interpretation von (5) wird das Lokaladverbial zur Beschränkung des Geltungsbereichs der diplomatischen Immunität herangezogen. Daneben besteht für rahmensetzende Modifikatoren grundsätzlich die Möglichkeit einer epistemischen Modifikation. Diese besagt, daß nach Auffassung einer bestimmten Gruppe von Personen in Chile Pinochet (möglicherweise weltweit) Asyl genießt (vgl. unten Bsp. 8). Schließlich erlauben rahmensetzende Modifikatoren immer auch temporale bzw. konditionale Interpretationen. Die betreffende Lesart von (5) besagt, daß Pinochet immer dann, wenn er sich in Chile aufhält, diplomatische Immunität genießt. Demgegenüber fehlt bei situationsexternen Modifikatoren eine solche pragmatisch gesteuerte Interpretationsvielfalt. Diese liefern stattdessen das von Davidson beschriebene Inferenzmuster. Aus (6a.) folgt logisch (6b.). (6)
Situationsexterne Modifikatoren a. Der Pfarrer hat auf dem Marktplatz ein Schaf gebrandmarkt. b. Der Pfarrer hat ein Schaf gebrandmarkt. (gültige Inferenz)
Maienborn zeigt auch, daß dieses Inferenzmuster auf rahmensetzende Modifikatoren nicht anwendbar ist bei Beschränkung einer Bezugsdomäne (7) oder bei epistemischer Bedeutung (8). Nur bei temporaler Bedeutung ist es gültig (9). (7)
Ungültige Inferenz bei Beschränkung einer Bezugsdomäne a. In den Anden werden alle Schafe vom Pfarrer gebrandmarkt. b. Alle Schafe werden vom Pfarrer gebrandmarkt.
(8)
Ungültige Inferenz bei epistemischer Bedeutung a. In Deutschland ist Harald Juhnke weltberühmt. b. Harald Juhnke ist weltberühmt.
(9)
Gültige Inferenz bei temporaler Deutung a. In England genoß Pinochet diplomatische Immunität. b. Pinochet genoß (zu irgendeiner Zeit) diplomatische Immunität.
Das zweite Testkriterium für Situationen ist ihre Zählbarkeit. Zählbarkeit wird nachgewiesen durch Frequenzadverbiale wie zweimal, öfters, häufig etc. Aus pragmatischen Gründen führt dieser Test in diesem Beispiel nicht viel weiter; normalerweise zählt man eher die Zahl der gestrichenen Brötchen als die Zahl der Brötchenstreichen-Situationen.
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Kapitel 2
Aber die Beispiele in (10) demonstrieren klar und eindeutig die Zählbarkeit von Situationen: (10) a. Der Wind riß das Fenster zweimal auf. b. Der Bandit feuerte fünfmal auf den Pianisten. Das dritte Testkriterium bezieht sich auf die Semantik der Verben, die überhaupt ein Situationsargument darstellen. Davidson (1967) hat sich in seinem Nachweis von Situationen auf Handlungssätze (action sentences) beschränkt. In den Siebziger und Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde seine Analyse auch auf andere Sätze übertragen, so daß es mittlerweile üblich ist, zu beinahe jedem Verb auch ein Situationsargument anzusetzen. So wiesen auch Higginbotham (1983) und Kratzer (1989) für die infiniten Komplemente von Perzeptionsverben den Situationsstatus nach. Typische Nicht-Situationen hingegen finden sich bei bestimmten Zustandsverben, den sog. state terms, denen nach Kratzer (1989) die stage level-Eigenschaft fehlt, d.h. die Eigenschaft, sich auf ein Intervall zu beziehen. Beispiele hierfür sind in (11) aufgeführt: (11)
Beispiele für state terms: kennen, lieben, mögen, hassen, besitzen, sein
2.1.2 Nachweis der Situations-Eigenschaft für A.c.I.- und lassen-PassivKomplemente Für A.c.I.-Komplemente lassen sich die Eigenschaften nachweisen, die als typisch für Situationen angesehen werden 47 : 1. Sie erscheinen mit einem lokalen Modifikator, d.h. sie zeigen das oben beschriebene Inferenzverhalten (12; vgl. Vlach 1983), 2. sie sind zählbar (13; vgl. Mourelatos 1978), 3. sie lassen solche Modifikatoren zu, die die Art und Weise der Situationskonstitution bestimmen (Manner-Angaben wie Adverbien oder Komitative 48 ) (14) und 4. können es keine state term-Verben sein (dies wurde bereits in 1.1.3 gezeigt). (12) Lokale Modifikation (Raumzeitliche Lokalisierung) a. Peter sieht den Pfarrer auf dem Marktplatz ein Schaf brandmarken. a'. Peter sieht den Pfarrer ein Schaf brandmarken. (gültige Inferenz) b. Der Spieß läßt die Rekruten im Hof strammstehen. b'. Der Spieß läßt die Rekruten strammstehen. (gültige Inferenz) (13) Zählbarkeit des Komplements a. Maria hörte Peter dreimal niesen. b. Peter ließ den Schüler zweimal die Arie singen.
47
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Argumente für einen spezifíschen Situationsbezug (engl, event) in KK finden sich in Higginbotham (1983) (Thomas Ede Zimmermann, p.M.). Nach Higginbotham, p.l 17 weisen die Komplemente kausativer Verben "all the key semantic properties" der Komplemente perzeptiver Verben auf. Er sieht dies als Stütze für seine individual event Analyse. Vgl. Maienbom (2000).
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
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(14) Manner-Angaben im Komplement a. Die Zuschauer sahen die Sprinter ruhig in den Startblöcken hocken und unruhig auf den Startschuß warten. b. Sie ließen Heike kerzengerade / alleine / unter Schmerzen auf dem Stuhl sitzen. Es ist offensichtlich, daß die Manner-Angaben in (14) nicht als Ausdrücke fiir Individuen analysiert werden dürfen; denn sonst erhielte man einen logischen Widersprach, daß die Sprinter zur selben Zeit ruhig und unruhig sind. Stattdessen wird gesagt, daß das In-denStartblöcken-Hokken der Sprinter ruhig und ihr Warten auf den Startschuß unruhig ist. Beides kann zur selben Zeit geschehen und entsprechend wahrgenommen werden. Wie leicht zu sehen ist, läßt sich diese Analyse ohne weiteres auf /¿mew-PassivKomplemente übertragen. Dafür spricht, daß diese als passivisches Gegenstück zu A.c.I.Komplementen fungieren, so wie dies bei Passiv-Nominalen der Fall ist (15): (15) a. the enemies' destruction of the city b. the destruction of the city by the enemies' Demnach müssen /asse/i-Passiv-Komplemente ebenso wie A.c.I.-Komplemente als Situationen analysiert werden, was bedeutet, daß die Präsenz des Komplementsubjekts nicht für die Situationseigenschaft verantwortlich ist.
2.1.3 Verschiedene Arten von Situationen Daß das Komplement von KK, PVK und KoK ein nicht-atomares Zeitintervall denotiert, ist längst nicht alles, was in semantischer Hinsicht zum Komplement gesagt werden kann. Dies zeigt der Blick auf die Eigenschaften, die im ersten Kapitel in bezug auf das Komplement von KK, PVK und KoK ermittelt wurden (16). So gilt nicht nur (16a.), sondern auch (16b.-d.): (16) a. In allen drei Konstruktionen fehlen im Komplement solche statischen Verben wie kennen, mögen, hassen, lieben, besitzen etc. b. In KK fehlen darüber hinaus bestimmte statische Verben, die in PVK und KoK zulässig sind (z.B. Positionsverben wie sitzen, liegen). c. In KoK, aber nicht in PVK und KK fehlen im Komplement Verbalphrasen, die nur ein kurzes Zeitintervall beanspruchen {husten, finden, gewinnen, den Gipfel erreichen). d. Das sog. /asicn-Passiv kann nur mit kausativen Matrixverben gebildet werden und auch nur dann, wenn das Komplement-Objekt „afFiziert" ist. Während sich die Eigenschaft (16a.) wie gezeigt durch das Konzept Davidson'scher Situationen erklären läßt, weil Komplemente mit den aufgeführten statischen Verben keine Situationen darstellen, haben wir für die Eigenschaften (16b.-d.) noch keine Erklärung. Dazu benötigen wir eine weitere semantische Differenzierung zwischen den einzelnen Situationen, die von Davidsons Theorie nicht geleistet wird. Diese Differenzierung wird im nächsten Abschnitt, in dem es um die Matrixsätze geht, durch eine Theorie der Verbklassen, die sich mit dem Namen Vendler verbindet, gelei-
Kapitel 2
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stet. Auf diese Weise ist es dann möglich, v.a. zwischen kausativen und nicht-kausativen Matrixverben zu unterscheiden.
2.2 Die Bedeutung der Matrixverben Nachdem in 2.1 für die Komplemente von PVK, KK und KoK zumindest in Ansätzen die semantischen Eigenschaften geklärt sind, geht es nun um die Bedeutung kausativer, perzeptiver und kontinuativer Matrixverben. Dazu zählen im Deutschen die Perzeptionsverben sehen, hören, fühlen und spüren, das kontinuative Verb lassen und die kausativen Verben lassen und machen.*9, 50 Die Analyse stützt sich auf zwei Konzepte: Vendlers Theorie der Verbklassen und Tennys Arten des measuring out. Beginnen wir mit Vendlers Verbklassen.
2.2.1 Die Vendler'schen Verbklassen Vendlers Versuch, Verben51 nach semantischen Kriterien zu klassifizieren, ist weder der erste noch der letzte seiner Art. Die Frage, ob sein Schema das beste seiner Art ist, soll uns hier nicht interessieren. Hier geht es vielmehr darum, mit Hilfe einer semantischen Theorie Unterschiede zwischen kausativen Verben auf der einen und perzeptiven und kontinuativen Verben auf der anderen Seite zu erfassen. Da nun PVK und KoK sehr viel mehr grammatikalische Gemeinsamkeiten aufweisen als KoK und KK (vgl. Kap. 1), liegt es nahe, nach einem semantischen Korrelat zur Syntax zu suchen. In Vendler (1967) werden im ganzen vier Verbklassen unterschieden: states (Zustände), activities (Tätigkeiten), accomplishments (Taten) und achievements (Vollendungen).
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Auch wenn hier nur die deutschen A.c.I.-Verben behandelt werden, läßt sich diese Analyse doch ohne weiteres auch auf die entsprechenden Verben in anderen Sprachen übertragen. Die Duden-Grammatik und Eisenberg (1999) weisen für das Deutsche neben diesen Verben noch heißen als A.c.I.-Verb aus. Ich bin allerdings der Ansicht, daß heißen kein A.c.I.-Verb darstellt, sondern stattdessen ein nominales und ein infinites Komplement selegiert. Gegen heißen als A.c.I.-Verb spricht, daß die Duden-Grammatik dieses Verb zugleich als Doppelobjektverb aufführt, das einen Gleichsetzungsakkusativ selegiert. Dies erklärt, warum im Gegensatz zu KK mit lassen oder machen eine Aktor-Ellipse unzulässig ist (i). (i) a. Ich heiße / nenne *(dich) einen Lügner, b. Peter heißt »(den Tisch) Stuhl. Durch heißen oder nennen prädiziert das Subjekt über ein Objekt und versieht es dadurch mit einem Titel. Das direkte Objekt erfährt eine Festlegung durch die Identifikation mit einem kategoriell gleichartigen Attribut. Möglich ist eine solche Identifikation bei den genannten Verben auch im Falle von Situationen, d.h. von Infinitiven, die als raumzeitliche Entitäten pronominalisierbar sind: (ii) a. Das nenne / heiße ich arbeiten. b. Das nenne / heiße ich Eulen nach Athen tragen / Wasser in den Rhein schütten. Deshalb beschränke ich mich in der Folge auf unstrittige A.c.I.-Verben des Deutschen. Wie die Beispiele zeigen, ist seine Klassifikation nicht auf das Verb allein, sondern nur auf die Kombination von Verb und Objekten anwendbar. Nur aus dieser Kombination ist ersichtlich, daß Äpfel essen als activity zählt (17b.) und den Apfel essen als accomplishment (17c.).
Die semantischen Eigenschaften von KK, Ρ VK und ΚοΚ
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Beispiele zu jeder dieser Gruppen waren in der Einleitung gegeben, sie sind in (17) wiederholt: (17) Beispiele für Vendlers Verbklassen a. states (Zustände): kleben, sitzen, stehen, liegen, hängen, besitzen, mögen, hassen, lieben, kennen b. activities (Tätigkeiten): laufen, arbeiten, Apfel essen, Fahrräder auf den Wagen laden, einen Wagen schieben c. accomplishments (Taten): den Apfel essen, das Buch lesen, den Wagen beladen, zwei Fahrräder auf den Wagen laden, nach Offenbach laufen, Kreise zeichnen, Häuser bauen52 d. achievements (Vollendungen): erreichen, ankommen, berühren, gewinnen, finden Vendler beginnt, anders als viele nach ihm, nicht mit der grundsätzlichen Unterscheidung von Zuständen und Nicht-Zuständen, sondern zwischen activities und accomplishments auf der einen und states und achievements auf der anderen Seite. Diese besteht darin, daß erstere im Englischen Progressiv-Formen (Continous-Formen) zulassen und letztere gar nicht oder nur sehr schlecht. 53 Er schreibt: The question What are you doing? might be answered by I am running (or writing, working, and so on) but not by I am knowing (or loving, recognizing, and so on). On the other hand, the appropriate question and answer Do you know ... ? Yes, I do have no counterparts like 52
53
Im Unterschied zu Apfel essen stellen Kreise zeichnen und Häuser bauen accomplishments dar, denn die accomplishment-Eigenschaft wird hier durch das Verb allein festgelegt, weil die Objekte erst durch das Geschehen Zustandekommen. Dies zeigt sich auch durch diesen Test: Wenn jemand beschäftigt war, Kreise zu zeichnen, so ist damit gesagt, daß zumindest ein Teil der Kreise wirklich vollendet wurde, wenn er dabei war, Äpfel zu essen, dann nicht. Dies bedeutet aber nicht, daß es nicht auch solche Verben gibt, die sicherlich Zustände darstellen, die aber anders als like, hate, know problemlos die Progressivform bilden, nämlich z.B. Positionsverben wie sit, stand, hang oder lie.
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Kapitel 2 Do you run? Yes, I do. This difference suggests that running, writing, and the like are processes going on in time, that is roughly, that they consist of successive phases following one another in time. Indeed, the man who is running lifts up his right leg one moment, drops it the next, then lifts his other leg, drops it, and so on. But although it can be true of a subject that he knows something at a given moment or for a certain period, knowing and its kin are not processes going on in time. It may be the case that I know geography now, but this does not mean that a process of knowing geography is going on at present consisting of phases succeeding one another in time. (Vendler 1967: 99f.)
Wenn Vendler auch nach Ansicht vieler anderer Autoren die Bedeutung dieses Unterschiedes überschätzt hat54, so läßt sich mit Hilfe dieser Begrifflichkeit doch sofort der Unterschied von kausativen und nicht-kausativen Matrixverben erfassen: Kausative Matrixverben bilden im Englischen problemlos die Progressivform ( / am making the boys cross the street), perzeptive und kontinuative Verben nicht (*/ am seeing the boys cross the street). Vendler widmet sich dabei zunächst der Gruppe von Verben, die im Englischen Progressivformen zulassen. Hier unterscheidet er zwei Untergruppen, nämlich activity terms (vgl. 17b.) und accomplishment terms (vgl. 17c.). Dabei kommt es auf die unterschiedliche Beschaffenheit des Zeitintervalls an: If it is true that someone is running or pushing a cart now, then even if he stops in the next moment it will be true that he did run or did push a cart. On the other hand, even if it is true that someone is drawing a circle or is running a mile now, if he stops in the next moment it may not be true that he did draw a circle or did run a mile. In other words, if someone stops running a mile, he did not run a mile; if one stops drawing a circle, he did not draw a circle. But the man who stops running did run, and he who stops pushing the cart did push it. Running a mile and drawing a circle have to be finished, while it does not make sense to talk of finishing running or pushing a cart. Thus we see that while running or pushing a cart has no set terminal point, running a mile and drawing a circle do have a "climax," which has to be reached if the action is to be what it is claimed to be. Accordingly, the question For how long did he push the cart? is a significant one, while How long did it take to push the cart? sounds odd. On the other hand How long did it take to draw the circle? is the appropriate question, and 54
Diese betrachten stattdessen die Differenz von statischen und dynamischen Aktionsarten als von größerer Bedeutung (vgl. 2.2.4).
Die semantischen
Eigenschaften
von KK, Ρ VK und ΚοΚ
65
For how long did he draw the circle? is somewhat queer. And of course, the corresponding answers will be He was pushing it for half an hour and It took him twenty seconds to draw the circle or He did it in twenty seconds. and not vice versa. Pushing a cart may go on for a time, but it does not take any definite time; the activity of drawing may also go on for a time but it takes a certain time to draw a circle. A very interesting consequence follows. If it is true that someone has been running for half an hour, then it must be true that he has been running for every period within that half an hour. But even if it is true that a runner has run a mile in four minutes, it cannot be true that he has run a mile in any period which is a real part of that time, although it remains true that he was running, or that he was engaged in running a mile, during any substretch of those four minutes. Similarly, in case I wrote a letter in an hour, I did not write it, say, in the first quarter of that hour. It appears, then, that running and its kind go on in time in a homogeneous way; any part of the process is of the same nature as the whole. Not so with running a mile or writing a letter; they also go on in time, but they proceed towards a terminus which is logically necessary to their being what they are. Somehow this climax casts its shadow backward, giving a new color to all that went before. (Vendler 1967: lOlf.) Danach betrachtet er seine zweite große Gruppe von Verben, diejenigen, die nicht oder nur schlecht eine Progressivform bilden können. Auch hier findet er einen gewichtigen Unterschied, so daß sich auch diese wiederum in zwei Gruppen unterteilen lassen, die achievement terms und die state terms. As we said above, verbs like knowing and recognizing do not indicate processes going on in time, yet they may be predicates of a subject for a given time with truth or falsity. Now some of these verbs can be predicated only for single moments of time (strictly speaking), while others can be predicated for shorter or longer periods of time. One reaches the hilltop, wins the race, spots or recognizes something, and so on at a definite moment. On the other hand, one can know or believe something, love or dominate somebody, for a short or long period. The form of pertinent questions and answers proves the point neatly: At what time did you reach the top? At noon sharp. At what moment did you spot the plane? At 10:53 A.M. but For how long did you love her? For three years. How long did you believe in the stork? Till I was seven.
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Kapitel 2 and not the other way around. (Vendler 1967: 102f.)
Die Unterschiede zwischen Vendlers vier Verbklassen lassen sich offensichtlich theoretisch erfassen mit Hilfe einer Theorie der Beschaffenheit des Zeitintervalls und dem hierfür maßgeblichen Grad an Agentivität des Subjekts. activity terms und accomplishment terms haben beide ein in hohem Maße agentives Subjekt. Dieses Subjekt führt im Laufe der Zeit kontinuierlich „Energie" zu, so daß das Zeitintervall aus vielen verschiedenen aufeinanderfolgenden Zeitpunkten besteht. Der Unterschied besteht darin, daß activity terms ein homogenes Zeitintervall (ein Intervall ohne festen Endpunkt) und accomplishment terms ein inhomogenes Zeitintervall (ein Intervall mit festem Endpunkt) denotieren. state terms und achievements hingegen haben entweder gar kein zugrundeliegendes Subjekt55 oder aber ein Subjekt, das nur in geringem Maße bzw. gar nicht agentiv ist. Entsprechend ist das Zeitintervall entweder eine Aneinanderreihung von homogenen Zuständen (bei der einzigen von Vendler untersuchten Art von Zuständen, solchen Verben wie mögen, besitzen, kennen, hassen) oder eine Aneinanderreihung von heterogenen (voneinander unterscheidbaren Zuständen, wie sie bei Zustandsverben wie liegen, sitzen, hängen etc.vorliegen, die im Englischen die Progressivform bilden können) oder aber im Falle von achievement terms ein inhomogenes Zeitintervall aus einigen wenigen Zeitpunkten (ein Intervall mit einem festen behandelten Endpunkt).
2.2.2 Die Unterscheidung kausativer von kontinuativer und perzeptiver Situationen mit Hilfe der Vendler'schen Verbklassen Entsprechend stellt sich die Frage, welchen dieser Verbklassen kausative, perzeptive und kontinuative Matrixverben angehören. Nach dem bisher Gesagten kommt es hierbei entscheidend auf die Beschaffenheit des Zeitintervalls und damit auf den Grad der Agentivität des Subjekts an. Damit ist für kausative und kontinuative Verben die Einstufung trivial: Wenn man nach einem semantischen Unterschied zwischen dem kausativen und dem kontinuativen lassen fragt, so wird dieser höchstwahrscheinlich im Maße der Agentivität des Subjekts gesehen. D.h. wenn ich etwas veranlasse oder zulasse, muß ich in größerem Maße als der Urheber davon angesehen werden, als wenn ich etwas Existierendes bestehen lasse. Mit der Agentivität des Subjekts verbunden ist die Konsequenz, daß dadurch ein anderes Geschehen entweder zustandekommt oder aber sich weiter fortsetzt. Damit stellen die kausativen Verben accomplishment terms und die kontinuativen Verben achievement terms im Sinne von Vendler dar. Perzeptionsverben sind nicht so einfach einer Verbklasse zuzuordnen. So vertrat Ryle in The Concept of Minet6 und in Dilemmas57 die Ansicht, daß es sich bei Sehen um ein
55
56 57
Das ist der Fall bei solchen intransitiven Verben, in denen das oberflächliche Subjekt die Eigenschaften eines Objekts aufweist. Beispiele für diese sogenannten ergativen Verben sind ankommen, sinken etc. Hierbei handelt es sich zumindest im Deutschen immer um achievement terms. Kap. V Kap. VII.
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
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Erreichen, ein achievement term also handle. Dabei dachte er an solche Sätze, in denen es sich bei sehen um ein Erblicken handelt, wie in: At that moment I saw him. Demgegenüber wiesen andere Autoren 58 darauf hin, daß es ebenso Verwendungsweisen von sehen gibt, in denen das von sehen beschriebene Zeitintervall ganz anders als ein achievement term aufgebaut ist. Vendler selbst vertrat im übrigen die Ansicht, daß sehen & Co. je nach Kontext state terms oder aber achievement terms darstellen. Da er bei diesen Verben auch PVK behandelt (op. cit. p. 114, die Beispiele in 18), werde ich seine Argumentation an dieser Stelle wiedergeben: Vendler weist zunächst daraufhin, daß see in PVK nicht durch spot ersetzt werden kann, wie in (19) zu sehen ist. (18) a. I saw him cross the street b. I saw him run (19) a. *I spot him cross the street b. *I spot him run Er schreibt dazu: Our time schemata explain this difference. Spotting (an achievement) connotes a unique and indivisible time instant. Now running or crossing the street are processes going on in time (the latter also takes time) and as such cannot be broken down into indivisible time instants: their very notion indicates a time stretch. Thus there is a logical difficulty in spotting somebody run or cross the street. One can spot somebody while he is running, or on the street, but while and on here indicate states, and states can be broken down into time instants. Then it is clear that seeing in I saw him while he was running (or crossing the street) may mean merely "seeing,", but seeing in I saw him run (or cross the street) must have a sense that admits a period of time: a process or a state. But seeing cannot be a process. What are you doing? can never, in good English, be answered by Iam seeing...
Vendler hat sicherlich recht, wenn er die Ungrammatikalität von (19) damit erklärt, daß man Situationen nicht „erblicken" kann und deshalb spot in PVK ausgeschlossen ist. Dies kann aber nicht bedeuten, daß spot die einzige Art von visueller Sinneswahrnehmung ist, die ein achievement term darstellt, wie er dies offenbar stillschweigend annimmt. Ich möchte annehmen, daß Perzeptionsverben achievement terms i.S.v. Vendler darstellen. Dazu muß ich nachweisen, daß achievements aus mehreren aufeinanderfolgenden Zeitpunkten bestehen. Bevor ich aber damit beginne, geht es zunächst in 2.2.3 um eine begriffliche Zergliederung von Vendlers Verbklassen.
58
Z.B. Sibley (1955).
Kapitel 2
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2.2.3 Verbklassen als Bündel von Merkmalen Wie wir bei der Diskussion um die Abgrenzung der einzelnen Vendler'schen Verbklassen voneinander gesehen haben, muß die Bedeutung eines Verbs bzw. der in einer Verbklasse enthaltenen Verben in mehreren Dimensionen beschrieben werden. Wenn ich z.B. accomplishments von activities abgrenzen möchte, ist dabei eine bestimmte Eigenschaft relevant, und zwar eine andere als für die Abgrenzung von achievements. Zur Charakterisierung der Bedeutung einer Verbklasse benötigt man also mehrere Eigenschaften. Diese Eigenschaften nenne ich thematische Merkmale. In diesem Abschnitt soll es darum gehen, die Vendler'schen Verbklassen jeweils durch ein Bündel von Merkmalen zu charakterisieren. Dabei können wir uns an den in Smith (1997) verwendeten drei Merkmaloppositionen: [+/-Statisch], [+/-Telisch] sowie [+/-Punktuell] orientieren. Zusammengenommen läßt sich durch ein solches Bündel aus diesen drei Merkmalen ein Zeitintervall als solches eines activity, eines accomplishment, eines state oder eines achievement terms charakterisieren (20). (20)
Die Verbklassen lassen sich durch ein Bündel thematischer Merkmale charakterisieren: [+/-Statisch], [+/-Telisch] sowie [+/-Punktuell].
Die erste (und zugleich wichtigste) Merkmalopposition ist [+/-Statisch], unterscheidet also statische und dynamische (nicht-statische) Situationen. Dieser Unterschied läßt sich wie folgt beschreiben: Zustände bestehen zu atomaren Zeitintervallen, d.h. Zeitpunkten, dynamische Verben zu nicht-atomaren Zeitintervallen.59 Demnach sind drei der vier Verbklassen Vendlers nicht-statisch (dynamisch): activities, accomplishments und achievements, eine statisch: states. Die Ausprägung der Opposition [+/-Statisch] beeinflußt entscheidend die Interpretation der Argumente des Verbs. Beispiele für dynamische und statische Verben sind in (21) dargestellt. (21) a. Statische Verben: kleben, sitzen, stehen, hängen, besitzen, mögen, hassen, lieben b. Dynamische Verben: laufen, arbeiten, erreichen, einen Apfel essen Die zweite Opposition [+/-Telisch] unterscheidet telische und atelische Situationen. Die Telizität einer Situation zeigt sich darin, daß sie kumuliert, d.h. einen logischen Endzustand erreicht60. Dies erklärt, warum statische Verben nicht telisch sein können: Zustände kumulieren nicht, d.h. sie lassen sich auf einzelne Zeitpunkte herunterbrechen. Zwischen diesen Zeitpunkten aber besteht kein logischer Unterschied, so daß das Geschehen jederzeit beendet werden kann, ohne daß sich der „Endzustand" in irgendeiner Weise von einem Zwischenzustand unterscheidet. Damit lassen sich zwei von Vendlers Verbklassen als telisch und zwei als atelisch charakterisieren: Telisch sind accomplish-
59
60
Eine gewisse Anzahl von Zustandsverben (z.B. wissen) wird bei entsprechendem Kontext stattdessen dynamisch interpretiert. Vgl. Kenny 1963: 177. Die „performance" wird als von einer bestimmten Dauer und zu einem Endzustand führend beschrieben. Sie kann beschrieben werden in der Form: „bringing about that ρ"
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
69
ments und achivements, atelisch sind activities und states. Beispiele für telische und atelische Verben sind in (22) dargestellt: (22) a. Telische Verben: erreichen, einen Apfel essen, das Buch lesen, den Wagen beladen b. Atelische Verben: kleben, sitzen, stehen, hängen, besitzen, hassen, mögen, lieben, laufen, arbeiten, Apfel essen Smiths dritte Merkmalopposition ist [+/-Punktuell]. Während Smith diesen Gegensatz nur für dynamische Verben gelten läßt, möchte ich die Unterscheidung für statische Verben ebenso verwenden. Denn wie wir gesehen haben, gibt es gute Gründe, unter den statischen Verben zwei Untergruppen zu unterscheiden: die von Vendler betrachteten state terms und eine andere Gruppe, zu denen die Positionsverben zählen. Um diese Unterschiede zu berücksichtigen, müssen wir Durativität etwas weiter fassen. So kann man etwa Durativität als die Möglichkeit bezeichnen, einen Vorgang auf irgendeine nicht vorherbestimmte Art und Weise weiterzuführen, Punktualität als das Gegenteil. Betrachten wir zunächst einige durative Vorgänge: Beim Laufen (activity) ist es möglich, auf einmal seine Geschwindigkeit zu ändern, beim Stehen (durativer Zustand), das Gewicht von einem auf das andere Bein zu verlagern, beim Singen eines Liedes (accomplishment) die Stimme zu heben, und setzt damit den Vorgang auf eine andere Art fort. Hingegen ist es nicht möglich, einmal begonnene punktuelle Vorgänge auf irgendeine veränderte Art fortzusetzen, ohne den Vorgang dadurch zu beenden: der Besitz eines Grundstücks oder das Tragen einer Brille (beides state term-Verben), ein Nicken oder ein Husten (beides semelfactive-Verben 61 ) sowie das Finden eines Schlüssels (achievementVerb) können nicht auf irgend eine andere Weise fortgeführt werden. 62 Damit gibt es insgesamt drei Klassen von durativen und drei Klassen von punktuellen Verben.
61
62
Smith verwendet den Begriff semelfactives für Verben wie nicken, husten, die punktuelle und dynamische Situationen denotieren. Im folgenden wird diese Gruppe nicht weiter betrachtet. Damit wird hier der Begriff der Durativität anders gebraucht als in Comrie (1976) und Smith ( 1997), die eine Situation als durativ verstehen, wenn sie eine gewisse Zeit andauert. Dies hatte bei Smith zur Folge, daß Zustandsverben per se durativ sind, was einer Unterscheidung von Positionsverben und Zuständen wie kennen oder lieben erschwert.
Kapitel 2
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Tabelle 1 zeigt, wie sich Aktionsarten als Bündel unterschiedlicher Ausprägung dieser drei thematischen Merkmale charakterisieren lassen: Tabelle 1: Verbklassen und ihre Merkmale (vgl. auch Smith 1997: 20 6 3 )
Verbklasse
Statisch
Telisch
Punktuell
Durative Zustandsverben Punktuelle Zustandsverben activities accomplishments semelfactives achievements
[+] [+]
[-]
[-]
[-] [-] [-]
H
[+]
M
[-] [-]
[-]
[+] [+]
[+]
[+] [-]
2.2.4 Dynamizität der kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixsätze Nach der bisherigen Darstellung sind alle deutschen A.c.I.-Verben accomplishments oder achievements, zeigen also in bezug auf Dynamizität ein eindeutiges Bild: Die Matrixsituationen sind dynamisch (23), nicht statisch. (23)
Dynamizität der dt. A.c.I.-Verben Sämtliche deutsche A.c.I.-Verben sind dynamisch, d.h. sie bestehen zu nichtatomaren Zeitintervallen.
Im folgenden möchte ich dies für die Matrixverben zunächst jeweils einzeln begründen und im Anschluß durch die einschlägigen Tests nachweisen (zu letzteren vgl. Dowty 1979). Für die kausativ verstandenen Verben lassen und machen wird die Eigenschaft der Dynamizität als unproblematisch angesehen: Kausative Verben werden immer über ein Zeitintervall und nicht nur über einen Zeitpunkt beurteilt. Wenn Peter einen Mechaniker ein Auto reparieren läßt oder ein Clown Kinder lachen macht, so erstreckt sich deren Tun sicherlich über mehrere Zeitpunkte, weil sie zu einem Zeitpunkt beginnen, an dem das Auto nicht repariert ist bzw. die Kinder nicht lachen, und sie erst dann enden, wenn das Auto repariert ist bzw. die Kinder lachen. Bei den kausativen Verben lassen und machen läßt sich selbstverständlich auch dann eine dynamische Situation nachweisen, wenn sie nominale Komplemente selegieren. Die Beispiele in ( 2 4 ) zeigen, daß die Geschehnisse jeweils nur mit Bezug auf ein nicht-atomares Zeitintervall interpretiert werden können: ( 2 4 ) a. 63
Schüttler machte in der Weltrangliste einen Sprung von Platz 10 auf Platz 7.
Smith faßt durativ nicht als Gegensatz zu punktuell, sondern als Gegensatz zu „instantaneous" auf. Damit muß sie Zustandsverben generell als [+durativ] kennzeichnen. Sie kann damit nicht zwischen zwei verschiedenen Klassen von Zustandsverben differenzieren und gelangt so zu fünf Situationstypen. Die Unterscheidung von durativen und punktuellen Zustandsverben in A.c.I.-Komplementen zur Unterscheidung von kausativem und nicht-kausativem lassen verwendet aber z.B. Huber (1980).
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoΚ
71
b. Schüttler ließ seinem Gegner keine Chance. c. Hans ließ seinen Kindern den Nachtisch. Auch für das kontinuative lassen läßt sich die Dynamizität nachweisen. Zwar wird hier gerade keine Änderung impliziert, aber eine Aussage, daß etwas in einem Zustand belassen wird, erfordert in jedem Fall mehrere unterscheidbare Zeitpunkte. Der entsprechende Unterschied von kontinuativem lassen zu Zuständen zeigt sich in den Sätzen (25): Das Verb besitzen in (25a.) ist zeitpunkt-bezogen und bezieht sich auf einen Zustand. Hingegen beziehen sich Transaktionsverben wie kaufen und verkaufen sowie halten in (25b.-c.) auf nicht-atomare Zeitintervalle, weil man zur Beurteilung, ob jemand etwas kauft, verkauft oder (be)hält, mehrere aufeinanderfolgende Zeitpunkte heranziehen muß. Damit sind dies dynamische Situationen. (25) a. Maria besitzt 100 Telekom-Aktien. b. Maria (ver)kauft 100 Telekom-Aktien. c. Maria hält 100 Telekom-Aktien. Entsprechend ist kausatives lassen so wie halten ein dynamisches Verb. Wenn Maria einen Kuchen im Ofen stehenläßt, so ist dies ebenfalls kein Zustand, es sind auch hier mehrere Zeitpunkte nötig zur Beurteilung. Am Beginn steht der Kuchen im Ofen und am Ende immer noch. Wenn ich also sage, daß Maria den Kuchen im Ofen stehenläßt, so verbleibt der Kuchen in der Zwischenzeit im Ofen (26). (26) a. Maria läßt den Kuchen im Ofen stehen, b. Der Kuchen steht im Ofen. Bei Perzeptionsverben gestaltet sich der Nachweis der Dynamizität etwas komplizierter. Denn Perzeptionsverben werden in vielen Kontexten als statisch aufgefaßt. Mit nominalen Komplementen zeigen Perzeptionsverben typische Eigenschaften von Zustandsverben: So können im Englischen die Verben to see und to hear keine Progressivform bilden (27): (27)
* John is seeing, hearing his child.
Ich möchte zunächst nachweisen, daß Perzeptionsverben in bestimmten Kontexten auch eine dynamische Lesart erfahren - wenn sie nämlich einen Zustandswechsel bezeichnen - und anschließend, daß sie in A.c.I.-Konstruktionen i m m e r eine dynamische Interpretation erfahren müssen. Erstens zeigt der Satz (28) eine starke Ähnlichkeit mit dem anerkannten achievementVerb finden in (29). So kann (28) auch zur Bezeichnung des Auffindens eines Schatzes verwendet werden. (28)
Hans sieht den Schatz.
(29)
Hans findet den Schatz.
72
Kapitel 2
Und die Beispiele von KK in (30) zeigen, daß Perzeptionsverben im Komplement stehen können und damit auch zur Bezeichnung von dynamischen Situationen verwendet werden können: (30) a. Wenn Du etwas Neues weißt, laß es mich wissen / hören. b. Der Gefängnisdirektor ließ den Besucher den Gefangenen sehen und ihn sprechen. Daß in PVK perzeptive Matrixverben nicht nur dynamische Situationen denotieren können, sondern auch müssen, daß also die Matrixverben sehen oder hören so wie erblicken oder erhören verstanden werden müssen, dafür spricht zunächst das folgende Argument: Wenn das Komplement von A.c.I.-Verben ein Zeitintervall denotiert, so muß auch im Matrixsatz eine Situation präsent sein, da ein zeitlich strukturierter Vorgang nur durch einen ebenfalls zeitlich strukturierten Vorgang wahrgenommen oder veranlaßt worden sein kann. Dann aber müssen auch die A.c.I.-Verben sehen und hören, fühlen und spüren dynamisch verstanden werden, so daß in A.c.I.-Konstruktionen zwei Situationen vorhanden sind, eine im Matrixsatz und eine im Komplementsatz. Dies wird auch durch die einschlägigen Tests der A.c.I.-Verben auf Dynamizität bestätigt: I. Stative Verben treten im Englischen nicht als Komplement von überzeugen (persuade) und zwingen (force) auf (Dowty 1979: 55). Anders als to know (31a.) lassen sich PVKs mit see und hear einbetten, was dafür spricht, daß die Verben nicht statisch sind (31b.c.). (31) a. *John forced Harry to know the answer. b. John persuaded Harry to see his son do his homework. c. The guard forced Harry to hear the prisoners shouting. II. Zustandsverben erscheinen nicht in Sperrsätzen (pseudo-cleft constructions). Wie in (32) zu sehen ist, können PVKs hingegen in Sperrsätzen erscheinen. (32) a. *What John did was know the answer. b. What John did was run. c. What the prisoner did was hear his children laughing. d. What the ship did was sink. III. Ingressive Umdeutung durch Manner-Adverbien: Die Modifikation durch Manner-Adverbien wie schnell oder langsam ist ein Kennzeichen für dynamische Situationen. Aus besonderen semantischen Gründen liefert dieser Test allerdings fur die deutschen A.c.I.-Verben keine guten Ergebnisse, da insbesondere hören oder sehen sich schlecht modifizieren lassen. (33) a. ?Schnell sah Heidi Maria im Garten umherlaufen. b. Langsam spürt Maria ihr das Eis auf der Zunge zerfließen.
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
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2.2.5 Telizität der kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixsätze Die Telizität einer Situation zeigt sich wie gesagt in einem (natürlichen) Endzustand, einem Ergebnis, das die Situation komplettiert, während atelische Situationen unvermittelt enden. Deshalb muß bei telischen Situationen ein Endzustand von einem Anfangs- und verschiedenen Zwischenzuständen unterschieden werden. Bei kausativen, kontinuativen und perzeptiven Verben ist dies auch ohne weiteres möglich. Bei kausativen Verben ist der Nachweis der Telizität trivial. Schon Aristoteles argumentierte fur eine entsprechende Unterscheidung der Verben machen (gr. ποιεϋν, lat. facere, frz. faire, engl, make) und tun (gr. πραττειν, lat. agere, frz. agir, engl. do). Durch die kausative Situation wird etwas hergestellt, was zuvor nicht bestand, wird also ein Ergebnis erzielt, während ein Tun zu keinem Produkt führt. Somit ist Machen telisch und Tun atelisch. Daß aber auch die nicht-kausativen A.c.I.-Verben immer telische Situationen denotieren, kann man sich wie folgt klar machen: Wenn ich eine Situation wahrnehme, so muß ich dabei zwangsläufig einen Endzustand nach der Wahrnehmung von einem Anfangszustand vor der Wahrnehmung unterscheiden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die wahrgenommene Situation selbst telisch oder atelisch ist, die Wahrnehmung selbst ist immer telisch: Wenn ich Kinder spielen (atelisch) oder eine Burg bauen (telisch) sehe, so habe ich damit in beiden Fällen am Ende etwas wahrgenommen, was ich zu Beginn nicht gesehen habe. Ebenso verhält sich das kontinuative lassen·. Wenn ich einen Kuchen stehenlasse, so muß ich auch hier einen Endzustand von einem Anfangszustand unterscheiden, weil es bei der Matrix-Situation auch hier auf das Ergebnis meines Tuns, den Endzustand ankommt. Zum Abschluß betrachten wir einige der bekannten Tests zum Nachweis von accomplishments, die belegen, daß kausative Matrix-Situationen telisch und durativ sind. I. Kombination mit for- und w-Präpositionalphrasen: Zur Bezeichnung der Zeitdauer werden activities mit for-, accomplishments mit /«-Präpositionalphrasen kombiniert. Wie in (34) zu sehen ist, verbindet sich make besser mit in als mit for: (34) a. ?John made his son cross the street for two minutes, b. John made his son cross the street in two minutes. II. Kombination mit take und spend: Die Kombinierbarkeit von take mit dem kausativen Verb make spricht ebenfalls dafür, daß kausative Verben telisch sind und darüber hinaus auch durativ (35): (35) a. John spent two minutes making his son cross the street, b. It took John two minutes to make his son cross the street. III. Logische Implikation von progressiver auf die nicht-progressive Verbform Der logische Schluß von einer progressiven auf die entsprechende nicht-progressive Verbform ist nicht gegeben. Aus (36a.) folgt nicht automatisch (36b.), weil es möglich ist, daß die Überquerung der Straße nicht vollendet wird:
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Kapitel 2 (36) a. John was making the boy cross the street, b. John made the boy cross the street.
2.2.6 Durativität der kausativen, Nicht-Durativität der perzeptiven und kontinuativen Matrixsätze Kausative Situationen sind durativ, perzeptive und kontinuative sind punktuell. Kausation besteht als accomplishment aus einer activity und einem Endzustand. Das Verb hat ein agentives Subjekt. Im Unterschied dazu hat kontinuatives lassen ein sehr viel weniger agentives Subjekt. Das Subjekt nimmt hier nämlich keine Änderung vor. Die Matrixsituation besteht aus mehreren aufeinanderfolgenden Zuständen, die in einen Endzustand münden. Dies gilt ebenso für die Perzeptionsverben. Entsprechend zeigt der von Vendler aufgeführte Test einer Kombination mit take und spend (vgl. auch Dowty 1979), daß Perzeption und Kontinuation zu den achievements zählen. Kombination mit take und spend: achievements können im Gegensatz zu accomplishments nicht mit spend some minutes kombiniert werden, sehr wohl aber mit take an hour. Entsprechend zeigen kontinuatives lassen und Perzeptionsverben in (37, 38) die erwarteten Eigenschaften: (37) a. It took John some minutes to see his son buy a newspaper, b. ??John spent some minutes seeing his son buy a newspaper. (38) a. It took the minister some minutes to leave the trees standing, b. ??The minister spent some minutes leaving the trees standing. Durch das Kriterium der Durativität können wir also eine Dichotomie von A.c.I.-Verben im Deutschen etablieren: kausative und nicht-kausative. Im folgenden Abschnitt zeige ich, wie man die A.c.I.-Verben noch auf eine andere Art zergliedern kann.
2.2.7 Funktion des direkten Objekts für die Realisierung von Telizität (Tenny 1994) Wie wir gesehen haben, lassen sich telische Situationen über die Dichotomie durativ/punktuell zergliedern. Entsprechend sind accomplishments durativ und achievements punktuell. Es gibt aber auch noch eine andere Art und Weise, telische Situationen zu zergliedern, die auf Carol Tenny zurückgeht. Dazu wird jeweils die unterschiedliche Funktion des direkten Objekts als Ursache der Telizität, des ,Measuring out' betrachtet.64 64
Thomas Ede Zimmermann (p. M.) verweist auf die Einwände in Jackendoff (1996) gegen Tennys Theorie. Demnach habe das durch das direkte Objekt realisierte measuring-out zumindest partiell einen pragmatischen Hintergrund. Dieser Einwand ist allerdings für die hier untersuchten A.c.I.-Konstruktionen ohne Bedeutung, insofern die Unterschiede zwischen den einzelnen A.c.I.-Konstruktionen nicht auf das (austauschbare) Komplement, sondern auf das jeweilige Matrixverb zurückzuführen sind.
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
75
Voraussetzung der Telizität einer Situation ist die Meßbarkeit der Veränderung an einer Skala. Eine telische Situation kumuliert, hat also ein bestimmtes Maß der Veränderung, so daß ihr Fortschreiten meßbar sein muß. Ein direktes Objekt macht eine Situation teliseli, wenn es eine Skala bereitstellt, anhand derer ihr Voranschreiten meßbar ist. Tenny ( 1987) verwendet das folgende minimale Paar, um die Bedeutung des Objekts für die Realisierung von Telizität zu unterstreichen: (39) a. Telisch65: watch a movie b. Atelisch: watch a bird Das Objekt von (39a.) ist an einer Skala meßbar, das Objekt von (39b.) nicht. Ein Film wird in Teilen nacheinander geschaut, ein Vogel nicht. Deshalb ist (39a.) telisch und (39b.) nicht. Objekte lassen sich unterscheiden nach der Art, wie sie eine Situation telisch machen. Dabei gibt es drei Arten solcher Verben (Tenny 1994, 1.2.3): incremental-theme Verben, change-of-state Verben und route Verben. Sehen wir uns diese im einzelnen an: Bei incremental theme Verben wird die telische Situation verstanden als schrittweise Erfassung der einzelnen Teile des internen Arguments bis zum Ende. Das interne Argument stellt hier gleichzeitig Meßskala und zeitliche Grenze (Endpunkt) dar. So wird in den Beispielen (40) der Apfel Stück für Stück gegessen bzw. das Haus Stück für Stück gebaut. (40) Beispiele für incremental theme Verben a. Hans ißt einen Apfel. b. Maria baut ein Haus. Dem Ansatz von Krifka (1989, 1992) zufolge wird im zeitlichen Verlauf der Situation die charakteristische Eigenschaft stückweise auf das daran beteiligte direkte Objekt übertragen. Eine telische Situation ist durch einen unterschiedlichen Endzustand gekennzeichnet. Der Endzustand wird erreicht durch schrittweises Erfassen des Objekts. Die Teil-Ganze Struktur von teilbaren Objekten wie Äpfel oder Häuser stellt einen Homomorphismus von Situationen zu Objekten dar. Die Situation des Apfel-Essens ist mit dem letzten Stück beendet, ein Haus-Bau ist mit dem letzten Dachziegel abgeschlossen. Zu den incremental theme Verben gehören sowohl Verben der Umwandlung eines Objekts (affected object) wie bend an iron bar, wrinkle a dress oder break a pot (alle Bsp. aus Smith 1997: 27), Verben der Konsumption (consumed object: destroy a house, drink a glass of wine) und auch Verben der Erschaffung eines Objekts (constructed object) wie build a house oder write a letter. Bei Tennys zweiter Gruppe, den sog. change of state Verben, wird der Endpunkt nicht durch eine stückweise Veränderung des Objekts erreicht, stattdessen unterliegt eine zentrale Eigenschaft des Objekts einer meßbaren Veränderung relativ zu einer Meßskala. Dies findet seinen Ausdruck in der Bedeutung von Verb und Objekt. Durch das Verb ist eine Skala gegeben, die auf ein Objekt als Meßargument (measuring argument) appliziert. Eine durch das Verb gegebene zentrale Eigenschaft des Objekts ändert sich. 65
Statt „telisch" und „atelisch" verwendet sie die Begriffe „delimited" und „non-delimited".
76
Kapitel
2
(41) zeigt nun einige Beispiele für diese Gruppe der change of state Verben: (41 ) Beispiele fur change of state-Verben a. Der Apfel reift. b. Hans öffiiet die Tür. c. Die Tür öffiiet sich. d. Die Bombe explodiert. e. Peter amüsiert Maria. Die zentrale Eigenschaft in (41a.) ist die Reife des Apfels, in (41b.-c.) die Offenheit der Tür, in (4ld.) eine chemische Substanz, in (4le.) die Gemütsverfassung von Maria. Bei change of state-Verben hängt im Unterschied zu incremental theme-Verben die Beschaffenheit des Zeitintervalls nicht von der Größe des Objekts, sondern einzig vom Ausmaß der Änderung der Eigenschaft ab. Die Reife eines Apfels, das Öffnen einer Tür und das Amüsement einer Person werden im Gegensatz zur Explosion einer Bombe über verschiedene Zwischenstadien wahrgenommen. change of state-Verben können achievements oder accomplishments sein. Intransitive change of state-Verben sind immer unakkusativisch, weil sie nur ein internes und kein externes Argument haben können.66 Die dritte Gruppe sind die sog. route Verben mit Pfad-Objekten. Wie bei incremental theme Verben fungieren auch bei dieser Gruppe von Verben die direkten Objekte als Maßstäbe für die Situation, wenngleich die Objekte selbst keiner Änderung unterliegen. Als Ergebnis eines dynamischen Prozesses (activity) ändert ein Subjekt seinen Ort um eine durch das direkte Objekt gegebene Wegstrecke. Diese bildet die zu dessen Identifikation nötige Skala, und der Endpunkt kann zusätzlich durch ein indirektes Argument oder alternativ durch ein Ortsadverbial ausgedrückt werden.
66
Ein scheinbares Gegenbeispiel ist das englische Verb to win: Dies ist sicherlich ein achievement und gleichzeitig ein unergatives Verb. Interessanterweise unterscheidet sich to win von anderen achievement-Verben noch durch eine weitere Eigenheit: Mit dem Verb to win kann anders als mit sonstigen achievement-Verben die Konativ-Konstruktion gebildet werden (i). (i) a. John wins a race. b. John wins (a medal) at a race. B. Levin (1989: 11) bemerkt, daß change-of-state Verben oder achievements normalerweise nicht die Konativ-Konstruktion bilden können. Sie fuhrt als Beispiele auf (ii): (ii) BREAK-VERBS: break, crack, crash, crush, fracture, shatter, smash, snap, splinter, split, rip, tear... BEND-VERBS: bend, crease, crinkle, crumble, crumple, flake, fold, stretch, twist, wrinkle... a. Janet broke the bread. b. *Janet broke at the bread. Tenny (1994: 47) führt die Konativ-Alternation auf eine Ambiguität dieser Verben zurück: „The conative alternation applies to verbs that are ambiguous with respect to measuring arguments (they can have a measuring interpretation and a non-measuring interpretation) or to verbs that have non-measuring arguments." Entsprechend nehme ich für win eine obligatorische Objekt-Inkorporation in das Verb an, so daß es ein implizites measuring Argument beinhaltet.
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
77
Viele route Verben sind durativ und damit accomplishments (z.B. 42a., d.-e.), dann ist der durch das direkte Objekt bezeichnete Weg ausgedehnt und damit teilbar. Zu den route Verben zählen aber auch achievements wie in (42b.-c., f.-g.). (42) Beispiele fur route Verben a. Maria geht zur Schule. b. Hans stieg auf die Leiter. c. Hans bleibt in der Stadt. d. Maria gibt Hans einen Kuß auf die Wange. e. Maria spielte eine Sonate auf dem Klavier. f. Hans (be)hält sein Grundstück. g. Peter (be)läßt sein Rad am Bahnhof. (nicht-kausative Lesart) Eine erste Untergruppe der route Verben sind Verben der Bewegung (bzw. Nicht-Bewegung wie bleiben) mit einem Lokaladverbial zum Ausdruck des Endpunkts der Bewegung (42a.-b.). Beispiele flir Bewegungsverben sind laufen, gehen, schwimmen, werfen, steigen. Bewegungsverben erscheinen damit ohne das ansonsten obligatorische direkte Objekt, da hier der Pfad bereits durch die Ortsänderung des Subjekts gegeben ist. Eine zweite Untergruppe der route Verben sind Verben des Besitzwechsels. Beispiele sind geben, schenken, verteilen, nehmen, rauben. Eine dritte Untergruppe von route Verben sind kognitive Verben, bei denen das Subjekt eine Änderung erfährt, deren Ausmaß wiederum durch das Objekt gegeben ist. Typische Beispiele hierfür sind Perzeptionsverben wie sehen, hören, schauen, zuhören.... Betrachten wir nun entsprechend die deutschen A.c.I.-Verben in Verbindung mit nominalen Argumenten. Das Verb lassen selegiert zwei interne Argumente (43): Das eine steht im Akkusativ und das zweite im Dativ oder als Lokal-Adverbial. (43) Lassen mit zwei nominalen Argumenten 67 : Akkusativ + Dativ / Lokaladverbial a. Der Bauer ließ seinen Angehörigen einen Acker und zwei Stück Vieh. 68 b. Peter läßt sein Rad zuhause / am Bahnhof. Mit nominalen Argumenten ist lassen ambig zwischen einer kausativen und einer nichtkausativen Lesart. Dies zeigt sich darin, daß (43b.) eine kausative (44a.) und eine nichtkausative (44b.) Interpretation hat. (44) Kausative und nicht-kausative Lesart der Sätze mit nominalen Argumenten a. Peter stellt sein Rad zuhause / am Bahnhof ab. b. Peter beläßt sein Rad zuhause / am Bahnhof. Das Verb lassen im Sinne von überlassen ist ein Verb des Besitzwechsels, im Sinne von belassen aber stellt es für diese Gruppe einen Grenzfall dar: den Besitzverbleib. Wenn Gruber (1976) und Jackendoff (1972) Transaktionsverben wie kaufen oder verkaufen unter die route Verben subsumieren, dann kann auch lassen als ein solches Verb angese67 68
Ausnahmen mit einem internen Argument sind bestimmte Idiome wie sein Leben lassen. Für einige von mir befragte Sprecher ist die durative Lesart in (43a.) nicht ohne weiteres erhältlich. In jedem Fall benötigt man einen geeigneten Kontext, um die kausative Lesart zu erhalten.
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Kapitel 2
hen werden. Es ist ein Sonderfall. Bei der belassen-Lesart ist die Länge des Pfades gleich Null, bei der überlassen-Lesart ist er länger und damit teilbar. Dabei unterliegt das interne Objekt zwar einer räumlichen, aber keiner substantiellen Änderung. Verben des Besitzwechsels selegieren ein indirektes Objekt; dieses ist das Ergebnis der Handlung; es beschließt die Handlung. Bei A.c.I.-Konstruktionen wird somit die Komplementsituation als Ziel der Matrixsituation dargestellt. Indem die Komplementsituation ein Ziel darstellt, grenzt es die Matrixsituation ab. Das Verb machen stellt ein incremental theme verb dar. Das Objekt von machen entsteht schrittweise aus der Tätigkeit des Subjekts. Machen ist immer ein Machen eines Objekts und damit vergleichbar mit solchen Tätigkeiten wie dem Bau eines Hauses oder dem Schreiben eines Briefs, d.h. solchen Tätigkeiten, bei denen das Objekt stückweise entsteht. Das interne Objekt unterliegt einer substantiellen Änderung. Als transitive accomplishment-Verben haben sie ein agentives Subjekt und die Handlung ein Ende, das durch die Vollendung des Objekts gegeben ist. Das interne Argument realisiert die Merkmale durativ und telisch. Bei KK mit machen stellt die Komplementsituation eine Meßskala für die Matrixsituation dar. Wenn ich jemand lachen mache, so tue ich etwas Komisches, und ein anderer lacht darüber. Ich bringe jemand zum Lachen, und eben das Ausmaß dieses Lachens gibt den Erfolg meines Tuns an. Damit ist die Komplementsituation, das Lachen kein fixes Ziel, sondern diese Situation kann sich weiterentwickeln und dabei verschiedene Ausprägungen annehmen. Das Verb machen selegiert gewöhnlich nur ein direktes Objekt, kann aber optional zusätzlich auch den Dativ zuweisen (45): (45) a. Ich mache (dem Kind) ein Papierschiffchen, b. Peter macht im Garten ein Loch. Perzeptionsverben wie sehen, hören, spüren, fühlen sind kognitive Verben, d.h. es ändert sich die Kognition des Subjekts. Indem eine Person etwas wahrnimmt, ändert sich das von ihr Wahrgenommene. Demgegenüber gibt es auch solche Perzeptionsverben, deren Subjekt in einem höheren Maße agentiv ist und deren Objekt eine spürbare Veränderung bezeichnet: Verben wie schauen, betrachten, zusehen oder zuhören. Diese Verben sind telisch und durativ, die o.g. Perzeptionsverben hingegen telisch und punktuell.
Die semantischen
Eigenschaften
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von KK, PVK und KoK
Tabelle 2 zeigt die hier vorgestellte Klassifikation für telische Situationen im Überblick. Die deutschen A.c.I.-Verben sind dabei gefettet. Tabelle 2: Klassifikation telischer Situationen awomplishroen
incremental theme Verben (transitiv)
beenden, vollenden, beginnen, gewinnen, verlieren
change of state verbs (ergative bzw. transitive Verben)
explodieren, zerbrechen, bersten
route Verben der Bewegung / des Ortswechsels route Verben des Besitzwechsels (Subjekt und Objekt unterliegen Änderung) kognitive route Verben (Subjekt unterliegt Änderung und bezeichnet Endpunkt)
erreichen, ankommen, abfahren, landen kontinuatives lassen, (be)halten sehen, hören, fühlen, spüren, finden, erfassen
machen, essen, bauen, schreiben, zerstören, zerreißen, komponieren, dichten, zeichnen reifen, schmelzen, sinken, wachsen, abnehmen, erröten, öffnen, schließen begehen, besteigen kausatives lassen, geben, schenken, stellen, nehmen, kaufen, verkaufen schauen, absuchen (aber nicht: suchen), betrachten, lesen, (eine Sonate) spielen
Werfen wir zum Schluß einen Blick auf die anderen untersuchten Sprachen: Im Französischen, Italienischen und Spanischen existiert jeweils ein direktiv-kausatives Verb, dessen Grundbedeutung dem deutschen machen ähnelt, und zugleich ein permissivkausatives sowie kontinuatives Verb (laisser, lasciare bzw. dejar). Im Englischen gibt es wiederum mehrere kausative Verben, z.B. make, get, have, let und induce. Von diesen ist make inkrementell, während get, have, let und induce route Verben sind.
2.3 Aspekt Im Anschluß an 2.1 und 2.2 stellt sich die Frage: Welche Relation besteht zwischen dem Zeitintervall des Matrixsatzes und dem des Komplements? Im folgenden möchte ich dafür argumentieren, daß in KK, PVK und KoK die Situationszeit des Matrixsatzes die Situationszeit des Komplements teilweise oder vollständig einschließt. Auf diese Weise entspricht die Relation zwischen beiden Zeitintervallen der semantischen Funktion der Kategorie „Aspekt", wie ihn eine relationale Theorie (Klein 1994) beschreibt. Betrachten wir dazu als nächstes die Verwendung des Aspekt-Begriffs in der Philologie.
2.3.1 Der Aspekt-Begriff der Philologie Was soll man sich unter dem Begriff „Aspekt" vorstellen? Grundlegend scheint der Unterschied zum Tempus zu sein. In vielen natürlichen Sprachen bilden Verben mehrere
80
Kapitel 2
Vergangenheits-, Zukunfts- oder sogar Gegenwartstempora: So werden im Englischen Simple und Continuous-Formen in unterschiedlichen Kontexten verwendet, und im Französischen wird bei Vergangenheitsformen strikt unterschieden zwischen Imparfait und Passé Simple / Passé Composé. Mithin reicht ein Tempus-Begriff, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterscheidet, nicht aus, um die Art erschöpfend zu charakterisieren, in der ein Verb morphologisch markiert ist.69 Ansätze zu einer Theorie des Aspekts finden sich bereits in der antiken Grammatik, bei Varrò als Unterscheidung von vollendetem und nicht-vollendetem Tempus 70 . Der Begriff „Aspekt" tritt aber erst in der Neuzeit auf. Gewöhnlich wird er auf die 1827 erschienene russische Grammatik von Ν. I. GreC zurückgeführt. Greò verwendet hierfür das russische Wort vid (Sicht), das im Französischen mit aspect wiedergegeben wurde. In den meisten slawischen Sprachen bilden die Verben (mit wenigen Ausnahmen) zwei morphologisch unterschiedliche Formen: eine perfektive und eine imperfektive. Die folgenden Beispiele sind aus dem Russischen: (46) Imperfektiver und perfektiver Aspekt (Comrie 1976) a. ¿itala knigu. sie war dabei, das Buch zu lesen b. proòitala knigu. sie hat das Buch gelesen
imperfektiv perfektiv
Die perfektive Form bedeutet, daß auf das gesamte Geschehnis vom Beginn bis an sein Ende Bezug genommen wird. Die imperfektive Form wird hingegen dann verwendet, wenn das Geschehnis als unvollständig, als ausschnitthaft bezeichnet wird. Die Herkunft des Begriffes aus der Slawistik führte später dazu, daß umstritten war, ob ähnliche Phänomene etwa im Englischen (progressiv vs. nicht-progressiv) oder Französischen (imparfait vs. passé simple) als Aspekte aufzufassen sind. Eine Theorie des Aspekts muß also verschiedene Aspekt-Arten unterscheiden können. Deshalb ist der Aspekt-Begriff in der Literatur nicht ganz unumstritten71 und auch nicht unkompliziert. Ich möchte dies an einigen Punkten erläutern und damit einen ersten Einblick in die semantische Funktion von Aspekt geben: •
Die Funktion der einzelnen Tempus- und Aspekt-Formen innerhalb einer Sprache kann immer nur als Ganzes, als System dargestellt werden. Diese Kategorien beinhalten jeweils mehrere Formen mit prinzipiell gegensätzlicher distributiver Funktion: z.B. Vergangenheit vs. Gegenwart, Imperfektiv vs. Perfektiv etc. Der Wegfall einer Opposition wie Perfektiv - Imperfektiv im Mittelhochdeutschen ging z.B. einher mit der Herausbildung einer andersgearteten Opposition: vollzogen - nicht-vollzogen. Damit muß jede universale Begriffsbildung zunächst das Ganze einer Sprache im Blick haben und kann dann erst dieses System mit anderen vergleichen.
69
In den westafrikanischen Sprachen Yoruba und Igbo wird nicht zwischen Gegenwarts- und Vergangenheits-Tempus unterschieden, wohl aber zwischen Aspekten (Comrie 1976: 82). Zur Geschichte des Aspekt- und Tempus-Begriffs vgl. Binnick ( 1991 ). Vgl. Brinton (1988) mit einer Übersicht über verschiedene traditionelle Definitionen von Aspekt.
70 71
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK •
•
•
•
•
81
Die Häufigkeit der Verwendung bestimmter Aspekt-Formen hängt stark von der Semantik des Verbs (Aktionsart) ab. So ist im Englischen bei bestimmten Zustandsverben die Progressiv-Form ungrammatisch: * John is knowing, seeing etc. Ebenso ist die Verwendung der Aspekt-Formen in bezug auf die Tempora asymmetrisch verteilt: Die meisten Aspekt-Formen finden sich gewöhnlich in den Vergangenheitstempora, während die Zukunft oft nur eine aspektuell neutralisierte Form bilden kann 72 und die Gegenwartsform fast immer imperfektiv interpretiert wird. In Sprachen ohne Perfektiv - Imperfektiv Unterscheidung (z.B. Deutsch, Englisch) hingegen fehlt hierfür die Basis, aber auch hier existieren mehr Vergangenheitsformen als Gegenwarts- oder Zukunftsformen. Auch im Englischen findet sich die Progressiv-Form entsprechend relativ häufiger im Präsens als in den Vergangenheitstempora 73 . Die morphologische Aspekt-Form ist in natürlichen Sprachen unterschiedlich eng mit der Tempus-Form verknüpft: Sehr eng z.B. im Französischen, wo die VerbMorpheme von Imparfait und Passé Simple bzw. Passé Composé jeweils gleichzeitig (Vergangenheits-) Tempus wie auch einen Aspekt markieren, weniger eng hingegen im Englischen, wo Aspekt- und Tempus-Morphologie deutlich geschieden sind. Der Perfekt-Aspekt ist u.U. iterierbar, bevorzugt durch Kombination von Perfektiv und Perfekt, in einigen Sprachen auch durch die Kombination von Imperfektiv und Perfekt: z.B. im Englischen als I have been reading (Comrie 1976). Mit Aspekt-Formen ist eine Diskurs-Funktion verbunden, der gegenüber die semantische Funktion in den Hintergrund treten kann. So ist im Französischen der Gegensatz von passé composé und passé simple der von mündlicher parole und schriftlicher histoire.
Demnach können wir Aspekt wie folgt definieren (47): (47)
Aspekt Aspekt ist zunächst ein morphologisches Phänomen, welches die lexikalisch realisierte Aktionsart eines Verbstamms voraussetzt, selbst wiederum bevorzugt bei einem zeitlichen Rückblick (Vergangenheits-Tempus) zur Verfügung steht. Oft wird er mit einer Sichtweise, mit einer Perspektive in Verbindung gebracht. Die wesentliche aspektuelle Unterscheidung betrifft die Sicht auf die Situation als ganze (perfektiv) oder als unvollständige und im Gang befindliche (imperfektiv).
Comrie (1976) gibt die folgenden Definitionen für Aspekt im allgemeinen und perfektiven und imperfektiven Aspekt wie folgt:
72
73
Z.B. im Altgriechischen, einer Sprache mit der Tempus-Opposition vergangen - nicht-vergangen, in der das Futur aus dem perfektiven nicht-vergangenen Aspekt abgeleitet wurde. Die Grammatikalitätsverteilung in den Gegenwartstempora zeigt hingegen ein starkes Übergewicht der Progressivformen bei activities und accomplishments. Dies hängt aber mit der eingeschränkten Dauer der Betrachtzeit zusammen (vgl. hierzu die folgenden Seiten).
82
Kapitel 2 (48)
Aspekt (Comrie 1976: 3, angelehnt an Holt 1943) ,aspects' are different ways of viewing the internal temporal constituency of a situation.
(49)
Perfektiv: „the whole of the situation referred to without reference to its internal temporal constituency: the whole of the situation is presented as a single unanalysable whole, with beginning, middle, and end rolled into one; no attempt is made to divide this situation up into the various individual phases that make up the action of entry, (p.3) Imperfektiv: makes explicit reference to the internal temporal constituency of the situation, (p.4)
Im imperfektiven Satz kann ein Geschehen im Vergangenheitstempus bis in die Gegenwart reichen, weil es als unvollendet dargestellt wird (50a.), im perfektiven Satz nicht (50b.). (50) a. Ce matin l'enfant pleurait (ipf.); peut-être qu'il pleurait encore, imperfektiv 'diesen Morgen das Kind weinte; vielleicht weint es noch immer b. *Marie a vécu (pf.) à Paris et elle y vit encore. perfektiv 'M. hat gelebt in Paris und sie lebt dort noch immer' (Smith 1997: 70) Für den imperfektiven Aspekt führt er entsprechend weitere Unterteilungen ein (ebd., S. 25) (51)
Perfektiv
Imperfektiv
Habituell
Fortdauernd
Nicht-Progressiv74
74
Progressiv
Unter dem nicht-progressiven imperfektiven Aspekt versteht Comrie die imperfektiven Verbformen von Zustandsverben, die keine Progressivform bilden können (state terms). Bei dynamischen Verben findet naturgemäß ein solcher Zustandswechsel statt, und damit bilden diese Verben im imperfektiven Aspekt die Progressivform. Deshalb findet man den nicht-progressiven imperfektiven Aspekt nur bei den imperfektiven Formen von state terms. Dies zeigt der Vergleich zwischen Französisch und Englisch (i): (i) state terms a. Jean savait qu'il parlait trop vite. b. John knew (* was knowing) that he was speaking too quickly. (Comrie 1976: 34)
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
83
Zur Habitualität schreibt Comrie: "The feature that is common to all habituais, whether or not they are also iterative, is that they describe a situation which is characteristic of an extended period of time, so extended in fact that the situation referred to is viewed not as an incidental property o f the moment but, precisely, as a characteristic feature o f a whole period. If the individual situation is one that can be protracted indefinitely in time, then there is no need for iterativity to be involved (as in the Temple of Diana used to stand at Ephesus), though equally it is not excluded, (as in the policeman used to stand at the corner for two hours each day). If the situation is one that cannot be protracted, then the only reasonable interpretation will involve iterativity (as in the old professor used always to arrive late)" (Comrie 1976: 27 f.)
Da im Grunde jede Situation, die verlängert oder mehrfach wiederholt werden kann, als habituell angesehen werden kann, kann Habitualität mit allen aspektuellen Werten kombiniert werden. So kann im Englischen die used /o-Konstruktion mit dem Progressiv kombiniert werden: used to be playing. Die Progressivst definiert Comrie: "Thus we can give the general definition o f progressiveness as the combination o f progressive meaning and nonstative meaning. Naturally, then, stative verbs do not have progressive forms, since this would involve an internal contradiction between the stativity o f the verb and the nonstativity essential to the progressive."(p. 35)
Jede Sprache hat wie gesagt ihr eigenes Aspekt-System, in der die Art der aspektuellen Formen, aber auch ihre Verwendungsweise festgelegt sind. So ist die Verwendung der Progressivform im Englischen obligatorisch, im Spanischen optional. Im Englischen wird unterschieden zwischen den unmarkierten nicht-progressiven Formen (bei nichtstatischen Verben im Präsens gewöhnlich mit habitueller Bedeutung) und den markierten progressiven Formen. Daneben gibt es in der Vergangenheit noch einen dritten Aspekt, das Perfekt. Während perfektiver und imperfektiver Aspekt einen stark ausgeprägten Gegensatz zeigen, ist das Perfekt etwas Drittes. Es betrachtet eine Situation nicht als gleichzeitig, sondern blickt von einem Nachzustand auf die Situation. Im Englischen kann das Perfekt dementsprechend, je nachdem ob das Geschehnis als perfektiv oder imperfektiv (genauer gesagt: progressiv) verstanden wird, mit dem Verb-Stamm als auch mit dem Gerundiv gebildet werden (52): (52) a. John has read the Bible. b. John has been reading the Bible. Das Perfekt läßt sich also als eine Iteration des Aspekts verstehen, indem zu einer Betrachtzeit eine weitere hinzugefügt wird. Es wird bevorzugt aus Perfektiv-Formen gebildet, da erfahrungsgemäß ein einzelnes Geschehnis, das als Ganzes gesehen wird, eher Konsequenzen hat als ein Geschehnis, das als unvollendetes betrachtet wird (Comrie 1976: 62 f.).
84
Kapitel 2 (53)
Perfekt Beim Perfekt handelt es sich um einen komplexen Aspekt, der ein Geschehen als abgeschlossen betrachtet.
Dabei bestehen beim Perfekt Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Englischen: Im Deutschen kann in der gesprochenen Sprache das Präteritum durch das Präsens Perfekt ersetzt werden (54), im Englischen ist dies nicht möglich (55): (54) a. Hans aß einen Apfel. b. Hans hat einen Apfel gegessen. (55) a. John lived in London for ten years. b. John has lived in London for ten years. Der Unterschied in (54) besteht normalerweise darin, daß beim Präteritum in (54a.) ein Intervall des Apfel-Essens betrachtet wird, während im Perfekt-Satz (54b.) der Vorgang von einem (punktuellen) Nachzustand aus betrachtet wird, der mit der Sprechzeit identifiziert wird. Dies führt dann dazu, daß im Deutschen das Perfekt in vielen Kontexten das Präteritum ersetzen kann. Im Englischen gilt dies nicht. Satz (55a.) wird normalerweise so verstanden, daß zum Zeitpunkt der Äußerung John nicht mehr in London wohnt, während (55b.) nur heißen kann, daß er dort noch wohnt. Beide Sätze können nicht im selben Kontext verwendet werden.
2.3.2 Eine relationale Theorie von Aspekt In Klein (1994) wird eine Theorie der Funktion von Aspekt entwickelt, die ihn als Relation zwischen zwei bestimmten Zeitintervallen ansieht. Grundlegend dabei ist die Definition des geschlossenen Zeitintervalls (time span) (56), das sich aus einer Menge von aufeinanderfolgenden Zeitpunkten zusammensetzt: (56) Geschlossenes Zeitintervall a. Ein geschlossenes Zeitintervall ist eine geordnete Menge von unmittelbar aufeinanderfolgenden Zeitpunkten. Es wird von einem Anfangs- und Endpunkt begrenzt. b. Ein (nicht-atomares) Zeitintervall besteht aus mehreren (atomaren) Zeitpunkten, die einzelne Zustände markieren. Für die Definition der einzelnen Aspekte (z.B. Perfektiv, Imperfektiv) benötigt Klein zwei verschiedene Zeitintervalle: eines ist die Situationszeit, das andere die Betrachtzeit. Diese lassen sich so wie in (57) definieren: (57)
Zeitintervalle: Situationszeit: Intervall, innerhalb dessen ein Geschehen sich vollzieht Betrachtzeit: „Intervall, innerhalb dessen ein Geschehen betrachtet wird" (Zeller 1994: 42)
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
85
Sprachliche Beschreibungen müssen zwangsläufig Bezug auf eine Situationszeit nehmen. 75 Dies wird an den folgenden Beispielen (58) deutlich: (58) a. b. c. d. e.
Maria küßt Peter. Stefan schreibt seine Dissertation. Maria läuft einen Marathon. Peter mag keine Rosinen. Hans ist erkältet.
Trivialerweise sind diese Vorkommnisse 76 von einer bestimmten Zeitdauer: Das Küssen, das Schreiben einer Dissertation, das Laufen eines Marathons, und natürlich auch Zustände wie das Nicht-Mögen von Rosinen und das Erkältet-Sein erstrecken sich über einen bestimmten Zeitraum. Damit ist ein Zeitintervall gegeben, die Situationszeit. Gleichzeitig ist damit auch die Betrachtzeit gegeben: Die Betrachtzeit ist das Intervall, über das der Sprecher eine Aussage macht, auf das er die Situation bezieht. Der Satz „Maria küßt ihren Mann" kann z.B. als eine Aussage über einen ganz bestimmten Vorgang verstanden werden, wenn eine kurze Betrachtzeit gewählt wird, oder aber als eine Gewohnheitshandlung, wenn die Betrachtzeit einen längeren Zeitraum umfaßt. Dies hängt ab einzig vom Sprecher, der sich bei seiner Äußerung auf ein bestimmtes Zeitintervall beziehen muß. D.h. er muß einen offenen Vorgang mit einer (indefiniten) Situationszeit auf die von ihm bestimmte (und daher definite) Betrachtzeit beziehen. Damit ist es möglich, Aspekt als eine Relation zwischen Zeitintervallen zu definieren, wobei die Situationszeit das Thema und die Betrachtzeit das Relatum ist (vgl. auch Klein 1994: 65). In (59) sind auf einer Zeitachse verschiedene mögliche Relationen grafisch dargestellt, wobei das Thema als — und das Relatum als III markiert ist, während die Zeit um das Relatum als ( ) erscheint: Relationen zwischen Zeitintervallen a. lange vorher — ( IIIIII b. kurz vorher ( -—IIIIII ) c. teilweise vorher ( - / - / - / / / ) d. gleichzeitig ( /-/-/-/-/ ) e. teilweise danach ( / / / - / - / ) f. kurz danach ( /////— ) g- lange danach ( mm ) — (60)
75
76
Funktion von Aspekt als Relation von Zeitintervallen Die Funktion des Aspekts besteht darin, eine indefinite Situationszeit auf eine definite Betrachtzeit zu beziehen. D.h. das Geschehen wird durch einen definiten vom Sprecher gesetzten view point betrachtet.
Immanuel Kant hat in der Kritik der reinen Vernunft die Zeit als "reine Anschauungsform" bezeichnet. Damit meinte er, daß es für Menschen nicht möglich ist, etwas wahrzunehmen, ohne diesem eine zeitliche Struktur überzustülpen. Zum Raumbegriff vgl. Klein (1994). Ich verwende „Vorkommnisse" als Oberbegriff für Situationen und punktuelle Zustände (state terms).
Kapitel 2
86
Entsprechend lassen sich die beschriebenen Aspekte als unterschiedliche Relationen zwischen Situationszeit und Betrachtzeit definieren (61): (61) Definitionen von Perfektivität, Imperfektivität und Perfekt als Relationen von Intervallen (vgl. Klein 1994) a. Der perfektive Aspekt stellt eine Situationszeit als vollständig enthalten in der Betrachtzeit dar. b. Der imperfektive Aspekt stellt eine Situationszeit als nur teilweise enthalten in der Betrachtzeit dar, d.h. Anfang oder Ende liegen außerhalb der Betrachtzeit. Dabei kann ein Geschehen in der Betrachtzeit einmal oder mehrmals auftreten. Habitualität ist eine unbestimmt oft stattfindende Wiederholung der Situation 77 , Progressivität ist das Vorkommen von mindestens zwei verschiedenen Zuständen einer Situation innerhalb der Betrachtzeit. c. Das Perfekt stellt eine Situationszeit als vollständig vor dem Zeitpunkt der Betrachtzeit liegend dar. Die Betrachtzeit zeigt das Resultat der Situation. Dabei wird im Englischen diese Betrachtzeit mit der Gegenwart identifiziert, während im Deutschen diese Betrachtzeit frei gewählt werden kann. Imperfektiver und perfektiver Aspekt stellen also eine Relation der zumindest partiellen Simultaneität zwischen zwei Zeitintervallen dar. Um entsprechend die Funktion von Tempus zu definieren, müssen wir einen weiteren Zeitpunkt einführen: die sog. Sprechzeit („point of speech" in Reichenbach 1947). Das ist der Zeitpunkt der Äußerung. Damit läßt sich nun auch Tempus als eine Relation von zwei anderen Zeitintervallen definieren: (62)
Funktion von Tempus als Relation von Zeitintervallen Die Funktion des Tempus besteht darin, eine Betrachtzeit auf eine durch die Äußerung gegebene Sprechzeit zu beziehen.
Zwischen Betrachtzeit und Sprechzeit lassen sich drei grundlegende temporale Relationen definieren: das Vergangenheitstempus als Vorzeitigkeit, das Gegenwartstempus als Gleichzeitigkeit und das Zukunftstempus als Nachzeitigkeit des Themas gegenüber dem Relatum (63). (63)
Tempora: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (vgl. Klein 1994) a. Vergangenheit: Betrachtzeit liegt vor der Sprechzeit b. Gegenwart: Betrachtzeit überschneidet sich mit Sprechzeit c. Zukunft: Betrachtzeit liegt nach der Sprechzeit
Das Tempus bezieht die Betrachtzeit auf die Sprechzeit und stellt anders als der Aspekt im wesentlichen die Relation der Vor- oder Nachzeitigkeit der Zeitintervalle dar.
77
Durch die unbestimmte Anzahl der Wiederholungen wird die genaue Dauer der Gesamtsituationen unbestimmt, so daß, selbst wenn die Betrachtzeit eindeutig alle Situatonszeitintervalle einschließt, dieser Aspekt niemals Perfektiv sein kann.
Die semantischen Eigenschaften von KK, PVK und KoK
87
2.3.3 Die Relation von Matrix- und Komplementsituation Was geschieht nun in PVK, KK und KoK? Auch hier haben wir in Matrixsatz und Komplement zwei Situationen und damit zwei Zeitintervalle, die aufeinander bezogen werden. Dabei gilt (64): (64)
Die Situationszeit der Matrixsituation ist die Betrachtzeit für die Komplements ituation.
Dies zeigt sich z.B. darin, daß in den drei Konstruktionen (im Gegensatz zu finiten Komplementen und zw-Infinitiven) Auxiliare unzulässig sind (65). (65) a. b. c. d.
Der Trainer sah/hörte, daß Peter den Marathon gelaufen ist. *Der Trainer sah/hörte Peter den Marathon gelaufen sein. Peter bereute, daß er den Marathon gelaufen ist. Peter bereute den Marathon gelaufen zu sein.
Ebenso sieht man dies im Englischen an der Zulässigkeit der Progressivmorphologie bei PVK und KoK. Damit ist der Nachweis erbracht, daß in diesen Infinitivkonstruktionen die Funktion von Aspekt realisiert ist.
2.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel ging es darum, mit Hilfe von etablierten semantischen Konzepten die in KK, PVK und KoK ausgedrückte Bedeutung zu erfassen. Dazu habe ich hier solche Konzepte wie Aspekt, Situation und Verbklasse eingeführt und dafür argumentiert, daß die Konstruktionen eine semantische Eigenschaft gemeinsam haben: Im Vergleich zu einfachen finiten Sätzen wird hier im Komplement eine weitere Situation eingeführt, deren Zeitintervall partiell simultan zu der Situation im Matrixsatz abläuft. Die Relation zwischen diesen Intervallen entspricht der Funktion von Aspekt, ein Zeitintervall als ganzes (Perfektivität) oder als Teil (Imperfektivität) zu betrachten. D.h. in KK, PVK und KoK liegt Aspekt-Rekursion vor: einmal der Aspekt des Matrixverbs und ein andermal der Aspekt des Komplementinfinitivs. Grundlegend hierfür sind die folgenden Annahmen: das Komplement stellt eine raumzeitliche Entität, eine Davidson'sche Situation dar. Die Matrixverben stellen ebenso Situationen dar, die im Falle von KK als (durative) accomplishments und im Falle von PVK und KoK als (punktuelle) achievements interpretiert werden. Eine weitere Unterscheidung betraf Tennys Arten des measuring-out. Kausative Verben wie machen, faire, make, fare etc. stellen incremental theme Verben dar, in denen das direkte Objekt stückweise erschaffen wird, andere Verben wie lassen oder sehen stellen route Verben mit einem Pfad-Objekt und einem Ziel dar.
Kapitel 3: Universelle syntaktische Eigenschaften von KK, PVK und KoK
In diesem Kapitel geht es darum, den theoretischen Rahmen einer syntaktischen Analyse von KK, PVK und KoK zu abzustecken. Dazu werden zunächst die wesentlichen theoretischen Konzepte und Begriffe, die die Generative Grammatik in der Verfolgung des Minimalistischen Programms entwickelt hat, eingeführt. Ein Kennzeichen minimalistischer Grammatikmodelle ist ein Punkt in der Derivation, an dem die in der Syntax generierten Repräsentationen ausgesprochen bzw. semantisch interpretiert werden, der Spell-out genannt wird. In Chomsky (2001) verbindet sich dies mit der Annahme, daß die Derivation zyklisch (d.h. in Phasen) erfolgt. Am Ende einer Phase wird das in ihr gebildete Syntaktische Objekt im Rahmen von Spell-out an die semantische bzw. lautliche Komponente transferiert und dort interpretiert bzw. artikuliert. Nur an den Rand dieser Phase bewegte lexikalische Elemente können in weitere syntaktische Operationen verwickelt werden. Ich nehme an, daß in KK, PVK und KoK in einer ersten Phase das Komplement, das als Davidson'sche Situation interpretiert wird, generiert wird. Als Folge davon verlaufen syntaktische Operationen situationsbezogen, bevor lexikalische Elemente nach Abschluß der ersten Phase von dessen Rand in der nächsten Phase weiterbewegt werden können. Dabei ist in der nächsten Phase der Rückgriff auf die erste Phase nur über den Phasenrand möglich. Es kommt darauf an zu bestimmen, wie die im zweiten Kapitel ermittelten logischsemantischen Eigenschaften universelle Beschränkungen für die syntaktische Derivation darstellen. D.h. es fehlen spezifische Ableitungen von einzelsprachlichen Strukturen oder Beispielsätzen - um Aussagen zu treffen über das spezielle sprachliche Wissen von Sprechern einzelner Sprachen, das den Grammatikalitätsbeurteilungen zugrunde liegen muß, ist es an dieser Stelle noch zu früh. In 3.1 stelle ich die wesentlichen theoretischen Konzepte und Begriffe vor, die in minimalistischen Modellen verwendet werden. In 3.1.1 geht es um die Operation Verkettung (,Merge'), einen Mechanismus, mit dem einzelne Strukturbäume zu ganzen Sätzen zusammengefügt werden. In 3.1.2 geht es um eine andere grundlegende strukturbildende Operation der Bewegung von Konstituenten (,Move'). Bewegung von Konstituenten wird hier als Spezialfall der Operation Übereinstimmung von Merkmalen (.Agree') verstanden. Übereinstimmung appliziert zwischen den φ-Merkmalen (Person und Numerus) einer lexikalischen Kategorie (z.B. einer Nominalphrase) und einer funktionalen Kategorie (z.B. einem T-Kopf). Das bekannteste Beispiel ist die Kongruenz des Verbs mit dem Subjekt. In 3.1.3 geht es um die oberhalb der Basispositionen von Verb, Subjekt und
Universelle syntaktische Eigenschaften von KK, PVK und KoK
89
Objekt gelegenen funktionalen Projektionen wie Aspekt Phrase und Tempus Phrase, in denen interpretierbare und ggf. auch nicht-interpretierbare Merkmale sitzen. In 3.1.4 begründe ich meine Annahme, daß nicht nur Nomina, sondern auch Situationen über einen (reduzierten) Satz von φ-Merkmalen verfugen. In 3.1.5 schließlich formuliere ich die Annahme, daß die Derivation von KK, PVK und KoK in Zyklen (Phasen) abläuft: In einer Phase werden Elemente an den Phasenrand bewegt, so daß mit dem Beginn einer neuen Phase nur noch der Zugriff auf die Elemente im Phasenrand (Spezifikator und Kopf des äußersten Knotens) der früheren Phase möglich ist. In der ersten Phase wird im Komplement durch den Infinitiv und seine Argumente eine Situation gebildet, die wiederum in der zweiten Phase als Objekt der Matrixsituation fungiert. In 3.2 untersuche ich die syntaktische Gliederung und Komplexität der Komplemente. In Anlehnung an Felser (1999) argumentiere ich dafür, daß ein A.c.I.-Komplement aus einer einzigen Konstituente besteht, die einen reduzierten Satz darstellt, der als Aspekt Phrase (AspP) gedeutet wird. In 3.2.1 weise ich durch Konstituententests nach, daß das Komplement eine einzige Konstituente darstellt. In 3.2.2 diskutiere ich verschiedene andere des Komplements: CP-, TP-, vP- und small clause-Analysen. Gegen CP-Analysen spricht die Ungrammatikalität von kurzer W-Bewegung, das Fehlen von Modalitäts- und sprecher-orientierten Adverbialen im Komplement sowie die Kasuszuweisung an das Komplement-Subjekt, gegen TP-Analysen die Ungrammatikalität von PerfektInfinitiven, der obligatorische weite Skopus von Betrachtzeit-Adverbialen, gegen vPAnalysen ein mögliches Scrambling aus dem Komplement. In 3.2.3 entscheide ich mich für eine Analyse der A.c.I.-Komplemente als Aspekt Phrasen (AspP). Syntaktisch wird Aspekt als funktionale Projektion oberhalb von vP repräsentiert. In 3.3 untersuche ich die syntaktische Derivation der kausativen, perzeptiven und kontinuativen Matrixsätze. Dabei wird nach einem Vorschlag von Sanz (2000) in funktionalen Projektionen oberhalb von VP bzw. vP die für die Verbklasse charakteristische Aktionsart und das measuring-out durch eine Kombination von interpretierbaren Merkmalen, wie z.B. [+/- Telisch], [+/- Punktuell], [+/- Measure], [+/- Dynamisch], [+/- Goal] syntaktisch encodiert. Diese Merkmale sind nicht idiosynkratisch mit einem lexikalischen Element verbunden, sondern werden getrennt in die Derivation oder in die Numeration eingesetzt, weil ihr Wert erst durch die Derivation der Situation festgelegt wird. Die Derivation läuft in mehreren hintereinandergeschalteten Zyklen (Phasen) ab. In 3.3.1 argumentiere ich dafür, daß Aktionsart und measuring-out syntaktisch durch interpretierbare Merkmale repräsentiert sind. In 3.3.2 wird erläutert, daß Aktionsart-Merkmale, wie z.B. [+/-Dynamisch], [+/-Telisch], [+/-Punktuell], weil sie die Situation kennzeichnen, oberhalb von vP in AspP basisgeneriert sind. In 3.3.3 werden die measuring-out-MerkiaaAe untersucht, die nach meiner Darstellung oberhalb von VP in der TransP situiert sind. In 3.3.4 erläutere ich das Gesagte am Beispiel der syntaktischen Strukturen von kausativem und kontinuativem lassen. Und in 3.3.5 argumentiere ich dafür, daß in der Event Phrase sich neben den interpretierbaren Merkmalen auch nicht-interpretierbare φ-Merkmale befinden. Sie werden lexikalisch durch ein Reflexivpronomen realisiert.
90
Kapitel 3
3.1 Überblick über die syntaktischen Konzepte und Begriffe Im folgenden möchte ich die grundlegenden theoretischen Konzepte und Begriffe der Generativen Grammatik darstellen. In der Syntax-Theorie wird angenommen, daß ein Satz aus einzelnen lexikalischen Elementen und Merkmalen durch bestimmte Operationen gebildet wird. Dieser Aufbau eines Satzes wird Derivation genannt. Es lassen sich mehrere Entwicklungsstadien der Generativen Grammatik unterscheiden. In dem von Chomsky (1981) vertretenen Prinzipien- und Parameter-Modell wird die menschliche Sprache aufgefaßt als kognitives System, das aus dem Zusammenspiel mehrerer autonom agierender Teilsysteme sich realisiert. Zu diesen Teilsystemen zählen das Lexikon, das idiosynkratische Informationen zu Bedeutung, Aussprache und internen Strukturen der Wörter und den von ihnen selegierten Argumenten enthält, eine phonologische Komponente, die das Lautinventar einer Sprache beschreibt, eine syntaktische Komponente, die beschreibt, wie einzelne Wörter einer Sprache zu einem Satz zusammengesetzt werden, und eine semantische Komponente, die angibt, wie die Bedeutung eines Satzes sich aus den Bedeutungen der in ihm enthaltenen Wörter ergibt. Chomsky unterschied in dem Modell des sprachlichen Wissens, über das ein Sprecher einer natürlichen Sprache verfügt, einen genetisch festgelegten Teil, die Universalgrammatik (UG), die aus einer unbestimmten Anzahl von invarianten Prinzipien mitsamt einer Reihe von offenen Parametern besteht, von den von den Kindern beim Spracherwerb fixierten Parametern, deren Belegungen sich entsprechend von Sprache zu Sprache unterscheiden. Syntax als Theorie des Aufbaus von Sätzen enthält dann keine einzelsprachlich geltenden Regeln oder konstruktionsspezifischen Prinzipien mehr. Die Universalgrammatik hatte einen modularen Aufbau und bestand aus einer Reihe von Prinzipiensystemen wie der Theta-Theorie, der Kasustheorie, der Kontrolltheorie, der Bindungstheorie, der Rektionstheorie und der Grenzknotentheorie. Seit den späten Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dieses Prinzipien- und Parameter-Modell schrittweise abgelöst von dem Minimalistischen Programm (Chomsky 1993 und ff.). Im Minimalistischen Programm wurde der grammatische Apparat auf ein konzeptuell notwendiges Minimum reduziert. Maßgebend für diese Entwicklung war die von Chomsky aufgeworfene Fragestellung: Wenn eine Sprache eine optimale Lösung darstellt in bezug auf solche Anforderungen, die dem System von den externen Performanzsystemen (dem fiir die Lautproduktion und Lautrezeption zuständigen artikulatorisch-perzeptuellen System und dem fiir die Interpretation zuständigen konzeptuell-intentionalen System), fiir die es syntaktische Strukturen generiert, auferlegt werden, welche Eigenschaften muß die Sprache dann haben? Damit wurde der vom Prinzipien- und Parameter-Modell erhobene Anspruch auf Erklärungsadäquatheit überboten durch die Integration von Ökonomierichtlinien (guidelines) als Beschränkungen für die syntaktische Derivation, die unabhängig von der Syntax wirken. Die anerkannten syntaktischen Prinzipien wurden damit als Schnittstellenbedingungen reformuliert, das theoretische Instrumentarium wurde insgesamt einer kritischen Überprüfung unterzogen und einige Kernbestandteile des Prinzipien- und ParameterModells wie der RektionsbegrifF und die Subjazenzbeschränkung (Grenzknotentheorie) aufgegeben.
Universelle syntaktische Eigenschaften von KK, PVK und KoK
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Im Minimalismus bestehen zwei konzeptuell notwendige Repräsentationsebenen, PF (Phonetische Form) und LF (Logische Form), die die Schnittstellen bilden zu den beiden Performanzsystemen, zum Artikulatorisch-Perzeptuellen System und zum KonzeptuellIntentionalen System. Das Berechnungssystem der Grammatik (Computational System) erzeugt damit als Strukturbeschreibungen (structural descriptions (SD)) ein aufeinander bezogenes Paar von Repräsentationen (π, λ), die jeweils eine optimale Lösung für die entsprechende Schnittstellenbedingung darstellen (1). (1)
A linguistic expression (SD) is a pair (π, λ) generated by an optimal derivation satisfying interface conditions. (Chomsky 1993: 43)
Wenn die Derivation dieser Paare optimal verläuft, dann enthalten die beiden Repräsentationen keine überflüssigen Elemente, sondern nur Material, das von einer der beiden Schnittstellen interpretiert werden kann. Dies ist der intuitive Gehalt des sogenannten Prinzips der vollständigen Interpretation (Principle of Full Interpretation). Das Minimalistische Modell der Grammatik ist in folgendem Schaubild dargestellt. Schaubild 1
PF + 'Spell-Out' Lexikon
Computational System
LF
Lexikalische Elemente werden in einer Derivation begleitet von abstrakten grammatischen Merkmalen (formalen Merkmalen), und die Derivation besteht in einem Überprüfungsprozeß, in dessen Verlauf diese Merkmale getilgt werden. Im folgenden gebe ich einen kurzen Überblick über die Operationen, die in einem typischen minimalistischen Modell bei der Derivation eines Satzes zugrundegelegt werden.
3.1.1 Die Operation der Verkettung von syntaktischen Objekten (,Merge') Im Minimalismus läuft die Derivation eines Satzes so ab, daß als erster Schritt aus dem Lexikon das benötigte lexikalische Material in Form einer lexikalischen Kollektion (Numeration) selegiert wird. Der zweite Schritt der Derivation besteht in einer Operation, die aus zwei Elementen dieser lexikalischen Kollektion ein neues, komplexeres Element formt. Diese Operation wird im Englischen Merge genannt, was sich mit Verkettung übersetzen läßt (vgl. Grewendorf 2002). Verkettung bildet aus zwei lexikalischen Elementen α und β ein neues Element γ.
92
Kapitel 3
Veranschaulichen wir uns diese Operation Verkettung an dem folgenden Beispiel: α ist in (2) das Pronomen ihn und β das Verb küssen. (2)
γ ihn
küssen
Die Frage ist: Was ist das Resultat dieser Operation, was ist dieses γ? In der Theorie des Strukturaufbaus wird gewöhnlich davon ausgegangen, daß eines der beiden verketteten Elemente projiziert, und dieses ist das Verb und nicht das Pronomen. Entsprechend liegt die folgende Struktur (3) vor. (3)
küssen ihn
küssen
Der Begriff der Verkettung appliziert offensichtlich nicht nur auf einfachen lexikalischen Elementen, sondern auch auf die durch Verkettung gebildeten komplexeren Strukturen selbst. Dazu definieren wir zunächst den Begriff des Syntaktischen Objekts (4) und anschließend den Begriff der Verkettung (5). (4)
Syntaktische Objekte (Grewendorf 2002: 125) a. Lexikalische Elemente sind syntaktische Objekte. b. Sind α und β syntaktische Objekte, dann ist das Resultat einer Anwendung von Verkettung auf α und β ebenfalls ein Syntaktisches Objekt.
(5)
Verkettung (,Merge') Die Operation Verkettung bildet aus zwei Syntaktischen Objekten α und β das Syntaktische Objekt Κ={γ, {α, β}}, wobei γ das Etikett ('Label') von Κ ist und α und β die Konstituenten von Κ sind.
Bei dieser Operation kommt es auf zwei Punkte an: Erstens ist Verkettung strikt lokal, so daß die einzelnen Argumente immer nacheinander in die Derivation eingesetzt werden, und zweitens wird dabei eine bestimmte Reihenfolge der Verkettung der Argumente (eine thematische Hierarchie) eingehalten: So wird das Element mit der höchsten Agentivität als externes Argument bezeichnet und als letztes verkettet. Diese thematische Hierarchie wird in der Theta-Theorie festgelegt. In Chomsky (1982) wird als grundlegend für die Theta-Theorie das Theta-Kriterium (6) angesehen: (6)
Theta-Kriterium Ein Verb vergibt an jedes seiner Argumente genau eine Theta-Rolle; ThetaRollen sind z.B. Agens, Patiens, Thema, Ziel etc.
Dadurch, daß ein Verb seinen Argumenten in bestimmten Positionen, den sog. ThetaPositionen jeweils eine thematische Rolle zuweist, ist es dann möglich, diese Argumente zu strukturieren. In Arbeiten aus den Achtziger Jahren wurde dabei unterschieden zwischen Komplement-Positionen, denen vom Verb unter Rektion eine thematische Rolle
Universelle syntaktische Eigenschaften von KK, PVK und Ko Κ
93
zugewiesen wird, und der Subjektposition, die nicht vom Verb subkategorisiert wird und der von der gesamten VP die thematische Rolle Agens zugewiesen wird. In der weiteren Entwicklung setzte sich als sog. VP-internen Subjekt-Hypothese (Kitagawa 1986, Kuroda 1988, Koopman & Sportiche 1991) die Ansicht durch, daß auch das externe Argument innerhalb der VP generiert wird. Zudem wurde in Larson (1988) im Rahmen einer Analyse von ditransitiven Verben für Verbal Phrasen (VP) eine komplexere Struktur vorgeschlagen. In Chomsky (1995) wird entsprechend angenommen, daß VPs (mit der möglichen Ausnahme von Unakkusativen Prädikaten, d.h. Verben ohne thematisches Subjekt) über eine äußere vP-Schale verfiigen, in der ein abstraktes agentives 'light verb' generiert wird, zusätzlich zu einer inneren VP. Chomsky schlägt vor, daß das externe Argument - es wird agentiv verstanden - in (Spec, vP) generiert wird, während alle internen Argumente des Verbs innerhalb der VP generiert werden. Damit wird dann die Theta-Rolle Agens innerhalb der vP zugewiesen, während die übrigen Theta-Rollen innerhalb der VP zugewiesen werden, wie in (7) zu sehen ist.78
Damit befindet sich nach Chomsky (1995) die Basisposition aller Argumente des Verbs in der vP bzw. in der VP, d.h. die Position, in der diese Argumente verkettet werden. Der nächste Abschnitt ist einer anderen Operation gewidmet, der Bewegung der Argumente.
3.1.2 Struktureller Kasus und die Operation der Bewegung (,Move') Eine zweite Operation, die Bestandteil des Strukturaufbaus ist, bewirkt, daß ein lexikalisches Element nicht in seiner Basisposition, sondern in einer anderen Position ausgesprochen bzw. interpretiert wird, in die es zuvor bewegt wurde. Traditionell werden in der Generativen Syntax verschiedene Arten von Bewegungen unterschieden, z.B. die Verbbewegung in die für deutsche Hauptsätze typische sog. Verbzweitstellung oder die Subjektbewegung in Nominativ-/Akkusativ-Alternationen zwischen aktiven und passiven Sätzen (Peter küßt Maria vs. Maria wird geküßt). Ebenso hat sich auch der Mechanismus, mit dem Bewegung von lexikalischen Elementen technisch implementiert wird, im Minimalismus seit Chomsky (1995) stark verändert; die folgende Darstellung orientiert sich an Chomsky (2000, 2001). Die folgenden Beispiele mit aktiven und passiven Sätzen zeigen, daß dabei zwei Kasus regelmäßig alternieren, Nominativ und Akkusativ (8, 9), während der Dativ unverän78
Zum Zwecke einer übersichtlicheren Darstellung wird in (7) und auch in der Folge ein Strukturbaum, so wie es in der X-bar Theorie üblich war, verwendet.
94
Kapitel 3
dert bleibt (10). Es gibt aber ebenso Fälle, in denen ein Akkusativ im Passiv erhalten bleibt (den ganzen Tag in 9). (8)
a. Peter repariert den Lastwagen, b. Der Lastwagen wird repariert.
(9)
a. Der Junge arbeitet den ganzen Tag. b. Den ganzen Tag wird gearbeitet.
(10) a. Peter hilft dem Jungen. b. Dem Jungen wird geholfen. Aus der Annahme, daß das Nomen im aktiven Satz in derselben Position mit dem Verb verkettet wird wie im passiven Satz, folgt, daß die Zuweisung von Nominativ und Akkusativ jeweils durch eine bestimmte strukturelle Konfiguration bedingt ist. Eine solche Art von Kasus, dessen Zuweisung strukturell determiniert ist, wird struktureller Kasus genannt. Und die Bewegung des Nomens in diese Position resultiert nach dieser Vorstellung aus dem Erfordernis, daß ein Nomen Kasus erhalten muß (dem sog. Kasusfilter), was in der Basisposition nicht möglich ist. Dieser aus dem Prinzipien- und Parameter-Modell vertraute Zusammenhang zwischen der Eigenschaft der Dislokation (Bewegung) und der Beobachtung, daß ein Nomen einen Kasus haben muß, wurde im Minimalismus wiederaufgegriffen, dabei aber modifiziert zu einer allgemeineren Theorie der Übereinstimmung von formalen Merkmalen. Eine wichtige Unterscheidung in der Typologie formaler Merkmale ist die Unterscheidung zwischen interpretierbaren und nicht-interpretierbaren Merkmalen. Interpretierbare Merkmale sind relevant für die Interpretation an der LF-Schnittstelle, haben also semantische Effekte; bei nicht-interpretierbaren Merkmalen ist dies nicht der Fall. Zu den interpretierbaren Merkmalen zählen die φ-Merkmale von Nomina (der griechische Buchstabe steht als Abkürzung für Person, Numerus, Genus, also für inhärente semantische Eigenschaften, die mit dem Nomen in die Derivation eingesetzt werden). Nicht-interpretierbar sind demgegenüber die φ-Merkmale funktionaler Köpfe, also die Kongruenzmerkmale von Verben, mit denen keine eigene Bedeutung verbunden ist, da diese von dem kongruierenden Nomen „übernommen" werden. Ebenso wird Kasus in Chomsky (2000) als ein nicht-interpretierbares Merkmal aufgefaßt. Wie läßt sich nun syntaktische Bewegung über diese Merkmale technisch implementieren? 79 Nach Chomsky (2000, 2001) ist Voraussetzung von Bewegung eine allgemeiner verstandene Operation „Übereinstimmung (,Agree'), die zwischen den Merkmalen eines lexikalischen Elements α und einem Merkmal F in einer eingeschränkten Domäne eine Relation (Kongruenz, Kasus-„Überprüfung") etabliert" (Grewendorf 2002). Diese Relation geht offensichtlich in gewissen Fällen mit Bewegung einher, kann aber in anderen Fällen auch ohne Bewegung Zustandekommen. Übereinstimmung von Merkmalen ist in dieser Theorie also notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung von Bewegung. „Dazu nehmen wir an, daß der funktionale Kopf Τ Träger der φ-Merkmale ist. Diese Merkmale sind nicht-interpretierbar und müssen daher getilgt werden. Diese nicht79
Vgl. hierzu wie im folgenden Grewendorf (2002).
Universelle syntaktische Eigenschaften von KK, PVK und KoK
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interpretierbaren Merkmale des T-Kopfes (die „φ-Menge") kann man als eine Art Sondierer ('probe') ansehen, der zum Zwecke seiner Beseitigung (tödlicher Egoismus) ('suicidal greed') nach einem Ziel ('goal') sucht, nämlich nach gleichen Merkmalen, mit denen die Relation Übereinstimmung hergestellt werden kann. Wird (innerhalb einer eingeschränkten Domäne) ein solches Ziel mit identischen Merkmalen gefunden, wird der Sondierer, also die Menge der nicht-interpretierbaren Merkmale, aufgrund der Merkmalsidentität getilgt." (Grewendorf 2002: 171) Im Falle eines Kasusmerkmals aber gibt es keinen gleichartigen Sondierer. Chomsky nimmt deshalb an, daß struktureller Kasus lediglich ein Reflex einer nicht-interpretierbaren φ-Menge ist, der bei Übereinstimmung zwischen den interpretierbaren φ-Merkmalen des Nomens und den nicht-interpretierbaren φ-Merkmalen eines funktionalen Kopfes ebenfalls getilgt wird. Seine Funktion bei dieser Operation wird dann darin gesehen, daß er ein Ziel „aktiviert" 80 . Die Frage, welchen Wert ein struktureller Kasus annimmt, hängt davon ab, ob es sich bei dem Sondierer um einen finiten T-Kopf (der Kopf einer Tempus Phrase) oder um einen v-Kopf handelt. Bei einem T-Kopf ist es Nominativ, bei einem vKopf Akkusativ. Es sind also die interpretierbaren Merkmale des Kopfes, zu dem der Sondierer gehört, die bestimmen, ob ein struktureller Kasus als Nominativ oder Akkusativ realisiert wird. Entsprechend verhält es sich mit den nicht-interpretierbaren φ-Merkmalen des Sondierers. Ihr Wert hängt ab von den interpretierbaren φ-Merkmalen des Ziels. „Schließlich kongruieren Verben mit Nomina und nicht umgekehrt." (Grewendorf 2002: 171) Die Operation Übereinstimmung weist die in (11) aufgeführten Eigenschaften auf: (11) Die Operation „ Übereinstimmung " (Grewendorf 2002: 171) a. Die Operation Übereinstimmung appliziert zwischen identischen Merkmalen eines Sondierers S und eines Ziels Z. b. Sie besteht in der Tilgung der in der Operation involvierten nichtinterpretierbaren Merkmale von Sondierer und Ziel. In Fällen, in denen die Operation Übereinstimmung mit Bewegung einhergeht, wie etwa bei der Bewegung eines Subjekts nach SpecTP (die Spezifikatorposition von Tense Phrase), sieht der Mechanismus wie folgt aus: Da das Ziel Ζ der Operation Überstimmung eine Merkmalmenge ist, kann das Ziel alleine nicht bewegt werden. D.h. Merkmale alleine können nicht bewegt werden 81 . Das Ziel selbst muß sich vielmehr zu einer Phrase erweitern, die es bei dem betreffenden Bewegungsprozeß „mit sich ziehen" kann ('Pied piping'). Die Idee ist daher, daß das Ziel Ζ eine Phrase P(Z) selegiert, die mit der Projektion des Sondierers (genauer: des Kopfes, der den Sondierer enthält) verkettet ('Merge') wird. Betrachten wir das folgende Beispiel für syntaktische Bewegung bei einem transitiven Verb. Die Derivation hat das in (12) angegebene Stadium erreicht (vgl. Grewendorf 2002: 172).
80
81
D.h. Kasus ist ein nicht-interpretierbares Merkmal des Ziels, das diesem ermöglicht, syntaktische Operationen einzugehen. Dies bedeutet eine Abkehr von der in Chomsky (1995) vertretenen Theorie einer möglichen Bewegung von Merkmalen.
96
Kapitel 3 (12)
Τ'
der Mechaniker VP
ν
das Auto repariert Angenommen, die nicht-interpretierbaren φ-Merkmale des T-Kopfes (des Sondierers) gehen mit den interpretierbaren φ-Merkmalen des Subjekts (Ziel) die Operation Obereinstimmung ein, und diese Operation geht mit der Bewegung des Subjekts einher. Dann bedeutet das, daß das Ziel Ζ eine Phrase P(Z), nämlich die DP der Mechaniker, selegiert, die mit T' verkettet wird, so daß daraus die Struktur in (13) resultiert: (13)
TP
der Mechaniker
vP
Τ
das Auto repariert Auf diese Weise wurde also die Theorie der Kasuszuweisung integriert in eine Theorie der Übereinstimmung der φ-Merkmale des T- bzw. v-Kopfes mit denen des Nomens.
3.1.3 Funktionale Projektionen Nachdem nun durch die grundlegenden strukturbildenden Operationen der Verkettung und der Bewegung der syntaktische Mechanismus dargestellt ist, durch den die unmittelbaren Projektionen des Verbs und seiner Argumente besetzt werden, stellt sich als nächstes die Frage nach Art und Anzahl weiterer Projektionen in einem Satz. In der Prinzipien- und Parameter-Theorie der Achtziger Jahre wurde z.B. für die Verbflektion eine einzige Projektion, eine IP (Inflectional Phrase) angesetzt. In Pollock (1989) und Chomsky (1991) wurde diese Projektion aufgespalten in einen separaten T(ense)Kopf und mehrere Agr(eement)-Köpfe, in denen das Verb jeweils dem Subjekt bzw. den Objekten Kasus zuwies. In der Folge wurden weitere funktionale Kategorien der Verbflektion postuliert (vgl. Ouhalla 1991), z.B. Negation, Modus, Modalität und Aspekt. In den Köpfen dieser Projektionen werden z.B. die Auxiliare der englischen Verbalformen generiert. In Chomsky (1995) wurde im Geiste des Minimalistischen Programms versucht, das Inventar möglicher funktionaler Projektionen zu beschränken. Demnach sind es semanti-
Universelle syntaktische Eigenschaften von KK, PVK undKoK
97
sehe Eigenschaften, durch die allein die Annahme bestimmter funktionaler Kategorien gerechtfertig werden kann. Besetzt sind diese Kategorien nicht mit lexikalischen Elementen, sondern mit formalen Merkmalen, die entweder von der semantischen Komponente interpretierbar oder nicht interpretierbar sind. Nicht-interpretierbare Merkmale sind von grundlegender Bedeutung für die Versetzung syntaktischer Konstituenten, da sie im Laufe der Derivation getilgt werden müssen. Sehen wir uns dies am Beispiel der Tense Phrase (TP) genauer an. Der T-Kopf enthält ein interpretierbares Tempus-Merkmal sowie ein nicht-interpretierbares EPP-Merkmal (EPP: Erweitertes Projektionsprinzip) und ist zudem Sitz der nicht-interpretierbaren ]/[-St.]/[+T.]/[-P.] [+Acc]
VP
Subj VP V Obj Kompl
Wie verhält es sich nun mit achievements? Evidenz hierfür können wir aus den Beobachtungen zu transitiven (4.1.7) und intransitiven (4.1.8) achievement-Verben des Italienischen beziehen. Bei transitiven achievements wird wieder zunächst ein V-Obj Komplex gebildet. Da hier kein Merkmal [+Measure] zu überprüfen ist, erhält das Verb durch die Selektion des internen Arguments die Möglichkeit, als v-V Komplex sich nach Ev und nach Asp zu bewegen, um dort die Merkmale [φ], [-Statisch], [+Telisch] und [+Punktuell] zu überprüfen. (190)
AspP Spec
Asp'
Εν
vP
[]/[-St.]/[+T.]/[+P.] |j (+Acc
vP Subf VP V
Obj
194
Kapitel 4
Wie verhält es sich nun - im Hinblick auf Infinitivkonstruktionen - bei der Positionierung des Reflexivpronomens bei Infinitiven? Im Vergleich zu finiten Verben besteht der folgende Unterschied: Bei finiten Verben klitisiert das Reflexivpronomen si vor das Verb (191a.), bei Infinitiven wird es zum Suffix (191b.). (191)a. In Italia si parla l'italiano. 'in Italien si spricht Italienisch' b. dissiparsi... In Kayne (1991) wird dies darauf zurückgeführt, daß ein finîtes Verb auf den Weg zur Zielposition durch alle dazwischenliegenden funktionalen Projektionen bewegt werden muß, ein infinites nicht. Nach Kayne kann ein Klitikum in einer beliebigen freien Projektion generiert werden. Infinite Verben haben nach Kayne im Italienischen die Möglichkeit, die Position des Klitikums zu überspringen. (192)
... V+Infn ... Cl+T ... [ Inih e]... [vp[v e]...
(Kayne 1991: 651)
Ich möchte diese Analyse gemäß meinem Verständnis einer Abfolge von AspP und EvP anpassen. Ich nehme also an, daß finite Verben im Italienischen in den T(ense)-Kopf bewegt werden und Infinitive in einen Asp(ekt)-Kopf. Das Reflexivpronomen wird jeweils in EvP basisgeneriert. In beiden Fällen wird das Objekt in einen Spezifikator von vP bewegt, wo es strukturellen Kasus erhält. Bei einem finiten Verb wird dabei gleichzeitig das Subjekt in einem anderen Spezifikator von vP verkettet. Der Infinitiv hat die Möglichkeit, diese EvP zu überspringen, die finite Verbform nicht. Im Italienischen besitzt das Partizip 2 nicht-interpretierbare φ-Merkmale (Numerus, Genus). Für mein Modell bedeutet das, daß die φ-Merkmale des Partizips 2 mit denen des Objekts die Operation Übereinstimmung eingehen, wodurch die nicht-interpretierbaren Merkmale getilgt werden und das direkte Objekt in EvP bewegt wird. 157
4.2.4 Spanisch Das Spanische zeigt - einmal abgesehen von der Art der Verbkomplexbildung in KK ähnliche Eigenschaften wie das Italienische. So läßt das Spanische wie das Italienische eine relativ freie Wortstellung zu. In finiten Hauptsätzen steht das Subjekt entweder vor (193b. S-V-O) oder nach (193a. V-O-S) dem Prädikat, wie in den Beispielen von Zagona (2002: 27) gezeigt 158 . Neben den beiden Abfolgen V-O-S und S-V-O ist in manchen Kontexten auch die Abfolge V-S-O zulässig (193c.).
157
Dies läßt vermuten, daß die Kongruenz von Partizip 2 und direktem Objekt (und damit die Bewegung nach EvP) in diesen Sprachen etwas zu tun hat mit dem Fehlen einer TransP. (i) Je les (f.pl.) ai fumées (f.pl.) 'ich sie habe geraucht' 158 In finiten eingebetteten Sätzen ergibt sich dasselbe Bild: Das Subjekt kann ebenso prä- wie postverbal gesetzt werden.
Die Spezifikation des universellen Modells
195
(193)a. Escribió la carta mi hermana, schrieb den Brief meine Schwester „Meine Schwester schrieb den Brief b. Mi hermana escribió la carta. (=193a) c. ?Escribió mi hermana la carta. (=193a) Aus diesem Grund kann die Italienisch-Analyse mit einigen Modifikationen übernommen werden. Im folgenden führe ich bei den Analysen von accomplishments und achievements jeweils die Unterschiede auf, die in 4.1. im Vergleich zum Italienischen zu beobachten waren. Wegen der Präferenz für die VO-Abfolge setze ich in meiner Derivation spanische Sätze als rechtsperipher. Genauer gesagt nehme ich an, daß das direkte Objekt in einer Schwesterposition rechts vom Verb basisgeneriert wird. Ein transitives Verb enthält nach Chomsky (1995) eine ligt verb Projektion ν mit einem zusätzlichen Spezifikator, in den das Objekt angehoben wird und wo ihm Akkusativ zugewiesen wird. Dabei besteht im Spanischen aber ein eigentümlicher Unterschied zwischen belebten und unbelebten Objekten. Unbelebte Objekte erscheinen im Akkusativ (194a.), belebte Objekte mit der Dativ-Präposition a (194b.). (194)a. Vi la mesa. '(ich) sah den Tisch' b. Vi *(a) la niña, '(ich) sah das Kind' Sanz schreibt dazu in Anlehnung an Torrego (1998): Ist das belebte Objekt indefinit, so ist bei einigen Verben die Dativ-Markierung obligatorisch, bei anderen optional. Dieser Unterschied hängt ab von der Telizität. "Verbs that are inherently telic obligatorily marks their objects with a; verbs for which the marking is optional behave as telic when the object is marked, and as atelic when it is not (Torrego 1998; examples are hers)" (Sanz 2000: 62) (195)a. Detuvieron *(a) unos emigrantes arrested to some immigrants „ They arrested some immigrants " b. Conocieron (a) unos emigrantes met to some immigrants „ They met some immigrants " Die Dativ-markierten Objekte werden immer als spezifisch interpretiert. D.h. in (196b.) mit a wird das Objekt als bezogen auf eine Menge spezifischer Immigranten aufgefaßt. Außerdem, so meint Sanz, haben diese Verben als Subjekt ein Agens oder eine Ursache.
196
Kapitel 4
Diese Eigenschaft ist verantwortlich für die Unzulässigkeit des Dativs in einem Satz mit nicht-agentivem Subjekt wie (196b.) im Vergleich zu (196a.): ( 196) a. Esa familia esconde (a) prisioneros de guerra that family hides to prisoners of war „ That family hides prisoners of war" b. Esa montaña esconde (*a) prisioneros de guerra that mountain hides to prisoners of war „ That mountain hides prisoners of war" (Beispiele aus Sanz 2000: 63): Sanz schreibt: "The most relevant property of α-objects for the present study is that marked accusative on indefinite objects affects the telicity of the sentence, turning statives into activities and activities into accomplishments. In Torrego's words, '[...] marked accusative coincides with the intended endpoint of the situation described by a given predicate for all verbs other than accomplishments, and with situations that have a natural endpoint for accomplishments' (Torrego 1998: 22). Accomplishments and a subclass of stative verbs like odiar ('hate'), admirar ('admire'), respetar ('respect'), in other words, 'active' emotions according to Pesetsky (1995), require accusative marking." (ibd. S.63) Torrego bemerkt einen Unterschied zwischen solchen Objekten, die α-markiert und affiziert sind, und solchen, die α-markiert und nicht affiziert sind. Erstere erhalten inhärenten (semantischen) und letztere strukturellen Kasus. Sie nimmt an, daß die Dativ aMarkierung im Spezifikator von v, aber außerhalb des nuklearen Skopus von V geschieht. Ein Beispiel für strukturellen Dativ-Kasus findet sich in (194a.), weil das Objekt nicht affiziert ist [das Verb ver (sehen) ist in diesem Fall ein achievement] und damit [+Measure] nicht überprüft werden kann. Damit ist es für Sanz möglich, im Spanischen den Zusammenhang zwischen der Kasusmarkierung von Objekten und der Veränderung der Aktionsart der Situation mit Hilfe eines Konzepts thematischer Merkmale zu erfassen. Inhärenter Kasus ist gleichbedeutend mit einem interpretierbaren Merkmal, das der Position semantischen Inhalt zuweist. Ein auf solche Weise Kasus-markiertes Objekt macht aus einer activity ein accomplishment, d.h. dieses Objekt mißt die Situation aus. Im Spanischen ist also in der Position, in der ein Objekt ein inhärentes Kasus-Merkmal überprüft, das Merkmal [+Measure] präsent. In (195a.) mit einer achievement-Interpretation liegt demgegenüber struktureller Kasus vor. Wie das Italienische besitzt das Spanische ein klitisches Reflexivpronomen. Dieses ist annahmegemäß in einer Projektion situiert, die oberhalb von vP gelegen ist. Das Reflexivpronomen se überprüft die für accomplishments relevanten Merkmale [φ], [-Statisch], [+Telisch] und [-Punktuell], Eine Verdopplung des Objekts (clitic doubling) ist im Falle von Dativen möglich. Kausative Verben stellen inhärent accomplishments dar, d.h. ohne das Klitikum se zu beinhalten. Das Objekt des Verbs kommt im Verlauf der Situation erst zu seiner Existenz. Entsprechend nehme ich wie Sanz (2000) an, daß auch bei diesen Verben das Merkmal [+Measure] überprüft wird. Dies geschieht dann ohne overte Kasusmarkierung in einem Spezifikator von v. Im Spanischen gibt es bei Bewegungsverben keine Präpositionalphrasen (4.1.5); diese können somit kein Ziel der Bewegung ausdrücken. Damit fehlt innerhalb der VP ein Komplement wie im Deutschen oder Englischen.
Die Spezifikation des universellen Modells
197
Im einzelnen nehme ich für das Spanische die folgende Konfiguration (197) an, die sich an der Struktur (82) (und damit an Sanz 2000) orientiert. (Im Vergleich zu diesen Strukturen sind in (197) vor allem die Bezeichnung der Projektionen oberhalb von ν geändert.) (197)
AspP Spec
Asp' Asp
[(p]/[-St]/[+TI.]/[-Pt.]
ΕνΡ I
V
Obj
Charakteristisch ist die Zuweisung von inhärentem Objekt-Kasus an das direkte Objekt. Dabei wird ein semantisches Merkmal [+Acc] gecheckt. Auf diese Weise wird die accomplishment-Eigenschaft festgelegt. Bei der Bewegung von Verb und Objekt im Spanischen ist nicht anders als im Italienischen zu unterscheiden zwischen finiten und infiniten Verben (vgl. Kayne 1989): Bei infiniten Verben klitisiert das Pronomen „rechts" an den Infinitiv, bei finiten Verben steht es vor dem Verb. Im Unterschied zum Italienischen wird im Spanischen in KK das infinite Verb nicht von seinem direkten Objekt separiert, so daß Matrixverb und Infinitiv kein komplexes Verb bilden (vgl. die Aussagen in Kap. 5). Im Spanischen wird das aus der Kopula und dem Partizip 2 gebildete Passiv immer als Vorgangspassiv interpretiert (vgl. 4.1.10). Anders als im Italienischen fehlt in spanischen Partizipien die Realisierung von Kongruenzmerkmalen.
4.2.5 Französisch Das Französische weist eine im Vergleich zum Spanischen rigide Abfolge der Konstituenten auf. Ich werde das Französische als eine SVO-Sprache analysieren, so daß das Objekt rechts vom Verb generiert wird. So wie in 4.1 nur geringfügige Unterschiede zum Spanischen zu beobachten waren, so weichen auch die Analysen nur unwesentlich voneinander ab. Anders als im Spanischen gibt es im Französischen Präpositionalphrasen, welche die Telizität einer Situation festlegen (4.1.5). Im Französischen ist in Medial- und Faire ParKonstruktionen mit intransitiven Verben das Objekt unentbehrlich. Im Französischen
Kapitel 4
198
fehlt anders als im Deutschen und Englischen die Lokativ- und die Dativalternation (4.1.1). Es werden keine Partikelverben gebildet (4.1.3). Somit wird im Französischen bei accomplishments annahmegemäß das direkte Objekt in einer Schwesterposition rechts vom Verb basisgeneriert. Das Französische besitzt ein klitisches Reflexivpronomen. Mit Kayne nehme ich an, daß dieses se anders als im Spanischen nicht in einer separaten Projektion generiert wird, sondern in der Objekt-Position und danach an diese Stelle bewegt wird. Dafür spricht, daß es im Französischen anders als im Spanischen kein clitic doubling bei Dativen gibt. Im Französischen besteht anders als im Italienischen und Spanischen bei der VerbBewegung in bezug auf das Reflexivpronomen zwischen finiten und infiniten Verben kein Unterschied: Das Reflexivpronomen steht jeweils vor dem Verb (je m' ennuie dt. ich ärgere mich bzw. s'ennuyer dt. sich ärgern). In bezug auf die Negation steht allerdings das finite Verb vor der Partikel pas, der Infinitiv danach. Ich nehme nun an, daß finite Verben im Französischen in den T(ense)-Kopf bewegt werden. Das Objekt wird in einen Spezifikator von vP bewegt, wo es strukturellen Kasus erhält. Bei einem finiten Verb wird dabei offensichtlich gleichzeitig das Subjekt in einem anderen Spezifikator von vP verkettet. Im einzelnen nehme ich im Französischen für accomplishments mit finiten Verben eine Konfiguration ähnlich wie im Spanischen an. Die Darstellung (198) ist leicht vereinfacht.' 59 (198)
AspP
Spec
Asp'
Asp ΕνΡ [