Aktienrechtlicher Kapitalschutz nach ARUG - Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung und ihr Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage [1 ed.] 9783428584086, 9783428184088

Obwohl es sich bei der Lehre von der verdeckten Sacheinlage und der Nachgründung um sehr alte Rechtsfiguren des Aktienre

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German Pages 306 Year 2022

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Aktienrechtlicher Kapitalschutz nach ARUG - Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung und ihr Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage [1 ed.]
 9783428584086, 9783428184088

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 194

Aktienrechtlicher Kapitalschutz nach ARUG – Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung und ihr Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage

Von

Konstantin Justus Krahl

Duncker & Humblot · Berlin

KONSTANTIN JUSTUS KRAHL

Aktienrechtlicher Kapitalschutz nach ARUG – Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung und ihr Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 194

Aktienrechtlicher Kapitalschutz nach ARUG – Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung und ihr Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage

Von

Konstantin Justus Krahl

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18408-8 (Print) ISBN 978-3-428-58408-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Sophie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Die Arbeit wurde mit dem Dr.-Feldbausch-Preis der Dr.-Feldbausch-Stiftung und der Juristenfakultät der Universität Leipzig ausgezeichnet. Die Doktorarbeit wurde von Herrn Professor Dr. Tim Drygala betreut. Ihm möchte ich an dieser Stelle für seinen Vorschlag, bei ihm zu promovieren, die Unterstützung bei der Auswahl eines geeigneten Promotionsthemas sowie die vertrauensvolle und unkomplizierte Begleitung ganz herzlich danken. Ebenso danke ich Frau Professor Dr. Dörte Poelzig für die Übernahme des Zweitgutachtens. Besonderen Dank schulde ich Herrn Dr. Nikolaus Petersen, der mich während der Abfassung der Doktorarbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt und mein Interesse am Handels- und Gesellschaftsrecht durch wertvolle praktische Einblicke bestärkt hat. Für das in mich gesetzte Vertrauen und die kollegiale Zusammenarbeit möchte ich ihm, aber auch Frau Dr. Jördis Ambach, herzlich danken. Nicht zuletzt gilt mein Dank den Herausgebern für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Von ganzem Herzen danke ich schließlich meiner lieben Ehefrau, Sophie Krahl, die mich bei der Umsetzung meines Promotionsvorhabens stets unterstützt, schier unendliche Geduld bewiesen und zu keinem Zeitpunkt an der Vollendung gezweifelt hat. Tiefer Dank gebührt überdies meinen Eltern, Silke Krahl und Holger Adam, sowie meinen Großeltern, Hanna und Siegfried Krahl, die mir ebenfalls jede erdenkliche Unterstützung haben zukommen lassen. Leipzig, im November 2021

Konstantin Krahl

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Grundsätzliches zum aktienrechtlichen Kapitalschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Chancen und Risiken der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätze im Überblick . . . . . . . . . . 26 II. Anlass und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Ziel und Gang der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Erster Teil Rechtshistorische Betrachtung von Nachgründung und verdeckter Sacheinlage im Aktienrecht bis ARUG

33

Kapitel 1 Die Entstehung der Nachgründung in Anlehnung an die (Sach-)Gründungsvorschriften anno 1884

34

I. Die Aktienrechtsnovelle von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Abschaffung des Konzessionssystems, Gründerjahre und Gründerkrise . . . . . . . . . 34 2. Konzeption des Aktiengesetzes von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Die Nachgründungsregelung des Art. 213f ADHGB 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Unterscheidung zwischen juristischer Existenz und wirtschaftlicher Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Tempus clausum der Kautelarvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 cc) „Verhütung von Nachgründungen durch Übernahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 39 dd) Nachgründung und Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Umsetzung in Art. 213f ADHGB 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Vergleich von Sachgründung und Nachgründung anno 1884 . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Nachgründungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 bb) Prüfung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

10

Inhaltsverzeichnis cc) Zustimmungserfordernis der Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (1) „Konstituierende Generalversammlung“ nach Art. 210a ADHGB 1884

44

(2) Übertragung auf die Nachgründungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 dd) Einreichung des Erwerbsvertrages zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . 47 ee) Gründerverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 ff) Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung der Generalversammlung . . . . . . . 49 II. Die Handelsrechtsreform von 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Überleitung der „sog. Nachgründung“ und Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Der Nachgründungstatbestand des § 207 HGB 1897 und sprachliche Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Umformulierung der Regelung zum Kapitalquorum, § 207 Abs. 3 HGB 1897 51 c) Haftungsanordnung nach § 208 HGB 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Insbesondere: Umfang der Nachgründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Sachgründung und obligatorische „Prüfung durch besondere Revisoren“ . . . . . 53 b) Fehlende externe Nachgründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Bewertung des Regelungskonzepts der Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Konzeptioneller Selbsthilfegedanke von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Zweijähriges „tempus clausum“ als Adoleszenzphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Sonderregelung für die spezifische Erwerbssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Relevanz von Vorabsprachen im Rahmen der Gründerverantwortlichkeit . . . . . . . 57

Kapitel 2 Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ als Folge einer unzureichenden Nachgründungsregelung und Kind der Inflationszeit

57

I. Rechtlicher und historischer Kontext der Entscheidung des Reichsgerichts . . . . . . . . 58 1. Kritik an der Umsetzung – Der Geburtsfehler der Nachgründungsregelung . . . . . . 58 a) Tatbestandliche Begrenztheit des Nachgründungserfordernisses . . . . . . . . . . . . 58 b) Fehlende externe Prüfung durch „besondere Revisoren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 c) Fehlende registerrechtliche Kontrolle von Erwerbsvertrag und Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 d) Zwischenergebnis: Mängel in Qualität und Quantität als Geburtsfehler . . . . . . 60 2. Vermeidungspraxis und Inflationsverkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Das Reichsgericht und die „Geburt“ der Lehre von der verdeckten Sacheinlage . . . . 62 1. Sachverhalt: Schrauben- und Mutternfabrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Rechtliche Würdigung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Analyse und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Intention(en) des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Inhaltsverzeichnis

11

b) Rechtsmethodische Lösung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Folgewirkung und Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Kapitel 3 Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001 – Nachjustierung, langer Dornröschenschlaf und unverhoffte Renaissance der Nachgründung

70

I. Die Aktienrechtsreform von 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Wandel des aktienrechtlichen Kompetenzgefüges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Vorstand und „Führerprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Aufsichtsrat und sein geändertes Verhältnis zum Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Reformen des Gesetzgebers im Bereich der Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Nachgründungsregelung des § 45 AktG 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Nachbesserungen: Handelsregistereintragung und obligatorische Nachgründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Aufnahme von § 45 Abs. 9 AktG 1937 als direkte Reaktion auf RGZ 121, 99 ff. 76 d) Verschärfung der Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 46 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Nachgründung und aktienrechtliches Kompetenzgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Nachgründung und Sachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Langer Dornröschenschlaf der Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Die Aktienrechtsreform von 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Überleitung der Nachgründung in § 52 AktG 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Exkurs: Abschaffung der Sukzessiv- oder Stufengründung . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Aufnahme der Nachgründungsregelung in Art. 11 Kapitalrichtlinie 1976 . . . . . . . 85 III. Unverhoffte Renaissance der Nachgründung und das NaStraG 2001 . . . . . . . . . . . . . 87 1. Wirtschaftlicher und rechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Einschränkung des Anwendungsbereichs der Nachgründung durch das NaStraG 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

12

Inhaltsverzeichnis Kapitel 4 Die Antwort des Gesetzgebers auf die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ – Vom MoMiG 2008 zum ARUG 2009

90

I. Kritik an den Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen und Reformüberlegungen . . . . . 91 II. Die Reaktion des MoMiG-Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Von der Erfüllungslösung mit Differenzhaftung zur Anrechnungslösung . . . . . . . . 92 2. Regelung verdeckter Sacheinlagen in § 19 Abs. 4 GmbHG und Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Die Reform des Aktienrechts durch das ARUG 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Harmonisierung der Rechtslage im GmbH- und Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Übertragung der Regelung zur verdeckten Sacheinlage in § 27 Abs. 3 AktG

94

b) Übergangsregelung des § 20 Abs. 7 EGAktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Änderungen im Rahmen von § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Vereinfachte Nachgründung, § 52 Abs. 4, 6 und 7 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Streichung von § 52 Abs. 10 AktG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Bewertung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Kapitel 5 Der jüngste Dreisatz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor ARUG – Lurgi I, Rheinmöve und Lurgi II

101

I. Die Sachverhalte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Lurgi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Rheinmöve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Kernaussagen in Bezug auf verdeckte (gemischte) Sacheinlage und Nachgründung

103

1. Lurgi I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Anwendbarkeit verdeckter (gemischter) Sacheinlagen auf Sachkapitalerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Keine Verdrängung durch die Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Einheitliche bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB unter Anwendung der Saldotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Anwendung der Saldotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Inhaltsverzeichnis

13

2. Rheinmöve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) (Wieder) keine Relevanz der Nachgründung – Unanwendbarkeit von § 52 AktG auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Keine Heilung nach § 52 Abs. 10 AktG (a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Lurgi II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Bestätigung Lurgi I und Rheinmöve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Einbeziehung des Bareinlageanspruchs in die Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Zweiter Teil Das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung i. e. S. – Dogmatische Standortbestimmung von § 52 AktG innerhalb des aktienrechtlichen Kapitalschutzsystems nach ARUG

116

Kapitel 6 Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung in Rechtsprechung und Literatur

117

I. Streit um die Berechtigung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ . . . . . . . . . . 117 1. Mindermeinung: Ablehnung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ . . . . . . 117 2. Herrschende Meinung: Anerkennung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen . . . 118 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Herrschende Meinung: Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Umgehungsschutz als primärer Regelungszweck der Nachgründung . . . . . . . . . . . 121 a) Lutter/Gehling – Differenzierung konkreter und abstrakter Umgehungsschutz 121 b) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor ARUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Sekundärer Normzweck der Nachgründung: Schutz vor Einflussnahme der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Einseitige Standortbestimmung von § 52 AktG aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Nichtberücksichtigung des Wandels der aktienrechtlichen Kompetenzstruktur 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Weiterer Normzweck als redundante Umschreibung der Gefahrenquelle . . . . . 127 d) Immanenter Wertungswiderspruch und Grenzen des Erklärungsmodells nach ARUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

14

Inhaltsverzeichnis

III. Mindermeinung: Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalerhaltung . . . 129 1. Die These Hachenburgs – Nachgründung als Alternative zur Sachgründung . . . . . 129 2. Die Untersuchungen von Bröcker und Schwab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Bröcker – Nachgründung als „vorläufige Kapitalerhaltungskontrolle“ . . . . . . . 131 b) Schwab – Nachgründung als „vorläufiger, allgemeiner Vermögensschutz“ . . . . 134 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Historisch bedingtes Fehlverständnis Hachenburgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Standortbestimmung von § 52 AktG ebenfalls aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Unzutreffende Umgehungsschutzthese von Bröcker und Schwab . . . . . . . . . . . 138 d) Begrenzter Aussagegehalt der IBH/Lemmerz-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 140 e) Bedeutung der Nachgründung für den Kapitalaufbringungsschutz nach ARUG 141 f) Nachgründung und Anlegerschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Kapitel 7 Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung – Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung und ihr Verhältnis i. e. S. zur verdeckten Sacheinlage nach ARUG

147

I. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Nutzen einer dogmatischen Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Aufgabe der Zuordnungskriterien Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung . . . . . 148 II. Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Normaspekte der Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Rechtshistorischer Hintergrund und Angleichungsbemühungen . . . . . . . . . 150 bb) Nachgründungs- und (Sach-)Gründungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (1) Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (2) Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (3) Registerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (4) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 cc) Spezifischer Umgehungsschutz für die Nachgründungsphase . . . . . . . . . . . 155 b) Kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Rechtshistorische Wurzeln – Nachgründung und Sukzessivgründung . . . . . 156 bb) Verselbständigungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 cc) Nachgründungswille und Kontrollfunktionen der konstituierenden Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Inhaltsverzeichnis

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2. Zusammenfassung des Normzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Schutzobjekte der Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Kreis potenzieller Schutzobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Aktiengesellschaft und Vorstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) (Neu-)Bestimmung der Schutzobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt: unbeteiligte Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt: Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Schlussfolgerung für das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Perspektivwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Verdeckte Sacheinlage als Teilaspekt der Nachgründungsregelung . . . . . . . . . . . . 165

Kapitel 8 Befund und Ausblick

166

Dritter Teil Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG und das Verhältnis der Nachgründung zur verdeckten Sacheinlage i. w. S. nach ARUG

169

Kapitel 9 Der Anwendungsbereich von § 52 AktG vor dem Hintergrund der dogmatischen Neubewertung der Nachgründung

169

I. Originärer Anwendungsbereich der Nachgründung, § 52 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . 170 1. Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Vertrag der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Maßgeblich beteiligte Aktionäre und Zurechnung von Beteiligungen . . . . . . . . 175 d) „Unechte“ Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Geschäftsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

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Inhaltsverzeichnis 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Maßgeblicher Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Einzelheiten der Fristberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Sonderfall: Vorrats- oder Mantelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

II. Ausnahmen vom Anwendungsbereich, § 52 Abs. 9 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte, § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG . . . . . . . . . 190 a) Entwicklung und Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Auslegung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Zwangsvollstreckung, § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Entwicklung und Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Weitere Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Pfandverkauf nach § 1233 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Erwerb im Insolvenzverfahren nach §§ 165 f., 173 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 200 (1) Verwertung unbeweglicher und beweglicher Gegenstände durch den Insolvenzverwalter, §§ 165, 166 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (2) Verwertung beweglicher Gegenstände und Forderungen durch den Gläubiger, § 173 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Versteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft nach § 753 BGB . . . . . . 204 3. Erwerb an der Börse, § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 III. Anwendbarkeit der Nachgründung auf Sachkapitalerhöhungen nach ARUG . . . . . . . 207 1. Anwendbarkeit von § 52 AktG auf offengelegte Sachkapitalerhöhungen . . . . . . . . 208 a) Herrschende Literaturmeinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Anwendbarkeit von § 52 AktG auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen . . . . . . . . . . 210 a) BGH: Rheinmöve – Unanwendbarkeit von § 52 AktG vor ARUG . . . . . . . . . . 210 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Unvollständige dogmatische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Doppelter Wertungswiderspruch nach ARUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Verdeckte Sachgründung und verdeckte Sachkapitalerhöhung . . . . . . . 211 (2) Offene und verdeckte Sachkapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Exkurs: Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt zur Bestimmung der Kapitalbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 10 Rechtsfolgen von verdeckten Sacheinlagen und Verstößen gegen das Nachgründungserfordernis – Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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I. Die Rechtsfolgen von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung nach ARUG . . . . . 216 1. Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, § 27 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 AktG . . . . . . . . . 216 a) Wirksamkeitsanordnung, § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Anrechnungslösung, § 27 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Kapitalrichtlinie und Sanktionsgefälle 217 (1) Bedeutung der unionsrechtlichen Regelungen und Effektivitätsprinzip 217 (2) Gesetzesbegründung und Beurteilung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . 217 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 bb) Dogmatik und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (1) Überblick über das Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG 222 a) Einzelheiten der Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Schwebende Unwirksamkeit, § 52 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Bindung der Vertragspartner – Widerrufsrecht nach § 178 BGB? . . . . . . . . 223 cc) Ablauf der Zweijahresfrist – Beiderseitige Bestätigung und/oder einseitige Genehmigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Rechtsfolgen einzelner Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Verstöße gegen das Schriftformerfordernis, § 52 Abs. 2 Satz 1 AktG . . . . . 226 bb) Fehler bei der Aktionärsinformation, § 52 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 AktG . . . . . 226 cc) Verstöße gegen Prüfungs- und Berichtserfordernisse, § 52 Abs. 3 und 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 dd) Verstöße gegen das Zustimmungs- und Eintragungserfordernis, § 52 Abs. 5 und 6 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Zwischenergebnis zu den Voraussetzungen des Rechtsfolgenkonflikts . . . . . . . . . . 228 a) Schnittmengen im Anwendungsbereich der §§ 27 Abs. 3, 52 Abs. 1 AktG . . . . 228 b) Wirksamkeit vs. (schwebende) Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Lösung des Rechtsfolgenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Anwendungsbereichsbezogene Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Teleologische Reduktion des § 27 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 aa) BGH vor ARUG: Keine Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Keine „verdeckte“ Gesetzeslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Teleologische Reduktion oder Extension des § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Unvereinbarkeit mit Gesetzesbegründung und Art. 11 KapRL . . . . . . . . . . 233 bb) Anreiz für nachträgliche Manipulationen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

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Inhaltsverzeichnis 2. Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Der Ansatz von Herrler/Reymann und Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Unzutreffender dogmatischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Wille des ARUG-Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 cc) Tendenz des BGH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 dd) Faktische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 27 Abs. 3 AktG auf Fälle außerhalb von § 52 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Eigener Lösungsvorschlag: Modifizierte Konkurrenzlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Differenzierungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Differenzierungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Wert des Vermögensgegenstands + Bareinlageverpflichtung . . . . . . . . . . . 240 bb) Wert des Vermögensgegenstands < Bareinlageverpflichtung . . . . . . . . . . . 241 c) Rechtsmethodische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 d) Europarechtskonformität – Vereinbarkeit mit Art. 11 KapRL . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Auslegung von Art. 11 KapRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Richtlinienkonforme Auslegung von § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

III. Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte nach ARUG . . . . . . . . . . . . 245 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Aktienrechtlicher Rückgewähranspruch nach § 62 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Ursprung und Übertragung des Vereinheitlichungsgedankens . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Geänderte Ausgangslage und Fehlgehen der dogmatischen Argumentation . . . 252 c) Wegfall des Bedürfnisses einer Saldierung gegenseitiger Ansprüche nach ARUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Anwendung von § 62 AktG als notwendiges Gegenstück der Wertanrechnung 254 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Kapitel 11 Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG – Relevanz der Nachgründung?

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I. Rückblick: Heilungsproblematik vor ARUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Heilung vor der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Heilung nach der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Herrschende Meinung: Heilung analog § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Gegenauffassung: Heilung nach Grundsätzen des BGH zum GmbH-Recht . . . 260 c) Andere Ansicht: Neuvornahme i. R. v. § 52 AktG ohne Wirkung auf die Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

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d) BGH-Rheinmöve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 II. „Heilung“ verdeckter Sacheinlagen nach ARUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Heilungsverfahren in Anlehnung an das GmbH-Recht – keine Relevanz von § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Rechtspolitische und -dogmatische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Grundsatzkritik und Ergebnis de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 aa) Gegenstand und Umfang der „Heilung“ nach ARUG . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Zirkelschluss des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 cc) Zwischenergebnis de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG – ergänzende Heranziehung von § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Hauptversammlungsbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit . . . . . . . . . 268 bb) Nachholung der Werthaltigkeitskontrolle gemäß §§ 33 ff. AktG . . . . . . . . . 271 cc) Anmeldung zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 c) Heilungsproblematik bei Kollision von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 aa) Vorfrage: Lösung des Rechtsfolgenkonflikts nach ARUG . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Durchschlagen der Unwirksamkeitsfolge und „Heilung“ . . . . . . . . . . . . . . . 274 cc) Nachgründungsverfahren gemäß § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Kapitel 12 Regelungsvorschlag de lege ferenda und Ausblick

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I. Regelungsvorschlag de lege ferenda zu Art. 11 Abs. 2 KapRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Ermittlung des Anpassungsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Regelungsvorschlag zu Art. 11 Abs. 2 KapRL und Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . 278 II. Regelungsvorschlag de lege ferenda zu § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Anpassungsbedarf an die Vorgaben von Art. 11 KapRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Bedarf einer gesetzlichen Regelung zum Rechtsfolgenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Regelungsvorschlag zu § 52 AktG und Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Anpassung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Ergänzung und Einschränkung von § 52 Abs. 9 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Einfügung von § 52 Abs. 10 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 III. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Thesenförmige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

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Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Kommentare/Handbücher/Monografien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Zeitschriften/Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. ABl. Abs. ABHGB ADHGB-E AEUV AG AktG AktG-E Alt. amtl. Anm. Art. ARUG Az. BB Begr. Beschl. BGB BGBl. BGH BGHZ BörsG BR-Drucks. BT-Drucks. bzw. DAV DB ders. DM DNotZ DStR DZWIR EG EGAktG Einl. EuGHE EUR EUV

andere Ansicht am Ende alte Fassung Amtsblatt Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Entwurf zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Entwurf zum Aktiengesetz Alternative amtlich Anmerkung Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Aktenzeichen Betriebs-Berater (Zeitschrift) Begründung Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Deutschland) Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Börsengesetz Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache beziehungsweise Deutscher Anwaltverein Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einleitung Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Euro Vertrag über die Europäische Union

22 EWG EWiR f. ff. FRUG FS GesR GmbH GmbHG GmbHR h. M. HGB Hrsg. HS i. e. S. i. R. v. i. S. v. i. V. m. i. w. S. InsO JW KapRL KG KGaA lat. LG liSp lit. m. w. N. Mio. MoMiG n. F. NaStraG NJW Nr. NZG OLG RegE reSp RG RGZ RM Rn. ROHG S. sog. Tz.

Abkürzungsverzeichnis Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht und folgende Seite/der folgende Paragraph/Artikel und die folgenden Seiten/Paragraphen/Artikel Finanzmarktrichtlinie Umsetzungsgesetz Festschrift Gesellschaftsrecht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Herausgeber Halbsatz im engeren Sinne im Rahmen von im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Insolvenzordnung Juristische Woche (Zeitschrift) Kapitalrichtlinie Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien lateinisch Landgericht linke Spalte littera (lat. für Buchstabe) mit weiteren Nachweisen Millionen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen neue Fassung Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung Neue Juristische Woche (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Regierungsentwurf rechte Spalte Reichsgericht Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsmark Randnummer Reichs-Oberhandelsgericht Seite/Seiten sogenannte Textziffer

Abkürzungsverzeichnis UmwG Unterabs. Urt. v. Var. vgl. WM WpHG WpPG WpÜG z. B. ZGR ZHR Ziff. ZInsO ZIP ZPO ZVG

Umwandlungsgesetz Unterabsatz Urteil vom Variante vergleiche Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Wertpapierprospektgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

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Einführung I. Grundsätzliches zum aktienrechtlichen Kapitalschutzrecht 1. Chancen und Risiken der Haftungsbeschränkung Gläubigern von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung steht als Haftmasse nur das Gesellschaftsvermögen selbst zur Verfügung, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 13 Abs. 2 GmbHG. Anders als die Bezeichnung Gesellschaft mit „beschränkter“ Haftung zunächst vermuten lässt, haften diese juristischen Personen jedoch unbeschränkt, das heißt mit ihrem gesamten (Gesellschafts-)Vermögen. Stattdessen betrifft die Haftungsbeschränkung nicht die Gesellschaften selbst, sondern vielmehr die hinter ihnen stehenden (natürlichen oder juristischen) Personen in ihrer Funktion als Aktionäre bzw. Gesellschafter. Begegnet man im Rechtsverkehr einer AG oder einer GmbH, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass neben ihr keine andere (natürliche oder juristische) Person unbegrenzt mit ihrem gesamten Vermögen haftet. Indes ist diese Haftungsbeschränkung aus rechtspolitischer Sicht nicht unproblematisch. Einerseits ist in einem modernen Industriezeitalter wie dem unseren die Finanzierung gigantischer Großprojekte durch private Einzelne nahezu unmöglich geworden. Somit erfüllen Kapitalgesellschaften insbesondere die Funktion von Kapitalsammelbecken. Zugleich werden Risikoaversionen abgebaut, indem mit einem vorher festgelegten Risikobeitrag wirtschaftliche Unternehmungen angegangen werden können, die in Bezug auf ihre Erfolgsaussichten oft ungewiss sind. Nach Lösung dieser „Eintrittskarte“ in Form einer Beteiligung an Grund- bzw. Stammkapital der Gesellschaft, ist das wirtschaftliche Risiko für Aktionäre bzw. Gesellschafter weitestgehend überschaubar. Dergestalt tragen Kapitalgesellschaften maßgeblich zum allgemeinen technischen und gesellschaftlichen Fortschritt bei. Andererseits bilden erhöhte Missbrauchsgefahr und Krisenanfälligkeit gleichsam die Kehrseite einer Medaille. So besteht die latente Gefahr, dass Gewinne der Gesellschaft den hinter ihr stehenden Personen zugutekommen, währenddessen Verluste – im Insolvenzfall gar ein Totalverlust – den Gläubigern bzw. der Allgemeinheit aufgelastet werden. Mit anderen Worten droht eine Privatisierung der Gewinne bei gleichzeitiger Sozialisierung der Verluste. Wie kaum ein anderes Rechtsgebiet sind daher das Gesellschaftsrecht und insbesondere das Aktienrecht als dessen Teilgebiet maßgeblich vom Kampf des Gesetzgebers und der Rechtsprechung gegen Missbräuche und Krisenerscheinungen geprägt. Weder die Nachgründung noch die verdeckte Sacheinlage stellen insoweit eine Ausnahme dar. Vielmehr spiegeln beide

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Rechtsfiguren diese Schattenseite des Kapitalgesellschaftsrechts mit ihrer langen Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte auf eindrucksvolle Art und Weise wider.

2. Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätze im Überblick Für das Verständnis der Kapitalsicherungsvorschriften ist zunächst entscheidend, dass der Gesetzgeber der Aktiengesellschaft weder verbieten kann noch verbieten will, im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Verluste zu machen und hierdurch das haftende Gesellschaftsvermögen zu schmälern. Zwar verlangt § 7 AktG, dass der obligatorische Nennbetrag des Grundkapitals mindestens 50.000 EUR betragen muss. Dergestalt bildet das Grundkapital gleichsam die finanzielle Keimzelle der Aktiengesellschaft. Allerdings ist mit der bloßen satzungsmäßigen Festlegung einer abstrakten Grundkapitalziffer in der Sache noch nichts gewonnen. Deshalb stellt das Aktiengesetz zunächst mit einer Fülle zwingender Vorschriften sicher, dass ein der Grundkapitalziffer entsprechendes Vermögen im Rahmen der Einlageleistung durch die Aktionäre auch tatsächlich aufgebracht wird (sog. reale Kapitalaufbringung bzw. Prinzip der Kapitalaufbringung).1 Des Weiteren kann das Grundkapital seiner Gläubigerschutzfunktion nur dann vollumfänglich gerecht werden, wenn es – einmal aufgebracht – auch weiterhin als Mindesthaftkapital erhalten bleibt und nicht nach der Gesellschaftsgründung alsbald an die Aktionäre zurückgewährt oder der Gesellschaft auf anderem Wege wieder entzogen wird (sog. reale Kapitalerhaltung bzw. Prinzip der Kapitalerhaltung).2 Um die Erfüllung der Garantiefunktion des Grundkapitals zu gewährleisten, verfolgt das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem mithin einen doppelten Ansatz. Dem Prinzip der Kapitalaufbringung werden das Verbot der Stufengründung (§§ 2, 29 AktG) und der Unter-pari-Emission (§ 9 Abs. 1 AktG), die Satzungspublizität von Sondervorteilen, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen (§§ 26, 27 AktG), die Vorschriften zu Gründungsbericht und Gründungsprüfung (§§ 32 ff. AktG), die Vorschriften über die Einlageleistung (§ 36 Abs. 2 i. V. m. §§ 54 Abs. 3, 36a AktG), die gerichtliche Prüfung des Gründungshergangs (§ 38 AktG), wegen ihrer präventiven Wirkung die Gründerhaftung (§§ 46 ff. AktG) sowie überwiegend auch das Nachgründungserfordernis (§§ 52 f. AktG) zugeordnet.3 Ferner dienen die Regelungen nicht rechtzeitiger Einlageleistung (§§ 63 ff. AktG)

1 Lutter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 23; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 1 Rn. 11. 2 Lutter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 23; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 1 Rn. 12. 3 Lutter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 27; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 1 Rn. 11.

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sowie das Befreiungs- und Aufrechnungsverbot (§ 66 Abs. 1 AktG) der Absicherung der realen Kapitalaufbringung.4 Auf das Prinzip der Kapitalerhaltung lassen sich dagegen im Wesentlichen drei Regelungskomplexe zurückführen. Hierzu zählen das Verbot der Einlagenrückgewähr sowie das Zinsverbot (§ 57 Abs. 1 und 2 AktG), das grundsätzliche Verbot des Erwerbs eigener Aktien, weil sich andernfalls die Zahlung des Kaufpreises durch die Gesellschaft als verdeckte Einlagenrückgewähr darstellen würde (§§ 71 ff. AktG), und schließlich das Verbot jeglicher Vermögensverteilung über den Bilanzgewinn hinaus (§ 57 Abs. 3 AktG).5 Hervorzuheben ist, dass es sich bei dem Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG um die zentrale Kapitalerhaltungsnorm handelt. Auf den ersten Blick wird scheinbar ganz beiläufig klargestellt, dass den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen. Indes ist das Verbot der Einlagenrückgewähr nach herrschender Meinung über den bloßen Wortlaut der Norm hinaus weiter zu fassen, so dass nicht nur das Grundkapital der Aktiengesellschaft und die erbrachten Einlagen einer umfassenden Bindung unterliegen, sondern das gesamte Gesellschaftsvermögen.6 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur vom Grundsatz einer umfassenden aktienrechtlichen Vermögensbindung gesprochen, die den Grundsatz der realen Kapitalerhaltung ergänzt.7 Endlich sind dem Bereich der Kapitalerhaltung auch die Vorschriften zur gesetzlichen Rücklage und Kapitalrücklage (§ 150 AktG i. V. m. §§ 266 Abs. 3 lit. A, 272 Abs. 2 HGB) zuzuordnen, indem gebundenes Vermögen geschaffen wird, welches dem zur Deckung des Grundkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögen als Reservefonds bzw. Pufferzone vorgelagert ist.8

4 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 63 Rn. 1 und § 66 Rn. 1; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 63 Rn. 1 und § 66 Rn. 1 m. w. N. 5 Lutter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 28; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 1 Rn. 12. 6 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – Az.: II ZR 171/83 = BGHZ 90, 381, 386; Henze, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band: §§ 53a-75, 4. Auflage 2008, § 57 Rn. 10 f.; Bayer, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 57 Rn. 10 f.; Rieckers, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4: Aktiengesellschaft, 5. Auflage 2020, § 16 Rn. 1; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Auflage 2015, § 19 Rn. 1; Hüffer/ Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 57 Rn. 1. 7 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 57 Rn. 1; Rieckers, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4: Aktiengesellschaft, 5. Auflage 2020, § 16 Rn. 58; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 57 Rn. 1. 8 Vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 150 Rn. 1 m. w. N.

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II. Anlass und Problemstellung Anlass zu der vorliegenden Untersuchung gab die Reformtätigkeit des Deutschen Gesetzgebers in Gestalt des ARUG9, wodurch (unter anderem) der Bereich der aktienrechtlichen Kapitalaufbringung reformiert wurde. Eine Neuregelung haben dabei insbesondere die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen in § 27 Abs. 3 AktG erfahren. Ihre Parallelregelung findet diese Norm in § 19 Abs. 4 GmbHG. Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Lehre von der verdeckten Sacheinlage waren sowohl Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäfte unwirksam, die verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand hatten.10 Der betroffene Aktionär blieb zur (nochmaligen) Zahlung des vollen Ausgabebetrags ohne Rücksicht auf den Wert zwischenzeitlich zugeführter Sacheinlagen verpflichtet. Insbesondere im Fall der Insolvenz der Gesellschaft konnte es vorkommen, dass der Insolvenzverwalter das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage mit Erfolg geltend machte. Dann war der betroffene Aktionär zu erneuter Leistung der Bareinlage verpflichtet, ohne einen werthaltigen Anspruch auf Rückzahlung seiner (ersten) Bareinzahlung zu haben. Im Ergebnis musste die Bareinlage somit doppelt geleistet werden. Aufgrund dieser drakonischen Sanktionierung der Umgehung der Sacheinlagevorschriften sah sich die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage in Praxis und Schrifttum harscher Kritik ausgesetzt.11 Der Gesetzgeber reagierte zunächst im Zuge der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG12 und schuf mit § 19 Abs. 4 GmbHG erstmals eine positivrechtliche Normierung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage. In Abkehr von der als zu hart empfundenen Unwirksamkeitsfolge entschied er sich hierbei jedoch für die sog. Anrechnungslösung.13 Ursprünglich sollte „zunächst die Akzeptanz der für die GmbH […] gefundenen Regelungen abgewartet“ werden.14 Auch im Schrifttum wurde angesichts der „sachlichen und dogmatischen Sprengkraft der Anrechnungslösung“ geraten, sie nicht ohne weiteres in das Aktienrecht zu verpflanzen, das bisher einem präventiven Gläubigerschutz verpflichtet ist und im Hinblick auf die

9 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009, BGBl. I/2009, S. 2479. 10 BGH, BGHZ 28, 314, 319 f.; 96, 231, 239 ff.; 110, 47, 52 ff.; 113, 335, 340 ff.; 118, 83, 93 ff.; 122, 180, 184 f.; 132, 141, 143 ff.; 135, 381, 383 ff.; 155, 329, 334. 11 Die Formulierungen reichten von „Überreaktion auf einen formalen Fehler“, „rechtspolitisch nicht zu rechtfertigen“ bis hin zur Bezeichnung als „Rechtsfolgenkatastrophe“, vgl. Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 53 m. w. N. 12 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008, BGBl. I/2008, S. 2026. 13 Diskutiert wurde alternativ auch noch der Übergang zu einem kommanditistenähnlichen Haftungsmodell, vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 24 m. w. N. 14 So noch die erklärte Absicht zur Entwurfsbegründung, vgl. Begr. RegE ARUG, BRDrucks. 847/08, S. 28.

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Kapitalrichtlinie möglicherweise auch bleiben muss.15 Dennoch entschloss sich der Gesetzgeber (insoweit überraschend) bereits sechs Monate nach Inkrafttreten des MoMiG und bevor überhaupt eine einzige obergerichtliche Entscheidung zu den neu gestalteten Rechtsfolgen veröffentlicht worden war, die MoMiG-Regelungen durch das ARUG unverändert in das Aktienrecht zu übertragen. Liegen nunmehr die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer verdeckten Sacheinlage vor, bleibt die Einlageverpflichtung des Aktionärs bestehen, § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG. Abweichend vom bisherigen Recht ist nunmehr in § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG ausgesprochen, dass die schuldrechtlichen Verträge über die verdeckte Sacheinlage und die Geschäfte zu ihrer Durchführung nicht unwirksam – mit anderen Worten: wirksam – sind. Als Kernstück der neuen Regelung wird gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG der Wert des Einlagegegenstands auf die fortbestehende Bareinlageschuld angerechnet. Danach beschränkt sich die Einlageschuld des Aktionärs auf die Differenz, die nach Abzug des eingebrachten Werts von der zunächst geschuldeten Geldeinlage übrig bleibt.16 Insoweit ist mit der bloßen Differenzhaftung des Inferenten keinerlei präventive Wirkung mehr verbunden, da er nichts fürchten muss, was über die ursprüngliche Bareinlage hinausgeht.17 Für die Aktiengesellschaft kommt erschwerend hinzu, dass aufgrund des potenziellen Kapitalmarktbezugs dem Schutz zukünftiger Aktionäre ein weitaus höherer Stellenwert als im GmbH-Recht einzuräumen ist.18 Aus diesem Grund wird die Transplantation der MoMiG-Regelungen zur verdeckten Sacheinlage als ein übereilter und wenig durchdachter Bruch mit dem fundamentalen Prinzip der realen Kapitalaufbringung und weitreichenden Folgen für das Gesamtsystem der aktienrechtlichen Kapitalaufbringung kritisiert.19 Indes erschöpft sich die Reichweite des gesetzgeberischen Eingriffs in die aktienrechtliche Finanzverfassung hierin nicht. Im Gegensatz zum GmbH-Recht verfügt das Aktienrecht über ein weiteres Institut zu Schutz der strengen Sacheinlagevorschriften (§§ 27 ff. AktG) vor Umgehungen durch die Aktionäre – die Nachgründung, §§ 52 f. AktG. Die Nachgründungsvorschriften sind seit ihrer Einführung durch die Aktienrechtsreform von 1884 als Reaktion auf die Gründerkrise fester Bestandteil des Aktienrechts.20 Die Normierung der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage unter Abänderung ihrer Rechtsfolgen hat daher auch Anpassungen im Bereich des § 52 AktG erforderlich gemacht. Neben der Einführung einer verein15

So die Bedenken von Dauner-Lieb, AG 2009, 217, 226 mit weiteren Überlegungen zu den Auswirkungen des MoMiG auf die Behandlung verdeckter Sacheinlagen im Aktienrecht. 16 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 38. 17 Insoweit ist zweifelhaft, ob dem gemeinschaftlichen Umgehungsschutz ausreichend Rechnung getragen wird, den Art. 3 lit. h, 10, 27 der Kapitalrichtlinie (77/91 EWG, ABl EG Nr. L 26, S. 1) beanspruchen, vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 25 m. w. N. 18 Vgl. noch die Bedenken von Hüffer, AktG, 9. Auflage 2010, § 27 Rn. 34 m. w. N. 19 So die eindringliche Mahnung von Bayer/Schmidt, ZGR 2009, 805, 845, die einer jahrzehntelangen Missbrauchsbekämpfung ohne Not den Boden entzogen sehen. 20 Zunächst als Artikel 213 f ADHGB 1884, dann als § 207 HGB 1897, später in § 45 AktG 1937, seit 1965 in § 52 AktG.

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fachten Nachgründung in § 52 Abs. 4, 6 und 7 AktG wurde insbesondere § 52 Abs. 10 AktG a. F. ersatzlos gestrichen. Diese Norm knüpfte an die nach § 27 Abs. 3 AktG a. F. eintretende Unwirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft an und stellte klar, dass ein nachgründungspflichtiger Vertrag nicht deshalb unwirksam war, weil ein Vertrag über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 3 AktG a. F. unwirksam war. Nach der Neufassung von § 27 Abs. 3 AktG unter Aufgabe der Unwirksamkeitsfolge war die Klarstellung in § 52 Abs. 10 AktG a. F. obsolet geworden. Insoweit scheint die Streichung dieses überflüssigen Absatzes keine Besonderheit darzustellen. Umso bemerkenswerter ist jedoch, dass dieser Norm bisher eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung des Verhältnisses von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung zugesprochen wurde. Mit der Wirksamkeitsanordnung in § 52 Abs. 10 a. F. (vormals § 45 Abs. 9 AktG 1937) wollte der Gesetzgeber von 1937 Klarheit über das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung schaffen.21 Zugleich war dies die einzige Nachgründungsvorschrift, die einen direkten Bezug zu den Sachgründungsvorschriften herstellte. Ferner unterscheiden sich nach der Neuregelung durch das ARUG die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen und Nachgründungen evident. Nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG bleiben nunmehr sämtliche verpflichtende und verfügende Verträge wirksam, obwohl sie verdeckte Sacheinlagen zu Gegenstand haben. Im Gegensatz dazu sind nachgründende Verträge zunächst schwebend unwirksam und werden nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und Eintragung in das Handelsregister wirksam.22 Mithin verhilft erst die ordnungsgemäße Durchführung des Nachgründungsverfahrens den nachgründenden Verträgen zu ihrer Wirksamkeit. Treffen verdeckte Sacheinlage und Nachgründung zusammen und wird beispielsweise die für die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 52 Abs. 5 AktG erforderliche Mehrheit nicht erreicht, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolge gelten soll. Es besteht in diesem Fall neuerdings ein Rechtsfolgenkonflikt. Somit hat die aktienrechtliche Finanzverfassung durch das ARUG insgesamt weitreichende und einschneidende Änderungen erfahren. Wie sich dieser Eingriff konkret auf das aktienrechtliche Kapitalsicherungssystem, die Nachgründung sowie ihr Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage auswirkt, soll deshalb Gegenstand der Untersuchung sein. Nur wenn beide Rechtsinstitute stimmig zueinander in Bezug gesetzt werden können, ist die (Weiter-)Entwicklung eines in sich schlüssigen und effektiven aktienrechtlichen Kapitalschutzsystems möglich.

21 Diesem Klarstellungsversuch vorausgegangen war die Entwicklung der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage durch das Reichsgericht (RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99 ff.) und die daraufhin einsetzende Diskussion über Reichweite und Schutzmechanismus der Nachgründung in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren, vgl. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 43, 81 ff. 22 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 8.

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III. Ziel und Gang der Untersuchungen Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, vor dem Hintergrund des ARUG eine (Neu-) Bestimmung des Verhältnisses von verdeckter Sacheinlage (§ 27 Abs. 3 AktG) und Nachgründung (§ 52 AktG) durchzuführen. Im ersten Teil der Arbeit soll zunächst die historische Entstehung und Entwicklung dieser verhältnismäßig „alten“ Rechtsfiguren nachgezeichnet werden (Kapitel 1 bis 4). Hierzu liegen zwar bereits recht umfangreiche Forschungsergebnisse bis zur Reform durch das NaStraG im Jahr 2001 (Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung) vor, sodass sich die Arbeit allein auf die Einschätzung der jüngsten gesetzgeberischen Tätigkeiten in Gestalt von MoMiG und ARUG konzentrieren könnte. Allerdings ist es schon aus Vollständigkeits- und Verständnisgründen geboten, dass auch die ältere Entwicklungsgeschichte Eingang in die Untersuchung findet. Hierbei soll der Versuch unternommen werden, die beiden Rechtsinstitute – im Gegensatz zu den bisher vorliegenden Arbeiten – nicht getrennt voneinander darzustellen, sondern deren aufeinanderfolgende Entwicklung in einzelnen chronologischen Abschnitten nachzuvollziehen. Im günstigsten Fall kann dergestalt ein neuer Beitrag zum Verständnis von Nachgründung und verdeckter Sacheinlage geleistet werden. Ferner werden anhand dieser Darstellung im Kontext der historischen Ereignisse und Umstände der Regelungsanlass sowie der sich hieraus ergebende Schutzzweck beider Institute deutlich und überhaupt nachvollziehbar. Schließlich darf auch eine Analyse und Auswertung der zu diesem Thema vorhandenen aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung in Sachen Lurgi I, Rheinmöve und Lurgi II nicht fehlen (Kapitel 5). Hinsichtlich des weiteren Vorgehens gilt es sich zunächst zu vergegenwärtigen, dass es nicht das eine Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung gibt, welches einer genauen Bestimmung zugänglich wäre. Stattdessen weisen beide Rechtsfiguren zahlreiche Berührungspunkte und damit einhergehende Zweifelsfragen auf. Allenfalls wenn und soweit es um die Funktion und dogmatische Verortung beider Rechtsinstitute innerhalb des aktienrechtlichen Kapitalschutzsystems geht, steht das (Konkurrenz-)Verhältnis im engeren Sinne zur Disposition. Davon wird der zweite Teil der vorliegenden Arbeit handeln. Hierzu ist zunächst ausführlich der Meinungsstand darzustellen und zu beurteilen (Kapitel 6). An dieser Stelle sei bereits vorausgeschickt, dass der Schlüssel zur Beantwortung der Verhältnisfrage im engeren Sinne die dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründung sein wird (Kapitel 7). Abschließend sind sodann die Untersuchungsergebnisse in einem kurzen Befund festzuhalten (Kapitel 8). Dagegen ist das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung im weiteren Sinne, also die Einzelheiten der Normanwendung nach ARUG, dem abschließenden dritten Teil der Arbeit vorbehalten. Inhaltlich wird es zum einen um die Abgrenzung des Nachgründungstatbestands unter Berücksichtigung des neu definierten Normzwecks von § 52 AktG gehen (Kapitel 9). Zum anderen stellt sich dort,

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Einführung

wo verdeckte Sacheinlage und Nachgründung aufeinandertreffen, die Frage nach dem Verhältnis beider Institute auf Rechtsfolgenseite (Kapitel 10). Schließlich ist das Verhältnis auf Verfahrensebene betroffen, wenn es um die Frage der Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG geht (Kapitel 11). Hierzu wird zu untersuchen sein, wie die „Heilung“ verdeckter Sacheinlagen nach ARUG durchzuführen ist und inwieweit die Nachgründungsvorschriften hierfür noch heranzuziehen sind. Neben der Erlangung abstrakter und grundlegender Klarheit ist mithin ein weiteres Ziel der Arbeit, im Bereich der praktischen Normanwendung einen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit zu leisten. Ihren Abschluss soll die vorliegende Arbeit in einem Regelungsvorschlag de lege ferenda zur Nachgründung sowie einem Ausblick auf künftig zu erwartende Entwicklungen finden (Kapitel 12).

Erster Teil

Rechtshistorische Betrachtung von Nachgründung und verdeckter Sacheinlage im Aktienrecht bis ARUG Mit der Entstehung und Entwicklung der Nachgründungsvorschriften bis etwa in das Jahr 2001 haben sich bereits Schwab23 und soweit ersichtlich zuletzt Bröcker24 dezidiert auseinandergesetzt. Parallel zur Nachgründung hat Bröcker in seiner Arbeit zudem die Herausbildung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs untersucht.25 Nichtsdestotrotz sollen nachfolgend unter besonderer Beachtung der gesetzgeberischen Intentionen die wesentlichen Entwicklungsschritte nachvollzogen werden, die zur Entstehung der Nachgründung (§ 1) und der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen (§ 2) geführt haben. Im Anschluss an die gesetzgeberische Weiterentwicklung der Nachgründungsvorschriften (§ 3) soll ausführlich auf die jüngere Reformtätigkeit in Gestalt von MoMiG und ARUG eingegangen werden (§ 4). Da sich die Rechtsinstitute der Nachgründung und der verdeckten Sacheinlage im Deutschen Aktienrecht nicht parallel zueinander, sondern vielmehr in aufeinanderfolgenden Schritten entwickelt haben, wobei der eine ohne den anderen kaum denkbar erscheint, ist die Darstellung dieser Untersuchung bewusst chronologisch gehalten. Hierdurch sollen gegebenenfalls noch nicht deutlich gewordene Zusammenhänge und Hintergründe für das Verständnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung herausgearbeitet und ausgehend hiervon die Grundlage für die weitergehende Bestimmung des Verhältnisses beider Rechtsfiguren geschaffen werden. Den Abschluss der rechtshistorischen Betrachtung des ersten Teils bilden schließlich drei Urteile des Bundesgerichtshofes, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung vollkommen zu Recht Aufnahme in die amtliche Entscheidungssammlung gefunden haben (§ 5). Zwar ergingen sämtliche Entscheidungen noch zur alten Rechtslage vor ARUG. Dennoch – oder gerade deshalb – lohnt sich eine eingehende Untersuchung.

23 24 25

Ders., Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 30 ff. Ders., Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 25 ff. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 121 ff.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Kapitel 1

Die Entstehung der Nachgründung in Anlehnung an die (Sach-)Gründungsvorschriften anno 1884 Im folgenden Kapitel soll der erste Entwicklungsschritt im Verhältnis von Nachgründung und verdeckter Sacheinlage dargestellt werden. Den Ausgangspunkt markiert dabei die Aufnahme der ersten Nachgründungsregelung in das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) im Zuge der denkwürdigen Aktienrechtsnovelle von 1884 (I.), bevor sie anschließend im Rahmen der HGB-Reform von 1897 in das neue Handelgesetzbuch (HGB) übergeleitet wurde (II.). In diesem Zusammenhang soll besonderes Augenmerk auf die Beurteilung der historischen Nachgründungsvorschriften im Kontext des seinerzeit geltenden Rechts gelegt werden. Vor dem Hintergrund des modernen aktienrechtlichen Verständnisses würde eine allein auf die Nachgründung konzentrierte bzw. beschränkte Untersuchung andernfalls Gefahr laufen, das Gesamtgefüge des historischen Regelungskanons aus dem Blick zu verlieren. Dies wäre einer umfassenden und vor allem korrekten Beurteilung der Nachgründungsregelung jedoch abträglich. Den Abschluss des ersten Kapitels soll sodann eine Bewertung des Regelungskonzepts der Nachgründung bilden (III.).

I. Die Aktienrechtsnovelle von 1884 1. Abschaffung des Konzessionssystems, Gründerjahre und Gründerkrise Durch den Ausgang des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/1871, die horrenden Reparationszahlungen Frankreichs und die anschließende Reichsgründung setzte im Deutschen Reich eine Periode außerordentlicher Prosperität ein, die gemeinhin als „Gründerjahre“ oder „Gründerzeit“ bezeichnet wird. Zeitgleich vollzog der Gesetzgeber mit der Aktienrechtsnovelle von 1870 einen Systemwechsel vom bis dato geltenden Konzessions-System hin zum Normativ-System.26 Bedingt durch diese beiden Umstände setzte in der Folgezeit eine wahre Welle von Gesellschaftsgründungen ein, die der Epoche schließlich ihren Namen gab.27 Bei den meisten dieser 26 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 55. Vgl. ferner Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 321 ff. zu den Einzelheiten des Systemwechsels. 27 Während 1870 in ganz Preußen noch 203 Aktiengesellschaften existierten, kam es allein in den nachfolgenden drei Jahren zu insgesamt 843 Neugründungen. Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 408 f.

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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Gründungen handelte es sich jedoch um „Schwindelgründungen“, die von einer alle Bevölkerungsschichten ergreifenden Spekulationsbereitschaft und Gewinnsucht getrieben waren und keine unternehmerische Aktivität verfolgten, sondern lediglich die Schaffung und den Verkauf von Aktien als Börsenware zum Ziel hatten; der überwiegende Teil dieser Gesellschaften verschwand sogleich wieder durch Konkurs oder im Wege der Liquidation.28 Im Wesentlichen waren drei klassische Erscheinungsformen des Gründerschwindels anzutreffen:29 Bei Bargründungen wurden die Leistungen der Kapitalanleger über den Gründungsaufwand im weiten Umfang aus der Gesellschaft gezogen und von den Initiatoren in ihre eigenen Taschen geleitet. Bei Sachgründungen kam es häufig dazu, dass die Initiatoren Gegenstände wie ein Grundstück oder ein Unternehmen zu einem völlig überhöhten Wert in die Gesellschaft einbrachten (sog. Illationsgesellschaft) und dem Anlagepublikum dergestalt ein fiktives Gesellschaftsvermögen vorspiegelten. Mittelbar wurde den Anlegern so die Sacheinlage zu einem enorm überhöhten Preis verkauft. Schließlich konnte es vorkommen, dass den Kapitalanlegern falsche unternehmerische Chancen der Aktiengesellschaft in Aussicht gestellt wurden, welche von den Initiatoren entweder nicht überprüft oder schlechterdings frei erfunden waren. Vor dem Hintergrund dieser prägenden Krisenerfahrung hatte der Gesetzgeber zutreffend erkannt, dass das seinerzeit neu eingeführte Normativ-System dringend abgesichert, ausgebaut und verfeinert werden musste.30

2. Konzeption des Aktiengesetzes von 1884 Im Mittelpunkt des Lösungskonzeptes der Aktienrechtsnovelle von 1884 stand die Selbsthilfe der Beteiligten, welche auf drei Ebenen zum Ausdruck kam. Individuelle Selbsthilfe sollte durch die Sicherstellung ausreichender Informationsmöglichkeiten gefördert werden, insbesondere durch Publizität etlicher Angaben im Gesellschaftsvertrag im Wege der Eintragung im Handelsregister.31 Zum Zwecke organschaftlicher Selbsthilfe wurde die Funktion des Aufsichtsrats als Kontrollorgan 28 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 55 f. Die Verluste der Aktionäre sollen sich auf eine halbe Milliarde Mark belaufen haben – eine für die damalige Zeit ungeheure Summe. 29 Vgl. die Darstellung bei Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 64 f. sowie die Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, S. 412 ff. 30 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 62. 31 Beispielsweise Offenlegung von Sondervorteilen, Gründungsaufwand und Sacheinlagen. Zu den Einzelheiten siehe Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 65 ff.; Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 404 f.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

stärker als bisher betont.32 Schließlich wurde die gesellschaftsinterne Kontrolle durch den Aufsichtsrat durch eine kollektive Selbsthilfe ergänzt, indem der Generalversammlung eine maßgebliche Bedeutung zugemessen und ihre Kompetenzen gestärkt wurden.33

3. Die Nachgründungsregelung des Art. 213f ADHGB 1884 Ohne noch ausführlich auf die Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahrens34 einzugehen, soll direkt zur ersten Gesetz gewordenen Nachgründungsregelung in Art. 213f ADHGB 1884 und die betreffenden Ausführungen des historischen Gesetzgebers übergegangen werden. a) Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 Als aufschlussreich erweist sich insoweit ein Blick auf die Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs zur Aktienrechtsnovelle von 1884.35 Darin führt der historische Gesetzgeber das Erfordernis der Nachgründungsregelung im Wesentlichen auf zwei grundlegende Überlegungen zurück und gibt Auskunft über Schutzmechanismus sowie Sinn und Zweck der Nachgründung. aa) Unterscheidung zwischen juristischer Existenz und wirtschaftlicher Selbständigkeit Zu Beginn seiner Erwägungen greift der Gesetzgeber den Umstand auf, dass das Handelsgesetzbuch bisher keine Vorschriften über die aus der Gründung einer Ak32

Beispielsweise Trennung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedschaft, Gründungsprüfung durch den Aufsichtsrat und Haftung. Zu den Einzelheiten siehe Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 91 ff.; Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 408 f. 33 Beispielsweise Bedeutung der konstituierenden Gesellschafterversammlung, alleinige Kompetenz für Satzungsänderungen, Veränderungen des Grundkapitals, Wahl und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, Stärkung von Minderheitsrechten. Zu den Einzelheiten siehe Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 87 f.; Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 409 ff. 34 Ausführliche Darstellung der ersten Ansätze im Gutachten des Reichs-Oberhandelsgerichts (ROHG) vom 31. März 1877, des Referentenentwurfs vom 23. Juni 1880 (dort Art. 212c), des Regierungsentwurfs vom Januar 1882 (dort Art. 213d), des Gesetzentwurfs vom 7. März 1884 (dort Art. 213e) sowie der endgültigen Fassung in Art. 213f ADHGB 1884 bei Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 31 ff.; Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 29 ff. 35 Abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 404 ff.

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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tiengesellschaft entspringende Haftung enthalten habe.36 Um den Beteiligten zukünftig den Rückgriff auf allzu konturlose allgemeine Rechtsbehelfe des bürgerlichen Rechts zu ersparen, schuf der Gesetzgeber erstmals eigenständige aktienrechtliche Anspruchsgrundlagen. Diese Schadensersatzansprüche führte er jedoch nicht auf einzelne Aktionäre, sondern auf die Gesellschaft selbst zurück, da sie in ihren Grundlagen fehlerhaft in das Leben gerufen und unmittelbar Geschädigte sei. Dergestalt war erstmals der bis heute das Recht der Kapitalgesellschaften beherrschende Gedanke der Haftungskanalisierung verwirklicht, wonach Schadensersatzansprüche wegen Verstößen gegen Gründungspflichten allein der Gesellschaft und nicht einzelnen Aktionären zustehen.37 Diese zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen der Art. 213a ff. ADHGB 1884 haben in ihrer Grundstruktur noch heute in Gestalt der §§ 46 ff. AktG Bestand. Der Gesetzgeber war sich der durchaus begrenzten Reichweite jener Haftungsnormen bewusst:38 Bei der Verantwortlichkeit und nunmehr gesetzlich geregelten Schadensersatzpflicht gehe es nur um das Vorhandensein des Grundkapitals, also darum, dass das Letztere in der statuarisch festgestellten Weise richtig und vollständig aufgebracht, eingezahlt und entsprechend belegt ist. Der Gesetzgeber wollte daher nicht bei der Tatsache stehen bleiben, dass sich die Entstehung der Gesellschaft (formal-)juristisch mit der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister vollende. Stattdessen bilde sich die Gesellschaft wirtschaftlich erst, nachdem die Aktien in Umlauf gesetzt und unter das Publikum gebracht seien, wodurch sie Bedeutung für den Verkehr erlangten. „Auf dieser Unterscheidung der juristischen von der wirthschaftlichen Existenz und Selbständigkeit der Gesellschaft beruhen die Vorschriften […] über den Kreis der verantwortlichen Personen und ihre Haftung, namentlich aber gewisse Kautelarvorschriften (Art. 213b, 213d, 213e), welche eine Umgehung der für die Gründung gegebenen Vorschriften verhindern sollen.“39

36 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. I. Zum Allgemeinen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 447 f. 37 Schubert, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 71. 38 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. I. Zum Allgemeinen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 448. 39 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. I. Zum Allgemeinen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 448. Die zuletzt genannte Kautelarvorschrift – in der Entwurfsbegründung noch als Art. 213e zitiert – entspricht im Wesentlichen der später Gesetz gewordenen Nachgründungsregelung des Art. 213f ADHGB 1884.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

An anderer Stelle der Entwurfsbegründung wird dieser Gedanke wiederholt und präzisiert:40 Da sich die bisher gesteckten Grenzen der Verantwortlichkeit (in Gestalt der Gründerhaftung) innerhalb der formalen Gründung der Gesellschaft halten, sei einer Umgehung der getroffenen Vorschriften Tür und Tor geöffnet. Um dies zu vermeiden, bedürfe es Kautelarvorschriften, die von der juristischen Existenz die wirtschaftliche Selbständigkeit der Gesellschaft auseinanderhalten. bb) Tempus clausum der Kautelarvorschriften Aufbauend auf jener ersten Grundüberlegung vollzieht der Gesetzgeber sodann seinen zweiten Gedankenschritt:41 Von der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister an gerechnet, sei ein „gewisses Stadium“ ins Auge zu fassen, mit dessen Ablauf erst angenommen werden könne, dass die Gesellschaft ihre wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt habe. Dies dauere erfahrungsgemäß ein bis zwei Jahre, da dann der größte Teil des Aktienkapitals aus dem Besitz der Gründer und der mit ihnen verbundenen Personen in andere Hände übergegangen und dadurch die Gesellschaft von der „Herrschaft der Gründer“ befreit sei. Dementsprechend müssten die ersten zwei Jahre in gewissen Beziehungen als ein „tempus clausum“ (lat. = geschlossene Zeit) behandelt werden, innerhalb dessen Kautelarvorschriften zu gelten hätten. An das so bestimmte „tempus clausum“ knüpfen neben der Nachgründung auch die weiteren Kautelarvorschriften der Art. 213b und 213d ADHGB 1884 an. So bezieht Art. 213b ADHGB 1884 Emissionshäuser in den Kreis der aus der Gründung verantwortlichen Personen ein. Die Regelung entspricht in ihren Grundzügen § 47 Nr. 3 AktG, wonach sich der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig macht, wer vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung Aktien öffentlich ankündigt, um sie in den Verkehr einzuführen, wenn er von einer etwaigen Unrichtigkeit/Unvollständigkeit der Angaben nach § 46 Abs. 1 AktG oder einer Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis besaß. Als weitere Vorschrift in der Kette der Kautelarvorschriften erklärt schließlich Art. 213d ADHGB 1884, der sein Pendant in § 50 AktG besitzt, jegliche Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen erst nach Ablauf von drei Jahren seit Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister und nur mit Zustimmung der Hauptversammlung für zulässig. Ferner darf keine Minderheit gegen den entsprechenden

40

Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. A. Zum Allgemeinen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 450. 41 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. A. Zum Allgemeinen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 450 f.

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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Hauptversammlungsbeschluss Widerspruch erhoben haben.42 Die Verlängerung des tempus clausum um ein weiteres Jahr erachtete der Gesetzgeber als geboten, weil insbesondere die Emissionshäuser sonst unter Umständen schon wenige Tage nach Abgabe des schädigenden Angebots von ihrer Verantwortlichkeit nach Art. 213b ADHGB 1884 entbunden werden könnten.43 cc) „Verhütung von Nachgründungen durch Übernahmen“ Im Anschluss an seine vorangestellten Überlegungen macht der Gesetzgeber schließlich die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister auch zum Drehund Angelpunkt der Nachgründung:44 Zwar könnten nach diesem Zeitpunkt weder Einlagen vorkommen (abgesehen von einer Kapitalerhöhung) noch nachträglich Vergütungen an Gründer gewährt werden. Allerdings bleibe der Erwerb bereits vorhandener oder zu errichtender Anlagen oder sonstiger Vermögensgegenstände, etwa in Form eines Kaufs, auch nach dem Zeitpunkt der Registereintragung möglich, selbst wenn der Erwerb zur Erreichung des Gesellschaftszwecks von Anfang an unausweichlich war. In diesem Fall bestehe die Gefahr, dass der Erwerb schon vor Errichtung der Gesellschaft von den Gründern geplant, der Abschluss des betreffenden Vertrages aber nur hinausgeschoben gewesen sei, um ihn später „durch die von ihnen beherrschten Gesellschaftsorgane bewirken zu lassen, und dadurch die strengeren Erfordernisse des Artikels 209b und die sich daran anknüpfende Prüfung und Verantwortung“ umgehen zu können. Um einer solchen Umgehung in der geeigneten Weise zu begegnen, müssten auf Erwerbungen innerhalb des tempus clausum von zwei Jahren die Vorschriften entsprechende Anwendung finden, welche bei Abschluss solcher Verträge im Stadium der Gründung gegeben seien. Hierbei handele es sich um die Genehmigung durch die Generalversammlung, die vorgängige Prüfung durch den Aufsichtsrat sowie Publizität und Verantwortlichkeit. Mit anderen Worten befürchtete der Gesetzgeber, dass die Gründer ihren starken Einfluss auf die Gesellschaftsorgane während des zweijährigen tempus clausum dazu benutzen könnten, in Gestalt späterer Erwerbsgeschäfte das wirtschaftliche Ergebnis einer Sachgründung herbeizuführen, ohne jedoch die entsprechenden Sachgründungserfordernisse beachten und sich den damit verbundenen Publizitätserfordernissen und Haftungsrisiken aussetzen zu müssen. Vor diesem Hinter42 Während Art. 213d ADHGB 1884 noch den Widerspruch einer Minderheit von 20 % des Grundkapitals forderte, lässt § 50 AktG bereits den Widerspruch einer 10 %-Minderheit ausreichen. 43 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. B. Zum Einzelnen. 2. Beschränkung von Vergleichen über Gründungsansprüche.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. 44 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. B. Zum Einzelnen. 3. Verhütung von Nachgründungen durch Uebernahmen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

grund sah der historische Gesetzgeber die Notwendigkeit der Nachgründungsregelung begründet. dd) Nachgründung und Kapitalerhöhung Schließlich erkannte der Gesetzgeber, dass auch die nachträgliche Erhöhung des Grundkapitals unter dem „Gesichtspunkt einer Nachgründung“ erscheinen könne und sich in dieser Beziehung durchaus dem Gebiet der Kautelarvorschriften anschließe.45 Der Gesetzgeber betrachtete Kapitalerhöhungen insbesondere deshalb kritisch, weil es bei der Gründerkrise vermehrt zu erheblichen Kapitalerhöhungen unmittelbar im Anschluss an die eigentliche Gesellschaftsgründung gekommen war.46 Infolgedessen wurde die gründungsnahe Ansammlung von Betriebskapital über den Bedarf hinaus als potenziell zu gewagten und unsauberen Spekulationen verleitende Konstellation eingestuft.47 Obwohl sich der Gesetzgeber durchaus darüber im Klaren war, dass auch im Rahmen von Kapitalerhöhungen „Gegenstände statt baaren Geldes auf die Aktien eingelegt oder seitens der Gesellschaft aus dem erhöhten Kapital übernommen“ werden können, verzichtete er bewusst auf Festsetzungen von Sacheinlagen oder Sachübernahmen in Erhöhungsbeschluss und Zeichnungsschein.48 Dies stelle einen bloßen Formalismus dar, weil die Gesellschaft bereits bestehe und organisiert sei.49 Es genüge insoweit die Verantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane, die Kontrolle der sämtlichen Aktionäre, „insbesondere aber für die ersten zwei Jahre die Anwendbarkeit des Artikels 213e, wonach die Erwerbung der auf das erhöhte Grundkapital eingelegten oder übernommenen Gegenstände, sobald es sich um Betriebsanlagen oder Immobilien handelt und die Vergütung den zehnten Theil des alten Grundkapitals übersteigt, die Zustimmung der Generalversammlung zur Voraussetzung

45 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 11. Erhöhung des Grundkapitals.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. 46 Mitunter wurde das Grundkapital alsbald nach der Gesellschaftsgründung „um das Elffache, Zwölffache, ja Dreißigfache erhöht“, vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 2. Bedürfnis zu einer gesetzlichen Reform. Entwicklung der Krisis“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 409. 47 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 11. Erhöhung des Grundkapitals.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 454. 48 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 11. Erhöhung des Grundkapitals.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 457. 49 Von dieser Auffassung ist der moderne Gesetzgeber abgerückt zu sein. So ordnen die §§ 183, 185, 194, 198, 205 f. AktG ausdrücklich die Aufnahme von Sacheinlagen in Erhöhungsbeschluss und Zeichnungsschein bzw. Bezugserklärung an.

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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hat“.50 Somit sollte nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers von 1884 die Nachgründung im Bereich der Kapitalerhöhung ausdrücklich zur Anwendung kommen und dabei das „alte Grundkapital“ zur Bezugsgröße werden. b) Umsetzung in Art. 213f ADHGB 1884 Auf Grundlage der soeben dargestellten Erwägungen wurde sodann folgende Nachgründungsregelung eingeführt:51 Art. 213f ADHGB 1884: [1] Werden vor Ablauf von zwei Jahren seit Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister seitens der Gesellschaft Verträge geschlossen, durch welche sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder unbewegliche Gegenstände für eine den zehnten Theil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, so bedürfen dieselben zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Generalversammlung. [2] Vor der Beschlussfassung hat der Aufsichtsrath den Betrag zu prüfen und über die Ergebnisse seiner Prüfung schriftlich Bericht zu erstatten. [3] Die Antheile der zustimmenden Mehrheit müssen in dem Falle, dass der Vertrag im ersten Jahr geschlossen wird, mindestens ein Viertheil des Grundkapitals, andernfalls mindestens drei Viertheile des in der Generalversammlung vertretenen Grundkapitals darstellen. [4] Der genehmigte Vertag ist in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift mit dem Berichte des Aufsichtsraths nebst dessen urkundlichen Grundlagen und mit dem Nachweise über die Beschlussfassung zum Handelsregister einzureichen. [5] Hat der Erwerb in Ausführung einer vor der Errichtung der Gesellschaft von den Gründern getroffenen Vereinbarung stattgefunden, so kommen in Betreff der Rechte der Gesellschaft auf Entschädigung und in Betreff der ersatzpflichtigen Personen die Vorschriften der Artikel 213a und 213d zur Anwendung. [6] Die vorstehenden Bestimmungen finden auf den Erwerb unbeweglicher Gegenstände nicht Anwendung, sofern auf ihn der Gegenstand des Unternehmens gerichtet ist oder der Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung geschieht.

c) Vergleich von Sachgründung und Nachgründung anno 1884 Jene Nachgründungsvorschrift erschließt sich in der Gesamtheit ihres Regelungsansatzes am besten über den Vergleich zu den Sachgründungsregelungen von 1884. Zu diesem Zweck sollen im Folgenden die einzelnen Tatbestandsmerkmale einer historischen Betrachtung zugeführt werden. 50

Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 11. Erhöhung des Grundkapitals.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 457. Bei dem zitierten Art. 213 e ADHGB-E handelt es sich um die spätere Nachgründungsregelung des Art. 213f ADHGB 1884. 51 Sämtliche Endfassungen der Art. 207 ff. ADHGB 1884 abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 582 ff.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

aa) Nachgründungstatbestand Frappierend ist auf den ersten Blick die Ähnlichkeit des Nachgründungstatbestands nach Art. 213f Abs. 1 ADHGB 1884 („vorhandene oder herzustellende Anlagen oder unbewegliche Gegenstände“) zur Sachübernahme nach Art. 209b Abs. 2 ADHGB 1884 („vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensstücke“). Während der Tatbestand der Sachgründungsnorm jedoch generell Anlagen und sonstige Vermögensgegenstände erfasst, ist der Anwendungsbereich der Nachgründungsregelung bei genauer Betrachtung enger gefasst.52 So forderte das Eingreifen der Nachgründung einerseits eine 10 % des Grundkapitals übersteigende Vergütung, andererseits waren neben den Anlagen nicht sämtliche Vermögenstücke, sondern lediglich unbewegliche Gegenstände erfasst. In dieser Beschränkung sah der Gesetzgeber „die Vermuthung am Platze, dass der Erwerb schon bei Errichtung hätte vorgenommen werden können und sollen“.53 Dem Nachgründungserfordernis sollten ursprünglich mithin nur solche Erwerbsgeschäfte unterfallen, die aufgrund ihres nicht unerheblichen Umfangs sowie des Erwerbsgegenstandes für die nachhaltige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft als geradezu unabdingbare Existenzgrundlagen erscheinen mussten und daher einen gewichtigen Gründungsbezug aufwiesen.54 Indes kam es dem Gesetzgeber nicht darauf an, innerhalb des zweijährigen tempus clausum sämtliche Erwerbsgeschäfte trotz ihres Gründungsbezugs zu erfassen, um den laufenden Geschäftsbetrieb nicht mehr zu erschweren, als es im unbedingten Interesse der Gesellschaft geboten erschien.55 Sodann trifft Art. 213f Abs. 6 ADHGB 1884 in Bezug auf den Erwerb von Immobiliarsachen weitere Ausnahmen vom Anwendungsbereich, sofern hierauf der Unternehmensgegenstand gerichtet ist oder der Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgte. Insbesondere im ersten Fall mangelte es ersichtlich an der grundlegenden Bedeutung des Gegenstandes für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, da regelmäßiger Erwerb und Veräußerung nicht Grundlage der Geschäftstätigkeit darstellen, sondern vielmehr den Geschäftsgegenstand selbst ausmachten. Insgesamt besteht somit trotz der tatbestandlichen Verwandtschaft zur Sachgründung, namentlich zur Sachübernahme, ein speziell auf die Erwerbssituation im Nachgründungszeitraum zugeschnittener und hinsichtlich bestimmter Größenordnungen und Geschäftsgegenstände eingeschränkter Anwendungsbereich der Nachgründung.

52

So auch Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 35 f. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. 54 So stellte Art. 213e ADHGB-E noch auf „vorhandene oder herzustellende Anlagen zum dauernden Geschäftsbetriebe oder unbewegliche Gegenstände für eine den zehnten Theil des Grundkapitals übersteigende Vergütung“ ab. Gesetzestext bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 397. 55 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. 53

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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bb) Prüfung durch den Aufsichtsrat Ein weiterer wesentlicher Unterschied zeigt sich im Vergleich zur Gründungsprüfung. Während im Rahmen der Sachgründung nach Art. 209h Abs. 1 Satz 1 ADHGB 1884 für Vorstand und Aufsichtsrat eine Prüfungspflicht besteht,56 erfolgt die Nachgründungsprüfung allein durch den Aufsichtsrat, Art. 213f Abs. 2 ADHGB 1884. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Vorstand, welcher den nachgründenden Erwerbsvertrag abgeschlossen hat, sich schlechterdings nicht selbst kontrollieren kann.57 Insoweit ist das Nachgründungsverfahren zwar grundsätzlich an die Sachgründungsvorschriften angelehnt, weicht hiervon aber auf Grund der Erwerbssituation im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung ab. In diesem Zusammenhang gilt es unbedingt einen weiteren Unterschied im Vergleich zur Gründungsprüfung deutlich zu machen. So ordnete Art. 209h Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 eine zusätzliche „Prüfung durch besondere Revisoren“ dann an, wenn Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder zugleich Gründer waren oder der Gesellschaft einen Vermögensgegenstand überlassen oder sich einen Sondervorteil ausbedungen hatten.58 Mithin trat neben die Gründungsprüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat im Fall einer Sachgründung nur ausnahmsweise eine Prüfung durch externe Gründungsprüfer, wenn der Gesellschaft von einem Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ein Vermögensgegenstand überlassen wurde. Andernfalls war auch im Rahmen von Sachgründungen lediglich eine gesellschaftsinterne Gründungsprüfung erforderlich. Im Gegensatz dazu ist der Nachgründungsregelung von 1884 eine Prüfung durch „besondere Revisoren“ (noch) völlig fremd. Die Nachgründungsprüfung durch den Aufsichtsrat blieb damit im Ergebnis hinter der Sachgründungsprüfung durch Vorstand, Aufsichtsrat und vor allem externe Revisoren im Sinne von Art. 209h Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 zurück. Während sich der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf zur Nichtbeteiligung des Vorstandes an der Nachgründungsprüfung ausdrücklich äußert, lässt er die externe Gründungsprüfung völlig unerwähnt. Dies wird zunächst dem Umstand geschuldet sein, dass Art. 209f Abs. 1 Satz 2 ADHGB-E im Gegensatz zum später verabschiedeten Art. 209h Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 die Bestellung von „Stellvertretern“ vorsah und „besondere Revisoren“ noch nicht kannte.59 Darüber hinaus lässt sich indes nur mutmaßen, was den Gesetzgeber von 1884 bewogen haben mag, im 56

Art. 209h Abs. 1 Satz 1 ADHGB 1884 verfügt heute über seine Entsprechung in § 33 Abs. 1 AktG. 57 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. B. Zum Einzelnen. 3. Verhütung von Nachgründungen durch Uebernahmen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. 58 In der Entwurfsfassung des Art. 209f ADHGB-E (späterer Art. 209h ADHGB 1884) war insoweit noch von „Stellvertretern“ die Rede, vgl. bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 395. 59 Gesetzestext der Entwurfsfassung bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 395.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Anwendungsbereich der Nachgründung dennoch auf jegliche externe Prüfung zu verzichten. Für eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung spricht, dass die externe Gründungsprüfung auch nach Art. 209h Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 nur auf spezifische Ausnahmesituationen begrenzt war, in denen die prüfungspflichtigen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat die Gründungsprüfung offensichtlich nicht unvoreingenommen durchführen konnten, weil sie zugleich Gründer waren, eine Sacheinlage oder -übernahme erbracht hatten oder ihnen Sondervorteile eingeräumt worden waren. Stets obligatorisch war somit nur die interne Gründungsprüfung, sie bildete also die Regel. Ferner war eine zusätzliche Kontrolle des nach Art. 213f Abs. 2 ADHGB 1884 allein prüfungspflichtigen Aufsichtsrats durch das zwingende Zustimmungserfordernis der Generalversammlung gemäß Art. 213f Abs. 1 ADHGB 1884 ständig gewährleistet, so dass eine separate Prüfung durch „besondere Revisoren“ wohl als nicht notwendig oder zu große Behinderung der Gesellschaft erachtet wurde. Die Generalversammlung als kritisches Diskussionsforum wurde offenbar als ausreichende Kontrollinstanz in Bezug auf das nachgründungspflichtige Erwerbsgeschäft eingestuft. Somit erscheint der Verzicht der Nachgründungsvorschriften auf die – ohnehin nur in bestimmten Sonderfällen durchzuführende – externe Gründungsprüfung konsequent und stellt wiederum eine spezifische Abweichung von den Gründungsvorschriften im Anwendungsbereich der Nachgründung dar. cc) Zustimmungserfordernis der Generalversammlung Hiermit sind auch schon das Zustimmungserfordernis der Generalversammlung sowie das hierfür maßgebliche komplizierte Quorum angesprochen, Art. 213f Abs. 1 und 3 ADHGB 1884. Beide Kautelen erscheinen insbesondere aus heutiger Sicht merkwürdig, weil weder das eine noch das andere Erfordernis eine Entsprechung im aktuell geltenden Gründungsverfahren hat. Auch der historische Gesetzgeber hüllt sich in der Gesetzesbegründung von 1884 diesbezüglich in Schweigen. Lediglich beiläufig findet sich ein Hinweis auf „das in Artikel 210a verlangte weitere Erforderniß“ bzw. die Vermutungsäußerung, dass der Erwerb „offenbar zum Zweck der Umgehung der Vorschriften der Artikel 209b, 210a, 213a stattgefunden“ habe.60 (1) „Konstituierende Generalversammlung“ nach Art. 210a ADHGB 1884 Bei besagtem Art. 210a AHDGB 1884, der die Durchführung der konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessiv- oder Stufengründung zum Gegenstand hat, handelte es sich ebenfalls um eine Neuerung der Aktienrechtsnovelle von 1884. So stellte die Sukzessivgründung, also eine Gründungsform, bei der die Gründer nur einen Teil der Aktien selbst übernehmen, während der Rest später von anderen gezeichnet wird, den Reformgesetzgeber vor weitere, partiell über die bloße 60 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453 reSp.

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Sicherung der realen Kapitalaufbringung hinausgehende Probleme.61 Im Unterschied zu Simultangründungen war einerseits die Aufbringung des Grundkapitals gefährdet, etwa weil die unter dem Einfluss der Gründer stehenden Gesellschaftsorgane die mit der Zeichnung versprochenen Einlagen überhaupt nicht eingefordert hatten oder wenigstens erst zu einem Zeitpunkt, in dem die von den ersten Zeichnern übernommenen Aktien bereits an der Börse untergebracht waren.62 Andererseits waren vor allem die späteren Zeichner dem Risiko ausgesetzt, dass sie sich im Anschluss an die Gründung an der Gesellschaft beteiligten, ohne volle Kenntnis darüber zu besitzen, worauf sie sich durch ihre Verpflichtung eingelassen hatten.63 Diese Unkenntnis konnte sowohl darin begründet sein, dass sich die Zeichner schlichtweg nicht über die wesentlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages informiert hatten, als auch darin, dass der Gesellschaftsvertrag im Augenblick der Zeichnung noch gar nicht rechtsverbindlich abgeschlossen oder aber nach der Zeichnung noch von den Gründern geändert worden war.64 Um derartigen Missständen fortan entgegenzuwirken, schuf der Gesetzgeber mit der konstituierenden Generalversammlung in Art. 210a ADHGB 1884 den Schwerpunkt der Sukzessivgründung. Danach war in dem Fall, dass die Gründer nicht alle Aktien übernommen und anderen zur Zeichnung überlassen hatten, eigens zur Beschlussfassung über die Errichtung der Gesellschaft vom Registergericht eine konstituierende Generalversammlung einzuberufen, Art. 210a Abs. 1 ADHGB 1884. Der Errichtungsbeschluss musste außer mit einer Stimmenmehrheit zudem ein Kapitalquorum von mindestens einem Viertel des Grundkapitals erreichen, Art. 210a Abs. 4 ADHGB 1884. Durch eine derartige konstituierende Generalversammlung unter Leitung des neutralen Registergerichts sollte dem Übergewicht der Gründer vorgebeugt und die Versammlung aus „dem Dunkel geschlossener Zusammenkünfte in Gründerwohnungen“ befreit werden.65 Hierdurch sollte die Selbständigkeit der zur Prüfung des Gründungsvorgangs bestellten Gesellschaftsorgane zur Entfaltung gelangen und eine kritische Diskussion stattfinden – insbesondere für den Fall, dass von Gründern, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern oder Dritten im Zuge der Gründung Anlagen überlassen oder eingelegt worden sind.66 Auf diese Weise sollten unlautere Elemente und unwahre Angaben der Kritik unterworfen und „an das Licht“ gezogen werden und die Beteiligten „in eigener Prüfung selbständig sich ent61 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 75. 62 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 75. 63 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 76. 64 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 76. 65 Schäfer/Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 252. 66 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 445.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

schließen“.67 Insgesamt wurde hierdurch die Stellung der Aktionäre gegenüber den Gründern gestärkt, überdies sollte die Aktionärsgesamtheit die Gelegenheit erhalten, aufgrund zwischenzeitlich verbesserter Informationen wieder von dem Gründungsvorhaben abzurücken.68 (2) Übertragung auf die Nachgründungsregelung Der Norm des Art. 210a ADHGB 1884 sind Zustimmungserfordernis und Quorum der Nachgründungsregelung in Art. 213f ADHGB 1884 erkennbar nachgebildet, was in der Gesetzesbegründung freilich weder ausdrücklich erwähnt noch näher begründet wird. Die Parallelität der Regelungen zeigt sich jedoch an der folgenden Gegenüberstellung der Vorschriften zu den jeweiligen Kapitalquoren:69 Art. 210a Abs. 4 ADHGB 1884 „[4] Die der Errichtung der Gesellschaft zustimmende Mehrheit muß mindestens ein Viertheil sämmtlicher in dem Verzeichnisse aufgeführten oder als Rechtsnachfolger derselben in der Generalversammlung zugelassenen Aktionäre begreifen, und der Betrag ihrer Anteile muß mindestens ein Viertheil des gesammten Grundkapitals darstellen. […]“

Art. 213f Abs. 3 ADHGB 1884: „[3] Die Antheile der zustimmenden Mehrheit müssen in dem Falle, dass der Vertrag im ersten Jahr geschlossen wird, mindestens ein Viertheil des Grundkapitals, andernfalls mindestens drei Viertheile des in der Generalversammlung vertretenen Grundkapitals darstellen.“

Danach müssen ungeachtet einzelner sprachlicher Abweichungen sowohl der Errichtungsbeschluss bei der Stufengründung als auch der Zustimmungsbeschluss zum Nachgründungsvertrag mit einem Kapitalquorum von mindestens einem Viertel des gesamten Grundkapitals gefasst werden. Auffällig ist dabei, dass der historische Gesetzgeber erneut eine abweichende und auf die Nachgründungssituation bezogene Sonderregelung traf. So sollte das Kapitalquorum von einem Viertel des Grundkapitals nur im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister gelten. Unter beiläufiger Bezugnahme auf Art. 210a ADHGB 1884 begründete der Gesetzgeber diese Entscheidung ausdrücklich damit, dass dieses Erfordernis in Wegfall kommen müsse, da die Anzahl der Aktionäre unter Umständen nicht bekannt ist, wenn in der Zwischenzeit Inhaberaktien ausgegeben sind.70 Stattdessen solle es im zweiten Jahr genügen, wenn wenigstens drei Viertel des in der Generalver-

67 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 445. 68 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 77. 69 Einschübe und Unterstreichungen nicht in der Originalfassung. 70 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453.

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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sammlung vertretenen Grundkapitals dem Erwerb zustimmen.71 Mit anderen Worten wurde das absolute Kapitalquorum von einem Viertel des Grundkapitals im zweiten Jahr durch ein relatives Kapitalquorum von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals ersetzt. Ferner verzichtete der Gesetzgeber auf die Durchführung der Versammlung unter der Leitung des Registergerichts. Dies dürfte wiederum dem Umstand geschuldet sein, dass die Nachgründung nicht den Gründungsvorgang selbst, sondern ein selbständiges Erwerbsgeschäft zum Gegenstand hat. Nichtsdestotrotz kann anhand der Ausgestaltung der Kapitalquoren darauf geschlossen werden, dass das Zustimmungserfordernis der Nachgründungsregelung in den Vorschriften zur konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessiv- oder Stufengründung nach Art. 210a ADHGB 1884 wurzelt. dd) Einreichung des Erwerbsvertrages zum Handelsregister Nach Art. 209b Abs. 2 ADHGB 1884 mussten Sacheinlagen oder Sachübernahmen „im Gesellschaftsvertrage festgesetzt“ werden. Der Gesellschaftsvertrag wiederum musste gemäß Art. 210 Abs. 1 ADHGB 1884 in das Handelsregister eingetragen werden. Demgegenüber ordnete Art. 213f Abs. 4 ADHGB 1884 lediglich an, dass der genehmigte Erwerbsvertrag samt Prüfungsbericht des Aufsichtsrats und dem Nachweis der Beschlussfassung „zum Handelsregister einzureichen“ ist. Seitens des Registergerichts wurde daher weder eine Eintragung des Nachgründungsvertrages in das Handelsregister vorgenommen noch kam ihr der Stellenwert eines Wirksamkeitserfordernisses zu.72 Im Vergleich zu den Sachgründungsvorschriften lässt die Nachgründungsregelung mit ihrer Beschränkung auf die bloße Einreichung des genehmigten Vertrages beim Handelsregister somit zwei wesentliche Merkmale vermissen – die Festsetzung im Gesellschaftsvertrag und die Eintragung im Handelsregister selbst. Allerdings stellt die fehlende Eintragung des Nachgründungsvertrages im Handelsregister entgegen des Gesetzeswortlauts bei näherer Betrachtung gar keinen Unterschied zum Gründungsverfahren dar. Während nach Art. 210 Abs. 1 ADHGB 1884 noch der „Gesellschaftsvertrag“ einzutragen war, ordnete bereits § 198 HGB 1897 die Eintragung der „Gesellschaft“ an. Damit wurde eine unglückliche Formulierung ersetzt, weil schon „aus naheliegenden Gründen“ nie eine Eintragung des gesamten Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister stattgefunden hatte, insbesondere die Ausführungsverordnungen sahen nur auszugsweise Eintragungen vor.73 In der Folge 71 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. 72 Dies änderte sich erst im Zuge der Aktienrechtsreform von 1937, vgl. Gadow, in: Großkommentar, AktG, 1. Auflage 1939, § 45 Anm. 10. Zu den Einzelheiten der Aktienrechtsreform 1937 siehe Kapitel 3, Ziff. I, S. 70 ff. 73 Vgl. Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, abgedruckt bei Schubert/ Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 2. Halbband, S. 1055 m. w. N.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

wurde auch der missverständliche Wortlaut von Art. 210 Abs. 1 ADHGB 1884 geändert. Noch heute ordnet § 39 Abs. 1 Satz 1 AktG die Eintragung der Gesellschaft unter Bezeichnung der Einzelnen eintragungspflichtigen Angaben zum Zweck der Publizität der wesentlichen Gesellschaftsverhältnisse an.74 Es verbleibt daher als relevanter Unterschied der Nachgründungsregelung zum Sachgründungsverfahren die fehlende Aufnahme des Erwerbsvertrages in den Gesellschaftsvertrag nach Art. 209b Abs. 2 ADHGB 1884. Zwar griff die Nachgründungsregelung in Gestalt der Einreichung von Erwerbsvertrag und Zustimmungsbeschluss beim Handelsregister grundsätzlich auch ein Publizitätsmerkmal auf. Allerdings wird durch den Verzicht auf eine Aufnahme des Nachgründungsvorgangs in die Satzung deutlich, dass der historische Gesetzgeber den betroffenen Erwerbsvorgang nicht mehr der formal abgeschlossenen Gründungsphase zurechnete und daher trotz des vermuteten Gründungsbezugs des Geschäfts keine Inkorporierung in den Gesellschaftsvertrag vorschrieb. Obwohl sich der Gesetzesbegründung von 1884 diesbezüglich keine näheren Aussagen entnehmen lassen, drängt sich der Eindruck auf, dass hier wiederum mit Rücksicht auf den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft von weiteren formalen Anforderungen abgesehen wurde.75 Angesichts dieser grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung liegt daher die Vermutung nahe, dass über die Einreichung des Nachgründungsvertrages beim Handelsregister hinaus, auf weitere Formalia wegen des mit einer nachträglichen Satzungsänderung verbundenen zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwands verzichtet wurde. ee) Gründerverantwortlichkeit Endlich erklärt Art. 213f Abs. 5 ADHGB 1884 die Schadensersatzhaftung der Gründer und beteiligter Dritter nach Art. 213a ADHGB 1884 für die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben sowie den Ausschluss von Vergleichen und Verzichten nach Art. 213d ADHGB 1884 für den Fall anwendbar, dass das Erwerbsgeschäft in Ausführung einer vorabgesprochenen Vereinbarung stattgefunden hat.76 Hierin kommt die Umgehungsvermutung des Gesetzgebers zunächst zwar am deutlichsten zum Vorschein. Allerdings erhebt er das Vorliegen einer Vorabsprache und die darin zum Ausdruck kommende Umgehungsabsicht nicht zum Tatbestandsmerkmal der Nachgründung, sondern nimmt diesen Umstand zum Anlass, um „im Falle einer Beschädigung der Gesellschaft durch bösliche Handlungsweise“ der Gesellschaft entsprechende „Entschädigungsrechte“ gegen die Gründer und beteiligte Dritte

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Vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 39 Rn. 1 f. So schon die Gesetzesbegründung hinsichtlich der Einschränkungen auf Tatbestandsebene des Art. 213f ADHGB 1884. Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453 reSp. 76 Ihre heutigen Entsprechungen haben die besagten Vorschriften in den §§ 46, 47 Nr. 1 und 2, 50 AktG. 75

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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einzuräumen.77 Dieses subjektive Erfordernis kann bei genauer Betrachtung darauf zurückgeführt werden, dass die Haftungsnorm des Art. 213a ADHGB 1884 ohnehin vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der beteiligten Personen voraussetzte. So ordnete Art. 213a Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 für den Fall, dass die Gesellschaft „durch Einlagen oder Uebernahmen der im Artikel 209b bezeichneten Art böslicherweise geschädigt ist“, eine Schadensersatzpflicht der Gründer gegenüber der Gesellschaft an. Insbesondere diese Schadensersatzpflicht im Rahmen von Sachgründungen wurde durch Art. 213f Abs. 5 ADHGB aufgegriffen und auf die Nachgründungssituation übertragen. ff) Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung der Generalversammlung Fehlte eine Festsetzung der Sachgründung im Gesellschaftsvertrag, waren die entsprechenden Abkommen nach Art. 209b Abs. 4 ADHGB 1884 der Gesellschaft gegenüber unwirksam.78 Im Falle einer Sukzessiv- oder Stufengründung war der entsprechende Beschluss der Generalversammlung gar für die Errichtung der Gesellschaft unerlässlich, Art. 210a Abs. 1 ADHGB 1884. Bei fehlender Zustimmung der Generalversammlung zum nachgründenden Erwerbsgeschäft nach Art. 213f Abs. 1 ADHGB 1884 stand zwar nicht die Errichtung der Gesellschaft selbst in Frage. Allerdings kam ihr insoweit konstituierende Bedeutung zu, indem die Wirksamkeit des Erwerbsgeschäfts von ihr abhing, das heißt bei Nichteinhaltung des Zustimmungserfordernisses waren die betroffenen Geschäfte ebenfalls unwirksam. Insoweit stimmten die Unwirksamkeitsfolgen von Verstößen gegen Art. 209b Abs. 4 ADHGB 1884 und Art. 213f Abs. 1 ADHGB 1884 überein.

II. Die Handelsrechtsreform von 1897 Im Anschluss an die durchaus bemerkenswerte Reform des Aktienrechts im Jahre 1884, die den Entstehungspunkt der Nachgründungsregelung kennzeichnet, ist der Handelsrechtsreform von 1897 als weiterer Entwicklungsschritt für die Nachgründungsregelung eine tragende Bedeutung beizumessen. Insgesamt sind dabei die neu geschaffenen Institutionen des ADHGB 1884 mit wenigen Änderungen im HGB 1897 aufgegangen.79

77 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453 reSp. 78 Dies entspricht der Rechtsfolgenregelung in § 27 Abs. 3 AktG a. F. vor ARUG. 79 Vgl. Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 732. Grundlegend neu war in diesem Zusammenhang lediglich, dass nicht mehr die KGaA der AG als Rechtsform vorangestellt blieb, sondern umgekehrt die Regelungen zur AG zum Anknüpfungspunkt von KGaA-spezifischen Sonderregelungen wurden. Hieran hat sich bis heute nichts geändert.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

1. Überleitung der „sog. Nachgründung“ und Gesetzesbegründung a) Der Nachgründungstatbestand des § 207 HGB 1897 und sprachliche Änderungen Die ursprüngliche Nachgründungsregelung des Art. 213f ADHGB 1884 wurde unter geringfügigen Anpassungen in § 207 HGB 1897 übergeleitet. § 207 HGB 1897: [1] Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen, die dauernd zu ihrem Geschäftsbetriebe bestimmt sind, oder unbewegliche Gegenstände für eine den zehnten Theil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Generalversammlung, falls sie vor dem Ablaufe von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden. [2] Vor der Beschlußfassung hat der Aufsichtsrath den Vertrag zu prüfen und über die Ergebnisse schriftlich Bericht zu erstatten. [3] Der Beschluß, durch welchen dem Vertrag die Zustimmung ertheilt wird, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertheile des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Wird der Vertrag im ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Antheile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertheil des gesammten Grundkapitals darstellen. [4] Nach erfolgter Zustimmung der Generalversammlung hat der Vorstand den Vertrag in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift mit dem Berichte des Aufsichtsraths nebst dessen urkundlichen Grundlagen zum Handelsregister einzureichen. Zum Handelsregister einer Zweigniederlassung findet die Einreichung nicht statt. [5] Bildet der Erwerb von Grundstücken den Gegenstand des Unternehmens, so finden auf einen solchen Erwerb die Vorschriften der Abs. 1 bis 4 keine Anwendung. Das Gleiche gilt für den Erwerb von Grundstücken im Wege der Zwangsversteigerung.

Unter der ausdrücklichen Bezeichnung als „sog. Nachgründung“ beschreibt der Gesetzgeber den Zweck des § 207 HGB 1897 allgemein damit, zu verhindern, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Einbringung von Vermögensgegenständen bei der Gründung der Gesellschaft in der Weise umgangen werden, dass die Gesellschaft nachträglich die betreffenden Gegenstände erwirbt.80 Nach dem Dafürhalten des Gesetzgebers berechtigen die bisherigen Erfahrungen nicht zu der Annahme, dass die fraglichen Bestimmungen zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes ungeeignet seien, lediglich einzelne Änderungen sieht er deshalb als angezeigt.81 So wurde insbesondere der Anwendungsbereich auf den Erwerb solcher Anlagen be80

Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 2. Halbband, S. 1057. 81 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 2. Halbband, S. 1057.

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schränkt, die „dauernd zu ihrem Geschäftsbetrieb bestimmt sind“.82 Insgesamt wurde somit die Wirksamkeit der bereits 1884 gefundenen Nachgründungsvorschriften nicht ansatzweise in Frage gestellt. b) Umformulierung der Regelung zum Kapitalquorum, § 207 Abs. 3 HGB 1897 Eine weitere Änderung rein sprachlicher Natur hat überdies im Rahmen der Regelung zum Kapitalquorum in § 207 Abs. 3 HGB 1897 stattgefunden. Ihrer gesonderten Erwähnung bedarf es an dieser Stelle, weil hierdurch der ohnehin nur schwerlich erkennbare Zusammenhang des Zustimmungserfordernisses der Nachgründung mit der konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessiv- oder Stufengründung noch undeutlicher wurde. Ursprünglich war nach Art. 213f Abs. 3 ADHGB 1884 das Quorum von einem Viertel des gesamten Grundkapitals für das erste Jahr die Regel und die Mehrheit von Dreiviertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals mit Rücksicht auf die spezifische Situation im Anschluss an die Gesellschaftsgründung die Ausnahme. Dies entsprach im Wesentlichen der geltenden Regelung zur Sukzessiv- oder Stufengründung nach Art. 210a Abs. 4 ADHGB 1884.83 Während die Vorschrift des Art. 210a Abs. 4 ADHGB 1884 nahezu wortgleich in § 196 Abs. 4 HGB 1897 übergeleitet wurde, hatte der Gesetzgeber das Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Nachgründung nun umgekehrt. Nach § 207 Abs. 3 HGB 1897 war stets eine Dreiviertel-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich und nur im ersten Jahr musste zusätzlich ein Kapitalquorum von einem Viertel des Grundkapitals erfüllt werden.

82 Dies entspricht der schon im Gesetzentwurf von 1884 vorgesehenen Regelung des Art. 213 e Abs. 1 ADHGB-E. Abgedruckt bei Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 397 liSp. 83 Zu den Einzelheiten der konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessiv- oder Stufengründung nach Art. 210a ADHGB 1884 und ihrer Vorbildwirkung für das Zustimmungserfordernis der ersten Nachgründungsregelung in Art. 213f ADHGB 1884 siehe oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c) cc), S. 44 ff.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung § 196 Abs. 4 HGB 1897: „[4] Die der Errichtung der Gesellschaft zustimmende Mehrheit muß mindestens ein Viertheil aller in dem Verzeichniß aufgeführten Aktionäre umfassen; der Betrag ihrer Antheile muß mindestens ein Viertheil des gesammten Grundkapitals darstellen. […]“

§ 207 Abs. 3 HGB 1897: „[3] Der Beschluß, durch welchen dem Vertrag die Zustimmung ertheilt wird, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertheile des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Wird der Vertrag im ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Antheile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertheil des gesammten Grundkapitals darstellen.“

Zwar lässt die Gegenüberstellung der beiden Regelungskomplexe immer noch deren Parallelität erahnen. Eine nähere Begründung hat die Umformulierung des § 207 Abs. 3 HGB 1897 in der Gesetzesbegründung allerdings nicht erfahren. Insoweit wird zumindest in begrüßenswerter Weise klargestellt, dass die DreiviertelMehrheit für den Zustimmungsbeschluss sowohl im ersten als auch im zweiten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister erforderlich ist. Diese Umformulierung hat dabei nachhaltigen Einfluss auf die Nachgründungsregelung gehabt, wurde auch im Rahmen der nachfolgenden Aktenrechtsreform in § 45 Abs. 4 AktG 1937 beibehalten84 und ist strukturell noch immer in § 52 Abs. 5 AktG enthalten. c) Haftungsanordnung nach § 208 HGB 1897 Während § 207 HGB 1897 nun den Kern der Nachgründungsregelung regelte, fand sich die ursprüngliche Haftungsanordnung des Art. 213f Abs. 5 ADHGB 1884 jetzt in § 208 HGB 1897 wieder. Dies entspricht der auch heute noch anzutreffenden Zweiteilung der §§ 52, 53 AktG.85 § 208 HGB 1897: Erwirbt die Gesellschaft vor dem Ablaufe der im §. 207 Abs. 1 bezeichneten Frist Vermögensgegenstände in Ausführung einer vor ihrer Eintragung in das Handelsregister von Gründern getroffenen Vereinbarung, so kommen in Betreff der Rechte der Gesellschaft auf Entschädigung und in Betreff der ersatzpflichtigen Personen die Vorschriften der §§. 202, 205, 206 zur Anwendung.

84 Soweit ersichtlich als Einziger verweist Gadow explizit darauf, dass das Mehrheitserfordernis nach § 45 Abs. 4 AktG 1937 mit demjenigen der konstituierenden Generalversammlung bei einer Stufengründung übereinstimmt, vgl. ders., in: Großkommentar, AktG, 1. Auflage 1939, § 45 Anm. 7. 85 Allerdings behandelt § 208 HGB 1897 noch die Haftung der Gründer aus dem Nachgründungsvorgang, wohingegen § 53 AktG die Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern zum Gegenstand hat.

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Interessant sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen des Gesetzgebers aus dieser rein haftungsrechtlichen Perspektive:86 Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Sachgründungsverfahrens nach Maßgabe der Art. 209b Abs. 2 ADHGB 1884 bzw. § 186 Abs. 2 HGB 1897 sei durch die Aufnahme der Vereinbarung in den Gesellschaftsvertrag die Verantwortlichkeit der Gründer sichergestellt. Unterbleibe jedoch eine entsprechende Festsetzung im Gesellschaftsvertrag, weil sich die Gründer darauf verlassen, dass ihr tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft genügt, um die Vereinbarung trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft zur Ausführung zu bringen, so sollten über § 208 HGB 1897 die gleichen Voraussetzungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Gründer gelten, wie wenn bei der Gründung ordnungsgemäß verfahren worden wäre.

2. Insbesondere: Umfang der Nachgründungsprüfung Eine allzu einseitige historische Untersuchung der Nachgründungsregelungen birgt immer die Gefahr, das gesamte Regelungsgefüge der Gründungsvorschriften aus den Augen zu verlieren. Unter diesem Aspekt ist den eigentlichen Änderungen, welche die Handelsrechtsreform von 1897 für die Nachgründung mit sich brachte, eine vergleichsweise geringe Relevanz beizumessen. Es sind vielmehr die unterbliebenen Anpassungen der Nachgründungsregelung an die Neuerungen im Bereich des Sachgründungsverfahrens, denen maßgebliche Bedeutung für die weitere Entwicklung zuzuschreiben ist. a) Sachgründung und obligatorische „Prüfung durch besondere Revisoren“ Kaum eine Regelung von 1884 hatte zu so zahlreichen Erörterungen Anlass gegeben, wie die Prüfung der Gründung durch besondere Revisoren sowie den Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft nach Art. 209h Abs. 1 ADHGB 1884.87 Als Mangel wurde dabei unter anderem empfunden, dass die Bestellung besonderer Revisoren nur dann erfolgen musste, wenn ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats selbst Gründer war oder der Gesellschaft ein Vermögensstück überlassen oder sich einen besonderen Vorteil ausbedungen hatte. Diese Voraussetzungen seien zu eng begrenzt, weil eine Prüfung durch besondere Revisoren ohne Weiteres umgangen werden konnte, wenn die Einlage von einem Aktionär erbracht wurde, der

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Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 2. Halbband, S. 1058. 87 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 2. Halbband, S. 1052.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

zunächst nicht Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats war.88 Aus diesem Grund sah § 192 HGB 1897 nunmehr vor, dass im Falle einer Sachgründung nach § 186 Abs. 2 HGB 1897, also bei Vereinbarung einer Sacheinlage oder Sachübernahme, stets eine „Prüfung durch besondere Revisoren“ erfolgen musste.89 Damit stellt § 192 HGB 1897 die Vorläufernorm des § 33 Abs. 2 Nr. 4 AktG dar, der im Fall von Sacheinlagen oder -übernahmen stets eine externe Gründungsprüfung anordnet. b) Fehlende externe Nachgründungsprüfung Diesen soeben dargestellten Entwicklungsschritt im Bereich der Sachgründungsprüfung vollzog die Nachgründungsregelung indes nicht mit. Trotz der nunmehr für Sachgründungen obligatorischen externen Gründungsprüfung nach § 192 HGB 1897 war eine zusätzliche Nachgründungsprüfung durch besondere Revisoren nicht vorgesehen. Stattdessen oblag die Prüfung des Erwerbsvertrages unverändert allein dem Aufsichtsrat, § 207 Abs. 2 HGB 1897. Ein Grund für dieses Zurückbleiben der Nachgründung hinter dem Sachgründungsverfahren ist den Äußerungen des Gesetzgebers nicht zu entnehmen. In der Folge wurde seinerzeit auch darüber gestritten, ob es sich hierbei um eine bewusste Entscheidung oder ein schlichtes Redaktionsversehen handelte.90 Einer sicheren Klärung lässt sich diese Frage indes nicht mehr zuführen.91 Die Leichtfertigkeit, mit der der Gesetzgeber über diese nicht unerhebliche Abweichung hinweggeht, dürfte jedoch dessen grundsätzlicher Annahme geschuldet sein, die bestehende Nachgründungsregelung von 1884 sei zur Erreichung ihres Zwecks „nicht ungeeignet“. Eine über rein sprachliche Anpassungen hinausgehende Revision der Nachgründungsvorschriften wurde daher wohl nicht in Betracht gezogen. Ungeachtet dessen verschärfte die HGB Novelle von 1897 88 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 2. Halbband, S. 1053. 89 Art. 209 b Abs. 2 ADHGB 1884 wurde in § 186 Abs. 2 HGB 1897 übergeleitet. Gesetzestext abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 1: Gesetze und Entwürfe, S. 758. 90 Hierauf hinweisend Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 37 m. w. N. 91 Für ein bloßes Redaktionsversehen mag sprechen, dass die Nachgründung sich bisher grundsätzlich an den wesentlichen Elementen der Sachgründungsvorschriften orientierte. Die Aufnahme der obligatorischen Prüfung durch externe Revisoren hätte konsequenter Weise dann auch der Nachgründungsregelung einverleibt werden müssen. Gegen ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers (und damit für einen bewussten Verzicht auf das Erfordernis einer externen Nachgründungsprüfung) könnte die zusätzliche Kontrolle durch die stets obligatorische Generalversammlung sprechen und die Erwägung, dass sie möglicherweise funktionell die Aufgabe der externen Prüfer erfüllen werde, indem sie den Aufsichtrat überwache. Ferner mag der Gedanke von 1884 eine Rolle gespielt haben, die Gesellschaft nicht mit allzu ausufernden Prüfungserfordernissen überziehen zu wollen. Ebenso wenig waren der Nachgründung spezifische Ausnahmen mit Blick auf die Erwerbssituation im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung fremd.

Kap. 1: Die Entstehung der Nachgründung anno 1884

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damit jedenfalls die ohnehin schon bestehende Diskrepanz zwischen dem Gründungs- und dem Nachgründungsverfahren.92

III. Bewertung des Regelungskonzepts der Nachgründung Nachdem mit der denkwürdigen Aktienrechtsnovelle 1884 und der Handelsrechtsreform 1897 die wesentlichen Entwicklungsschritte der Rechtsfigur der Nachgründung dargestellt worden sind, soll abschließend das Regelungskonzept der Nachgründung bewertet werden.

1. Konzeptioneller Selbsthilfegedanke von 1884 Im Zuge der Aktienrechtsnovelle 1884 verarbeitete der historische Gesetzgeber die Erfahrungen aus der verheerenden Gründerkrise und zog hieraus die juristischen Konsequenzen. Fernab aller dogmatischer Einzelheiten wurden dabei wesentliche Grundlagen eines modernen Kapitalgesellschaftsrechts gelegt und ein Jahrhundertwerk geschaffen.93 Es sollte insbesondere potenziellen Missbrauchs- und Spekulationskonstellationen bei der Gründung und im unmittelbar daran anschließenden Zeitraum begegnet werden. Die Nachgründungsvorschrift des Art. 213f ADHGB 1884 vereint dabei sämtliche Aspekte des eingangs angesprochenen konzeptionellen Selbsthilfegedankens. Der Gedanke einer organschaftlichen Selbsthilfe kommt darin zum Ausdruck, dass das Erwerbsgeschäft einer Nachgründungsprüfung durch den Aufsichtsrat unterworfen wird. Durch dessen schriftliche Berichterstattung wird wiederum den Aktionären Kenntnis von den Einzelheiten des Nachgründungsvertrags verschafft und dergestalt individuelle Selbsthilfe überhaupt erst ermöglicht. Schließlich ist die Wirksamkeit des Geschäfts allein an die Zustimmung der Generalversammlung gekoppelt, was unter dem Aspekt der kollektiven Selbsthilfe einen beachtlichen Kompetenzzuwachs bedeutet. Zugleich verfolgte der Gesetzgeber damit einen verhältnismäßig liberalen Ansatz, indem den betroffenen Erwerbsgeschäften nicht generell jegliche Wirksamkeit versagt, sondern die Entscheidung darüber der Generalversammlung überlassen wird.

2. Zweijähriges „tempus clausum“ als Adoleszenzphase Das geistige Fundament der Nachgründungsregelung beruht dabei auf zwei grundsätzlichen Erwägungen des historischen Gesetzgebers. So traf er zunächst eine 92

Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1449. Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, ZGR Sonderheft 4, S. 105. 93

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Unterscheidung zwischen der juristischen Existenz der Gesellschaft einerseits und ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit andererseits. Dabei sah er den Wirkungskreis der eigentlichen Gründungsvorschriften sowie der daran anknüpfenden Haftungsnormen auf die formaljuristische Gründungsphase begrenzt, die ihren Abschluss in der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister findet. Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Selbständigkeit bedurfte es daher eines weitergehenden Umgehungsschutzes der Sachgründungs- und Haftungsvorschriften durch sog. „Kautelarvorschriften“ für die Dauer eines zweijährigen „tempus clausum“. Dieser Einschränkung lag die Annahme zugrunde, dass die Gesellschaft im Anschluss an ihre formaljuristische Gründung auf dem Weg zu ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit eine Adoleszenzphase durchläuft, innerhalb derer sie und ihre Organe sich erst von der wirtschaftlichen Herrschaft ihrer Gründer emanzipieren. Freilich sind die Erwägungen stark theoretischer und generalisierender Natur und dürften maßgeblich auf die prägenden Erfahrungen aus der Gründerkrise zurückzuführen sein. So kann die Adoleszenzphase einer Aktiengesellschaft im konkreten Einzelfall kürzer sein, mitunter aber auch wesentlich länger andauern. Nichtsdestotrotz hat der Gesetzgeber hiermit einen abstrakten Zeitraum definiert, innerhalb dessen er unter dem zentralen Aspekt der (noch nicht bestehenden) wirtschaftlichen Selbständigkeit die Gefahr einer Umgehung der Gründungs- und Haftungsvorschriften offenbar als besonders groß erachtete.

3. Sonderregelung für die spezifische Erwerbssituation Bei der Schaffung der Nachgründungsregelung kam es dem Gesetzgeber erklärtermaßen darauf an, die im Stadium der formaljuristischen Gesellschaftsgründung geltenden Vorschriften zu einer entsprechenden Anwendung zu verhelfen und hierdurch deren Umgehung durch die Gründer zu verhindern. Ein Vergleich der Nachgründungsvorschrift des Art. 213f ADHGB 1884 mit den seinerzeit bestehenden Sachgründungsvorschriften hat dabei ergeben, dass die Nachgründungsregelung von 1884 verschiedene Elemente des Sachgründungsverfahrens aufgreift, ohne aber mit diesen vollständig kongruent zu sein. Stattdessen wird der vom historischen Gesetzgeber angedachte Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften durch eine Nachgründungsvorschrift gewährleistet, welche für die Dauer des zweijährigen tempus clausum zahlreichen Besonderheiten des Erwerbsgeschäfts im Anschluss an die formaljuristische Gründung der Gesellschaft Rechnung trägt. Dabei ist in erster Linie das Bemühen erkennbar, den Geschäftsbetrieb der jungen Aktiengesellschaft nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus einzuschränken. Insgesamt scheint sich der Gesetzgeber also durchaus des bestehenden Spannungsfeldes zwischen einem effektiven Kapitalschutz einerseits und einer möglichst geringen Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit andererseits bewusst gewesen zu sein. Allerdings führte dieses Bewusstsein und die damit einhergehende kompromissorientierte Ausgestaltung des Nachgründungserfordernisses im Ergebnis zu

Kap. 2: Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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einer lückenhaften und wenig effektiven Nachgründungsregelung, wie sich alsbald zeigen sollte.

4. Relevanz von Vorabsprachen im Rahmen der Gründerverantwortlichkeit Schließlich war der Nachgründung ein eigenständiger Haftungsaspekt immanent. Sowohl Art. 213f Abs. 5 ADHGB 1884 als auch § 208 HGB 1897 ordneten dazu die Anwendung der Vorschriften über die Gründungsverantwortlichkeit auf Erwerbsgeschäfte an, die bereits vor der Gründung geplant waren. Dagegen wird außerhalb dieser Haftungsanordnung nicht auf etwaige Vorabsprachen der Gründer außerhalb des Gesellschaftsvertrages abgestellt und die Wirksamkeit des nachgründenden Erwerbsgeschäfts allein an die Fassung eines Zustimmungsbeschlusses geknüpft, Art. 213f Abs. 1 ADHGB bzw. § 207 Abs. 1 HGB 1897. Somit waren anzuwenden: §§ 207, 208 HGB 1897, wenn der Erwerb von Anlagen und Grundstücken für mehr als 10 % des Grundkapitals infolge vorheriger Verabredung erfolgte; nur § 207 HGB 1897, wenn Anlagen und Immobilien für jenen Preis, aber ohne vorherige Vereinbarung erworben werden; nur § 208 HGB 1897, wenn andere Gegenstände zu irgendeinem Preis, aber aufgrund vorheriger Vereinbarung erworben werden.94 Mit anderen Worten löste eine etwaige Vorabsprache des Nachgründungsvertrages ungeachtet der Vergütungshöhe stets die Haftung der Gründer für Schäden aus dieser Absprache aus, wohingegen sich vollkommen unabhängig davon die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Nachgründungsvertrages bestimmten. Kapitel 2

Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ als Folge einer unzureichenden Nachgründungsregelung und Kind der Inflationszeit Nachdem der historische Gesetzgeber mit der Schaffung der Nachgründungsregelung in Art. 213f ADHGB 1884 bzw. den §§ 207, 208 HGB 1897 den ersten Schritt getan hatte, stieß das Reichsgericht mit seiner Entscheidung vom 23. April 1928, welche allgemein als Ausgangspunkt der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ angesehen wird, den zweiten Entwicklungsschritt an.95 In besagtem Urteil setzte sich das Reichsgericht erstmals eingehend mit der Umgehung der Sachgründungsvor94 95

99 ff.

Staub, Handelsgesetzbuch, Band I, 7. Auflage 1900, § 208 Anm. 1. RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121,

58

1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

schriften auseinander und begründete damit im Wesentlichen die in Rechtsprechung96 und Schrifttum97 vorherrschende Lehre von der verdeckten Sacheinlage, welche nunmehr in § 27 Abs. 3 AktG positiv normiert wurde. Um jenen mittlerweile fast 90 Jahre zurückliegenden Richterspruch – und damit die Keimzelle der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen – jedoch richtig in den Gesamtkontext einordnen zu können, soll zunächst der rechtliche und historische Hintergrund beleuchtet werden, vor dem das Reichsgericht seinerzeit urteilte (I.). Sodann kann auf die Einzelheiten jener Entscheidung eingegangen und dabei insbesondere deren Bewertung in der Literatur untersucht werden (II.). Seinen Abschluss findet das zweite Kapitel schließlich in einem kurzen Fazit (III.).

I. Rechtlicher und historischer Kontext der Entscheidung des Reichsgerichts 1. Kritik an der Umsetzung – Der Geburtsfehler der Nachgründungsregelung Trotz des umfassenden Regelungsansatzes und der einigermaßen ambitionierten Zielsetzung des historischen Gesetzgebers begegnet die zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichte Nachgründungsregelung in mehreren Punkten erheblicher Kritik. Dies liegt maßgeblich in dem Umstand begründet, dass es dem Gesetzgeber schon 1884 – und erst Recht nach der Handelsrechtsreform von 1897 – nicht gelungen war, die Nachgründungsvorschriften wirklich effektiv auszugestalten. Dieser Zustand lässt sich derweil nicht auf einen einzigen Aspekt zurückführen, sondern lag an einer Vielzahl von Versäumnissen bei Schaffung und Fortentwicklung der Rechtsfigur. a) Tatbestandliche Begrenztheit des Nachgründungserfordernisses Zunächst war der Nachgründungstatbestand mit Rücksicht auf den laufenden Geschäftsbetrieb der jungen Aktiengesellschaft in verschiedenerlei Hinsicht begrenzt. Wie erinnerlich lag dies an dem grundsätzlichen Bestreben des Gesetzgebers von 1884, die Gesellschaft nicht über Gebühr mit der Einhaltung von Formalitäten zu belasten oder sie sogar an der Entfaltung ihrer Geschäftstätigkeit zu hindern. So griff das Nachgründungserfordernis schon von vornherein nicht ein, wenn sich der Umfang des Erwerbsgeschäfts nicht auf mehr als 10 % des Grundkapitals belief. Doch 96 BGH, BGHZ 28, 314, 319 f.; 96, 231, 239 ff.; 110, 47, 52 ff.; 113, 335, 340 ff.; 118, 83, 93 ff.; 122, 180, 184 f.; 132, 141, 143 ff.; 135, 381, 383 ff.; 155, 329, 334. 97 Vgl. nur Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 52 ff.; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 23 ff.; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 85 ff.; Schall, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 1: §§ 23 – 40, 5. Auflage 2016, § 27 Rn. 267 ff.; Lutter/ Gehling, WM 1989, 1445, 1446.

Kap. 2: Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

59

auch bei Übersteigen dieser Grenze waren vom Nachgründungserfordernis sämtliche Erwerbsgegenstände außerhalb von Betriebsanlagen oder Immobilen nicht erfasst. Außerhalb des eng gefassten Anwendungsbereichs von Art. 213f Abs. 1 ADHGB 1884 bzw. § 207 Abs. 1 HGB 1897 waren die Sachgründungs- und Haftungsvorschriften demzufolge nicht vor Umgehungsgestaltungen der Gründer geschützt. b) Fehlende externe Prüfung durch „besondere Revisoren“ Doch auch wenn und soweit der Anwendungsbereich der Nachgründungsvorschriften eröffnet war, blieben diese in ihrer Schutzwirkung qualitativ hinter den Sachgründungsvorschriften zurück. So fand eine Prüfung durch externe Revisoren im Rahmen der Nachgründung nicht ansatzweise statt. Dieser grundlegende Unterschied bestand zwar schon zur Zeit der Aktienrechtsnovelle von 1884, verschärfte sich allerdings im Zuge der Handelsrechtsreform von 1897 drastisch. Gemäß Art. 209h Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 war die Prüfung durch besondere Revisoren bei einer Sachgründung nur in Ausnahmefällen vorgesehen – nämlich dann, wenn der Gesellschaft der Vermögensgegenstand von einem Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied überlassen worden war. Dagegen war die externe Gründungsprüfung bei Vorliegen einer Sachgründung gemäß § 192 HGB 1897 stets obligatorisch, ohne dass es noch auf die Person des Überlassenden ankam. Für die Nachgründung ordneten jedoch weder Art. 213f ADHGB 1884 noch § 207 HGB 1897 zusätzlich zur gesellschaftsinternen Nachgründungsprüfung durch den Aufsichtsrat eine externe Nachgründungsprüfung an. Somit bot auch bei Eingreifen des Nachgründungserfordernisses die Durchführung des Nachgründungsverfahrens gegenüber dem Sachgründungsverfahren aus Sicht der Gründer den verlockenden Vorteil, eine zeit- und kostenintensive Beteiligung unabhängiger Dritter vermeiden zu können. c) Fehlende registerrechtliche Kontrolle von Erwerbsvertrag und Generalversammlung Schließlich war auch die registerrechtliche Prüfung des schuldrechtlichen Nachgründungsvertrages im Vergleich zum Sachgründungsverfahren stark eingeschränkt, da dessen bloße Einreichung vom Registergericht nicht abgelehnt werden konnte und nach Art. 213f Abs. 4 ADHGB 1884 bzw. § 207 Abs. 4 HGB 1897 die Eintragung in das Handelsregister (noch) kein Wirksamkeitserfordernis darstellte. Es fehlte dem Registergericht bei der Nachgründung daher an einer effektiven Handhabe, die Bedeutung des Einreichungserfordernisses erschöpfte sich in einer bloßen

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Ordnungsvorschrift.98 Gründer und Vorstand der Gesellschaft waren somit in ihren Festlegungen weitgehend frei. Einzig die zusätzliche Kontrolle durch das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Generalversammlung stellt insoweit eine Erschwernis der Nachgründung im Vergleich zu den Sachgründungsregelungen dar. Die Effektivität der hiervon ausgehenden Kontrollwirkung war jedoch ihrerseits dadurch begrenzt, dass die Generalversammlung – im Gegensatz zur konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessiv- oder Stufengründung nach Art. 210a ADHGB 1884 bzw. § 196 HGB 1897 – nicht unter Leitung des Registergerichts durchgeführt werden musste. Gerade die Durchführung der Generalversammlung unter Leitung des Registergerichts sollte im Rahmen von Sukzessiv- oder Stufengründungen jedoch die Herrschaft der Gründer brechen und eine freie Prüfung des Gründungsherganges bewirken.99 Zudem war schon für die Sukzessiv- oder Stufengründung die Wirkungslosigkeit der Abhaltung der konstituierenden Generalversammlung moniert worden, da die Gründer regelmäßig auch hier eine Vormachtstellung aufgrund ihrer überragenden Stimmrechtsmacht inne hatten.100 Diese strukturelle Problematik setzte sich nun im Rahmen der „konstituierenden“ Generalversammlung einer Nachgründung unverändert fort. d) Zwischenergebnis: Mängel in Qualität und Quantität als Geburtsfehler Die soeben beschriebenen Unzulänglichkeiten der Nachgründungsregelung insgesamt, das heißt das Zurückbleiben des Schutzniveaus der Nachgründung – in Qualität und Quantität – hinter demjenigen der Sachgründungsvorschriften, können daher als ihr eigentlicher „Geburtsfehler“ bezeichnet werden.101 Sie sind überdies

98 Staub, Handelsgesetzbuch, Band I, 7. Auflage 1900, § 207 Anm. 8; Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Anm. 26. 99 „So wird die gerichtliche Verhandlung wesentlich dazu beitragen, daß die konstituierende Versammlung sein wird, was sie sein soll, daß die Betheiligten in eigener Prüfung selbständig sich entschließen können.“ Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 445. 100 Vgl. Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 352 m. w. N. 101 Dagegen will Bröcker den „Geburtsfehler“ der Nachgründung allein in ihrer anlegerschutzrechtlichen Verankerung, also in der Konzeption als Transparenz- und Kontrollmechanismus für Publikumsaktionäre, ausmachen; vgl. ders., Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 72 f. Dies ist insoweit richtig, als dass die Generalversammlung wirksame Transparenz und Kontrolle kaum gewährleisten kann, wenn ihr nicht alsbald nach der Gesellschaftsgründung externe Publikumsaktionäre angehören. Allerdings handelt es sich dabei – wie gezeigt – nur um einen Teilaspekt, weil sich nicht allein die Begrenztheit der tatsächlichen Kontrolle durch die Generalversammlung, sondern vor allem das Fehlen weiterer wesentlicher Schutzmechanismen des Sachgründungsverfahrens als abträglich erweisen.

Kap. 2: Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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grundlegend für das Verständnis der nachfolgenden Reichsgerichtsrechtsprechung sowie des späteren § 45 Abs. 9 AktG 1937 (= § 52 Abs. 10 AktG a. F.).102

2. Vermeidungspraxis und Inflationsverkäufe In den ersten Jahren der Weimarer Republik setzte sodann eine regelrechte Gründungswelle von Aktiengesellschaften ein, wobei Nachgründungen im Anschluss an Neugründungen und vor allem im Anschluss an Bargründungen weit verbreitet waren.103 Die außergewöhnliche Beliebtheit der Nachgründung bei gründungswilligen Wirtschaftsakteuren ist angesichts der soeben dargestellten Unzulänglichkeiten der Nachgründungsvorschriften wenig überraschend und kann wohl als deren unmittelbare Folge bezeichnet werden. So ließ sich unter rechtspraktischen Gesichtspunkten im Einzelfall eine Sachgründung mithilfe einer Bargründung und anschließender Nachgründung ersetzen und insbesondere die unliebsame Sachgründungsprüfung sowie die registergerichtliche Kontrolle im Wege der prüfungsfreien Nachgründung „umschiffen“. Die Gründer konnten auf diese Weise, von unabhängigen Prüfern und Registergericht unbehelligt, den wirtschaftlichen Erfolg einer Sachgründung im Wege einer Bargründung mit anschließendem Erwerbsgeschäft herbeiführen und sich hierbei auf die Nachgründungsvorschriften berufen.104 Auf diese Weise sollen von den seit 1900 gegründeten Aktiengesellschaften sage und schreibe 70 – 80 % durch verschleierte Sachgründungen entstanden sein.105 Somit führte die Ausgestaltung der Nachgründung in § 207 HGB 1897 im Ergebnis dazu, dass die Durchführung eines Nachgründungsverfahrens nicht die Ausnahme blieb, sondern sogar zur Regel wurde. Doch nicht nur die einsetzende Vermeidungspraxis ist entscheidend, um die noch zu erläuternden Entscheidung des Reichsgerichts vom 23. April 1928 in ihrem Gesamtkontext zutreffend einordnen zu können. Üblicherweise wird die Phase der Weimarer Republik (rechts-)historisch in drei Perioden eingeteilt – die Nachkriegszeit bis zur Inflation, die vorübergehende Stabilisierung während der „Goldenen Zwanziger“ und die Weltwirtschaftskrise.106 Es ist jene erste Phase der von 1918 bis 1923 wütenden Inflation, die sich nicht nur tief in das gesellschaftliche Bewusstsein der Deutschen eingebrannt hat, sondern der auch vorliegend besondere 102

Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1449. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 77 m. w. N. 104 So auch das zeitgenössische Verständnis von zahlreichen Vertretern im Schrifttum wie Hachenburg, Brodmann, Cohnitz, Bing, die die Nachgründung als gesetzliche Alternative zur Sachgründung begriffen, vgl. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 82 ff. m. w. N. Ausführlich zu Hachenburg siehe unten Kapitel 6, Ziff. III. 1., S. 129 ff. 105 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 645 m. w. N. 106 Spindler, in: Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 477 m. w. N. 103

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Bedeutung beizumessen ist. Es handelt sich dabei um sog. Inflationsverkäufe, im Rahmen derer einer neugegründeten Aktiengesellschaft zu Zeiten der Inflation ein Sachwert – häufig Grundstücke – überlassen worden war, was sich aus späterer Sicht des vormaligen Grundeigentümers als äußerst nachteilig herausstellte.107 Der wirtschaftliche Nachteil solcher Inflationsverkäufe bestand namentlich darin, dass sich die von den ehemaligen Eigentümern erzielten Veräußerungserlöse durch Inflation bzw. Hyperinflation sprichwörtlich „in Luft“ aufgelöst hatten, während die Sachwerte in Form von Immobilien bei den Gesellschaften weiterhin vorhanden und werthaltig waren. So ist es zu erklären, dass es vor allem ab den späten 1920er Jahren mit zunehmender Offenbarwerdung der möglichen Unwirksamkeit dieser Sacherwerbe aufgrund von Verstößen gegen die Sachgründungs- oder Nachgründungsbestimmungen zu einer breiten „Welle von Rückforderungsansprüchen“ der früheren Eigentümer kam, die ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Rückabwicklung der Inflationsverkäufe hatten.108

II. Das Reichsgericht und die „Geburt“ der Lehre von der verdeckten Sacheinlage In diesen rechtlichen und historischen Kontext fällt nun die – für den Kapitalschutz im Kapitalgesellschaftsrecht epochale – Entscheidung des Reichsgerichts vom 23. April 1928.109

1. Sachverhalt: Schrauben- und Mutternfabrik Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger waren Eigentümer eines Grundstücks, auf dem zuvor eine Spritfabrik betrieben worden war und welches sie nun an eine noch zu gründende Aktiengesellschaft verkaufen wollten, die darauf eine Schrauben- und Mutternfabrik betreiben sollte. Zu diesem Zweck wurde bereits am 8. Dezember 1921 ein privatschriftlicher Kaufvertrag über das Grundstück zwischen den Grundstückseigentümern und der Aktiengesellschaft geschlossen. Die Eintragung der Aktiengesellschaft verzögerte sich jedoch und fand erst am 16. Februar 1922 statt. Im Anschluss daran schlossen die Aktiengesellschaft und die Kläger abermals einen Vertrag über die Veräußerung des Grundstücks – und zwar im Wortlaut identisch mit demjenigen vom 8. Dezember 1921, aber diesmal in notarieller Form. Die Auflassung erfolgte daraufhin am 29. September 1922, am 6. Oktober 1922 wurde die Aktiengesellschaft in das Grundbuch eingetragen. 107 108 109

99 ff.

Bröcker, Nachgründung, Sachgründung, Kapitalschutz, 2006, S. 80. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung, Kapitalschutz, 2006, S. 80. RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121,

Kap. 2: Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

63

Nunmehr klagten die ehemaligen Grundstückeigentümer gegenüber der Aktiengesellschaft unter anderem auf Feststellung, dass die Verträge, aufgrund derer sie das Grundstück übereignet hatten, im Verhältnis zur beklagten Aktiengesellschaft nichtig seien.

2. Rechtliche Würdigung des Reichsgerichts Vor diesem Hintergrund stellte das Reichsgericht zunächst fest, dass alle verschiedenen Verträge den Zweck verfolgten, den Grundbesitz der Kläger mit der darauf befindlichen Fabrik und deren Einrichtung auf die beklagte Aktiengesellschaft zu übertragen, wobei dieser Besitz das Hauptvermögenstück und die Grundlage für den gesamten Betrieb der Gesellschaft bilden sollte und der Kaufpreis sogar das vorhandene Grundkapital überstieg.110 Sodann urteilte das Reichsgericht, dass die wesentlichen Festsetzungen zur Übernahme von Gegenständen im Gesellschaftsvertrag hätten getroffen werden müssen und, da dies nicht geschehen sei, die Abkommen nach § 186 Abs. 4 HGB 1897 der Aktiengesellschaft gegenüber unwirksam bzw. nichtig sind.111 Im Hinblick auf die Nachgründung führte das Reichsgericht sodann aus, dass die mangelnde Festsetzung in der Satzung nachträglich nur durch eine Satzungsänderung erfolgen könne, nicht aber dadurch, dass die Verträge nach Eintragung der Aktiengesellschaft nochmals gemäß § 207 HGB 1897 abgeschlossen werden, da sonst jederzeit die wichtige Vorschrift des § 186 Abs. 2 HGB 1897 umgangen werden könne.112 Dies gelte insbesondere vor dem 110 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 102. 111 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 103; § 186 Abs. 4 HGB 1897 lautete: „Jedes Abkommen über die vorbezeichneten Gegenstände, welches nicht die vorgeschriebene Festsetzung im Gesellschaftsvertrage gefunden hat, ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam.“ Damit entspricht die Norm im Wesentlichen der Regelung in § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG a. F. vor ARUG: „Ohne eine Festsetzung [in der Satzung] nach Absatz 1 sind Verträge über Sacheinlagen oder Sachübernahmen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam.“. 112 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 103; § 186 Abs. 2 HGB 1897 lautete: „Werden auf das Grundkapital von Aktionären Einlagen gemacht, die nicht durch Vorzahlung zu leisten sind, oder werden vorhandene oder herzustellende Anlage oder sonstige Vermögensgegenstände von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen, so müssen der Gegenstand der Einlage oder der Übernahme, die Person von welcher die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Betrag der für die Einlage zu gewährenden Aktien oder die für den übernommenen Gegenstand zu gewährende Vergütung im Gesellschaftsvertrage festgesetzt werden.“ Diese Regelung entspricht inhaltlich § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG: „Sollen Aktionäre Einlagen machen, die nicht durch Einzahlung des Ausgabebetrags der Aktien zu leisten sind (Sacheinlagen), oder soll die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände übernehmen (Sachübernahmen), so müssen in der Satzung festgesetzt werden der Gegenstand der Sacheinlage oder der Sachübernahme, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt und der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien oder die bei der Sachübernahme zu gewährende Vergütung.“.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Hintergrund, dass das Gesetz in § 186 HGB 1897 für den Fall solcher bereits im Gründungsstadium getroffener Abkommen die Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag für geboten erachtet, so dass nicht angenommen werden könne, dass es im § 207 HGB 1897 auch für diesen Fall eine ganz andere Form vorschreibt, wenn nur die Verträge nochmals nach der Eintragung abgeschlossen werden.113

3. Analyse und Bewertung Nachdem nun der Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung durch das Reichsgericht dargestellt worden sind, kann unter Berücksichtigung der Bewertung im Schrifttum eine Analyse der Entscheidung des Reichsgerichts erfolgen. a) Intention(en) des Reichsgerichts Zunächst ist zu konstatieren, dass das Vorgehen der beteiligten Parteien symptomatisch für die damals anzutreffende und durch die Nachgründungsregelung begünstigte Vermeidungspraxis ist. Anstelle einer Sachgründung wurde in casu formal eine Bargründung durchgeführt und im Anschluss an die Gesellschaftsgründung erfolgte sodann ein Sacherwerb, der das Fabrikgrundstück zum Gegenstand hatte. Die untrennbare Verknüpfung von Gründungsvorgang einerseits und unmittelbarem Sacherwerb andererseits war dabei angesichts des gleich mehrfachen Abschlusses des Grundstückskaufvertrages, jeweils vor und nach der Gesellschaftsgründung, nicht von der Hand zu weisen. Die Urteilsbegründung lässt insoweit ausdrücklich erkennen, dass es dem Reichsgericht zentral darauf ankam, eine Umgehung der wichtigen Vorschrift des § 186 Abs. 2 HGB 1897 zu verhindern, wonach die betreffenden Geschäfte der Festsetzung im Gesellschaftsvertrag der Aktiengesellschaft bedurften. Was in diesem Zusammenhang vom Reichsgericht unausgesprochen bleibt, sind die mit der Festsetzung des Sacherwerbs im Gesellschaftsvertrag einhergehenden Sachgründungserfordernisse. Namentlich handelt es sich dabei um die stets obligatorische Sachgründungsprüfung durch externe Revisoren nach § 192 HGB 1897 sowie die registergerichtliche Kontrolle im Zuge der Eintragung des Gesellschaftsvertrages bzw. der Gesellschaft in das Handelsregister. Wie erinnerlich ließ die seinerzeit geltende Nachgründungsregelung all diese Merkmale vermissen.114 Insgesamt erschöpft sich die Intention des Reichsgerichts damit nicht in der bloßen Sicherstellung einer Festsetzung der Erwerbsverträge im Gesellschaftsvertrag nach § 186 Abs. 2 HGB 1897, sondern zielt zugleich auf die Einhaltung der strengen Sachgrün-

113 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 103. 114 Siehe oben Kapitel 2, Ziff. I. 1. lit. b) und c), S. 59 ff.

Kap. 2: Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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dungsvorschriften ab, um die in den Nachgründungsvorschriften angelegten Unzulänglichkeiten zu korrigieren. Schließlich ergibt sich ein weiterer Aspekt des Urteils aus dem historischen Kontext. Der vom Reichsgericht entschiedene Sachverhalt spielte sich in den Jahren 1921 und 1922 ab und datiert somit am Vorabend der Hyperinflation des Jahres 1923, an deren Ende eine enorme Abwertung der im Verkehr befindlichen Geldmengen stand. Es handelt sich mithin um einen der sog. Inflationsverkäufe, die sich aus Sicht der ehemaligen Eigentümer später als wirtschaftlich äußerst nachteilig herausstellten.115 Diesbezüglich äußerte schon Hachenburg folgende Vermutung: „Wenn auch die Gründe nichts davon erwähnen, so zeigen doch die tatsächlichen Umstände, dass hier die rechtliche Auslegung durch den Wunsch, eine Unbilligkeit zu verhindern, hervorgerufen wurde.“116

Ferner mutmaßte er, dass diese durch einen wirtschaftlichen Vorgang verursachte Auslegung des Gesetzes wieder verschwinden und in der Folge auch die Rechtsprechung einlenken würde.117 Diese Hoffnungen Hachenburgs sollten sich indes nicht erfüllen. Insbesondere die von ihm und anderen Vertretern im Schrifttum vertretene Interpretation der Nachgründung als gesetzliche Alternative zur Sachgründung setzte sich nicht durch.118 Stattdessen verfestigte sich die vom Reichsgericht entwickelte Lehre von der verdeckten Sacheinlage in Rechtsprechung119 und Schrifttum120 weiter. b) Rechtsmethodische Lösung des Reichsgerichts Interessant ist die rechtsmethodische Lösung, die das Reichsgericht vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage gewählt hat. Im Rahmen des Nachgründungstatbestands gemäß § 207 HGB 1897 spielten etwaige Vorabsprachen der Gründer im Vorfeld der Gesellschaftsgründung keine Rolle. Ebenso wenig wirkten sich solche Vorabsprachen unter Nachgründungsge115

Siehe oben Kapitel 2, Ziff. I. 2., S. 61 f. Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Anm. 3. 117 Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Anm. 3 unter Verweis auf Flechtheim. 118 So Hachenburg, Brodmann, Cohnitz, Bing, die die Nachgründung als gesetzliche Alternative zur Sachgründung begriffen, vgl. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 82 ff. m. w. N. 119 BGH, BGHZ 28, 314, 319 f.; 96, 231, 239 ff.; 110, 47, 52 ff.; 113, 335, 340 ff.; 118, 83, 93 ff.; 122, 180, 184 f.; 132, 141, 143 ff.; 135, 381, 383 ff.; 155, 329, 334. 120 Vgl. nur Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 52 ff.; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 23 ff.; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 85 ff.; Schall, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 1: §§ 23 – 40, 5. Auflage 2016, § 27 Rn. 267 ff.; Lutter/ Gehling, WM 1989, 1445, 1446. 116

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

sichtspunkten auf die Wirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte aus. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Allerdings sollten gemäß § 208 HGB 1897 für den Fall, dass die Gesellschaft Vermögensgegenstände innerhalb der Zweijahresfrist „in Ausführung einer vor ihrer Eintragung in das Handelsregister von Gründern getroffenen Vereinbarung“ erwirbt, die Vorschriften über die Gründerverantwortlichkeit zur Anwendung kommen.121 Folglich war sich der Gesetzgeber durchaus der Möglichkeit von Vorabsprachen bewusst, die er jedoch allein aus haftungsrechtlicher Perspektive beurteilte.122 Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten bei solchen Vereinbarungen „trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit“ über § 208 HGB 1897 die gleichen Voraussetzungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Gründer gelten, wie wenn bei der Gründung ordnungsgemäß verfahren worden wäre.123 Folglich betrachtete der Gesetzgeber etwaige Vorabsprachen – ganz selbstverständlich – als unwirksam. Worauf er diese Annahme stützte, ist unklar. Insoweit kann nur vermutet werden, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers ein Verstoß gegen die nach § 186 Abs. 2 HGB 1897 zwingend erforderliche Festlegung des Rechtsgeschäfts in der Satzung den ausschlaggebenden Unwirksamkeitsgrund bildete. Allerdings verband der historische Gesetzgeber mit dem darin liegenden Formverstoß keine weitergehenden Rechtsfolgen für das im Anschluss an die Gesellschaftsgründung abgeschlossene und potenziell als Nachgründungsvertrag zu qualifizierende Rechtsgeschäft. Diesen Schritt vollzog nun das Reichsgericht, indem es den in der Vorabrede liegenden Formmangel auf das nachfolgende Erwerbsgeschäft übertrug, um eine Umgehung von § 186 Abs. 2 HGB 1897 zu verhindern.124 Zu diesem Zweck stellte das Reichsgericht bei der rechtlichen Beurteilung des Rechtsgeschäfts nicht (wie die Nachgründung) auf den zeitlichen Abschluss nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ab, sondern schloss in die Gesamtbetrachtung des Erwerbsvorgangs die Vorabsprache der Gründer mit ein. Zeitlicher Ansatzpunkt ist folglich die Vereinbarung vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Der darin erkannten und durch den späteren Sacherwerb „verschleierten“ Sachgründungsabrede außerhalb der Satzung wurde sodann infolge des Verstoßes gegen § 186 Abs. 2 HGB 1897 vom Reichsgericht die Wirksamkeit versagt. Dagegen nimmt die Nachgründung einen solchen Formmangel etwaiger Vorabsprachen hin, ohne hieran die Unwirksamkeit nachfolgender Erwerbsgeschäfte zu knüpfen und eine Aufnahme des Nachgründungsvertrags in die Satzung zu fordern – es genügt insoweit ein 121 Es handelte sich dabei um die §§ 202, 205, 206 HGB 1897. Diese entsprechen im Wesentlichen den heutigen §§ 46, 50, 51 AktG. 122 Zu § 208 HGB 1897 siehe oben Kapitel 1, Ziff. II. 1. lit. c), S. 52 f. Zur Vorgängernorm Art. 213f Abs. 4 ADHGB 1884 siehe oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c) ee), S. 48 f. 123 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, abgedruckt bei Schubert/ Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 2. Halbband, S. 1058. 124 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 103. Inhaltlich verfügt jene Norm in § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG über ihr modernes Pendant, so dass sich an der grundlegenden Wertung des Reichsgerichts seitdem nichts geändert hat.

Kap. 2: Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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(konstitutiv wirkender) Zustimmungsbeschluss der Generalversammlung. Mit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister behandelt die Nachgründung den formaljuristischen Gründungsvorgang somit als abgeschlossen, während die Lehre von der verdeckten Sacheinlage rechtstechnisch auch die nachfolgenden Rechtsgeschäfte zu dem verschleierten Sachgründungsvorgang „zieht“. Der Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Unwirksamkeitsfolge des § 186 Abs. 2 HGB 1897 liegt somit im Gründungsvorgang selbst und schlägt auf die nachgelagerten Rechtsgeschäfte durch. Dagegen ist die schwebende Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung bereits aufgrund des rein objektiv-zeitlichen Anwendungsbereichs im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung von außerhalb der Satzung getroffenen Sacheinlagevereinbarungen vollkommen abstrakt. Derartigen Vereinbarungen kam allenfalls im Rahmen der Gründerhaftung nach § 208 HGB 1897 Bedeutung zu. Damit verwendeten Gesetz und Rechtsprechung zur Wertung eines unter Umständen einheitlichen Erwerbsvorgangs jedoch ganz unterschiedliche Anknüpfungspunkte – die Nachgründung stellt auf den objektiven Abschlusszeitpunkt ab, die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen auf den subjektiven Abredezeitpunkt. Dieser strukturelle Unterschied gilt unverändert für die aktuellen Regelungen von verdeckter Sacheinlage in § 27 Abs. 3 AktG und Nachgründung in § 52 AktG. c) Folgewirkung und Folgefragen Seinerzeit wurde die Entscheidung des Reichsgerichts in der Literatur verschiedentlich als „Quelle der Beunruhigung“125, „Feldzug gegen die Gesellschaften“126 und im Hinblick auf mögliche Rückforderungsansprüche der Gründer sogar als „Gefahr einer neuen Prozessindustrie“127 gebrandmarkt.128 Diese unter dem Eindruck der Hyperinflation und am Vorabend der Weltwirtschaftskrise getroffene Kritik ist zwar nicht ganz unberechtigt. Indes mag diese Einschätzung aus heutiger Sicht einigermaßen verwundern. So werden die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen heute nach ganz herrschender Meinung dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung zugeordnet, um Gläubiger und (zukünftige) Aktionäre vor einer unzureichenden Kapitalausstattung der Aktiengesellschaft zu schützen.129 Mithin wurde die Entscheidung des Reichsgerichts vollkommen anders interpretiert, da es aus rechtspolitischer Sicht nicht darum ging, Gesellschaft, Aktionäre und Gläubiger vor 125

Flechtheim, JW 1929, 2105 f. Flechtheim, JW 1929, 2944. 127 Cohnitz, JW 1930, 2643. 128 Vgl. dazu Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 80 m. w. N. 129 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 1; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 4; Schall, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 1: §§ 23 – 40, 5. Auflage 2016, § 27 Rn. 2. 126

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

dem überteuerten Erwerb wertloser Sachgegenstände zu schützen, sondern umgekehrt die Gründer vor dem kompensationslosen Verlust wertvoller Immobilen aus sog. Inflationsverkäufen. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass sich die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage in den weiteren Jahren zu einem wahren Schrecken für die Gründer entwickelte und sich damit (aus Sicht der Gründer) in ihr genaues Gegenteil verkehrte.130 Darüber hinaus weist Bröcker zu Recht darauf hin, dass der reichsgerichtliche Ansatz eine ganze Reihe ungelöster Fragen hinterließ. Dies betrifft zum einen die Unklarheit auf Tatbestandsseite, da weitgehend offen war, welche Qualität und welchen Konkretisierungsgrad die Absprachen erreichen mussten, um die Festsetzungspflicht nach § 186 Abs. 2 HGB 1897 auszulösen.131 Zum anderen hatte die Entscheidung des Reichsgerichts zur unvermeidlichen Konsequenz, einem nachgründungspflichtigen Erwerbsgeschäft trotz ordnungsgemäß durchgeführtem Nachgründungsverfahren die Wirksamkeit versagen zu müssen, insbesondere wenn das Erwerbsgeschäft mit einer Vorabsprache in Verbindung gebracht werden konnte und damit der Festsetzungspflicht nach § 186 Abs. 2 HGB 1897 unterfallen wäre.132 Hachenburg kommt trotz der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu dem Schluss, dass eine befriedigende Lösung des Problems einer Umgehung der Vorschriften über die Sachgründung aufgrund der Unvollständigkeit des Gesetzes noch nicht gefunden sei.133 Er gibt daher zu bedenken, dass ein Nachgründungsbericht im selben Umfang wie der Gründerbericht und zusätzlich eine Prüfung durch die Gründungsprüfer stattfinden müsse, damit der Hauptanreiz für eine Umgehung der Sachgründung durch die Form der Bargründung mit nachfolgendem Erwerbsakt genommen werde.134 In diesem Zusammenhang regte Hachenburg eine nochmalige Durcharbeitung dieses Punktes an, obwohl ihm die Sachlage nicht derart dringend erscheint, dass sofort Abhilfe geschaffen werden müsse.135

III. Fazit Wie schon die Einführung der Nachgründung 1884 eine Reaktion auf die Auswüchse der Gründerkrise war, so ist auch die Geburt der „Lehre von der verdeckten 130 Beispielhaft dafür die Sachverhalte der jüngsten Entscheidungen des BGH – „Lurgi I“, „Rheinmöve“, „Lurgi II“, siehe unten ausführlich Kapitel 5, Ziff. I, S. 101 ff. 131 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 97. 132 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 98. 133 Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, Einleitung I. Anm. 7. 134 Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, Einleitung I. Anm. 7. 135 Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, Einleitung I. Anm. 7.

Kap. 2: Die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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Sacheinlage“ durch das Reichsgericht vor den wirtschaftlichen Entwicklungen in den 1920er Jahren der Weimarer Republik zu begreifen. Von entscheidender Bedeutung war überdies die – in Qualität und Quantität – unzureichende Nachgründungsregelung in § 207 HGB 1897. Besonders gravierend wirkten sich dabei die fehlende externe Prüfung des Nachgründungsvertrags und die fehlende registergerichtliche Kontrolle des Nachgründungsvorgangs aus. Diese Unzulänglichkeiten im Schutz-niveau der Norm führten in der Folge dazu, dass die von der Nachgründung erfassten Gestaltungen zur Umgehung der strengen Sachgründungsvorschriften nicht die Ausnahme blieben, sondern sogar zur Regel wurden und eine enorme Vermeidungspraxis (mit)verursachten. Die Interpretation der Nachgründung als zulässige Alternative zur Sachgründung in weiten Teilen der zeitgenössischen Kommentarliteratur belegt diese Tendenz der Kautelarjurisprudenz eindrucksvoll. Beide Rechtsfiguren waren folglich von Beginn an auf das Engste miteinander verknüpft. Zugleich wird hierdurch die Nähe von Nachgründung, Sachgründung und verdeckter Sacheinlage deutlich. Die vom Reichsgericht erstmals entwickelten Grundsätze verdeckter Sacheinlagen verfolgten insgesamt zwei Zielrichtungen. Einerseits sollte eine Umgehung des Erfordernisses der Festsetzung von Sacheinlagen und Sachübernahmen gemäß § 186 Abs. 2 HGB 1897 verhindert werden. Hierdurch wurde gleichsam die Einhaltung der insoweit wesentlich strengeren Sachgründungsvorschriften sichergestellt, namentlich die obligatorische Sachgründungsprüfung durch externe Revisoren gemäß § 192 HGB 1897. Mit anderen Worten wurden einer mangelhaften Nachgründungsregelung die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen als Korrekturmittel entgegengesetzt. Andererseits weist die Entscheidung zugleich eine rechtspolitische Komponente auf, da sich die sog. Inflationsverkäufe infolge der massiven Geldabwertung für die vormaligen Grundstückseigentümer als wirtschaftlich verheerende Geschäfte herausgestellt hatten. Sie profitierten letztendlich von der Unwirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte. Insgesamt lässt sich die Lehre der verdeckten Sacheinlage daher als Folge einer unzureichenden Nachgründungsregelung und Kind der Inflationszeit bezeichnen. Indes warf der vom Reichsgericht gewählte rechtsmethodische Ansatz zahlreiche Folgeprobleme auf. Während der Nachgründungstatbestand ausschließlich auf den objektiven Abschlusszeitpunkt des Erwerbsvertrages abstellte und dessen Wirksamkeit insbesondere von der Fassung eines konstitutiv wirkenden Zustimmungsbeschlusses der Generalversammlung abhängig machte, knüpften die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen hinsichtlich des Festsetzungserfordernisses nach § 186 Abs. 2 HGB 1897 an einen rein subjektiven Abredezeitpunkt an. Wie sich beide Rechtsfiguren in ein schlüssiges Gesamtkonzept einordnen lassen sollten und wie fortan mit der Nachgründung zu verfahren war, blieb indes vollkommen offen.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Kapitel 3

Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001 – Nachjustierung, langer Dornröschenschlaf und unverhoffte Renaissance der Nachgründung Während sich auf Grundlage der Reichsgerichtsentscheidung in der Folge die Lehre von der verdeckten Sacheinlage dogmatisch verfestigte, reagierte der Gesetzgeber im Bereich der Nachgründungsvorschriften und tat damit den nächsten wesentlichen Entwicklungsschritt im Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung. Die erste Etappe innerhalb dieses Entwicklungsabschnitts markiert die Aktienrechtsreform von 1937, in der sich der Gesetzgeber nochmals ausführlich dem Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung widmete und im Bereich der Nachgründungsregelungen zahlreiche Nachbesserungen vornahm (I.). Anschließend fiel die Nachgründung in einen langen Dornröschenschlaf, wurde im Rahmen der großen Aktienrechtsreform 1965 lediglich geringfügig geändert und fand überdies Eingang in Art. 11 KapRL (II.). Erst in den 1990er Jahren erlebten die Nachgründungsvorschriften eine unverhoffte Renaissance, welche mit dem NaStraG 2001 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte (III.).

I. Die Aktienrechtsreform von 1937 Die Untersuchung der Aktienrechtsreform von 1937136 soll abermals nicht auf die Neuerungen im Bereich der Nachgründungsregelung verengt werden, sondern auch die Fortentwicklung des Aktienrechts in seiner Gesamtheit im Blick behalten.

1. Wandel des aktienrechtlichen Kompetenzgefüges Vor diesem Hintergrund ist zunächst der umfassende Wandel des aktienrechtlichen Kompetenzgefüges hervorzuheben, der mit der Aktienrechtsreform im Jahre 1937 vollzogen wurde. Die Neugestaltung der drei Gesellschaftsorgane Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung war bereits Kernpunkt des Aktiengesetzentwurfs und zugleich Hauptanliegen des Aktienrechtsausschusses unter dessen Vorsitzenden Hachenburg gewesen.137 136

Gesetz über die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. Januar 1937, RGBl. 1937, I Nr. 15, S. 107 – 165. 137 Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, S. 72; zu den Aktiengesetzentwürfen von 1930/31 siehe ausführlich Spindler, in:

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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a) Vorstand und „Führerprinzip“ Unter Geltung von Art. 207 ff. ADHGB 1884 sowie von §§ 178 ff. HGB 1897 war die Generalversammlung als Vorgängerin der heutigen Hauptversammlung das oberste Organ der Aktiengesellschaft, das ein Alleinentscheidungsrecht in allen Fragen der Leitung der Aktiengesellschaft hatte.138 Der Vorstand führte zwar die laufenden Geschäfte und war insbesondere für die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft zuständig, gemäß Art. 227 Abs. 1 ADHGB 1884 bzw. § 231 Abs. 1 HGB 1897. Er war dabei jedoch von den Weisungen der Generalversammlung abhängig, da die Aktionäre gemäß Art. 221 Abs. 1 ADHGB 1884 bzw. § 250 HGB 1897 ihre Rechte in Bezug auf die „Führung der Geschäfte“ durch Beschlussfassung in der Generalversammlung ausüben konnten. Ferner konnte die Generalversammlung zu jedem Zeitpunkt Angelegenheiten der Geschäftsführung an sich ziehen und die personelle Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat ändern.139 Insgesamt war der Vorstand vor 1937 somit lediglich ein Ausführungsorgan und besaß (noch) keine alleinige Leitungskompetenz. Dies änderte sich grundlegend im Zuge der Aktienrechtsreform 1937. Dabei wurde nicht nur die Bezeichnung als Generalversammlung aufgegeben, die nunmehr Hauptversammlung genannte Generalversammlung büßte überdies ihren früheren Status als oberstes Gesellschaftsorgan ein.140 Insbesondere die Kompetenzabgrenzung zwischen den drei Organen wurde weitgehend zwingend festgelegt und die Stellung des Vorstandes im Sinne des „Führerprinzips“ erheblich aufgewertet.141 Gemäß § 70 Abs. 1 AktG 1937 hatte der Vorstand „unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“.142 Im Gegensatz dazu konnte die Hauptversammlung dem Vorstand gemäß § 103 Abs. 2 AktG 1937 fortan nur noch mit bindender Wirkung Weisungen in Geschäftsführungsaufgaben erteilen, wenn ein entsprechendes Verlangen des Vorstands vorlag.143

Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, 13. Kapitel Rn. 83 ff., S. 482 ff. 138 Kort, in: Großkommentar, AktG, Vierter Band/Teilband 1: §§ 76 – 91, 5. Auflage 2015, Vor § 76 Rn. 5; Hüffer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, 1. Auflage 2007, Band II: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 7. Kapitel Rn. 10, S. 340. 139 Kort, in: Großkommentar, AktG, Vierter Band/Teilband 1: §§ 76 – 91, 5. Auflage 2015, Vor § 76 Rn. 5. 140 Hüffer, in: Aktienrecht im Wandel, Band II: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, 7. Kapitel Rn. 11, S. 340. 141 Kort, in: Großkommentar, AktG, Vierter Band/Teilband 1: §§ 76 – 91, 5. Auflage 2015, Vor § 76 Rn. 6. 142 Abgesehen vom zweiten Halbsatz handelt es sich bei § 70 Abs. 1 AktG 1937 um die Vorläufernorm des heutigen § 76 Abs. 1 AktG. 143 Hieran hat sich auch zwischenzeitlich nichts geändert, wie aus § 119 Abs. 2 AktG hervorgeht.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

b) Aufsichtsrat und sein geändertes Verhältnis zum Vorstand Ein weiterer Aspekt der Aktienrechtsreform von 1937 liegt in der Änderung der Funktion des Aufsichtsrats und infolgedessen auch in seinem geänderten Verhältnis zum Vorstand. Schon zur Zeit der Einführung der ersten Nachgründungsregelung bestimmte Art. 209f ADHGB 1884, dass jede Aktiengesellschaft neben einem Vorstand auch einen Aufsichtsrat haben musste. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das zweigliedrige Verwaltungssystem des ADHGB 1884 und des HGB 1897 zwar der Bezeichnung nach, nicht aber inhaltlich der heutigen Kompetenzverteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand entsprach.144 Stattdessen konnten dem Aufsichtsrat nach Art. 225 ADHGB 1884 bzw. § 246 Abs. 3 HGB 1897 durch Satzung einzelne Aufgaben der Geschäftsführung übertragen werden. In der damaligen Praxis sah die Satzung der Gesellschaft daher häufig vor, dass der Vorstand den Weisungen des Aufsichtsrats zu folgen hatte, wodurch der Vorstand zum bloßen Erfüllungsgehilfen des Aufsichtsrats reduziert wurde.145 Die schwache Stellung des Vorstands gegenüber der Generalversammlung setzte sich mithin an dieser Stelle fort, indem die Generalversammlung ihr Weisungsrecht auf den Aufsichtsrat übertragen konnte und dies auch regelmäßig geschah. Parallel zur Übertragung der alleinigen Leitungsfunktion auf den Vorstand ordnete sodann § 95 Abs. 5 Satz 1 AktG 1937 ausdrücklich an, dass dem Aufsichtsrat keine Maßnahmen der Geschäftsführung mehr übertragen werden durften. Allerdings konnten die Satzung oder der Aufsichtsrat selbst bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden sollten, § 95 Abs. 5 Satz 2 AktG 1937.146 Zusätzlich zur strikten Aufgabentrennung sah nunmehr § 75 Abs. 1 AktG 1937 ausdrücklich vor, dass für die Bestellung des Vorstandes der Aufsichtsrat zuständig ist. Damit bestand im Wesentlichen erst ab 1937 die nach heutigen Maßstäben selbstverständliche Aufgabentrennung zwischen Vorstand als Leitungsorgan einerseits und Aufsichtsrat als Kontrollorgan andererseits.

2. Reformen des Gesetzgebers im Bereich der Nachgründung Nachdem nun der Wandel im aktienrechtlichen Kompetenzgefüge zumindest überblicksartig dargestellt wurde, kann ausführlicher auf die spezifischen Reformbemühungen des Gesetzgebers im Bereich der Nachgründung eingegangen werden.

144

Rn. 5. 145

Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, Vierter Band: §§ 95 – 117, 4. Auflage 2006, § 95

Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, Vierter Band: §§ 95 – 117, 4. Auflage 2006, § 95 Rn. 7 m. w. N. 146 Das moderne Pendant von § 95 Abs. 5 AktG 1937 bildet nun inhaltlich § 111 Abs. 4 AktG.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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a) Nachgründungsregelung des § 45 AktG 1937 Zunächst wurde die Nachgründungsregelung des bisherigen § 207 HGB 1897 in folgenden neuen § 45 AktG 1937 übergeleitet: § 45 AktG 1937: [1] Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung und der Eintragung in das Handelsregister, wenn sie in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden; ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung im Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. [2] Vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). Für den Nachgründungsbericht gilt sinngemäß § 24 Abs. 2 und 3 über den Gründungsbericht. [3] Außerdem hat vor der Beschlussfassung eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattzufinden. § 25 Abs. 3 bis 5, §§ 26, 27 über die Gründungsprüfung gelten sinngemäß. [4] Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt; wird der Vertrag im ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. Die Satzung kann diese Mehrheit durch eine größere Kapitalmehrheit ersetzen und noch andere Erfordernisse aufstellen. [5] Nach Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift mit dem Nachgründungsbericht und dem Bericht der Gründungsprüfer nebst den urkundlichen Grundlagen zur Eintragung in das Handelsregister einzureichen. [6] Bestehen gegen die Eintragung Bedenken, weil die Gründungsprüfer erklären oder weil es ersichtlich ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die für die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist, so kann das Gericht die Eintragung ablehnen. Es soll der Gesellschaft vorher Gelegenheit gegeben werden, den Beanstandungen abzuhelfen. [7] Bei der Eintragung genügt die Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. In die Bekanntmachung der Eintragung sind aufzunehmen der Tag des Vertragsabschlusses und der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der zu erwerbende Vermögensgegenstand, die Person, von der die Gesellschaft ihn erwirbt, und die zu gewährende Vergütung. [8] Vorstehende Bestimmungen gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet oder wenn sie in der Zwangsvollstreckung erworben werden. [9] Die Wirksamkeit eines Vertrags nach Abs. 1 wird, gleichviel ob er vor oder nach Ablauf von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Vereinbarung der Gründer über denselben Gegenstand nach § 20 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Abgesehen von Anpassungen sprachlicher Natur und Klarstellungen weist § 45 AktG im Vergleich zur bisherigen Nachgründungsregelung im Wesentlichen drei entscheidende Neuerungen auf, denen Relevanz zukommt.147 Dabei handelt es sich namentlich um das zusätzliche Erfordernis der Eintragung des Nachgründungsvertrags in das Handelsregister in § 45 Abs. 1 AktG 1937, die obligatorische Prüfung durch einen externen Gründungsprüfer in § 45 Abs. 3 AktG 1937 sowie die Wirksamkeitsanordnung in § 45 Abs. 9 AktG. b) Nachbesserungen: Handelsregistereintragung und obligatorische Nachgründungsprüfung Noch § 207 Abs. 4 HGB 1897 sah lediglich vor, dass der Vorstand den Vertrag zum Handelsregister einzureichen hatte. Im Übrigen wurden hieran jedoch keine weiteren Rechtsfolgen geknüpft. Vielmehr war nach § 207 Abs. 1 HGB 1897 allein die Zustimmung der Generalversammlung Voraussetzung für die Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages. Im Gegensatz dazu wurde die Eintragung des Nachgründungsvertrages in das Handelsregister durch § 45 Abs. 1 AktG 1937 nun erstmalig zur Wirksamkeitsvoraussetzung erhoben. Ferner eröffnete § 45 Abs. 6 AktG 1937 dem Registergericht in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Möglichkeit, wegen bestimmter schwerwiegender Bedenken die Eintragung abzulehnen. Auch die obligatorische Prüfung durch einen externen Gründungsprüfer gemäß § 45 Abs. 3 AktG 1937 war dem Aktienrecht bis dahin fremd. Durch die Aufnahme dieses zusätzlichen Prüfungserfordernisses hat der Gesetzgeber die Nachgründungsvorschriften jedoch konsequent an das bereits geltende Sachgründungsverfahren angeglichen, insbesondere an die obligatorische Sachgründungsprüfung durch „besondere Revisoren“ gemäß § 186 Abs. 2 HGB 1897 bzw. „Gründungsprüfer“ gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 4 AktG 1937. In der Amtlichen Begründung zu § 45 AktG 1937148 heißt es zu diesen beiden Neuerungen lediglich, dass außer dem Beschluss über die Nachgründung nun auch der Gründungsbericht beim Handelsregister eingereicht und der Vertrag in das Register eingetragen werden muss, damit die Öffentlichkeit einen Einblick in die Umgestaltung der Vermögenslage erhalte. Schließlich müsse, um die Kapitalgrundlage zu sichern, eine Prüfung gleich der Gründungsprüfung erfolgen. Aufschlussreicher sind diesbezüglich die Erläuternden Bemerkungen zum Aktiengesetzentwurf von 1930.149 In diesem Entwurf des Reichsjustizministeriums fand die 147 Vgl. auch die gelungene synoptische Darstellung bei Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 40 ff. zu weiteren Einzelheiten. 148 Abgedruckt bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“, Berlin 1937, Anhang S. 19. 149 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1930), Erläuternde Bemerkungen, I. Die Aktiengesellschaft, 1. Die Gründung der

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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Nachgründung zwar noch in § 36 AktG-E ihren Platz, enthielt aber bereits die eingangs dargestellten Neuerungen.150 Dabei ging der Entwurfsgesetzgeber zunächst davon aus, dass sich die Gründungsvorschriften des geltenden Rechts bewährt hätten und sich der Entwurf daher auf Anpassungen an die neuzeitlichen Bedürfnisse und das Abstellen einzelner Mängel beschränken könne.151 In diesem Sinne wird sodann ausgeführt, dass die Reformvorschläge zum Problem der sog. verschleierten Sachgründung bezwecken, Gesetzesumgehungen für die Zukunft nach Möglichkeit zu verhindern. Vor diesem Hintergrund bestehe der hauptsächliche Anreiz für die Verschleierung des Gründungstatbestands darin, dass nach geltendem Recht für die Nachgründung die Einreichung des Gründungsberichts und die Prüfung durch besondere Prüfer nicht vorgeschrieben sind, wodurch trotz vorbeabsichtigter Sachgründung die Prüfung des Gründungsvorgangs über den Weg der prüfungsfreien Bargründung mit anschließender prüfungsfreien Nachgründung vermieden werden könne.152 Daher schlage der Entwurf vor, die gegenwärtig bestehende Lücke durch die Einreichung des Gründungsberichts beim Handelsregister, das Prüfungserfordernis sowie die Wirksamkeit der Nachgründungsverträge außer wie bisher von der Zustimmung der Generalversammlung zusätzlich von der Eintragung in das Handelsregister abhängig zu machen. Festzuhalten bleibt folglich, dass der Gesetzgeber die wesentlichen, nach der Handelsrechtsreform von 1897 bestehenden Unzulänglichkeiten der Nachgründung als solche erkannt hatte und den Versuch unternahm, diese Mängel zu beheben. Schon Hachenburg hatte unter dem Eindruck der Reichsgerichtsentscheidung vom 23. April 1928153 gefordert, dass ein Nachgründungsbericht im selben Umfang wie der Gründerbericht und zusätzlich eine Prüfung durch die Gründungsprüfer stattfinden müsse, damit der Hauptanreiz für eine Umgehung der Sachgründung durch die Form der Bargründung mit nachfolgendem Erwerbsakt genommen werde.154 Dem nahm sich der Gesetzgeber an und beseitigte mit der Neufassung von § 45 AktG

Aktiengesellschaft; abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), Band 2, 1. Auflage 1999, S. 939 ff. 150 Vgl. zur Entwurfsfassung auch Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 38 f. 151 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1930), Erläuternde Bemerkungen, I. Die Aktiengesellschaft, 1. Die Gründung der Aktiengesellschaft; abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), Band 2, 1. Auflage 1999, S. 939. 152 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1930), Erläuternde Bemerkungen, I. Die Aktiengesellschaft, 1. Die Gründung der Aktiengesellschaft; abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), Band 2, 1. Auflage 1999, S. 940. 153 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99 ff. Ausführlich dazu oben Kap 2. Ziff. II. 1. und 2., S. 62 f. 154 Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, Einleitung I. Anm. 7. Siehe oben Kap. 2 Ziff. II. 3. lit. c), S. 67 f.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

die als solche erkannten Mängel des bisherigen Rechts.155 Überdies begegnete er mit der Einführung von Handelsregistereintragung und obligatorischer Nachgründungsprüfung jenem zentralen Aspekt, den das Reichsgericht unter Verweis auf die Gefahr einer Umgehung der Sachgründungsvorschriften angeführt hatte, um die Umgehungsgeschäfte wegen Verstoßes gegen das Erfordernis der Festsetzung des Sacherwerbs im Gesellschaftsvertrag gemäß § 186 Abs. 2 HGB 1897 für unwirksam zu erklären und auch eine „Heilung“ im Zuge der Nachgründung abzulehnen.156 Namentlich handelte es sich dabei um die Sachgründungsprüfung durch externe Revisoren sowie die registergerichtliche Kontrolle im Zuge der Handelsregistereintragung. Beide Elemente des Sachgründungsverfahrens wies nun das Nachgründungsverfahren gleichermaßen auf. c) Aufnahme von § 45 Abs. 9 AktG 1937 als direkte Reaktion auf RGZ 121, 99 ff. Eng mit der Reichsgerichtsentscheidung vom 23. April 1928 verknüpft, ist auch die dritte markante Neuregelung – die Ergänzung der Nachgründungsregelung um einen weiteren Absatz in Gestalt von § 45 Abs. 9 AktG 1937. Danach soll die Wirksamkeit eines Nachgründungsvertrages, gleichviel ob er vor oder nach Ablauf von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass eine Vereinbarung der Gründer über denselben Gegenstand nach § 20 Abs. 2 AktG der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. Der komplexe Regelungsinhalt dieser Wirksamkeitsanordnung erschließt sich derweil nicht auf den ersten Blick. Inhaltlich nimmt § 45 Abs. 9 AktG 1937 seinem Wortlaut nach direkten Bezug auf § 20 Abs. 2 AktG 1937. Nach dieser Norm waren Vereinbarungen über Sacheinlagen oder Sachübernahmen sowie deren Ausführungsgeschäfte ohne Festsetzung in der Satzung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Wie erinnerlich handelt es sich dabei um die Nachfolgeregelung von § 186 Abs. 4 HGB 1897, also jener Norm, auf die das Reichsgericht maßgeblich in RGZ 121, 99 ff. abstellte. Es liegt folglich auf der Hand, dass der Gesetzgeber hier auf die in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze verdeckter Sacheinlagen anspielt. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die neu eingeführte Regelung in § 20 Abs. 3 AktG 1937, die klarstellte, dass nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister die Unwirksamkeit gemäß § 20 Abs. 2 AktG 1937 nicht durch Satzungsänderung geheilt werden kann.157 Ganz im Gegensatz dazu hatte das 155 So auch die Einschätzung von Schlegelberger, in: Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, 2. Auflage 1937, § 45 Rn. 11. 156 Bei § 186 Abs. 2 HGB 1897 handelt es sich um den Vorläufer von § 20 Abs. 2 AktG 1937 bzw. § 27 Abs. 3 AktG a. F. Zur Analyse der Entscheidung des Reichsgerichts siehe oben Kap. 2 Ziff. II. 3., S. 64 ff. 157 Bei § 20 Abs. 3 AktG 1937 handelt es sich damit um die Vorläuferregelung von § 27 Abs. 4 AktG a. F., welcher jüngst im Zuge des ARUG abgeschafft wurde.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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Reichsgericht in besagter Entscheidung die Anwendbarkeit der Nachgründung noch ausdrücklich damit verneint, dass die mangelnde Festsetzung des Erwerbsgeschäfts in der Satzung „nachträglich nur durch eine Satzungsänderung erfolgen“ könne.158 Schon im Aktiengesetzentwurf von 1930 äußerte sich der Gesetzgeber dahingehend, dass eine Bargründung diese Eigenschaft nicht dadurch verliere, dass in Wahrheit von vornherein eine Sachgründung beabsichtigt gewesen ist.159 Dem stehe auch nicht entgegen, dass nach der Eintragung der Gesellschaft von den dann zuständigen Organen unter Einhaltung der Nachgründungsvorschriften neue schuldrechtliche Verträge abgeschlossen werden.160 Diese Verträge seien vielmehr gültig, auch wenn sie den Erwerb von Vermögensgegenständen zum Gegenstand haben, deren Einbringung in die Gesellschaft bereits von den Gründern beabsichtigt war. Die Verantwortlichkeit des Vorstandes und des Aufsichtsrats beim Abschluss der Verträge biete ebenso wie die neu eingeführte Prüfung hinreichende Gewähr dafür, dass den Gläubigern der Gesellschaft hierbei kein Schaden erwachsen könne. Noch ausdrücklicher fällt die Amtliche Begründung zum AktG 1937 aus. Darin wird die Reform der Nachgründungsvorschriften damit begründet, dass vor allem das Verhältnis zu den Bestimmungen über die Nachgründung geklärt und erreicht werden musste, dass nicht im Wege der bisher prüfungsfreien Nachgründung die vorbeabsichtigte Sachgründung durchgeführt und damit die besondere Gründungsprüfung vermieden wird.161 Vor dem Hintergrund des Eintragungserfordernisses nach § 45 Abs. 1, 2 und 5 AktG 1937 sowie der Nachgründungsprüfung gleich der Gründungsprüfung nach § 45 Abs. 3 AktG sah der Gesetzgeber sodann keinen Anlass mehr, der Nachgründung deshalb die Wirksamkeit zu versagen, weil ursprünglich die gleichen Gegenstände durch Sacheinlage geleistet oder im Wege der Sachübernahme von der Gesellschaft übernommen werden sollten.162 In diesem Punkt ist die Amtliche Begründung mit derjenigen des Entwurfsgesetzgebers von 1930 kongruent. Schließlich nahm der Gesetzgeber an, dass die sich aus der unwirksamen Vereinbarung einer Sacheinlage oder Sachübernahme ergebenden 158 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 102. 159 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1930), Erläuternde Bemerkungen, I. Die Aktiengesellschaft, 1. Die Gründung der Aktiengesellschaft, abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), Band 2, 1. Auflage 1999, S. 940. 160 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1930), Erläuternde Bemerkungen, I. Die Aktiengesellschaft, 1. Die Gründung der Aktiengesellschaft, abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), Band 2, 1. Auflage 1999, S. 941. 161 Abgedruckt bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“, Berlin 1937, Anhang S. 18 f. 162 Abgedruckt bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“, Berlin 1937, Anhang S. 19.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Schwierigkeiten durch die reformierten Nachgründungsvorschriften so gelöst seien, dass keiner der Beteiligten einen Schaden erleidet, der nicht durch die Sachlage unbedingt geboten ist.163 Bemerkenswert ist ferner, dass sich die Ausführungen des Reformgesetzgebers zu § 45 AktG 1937 unmittelbar an die Erläuterungen zu § 20 AktG 1937 anschließen. Dieser bloß formale Umstand ist unter rein gesetzessystematischen Gesichtspunkten einigermaßen ungewöhnlich und kann wohl als weiterer Beleg für den engen entstehungs- und entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang von Sachgründung und Nachgründung gelten. Vorerst bleibt damit festzuhalten, dass nicht nur die Einführung von § 45 Abs. 9 AktG 1937 eine direkte Reaktion auf RGZ 121, 99 ff. darstellt, sondern damit unmittelbar in Zusammenhang stehend auch § 20 Abs. 3 AktG 1937 zu begreifen ist. In der zeitgenössischen Literatur wurde § 45 Abs. 9 AktG 1937 als Versuch des Gesetzgebers verstanden, das Verhältnis von Nachgründung und Sachgründung zu klären, indem der bisherige Streit, ob die Nachgründung dazu dienen könne, eine Sachgründung zu heilen, die entgegen der gesetzlichen Vorschriften in Gestalt von § 20 Abs. 2 AktG bzw. § 186 Abs. 4 HGB 1897 nicht in der Satzung verlautbart worden war, beendet wurde.164 Nach dieser gesetzgeberischen Entscheidung konnte nunmehr über eine in der Satzung nicht festgelegte Sacheinlage oder Sachübernahme ein Nachgründungsvertrag wirksam geschlossen werden – unter den Voraussetzungen des § 45 AktG 1937. d) Verschärfung der Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 46 AktG Endlich war der Reformgesetzgeber auch im Bereich der Nachgründungshaftung aktiv und führte folgende Neufassung des bisherigen § 208 HGB 1897 ein: § 46 AktG 1937: Für die Nachgründung gelten die §§ 39, 40, 42 bis 44 über die Ersatzansprüche der Gesellschaft. An die Stelle der Gründer treten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats; sie haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.

Im Vergleich zu dem bisher geltenden § 208 HGB 1897 fällt auf, dass zum einen nicht mehr von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber den Gründern die Rede ist, sondern stattdessen eine Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder statuiert wird. Zum anderen hebt § 46 AktG 1937 nicht mehr auf eine vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister von den Gründern getroffene Vereinbarung 163 Abgedruckt bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“, Berlin 1937, Anhang S. 20. 164 Schlegelberger, in: Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, 2. Auflage 1937, § 45 Rn. 12; Gadow, in: Großkommentar, AktG 1937, 1. Auflage 1939, § 45 Anm. 13.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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ab. Mithin weist die Nachgründung überhaupt keinen Bezug mehr zu etwaigen Vorabsprachen der Gründer auf. In der Amtlichen Begründung finden sich keinerlei Anhaltspunkte zu den Motiven des Gesetzgebers. Aufschlussreicher sind diesbezüglich die Erläuternden Bemerkungen zu § 37 AktG-E (1930), welcher im Wesentlichen der Regelung des § 46 AktG 1937 entsprach. Im Ausgangspunkt ging der Entwurfsgesetzgeber davon aus, dass nach Eintragung der Gesellschaft von den dann zuständigen Organen bei Beachtung der Nachgründungserfordernisse neue schuldrechtliche Verträge abgeschlossen werden können. Durch die vorgenommene Neufassung von § 208 HGB 1897 wollte der Entwurf sodann festgestellt wissen, dass in jedem Fall der Nachgründung die verschärfte Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats Platz greift.165 Insgesamt orientierte sich der historische Gesetzgeber somit offenbar nur noch am Handeln der Gesellschaftsorgane beim Abschluss des Nachgründungsvertrages und rückte damit im Rahmen der Nachgründungshaftung von einer etwaigen Umgehungsabsicht der Gründer aufgrund der zeitlichen Nähe zur Sachgründung ab. Dies mag zunächst verwundern, ist jedoch im Hinblick auf die Erweiterung der Nachgründung um das Erfordernis der Eintragung in das Handelsregister und die Nachgründungsprüfung leicht damit zu erklären, dass der Gesetzgeber die Gefahr einer Umgehung der Sachgründungsvorschriften im Bereich der Nachgründung nun nicht mehr befürchten musste und daher auch kein Anlass bestand, eine entsprechende Gründerverantwortlichkeit in das neue Recht zu übernehmen. Damit konzentrierte sich der Haftungsaspekt des Nachgründungsvorgangs fortan nicht mehr auf etwaige Vorabsprachen der Gründer, sondern ausschließlich auf den beim Geschäftsabschluss handelnden Vorstand und den insoweit prüfungspflichtigen Aufsichtsrat. § 46 AktG 1937 ersetzt daher zwar formal den bisherigen § 208 HGB 1897, weist jedoch einen wesentlich anderen Inhalt auf und war somit im bisherigen Recht noch nicht enthalten.166 Die Gründerverantwortlichkeit, die nach § 208 HGB 1897 bisher auf vor der Gründung vereinbarte Erwerbsgeschäfte ausgedehnt war, ist in das neue Recht nicht übernommen worden.167 An ihre Stelle trat nunmehr die verschärfte Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat.

165 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1930), Erläuternde Bemerkungen, I. Die Aktiengesellschaft, 1. Die Gründung der Aktiengesellschaft, abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), Band 2, 1. Auflage 1999, S. 941. 166 Gadow, in: Großkommentar, AktG 1937, 1. Auflage 1939, § 46 Anm. 1. 167 Schlegelberger, in: Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, 2. Auflage 1937, § 46 Rn. 1.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

3. Bewertung a) Nachgründung und aktienrechtliches Kompetenzgefüge Konnte die Generalversammlung bei Schaffung der ersten Nachgründungsregelung anno 1884 noch als oberstes Gesellschaftsorgan bezeichnet werden, hat sich im Zuge der Aktienrechtsreform von 1937 neben der Bezeichnung auch deren Stellung im aktienrechtlichen Kompetenzgefüge maßgeblich verändert. Mit der Einführung des „Führerprinzips“ oblag dem Vorstand gemäß § 70 Abs. 1 AktG 1937 die alleinverantwortliche Leitung der Aktiengesellschaft, so dass die Hauptversammlung dem Vorstand keine Weisungen mehr erteilen konnte. Ebenso wenig konnten dem Aufsichtsrat von der Gesellschafterversammlung noch Maßnahmen der Geschäftsleitung übertragen werden, § 95 Abs. 5 Satz 1 AktG 1937. Abgesehen von dem (teilweise auch ideologisch geprägten) Gedanken des „Führerprinzips“ hat sich bis heute an der 1937 getroffenen Kompetenzabgrenzung im Wesentlichen nichts verändert.168 Nach wie vor ist es der Hauptversammlung verwehrt, über Alltagsfragen der Geschäftsführung zu entscheiden oder dem Vorstand diesbezüglich gar Weisungen zu erteilen. Stattdessen bestimmt § 76 Abs. 1 AktG, dass der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Nur in den im Gesetz oder in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen beschließt die Hauptversammlung, § 119 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AktG. Im Übrigen kann die Hauptversammlung nur über Fragen der Geschäftsführung entscheiden, wenn es der Vorstand ausdrücklich verlangt, § 119 Abs. 2 AktG. Somit stellte das separate Zustimmungserfordernis der Nachgründungsregelung vor dem Hintergrund des anno 1884 geltenden aktienrechtlichen Kompetenzgefüges keine Besonderheit dar, sondern war angesichts der Weisungsbefugnis der Generalversammlung gegenüber dem Vorstand bloß konsequent und folgerichtig. Diesen tiefgreifenden Kompetenzwandel hat die Nachgründung derweil nicht vollzogen. Wie einst Art. 213f Abs. 1 ADHGB 1884 ordnet § 52 Abs. 1 AktG unverändert an, dass die Nachgründungsverträge und deren Ausführungsgeschäfte zu ihrer Wirksamkeit (unter anderem) der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. Aus heutiger Sicht erscheint das separate Zustimmungserfordernis daher geradezu zwangsläufig als „Fremdkörper“169 im modernen gesellschaftsrechtlichen Kompetenzgefüge einer Aktiengesellschaft. Bisweilen wird dieser Umstand sogar als Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes einer jungen Aktiengesellschaft interpretiert.170 Tatsächlich sind diese Irritationen jedoch weniger einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers geschuldet, als vielmehr eine Folge der wechsel-

168

Vgl. Kort, in: Großkommentar, AktG, Vierter Band/Teilband 1: §§ 76 – 91, 5. Auflage 2015, Vor § 76 Rn. 7 ff. 169 So die Formulierung von Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1037. Vgl. ferner ders., Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, S. 72. 170 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 1.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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haften Geschichte des Aktiengesetzes im Allgemeinen sowie der Nachgründung im Besonderen.171 b) Nachgründung und Sachgründung Auch die Nachgründungsvorschriften selbst wurden im Zuge der Aktienrechtsreform von 1937 an zahlreichen Stellen (sinnvoll) ergänzt und erweitert. Dabei hat sich der historische Gesetzgeber inhaltlich mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts in RGZ 121, 99 ff. auseinandergesetzt und war insbesondere darum bemüht, das Verhältnis von Sachgründung und Nachgründung zu klären. Zu diesem Zweck griff er in einem ersten Schritt die von Reichsgericht und Schrifttum zutreffend erkannten Unzulänglichkeiten der bestehenden Nachgründungsregelung auf und führte erstmals das Erfordernis der Handelsregistereintragung sowie die obligatorische Nachgründungsprüfung in § 45 Abs. 1 und 3 AktG 1937 ein. Hierdurch wurden nicht nur die vom Reichsgericht geäußerten zentralen Kritikpunkte an der ursprünglichen Nachgründungsregelung behoben. Vielmehr konnte der Gesetzgeber nun in einem zweiten Schritt dazu übergehen, im Rahmen der Sachgründung mit § 20 Abs. 3 AktG 1937 eine von der Auffassung des Reichsgerichts abweichende Regelung zu treffen. Wie erinnerlich hatte das Reichsgericht noch judiziert, dass eine mangelnde Festsetzung des Erwerbsgeschäfts in der Satzung nachträglich nur durch eine Satzungsänderung erfolgen könne.172 Demgegenüber ordnete § 20 Abs. 3 AktG 1937 aus Gründen des Gläubigerschutzes nun ausdrücklich an, dass nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister die Unwirksamkeit gemäß § 20 Abs. 2 AktG 1937 nicht durch Satzungsänderung „geheilt“ werden kann. Es zeichnet sich folglich eine ambivalente Reaktion des Gesetzgebers auf RGZ 121, 99 ff. ab.173 Einerseits half der Gesetzgeber im Bereich der Nachgründung der vom Reichsgericht erkannten Umgehungsgefahr ab und kam damit dessen Bedenken nach, während er sich andererseits im Bereich der Sachgründung offenkundig in Opposition zum Reichsgericht begab. Dabei ist wiederum die Neuregelung im Bereich der Sachgründung (§ 20 Abs. 3 AktG 1937) ohne die Anpassungen im Bereich der Nachgründung (§ 45 Abs. 1 und 3 AktG 1937) nicht denkbar – und umgekehrt. Sodann ergibt sich aus der Zusammenschau von § 20 Abs. 3 AktG 1937 (entspricht § 27 Abs. 4 AktG a. F.) und § 45 Abs. 9 AktG 1937 (entspricht § 52 Abs. 10 AktG a. F.), dass das Verhältnis von Sachgründung und Nachgründung als RegelAusnahme-Verhältnis konzipiert war. Die Regel lautete demnach, dass ein Verstoß gegen das Erfordernis der Festsetzung von Vereinbarungen über Sacheinlagen und 171 Zur dogmatischen Einordnung des Zustimmungserfordernisses nach § 52 Abs. 1 AktG siehe ausführlich unten Kapitel 7, Ziff. II. 1. lit. b), S. 155 ff. 172 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 102. 173 Vgl. rückblickend dazu auch Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2008, § 52 Rn. 68.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Sachübernahmen die Unwirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften gegenüber der Gesellschaft zur Folge hatte (§ 20 Abs. 2 AktG 1937) und diese Unwirksamkeit nach der Eintragung der Gesellschaft auch nicht nachträglich durch Satzungsänderung geheilt werden konnte (§ 20 Abs. 3 AktG 1937). Insoweit bildete die Nachgründung die Ausnahme, indem die Wirksamkeit eines Nachgründungsvertrages unabhängig davon, ob dieser vor oder nach Ablauf von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht durch die Unwirksamkeitsfolge des § 20 Abs. 2 AktG 1937 ausgeschlossen wird (§ 45 Abs. 9 AktG 1937). Die Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages wurde mithin abstrakt von derjenigen der Sachgründungsvereinbarung und ihrer Ausführungsgeschäfte bestimmt. Auf diese Weise konnten die betroffenen Rechtsgeschäfte ausnahmsweise außerhalb der Satzung zur Wirksamkeit gelangen. Wenn die Nachgründungsvoraussetzungen vorlagen, musste zudem ein ordnungsgemäßes Nachgründungsverfahren durchgeführt werden. Andernfalls genügte die bloße Neuvornahme der betreffenden Rechtsgeschäfte. Dabei ist „Heilung“ freilich nicht im Sinne einer Wirksamkeit ex tunc, sondern allenfalls als Wirksamkeit ex nunc zu verstehen.

II. Langer Dornröschenschlaf der Nachgründung Im Anschluss an die rege Reformtätigkeit des Aktienrechtsgesetzgebers von 1937 im Bereich der Nachgründung kam der Rechtsfigur lange Zeit keine bzw. kaum eine praktische Bedeutung zu. Dies mag daran gelegen haben, dass es in den Jahren des Wirtschaftswunders kaum Unternehmensgründungen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft gab und auch die Eigenkapitalbeschaffung durch Aktienemissionen über die Börse weitgehend den etablierten Großunternehmen vorbehalten blieb, die der zweijährigen Nachgründungsphase längst entwachsen waren.174 In diese Phase fallen die Aktienrechtsreform von 1965 sowie die Verankerung der Nachgründung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene in Art. 11 KapRL 1976.

1. Die Aktienrechtsreform von 1965 So ist es wenig verwunderlich, dass die Aktienrechtsreform von 1965 im Bereich der Nachgründung zu keinen größeren Änderungen führte. a) Überleitung der Nachgründung in § 52 AktG 1965 Zunächst wurden die bisherigen Nachgründungsvorschriften von § 45 AktG 1937 in § 52 AktG 1965 übergeleitet, womit sie ihre bis heute unveränderte Nummerierung im Aktiengesetz erhielten. 174

Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 44.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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§ 52 AktG 1965: [1] Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden, werden nur Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam. Ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung im Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. [2] Ein Vertrag nach Absatz 1 bedarf der schriftlichen Form, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist. Er ist von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. In der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen. Der Vorstand hat ihn zu Beginn der Verhandlung zu erläutern. Der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. [3] Vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). Für den Nachgründungsbericht gilt sinngemäß § 32 Abs. 2 und 3 über den Gründungsbericht. [4] Außerdem hat vor der Beschlussfassung eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattzufinden. § 33 Abs. 3 bis 5, §§ 34, 35 über die Gründungsprüfung gelten sinngemäß. [5] Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Wird der Vertrag im ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. Die Satzung kann an Stelle dieser Mehrheiten größere Kapitalmehrheiten und weitere Erfordernisse bestimmen. [6] Nach Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist der Vertrag in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift mit dem Nachgründungsbericht und dem Bericht der Gründungsprüfer mit den urkundlichen Unterlagen beizufügen. [7] Bestehen gegen die Eintragung Bedenken, weil die Gründungsprüfer erklären oder weil es ersichtlich ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die für die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist, so kann das Gericht die Eintragung ablehnen. [8] Bei der Eintragung genügt die Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. In die Bekanntmachung der Eintragung sind aufzunehmen der Tag des Vertragsabschlusses und der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der zu erwerbende Vermögensgegenstand, die Person, von der die Gesellschaft ihn erwirbt, und die zu gewährende Vergütung. [9] Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet oder wenn sie in der Zwangsvollstreckung erworben werden. [10] Ein Vertrag nach Absatz 1 ist, gleichviel ob er vor oder nach Ablauf von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht deshalb un-

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung wirksam, weil ein Vertrag der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist.

Neben geringfügigen Änderungen sprachlicher Natur und Anpassungen an die geänderten Nummerierungen von Verweisungsnormen wurde § 52 Abs. 1 AktG 1965 aus Klarstellungsgründen umformuliert. Daneben wurde das Schriftformerfordernis sowie Regelungen zur Information der Aktionäre vor der Hauptversammlung in § 52 Abs. 2 AktG 1965 neu eingefügt. Hierdurch hat die ehemalige Vorschrift des § 45 Abs. 9 AktG 1937 ihren Platz in § 52 Abs. 10 AktG a. F. eingenommen, ohne dass inhaltliche Veränderungen stattgefunden haben. Die bisherige Formulierung „Die Wirksamkeit eines Vertrags nach Abs. 1 wird, […] nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Vereinbarung der Gründer […] der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist“ wurde jedoch durch die Negativformulierung „Ein Vertrag nach Absatz 1 ist, […], nicht deshalb unwirksam, weil ein Vertrag der Gründer […] der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist“ ersetzt. Zwar handelt es sich auch insoweit um eine rein sprachliche Änderung. Allerdings war durch die ausdrückliche Wirksamkeitsanordnung nach dem alten Wortlaut der Norm der Gegensatz zur Unwirksamkeit der betreffenden Rechtsgeschäfte ohne Satzungsfestsetzung noch deutlicher erkennbar. Folglich tritt das oben beschriebene Regel-Ausnahme-Verhältnis nun weniger eindeutig hervor. b) Exkurs: Abschaffung der Sukzessiv- oder Stufengründung Bedeutsamer war die Reform von 1965 hingegen aus Perspektive der Sukzessivoder Stufengründung. Bereits im Vorfeld der Aktienrechtsreform von 1937 war der einsetzende Bedeutungsverlust dieser Gründungsvariante moniert worden.175 Schon im Entwurf eines Aktiengesetzes von 1930 sollten die Bestimmungen über die Stufengründung nicht mehr übernommen werden, da sie ihre Bedeutung endgültig verloren hätten.176 Dennoch verzichtete der Gesetzgeber im Ergebnis auf eine Abschaffung und behielt die Möglichkeit der Sukzessiv- bzw. Stufengründung zunächst in § 30 AktG 1937 bei. Hierdurch sollte angesichts des damals noch auf mindestens 500.000 RM festgelegten Grundkapitals eine Gründung ohne die Beteiligung von Banken ermöglicht werden.177 175 Vgl. Bing, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 189, Anm. 1. Nach seiner Auffassung schien die Sukzessiv- oder Stufengründung dem Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung zum Opfer zu fallen und überdies aufgrund des sehr komplizierten Verfahrens in der praktischen Verwendung unbeliebt. 176 Vgl. Erläuternde Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1930), Ziff. I. 1. Die Gründung der Aktiengesellschaft, abgedruckt bei Schubert, in: Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), Band 2, 1. Auflage 1999, S. 939. 177 Amtl. Begründung zu § 30, abgedruckt bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“, Berlin 1937, Anhang S. 27.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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Hiervon rückte der Gesetzgeber von 1965 mit der Begründung ab, dass nach der geltenden Rechtslage nun ein Mindestkapital von 100.000 DM erlaubt und auch ein sonstiger Grund, der für die Beibehaltung der Stufengründung sprechen könnte, nicht ersichtlich sei.178 Ferner müsse die Regelung der Stufengründung, um im Interesse der Gläubiger und Kapitalanleger gefährliche Gesellschaftsgründungen zu verhüten, notwendig so umständlich sein, dass sie nicht mehr den praktischen Bedürfnissen der Wirtschaft entspreche.179 Im Ergebnis nahm der Gesetzgeber damit das geringe praktische Bedürfnis nach einer Stufengründung und den mit ihr verbundenen hohen Regelungsaufwand zum Anlass, um die Vorschriften im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 ersatzlos zu streichen. Zwar gehen von der Abschaffung der Sukzessiv- oder Stufengründung keine direkten Auswirkungen auf die Nachgründung aus. Allerdings ist sie insoweit von Bedeutung, als dass die ursprüngliche Vorbildregelung des Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung im Rahmen der Nachgründung nun endgültig verloren ging. Wie erinnerlich war der (versteckte) Zusammenhang von Nachgründung und Sukzessiv- bzw. Stufengründung von nicht unerheblicher Relevanz für das Verständnis des Zustimmungserfordernisses der Nachgründung.180 Schließlich bildeten die Vorschriften zur Stufengründung den letzten Anhaltspunkt für die Ausgestaltung des Kapitalquorums des Zustimmungsbeschlusses Nachgründung in Anlehnung an die konstituierende Generalversammlung.

2. Aufnahme der Nachgründungsregelung in Art. 11 Kapitalrichtlinie 1976 Bis zur Verabschiedung der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie181 war das Rechtsinstitut der Nachgründung eine Besonderheit des deutschen Aktienrechts und in allen anderen nationalen Aktienrechten unbekannt.182 178 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Aktiengesetzes 1965, abgedruckt bei Kropff, in: Aktiengesetz, Textausgabe des Aktiengesetzes vom 6. 9. 1965 und des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz vom 6. 9. 1965 mit Begründung des Regierungsentwurfs, § 37 AktG 1965, S. 57. 179 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Aktiengesetzes 1965, abgedruckt bei Kropff, in: Aktiengesetz, Textausgabe des Aktiengesetzes vom 6. 9. 1965 und des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz vom 6. 9. 1965 mit Begründung des Regierungsentwurfs, § 37 AktG 1965, S. 57. 180 Siehe oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c) cc), S. 44 ff. 181 Zweite Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (77/91/EWG), ABl. Nr. L 26/1 v. 31. 1. 1977 (sog. Kapitalrichtlinie, kurz: KapRL); geändert durch die Richtlinie 92/101/EWG des Rates vom 23. November 1992 zur Änderung der Richtlinie 77/91 EWG über die Gründung der Aktiengesellschaft sowie die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABl. Nr. L 347/64 v.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung Art. 11 KapRL: [1] Der Erwerb jedes Vermögensgegenstands, der einer unter Artikel 3 Buchstabe i) fallenden Person oder Gesellschaft gehört [scil.: Gründer, deren Personalien als Mindestangaben in der Satzung enthalten sein müssen.], durch die Gesellschaft für einen Gegenwert von mindestens 1/10 des gezeichneten Kapitals muss Gegenstand einer Prüfung und Offenlegung entsprechend der in Artikel 10 Absätze 1, 2 und 3 vorgesehenen sein [scil.: Sachverständigenbericht bei Nicht-Bareinlagen]; er unterliegt der Zustimmung der Hauptversammlung, falls er vor Ablauf einer Frist erfolgt, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf mindestens zwei Jahre nach der Gründung der Gesellschaft oder nach dem Zeitpunkt festzusetzen ist, in dem die Gesellschaft die Genehmigung zur Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit erhält. Die Artikel 10a und 10b gelten entsprechend [scil.: Abweichungsmöglichkeit und Sacheinlagen ohne Sachverständigenbericht]. Die Mitgliedstaaten können die Anwendung dieser Vorschriften auch vorsehen, wenn der Vermögensgegenstand einem Aktionär oder einer anderen Person gehört. [2] Absatz 1 ist weder auf den Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft noch auf den Erwerb, der auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts erfolgt, noch auf den Erwerb an der Börse anzuwenden.

Allerdings unterschieden sich die Nachgründungsregelungen in § 52 AktG 1965 und Art. 11 KapRL bereits zum damaligen Zeitpunkt beträchtlich. Während beide Regelungen hinsichtlich ihres zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereichs identisch waren, erfasste Art. 11 Abs. 1 KapRL lediglich Verträge der Gesellschaft mit ihren Gründern. Die Ausweitung des personellen Anwendungsbereichs auch auf Verträge mit Aktionären oder Dritten blieb dagegen den Mitgliedstaaten überlassen. Insoweit erreichte Art. 11 KapRL nicht die Intensität von § 52 Abs. 1 AktG 1965. Darüber hinaus waren die Ausnahmen vom Nachgründungserfordernis nach Art. 11 Abs. 2 KapRL weiter gefasst als diejenigen nach § 52 Abs. 9 AktG 1965. Im Ergebnis relativiert sich damit der EU-weite Erfolg des Rechtsinstituts der Nachgründung wieder, da es sich um eine typische Kompromisslösung handelte, die für das deutsche Aktienrecht die unveränderte Beibehaltung der bestehenden Nachgründungsregelung erlaubte und den übrigen Mitgliedstaaten nur die Einführung einer drastisch eingeschränkten Nachgründungsregelung aufgab.183 Insgesamt handelte es sich bei Art. 11 KapRL mithin um eine erheblich abgeschwächte Nachgründungsregelung.

28. 11. 1992 sowie die Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91 EWG über die Gründung der Aktiengesellschaft sowie die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABl. Nr. L 264/32 v. 25. 9. 2006 und zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 77/91/EWG, 78/855/EWG und 82/891/EWG des Rates sowie der Richtlinie 2005/56/EG hinsichtlich der Berichts- und Dokumentationspflicht bei Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. Nr. L 259/14 v. 2. 10. 2009. 182 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 42 m. w. N. 183 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 45 f.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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III. Unverhoffte Renaissance der Nachgründung und das NaStraG 2001 Das „Ende des langen Dornröschenschlafs“ der Nachgründungsvorschriften des Aktienrechts wurde erst durch die zunehmende Zahl junger Aktiengesellschaften eingeläutet, in deren Folge die Rechtsfigur eine „unverhoffte Renaissance“ erlebte.184

1. Wirtschaftlicher und rechtlicher Hintergrund Die Gründe für die gestiegene Bedeutung der Nachgründung sind vielschichtig. Zunächst erfuhr die Rechtsform der Aktiengesellschaft – als solche – durch die Einführung des Neuen Marktes der Frankfurter Wertpapierbörse und die zunehmende Aufgeschlossenheit der Kapitalmärkte auch für mittelständische Unternehmen und Start-up-Unternehmen eine Renaissance und gelangte wieder zunehmend in den Blickpunkt wissenschaftlicher Diskussion.185 Darüber hinaus trugen sowohl die ansatzweise Deregulierung des Aktienrechts (Stichwort „kleine AG“) als auch das Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes186 am 1. Januar 1995 dazu bei, dass die Aktiengesellschaft wieder en vogue wurde.187 So sind beispielsweise bei der Verschmelzung durch Neugründung und beim Formwechsel grundsätzlich die für den neuen Rechtsträger bzw. die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften anzuwenden, §§ 36, 197 UmwG. Hierdurch wurde die Nachgründung nicht mehr nur originär für neu gegründete Aktiengesellschaften, sondern auch für solche Aktiengesellschaften relevant, welche erst durch die Umwandlung von (Alt-)Gesellschaften anderer Rechtsform „neu“ entstanden. Damit erweiterte sich der Anwendungsbereich von § 52 AktG schlagartig um ein Vielfaches.

2. Einschränkung des Anwendungsbereichs der Nachgründung durch das NaStraG 2001 Die verstärkte wirtschaftliche Relevanz der Nachgründungsvorschriften führte dazu, dass die strengen Nachgründungsvorschriften in der Praxis allzu oft als Hemmnis für junge Aktiengesellschaften empfunden wurden. Dieses rechtspraktische Bedürfnis sowie die zunehmende Kritik und Forderungen des Schrifttums188 184

Diese Begrifflichkeiten prägend Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479. Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437 m. w. N. zu den diversen Publikationen in diesem Zeitraum. 186 Umwandlungsgesetz vom 28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3210; 1995 I S. 428 (UmwG). 187 Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479. 188 Vgl. Holzapfel/Roschmann, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 163, 189: „wenig praxisgerecht“; Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1041: „unnötige und schädliche Behinderung der AG“; Martens, in: FS Priester, 2007, S. 427, 443: „ausgedient“. 185

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

nach einer gänzlichen Abschaffung des § 52 AktG veranlassten den Gesetzgeber schließlich, im Zuge des NaStraG189 Änderungen im Rahmen des Anwendungsbereichs der Nachgründung vorzunehmen. Hierzu wurde § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG wie folgt neu gefasst: „Verträge der Gesellschaft mit Gründern oder mit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Aktionären, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden, werden nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam.“

Diese Neuregelung entspricht einem Vorschlag von Bröcker, der bereits 1999 eine Einschränkung auf Geschäfte mit Gründern und Großaktionären vorgeschlagen hatte.190 Indem Rechtsgeschäfte der AG mit gesellschaftsfremden Dritten und Kleinaktionären fortan nicht mehr dem Nachgründungserfordernis unterlagen, wurde der personelle Anwendungsbereich der Nachgründung erheblich eingeschränkt. Der Gesetzgeber führte zur Begründung an, dass die besonderen und komplizierten Form- und Verfahrenserfordernisse für Nachgründungsgeschäfte auf solche Verträge beschränkt werden können, die die Gesellschaft mit den Gründern oder hinzugetretenen Aktionären von einigem Gewicht schließt.191 Die 10 %Schwelle sei eindeutig und für die Beteiligten leicht zu handhaben.192 Die Beurteilung von Umgehungen, die bei Geschäften mit Dritten, die mit Gründern oder maßgeblichen Aktionären verbunden sind, überantwortete der Gesetzgeber ausdrücklich der Rechtsprechung. Darüber hinaus wurden die Ausnahmen vom Nachgründungserfordernis nach § 52 Abs. 9 AktG 1965 an die Regelungen in Art. 11 Abs. 2 KapRL angepasst: „Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft, in der Zwangsvollstreckung oder an der Börse erfolgt.“

Die Änderung besteht im Wesentlichen darin, dass für den Ausnahmetatbestand des § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG der Erwerb der Vermögensgegenstände nicht mehr den „Gegenstand des Unternehmens“ bilden musste, sondern ein Erwerb „im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft“ genügte. Teilweise wurde die Neufassung als bloße Klarstellung und Anpassung des Wortlauts an Art. 11 Abs. 1 KapRL ge-

189

Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung, BGBl. I S. 123. 190 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1040. Zutreffend die Feststellung von Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 92. 191 Begr. RegE, BR-Drucks. 308/2000, S. 15, abgedruckt in ZIP 2000, 937, 939. 192 Begr. RegE, BR-Drucks. 308/2000, S. 15, abgedruckt in ZIP 2000, 937, 939.

Kap. 3: Von der Aktienrechtsreform 1937 bis NaStraG 2001

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wertet.193 Dies trifft jedenfalls für den Erwerb an der Börse nach § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG zu. In der Erstreckung des Ausnahmetatbestands auf den Erwerb im Rahmen laufender Geschäfte liegt darüber hinaus eine Erweiterung des Ausnahmetatbestands, da der Kreis der „laufenden Geschäfte“ der Gesellschaft tendenziell weiter zu fassen ist, als der – am Satzungsinhalt orientierte – Unternehmensgegenstand der Aktiengesellschaft. Indes musste schon die alte Fassung von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG spätestens seit der Normierung von Art. 11 Abs. 2 KapRL richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden.194 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass der Anwendungsbereich der Nachgründung im Zuge des NaStraG ganz erheblich eingeschränkt wurde, indem einerseits der personelle Anwendungsbereich des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG eingeschränkt und andererseits die Ausnahmetatbestände nach § 52 Abs. 9 AktG erweitert wurden.

IV. Fazit Der dritte Entwicklungsschritt im Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung fand im Bereich der Nachgründung statt. Er umspannt in zeitlicher Hinsicht die großen Aktienrechtsreformen der Jahre 1937 und 1965, an die sich ein langer Zeitraum praktischer Bedeutungslosigkeit der Nachgründungsvorschriften anschließt. Sein Ende findet dieser Entwicklungsabschnitt schließlich in der unverhofften Renaissance der Rechtsfigur in den 1990er Jahren und der Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 52 AktG im Zuge des NaStraG 2001. Zunächst glich der historische Gesetzgeber von 1937 die Nachgründungsvoraussetzungen an diejenigen der Sachgründung an, indem er eine obligatorische Nachgründungsprüfung durch externe Prüfer einführte und die Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages nicht nur an die Zustimmung der Hauptversammlung, sondern erstmals auch an dessen Eintragung im Handelsregister knüpfte. Damit beseitigte er die ursprünglichen Unzulänglichkeiten der Nachgründungsregelung. Dagegen darf bezweifelt werden, ob der Gesetzgeber dabei sein erklärtes Ziel, das Verhältnis der Sachgründung zur Nachgründung zu klären und voneinander abzugrenzen, gleichermaßen erreicht hat. Zwar gab es nun in Gestalt von § 45 Abs. 9 AktG 1937 bzw. § 52 Abs. 10 AktG a. F. einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Allerdings wurden durch die Regelung weitere Zweifelsfragen ausgelöst, die bis heute fortwirken. Beispielhaft sei an dieser Stelle die äußerst umstrittene Frage nach einer Heilung verdeckter Sacheinlagen im Wege der Durchführung des Nachgrün-

193

Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 56. Zur Auslegung von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG siehe ausführlich unten Kapitel 9, Ziff. II. 1., S. 190 ff. 194

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

dungsverfahrens genannt.195 Ferner ist für das Verständnis der Nachgründungsvorschriften die grundlegende Änderung des aktienrechtlichen Kompetenzgefüges im Rahmen der Aktienrechtsreform von 1937 hervorzuheben. Die Nachgründung entstammte ursprünglich einem rechtshistorischen Kontext, in welchem die Generalversammlung das oberste Gesellschaftsorgan darstellte – das zwingende Zustimmungserfordernis der Nachgründung war ausgehend von dieser Leitungsfunktion daher bloß konsequent und stimmig. Dies änderte sich nun, indem die Leitungskompetenz gemäß dem „Führerprinzip“ von der Generalversammlung auf den Vorstand verlagert wurde. Diesen kompetenzrechtlichen Entwicklungsschritt hat die Nachgründung in Gestalt des Zustimmungserfordernisses derweil nicht nachvollzogen. Die Aktienrechtsreform von 1965 führte zu eher marginalen Änderungen im Bereich der Nachgründungsvorschriften. Sie ist jedoch insoweit von Bedeutung für das Verständnis der Rechtsfigur, weil im Zuge dieser Reform die Vorbildregelung für das Zustimmungserfordernis des Nachgründungsrechts – die Vorschriften zur Stufengründung – ersatzlos entfallen ist. Weiter verkompliziert wurde die Nachgründungsproblematik durch Regelung der Nachgründung auf europarechtlicher Ebene in Art. 11 KapRL, welche jedoch nur einen Minimalkonsens darstellte und in ihrer Intensität hinter § 52 AktG zurückblieb. Schließlich hatte die zunehmende praktische Relevanz der Nachgründungsvorschriften gegen Ende des Jahrtausends eine signifikante Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs in § 52 Abs. 1 AktG durch das NaStraG zur Folge. Kapitel 4

Die Antwort des Gesetzgebers auf die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ – Vom MoMiG 2008 zum ARUG 2009 Der (vorerst) letzte Entwicklungsschritt fand wiederum im Bereich der verdeckten Sacheinlage statt. Diesmal ging der wesentliche Impuls jedoch nicht von Seiten der Rechtsprechung, sondern vom Gesetzgeber selbst aus. Anlass für das Tätigwerden des Gesetzgebers war die nicht enden wollende Kritik an den als zu hart empfundenen Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen (I.). Obwohl es sich bei der verdeckten Sacheinlage ursprünglich um eine Rechtsfigur des Aktienrechts handelte, wurde sie daraufhin im Zuge des MoMiG erstmals für das GmbH-Recht in § 19 Abs. 4 GmbHG gesetzlich geregelt (II.). Sodann entschloss sich der ARUG-Gesetzgeber 2009 vorschnell und für alle Beteiligten einigermaßen 195 Ausführlich zur Heilung verdeckter Sacheinlagen vor und nach ARUG siehe unten Kapitel 11, Ziff. I. und II., S. 257 ff.

Kap. 4: Antwort des Gesetzgebers auf die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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überraschend dazu, die Regelung unverändert aus dem GmbH-Recht in § 27 Abs. 3 AktG zu übertragen (III.).

I. Kritik an den Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen und Reformüberlegungen In Literatur und Praxis stießen die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, namentlich die Unwirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte, seit geraumer Zeit auf heftige Kritik:196 Die Rede war von einer „Überreaktion des Rechts auf einen formalen Fehler“197, der „rechtspolitisch nicht zu rechtfertigen“198 sei. Ferner wurden die Rechtsfolgen im Falle einer scheinbaren Bareinlage, die in Wirklichkeit verdeckte Sacheinlage ist, als „ganz und gar katastrophal“ gebrandmarkt.199 Die „Rechtsfolgenkatastrophe“ kulminiere schließlich in der Gesellschaftsinsolvenz, da der Einlageschuldner nochmals voll bar zahlen müsse und sein Gegenanspruch allenfalls mit der Insolvenzquote bedient werde.200 Auch der Handelsrechtsausschuss des DAV zeigte sich besorgt über die Folgen der Rechtsprechung des BGH zur verdeckten Sacheinlage und sprach sich dafür aus, dass die Rechtsfolgen durch den Gesetzgeber auf das „wirtschaftlich vernünftige Maß“ zurückgeführt werden sollten.201 Selbst bei vollem Wert der (verdeckt) eingebrachten Sacheinlage stehe den Gläubigern ohne wirtschaftliche Berechtigung die Einlage doppelt zur Verfügung, weil der Inferent zweimal leistet. Diese Situation sei für den Inferenten „katastrophal“, für den Insolvenzverwalter hingegen eine „wahre Freude“.202 Der Handelsrechtsausschuss kam daher ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine „katastrophale Rechtsfolge nicht die angemessene Regelung eines formalen Rechtsfehlers“ sein könne.203 Das im Schrifttum anzutreffende Meinungsspektrum hinsichtlich etwaiger Lösungsmöglichkeiten stellte sich wie folgt dar:204 Die „Traditionalisten“ empfahlen, es bei der Lehre der verdeckten Sacheinlage und bei deren strengen Rechtsfolgen zu belassen, weil auf einen wirksamen Umgehungsschutz der Kapitalaufbringungs-

196 Vgl. die Darstellung bei Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 53 m. w. N. 197 K. Schmidt, GesR, 4. Auflage 2002, § 37 II 4 b, S. 1124. 198 Krieger, ZGR 1996, 674, 691. 199 Lutter, in: FS Stiefel, 1987, S. 505, 517. 200 Brandner, in: FS Boujong, 1996, S. 37, 42. 201 DAV – Vorschlag zum Problem der „verdeckten Sacheinlage“, WiB 1996, 707. 202 DAV – Vorschlag zum Problem der „verdeckten Sacheinlage“, WiB 1996, 707, 708. 203 DAV – Vorschlag zum Problem der „verdeckten Sacheinlage“, WiB 1996, 707, 709. 204 Vgl. Überblick bei Winter, in: FS Priester, 2007, S. 867, 871.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

vorschriften nicht verzichtet werden könne.205 Eine vermittelnde Ansicht sprach sich dafür aus, die Härten des geltenden Rechts durch eine Erfüllungslösung mit Differenzhaftung des Sacheinlegers abzumildern.206 In diese Richtung tendierten auch die Vertreter einer Anrechnungslösung, wonach die Geldeinlage bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage zwar grundsätzlich nochmals zu erbringen ist, der vom Einleger zu beweisende Wert der Sache aber darauf angerechnet wird und diese mindert.207 Im wirtschaftlichen Ergebnis kommt die Anrechnungslösung damit der Differenzhaftung gleich. Der Unterschied besteht jedoch maßgeblich darin, dass die Verpflichtung zur Bareinlage durch die Leistung der verdeckten Sacheinlage nicht erfüllt, sondern lediglich der Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands angerechnet wird. Von einer dritten Gruppe wurde sogar eine radikale Neuordnung der Kapitalaufbringung und -erhaltung im GmbH-Recht nach dem Vorbild des Rechts der Kommanditistenhaftung vorgeschlagen, womit sich die Problematik der verschleierten Sacheinlage vollständig erledigt hätte.208

II. Die Reaktion des MoMiG-Gesetzgebers Vor dem Hintergrund der lang anhaltenden Diskussion und Kritik an den Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen wurde schließlich der Gesetzgeber tätig.

1. Von der Erfüllungslösung mit Differenzhaftung zur Anrechnungslösung Im Regierungsentwurf zum MoMiG war noch das Modell einer Erfüllungslösung mit Differenzhaftung favorisiert worden, wonach die verdeckte Sacheinlage der Erfüllung der Bareinlageschuld nicht entgegenstehen und der Inferent lediglich einem Anspruch auf Ausgleich der Wertdifferenz ausgesetzt sein sollte.209 Dies entsprach inhaltlich der vom Handelsrechtsausschuss des DAV vorgeschlagenen Neuregelung. Hiervon rückte der MoMiG-Gesetzgeber jedoch wieder ab und wählte stattdessen die Anrechnungslösung, wonach der Inferent zwar nicht von seiner Pflicht zur 205

Priester, in: VGR, Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1, 20 f. DAV – Vorschlag zum Problem der „verdeckten Sacheinlage“, WiB 1996, 707, 710 f.; daran festhaltend auch Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 211, 221 f.; K. Schmidt, GesR, 4. Auflage 2002, § 47 Ziff. II 4 b, S. 1125; Krieger, ZGR 1996, 674, 691 f.; Drygala, ZGR 2006, 587, 615. 207 Winter, in: FS Priester, 2007, S. 867, 876 ff.; sich dem anschließend Priester, ZIP 2008, 55, 56. 208 Bayer, ZGR 2007, 220, 234 f. 209 RegE MoMiG, BT-Drucks. 17/6140, S. 40; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 54. 206

Kap. 4: Antwort des Gesetzgebers auf die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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Leistung der Bareinlage befreit wird, aber sämtliche schuldrechtlichen und dinglichen Verträge wirksam bleiben und auf die Einlageverpflichtung der Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands angerechnet wird.210 Dieses kurzfristige Umschwenken des Gesetzgebers dürfte wohl auf den kritischen Zwischenruf von Priester zurückzuführen sein, der auf die deutlich zu milde Sanktionierung verdeckter Sacheinlagen nach der im Regierungsentwurf vorgesehenen Erfüllungslösung mit Differenzhaftung hinwies.211 Erforderlich sei vielmehr eine Anrechnungslösung, die die Einhaltung der gesetzlichen Sacheinlageregeln gewährleiste, ohne Verstöße drakonisch zu ahnden.212

2. Regelung verdeckter Sacheinlagen in § 19 Abs. 4 GmbHG und Gesetzesbegründung § 19 Abs. 4 GmbHG wurde daraufhin neu gefasst und folgende Regelung zur verdeckten Sacheinlage eingeführt: „Ist eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung. Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters wird der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Gesellschafter.“

Da der Regierungsentwurf noch eine Erfüllungslösung mit Differenzhaftung vorsah, sind die diesbezüglich angestellten Überlegungen auf die nunmehr geltende Rechtslage nicht ohne Weiteres übertragbar. Allerdings lag der Neuregelung die allgemeine Intention zugrunde, eine sachgerechte Rechtsfolge zu erzielen und dabei sicherzustellen, dass der Gesellschafter die Einlage wertmäßig nur einmal leisten muss.213 An diesem Leitmotiv hat sich indes nichts geändert. Nach der Anrechnungslösung solle künftig der Wert einer verdeckt eingebrachten Sacheinlage per Gesetz auf die Geldeinlagepflicht des Gesellschafters automatisch angerechnet werden, ohne dass eine Willenserklärung einer Partei erforderlich wäre.214 Dadurch könne und dürfe der Geschäftsführer bei der Anmeldung insbe210 211 212 213 214

Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 54. Priester, ZIP 2008, 55, 56. Priester, ZIP 2008, 55, 56. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 56.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

sondere nicht versichern, die Geldeinlage sei zumindest durch Anrechnung erloschen und damit erfüllt; die verdeckte Sacheinlage werde damit gegenüber der Lösung im Regierungsentwurf stärker sanktioniert.215

III. Die Reform des Aktienrechts durch das ARUG 2009 Bisher betraf die Reform durch das MoMiG lediglich das GmbH-Recht und tangierte unmittelbar weder die aktienrechtliche Kapitalsicherung noch die Nachgründungsvorschriften. Dies änderte sich jedoch 2009 im Zuge des ARUG.216

1. Harmonisierung der Rechtslage im GmbH- und Aktienrecht Während nach den Vorstellungen des MoMiG-Gesetzgebers eine Übertragung der im GmbH-Recht statuierten Regelung mit dem ARUG erfolgen sollte,217 verzichtete der Regierungsentwurf des ARUG noch auf eine Neuregelung der verdeckten Sacheinlage.218 Zur Begründung wurde angeführt, dass zunächst die „Akzeptanz der Neuregelung im GmbH-Recht“ abgewartet werden sollte.219 Insoweit überraschend und ohne vertiefte Diskussion wurde bei den Beratungen im Rechtsausschuss beschlossen, die MoMiG-Regelungen zur verdeckten Sacheinlage im Wesentlichen unverändert in das Aktienrecht zu übertragen. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass die im GmbH-Recht getroffene Regelung des § 19 Abs. 4 GmbHG von Praxis und Wissenschaft überwiegend gut aufgenommen worden sei. a) Übertragung der Regelung zur verdeckten Sacheinlage in § 27 Abs. 3 AktG § 27 Abs. 3 AktG wurde daraufhin nach dem Vorbild von § 19 Abs. 4 GmbHG neu gefasst: „Ist eine Geldeinlage eines Aktionärs bei wirtschaftlicher Betrachtung und auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Aktionär nicht von seiner Einlageverpflichtung. Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Aktionärs wird der Wert des Vermögensgegenstandes im 215

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 56. Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie v. 30. Juli 2009, BGBl. I, S. 2479. 217 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 17/6140, S. 52. 218 Zur Reformgeschichte Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 55. 219 Begr. RegE ARUG, BR-Drucks. 847/08, S. 28. 216

Kap. 4: Antwort des Gesetzgebers auf die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Aktionär.“

Der Wortlaut von § 27 Abs. 3 AktG stimmt im Wesentlichen mit § 19 Abs. 4 GmbHG überein, wodurch eine einheitliche Rechtslage bei AG und GmbH gewährleistet werden soll.220 Trotz der Abmilderung der Rechtsfolgen soll auch weiterhin ein ausreichendes Sanktionsgefälle bestehen, da verdeckte Sacheinlagen unter der Strafandrohung des § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG stehen, das Registergericht die Eintragung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 AktG ablehnen kann und darüber hinaus der Aktionär gemäß § 27 Abs. 3 Satz 5 AktG die Beweislast für die Werthaltigkeit der verdeckten Sacheinlage trägt.221 Schließlich wollte der Gesetzgeber den Beteiligten ausdrücklich die Möglichkeit eröffnen, den Fehler nachträglich zu beseitigen, der der verdeckten Sacheinlage anhafte. Zwar sei ungeklärt, ob die Rechtsprechung des BGH zur Heilung verdeckter Sacheinlagen im GmbH-Recht auf das Aktienrecht übertragen werden kann, insbesondere der bisherige § 27 Abs. 4 AktG a. F. stehe dem entgegen.222 Allerdings soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Rechtslage bei GmbH und AG nunmehr harmonisiert werden.223 b) Übergangsregelung des § 20 Abs. 7 EGAktG Gemäß § 20 Abs. 7 EGAktG findet die neue Regelung des § 27 Abs. 3 AktG grundsätzlich auch auf verdeckte Sacheinlagen vor dem 1. September 2009 Anwendung. In diesen Altfällen ist die Verpflichtung zur Bareinlagenleistung ex tunc durch Anrechnung erloschen, wenn die Sacheinlage werthaltig war und der Inferent deren Werthaltigkeit beweisen kann.224 Nach dem Sinn und Zweck der Gesetzesnovelle werden von der Neuregelung der verdeckten Sacheinlage auch Altfälle im Rahmen der Kapitalerhöhung nach §§ 183 Abs. 2, 194 Abs. 2, 205 Abs. 3 AktG erfasst, auch wenn § 20 Abs. 7 EGAktG hierauf nicht ausdrücklich Bezug nimmt.225 Zudem folgt aus § 20 Abs. 7 EGAktG, dass von den gegenläufigen Rechtsfolgen der Wirksamkeit verdeckter Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einerseits und der Unwirksamkeit nach § 52 Abs. 1 AktG andererseits auch Altfälle vor dem 1. September 2009 betroffen sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Zeit-

220 221 222 223 224

Recht. 225

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 37. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36. Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 918 f.; Fuchs, BB 2009, 170, 173 ff. für das GmbHHerrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 919.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

punkt eines möglichen Rechtsfolgenkonflikts zwischen beiden Rechtsfiguren nicht auf Fallgestaltungen nach Inkrafttreten des ARUG beschränkt ist.226

2. Änderungen im Rahmen von § 52 AktG Die Reform durch das ARUG beschränkte sich jedoch nicht auf die gesetzliche Normierung der verdeckten Sacheinlage im Aktienrecht, sondern brachte überdies Änderungen im Rahmen der Nachgründungsvorschriften mit sich. a) Vereinfachte Nachgründung, § 52 Abs. 4, 6 und 7 AktG Zunächst wurde vor dem gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund des Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 KapRL, wonach die Art. 10a und 10b KapRL (Gegenstände der Gründungsprüfung) für das Nachgründungsrecht entsprechend gelten, die Möglichkeit der vereinfachten Sachgründung in das Nachgründungsrecht übertragen. Die Vereinfachung besteht maßgeblich darin, dass unter bestimmten Voraussetzungen auf die Durchführung einer externen (Nach-)Gründungsprüfung verzichtet werden kann. Zu diesem Zweck wurde § 52 Abs. 4, 6 und 7 AktG „aus Gründen der Gleichbehandlung“ an die Einfügung der §§ 33a, 37a und 38 Abs. 3 AktG angepasst.227 Gemäß § 52 Abs. 4 Satz 3 AktG kann parallel zur vereinfachten Sachgründung nach § 33a AktG von der Prüfung der nachgründungspflichtigen Rechtsgeschäfte durch externe Gründungsprüfer abgesehen werden. Erforderlich ist auch insoweit, dass es sich bei dem Vertragsgegenstand entweder um Wertpapiere mit Börsenpreis (§ 33a Abs. 1 Nr. 1 AktG) oder um Vermögensgegenstände mit vorliegendem Wertgutachten (§ 33a Abs. 1 Nr. 2 AktG) handelt. Die Durchführung einer vereinfachten Nachgründung hat derweil keine Auswirkungen auf den Umfang der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats nach § 52 Abs. 3 AktG. Selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren nach § 33a AktG ist der Aufsichtsrat daher über § 32 Abs. 2 und 3 AktG hinaus verpflichtet, analog § 34 Abs. 1 Nr. 2 AktG inhaltlich den Wert des Vertragsgegenstands und die Angemessenheit der Gegenleistung zu prüfen.228 In Bezug auf seine Berichtspflicht ist der Aufsichtsrat jedoch analog § 34 Abs. 2 Satz 3 AktG davon 226

Dazu ausführlich unten Kapitel 10, Ziff. I. 3. lit. a), S. 228 f. Vgl. Begr. RegE ARUG, BT-Drucks. 16/11642, S. 25. 228 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 31; Lieder, ZIP 2010, 964, 966; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 25; Diekmann, ZIP 1996, 2149, 2152; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 184; a. A.: Körber, in: Bürgers/Körber, Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 13; Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 443, die eine über § 32 Abs. 2 und 3 AktG hinausgehende Prüfungspflicht mangels Verweisung in § 52 Abs. 3 AktG verneinen. 227

Kap. 4: Antwort des Gesetzgebers auf die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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entbunden, den Vertragsgegenstand näher zu beschreiben und den Wert des Vertragsgegenstands in den Nachgründungsbericht aufzunehmen.229 Hierfür spricht insbesondere der vom Gesetzgeber intendierte Gleichlauf von vereinfachter Sachund Nachgründung. Folglich betrifft die in § 34 Abs. 2 Satz 3 AktG enthaltene Ausnahmeregelung allein den Prüfbericht; sie schlägt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht auf den Prüfungsumfang selbst durch.230 Im Ergebnis sind diese Angaben spätestens bei der Anmeldung des Nachgründungsgeschäfts zur Eintragung in das Handelsregister gemäß § 52 Abs. 6 Satz 3 AktG i. V. m. § 37a Abs. 1 und 2 AktG – dann freilich durch den Vorstand – nachzuholen.231 Der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister hat der Vorstand gemäß § 52 Abs. 6 Satz 2 AktG den Nachgründungsvertrag sowie den Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats beizufügen. Anstelle des normalerweise ebenfalls beizufügenden Berichts der externen (Nach-)Gründungsprüfer hat der Vorstand bei der vereinfachten Nachgründung gemäß § 52 Abs. 6 Satz 3 AktG i. V. m. § 37a AktG zu erklären, dass von der externen Gründungsprüfung abgesehen wurde. Ferner sind die übrigen Angaben nach § 37a AktG abzugeben. Schließlich ist im vereinfachten Nachgründungsverfahren der Prüfungsumfang des Registergerichts gemäß § 52 Abs. 7 Satz 2 AktG i. V. m. § 38 Abs. 3 Satz 1 AktG grundsätzlich auf die Feststellung beschränkt, dass der Vorstand die Nachgründung unter Beachtung des § 37a AktG nach Inhalt und Form ordnungsgemäß angemeldet hat. Mithin prüft das Registergericht lediglich in formeller Hinsicht, ob die Erklärungen nach § 37a Abs. 1 und 2 AktG sowie die nach § 37a Abs. 3 AktG beizufügenden Unterlagen vorliegen; eine materielle Prüfung der Voraussetzungen des § 33a AktG findet hingegen nicht statt.232 Nur bei einer offenkundigen und erheblichen Überbewertung des Wertes der Sacheinlage kann das Registergericht die Eintragung ablehnen, § 52 Abs. 7 Satz 2 AktG i. V. m. § 38 Abs. 3 Satz 2 AktG. Entgegen des Wortlauts ist das Registergericht dann sogar verpflichtet, die Eintragung abzulehnen.233 b) Streichung von § 52 Abs. 10 AktG a. F. Darüber hinaus kam es im Zuge des ARUG zur ersatzlosen Streichung von § 52 Abs. 10 AktG a. F. als Folgeänderung. Da der bisherige § 52 Abs. 10 AktG a. F. die 229

Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 31; Lieder, ZIP 2010, 964, 966. 230 Begr. RegE ARUG, BT-Drucks. 16/11642, S. 23; Lieder, ZIP 2010, 964, 966; Böttcher, NZG 2008, 481, 483. 231 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 31; Lieder, ZIP 2010, 964, 966. 232 Lieder, ZIP 2010, 964, 967; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 38; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 17. 233 Allg. Meinung, vgl. Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 38 m. w. N.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Nachgründung bei unwirksamer Sachgründung behandelte, die Neuregelung in § 27 Abs. 3 AktG aber die von § 52 Abs. 10 AktG a. F. vorausgesetzte Unwirksamkeitsfolge beseitigt hat, wurde die Regelung in § 52 Abs. 10 AktG a. F. obsolet.234

3. Bewertung in der Literatur Schon Lutter hatte die – seinerzeit noch theoretische – Differenzhaftung im Rahmen von § 27 Abs. 3 AktG a. F. entschieden abgelehnt, da eine solche Rechtsfolge zu schwach sei.235 Die Sachgründungsvorschriften stünden dann praktisch zur Disposition der Parteien; die Festlegung, Prüfung und Offenlegung könnte ruhig unterlassen werden; Höchstrisiko wäre im Ergebnis die Wertdifferenz; was bei Einhaltung der Regeln nicht anders wäre.236 Auch im Vorfeld der GmbH-Reform durch das MoMiG wurde angemahnt, dass, anders als bei der GmbH, für die AG nicht auf jeglichen präventiven Kapitalschutz verzichtet werden könne und schon eine partielle Durchbrechung des geltenden Schutzsystems durch Einführung einer Differenzhaftung im Falle unterwertiger Einbringung schwerlich mit den Schutzzwecken der Sachgründungsvorschriften vereinbar sei.237 Im Schrifttum wurde unter Verweis auf die „sachliche und dogmatische Sprengkraft der Anrechnungslösung“ geraten, sie nicht ohne Weiteres in das Aktienrecht zu verpflanzen, das bisher einem präventiven Gläubigerschutz verpflichtet ist und im Hinblick auf die Kapitalrichtlinie möglicherweise auch bleiben muss.238 Als Folge der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG beschränkt sich die Einlageschuld des Aktionärs auf die Differenz, die nach Abzug des eingebrachten Werts von der zunächst geschuldeten Geldeinlage übrig bleibt.239 Insoweit ist mit der bloßen Differenzhaftung des Inferenten keinerlei präventive Wirkung mehr verbunden, da er nichts fürchten muss, was über die ursprüngliche Bareinlage hinausgeht.240 Das ARUG schlage daher „tiefe Breschen“ in das tradierte System der Kapitalaufbringung, eine strengere Regelung sei für die AG schon deshalb angebracht, weil sich das Aktienrecht traditionell an der börsennotierten Publikumsgesellschaft ausrichtet und daher im Rahmen der Kapitalbindung seit jeher die aktu-

234

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 38. Lutter, in: FS Stiefel, 1987, S. 505, 518. 236 Lutter, in: FS Stiefel, 1987, S. 505, 518. 237 Bayer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 750. 238 Dauner-Lieb, AG 2009, 217, 226; mit Zweifeln an der Gewährleistung des gemeinschaftsrechtlichen Umgehungsschutzes auch Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 25 m. w. N. 239 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 38. 240 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 24 und Rn. 38; Priester, in: VGR, Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1, 21. 235

Kap. 4: Antwort des Gesetzgebers auf die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“

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ellen und künftigen Aktionäre zu schützen sind.241 Aus diesem Grund wird die Transplantation der MoMiG-Regelungen zur verdeckten Sacheinlage als ein übereilter und wenig durchdachter Bruch mit dem fundamentalen Prinzip der realen Kapitalaufbringung und weitreichenden Folgen für das Gesamtsystem der aktienrechtlichen Kapitalaufbringung kritisiert.242 Auch – und gerade – vor dem Hintergrund der aktienrechtsspezifischen Nachgründungsvorschriften sieht sich die Reform durch das ARUG erheblicher rechtspolitischer Kritik ausgesetzt. Während das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage mit der aus § 27 Abs. 3 AktG a. F. abgeleiteten Unwirksamkeitsfolge vor ARUG im Vergleich zur (schwebenden) Unwirksamkeit nach § 52 Abs. 1 AktG noch die wesentlich strengere Rechtsfolge nach sich zog, so ergibt sich nach ARUG ein ins genaue Gegenteil verkehrtes Bild.243 Nunmehr ordnet die Nachgründung mit ihrer schwebenden Unwirksamkeitsfolge gegenüber der – mit der Wirksamkeitsanordnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG wesentlich entschärften – Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage die weitaus strengere Rechtsfolge an. Bei gleichzeitiger Anwendbarkeit beider Regelungen hat das zur Folge, dass die Abmilderung bei den Rechtfolgen verdeckter Sacheinlagen nur eingeschränkt zum Tragen kommt.244 Infolgedessen wird der vom Gesetzgeber in Gestalt des § 27 Abs. 3 AktG unternommene Liberalisierungsversuch im Anwendungsbereich von § 52 AktG in der Literatur als Fehlschlag beurteilt.245

IV. Fazit Für das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung stellt das ARUG 2009 die wohl größte Zäsur seit der Aktienrechtsreform von 1937 dar. Dies ist nicht nur dem bloßen Umstand geschuldet, dass die bisher ungeregelte Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage nun auch im Aktienrecht auf normative Füße gestellt wurde. Vielmehr liegt die Bedeutung der jüngsten Reform maßgeblich in der Ent241

Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 57. Bayer/Schmidt, ZGR 2009, 805, 845, die einer jahrzehntelangen Missbrauchsbekämpfung ohne Not den Boden entzogen sehen. 243 So auch Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 115, der durch die Liberalisierung der verdeckten Sacheinlage das Verhältnis der beiden Regelungskomplexe „auf den Kopf gestellt“ sieht. 244 Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 115. 245 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 55: „die mit der Reformierung verdeckter Sacheinlagen angestrebte Liberalisierung im Anwendungsbereich des § 52 AktG [ist] grandios gescheitert“; Lieder, ZIP 2010, 964, 972: „Die durch das ARUG angestrebte Liberalisierung der verdeckten Sacheinlage ist demnach auf Sachverhalte außerhalb des Nachgründungsrechts beschränkt.“; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 923: „Im Anwendungsbereich des § 52 AktG läuft die Liberalisierung der verdeckten Sacheinlage aufgrund der dort normierten zusätzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen allerdings leer.“. 242

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

scheidung des Gesetzgebers, von der als zu hart empfundenen Unwirksamkeitsfolge abzurücken und stattdessen in § 27 Abs. 3 AktG die Wirksamkeit der betreffenden schuldrechtlichen und dinglichen Geschäfte unter gleichzeitiger Anrechnung ihres Wertes auf die Einlageverpflichtung anzuordnen, obwohl sie verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand haben. Ein zweites Mal nach 1937 sprach sich der Gesetzgeber – in Reaktion auf Kritik aus Schrifttum und Praxis – explizit gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung aus. Insgesamt ist die Reformtätigkeit des Gesetzgebers im Bereich der §§ 27, 52 AktG weniger von dogmatisch vertieften Überlegungen, sondern vielmehr von einer pragmatischen Herangehensweise an die Forderungen aus Schrifttum und Praxis gekennzeichnet. Dies betrifft zum einen die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen im Zuge des MoMiG, indem der Gesetzgeber von der im Regierungsentwurf noch vorgesehenen Erfüllungslösung mit Differenzhaftung kurzfristig abrückte und stattdessen in § 19 Abs. 4 GmbHG die Anrechnungslösung aufnahm. Zum anderen wiederholt sich diese Spontaneität bei der Reform durch das ARUG. Obschon nach dem Regierungsentwurf ursprünglich die Rezeption der für das GmbH-Recht getroffenen Regelungen abgewartet werden sollte und zudem bereits Zweifel an der Systemkonformität einer Übertragung in das Aktienrecht laut geworden waren, fand ohne ersichtlichen Anlass doch eine Angleichung von § 27 Abs. 3 AktG an die GmbH-rechtliche Vorbildregelung statt. Im Ergebnis ist die jüngste Reformtätigkeit aufgrund der gesetzgeberischen Motivation, den Bedürfnissen der Praxis zu entsprechen und Rechtssicherheit zu schaffen, grundsätzlich zu begrüßen. Sie wirft indes zahlreiche weitere Zweifel auf, die einerseits aus dem wenig systematischen Eingriff in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen selbst und andererseits aus dem – nach wie vor ungeklärten – Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung resultieren. Der Gesetzgeber hat die Nachgründungsvorschriften im Rahmen seiner Reformbemühungen zwar durchaus gesehen. Allerdings wurden die sich aus der Reformtätigkeit für das Aktienrecht ergebenden Folgeprobleme, namentlich die Behandlung des sich nunmehr ergebenden Rechtsfolgenkonflikts zwischen beiden Rechtsfiguren sowie die Lösung der Heilungsproblematik im Bereich verdeckter Sacheinlagen unterschätzt. Insbesondere der latente Rechtsfolgenkonflikt zwischen der Wirksamkeitsanordnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einerseits und der (schwebenden) Unwirksamkeit nach § 52 Abs. 1 AktG andererseits ist aufgrund der Übergangsregelung des § 20 Abs. 7 EGAktG keineswegs auf den Zeitraum nach ARUG beschränkt, sondern erstreckt sich potenziell auch auf Altfälle vor dem 1. September 2009.

Kapitel 5: Der jüngste Dreisatz des BGH vor ARUG

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Kapitel 5

Der jüngste Dreisatz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor ARUG – Lurgi I, Rheinmöve und Lurgi II Innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit erhielt der II. Zivilsenat des BGH die Gelegenheit, sich vertieft mit Fragen der verdeckten (gemischten) Sacheinlage und des Nachgründungsrechts auseinanderzusetzen. Hierbei handelt es sich um drei Urteile, die in Literatur und Praxis – wie üblich für bedeutende höchstrichterliche Entscheidungen – unter markanten Namen aufgenommen und ausführlich diskutiert worden sind: „Lurgi I“246 (2007), „Rheinmöve“247 (2008) und „Lurgi II“248 (2009). Wenngleich sämtliche Urteile noch zur Rechtslage vor ARUG ergingen, sollen nachfolgend dennoch die jeweils zu Grunde liegenden Sachverhalte dargestellt sowie die für die vorliegende Untersuchung relevanten Kernaussagen herausgearbeitet werden. Letztere sollen insbesondere daraufhin überprüft werden, inwieweit sie auch nach ARUG noch tragen.

I. Die Sachverhalte im Überblick 1. Lurgi Den Lurgi-Entscheidungen des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 1997 wurde die Po. 2000 AG mit einem Grundkapital von 100.000 DM in das Handelsregister eingetragen, Gegenstand des Unternehmens war ein neuartiges Verfahren zum Recycling von Altteppichböden. Die Errichtung der entsprechenden Recycling-Anlage sollte durch verschiedene Gesellschaften eines Metallgesellschaftskonzerns249 erfolgen. Zur Finanzierung des Projekts waren ein staatlicher Investitionszuschuss des Landes Brandenburg in Höhe von 107 Mio. DM und ein 246 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = BGHZ 173, 145 ff. = ZIP 2007, 1751 ff. = DB 2007, 2025 ff. = DZWIR 2008, 68 ff. = NJW 2007, 3435 ff. = WM 2007, 1739 ff. = AG 2007, 741 ff. = NZG 2007, 754 ff. 247 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = BGHZ 175, 265 ff. = ZIP 2008, 788 ff. = DB 2008, 920 ff. = DZWIR 2008, 373 ff. = WM 208, 784 ff. = AG 2008, 383 ff. = NZG 2008, 425 ff. = DNotZ 2008, 628 ff. 248 BGH, Urt. v. 11. 05. 2009 – Az.: II ZR 137/08 – „Lurgi II“ = ZIP 2009, 1155 ff. = DB 2009, 1285 ff. = NJW 2009, 2886 ff. = WM 2009, 1199 ff. = AG 2009, 493 ff. = NZG 2009, 747 ff. = ZInsO 2009, 1167 ff. = DStR 2009, 1320 ff. 249 Hierbei handelte es sich um die damalige Lurgi-Group, eine Unternehmensgruppe für Anlagenbau, Ingenieur- und Verfahrenstechnik, welche der GEA Group AG (vormals Metallgesellschaft AG) angehörte und 2007 an den französischen Konzern Air Liquide verkauft wurde.

102

1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

Darlehen der HeLaBa (Hessische Landesbank) mit einem Kreditvolumen von 220 Mio. DM vorgesehen. Die Kreditgewährung war jedoch an die Bedingung geknüpft, dass zwei der zum Metallgesellschaftskonzern gehörende Unternehmen im Wege einer Kapitalerhöhung um 33.150 DM zuzüglich eines Agios von 2 Mio. DM mit insgesamt 24,9 % an der Po. 2000 AG beteiligt werden. Die entsprechende Kapitalerhöhung wurde sodann durchgeführt und am 26. August 1998 mit Eintragung in das Handelsregister wirksam. Kurze Zeit später, am 9. September 1998, schloss die Po. 2000 AG einen Generalunternehmervertrag (nachfolgend auch: LSTK-Vertrag) ab, in dem sich die Tochterunternehmen des Metallgesellschaftskonzerns verpflichteten, die Recycling-Anlage zu einem Festpreis von netto 292,2 Mio. DM (= 149,4 Mio. EUR) zu errichten. In der Folgezeit wurden zwischen den Beteiligten Bedenken artikuliert, dass der LSTK-Vertrag unter § 52 AktG fallen und deshalb unwirksam sein könnte. Auf Grundlage dieses Vertrages hatte die Po. 2000 AG zwischenzeitlich 164,6 Mio. EUR brutto bezahlt. Ferner stellte sich heraus, dass die errichtete Anlage wider Erwarten nicht wirtschaftlich betrieben werden konnte, woraufhin am 1. September 2003 über das Vermögen der Po. 2000 AG das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter nahm nunmehr die Tochterunternehmen des Metallgesellschaftskonzerns gesamtschuldnerisch auf Rückzahlung des von der Po. 2000 AG gezahlten Werklohns in Höhe von 164,6 Mio. EUR aus §§ 52 Abs. 1 Satz 2, 62 Abs. 1 Satz 1 AktG in Anspruch. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben war, hatte schließlich der BGH zu entscheiden.

2. Rheinmöve Wie schon im Lurgi-Sachverhalt war auch bei der Rheinmöve-Entscheidung ein Insolvenzverwalter treibende Kraft. So handelte es sich um die Klage des Insolvenzverwalters einer Auffanggesellschaft, der R.-AG, welche für die „übertragende Sanierung“ der R. GmbH & Co. KG gegründet worden war und ursprünglich über ein Grundkapital von 50.000 EUR verfügte. Die KG betrieb einen Möbelhandel mit zahlreichen Filialen, die Betriebsimmobilien wurden von der Komplementär-GmbH gehalten.250 Im Zuge einer am 14. August 2000 beschlossenen Barkapitalerhöhung zeichnete unter anderem die KG neue Aktien der Auffanggesellschaft im Nennbetrag von 971.500 EUR, nach zwei weiteren Kapitalerhöhungen war die KG am Grundkapital der R.-AG in Höhe von 2,125 Mio. EUR schließlich mit insgesamt 1,125 Mio. EUR beteiligt. Nachdem die R.-AG faktisch den Betrieb des Möbelhandels bereits übernommen hatte, schloss sie am 22. Dezember 2000 mit der insolventen KG einen Kaufvertrag. 250 Realiter handelte es sich um das – zu Wirtschaftswunder-Zeiten von Erich Breiding gegründete – Einrichtungshaus Rheinmöve Erich Breiding GmbH, das bis zur endgültigen Insolvenz im Jahre 2002 lange Zeit zu den führenden Möbelhäusern Deutschlands zählte.

Kapitel 5: Der jüngste Dreisatz des BGH vor ARUG

103

Danach sollte sie das gesamte Anlagevermögen der R. GmbH & Co. KG zum symbolischen Preis von 1 DM erwerben, im Gegenzug jedoch auch die Verbindlichkeiten der KG in Höhe von 17,4 Mio. DM übernehmen. Jenen Kaufvertrag behandelten die Beteiligten einvernehmlich als Nachgründungsgeschäft der R.-AG, woraufhin eine Nachgründungsprüferin bestellt, die Zustimmung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung eingeholt und schließlich die entsprechenden Eintragungen in das Handelsregister veranlasst wurden. In der Folgezeit entwickelte sich jedoch der Umsatz der Auffanggesellschaft negativ, woraufhin auch über ihr Vermögen am 1. März 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der klagende Insolvenzverwalter der R.-AG machte nunmehr gegenüber den verschiedenen Zeichnern der damaligen Barkapitalerhöhung wegen unwirksamer Übernahme der Verbindlichkeiten Schadensersatz- bzw. Bereicherungsansprüche geltend. Zur Begründung führte er insbesondere an, dass es sich bei dem Kaufvertrag vom 22. Dezember 2000 um ein unzulässiges Nachgründungsgeschäft gehandelt und überdies seitens der KG eine verdeckte Sacheinlage vorgelegen habe, weil ihre Bareinlage auf das erhöhte Kapital der R.-AG in Form der Schuldbefreiung wieder an die KG zurückgeflossen sei. Die Klage blieb – wie schon im Falle „Lurgi“ – in beiden Vorinstanzen erfolglos, der BGH hatte zu entscheiden.

II. Kernaussagen in Bezug auf verdeckte (gemischte) Sacheinlage und Nachgründung Nachfolgend sollen die wesentlichen Kernaussagen der Urteile zusammengefasst werden, soweit sie im Kontext der vorliegenden Untersuchung relevant sind. Neben ihrer bloßen Wiedergabe soll dabei insbesondere im Auge behalten werden, inwieweit die vom BGH aufgestellten Thesen und die zu ihrer Begründung angeführten Argumente auch nach ARUG noch Bestand haben.

1. Lurgi I Der Lurgi I-Entscheidung können im Wesentlichen drei Kernaussagen in Bezug auf die verdeckte Sacheinlage, Nachgründung und deren Verhältnis entnommen werden. a) Anwendbarkeit verdeckter (gemischter) Sacheinlagen auf Sachkapitalerhöhungen Die erste Kernaussage des Urteils bezieht sich auf den Anwendungsbereich der Lehre von der verdeckten (gemischten) Sacheinlage. Sie besteht darin, dass die Grundsätze der verdeckten gemischten Sacheinlage nicht nur bei der eigentlichen

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Gesellschaftsgründung, sondern auch im Rahmen einer Kapitalerhöhung zu beachten sind.251 Bereits in einer früheren Entscheidung hatte der Senat judiziert, dass auf gemischte Sacheinlagen im Rahmen der Gründung einer Aktiengesellschaft die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage Anwendung finden.252 Nunmehr übertrug er diese Wertungen aus dem Gründungsstadium konsequent auf die Kapitalerhöhung:253 Da der streitgegenständliche Werkvertrag zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung bereits vorabgesprochen war und der eingezahlte Einlagebetrag in Form eines Teils des Werklohns zurückfloss, seien vorliegend die Grundsätze der verdeckten (gemischten) Sacheinlage anzuwenden. Weil es sich ferner um eine unteilbare Leistung handelte, unterliege das Rechtsgeschäft als eine Kombination von Sacheinlage und Sachübernahme insgesamt den für Sacheinlagen geltenden Regelungen, also in casu auch denjenigen des § 183 AktG. Dementsprechend erfordere die korrekte Einbringung einer gemischten Sacheinlage die Festsetzung ihres Gesamtgegenstandes sowie der auf den Nennbetrag der neuen Aktien und auf das darüber hinausgehende Entgelt entfallenden Wert- und Preisanteile in dem Kapitalerhöhungsbeschluss. Dies war jedoch vorliegend nicht geschehen, weshalb der BGH schließlich sowohl dem gesamten Werkvertrag als auch der Bareinlageleistung die Wirksamkeit versagte. Vor dem Hintergrund dieser insbesondere in finanzieller Hinsicht gravierenden Auswirkungen wurde in der Literatur alsbald die Anwendung der Grundsätze der verdeckten gemischten Sacheinlage auf Sachkapitalerhöhungen kontrovers diskutiert. Die besondere Relevanz lag vor allem darin begründet, dass es sich bei der gemischten Sacheinlage um nichts anderes als um eine Kombination aus Sacheinlage und Sachübernahme handelt und das Aktienrecht die Sachübernahme im eigentlichen Sinne zwar im Rahmen der Gründung, nicht aber im Rahmen einer Kapitalerhöhung besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterstellt.254 Allen voran Martens, der als Gutachter auf Seiten des beklagten Metallgesellschaftskonzerns tätig war, geißelte die Entscheidung des BGH daher als unverhältnismäßigen Eingriff in die Vertragsordnung, dem auch nicht durch den „Rettungsanker“ in Gestalt der Saldotheorie beizukommen sei.255 Dagegen verteidigte Habersack die vom BGH eingenommene Position. Während bei der Gründung der AG eine gemischte 251 Vgl. BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 15. 252 BGH, Urt. v. 22. 11. 2006 – Az.: II ZR 176/05 = BGHZ 170, 47 ff. = ZIP 2007, 178 ff. = NJW 2007, 765 ff. = DB 2007, 212 ff. = WM 2007, 215 ff. = AG 2007, 121 ff. = NZG 2007, 144 ff. 253 Vgl. BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 13, 15 f. 254 Habersack, ZGR 2008, 48, 51. 255 Martens, AG 2007, 732 ff., mit dem abschließenden Rat an den BGH „dieses Scheusal der verschleierten gemischten Sacheinlage im Zusammenhang der Kapitalerhöhung in die Wolfsschlucht zu werfen“.

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Sacheinlage auch dann vorliegen (und verschleiert) werden könne, wenn teilbare Leistungen eingebracht werden, komme bei der Kapitalerhöhung das Vorliegen einer gemischten Sacheinlage von vornherein nur in Betracht, wenn ein unteilbarer Gegenstand oder eine Sachgesamtheit eingebracht wird.256 Dementsprechend führe vorliegend infolge der Vergütung der gelieferten (und unteilbaren) Recycling-Anlage in Gestalt des Werklohns unter Rückgriff auf die zuvor geleistete Bareinlage kein Weg an den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage vorbei.257 Zwar verweist § 183 Abs. 2 AktG nun ausdrücklich auf § 27 Abs. 3 AktG. Allerdings bleibt nach wie vor offen, ob die in § 27 Abs. 3 AktG niedergelegten Grundsätze der verdeckten Sacheinlage im Rahmen von Sachkapitalerhöhungen auch verdeckte gemischte Sacheinlagen erfassen. Insgesamt überzeugen jedoch die von Habersack vorgetragenen Argumente, da sich bei Unteilbarkeit der Leistung die verdeckte gemischte Sacheinlage trotz ihres Sachübernahme-Elements eher als Sacheinlage denn als Sachübernahme darstellt. Liegt aber der Schwerpunkt der Leistung auf dem Sacheinlage-Element, müssen folgerichtig auch die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage zur Anwendung gelangen. Dagegen unterliegen reine Sachübernahmevorgänge auch dann, wenn sie zwischen der AG und einem Aktionär getätigt werden, keinen besonderen Vorschriften über die Kapitalaufbringung.258 Indes dürfte nach ARUG die Anwendung des § 27 Abs. 3 AktG auf gemischte Sacheinlagen auch im Rahmen von Sachkapitalerhöhungen ihren wesentlichen Schrecken verloren haben, da nunmehr die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte unberührt bleibt. Folglich ist auch der vehementen Kritik an der Unverhältnismäßigkeit der Rechtsfolge verdeckter (gemischter) Sacheinlagen nunmehr der Wind aus den Segeln genommen. An der Überzeugungskraft dieser ersten Kernaussage der Lurgi IEntscheidung rüttelt das ARUG daher nicht. b) Keine Verdrängung durch die Nachgründung Unter Bezugnahme auf eine frühere Grundsatz-Entscheidung259 stellte der BGH in seiner zweiten Kernaussage recht apodiktisch fest, dass „die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage auch im Rahmen einer Kapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG) [gelten] und […] durch die Vorschriften über die Nachgründung (§§ 52 f. AktG) nicht verdrängt“ werden.260

256

Habersack, ZGR 2008, 48, 55. Habersack, ZGR 2008, 48, 57. 258 Habersack, ZGR 2008, 48, 57. Etwas anderes kann sich freilich unter dem Aspekt der Nachgründung aus den §§ 52 f. AktG ergeben. 259 BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47 ff. = ZIP 1990, 156 ff. = NJW 1990, 982 ff. = WM 1990, 222 ff. = DB 1990, 311 ff. = AG 1990, 298 ff. 260 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 14. 257

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Im Rahmen der IBH/Lemmerz-Entscheidung, auf die der BGH in diesem Zusammenhang ausdrücklich verweist, ging es jedoch um die Frage, ob der Lehre von der verdeckten Sacheinlage durch die bloße Existenz der Nachgründungsvorschriften jedwede Existenzberechtigung abzusprechen sei, was der BGH seinerzeit verneinte.261 Dagegen wurden die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage von den Parteien der Lurgi I-Entscheidung nicht ansatzweise in Zweifel gezogen. Vielmehr stand nun die Frage im Raum, wie sich verdeckte Sacheinlage und Nachgründung beim Zusammentreffen innerhalb der Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG zueinander verhalten. Indem sich der BGH jedoch auf die bloße Feststellung zurückzog, dass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage auch im Rahmen einer Kapitalerhöhung zur Anwendung gelangen und jedenfalls nicht durch die Vorschriften über die Nachgründung verdrängt werden, ließ er die Anwendbarkeit der Nachgründung auf Sachkapitalerhöhungen offen.262 Darüber hinaus blieb das genaue Konkurrenzverhältnis beider Rechtsfiguren im Falle eines Zusammentreffens ungeklärt. Dies mag vor dem Hintergrund der seinerzeit geltenden Rechtslage, als das Vorliegen verdeckter Sacheinlagen nach §§ 27 Abs. 3, 183 Abs. 2 AktG a. F. ebenso wie ein Verstoß gegen die Nachgründungsvorschriften nach § 52 Abs. 1 AktG die Unwirksamkeit der betreffenden Rechtsgeschäfte zur Folge hatte, aus nachvollziehbaren Gründen durchaus hinnehmbar gewesen sein. Indes wäre eine grundlegende Klärung angesichts der nunmehr durch ARUG geänderten Rechtslage jedenfalls aus heutiger Sicht äußerst wünschenswert gewesen. Die bloße Aussage, dass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage durch die Vorschriften über die Nachgründung (§§ 52 f. AktG) „nicht verdrängt“ werden, ist insoweit ergebnisoffen, weil die Negativformulierung grundsätzlich zwei Interpretationsmöglichkeiten zulässt: Positiv formuliert wären demnach sowohl eine Spezialität der verdeckten Sacheinlage gegenüber der Nachgründung als auch ein ergänzendes Nebeneinander beider Rechtsfiguren denkbar. Einzig eine Spezialität der Nachgründungsvorschriften innerhalb der Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der BGH mithin ausdrücklich abgelehnt. Der Erkenntnisgehalt der Entscheidung in Bezug auf das exakte Rangverhältnis beider Vorschriften innerhalb dieses Zeitraumes hält sich damit in Grenzen. Im Rahmen seiner Entscheidungsbesprechung zu Lurgi I gelangt Habersack vor ARUG noch zu dem Schluss, dass der typisierende Umgehungsschutz des § 52 AktG in Fällen, in denen eine den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfassende 261

So hatte die Revision grundsätzliche Einwendungen gegen die Lehre von der verdeckten Sacheinlage erhoben. Insbesondere war damit argumentiert worden, dass die Vorschriften über die Nachgründung eine für Gründung und Kapitalerhöhung abschließende Umgehungsschutzregelung darstellen und infolgedessen für die Lehre von der verdeckten Sacheinlage im Aktienrecht kein Raum sei. Dem schloss sich der BGH nicht an. Vgl. BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 52 f. 262 So ausdrücklich BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 19. Hierauf zu Recht hinweisend Habersack, ZGR 2008, 48, 58 f.; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 11.

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Abrede zwischen der Gesellschaft und dem Inferenten existiert bzw. zu vermuten ist, durch den konkreten Umgehungsschutz in Gestalt der Grundsätze der verdeckten Sacheinlage zu ergänzen sei.263 Zwar wird auch nach ARUG überwiegend davon ausgegangen, dass § 52 AktG eigenständig und unabhängig neben den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage stehe und insoweit einen flankierenden Schutz gegen Umgehungen des Sachgründungsrechts biete.264 Allerdings wird, so viel sei an dieser Stelle bereits vorweg genommen, jedenfalls auf Rechtsfolgenseite unter Verweis auf den weitergehenden bzw. unterschiedlichen Schutzzweck der Nachgründung im Falle eines Zusammentreffens mit der verdeckten Sacheinlage für einen Vorrang der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG plädiert.265 Das hat aber im Ergebnis auf Rechtsfolgenseite eben jene – vom BGH vor ARUG noch ausdrücklich ausgeschlossene – Spezialität der Nachgründungsvorschriften gegenüber den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage zur Folge. Daher ist die These des BGH, dass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage durch das Nachgründungsrecht „nicht verdrängt“ werden, nach ARUG jedenfalls in ihrer Absolutheit mit Vorsicht zu genießen. c) Einheitliche bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB unter Anwendung der Saldotheorie Schließlich traf der BGH seine dritte Kernaussage, indem er den vom Insolvenzverwalter geltend gemachten aktienrechtlichen Rückgewähranspruch nach § 62 AktG ablehnte und stattdessen einen einheitlichen bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch nach §§ 812, 818 BGB unter Anwendung der Saldotheorie bejahte.266 aa) Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte Während die Rückabwicklung verdeckter Sacheinlagen nach §§ 812 ff. BGB bereits einhellige Meinung war, versuchte der BGH dieses Ergebnis unter Zuhilfenahme dogmatischer Erwägungen nun auch für die Nachgründung zu rechtferti-

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Habersack, ZGR 2008, 48, 59. Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 52; Lieder, ZIP 2010, 964, 968; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 55; in diese Richtung gehen wohl auch die Überlegungen von Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 921. 265 Zu den Einzelheiten des Rechtsfolgenkonflikts nach ARUG siehe unten Kapitel 10, Ziff. II., S. 230 ff. 266 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 17 ff. Vgl. zudem den 2. und 3. Leitsatz. 264

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gen:267 So betreffe der aktienrechtliche Rückgewähranspruch gemäß § 62 AktG allein die Kapitalerhaltung. Dagegen stehe § 52 AktG „in einer Reihe“ mit §§ 27 Abs. 3 Satz 1, 183 Abs. 2 AktG (a. F.) und bezwecke in seiner nunmehrigen Beschränkung auf Geschäfte mit Gründern und Aktionären zur Sicherung der Kapitalaufbringung „vor allem“ einen Umgehungsschutz dagegen, dass die Vorschriften über Sacheinlagen durch der Gründung nachgelagerte Austauschgeschäfte unterlaufen werden. Der durch die Nachgründung lediglich „verlängerte“ Umgehungsschutz könne vernünftigerweise bei der Rückabwicklung – in Form des § 62 AktG – keine schärferen Rechtsfolgen zeitigen, zumal das von § 52 AktG erfasste Geschäft genau dasjenige sei, das der Gesetzgeber als Teil einer bei der Gründung abgesprochenen verdeckten Sacheinlage verdächtige. Da § 62 AktG somit weder bei Nachgründungen noch bei verdeckten Sacheinlagen eingreife, kommt der BGH schließlich zu dem Ergebnis, dass offen bleiben könne, ob § 52 AktG in den Fällen einer (verdeckten) Sachkapitalerhöhung neben § 183 AktG überhaupt anwendbar ist und seine Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind. Hinsichtlich der dogmatischen Einordnung von § 52 AktG hat sich der BGH zwar insoweit eine Hintertür offen gelassen, indem er den Zweck der Nachgründung „vor allem“ im Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften erkannte und damit andere Normzwecke des § 52 AktG nicht kategorisch ausschloss, freilich ohne sie ausdrücklich beim Namen zu nennen. Indes wird deutlich, dass er etwaigen anderen Normzwecken jedenfalls keinen eigenständigen Stellenwert einräumte. Insbesondere der letztgenannte Entscheidungsgrund vermittelt stark den Eindruck, dass der BGH die Anwendung von § 62 AktG in Fällen der Nachgründung vordergründig aus entscheidungstaktischen Erwägungen ablehnte. Hierdurch vermied er augenfällig eine Entscheidung über die Anwendbarkeit der Nachgründung im Rahmen von Sachkapitalerhöhungen und ersparte sich im zu entscheidenden Fall zudem eine Prüfung der Voraussetzungen des § 52 AktG. Ferner konnte auch das genaue Rangverhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung dahingestellt bleiben, da – so oder so – sämtliche unwirksamen Rechtsgeschäfte nach §§ 812, 818 BGB rückabzuwickeln waren und auf Rechtsfolgenseite im Ergebnis somit kein (praktisch relevanter) Unterschied bestand. Insoweit scheint die einheitliche bereicherungsrechtliche Rückabwicklung maßgeblich vom Gedanken einer Harmonisierung der Rechtsfolgenseite von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung getragen zu sein. Dem hierin zu erkennenden Harmonisierungsgedanken ist indes mit der Rechtsänderung durch ARUG jegliche Grundlage entzogen worden, weil sich die Rechtsfolgen von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung nunmehr kraft Gesetzes evident unterscheiden. So sind sämtliche Rechtsgeschäfte nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG wirksam, obwohl sie verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand haben. Dagegen ziehen Verstöße gegen das Nachgründungserfordernis gemäß § 52 Abs. 1 AktG unverändert die (schwebende) Unwirksamkeitsfolge nach sich, zeitigen mithin die schärferen Rechtsfolgen. An dieser Stelle soll daher die Feststellung genügen, 267 Vgl. BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 18.

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dass die Stringenz und Haltbarkeit dieser These des BGH jedenfalls nach ARUG bezweifelt werden darf.268 bb) Anwendung der Saldotheorie Schließlich sollte die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung unter Anwendung der Saldotheorie erfolgen.269 Andernfalls bestehe nach dem Dafürhalten des BGH die Gefahr eines Wertungswiderspruchs:270 So stehe einer Saldierung insbesondere die Wertung des Aufrechnungsverbotes nicht entgegen, weil nicht der fortbestehende Einlageanspruch, sondern nur die beiderseitigen Bereicherungsansprüche aus dem unwirksamen Austauschgeschäft in die Verrechnung einbezogen würden. Die Anwendung der Grundsätze der Saldotheorie sei zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs sogar zwingend geboten, weil sich die Unwirksamkeitsfolge der §§ 27 Abs. 3 Satz 1, 183 Abs. 2 Satz 1 AktG (a. F.) auch auf das dingliche Erfüllungsgeschäft erstrecke und der Inferent deshalb den in seinem Eigentum verbliebenen Gegenstand der verdeckten Sacheinlage gemäß § 985 BGB herausverlangen und in der Insolvenz der Gesellschaft aussondern könne. Demgegenüber könne die Gesellschaft im Falle eines gesetzlichen Eigentumsverlustes des Inferenten nach den §§ 946 ff. BGB oder einer unkörperlichen Sacheinlage nochmalige Einzahlung sowie Rückzahlung des Entgelts aus § 812 BGB verlangen und überdies den Bereicherungsgegenstand behalten, was im wirtschaftlichen Ergebnis auf eine ungerechtfertigte Bereicherung der Gesellschaft hinauslaufe. Wenngleich sich die Frage einer Rückabwicklung verdeckter Sacheinlage durch die Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einstweilen erledigt hat, sind nach ARUG durchaus noch Konstellationen denkbar, in denen Nachgründungsgeschäfte infolge Unwirksamkeit rückabgewickelt werden müssen. Entsprechend der Jurisdiktion des BGH würden dann unverändert die allgemeinen bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB zur Anwendung kommen und mit ihnen wohl konsequenterweise auch die Saldotheorie.271 Ob und inwieweit sich im Rahmen der Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte der vom BGH befürchtete Wertungswiderspruch überhaupt noch stellt, ist daher fraglich, soll aber zunächst dahingestellt bleiben.272 268

Zur dogmatischen Neubewertung der Nachgründung siehe ausführlich unten Kapitel 7, Ziff. II., S. 149 ff. 269 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 20. Vgl. zudem den 2. Leitsatz. 270 Vgl. BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 20 f. 271 Sich explizit gegen den BGH und die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung „mit (ohnehin unpassender) Saldotheorie“ aussprechend und auch nach ARUG unverändert für eine Rückabwicklung nach § 62 AktG plädierend Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 9 m. w. N. 272 Zu den Einzelheiten der Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungen nach ARUG siehe unten Kapitel 10, Ziff. III., S.245 ff.

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2. Rheinmöve Die besondere Relevanz der Rheinmöve-Entscheidung für die vorliegende Untersuchung liegt vor allem darin begründet, dass die Prozessparteien im Unterschied zum Lurgi-Sachverhalt tatsächlich ein Nachgründungsverfahren durchgeführt hatten. Mithin standen sich verdeckte Sacheinlage und Nachgründung nicht nur theoretisch gegenüber, sondern kollidierten tatsächlich miteinander. Insoweit lassen sich dem Urteil für den hier maßgeblichen Kontext zwei weitere Kernaussagen entnehmen. a) (Wieder) keine Relevanz der Nachgründung – Unanwendbarkeit von § 52 AktG auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen Wie schon zuvor in seiner Lurgi I-Entscheidung stufte der Senat das Austauschgeschäft in casu als verdeckte (gemischte) Sacheinlage ein, da der streitgegenständliche Kaufvertrag im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung bereits vorabgesprochen war und zur Folge hatte, dass der Gegenwert des eingezahlten Einlagebetrages in Form eines Teils der in dem Kaufvertrag vereinbarten Übernahme der Verbindlichkeiten wieder zurückfloss.273 In diesem Zusammenhang führte der Senat seine Rechtsprechung in Sachen Lurgi I unbeirrt fort und judizierte abermals, dass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage nach ständiger Rechtsprechung auch im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG) gelten und durch die Vorschriften über die Nachgründung (§§ 52 f. AktG) nicht verdrängt werden.274 Überdies erteilte er unter Verweis auf die Ausführungen Habersacks insbesondere den von Martens geäußerten Bedenken gegen eine Anwendung der verdeckten gemischten Sacheinlage im Rahmen von Kapitalerhöhungen eine klare Absage.275 Ferner beharrte der Senat darauf, dass sowohl verdeckte Sacheinlagen als auch unwirksame Nachgründungsgeschäfte einheitlich nach §§ 812 ff. BGB unter Anwendung der Saldotheorie rückabgewickelt werden müssen – und nicht nach § 62 AktG.276 Insoweit ergibt sich aus der Rheinmöve-Entscheidung nichts bahnbrechend Neues.277 Ein durchaus neuer und interessanter Aspekt der Entscheidung beruht jedoch auf dem Umstand, dass die Prozessparteien den Kaufvertrag übereinstimmend als Nachgründungsgeschäft behandelt und dementsprechend ein vollständiges Nach273

BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 10. 274 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 11. Vgl. auch 1. Leitsatz. 275 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 14. 276 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 790 Tz. 15. 277 Zur Beurteilung der Kernaussagen der Lurgi I-Entscheidung siehe bereits oben Kapitel 5, Ziff. II. 1., S. 103 ff.

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gründungsverfahren durchgeführt hatten. Infolgedessen erweiterte bzw. konkretisierte der BGH seine Lurgi I-Entscheidung dahingehend, dass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalerhöhung auch dann nicht durch die Nachgründungsvorschriften verdrängt werden, wenn tatsächlich eine Nachgründungsprüfung nach § 52 AktG durchgeführt worden ist.278 Zur Begründung führte der Senat an, dass sich die Nachgründungsprüfung nicht auf die Ordnungsmäßigkeit der Kapitalerhöhung und auf die bei der Einlageleistung auf das erhöhte Kapital zu beachtenden Kautelen beziehe, sondern einen Umgehungsschutz dagegen bezwecke, dass die bei der Gründung zu beachtenden Vorschriften des § 27 AktG durch der Gründung nachgelagerte Austauschgeschäfte innerhalb der Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 AktG unterlaufen werden.279 Es gehe mithin um die Vermeidung einer verdeckten Sachgründung, nicht einer verdeckten Sachkapitalerhöhung.280 Die im Schrifttum umstrittene Anwendbarkeit von § 52 AktG auf eine offengelegte Sachkapitalerhöhung innerhalb der Zweijahresfrist ließ der BGH erneut offen. Überraschend ist zunächst die Deutlichkeit der gewählten Formulierung, dass die Vorschrift des § 52 AktG allein die Vermeidung einer verdeckten Sachgründung bezweckt.281 Noch in seiner Lurgi I-Entscheidung, auf die explizit verwiesen wird, erblickte der Senat den Normzweck der Nachgründung „vor allem“ im Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften und ließ damit Raum für mögliche weitere Schutzfunktionen.282 Dagegen legte er sich mit seinem neuerlichen Votum in dogmatischer Hinsicht mehr oder minder fest, indem etwaige andere Regelungszwecke unerwähnt blieben. Ferner konnte der BGH seinerzeit durch den Kunstgriff, für verdeckte Sacheinlagen und unwirksame Nachgründungen einfach eine einheitliche bereicherungsrechtliche Rückabwicklung anzunehmen, ausdrücklich offen lassen, ob § 52 AktG in den Fällen einer (verdeckten) Sachkapitalerhöhung neben § 183 AktG überhaupt anwendbar ist.283 Dies war ihm in Sachen Rheinmöve nun nicht mehr möglich, da ein Nachgründungsverfahren tatsächlich durchgeführt worden war und mithin die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Kaufvertrags im Raum stand. Insoweit zeichnete sich bereits eine Kollision unterschiedlicher Rechtsfolgen ab, wie dies insbesondere nach ARUG der Fall ist.284 Diese Situation 278 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 11. Vgl. auch 1. Leitsatz. 279 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 11. 280 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 11. 281 Hierauf zu Recht hinweisend Böttcher, NZG 2008, 416, 417. 282 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 18. 283 So ausdrücklich BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 19. 284 Während sich nach ARUG jedoch die (schwebende) Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG und die Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG gegenüberstehen, handelte es sich bei „Rheinmöve“ um den umgekehrten Fall der Wirksamkeit unter dem Nachgründungsaspekt und die Unwirksamkeit als verdeckte Sacheinlage.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

bereinigte der BGH nun durch einen weiteren Kunstgriff, indem er aus den bereits genannten dogmatischen Gründen die Anwendbarkeit der Nachgründung auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen ablehnte und hierdurch seine Lurgi I-Entscheidung weiter konkretisierte.285 Auf diese Weise löste der Senat die Konfliktkonstellation geschickt auf, ohne näher auf die Problematik unterschiedlicher Rechtsfolgen eingehen zu müssen. Ob vor dem Hintergrund der nunmehr wesentlich entschärften Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen noch an der Unanwendbarkeit von § 52 AktG auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen festzuhalten ist, erscheint fraglich.286 Jedenfalls die insoweit unbeantwortet gebliebene Rechtsfolgenproblematik stellt sich indes nach ARUG mit gesteigerter Dringlichkeit. b) Keine Heilung nach § 52 Abs. 10 AktG (a. F.) Wiederum auf recht apodiktische Weise judizierte der BGH schließlich, dass die Anwendung der Grundsätze der verdeckten Sacheinlage auch nicht an § 52 Abs. 10 AktG (a. F.) scheitere.287 Die Vorschrift legitimiere nicht etwa eine verdeckte Sacheinlage bei einer Kapitalerhöhung, sondern stelle lediglich klar, dass ein bei einer Gründung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG (a. F.) unwirksam abgeschlossenes Geschäft im Rahmen des § 52 AktG wirksam neu abgeschlossen werden könne.288 Die sich daraus ergebende Rechtslage im Aktienrecht wurde seinerzeit als einigermaßen „prekär“ erachtet, da weder die Umwandlung in eine offene Sacheinlage im Wege der Satzungsänderung noch die Durchführung eines Nachgründungsverfahrens an den strikten Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen nachträglich noch etwas zu ändern vermochten.289 Mit der Wirksamkeitsanordnung in § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG und der damit einhergehenden ersatzlosen Streichung der §§ 27 Abs. 4, 52 Abs. 10 AktG (a. F.) sind indes diejenigen Normen entfallen, die bisher einer Heilung verdeckter Sacheinlagen im Wege nachträglicher Satzungsänderung entgegenstanden bzw. auf die sich die herrschende Literaturmeinung mit ihren Heilungsvorschlägen zentral gestützt hatte. Wenngleich sich nach ARUG die Frage nach dem Sinn einer Heilung stellt und wie diese auf Grundlage des neuen Rechts richtiger Weise zu vollziehen ist,290 gilt es an dieser Stelle im Hinblick auf die Rheinmöve285 Offen gelassen hat der Senat nur noch die Frage nach der Anwendbarkeit des § 52 AktG auf offengelegte Sachkapitalerhöhungen – also immer dann, wenn von vornherein eine verdeckte Sacheinlage nicht in Betracht kommt. 286 Zu den Einzelheiten der Anwendbarkeit von § 52 AktG auf Sachkapitalerhöhungen siehe unten Kapitel 9, Ziff. III., S. 207 ff. 287 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 12. 288 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 12. 289 Schäfer, in: FS Hüffer, 2010, S. 863, 864. 290 Zu den Einzelheiten der Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG siehe unten Kapitel 11, Ziff. II., S. 263 ff.

Kapitel 5: Der jüngste Dreisatz des BGH vor ARUG

113

Entscheidung festzuhalten, dass jedenfalls die zweite Kernaussage für das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung mittlerweile überholt ist.

3. Lurgi II Ausgangspunkt der als Lurgi II bezeichneten Entscheidung war die nunmehr auf § 812 BGB (und nicht mehr auf § 62 AktG) gestützte Klage des Insolvenzverwalters, mit der er zusätzlich zur Rückzahlung des Werklohns den Anspruch auf (erneute) Zahlung des Ausgabebetrages der im Rahmen der Kapitalerhöhung gezeichneten Aktien in Höhe von mehr als 300.000 EUR nebst Zinsen geltend machte.291 a) Bestätigung Lurgi I und Rheinmöve Zunächst hielt der BGH unter ausdrücklichem Verweis auf seine Lurgi I-Entscheidung auch nach erneuter Prüfung daran fest, dass aufgrund des Vorliegens einer verdeckten Sacheinlage die Bareinlage nicht wirksam geleistet worden und der Ausgabebetrag der Aktien deshalb erneut einzuzahlen sei.292 Ferner stellte der BGH unter Bezugnahme auf die Rheinmöve-Entscheidung klar, dass es insoweit für den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage, bei der es einzig um die zutreffende Erfassung eines wirtschaftlichen Vorgangs gehe, auf eine gegenständliche Identität der von dem Inferenten ein- und der an ihn zurückgezahlten Geldmittel nicht ankomme.293 b) Einbeziehung des Bareinlageanspruchs in die Saldierung Darüber hinaus hielt der Senat auch vor dem Hintergrund des Aufrechnungsverbots nach § 66 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG an der Anwendbarkeit der Grundsätze der Saldotheorie fest und stellte klar, dass sich ein Bereicherungsanspruch nur insoweit ergeben kann, als nach der ipso jure eintretenden Saldierung sämtlicher Beund Entreicherungsposten ein Überschuss verbleibe.294 In diese Saldierung sei auch 291 Diese Klageänderung bzw. -erweiterung auf die Einlageforderung hielt das Berufungsgericht für nicht sachdienlich i. S. v. § 533 Nr. 1 Alt. 2 ZPO und wies die Berufung zurück. Dem schloss sich der BGH jedoch nicht an, da der neu geltend gemachte Anspruch an den bisherigen Prozessstoff anknüpfe und infolgedessen durchaus sachdienlich sei. Daraufhin kam es zur erneuten Entscheidung des BGH in der Sache selbst. Vgl. BGH, Urt. v. 11. 05. 2009 – Az.: II ZR 137/08 – „Lurgi II“ = ZIP 2009, 1155, 1156 Tz. 6 f. 292 BGH, Urt. v. 11. 05. 2009 – Az.: II ZR 137/08 – „Lurgi II“ = ZIP 2009, 1155, 1156 Tz. 10. 293 BGH, Urt. v. 11. 05. 2009 – Az.: II ZR 137/08 – „Lurgi II“ = ZIP 2009, 1155, 1156 Tz. 11. 294 BGH, Urt. v. 11. 05. 2009 – Az.: II ZR 137/08 – „Lurgi II“ = ZIP 2009, 1155, 1157 Tz. 15.

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1. Teil: Rechtshistorische Betrachtung

der Bereicherungsanspruch des Inferenten wegen unwirksamer Bareinlageleistung einzubeziehen, weil diese Teil des zusammengehörenden Geschäfts der verdeckten Sacheinlage sei und der (scheinbaren) Bareinlageleistung schon ihr Rückfluss aus dem unwirksamen Verkehrsgeschäft gegenüberstehe.295 Mit anderen Worten kommt der Senat hier zu dem Ergebnis, dass sich die erste nur zum Schein erbrachte Bareinlage und deren Rückzahlung aus dem späteren Verkehrsgeschäft schon von Rechts wegen gegenseitig aufheben. Dann muss aber eine verbotene Aufrechnung bereits im Ansatz ausscheiden. Derartige Fragen einer Saldierung etwaiger Bereicherungsansprüche stellen sich infolge der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG jedenfalls für verdeckte Sacheinlagen nicht mehr. Insoweit ist den diesbezüglichen Ausführungen des BGH nach ARUG der normative Boden entzogen.

III. Fazit Abschließend bleibt festzuhalten, dass der BGH in sämtlichen Entscheidungen – wohl sehr zur Verwunderung der Prozessparteien selbst einschließlich der vorinstanzlich mit dem Prozessstoff betrauten Gerichte – dem Aspekt der Nachgründung keine entscheidende Relevanz beimaß, sondern maßgeblich die Grundsätze der verdeckten (gemischten) Sacheinlage anwandte. Freilich ist die Rechtsprechung des BGH in weiten Teilen angesichts der neuen Rechtslage offenkundig überholt, da die betreffenden Verkehrsgeschäfte nunmehr wirksam bleiben, obwohl sie verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand haben, § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG. So haben sich nach neuem Recht die bereicherungsrechtlichen Konstruktionen jedenfalls für verdeckte Sacheinlagen erübrigt. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen zur Heilungsproblematik und § 52 Abs. 10 AktG a. F. hinfällig geworden. Dieser Befund ist wenig überraschend, war angesichts des gesetzgeberischen Eingriffs in die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage auf Rechtsfolgenseite doch nichts anderes zu erwarten. Bestand hat die Rechtsprechung des BGH dagegen grundsätzlich auch nach ARUG, soweit sie die Umschreibung des Tatbestands verdeckter Sacheinlagen und deren Anwendung im Rahmen verdeckter (gemischter) Sachkapitalerhöhungen betrifft. Auch damit war zu rechnen. Weniger vorhersehbar und insoweit überraschend sind jedoch die Auswirkungen des ARUG hinsichtlich der Thesen und Argumentationen, welche der BGH in Bezug auf die Rechtsfigur der Nachgründung aufgestellt hat. Obwohl die Anwendbarkeit des § 52 AktG in casu stets verneint wurde, konnte der Senat dennoch umfassende Äußerungen diesbezüglich nicht vermeiden. Bedenken begegnet nach ARUG aufgrund ihrer Absolutheit die These der Lurgi I-Entscheidung, wonach die Grundsätze 295 BGH, Urt. v. 11. 05. 2009 – Az.: II ZR 137/08 – „Lurgi II“ = ZIP 2009, 1155, 1157 Tz. 15. Vgl. auch 1. Leitsatz.

Kapitel 5: Der jüngste Dreisatz des BGH vor ARUG

115

der verdeckten Sacheinlage durch die Nachgründung nicht verdrängt werden. Auch die vom BGH in seinem Rheinmöve-Urteil angenommene Unanwendbarkeit von § 52 AktG auf Fälle verdeckter Sachkapitalerhöhungen ist zu hinterfragen. Problematisch erscheinen in diesem Zusammenhang insbesondere die vom BGH angestellten dogmatischen Erwägungen. Schließlich trägt der insoweit erkennbare Gedanke einer einheitlichen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung nach den §§ 812 ff. BGB unter Anwendung der Saldotheorie nach ARUG nicht mehr ohne Weiteres. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass durch die mit ARUG geschaffene Rechtslage den Grundsatzurteilen des BGH – Lurgi I, Rheinmöve und Lurgi II – und dem Bestand der darin getroffenen Kernaussagen in weit größerem Umfang die Grundlage entzogen wurde, als zunächst zu vermuten stand. Dies mag wegen der bereits als solchen erkannten Intensität des gesetzgeberischen Eingriffs nicht weiter verwundern. Indes gilt es, die hierdurch (wieder) erstarkten Zweifelsfragen in den nachfolgenden Kapiteln überzeugenden Lösungen zuzuführen.

Zweiter Teil

Das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung i. e. S. – Dogmatische Standortbestimmung von § 52 AktG innerhalb des aktienrechtlichen Kapitalschutzsystems nach ARUG Aufbauend auf der Untersuchung der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte von Nachgründung und verdeckter Sacheinlage soll im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit das Verhältnis der beiden Rechtsfiguren im engeren Sinne behandelt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Frage, ob und – wenn ja – wie sich beide Rechtsfiguren unter dogmatischen Gesichtspunkten stimmig in das aktienrechtliche Kapitalschutzsystem einordnen lassen. Hinsichtlich des „OB“ sind die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen der entscheidende Anknüpfungspunkt zur Ergebnisfindung. Zwar ist die dogmatische Einordnung verdeckter Sacheinlagen als Umgehung der Sacheinlagevorschriften und dementsprechend die Zuordnung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen zum Kapitalaufbringungsschutz allgemeine Meinung in Literatur und Rechtsprechung.296 Allerdings wird die Zulässigkeit einer solchen Umgehung unterschiedlich beurteilt. Namentlich geht es dabei um die Anerkennung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“, die jedenfalls vor ARUG unterschiedlich beantwortet wurde und im Ergebnis eng mit der Existenz der Nachgründungsvorschriften verbunden war. Dagegen wird das „WIE“ – und damit die eigentliche Verhältnisfrage i. e. S. – maßgeblich über die dogmatische Einordnung der Nachgründung definiert. Die zentrale Bedeutung einer Standortbestimmung von § 52 AktG für die Verhältnisklärung lässt bereits die Überschrift zum zweiten Teil der Untersuchung anklingen. Doch obwohl die Nachgründungsvorschriften seit über 130 Jahren zum festen Bestandteil des Aktienrechts zählen und Gegenstand zahlreicher Aufsätze, Monografien und höchstrichterlicher Entscheidungen waren, ist ihre exakte dogmatische Einordnung nach wie vor sehr umstritten. Das in diesem Zusammenhang anzutreffende Meinungsspektrum ist wenig einheitlich und nimmt bisweilen verwirrende Züge an, wobei sich vor allem die wechselvolle Historie der Norm erschwerend auswirkt. Indes will sich die vorliegende Arbeit nicht mit der bloßen Ordnung und Besprechung des Streitstandes begnügen (§ 6), sondern darüber hinaus einen Beitrag zur sinnvollen dogmatischen Neubewertung der Nachgründungsregelungen und 296 Vgl. statt aller Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 4 ff. m. w. N.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

117

ihres Verhältnisses i. e. S. zur verdeckten Sacheinlage leisten (§ 7). Abgeschlossen wird mit einem Befund samt Ausblick (§ 8). Kapitel 6

Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung in Rechtsprechung und Literatur Nachfolgend sollen die in der Rechtsprechung und Literatur anzutreffenden Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung dargestellt und auf ihre Tragfähigkeit hin untersucht werden, insbesondere unter Berücksichtigung der durch das ARUG geschaffenen Rechtslage.

I. Streit um die Berechtigung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ Schon aus denklogischen Gründen stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung auf dogmatischer Ebene überhaupt nur dann, wenn im Ausgangspunkt die Existenz beider Rechtsfiguren bejaht wird. Diesbezüglich wurden in der Vergangenheit verschiedentlich grundsätzliche Bedenken gegen die Berechtigung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ geäußert. Seinen letzen Höhepunkt erreichte dieser Streit in den Jahren 1989 und 1990.

1. Mindermeinung: Ablehnung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ Seinerzeit sind in Teilen der Literatur verschiedentlich bereits grundsätzliche Einwände gegen die Lehre von der verdeckten Sacheinlage erhoben worden.297 Zentral wurden dabei zwei Argumente vorgetragen. Als originär aktienrechtliches Argument wurde angeführt, dass sich der historische Gesetzgeber in Gestalt der Nachgründungsregelung bewusst gegen das Institut der verdeckten Sacheinlage entschieden habe, weshalb nach der Gründung abgeschlossene Geschäfte allein den Schranken des § 52 AktG und der Verantwortlichkeit der Vertretungsorgane unter297 Mit Unterschieden im Einzelnen Bergmann, AG 1987, 57, 66 ff.; Wilhelm, ZHR 152 (1988), 333 ff.; Meilicke, Die „verschleierte“ Sacheinlage, S. 43 ff.; ders., DB 1989, 1067 ff.; Loos, AG 1989, 381, 386; Einsele, NJW 1996, 2681, 2685; zuletzt erneut Wilhelm, ZHR 167 (2003), 520, 524 ff.

118

2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

liegen sollten.298 Ferner wurde die Europarechtskonformität mit der Begründung in Frage gestellt, die Bestimmungen in Art. 10 und 11 KapRL, die Sacheinlage und Nachgründung zum Gegenstand haben, seien abschließend im Sinne eines Höchststandards zu verstehen und stünden damit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage entgegen.299

2. Herrschende Meinung: Anerkennung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen Dieser Mindermeinung hat sich jedoch die ganz herrschende Meinung entgegengestellt, die das Rechtsinstitut der verdeckten Sacheinlagen ungeachtet aktienund gemeinschaftsrechtlicher Bedenken anerkennt.300 Zur Begründung wurde auf die Fälle verdeckter Sacheinlagen hingewiesen, die zeigten, dass insbesondere die Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes im Hinblick auf seine Abhängigkeit von den Gründern nicht ausreiche, um die Kapitalaufbringung sicherzustellen.301 Zudem könne aufgrund der tatbestandlichen Beschränktheit der Nachgründungsregelung und des Verzichts auf subjektive Erfordernisse nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber Umgehungen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 52 AktG in Widerspruch zur präventiven externen Kontrolle durch besondere Gründungsprüfer und das Registergericht zulassen wollte.302 Mit anderen Worten handelt es sich bei § 52 AktG gerade nicht um eine abschließende Regelung verdeckter Sacheinlagen. Dezidiert hat sich der BGH mit dem Streit um die Berechtigung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ in seiner IBH/Lemmerz-Entscheidung auseinandergesetzt und darin sowohl den aktienrechtlichen als auch den gemeinschaftsrechtlichen Bedenken eine eindeutige Absage erteilt.303 Zum einen stellte er klar, dass die Vorschriften über die Nachgründung die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage 298

Wilhelm, ZHR 152 (1988), 333, 350; Meilicke, Die „verschleierte“ Sacheinlage, S. 43. Vgl. Schlussanträge des GA Tesauro in RS C-83/91, Slg. 1992 I, 4897, 4913 = ZIP 1992, 1036, 1040, 1042. 300 Schrifttum: Henze, ZHR 154 (1990), 105 ff.; Joost, ZIP 1990, 549, 555 ff.; Priester, DStR 1990, 770 ff.; Ulmer, ZHR 154 (1990), 128 ff.; Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1448; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 85 ff.; Rechtsprechung: RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99 ff. – „Schrauben- und Mutterfabrik“; 157, 213 ff.; 167, 99 ff.; diese Rechtsprechung fortführend BGH, BGHZ 28, 314 ff.; 83, 319 ff.; 96, 231 ff.; 110, 47 ff. – „IBH/Lemmerz“; 113, 335 ff.; 118, 83 ff. – „BuM“; 122, 180 ff.; 135, 381 ff.; 173, 145 ff. – „Lurgi I“; 175, 265 ff. – „Rheinmöve“. 301 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 85 ff. m. w. N. 302 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 85 ff. m. w. N. 303 BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47 ff. 299

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

119

nicht ausschließen und insbesondere für die Gründung der Aktiengesellschaft und für die Kapitalerhöhung keine abschließende Regelung über Umgehungen der Bestimmungen zum Schutz der Kapitalaufbringung enthielten.304 Deshalb müsse auch eine im Einzelfall festgestellte Umgehung der Schutzvorschriften (in Gestalt verdeckter Sacheinlagen) nicht sanktionslos bleiben.305 Zum anderen maß er der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der Nachgründung in Art. 11 KapRL lediglich die Bedeutung eines Mindeststandards bei und befindet sich damit auf der Linie des Schrifttums, das ebenfalls davon ausgeht, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen ist, in Gestalt der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen einen weitergehenden Schutz vorzuschreiben.306 Der BGH verneinte im zu entscheidenden Fall eine Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH. Zwar erhielt der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens doch noch die Gelegenheit, sich zu jenem gemeinschaftsrechtlichen Aspekt zu äußern, sah aber aufgrund der rein hypothetischen Fragestellung in casu keine Veranlassung darüber zu entscheiden, ob die Rechtslehre von der verdeckten Sacheinlage mit Art. 11 Abs. 1 KapRL vereinbar ist.307

3. Stellungnahme Die rein aktienrechtlichen Bedenken der Gegner der Lehre von der verdeckten Sacheinlage sind nach ARUG jedenfalls infolge der positivgesetzlichen Regelung der Rechtsfigur in § 27 Abs. 3 AktG nicht mehr haltbar. Der Gesetzgeber hat sich nun ausdrücklich für die Anerkennung dieser Grundsätze entschieden und zu diesem Zweck eine Legaldefinition aufgenommen.308 Wenngleich dies unter Abänderung der Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen geschah, so wurde dennoch deutlich, dass es sich bei den Nachgründungsvorschriften nach der Vorstellung des modernen Gesetzgebers gerade nicht um eine abschließende Regelung handeln soll. Ausdrücklich erklärt er unter Verweis auf die Rechtsprechung weder das nationale Nachgründungsrecht in § 52 AktG noch die korrespondierende europarechtliche Regelung in Art. 11 KapRL für abschließend in dem Sinne, dass sie die Anwendbarkeit der Regelung zur verdeckten Sacheinlage ausschließen.309 Damit folgte der Gesetzgeber der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum. 304

BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 56. Vgl. auch 1. Leitsatz. 305 BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 56. Vgl. auch 1. Leitsatz. 306 BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 68 ff. Vgl. nach ARUG: Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 106 m. w. N. 307 EuGH, Urt. v. 16. 07. 1992, Rechtssache C83/91 = ZIP 1992, 1076 ff. 308 Zur Kritik an der dafür gewählten Umschreibung bei Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 26 m. w. N. 309 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Infolge der Liberalisierung verdeckter Sacheinlagen durch das ARUG sieht sich ferner die gemeinschaftsrechtlich begründete Kritik aus Teilen des Schrifttums entkräftet. Mit Wegfall der strikten Unwirksamkeitsfolge ist selbst der von der Mindermeinung befürwortete Status von Art. 11 KapRL als Höchststandard nicht mehr gefährdet, da die Wirksamkeitsfolge nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG nun qualitativ hinter der Unwirksamkeit nach § 52 Abs. 1 AktG zurückbleibt. Zwar stellt sich nun die Frage, ob die Anrechnungslösung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG dem Gebot der praktischen Wirksamkeit der Art. 3 lit. h, 10 KapRL entspricht.310 Allerdings lassen sich hieraus zumindest keine Einwendungen grundsätzlicher Natur mehr gegen die verdeckte Sacheinlage ableiten. De lege lata begegnen die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen somit weder aktienrechtlichen noch gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Da es sich bei dem Streit um die grundsätzliche Anerkennung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage angesichts der gesetzlichen Normierung in § 27 Abs. 3 AktG somit um ein „totes Rennen“ handelt, erscheint auch eine weitere Stellungnahme zu den seinerzeit ausgetauschten Argumenten überflüssig.311 Lediglich in der gebotenen Kürze ist daher zur Intention des historischen Gesetzgebers von 1884 anzumerken, dass dieser zwar eine konkrete Umgehungsabsicht ursprünglich im Rahmen des Haftungsanspruchs nach Art. 213f Abs. 5 ADHGB 1884 hatte anklingen lassen. Allerdings war jener subjektive Umstand allein für die Gründerverantwortlichkeit relevant und gehörte somit gerade nicht zum Tatbestand der Nachgründung. Gegen einen abschließenden Regelungscharakter spricht überdies, dass es sich originär um eine Regelung als spezifische Reaktion auf Krisenerscheinungen der Gründerjahre handelte, deren Normierung im Anschluss an die Abkehr vom Konzessionssystem erst am Beginn der nun einsetzenden Verfeinerungen des Normativsystems steht. Insbesondere von der späteren „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ und deren wesentlichem Kerngehalt konnte der Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis haben, so dass er deren separate Wertungen bezüglich einer Vorabsprache der Gründer nicht ansatzweise in seine Überlegungen einbezog. Dies war ihm erst im Rahmen der Aktienrechtsreform von 1937 möglich. Hier aber versuchte der Gesetzgeber mit § 45 Abs. 9 AktG 1937 bzw. § 52 Abs. 10 AktG (a. F.) erkennbar das Verhältnis beider Institute klarzustellen und ging somit gerade nicht von einem abschließenden Regelungscharakter der Nachgründung aus. Weder die Entstehungsnoch die weitere Entwicklungsgeschichte der Nachgründung lassen daher den Schluss zu, es habe sich bei der Nachgründung je um eine abschließende Umgehungsregelung zur Verschleierungsproblematik bei Sachgründungen gehandelt.

310 Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 106. Zu den Einzelheiten siehe unten Kapitel 10, Ziff. I. 1. lit. b), S. 216 ff. 311 Ausführliche Streitdarstellung und Diskussion noch bei Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 85 ff.; Röhricht, in: Großkommentar, AktG, Erster Band: §§ 1 – 53, 4. Auflage 2004, § 27 Rn. 190 f.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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II. Herrschende Meinung: Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalaufbringung Angesichts der grundsätzlichen Anerkennung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage ergab sich für die Vertreter der herrschenden Meinung jedoch eine unausweichliche Folgefrage, die sich wie folgt formulieren ließe: Wenn die Nachgründung den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen nicht entgegensteht, wie verhält sie sich dann stattdessen zu ihr? Damit ist nichts anderes als die Frage nach dem Verhältnis beider Rechtsfiguren im engeren Sinne, das heißt auf abstrakt-dogmatischer Ebene aufgeworfen. An dieser Grundproblematik hat sich auch und gerade nach ARUG mit der gesetzlichen Normierung verdeckter Sacheinlagen in § 27 Abs. 3 AktG nichts geändert. Die Frage stellt sich folglich mit unveränderter Dringlichkeit.

1. Umgehungsschutz als primärer Regelungszweck der Nachgründung Mit Unterschieden im Einzelnen nimmt die herrschende Meinung übereinstimmend die Position ein, dass der Normzweck des § 52 AktG primär im Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften besteht und dementsprechend dem Recht der Kapitalaufbringung zuzuordnen ist.312 In dogmatischer Hinsicht verortet die herrschende Meinung die Nachgründung mithin gemeinsam mit den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen auf Ebene des Kapitalaufbringungsschutzes. Damit ist jedoch noch kein taugliches Abgrenzungskriterium gefunden. a) Lutter/Gehling – Differenzierung konkreter und abstrakter Umgehungsschutz Als richtungweisend ist in diesem Zusammenhang der Ansatz von Lutter/Gehling hervorzuheben. Soweit ersichtlich, gebührt ihnen das Verdienst, als erste anhand der Unterscheidung zwischen konkretem Umgehungsschutz einerseits und abstraktem Umgehungsschutz andererseits das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung auf Ebene der Kapitalaufbringung definiert zu haben. Für den Um312

Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 6; Habersack, ZGR 2008, 48, 59; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 1; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 2; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 13 f.; Arnold, in Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 2; Wachter, in: Wachter, AktG, 1. Auflage 2012, § 52 Rn. 2; Körber, in: Bürgers/Körber, Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 1; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 52 Rn. 2; so zuletzt auch ausdrücklich BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = BGHZ 173, 145 ff.; BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = BGHZ 175, 265 ff.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

gehungsschutz der Nachgründungsvorschriften sei kennzeichnend, dass von der Feststellung eines konkreten Umgehungszusammenhangs abstrahiert werde.313 Aufgrund der gesetzlichen Typisierung der Umgehungsvoraussetzungen und deren Fassung in leicht feststellbare Tatbestandsmerkmale aus Beweisgründen seien die betroffenen Nachgründungsverträge schließlich einer unwiderlegbaren Umgehungsvermutung ausgesetzt.314 Dabei sei dann „völlig losgelöst“ von dem abstrakten Umgehungsschutz der konkrete Umgehungsschutz in Gestalt der Grundsätze der verdeckten Sacheinlage zu beurteilen, der gerade nicht auf der Anwendung des Vermutungstatbestandes gründe.315 Demgegenüber stellt der präventive Kapitalaufbringungsschutz der §§ 27 Abs. 1, 183 Abs. 1 AktG nach Lutter/Gehling in erster Linie eine Handlungsanweisung an die Beteiligten dar, deren Wortlaut („soll“) nicht dahin verstanden werden könne, dass die Gesellschaftsorgane selbst bestimmen, welche Erwerbsvorhaben nach den Sacheinlage- und Sachübernahmevorschriften abgewickelt werden und welche nach den Regeln eines normalen Umsatzgeschäfts.316 Mit anderen Worten sind sie in der Wahl des Erwerbsweges nicht mehr frei, sondern unterliegen der Handlungsanweisung des Gesetzes. Die unwiderlegbare Umgehungsvermutung der Nachgründungsregelung dient damit allein der Durchsetzung der Sachgründungsvorschriften, indem die Sachgründungskautelen bei allen Erwerbsgeschäften zur Anwendung kommen, die schon bei der Errichtung hätten vorgenommen werden können oder sollen.317 Nach Lutter/Gehling besteht der Normzweck der Nachgründung also allein darin, die Sachgründungsvorschriften als verbindliche Handlungsanweisung vor Umgehungen zu schützen. Hierzu erstreckt § 52 AktG die Sachgründungskautelen sinngemäß auch auf Erwerbsgeschäfte mit bestimmten typisierten Merkmalen, die der Gründung nachgelagert sind. Folglich stehen nach ihrer Konzeption Nachgründung und verdeckte Sacheinlage als Rechtsfiguren des Kapitalaufbringungsschutzes grundsätzlich unabhängig nebeneinander. b) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor ARUG Der soeben dargestellten Unterscheidung zwischen abstraktem und konkretem Umgehungsschutz hat sich auch der BGH in seiner IBH/Lemmerz-Entscheidung grundsätzlich angeschlossen.318 In jener Entscheidung hatte er die Nachgrün313

Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1450. Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1450. 315 Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1450. 316 Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1450 f. 317 Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1451 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung von 1884 („können oder sollen“). 318 BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 59 f. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Lutter/Gehling WM 1989, 1445 ff. 314

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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dungsvorschriften jedoch allgemein als „Schutzmaßnahme gegenüber der Einflussnahme der Gründer“ verstanden und damit eine exakte dogmatische Einordnung im Ergebnis noch offen gelassen.319 Dagegen erblickte der BGH im Rahmen seiner Lurgi I-Entscheidung den Zweck des § 52 AktG „vor allem“ im Umgehungsschutz der Vorschriften des § 27 AktG und dementsprechend „in erster Linie“ in der Sicherung der Kapitalaufbringung.320 Er ging folglich mit der ganz herrschenden Meinung davon aus, dass der typisierende Umgehungsschutz des § 52 AktG in Fällen, in denen eine den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfassende Abrede zwischen der Gesellschaft und dem Inferenten existiert (oder zu vermuten ist), durch den konkreten Umgehungsschutz in Gestalt der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage ergänzt wird.321 Schließlich blendete der Senat in seinem Rheinmöve-Urteil auch etwaige weitere Schutzzwecke der Nachgründung aus und erblickte den Regelungszweck des § 52 AktG allein im Umgehungsschutz der bei der Gründung zu beachtenden Vorschriften des § 27 AktG.322 Damit befindet er sich nun nicht nur argumentativ, sondern auch dogmatisch auf dem zuvor von Lutter/Gehling eingeschlagenen Weg.

2. Sekundärer Normzweck der Nachgründung: Schutz vor Einflussnahme der Gründer Wie soeben dargestellt, besteht in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich des vorrangigen Ziels von § 52 AktG Einigkeit darüber, dass eine Umgehung der Sachgründungsvorschriften verhindert werden soll. Neben diesem primären Regelungszweck wird jedoch maßgeblich in der Kommentarliteratur der „Schutz vor einer Einflussnahme der Gründer“ als sekundäres Ziel der Nachgründung betont, ohne jedoch die dogmatische Zuordnung zum Recht der Kapitalaufbringung in Frage zu stellen.323 Diesen Interpretationsansatz hatte der BGH zuvor bereits in seiner IBH/ 319

BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 55. So die Formulierungen in BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754. Ausführlich siehe oben Kapitel 5, Ziff. II. 1., S. 103 ff. 321 Habersack, ZGR 2008, 48, 59 – zugleich Besprechung BGH, Urt. v. 09. 07. 2007, II ZR 62/06 – „Lurgi I“. 322 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789. Ausführlich siehe oben Kapitel 5, Ziff. II. 2., S. 110 ff. 323 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 1 (unter Verweis auf BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47 ff. so schon seit der 2. Auflage 1995): „Schutz vor übermäßiger Einflussnahme der Gründer“; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 6; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 2: „Schutz vor unzulässigen Übergriffen der Gründer“; Lieder, ZIP 2010, 964, 969; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 6; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 13; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 2; Wachter, in: Wachter, AktG, 1. Auflage 2012, § 52 320

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Lemmerz-Entscheidung am Rande anklingen lassen. Sofern dieses Ergebnis überhaupt eine nähere Begründung erfährt, wird angeführt, dass die Kapitalaufbringung nicht ausschließlich zeitpunktbezogen verstanden werden dürfe.324 Obwohl sich die Anwendungsbereiche von § 52 AktG und § 57 AktG insoweit als konzentrische Kreise erweisen, sei die Zielrichtung der Nachgründungsvorschriften auf die Kapitalaufbringung beschränkt (mögen sich deren Schutzwirkungen auch erst zu einem späteren Zeitpunkt realisieren), weshalb sie nicht der Kapitalerhaltung diene.325 Priester spricht in diesem Kontext von der Nachgründung als „nachlaufende Kapitalaufbringungssicherung“ und betont, dass sich die Einflussnahme durch die Gründer auf die Wertrelation von Sachwert und Gegenleistung der Gesellschaft beziehen müsse, nicht auf sonstige Aktivitäten des Vorstandes.326 Weniger eindeutig spricht Koch von einer „vorläufigen Kapitalverwendungskontrolle“, da aufgrund der durch die Überscheitung der 10 %-Wertgrenze indizierten Gefährlichkeit des Geschäfts für die junge Gesellschaft dieses grundsätzlich durch die Hauptversammlung abgesegnet werden müsse und nicht allein dem durch die Gründer oder einen Großaktionär beeinflussbaren Vorstand überlassen bleiben dürfe.327 Es werden daher zwar durchaus Bezüge der Nachgründung zum Recht der Kapitalerhaltung erwähnt und anerkannt, namentlich zu § 57 AktG. Allerdings werden hiermit keinerlei dogmatische Rückschlüsse für § 52 AktG verbunden.

3. Stellungnahme a) Einseitige Standortbestimmung von § 52 AktG aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen Für die zutreffende Beurteilung der herrschenden Meinung und ihrer Folgeschlüsse ist es zunächst unerlässlich, sich den Streit um die grundsätzliche Anerkennung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ ins Gedächtnis zu rufen. Wie erinnerlich, wurde die Existenzberechtigung jener richterrechtlichen Grundsätze maßgeblich unter Verweis auf den vermeintlich abschließenden Regelungscharakter von § 52 AktG abgelehnt. Eine solche Argumentation setzt jedoch gedanklich Rn. 2: „Schutz vor unzulässigen Beeinflussung durch Gründer und Aktionäre“; Körber, in: Bürgers/Körber, Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 1; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 52 Rn. 2. 324 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 14, der insoweit jedoch freimütig einräumt, dass innerhalb der zweijährigen Kontrollperiode der Nachgründung im Ergebnis eine Sicherung der Kapitalerhaltung stattfinde, was allerdings nicht Intention der Vorschrift sei. 325 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 2; Heidinger, in: Spindler/Stilz, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 5. 326 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 13 f. 327 Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 38.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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voraus, sowohl verdeckte Sacheinlage als auch Nachgründung gemeinsam dem Kapitalaufbringungsschutz zuzuordnen – denn schon aus denklogischen Gründen kann sich gegenseitig nur ausschließen, was sich funktional auf einer Ebene gegenübersteht. Daraus ergab sich für die herrschende Meinung zum einen ein latenter Rechtfertigungszwang, weil sie für die Nachgründung ein Erklärungsmodell finden musste, um sie auf Kapitalaufbringungsebene mit den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen in Einklang bringen zu können. Zum anderen war damit auch der Ausgangspunkt einer möglichen Standortbestimmung von § 52 AktG dahingehend determiniert, dass diese aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen erfolgen musste, da es letztere gerade zu rechtfertigen galt. Im Ergebnis übernahm die herrschende Meinung damit die unausgesprochene Grundannahme der Gegenauffassung, dass beide Rechtsinstitute allein unter Kapitalaufbringungsgesichtspunkten zu beurteilen seien. Schließlich entwickelten Lutter/Gehling aus dieser Perspektive heraus ihre Unterscheidung zwischen abstraktem und konkretem Umgehungsschutz für die Sachgründungsvorschriften und legten damit ersichtlich eine einheitliche dogmatische Einordnung von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung als Kapitalaufbringungsschutz zugrunde. Indem sie auf die typisierenden Tatbestandsmerkmale des § 52 AktG hinwiesen, erschien ein ergänzender konkreter Umgehungsschutz in Gestalt der Lehre von der verdeckten Sacheinlage nicht mehr a limine ausgeschlossen. Damit war ein plausibles Erklärungsmodell gefunden, das für sich durchaus in Anspruch nehmen kann, ein vergleichsweise fassbares und einleuchtendes Differenzierungsmerkmal gefunden zu haben. So weist die Nachgründung in Gestalt ihrer Tatbestandsmerkmale bezüglich des zeitlichen, sachlichen und personellen Anwendungsbereichs in der Tat einen generalisierenden und stark abstrahierenden Normcharakter auf und unterscheidet sich hierin von den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen. Deren objektiver Kern liegt wiederum in einer einzelfallabhängigen Aufspaltung des wirtschaftlich einheitlichen Sacheinlagevorgangs in eine nur scheinbare Bareinlageleistung und einen Mittelrückfluss infolge des Gegengeschäfts; hinzutreten muss ferner eine subjektive Abrede zwischen den Beteiligten, die im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlagepflicht steht.328 Insgesamt stellt sich der dogmatische Klärungsversuch der herrschenden Meinung für die Nachgründung somit als unmittelbare Folge des Streits über die Anerkennung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ dar und ist vor diesem Hintergrund auch konsequent. Wenn man Lutter/Gehling daher einen Vorwurf machen kann, dann denjenigen, dass sich deren Lösungsansatz allzu sehr auf die Bezüge der Nachgründungsregelung zum Sachgründungsverfahren beschränkte und folglich maßgeblich aus der Umgehungsschutzperspektive verdeckter Sacheinlagen erfolgte. Die dogmatischen Erwägungen lassen insbesondere eine Berücksichtigung des Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung nach § 52 Abs. 1 und 5 328

Vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 26 und 33 m. w. N.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

AktG vermissen, welches im aktuellen Sachgründungsverfahren über kein Pendant verfügt. In diesem Zusammenhang lässt sich daher die Aussage des BGH, der Umgehungsschutz der Sacheinlagevorschriften werde durch die Nachgründung lediglich „verlängert“, bestenfalls als ungenau bezeichnen.329 Sie veranschaulicht indes die einseitige Beurteilung des § 52 AktG allein unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringungssicherung. b) Nichtberücksichtigung des Wandels der aktienrechtlichen Kompetenzstruktur 1937 Die Einseitigkeit der Beurteilung von § 52 AktG als primärem Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften ist überdies vor dem Hintergrund der Aktienrechtsreform von 1937 zu kritisieren. Zwar kann die herrschende Meinung dabei durchaus den Wortlaut früherer Gesetzesbegründungen für sich in Anspruch nehmen. Schon der Gesetzgeber von 1884 maß Art. 213f ADHGB 1884 die Bedeutung bei, eine Umgehung der für die Gründung gegebenen Vorschriften zu verhindern.330 Ebenso äußerte sich der Gesetzgeber von 1897, der den Zweck der Nachgründungsregelung maßgeblich darin erblickte, die gesetzlichen Vorschriften über die Einbringung von Vermögensgegenständen bei der Gründung der Gesellschaft vor einer Umgehung in der Weise zu schützen, dass die Gesellschaft nachträglich die betreffenden Gegenstände erwirbt.331 Mit anderen Worten rückte hier der Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften in den Vordergrund. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich die Nachgründungsvorschriften hierin keineswegs erschöpften, sondern stets Sonderregelungen für die spezifische Erwerbssituation innerhalb des zweijährigen tempus clausum enthielten. Ferner darf der kolossale Wandel in der Kompetenzstruktur durch die Etablierung des Führerprinzips im Zuge der Aktienrechtsreform von 1937 nicht außer Acht gelassen werden. Wie erinnerlich hatten sich seinerzeit die alleinige Entscheidungsbefugnis von der Hauptversammlung hin zum Vorstand verlagert und damit das Kompetenzgefüge innerhalb der Aktiengesellschaft grundlegend verändert.332 Bei der Nachgründung handelt es sich jedoch um ein Relikt aus der Zeit vor dieser Reform, mithin aus den Anfängen des modernen Aktienrechts. Daher mag die alleinige Betonung des Umgehungsschutzcharakters ursprünglich zwar durchaus zutreffend gewesen sein. Im Ergebnis orientiert sich die herrschende Meinung in Gestalt ihres primären Abstellens allein auf Umgehungsschutzaspekte und der daraus resultierenden einseitigen dogmatischen Zuordnung von § 52 AktG zum Recht der Kapitalaufbringung allerdings an der Rechtslage vor 1937. Das im Zuge der Aktienrechtsreform von 1937 geänderte aktienrechtliche Kompetenzgefüge wurde bei der dogmatischen Beurteilung der 329 330 331 332

BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 18. Siehe oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. a) cc), S. 39 f. Siehe oben Kapitel 1, Ziff. II. 1. lit. a), S. 50 f. Siehe oben Kapitel 3, Ziff. I. 1., S. 70 ff.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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Nachgründungsregelung nicht ansatzweise berücksichtigt. Ebenso wenig wurde die Abschaffung der Stufen- bzw. Sukzessivgründung, auf die sich das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nachweislich zurückführen lässt,333 in die dogmatische Bewertung der Nachgründung einbezogen.334 Wenngleich der Umgehungsschutz als Normzweck von § 52 AktG freilich nicht von der Hand zu weisen ist, erweist sich die dogmatische Reduzierung der Nachgründung auf diesen Einzelaspekt daher insgesamt als zu kurz gegriffen. c) Weiterer Normzweck als redundante Umschreibung der Gefahrenquelle Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Bestimmung des sekundären Normzwecks von § 52 AktG als „Schutz vor einer Einflussnahme der Gründer“ grundsätzlichen Bedenken. Dies gilt namentlich für die Argumentation von Priester und Bayer, die die Zielrichtung der Nachgründung trotz ihres zeitlichen Anwendungsbereichs im Anschluss an die Gesellschaftsgründung allein auf den Schutz der Kapitalaufbringung beschränkt sehen wollen. Sie und die anderen Kommentatoren müssen sich den Einwand gefallen lassen, dass es eine gewisse Inkonsequenz bedeutet, wenn im Rahmen des § 52 AktG neben dem Umgehungsschutz zwar ein sekundärer Schutzzweck anerkannt, letzterem aber trotz seiner offenkundigen Bezüge zur Kapitalerhaltung kein eigenständiger Stellenwert neben dem Kapitalaufbringungsschutz eingeräumt wird. Schließlich spricht entscheidend gegen den von der herrschenden Meinung angeführten sekundären Schutzzweck der Nachgründung, dass mit der „Einflussnahme der Gründer“ im Ergebnis lediglich die Gefahrenquelle umschrieben wird, der § 52 AktG insgesamt begegnen soll. Diese steht zwar grundsätzlich im Einklang mit den Erwägungen des historischen Gesetzgebers von 1884, der die Zeit im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung einem zweijährigen tempus clausum unterwerfen wollte, um der wirtschaftlichen Herrschaft der Gründer und den damit verbundenen Einflussnahmemöglichkeiten im Anschluss an die Gründung entgegenzuwirken.335 Allerdings interpretiert die herrschende Meinung die Nachgründung vor dem Hintergrund dieser Gefahrenquelle bereits als Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften zur Sicherung der realen Kapitalaufbringung. Mit der Wiederholung jener Gefahrenquelle ist jedoch kein weiterer Erkenntnisgewinn verbunden. Die Gefahrenquelle taugt insbesondere nicht, um mit ihr einen weiteren Normzweck neben dem Umgehungsschutz zu begründen. Stattdessen dürfte die Umschreibung des sekundären Normzwecks den (missglückten) Versuch darstellen, dem separaten Wirksamkeitserfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung Rechnung zu tragen, ohne dabei die 333

Siehe oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c) cc), S. 44 ff. Zur Berücksichtigung auf dogmatischer Ebene siehe unten Kapitel 7, Ziff. II. 1. lit. b), S. 155 ff. 335 Siehe ausführlich oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. a) bb), S. 38 f. 334

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Zuordnung von § 52 AktG zum Recht der Kapitalaufbringung in Frage stellen zu müssen. Folglich setzen sich auch an dieser Stelle die Betrachtung der Nachgründung allein aus Perspektive der Kapitalaufbringung und die damit einhergehende dogmatische Limitierung des Lösungsansatzes der herrschenden Meinung fort. d) Immanenter Wertungswiderspruch und Grenzen des Erklärungsmodells nach ARUG Schließlich führt der bereits angedeutete Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG die Grenzen des Erklärungsmodells der herrschenden Meinung klar vor Augen. Schon vor ARUG warf der Ansatz der herrschenden Meinung die Frage auf, warum ein und derselbe Vorgang im Einzelfall nach den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen konkret verboten und zugleich bei Vorliegen der Nachgründungsvoraussetzungen abstrakt erlaubt sein konnte.336 Nach ARUG ergibt sich nun spiegelbildlich die Wertungsfrage, wie ein Rechtsgeschäft zwar nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG unter Kapitalaufbringungsgesichtspunkten konkret wirksam sein und dennoch – bei Nichtvorliegen der Nachgründungsvoraussetzungen nach § 52 Abs. 1 AktG – ebenfalls unter Kapitalaufbringungsgesichtspunkten unter Umständen abstrakt unwirksam sein kann. So einleuchtend die Unterscheidung auf Kapitalaufbringungsebene zwischen abstraktem und konkretem Umgehungsschutz daher auf den ersten Blick auch sein mag, diesen Widerspruch vermag sie nicht schlüssig aufzulösen. Dem dogmatischen Lösungsansatz der herrschenden Meinung ist damit ein grundlegender Wertungswiderspruch immanent. Er bestand bereits vor ARUG und wurde nicht etwa erst durch den (freilich wenig systematischen) Eingriff des Gesetzgebers in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen hervorgerufen. Die jüngste Reform hat jedoch zur Folge, dass besagter Wertungswiderspruch nun im Fall des tatbestandlichen Aufeinandertreffens beider Rechtsfiguren im Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG kulminiert. Wollte man Nachgründung und verdeckte Sacheinlage unverändert einheitlich dem Recht der Kapitalaufbringung zurechnen, würde die schwebende Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG „sichern“, was § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG mit seiner Wirksamkeitsanordnung gerade für zulässig erklärt. Zwei Rechtfiguren würden dann zum vermeintlichen Schutz der Kapitalaufbringung diametral entgegengesetzte Rechtsfolgen anordnen. Will man das Rechtsinstitut der Nachgründung gemeinsam mit der verdeckten Sacheinlage einheitlich dem Recht der Kapitalaufbringung zuordnen, so müsste konsequenterweise gleiches Umgehungsverhalten auf Rechtsfolgenebene auch gleich gewertet werden. Somit ergibt sich nach dem Lösungsansatz der herrschenden Meinung nach ARUG ein Wertungswiderspruch. Ohne an dieser Stelle vorgreifen zu wollen, ist zur Lösung dieses Rechtsfolgenkonflikts innerhalb der herrschenden Meinung dabei die Tendenz zu beobachten, 336 So zutreffend Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 160 schon zur Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen vor ARUG.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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den Nebenaspekt der Nachgründung als „Schutz vor einer Einflussnahme der Gründer“ zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Rechtsfolgen von § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG und § 52 Abs. 1 AktG heranzuziehen und in Kollisionsfällen der Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung Vorrang einzuräumen.337 Insoweit ist es durchaus verwunderlich, wie dem sekundären Normzweck dennoch eine solch tragende Bedeutung eingeräumt werden soll, obwohl er doch für die dogmatische Einordnung der Nachgründung irrelevant ist und sich in der redundanten Umschreibung der Gefahrenquelle erschöpft. Somit stößt das dogmatische Erklärungsmodell der herrschenden Meinung einmal mehr an seine Grenzen.

III. Mindermeinung: Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalerhaltung Schließlich werden als grundlegender dogmatischer Gegenentwurf zur herrschenden Meinung in jüngerer Zeit verstärkt die Bezüge der Nachgründung zum Recht der Kapitalerhaltung betont.338 Während folglich die verdeckte Sacheinlage unverändert dem Recht der Kapitalaufbringung zugeordnet wird, bezweckt § 52 AktG nach diesem Lösungsansatz allein den Schutz der Kapitalerhaltung. Dergestalt wird das Verhältnis beider Rechtsfiguren im engeren Sinne von den Vertretern dieser Auffassung nicht im Wege der Unterscheidung zwischen konkretem und abstraktem Umgehungsschutz, sondern über die Differenzierung zwischen beiden dogmatischen Bereichen definiert.

1. Die These Hachenburgs – Nachgründung als Alternative zur Sachgründung Bei intensiver Beschäftigung mit dem Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung führt an einem Namen schlechterdings kein Weg vorbei: Max Hachenburg.339 Ihm gebührt das Verdienst, als erster auf die Bezüge der Nach-

337

Zu den Einzelheiten unten Kapitel 10, Ziff. II. 2., S. 234 ff. So allen voran Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1035; ders., Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 180 ff.; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 68 ff.; Laub, Die Nachgründung nach § 52 AktG als kapitalerhaltende Norm, 2004, S. 21 ff.; wohl auch Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 439; noch unentschlossen Zimmer, DB 2000, 1265, 1268, der die Sicherung der Kapitalerhaltung in den zwei Jahren nach Gründung jedenfalls als „weiteren, wenn nicht sogar zentralen Regelungsgrund von § 52 AktG“ sieht. 339 Sehr lesenswert zur Person selbst sowie den Verdiensten um das Aktienrecht und die juristische Publizistik: Kleindiek, NJW 1993, 1295 ff. 338

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

gründung zum Recht der Kapitalerhaltung hingewiesen und sie unter diesem Aspekt ins Verhältnis zur Sachgründung gesetzt zu haben.340 Nach Hachenburg liegt die Bedeutung der Nachgründung in der „fortdauernden Fürsorge des Gesetzgebers für die Kreditgeber und künftigen Aktionäre“ auch nach der Eintragung der Gesellschaft zum Handelsregister; ihre Quelle sei das „Misstrauen gegen die Gründer und den ersten Vorstand und Aufsichtsrat“ und präge sich insbesondere in dem Erfordernis einer Mitwirkung der Generalversammlung sowie der Ausdehnung der Gründerhaftung aus.341 Dementsprechend habe die Nachgründung mit einer Belastung der Gesellschaft aus der Zeit vor ihrer Entstehung auch „nichts zu tun“, insbesondere auch nicht mit der Befürchtung des Gesetzgebers, dass die für die Sacheinlagen und Sachübernahmen getroffenen Sondervorschriften umgangen werden können. Stattdessen handele es sich bei der Nachgründung um eine Schutzvorschrift nur für die ersten zwei Jahre nach der Entstehung der Gesellschaft. Kennzeichnend für das Normverständnis Hachenburgs ist demnach die strikte Unterscheidung zwischen der Zeit vor und der Zeit nach der Eintragung sowie die Betrachtung von Sachgründung und Nachgründung als je eigenes Schutzregime für den jeweiligen Zeitabschnitt.342 Diese Auffassung von der Nachgründung als Alternative zur Sachgründung kommt in seiner apodiktischen Feststellung zum Ausdruck: „Das Gesetz gibt den Gründern zwei Wege.“343 Mit anderen Worten solle es den Gründern seiner Ansicht nach freistehen, die Anwendung der Sachgründungsvorschriften dadurch zu vermeiden, dass sie zunächst eine Bargründung durchführen und die erforderlichen Sacherwerbe anschließend vom Vorstand vornehmen lassen. Ein derartiges Verständnis der Nachgründungsvorschriften ist vereinzelt heute noch anzutreffen.344 Wenngleich Hachenburg die Nachgründung somit nicht als Umgehungsschutznorm begriff, ist dennoch die Tendenz erkennbar, hierin eine abschließende Vorschrift über die innerhalb der ersten zwei Jahre vollzogenen wichtigen Abschlüsse der Gesellschaft zu erblicken.345 Ein derartiges Verständnis will sich jedoch nicht so recht mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts in Einklang bringen lassen. So stößt Hachenburg unter ausdrücklicher Bezugnahme auf RGZ 121, 99 ff. in die ent340 Ihm nachfolgend Brodmann, Cohnitz und Bing. Vgl. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 82 m. w. N. 341 Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Anm. 1. 342 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 84. 343 Hachenburg, JW 1924, 199, 201. 344 So Stiller/Redeker, ZIP 2010, 865, 870, die davon sprechen, dass es die Nachgründung insbesondere jungen Gesellschaften ermöglichen solle, Vermögensgegenstände von ihren Aktionären erwerben zu können, ohne dass ihre Gründer dabei das langwierige und aufwändige Verfahren einer Sachgründung durchlaufen müssen. 345 Vgl. Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Anm. 1.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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scheidende Schnittstelle jenes Urteils und spricht in diesem Zusammenhang von der „Lehre von der Ungültigkeit einer vor der Gründung vereinbarten, aber nicht im Gesellschaftsvertrag festgestellten Sachübernahme trotz des späteren selbständigen Erwerbsaktes“.346 Damit umschreibt er treffend den eigentlichen Kern der späteren Lehre von der verdeckten Sacheinlage. Mithin ist Hachenburg zwar tendenziell der Gruppe derer zuzurechnen, die der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage unter Verweis auf die Nachgründungsregelung die Anerkennung versagen wollen.347 Der Erwähnung bedarf er an dieser Stelle dennoch, da er durch seine strikte Trennung von Sachgründung und Nachgründung das gedankliche Fundament für diejenigen legte, die in jüngerer Zeit das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung über die Zuordnung des § 52 AktG zum Recht der Kapitalerhaltung bestimmen wollen.

2. Die Untersuchungen von Bröcker und Schwab a) Bröcker – Nachgründung als „vorläufige Kapitalerhaltungskontrolle“ Zunächst in Aufsatzform und später in seiner Dissertation hat Bröcker die soeben dargestellten Ausführungen Hachenburgs aufgegriffen, weiterentwickelt und hierauf aufbauend die Nachgründungsregelung insgesamt dem Recht der Kapitalerhaltung zugeordnet. Grundsätzlich erkennt zwar auch Bröcker den in der historischen Gesetzesbegründung von 1884 geäußerten Gesetzeszweck der Nachgründung als Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften an. Dabei begreift er § 52 AktG aber als bloße „Verhinderungsvorschrift“, deren intendierter Schutzmechanismus darin liege, Erwerbsgeschäfte nach der Gründung für die Gründer so unattraktiv zu machen, dass sie diese bereits im Zuge der Gründung als Sacheinlage oder Sachübernahme vorwegnehmen.348 Insbesondere die drohende Kontrolle durch eine von Publikumsaktionären beherrschte Generalversammlung sollte Nachgründungsgeschäfte verhindern und die Gründer auf diese Weise mittelbar zur Beachtung der Sachgründungsvorschriften veranlassen.349 In diesem Zusammenhang lehnt Bröcker auch den von zahlreichen Vertretern der herrschenden Meinung zusätzlich angeführten „Schutz vor einer Einflussnahme der Gründer“ ausdrücklich ab. Dieser könne schon deshalb kein selbständiger Normzweck sein, weil es sich bei der Einflussnahme der Gründer vielmehr um das Mittel zur Umgehung der Sachgründungsvorschriften handele und sich die Unterbindung der Einflussnahme folglich auch als Mittel zur 346

Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Anm. 2. 347 Dazu bereits oben Kapitel 6, Ziff. I. 1., S. 117 f. 348 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1033; ders., Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 75. 349 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 72.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Erreichung des von der herrschenden Meinung befürworteten Umgehungsschutzes als Normzweck darstelle.350 Die so verstandene Umgehungsschutzthese des historischen Gesetzgebers verwirft Bröcker im Wesentlichen allerdings aus zwei Gründen. Zum einen werde der mit der Nachgründung beabsichtigte Umgehungsschutz nicht durch ein Verbot, sondern durch die Kontrolle des Umgehungsgeschäfts erreicht, so dass die Nachgründung den Gründern denknotwendig als Alternative zur Sachgründung offen stehe.351 Hier wird die Nähe zum Normverständnis Hachenburgs besonders deutlich. Doch obwohl § 52 AktG insoweit eine umfassende Werthaltigkeitsprüfung anordne, bleibe die Vorschrift in zwei zentralen Aspekten hinter den Sachgründungserfordernissen zurück – namentlich handele es sich dabei um die nicht erforderliche Festsetzung des erworbenen Vermögens in der Satzung und die fehlende Haftung der Gründer für die Richtigkeit der Nachgründungsprüfung.352 Angesichts dieser Widersprüche sei es der Nachgründungsregelung schon gar nicht möglich, den in der Gesetzesbegründung behaupteten Normzweck zu erreichen, weil sie weder die Gründer zur Beachtung der Sachgründungsvorschriften veranlassen noch die Sachgründung selbst ersetzen könne.353 Zum anderen schließen nach dem Dafürhalten Bröckers die Nachgründung und die Lehre von der verdeckten Sacheinlage einander als Umgehungsschutz für die Sachgründungsvorschriften aus. So greife immer dann, wenn das Gebot der Befolgung der Sachgründungs- bzw. Sachkapitalerhöhungsvorschriften von den Beteiligten nicht eingehalten worden sei, die Lehre von der verdeckten Sacheinlage ein; umgekehrt liege immer dann, wenn die Lehre von der verdeckten Sacheinlage nicht eingreife, eine ordnungsgemäße Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung vor.354 Ein eigener Anwendungsbereich verbleibe der Nachgründung somit nur in Fällen, in denen der vom Gesetzgeber und der herrschenden Literaturmeinung zugrunde gelegte pauschale Umgehungsschutz gerade nicht zutreffe.355 Dazwischen gibt es für Bröcker mithin nichts, so dass die Nachgründung als Umgehungsschutznorm für die Sachgründungsvorschriften funktionslos ist. Darüber hinaus komme der Nachgründung auch als Heilungsinstrument für verdeckte Sacheinlagen keine Bedeutung zu, da selbst bei einer direkten oder analogen Anwendung des § 52 AktG auf die betreffenden Erwerbsgeschäfte jedenfalls nicht die Einlageverpflichtung selbst beseitigt würde.356 Insgesamt gelangt Bröcker somit zu dem Befund, dass die Nachgründung durch die Lehre von der verdeckten Sacheinlage funktional vollständig verdrängt werde und weder unmittelbar als Umgehungsschutz noch mittelbar als Heilungsinstrument nutzbar gemacht 350 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1033; ders., Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 185. 351 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1033. 352 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1033 f. 353 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1035. 354 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 158. 355 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 160. 356 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 174 ff.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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werden könne.357 Darüber hinaus scheitere ein Nebeneinander der Nachgründung und der Lehre von der verdeckten Sacheinlage im Rahmen des Umgehungsschutzes für die Sachgründungsvorschriften an der Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen beider Institute – es passe nicht zusammen, etwas abstrakt (wenn auch unter Auflagen) zu erlauben, was konkret verboten sein soll.358 Infolgedessen nimmt Bröcker eine grundlegende Neubestimmung des Normzwecks des § 52 AktG vor. So bewirke die Nachgründung den Schutz von Gläubigern und künftigen Aktionären nicht durch die Verhinderung einer Umgehung der Sachgründung, sondern durch eine aus dem allgemeinen Misstrauen des Gesetzgebers geborene umfassende Kontrolle der bei der Gesellschaft in den Anfangsjahren maßgeblichen Personen und der von diesen vorgenommenen Kapitalverwendung durch eine aus Publikumsaktionären zusammengesetzte Hauptversammlung.359 Dementsprechend bezwecke die Nachgründung unmittelbar die Kontrolle der Wertangemessenheit bestimmter Geschäfte, die zeitnah zur Gründung der Aktiengesellschaft abgeschlossen werden und bei denen aufgrund des Vertragspartners unwiderleglich ein Interessenkonflikt zu vermuten sei.360 Im Hinblick auf die systematische Einordnung in das Kapitalschutzrecht diene die Nachgründung folglich mittelbar dem Schutz der Kapitalerhaltung.361 In diesem Kontext bezeichnet Bröcker die Nachgründung schlagwortartig als Institut zur „vorläufigen Kapitalerhaltungskontrolle“, da sie eine befristete Kontrolle der Erhaltung des bei der Gründung aufgebrachten Grundkapitals bezwecke, und brandmarkt den Begriff der Nachgründung als irreführend, da er einen Zusammenhang mit der Gründung suggeriere, der nicht bestehe.362 Doch auch mit dieser Konzeption von § 52 AktG gibt sich Bröcker nicht zufrieden. So werde die Nachgründung mit ihrer Kontrolle der Verwaltung durch die Hauptversammlung von Publikumsaktionären als reines Anlegerschutzrecht mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts verwirklicht und sei daher ein Fremdkörper im gesellschaftsrechtlichen Leitbild der AG.363 Überdies erweise sich die Nachgründung als eine Regelung, deren rechtspolitische Grundlage bereits mit Einführung der Prospektpflicht 1897 in Frage gestellt und infolge der Entwicklung des Kapitalmarktrechts vollends überflüssig geworden sei.364 Die insoweit naheliegende Konsequenz einer vollständigen Abschaffung der Nachgründung durch die schlichte 357

Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 178. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 160. 359 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1035. An dieser Stelle werden die Bezüge zum Normverständnis Hachenburgs abermals deutlich. 360 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 191. 361 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 192. 362 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1035. 363 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1037. Vgl. ferner ders., Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, S. 72. 364 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1039. 358

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Streichung der §§ 52 f. AktG verwirft Bröcker nicht zuletzt mit Blick auf deren gemeinschaftsrechtliche Verankerung in Art. 11 KapRL und schlägt stattdessen Einschränkungen des Nachgründungsrechts vor.365 Insgesamt ist damit festzuhalten, dass Bröcker den von der herrschenden Meinung befürworteten Zweck der Nachgründung als Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften unter Verweis auf die Unterschiede im Schutzniveau bereits grundsätzlich ablehnend gegenübersteht und spätestens mit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage als erledigt betrachtet. Doch auch dem von ihm (weiter-)entwickelten Normverständnis von § 52 AktG als Kontrollinstrument der Kapitalerhaltung zum Schutz von Kleinanlegern bei Neuemissionen kommt angesichts der kapitalmarktrechtlichen Entwicklungen, insbesondere der Prospektpflicht, keine entscheidende Funktion zu, so dass er der Vorschrift insgesamt ihre rechtspolitische Grundlage entzogen sieht und stattdessen für eine grundlegende Neuformulierung plädiert. b) Schwab – Nachgründung als „vorläufiger, allgemeiner Vermögensschutz“ Schwab schließt sich in seiner Dissertation der von Hachenburg geäußerten und von Bröcker aufgegriffenen Kritik an und geht ebenfalls grundsätzlich davon aus, dass die Nachgründung die Sicherung der Kapitalaufbringung nicht gewährleisten könne. Insbesondere in seiner IBH/Lemmerz-Entscheidung habe der BGH betont, dass die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage die Nachgründungsvorschrift als konkreter Umgehungsschutz verdränge.366 Zwar ordne die Nachgründung eine qualitativ mit den Sachgründungsvorschriften vergleichbare Prüfung der Werthaltigkeit an, anders aber als bei Sachgründungen oder Sachübernahmen sei eine Festsetzung des Erwerbs in der Satzung gemäß § 27 Abs. 1 AktG nicht vorgeschrieben.367 Auch die im Rahmen der Nachgründung bestehende Verpflichtung, den Erwerb und die Zustimmung der Hauptversammlung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, verfüge im Vergleich zum Sachgründungsverfahren über eine geringere Qualität der Offenlegung.368 Ferner ermögliche die Nachgründung eine weitgehende Freistellung der Gründer von Haftungsrisiken, da sie zwar für die Richtigkeit der Angaben bei der Sachgründung, nicht aber für die Nachgründungsprüfung verantwortlich sind.369 Zudem sei bis zum fraglichen Erwerb der Vorgang der Aufbringung des Kapitals zeitlich regelmäßig bereits abgeschlossen, auch deshalb könne die Nachgründung dann nicht mehr der Kapitalaufbringung dienen.370 Folglich bleibe § 52 AktG nur noch als Auffangtatbestand für zweifelhafte 365 366 367 368 369 370

Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1040 f. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 73. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 73. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 73 f. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 74. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 74.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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Umgehungen der Sachgründungsbestimmungen, bei denen eine Umgehungsabsicht eigentlich nicht aufgezeigt werden könne. Weil die Nachgründungsregelung weder die Gründer zur Beachtung der Sachgründungsvorschriften veranlassen noch die Sachgründung ersetzen könne, schließt sich Schwab somit im Ergebnis der Kritik von Hachenburg und Bröcker an. Im weiteren Verlauf seiner Untersuchung misst Schwab der Nachgründung daher allein eine Bedeutung für den Schutz der Kapitalerhaltung bei. In Durchbrechung des Grundsatzes der unbeschränkten Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands (§§ 76 Abs. 1, 82 Abs. 2 AktG) sollten nachteilige Geschäfte zu Lasten des Kapitals der Aktiengesellschaft verhindert und so Gläubiger wie künftige Aktionäre einer noch jungen Aktiengesellschaft vor einer „Erosion“ des Grundkapitals geschützt werden.371 Wiederum in Übereinstimmung mit Bröcker erkennt er daher die vorläufige Kapitalerhaltungskontrolle als selbständiges Regelungsziel der Nachgründungsvorschrift an. Doch liege der zusätzliche Schutz der Nachgründung im Bereich der Kapitalerhaltung nicht in der bloßen Kompetenzverlagerung vom Vorstand auf die Hauptversammlung begründet, sondern vielmehr darin, dass für das Vorliegen einer Nachgründung (im Gegensatz zu § 57 AktG) nicht entscheidend sei, ob die Vergütung seitens der AG aus dem Grundkapital oder aus einer sonstigen Kapitalposition geleistet werde und damit das Gesellschaftsvermögen insgesamt betreffe.372 Schwab umschreibt den Zweck des § 52 AktG nach NaStraG daher als „vorläufigen, allgemeinen Vermögensschutz“ für junge Aktiengesellschaften in Bezug auf Geschäfte, bei denen aufgrund eines besonderen (Gesellschafter-)Verhältnisses der AG zu ihren jeweiligen Vertragspartnern die Gefahr einer Unangemessenheit der Leistung besteht.373 c) Zwischenergebnis Im Ausgangspunkt beziehen sich die von der herrschenden Meinung abweichenden Argumentationsansätze auf die von Hachenburg getroffene strikte Unterscheidung zwischen Sachgründung und Nachgründung einerseits und dem darauf aufbauenden Verständnis der Nachgründung als Alternative zur Sachgründung andererseits. Um die Weiterentwicklung dieses Ansatzes hat sich Bröcker in besonderem Maße bemüht und in Schwab einen Unterstützer für die daraus abgeleitete Zuordnung von § 52 AktG zum Recht der Kapitalerhaltung gefunden. Hierin stimmen beide überein, ungeachtet der unterschiedlichen Bezeichnungen des Normzwecks der Nachgründung als „vorläufige Kapitalerhaltungskontrolle“ bzw. „vorläufiger, allgemeiner Vermögensschutz“. Auch ihre Argumentation ist insoweit ähnlich, wobei im Kern das qualitative Zurückbleiben der Nachgründung hinter den Erfordernissen der Sachgründung kritisiert und zudem eine funktionale Verdrängung 371 372 373

Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 75. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 76. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 77.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

durch die Lehre von der verdeckten Sacheinlage angenommen wird. Während Schwab lediglich Bedenken hinsichtlich der Schutzwirkung des § 52 AktG anmeldet, geht Bröcker noch einen Schritt weiter und stellt angesichts der Bewertung der Nachgründung als reines Anlegerschutzrecht mit (überholter) gesellschaftsrechtlicher Verankerung die Daseinsberechtigung der Rechtsfigur grundsätzlich in Frage. Für das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung im engeren Sinne bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass nach dem Verständnis von Bröcker und Schwab zwischen beiden Rechtsfiguren eine Unterscheidung auf dogmatischer Ebene zu treffen ist. Während über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen die Sachgründungsvorschriften vor Umgehungen geschützt werden und demzufolge eine Sicherung der Kapitalaufbringung gewährleistet wird, bleibt die Nachgründungsregelung auf jener Ebene funktionslos. Ihr soll dementsprechend über die Kontrolle bestimmter Geschäfte der jungen Aktiengesellschaft in Gestalt des Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung ein sinnvoller Regelungszweck im Recht der Kapitalerhaltung beigemessen werden. Im Unterschied zur herrschenden Meinung wird damit die gegenseitige Abgrenzung der beiden Rechtsfiguren über die strikte dogmatische Trennung von Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung definiert.

3. Stellungnahme Diejenigen, die einer Verortung der Nachgründung im Bereich der Kapitalaufbringung ablehnend gegenüberstehen, können zwar durchaus treffende Ansätze für sich in Anspruch nehmen, namentlich soweit sie das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung und die damit verbundene Kontrolle des Nachgründungsgeschäfts hervorheben. Dennoch begegnet auch die hieraus abgeleitete einseitige Zuordnung von § 52 AktG zum Recht der Kapitalerhaltung grundsätzlicher Kritik. a) Historisch bedingtes Fehlverständnis Hachenburgs Zunächst ist Hachenburg durchaus darin beizupflichten, dass die Nachgründung mit einer Belastung der Gesellschaft aus der Zeit vor ihrer Entstehung „nichts zu tun“ hat. So findet der für das Eingreifen von § 52 AktG maßgebliche Vertragsabschluss erst nach der Eintragung im Handelsregister statt und hat lediglich einen schuldrechtlichen Vertrag zum Gegenstand.374 Der Gründungsvorgang selbst wird daher nicht unmittelbar tangiert. Auch die seinerzeit von Hachenburg kommentierten Nachgründungsvorschriften nahmen etwaige Vorabsprachen der Gründer ausdrücklich nur zum Anknüpfungspunkt, um eine Schadensersatzhaftung der Gründer gegenüber der Gesellschaft anzuordnen, § 208 HGB 1897.

374

Vgl. statt aller Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 2.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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Soweit Hachenburg die Nachgründung jedoch als zulässige Alternative zur Sachgründung begreifen will, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Schlussfolgerung ist vielmehr Ausdruck eines historisch bedingten Fehlverständnisses. Wie erinnerlich hatte es der historische Gesetzgeber in Zuge der Aktienrechtsreformen von 1884 und 1897 versäumt, die Nachgründungsregelung in Quantität und Qualität an die geltenden Sachgründungsvorschriften anzupassen. Namentlich handelte es sich um den Verzicht auf eine externe Nachgründungsprüfung sowie die nicht vorhandene registerrechtliche Kontrolle des Nachgründungsvorgangs.375 Dabei unterlag er einer schlichten Fehleinschätzung in Bezug auf die Wirksamkeit der getroffenen Nachgründungsregelung.376 Daraufhin setzte in den Folgejahren eine Vermeidungspraxis ein, die im Kern daraus bestand, dass die Beteiligten der Sachgründung eine Bargründung mit anschließender Nachgründung vorzogen. Mithin wurden Sachgründungen zur Ausnahme und Nachgründungen die Regel. Vor dem Hintergrund dieser Kautelarpraxis verwundert es daher nicht, dass sich Hachenburg als populärer Wirtschaftsanwalt seiner Zeit auf den Standpunkt stellte, es handele sich bei der Nachgründung um eine zulässige Alternative zur Sachgründung. Indes erschließt sich nicht ansatzweise, warum der historische Gesetzgeber den Gründern ganz bewusst die Möglichkeit eröffnet haben sollte, wahlweise die strengen Sachgründungsvorschriften oder die vergleichsweise harmlosen Nachgründungsvorschriften befolgen zu können. Ein derartiges Normverständnis lässt sich schon nicht mit der vom historischen Gesetzgeber bekundeten Intention in Einklang bringen, mit den Nachgründungsvorschriften eine Umgehung der für die Gründung geltenden Verfahrens- und Haftungsvorschriften zu verhindern.377 Obwohl die Nachgründungsvorschriften in der Folge den genau entgegengesetzten Effekt hatten und von den Gründern und ihren Rechtsberatern aus naheliegenden Gründen als Alternative zur Sachgründung „umfunktioniert“ wurden, vermag dies an dem erklärten Willen des Gesetzgebers nichts ändern. Hierdurch wird vielmehr die Tragweite der gesetzgeberischen Fehleinschätzung hinsichtlich der Wirksamkeit des durch die Nachgründungsregelung gewährleisteten Umgehungsschutzes belegt, die im Ergebnis zu einer Fehlentwicklung führte. Insgesamt handelt es sich folglich bei Hachenburgs Ausgangsthese von der Nachgründung als zulässiger Alternative zur Sachgründung um eine historisch bedingte Fehlinterpretation. Erst im Zuge der Aktienrechtsreform beseitigte der Gesetzgeber schließlich seine Einschätzungsfehler und nahm unter anderem eine externe Prüfung in den Nachgründungskanon auf, § 45 Abs. 3 AktG 1937. Ferner stärkte er mit dem Erfordernis der Handelsregistereintragung die Möglichkeiten einer effektiven registergerichtlichen Kontrolle des Nachgründungsvertrages, § 45 Abs. 1 und 6 AktG 1937. Auch der 375 Zur Kritik an der Nachgründungsregelung von 1897 siehe oben Kapitel 2, Ziff. 1., S. 58 ff. 376 So auch Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1448 f. zur langen Geschichte der Fehleinschätzungen und Gesetzeskorrekturen. 377 Zu den Gesetzesbegründungen siehe Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. a) cc), S. 39 f. und Ziff. II. 1. lit. a), S. 50 f.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

ARUG-Gesetzgeber achtete peinlich genau auf einen Gleichlauf von Sachgründungs- und Nachgründungsverfahren.378 b) Standortbestimmung von § 52 AktG ebenfalls aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen Wie schon zuvor dem dogmatischen Lösungsansatz der herrschenden Meinung entgegengehalten wurde, nimmt auch die von Bröcker und Schwab vertretene Mindermeinung ihre dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung einseitig aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen vor. Während die Vertreter der herrschenden Meinung methodisch noch darum bemüht waren/sind, die Existenzberechtigung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ neben den Nachgründungsvorschriften zu rechtfertigen, verfolgen Bröcker und Schwab einen genau entgegengesetzten Ansatzpunkt. Sie setzen dabei die Existenzberechtigung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen ganz selbstverständlich voraus, suchen die dogmatische Abgrenzung zur Nachgründung jedoch nicht auf Kapitalaufbringungsebene über die Charakterisierung als abstrakter oder konkreter Umgehungsschutz. Stattdessen nehmen sie das durch die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen erreichte Schutzniveau zum Anlass, um auf die völlige Funktionslosigkeit der Nachgründung im Bereich des Kapitalaufbringungsschutzes zu schließen. Alternativ verorten sie § 52 AktG dementsprechend im Recht der Kapitalerhaltung und grenzen Nachgründung und verdeckte Sacheinlage in dogmatischer Hinsicht durch die Gegenüberstellung der beiden zentralen Säulen des aktienrechtlichen Kapitalschutzrechts ab. Unabhängig von der Überzeugungskraft dieser These nach ARUG bleibt damit vorab festzuhalten, dass auch der methodische Ansatz von Bröcker und Schwab grundsätzlich auf einer Definition des dogmatischen Standorts der Nachgründungsvorschriften über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen beruht. Zwar bleiben sie nicht einseitig der kapitalaufbringungsrechtlichen Perspektive verhaftet, sondern erweitern ihren Blickwinkel auf Kapitalerhaltungsgrundsätze. Trotzdem fußt auch ihre Standortbestimmung von § 52 AktG – wie diejenige der herrschenden Meinung – letztendlich allein auf einer dogmatischen Betrachtung aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen. c) Unzutreffende Umgehungsschutzthese von Bröcker und Schwab Ersichtlich aufbauend auf dem Normverständnis Hachenburgs von der Nachgründung als zulässiger Alternative zur Sachgründung begreifen Bröcker und

378

Dazu ausführlich oben Kapitel 4, Ziff. III., S. 94 ff.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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Schwab die Nachgründung sodann als bloße „Verhinderungsvorschrift“.379 Den zugrundeliegenden Präventionsmechanismus von § 52 AktG glauben beide demnach darin zu erkennen, dass die betroffenen Geschäfte grundsätzlich zulässig bleiben und vielmehr durch die Schutzmechanismen der Nachgründung derart unattraktiv werden sollen, dass diese bereits bei der Gründung als Sacheinlage oder Sachübernahme festgesetzt werden. Zum einen unterliegen sie in dieser Annahme gleichsam dem soeben dargestellten historisch bedingten Fehlverständnis Hachenburgs. Zum anderen erscheint freilich schon die Annahme abwegig, der historische Gesetzgeber sei derart naiv gewesen zu glauben, den Gründern mit der getroffenen Nachgründungsregelung eine Bargründung mit anschließender Nachgründung tatsächlich effektiv verleiden zu können. In diesem Zusammenhang ist auch die Grundannahme Bröckers, die Nachgründungsvorschriften sollten den Gründern die Nachgründung selbst verleiden, zirkulär. Zutreffend ist aber, dass der Gesetzgeber durchaus einen verhältnismäßig liberalen Ansatz verfolgte, indem er die umgehungsgeneigten Rechtsgeschäfte nicht per se für nichtig erklärte, sondern deren Wirksamkeit von der ordnungsgemäßen Durchführung des Nachgründungsverfahrens abhängig machte. In diesem Zusammenhang gibt Bröcker die Überschrift der Gesetzesbegründung von 1884 nur unvollständig wieder („Verhütung von Nachgründungen“) und schlussfolgert daraus, dass mit den Nachgründungsvorschriften die Nachgründung selbst verhindert und dergestalt die Einhaltung der Sachgründungsvorschriften bewirkt werden sollte.380 Vollständig lautet sie jedoch „Verhütung von Nachgründungen durch Uebernahmen“.381 Zwar ist auch diese Formulierung missverständlich. Es wird jedoch deutlich, dass mit Art. 213f ADHGB 1884 nicht etwa die Verhinderung von Nachgründungen intendiert war. Vielmehr sollte über den Schutzmechanismus der Nachgründungsregelung sichergestellt werden, dass die nachgründenden Sachübernahmen jedenfalls nicht ohne Beachtung der entsprechenden Sachgründungserfordernisse sowie der damit einhergehenden Haftungsrisiken erfolgen konnten. Nicht die Nachgründung selbst sollte folglich „verhütet“ werden, sondern eine Durchführung nachgründender Erwerbsgeschäfte an sämtlichen seinerzeit neu eingeführten Verfahrens- und Haftungsnormen vorbei. Zu diesem Zweck wurden in einer zweijährigen Adoleszenzphase die vermuteten Umgehungsgeschäfte nachträglich einem an den Sachgründungsvorschriften ausgerichteten Nachgründungsverfahren unterworfen. Analog zur konstituierenden Generalversammlung einer Stufen- bzw. Sukzessivgründung sollte insbesondere eine Beteili379

S. 71.

Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1033; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003,

380 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 65. Bemerkenswerter Weise wundert sich Bröcker dabei selbst über den von ihm herausgearbeiteten Schutzmechanismus, da es nach seinem Dafürhalten naheliegender gewesen wäre, die betroffenen Erwerbsgeschäfte für unwirksam zu erklären. 381 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. B. Zum Einzelnen. 3. Verhütung von Nachgründungen durch Uebernahmen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

gung der Aktionärsgesamtheit erfolgen. Hierzu schuf der historische Gesetzgeber mit Art. 213f ADHGB 1884 eine eigenständige und speziell auf das tempus clausum im Anschluss an die formaljuristische Gründungsphase zugeschnittene Nachgründungsregelung. In dem Bemühen, die Geschäftstätigkeit der jungen Aktiengesellschaft dabei nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus einzuschränken, wich der Gesetzgeber indes zu weit von den zu schützenden Sachgründungsvorschriften ab, so dass der Liberalismus und die Fehleinschätzung hinsichtlich der Wirksamkeit der getroffenen Regelung der Nachgründungsvorschrift zum Verhängnis wurden. Das bloße Verständnis der Nachgründung als eine Art „Verhinderungsvorschrift“ greift damit ersichtlich zu kurz und steht in eklatantem Widerspruch zur Gesetzesbegründung. Insgesamt erweist sich daher die vermeintliche Umgehungsschutzthese anno 1884, die Bröcker und Schwab ihrer dogmatischen Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalerhaltung zugrunde legen, bereits im Ausgangspunkt als unzutreffend. d) Begrenzter Aussagegehalt der IBH/Lemmerz-Entscheidung Zur Begründung der These, dass für die Anwendung der Nachgründungsvorschriften beim Vorliegen verdeckter Sacheinlagen kein Anwendungsspielraum mehr verbleibe, lässt sich schon nicht die IBH/Lemmerz-Entscheidung des BGH heranziehen. Schwab zitiert den BGH wie folgt: „[§ 52 AktG] bezieht sich nur auf Sachverhaltsgestaltungen, welche die Voraussetzungen für einen konkreten Umgehungstatbestand nicht erfüllen.“382 Dieses Zitat ist einerseits ungenau und andererseits völlig aus dem Zusammenhang gerissen. In jener Passage seines Urteils setzte sich der BGH mit der Frage auseinander, ob angesichts der in § 52 Abs. 1 AktG getroffenen Befreiung von Geschäften mit einem Umfang von bis zu einem Zehntel des Grundkapitals vom Nachgründungserfordernis auch andere Umgehungstatbestände nur dann als gesetzwidrig angesehen werden können, wenn sie das genannte Volumen übersteigen.383 Mit anderen Worten ging es darum, ob die Beschränkung des abstrakten Nachgründungstatbestands hinsichtlich des Geschäftsumfangs weitere Rückschlüsse auf andere konkrete Umgehungstatbestände zulässt. In diesem Zusammenhang judizierte der BGH schließlich: „Diese [Beschränkung!] bezieht sich nur auf Sachverhaltsgestaltungen, welche die Voraussetzungen für einen konkreten Umgehungstatbestand nicht erfüllen.“384 Damit sprach sich der BGH lediglich gegen eine Ausstrahlungswirkung der 10 %-Wertgrenze nach § 52 Abs. 1 AktG auf konkrete Umgehungstatbestände aus. Somit beantwortete er die in casu aufgeworfene 382 383

60. 384

Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 73. Vgl. BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 60.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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Fragestellung dahingehend, dass konkrete Umgehungstatbestände wie verdeckte Sacheinlagen auch unterhalb der abstrakten Wertgrenze als gesetzwidrig angesehen werden können. Keinesfalls war damit jedoch gemeint, dass sich die Nachgründung insgesamt nur auf Sachverhaltsgestaltungen beziehe, welche die Voraussetzungen für einen konkreten Umgehungstatbestand nicht erfüllen. Somit bleibt festzuhalten, dass der Aussagegehalt der IBH/Lemmerz-Entscheidung des BGH im Hinblick auf das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung sehr begrenzt ist. Insbesondere kann der von Schwab zitierten Stelle nicht entnommen werden, dass nach Auffassung des BGH für § 52 AktG bei Vorliegen verdeckter Sacheinlagen kein Anwendungsspielraum verbleibe. e) Bedeutung der Nachgründung für den Kapitalaufbringungsschutz nach ARUG Trotz der bereits geäußerten Grundsatzkritik ist die grundlegende Tendenz von Bröcker und Schwab begrüßenswert, in Anlehnung an Hachenburg die Bezüge der Nachgründung zum Recht der Kapitalerhaltung zu betonen. Zweifelsohne wird über das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung, die Nachgründungsprüfung durch Aufsichtsrat und externe Prüfer sowie die registergerichtliche Kontrolle im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung innerhalb des zweijährigen tempus clausum ein Beitrag zum Kapitalerhaltungsschutz geleistet. Weniger überzeugend ist hingegen die Annahme, § 52 AktG sei im Bereich des Kapitalaufbringungsschutzes „völlig funktionslos“ geworden. Zwar ist es durchaus zutreffend, dass § 52 AktG trotz der umfassenden Werthaltigkeitsprüfung im Gegensatz zu den Sachgründungsvorschriften keine Festsetzung in der Satzung und keine Gründerhaftung für die Richtigkeit der Nachgründungsprüfung anordnet – und damit hinter den Sachgründungserfordernissen der §§ 27 Abs. 1, 46 Abs. 1 AktG zurückbleibt. Indes handelt es sich dabei nicht etwa um Widersprüche, die gegen eine Bedeutung von § 52 AktG für den Kapitalaufbringungsschutz sprechen. Vielmehr stellen diese Besonderheiten ein Zugeständnis des Gesetzgebers an die Gegebenheiten der Nachgründungsphase dar und sind der spezifischen Erwerbssituation im Anschluss an die formaljuristische Gründung der Aktiengesellschaft geschuldet. So würde eine Aufnahme des Nachgründungsvertrages in den Gesellschaftsvertrag als Wirksamkeitsvoraussetzung wohl infolge der damit verbundenen Satzungsänderung mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein, insbesondere weil es insoweit neben einer notariellen Beurkundung nach § 23 Abs. 1 AktG zusätzlich eines separaten Beschlusses der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG bedürfte. Folglich erscheint hier die Eintragung zum Handelsregister als unkomplizierter und praxisgerechter Publizitätsakt. Auch in Bezug auf die nicht vorhandene Gründerhaftung für die Richtigkeit der Nachgründungsprüfung ist kein Widerspruch auszumachen. Bröcker weist selbst darauf hin, dass es sich bei dem Nachgründungsgeschäft nicht um einen Gründungsvorgang, sondern um ein schuldrechtliches

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Erwerbsgeschäft im Anschluss an die Gesellschaftsgründung handelt. Vollkommen folgerichtig ordnet § 53 Satz 2 AktG daher in Abweichung von der Gründerhaftung die Verantwortlichkeit der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder an, weil bei der Nachgründung die Aktiengesellschaft als juristische Person tätig wird.385 Für Organhandeln eine Gründerhaftung anzuordnen, wäre demzufolge verfehlt. Nichtsdestotrotz weist die Nachgründung nicht zu leugnende Parallelen zum Sachgründungsverfahren auf. Dabei handelt es sich um den Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats nach § 52 Abs. 3 AktG, die Nachgründungsprüfung durch externe Prüfer gemäß § 52 Abs. 4 AktG sowie die mit teilweise identischem Wortlaut ausgestaltete Nachgründungskontrolle durch das Registergericht nach § 52 Abs. 7 AktG. Die Vorschriften verweisen jeweils ausdrücklich auf ihre Parallelregelungen aus dem Gründungsrecht. Ebenso wenig kann aus dem über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen gewährleisteten Kapitalaufbringungsschutz auf die vollständige Funktionslosigkeit von § 52 AktG in diesem Bereich geschlossen werden. Zwar ist es durchaus richtig, dass die Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung bei Nichtvorliegen einer verdeckten Sacheinlage formal ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die eigentliche Kapitalaufbringung nach Eintragung der Aktiengesellschaft im Handelsregister bereits abgeschlossen ist.386 Diese Einwände können indes nicht zum Anlass genommen werden, um der Nachgründung schlechterdings jedwede Schutzwirkung im Bereich der Kapitalaufbringung abzusprechen. Einerseits würden dadurch die soeben dargestellten Bezüge und Parallelitäten des Nachgründungsverfahrens zum Sachgründungsverfahren vollkommen ausgeblendet. Andererseits wird über § 52 AktG unabhängig vom Vorliegen verdeckter Sacheinlagen sichergestellt, dass eine wirtschaftlich nachgründende Erwerbssituation, der insbesondere aufgrund ihres Geschäftsumfangs sowie der beteiligten Vertragsparteien eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Aktiengesellschaft zukommt, nachträglich zumindest vergleichbaren Nachgründungserfordernissen unterworfen wird. Der hierdurch zeitlich im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung gewährleistete Schutz in Anlehnung an die Sachgründungsvorschriften stärkt dabei unmittelbar auch die Kapitalaufbringung nach den §§ 27 ff. AktG, da insoweit die durchaus berechtigte Vermutung zum Tragen kommt, der in Rede stehende Erwerb hätte bereits im Rahmen der formaljuristischen Gesellschaftsgründung stattfinden „können und sollen“.387 Dadurch wird die Geltung der Sachgründungsvorschriften über die formaljuristische Gründungsphase hinaus erweitert und dergestalt innerhalb der 385 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 53 Rn. 3; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 53 Rn. 5. 386 So die Hauptargumente gegen eine Schutzwirkung von § 52 AktG im Bereich der Kapitalaufbringung, vgl. Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 159 und Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 74. 387 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. B. Zum Einzelnen. 3. Verhütung von Nachgründungen durch Uebernahmen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453 reSp.

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Nachgründungsphase eine unmittelbar-repressive Schutzwirkung hinsichtlich der Sachgründungsvorschriften erzielt. Dieser Schutz kann über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen nicht in gleicher Weise gewährleistet werden. Darüber hinaus mag das Nachgründungserfordernis in Einzelfällen sogar mittelbar dazu führen, dass (weitsichtige) Gründer dazu angehalten werden, bereits zum Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung absehbare und umfangreiche Erwerbsgeschäfte der jungen Aktiengesellschaft vorwegzunehmen und anstelle einer Bargründung mit anschließender Nachgründung direkt eine Sachgründung vorzunehmen. Auf diesen Umstand weisen zwar auch Bröcker und Schwab hin. Allerdings glauben sie fälschlicherweise hierin den eigentlichen Schutzmechanismus der Nachgründung als „Verhinderungsvorschrift“ zu erkennen. Wie erinnerlich ist diese Umgehungsschutzthese unzutreffend. Stattdessen handelt es sich lediglich um eine Reflexwirkung von § 52 AktG, dessen ursprünglich intendierter Schutzmechanismus allein darin bestand, die Durchführung nachgründender Erwerbsgeschäfte an sämtlichen für die Gründung geltenden Verfahrens- und Haftungsnormen vorbei zu verhindern.388 Diesem erklärten Ziel wurden zwar weder die historische Nachgründungsregelungen in Art. 213f ADHGB 1884 noch in § 207 HGB 1894 effektiv gerecht. Indes hat der Gesetzgeber aus seinen Versäumnissen „gelernt“ und in den darauffolgenden Aktienrechtsreformen von 1937 und 1965 eine weitgehende Angleichung des Nachgründungsverfahrens an das Sachgründungsverfahren durchgeführt. Wenn auch nach aktuellem Stand noch Unterschiede im Einzelnen bestehen, so ist dies allein der spezifischen Nachgründungssituation geschuldet. Bei dem Nachgründungsvorgang handelt es sich eben nicht um einen formalen Gründungsakt, sondern vielmehr um ein Erwerbsgeschäft der Aktiengesellschaft. Dennoch kommt § 52 AktG insoweit unbestreitbar eine mittelbar-präventive Funktion im Bereich des Kapitalaufbringungsschutzes zu. Auch angesichts der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen ist § 52 AktG daher unverändert Bedeutung für den Kapitalaufbringungsschutz beizumessen. Unabhängig davon erhöht § 52 AktG mit seinen leicht fassbaren abstrakten Tatbestandsmerkmalen auch in prozessualer Hinsicht das Schutzniveau gegenüber den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen spürbar. Nach den allgemeinen Grundsätzen obläge es der Aktiengesellschaft und im Insolvenzfall dem Verwalter, die Zweckabrede zwischen den Beteiligten für eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Inferenten aus § 27 Abs. 3 AktG darzulegen und zu beweisen.389 Einzig wenn zwischen der Bareinlage und dem Rückfluss an den Inferenten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang (in der Regel sechs Monate) besteht, ist eine Vermutung

388 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. B. Zum Einzelnen. 3. Verhütung von Nachgründungen durch Uebernahmen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453 liSp. 389 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 34.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

für das Vorliegen einer Absprache gegeben.390 Derartiger Hilfskonstruktionen bedarf es im Rahmen der Nachgründung nicht. Zwar trifft auch hier nach allgemeinen Grundsätzen denjenigen die Beweislast, der sich auf die Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG beruft. Allerdings fällt die entsprechende Darlegungs- und Beweislast erheblich geringer aus. So lassen sich die beteiligten Vertragsparteien unschwer ermitteln. Auch die maßgeblichen Größenmerkmale ergeben sich grundsätzlich aus der in der Satzung festgelegten Grundkapitalziffer sowie den Beteiligungsverhältnissen der Aktionäre. Selbiges gilt für den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm. Über – schwerlich nachweisbare – subjektive Tatbestandsmerkmale verfügen die Nachgründungsvorschriften nicht. Die rein abstrakt gehaltenen Tatbestandsmerkmale nach § 52 Abs. 1 AktG erweisen sich somit als prozessual vorteilhaft gegenüber den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen. Schließlich leistet § 52 AktG insbesondere nach ARUG einen entscheidenden Beitrag im Rahmen des Kapitalaufbringungsschutzes. Das durch die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen auf Kapitalaufbringungsebene vermittelte Schutzniveau wurde mit der Entschärfung der Unwirksamkeitsfolge markant abgesenkt, § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG. Im Gegensatz dazu ordnet § 52 Abs. 1 AktG für den Fall der Nichtbeachtung der Nachgründungserfordernisse unverändert die Unwirksamkeit der betroffenen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte an. Mit der Argumentation von Bröcker und Schwab sollte die Nachgründung vor ARUG insbesondere deshalb keinen über die Lehre von der verdeckten Sacheinlage hinausgehenden Umgehungsschutz gewährleisten können, weil die Gründer selbst nach einem Nachgründungsverfahren weiterhin den (Unwirksamkeits-)Folgen einer verdeckten Sachgründung unterlagen.391 Nunmehr ergibt sich spiegelbildlich die Situation, dass die Gründer bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage zwar nicht mehr der Unwirksamkeitsfolge ausgesetzt sind. Indes schwebt nun die Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG als Damoklesschwert über den Gründern, wenn sie kein ordnungsgemäßes Nachgründungsverfahren durchgeführt haben. Mit ihrer latenten Unwirksamkeitsfolge bietet die Nachgründung damit jedenfalls nach ARUG einen über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen hinausgehenden Umgehungsschutz. Es bleibt somit festzuhalten, dass der Nachgründung sehr wohl eine Bedeutung im Bereich des Kapitalerhaltungsschutzes beizumessen ist und § 52 AktG durch die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen im Rahmen des Kapitalaufbringungsschutzes nicht funktionslos geworden ist.

390 BGH, BGHZ 125, 141, 143 f.; 132, 133, 139; 153, 107, 109 f.; BGH, Beschl. v. 15. 10. 2007 – Az.: II ZR 263/06 = NZG 2008, 511 f.; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 34; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 106; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 66; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 96. 391 Vgl. Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1035; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 83.

Kap. 6: Versuche einer dogmatischen Verhältnisbestimmung

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f) Nachgründung und Anlegerschutzrecht Abschließend soll noch zur weitergehenden Kritik Bröckers an der Nachgründung sowie ihrer Beurteilung unter Aspekten des Anlegerschutzes Stellung genommen werden. Zunächst ist Bröcker zuzustimmen, dass in der Tat der „Bock zum Gärtner“ gemacht wird, wenn die Hauptversammlung nicht alsbald nach der Gründung mit Publikumsaktionären durchsetzt wird.392 Doch auch wenn es die Gründer in diesem Fall selbst in der Hand haben, den entsprechenden Zustimmungsbeschluss zu fassen, so wird über die Nachgründungsprüfung durch Aufsichtsrat und Nachgründungsprüfer, die registergerichtliche Kontrolle sowie die Handelsregistereintragung jedenfalls ein Mindestmaß an Kontrolle und Publizität für Publikumsaktionäre und Gesellschaftsgläubiger geschaffen. Auch der Vorwurf, dass die Nachgründung mit ihrer Kontrolle der Verwaltung durch die Hauptversammlung als reines Anlegerschutzrecht konzipiert sei und daher im gesellschaftsrechtlichen Leitbild der Aktiengesellschaft einen Fremdkörper darstelle,393 relativiert sich vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte der Nachgründung wieder. So hat die rechtshistorische Untersuchung zu Tage gefördert, dass der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung seine historische Vorbildregelung in der konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessiv- bzw. Stufengründung hatte und überdies dem aktienrechtlichen Kompetenzgefüge vor 1937 entsprach. Die Nachgründung war daher vom historischen Gesetzgeber keineswegs als reines Anlegerschutzrecht gedacht, sondern fügte sich ohne Weiteres in das damals geltende Gründungsverfahren und Kompetenzgefüge. Diesen Zusammenhang lässt Bröcker unberücksichtigt. Zudem ist die Verengung der Beurteilung der Nachgründung allein anhand des Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung ersichtlich Folge der unzutreffend bestimmten Umgehungsschutzthese sowie der daraus resultierenden Ablehnung jeglicher Schutzwirkung von § 52 AktG im Bereich der Kapitalaufbringung.

IV. Fazit Nach dem vorstehend Gesagten lassen sich nach derzeitigem Stand somit insgesamt drei Meinungsblöcke unterscheiden: Zunächst handelt es sich dabei um diejenigen, die sich unter Verweis auf § 52 AktG bereits grundsätzlich gegen die Existenzberechtigung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ ausgesprochen haben. Von deren Standpunkt aus betrachtet, stellt sich eine Verhältnisfrage schon gar nicht. Diesem Argumentationsansatz ist jedoch spätestens mit der Normierung verdeckter Sacheinlagen in § 27 392 393

So treffend Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1036. Vgl. Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1037.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Abs. 3 AktG und der darin liegenden Anerkennung der Rechtsfigur durch den Gesetzgeber neben der Nachgründung jegliche Grundlage entzogen worden. Bereits vor ARUG haben dagegen die herrschende Literaturmeinung sowie der BGH in ständiger Rechtsprechung die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen als solche anerkannt. Die daraus resultierende Verhältnisfrage löst diese herrschende Meinung, indem sie von einem Nebeneinander von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung auf Kapitalaufbringungsebene als konkretem beziehungsweise abstraktem Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften ausgeht. Schließlich erkennt zwar auch eine dritte Gruppe von Literaturvertretern die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen grundsätzlich an. Im Unterschied zur herrschenden Meinung sprechen sie der Nachgründungsregelung jedoch eine eigenständige Funktion im Bereich des Kapitalaufbringungsschutzes neben den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen ab und ordnen die Nachgründung stattdessen dem Recht der Kapitalerhaltung zu. Im methodischen Ausgangspunkt stimmen sowohl herrschende Meinung als auch Mindermeinung folglich darin überein, dass die Verhältnisbestimmung im engeren Sinne auf das Engste mit der dogmatischen Verortung des § 52 AktG verbunden ist. Zu diesem Zweck befürwortet die herrschende Meinung eine Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalaufbringung, betont in diesem Zusammenhang die Parallelen zum geltenden Sachgründungsverfahren und grenzt § 52 AktG von den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen über die Unterscheidung zwischen abstraktem Umgehungsschutz einerseits und konkretem Umgehungsschutz andererseits ab. Hierdurch ist ein Nebeneinander von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung auf Kapitalaufbringungsebene begründbar. Im Gegensatz dazu siedelt die Gegenauffassung die Nachgründung allein auf Ebene des Kapitalerhaltungsschutzes an und verweist insoweit auf das separate Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung. Eine dogmatische Abgrenzung von § 52 AktG im Verhältnis zu den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen ist dementsprechend problemlos möglich, ohne dass es noch auf die Art und Weise des Umgehungsschutzes ankäme. Spiegelbildlich zu den konträren Argumentationslinien ergeben sich sodann auch die Unzulänglichkeiten der beiden dogmatischen Lösungsansätze. So stellt die herrschende Meinung zwar zu Recht auf die Ausgestaltung der Nachgründungsregelung in Anlehnung an das Sachgründungsverfahren ab, bezieht jedoch das separate Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nicht in ihre dogmatische Beurteilung ein bzw. ist auf die Begründung eines vermeintlichen sekundären Normzwecks angewiesen. Umgekehrt muss sich die Gegenauffassung unter anderem den Einwand gefallen lassen, dass sie zwar den notwendigen Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung auf seine Funktion im Bereich der Kapitalerhaltung hin untersucht, darüber jedoch die unbestreitbaren Parallelen von § 52 AktG zu den Sachgründungsvorschriften vernachlässigt. Schließlich stoßen beide Erklärungsmodelle durch den – zugegeben wenig systematischen – Eingriff des ARUG-Gesetzgebers in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen vollends an ihre Grenzen. Insgesamt ergibt sich damit das unbefriedigende Ergebnis, dass trotz des biblischen Alters der Nachgründungsregelung bisher weder eine annähernd wider-

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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spruchsfreie dogmatische Verortung der Rechtsfigur selbst gelungen ist noch eine überzeugende Lösung zur Bestimmung des dogmatischen Verhältnisses von Nachgründung und verdeckter Sacheinlage gefunden werden konnte. Kapitel 7

Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung – Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung und ihr Verhältnis i. e. S. zur verdeckten Sacheinlage nach ARUG Da der Befund im Anschluss an die Besprechung des vorzufindenden Meinungsstands unter Berücksichtung der Reform durch das ARUG einigermaßen unbefriedigend ausgefallen ist, will sich die vorliegende Untersuchung nicht damit zufriedengeben, die Unzulänglichkeiten und Widersprüche der bisherigen Lösungsansätze aufgezeigt und kritisiert zu haben. Stattdessen soll ein eigenes Lösungskonzept entwickelt werden, das nicht nur in der Lage ist, das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung im engeren Sinne stimmig auflösen zu können, sondern auf dessen Grundlage sich auch und gerade nach ARUG für das Verhältnis beider Rechtsfiguren im weiteren Sinne überzeugende Ergebnisse ableiten lassen. Zur Erreichung dieses durchaus ambitionierten Ziels soll im zweiten Teil nach einer kurzen Vorüberlegung (I.) in einem ersten Schritt eine dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründung erfolgen (II.), bevor schließlich in einem zweiten Schritt das dogmatische Verhältnis zwischen § 52 AktG und § 27 Abs. 3 AktG geklärt werden kann (III.). Die Untersuchung des Verhältnisses beider Rechtsfiguren im weiteren Sinne bleibt dagegen dem dritten und letzten Teil der Arbeit vorbehalten.

I. Vorüberlegung 1. Nutzen einer dogmatischen Einordnung Der Nutzen einer eindeutigen dogmatischen Verortung der Nachgründungsregelung ist in erster Linie darin zu sehen, dass daraus einerseits Rückschlüsse für die praktische Normanwendung von § 52 AktG gezogen werden können. Begreift man die Nachgründung als reine Umgehungsvorschrift im Bereich der Kapitalaufbringung, spricht vieles dafür, ihren Anwendungsbereich auf den Anwendungsbereich der (Gründungs-)Vorschriften zu begrenzen, deren Umgehung verhindert werden soll; ist der Nachgründung dagegen ein weitergehender Schutzzweck im Bereich der

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Kapitalerhaltung beizumessen, könnte dieser Zweck ein Eingreifen auch dann verlangen, wenn Interessen beeinträchtigt werden, die im Gründungsrecht keine Berücksichtigung finden.394 Andererseits wurde aufbauend auf der dogmatischen Zuordnung der Nachgründung zu den Bereichen der Kapitalaufbringung oder der Kapitalerhaltung maßgeblich die Abgrenzung von den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen durchgeführt.

2. Aufgabe der Zuordnungskriterien Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung Sämtliche Einordnungsversuche in Bezug auf § 52 AktG scheiterten jedoch mehr oder minder daran, dass einzelne Elemente des Nachgründungstatbestandes isoliert voneinander herausgegriffen, zuweilen überbetont und darüber die Regelung in ihrer Gesamtheit vergessen wurde.395 Auch die unterschiedlichsten Bezeichnungen der Nachgründung als „nachlaufende Kapitalaufbringungssicherung“396, „vorläufige Kapitalverwendungskontrolle“397, „vorläufige Kapitalerhaltungskontrolle“398 oder „vorläufiger, allgemeiner Vermögensschutz“399 bringen in der Sache keinen entscheidenden Vorteil. Indes veranschaulichen sie in besonderer Weise den übergreifenden Regelungsansatz des § 52 AktG, der sich weder im Schutz der Kapitalaufbringung erschöpft noch auf den Aspekt der Kapitalerhaltung begrenzen lässt. Sicher ist demzufolge nur, dass die Nachgründungsregelung im Spannungsfeld zwischen beiden dogmatischen Bereichen oszilliert. Einen insoweit erfolgversprechenden Ansatz hat Drygala unter Verweis auf den „ambivalenten Charakter“ der Nachgründung anklingen lassen, indem er im Ausgangspunkt der Unterscheidung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung einen vorwiegend deskriptiven Charakter beimisst und beide Prinzipien auf das übergeordnete und umfassende gesetzliche Prinzip der Kapitalsicherung zurückführt.400 Als weiteren Beleg dafür, dass eine strikte Trennung von Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung der gesetzlichen Konzeption des Aktienrechts gerade nicht zugrunde liegt, führt er neben § 52 AktG insbesondere auch § 66 AktG an, der sowohl die Sicherung der Kapitalerhaltung bezwecke als auch eine zentrale Vorschrift im System der realen Kapitalaufbringung sei.401 Ingesamt stellen sich Kapitalaufbrin394

So die Überlegungen von Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 20. Zur Grundsatzkritik siehe oben Kapitel 6, Ziff. II. 3. und III. 3., S. 124 ff. bzw. 136 ff. 396 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 13. 397 Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 38. 398 Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1035. 399 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 77. 400 Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 703. 401 Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 699 m. w. N. 395

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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gung und Kapitalerhaltung damit als die Kehrseiten einer Medaille dar, die sich bei der Nachgründung als sich ergänzende und nicht als konkurrierende Prinzipien erweisen.402 Dieser freilich allgemein gehaltene Grundgedanke Drygalas soll im Folgenden aufgegriffen und anhand der unterschiedlichen Aspekte der Nachgründungsregelung für § 52 AktG in seinen Einzelheiten vertieft werden. Dabei soll der gesetzgeberische Eingriff in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen durch das ARUG als willkommener Anlass dienen, um die festgefahrene Diskussion zur dogmatischen Verortung der Nachgründung in eine neue Richtung zu lenken, indem die starren dogmatischen Zuordnungskriterien der Kapitalaufbringung und -erhaltung jedenfalls für § 52 AktG aufgegeben werden. Stattdessen gilt es, die einzelnen Normaspekte der Nachgründung in das Zentrum der dogmatischen Beurteilung der Rechtsfigur zu rücken. Sodann soll dieser Ansatz nicht nur isoliert für die Nachgründung, sondern darüber hinaus auch für die Verhältnisbestimmung im engeren Sinne fruchtbar gemacht werden. Die insoweit anzutreffenden Klärungsversuche der herrschenden Meinung sowie der Mindermeinung waren ohnehin primär vor dem Hintergrund einer Rechtfertigung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen erfolgt.403 Dieser Rechtfertigungsdruck ist mit der gesetzlichen Normierung verdeckter Sacheinlagen in § 27 Abs. 3 AktG nun entfallen, weshalb auch die Verhältnisbestimmung von dieser irreführenden Determinante zu lösen ist. Alternativ soll daher das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung im engeren Sinne ebenfalls an den einzelnen Normaspekten der Nachgründung ausgerichtet werden.

II. Die Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung 1. Normaspekte der Nachgründung Gedanklich befreit von dem Erfordernis, die Nachgründung in dogmatischer Hinsicht pauschal entweder dem Kapitalaufbringungsschutz oder dem Kapitalerhaltungsschutz zuordnen zu müssen, können nunmehr die einzelnen – durchaus bemerkenswerten – Normaspekte näher beleuchtet werden. Ihnen ist im Rahmen der dogmatischen Beurteilung von § 52 AktG der gebührende Stellenwert einzuräumen.

402

Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 704. Dazu ausführlich oben Kapitel 6, Ziff. II. 3. lit. a) und Ziff. III. 3. lit. b), S. 124 ff. bzw. 138. 403

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

a) Kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt Der erste zentrale Normaspekt der Nachgründungsregelung wird durch die zahlreichen Parallelen der Nachgründung zu den Sachgründungsvorschriften markiert. Hierin kommen deutlich die unbestreitbaren Bezüge von § 52 AktG zum Recht der Kapitalaufbringung zu Ausdruck. aa) Rechtshistorischer Hintergrund und Angleichungsbemühungen Wie der ausführliche Vergleich im ersten Teil der vorliegenden Untersuchung deutlich gemacht hat, orientierte sich der historische Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der ersten Nachgründungsregelung maßgeblich an den seinerzeit neu geschaffenen Sachgründungsvorschriften.404 Indes unterlag er dabei sowohl im Rahmen der denkwürdigen Aktienrechtsnovelle von 1884 als auch im Rahmen der Handelsrechtsreform von 1897 einem folgenschweren Einschätzungsfehler in Bezug auf die Wirksamkeit der getroffenen Nachgründungsregelung. Das Zurückbleiben der Nachgründung in Qualität und Quantität hinter den Sachgründungsvorschriften, allen voran die fehlende externe (Nach-)Gründungsprüfung und das fehlende Erfordernis einer Handelsregistereintragung, mündete in den 1920er Jahren in eine regelrechte Vermeidungspraxis und hatte so letztlich die Schaffung der „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ durch das Reichsgericht zur unmittelbaren Folge.405 Ungeachtet der Herausbildung und fortlaufenden dogmatischen Verfestigung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen reagierte der Gesetzgeber mit der Aktienrechtsreform von 1937 mit einer weitgehenden Angleichung der Nachgründung an die Sachgründungsvorschriften.406 Zu diesem Zweck wurden maßgeblich die Eintragung des Erwerbsvertrages in das Handelsregister als Wirksamkeitsvoraussetzung und die Durchführung einer externen Nachgründungsprüfung eingeführt. Insbesondere durch letztere Maßnahme sollte der bis dahin bestehende – und praktisch wohl relevanteste – Unterschied zum Sachgründungsverfahren beseitigt werden. Dieses legislatorische Bemühen um einen weitgehenden Gleichlauf von Sachgründungs- und Nachgründungsverfahren dauert bis heute an, wie jüngst die Implementierung der Regelungen zur vereinfachten Sachgründung nach § 36a AktG durch entsprechende Verweisungen in § 52 AktG im Zuge der Reform durch das ARUG zeigt.

404 405 406

Zu den Einzelheiten siehe oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c), S. 41 ff. Dazu oben Kapitel 2, Ziff. I, S. 58 ff. Dazu oben Kapitel 3, Ziff. I. 2. lit. b), S. 74 ff.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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bb) Nachgründungs- und (Sach-)Gründungsverfahren Vor dem Hintergrund der anhaltenden Angleichungsbemühungen des Gesetzgebers soll zunächst eine Gegenüberstellung von Nachgründungs- und Sachgründungsverfahren nach aktuellem Recht erfolgen. (1) Prüfung Gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 AktG muss der Aufsichtsrat den nachgründenden Vertrag prüfen und hierüber schriftlich Bericht erstatten. Insoweit ist unschwer die Nähe dieser Norm zur Gründungsprüfung durch den Aufsichtsrat nach § 33 Abs. 1 AktG zu erkennen. Während jedoch die Gründungsprüfung nach § 33 Abs. 1 AktG auf dem Gründungsbericht der Gründer nach § 32 AktG basiert,407 ist ein solcher Bericht der Gründer im Nachgründungsfall schlichtweg nicht existent, da es sich gerade nicht um einen formaljuristischen Gründungsvorgang handelt. Insoweit ordnet § 52 Abs. 3 Satz 2 AktG die sinngemäße Geltung von § 32 Abs. 2 und 3 AktG für den Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats an. Demzufolge hat er in seinem Nachgründungsbericht insbesondere die wesentlichen Umstände darzulegen, von denen die Angemessenheit der Vergütung der Aktiengesellschaft für die erlangte Leistung abhängt.408 Dergestalt wird der Inhalt des (nicht vorhandenen) Gründungsberichts im Wesentlichen auf den Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats verlagert. Hierin unterscheidet sich der Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats nach § 52 Abs. 3 Satz 1 AktG mithin strukturell von der Prüfung des Gründungshergangs durch den Aufsichtsrat nach § 33 Abs. 1 AktG. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Vorstand der Gesellschaft zwar nach § 33 Abs. 1 AktG prüfungspflichtig ist, nicht aber im Rahmen der Nachgründung. Diese Abweichung der Prüfungserfordernisse ist jedoch vollkommen folgerichtig und in erster Linie der nachgründenden Erwerbssituation im Anschluss an die formaljuristische Gründungsphase geschuldet. So hatte bereits der Gesetzgeber von 1884 zutreffend erkannt, dass der Vorstand, welcher den nachgründenden Erwerbsvertrag abgeschlossen hat, sich schlechterdings nicht selbst kontrollieren kann.409 Dennoch bleibt diesbezüglich festzuhalten, dass die Nachgründung im Gegensatz zur Sachgründung keine Prüfungspflicht des Vorstands kennt. Notwendig ist gemäß § 52 Abs. 4 AktG ferner eine externe Nachgründungsprüfung, für die § 33 Abs. 3 bis 5 AktG und §§ 34, 35 AktG über die Gründungsprüfung entsprechend gelten. Auch an dieser Stelle erschließen sich die Parallelen zur externen Gründungsprüfung schon angesichts der Verweisungen auf das Gründungsrecht ohne Weiteres. Wie im Falle einer Sachgründung nach § 33 Abs. 2 Nr. 4 407

Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 33 Rn. 1. Zu den nachgründungsspezifischen Besonderheiten vgl. Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 443 f. 409 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. 408

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

AktG ist die Prüfung durch externe Gründungsprüfer für die Nachgründung stets obligatorisch. Dabei kann auch für die Nachgründung unter den Voraussetzungen des § 33a AktG ausnahmsweise ebenfalls auf eine externe Prüfung verzichtet werden, § 52 Abs. 4 Satz 3 AktG. Insoweit sind mithin keine qualitativen Unterschiede ersichtlich. (2) Publizität Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG müssen sowohl Sacheinlagen als auch Sachübernahmen der Aktionäre in der Satzung der Aktiengesellschaft festgesetzt werden. Eine vergleichbare Satzungspublizität des Nachgründungsvorgangs kennt § 52 AktG indes nicht, sondern allein die Eintragung des Nachgründungsvertrags im Handelsregister. Dies stellt zwar im Vergleich zum Verfahren einer Sachgründung eine geringere Qualität der Offenlegung dar, da im Zuge der Sachgründung eine entsprechende Satzungsänderung vorzunehmen ist und die Satzungsbestimmung mindestens 30 Jahre in der Satzung enthalten sein muss, §§ 27 Abs. 5, 26 Abs. 5 AktG.410 Allerdings erklärt sich dieser Unterschied vor dem Hintergrund, dass der gesamte Nachgründungsvorgang vom Gesetzgeber gerade nicht als Gründungsakt behandelt wird, so dass eine nachträgliche Aufnahme nicht nur im Hinblick auf die Erwerbssituation im Anschluss an die formaljuristische Gründungsphase systemwidrig erschiene, sondern eine dahingehende Satzungsänderung überdies mit einem zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand für die junge Aktiengesellschaft verbunden wäre. Ungeachtet dieser Unterschiede im Einzelnen zeigt sich in dem Erfordernis der Handelsregistereintragung nach § 52 Abs. 1 AktG jedenfalls das Bestreben des Gesetzgebers um eine größtmögliche Publizität des Nachgründungsvorgangs und damit wiederum ein Kernelement des Sachgründungsverfahrens. So wie § 39 AktG eine Publizität der wesentlichen Gesellschaftsverhältnisse bezweckt,411 wird mithin auch durch das Eintragungserfordernis des Nachgründungsvertrags eine weitgehende Vertragspublizität erreicht. (3) Registerverfahren Ein erster Unterschied des Registerverfahrens von (Sach-)Gründung und Nachgründung besteht zunächst in den Modalitäten der Anmeldung. Während gemäß § 36 Abs. 1 AktG die Gesellschaft von allen Gründern und Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats anzumelden ist, genügt gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 AktG die Anmeldung des Nachgründungsvertrags durch die Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl; insbesondere der Aufsichtsrat wirkt anders als bei der Gründung nicht 410 So der durchaus zutreffende Einwand von Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 73 f. 411 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 39 Rn. 1.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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mit.412 Die Anmeldung der Gesellschaft nach § 36 AktG bezweckt, das zur Entstehung der Aktiengesellschaft als juristische Person führende Registerverfahren einzuleiten und ist deshalb zugleich Verfahrens- und Organisationsakt.413 Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dem anzumeldenden Nachgründungsvertrag im Sinne von § 52 Abs. 1 AktG um ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft414 der Aktiengesellschaft als juristische Person, so dass hier eine Anmeldung durch den ohnehin vertretungsberechtigten Vorstand vollkommen stimmig ist. Eine Beteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern oder gar Gründern an der Anmeldung verbietet sich demzufolge. Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich ferner der Inhalt der Anmeldung nach § 37 AktG und § 52 Abs. 6 AktG. Ungeachtet dieser Unterschiede weist jedenfalls die gerichtliche Prüfung nach § 52 Abs. 7 AktG zahlreiche Parallelen zur Prüfungstätigkeit des Gerichts nach § 38 AktG auf. Durch den ausdrücklichen Verweis von § 52 Abs. 7 Satz 2 AktG auf §§ 37a Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 3 AktG wird dies für den Fall einer vereinfachten Nachgründung ohne externe Gründungsprüfung deutlich. Doch auch abseits derartig augenfälliger Parallelen deckt sich § 52 Abs. 7 Satz 1 AktG inhaltlich mit den vom Registergericht gemäß § 38 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AktG zu beachtenden Prüfungsgegenständen.415 Die Eintragung kann abgelehnt werden, wenn die Gründungsprüfer erklären oder es offensichtlich ist, dass Gründungsbericht oder Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht, § 38 Abs. 2 Satz 1 AktG. Ferner kann das Gericht die Eintragung ablehnen, wenn die Gründungsprüfer erklären oder das Gericht der Auffassung ist, dass der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen nicht unwesentlich hinter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder dem Wert der dafür zu gewährenden Gegenleistung zurückbleibt, § 38 Abs. 2 Satz 2 AktG. Parallel hierzu ordnet § 52 Abs. 7 Satz 1 AktG an, dass das Gericht die Eintragung das Nachgründungsvertrages ablehnen kann, wenn die Gründungsprüfer erklären oder es offensichtlich ist, dass der Nachgründungsbericht unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder dass die für die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist. Zentral werden folglich jeweils die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit von Gründungs-, Prüfungs- bzw. Nachgründungsbericht sowie ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung als Ablehnungsgründe genannt. Die Abweichungen von 412

Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 16; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 38. 413 Vgl. statt aller Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 36 Rn. 2 m. w. N. 414 Vgl. statt aller Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 2 m. w. N. 415 In der Kommentarliteratur wird im Rahmen von § 52 AktG hinsichtlich der Einzelheiten der formellen und materiellen Prüfung durch das Registergericht sodann apodiktisch auf die Kommentierungen zu § 38 AktG verwiesen, vgl. Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 38; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 17; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 40.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

§ 52 Abs. 7 Satz 1 AktG sind wiederum darauf zurückzuführen, dass es sich bei dem Nachgründungsvertrag um ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft und nicht um einen formalen Gründungsvorgang handelt. Demzufolge existieren weder ein Gründungsbericht nach § 32 AktG noch ein Prüfungsbericht des Vorstands nach § 33 Abs. 1 AktG, an deren Stelle tritt der Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats nach § 52 Abs. 3 AktG. Auch kommt bei der Nachgründung im Rahmen ihres originären Anwendungsbereichs grundsätzlich keine Aktiengewährung als Gegenleistung der Gesellschaft in Betracht, sondern es kann wie im Falle einer Sachübernahme allenfalls eine Vergütung gewährt werden.416 Auch wenn und soweit daher Unterschiede bestehen, deckt sich das Registerverfahren von (Sach-)Gründung und Nachgründung insgesamt in den wesentlichen Eckpunkten nach § 52 Abs. 7 AktG. Einzelne Abweichungen haben ihre Ursache erneut in der spezifischen Erwerbssituation im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung. (4) Haftung Es verbleibt schließlich die Untersuchung von Haftungselementen. Die Haftungsgrundsätze im Rahmen der Nachgründung regelt § 53 Satz 1 AktG, indem mit Ausnahme des § 48 AktG die sinngemäße Anwendbarkeit der §§ 47, 49 bis 51 AktG angeordnet wird. Sinn und Zweck ist es, die Haftung im Zusammenhang mit dem Nachgründungsvorgang im Grundsatz so zu regeln, wie bei der Gründung, und dabei zugleich den Besonderheiten des Sachverhalts Rechnung zu tragen.417 Mithin sind die Haftungsgrundsätze der Nachgründung im Kern mit denjenigen der Gründerhaftung identisch. Freilich wird auch insoweit den Besonderheiten der spezifischen Nachgründungsphase Rechnung getragen. Hierzu regelt § 52 Satz 2 AktG in Abweichung zur Gründerhaftung, dass an die Stelle der Gründer die Verantwortlichkeit der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats tritt. Augenfällig wird abermals, dass während der Nachgründungsphase die Gesellschaft als juristische Person tätig wird und infolgedessen allein auf eine Haftung der Gesellschaftsorgane abgehoben wird. Gründer sind am Nachgründungsvorgang formal allenfalls als Vertragspartner der Gesellschaft beteiligt und werden nicht etwa für die Gesellschaft tätig. Infolgedessen scheidet auch eine sinngemäße Erstreckung der §§ 46 ff. AktG als gesellschaftsrechtliche418 Ersatzansprüche auf die Gründer als Vertragspartner des Nachgründungsvertrages bereits a limine aus. Schließlich kommt der Eintragung des Nach416 Zur Frage der Anwendbarkeit von § 52 AktG auf Sachkapitalerhöhungen siehe unten Kapitel 9, Ziff. III., S. 207 ff. 417 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 53 Rn. 1; Gerber, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 53 Rn. 1; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 53 Rn. 2. 418 Zur umstrittenen Rechtsnatur der Gründerhaftung als deliktische, deliktsähnliche oder spezifisch gesellschaftsrechtliche Haftung, vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 46 Rn. 2 m. w. N.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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gründungsvertrages in das Handelsregister nicht nur als Publizitätsakt, sondern auch als Anknüpfungspunkt von § 53 Satz 4 AktG Bedeutung zu, indem dessen Eintragungszeitpunkt im Handelsregister an die Stelle der Eintragung der Gesellschaft tritt. Dies betrifft namentlich die Zulässigkeit von Verzicht und Vergleich über Ersatzansprüche der Gesellschaft erst nach Ablauf von drei Jahren sowie die Verjährung von Ersatzansprüchen in fünf Jahren seit Eintragung des Nachgründungsvertrages in das Handelsregister, §§ 50, 51, 53 Satz 4 AktG. cc) Spezifischer Umgehungsschutz für die Nachgründungsphase Die Gegenüberstellung von Nachgründungs- und (Sach-)Gründungsverfahren nach aktuellem Recht hat gezeigt, dass der mittlerweile erreichte Stand der Angleichung der Nachgründung an die Sachgründungsvorschriften zwar durchaus beachtlich ist. Dies mag den BGH wohl auch dazu veranlasst haben, in § 52 AktG lediglich einen „verlängerten“ Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften zu erblicken.419 Indes ist bei genauer Betrachtung zu konstatieren, dass sich der Gleichlauf von Nachgründung und Sachgründung in erster Linie auf die Grundelemente des (Sach-)Gründungsverfahrens beschränkt. Namentlich handelt es sich um Prüfungs-, Publizitäts- und Haftungselemente sowie das registerrechtliche Verfahren. Diese Einzelelemente werden für die Nachgründungsphase jedoch maßgeblich modifiziert und an die spezifische Erwerbssituation angepasst, in der sich die junge Aktiengesellschaft im Anschluss an die formaljuristische Gründungsphase befindet. Sinn und Zweck dieser eigenständig ausgestalteten Nachgründungsregelung ist es, eine nachträgliche Aushöhlung der Sachgründungsvorschriften innerhalb dieser zweijährigen Adoleszenzphase der Aktiengesellschaft zu verhindern. Mithin „verlängert“ § 52 AktG den Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften nicht lediglich, sondern gewährleistet vielmehr einen spezifischen Umgehungsschutz für die Nachgründungsphase. Folglich ist der Norm ein eigenständiger kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt beizumessen. b) Kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt Indes erschöpft sich der Regelungsgehalt von § 52 AktG nicht in diesem Einzelaspekt. Ein weiteres wesentliches Element, welches in der anhaltenden Diskussion um die dogmatische Verortung der Nachgründung und ihr Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage erstaunlicherweise noch keine angemessene Berücksichtigung gefunden hat, verbirgt sich hinter dem Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nach § 52 Abs. 1 AktG sowie dem dazugehörigen Kapitalquorum nach § 52 Abs. 5 AktG.

419 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 18; dazu bereits ausführlich oben Kapitel 5, II. 1. lit. c) aa), S. 107 f.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

aa) Rechtshistorische Wurzeln – Nachgründung und Sukzessivgründung Weder Rechtsprechung420 noch Schrifttum421 sind im Rahmen ihrer ausführlichen rechtshistorischen Untersuchungen näher auf die Wurzeln des erforderlichen Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung bei Nachgründungen sowie des hierfür maßgeblichen Kapitalquorums eingegangen. Derweil konnte im ersten Teil der vorliegenden Arbeit nachgewiesen werden, dass das im Nachgründungsfall für den Zustimmungsbeschluss der Generalversammlung gemäß Art. 213f Abs. 3 ADHGB 1884 bzw. § 207 Abs. 3 HGB 1897 geltende Kapitalquorum demjenigen der konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessivgründung gemäß Art. 210a Abs. 4 ADHGB 1884 bzw. § 196 Abs. 4 HGB 1897 entlehnt wurde.422 Damit lässt sich das eigentümliche Kapitalquorum nach § 52 Abs. 5 AktG unmittelbar auf jene Vorschriften zur Sukzessivgründung zurückführen. Daraus ist wiederum zu schlussfolgern, dass das Erfordernis eines separaten Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 52 Abs. 1 AktG maßgeblich im Kontext der konstituierenden Generalversammlung im Falle einer Sukzessiv- bzw. Stufengründung zu begreifen ist. Sowohl Kapitalquorum als auch Zustimmungserfordernis der Nachgründung verfügen als Parallelregelungen folglich in der konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessivgründung über ihre rechtshistorischen Wurzeln. Die Gründe dafür, dass diese Zusammenhänge von Nachgründung und Sukzessivgründung bisher weitgehend unentdeckt oder jedenfalls unberücksichtigt geblieben sind, liegen freilich auf der Hand. Zum einen enthielt die Gesetzesbegründung zu Art. 213f ADHGB 1884 in Bezug auf die Vorbildregelungen nur äußerst vage Hinweise. Zum anderen offenbarte auch der konkrete Wortlaut der jeweiligen Kapitalquoren nur bei eingehender Untersuchung seine Parallelen. So hatte der historische Gesetzgeber die Regelung des Kapitalquorums zur Sukzessivgründung nicht wortlautgetreu übernommen, sondern unter Berücksichtigung der spezifischen Erwerbssituation der Nachgründungsphase entsprechend modifiziert. Auch in den Gesetzesbegründungen darauffolgender Aktienrechtsnovellen findet sich schließlich kein Verweis mehr auf den „Ursprung“ des Zustimmungserfordernisses der Nachgründungregelung im Sukzessivgründungsverfahren. bb) Verselbständigungstendenzen Aus den rechtshistorischen Zusammenhängen zwischen Nachgründung und Sukzessivgründung ist jedoch keineswegs zu schlussfolgern, dass die Nachgrün420 Vgl. die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte von § 52 AktG in BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 52 ff. 421 Vgl. etwa die dezidierten Untersuchungen von Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1447 ff. und Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 49 ff. 422 Vgl. Gegenüberstellung oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c) cc) (2) und Ziff. II. 1. lit. b), S. 46 f. bzw. S. 51 f.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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dungsregelung insgesamt auf einen Umgehungsschutz der Gründungsvorschriften beschränkt sei. Die eigentliche Relevanz der Vorbildregelungen zur Sukzessivgründung liegt vielmehr darin begründet, dass die Möglichkeit einer Sukzessivgründung im Zuge der Aktienrechtsreform von 1965 ersatzlos abgeschafft wurde und mit ihr die konstituierende Generalversammlung.423 Indes wurde das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung im Rahmen der Nachgründung unverändert beibehalten. Weder das Zustimmungserfordernis nach § 52 Abs. 1 AktG noch das Kapitalquorum nach § 52 Abs. 5 AktG verfügen damit nach aktuellem Recht über ein Pendant im Gründungsrecht. Gemäß §§ 2, 29 AktG müssen die Gründer alle Aktien gegen Leistung der Einlagen übernehmen, es gelten das Verbot der Stufengründung bzw. das Erfordernis der Einheitsgründung.424 Zustimmungserfordernis und Kapitalquorum der Nachgründung haben sich folglich verselbständigt. Eine ähnliche Verselbständigungstendenz ist vor dem Hintergrund der Entwicklung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung im Zuge der Aktienrechtsreform 1937 zu beobachten.425 Zur Zeit der Einführung der ersten Nachgründungsregelung 1884 verfügte noch die Generalversammlung über die grundsätzliche Leitungs- und Geschäftsführungskompetenz mitsamt Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand. Hiervon rückte der Gesetzgeber nun ab und etablierte das sog. „Führerprinzip“, was im Wesentlichen zur Folge hatte, dass sich die Bedeutung des Vorstandes von einem bloßen Vertretungsorgan zu dem zentralen Leitungs- und Geschäftsführungsorgan der Aktiengesellschaft wandelte. Doch trotz dieses grundlegenden Kompetenzwandels hielt der Gesetzgeber (im Übrigen ohne nähere Begründung) unverändert am Zustimmungserfordernis der Nachgründung fest. Dies mag im Ergebnis dazu geführt haben, dass sich das separate Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung im Falle der Nachgründung nach modernem Verständnis als „Fremdkörper“426 im gesellschaftsrechtlichen Leitbild des Aktienrechts darstellt. Indes relativiert sich dieser scheinbare Widerspruch unter Beachtung des vor 1937 geltenden Kompetenzgefüges ein Stück weit, da sich das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses seinerzeit ohne Weiteres stimmig in die grundsätzliche Leitungs- und Geschäftsführungskompetenz der Hauptversammlung fügte und die Beteiligung der Hauptversammlung demnach konsequent und folgerichtig war. Die einzige Besonderheit stellte insoweit das Kapitalquorum dar, dem der Zustimmungsbeschluss zusätzlich unterlag. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass die Nachgründung besagten Kompetenzwandel nicht nachvollzogen und das separate Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 52 Abs. 1 AktG auch insoweit eine Verselbständigung erfahren hat.

423

Ausführlich dazu bereits oben Kapitel 3, Ziff. II. 1. lit. b), S. 84 f. Vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 2 Rn. 12; Heider, in: Münchener Kommentar AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 2 Rn. 2 m. w. N. 425 Ausführlich dazu oben Kapitel 3, Ziff. I. 1., S. 70 ff. 426 So der Einwand von Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1037. 424

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Diese Entwicklungslinien haben folglich in ihrer Gesamtheit dazu geführt, dass sich Zustimmungserfordernis und Kapitalquorum – von Gesetzgeber und Schrifttum mehr oder weniger unbemerkt – als Aspekt der Nachgründung verselbständigt haben. cc) Nachgründungswille und Kontrollfunktionen der konstituierenden Hauptversammlung Angesichts der soeben im historischen Kontext dargestellten Verselbständigung bleibt abschließend zu fragen, welcher Regelungsgehalt dem eigenständigen Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nach § 52 Abs. 1 und 5 AktG konkret beizumessen ist. Ursprünglich bestand der Sinn und Zweck des Beschlusses einer konstituierenden Generalversammlung darin, den „gemeinsamen Errichtungswillen“ von Gründern und zukünftigen Aktionären, die nicht zugleich Gründer sind, festzustellen.427 Während sich bei der Einheitsgründung alle zukünftigen Aktionäre über die Verfassung der Gesellschaft grundsätzlich einig sind, waren im Falle einer Sukzessivoder Stufengründung nur die Gründer selbst und nicht auch die späteren Zeichner als zukünftige Aktionäre an der Feststellung des Gesellschaftsvertrages beteiligt. Aus diesem Grund bedurfte es einer separaten Bestätigung des Errichtungswillens durch den Errichtungsbeschluss der konstituierenden Generalversammlung. Übertragen auf das Zustimmungserfordernis nach § 52 Abs. 1 AktG bedeutet dies, dass die Hauptversammlung analog zum Errichtungswillen der konstituierenden Generalversammlung durch die Beschlussfassung ihren Nachgründungswillen zum Ausdruck bringt. Hierdurch wird es insbesondere den von den Gründern verschiedenen Aktionären ermöglicht, durch Verweigerung ihrer Zustimmung – zwar nicht von der Gesellschaftsgründung – aber zumindest von dem Nachgründungsvorhaben abzurücken. Es findet folglich durch § 52 Abs. 1 AktG eine direkte Kontrolle des Erwerbsgeschäfts durch eine insoweit konstituierende Hauptversammlung statt. Indes erschöpft sich die Bedeutung des Zustimmungserfordernisses der Nachgründung nicht in der bloßen Kontrolle des Nachgründungsgeschäfts. Die damit verknüpfte Kontrollfunktion ist weitaus umfassender und erstreckt sich überdies auf die Gesellschaftsorgane Vorstand und Aufsichtsrat. Den Ausgangspunkt derartiger Überlegungen bildet der nachhaltige Einfluss der Gründer auf die personelle Besetzung der Gesellschaftsorgane. Gemäß § 30 Abs. 1 AktG bestellen die Gründer den ersten Aufsichtsrat. Dessen Amtszeit wiederum endet gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 AktG erst mit Beendigung der Hauptversammlung, die nach § 120 AktG über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt. Aus dieser Regelungssystematik kann sich eine Amtszeit mit einer Höchstdauer von bis zu 20

427 Bing, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 196 Anm. 1.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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Monaten ergeben.428 Der erste Aufsichtsrat bestellt wiederum den ersten Vorstand, § 30 Abs. 4 AktG. Somit ist es den Gründern theoretisch möglich, für die Dauer von fast zwei Jahren die personelle Besetzung des Aufsichtsrats – und mittelbar über diesen – auch die des Vorstands zu dominieren. Hieran zeigt sich deutlich, dass der Einfluss der Gründer nicht unmittelbar mit der formaljuristischen Gesellschaftsgründung endet, sondern sich (unabhängig von ihrer späteren Beteiligung als Aktionäre) über die personelle Besetzung der Gesellschaftsorgane fortsetzt. Folglich ist potenziell ein Großteil der zweijährigen Adoleszenzphase betroffen, in welcher die Nachgründungsregeln Anwendung finden. Innerhalb dieses Zeitraums werden über das separate Zustimmungserfordernis nun sowohl der aktiv am Geschäftsabschluss beteiligte Vorstand als auch der nach § 52 Abs. 3 AktG prüfungs- und berichtspflichtige Aufsichtsrat einer Gegenkontrolle durch die Hauptversammlung unterzogen. Ein vergleichbarer Regelungsgedanke findet sich bereits im Rahmen der konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessivgründung, indem sich Vorstand und Aufsichtsrat einer kritischen Diskussion vor den versammelten Aktionären stellen mussten und auf diese Weise unlautere Elemente und unwahre Angaben zum Vorschein gebracht werden sollten.429 Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies einen Eingriff in die aktienrechtliche Kompetenzordnung insgesamt. Nach der dualistischen Verfassung der Aktiengesellschaft liegen die Führung der Geschäfte einschließlich der Leitung und Vertretung der Aktiengesellschaft beim Vorstand (§§ 76 ff. AktG), während der Aufsichtsrat die Überwachungsaufgabe wahrnimmt (§ 111 AktG) und der Hauptversammlung die Beschlussfassung nur in wesentlichen Gesellschaftsangelegenheiten obliegt, ohne dass sie in Fragen der Geschäftsführung noch eine eigene Kompetenz hätte (§ 119 AktG).430 Streng genommen bindet § 52 Abs. 1 AktG somit nicht nur die Vertretungsmacht des Vorstandes nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG für die vom Nachgründungserfordernis erfassten Verträge an einen entsprechenden Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung.431 Vielmehr ist das Prinzip der Geschäftsführung durch den Vorstand nach § 77 Abs. 1 AktG insgesamt tangiert, da für die Dauer von zwei Jahren durch § 52 Abs. 1 und 5 AktG eine eigene Beschlusskompetenz der Hauptversammlung für Verträge dieser Art statuiert wird. Insoweit wird die Enumeration des Kompetenzkatalogs nach § 119 Abs. 1 AktG um einen gesetzlichen Sonderfall erweitert.432 Hinsichtlich der Berichts- und Prü428

Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 30 Rn. 7; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 30 Rn. 15; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 30 Rn. 25. 429 Vgl. Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 445. Ausführlich zur Sukzessivgründung oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c) cc) (1), S. 44 f. 430 Vgl. Überblick zur Kompetenzabgrenzung Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 76 Rn. 5. 431 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 1. 432 Vgl. Nennung bei Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 119 Rn. 9; Kubis, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 3: §§ 118 – 178, 5. Auflage 2019, § 119 Rn. 16; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 119 Rn. 13.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

fungspflicht des Aufsichtsrats nach § 53 Abs. 3 AktG wird wiederum dessen Kontrolltätigkeit in Bezug auf den Nachgründungsvorgang einer unmittelbaren Gegenkontrolle durch die Hauptversammlung unterworfen. Die Nachgründung beinhaltet in Gestalt des Erfordernisses eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung mithin einen selbständigen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt, der den Nachgründungsvertrag selbst, den Geschäftsabschluss durch den (beherrschten) Vorstand sowie die Prüfungs- und Berichtspflicht des (ebenfalls beherrschten) Aufsichtsrats umfasst.

2. Zusammenfassung des Normzwecks Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass § 52 AktG über zwei eigenständige Normaspekte verfügt, die sich gegenseitig ergänzen. Aufgrund ihres ambivalenten Charakters lässt sich die Nachgründung daher treffend als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung bezeichnen. Der Sinn und Zweck von § 52 AktG ist dabei ein doppelter: Zum einen soll eine Umgehung wesentlicher Elemente der Sachgründungsvorschriften verhindert werden, indem wirtschaftlich nachgründende Erwerbsgeschäfte im Anschluss an die formaljuristische Gründungsphase weitgehend identischen Verfahrenserfordernissen unterworfen werden (kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt). Dem liegt die Vermutung des Gesetzgebers zugrunde, das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft hätte schon bei der Gründung vorgenommen werden „können und sollen“.433 Dabei handelt es sich jedoch nicht lediglich um eine zeitliche „Verlängerung“ der Sachgründungsvorschriften, sondern vielmehr um einen an die Besonderheiten der spezifischen Erwerbssituation junger Aktiengesellschaften angepassten Umgehungsschutz. Zum anderen dient das selbständige Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung neben der Feststellung eines entsprechenden Nachgründungswillens vor allem der Kontrolle des Nachgründungsgeschäfts selbst sowie der von den Gründern „beherrschten“ Gesellschaftsorgane, namentlich handelt es sich dabei um den nach § 52 Abs. 3 AktG prüfungs- und berichtspflichtigen Aufsichtsrat sowie den aktiv am Geschäftsabschluss beteiligten Vorstand der Gesellschaft (kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt). Insoweit soll über die Stärkung der Hauptversammlungskompetenzen dem Einfluss der Gründer auf die Bestellung des ersten Aufsichtsrats und dem dadurch vermittelten Einfluss auf die Bestellung des ersten Vorstands gleichsam ein Korrektiv entgegengesetzt werden.

433 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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3. Schutzobjekte der Nachgründung Abschließend kann nun der Kreis der Schutzobjekte von § 52 AktG bestimmt werden. Dabei ist zunächst auf den Kreis potenzieller Schutzobjekte einzugehen, wie er in der Kommentarliteratur anzutreffen ist, bevor auf Grundlage der soeben umschriebenen Normaspekte der Nachgründungsregelung eine (Neu-)Bestimmung erfolgen soll. a) Kreis potenzieller Schutzobjekte aa) Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger? Unter Verweis auf den (vermeintlichen) primären Normzweck der Nachgründung, Umgehungen der Sachgründungsvorschriften zu verhindern, werden in der Kommentarliteratur übereinstimmend Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger als Schutzobjekte von § 52 AktG benannt.434 bb) Aktiengesellschaft und Vorstand? Schließlich werden neben den Aktionären und Gläubigern vor dem Hintergrund des (vermeintlichen) sekundären Normzwecks der Nachgründung, also dem Schutz vor einer Einflussnahme der Gründer, wahlweise entweder die junge Aktiengesellschaft435 oder deren unerfahrener Vorstand436 als weitere Schutzobjekte von § 52 AktG angeführt.

434 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 2; Wachter, in: Wachter, AktG, 1. Auflage 2012, § 52 Rn. 2; Heidinger, in: Spindler/Stilz, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 5; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 1; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 13; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 2; Körber, in: Bürgers/Körber, Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 1; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 52 Rn. 2. 435 Heidinger, in: Spindler/Stilz, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 6; Hüffer/ Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 1; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 6; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 2. 436 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 2; Wachter, in: Wachter, AktG, 1. Auflage 2012, § 52 Rn. 2; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 6; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 13; Körber, in: Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 1; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 52 Rn. 2.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

b) (Neu-)Bestimmung der Schutzobjekte aa) Kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt: unbeteiligte Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger Die Nachgründungsvorschrift rekurriert in Gestalt des kapitalrechtlichen Umgehungsaspektes auf zentrale Elemente des Sachgründungsverfahrens und schützt somit – wie die Sachgründungsvorschriften437 – grundsätzlich die Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger selbst. Doch ist dieser Kreis potenzieller Schutzobjekte noch zu weit. Denn jedenfalls das Schutzbedürfnis derjenigen natürlichen oder juristischen Personen, die als Gründer oder mit 10 % am Grundkapital beteiligte Aktionäre direkt an dem Nachgründungsgeschäft mitwirken, darf bezweifelt werden. Sie sind als Vertragspartner der Gesellschaft im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG mit den Einzelheiten des nachgründungspflichtigen Geschäfts bestens vertraut und verfügen nicht zuletzt über maßgeblichen Einfluss auf dessen Abschluss. Daher sind sie unter Umgehungsgesichtspunkten weder schutzbedürftig noch schutzwürdig. Vor den Änderungen des NaStraG, als von der Nachgründungsregelung noch sog. Drittgeschäfte erfasst wurden, wären aus den gleichen Gründen auch am Nachgründungsvertrag beteiligte Dritte in ihrer Stellung als Gesellschaftsgläubiger nicht schutzwürdig gewesen. Indes unterfallen derartige Drittgeschäfte infolge der Beschränkung des personellen Anwendungsbereichs von § 52 Abs. 1 AktG auf Verträge der Gesellschaft mit Gründern oder mit mehr als 10 % am Grundkapital beteiligten Aktionären de lege lata nicht mehr dem Nachgründungserfordernis. Mithin ist zwar hinsichtlich der Aktionäre als Schutzobjekt eine weitergehende Differenzierung auf Vertragspartnerseite angezeigt, nicht aber in Bezug auf sonstige Dritte als Gesellschaftsgläubiger. Folglich bedarf der Kreis der Schutzobjekte konsequenterweise einer Eingrenzung auf am Vertragsabschluss unbeteiligte Anteilseigner und sonstige (den Aktionären nicht zurechenbare) Gesellschaftsgläubiger. bb) Kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt: Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan Schließlich ist in Bezug auf den kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt zu konstatieren, dass dieser keineswegs die Verhinderung der wirtschaftlichen Herrschaft der Gründer zum Ziel hat. Vielmehr wird die zeitnah im Anschluss an die Gesellschaftsgründung bestehende wirtschaftliche Herrschaft der Gründer als gegeben hingenommen und auch die daraus resultierenden faktischen Einflussmöglichkeiten werden nicht unterbunden. Stattdessen wird etwaigen Manipulationen erst auf Organebene entgegengewirkt, indem die Verbindlichkeit des rechtsgeschäftlichen Handelns eines unter Umständen von den Gründern instrumentalisierten Vorstandes an die Fassung eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung geknüpft und 437 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 1; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 6. Vgl. auch BGH, Urt. v. 15. 01. 1990 – Az.: II ZR 164/88 – „IBH/Lemmerz“ = BGHZ 110, 47, 55.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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insoweit auch der prüfungspflichtige Aufsichtsrat einer Gegenkontrolle durch die Hauptversammlung unterworfen wird. In Gestalt dieses zusätzlichen Kontrollaspektes schützt die Nachgründung somit in erster Linie die Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan vor einer Düpierung durch die Gründer, indem ihre kompetenzrechtliche Stellung gegenüber den anderen – von den Gründern beherrschten – Gesellschaftsorganen Vorstand und Aufsichtsrat signifikant gestärkt wird. Insoweit findet keine Differenzierung danach statt, ob es sich bei den Teilnehmern der Hauptversammlung um Personen handelt, die in ihrer Eigenschaft als Gründer oder mehr als 10 % am Grundkapital beteiligte Aktionäre am Geschäftsabschluss partizipieren – oder nicht. Geschützt wird mithin die Entschließungsfreiheit der Hauptversammlung in Bezug auf das nachträglich vereinbarte Erwerbsgeschäft als Ganzes. Vor diesem Hintergrund müssen sowohl die junge Aktiengesellschaft als auch deren unerfahrener Vorstand als Schutzobjekte von § 52 AktG ausscheiden. Der Vorstand kommt vor allem deshalb nicht in Betracht, weil er neben Nachgründungsgeschäft und Aufsichtsrat gleichsam den Kontrollgegenstand der Norm selbst bildet – und somit gerade nicht als Schutzobjekt zu qualifizieren ist. Außerdem sehen sich die Vorstandsmitglieder im Rahmen des Nachgründungsvorgangs einer gesamtschuldnerischen Haftung nach § 53 AktG ausgesetzt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt nur schwerlich vom Vorstand als Schutzobjekt gesprochen werden kann. Mit einer vermeintlichen „Unerfahrenheit“ des Vorstandes, wie dies oft in der Kommentarliteratur zu lesen ist, hat die Nachgründung schließlich erst recht nichts zu tun. In Bezug auf die junge Aktiengesellschaft werden zwar im Zuge der Werthaltigkeitskontrolle durch den konstituierenden Hauptversammlungsbeschluss das Gesellschaftsvermögen und damit tendenziell auch die Gesellschaft als solche geschützt. Doch dieser Schutz wird nur in relativer Hinsicht gewährleistet, da sich jedenfalls aus § 52 AktG für die Hauptversammlung weder die Pflicht der Zustimmungserteilung zu einem vorteilhaften Geschäft noch die Pflicht der Zustimmungsverweigerung zu einem nachteiligen Geschäft ergibt. Insbesondere bei Vorliegen eines ordnungsgemäßen Zustimmungsbeschlusses verhindert dann auch eine überhöhte Vergütung an einen Aktionär oder ihm zuzurechnenden Dritten die Wirksamkeit durch die Eintragung nicht.438 Mithin ist die Zustimmung der Hauptversammlung zu einem wertmäßig nachteiligen Vertrag theoretisch denkbar und jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts der Nachgründung nicht zu beanstanden.439 Auch der Ausgang der registergerichtlichen Prüfung des Nachgründungsvorgangs und in diesem Zusammenhang die Eintragung des Nachgründungsvertrags in das Handelsregister nach § 52 Abs. 7 AktG bleiben offen. Es dürfte indes damit zu rechnen sein, dass das Registergericht im Falle der Unangemessenheit der Vergütungshöhe die Eintragung des Nachgründungsvertrages 438

Heidinger, in: Spindler/Stilz, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 91. In einem solchen Fall wäre jedoch ein Anfechtungsrecht der übrigen Aktionäre gemäß der Generalklausel des § 243 Abs. 2 AktG denkbar. Unter Umständen wäre das entsprechende Rechtsgeschäft auch nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG nichtig. 439

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

ablehnen wird, § 52 Abs. 7 Satz 1 Var. 4 AktG. Nichtsdestotrotz geht somit allein von dem Zustimmungsbeschlusserfordernis keine absolute Schutzwirkung für das Gesellschaftsvermögen oder die Gesellschaft aus. Allenfalls wenn und soweit über diese Kontrollmöglichkeit der Hauptversammlung tatsächlich ein für die Gesellschaft nachteiliges Geschäft verhindert wird, kommt dem kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt der Nachgründung unter Umständen eine Bedeutung für den Schutz des Gesellschaftsvermögens zu. Es handelt sich dann jedoch um eine bloße Reflexwirkung, da in erster Linie im Rahmen des Nachgründungsvorgangs die Stellung der Hauptversammlung gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen gestärkt werden soll. c) Zwischenergebnis Somit bleibt festzuhalten, dass sich der Kreis der Schutzobjekte von § 52 AktG weder pauschal auf Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger begrenzen lässt noch die junge Aktiengesellschaft oder gar der Vorstand in Betracht kommen. Stattdessen bilden unter dem Gesichtspunkt des kapitalrechtlichen Umgehungsaspekts am Vertragsabschluss unbeteiligte Aktionäre und sonstige (den Aktionären nicht zurechenbare) Gesellschaftsgläubiger die unmittelbaren Schutzobjekte der Nachgründungsregelung. Unter dem Gesichtspunkt des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts stellen das nachgründende Erwerbsgeschäft und die beherrschten Gesellschaftsorgane in Gestalt von Vorstand und Aufsichtsrat die Kontrollgegenstände dar. Demzufolge wird in erster Linie die Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan vor einer Düpierung durch die Gründer geschützt, indem ihre kompetenzrechtliche Stellung gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen Vorstand und Aufsichtsrat signifikant gestärkt wird.

III. Schlussfolgerung für das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung i. e. S. Auf Grundlage der konkret herausgearbeiteten Normaspekte der Nachgründung kann nun dazu übergegangen werden, das dogmatische Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung im engeren Sinne schlüssig aufzulösen.

1. Perspektivwechsel Im Gegensatz zu den bisherigen Abgrenzungsversuchen440 unterscheidet sich der Ansatz der vorliegenden Arbeit darin, dass ein grundlegender Perspektivwechsel 440 Zu weiteren Nachweisen sowie einer ausführlichen Darstellung des Meinungsspektrums siehe bereits oben Kapitel 6, Ziff. I. bis III., S. 117 ff.

Kap. 7: Dogmatische (Neu-)Bewertung der Nachgründungsregelung

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vollzogen wurde. Statt die Nachgründung wie bisher allein aus dem Zusammenhang mit den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen zu begreifen, hat die dogmatische Standortbestimmung von § 52 AktG aus sich selbst heraus und unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Norm ergeben, dass der Nachgründungstatbestand aus zwei eigenständigen Normaspekten besteht. Dabei handelt es sich einerseits um einen kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt und andererseits um einen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt. Anhand dieser konkreten Bestandteile von § 52 AktG – und damit aus Perspektive der Nachgründung (!) – lässt sich nunmehr eine überzeugende dogmatische Abgrenzung zu den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen treffen.

2. Verdeckte Sacheinlage als Teilaspekt der Nachgründungsregelung Die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage begegnet allein Umgehungen der Sacheinlagevorschriften und somit einer Gefährdung der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung.441 Hierzu wurden die betroffenen schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfte im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung als Gründungsakt qualifiziert und infolge der fehlenden Festsetzung in der Satzung nach § 27 Abs. 1 AktG aufgrund des darin liegenden Formmangels gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG a. F. mit der Unwirksamkeitsfolge sanktioniert. Auch wenn der ARUGGesetzgeber zwischenzeitlich in § 27 Abs. 3 AktG n. F. von der als zu hart empfundenen Unwirksamkeitsfolge abgerückt ist, verbleibt es unverändert bei dem Grundgedanken, den zwingenden Sachgründungsvorschriften durch die Einbeziehung des Erwerbsvorgangs nachträglich zur Geltung zu verhelfen und hierdurch im Ergebnis deren Umgehung zu verhindern.442 Im Gegensatz dazu nehmen die Nachgründungsvorschriften trotz der insoweit irreführenden Bezeichnung nicht die Gründungsperspektive ein und behandeln das betreffende Erwerbsgeschäft der Aktiengesellschaft trotz des insoweit zu vermutenden Gründungsbezuges443 nicht als Teil des Gründungsvorgangs. Stattdessen wird die Wirksamkeit der schuldrechtlichen und dinglichen Erwerbsgeschäfte von der ordnungsgemäßen Durchführung eines eigenständigen Nachgründungsverfahrens abhängig gemacht, ohne dass es dabei auf eine Aufnahme des Nachgründungsvertrages in die Satzung ankäme. Maßgeblich sind vielmehr die Zustimmung der 441

Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 52; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 26; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 4 ff. 442 Vgl. zur rechtspolitischen Kritik an der Absenkung des Schutzniveaus auf Kapitalaufbringungsebene: Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 57. 443 Vgl. die Erwägungen des historischen Gesetzgebers in der Allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, dass „der Erwerb schon bei der Errichtung hätte vorgenommen werden können und sollen“, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453 reSp.

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

Hauptversammlung und die Eintragung im Handelsregister, § 52 Abs. 1 AktG. Allenfalls wenn und soweit die Nachgründung in Gestalt des kapitalrechtlichen Umgehungsaspekts auf zentrale Elemente des Sachgründungsverfahrens rekurriert, ist freilich eine gewisse Kongruenz mit den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen erkennbar. Während allerdings die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen unmittelbar einen Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften gewährleisten (auch wenn § 27 Abs. 3 AktG nach ARUG nicht mehr das schneidende Schwert der Unwirksamkeitsfolge bereithält), beinhaltet § 52 AktG „nur“ wesentliche Elemente des Gründungsverfahrens, namentlich Prüfungs-, Publizitäts- und Haftungsgrundsätze sowie die Durchführung eines registerrechtlichen Verfahrens. Diese sind jedoch an die Gegebenheiten der spezifischen Erwerbssituation angepasst, in der sich die junge Aktiengesellschaft befindet. Folglich bestehen sogar in diesem Teilaspekt letztendlich noch Unterschiede zwischen verdeckter Sacheinlage und Nachgründung. Insgesamt erschöpfen sich die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen mithin in einem bloßen Teilaspekt einer viel umfassenderen Nachgründungsregelung. Letztere verfügt in Gestalt des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts über ein dem heutigen Gründungsverfahren vollkommen fremdes und selbständiges Element, wodurch das Nachgründungsgeschäft selbst sowie die Gesellschaftsorgane Vorstand und Aufsichtsrat einer kritischen Gegenkontrolle durch die konstituierende Hauptversammlung unterworfen werden. Kapitel 8

Befund und Ausblick Nach dem vorstehend Gesagten soll der zweite Teil der Arbeit in einer Zusammenfassung des bisherigen Befunds der Untersuchungen sowie einem kurzen Ausblick seinen Abschluss finden. Zunächst ist hinsichtlich des anzutreffenden Meinungsstands zu konstatieren, dass sämtliche drei Meinungsblöcke der jüngeren Diskussion um das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung vor dem Hintergrund des Grundsatzstreits über die Existenzberechtigung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage zu begreifen sind. Nach einer ersten Auffassung stellt sich die Verhältnisfrage bereits a limine nicht, weil jener von der Rechtsprechung entwickelten „Lehre“ jegliche Anerkennung versagt wird. Im Gegensatz dazu finden sich sowohl die herrschende Meinung als auch die Mindermeinung in dem Dilemma wieder, nicht nur die Existenzberechtigung verdeckter Sacheinlagen im Aktienrecht neben § 52 AktG begründen, sondern darüber hinaus auch die damit einhergehende Folgefrage nach dem Verhältnis beider Rechtsfiguren auf rein dogmatischer Ebene beantworten zu müssen. Als entscheidende „Stellschraube“ zur Verhältnisbestimmung sollte sich insoweit die dogmatische Einordnung der Nachgründung erweisen. Die Anerkennung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen vorausgesetzt, ist deren Funktion als

Kap. 8: Befund und Ausblick

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Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften und dementsprechend deren dogmatische Zuordnung zum Recht der Kapitalaufbringung unstrittig. Unterschiedlich wird insoweit allein der dogmatische Standort der Nachgründungsvorschriften bestimmt. Die herrschende Meinung verortet die Nachgründung gemeinsam mit den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen auf Ebene der Kapitalaufbringung und unterscheidet zur näheren Abgrenzung und Verhältnisbestimmungen sodann zwischen konkreter Schutzwirkung nach § 27 Abs. 3 AktG einerseits und einer abstrakter Schutzwirkung nach § 52 AktG andererseits. Diese Differenzierung nach dem WIE des Kapitalaufbringungsschutzes ist, soweit ersichtlich, auf Lutter/Gehling zurückzuführen. Dagegen verortet die im Vordringen befindliche Mindermeinung in Anlehnung an einen von Hachenburg entwickelten Ansatz die Nachgründungsregelung allein im Recht der Kapitalerhaltung. Die dogmatische Abgrenzung beider Rechtsfiguren erfolgt mithin durch Unterscheidung der beiden Säulen des aktienrechtlichen Kapitalschutzes – Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Im Ergebnis konnte derweil keiner dieser Lösungsansätze überzeugen. Insbesondere mit der gesetzlichen Normierung verdeckter Sacheinlagen in § 27 Abs. 3 AktG können jene Grundsätze zwar rechtspolitisch kritisiert, jedoch de lege lata nicht mehr ernsthaft bestritten werden. Auch das dogmatische Erklärungsmodell der herrschenden Meinung stößt nach ARUG an seine Grenzen, da nicht ohne Weiteres überzeugend erklärbar ist, wie zwei Rechtsfiguren, die im Kern dem Kapitalaufbringungsschutz dienen sollen, im Einzelfall diametral entgegengesetzte Rechtsfolgen anordnen können. Doch auch der Ansatz der Mindermeinung ist insoweit wenig überzeugend, insbesondere darf angesichts der Abkehr des Gesetzgebers von der als zu hart empfundenen Unwirksamkeitsfolge verdeckter Sacheinlagen die Funktionslosigkeit von § 52 AktG zum Schutz der Kapitalaufbringung bezweifelt werden. Maßgeblich auf Rechtsfolgenseite gewährleistet die Nachgründung mit ihrer schwebenden Unwirksamkeitsfolge nun ein ersichtlich über § 27 Abs. 3 AktG hinausgehendes Schutzniveau. Angesichts dieses einigermaßen unbefriedigenden Befundes bestand somit die dringende Notwendigkeit, das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung auf dogmatischer Ebene – mithin das Verhältnis beider Rechtsfiguren im engeren Sinne – einer auch nach ARUG überzeugenden Lösung zuzuführen. Hierzu galt es sich zunächst zu vergegenwärtigen, dass die bisherigen Lösungsansätze maßgeblich unter dem latenten Rechtfertigungsdruck verdeckter Sacheinlagen entwickelt wurden. Dergestalt wurde bereits im Ausgangspunkt die dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung zentral daran ausgerichtet, dass sich ein Nebeneinander beider Rechtsfiguren dogmatisch überhaupt begründen ließ. Mithin wurde nicht nur die Verhältnisbestimmung, sondern auch die Standortbestimmung von § 52 AktG allein aus Perspektive verdeckter Sacheinlagen vorgenommen. Vor diesem Hintergrund erklären sich auch unschwer die Unstimmigkeiten und Widersprüche jener Lösungsansätze. Diesen Kreis hat die vorliegende Arbeit zu durchbrechen versucht und sich in Anlehnung an den Grundgedanken Drygalas gedanklich vom Zwang einer krampfhaften dogmatischen Zuordnung von § 52 AktG

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2. Teil: Dogmatische Standortbestimmung der Nachgründung

befreit. Der Versuch, die Nachgründungsregelung im Kontext ihrer rechtshistorischen Entwicklung aus sich selbst heraus zu begreifen, hat mit dem kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt und dem kompetenzrechtliche Kontrollaspekt zwei wesentliche Normbestandteile von § 52 AktG zu Tage gefördert. Der daraus abzuleitende Normzweck besteht zum einen darin, eine Umgehung wesentlicher Elemente der Sachgründungsvorschriften zu verhindern, indem wirtschaftlich nachgründende Erwerbsgeschäfte im Anschluss an die formaljuristische Gründungsphase weitgehend identischen Verfahrenserfordernissen unterworfen werden (kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt). Dergestalt werden unbeteiligte Anteilseigner und sonstige (den Aktionären nicht zurechenbare) Gesellschaftsgläubiger geschützt. Zum anderen dient das selbständige Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung neben der Feststellung eines entsprechenden Nachgründungswillens vor allem der Kontrolle des Nachgründungsgeschäfts selbst sowie der von den Gründern „beherrschten“ Gesellschaftsorgane in Gestalt von Aufsichtsrat und Vorstand (kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt). Schutzobjekt von § 52 AktG ist unter diesem Aspekt die Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan, da ihre kompetenzrechtliche Stellung gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen insgesamt gestärkt wird. Aufgrund ihres ambivalenten Charakters lässt sich die Nachgründung daher treffend als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung bezeichnen. Ausgehend hiervon konnte das dogmatische Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage aus Perspektive der Nachgründung neu bestimmt werden. Danach erschöpft sich die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage in einem Teilbereich der viel umfassenderen Nachgründungsregelung, soweit diese in Gestalt des kapitalrechtlichen Kontrollaspekts auf zentrale Elemente des Sachgründungsverfahrens rekurriert. Im Übrigen ist auch dieser Aspekt eigenständig, da § 52 AktG an die verschiedenen Besonderheiten der spezifischen Erwerbssituation der jungen Aktiengesellschaft angepasst ist. Über kein Pendant im heutigen Sachgründungsrecht verfügt dagegen der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung, so dass auch die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen als Umgehungsschutz diesen Aspekt nicht abbilden (können). Sowohl die dogmatische Neubestimmung der Nachgründung als auch die im Anschluss daran getroffene Abgrenzung der einzelnen Normaspekte von § 52 AktG im Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage nach § 27 Abs. 3 AktG erweisen sich gleichermaßen als Schlüssel zum Verhältnis beider Rechtsfiguren im weiteren Sinne. Die folgende Betrachtung der jeweiligen Einzelfragen wird daher nicht mehr einer zwingenden dogmatischen Einordnung der Nachgründung verhaftet sein. Dies betrifft in erster Linie die Auslegung von § 52 AktG, wobei sowohl der kapitalrechtliche Umgehungsaspekt, der sich teilweise mit den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen überschneidet, als auch der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt angemessen berücksichtigt werden können. Schließlich sind anhand dieser Unterscheidung auch diejenigen Zweifelsfragen zu beantworten, in denen unmittelbare Berührungspunkte zwischen den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen und der Nachgründung bestehen.

Dritter Teil

Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG und das Verhältnis der Nachgründung zur verdeckten Sacheinlage i. w. S. nach ARUG Nachdem im vorhergehenden Teil das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung auf dogmatischer Ebene geklärt wurde, soll im folgenden dritten Teil der Arbeit dem Verhältnis beider Rechtsfiguren im weiteren Sinne nachgegangen werden. In diesem Zusammenhang soll der im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit entwickelte dogmatische Ansatz zunächst auf Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG übertragen werden (§ 9). Anschließend gilt es, für mögliche Anwendungsbereichsüberschneidungen zwischen § 27 Abs. 3 AktG und § 52 AktG sowie den sich unter Umständen ergebenden Rechtsfolgenkonflikt eine überzeugende Lösung zu entwickeln (§ 10). Schließlich ist der Frage nachzugehen, wie eine Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG durchzuführen ist und ob dabei die Nachgründungsvorschriften überhaupt noch von Relevanz sind (§ 11). Ihren Abschluss findet die Arbeit sodann mit einem Regelungsvorschlag de lege ferenda (§ 12). Kapitel 9

Der Anwendungsbereich von § 52 AktG vor dem Hintergrund der dogmatischen Neubewertung der Nachgründung Die vorliegende Untersuchung ist im vorangegangenen zweiten Teil zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nachgründung über einen kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt und einen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt verfügt. Zum weiteren Beleg dieser These soll das abstrakte dogmatische Modell in diesem Kapitel auf konkrete Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG übertragen und dergestalt für die Praxis gewinnbringend nutzbar gemacht werden. Dazu sollen zunächst der originäre Anwendungsbereich nach § 52 Abs. 1 AktG untersucht und einzelne Zweifelsfragen ausführlich behandelt werden (I.). Anschließend ist näher auf die Ausnahmen von dem Nachgründungserfordernis nach § 52 Abs. 9 AktG und dessen europarechtlichem Pendant in Art. 11 Abs. 2 KapRL einzugehen (II.). Abschließend soll die Anwendbarkeit der Nachgründung auf Sachkapitalerhöhungen nach ARUG

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

untersucht werden (III.), wobei insbesondere auf die Rheinmöve-Entscheidung des BGH zurückzukommen ist. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Fazit zu der Frage, ob und inwieweit die dogmatische Neubewertung der Nachgründung zu abweichenden Ergebnissen bei der Normanwendung geführt hat (IV.).

I. Originärer Anwendungsbereich der Nachgründung, § 52 Abs. 1 AktG § 52 Abs. 1 AktG regelt anhand fassbarer objektiver Tatbestandsmerkmale, was das Gesetz unter einer Nachgründung versteht. Danach liegt eine Nachgründung grundsätzlich vor, wenn es sich um Verträge der Gesellschaft mit Gründern oder mit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Aktionären handelt (personeller Anwendungsbereich), nach denen die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll (sachlicher Anwendungsbereich), und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden (zeitlicher Anwendungsbereich). Zum Anwendungsbereich der Nachgründung ist im Ausgangspunkt mithin eine sehr umfangreiche und (scheinbar) trennscharfe gesetzliche Regelung in § 52 Abs. 1 AktG getroffen. Dennoch treten bei eingehender Betrachtung nicht wenige Zweifelsfragen auf.

1. Personeller Anwendungsbereich Zunächst ist auf den personellen Anwendungsbereich der Nachgründung einzugehen. Das Gesetz benennt als mögliche Vertragsparteien einerseits die „Gesellschaft“ als solche und andererseits die „Gründer“ oder „mit mehr als 10 % an der Gesellschaft maßgeblich beteiligte Aktionäre“. a) Vertrag der Gesellschaft Es liegt auf der Hand, dass unter der allgemeinen Bezeichnung als „Gesellschaft“ nur die im Aktiengesetz geregelten Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 278 Abs. 3 AktG) zu fassen sind. Darüber hinaus wird die Anwendung der Nachgründungsvorschriften auf die Vorgründungsgesellschaft oder die Vor-AG diskutiert, jedoch ganz überwiegend

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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abgelehnt.444 Gegen die Anwendbarkeit von § 52 AktG auf Vorgründungsgesellschaft oder Vor-AG spricht zum einen der Wortlaut der Norm, der lediglich Verträge „in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister“ dem Nachgründungserfordernis unterwirft und damit Erwerbsvorgänge vor der Eintragung gerade nicht erfasst. Zum anderen wird der von § 52 AktG intendierte Schutz bereits anderweitig verwirklicht, namentlich durch die allgemeine Differenzhaftung des Inferenten gegenüber der AG im Rahmen der Sachgründung sowie der Unterbilanzhaftung der Gründungsgesellschafter.445 Für die Anwendbarkeit der Nachgründung auf Verträge der Vor-AG sprechen hingegen die weitgehende Identität zwischen Vor-AG und späterer Aktiengesellschaft sowie der Umstand, dass das Nachgründungsrecht andernfalls durch eine planmäßig handelnde Verwaltung umgangen werden könnte.446 Insoweit ist zunächst zwischen der Vorgründungsgesellschaft und der Vor-AG zu differenzieren. Das Recht der Vorgründungsgesellschaft, also die Phase zwischen dem Abschluss eines Vorvertrags über die Gesellschaftsgründung bis zur Feststellung der Satzung gemäß § 23 AktG, bestimmt sich grundsätzlich nach den Normen für BGB-Gesellschaften (§§ 705 ff. BGB) bzw. bei Vorliegen eines Handelsgewerbes i. S. v. § 1 Abs. 2 HGB aufgrund des Rechtsformzwangs gemäß § 105 HGB nach den Normen für Offene Handelsgesellschaften (§§ 105 ff. HGB); Aktienrecht ist auf die Vorgründungsgesellschaft auch nicht teilweise anwendbar.447 Somit unterliegen die Rechtsverhältnisse der Vorgründungsgesellschaft einem völlig eigenständigen Regelungsregime, so dass für die Anwendung der Nachgründung bereits a limine kein Raum bleibt und diesbezüglich der herrschenden Meinung zu folgen ist. Grundlegend anders verhält es sich jedoch bei der Vor-AG, die mit der Errichtung durch Feststellung der Satzung gemäß § 23 AktG und Übernahme sämtlicher Aktien durch die Gründer gemäß § 29 AktG entsteht. Mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht die Aktiengesellschaft als juristische Person, § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG; zugleich endet die Vor-AG liquidationslos.448 Die Vor-AG stellt nach allgemeiner Meinung eine Gesellschaftsform sui generis dar, ist im Gegensatz zur Vor444

H. M.: Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 7; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 9; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 3; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 90 f.; a. A.: Holzapfel/Roschmann, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 163, 170. 445 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 7 m. w. N. 446 Holzapfel/Roschmann, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 163, 170. 447 Zum Vorgründungsstadium vgl. Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 41 Rn. 10 ff. m. w. N. 448 Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob es sich insoweit um ein und denselben Rechtsträger handelt (Einheits- bzw. Identitätstheorie) oder ob eine Gesamtrechtsnachfolge zwischen der Vor-AG und der Aktiengesellschaft stattfindet. Für die Gesamtrechtsnachfolge: noch Hüffer, AktG, 9. Auflage 2010, § 41 Rn. 16, für Identitätstheorie: Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 41 Rn. 108; jetzt auch Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 41 Rn. 16.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

gründungsgesellschaft notwendiges Durchgangsstadium der werdenden juristischen Person und verfügt bereits über die gleichen Organe wie die eingetragene Aktiengesellschaft.449 Auf die Vor-AG sind die Vorschriften des Aktiengesetzes anwendbar, soweit sie nicht die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister voraussetzen.450 Hierzu muss im konkreten Einzelfall überprüft werden, ob die jeweilige Bestimmung ihrem Sinn nach bereits auf die im Gründungsstadium befindliche Gesellschaft Anwendung finden kann oder ob sie die Eintragung der Gesellschaft voraussetzt.451 Zwar setzt § 52 Abs. 1 AktG formal die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister voraus, was freilich gegen die Anwendbarkeit der Nachgründungsvorschriften auf die Vor-AG spricht. Allerdings handelt es sich beim Eintragungszeitpunkt lediglich um den Anknüpfungspunkt zur Bestimmung der zeitlichen Begrenzung des Nachgründungserfordernisses auf eine zweijährige Adoleszenzphase der Aktiengesellschaft im Anschluss an die Eintragung. Somit wird in Gestalt der förmlichen Handelsregistereintragung lediglich die Geltung der Norm im Anschluss an die formaljuristische Gründung begrenzt. Zudem hat die vorliegende Untersuchung gezeigt, dass das Erfordernis des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung auf die konstituierende Generalversammlung einer Sukzessivoder Stufengründung zurückzuführen ist.452 Damit begegnet die Nachgründung funktional bereits einer Gefährdungslage zu einem Zeitpunkt, in dem der Gründungsprozess der Gesellschaft – nach heutiger Rechtslage angesichts des Verbots der Stufengründung (§§ 2, 29 AktG) – noch nicht abgeschlossen ist. § 52 AktG gründet demnach (auch) auf Erwägungen, die zeitlich in den Bereich vor der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister fallen und mithin die Vor-AG als Durchgangsstadium tangieren. Ferner kann angesichts der rechtlichen Identität von Vor-AG und Aktiengesellschaft (Identitätstheorie) bzw. der Gesamtrechtsnachfolge nicht ausgeschlossen werden, dass vor der Eintragung begründete Vertragsverhältnisse der Vor-AG unmittelbar auf die junge Aktiengesellschaft übergehen. Wenn und soweit die eingetragene Aktiengesellschaft unter Nachgründungsgesichtpunkten schutzwürdig ist, so muss dies erst recht für die rechtsidentische Vor-AG gelten. Dieses Ergebnis wird zusätzlich dadurch gestützt, dass nach ganz herrschender Meinung auch vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister neu zur Vor-AG hinzugetretene Aktionäre als Gründer im Sinne von § 52 AktG zu qualifizieren sind.453 Daher wäre es wertungswidersprüchlich, die zu einer Vor-AG hinzugetretenen Aktionäre zwar einerseits unter Nachgründungsgesichtspunkten als 449 Zur Vor-AG vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 41 Rn. 3 ff. m. w. N.; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 41 Rn. 22 ff. m. w. N. 450 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 41 Rn. 5; BGH, Urt. v. 12. 07. 1956 – Az.: II ZR 218/54 = BGHZ 21, 242, 246. 451 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 41 Rn. 27. 452 Dazu ausführlich oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c), S. 41 ff. 453 Dazu siehe sogleich unten Kapitel 9, Ziff. I. 1. lit. b), S. 173 ff. m. w. N.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Gründer behandeln zu wollen, andererseits aber die Anwendbarkeit der Nachgründung auf die Vor-AG zu verneinen. Schließlich ist in Bezug auf Differenz- und Unterbilanzhaftung festzuhalten, dass diese zwar im Bereich der Kapitalaufbringung einen eigenständigen Schutz verwirklichen mögen. Indes ist diese Betrachtungsweise auf die ausschließliche dogmatische Zuordnung der Nachgründung zum Kapitalaufbringungsrecht verengt. Nach vorliegend vertretener Auffassung geht die Nachgründung jedoch in Gestalt des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts sowohl über den Bereich der Kapitalaufbringung als auch über bloße Haftungsfragen hinaus. Wie erinnerlich wird dieser eigenständige Normaspekt des § 52 AktG durch den für den Nachgründungsvertrag konstitutiven Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung verkörpert. Zudem ist zu bedenken, dass eine rein repressiv wirkende Differenz- oder Unterbilanzhaftung nicht die Kontrolle des Nachgründungsgeschäfts durch die Aktionäre in einer eigens dazu einberufenen Hauptversammlung ersetzt, der durch die etwaige Unwirksamkeit des Nachgründungsvertrags präventive Wirkung beizumessen ist. Dieser umfangreiche Normzweck und das insoweit höhere Schutzniveau rechtfertigen somit die Anwendung der Nachgründungsvorschriften auf die Vor-AG. b) Gründer Auf der Geschäftsgegenseite kommen zunächst die „Gründer“ der Aktiengesellschaft in Frage. Was das Gesetz unter Gründern versteht, wird in § 28 AktG legaldefiniert. Danach sind die Gründer der Gesellschaft diejenigen Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben. In der sog. Aktienübernahmeerklärung sind natürliche Personen mit Vor- und Nachname sowie Anschrift und juristische Personen mit Firma und Sitz anzugeben, § 23 Abs. 2 Nr. 1 AktG.454 Rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertreter werden nicht zu Gründern, wohl aber Personen, die als Treuhänder oder Strohmann für einen anderen (Hintermann) an der Feststellung der Satzung teilgenommen haben.455 Zu den Gründern im Sinne von § 52 AktG gehören auch diejenigen Personen, die nach der Feststellung der Satzung, aber vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ausgeschieden sind.456 Ebenso unterfallen nach der (ersten) Feststellung der Satzung, aber vor der Eintragung der Gesellschaft neu hinzugekommene Gründer dem Gründerbegriff.457 Zur Begründung 454

Allg. Meinung, vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 23 Rn. 17. Vgl. nur Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 28 Rn. 5 und 7. 456 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Dormann/Frommholzer, AG 2001, 242, 243; Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 440; R.Werner, ZIP 2001, 1403 f.; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 31. 457 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 3; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 30; Bayer, in: K. Schmidt/ 455

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

wird im Wesentlich ausgeführt, dass im Stadium der Vor-AG ein Ausscheiden bzw. ein Beitritt nur im Wege der Satzungsänderung möglich sei und auch bei neu hinzugekommenen Gründern ein bestimmender Einfluss auf die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtrat typischerweise bestehe. Dies ist im Kern zutreffend, auch der eigenständige kompetenzrechtliche Kontrollaspekt rechtfertigt diese weite Auslegung und führt insoweit zu keinem abweichenden Ergebnis. Insgesamt ist es für die Qualifikation als Gründer somit erforderlich aber auch ausreichend, dass die natürliche oder juristische Person während des Durchgangsstadiums der Vor-AG bis zur Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister Aktionär war oder geworden ist. In Fällen einer wirtschaftlichen Neugründung unter Verwendung einer Vorratsgesellschaft oder eines Mantelkaufs ist umstritten, wer als „Gründer“ im Sinne von § 52 AktG einzustufen ist.458 Die wohl herrschende Meinung geht davon aus, dass die ersten Verwender, also diejenigen, die die Vorrats-AG erwerben und sie dann nach entsprechender Satzungsänderung mit unternehmerischem Leben füllen, als wirtschaftliche Gründer der Aktiengesellschaft zu qualifizieren sind.459 Die Mindermeinung vertritt demgegenüber die Ansicht, dass die Erwerber bzw. ersten Verwender der Vorratsgesellschaft nicht als Gründer im Sinne von § 52 AktG anzusehen sind, so dass Verträge mit den neuen Anteilsinhabern nur dann der Nachgründung unterliegen, wenn sie als maßgebliche Aktionäre mit mehr als 10 % am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt sind.460 Argumentiert wird damit, dass eine wirtschaftliche Zurechnung problematisch sei, da die Übertragung nicht öffentlich erfolge und aus Gründen der Rechtssicherheit eine solch unklare Abgrenzung vermieden werden solle; stattdessen seien die Gründer der Vorrats-AG die eigentlichen Garanten für eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung, was auch der richtlinienkonformen Auslegung von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 i. V.m Art. 3 lit. i) KapRL entspreche.461 Dem wird von der herrschenden Meinung entgegengehalten, dass aus der Kapitalrichtlinie kein Anhaltspunkt ersichtlich ist, dass diese wertungsmäßig gleichzustellenden Fälle dort erkannt worden sind und ausgeschlossen werden sollten.462 Darüber hinaus mag zwar die Anteilsübertragung selbst nicht öffentlich erfolgen, wohl aber stellt die Eintragung von etwaigen Satzungsänderungen der VorratsgeLutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 13; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 26; R.Werner, ZIP 2001, 1403 f. 458 Zur Anwendung von § 52 AktG auf Vorrats- oder Mantelgesellschaften siehe unten Kapitel 9, Ziff. I. 3. lit. c), S. 189 f. 459 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 33; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 15; Pentz, in: Münchener Kommentar, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 23 Rn. 27a; so wohl auch Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 19. 460 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 93 f.; Dormann/Frommholzer, AG 2001, 242, 243; R.Werner, ZIP 2001, 1403, 1404. 461 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 93 f. 462 Pentz, in: Münchener Kommentar, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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sellschaft oder Beschlüssen zur Mantelverwendung (Bestellung eines neuen Vorstands oder Aufsichtsrats) in das Handelsregister einen geeigneten objektiven Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Neugründung der Gesellschaft dar. Schließlich ist die Begrenzung des personellen Anwendungsbereichs auf den Kreis der Gründer der Vorrats- bzw. Mantelgesellschaft auch deshalb abzulehnen, da andernfalls erhebliche Schutzlücken entstehen würden. Während die Vorrats- bzw. Mantelgesellschaft bisher wirtschaftlich inaktiv war, durchläuft die Aktiengesellschaft erst mit ihrer wirtschaftlichen Verwendung die vom Gesetzgeber unmittelbar im Anschluss an die Gründung angenommene Adoleszenzphase. In dieser Zeit üben dann die Verwender der Vorrats- bzw. Mantelgesellschaft einen gründergleichen Einfluss auf die (wirtschaftlich) junge Aktiengesellschaft aus. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts der Nachgründung wäre die Hauptversammlung in diesem Fall nicht in der Lage, besonders gefahrgeneigte Geschäfte mit den Verwendern gerade unabhängig von deren konkreter Beteiligung am Grundkapital zu kontrollieren. Insgesamt sprechen damit die besseren Gründe dafür, neben den (originären) Gründern der Gesellschaft auch die Erwerber der Vorratsgesellschaft bzw. die Verwender der Mantelgesellschaft als wirtschaftliche Gründer im Sinne von § 52 AktG zu behandeln. c) Maßgeblich beteiligte Aktionäre und Zurechnung von Beteiligungen Während es bei Gründern nicht auf die Beteiligungsquote am Grundkapital der Gesellschaft ankommt, werden vom Nachgründungstatbestand ausschließlich Aktionäre erfasst, die – in richtlinienkonformer Auslegung entgegen des Wortlauts – mit mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt sind.463 Nur Verträge mit solchen maßgeblich beteiligten Aktionären sind mithin nachgründungspflichtig. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage werden Rechtsgeschäfte mit Dritten (Drittgeschäfte), aber auch mit Aktionären, die über eine geringere Kapitalquote als 10 % des Grundkapitals verfügen, seit der Rechtsänderung durch das NaStraG vom Nachgründungstatbestand nicht mehr erfasst.464 Ausschlaggebender Zeitpunkt für die Bestimmung der maßgeblichen Kapitalquote ist insoweit der Abschluss des Nachgründungsvertrages, eine vorher oder hinterher höhere bzw. niedrigere Beteiligung ist also irrelevant.465 Vom Vorhan463

Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 11. Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 14; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 3a. 465 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 34; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 28; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 16; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 15; Dormann/Fromholzer, AG 2001, 242, 245; Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 441; R.Werner, ZIP 2001, 1403, 1404. 464

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

densein einer 10 %-Beteiligung eines Aktionärs wird der Vorstand bei börsennotierten Kapitalgesellschaften regelmäßig aufgrund der Meldepflicht gemäß § 21 Abs. 1 WpHG Kenntnis erlangen. Im Übrigen besteht für den Vorstand lediglich die Möglichkeit, sich selbständig zu erkundigen und einen Überblick über die Beteiligungsverhältnisse zu verschaffen. Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen die Höhe der Beteiligung eines einzelnen Aktionärs planmäßig manipuliert worden sein könnte, so dass sich die Frage nach einer Zusammenrechnung von Beteiligungen mehrerer Personen stellt. Hierzu wird überwiegend eine Orientierung an den für § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. zu eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen entwickelten Grundsätzen angenommen.466 Die Norm stellte klar, dass die Regeln über den Eigenkapitalersatz nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter gelten, der mit zehn vom Hundert oder weniger am Stammkapital beteiligt ist. Zur Begründung wird entweder auf die „Vergleichbarkeit der Gestaltungen“467 oder „vergleichbare Regelungstechniken“468 beider Normen verwiesen. Ferner sei der entscheidende Moment beider Vorschriften gleich: ab einer bestimmten Beteiligungshöhe sollen verschärfte Anforderungen an den Anteilseigner gestellt werden.469 Zwar mag es durchaus zutreffend sein, dass sich Umgehungsgestaltungen im Einzelfall ähneln können und sowohl § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG als auch § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. auf eine 10 %ige Beteiligung am Gesellschaftskapital abstellen. Allerdings unterscheiden sich beide Normen wesentlich darin, dass § 52 AktG bei Geschäften mit maßgeblich beteiligten Aktionären einen Einfluss auf die junge Aktiengesellschaft unterstellt, § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. sollte dagegen die Regeln des Eigenkapitalersatzes bei Kleinbeteiligungen mangels einer Finanzierungsverantwortung ausschalten.470 Damit ist die Zurechnungsperspektive beider Normen eine grundlegend andere: Dem Kapitalquorum des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. kommt eine privilegierende Funktion zu, während die Beteiligungsgrenze des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG von dem Gedanken dominiert wird, die Verträge mit maßgeblich beteiligten Aktionären zusätzlichen Nachgründungserfordernissen zu unterwerfen und daher tendenziell extensiv auszulegen ist. Erschwerend kommt 466 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 3 a. E.; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 37; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 18; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Heidinger, in: Spindler/ Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 30; a. A.: Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 96 f. 467 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15. 468 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 30. 469 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 37 a. E. 470 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 97; ähnlich auch die Bedenken von Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 37.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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hinzu, dass § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. durch das MoMiG zwischenzeitlich ersatzlos entfallen ist und somit schon für das GmbH-Recht nicht mehr geltendes Recht ist.471 Ob und inwieweit die zu dieser Vorschrift einst entwickelten Grundsätze vor diesem Hintergrund überhaupt noch auf das Aktienrecht übertragbar sind, darf daher bezweifelt werden. Dennoch wird in der Kommentarliteratur in Anlehnung an § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. vertreten, dass einem Aktionär insbesondere Anteile von weisungsbefugten Treuhändern sowie die Anteile eines von ihm abhängigen Unternehmens im Sinne von § 16 AktG zuzurechnen sind.472 Ebenso können Stimmbindungsvereinbarungen und Konsortialabreden zu einer Zurechnung führen.473 Wenn eine solche Zusammenrechnung verschiedener Beteiligungen mehr als 10 % ergibt, unterliegt der betreffende Aktionär den Bestimmungen des § 52 AktG, und zwar auch dann, wenn das Erwerbsgeschäft nur mit ihm abgeschlossen wird.474 Außerdem hat eine Zurechnung im Falle eines koordinierten Zusammenwirkens („acting in concert“) mehrerer kleinbeteiligter Aktionäre zu erfolgen.475 Damit führen die im Rahmen von § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. entwickelten Fallgruppen476 auch für § 52 AktG zu sachgerechten Ergebnissen, so dass für die Nachgründung folgende Grundsätze gelten: Zum einen hat eine Zusammenrechnung mehrerer Beteiligungen unter Nachgründungsgesichtspunkten schon bei der bloßen Existenz rechtlicher Einflussnahmemöglichkeiten zu erfolgen (etwa in Gestalt von Weisungsbefugnissen, Stimmbindungen oder ähnlichen Parteivereinbarungen), da insoweit die abstrakte Möglichkeit der nachteiligen Beeinflussung der Gesellschaft 471 Die §§ 32a, 32b GmbHG a. F. wurden insgesamt aufgehoben und ihr wesentlicher Regelungsgehalt unter teilweiser Abänderung in §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5, 44a, 135 InsO übertragen. Die in diesem Bereich durch das MoMiG vorgenommenen Änderungen waren insgesamt davon gekennzeichnet, dass das Gesetzesrecht das Rechtsprechungsrecht und das Insolvenzrecht das Gesellschaftsrecht beiseite geschoben hat. Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Band: §§ 1 – 34, 12. Auflage 2018, §§ 32a, 32b a. F. Rn. 8. 472 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 38; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 18; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 16; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 30; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 101. 473 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 38; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 101. 474 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 38 a. E. 475 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 39; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 18; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 16; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 30; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 101; a. A.: Dormann/Fromholzer, AG 2001, 242, 244; R.Werner, ZIP 2001, 1403, 1405. 476 Zu den Einzelheiten dazu noch bei K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Band: §§ 1 – 34, 10. Auflage 2006, §§ 32a, 32b Rn. 203 ff. m. w. N.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

innerhalb ihrer zweijährigen Adoleszenzphase besteht. Zum anderen ist eine Zurechnung erst recht erforderlich, wenn und soweit konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass tatsächlich eine Einflussnahme des handelnden Aktionärs auf einen anderen Aktionär oder umgekehrt stattgefunden hat oder es sich um ein geplantes Zusammenwirken handelt. d) „Unechte“ Dritte Die Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Gründer und mit mehr als 10 % beteiligte Aktionäre wirft jedoch nicht nur das Problem der Zurechnung auf der Ebene des Anteilbesitzes auf, sondern auch das der Umgehung durch den Abschluss von Geschäften mit Vertragspartnern, die – formal – nicht Aktionäre sind.477 Der Gesetzgeber hat diese Umgehungsproblematik zwar gesehen, aber gleichwohl Einzelheiten bewusst einer Klärung durch Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen.478 Bisher existieren zu diesem Thema keine spezifischen gerichtlichen Entscheidungen. Im Schrifttum wird davon ausgegangen, dass auf die Grundsätze zur verdeckten Sacheinlage nach § 27 Abs. 3 AktG und zur verbotenen Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG zurückgegriffen werden kann.479 Soweit der Rekurs auf die §§ 27 Abs. 3, 57 AktG für das Nachgründungsrecht überhaupt eine nähere Begründung erfährt, wird entweder pauschal auf „eng verwandte Sachverhalte“480 verwiesen oder es werden die Bezüge der Nachgründung zu Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung481 hervorgehoben. Freilich müssen Sachverhalte, in denen die Anwendung der Nachgründungsregeln durch die Zwischenschaltung eines Dritten umgangen werden sollen, von § 52 AktG erfasst werden. Doch trotz der Bezugspunkte der Nachgründung zur verdeckten Sacheinlage und dem Verbot der Einlagenrückgewähr darf keine unreflektierte Übertragung bereits entwickelter Zurechnungsgrundsätze stattfinden. Selbiges gilt für das Verbot der Einlagenrückgewähr. Wie sich in den ersten beiden Teilen der Arbeit herausgestellt hat, ist die Nachgründung aufgrund ihrer rechtshistorischen Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte einer exakten dogmatischen Zuordnung zu den Bereichen der Kapitalaufbringung und/oder Kapitalerhaltung gar 477

So die zutreffende Umschreibung des Problemkreises bei Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 40. 478 Begr. RegE, ZIP 2000, 938, 939. 479 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 40; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 14; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 3a; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 25; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 98. 480 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 40. 481 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 98.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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nicht zugänglich. Stattdessen ist § 52 AktG aus sich selbst heraus zu begreifen und auszulegen, wobei sich der Normzweck nicht im Schutz der realen Kapitalaufbringung vor Umgehungen erschöpft (kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt), sondern darüber hinaus die Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan durch das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses stärkt (kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt).482 In der Konsequenz erscheint eine Orientierung an jenen Grundsätzen nicht ausgeschlossen, im Einzelfall ist aber eine Überprüfung anhand beider Normaspekte der Nachgründung erforderlich. Verträge der Gesellschaft mit Strohmännern und Treuhändern von Gründern oder maßgeblich beteiligten Aktionären unterfallen als Drittgeschäfte dem Nachgründungsrecht; ferner genügt es, wenn das Geschäft auf Rechnung des Aktionärs vorgenommen wird.483 Darüber hinaus sind auch Geschäfte der Gesellschaft mit verbundenen Unternehmen eines Gründers oder maßgeblich beteiligten Aktionärs als Drittgeschäfte zu qualifizieren, wenn das Unternehmen auf Veranlassung des Aktionärs eingeschaltet wurde.484 Verfügt der Aktionär über eine Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen, soll eine entsprechende Beeinflussung – widerleglich – vermutet werden können.485 Teilweise wird die Zurechnung auch unmittelbar bejaht, wenn der Gründer oder maßgeblich beteiligte Aktionär über eine Mehrheitsbeteiligung beim Vertragspartner oder auf andere Weise herrschenden Einfluss ausüben kann.486 Für die widerlegliche Vermutung einer entsprechenden Beeinflussung spricht zunächst, dass im Ergebnis auch den Fallgruppen der Treuhand und des Auftrags die Annahme zugrunde liegt, dass der Gründer bzw. maßgeblich beteiligte Aktionäre im Rahmen dieser Rechtsbeziehungen zum handelnden Dritten ihre Weisungsbefugnisse ausnutzen und hierdurch die Nachgründungsvorschriften umgehen könnten. Demgegenüber ist der tatsächliche Einfluss der Anteilsinhaber auf das Handeln einer Gesellschaft von der konkreten Beteiligungshöhe und den Gesellschaftsorganen abhängig. Dennoch sprechen im Ergebnis die besseren Argumente bei Vorhandensein einer Mehrheitsbeteiligung am Vertragspartner der Gesellschaft für eine Einstufung als Drittgeschäft. So soll § 52 AktG selbst abstrakten Gefahren infolge der wirtschaftlichen Herrschaft der Gründer und maßgeblich beteiligter Aktionäre 482

Zur Beurteilung der Nachgründung als hybrides Instrument der Kapitalsicherung siehe oben Kapitel 7, Ziffer II, S. 149 ff. 483 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 25; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 41. 484 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 25; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 42. 485 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 42; Reichert, ZGR 2001, 554, 571. 486 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 99; Dormann/Fromholzer, AG 2001, 242, 244.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

während der Adoleszenzphase der jungen Aktiengesellschaft und damit in erster Linie potenziellen Missbrauchsrisiken begegnen (kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt). Diesem Regelungsansatz der Nachgründung wird effektiv Rechnung getragen, indem schon die bloße Existenz rechtlicher Einflussnahmemöglichkeiten für eine Zurechnung des Handelns Dritter ausreicht. Zudem sind mit einer Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft regelmäßig erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaftsorgane verbunden, weshalb gerade diese Konstellationen zusätzlich der präventiven Kontrolle durch die Hauptversammlung bedürfen (kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt). Schließlich wird durch die strikte Zurechnung von Mehrbeteiligungen an verbundenen Unternehmen ein Gleichlauf mit den ähnlich gelagerten Fallgruppen im Rahmen der Zurechnung von Beteiligungen erreicht. Wie erinnerlich waren dem jeweiligen Aktionär die Anteile eines weisungsbefugten Treuhänders sowie die Anteile eines von ihm abhängigen Unternehmens im Sinne von § 16 AktG zuzurechnen.487 Mithin hatte die Mehrheitsbeteiligung die unmittelbare Zurechnung von Beteiligungen zur Folge – und nicht lediglich eine widerlegbare Vermutungswirkung. Es wäre nun aber wertungswidersprüchlich, eine unmittelbare Anteilszurechnung dort zuzulassen und bei der Zurechnung des Handelns „unechter“ Dritter lediglich mit einer Vermutungswirkung zu verbinden. Somit bleibt festzuhalten, dass es sich bei dem potenziellen Hintermann des formalen Drittgeschäfts erstens um einen Gründer oder einen mit mehr als 10 % beteiligten Aktionär handeln muss. Ohne das Vorliegen dieses sinnstiftenden Nachgründungsmerkmals lässt sich die Anwendung von § 52 AktG bereits a limine nicht rechtfertigen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass das Handeln Dritter für einen mit weniger als 10 % am Grundkapital beteiligten Aktionär grundsätzlich unschädlich ist, sofern keine Zurechnung von Beteiligungen anderer Aktionäre erfolgt und sich hieraus eine Überschreitung der 10 %-Grenze ergibt. Zweitens ist für die Zurechnung des Handelns eines Dritten zum Gründer bzw. maßgeblich beteiligten Aktionär die bloße Existenz von Einflussmöglichkeiten ausreichend, wie dies beispielsweise bei Vorhandensein eines Treuhand- oder Auftragsverhältnisses sowie einer Mehrheitsbeteiligung der Fall ist. Überdies hat eine Zurechnung erst recht zu erfolgen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Einflussnahme auf den formalen Dritten auf sonstige Weise stattgefunden hat.

2. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der Nachgründung umfasst gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG nur solche Verträge der Aktiengesellschaft, „nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll“. 487

Siehe die Ausführungen oben Kapitel 9, Ziff. I. 1. lit. c), S. 175 ff.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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a) Geschäftsgegenstand Dies eröffnet zunächst die Frage nach dem Kreis all jener Geschäftsgegenstände, die die Nachgründungspflicht auslösen. Mit Blick auf die Entwicklung der Nachgründung ist vorab festzuhalten, dass der sachliche Anwendungsbereich ursprünglich auf Anlagen und Immobilien beschränkt war. Art. 213f ADHGB 1884 erfasste lediglich „vorhandene oder herzustellende Anlagen oder unbewegliche Gegenstände“488, § 207 HGB 1897 konkretisierte mögliche Geschäftsgegenstände auf „vorhandene oder herzustellende Anlagen, die dauernd zu ihrem Geschäftsbetriebe bestimmt sind, oder unbewegliche Gegenstände“489. Somit standen nach historischem Verständnis nur solche Vermögensgegenstände im Fokus der Nachgründung, denen tendenziell eine dauerhafte bzw. nachhaltige Bedeutung für die Gesellschaft und ihren Geschäftsbetrieb zukam. Sodann wurde § 45 AktG 1937 dahingehend umformuliert, dass „vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände“ der Nachgründung unterfallen sollten, mithin entfiel die Beschränkung auf Immobilien.490 Dem entspricht inhaltlich die heute gültige Fassung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG. Vor diesem Hintergrund besteht zunächst Einigkeit darin, dass sämtliche Vermögensgegenstände einbezogen werden müssen und der Nennung vorhandener oder herzustellender Anlagen lediglich beispielhafter Charakter beizumessen ist.491 Zentrale Bedeutung bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Nachgründung kommt daher dem Begriff des Vermögensgegenstands zu. Hierzu wird überwiegend auf den Kreis der tauglichen Vermögensgegenstände von Sacheinlagen gemäß § 27 Abs. 2 AktG zurückgegriffen. Ohne Weiteres sacheinlagefähig sind demnach bewegliche und unbewegliche Sachen; grundstücksgleiche Rechte (Erbbaurecht, Bergwerkseigentum); beschränkt dingliche Rechte an Sachen (Dienstbarkeiten, Nießbrauch, Grundschuld); Forderungen gegen Dritte; Gesellschaftsanteile sowie andere übertragbare Mitgliedschaftsrechte; Immaterialgüterrechte (Patent- und Urheberrechte, Lizenzen, Gebrauchs- und Geschmacksmuster), schließlich Sach- und Rechtgesamtheiten (insbesondere Unternehmen, einschließlich Kundenstamm, Firma und Good Will, Vermögen, Nachlass und Insolvenzmasse).492 Diesbezüglich rechtfertigt der kapitalrechtliche Umgehungsaspekt der Nachgründung eine Orientierung an den im Rahmen von § 27 AktG erfassten Vermögensgegenständen auch für § 52 AktG. Hierdurch wird in Gestalt der spezifischen Nachgründungserfordernisse innerhalb der Nachgründungsphase einer Umgehung 488

Zum Gesetzestext siehe oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. b), S. 41. Zum Gesetzestext siehe oben Kapitel 1, Ziff. II. 1. lit. a), S. 50 f. 490 Zum Gesetzestext siehe oben Kapitel 3, Ziff. I. 2. lit. a), S. 73 ff. 491 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 20; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 16; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 4. 492 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 16; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 13 m. w. N. 489

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

der Sachgründungsvorschriften effektiv entgegengewirkt. Ferner unterfällt der Rückkauf eigener Aktien bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dem Nachgründungsrecht.493 Ebenso wird der derivative Erwerb von Beteiligungen, also der Erwerb bereits existierender Anteile an einer anderen Gesellschaft, wie bei jedem anderen Vermögensgegenstand, von § 52 AktG erfasst.494 Umstritten ist dagegen, ob auch Dienstleistungen vom sachlichen Anwendungsbereich der Nachgründung erfasst werden. Dies wurde mit dem Argument verneint, dass Dienstleistungen nach § 27 Abs. 2 HS 2 AktG kein sacheinlagefähiger Gegenstand im Sinne von § 27 AktG sind, weshalb sie auch nicht unter § 52 AktG subsumiert werden könnten.495 Mittlerweile geht die ganz herrschende Meinung jedoch von der Anwendbarkeit der Nachgründungsvorschriften auch auf Dienstleistungen aus.496 Eine nähere dogmatische Begründung erfährt dieses Ergebnis allerdings nicht. Stattdessen wird allgemein auf den Gedanken des Gläubiger- und Aktionärsschutzes oder die Schutzzwecke des § 52 AktG verwiesen.497 Zudem sei es erst recht wertungswidersprüchlich, wenn die Gläubigerschutzvorschrift des § 52 AktG Gegenstände, die wegen ihres erhöhten Gefahrenpotenzials nicht einmal sacheinlagefähig sind, nicht erfassen würde.498 Diese Bedenken treffen zwar zu, so dass dem von der herrschenden Meinung erzielten Ergebnis in der Sache zu folgen ist. Allerdings wäre es angesichts der Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalaufbringung499 bloß konsequent und folgerichtig, den Kreis tauglicher Geschäftsgegenstände der Nachgründung in Anlehnung an die Sacheinlagefähigkeit zu bestimmen und damit im Gleichlauf zu den Sachgründungsvorschriften. Dies hätte zur Folge, dass im Rahmen von § 52 AktG ausschließlich sacheinlagefähige Vermögensgegenstände berücksichtigt werden könnten. Erst der im zweiten Teil der 493 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 17 a. E.; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 31 a. E. 494 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 33; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 45; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 22. 495 So noch Kraft, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 2. Auflage 1988, § 52 Rn. 7; Diekmann, ZIP 1996, 2149; Kohl, BB 1995, 139, 140. 496 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 21; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 4; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 32; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 18; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 18; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 44. 497 So etwa bei Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 17; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 21. 498 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 32 m. w. N. 499 Siehe dazu und zur Grundsatzkritik ausführlich oben Kapitel 6, Ziff. II., S. 121 ff.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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vorliegenden Arbeit herausgearbeitete eigenständige kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung liefert insoweit eine schlüssige dogmatische Begründung für die Anwendung der Nachgründungsvorschriften auch auf nicht einlagefähige Vermögensgegenstände. Im Rahmen der Kontrollbedürftigkeit des Nachgründungsvertrages spielt die Sacheinlagefähigkeit des Vermögensgegenstands bereits a limine keine Rolle, da dieser Normaspekt allein die Gegenkontrolle von beherrschtem Vorstand und Aufsichtsrat durch die Hauptversammlung während der zweijährigen Adoleszenzphase der Gesellschaft bezweckt und Verträgen über Dienstleistungen ein gleichermaßen hohes Missbrauchspotenzial innewohnt. Folgerichtig sind auch Dienstleistungen als sonstige Vermögensgegenstände im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG zu werten. Der hier vertretene dogmatische Lösungsansatz erweist sich somit auch im Bereich der Normanwendung als taugliche Argumentationsgrundlage und ermöglicht eine widerspruchsfreie Begründung des Ergebnisses der herrschenden Meinung. b) Vergütung Ferner muss die für den Geschäftsgegenstand zu zahlende Vergütung ihrer Höhe nach 10 % der Grundkapitalziffer übersteigen. Hinsichtlich dieser Wertgrenze ist einhellige Meinung, dass es zur Bestimmung der Grundkapitalziffer entscheidend auf die Eintragung im Handelsregister im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt und eine Kapitalerhöhung gemäß § 189 AktG grundsätzlich erst nach Eintragung der Durchführung im Handelsregister von Belang ist; ausgegebene Bezugsaktien sind dem Grundkapital nach § 200 AktG hinzuzurechnen.500 In Bezug auf die konkrete Bemessung der Vergütungshöhe kann im Einzelfall problematisch sein, inwieweit eine Zusammenrechnung der Vergütung zu erfolgen hat, wenn die Gesellschaft mit einer oder mehreren Personen getrennte Erwerbsverträge abschließt. Grundsätzlich ist jeder Erwerb für sich zu betrachten, es sei denn, die einzelnen Verträge beziehen sich auf einen einheitlichen Geschäftsgegenstand oder die einzelnen Erwerbsvorgänge dienen der Umgehung des § 52 AktG.501 Mithin ist in diesen Fällen die sich aus den Einzelverträgen ergebende Gesamtvergütung

500 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 25; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 20; Hüffer/ Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 5; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 21; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/ Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 51; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 42. 501 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 25; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 53; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 5; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 25.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

maßgebend.502 Bei Dauerschuldverhältnissen wie Miet- oder Leasingverträgen ist zur Berechnung der maßgeblichen Vergütung nicht auf die Zahlungen innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums, sondern auf die Summe der Vergütung bis zur ersten Möglichkeit der ordentlichen Kündigung abzustellen.503 Nach wie vor streitig ist, ob § 52 AktG auch dann eingreift, wenn die Vergütung nicht zu Lasten des gebundenen Gesellschaftsvermögens gezahlt wird, sondern nur aus ungebundenem Vermögen. Teilweise wird die 10 %-Grenze als ein starrer Schwellenwert betrachtet, so dass § 52 AktG bei deren Überschreitung unabhängig von der Herkunft der Vergütung anzuwenden ist.504 Nach der (älteren) Gegenauffassung sollen die Nachgründungsregeln nicht anwendbar sein, wenn Grundkapital und gesetzliche Rücklage unangetastet bleiben und somit das gebundene Vermögen nicht betroffen ist.505 Eine im Vordringen befindliche Auffassung schlägt vermittelnd vor, die Nachgründungsvorschriften zumindest dann nicht anzuwenden, wenn in der Bezahlung der Vergütung eine zulässige Gewinnverwendung liegt; also die Gegenleistung vollständig aus dem Jahresüberschuss nach Einstellung in die gesetzliche Rücklage oder unter Verwendung der Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 AktG zu erbringen ist.506 Im Ergebnis läuft dies zumindest auf eine partielle Einschränkung des Anwendungsbereichs der Nachgründung im Wege der teleologischen Reduktion hinaus. Für die erstgenannte Meinung spricht zunächst, dass der Gesetzeswortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG grundsätzlich auf eine starre Wertgrenze schließen lässt. Die Bestimmung setze insoweit nicht bei einer konkreten Beeinträchtigung des

502 Hinsichtlich der Zusammenrechnung von Beteiligungen auf Veräußererseite sind die bereits zum personellen Anwendungsbereich der Nachgründung dargestellten Grundsätze zu beachten. Siehe oben Kapitel 9, Ziff. I. 1. lit. c), S. 175 ff. 503 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 25; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 23; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 52; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 20; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 40. 504 Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 20; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 24; Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 439; Holzapfel/Roschmann, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 163, 168; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 111 f.; so im Ergebnis wohl auch Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 26; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 44. 505 So noch Barz, in: Großkommentar, AktG, Erster Band/1. Halbband: §§ 1 – 75, 3. Auflage 1973, § 52 Rn. 3; Kraft, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 2. Auflage 1988, § 52 Rn. 14; Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Anm. 10. 506 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 5a; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 54 f.; Reichert, ZGR 2001, 554, 563 ff.; Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 41 ff.; Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 696 ff.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Grundkapitals an, sondern abstrakt bei Geschäften in dem bezeichneten Umfang.507 Ferner könne auch bei einer Leistung aus zukünftigen Gewinnen nicht immer ausgeschlossen werden, dass der Wert des zu erwerbenden Vermögensgegenstandes unzutreffend taxiert wird.508 Umgekehrt ist der vermittelnden Ansicht zuzugeben, dass eine Gefährdung des (Grund-)Kapitals jedenfalls insoweit nicht gegeben ist, als die Gegenleistung für den Vermögenserwerb ohnehin frei ausschüttbar wäre, wie dies namentlich bei erzielten oder künftigen Gewinnen sowie auflösbaren Rücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB der Fall ist.509 Ferner wäre es wenig sinnvoll, unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes auf einer Einhaltung von § 52 AktG zu bestehen, obwohl Minderheitsinteressen überhaupt nicht berührt sind und der Vorteil in Gestalt einer Haftung wegen Verstoßes gegen § 52 AktG nur den Gläubigern zugutekommen würde, die unter regulären Bedingungen die Ausschüttung der fraglichen Mittel als Gewinn gerade nicht verhindern könnten.510 Fraglich ist, wie diese Problematik mit Hilfe der entwickelten dogmatischen Neubewertung der Nachgründung zu beurteilen ist. Unter ausschließlicher Berücksichtigung des kapitalrechtlichen Umgehungsaspekts der Nachgründung, also dem Schutz der Sachgründungsvorschriften vor einer Umgehung im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung, liegen jenen unterschiedlichen Wertungen – jeweils für sich betrachtet – durchaus zutreffende Erwägungen zugrunde. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass entweder ein rein abstrakter Kapitalaufbringungsschutz befürwortet wird (weite Auslegung) oder anhand der Vergütungsquelle auf die konkret bestehende Gefährdung der Kapitalaufbringung abgestellt wird (enge Auslegung mittels teleologischer Reduktion). Gänzlich unberücksichtigt bleibt insoweit jedoch der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt von § 52 AktG. Wie erinnerlich sollen hierdurch der Nachgründungsvertrag selbst, der Geschäftsabschluss durch den (beherrschten) Vorstand sowie die Prüfungs- und Berichtspflicht des (ebenfalls beherrschten) Aufsichtsrats einer zusätzlichen Kontrolle durch die Hauptversammlung unterworfen werden. Die Herkunft der zur Vergütung verwendeten Mittel spielt insoweit aber gerade keine Rolle. Vielmehr wird vor dem Hintergrund der bestehenden Einflussmöglichkeiten eine Sonderregelung für das Kompetenzverhältnis der noch jungen Gesellschaftsorgane untereinander getroffen. Gerade von der Verwendung erzielter oder sogar künftiger Gewinne geht ein nachhaltiger Einfluss für die weitere Entwicklung der Aktiengesellschaft aus, so dass innerhalb der zweijährigen Adoleszenzphase eine zusätzliche Kontrolle durch die Hauptversammlung erst recht geboten ist. Schließlich ist die Stärkung der Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan auf Kompetenzebene von Erwägungen des Gläubigerschutzes zu unterscheiden. 507

Vgl. die Argumentation bei Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 24. 508 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 111. 509 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 55. 510 Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 697.

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Im Ergebnis mag der kapitalrechtliche Umgehungsaspekt von § 52 AktG somit zwar grundsätzlich eine Differenzierung bezüglich der Vergütung aus gebundenem und ungebundenem Vermögen zulassen. Indes verbietet sich dieser Ansatz unter Berücksichtigung der kompetenzrechtlichen Kontrollfunktion der Hauptversammlung innerhalb der zweijährigen Adoleszenzphase der Nachgründung. Somit ist die 10 %-Grenze tatsächlich als starre Wertgrenze zu behandeln und – wie beim Kreis tauglicher Geschäftsgegenstände – möglichst weit zu fassen, so dass auch eine aus ungebundenem Vermögen gezahlte Vergütung bei der Bestimmung der 10 %-Grenze zu berücksichtigen ist.

3. Zeitlicher Anwendungsbereich Schließlich wird der zeitliche Anwendungsbereich der Nachgründungsvorschriften in § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG dahingehend festgelegt, dass nur solche Rechtsgeschäfte erfasst sind, die „in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister“ abgeschlossen werden. a) Maßgeblicher Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Entscheidender Zeitpunkt für den Abschluss des Rechtsgeschäfts ist nach herrschender Meinung ausschließlich die Einigung zwischen der Gesellschaft und dem Vertragspartner, also das Zustandekommen des Vertrags durch Angebot und Annahme.511 Ohne Bedeutung ist, zu welchem Zeitpunkt die Hauptversammlung zustimmt, wann die Wirkungen des Rechtsgeschäfts eintreten und wann die Leistungen ausgetauscht werden.512 Vereinzelt wird jedoch vertreten, dass schon eine Angebotsabgabe innerhalb der Zweijahresfrist genügen soll, wenn es sich um ein langfristiges Angebot handelt, da durch die rechtliche Bindung einer Vertragspartei das einseitige Recht gegeben werde, den Vertragsschluss herbeizuführen und hierdurch für die Gesellschaft bereits die Gefahr einer Vermögensminderung begründet werde.513 Gegen diese Auffassung spricht zunächst der Wortlaut der Norm, da es nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG allein auf 511 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 24; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 21; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 36; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 48. 512 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 24; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 21; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 19; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 48 f. 513 So Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 117; Holzapfel/Roschmann, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 163, 169.

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den Abschluss des Nachgründungsvertrages ankommen soll. Allerdings ist unter Umgehungsgesichtspunkten ein Bedürfnis nach Anwendung der Nachgründungsvorschriften nicht von der Hand zu weisen, wenn ein verbindliches Angebot innerhalb der Zweijahresfrist abgegeben wurde und lediglich dessen formale Annahme außerhalb dieses Zeitraums erfolgt ist. Unter Berücksichtigung des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts des § 52 AktG ist jedoch genauer danach zu differenzieren, von welcher Partei das Angebot zum Vertragsschluss unterbreitet wurde. Insoweit ist zu bedenken, dass dieser Normzweck lediglich eine Gegenkontrolle des handelnden Vorstands rechtfertigt. Handelt es sich um ein Angebot der Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, innerhalb der Zweijahresfrist und wurde die nach § 145 BGB grundsätzlich bestehende Bindung an den Antrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen, so findet § 52 AktG auch dann Anwendung, wenn die Annahme des Angebots erst nach Fristablauf erfolgt. Im Hinblick auf die Vorstandsaktivität innerhalb der Nachgründungphase und die hierfür angeordnete Kontrolle durch die Hauptversammlung macht es nämlich keinen Unterschied, wann der Vertrag letztlich zustande kommt. Gibt hingegen ein Gründer oder ein maßgeblich beteiligter Aktionär innerhalb der Zweijahresfrist ein Angebot ab und nimmt die Gesellschaft dieses Angebot erst nach Fristablauf an, ist das Handeln des Vorstands nicht mehr vom zeitlichen Anwendungsbereich erfasst. Eine Anwendung von § 52 AktG muss dann ausscheiden. b) Einzelheiten der Fristberechnung Die Berechnung der Zweijahresfrist richtet sich grundsätzlich nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen, §§ 186 ff. BGB. Hierzu wird entweder allgemein auf eine Fristberechnung nach § 188 Abs. 2 BGB514 verwiesen oder es werden zur Berechnung der Zweijahresfrist wahlweise die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB515 oder die §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB516 herangezogen. Jedenfalls der bloße Verweis auf § 188 Abs. 2 BGB ist zu pauschal und wenig aussagekräftig, da im Rahmen dieser Norm das Fristende sowohl für den Fristbeginn nach § 187 Abs. 1 BGB als auch für denjenigen nach § 187 Abs. 2 BGB geregelt wird. Der für die Nachgründung maßgebliche Fristbeginn bleibt daher unklar. Exakter sind dagegen die Verweise auf §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB bzw. §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB. Sie führen indes zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während nach § 187 Abs. 1 BGB der Tag der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister für den Fristbeginn „nicht mitgerechnet“ wird, hat die Anwendung von § 187 Abs. 2 514 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 36; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 48; mit pauschalem Verweis auf §§ 187, 188 AktG auch Körber, in: Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 6. 515 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 24. 516 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 20; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 117.

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Satz 1 BGB zur Folge, dass der Tag der Handelsregistereintragung „mitgerechnet“ wird. Mithin endet die Zweijahresfrist der Nachgründung nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Var. 1 BGB einen Tag später als nach §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 Var. 2 BGB. Es handelt sich daher um einen durchaus praxisrelevanten Unterschied, der allerdings bislang kaum Beachtung gefunden hat. Folglich ist klärungsbedürftig, wie der zeitliche Anwendungsbereich von § 52 AktG in Bezug auf den Fristbeginn zu bestimmen ist. Für den häufigsten Fall, dass für den Anfang der Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend ist, hat sich der Gesetzgeber in § 187 Abs. 1 BGB dafür entschieden, als Auslegungsregel den ersten Tag außer Betracht zu lassen, so dass erst vom folgenden Tag gezählt wird.517 Im Gegensatz dazu ist im Rahmen von § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB der Tagesbeginn für den Anfang der Frist maßgebend, so dass dieser Tag bei der Fristberechnung mitgerechnet wird; anerkannte Fälle sind beispielsweise der Beginn eines Arbeits- oder Mietverhältnisses mit dem ersten planmäßigen Arbeits- bzw. Mietzeittag, auch der Tag der Verkündung einer Rechtsnorm ist mitzurechnen, wenn diese „mit dem Tage der Verkündung“ oder eine bestimmte Zeit danach in Kraft tritt.518 Die Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf den Zeitraum „seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister“. Folglich stellt die Handelsregistereintragung als solche bzw. der Abschluss der formaljuristischen Gesellschaftsgründung das unmittelbar für den Fristlauf ausschlaggebende Ereignis im Sinne von § 187 Abs. 1 BGB dar. Der Beginn des Eintragungstages ist insoweit irrelevant und völlig nebensächlich. Schließlich beginnt auch die Verjährung von Ersatzansprüchen nach § 51 Satz 2 Var. 1 AktG mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, wobei die Fristberechnung unstreitig nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB erfolgt.519 Diese Norm gilt gemäß § 53 Satz 1 AktG für Ersatzansprüche bei der Nachgründung entsprechend. Somit spricht neben allgemeinen zivilrechtlichen Erwägungen insbesondere die Parallele zu § 51 Satz 2 Var. 1 AktG für eine einheitliche Auslegung des Fristbeginns. Im Ergebnis hat die Berechnung der Zweijahresfrist des § 52 AktG daher nach den §§ 187 Abs. 1, 188 517 Vgl. dazu Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Auflage 2021, § 187 Rn. 1; Grothe, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 1: §§ 1 – 240, 8. Auflage 2018, § 187 Rn. 1. Ausgangspunkt ist der Unterschied zwischen Zivilkomputation einerseits, wonach ein Zeitraum nur nach ganzen Kalendertagen berechnet wird, und der Naturalkomputation andererseits, wonach ein Zeitraum in seiner natürlichen Länge nach Stunden und Minuten gemessen wird. Der Gesetzgeber hat sich in § 187 Abs. 1 BGB für das Prinzip der Zivilkomputation entschieden. 518 Grothe, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 1: §§ 1 – 240, 8. Auflage 2018, § 187 Rn. 5 f. m. w. N. In diesem Fall besteht kein Unterschied zwischen Zivil- und Naturalkomputation, weil bei Fristanfang mit Tagesbeginn zwangsläufig nach vollen Tagen gerechnet werden muss, und zwar unter Einbeziehung des ersten Tages. 519 Allg. Meinung: Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 51 Rn. 2; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 51 Rn. 5; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 51 Rn. 9; Gerber/ Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 51 Rn. 5; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 51 Rn. 9.

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Abs. 2 Var. 1 BGB zu erfolgen, der Tag der Handelsregistereintragung ist nicht mitzurechnen. c) Sonderfall: Vorrats- oder Mantelgesellschaften Nach ganz herrschender Meinung findet § 52 AktG analog auch auf sog. Vorratsoder Mantelgesellschaften Anwendung, die bereits mehr als zwei Jahre im Handelsregister eingetragen sind.520 Das Erfordernis einer analogen Anwendung erklärt sich daraus, dass die Nachgründungsvorschriften andernfalls leicht durch die Verwendung von mindestens zwei Jahre alten – und damit nachgründungsfreien – Aktiengesellschaften umgangen werden könnten. Dabei entspricht eine verzögerte Aufnahme bzw. ein Ruhenlassen der Geschäftstätigkeit nach der Gesellschaftsgründung erkennbar nicht der Grundkonzeption des Gesetzgebers. Somit liegt in diesem Fall eine planwidrige Regelungslücke vor. Ferner ist der Einfluss der Verwender einer Mantel- oder Vorrats-AG auf die Gesellschaftsorgane Aufsichtsrat und Vorstand nicht geringer als derjenige der Gründer einer „jungen“ Aktiengesellschaft, so dass auch eine vergleichbare Sach- und Interessenlage besteht. Der Lauf der Zweijahresfrist beginnt in diesem Fall nicht schon mit der Eintragung der historischen Gesellschaftsgründung in das Handelsregister, sondern erst im Zeitpunkt der „wirtschaftlichen Neugründung“ bzw. „Ingangsetzung“ der Mantel- oder Vorrats-AG.521 Als maßgeblichen Zeitpunkt für den Fristbeginn ist aus Gründen der Verkehrssicherheit auf die Eintragung der jeweils notwendigen Beschlüsse in das Handelsregister abzustellen, insbesondere eine entsprechende Satzungsänderung oder die Bestellung eines neuen Aufsichtsrats und Vorstands.522 Alternativ käme zwar auch ein Abstellen auf die (Wieder-)Aufnahme der tatsächlichen Tätigkeit der Gesellschaft oder den Aktienerwerb durch die Verwender 520 Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 8; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 33; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 23 Rn. 27; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 45; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 3. 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 19; Holzapfel/Roschmann, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 163, 170; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 262; a. A.: Witte/Wunderlich, BB 2000, 2213, 2218; wohl auch Dormann/Fromholzer, AG 2001, 242 f. 521 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 38; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 50; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 24. 522 H. M.: Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 50; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 23 Rn. 102, 114; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 23 Rn. 27a; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 262; Holzapfel/Roschmann, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 163, 170; so im Ergebnis wohl auch Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 38.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

in Betracht.523 Allerdings weisen diese Kriterien den entscheidenden Nachteil auf, dass ihnen nicht die Publizität einer Handelsregistereintragung zukommt, die nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG gerade der Anknüpfungspunkt der Zweijahresfrist sein soll. Ein beim Handelsregister dokumentierter Beschluss entspricht zum einen der entsprechenden Anwendung der Norm noch am besten und ist zum anderen objektiv nachvollziehbar, insbesondere hinsichtlich der Fristberechnung. Ferner werden der oder die Verwender hierdurch zusätzlich angehalten, den für eine ordnungsgemäße Mantelverwendung erforderlichen satzungsändernden Beschluss524 möglichst zeitnah durchzuführen und einzutragen. Schließlich kann die Hauptversammlung einer Mantel- oder Vorrats-AG ihre Kontrollfunktion bezogen auf die anderen Gesellschaftsorgane überhaupt erst dann effektiv ausüben, wenn der „neue“ Aufsichtsrat und Vorstand bestellt worden sind. Im Gegensatz dazu würde ein Abstellen auf die bloße Wiederaufnahme der Tätigkeit oder den Aktienerwerb zeitlich vorgreifen und damit den Anwendungsbereich der Norm verkürzen.

II. Ausnahmen vom Anwendungsbereich, § 52 Abs. 9 AktG Schließlich nimmt § 52 Abs. 9 AktG als Ausnahmeregelung insgesamt drei Konstellationen von dem Nachgründungserfordernis aus, namentlich wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft, in der Zwangsvollstreckung oder an der Börse erfolgt. Obwohl also der Nachgründungstatbestand erfüllt ist, sind die Zustimmung der Hauptversammlung zum Nachgründungsvertrag und dessen Eintragung in das Handelsregister in diesen Fällen entbehrlich.

1. Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte, § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG Zunächst stellt § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG den „Erwerb der Vermögensgegenstände im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft“ von den Nachgründungsvorschriften frei.

523 So die (theoretischen) Überlegungen bei Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 23 Rn. 102 a. E. und Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 50. 524 Vgl. zu den Voraussetzungen einer Mantelverwendung bei Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 23 Rn. 102.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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a) Entwicklung und Intention Diese Ausnahme vom Anwendungsbereich der Nachgründung ist verhältnismäßig jung und wurde in ihrer jetzigen Form erst mit dem NaStraG im Jahr 2001 eingeführt. Dennoch handelt es sich nicht etwa um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers. Stattdessen findet die Ausnahmeregelung ihre Wurzeln bereits in § 52 Abs. 9 AktG a. F., wonach die Nachgründungsvorschriften unter anderem dann keine Anwendung finden sollten, wenn der „Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet“. Diese Regelung entsprach im Wesentlichen noch der Ursprungsnorm in Art. 213f Abs. 6 ADHGB 1884, die allerdings noch auf den Erwerb unbeweglicher Gegenstände begrenzt war.525 Der historische Gesetzgeber verfolgte mit dieser Befreiung vom Nachgründungserfordernis das allgemeine Ziel, den laufenden Geschäftsbetrieb nicht mehr zu erschweren, als dies im unbedingten Interesse der Gesellschaft geboten erschien.526 Hierdurch sollten insbesondere Gesellschaften, deren Zweck lediglich der Erwerb (mit anschließender Veräußerung) von Grundstücken war, wie etwa Baugesellschaften oder Immobilienbanken, nicht behindert werden.527 Es leuchtet ein, dass deren Geschäftsbetrieb andernfalls in den ersten beiden Jahren nahezu zum Erliegen gekommen wäre, da stets ein Nachgründungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Die aktuelle Fassung von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG geht derweil zurück auf die zutreffende Feststellung von Lutter/Ziemons, dass der Text von § 52 Abs. 9 AktG a. F. unter den Vorgaben von Art. 11 Abs. 2 KapRL („Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte“) mindestens missverständlich sei, wenn nicht gar verfehlt.528 Sodann wurde der Wortlaut von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG im Zuge des NaStraG an die zwingenden europarechtlichen Vorgaben des Art. 11 Abs. 2 KapRL angepasst, wonach nun der „Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte“ nachgründungsfrei ist. b) Auslegung in der Literatur Die Auslegung des Begriffs der „laufenden Geschäfte“ ist seitdem umstritten. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass es sich um alltägliche Geschäfte im Sinne ständig wiederkehrender Routinegeschäfte bzw. Tagesgeschäfte handeln muss.529 Insbesondere sog. Hilfsgeschäfte sollen von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG erfasst 525

Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. b) und c) aa), S. 41 ff. Die Erweiterung auf sämtliche Vermögensgegenstände erfolgte zwischenzeitlich mit § 45 Abs. 8 AktG 1937. 526 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. a), S. 36 ff. 527 Zutreffend Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479, 482 f. m. w. N. 528 Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479, 496. 529 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 46; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 55;

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

sein, wenn sie nach objektiver Satzungsauslegung für den laufenden Geschäftsbetrieb erforderlich sind bzw. ohne sie der Unternehmensgegenstand nicht erreicht werden kann.530 Beispielhaft genannt werden etwa die Beschaffung von Roh-, Hilfsund Betriebsstoffen oder Halbfabrikaten bei einem Produktionsunternehmen, der Wareneinkauf in einem Handelsunternehmen, aber auch Verträge mit Mitarbeitern, externen Beratern oder Dienstleistern.531 Auch der Erwerb von Immobilien durch eine Immobilien(handels)gesellschaft soll weiterhin nachgründungsfrei sein.532 Im Gegensatz dazu unterfällt der Erwerb von Anlagevermögen unabhängig davon, ob es sich um Sach- oder Finanzanlagen handelt, nicht der Freistellung des § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG.533 Ebenso wenig soll ein Erwerb von Beteiligungen bei reinen Holdinggesellschaften unter § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG subsumiert werden können.534 Die Gegenauffassung geht in Anlehnung an Geschäfte des „gewöhnlichen Betriebs“ im Sinne von § 116 Abs. 1 HGB davon aus, dass gewöhnliche Geschäfte der Gesellschaft von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG erfasst werden.535 In den Genuss der Nachgründungsfreiheit komme daher alles, was zur Verwirklichung des statuarischen Unternehmensgegenstandes in der Gesellschaft laufend geschieht, sei es zum Aufbau der unternehmerischen Tätigkeit (Investitionsphase) oder für diese selbst (Produktion, Vertrieb, Dienstleistung).536 Mithin soll neben sog. Hilfsgeschäften auch der Erwerb von Anlagevermögen grundsätzlich nachgründungsfrei sein. Schließlich will diese Ansicht auch den Beteiligungserwerb von HoldinggesellArnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 47; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 19; Hüffer/ Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 18 ff.; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 92; Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 97 ff.; Lieder, ZIP 2010, 964, 969. 530 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 56; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 93; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 48; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 18b. 531 Vgl. die Aufzählung bei Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 93 m. w. N. 532 Vgl. Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 48 m. w. N. 533 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 57; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 94; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 18c. 534 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 94; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 56 a. E.; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 18c; Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 103 f. 535 Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479, 492; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 126 ff.; Dormann/Fromholzer, AG 2001, 242, 246; Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 441; so auch noch Pentz, NZG 2001, 346, 352. 536 Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479, 492; so auch Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 127 f., der nur bei Geschäften mit Ausnahmecharakter für das jeweilige Unternehmen eine Nachgründungspflicht bejahen will.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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schaften von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG grundsätzlich erfasst sehen, wenn ein wesentlicher Teil des Geschäftsbetriebs die Holdingfunktion ausmache und der Erwerb von Beteiligungen damit zum laufenden Geschäft zähle.537 c) Stellungnahme Zunächst ist festzuhalten, dass die Vertreter beider Auffassungen zur Bestimmung des Begriffs „laufende Geschäfte“ i. S. v. § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG nicht umhin kommen, den „Gegenstand des Unternehmens“ nach § 52 Abs. 9 AktG a. F. zu berücksichtigen. Dies entspricht zwar nicht dem bloßen Wortlaut von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG, der einen Bezug zum Unternehmensgegenstand weder erkennen lässt noch ausdrücklich erforderlich macht. Allerdings ist ein solcher Rückgriff vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Norm durchaus gerechtfertigt. Zudem lässt sich der Kreis „laufender“ Geschäfte bereits denknotwendig nur gesellschaftsspezifisch im Einzelfall bestimmen, so dass der konkrete Unternehmensgegenstand nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG jedenfalls inzident berücksichtigt werden muss. Allerdings liegt der Schlüssel zum Verständnis von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG nicht in der Definition des „laufenden Geschäfts“ anhand des konkreten Unternehmensgegenstands, sondern im direkten Gegenstück dieser Ausnahmeregelung: dem Anwendungsbereich der Nachgründung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG. Vor der Reform durch das NaStraG umfasste § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG a. F. auch sämtliche Geschäfte mit gesellschaftsfremden Dritten, so dass unter Nachgründungsgesichtspunkten grundsätzlich alle Geschäfte der Gesellschaft innerhalb des Zweijahreszeitraums mit einem Volumen von mehr als 10 % des Grundkapitals problematisch waren – und zwar unabhängig vom beteiligten Geschäftspartner. Wie erinnerlich sollte der weite Anwendungsbereich der Nachgründung sodann durch § 52 Abs. 9 AktG a. F. in bestimmten Konstellationen kompensiert werden, um den laufenden Geschäftsbetrieb der jungen Aktiengesellschaft nicht unnötig zu erschweren. Parallel hierzu verhält sich das europarechtliche Pendant der Nachgründungsregelung.538 Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 KapRL stellt lediglich die Mindestanforderung auf, dass Geschäfte der Gesellschaft mit Gründern zusätzlichen (Nachgründung-)Erfordernissen zu unterwerfen sind. Im Übrigen bleibt es den Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 KapRL überlassen, ob sie darüber hinaus auch Geschäfte mit einem Aktionär oder einer anderen Person erfassen wollen. Insbesondere bei letzterer Gruppe handelt es sich um jene Drittgeschäfte. Damit erfasst Art. 11 KapRL grundsätzlich noch den weiten personellen Anwendungsbereich der ursprünglichen Nachgründungsregelung vor NaStraG. Vor diesem Hintergrund statuiert sodann Art. 11 Abs. 2 KapRL völlig unabhängig von der 537

Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 129. Zu Art. 11 KapRL und § 52 AktG a. F. als dessen Vorbildregelung siehe oben Kapitel 3, Ziff. II. 2., S. 85 f. 538

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Festlegung des personellen Anwendungsbereichs durch den jeweiligen Mitgliedstaat die Ausnahmen vom Nachgründungserfordernis, insbesondere für den Erwerb im Rahmen laufender Geschäfte. Die pauschale Befreiung des Erwerbs im Rahmen laufender Geschäfte nach Art. 11 Abs. 2 KapRL passt damit schon für Art. 11 Abs. 1 KapRL nicht, da es insoweit den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, ob sie Drittgeschäfte überhaupt den Nachgründungserfordernissen unterwerfen wollen. Je enger jedoch der Anwendungsbereich der Nachgründungsregelung von den Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 1 KapRL gefasst wird, desto geringer ist auch das Bedürfnis einer Befreiung für laufende Geschäfte nach Art. 11 Abs. 2 KapRL. Diesem Umstand wird durch die bestehende Regelungstechnik des Art. 11 KapRL nicht ansatzweise Rechnung getragen, was infolgedessen auch auf § 52 AktG durchschlägt.539 Für § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG bedeutet dies konkret, dass mit der signifikanten Beschränkung des Anwendungsbereichs der Nachgründung auf Geschäfte mit Gründern und maßgeblich beteiligten Aktionären im Zuge des NaStraG zugleich das Bedürfnis nach einer Ausnahme für den Erwerb im Rahmen „laufender Geschäfte“ markant gesunken – wenn nicht sogar gänzlich entfallen – ist. Angesichts des Erfordernisses einer richtlinienkonformen Auslegung bleibt daher festzuhalten, dass die Ausnahmeregelung des § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG für „laufende Geschäfte“ zumindest denkbar eng ausgelegt werden muss. Dieses Vorgehen ist nicht nur aufgrund des ohnehin eingeschränkten personellen Anwendungsbereichs der Nachgründung gerechtfertigt, sondern entspricht überdies dem soeben dargestellten Regelungsgefüge von Art. 11 Abs. 1 und 2 KapRL. Bei der Anwendung von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG tendieren beide Auffassungen dazu, unter dem Begriff des „laufenden Geschäfts“ im Sinne von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG alles zu subsumieren, was per se zur spezifischen Unternehmenstätigkeit gehört. Dabei handelt es sich jedoch nur scheinbar um ein geeignetes Abgrenzungskriterium, da sich insbesondere bei sog. Hilfsgeschäften stets einwenden lässt, das konkrete Geschäft sei zur Erreichung des Unternehmensgegenstands erforderlich. Mit einer solch pauschalen Begründung ist jedoch eine Ausnahme von den strengen Nachgründungserfordernissen kaum gerechtfertigt. Stattdessen ist im Sinne einer engen Auslegung davon auszugehen, dass „laufende Geschäfte“ nur dann gemäß § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG nachgründungsfrei sind, wenn und soweit trotz der Beteiligung eines Gründers oder maßgeblichen Aktionärs aufgrund ihres üblichen Charakters im Geschäftsablauf weder eine Umgehung der Sachgründungsvorschriften zu befürchten ist (kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt) noch Anhaltspunkte für eine Einflussnahme der Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionäre zum Nachteil der Gesellschaft bestehen, so dass auch eine Kontrolle durch die Hauptversammlung nicht geboten erscheint (kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt). 539

Derweil lassen sich aufgrund der zwingenden europarechtlichen Vorgaben von Art. 11 Abs. 2 KapRL am Ausnahmetatbestand von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG keine gesetzlichen Änderungen vornehmen. Eine Lösung dieses Problems ist mithin vorrangig auf europarechtlicher Ebene zu suchen. Zum Regelungsvorschlag de lege ferenda siehe unten Kapitel 12, Ziff. I., S. 277 ff.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Das bedeutet ferner, dass der Erwerb von Anlagevermögen in der Investitionsphase grundsätzlich nicht nachgründungsfrei sein kann, da solche Erwerbsvorgänge schon begrifflich nicht zum Tagesgeschäft gehören und damit kein „laufendes Geschäft“ der Gesellschaft darstellen. Denkbar wäre dies allenfalls, wenn und soweit es sich um kleinere Posten wie Büromaterial, technische Ausstattung etc. handelt. Dann aber besteht aufgrund der 10 %-Grenze des sachlichen Anwendungsbereichs nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG ohnehin kein Nachgründungserfordernis. Wird diese Vergütungsgrenze jedoch im Rahmen eines – vermeintlichen – Tagesgeschäfts überschritten, ist die Vermutung angebracht, dass der Erwerb der betreffenden Vermögensgegenstände von einem Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär (!) schon bei der Errichtung der Gesellschaft hätte vorgenommen werden können oder sollen. Die Anwendung der Nachgründungsvorschriften ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen daher gerechtfertigt. Insoweit ergibt sich mithin keine Abweichung zu dem von der überwiegenden Meinung vertretenen Standpunkt. Schließlich gehen beide Auffassungen fehl, indem sie wahlweise den Immobilienerwerb durch eine Grundstück(handels)gesellschaft oder den Beteiligungserwerb bei Holdinggesellschaften unter § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG subsumieren wollen. Wertungswidersprüchlich ist bereits, warum nach der überwiegenden Meinung nur Grundstückshandelsgesellschaften, nicht aber Holdinggesellschaften in den Genuss der Nachgründungsfreiheit kommen sollen – obschon sowohl der Immobilien- als auch der Beteiligungserwerb aufgrund des spezifischen Unternehmensgegenstands zur laufenden Geschäftstätigkeit der jeweiligen Gesellschaft gehören. Ferner beruhen diese Ausnahmen ersichtlich auf den immer wieder gegen die Rechtsfigur vorgebrachten Bedenken, die Nachgründung könnte die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft behindern oder sogar zu einem vollständigen Erliegen der laufenden Geschäftstätigkeit führen. Diese Gefahr besteht jedoch aufgrund der Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 52 Abs. 1 AktG im Zuge des NaStraG auf Geschäfte mit Gründern und maßgeblich beteiligten Aktionären nicht (mehr), da sämtliche Geschäfte mit gesellschaftsfremden Dritten bereits a limine nicht nachgründungspflichtig sein können. Damit ist auch nicht (mehr) zu befürchten, dass die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in der Nachgründungsphase vollständig zum Erliegen kommen oder nachhaltig beeinträchtigt werden könnte. Eine Ausnahme von der Nachgründungspflicht nach § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG ist folglich für Grundstückshandelsgesellschaften oder Holdinggesellschaften grundsätzlich nicht zuzulassen. Dies gilt auch dann, wenn es sich um rein operative Geschäfte der Gesellschaft mit den Gründern oder maßgeblich beteiligten Aktionären handelt.540 Dann ist zwar nicht die Kapitalausstattung der Gesellschaft betroffen, da der Erwerb von Grundstücken bzw. Beteiligungen zur eigentlichen Geschäftstätigkeit gehört. Wohl aber besteht unverändert die Gefahr einer nachteiligen Einflussnahme auf die handelnden Gesellschaftsorgane, so dass unter Berücksichtigung des selbständigen 540 So aber Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 129 für den Beteiligungserwerb von Holdinggesellschaften.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Kontrollaspekts der Nachgründung keine Befreiung von der Nachgründungspflicht angenommen werden kann. Aufgrund des seit NaStraG ohnehin signifikant eingeschränkten Anwendungsbereichs der Nachgründung wird die Geschäftstätigkeit der Aktiengesellschaft durch die vorliegend vertretene enge Auslegung von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG jedenfalls nicht über das unbedingte Maß hinaus behindert. Marginale Beeinträchtigungen sind vor dem Hintergrund des weitreichenden Schutzzwecks der Rechtsfigur hinzunehmen.

2. Zwangsvollstreckung, § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG Ferner unterliegt gemäß § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG der Erwerb von Vermögensgegenständen „in der Zwangsvollstreckung“ ausnahmsweise nicht den Nachgründungsvorschriften. a) Entwicklung und Intention Ursprünglich galt diese Ausnahme nach Art. 213f Abs. 6 ADHGB 1884 bzw. § 207 Abs. 5 HGB 1897 nur für den Erwerb von Grundstücken in der Zwangsvollstreckung bzw. -versteigerung. Hierdurch sollte es Hypothekenbanken ermöglicht werden, zur Durchsetzung ihrer ausstehenden Forderungen ohne Behinderung durch die Nachgründungsregeln am Versteigerungsverfahren teilzunehmen.541 Seit der Aktienrechtsreform von 1937 ist auch die Zwangsvollstreckung in bewegliche Gegenstände erfasst. Nach Art. 11 Abs. 2 KapRL ist sogar jeder „Erwerb, der auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts erfolgt“ vom Nachgründungserfordernis befreit. Dem Ausnahmetatbestand von § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG liegt damit im Ausgangspunkt eine mit § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG vergleichbare Intention des Gesetzgebers zugrunde, indem unter bestimmten Voraussetzungen der Gesellschaft keine zusätzlichen Hemmnisse in den Weg gelegt werden sollten.542 Auch diesbezüglich ist zu konstatieren, dass durch die Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG die Bedeutung und vor allem der praktische Bedarf der Ausnahme weiter gesunken ist. In der Praxis kommt diese Ausnahmevorschrift ohnehin kaum vor.543 Allerdings erschöpft sich der Ausnahmetatbestand des § 52 Abs. 9 541 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 96; Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage 1934, § 207 Rn. 27 f. 542 So schon Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 58. 543 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 129; Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1031.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Var. 2 AktG seinem Sinn und Zweck nach nicht in der Korrektur des (vormals) weiten Anwendungsbereichs der Nachgründung. Zum einen ist im Falle eines Erwerbs in der Zwangsvollstreckung schon kaum Platz für die Vermutung, dass die Gründer hierdurch planmäßig die Sachgründungsvorschriften umgehen wollen. Zum anderen besteht aufgrund des Erwerbs unter behördlicher Aufsicht regelmäßig Kontrolle über die Angemessenheit der Vergütung.544 Somit ist in den Fällen des § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG weder der kapitalrechtliche Umgehungsaspekt noch der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung betroffen. Der Geschäftspartner der Gesellschaft spielt insoweit keine Rolle. Die im Rahmen von § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG bzw. Art. 11 Abs. 2 KapRL geübte Grundsatzkritik trifft daher auf § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG nicht zu. b) Tatbestand Nach der früher herrschenden Meinung sollte nicht jeder in der Zwangsvollstreckung erfolgte Erwerb erfasst sein, sondern nur ein solcher, bei dem die Gesellschaft als (betreibende oder sich beteiligende) Gläubigerin involviert ist, d. h. wenn die Vollstreckung aufgrund eines Titels der Aktiengesellschaft erfolgt.545 Die heute vorherrschende Meinung plädiert dafür, § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG dahingehend auszulegen, dass jeder Erwerb in der Zwangsvollstreckung freigestellt ist – und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft hieran als Gläubigerin beteiligt ist oder nicht.546 Erfasst ist also auch der Fall, dass die Gesellschaft lediglich als Mitbieterin auftritt.547 Begründet wird diese Auffassung maßgeblich damit, dass die Einschränkung keine Stütze in Art. 11 Abs. 2 KapRL finde und die weite Auslegung daher richtlinienkonform sei. Dies ist zutreffend. Zwar besteht bei der Rolle der Gesellschaft als bloße Mitbieterin zumindest die theoretische Gefahr eines „Wettbietens“, so dass eine Manipulation durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Allerdings kann aufgrund der staatlichen Kontrolle im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens durch Vollstreckungsgericht oder Gerichtsvollzieher eine Beeinflussung der Preisbildung infolge einer Absprache des Vorstands mit den Gründern

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Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 130. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 19; Diekmann, ZIP 1996, 2149, 2151; Kraft, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 2. Auflage 1988, § 52 Rn. 57; Barz, in: Großkommentar, AktG, Erster Band/1. Halbband: §§ 1 – 75, 3. Auflage 1973, § 52 Rn. 16. 546 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 59; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 96; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 50; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 48; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 21; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 131 f. 547 So ausdrücklich Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 96; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 50. 545

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

oder Aktionären wohl als ausgeschlossen gelten.548 Im Ergebnis ist § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG daher auf sämtliche Fälle der Zwangsvollstreckung unter Beteiligung der Aktiengesellschaft anzuwenden. c) Weitere Ausnahmefälle Fraglich ist, ob über den in § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG ausdrücklich genannten Fall der Zwangsvollstreckung hinaus weitere Ausnahmen vom Nachgründungserfordernis zuzulassen sind. Genannt werden in diesem Zusammenhang die Nachgründungsfreiheit des Erwerbs von Vermögensgegenständen durch die Gesellschaft im Rahmen des Pfandverkaufs nach § 1233 Abs. 2 BGB sowie im Insolvenzverfahren nach §§ 165 f., 173 InsO.549 Demgegenüber soll die Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft nach § 753 BGB, §§ 180 ff. ZVG nur nachgründungsfrei sein, wenn sie aufgrund eines vollstreckbaren Titels erfolgt, da es außerhalb dieses Bereichs an der Voraussetzung einer Zwangsvollstreckung fehlt.550 Eine nähere Begründung erfahren diese Ergebnisse in der Kommentarliteratur nicht. Anknüpfungspunkt ist jedoch ersichtlich Art. 11 Abs. 2 KapRL, der den „Erwerb, der auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts erfolgt“, vom Nachgründungserfordernis freistellt. Das bedeutet, dass es für die Ausnahme nach § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG maßgeblich auf die Beteiligung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts am konkreten Erwerbsvorgang ankommt. Ferner ist der jeweilige Erwerbsvorgang daraufhin zu überprüfen, ob der kapitalrechtliche Umgehungsaspekt und der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung konkret betroffen sind. aa) Pfandverkauf nach § 1233 Abs. 2 BGB Fraglich ist, ob der Erwerb im Rahmen des Pfandverkaufs nach § 1233 Abs. 2 BGB tatsächlich in den Genuss der Nachgründungsfreiheit gemäß § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG kommen kann. Diese Frage wird relevant, wenn es sich bei einem Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär um den Pfandgläubiger handelt und die Gesellschaft von ihm einen Vermögensgegenstand im Zuge eines Pfandverkaufs erwirbt. 548

Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 132. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 19; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 50; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 59; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 96; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, S. 132. 550 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 59; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 96; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 50; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 22; Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 442. 549

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Bei dem Pfandverkauf nach § 1233 Abs. 2 BGB handelt es sich im Ausgangspunkt um eine Pfandverwertung durch den Pfandgläubiger auf Grund eines vollstreckbaren Titels. Wählt der Pfandgläubiger daher den (seltenen) Weg des § 1233 Abs. 2 BGB, so hat er auf Grund des Pfandrechts gegen den Eigentümer zunächst Klage auf Duldung der Pfandverwertung zu erheben bzw. im Falle der Insolvenz des Eigentümers auf Duldung der abgesonderten Befriedigung.551 Nach Erlangen des Titels hat der Pfandgläubiger nun die Wahl, ob er nach § 1233 Abs. 1 BGB den Verkauf gemäß §§ 1234 – 1240 BGB durchführt oder stattdessen von der Möglichkeit des § 1233 Abs. 2 BGB Gebrauch macht. Zwar erfolgt demnach der Pfandverkauf aufgrund eines gerichtlich erstrittenen Titels. Allerdings ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob der in Rede stehende Erwerb der Gesellschaft „in der Zwangsvollstreckung“ (§ 52 Abs. 9 Var. 2 AktG) oder „auf Anordnung oder unter Aufsicht eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde“ (Art. 11 Abs. 2 KapRL) erfolgt. Dies ist für den Pfandverkauf nach § 1233 Abs. 2 BGB gerade nicht der Fall. Stattdessen gibt § 1233 Abs. 2 BGB dem Pfandgläubiger insoweit die zusätzliche Möglichkeit, den Verkauf auch nach den Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung zu bewirken; es handelt sich dabei aber nur um eine besondere Art des Pfandverkaufs und nicht um einen Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung.552 Der Gerichtsvollzieher beachtet zwar die Formen der Zwangsvollstreckung, handelt aber aufgrund privatrechtlichen Auftrags des Pfandgläubigers und damit nicht als Vollstreckungsorgan.553 Demzufolge werden zugunsten des Pfandgläubigers in § 1233 Abs. 2 BGB zwar die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung für anwendbar erklärt, um nicht den Pfandverkauf nach den komplizierten Vorschriften der §§ 1234 – 1240 BGB durchführen zu müssen. Indes ist diese Verfahrenserleichterung nicht mit einem Erwerb in der Zwangsvollstreckung im formellen Sinn gleichzusetzen. Ebenso wenig ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass der Erwerb des Vermögensgegenstands durch die Gesellschaft im Rahmen des Pfandverkaufs nach § 1233 Abs. 2 BGB noch auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts stattfindet. Die gerichtliche Entscheidung betrifft lediglich den dem Pfandverkauf zugrunde liegenden Titel – und damit nicht den Erwerb als solchen. Der Gerichtsvollzieher wird im Rahmen des Erwerbsvorgangs gerade nicht als Vollstreckungsorgan tätig, es handelt sich vielmehr um einen privaten Pfandverkauf des Gründers oder maßgeblich beteiligten Aktionärs an die Gesellschaft.

551 Vgl. nur Damrau, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 8: §§ 854 – 1296, 8. Auflage 2020, § 1233 Rn. 5 m. w. N. 552 Wiegand, in: Staudinger, Buch 3: §§ 1204 – 1296, Neubearbeitung 2019, § 1233 Rn. 10; Damrau, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 8: §§ 854 – 1296, 8. Auflage 2020, § 1233 Rn. 6. 553 Damrau, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 8: §§ 854 – 1296, 8. Auflage 2020, § 1233 Rn. 6.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Somit unterliegt der Pfandverkauf gemäß § 1233 Abs. 2 BGB dem Nachgründungserfordernis und wird nicht von der Ausnahme des § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG erfasst. bb) Erwerb im Insolvenzverfahren nach §§ 165 f., 173 InsO Nicht zu folgen ist der Kommentarliteratur, soweit sämtliche Erwerbsvorgänge im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nach den §§ 165 f., 173 InsO pauschal unter den Ausnahmetatbestand des § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG fallen sollen. Zwar steht der Insolvenzverwalter gemäß § 58 Abs. 1 InsO unter Aufsicht des Insolvenzgerichts. Dazu gehört insbesondere das Recht, Einzelauskünfte oder einen Bericht über Sachstand und Geschäftsführung zu verlangen, wobei allerdings die Zweckmäßigkeit des Verwalterhandelns grundsätzlich nicht nachzuprüfen ist.554 Seine Legitimation leitet der Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht ab, was ihm eine amtsähnliche Stellung gibt.555 Somit kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Erwerb im Rahmen des Insolvenzverfahrens im Sinne von Art. 11 Abs. 2 KapRL zumindest unter Aufsicht eines Gerichts erfolgt. Allerdings ist eine weitergehende Differenzierung geboten, wobei zum einen die konkrete Art des Erwerbsvorgangs und zum anderen die Beteiligung des Gründers bzw. maßgeblich beteiligten Aktionärs im Insolvenzverfahren – als Insolvenzschuldner oder Gläubiger – zu berücksichtigen sind. (1) Verwertung unbeweglicher und beweglicher Gegenstände durch den Insolvenzverwalter, §§ 165, 166 Abs. 1 InsO Zunächst kann ein Erwerb von Vermögensgegenständen durch die Gesellschaft im Rahmen einer Verwertung unbeweglicher und beweglicher Gegenstände durch den Insolvenzverwalter gemäß §§ 165, 166 Abs. 1 InsO erfolgen. § 165 InsO ermächtigt den Insolvenzverwalter grundsätzlich dazu, unbewegliche Gegenstände durch Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung gemäß §§ 172 ff. ZVG in der Insolvenz zu verwerten. Die Zwangsversteigerung ist ein gerichtliches Verfahren, wobei die Verwertung im Wege der öffentlichen Versteigerung erfolgt.556 Darüber hinaus kommen jedoch auch gesetzlich nicht geregelte Verwertungsalternativen wie etwa der freihändige Verkauf im Rahmen von § 165 InsO in Betracht.557 Dies gilt sowohl bei Lastenfreiheit des Gegenstands als auch bei Belastung eines 554

Riedel, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 58 Rn. 3 f. Graeber, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 1: §§ 1 – 79, 4. Auflage 2019, § 56 Rn. 142 f. 556 Kern, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 2: §§ 80 – 216, 4. Auflage 2019, § 165 Rn. 25 f. 557 Hölzle, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 165 Rn. 7; Kern, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 2: §§ 80 – 216, 4. Auflage 2019, § 165 Rn. 32. 555

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Grundstücks mit Grundpfandrechten, wobei in letzterem Fall der Bestand der Grundpfandrechte nicht berührt wird.558 Zweckmäßig ist in der Praxis, dass Verwalter und Grundpfandgläubiger vor der freihändigen Veräußerung eine Verwertungsvereinbarung schließen, nach der die Gläubiger zur Erleichterung der Veräußerung Löschungsbewilligungen erteilen und der Verwalter ihnen im Gegenzug eine Beteiligung am Erlös zusagt.559 Zur Veräußerung eines unbeweglichen Gegenstands aus freier Hand ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung erforderlich, gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO. Schließlich darf der Insolvenzverwalter gemäß § 166 Abs. 1 InsO eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat.560 Aufgrund der Durchführung der Verwertung durch den Insolvenzverwalter unter Beteiligung des Insolvenzgerichts ist im Rahmen der Verwertung nach §§ 165 InsO, 172 ff. ZVG wohl kaum eine Beeinträchtigung von Interessen der Gesellschaft zu befürchten, so dass der Erwerb durch die Gesellschaft im Rahmen der Zwangsvollstreckung erfolgt und damit gemäß § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG nachgründungsfrei ist. Im Gegensatz dazu stellt sich der freihändige Verkauf von unbeweglichen oder beweglichen Vermögensgegenständen nach §§ 165, 166 Abs. 1 InsO unter Nachgründungsgesichtspunkten potenziell kritisch dar. Ist der Gründer oder maßgeblich beteiligte Aktionär selbst Insolvenzschuldner, könnte er die Gesellschaft dazu veranlassen, im Rahmen des freihändigen Verkaufs einen überhöhten Kaufpreis zugunsten der Insolvenzmasse und der übrigen Gläubiger zu zahlen. Handelt es sich bei dem Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär um den Grundpfandgläubiger, ergeben sich signifikante Manipulationsanreize daraus, dass die Gesellschaft dazu veranlasst werden könnte, unter Umständen ein zu dessen Gunsten erheblich belastetes Grundstück zu erwerben. Eine Kontrolle, ob der Wert des von der Gesellschaft erworbenen Grundstücks überhaupt den besicherten Betrag deckt, findet insoweit nicht statt. Überdies besteht bei der Vereinbarung einer Löschungsbewilligung zugunsten des Gründers oder maßgeblich beteiligten Aktionärs jedenfalls die Gefahr, dass dergestalt eine Beteiligung am Erlös erzielt wird. Dabei fehlt es im Falle des freihändigen Verkaufs aus Sicht der Gesellschaft an einer Kontrolle des Erwerbsvorgangs. Auch § 160 InsO trägt deren Interessen keinerlei Rechnung, da diese Vorschrift allein auf die unmittelbar am Insolvenzverfahren beteiligten Personen zugeschnitten ist. Grundsätzlich ist daher nicht von der Nachgründungsfreiheit des 558

Hölzle, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 165 Rn. 7. Vgl. Hölzle, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 165 Rn. 7 m. w. N. 560 Zwar sind andere Arten der Verwertung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Allerdings lässt der freihändige Verkauf in der Praxis häufig einen höheren Erlös erwarten, so dass der Insolvenzverwalter diesen Weg wählen wird, um sich nicht regresspflichtig zu machen. Vgl. dazu Kern, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 2: §§ 80 – 216, 4. Auflage 2019, § 166 Rn. 45. 559

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Erwerbs im Rahmen eines freihändigen Verkaufs nach § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG auszugehen. Allerdings findet im Rahmen von §§ 165, 166 Abs. 1 InsO der Erwerb des betreffenden Vermögensgegenstandes nicht – wie dies der Nachgründungstatbestand grundsätzlich erfordert – zwischen einem Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär und der Gesellschaft statt. Vielmehr erfolgt der Erwerb vom Insolvenzverwalter, der im eigenen Namen und mit Wirkung für und gegen Masse und Schuldner handelt und als solcher „Partei kraft Amtes“ ist.561 Folglich fehlt es eigentlich schon am Tatbestandsmerkmal des Erwerbs von einem Gläubiger oder maßgeblich beteiligten Aktionär im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG. Dabei wird die Nachgründungskontrolle jedoch mehr oder weniger zufällig ausgehebelt, indem der Vermögensgegenstand durch die Gesellschaft nicht unmittelbar vom Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär, sondern aus einem laufenden Insolvenzverfahren heraus vom zwischengeschalteten Insolvenzverwalter erworben wird. Den schutzwürdigen Interessen der jungen Aktiengesellschaft wird angesichts der bestehenden Gefahrenlage weder durch § 160 InsO noch durch anderweitige insolvenzrechtliche Schutzvorschriften ausreichend Rechnung getragen, so dass von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist. Es besteht überdies eine vergleichbare Sach- und Interessenlage, da die Gesellschaft auch im Rahmen dieses Erwerbsvorgangs vor einer nachteiligen Einflussnahme der Gründer geschützt werden muss und insbesondere keine anderweitige Kontrolle des Erwerbsgeschäfts stattfindet. Somit sprechen gute Argumente für eine analoge Anwendung von § 52 AktG auf Fälle, in denen der Erwerb vom Insolvenzverwalter im Rahmen eines freihändigen Verkaufs erfolgt. Sodann ist § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG erst recht einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Erwerb im Rahmen eines freihändigen Verkaufs nach §§ 165, 166 Abs. 1 InsO nicht nachgründungsfrei sein kann. (2) Verwertung beweglicher Gegenstände und Forderungen durch den Gläubiger, § 173 InsO Schließlich verbleibt die Möglichkeit eines Erwerbs von Vermögensgegenständen durch die Gesellschaft im Rahmen der Verwertung beweglicher Gegenstände und Forderungen durch den Gläubiger im Insolvenzverfahren, § 173 InsO. Soweit der Insolvenzverwalter nicht zur Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung berechtigt ist, an denen ein Absonderungsrecht besteht, bleibt das Recht des Gläubigers zur Verwertung unberührt, § 173 Abs. 1 InsO. Der Gläubiger ist folglich auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Verwertung einer Mobiliarsicherheit berechtigt, wenn die Voraussetzungen des § 166 561 Sog. Amtstheorie der ganz h. M., vgl. Graeber, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 1: §§ 1 – 79, 4. Auflage 2019, § 56 Rn. 146 m. w. N.; Riedel, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 56 Rn. 38; BGH, Urt. v. 29. 05. 1961 – Az.: VII ZR 46/60 = BGHZ 35, 180 ff.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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InsO nicht vorliegen, also wenn eine belastete Sache sich nicht im Besitz des Verwalters befindet, eine Forderung in anderer Weise als durch Sicherungsabtretung belastet ist oder ein Absonderungsrecht an einem Recht besteht, das keine Forderung ist.562 Unter Nachgründungsgesichtspunkten grundsätzlich problematisch ist dabei der Fall, dass einem Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär an einer beweglichen Sache ein Pfandrecht zusteht, dieser als Gläubiger eine Verwertung nach § 173 Abs. 1 InsO durchführt und die Gesellschaft im Rahmen dieser Verwertung den betreffenden Vermögensgegenstand von ihm erwirbt. Zwar sind auch insoweit Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter als amtliche bzw. amtsähnliche Stellen im Rahmen der Verwertung nach § 173 InsO einbezogen. So kann beispielsweise nach § 173 Abs. 2 Satz 1 InsO auf Antrag des Insolvenzverwalters und nach Anhörung des Gläubigers das Insolvenzgericht eine Frist bestimmen, innerhalb welcher der Gläubiger den Gegenstand zu verwerten hat. Zudem wird der Insolvenzverwalter regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen einer Verwertung nach § 173 InsO überhaupt gegeben sind, da andernfalls er selbst eine Verwertung nach den §§ 165 f. InsO durchführen könnte. Indes wird aufgrund der Schutzrichtung des Insolvenzrechts den berechtigten Interessen der Gesellschaft hierbei nicht ausreichend Rechnung getragen. Zu den Obliegenheiten des Sicherungsgläubigers gehört es insbesondere, das Sicherungsgut zu einem möglichst hohen Preis zu verwerten; andernfalls muss der Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche gegen den Sicherungsgläubiger wegen der UnterWert-Veräußerung geltend machen.563 Damit können lediglich Unter-Wert-Veräußerungen repressiv geahndet werden. Somit fehlt es an einem geeigneten Schutz der Gesellschaft. Dieser ließe sich grundsätzlich nur mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts gewähren. Folglich besteht bei Nichtanwendung von § 52 AktG die Gefahr, dass sich der Gründer oder maßgeblich beteiligte Aktionär im Zuge der Verwertung nach § 173 InsO zu Lasten der Gesellschaft bereichert: Erzielt der Gläubiger bei der Verwertung einen Erlös, der den Betrag der gesicherten Forderung übersteigt, so hat er den Mehrerlös an die Insolvenzmasse herauszugeben.564 Dergestalt wird zwar sichergestellt, dass die Insolvenzmasse nicht verringert wird. Allerdings wird hierdurch dem Vermögensabfluss bei der erwerbenden Gesellschaft nicht entgegengewirkt. Zudem ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Gläubiger in diesem Zusammenhang mit ungesicherten Forderungen aufrechnen darf.565 Wäre eine Aufrechnung mit ungesicherten Forderungen möglich, 562

Hölzle, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 173 Rn. 2; wichtigste Anwendungsfälle des § 173 InsO sind das vertragliche Pfandrecht an beweglichen Sachen und das vertragliche Pfandrecht an Forderungen. 563 Kern, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 2: §§ 80 – 216, 4. Auflage 2019, § 173 Rn. 14. 564 Hölzle, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 173 Rn. 3; Kern, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 2: §§ 80 – 216, 4. Auflage 2019, § 173 Rn. 11. 565 Für Aufrechnungsverbot die wohl herrschende Literaturmeinung: vgl. Hölzle, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 10. Auflage 2020, § 173 Rn. 3 m. w. N.; dagegen – also für

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

würden unter Nachgründungsgesichtspunkten zusätzliche Manipulationsanreize hinsichtlich einer überhöhten Vergütung gesetzt, da sich der verwertende Gläubiger auf Kosten der Gesellschaft weitgehend schadlos halten könnte, indem er wirtschaftlich wertlose Forderungen gegen den Insolvenzschuldner durch eine Forderung gegen die (solvente und von ihm beherrschte) Gesellschaft ersetzen könnte. Hieraus ergibt sich somit eine starke Gefahrgeneigtheit des Verwertungsvorgangs in der Nachgründungsphase. Doch selbst bei Annahme eines Aufrechnungsverbots würde ein Gründer oder maßgeblich beteiligter Aktionär von einem Mehrerlös zugunsten der Insolvenzmasse profitieren, indem sich auch seine Insolvenzquote als ungesicherter Insolvenzgläubiger auf Kosten der Gesellschaft erhöht. Somit besteht im Ergebnis ein Bedürfnis nach der Anwendung der Nachgründungsvorschriften, da die Vorschriften der Insolvenzordnung maßgeblich auf den Schutz der direkt am Insolvenzverfahren beteiligten Personen zugeschnitten sind und damit gerade nicht die Belange der jungen Aktiengesellschaft als Erwerberin von Vermögensgegenständen aus der Insolvenzmasse berücksichtigten. Trotz der Beteiligung von Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter ist daher einen Erwerb im Insolvenzverfahren nach § 173 InsO keine Ausnahme vom Nachgründungserfordernis nach § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG zuzulassen. cc) Versteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft nach § 753 BGB Schließlich wird die Versteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft nach § 753 BGB als Ausnahme gemäß § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG diskutiert, wenn und soweit sie aufgrund eines vollstreckbaren Titels nach §§ 180 ff. ZVG erfolgt. Diesbezüglich dürften potenziell Konstellationen problematisch sein, in denen die Gesellschaft im Zuge einer solchen Versteigerung einen Vermögensgegenstand von einem Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär erwirbt. Zunächst ist im Rahmen von § 753 BGB zwischen Mobilien und Immobilien zu unterscheiden. Für den Verkauf von beweglichen Sachen verweist § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Vorschriften über den Pfandverkauf nach §§ 1233 ff. BGB. Eines Vollstreckungstitels bedarf es insoweit grundsätzlich nicht, sondern nur im Falle des § 1233 Abs. 2 BGB.566 Demgegenüber hat der Verkauf eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung zu erfolgen, § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 180 ff. ZVG. Hierzu müssen die allgemeinen Voraussetzungen des Zwangsversteigerungsverfahrens vorliegen, soweit sich nicht aus den §§ 181 ff. ZVG ein anderes ergibt; ein vollstreckbarer Titel ist nach § 181 Abs. 1 ZVG jedoch entbehrlich.567 Aufrechung mit ungesicherten Forderungen – die frühere Auffassung des BGH zum Konkursrecht: BGH, Urt. v. 14. 07. 1994 – Az.: IX ZR 110/93 = ZIP 1994, 1347, 1349. 566 K. Schmidt, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 7: §§ 705 – 853, 8. Auflage 2020, § 753 Rn. 13. 567 K. Schmidt, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 7: §§ 705 – 853, 8. Auflage 2020, § 753 Rn. 17 m. w. N.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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In Bezug auf den Erwerb eines Grundstücks bleibt damit festzuhalten, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach ZVG nur vorliegen, wenn dem Erwerb ein Vollstreckungstitel zugrunde liegt. Der Erwerb des Grundstücks durch die Gesellschaft ist dann gemäß § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG nachgründungsfrei. Fehlt es jedoch an einem solchen Titel, ist nicht von einem Erwerb der Gesellschaft „in der Zwangsvollstreckung“ im Sinne von § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG auszugehen. Insoweit ist der herrschenden Kommentarmeinung zu folgen. Einzuschränken ist diese Auffassung jedoch für den Erwerb von Mobilien im Rahmen einer Versteigerung nach § 753 BGB. Da die Vorschriften über den Pfandverkauf nach §§ 1233 ff. BGB zur Anwendung kommen, scheidet eine Ausnahme vom Nachgründungserfordernis nach § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG bereits a limine aus. Dies gilt auch dann, wenn die Versteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft in Form eines Pfandverkaufs nach § 1233 Abs. 2 BGB stattfindet. Der Pfandverkauf erfolgt dann zwar durchaus aufgrund eines gerichtlichen Vollstreckungstitels, indes wird der Gerichtsvollzieher nicht als öffentliches Vollstreckungsorgan tätig, so dass kein Erwerb in einem formellen Zwangsvollstreckungsverfahren vorliegt.568

3. Erwerb an der Börse, § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG Schließlich ist nach § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG der Erwerb von Vermögensgegenständen von den Nachgründungserfordernissen freigestellt, wenn dieser „an der Börse erfolgt“. Auch die Einführung dieses Ausnahmetatbestands geht zurück auf die Angleichung von § 52 Abs. 9 AktG an die Vorgaben des Art. 11 Abs. 2 KapRL im Zuge des NaStraG. Die Auslegung des Börsen-Begriffs ist umstritten. Überwiegend wird vertreten, dass unter § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG jede Börse im Sinne des Börsengesetzes zu subsumieren sei, insbesondere jede Warenbörse.569 Zudem wird eine entsprechende Anwendung der Freistellung bei Erwerb seitens der jungen Aktiengesellschaft im Wege des Übernahmeangebots nach § 31 WpÜG wegen dessen Bindung an den Börsenpreis befürwortet.570 Eine andere Ansicht will hingegen ein engeres Be568

Siehe oben Kapitel 9, Ziff. II. 2. lit. c) aa), S. 198 ff. Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 97; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 20; Bayer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 51; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 49; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 23; Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437, 442; zweifelnd Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 60. 570 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 51; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 97; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 60; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 20; Dormann/Fromholzer, AG 2001, 242, 246. 569

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

griffsverständnis zugrunde legen, wonach nur der amtliche Handel nach §§ 36 ff. BörsG (a. F.) und der geregelte Markt nach den §§ 71 ff. BörsG (a. F.) erfasst werde, nicht aber der Freiverkehr gemäß § 78 BörsG (a. F.), da dieser keiner staatlichen Kontrolle unterliege; ebenso wenig seien Verträge an Warenbörsen erfasst, da Art. 11 Abs. 2 KapRL nur den Kauf von Wertpapieren freistelle, wie aus der englischen Textfassung („stock exchange aquisitions“) hervorgehe.571 Auch eine erweiternde Anwendung von § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG auf Fälle eines öffentlichen Übernahmeangebots nach § 31 WpÜG sei aufgrund des Wortlauts der Ausnahmeregelung abzulehnen.572 Die Freistellung sämtlicher Börsen iSd BörsG sowie jeder Warenbörse erscheint zunächst gerechtfertigt, da eine Gefährdung der Kapitalaufbringung nicht zu erwarten ist, wenn das Geschäft Marktbedingungen unterliegt.573 Indes wird durch ein derartiges Normverständnis lediglich der kapitalrechtliche Umgehungsaspekt der Nachgründung abgebildet. Der eigenständige kompetenzrechtliche Kontrollaspekt von § 52 AktG bleibt indes vollkommen unberücksichtigt.574 Grund der Ausnahme des Erwerbs an der Börse nach Art. 11 Abs. 2 KapRL bzw. § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG ist demnach nicht nur eine am Marktwert orientierte Vergütung, sondern zusätzlich die Preisbildung unter staatlicher Kontrolle ohne die Möglichkeit einer Beeinflussung durch die Gründer.575 Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)576 von 2007 wurden der Börsenhandel am amtlichen und am geregelten Markt im „regulierten Markt“ als einheitliches Marktsegment zusammengefasst. Eine Zulassungspflicht besteht nur für Wertpapiere, die im regulierten Markt gehandelt werden sollen, § 32 Abs. 1 BörsG. Im Gegensatz dazu ist der Freiverkehr bzw. „Open Market“ ein privatrechtlich organisierter außerbörslicher Markt. Zwar unterliegt neben den Börsenorganen und -trägern auch der Freiverkehr grundsätzlich der Aufsicht durch die zuständige Börsenaufsichtsbehörde, § 3 Abs. 1 Satz 1 BörsG. Für den Freiverkehr ist zudem eine schriftliche Erlaubnis der Börsenaufsichtsbehörde erforderlich, § 48 Abs. 3 BörsG. Ferner kann sie den Handel im Freiverkehr untersagen, wenn ein ordnungsgemäßer Handel für Wertpapiere nicht mehr gewährleistet erscheint, § 48 Abs. 2 BörsG. Folglich ist jedenfalls ein Mindestmaß an staatlicher Kontrolle durch die Börsenaufsicht vorhanden. Allerdings betrifft dies nur den allgemeinen organisatorischen Rahmen des Freiverkehrs an den Börsen. Bezogen auf den individuellen Erwerbsvorgang weist der Freiverkehr jedoch einen 571

Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 133. Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 134. 573 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 97; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 51. 574 Zum kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt siehe oben Kapitel 7, Ziff. II. 1. lit. b), S. 155 ff. 575 Zutreffend Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 133. 576 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16. Juli 2007, BGBl. I. S. 1330. 572

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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eingeschränkten Anlegerschutz auf, was insbesondere anhand der Prospektpflicht deutlich wird. Die Prospektpflicht wird nach § 3 Abs. 1 WpPG zum einen durch das öffentliche Anbieten von Wertpapieren begründet und zum anderen nach § 3 Abs. 4 WpPG für Wertpapiere, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Organisierter Markt nach § 2 Nr. 16 WpPG ist für das Inland der regulierte Markt im Sinne von § 32 BörsG, nicht aber der Freiverkehr.577 Damit kann der Handel im Freiverkehr grundsätzlich ohne Prospekt erfolgen. Nur wenn und soweit es sich um ein öffentliches Angebot handelt, besteht für den Handel im Freiverkehr die Prospektpflicht. Hieran wird es indes bei nachgründungspflichtigen Erwerbsvorgängen regelmäßig fehlen, da die Gesellschaft aufgrund des bestehenden Einflusses der Gründer bzw. eines maßgeblich beteiligten Aktionärs selten erst durch ein öffentliches Angebot als Anleger gewonnen werden muss. Somit sprechen gute Gründe für eine zusätzliche Kontrolle des Erwerbsvorgangs durch Nachgründungsprüfer und die Hauptversammlung sowie die Schaffung von Publizität durch die Eintragung des Nachgründungsvertrages in das Handelsregister. Im Ergebnis ist der Börsenbegriff i. S. v. § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG damit eng auszulegen, so dass ausschließlich Erwerbsvorgänge am regulierten Markt nachgründungsfrei sind, nicht aber im Freiverkehr oder an einer Warenbörse. Handelt es sich jedoch um einen Erwerb am regulierten Markt und liegt sogar ein öffentliches Übernahmeangebot vor, muss konsequenterweise auch eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung auf Gegenleistungen nach § 31 WpÜG bejaht werden.

III. Anwendbarkeit der Nachgründung auf Sachkapitalerhöhungen nach ARUG Den aktienrechtlichen Vorschriften über die Kapitalerhöhung ist die Nachgründung fremd. Im Gegensatz dazu ordnet § 183 Abs. 2 AktG bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen ausdrücklich die entsprechende Anwendung von § 27 Abs. 3 AktG an. Insoweit stellt sich die Frage, ob § 52 AktG analog bei Sachkapitalerhöhungen anzuwenden ist. Hierbei ist zunächst zwischen der Anwendbarkeit von § 52 AktG auf offengelegte Sachkapitalerhöhungen einerseits und auf verdeckt durchgeführte Sachkapitalerhöhungen andererseits zu differenzieren.

577 Ritz/Zeising, in: Just/Voß/Ritz/Zeising, WpPG, 1. Auflage 2009, § 2 Rn. 282; RegE, BTDrucks. 15/4999, S. 29.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

1. Anwendbarkeit von § 52 AktG auf offengelegte Sachkapitalerhöhungen a) Herrschende Literaturmeinung Die herrschende Literaturmeinung plädiert bei offenen Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen für eine analoge Anwendung von § 52 AktG, wenn die Aktiengesellschaft noch nicht länger als zwei Jahre im Handelsregister eingetragen ist.578 Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass die Pflichtprüfung durch einen oder mehrere Prüfer nach § 183 Abs. 3 AktG noch kein Äquivalent für die weitergehenden Erfordernisse des § 52 AktG darstellt, etwa das zwingende Mehrheitserfordernis nach § 52 Abs. 5 AktG sowie die Prüfungs- und Berichtspflicht des Aufsichtsrats nach § 52 Abs. 3 AktG. Auch die Informationsrechte der Aktionäre sind nach § 52 Abs. 2 AktG stärker ausgeprägt, zudem muss der Prüfbericht bei der Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen gemäß § 184 Abs. 2 AktG erst der Anmeldung beigefügt werden und kann damit dem Hauptversammlungsbeschluss nachfolgen, wohingegen Nachgründungsprüfung durch Aufsichtsrat und Gründungsprüfer gemäß § 52 Abs. 3 und 4 AktG jeweils vor der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung erfolgen müssen.579 Ferner mache es keinen Unterschied, ob die Gesellschaft einen Vermögensgegenstand gegen Leistung einer Barvergütung aus ihrem Vermögen erbringt oder diesen gegen Gewährung junger Aktien erwirbt.580

b) Gegenansicht Die Vertreter der Mindermeinung wenden hingegen ein, dass die §§ 183 Abs. 3, 194 Abs. 4, 205 Abs. 3 AktG ohnehin eine Pflichtprüfung vorsehen und sich nach Änderung des § 52 Abs. 1 AktG durch das NaStraG auch aus der Nennung der Nachgründung in § 67 UmwG nichts Gegenteiliges mehr entnehmen lasse.581 Ferner sei ausschlaggebend, dass die Vorschriften des AktG über die Kapitalerhöhung den Tatbestand der Sachübernahme und damit das Fundament des § 52 AktG nicht kennen würden.582 Schließlich komme aus teleologischer Sicht hinzu, dass die 578 H. M.: Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 11; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 7; Lutter, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 4: §§ 179 – 240, 3. Auflage 2011, § 183 Rn. 6; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 69 f.; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 48; Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 187 ff.; Diekmann, ZIP 1996, 2149, 2151; Schwab, Die Nachgründung, 2003, S. 153 ff.; Bayer in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 9. 579 Schwab, Die Nachgründung, 2003, S. 155. 580 Schwab, Die Nachgründung, 2003, S. 156. 581 Bork/Stangier, AG 1984, 320, 322 f.; Mülbert, AG 2003, 136, 139 ff.; Reichert, ZGR 2001, 554, 581 ff.; Habersack, ZGR 2008, 48, 59 f.; so im Ergebnis auch Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 205 ff. 582 Habersack, ZGR 2008, 48, 60.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Nachgründung der Gefahr begegnen solle, dass die Gründer die strengen Sacheinlagevorschriften und den hiermit bezweckten Kapitalaufbringungsschutz umgehen.583 c) Stellungnahme Eine höchstrichterliche Entscheidung zur analogen Anwendung der Nachgründung auf eine (offengelegte) Sachkapitalerhöhung existiert bisher nicht.584 Zuletzt hat der BGH in seiner Rheinmöve-Entscheidung diese Rechtsfrage ausdrücklich offengelassen.585 Derweil ist der herrschenden Literaturmeinung aus den bereits genannten Gründen zu folgen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das vorliegend vertretene Normverständnis von § 52 AktG. Die Nachgründungserfordernisse sind dabei als Ausprägung des Umgehungsaspekts von § 52 AktG zu verstehen und vom Gesetzgeber speziell auf die spezifische Erwerbssituation junger Aktiengesellschaften zugeschnitten. Innerhalb der ersten beiden Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft besteht unabhängig davon, ob es sich um ein gewöhnliches Erwerbsgeschäft oder um eine Sachkapitalerhöhung handelt, eine vergleichbare Interessenlage. Doch auch soweit es den kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt betrifft, ist eine Anwendung von § 52 AktG auf Fälle der (offengelegten) Sachkapitalerhöhung gerechtfertigt. Dies gilt namentlich in Bezug auf den Hinweis der Mindermeinung, der Normzweck der Nachgründung bestehe lediglich im Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften. Ein derartiges Normverständnis greift ersichtlich zu kurz und geht daher fehl.586 Fremd ist das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung derweil auch den Sachkapitalerhöhungsvorschriften nicht, so dass hier grundsätzlich Übereinstimmungen mit der Nachgründung bestehen. Sowohl nach § 182 Abs. 1 Satz 2 AktG als auch nach § 52 Abs. 5 Satz 1 AktG ist jeweils ein Mehrheitsbeschluss von „mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals“ erforderlich. Darüber hinaus statuiert § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aber zusätzlich ein Mehrheitsquorum von „mindestens einem Viertel des gesamten Grundkapitals“. Diese Besonderheit und die Information der Hauptversammlung im Vorfeld der Beschlussfassung dienen dem Zweck einer effektiven Kontrolle des Kapitalerhöhungsvorgangs durch die Hauptversammlung. Der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung bildet somit das dogmatische 583

Habersack, ZGR 2008, 48, 60. Einzig das OLG Oldenburg, Beschl. v. 20. 06. 2002 – Az.: 5 W 95/02 = AG 2002, 620 hat die analoge Anwendung von § 52 AktG auf die Sachkapitalerhöhung bisher bejaht. Anderes soll gelten, wenn bei Durchführung der Kapitalerhöhung nur ein Alleinaktionär vorhanden ist, vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22. 01. 2008 – Az.: 15 W 246/07 = AG 2008, 713, 715. 585 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 11; siehe ausführlich oben Kapitel 5, Ziff. II. 2. lit. a), S. 110 ff. 586 Siehe bereits oben Kapitel 7, Ziff. II. 1. lit. b), S. 155 ff. 584

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Fundament der analogen Anwendung von § 52 AktG auf eine (offengelegte) Sachkapitalerhöhung innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Gesellschaftsgründung.

2. Anwendbarkeit von § 52 AktG auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit der Nachgründungsvorschriften auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen. a) BGH: Rheinmöve – Unanwendbarkeit von § 52 AktG vor ARUG In seiner Lurgi I-Entscheidung konnte der BGH noch offenlassen, ob die Nachgründungsvorschriften in Fällen einer verdeckten Sachkapitalerhöhung neben § 183 AktG anwendbar sind.587 Dies war ihm in seiner Rheinmöve-Entscheidung aufgrund der Sachverhaltskonstellation indes nicht mehr möglich. Unter Verweis auf den von § 52 AktG bezweckten Kapitalaufbringungsschutz judizierte der BGH daher noch vor ARUG, dass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalerhöhung auch dann nicht durch die Nachgründungsvorschriften verdrängt werden, wenn tatsächlich eine Nachgründungsprüfung nach § 52 AktG durchgeführt worden ist.588 Mit anderen Worten führte der Senat eine teleologische Reduktion des § 52 AktG durch, indem er die Nachgründung auch innerhalb der Zweijahresfrist nur auf Fälle verdeckter Sachgründungen und nicht auf die seinerzeit streitgegenständliche verdeckte Sachkapitalerhöhung anwandte. Dies ist im Ergebnis mit der Unanwendbarkeit der Nachgründung auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen gleichbedeutend. b) Stellungnahme aa) Unvollständige dogmatische Perspektive Zunächst ist auf Grundlage der vorliegend vertretenen Unterscheidung zwischen kapitalrechtlichem Umgehungsaspekt und kompetenzrechtlichem Kontrollaspekt der Nachgründung festzuhalten, dass der BGH in seiner Rheinmöve-Entscheidung allein die Umgehungsperspektive verdeckter Sacheinlagen eingenommen hat. Indes handelt es sich dabei nur um einen Teilbereich von § 52 AktG, so dass der eigenständige Normaspekt in Gestalt der zusätzlichen Kontrolle von Vorstand und Aufsichtsrat sowie Nachgründungsgeschäft durch die Hauptversammlung nicht ansatzweise berücksichtigt wurde. Dabei hätte es jener – über die Grundsätze ver587

BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 19. Ausführlich oben Kapitel 5, Ziff. II. 1. lit. b), S. 105 ff. 588 BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 11. Vgl. auch 1. Leitsatz. Ausführlich oben Kapitel 5, Ziff. II. 2. lit. a), S. 110 ff.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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deckter Sacheinlagen hinausgehende – Kontrollaspekt genau genommen schon vor ARUG erfordert, jedenfalls innerhalb der Zweijahresfrist der Nachgründung die Nachgründungskontrolle auch auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen zu erstrecken. Dem umfangreichen Regelungsansatz von § 52 AktG wird das höchstrichterliche Normverständnis mithin nicht gerecht. bb) Doppelter Wertungswiderspruch nach ARUG Erschwerend kommt nach ARUG hinzu, dass sich die Rechtsfolgen von § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG (Wirksamkeit verdeckter Sacheinlagen) und § 52 Abs. 1 AktG (schwebende Unwirksamkeit von Nachgründungsgeschäften) wesentlich voneinander unterscheiden können. Insoweit kommt der Kontrollfunktion der Hauptversammlung und damit dem Zustimmungserfordernis nach § 52 Abs. 1 AktG eine erhöhte Bedeutung für die Wirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte zu.589 Vor diesem Hintergrund würde sich ein doppelter Wertungswiderspruch ergeben, wenn nach ARUG unverändert an der Rechtsprechung des BGH in Sachen Rheinmöve festgehalten würde. (1) Verdeckte Sachgründung und verdeckte Sachkapitalerhöhung Zum einen sind die Wertungen im Verhältnis zwischen verdeckter Sachgründung einerseits und verdeckter Sachkapitalerhöhung andererseits betroffen. In Fällen einer verdeckten Sachgründung kommen grundsätzlich sowohl die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen als auch die Nachgründung zur Anwendung. Liegen gleichzeitig die Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 AktG und die Tatbestandsmerkmale des § 52 Abs. 1 AktG vor, hat das nach ARUG ein Rechtsfolgenkonflikt zwischen beiden Rechtsfiguren zur Folge. Bei einer verdeckten Sachkapitalerhöhung ergibt sich nun jedoch eine grundlegend andere Rechtslage. Nach der Lurgi I-Rechtsprechung des BGH wäre zwar auch insoweit die Anwendung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen zu bejahen, dagegen müsste eine Anwendung von § 52 AktG aufgrund der Rheinmöve-Entscheidung in letzter Konsequenz ausscheiden. Vor ARUG ergaben sich hierdurch auf Rechtsfolgenseite keine markanten Unterschiede, da sowohl bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage als auch bei Nichtbeachtung der Nachgründungsvorschriften die betreffenden Rechtsgeschäfte unwirksam waren. Es stellte sich allenfalls die Frage der Heilung, wenn und soweit ein ordnungsgemäßes Nachgründungsverfahren durchgeführt worden war. Nach ARUG ist die Rechtslage allerdings eine grundlegend andere, da gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG von der Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte auszugehen ist, während § 52 Abs. 1 AktG unverändert die schwebende Unwirksamkeit anordnet. Mangels An589 Der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt erweist sich insbesondere als tauglicher Anknüpfungspunkt zur Lösung des Rechtsfolgenkonflikts, siehe dazu unten Kapitel 10, Ziff. II. 3., S. 239 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

wendbarkeit der Nachgründungsvorschriften ergibt sich für verdeckte Sachkapitalerhöhungen somit nach ARUG stets die Wirksamkeitsfolge des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG, ein Rechtsfolgenkonflikt ist damit ausgeschlossen. Demnach wären die einer verdeckten Sachgründung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte aufgrund des potenziellen Rechtsfolgenkonflikts grundsätzlich auch der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG ausgesetzt, während im Falle einer verdeckten Sachkapitalerhöhung von vornherein die Wirksamkeitsanordnung gemäß §§ 183 Abs. 2, 27 Abs. 3 Satz 2 AktG zur Anwendung käme. Im Ergebnis würden folglich verdeckte Sachkapitalerhöhungen von der Rechtsordnung privilegiert. Dieses Ergebnis ist jedoch ersichtlich wertungswidersprüchlich, da es sich sowohl bei einer verdeckten Sachgründung als auch bei einer verdeckten Sachkapitalerhöhung im Kern um einen identischen Vorgang handelt. Darüber hinaus wäre sogar eine Umgehung von § 52 AktG zu befürchten, indem der Erwerb des (verdeckt einzubringenden) Vermögensgegenstands nicht unmittelbar im Anschluss an eine formale Bargründung durchgeführt wird, sondern von den Beteiligten innerhalb des Zweijahreszeitraums seit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister eine formale Barkapitalerhöhung zwischengeschaltet werden könnte. Dadurch würde sich der gesamte Vorgang als verdeckte Sachkapitalerhöhung darstellen und nicht mehr als verdeckte Sacheinlage. Dann wäre nach der einschlägigen BGH-Rechtsprechung zwar unverändert § 27 Abs. 3 AktG anwendbar, nicht aber § 52 AktG. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts der Nachgründung hätte dies zur Folge, dass eine Kontrolle von Gesellschaftsorganen und Nachgründungsgeschäft durch die Hauptversammlung nicht möglich wäre und die konstitutive Mitwirkung der Hauptversammlung in Gestalt des Zustimmungserfordernisses unterlaufen würde. Dies würde in der Konsequenz dazu führen, dass ein Vorgang, der zu einem identischen wirtschaftlichen Ergebnis führt, von der Rechtsordnung unterschiedlich behandelt würde. Hierin zeigt sich in besonderem Maße die Systemwidrigkeit des Eingriffs des Gesetzgebers in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen. Gerade unter Betonung des eigenständigen Kontrollaspekts der Nachgründung lässt sich über das separate Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung jedoch die Anwendung von § 52 AktG auch im Rahmen verdeckter Sachkapitalerhöhungen rechtfertigen und der soeben beschriebene Wertungswiderspruch ist vermeidbar. Bei Beschränkung des Regelungszwecks von § 52 AktG auf einen bloßen Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften wäre dies nicht ohne Weiteres möglich, da es sich unverändert um zwei Rechtsfiguren mit vermeintlich identischer Zielrichtung handeln würde und das Erfordernis eines Eingreifens von § 52 Abs. 1 AktG zusätzlich zu § 27 Abs. 3 AktG nur schwerlich dogmatisch begründbar wäre. (2) Offene und verdeckte Sachkapitalerhöhung Zum anderen ergeben sich unterschiedliche Wertungen auch im Verhältnis zwischen offener und verdeckter Sachkapitalerhöhung.

Kap. 9: Der Anwendungsbereich von § 52 AktG

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Wie erinnerlich sind die Nachgründungsvorschriften nach zutreffender herrschender Meinung zwar auf offengelegte Sachkapitalerhöhungen analog anzuwenden.590 Mithin ist eine offengelegte Sachkapitalerhöhung in den ersten beiden Jahren nach der Handelsregistereintragung der Gesellschaft tendenziell der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG ausgesetzt. Im Gegensatz dazu findet nach der Rheinmöve-Entscheidung des BGH die Nachgründung auf eine verdeckte Sachkapitalerhöhung bereits a limine keine Anwendung. Vor ARUG bestand hinsichtlich der Rechtsfolgen offener und verdeckter Sachkapitalerhöhungen aufgrund der Unwirksamkeit nach den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen einerseits sowie nach § 52 AktG jedenfalls kein qualitativer Unterschied. Nach ARUG stellt sich die Rechtslage jedoch grundlegend anders dar, da im Falle einer verdeckten Sachkapitalerhöhung die betreffenden Rechtsgeschäfte gemäß §§ 183 Abs. 2, 27 Abs. 3 Satz 2 AktG wirksam sind. Dies würde zu dem wertungswidersprüchlichen Ergebnis führen, dass bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Nachgründung nur offengelegte Sachkapitalerhöhungen unwirksam sein können, nicht aber – wesentlich kritischer zu bewertende – verdeckte Sachkapitalerhöhungen, da insoweit nur § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG anzuwenden wäre. Unter Wertungsgesichtspunkten ist es daher nach ARUG insgesamt stimmiger, von der Anwendbarkeit von § 52 AktG auf Fälle der verdeckten Sachkapitalerhöhung neben §§ 183 Abs. 2, 27 Abs. 3 AktG auszugehen. c) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass sowohl aus dogmatischen Gründen als auch unter Wertungsgesichtspunkten jedenfalls nach ARUG bei Vorliegen der Nachgründungstatbestandsmerkmale von der Anwendbarkeit der Nachgründung auf Fälle der verdeckten Sachkapitalerhöhung neben den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen auszugehen ist. Dem daraus resultierenden Konflikt zwischen der schwebenden Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG einerseits und der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG andererseits ist sodann im Rahmen der Lösung des Rechtsfolgenkonflikts der beiden Rechtsfiguren zu begegnen.591

3. Exkurs: Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt zur Bestimmung der Kapitalbeteiligung Im Zusammenhang mit Sachkapitalerhöhungen ist schließlich umstritten, ob § 52 AktG auch dann anwendbar ist, wenn die für den Aktionär maßgebliche Beteiligung 590 591

Siehe oben Kapitel 9, Ziff. III. 1., S. 208 ff. Siehe dazu ausführlich unten Kapitel 10, Ziff. II, S. 230 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

von 10 % noch nicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern erst nach Durchführung der Sachkapitalerhöhung erreicht wird.592 Zwei Fallkonstellationen kommen hierbei in Betracht: Einmal könnte ein Aktionär bereits beteiligt sein und durch den Zuerwerb die 10 %-Grenze übersteigen, oder ein noch nicht beteiligter Dritter erwirbt bei der Erhöhung so viele Aktien, dass er zum nennenswert beteiligten Aktionär wird.593 Beiden Fällen ist gemein, dass bei formaler Betrachtung der personelle Anwendungsbereich von § 52 AktG nicht eröffnet ist, insbesondere in letzterem Fall handelt es sich um einen unechten Dritten.594 Grundsätzlich ist der herrschenden Meinung darin zu folgen, dass wegen der regelmäßig schon im Vorfeld bestehenden besonderen Einflussmöglichkeiten auch der „werdende Großaktionär“ erfasst wird und es deshalb für die Berechnung der Beteiligung auf die durch die Kapitalerhöhung erreichte Beteiligungsschwelle ankommt.595 Rechtstechnisch wird mithin der Zeitpunkt zur Bestimmung der maßgeblichen Kapitalquote vom Abschluss des Nachgründungsgeschäfts auf die Durchführung der Sachkapitalerhöhung verlagert.

IV. Fazit Der scheinbar deutlich umschriebene Nachgründungstatbestand wirft bei genauerer Betrachtung zahlreiche Zweifelsfragen auf. Einschlägige Rechtsprechung existiert hierzu in den wenigsten Fällen. Stattdessen haben sich Schrifttum und Lehre redlich um die Entwicklung einer Kasuistik bemüht, um problematische Fallkonstellationen herausarbeiten und überzeugenden Lösungen zuführen zu können. Indes fußen die insoweit erzielten Ergebnisse im Wesentlichen auf der dogmatischen Zuordnung der Nachgründung zum Recht der Kapitalaufbringung. Die vorstehende Untersuchung des Anwendungsbereichs von § 52 Abs. 1 AktG hat gezeigt, dass die im zweiten Teil der Arbeit entwickelte Neubewertung der Nachgründungsvorschriften anhand eines kapitalrechtlichen Umgehungsaspekts 592

Bejahend die mittlerweile wohl h. M.: Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 36; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 17; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 15; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15; Priester, DB 2001, 467, 469; Eisolt, DStR 2001, 748, 751 f.; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 158 f.; verneinend: Dormann/Fromholzer, AG 2001, 242, 245; Hartman/Barcaba, AG 2001, 437, 440; Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 237 f.; R.Werner, ZIP 2001, 1403, 1404. 593 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 36. 594 Siehe dazu oben Kapitel 9, Ziff. I. 1. lit. d), S. 178 ff. 595 Vgl. die Argumente bei Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 36 und Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 15.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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und eines selbständigen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts zu sinnvollen Ergebnissen führt. Dabei wurden zum Teil bestehende Wertungen der herrschenden Meinung bestätigt und überdies auf eine dogmatisch widerspruchsfreie Grundlage gestellt. Zum Teil mussten Ergebnisse der herrschenden Meinung unter Berücksichtigung des eigenständigen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts korrigiert oder gänzlich in Frage gestellt werden. Kapitel 10

Rechtsfolgen von verdeckten Sacheinlagen und Verstößen gegen das Nachgründungserfordernis – Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG Im nachfolgenden Kapitel sollen die Rechtsfolgen von verdeckten Sacheinlagen und Verstößen gegen das Nachgründungserfordernis einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden. Dergestalt wird ein ganz zentraler Punkt des Verhältnisses beider Rechtsfiguren im weiteren Sinne behandelt. Hierzu sind zunächst die Rechtsfolgen von § 27 Abs. 3 AktG und § 52 Abs. 1 AktG darzustellen sowie potenzielle Schnittmengen der Schutzbereiche beider Normen kurz zu umreißen (I.). Erst im Anschluss daran kann detailliert auf die Lösung des Rechtsfolgenkonfliktes nach ARUG eingegangen werden (II.). Wenngleich der gesetzgeberische Eingriff in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen auf das Jahr 2009 datiert und damit noch vergleichsweise jung ist, hat sich zumindest in der Lehre und Kommentarliteratur bereits ein gefestigtes Meinungsbild herauskristallisiert, so dass hier schon erste Lösungsansätze vorliegen. Nichtsdestotrotz – so viel sei an dieser Stelle vorweggenommen – soll auch hier auf Grundlage der im zweiten Teil der Arbeit gewonnenen Erkenntnis ein eigener Lösungsvorschlag unterbreitet werden. Da sich die Frage der Rückabwicklung unwirksamer Rechtsgeschäfte, die eine verdeckte Sacheinlage zum Gegenstand haben, jedenfalls nach ARUG nicht mehr stellt, soll schließlich auf die Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsverträge eingegangen werden (III.). Abschließend ist ein Fazit zu den Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen und unwirksamer Nachgründungen nach aktueller Rechtslage zu ziehen (IV.).

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

I. Die Rechtsfolgen von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung nach ARUG 1. Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, § 27 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 AktG Ursprünglich waren Verträge, die eine verdeckte Sacheinlage zum Gegenstand hatten, gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG (a. F.) gegenüber der Gesellschaft unwirksam, da es insoweit an der Festsetzung in der Satzung mangelte. Blieb die Vereinbarung einer Sacheinlage demnach unwirksam, war der Aktionär verpflichtet, den Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen, § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG (a. F.). Unterdessen hat der Gesetzgeber im Zuge der Reform durch das ARUG ganz bewusst eine Kehrtwende vollzogen und die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen in § 27 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 AktG völlig umgestaltet. a) Wirksamkeitsanordnung, § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG Im Anschluss an die (mehr oder weniger gelungene) Legaldefinition verdeckter Sacheinlagen wird in § 27 Abs. 3 Satz 1 HS 2 AktG zunächst ausdrücklich klargestellt, dass die Einlageverpflichtung des Aktionärs zwar unverändert bestehen bleibt. Der Inferent ist demnach zur Leistung der Bareinlage weiterhin verpflichtet – es tritt insoweit keine Befreiungswirkung ein. Allerdings ordnet § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage nunmehr an, dass sowohl die schuldrechtlichen Verträge über die verdeckte Sacheinlage als auch die dinglichen Verfügungsgeschäfte nicht unwirksam sind, obwohl sie eine verdeckte Sacheinlage zum Gegenstand haben. Positiv formuliert enthält § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG somit eine Wirksamkeitsanordnung für die betroffenen Rechtsgeschäfte. Damit tritt der dingliche Übertragungserfolg des Ausführungsgeschäfts ein und bleibt auch erhalten, obwohl der eingebrachte Gegenstand nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG im Grunde genommen erfüllungsuntauglich ist; die Vorschrift stellt insoweit das notwendige Bindeglied zwischen § 27 Abs. 3 Satz 1 und 3 AktG dar.596 b) Anrechnungslösung, § 27 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 AktG Das eigentliche Herzstück der gesetzlichen Regelung verdeckter Sacheinlagen bildet jedoch die Anrechnungslösung gemäß § 27 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 AktG. Danach wird auf die fortbestehende Geldeinlageverpflichtung des Aktionärs der Wert des Vermögensgegenstands im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt der Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. Allerdings erfolgt die Anrechnung nicht vor 596

Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 37 m. w. N.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, und auch die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Aktionär. aa) Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Kapitalrichtlinie und Sanktionsgefälle Wie erinnerlich war in der Vergangenheit bereits die grundsätzliche Vereinbarkeit der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage mit den Vorgaben der Kapitalrichtlinie bezweifelt, jedoch vollkommen zu Recht von der herrschenden Meinung bejaht worden.597 Nach ARUG stellt sich nun nicht mehr die Frage, ob die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen über das Ziel hinausschießen und den Inferenten über Gebühr belasten. Die Anrechnungslösung des § 27 Abs. 3 AktG wirft vielmehr die Frage auf, ob das deutsche Aktienrecht künftig hinreichend wirkungsvolle und abschreckende Instrumente bereithält, um den Beteiligten die Beachtung der Vorgaben über Sacheinlagen (insbesondere deren Offenlegung) nahezulegen und dergestalt dem europarechtlich gebotenen Umgehungsschutz der Art. 3 lit. h KapRL und Art. 10 KapRL ausreichend Rechnung trägt.598 (1) Bedeutung der unionsrechtlichen Regelungen und Effektivitätsprinzip Gemäß Art. 3 lit. h KapRL muss die offenzulegende Satzung der Gesellschaft unter anderem Angaben über den Nennbetrag der Aktien oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, die Zahl der Aktien, die als Gegenleistung für eine Einlage ausgegeben werden, die nicht in bar bewirkt wird, sowie den Gegenstand dieser Einlage und den Namen des Einlegers enthalten. Gemäß Art. 10 Abs. 1 KapRL müssen wiederum Einlagen, die nicht Bareinlagen sind, Gegenstand eines besonderen Berichts durch einen oder mehrere von der Gesellschaft unabhängige Sachverständige sein. Auch dieser Sachverständigenbericht ist offenzulegen, Art. 10 Abs. 3 KapRL. Vor diesem regulatorischen Hintergrund ist zu beachten, dass die Anwendung des mitgliedstaatlichen Rechts die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf (sog. Effektivitätsprinzip).599 Mithin darf die in Art. 3 lit. h KapRL und Art. 10 KapRL unionsrechtlich vorgeschriebene Offenlegung und Werthaltigkeitsprüfung nicht dadurch in ihrer Wirksamkeit behindert werden, dass verdeckte Sacheinlagen im Vergleich zu ordnungsgemäß festgesetzten Sacheinlagen keine Sanktion erfahren. (2) Gesetzesbegründung und Beurteilung im Schrifttum Diesbezüglich wird in den Gesetzesmaterialien davon ausgegangen, dass die verdeckte Sacheinlage trotz der Abmilderung der Rechtsfolgen einer ordnungsge597

Siehe zur Vereinbarkeit mit der Kapitalrichtlinie oben Kapitel 6, Ziff. I., S. 117 ff. Habersack, AG 2009, 557, 559, der unter Verweis auf das Gebot der praktischen Wirksamkeit von der Problematik mit „gänzlich veränderten Vorzeichen“ spricht. 599 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, AEUV Art. 1 Rn. 22. 598

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

mäß festgesetzten Sacheinlage nicht in jeder Hinsicht gleichgestellt wird.600 Demzufolge lohne es sich nach wie vor, die Sacheinlagevorschriften tatsächlich einzuhalten. So erfolge die Anrechnung der verdeckten Sacheinlage gemäß § 27 Abs. 3 Satz 4 AktG nicht vor der Eintragung der Gesellschaft, unrichtige Angaben des Vorstands bei der Anmeldung stünden gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG unter Strafandrohung. Zudem müsse das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 AktG ablehnen, wenn es die verdeckte Sacheinlage erkenne. Darüber hinaus bestimme § 27 Abs. 3 Satz 5 AktG, dass der Aktionär die Beweislast für die Werthaltigkeit der Sacheinlage trage. Hierdurch würden Gesellschafter zur ordnungsgemäßen Festsetzung und Bewertung der Sacheinlage ermuntert, um nicht Jahre später in Beweisnot zu geraten. Insgesamt bestehe daher ein ausreichendes Sanktionsgefälle zwischen einer verdeckten und einer ordnungsgemäß festgesetzten Sacheinlage. Soweit ersichtlich wird dieser Einschätzung im Schrifttum gefolgt und im Ergebnis auch die Vereinbarkeit der Anrechnungslösung mit den Vorgaben der Kapitalrichtlinie bejaht.601 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dem Vorstand eine Haftung aus §§ 48, 93 Abs. 2 AktG droht, womit eine Strafbarkeit nach § 399 Abs. 1 AktG und § 76 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 lit. c) AktG für die Dauer von fünf Jahren der Ausschluss von jeglicher Vorstandstätigkeit einhergeht; schließlich droht dem Inferenten im Falle einer verdeckten Sacheinlage der Verlust seines Stimmrechts nach § 134 Abs. 2 AktG.602 Lediglich vereinzelt wird die tatsächliche Effektivität der Sanktionierung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG bezweifelt – freilich ohne die Vereinbarkeit mit den Vorgaben der KapRL in Frage zu stellen:603 So werde die Registerkontrolle im Rahmen der Eintragung regelmäßig mangels Kenntnis der tatsächlichen Umstände leerlaufen. Auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorstands eigne sich aufgrund des mit der Verurteilung verbundenen zeitlichen Ausschlusses von der Übernahme eines Vorstands- sowie Geschäftsführeramtes zwar theoretisch als Steuerungsinstrumentarium. Dies widerspreche allerdings zum einen den Liberalisierungstendenzen bei der Kapitalaufbringung und leide zum anderen an der sehr geringen Strafverfolgungswahrscheinlichkeit. Es verbleibe daher lediglich die im Unterschied zur offenen Sacheinlage umgekehrte Beweislast hinsichtlich der Werthaltigkeit des Einlagegegenstands, dem damit einhergehenden Risiko könne jedoch durch Beschaffung eines belastbaren Werthaltigkeitsnachweises begegnet werden. Insgesamt bleibe daher von dem postulierten Sanktionsgefälle im Ergebnis häufig nichts mehr übrig. Auch die Hemmung des Beginns des Stimmrechts greife nach § 134 Abs. 2 Satz 2 HS 2 AktG nur bei offensichtlicher Minderwertigkeit ein, was insbesondere bei Existenz eines die Werthaltigkeit bescheinigenden Gutachtens kaum der Fall sein wird. 600

Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36 reSp. Habersack, AG 2009, 557, 559 f.; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 88. 602 Habersack, AG 2009, 557, 560. 603 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 916 ff. 601

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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(3) Stellungnahme Wenngleich die soeben dargestellten Bedenken an der Wirksamkeit bestehender Sanktionsmechanismen nicht von der Hand zu weisen sind, so bestehen dennoch keine Zweifel an der Vereinbarkeit der Anrechnungslösung des § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG mit den Vorgaben der Kapitalrichtlinie. Zum einen ist das Effektivitätsprinzip schon dahingehend zu relativieren, dass den Mitgliedstaaten nicht vorgeschrieben wird, bestimmte oder besonders einschneidende Sanktionen zur Sicherstellung der Wirksamkeit unionsrechtlicher Vorgaben zu verhängen. Zum anderen bleiben auch nach ARUG verdeckte Sacheinlagen keineswegs sanktionslos, es drohen namentlich die angesprochenen haftungs- und strafrechtlichen Folgen bei Missachtung der Sacheinlagevorschriften. Hinzu kommen in Gestalt eines möglichen Stimmrechtsverlusts gesellschaftsrechtliche Konsequenzen sowie prozessuale Nachteile durch die dem Inferenten gemäß § 27 Abs. 3 Satz 5 AktG obliegende Beweislast. Wenn und soweit diesbezüglich an der Wirksamkeit der Sanktionsmechanismen Kritik geübt wird, sind in erster Linie rechtstatsächliche Aspekte angesprochen, die aber dem bestehenden gesetzlichen Sanktionsgefälle nicht entgegenstehen. Dabei ist es durchaus zutreffend, dass etwa die registergerichtliche Kontrolle häufig leerlaufen wird, da verdeckte Sacheinlagen erfahrungsgemäß erst von den Insolvenzverwaltern geltend gemacht werden. Dennoch geht es im Kern allein darum, dass das ursprünglich über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen gewährleistete Schutzniveau auf Kapitalaufbringungsebene durch Wirksamkeitsanordnung und Anrechnungslösung des neuen § 27 Abs. 3 AktG markant abgesenkt wurde. Abgesehen von straf-, haftungs- und registerrechtlichen Sanktionen sowie etwaigen prozessualen Beweisschwierigkeiten wird der in der verdeckten Sacheinlage liegende Verstoß gegen den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung nun nicht mehr originär kapitalschutzrechtlich geahndet, wie dies noch unter Geltung der Unwirksamkeitsfolge nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG a. F. der Fall war. Indes liegt dieser Verzicht auf jenen kapitalschutzrechtlichen Sanktionsmechanismus in der Natur der Anrechnungslösung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG und ist Teil der Grundentscheidung des ARUG-Gesetzgebers. Jedenfalls unionsrechtliche Bedenken an der Neuregelung sind nicht begründet, sondern allenfalls rechtpolitische Einwände. bb) Dogmatik und Rechtsnatur Zweifel werfen überdies die Dogmatik und die Rechtsnatur der Anrechnungslösung auf. Schon für § 19 Abs. 4 GmbHG wurde darüber intensiv diskutiert, jene Ansätze lassen sich somit auch auf § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG als Parallelnorm übertragen.604 604 Instruktiver Überblick bei Sernetz, ZIP 2010, 2173, 2174; Lohse, in: Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 27 Rn. 38 ff. und Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 105 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

(1) Überblick über das Meinungsspektrum Die Bedeutung dieser Diskussion ist eher gering, da sich die unterschiedlichen Konzepte im Hinblick auf die Lösung praktischer Fragen kaum auswirken.605 So besteht jedenfalls im Ausgangspunkt Einigkeit darüber, dass dem Inferenten grundsätzlich ein Kondiktionsanspruch wegen Zweckverfehlung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB („condictio ob rem“) zustehen könnte, da der mit der ursprünglichen Bareinlageleistung verfolgte Zweck – die Erfüllung der Bareinlageverpflichtung – ausweislich des Wortlauts von § 27 Abs. 3 Satz 1 HS 2 AktG nicht eingetreten ist („[…] so befreit dies den Aktionär nicht von seiner Einlagepflicht.“). Allerdings darf es diesen Bereicherungsanspruch nach Sinn und Zweck der Anrechnungslösung gerade nicht geben, da sich die Haftung des Inferenten andernfalls nicht auf den Minderwert der Sacheinlage beschränken dürfte.606 Um den Kondiktionsanspruch des Inferenten daher im Ergebnis zu neutralisieren, wurden im Schrifttum verschiedene Konzeptionen entwickelt. Teilweise wird davon ausgegangen, dass die Bareinlageverpflichtung durch die Sachleistung als „Leistung an Erfüllungs statt“ getilgt werde.607 Teilweise wird vertreten, ein möglicher Bereicherungsanspruch des Inferenten wegen unwirksamer Einlageleistung sei durch § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG als „lex specialis“ zur Vorteilsausgleichung ausgeschlossen, weil andernfalls ein etwaiger Vorteil der Gesellschaft schon auf diesem Wege abgeschöpft und für eine Vorteilsanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG kein Raum wäre.608 Nach anderer Auffassung wiederum sei hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs des Inferenten bei der Gesellschaft von einem Wegfall der Bereicherung im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB auszugehen, da die Gesellschaft im Ergebnis für den Vermögensgegenstand eine doppelte Leistung erbringe, zum einen durch den Kaufpreis und zum anderen durch das Erlöschen der Einlageforderung.609 Ferner wird unter Verweis auf eine Parallele zur Differenzhaftung bei der offenen Sacheinlage ein Anspruch des Inferenten aus Zweckverfehlungskondiktion abgelehnt, da die ursprüngliche Bareinlage mit der späteren Anrechnung ihren Zweck noch erreiche; die Zahlung könne allein in dem Ausnahmefall kondiziert werden, wenn es generell nicht zu einer Anrechnung kommt (etwa weil die Eintragung der Aktiengesellschaft oder der Kapitalerhöhung nicht erfolgt).610 605 So zutreffend Lohse, in: Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 27 Rn. 39; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 108. 606 Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 105. 607 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 ff. und ZIP 2009, 1185 ff. 608 Ulmer, ZIP 2009, 293 ff.; ähnlich Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 39. 609 Kersting, in: VGR, 2009, S. 101, 111 ff.; ähnlich Pentz, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1265, 1278: Anrechnung als „verrechnungsähnliches Surrogat eigener Art“. 610 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung im Reformierten GmbH-Recht (MoMiG), 2010, S. 111 ff.; für die GmbH: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Auflage 2020, § 19 Rn. 71; für die AG: Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 180 ff.; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 80.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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(2) Stellungnahme Ohne an dieser Stelle im Detail auf das Für und Wider der einzelnen Lösungsansätze eingehen zu wollen611, überzeugt noch am ehesten die letztgenannte Auffassung derer, die die Anrechnungslösung als Parallele zur Differenzhaftung begreifen. Alle anderen Erklärungsmodelle setzen bereits im Ausgangspunkt stillschweigend die Existenz eines Bereicherungsanspruchs des Inferenten voraus – freilich ohne diese richtungweisende Annahme überhaupt zu hinterfragen. Dabei sprechen bei näherer Betrachtung der tatsächlichen Zweckbestimmung der formalen Bareinlageleistung durch den Inferenten die besseren Gründe dafür, bereits das Bestehen eines Kondiktionsanspruchs dem Grunde nach zu verneinen. Im Gegensatz zu den anderen Leistungskondiktionen ergibt sich der Leistungszweck bei der condictio ob rem nicht aus dem Bezug auf ein bestimmtes Kausalgeschäft, sondern aus einer gesonderten Zweckabrede, der nach dem Willen der Beteiligten für das Behalten der Zuwendung maßgebend sein soll; erforderlich aber auch genügend ist die tatsächliche Einigung über den Zweck der Leistung zwischen den beteiligten Partnern.612 Anstatt nun auf einer Einzelbetrachtung von formaler Bareinlagenleistung einerseits und (verdeckter) Sacheinlagenleistung andererseits zu verharren, muss der Gesamtvorgang einer verdeckten Sacheinlage in den Mittelpunkt gerückt werden. Es ist gerade dieser Gesamtvorgang, der Aufschluss über die Zweckbestimmung der beteiligten Vertragsparteien gibt. So gehört es zum Charakteristikum einer verdeckten Sacheinlage, dass die Erfüllung der formalen Bareinlagepflicht nur „zum Schein“ durch die Geldzahlung des Inferenten erfolgt. Realiter verfolgt der Inferent mit seiner Bareinlageleistung jedoch den Zweck, dass die Gesellschaft hieraus die spätere Gegenleistung für den Sacheinlagegegenstand wieder an den Inferenten auskehrt. Diesen wirtschaftlichen Zweck hat der Inferent mit seiner Bareinlageverpflichtung daher ohne Weiteres erreicht. Folglich liegt weder eine Zweckverfehlung vor noch besteht ein neutralisierungsbedürftiger Kondiktionsanspruch des Inferenten, allein der Wert der (verdeckten) Sacheinlageleistung bedarf der Anrechnung. Hiervon geht ersichtlich auch der Gesetzgeber aus, der beide Vorgänge – die formale Leistung der Bareinlage und die darauffolgende (verdeckte) Sacheinlage – einer Gesamtbetrachtung unterzieht. So ist der formalen Bareinlageleistung aufgrund der späteren Auskehrung an den Inferenten durch das (verdeckte) Sacheinlagengeschäft ex lege jegliche Erfüllungswirkung versagt, § 27 Abs. 3 Satz 1 HS 2 AktG. Nun stellt § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage allerdings ausdrücklich klar, dass die betreffenden schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfte trotzdem wirksam bleiben. Wiederum aufbauend auf dieser Wirksamkeitsanordnung regelt § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG nun die Anrechnung des

611 612

Vgl. dazu die kritische Stellungnahme bei Sernetz, ZIP 2010, 2173, 2174 ff. Sprau, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Auflage 2021, § 812 Rn. 30 m. w. N.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Werts des Vermögensgegenstands auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Aktionärs. Darüber hinaus sind auch allgemeine bereicherungsrechtliche Erwägungen zu berücksichtigen. Schon gegen die Zweckverfehlungskondiktion bei Nichterreichung sekundärer Vertragszwecke wird eingewandt, dass deren Anerkennung zu massiven rechtskonstruktiven Verwerfungen führe, da man als Gegenstück zum Rückgewähranspruch des Leistenden in der Konsequenz ebenso einen Anspruch des Empfängers auf Rückgewähr der erbrachten Gegenleistung befürworten muss; letzterer lasse sich aber weder aus allgemeinem Leistungsstörungsrecht noch aus Bereicherungsrecht begründen.613 Übertragen auf die verdeckte Sacheinlage bedeutet dies, dass dem Rückgewähranspruch des Inferenten wegen der vermeintlichen Zweckverfehlungskondiktion ein Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr der erbrachten Gegenleistung gegenübersteht. Das Leistungsstörungsrecht versagt hier, weil die Gesellschaft als Empfängerin der Bareinlage die ihr gebührende Leistung zumindest vorerst erhalten hat und diese somit vom Inferenten erbracht worden ist. Das Bereicherungsrecht bietet ebenfalls keinen Schutz, da die Nichterreichung des Sekundärzwecks den Vertrag nicht nichtig macht. Die Nichtigkeit ergibt sich nach ARUG auch nicht (mehr) aus dem Aktiengesetz selbst. Die Vorschrift des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG ordnet vielmehr ausdrücklich die Wirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte an. Somit bietet die Dogmatik der Anrechnungslösung überhaupt keinen Raum für etwaige Bereicherungsansprüche des Inferenten.

2. Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG Im Anschluss an die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen sollen nunmehr die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG näher untersucht werden. a) Einzelheiten der Rechtsfolgenseite aa) Schwebende Unwirksamkeit, § 52 Abs. 1 AktG Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG werden Verträge der Gesellschaft, die den Nachgründungstatbestand erfüllen, nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam. Sodann erstreckt § 52 Abs. 1 Satz 2 AktG diese Erfordernisse auch auf die dinglichen Ausführungsgeschäfte, indem ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung in das Handelsregister auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam sind. 613 Schwab, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 7: §§ 705 – 853, 8. Auflage 2020, § 812 Rn. 475.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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Die ganz herrschende Meinung erblickt hierin folgerichtig eine Ausnahme vom sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip.614 Beide Voraussetzungen sind mithin von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit des Nachgründungsvorgangs insgesamt und müssen kumulativ vorliegen. Vor dem Zustimmungsbeschluss und der Registereintragung sind sowohl der schuldrechtliche Nachgründungsvertrag als auch das dingliche Ausführungsgeschäft nach allgemeiner Meinung schwebend unwirksam.615 Mit dem Wirksamwerden des Nachgründungsvertrages wird dessen Ausführungsgeschäft ex nunc wirksam; eine Rückwirkung findet nicht statt, da sie mit dem sachenrechtlichen Publizitäts- und Offenkundigkeitsgrundsatz sowie den Geboten von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit unvereinbar wäre.616 bb) Bindung der Vertragspartner – Widerrufsrecht nach § 178 BGB? Umstritten ist jedoch der Umfang der Bindung der Vertragspartner während dieser Schwebezeit. Teilweise wird vertreten, dass der Geschäftsgegner der Aktiengesellschaft bis zur Zustimmung der Hauptversammlung noch in den Genuss eines Widerrufsrechts nach § 178 BGB kommt.617 Die herrschende Meinung geht demgegenüber davon aus, dass das Wirksamwerden des Vertrags nur noch von der Hauptversammlung der Gesellschaft abhängt und der Geschäftsgegner insoweit bereits gebunden ist.618

614

Unstrittig: Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 9; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 87; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 62; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 84; Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 694. 615 Unstrittig: Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 81; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 8; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 44; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 81; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 46; Bayer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 40. 616 H. M., vgl. Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 42; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 85; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 44; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 50; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 87; a. A.: Weißhaupt, ZGR 2005, 726, 734 f. 617 So die älteren Auffassungen von RG, JW 1929, 2944, 2946; BayOLG, JW 1925, 1646; zuletzt Witte/Wunderlich, BB 2000, 2213, 2217 für modifizierte Anwendung des § 178 BGB. 618 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 8; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 45 ff.; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 81; Bayer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 40; Diekmann, ZIP 1996, 2149, 2153; Schwab, Die Nachgründung, 2003, S. 219 f.; OLG Celle, Urt. v. 15. 05. 1996 – Az.: 9 U 41/95 = AG 1996, 370, 371; KG OLGR 43, 307, 308; LG Hamburg, JW 1930, 2726.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Gegen die Anerkennung eines Widerrufsrechts des Vertragspartners der Aktiengesellschaft sprechen zunächst allgemeine Erwägungen. So bezieht sich § 178 BGB auf die in § 177 Abs. 1 BGB geregelte Situation des Vertragsschlusses durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht. Durch das Widerrufsrecht soll dem Geschäftsgegner die Möglichkeit gegeben werden, die mit der schwebenden Unwirksamkeit verbundene Ungewissheit beenden zu können.619 Hiermit hat § 52 AktG indes nichts zu tun. Zwar bewirken die Nachgründungsvoraussetzungen faktisch, dass die Vertretungsmacht des Vorstandes im Nachgründungsstadium insbesondere durch das Erfordernis einer Zustimmung der Hauptversammlung konterkariert werden könnte. Allerdings ist die unbeschränkte Vertretung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand erst in § 78 AktG niedergelegt. Bereits aus der systematischen Stellung der Nachgründungsregelung im Gesetz ergibt sich somit, dass es sich bei § 52 AktG nicht um eine Vertretungsnorm handelt, auf die § 178 BGB (direkt oder analog) anwendbar wäre. Ferner sprechen teleologische Erwägungen gegen ein Widerrufsrecht nach § 178 BGB. Nach hier vertretener Auffassung ist das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung im Rahmen des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts der Nachgründung zu verorten.620 Dessen Sinn und Zweck besteht unter anderem in der Gewährleistung einer nachgelagerten Kontrolle des Nachgründungsgeschäfts durch die Hauptversammlung. Unter diesem Aspekt wäre es wertungswidersprüchlich, den Vertragspartnern der Gesellschaft (Gründer oder mit mehr als 10 % am Grundkapital der Gesellschaft beteiligte Aktionäre) die Möglichkeit einzuräumen, sich einseitig vom Vertrag lösen zu können. Folglich ist mit der herrschenden Meinung ein einseitiges Widerrufsrecht des Vertragspartners nach § 178 BGB zu verneinen. Anzuerkennen ist freilich ein Widerrufsrecht gemäß § 242 BGB für den Fall, dass die Gesellschaft nicht innerhalb angemessener Frist um die Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung sowie die Eintragung des Vertrags in das Handelsregister bemüht.621 cc) Ablauf der Zweijahresfrist – Beiderseitige Bestätigung und/oder einseitige Genehmigung? Im Hinblick auf die Rechtsfolgen für bereits begonnene Nachgründungsverfahren besteht zunächst Einigkeit darin, dass der Nachgründungsvertrag auch nach Ablauf der Zweijahresfrist ipso jure weder wirksam noch unwirksam wird.622 Teilweise wird 619

Rn. 1. 620

Vgl. nur Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Auflage 2021, § 178

Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 7, Ziff. II. 1. lit. b), S. 155 ff. Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 8; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 41; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 47; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 82. 622 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 87; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 43; Priester, 621

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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sich dafür ausgesprochen, dass nach deren Ablauf nur eine Neuvornahme oder Bestätigung des Nachgründungsvertrages durch beide Vertragsteile gemäß § 141 BGB in Betracht kommt.623 Zusätzlich will eine weitere Ansicht über den Wortlaut der Norm hinaus auch die einseitige Genehmigung des Vorstandes gemäß §§ 182 Abs. 1, 184 BGB genügen lassen, um dem Nachgründungsvertrag zur Wirksamkeit zu verhelfen.624 Hierfür spreche insbesondere, dass § 52 AktG nicht den Vertragspartner schütze. Zwar entspricht die Möglichkeit einer einseitigen Genehmigung durch den Vorstand grundsätzlich dem kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt der Nachgründung. Allerdings erschöpft sich dieser nicht in der bloßen Überprüfung des Nachgründungsvertrags, ihm kommt vielmehr eine Doppelfunktion zu.625 Wie erinnerlich besteht sie auch in der Gegenkontrolle der anderen, mit dem Nachgründungsvorgang betrauten und tendenziell von den Gründern beherrschten Gesellschaftsorgane – Aufsichtsrat und Vorstand – durch die kritische Hauptversammlung. Diese Kontrollfunktion von § 52 AktG darf aber weder durch eine beiderseitige Bestätigung noch durch eine einseitige Genehmigung des Nachgründungsvertrages nach Ablauf der Zweijahresfrist unterlaufen werden. Dies könnte beispielsweise bei einem Nachgründungsvorgang der Fall sein, der ursprünglich dem sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des § 52 Abs. 1 AktG unterfiel, das Nachgründungsverfahren aber nicht vor Ablauf der Zweijahresfrist zu Ende geführt wurde. Denkbar wäre etwa, dass sich Probleme bei der Einholung des erforderlichen Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung angedeutet haben, weil die erforderliche Mehrheit in der Hauptversammlung nicht oder nicht mehr vorhanden ist. Auch ein unter Umständen bereits gefasster Zustimmungsbeschluss könnte aufgrund von Verfahrensfehlern erfolgreich angefochten worden sein. Folglich ist in Abweichung vom Standpunkt der herrschenden Meinung für eine Einschränkung der Neuvornahme, beiderseitigen Bestätigung bzw. der einseitigen Genehmigung laufender Nachgründungsverfahren zu plädieren. Und zwar immer dann, wenn und soweit ein Nachgründungsverfahren bereits begonnen, innerhalb der Zweijahresfrist nicht abgeschlossen wurde und Anhaltspunkte vorliegen, dass durch die Neuvornahme, Bestätigung oder Genehmigung die Gegenkontrolle durch die Hauptversammlung unterlaufen würde. Andernfalls wären unter Nachgründungsgesichtspunkten nicht unerhebliche Schutzlücken vorprogrammiert. Einmal bein: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 102; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 8; Weißhaupt, ZGR 2005, 726, 729. 623 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 62; Diekmann, ZIP 1996, 2149, 2150. 624 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 43; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 7; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 102; Bröcker, ZIP 1999, 1029, 1031; Krieger, in: FS Claussen, 1997, S. 223, 236 f.; Weißhaupt, ZGR 2005, 726, 737 ff.; so wohl auch Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 87. 625 Siehe dazu oben Kapitel 7, Ziff. II. 1. lit. b) cc), S. 158 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

gonnene Nachgründungsverfahren sollten daher auch nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG ordnungsgemäß zu Ende geführt werden müssen. b) Rechtsfolgen einzelner Verfahrensfehler Nachfolgend sollen die Rechtsfolgen einzelner Verstöße gegen die zahlreichen zwingenden Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG erläutert werden. aa) Verstöße gegen das Schriftformerfordernis, § 52 Abs. 2 Satz 1 AktG Zunächst ist ein ohne Beachtung des Schriftformerfordernisses nach § 52 Abs. 2 Satz 1 AktG abgeschlossener Nachgründungsvertrag gemäß § 125 BGB nichtig; ein gleichwohl gefasster Zustimmungsbeschluss ist nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.626 Das Gleiche gilt, wenn andere Formvorschriften verletzt wurden, wie die notarielle Beurkundung beim Erwerb von Grundstücken nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB oder GmbH-Geschäftsanteilen nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nicht eingehalten worden sind.627 bb) Fehler bei der Aktionärsinformation, § 52 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 AktG Zudem machen Fehler bei der Publizität des Nachgründungsvertrages vor der Hauptversammlung nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AktG den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.628 Selbiges gilt, wenn der Vorstand es entgegen § 52 Abs. 2 Sätze 5 und 6 AktG unterlässt, den Nachgründungsvertrag in der Hauptversammlung zugänglich zu machen, ihn entweder gar nicht oder nur unvollständig erläutert.629 cc) Verstöße gegen Prüfungs- und Berichtserfordernisse, § 52 Abs. 3 und 4 AktG Gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 AktG ist der Aufsichtsrat verpflichtet, vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Zustimmung zum Nachgrün626 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 28; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 96; Hüffer/ Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 7; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 24; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 64; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/ Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 99. 627 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 27. 628 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 95; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 13. 629 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 95; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 68; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 29 f.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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dungsvertrag den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Nachgründungsbericht zu erstatten. Zusätzlich dazu ordnet § 52 Abs. 4 Satz 1 AktG vor der Beschlussfassung eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer an. Für den Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats gelten insoweit § 32 Abs. 2 und 3 AktG sinngemäß, § 52 Abs. 3 Satz 2 AktG. Ferner sind für die externe Prüfung des Nachgründungsvertrags gemäß § 52 Abs. 4 Satz 2 AktG die Vorschriften über die Gründungsprüfung nach § 33 Abs. 3 bis 5, §§ 34, 35 AktG sinngemäß anwendbar, sofern nicht die Voraussetzungen einer vereinfachten Sachgründung nach § 33a AktG vorliegen. Überwiegend wird sowohl bei Verstößen gegen § 52 Abs. 3 AktG als auch gegen § 52 Abs. 4 AktG für die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses plädiert.630 Die Gegenauffassung spricht sich bei Verstößen gegen das Erfordernis eines Nachgründungsberichts nach § 52 Abs. 3 AktG für die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses und bei Verstößen gegen das Erfordernis einer externen Prüfung nach § 52 Abs. 4 AktG für dessen Nichtigkeit aus.631 Diese Frage dürfte im Ergebnis zwar praktisch bedeutungslos sein, weil das zuständige Registergericht ohne nachgewiesene Prüfung und/oder Berichterstattung ohnehin keine Eintragung des Nachgründungsvertrages vornehmen wird.632 Dennoch sprechen in beiden Fällen wohl die besseren Argumente für die Anfechtbarkeit des betroffenen Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung. Zum einen betrifft ein etwaiger Verstoß gegen die Prüfungs- und Berichtserfordernisse in erster Linie die Verfahrensseite der Nachgründungsregelung und hat damit gerade keinen inhaltlichen Mangel im Sinne von § 241 Nr. 3 AktG zum Gegenstand. Zum anderen ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Nachgründung „ausschließlich oder überwiegend“ dem Schutz von Gesellschaftsgläubigern oder dem öffentlichen Interesse dient, wie es eine Nichtigkeit gemäß § 241 Nr. 3 AktG voraussetzen würde. Nach hier vertretener Auffassung mag dies zwar durchaus für den kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt gelten, nicht jedoch für den insoweit eigenständigen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt. Wie erinnerlich bezweckt letzterer Normaspekt den Schutz der Hauptversammlung gegenüber den anderen, tendenziell noch von den Gründern beherrschten Gesellschaftsorganen – Aufsichtsrat und Vorstand.633 Darüber hinaus werden die Aktionäre auch durch die Anfechtungsmöglichkeit in die Lage versetzt, die fehlende Information der Hauptversammlung und damit eine unter 630 Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 27; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 66 f.; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 63 f.; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 14; so wohl auch Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 93. 631 RG, Urt. v. 23. 04. 1928 – Az.: VI 296/27 – „Schrauben- und Mutternfabrik“ = RGZ 121, 99, 104; Diekmann, ZIP 1996, 2149, 2152. 632 So die zutreffenden Hinweise von Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 14; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 93. 633 Vgl. oben Kapitel 7, Ziff. II. 3. lit. c), S. 164.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Umständen unzureichende Beschlussgrundlage geltend zu machen. Sie sind somit ausreichend geschützt. Schließlich ist aus Gründen der Rechtssicherheit Zurückhaltung geboten, da eine mögliche Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses mit weitreichenden Konsequenzen für die Wirksamkeit des gesamten Nachgründungsgeschäfts verbunden wäre. Mit Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist nach § 246 Abs. 1 AktG besteht demgegenüber Rechtssicherheit für sämtliche Parteien. dd) Verstöße gegen das Zustimmungs- und Eintragungserfordernis, § 52 Abs. 5 und 6 AktG Endlich setzt die Wirksamkeit von Nachgründungsvertrag und dazugehörigen Ausführungsgeschäften die Zustimmung der Hauptversammlung zum Nachgründungsvertrag sowie dessen Eintragung in das Handelsregister voraus, § 52 Abs. 1 AktG. Demzufolge steht ein nichtiger oder erfolgreich angefochtener Zustimmungsbeschluss der Wirksamkeit des Nachgründungsvertrags und den Rechtshandlungen zu seiner Ausführung entgegen, eine dennoch erfolgte Eintragung in das Handelsregister heilt diesen Mangel nicht.634 Die schwebende Unwirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte wird somit nur dann beendet, wenn beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen, sie stellen mithin unmittelbare Wirksamkeitsvoraussetzungen für den gesamten Nachgründungsvorgang dar. Mit anderen Worten haben Verstöße gegen das Zustimmungs- und/ oder Eintragungserfordernis die Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte zur Folge.

3. Zwischenergebnis zu den Voraussetzungen des Rechtsfolgenkonflikts Als Zwischenergebnis lassen sich nunmehr die Voraussetzungen näher definieren, die erfüllt sein müssen, damit es überhaupt zu einem Rechtsfolgenkonflikt zwischen den §§ 27 Abs. 3, 52 Abs. 1 AktG kommen kann. a) Schnittmengen im Anwendungsbereich der §§ 27 Abs. 3, 52 Abs. 1 AktG Erste Voraussetzung eines Rechtsfolgenkonflikts beider Normen ist, dass verdeckte Sacheinlage und Nachgründung tatbestandlich aufeinandertreffen und sich somit deren divergierende Rechtsfolgen zunächst potenziell gegenüberstehen. Diesbezüglich ist zu konstatieren, dass die Anwendungsbereiche von § 27 Abs. 3 AktG einerseits und § 52 Abs. 1 AktG andererseits teilweise miteinander kongruent sind. Wie zwei sich teilweise überschneidende Mengen können demnach Fälle vorliegen, die nur verdeckte Sacheinlagen sind (z. B. Vertragsabschluss vor Ein634

Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 99.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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tragung der Gesellschaft in das Handelsregister, Geschäfte mit gering beteiligten Aktionären oder mit kleinerem Volumen), die nur einen Nachgründungsvorgang darstellen (z. B. innerhalb zweier Jahre nach Eintragung aber ohne konkrete Umgehungsabrede) oder beide Tatbestände erfüllen.635 Um letztere Schnittmenge muss es sich demnach handeln, wenn von einem Rechtsfolgenkonflikt überhaupt die Rede sein soll. Eine generelle Aussage darüber, unter welchen Voraussetzungen es zu Anwendungsbereichsüberschneidungen kommen kann, lässt sich derweil nicht treffen. Insoweit kommt es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Da § 27 Abs. 3 AktG aufgrund der Übergangsregelung des § 20 Abs. 7 EGAktG auch auf verdeckte Sacheinlagen vor dem 1. September 2009 Anwendung findet, werden in zeitlicher Hinsicht auch Altfälle vor Inkrafttreten des ARUG erfasst. b) Wirksamkeit vs. (schwebende) Unwirksamkeit Um jedoch einen handfesten Rechtsfolgenkonflikt auszulösen, muss zu den Tatbeständen beider Rechtsfiguren ein weiterer Umstand hinzutreten. Zwar stehen sich auf Rechtsfolgenseite die Wirksamkeitsanordnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG im Falle einer verdeckten Sacheinlage einerseits und die (schwebende) Unwirksamkeitsfolge gemäß § 52 Abs. 1 AktG bei Verstößen gegen die Nachgründungsvorschriften andererseits gegenüber. Allerdings haben – wie gezeigt – nicht alle Verstöße im Rahmen des Nachgründungsverfahrens zwangsläufig auch die Unwirksamkeit des Nachgründungsvertrages und der dazugehörigen Ausführungsgeschäfte zur Folge. Angesichts der Vielzahl potenzieller Verfahrensfehler gilt es daher, trennscharf zu differenzieren. Einerseits können den Beteiligten solche Verfahrensfehler unterlaufen, die sich bloß mittelbar auf die Wirksamkeit von Nachgründungsvertrag und Ausführungsgeschäft auswirken. Ihnen ist gemein, dass sie zwar keine unmittelbare Rechtswirkung auf das Nachgründungsgeschäft entfalten. Gleichwohl können sie mittelbar über den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung oder die Registereintragung dessen Unwirksamkeit herbeiführen, da sie nach herrschender Meinung einen Anfechtungsgrund darstellen und zudem der Registereintragung entgegenstehen. Namentlich handelt es sich dabei um Fehler bei der Aktionärsinformation nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 AktG und Verstöße gegen die Prüfungs- und Berichtserfordernisse nach § 52 Abs. 3 und 4 AktG. Gleichzeitig muss das Vorliegen eines solchen Verfahrensfehlers aber nicht zwangsläufig die Unwirksamkeit des Nachgründungsvertrags und der Ausführungsgeschäfte zur Folge haben. Erforderlich ist insoweit, dass der dennoch gefasste Zustimmungsbeschluss erfolgreich und gemäß § 246 Abs. 1 AktG fristgerecht innerhalb eines Monats angefochten wurde. Andererseits kommen auch Verstöße gegen solche Verfahrenserfordernisse in Betracht, die unmittelbare Wirksamkeitsvoraussetzungen für das Nachgründungsgeschäft darstellen. Hiermit sind Verstöße gegen das Schriftformerfordernis des § 52 635

Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 55.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Abs. 2 Satz 1 AktG sowie Verstöße gegen das Zustimmungs- und Eintragungserfordernis nach § 52 Abs. 5 und 6 AktG angesprochen. So kann es beispielsweise dazu kommen, dass die Hauptversammlung ihre Zustimmung verweigert oder nach § 52 Abs. 5 AktG erforderliche bzw. durch die Satzung festgelegte Abstimmungsmehrheiten nicht erreicht werden. Zudem kann eine endgültige und rechtskräftige Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht wegen formeller Bedenken nach § 52 Abs. 7 AktG zur Unwirksamkeit des Nachgründungsgeschäfts führen.

II. Lösung des Rechtsfolgenkonflikts Nachdem die divergierenden Rechtsfolgen von verdeckter Sacheinlage gemäß § 27 Abs. 3 AktG und Nachgründung gemäß § 52 Abs. 1 AktG sowie die konkreten Voraussetzungen eines Rechtsfolgenkonflikts beider Normen umrissen worden sind, gilt es mittels überzeugender Begründung herauszuarbeiten, wie dieser Rechtsfolgenkonflikt möglichst stimmig aufzulösen ist. Grob lassen sich hierbei anwendungsbereichsbezogene Lösungsansätze und Konkurrenzlösungen unterscheiden.

1. Anwendungsbereichsbezogene Lösungen a) Teleologische Reduktion des § 27 Abs. 3 AktG Zunächst ist zur Vermeidung des Rechtsfolgenkonflikts eine teleologische Reduktion des § 27 Abs. 3 AktG in Betracht zu ziehen. Ausgangspunkt ist insoweit ein Ansatz von Priester zur Bestimmung des Verhältnisses der Nachgründung zur verdeckten Sacheinlage – vor ARUG. Demnach sei § 52 AktG einerseits in seinem Anwendungsbereich vorrangig, so dass bei Vorliegen seiner Tatbestandsvoraussetzungen die von ihm aufgestellten Verfahrensregeln eingehalten werden müssten, unabhängig davon, ob im gegebenen Fall eine verdeckte Sacheinlage vorliege oder nicht.636 Andererseits beginne erst außerhalb der Reichweite des § 52 AktG die Schutzsphäre der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen, also insbesondere bei Erwerbsgeschäften mit Kleinaktionären und Dritten sowie solchen Geschäften, die unter der 10 %-Grenze des Grundkapitals bleiben oder nach § 52 Abs. 9 AktG freigestellt sind.637 Faktisch hat diese gegenseitige Abgrenzung beider Rechtsfiguren eine Reduzierung verdeckter Sacheinlagen auf Fälle außerhalb des Nachgründungstatbestands zur Folge. Übertragen auf die Rechtslage nach ARUG würde dann ein Rechtsfolgenkonflikt zwischen beiden Normen schlechthin 636

Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 17. 637 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 17.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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vermieden, indem § 27 Abs. 3 AktG einer teleologischen Reduktion unterzogen und dergestalt der Anwendungsbereich verdeckter Sacheinlagen beschnitten würde. aa) BGH vor ARUG: Keine Verdrängung Indes hatte der BGH derartigen Überlegungen schon vor ARUG zumindest eine Teilabsage erteilt, indem er urteilte, dass die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen auch im Rahmen einer verdeckten Sachkapitalerhöhung innerhalb der Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 AktG von der Nachgründung „nicht verdrängt“ werden.638 Diese Einschätzung wurde auch in der Literatur geteilt und gegen einen Vorrang von § 52 AktG in seinem Anwendungsbereich plädiert, wenn der Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage vorliegt.639 Angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf auch nach AURG die Haltbarkeit der von Priester angedachten strikten Anwendungsbereichsabgrenzung bezweifelt werden. Zwar wurde durch die Abkehr von der Unwirksamkeitsfolge verdeckter Sacheinlagen das Schutzniveau des Kapitalaufbringungsschutzes signifikant abgesenkt. Allerdings geht der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf die „Rechtsprechung“ unverändert davon aus, dass die „Regeln verdeckter Sacheinlagen im Aktienrecht neben den Umgehungsschutz aus § 52 AktG“ treten.640 Mit der „Rechtsprechung“ dürften derweil die Lurgi I- und Rheinmöve-Entscheidungen des BGH gemeint sein.641 Mithin stehen Nachgründungsrecht und verdeckte Sacheinlagen als Schutzinstrumente des Sachgründungsrechts auch nach ARUG grundsätzlich eigenständig und unabhängig nebeneinander.642 bb) Keine „verdeckte“ Gesetzeslücke Darüber hinaus ist fraglich, ob die für eine derartige teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 27 Abs. 3 AktG erforderlichen Voraussetzungen überhaupt gegeben sind. Während die Ausfüllung „offener“ Gesetzeslücken im Wege der Analogie geschieht, erfolgt die Ausfüllung „verdeckter“ Gesetzeslücken durch te-

638 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = BGHZ 173, 145 ff.; BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = BGHZ 175, 265 ff. Ausführlich dazu bereits oben Kapitel 5, Ziff. II. 1. lit. b) und 2. lit. a), S. 105 ff. bzw. 110 ff. 639 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 52 Rn. 4 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = BGHZ 173, 145 ff. und mit ausdrücklichem Votum gegen die von Priester vorgenommene Differenzierung. 640 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36 liSp. Es dürften die Lurgi I- und Rheinmöve-Entscheidungen des BGH gemeint sein. 641 So auch Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 52 in Fn 174. 642 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 52.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

leologische Reduktion.643 Eine verdeckte Lücke liegt nur dann vor, wenn das Gesetz zwar eine auch auf Fälle solcher Art anwendbare Regel enthält, diese aber ihrem Sinn und Zweck nach hier nicht passt; die Lücke besteht mithin in dem Fehlen einer Einschränkung.644 Dies ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln.645 Vereinfacht ausgedrückt muss der Textsinn anhand des erkennbaren Normzwecks eingeschränkt werden. Einer möglichen Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 27 Abs. 3 AktG liegt im Kern somit die Erwägung zugrunde, dass die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen nicht in jenen Fällen passen, in denen die Tatbestandsmerkmale des § 52 AktG vorliegen. Wie erinnerlich misst die herrschende Meinung sowohl der Nachgründung als auch der verdeckten Sacheinlage den Sinn und Zweck eines Umgehungsschutzes der Sachgründungsvorschriften bei. Sie ordnet beide Rechtsfiguren mithin dem Kapitalaufbringungsschutz zu. Somit ist nicht anzunehmen, dass nach dem Sinn und Zweck beider Regelungen die Anwendung von § 27 Abs. 3 AktG als unpassend einzustufen und dementsprechend einzuschränken wäre. Vielmehr entsprechen beide Rechtsfiguren in teleologischer Hinsicht einander. Ein anderes Ergebnis ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Blickwinkel der Mindermeinung. Danach dienen die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen der Kapitalaufbringung, während der Nachgründung infolge des hierdurch auf Kapitalaufbringungsebene erreichten Schutzniveaus allein eine Funktion im Rahmen der Kapitalerhaltung zukommt. Eine teleologische Reduktion des § 27 Abs. 3 AktG muss daher erst recht ausscheiden, weil die Anwendung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen gerade im Anwendungsbereich der Nachgründung denknotwendig vorausgesetzt wird und erst hierdurch überhaupt auf die Funktionslosigkeit von § 52 AktG für den Kapitalaufbringungsschutz geschlossen werden kann. Allenfalls eine teleologische Reduktion des § 52 AktG könnte folglich nach der Mindermeinung in Erwägung gezogen werden.646 Schließlich ist auch nach dem hier vertretenen Standpunkt647 keine Gesetzeslücke ersichtlich, durch die sich eine teleologische Reduktion des § 27 Abs. 3 AktG rechtfertigen ließe. Vielmehr stimmen verdeckte Sacheinlage und Nachgründung in einem kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt (teilweise) miteinander überein. Folglich bestehen auch nach dieser Sichtweise keine Anhaltspunkte dafür, dass die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen gemäß § 27 Abs. 3 AktG im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 1 AktG ihrem Sinn und Zweck nach nicht passen 643

Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 370 ff. zur rechtsmethodischen Ausfüllung von Gesetzeslücken; vgl. auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 11. Auflage 2020, Rn. 902 ff. 644 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 377. Dagegen liegt eine offene Lücke vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regel enthält, die auf sie anwendbar wäre, obgleich es nach seiner eigenen Teleologie eine solche Regel enthalten sollte. 645 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 392. 646 Dazu sogleich unten Kapitel 10, Ziff. II. 1. lit. b), S. 233 f. 647 Ausführlich dazu oben Kapitel 7, Ziff. II., S. 149 ff.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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würden. Lediglich die Nachgründung verfolgt in Gestalt ihres kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts einen weitergehenden Normzweck. Nach keinem Standpunkt liegt daher eine verdeckte Gesetzeslücke vor, die eine teleologische Reduktion von § 27 Abs. 3 AktG rechtfertigen würde. Sie verbietet sich deshalb bereits a limine. Zudem kann diese Frage ohnehin nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden, eine generelle teleologische Reduktion von § 27 Abs. 3 AktG auf Fälle außerhalb von § 52 AktG wäre auch deshalb zu allgemein. b) Teleologische Reduktion oder Extension des § 52 AktG Die Überlegungen zu Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen erfolgten ursprünglich noch zur alten Rechtslage. Demgegenüber wird nach ARUG in der Literatur vereinzelt die Möglichkeit diskutiert, zur Vermeidung des unharmonischen Nebeneinanders von § 27 Abs. 3 AktG und § 52 AktG den Anwendungsbereich der Nachgründungsvorschriften entweder einzuschränken, so dass diese auf Fälle der verdeckten Sacheinlage generell keine Anwendung finden, oder ihn gerade umgekehrt auch auf Rechtsgeschäfte der VorAG vor Eintragung der Gesellschaft auszudehnen.648 aa) Unvereinbarkeit mit Gesetzesbegründung und Art. 11 KapRL Beide Lösungsansätze werden im Ergebnis jedoch umgehend wieder verworfen. Zwar hätte eine teleologische Reduktion von § 52 AktG auf Fälle außerhalb verdeckter Sacheinlagen den Vorteil, dass ein Normenkonflikt über die strikte Trennung der Anwendungsbereiche beider Rechtsfiguren generell vermieden würde. Insoweit ergäbe sich im Vergleich zur teleologischen Reduktion des § 27 Abs. 3 AktG ein spiegelbildliches Ergebnis. Allerdings widerspräche ein solcher Ansatz der Gesetzesbegründung zum ARUG, der erkennbar die Annahme eines Nebeneinanders beider Normen zugrunde liegt649, so dass schon keine planwidrige Regelungslücke vorliegt.650 Ferner muss diese Lösung schon im Hinblick auf Art. 11 KapRL ausscheiden, der einen § 52 AktG weitgehend entsprechenden Schutz ab „Gründung“ der Gesellschaft vorgibt.651

648 So die Gedankenspiele von Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 921 f.; Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 117; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 41. 649 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36 liSp. 650 Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 41. 651 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 921 f.; Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 117; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 41.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

bb) Anreiz für nachträgliche Manipulationen? Es verbleibt daher bei der Befürchtung, dass im Zweifelsfall der betreffende Vertrag einfach rückdatiert werden könnte, um den Vorgang insgesamt den Nachgründungsregeln zu entziehen, so dass die Rechtslage hier einen bedenklichen Anreiz für Manipulationen schafft.652 Unter diesem Aspekt wäre die Alternative, die Nachgründungsvorschriften schon auf die Vor-AG entsprechend anzuwenden, zwar unter Wertungsgesichtspunkten durchaus stimmig, würde aber einen ungewollten, in Ausnahmefällen durch die Neuregelung in § 27 Abs. 3 AktG auftretenden Normenkonflikt zur Regel machen.653 Überdies steht einer Ausdehnung des § 52 AktG auf Vorgänge im Stadium der Gründung der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen.654 Statt den Normenkonflikt daher weiter zu verschärfen, sollte vielmehr den sich in begrenzten Einzelfällen ergebenden Anwendungsbereichsüberschneidungen der §§ 27 Abs. 3, 52 Abs. 1 AktG auf Rechtsfolgenseite begegnet werden. Eine gewisse Manipulationsanfälligkeit ist der Nachgründungsregelung mit ihren abstrakten zeitpunkt- bzw. größenbezogenen Tatbestandsmerkmalen ohnehin immanent. Eine (unzulässige) Manipulation der Vertragsparteien in Bezug auf das Nachgründungsgeschäft dürfte jedenfalls dann indiziert sein, wenn ohne die behauptete Rückdatierung im Übrigen der Nachgründungstatbestand vorgelegen hätte und ein Rechtsfolgenkonflikt zwischen verdeckter Sacheinlage und Nachgründung entstanden wäre, insbesondere weil kein ordnungsgemäßes Nachgründungsverfahren durchgeführt wurde. Dann ist aus naheliegenden Gründen zu vermuten, dass der Nachgründungsvertrag tatsächlich erst nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister abgeschlossen wurde. Dies hat zur Folge, dass das betreffende Rechtsgeschäft trotz seiner formalen Rückdatierung den Nachgründungsvoraussetzungen des § 52 AktG unterliegt. Insoweit würden sich die Vertragsparteien nicht zu unterschätzenden Folgerisiken aussetzen, so dass sich der Manipulationsanreiz in Grenzen halten dürfte.

2. Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung Während die soeben dargestellten anwendungsbereichsbezogenen Lösungsansätze in der Literatur zwar angesprochen, aber völlig zu Recht umgehend wieder verworfen werden, wird von der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG überwiegend dadurch gelöst, dass der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG im Anwendungsbereich der Nachgründungsvorschriften Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsfolge nach § 27 Abs. 3 Satz 2 652

So der Einwand von Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 116 unter Verweis auf das bloße Schriftformerfordernis von § 52 AktG. 653 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 921 f.; Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 117. 654 Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 41 m. w. N.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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AktG eingeräumt wird.655 Der Sache nach handelt es sich hierbei um eine Konkurrenzlösung des Normkonflikts auf Rechtsfolgenseite durch den Vorrang der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG im Falle des tatbestandlichen Zusammentreffens von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung. a) Der Ansatz von Herrler/Reymann und Lieder Soweit ersichtlich rekurrieren sämtliche Kommentierungen zentral auf den von Herrler/Reymann sowie Lieder in Aufsatzform entwickelten Grundgedanken. So stellen Herrler/Reymann zunächst fest, dass die Liberalisierung der verdeckten Sacheinlage in § 27 Abs. 3 AktG durch die Vorschriften der Nachgründung überlagert werden. Falle daher das verdeckte Sacheinlagengeschäft in den Anwendungsbereich des § 52 AktG und sind die dort genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht gewahrt, seien sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft nach § 52 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG unwirksam.656 Eine Anrechnung des Wertes des zugeführten Vermögensgegenstandes auf die Geldeinlagepflicht nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG scheide dann aus, da diese voraussetze, dass der Gegenstand wirksam in das Gesellschaftsvermögen überführt wurde und nicht in Ermangelung eines wirksamen Kausalverhältnisses mit einem Kondiktionsanspruch belastet sei.657 Eine nähere Begründung, warum bei gleichzeitigem Vorliegen der Tatbestandsmerkmale von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung im Falle eines Verstoßes gegen das Nachgründungsverfahren gerade der schwebenden Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG Vorrang einzuräumen ist, erfolgt dagegen nicht. Stattdessen setzen Herrler/Reymann bei der Annahme eines insoweit bestehenden

655

So: Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 920: „Fällt das verdeckte Sacheinlagengeschäft in den Anwendungsbereich des § 52 AktG und sind die dort genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht gewahrt, ist sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft nach § 52 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG unwirksam.“; Lieder, ZIP 2010, 964, 969: „Vorrang des Nachgründungsrechts in seinem Anwendungsbereich“; Bayer, in: K. Schmidt/ Lutter, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 53: „Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen [werden] durch das Nachgründungsrecht überlagert“; Katzenstein, in: Spindler/Stilz, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 114: „Verstoß gegen die Nachgründungsvorschriften steht der Wirksamkeit des Sachgeschäfts und damit auch der Anrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG entgegen“ und Rn. 115: „Bei gleichzeitiger Anwendbarkeit beider Regelungen hat das zur Folge, dass die Abmilderung bei den Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen nur eingeschränkt zum Tragen kommt.“; Körber, in: Bürgers/Körber, Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 26: „Nach Wegfall der Unwirksamkeitsfolge mit Änderung des § 27 Abs. 3 […] müssen bei einem Zusammentreffen der beiden Rechtsinstitute deren Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein.“; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 41: „Sind jedoch die Voraussetzungen des § 52 […] nicht gewahrt, sind sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft nach § 52 Abs. 1 Sätze 1 und 2 schwebend unwirksam“. 656 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 920. 657 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 920.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Kondiktionsanspruchs das Eingreifen der Unwirksamkeitsfolge gedanklich als Selbstverständlichkeit voraus. Den Versuch einer dogmatischen Begründung des Vorrangs jener Unwirksamkeitsfolge unternimmt dagegen Lieder unter Bezugnahme auf den Normzweck von § 52 AktG. Er rechtfertigt den Vorrang des Nachgründungsrechts im Ergebnis damit, dass der Normzweck des § 52 AktG über den Bereich des Kapitalschutzes hinausgehe und das weitergehende Ziel verfolge, die Vorstände junger Aktiengesellschaften vor unzulässigen Übergriffen von Gründern und Großaktionären zu schützen.658 Dieser weiter reichende Schutzzweck der Nachgründungsvorschriften könne nur dann verwirklicht werden, wenn Nachgründungsgeschäfte ohne ordnungsgemäß durchgeführtes Nachgründungsverfahren auch weiterhin gemäß § 52 Abs. 1 AktG unwirksam seien.659 Für diese Auffassung spreche außerdem Art. 11 KapRL, der die verfahrensmäßigen Voraussetzungen der Nachgründung gemeinschaftsrechtlich absichere, weshalb eine Auffassung, die für eine Anrechnung des tatsächlichen Sachwerts nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG auch bei einem Nachgründungsgeschäft eintritt, gegen das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung verstieße.660 b) Stellungnahme aa) Unzutreffender dogmatischer Ausgangspunkt Soweit die Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung überhaupt eine dogmatische Begründung erfährt, erweist sich diese bereits im Ansatz als unzutreffend. Dem von Lieder angesprochenen „weiter reichenden Schutzzweck der Nachgründungsvorschriften“ liegt ersichtlich das Verständnis von § 52 AktG als primärem Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften und ein sekundärer Normzweck zugrunde, der auf den Schutz vor einer Einflussnahme der Gründer gerichtet ist.661 Diese Standortbestimmung der Nachgründung hat sich nach hier vertretener Auffassung jedoch als unzutreffend erwiesen, so dass ihre dogmatischen Ungereimtheiten an dieser Stelle abermals zum Tragen kommen. Zwar mag es auf den ersten Blick völlig einleuchtend klingen, unter Verweis auf einen nebulösen sekundären Normzweck der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsanordnung verdeckter Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einzuräumen. Überzeugend ist diese Schlussfolgerung allerdings nicht. Wie erinnerlich stellt der vermeintliche sekundäre Normzweck von § 52 AktG nichts anderes als eine redundante Umschreibung der eigentlichen Gefahrenquelle dar, der

658 659 660 661

Lieder, ZIP 2010, 964, 969. Lieder, ZIP 2010, 964, 969. Lieder, ZIP 2010, 964, 969 f. Ausführlich zur herrschenden Meinung siehe oben Kapitel 6, Ziff. II. 1. und 2., S. 121 ff.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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die Nachgründungsregelung insgesamt begegnen soll.662 Auch stößt dieses Erklärungsmodell jedenfalls nach ARUG an seine Grenzen, da insoweit ein immanenter Wertungswiderspruch besteht.663 So ergibt sich die grundsätzliche Wertungsfrage, wie ein Rechtsgeschäft zwar nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG unter Kapitalaufbringungsgesichtspunkten konkret wirksam und – bei Nichtvorliegen der Nachgründungsvoraussetzungen – ebenfalls unter Kapitalaufbringungsgesichtspunkten unter Umständen nach § 52 Abs. 1 AktG abstrakt unwirksam sein kann. Mit anderen Worten wird ein und derselbe Sachverhalt von zwei Rechtsfiguren des Kapitalaufbringungsschutzes diametral entgegen gesetzten Rechtsfolgen unterworfen. Umso verwunderlicher ist es, wie einem bloß sekundären Normzweck, der für die dogmatische Zuordnung der Nachgründung zum Kapitalaufbringungsschutz irrelevant ist, nun eine derart tragende Bedeutung beigemessen werden soll. Wenig überzeugen kann zudem das in diesem Zusammenhang von Lieder benannte Schutzobjekt „Vorstand“. Auch diesbezüglich hat die Untersuchung im zweiten Teil der Arbeit ergeben, dass der Vorstand als Schutzobjekt von § 52 AktG zwingend ausscheiden muss, da er neben Nachgründungsgeschäft und Aufsichtsrat gleichsam den Kontrollgegenstand der Norm bildet und somit gerade kein taugliches Schutzobjekt darstellt.664 bb) Wille des ARUG-Gesetzgebers Doch auch abseits solcher dogmatischen Feinheiten spricht schon der Wille des ARUG Gesetzgebers entscheidend gegen die Annahme eines pauschalen Vorrangs der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG. Der Gesetzgeber hat sich bewusst für eine Entschärfung der als zu hart empfundenen Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen entschieden, um den Hilferufen aus Wissenschaft und Praxis nachzukommen.665 Nicht ohne eine gewisse Genugtuung wird sodann nach ARUG festgestellt, dass die mit der Reformierung der verdeckten Sacheinlagen angestrebte Liberalisierung im Anwendungsbereich des § 52 AktG „grandios gescheitert“ sei.666 Dies erweckt freilich den Eindruck, dass hier den Liberalisierungsbemühungen des Gesetzgebers im Bereich verdeckter Sacheinlagen die strikte Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG entgegengehalten werden soll. Jedenfalls läuft die wenig differenzierte Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung leicht Gefahr, diese gesetzgeberische Grundentscheidung in Bezug auf die Wertung verdeckter 662

Dazu oben Kapitel 6, Ziff. II. 3. lit. c), S. 127 f. Dazu oben Kapitel 6, Ziff. II. 3. lit. d), S. 128 f. 664 Dazu oben Kapitel 7, Ziff. II. 3. lit. b) bb), S. 162 ff. 665 Vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36 liSp. 666 So ausdrücklich Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 55; zurückhaltender Katzenstein, in: Spindler/Stilz, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 115: „Abmilderung bei den Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage kommt nur eingeschränkt zum Tragen“ und Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 923: „Im Anwendungsbereich des § 52 AktG läuft die Liberalisierung der verdeckten Sacheinlage aufgrund der dort normierten zusätzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen allerdings leer.“ 663

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG aus den Augen zu verlieren. Zudem werden die verschiedenen Aspekte der Nachgründung nicht angemessen berücksichtigt. cc) Tendenz des BGH? Der BGH hatte nach ARUG bisher keine Gelegenheit zu dieser Rechtsfrage Stellung zu nehmen, so dass höchstrichterliche Rechtsprechung (noch) nicht existiert. Einziger Anhaltspunkt sind insoweit die Entscheidungen in Sachen Lurgi und Rheinmöve vor der Reform durch das ARUG. In jenen Urteilen ließ der BGH zwar durchaus die Tendenz erkennen, der (einstigen) Unwirksamkeitsfolge verdeckter Sacheinlagen Vorrang gegenüber einer möglichen Wirksamkeit bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Nachgründungsverfahrens einzuräumen. Insbesondere im Zuge seiner Rheinmöve-Entscheidung sah er sich aufgrund des in casu durchgeführten Nachgründungsverfahrens und der potenziellen Wirksamkeit der betreffenden Rechtsgeschäfte unter dem Aspekt der Nachgründung zu der Klarstellung genötigt, dass jedenfalls die Anwendbarkeit von § 52 AktG auf verdeckte Sachkapitalerhöhungen ausscheiden müsse, weil § 52 AktG nur die Vermeidung verdeckter Sachgründungen zum Gegenstand habe.667 Infolgedessen konnte der BGH die Nachgründung außen vor lassen und den Rechtsstreit über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen mit deren Unwirksamkeitsfolge lösen. Übertragen auf die spiegelbildliche Rechtslage nach ARUG könnte daher nun einer schneidenden Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG generell Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsanordnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einzuräumen sein. Allerdings darf bereits bezweifelt werden, ob sich die Erwägungen des BGH überhaupt auf die nunmehr grundlegend geänderte Rechtslage übertragen lassen. Zudem ist darin allenfalls eine vage Tendenz erkennbar, ohne dass hieraus auf den unbedingten Vorrang der Unwirksamkeitsfolge von § 52 Abs. 1 AktG gegenüber der Wirksamkeitsanordnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG geschlossen werden könnte. dd) Faktische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 27 Abs. 3 AktG auf Fälle außerhalb von § 52 Abs. 1 AktG Abschließend ist auf eine weitere Besonderheit hinzuweisen. Zwar handelt es sich bei dem im Schrifttum befürworteten starren Vorrang der Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung um eine Lösung des Rechtsfolgenkonflikts im Rahmen der Gesetzeskonkurrenz, da § 52 AktG im Falle seines tatbestandlichen Zusammentreffens mit einer verdeckten Sacheinlage als lex specialis gegenüber § 27 Abs. 3 AktG behandelt wird. Doch obwohl die Vertreter der herrschenden Literaturmeinung in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber auch nach ARUG von einem eigenständigen und 667

Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 5, Ziff. II. 2. lit. a), S. 110 ff.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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unabhängigen Nebeneinander von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung als Schutzinstrument gegen Umgehungen des Sachgründungsrechts ausgehen,668 ist paradoxerweise eine Annäherung zur anwendungsbereichsbezogenen Lösung des Rechtsfolgenkonflikts über eine teleologische Reduktion von § 27 Abs. 3 AktG zu verzeichnen. Dieser Lösungsansatz wurde bereits eingangs auf Grundlage einer ursprünglich von Priester vor ARUG geäußerten Überlegung angesprochen, wonach erst außerhalb der Reichweite des § 52 AktG die Schutzsphäre der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen beginne.669 Parallel hierzu soll § 27 Abs. 3 AktG nach herrschender Literaturmeinung nun wiederum durch den undifferenzierten Vorrang der Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung im Anwendungsbereich des § 52 AktG völlig leerlaufen. Beide Lösungsansätze haben mithin faktisch eine Reduzierung der praktischen Bedeutung verdeckter Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 AktG auf Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs der Nachgründung zur Folge – entweder über den Anwendungsbereich oder über die Rechtsfolgenseite. So bleibt es bei der Feststellung, dass ein eigenständiges und unabhängiges Nebeneinander beider Rechtsfiguren auf Tatbestandsebene durch den indifferenten Vorrang der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG nach herrschender Literaturmeinung auf Rechtsfolgenseite konterkariert wird.

3. Eigener Lösungsvorschlag: Modifizierte Konkurrenzlösung Nachdem im Ergebnis weder theoretisch denkbare anwendungsbereichsbezogene Lösungen noch die von der herrschenden Literaturmeinung befürwortete Konkurrenzlösung überzeugen konnten, gilt es einen differenzierten Ansatz zur Lösung des Rechtsfolgenkonflikts zu entwickeln. Dergestalt soll nicht nur der gesetzgeberischen Intention nach ARUG, sondern auch den einzelnen Normaspekten der Nachgründung in angemessener Weise Rechnung getragen werden. a) Differenzierungsmaßstab Im Ausgangspunkt ist dabei das wenig harmonische Nebeneinander der Vorschriften zur Nachgründung und verdeckten Sacheinlage grundsätzlich hinzunehmen, um nicht mit den grundlegenden Wertungen des Gesetzgebers in Konflikt zu geraten.670 Demzufolge hat sich auch eine differenzierende Lösung auf eine Lösung des Normkonflikts auf Rechtsfolgenebene zu konzentrieren. Im Gegensatz zur 668 Vgl. exemplarisch Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 52; so auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36 liSp. 669 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 17. Siehe oben Kapitel 10, Ziff. II. 1. lit. a), S. 230 ff. 670 So auch Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 117.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung ist dabei jedoch nicht von einem pauschalen Vorrang der Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung auszugehen, sondern vielmehr anhand der im zweiten Teil der Arbeit herausgearbeiteten Normaspekte zu unterscheiden. Differenzierungsmaßstab sind somit einerseits der durch die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 AktG gewährleistete Kapitalaufbringungsschutz sowie andererseits die beiden Normaspekte der Nachgründungsregelung des § 52 AktG. Wie erinnerlich handelt es sich dabei um den kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt und den kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt.671 b) Differenzierungsmodalitäten Liegen demzufolge auf Tatbestandsebene sowohl eine verdeckte Sacheinlage als auch eine Nachgründung vor, ist wie folgt zu differenzieren: aa) Wert des Vermögensgegenstands + Bareinlageverpflichtung Ist der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands größer/gleich der formal eingegangenen Bareinlageverpflichtung, spricht die gesetzgeberische Wertung des Vorgangs aus Perspektive der verdeckten Sacheinlage dafür, die darin liegende Umgehung der (Sach-)Gründungsvorschriften nicht (mehr) als derart schwerwiegend anzusehen, dass die entsprechenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte mit der Unwirksamkeitsfolge sanktioniert werden müssen. Überträgt man diese Wertung des Gesetzgebers nun auf den kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt der Nachgründung, spricht demgemäß viel dafür, auch hier von der Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG abzusehen. Allenfalls der eigenständige kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung könnte dann noch dafür sprechen, die Unwirksamkeitsfolge der betroffenen Erwerbs- und Ausführungsgeschäfte anzunehmen, insbesondere wegen des Fehlens der Zustimmung der Hauptversammlung. Die separate Kontrolle durch die Hauptversammlung darf indes nicht zu einem Selbstzweck verkommen. So bezieht sich die Gefahrenquelle einer übermäßigen Einflussnahme der Gründer gerade auf die Wertrelation von Sachwert und Gegenleistung. Das Nachgründungsgeschäft ist deshalb in Durchbrechung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung ausnahmsweise zusätzlich der Zuständigkeit der Hauptversammlung unterworfen. Die Gefahr einer fehlenden Wertrelation ist jedoch bei Vorliegen einer werthaltigen – wenn auch verdeckten – Sacheinlage gerade nicht gegeben. In diesem Fall spricht folglich auch der zweite Normaspekt der Nachgründung nicht für die Unwirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte. Somit besteht jedenfalls dann, wenn bei gleichzeitigem Vorliegen von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstands von 671

Ausführlich dazu oben Kapitel 7, Ziff. II. 1., S. 149 ff.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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den Inferenten nachgewiesen werden kann, kein Bedürfnis nach dem Eingreifen der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG. bb) Wert des Vermögensgegenstands < Bareinlageverpflichtung Unterschreitet dagegen der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands die Höhe der Bareinlageverpflichtung, ergibt sich zwar weder aus der Anwendung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen noch aus dem kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt der Nachgründung das Bedürfnis einer Unwirksamkeit der betreffenden schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfte. Allerdings ist nun die Wertrelation von Sachwert und Gegenleistung konkret betroffen, so dass jedenfalls der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründungsregelung eine zusätzliche Beteiligung der Hauptversammlung im Wege des Zustimmungserfordernisses gebietet und eine zusätzliche Kontrolle von Nachgründungsgeschäft, Vorstand und Aufsichtsrat notwendig ist. Liegen daher die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 52 AktG nicht vor, wurde also kein ordnungsgemäßes Nachgründungsverfahren durchgeführt, ist entgegen der insoweit kollidierenden Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG von der Unwirksamkeit der betreffenden Rechtsgeschäfte auszugehen. Eine Anrechnung auf die Sacheinlageverpflichtung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG findet dann mangels wirksamen Kausalverhältnisses nicht statt, darin ist der herrschenden Literaturmeinung zu folgen. c) Rechtsmethodische Einordnung Wie schon der Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung, so liegt auch der hier vertretenen modifizierten Konkurrenzlösung grundsätzlich die Annahme einer Spezialität der Nachgründungsregelung in § 52 AktG gegenüber verdeckten Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 AktG zugrunde. Für die Spezialität einer Norm gegenüber einer anderen gilt die schon im römischen Recht bekannte Regel, dass Spezialvorschriften die Anwendbarkeit der allgemeinen Regelungen ausschließen („lex specialis derogat legis generali“), wobei es entscheidend auf den Vergleich des Normzwecks der konkurrierenden Vorschriften ankommt.672 Ausgangspunkt ist also auch insoweit das im dogmatischen Teil der Arbeit erzielte Ergebnis. Danach verfügt § 52 AktG einerseits über einen kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt und andererseits über einen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt, während sich die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 AktG „nur“ als Teilaspekt jenes kapitalrechtlichen Umgehungsaspekts der Nachgründungsregelung darstellen.673 Demzufolge ergibt der Vergleich des Normzwecks beider Rechtsfiguren, dass im Falle ihres tatbestandlichen Zusammentreffens eine Spe672 673

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 11. Auflage 2020, Rn. 771. Dazu ausführlich oben Kapitel 7, Ziff. III. 2., S. 165 f.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

zialität der Nachgründungsvorschriften maßgeblich dann geboten ist, wenn der weitergehende kompetenzrechtliche Kontrollaspekt von § 52 AktG konkret tangiert wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass die Spezialität von § 52 AktG nicht uneingeschränkt gilt. Auch hierin zeigt sich der Vorzug einer differenzierten Konkurrenzlösung. Ausgehend vom unumstößlichen Dogma der einheitlichen Zuordnung von Nachgründung und verdeckter Sacheinlage zum Kapitalaufbringungsschutz nach herrschender Meinung, verbleibt dem Schrifttum unter Verweis auf den vermeintlichen sekundären Normzweck von § 52 AktG letztendlich nur noch eine starre Konkurrenzlösung, indem der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG per se Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsanordnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG eingeräumt wird. Im Gegensatz dazu kann in Gestalt des hier vertretenen Lösungsansatzes ein undifferenzierter Vorrang von § 52 AktG im Wege der Gesetzeskonkurrenz vermieden werden. Die Nachgründung ist mithin nur dann lex specialis gegenüber verdeckten Sacheinlagen, wenn und soweit der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet, da dann eine zusätzliche Kontrolle von Nachgründungsvertrag, Vorstand und Aufsichtsrat durch die Hauptversammlung nötig ist. In diesem Fall ist der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsfolge nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einzuräumen. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands der Höhe der Bareinlage entspricht oder diese übersteigt. Dann besteht ausweislich des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts der Nachgründung kein Bedürfnis nach einem konstituierenden Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung, da eine übermäßige Einflussnahme der Gründer auf die Wertrelation von Sachwert und Gegenleistung nachweislich nicht zu Lasten der übrigen Aktionäre erfolgt ist. Das Eingreifen der strikten Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG im Falle eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Nachgründungsverfahrens erscheint dann nach Sinn und Zweck der Norm als unpassend, so dass eine Spezialität ausscheiden muss. Aus diesem Grund ist § 52 AktG ausnahmsweise durch eine teleologische Reduktion auf Rechtsfolgenseite zu korrigieren. d) Europarechtskonformität – Vereinbarkeit mit Art. 11 KapRL Im Hinblick auf die unionsrechtliche Verankerung der Nachgründung in Art. 11 KapRL wurde im Schrifttum bereits eingewandt, dass eine Auffassung, die für eine Anrechnung des tatsächlichen Sachwerts nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG auch bei einem Nachgründungsgeschäft eintrete, gegen das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung verstieße.674 Abschließend soll daher die Europarechtskonformität des hier vertretenen Lösungsansatzes untersucht werden. Hierzu ist streng zwischen der 674

Lieder, ZIP 2010, 964, 969 f. Dazu bereits oben Kapitel 10, Ziff. II. 2. lit. a), S. 235 f.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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Auslegung der Richtlinie selbst und der richtlinienkonformen Auslegung von § 52 AktG zu unterscheiden. aa) Auslegung von Art. 11 KapRL Die richtlinienkonforme Auslegung des angeglichenen Rechts setzt voraus, dass dem Rechtsanwender der Inhalt der Richtlinie bekannt ist, wozu es wiederum der Auslegung der Richtlinie und ggf. der Rechtsfortbildung bedarf.675 Dabei ist neben dem Wortlaut auch die Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen, wie sie etwa in den Erwägungsgründen zum Ausdruck kommt; des Weiteren spielen die systematische und die teleologische Auslegung der Richtlinie sowie der auf die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts zielende Grundsatz des effet utile eine nicht unerhebliche Rolle.676 Mit Ausnahme des Grundsatzes des effet utile gelten mithin die aus dem nationalen Recht allgemein bekannten Auslegungsgrundsätze und -methoden. Gemäß Art. 11 Abs. 1 KapRL muss der Erwerb jedes Vermögensgegenstands, der bestimmten Personen oder der Gesellschaft gehört, durch die Gesellschaft für einen Gegenwert von mindesten 10 % des gezeichneten Kapitals Gegenstand einer Prüfung und Offenlegung entsprechend Art. 10 Abs. 1 bis 3 KapRL sein; er unterliegt zudem der Zustimmung der Hauptversammlung, falls er vor Ablauf einer Frist von mindestens zwei Jahren nach der Gründung der Gesellschaft oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft die Genehmigung zur Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit erhält. Art. 10 Abs. 1 bis 3 KapRL ordnen wiederum eine Werthaltigkeitsprüfung durch einen oder mehrere unabhängige Sachverständige sowie eine Offenlegung des Sachverständigenberichts an. Art. 11 Abs. 1 KapRL entspricht somit im Wesentlichen der Nachgründungsregelung des Deutschen Aktiengesetzes, was in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass es sich bei § 52 AktG um dessen historisches Vorbild und damit einen rein deutschen Beitrag zur EU-weit einheitlichen Gestaltung des Kapitalschutzrechts für Aktiengesellschaften handelt.677 Dementsprechend wird auch in Art. 11 KapRL überwiegend der Regelungszweck einer Verhinderung der Umgehung der Sacheinlagevorschriften und damit im Schutz der Kapitalaufbringung gesehen.678 Lediglich vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass die Vorschrift daneben auch die Kapitalerhaltung gewährleisten solle, da sämtliche Erwerbsgeschäfte, die mindestens die Schwelle von 10 % des Grundkapitals erreichen, einem besonderen Verfahren zu unterwerfen sind und der Anwendungszeitraum auf einen 675

Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011, § 3 Rn. 57. Grundlegend zur Auslegung von Richtlinien: Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, Einl. Rn. 93 m. w. N.; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011, § 3 Rn. 57. 677 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 44 ff.; siehe dazu oben Kapitel 3, Ziff. II. 2., S. 85 f. 678 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, Einl. Rn. 128; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 79 f.; Ansicht des Generalanwalts Tesauro in EuGHE 1992, I-4897, Tz. 19. 676

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Bereich ausgedehnt werden kann, der nicht mehr in Zusammenhang mit der Gründung steht.679 Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass die im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit spezifisch für § 52 AktG herausgearbeiteten Normaspekte nicht nur der nationalen Nachgründungsregelung, sondern darüber hinaus auch ihrem europarechtlichen Pendant beizumessen sind. Somit ist Art. 11 KapRL in teleologischer Hinsicht selbst dahingehend auszulegen, dass diese Regelung gleichsam über einen kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt und einen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt verfügt. Ersterer kommt in der Anordnung einer Prüfung und Offenlegung nach Art. 10 Abs. 1 bis 3 KapRL zum Ausdruck, Letzterer in dem separaten Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung. Insbesondere die Annahme eines eigenständigen kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts sieht sich auf unionsrechtlicher Ebene durch die Weite des zeitlichen Anwendungsbereichs von Art. 11 Abs. 1 KapRL („mindestens zwei Jahre nach der Gründung“) zusätzlich bestätigt. bb) Richtlinienkonforme Auslegung von § 52 AktG Ausgehend von diesem Verständnis von Art. 11 KapRL ist nun auch die Richtlinienkonformität der Auslegung von § 52 AktG zu beurteilen.680 Anerkannt ist bisher, dass der Wortlaut des § 52 AktG in zweifacher Weise hinter den Vorgaben der Richtlinie zurückbleibt. Zum einen wird entgegen Art. 11 Abs. 2 KapRL nicht generell der „auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts“ erfolgende Erwerb vom Anwendungsbereich der Nachgründungsvorschriften ausgenommen, sondern nach § 52 Abs. 9 AktG nur der „Erwerb in der Zwangsvollstreckung“; zum anderen unterstellt § 52 Abs. 1 AktG nur Verträge mit einer den zehnten Teil des Grundkapitals „übersteigenden“ Vergütung den Kautelen des Nachgründungsrechts, während Art. 11 Abs. 1 KapRL die Nachgründung bereits bei einem Gegenwert von „mindestens“ 10 % des gezeichneten Kapitals vorschreibt.681 In diesen Fällen behilft sich die Praxis bisher mit dem Mittel richtlinienkonformer Auslegung. Hiervon unterscheidet sich bereits grundlegend die Konstellation bei der Auflösung des Rechtsfolgenkonflikts. Die im Rahmen der modifizierten Konkurrenzlösung durchgeführte Auslegung von § 52 AktG anhand seiner beiden Normaspekte steht schon nicht zu Wortlaut oder Telos von Art. 11 KapRL in Widerspruch. Nach Auslegung dieser Richtlinienbestimmung ist sie vielmehr bloß konsequent.

679 Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 80 mit Verweis auf Drinkuth, Kapitalrichtlinie, 1998, S. 167. 680 Allgemein zur richtlinienkonformen Auslegung Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/ AEUV, 5. Auflage 2016, AEUV Art. 288 Rn. 77 ff. 681 Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011, § 6 Rn. 35; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 6.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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Soweit der hier vertretene Lösungsansatz übereinstimmend mit der Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung von § 52 AktG als lex specialis gegenüber § 27 Abs. 3 AktG ausgeht, sind Zweifel an der Richtlinienkonformität der Auslegung freilich nicht angebracht. Dieser Umstand liegt in erster Linie darin begründet, dass die Kapitalrichtlinie die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage und damit § 27 Abs. 3 AktG nicht kennt.682 Mithin ist allein (er)klärungsbedürftig, dass nach der modifizierten Konkurrenzlösung ausnahmsweise § 27 Abs. 3 AktG als lex specialis gegenüber § 52 AktG zu qualifizieren ist, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen beider Normen vorliegen, ein Nachgründungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands die Höhe der Bareinlageverpflichtung überschreitet oder dieser zumindest entspricht. In diesem Fall ist de facto trotz des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. Art. 11 Abs. 1 KapRL die Einhaltung der Anforderungen von Art. 11 Abs. 1 KapRL nicht gewährleistet. Nicht die Wertanrechnung an sich begegnet daher potenziell gemeinschaftsrechtlichen Bedenken, sondern der wirksame Erwerb des Vermögensgegenstands trotz fehlender Prüfung und Offenlegung nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 HS 1 KapRL sowie fehlender Zustimmung der Hauptversammlung nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 HS 2 KapRL. Derweil erweisen sich derartige Bedenken als unbegründet, wenn man den Blick nicht allein auf die Lösung des Rechtsfolgenkonflikts verengt, sondern auch die (noch ausführlich zu behandelnde) „Heilungsfrage“ mit einbezieht. Ohne an dieser Stelle vorgreifen zu wollen, bedeutet die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG nämlich keineswegs, dass eine nachträgliche Offenlegung und Prüfung entgegen Art. 11 KapRL i. V. m. Art. 10 Abs. 1 bis 3 KapRL unterbleiben kann. Stattdessen ist ein Heilungsverfahren durchzuführen, welches sich an den vom BGH für die GmbH entwickelten Grundsätzen unter ergänzender Heranziehung von § 52 AktG orientiert.683 Damit wird sämtlichen Anforderungen von Art. 11 KapRL im Nachgang inhaltlich entsprochen. Insgesamt ist die vorgeschlagene modifizierte Konkurrenzlösung daher auch aus diesem Grund europarechtskonform.

III. Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte nach ARUG Nachdem nun die divergierenden Rechtsfolgen von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung dargestellt sowie der Rechtsfolgenkonflikt zwischen § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG und § 52 Abs. 1 AktG im Falle von Anwendungsbereichsüberschneidungen beider Normen ausführlich behandelt worden ist, kann abschließend auf die 682

Unter anderem deshalb war in der Vergangenheit die Existenzberechtigung dieser Rechtsfigur in Teilen der Literatur bereits grundsätzlich in Zweifel gezogen worden. Dazu ausführlich oben Kapitel 6, Ziff. I., S. 117 ff. 683 Dazu ausführlich noch unten Kapitel 11, Ziff. II. 3., S. 265 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Frage der Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte nach ARUG eingegangen werden.

1. Vorüberlegungen Zwar hat sich die Rückabwicklungsproblematik im Bereich der verdeckten Sacheinlage mit der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG erledigt. Allerdings stellt sie sich nach wie vor in zwei Konstellationen. Dies betrifft zunächst Verstöße gegen das Nachgründungserfordernis im alleinigen Anwendungsbereich von § 52 Abs. 1 AktG. Wird der schuldrechtliche Nachgründungsvertrag endgültig unwirksam, so schlägt diese Unwirksamkeit bekanntlich in Durchbrechung des sachenrechtlichen Abstraktionsprinzips gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 AktG auch auf die dinglichen Austauschgeschäfte durch.684 Die bereits getätigten Ausführungshandlungen, seien es Zahlungen seitens der Gesellschaft oder im Gegenzug an diese übereignete Gegenstände und Grundstücke, müssen mithin zwischen den Vertragsparteien rückabgewickelt werden. Darüber hinaus bedarf es nach der Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung und dem damit einhergehenden Vorrang der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG auch im gemeinsamen Anwendungsbereich von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung einer solchen Rückabwicklung. Die hier befürwortete modifizierte Konkurrenzlösung macht eine Rückabwicklung der betroffenen Ausführungsgeschäfte hingegen nur ausnahmsweise dann erforderlich, wenn der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands hinter der Höhe der Bareinlageverpflichtung zurückbleibt und daher § 52 AktG lex specialis gegenüber § 27 Abs. 3 AktG ist. Auch deshalb erweist sich der differenzierende Lösungsansatz in der Rechtspraxis als äußerst vorteilhaft. Schließlich muss hinsichtlich der Einzelheiten der Rückabwicklung genau unterschieden werden. So besteht Einigkeit darin, dass bewegliche Sachen gemäß § 985 BGB herauszugeben sind und insoweit die §§ 987 ff. BGB zur Anwendung kommen; gegebenenfalls ist das Grundbuch nach § 894 BGB zu berichtigen.685 Umstritten ist dagegen die Frage, ob die nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG verbotenen Zahlungen der Aktiengesellschaft an Gründer, Aktionäre und ihnen zuzurechnende Dritte nach den §§ 812 ff. BGB oder § 62 AktG rückabzuwickeln sind.686 684 Vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 9 m. w. N. Dazu oben Kapitel 10, Ziff. I. 2. lit. a) aa), S. 222 f. 685 Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 45; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 63; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 85; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 88; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 44. 686 Zwar könnte man theoretisch § 62 AktG auch als Alternative zur Anwendung der §§ 985, 987 ff. BGB diskutieren. Zumindest hinsichtlich des Anspruchsinhalts umfasst § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG auch die gegenständliche Rückgewähr verbotswidrig empfangener Leistungen, wobei Geldleistungen zurückzuzahlen und Sachleistungen herauszugeben sind. Al-

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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2. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB Noch vor ARUG hatte sich der BGH ausdrücklich für eine einheitliche Rückabwicklung von Zahlungen an Aktionäre, die Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage und einer Nachgründung waren, nach dem Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB unter Anwendung der Saldotheorie ausgesprochen.687 Zur Begründung führte der BGH im Rahmen seiner Lurgi I-Entscheidung seinerzeit aus, dass der aktienrechtliche Rückgewähranspruch gemäß § 62 AktG die Kapitalerhaltung betreffe und keine allgemeine Anspruchsgrundlage für Rückforderungsansprüche der Gesellschaft darstelle; dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gleiche auch bei der verdeckten Sacheinlage gelte.688 Stattdessen stehe § 52 AktG in einer Reihe mit §§ 27 Abs. 3 Satz 1, 183 Abs. 2 AktG (a. F.) und bezwecke vor allem einen Umgehungsschutz der Sacheinlagevorschriften und damit in erster Linie die Sicherung der Kapitalaufbringung.689 Vor diesem Hintergrund könne der durch die Nachgründung lediglich „verlängerte“ Umgehungsschutz vernünftigerweise in Form des § 62 AktG keine schärferen Rechtsfolgen bei der Rückabwicklung zeitigen, zumal § 52 AktG genau dasjenige Geschäft erfasse, das der Gesetzgeber als Teil einer bei der Gründung abgesprochenen verdeckten Sacheinlage verdächtige.690 Der Anwendung der Saldotheorie stehe die Wertung des Aufrechnungsverbotes nach § 66 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht entgegen, weil nicht der fortbestehende Einlageanspruch, sondern nur die beiderseitigen Bereicherungsansprüche aus dem unwirksamen Austauschgeschäft in die Verrechnung einbezogen würden.691 Zudem sei eine Saldierung der beiderseitigen Bereicherungsansprüche zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs geboten, weil sich die Unwirksamkeitsfolge der §§ 27 Abs. 3 Satz 1, 183 Abs. 2 Satz 1 AktG (a. F.) auch auf das dingliche Erfüllungsgeschäft erstrecke und der Inferent deshalb den in seinem Eigentum verbliebenen Gegenstand der verdeckten Sacheinlage gemäß § 985 BGB herausverlangen und in der Insolvenz der Gesellschaft aussondern könne; demgegenüber könne die Gesellschaft im Falle eines gesetzlichen Eigentumsverlustes des Inferenten nach den §§ 946 ff. BGB oder einer unkörperlichen Sacheinlage nochmalige Einzahlung sowie Rückzahlung des Entgelts aus § 812 lerdings ist § 62 AktG ausschließlich auf Rückgewähransprüche der Gesellschaft gerichtet. Folglich scheidet eine Rückabwicklung von Sachleistungen der Aktionäre bereits a limine aus, da diese stets Herausgabeansprüche der Aktionäre zum Gegenstand haben – und somit gerade nicht Rückgewähransprüche der Gesellschaft betreffen. § 62 AktG passt dann aufgrund seiner Anspruchsrichtung nicht. Angesichts der existierenden sachenrechtlichen Regelungen des BGB, auf die ohne Weiteres zurückgegriffen werden kann, dürfte auch eine analoge Anwendung von § 62 AktG nicht in Betracht kommen. 687 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = BGHZ 173, 145 ff. = ZIP 2007, 1751 ff.; BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = BGHZ 175, 265 ff. = ZIP 2008, 788 ff. Siehe zu diesen Entscheidungen ausführlich oben Kapitel 5, Ziff. II. 1. lit. c) und Ziff. II. 2. lit. a), S. 107 ff. bzw. 110 ff. 688 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1753 Tz. 18. 689 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 18. 690 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 18. 691 BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 20.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

BGB verlangen und überdies den Bereicherungsgegenstand behalten, was im wirtschaftlichen Ergebnis auf eine ungerechtfertigte Bereicherung der Gesellschaft hinauslaufe.692 Die einheitliche Rückabwicklung von verdeckten Sacheinlagen und unwirksamen Nachgründungsgeschäften nach Bereicherungsrecht unter Saldierung wechselseitiger Ansprüche bestätigte der Senat kurze Zeit darauf ausdrücklich in der Rheinmöve-Entscheidung.693 Diese Auffassung wurde in Teilen des Schrifttums aufgegriffen, als überzeugend angesehen und wird auch nach ARUG befürwortet.694 Die Anwendung von § 62 AktG sei insbesondere deshalb abzulehnen, weil die Rückabwicklung des unwirksamen Nachgründungsgeschäfts nicht die Kapitalerhaltung, sondern die Kapitalaufbringung betreffe; dort konnte der Rückgewähranspruch nach bisherigem Recht sogar im Falle der verdeckten Sacheinlage nicht auf § 62 AktG gestützt werden, so dass dies erst recht für die Nachgründung gelten müsse.695 Der Umstand, dass mit § 62 AktG die schärfere Regelung nur für die Kapitalerhaltung gelte, sei dabei nur scheinbar ein Widerspruch: während § 62 AktG einen unbedingten und durch § 66 AktG gestärkten Anspruch auf Rückgewähr einer verbotenen Auszahlung zum Gegenstand habe, betreffen die verdeckte Sacheinlage und die Nachgründung Sachverhalte, in denen – wenn auch in unzulässiger Weise – Leistungen ausgetauscht werden, deren Gegenleistung mitberücksichtigt werden müsse.696 Die besseren Gründe würden insbesondere deshalb für die Anwendung der Saldotheorie sprechen, weil dem Gebot der Kapitalaufbringung primär durch das Fortbestehen der Bareinlageverpflichtung nach §§ 27 Abs. 3 Satz 3, 183 Abs. 2 Satz 3, 205 Abs. 4 Satz 4 AktG (a. F.) Rechnung getragen werde und für eine darüber hinausgehende Privilegierung der Gesellschaft im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung infolge der Unwirksamkeit der dinglichen Vollzugsgeschäfte nach §§ 27 Abs. 3 Satz 1, 183 Abs. 2 Satz 1, 194 Abs. 2 Satz 1, 205 Abs. 4 Satz 1 AktG (a. F.) kein Raum sei.697

692

BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 21. BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 790 Tz. 15. 694 Vor ARUG: Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, I. Band: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 52 Rn. 42; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 63; Habersack, ZGR 2008, 48, 60 ff. (zugleich Entscheidungsbesprechung von BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751 ff.). Explizit nach ARUG: wie schon in der Vorauflage Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, I. Band: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 42; Lieder, ZIP 2010, 964, 970. Offen gelassen: Körber, in: Bürgers/Körber, Heidelberger Kommentar, AktG, 4. Auflage 2017, § 52 Rn. 22. 695 So das arg. a maiore ad minus von Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 44. Ebenfalls auf die strikte Unterscheidung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung abstellend Habersack, ZGR 2008, 49, 60 f. und Lieder, ZIP 2010, 964, 970. 696 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 44. 697 Habersack, ZGR 2008, 49, 62 f., allerdings noch zur alten Rechtslage vor ARUG. 693

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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3. Aktienrechtlicher Rückgewähranspruch nach § 62 AktG Demgegenüber sprechen sich weite Teile der Literatur gegen die Rückabwicklung von Zahlungen der Gesellschaft an Gründer, Aktionäre oder diesen zuzurechnende Dritte nach den §§ 812 ff. BGB aus und befürworten stattdessen die Anwendung von § 62 AktG.698 Eine nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG verbotene Zahlung der AG an Aktionäre sei ohne Nachgründung aktienrechtswidrig, so dass von Gesetzes wegen der spezifische aktienrechtliche Rückgewähranspruch gelte und auch kein Anlass bestehe, statt auf § 62 AktG auf die §§ 812 ff. BGB mit ohnehin unpassender Saldotheorie zurückzugreifen.699 Vielmehr entspreche die strikte Haftung nach § 62 AktG dem Kapitalschutz durch die Bareinlagepflicht nach §§ 27 Abs. 3 Satz 3, 183 Abs. 2 Satz 3 AktG; im Übrigen gehe es in § 52 AktG vor dem Hintergrund des Umgehungsgedankens sowohl um Kapitalaufbringung (Umgehungsgedanke) als auch um Kapitalerhaltung (Zahlung ohne Rechtsgrund nach Eintragung der AG).700 Die Anwendung der §§ 812 ff. BGB dürfe insbesondere nicht zu einer Besserstellung des betroffenen Aktionärs bei der Rückabwicklung führen, wenn gleichzeitig in dem Nachgründungsgeschäft ein Verstoß gegen § 57 AktG liege.701 Zudem habe sich die frühere Bereicherungshaftung Dritter nach den §§ 812 ff. BGB vor dem Hintergrund des NaStraG erledigt, da der Anwendungsbereich von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG auf Gesellschafter der Aktiengesellschaft beschränkt wurde und Geschäfte mit Dritten ohnehin nicht mehr in den Nachgründungstatbestand fallen.702 Ferner weise die Nachgründung trotz ihrer formalen Zuordnung zum Recht der Kapitalaufbringung auch Bezüge zur Kapitalerhaltung auf, da sie in Gestalt ihrer Zweijahresfrist über den regelmäßig geforderten zeitlichen Zusammenhang von sechs Monaten bei verdeckten Sacheinlagen sowohl zeitlich als auch sachlich hinausreiche.703 Da § 52 AktG keine Aussage über die Rückabwicklung erbrachter Leistungen enthalte, liege es angesichts der gesetzgeberischen Wertung des § 62 AktG nahe, den Aktionär bei Verstößen gegen die Kapitalschutzvorschriften einer strengen Haftung auszusetzen; es erscheine demgegenüber als übermäßig formal, die

698 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 9; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 52 Rn. 45; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 86; Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 88; Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 694 ff. 699 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 9. So im Ergebnis auch Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 88. 700 Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 9. 701 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 86. 702 Priester, in: Großkommentar, AktG, Zweiter Band/Teilband 2: §§ 41 – 53, 5. Auflage 2016, § 52 Rn. 88; Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 695. 703 Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 698.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Anwendbarkeit des aktienrechtlichen Rückgewähranspruchs mit der Begründung zu verneinen, die Nachgründung wolle nur die Kapitalaufbringung schützen.704

4. Stellungnahme a) Ursprung und Übertragung des Vereinheitlichungsgedankens Seinen Ursprung hat der Streit um die Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte zunächst darin, dass der personelle Anwendungsbereich von § 52 Abs. 1 AktG vor der Reform durch das NaStraG (2001) nicht auf „Verträge der Gesellschaft mit Gründern oder mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals der Gesellschaft beteiligten Aktionären“ beschränkt war, sondern sämtliche Verträge der Gesellschaft und damit insbesondere auch Drittgeschäfte erfasste.705 Dementsprechend war es theoretisch möglich, unwirksame Nachgründungsgeschäfte gegenüber Aktionären nach § 62 AktG rückabzuwickeln, wohingegen im Verhältnis zu gesellschaftsfremden Dritten lediglich bereicherungsrechtliche Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB in Betracht kamen. Für Dritte bestand mithin kein Aufrechnungsverbot nach § 66 AktG, sie konnten möglichen Rückforderungen der Gesellschaft insbesondere den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten, und auch eine Saldierung der gegenseitigen Ansprüche nach den Grundätzen der Saldotheorie kam in Betracht.706 Der grundlegende Ansatz bestand mithin darin, sämtliche Leistungen einheitlich nach den §§ 812 ff. BGB abzuwickeln und dadurch die soeben beschriebene Ungleichbehandlung der Geschäftspartner bei der Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte zu vermeiden. Dieser Vereinheitlichungsgedanke ist daher durchaus nachvollziehbar, wenngleich im Ergebnis nicht überzeugend.707 Mit der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Nachgründungsvorschriften im Zuge der Reform durch das NaStraG unterfielen dagegen Drittgeschäfte fortan nicht mehr dem Nachgründungserfordernis. Nunmehr war – zumindest im alleinigen Anwendungsbereich von § 52 AktG – keine Ungleichbehandlung von Aktionären und gesellschaftsfremden Dritten mehr zu befürchten, so dass der ursprüngliche Anlass der einheitlichen Rückabwicklung nach den §§ 812 ff. BGB de facto entfallen ist. 704

Drygala, in: FS Huber, 2006, S. 691, 699. Vgl. zur alten Fassung statt aller Hüffer, AktG, 4. Auflage 1999, § 52 Rn. 2a. 706 Vgl. zur alten Fassung statt aller Hüffer, AktG, 4. Auflage 1999, § 52 Rn. 7, der sich jedoch gegen eine Beschränkung des Gesellschaftsanspruchs auf den Saldo ausspricht, mithin die Anwendbarkeit der Saldotheorie verneint. 707 So steht der Vereinheitlichung der Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte nach § 812 ff. BGB schon der eindeutige Wortlaut des § 62 AktG entgegen, der für Leistungen der Gesellschaft an ihre Aktionäre ausdrücklich einen spezifischen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch statuiert. Insoweit würde § 62 AktG mithin als lex specialis für Zahlungen der Gesellschaft an Aktionäre die entgegenstehenden Wertungen des Bereicherungsrechts verdrängen. 705

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

251

Hier kommen nun die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen und die Lurgi IEntscheidung des BGH zum Tragen.708 Vor ARUG waren Rechtsgeschäfte, die verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand hatten, infolge ihrer Unwirksamkeit nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG a. F. unstreitig allein nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen der §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln. Die prozessuale Situation stellte sich aus Perspektive des BGH so dar, dass der klagende Insolvenzverwalter von der Nachgründungspflichtigkeit der streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte ausging und, da im Zusammenhang mit einer Sachkapitalerhöhung kein Nachgründungsverfahren durchgeführt worden war, den aktienrechtlichen Rückgewähranspruch des § 62 AktG geltend gemacht hatte. Der BGH hatte in casu jedoch die Anwendbarkeit der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen bejaht und zugleich klargestellt, dass diese durch die Nachgründung nicht verdrängt werden. Mithin stand zugleich eine Rückabwicklung gemäß §§ 812 ff. BGB im Raum. Infolgedessen hätte er nun dazu Stellung nehmen müssen, ob – erstens – § 52 AktG in Fällen einer (verdeckten) Sachkapitalerhöhung neben § 183 AktG überhaupt anwendbar ist und ob – zweitens – dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall tatsächlich gegeben sind. Indem sich der BGH jedoch für eine einheitliche bereicherungsrechtliche Rückabwicklung unwirksamer Verfügungsgeschäfte sowohl im Falle einer verdeckten Sacheinlage als auch bei Vorliegen einer Nachgründung nach den §§ 812 ff. BGB und unter der Anwendung der Saldotheorie aussprach, konnte er § 62 AktG als Anspruchsgrundlage bereits a limine verneinen und so beide Fragen offen lassen.709 Insoweit stellte sich analog zur Rechtslage vor NaStraG die Frage, ob die Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte nach § 62 AktG oder den §§ 812 ff. BGB durchzuführen war. Der BGH entschied sich vor dem Hintergrund verdeckter Sacheinlagen für Letzteres. Durch diese äußerst pragmatische Vorgehensweise des BGH wurden die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen in die Diskussion um die Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte einbezogen. Der ursprünglich aus dem originären Anwendungsbereich des § 52 AktG stammende Gedanke einer einheitlichen Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte nach den allgemeinen Vorschriften des Bereicherungsrechts wurde dabei zum einen auf das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung übertragen. Zum anderen wurde durch die ausschließliche Anwendung der §§ 812 ff. BGB gleichermaßen die Rückabwicklung von unwirksamen Nachgründungsgeschäften und verdeckten Sacheinlagen vereinheitlicht.

708 Vgl. zu BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751 ff. ausführlich oben Kapitel 5, Ziff. II. 1. lit. a) bis c), S. 103 ff. 709 So ausdrücklich BGH, Urt. v. 09. 07. 2007 – Az.: II ZR 62/06 – „Lurgi I“ = ZIP 2007, 1751, 1754 Tz. 20. Zur Anwendbarkeit der Nachgründung auf die Sachkapitalerhöhung nach ARUG siehe oben Kapitel 9, Ziff. III., S. 207 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

b) Geänderte Ausgangslage und Fehlgehen der dogmatischen Argumentation Infolge der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG hat sich jedoch die Rückabwicklung von Rechtsgeschäften nach §§ 812 ff. BGB vollständig erledigt, obwohl sie verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand haben. Angesichts dieser grundlegend geänderten Rechtslage ist auch der soeben dargestellte Vereinheitlichungsgedanke des BGH gegenstandslos geworden. Daher verbietet es sich nach ARUG bereits im Ansatz, die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen unverändert im Zusammenhang mit der Frage nach der Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte heranzuziehen. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere das argumentum a maiore ad minus von Bayer zirkulär.710 Zwar mag der BGH entschieden haben, dass sich der Rückgewähranspruch der Gesellschaft weder in Fällen verdeckter Sacheinlagen noch bei Verstößen gegen das Nachgründungserfordernis auf § 62 AktG stützen lasse. Allerdings ist daraus keineswegs zu schlussfolgern, dass dies nach ARUG erst recht unverändert für die Nachgründung gelten müsse. Vielmehr ist eine Neubewertung auf Grundlage der anzutreffenden Gesetzeslage durchzuführen. Wie der zweite Teil der vorliegenden Untersuchung gezeigt hat, ist die Rechtsfigur der Nachgründung einer eindeutigen dogmatischen Zuordnung aufgrund ihrer wechselhaften und teils verworrenen Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte kaum bzw. gar nicht zugänglich.711 Ein formales Abstellen auf eine vermeintliche Zuordnung der Nachgründungsregelungen zum Bereich der Kapitalaufbringung oder Kapitalerhaltung ist daher wenig zielführend. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen sowohl nur für diejenigen, die mit dem BGH unter Verweis auf die Zuordnung von § 52 AktG zum Recht der Kapitalaufbringung für eine Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen plädieren, als auch für diejenigen, die im Hinblick auf die Bezüge der Nachgründung zur Kapitalerhaltung eine Rückabwicklung nach § 62 AktG fordern. Unabhängig davon überzeugen die vom BGH im Rahmen seiner Lurgi I-Entscheidung vorgebrachten dogmatischen Argumente jedenfalls nach ARUG nicht mehr ohne Weiteres. So ist schon nicht einzusehen, warum der über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen im Bereich der Kapitalaufbringung gewährleistete Umgehungsschutz durch die Nachgründung lediglich „verlängert“ werden soll. Dies mag zwar nach wie vor in zeitlicher Hinsicht gelten. Allerdings gewährleistet § 52 AktG in Gestalt des kapitalrechtlichen Umgehungsaspekts und des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts einen völlig eigenständigen, über die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen hinausgehenden Schutz. Hinzu kommt, dass die Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Nachgründungsverfahren nun qualitativ über die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen hinausgehen und somit ein vergleichsweise höheres Schutzniveau vermitteln. Infolgedessen kann auch nicht 710 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 44. Dazu ausführlich oben Kapitel 10, Ziff. III. 2., S. 247 ff. 711 Zur dogmatischen Neubewertung siehe oben Kapitel 7, Ziff. II, S. 149 ff.

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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(mehr) davon ausgegangen werden, dass die Nachgründung keine „schärferen“ Rechtsfolgen zeitigen könne, als die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen. Es ist der ARUG-Gesetzgeber selbst, der mit der Unwirksamkeit nach § 52 Abs. 1 AktG nun für die Nachgründung strengere Rechtsfolgen anordnet, indem er die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen durch die Wirksamkeitsanordnung in § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG entschärft hat. Dieser Unterschied beider Institute auf Rechtsfolgenseite betrifft die grundlegende Frage der juristischen Existenz der betroffenen Rechtsgeschäfte. Wenn aber schon in jener Grundsatzfrage für die Nachgründung kraft Gesetzes die strengeren Rechtsfolgen gelten, dann muss dies erst recht für die Beantwortung der Folgefrage nach der bereicherungs- oder aktienrechtlichen Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsverträge gelten. Angesichts des mit ARUG zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willens, die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen und Nachgründungen unterschiedlich zu handhaben, stellt sich in Übertragung dieses Gedankens auch eine strenge Rückabwicklung von Zahlungen der Gesellschaft gemäß § 62 AktG als naheliegend und bloß konsequent dar. c) Wegfall des Bedürfnisses einer Saldierung gegenseitiger Ansprüche nach ARUG Schon diejenigen, die sich für eine Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte nach den §§ 812 ff. BGB unter Anwendung der Saldotheorie aussprechen, kommen hierbei nicht ohne Einschränkungen und Ausnahmen aus. Zum einen wird diskutiert, den originären Erwerb von Aktien dem Anwendungsbereich der Saldotheorie und der damit verbundenen Zurückdrängung des Entreicherungseinwands nach § 818 Abs. 3 AktG zu entziehen, da es sich bei der Zeichnung von Aktien um einen korporationsrechtlichen Akt und nicht um einen gegenseitigen Vertrag handele, auf den die Saldotheorie zugeschnitten sei.712 Zum anderen sei für die Saldotheorie kein Raum, wenn der Bereicherungsschuldner den Mangel des rechtlichen Grundes kennt, weil er sich dann auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen könne.713 Schon dies spricht gegen die Anwendung der §§ 812 ff. BGB mit der insoweit unpassenden Saldotheorie.714 Darüber hinaus begegnet die Saldierung aus einem weiteren Grund Bedenken. Vor ARUG wurde die Anwendung der Saldotheorie insbesondere deshalb befürwortet, um die einschneidende Unwirksamkeitsfolge verdeckter Sacheinlagen abzumildern und dergestalt die Aktionäre davor zu bewahren, neben der fortbestehenden Bareinlageverpflichtung auch noch mit der Pflicht zur kompensationslosen 712

Habersack, ZGR 2008, 49, 62, der sich jedoch im Ergebnis für die Anwendung der Saldotheorie ausspricht. 713 Habersack, ZGR 2008, 49, 63. 714 So der namentlich von Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 52 Rn. 9 geäußerte Einwand.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Rückgewähr des von der Gesellschaft geleisteten Entgelts belastet zu sein. Dies hat sich nach ARUG jedoch grundlegend geändert, da nunmehr kraft Gesetzes im Falle verdeckter Sacheinlagen gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG eine Wertanrechnung stattfindet. Insoweit ist die Saldotheorie nicht nur unpassend, sondern es besteht auch auf Seiten der Aktionäre gar kein Schutzbedürfnis mehr. Selbiges gilt erst recht im Bereich der Nachgründung. Zwar ordnet § 52 Abs. 1 AktG nach wie vor die Unwirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte an. Allerdings ist es angesichts des personellen Anwendungsbereichs der Norm schlechterdings ausgeschlossen, dass gesellschaftsfremde Dritte dem strengen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch ausgesetzt werden. Stattdessen handelt es sich bei den Geschäftspartnern der Aktiengesellschaft stets um Gründer oder Aktionäre. Es wäre dementsprechend wertungswidersprüchlich, diese Personen zwar einerseits beim Empfang von verbotenen Leistungen dem strengen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch des § 62 AktG auszusetzen, ihnen aber andererseits im Rahmen eines Nachgründungsvorgangs eine Sonderbehandlung zukommen lassen zu wollen. Für eine in der Anwendung der §§ 812 ff. BGB liegende Besserstellung nachgründender Aktionäre gegenüber der Gesellschaft besteht insoweit kein erkennbarer Anlass. Schließlich droht auch der vom BGH angesprochene Wertungswiderspruch nach ARUG nicht mehr, mit dem er die Anwendung der Saldotheorie noch maßgeblich zu rechtfertigen suchte. Im Bereich verdeckter Sacheinlagen stellen sich Rückabwicklungsfragen aufgrund der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG generell nicht mehr. Somit existiert auch die Gefahr nicht, dass die Gesellschaft im Insolvenzfall die nochmalige Einzahlung der Bareinlage vom Inferenten verlangen kann und sich auf diese Weise im wirtschaftlichen Ergebnis ungerechtfertigt bereichert. Stattdessen erfolgt gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG eine vollständige Wertanrechnung der Leistungen des Inferenten auf dessen Bareinlageverpflichtung. Auch vor dem Hintergrund der Nachgründung ergibt sich kein anderes Ergebnis. Zwar schlägt die Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG hier auf die dinglichen Erfüllungsgeschäfte durch. Indes ist die Gesellschaft lediglich berechtigt, die bereits geleisteten Zahlungen zurückzufordern, die Bareinlageverpflichtung bleibt hiervon gänzlich unberührt. Das einzige Risiko besteht für den Vertragspartner mithin darin, dass er als Gläubiger einen in seinem Eigentum verbliebenen Gegenstand von der Gesellschaft herausverlangen bzw. im Insolvenzfall aussondern könnte, sich aber im Fall eines gesetzlichen Eigentumsverlustes nach den Vorschriften der §§ 946 ff. BGB wegen seines Entschädigungsanspruchs gemäß § 951 Abs. 1 BGB auf die Quote verweisen lassen muss. Dabei handelt es sich allerdings um ein allgemeines Risiko, dem ohnehin jeder Gläubiger ausgesetzt ist. Eine darüber hinausgehende ungerechtfertigte Bereicherung auf Seiten der Gesellschaft steht nicht zu befürchten. d) Anwendung von § 62 AktG als notwendiges Gegenstück der Wertanrechnung Endlich stellt sich die Rückabwicklung von Zahlungen der Gesellschaft nach der strengen aktienrechtlichen Vorschrift des § 62 AktG sogar als notwendiges Ge-

Kap. 10: Der Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG

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genstück zur Wirksamkeitsfolge und der damit einhergehenden Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AktG dar. Dies zeigt sich insbesondere anhand des gemeinsamen Anwendungsbereichs von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung, wenn und soweit der Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG Vorrang eingeräumt wird.715 Ließe man hier eine Saldierung gegenseitiger Ansprüche nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu, würde im Ergebnis – trotz der Unwirksamkeit des Nachgründungsgeschäfts – faktisch eine Wertanrechnung stattfinden. Diese wäre zwar nicht auf die Bareinlageverpflichtung bezogen, sehr wohl allerdings in Hinblick auf die rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen der Gesellschaft. Namentlich die Konkurrenzlösung der herrschenden Literaturmeinung will aufgrund des weitergehenden Normzwecks der Nachgründung aber gerade deren Unwirksamkeitsfolge Vorrang einräumen. Sie spricht sich dementsprechend gegen die Wirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte und die damit einhergehende Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AktG aus. Dieser Ansatz würde jedoch teilweise wieder entwertet, wenn nun die im Vergleich zur Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG wesentlich strengere Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG im Nachgang wieder markant abgeschwächt würde. Nichts anderes gilt insoweit für die hier vertretene modifizierte Konkurrenzlösung. Auch aus diesem Grund sind unter Verstoß gegen § 52 AktG erfolgte Zahlungen der Gesellschaft nach § 62 AktG rückabzuwickeln.

IV. Fazit Grundsätzlich stehen sich nach ARUG die Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einerseits und die (schwebende) Unwirksamkeit des § 52 Abs. 1 AktG andererseits gegenüber. Zu einem Rechtsfolgenkonflikt kommt es jedoch nur, wenn und soweit insgesamt zwei Voraussetzungen gegeben sind. Zum einen muss im konkreten Einzelfall der gemeinsame Anwendungsbereich von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung eröffnet sein, mithin in tatbestandlicher Hinsicht eine Schnittmenge beider Rechtsfiguren vorliegen. Zum anderen muss gleichzeitig ein Verfahrensfehler vorliegen, der entweder unmittelbar das Zustimmungs- bzw. Eintragungserfordernis betrifft oder sich mittelbar über die erfolgreiche und fristgerechte Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung auswirkt. Hinsichtlich der Lösung dieses Rechtsfolgenkonflikts sind strukturell anwendungsbereichsbezogene Lösungsansätze von Konkurrenzlösungen zu unterscheiden. Erstere vermeiden über die strikte Abgrenzung der Anwendungsbereiche von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung den Rechtsfolgenkonflikt schlechterdings, während letztere die Anwendungsbereiche der Normen unangetastet lassen und den damit einhergehenden Anwendungsbereichsüberschneidungen im Rahmen der 715 Zur Konkurrenzlösung der wohl herrschenden Literaturmeinung sowie dem hier vertretenen modifizierten Lösungsansatz siehe oben Kapitel 10, Ziff. II. 2. und 3., S. 234 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Gesetzeskonkurrenz auf Rechtsfolgenseite begegnen. Die anwendungsbereichsbezogenen Lösungen einer teleologischen Reduktion von § 27 Abs. 3 AktG oder einer teleologischen Extension von § 52 AktG dürften indes unter rechtsmethodischen Gesichtspunkten kaum zu rechtfertigen sein. Überdies scheitert insbesondere eine teleologische Reduktion von § 52 AktG auf Fälle außerhalb verdeckter Sacheinlagen an Art. 11 KapRL. Doch auch die Konkurrenzlösung der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum überzeugt letztendlich nicht. Sie fußt schon im Ausgangspunkt auf einer starren dogmatischen Einordnung der Nachgründung zum Kapitalaufbringungsschutz, die sich als unzutreffend erwiesen hat. Darüber hinaus ist dieser Lösungsansatz insbesondere nicht in der Lage, die mit der Reform durch das ARUG in § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG getroffene gesetzgeberische Wertung bezüglich verdeckter Sacheinlagen angemessen zu berücksichtigen. Faktisch hat eine derartige Lösung des Rechtsfolgenkonflikts zudem eine Reduktion des Anwendungsbereichs von § 27 Abs. 3 AktG auf Fälle außerhalb von § 52 AktG zur Folge und kommt damit im Ergebnis den anwendungsbereichsbezogenen Lösungsansätzen nahe. Stattdessen ist eine modifizierte Konkurrenzlösung zu präferieren. Sie findet ihre rechtsdogmatische Grundlage in der im zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung entwickelten Neubestimmung der Nachgründungsvorschriften – und der Unterscheidung zwischen einem kapitalrechtlichen Umgehungsaspekt einerseits und einem kompetenzrechtlichen Kontrollaspekt andererseits. Liegen daher tatbestandlich sowohl eine verdeckte Sacheinlage als auch eine Nachgründung vor und wurde kein ordnungsgemäßes Nachgründungsverfahren gemäß § 52 AktG durchgeführt, richtet sich die Auflösung des Rechtsfolgenkonflikts maßgeblich nach dem nachweisbaren Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands. Die Nachgründung ist mithin nur dann lex specialis gegenüber der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlagen, wenn und soweit der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet. In diesem Fall ist der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsfolge nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einzuräumen. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands der Höhe der Bareinlage entspricht oder diese übersteigt. Dann erscheint das Eingreifen der strikten Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG im Falle eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Nachgründungsverfahrens nach Sinn und Zweck der Norm als unpassend, so dass eine Spezialität ausscheiden muss und § 52 AktG ausnahmsweise durch eine teleologische Reduktion auf Rechtsfolgenseite zugunsten der Wirksamkeitsanordnung verdeckter Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG der Korrektur bedarf. Während besagte Wirksamkeitsanordnung nach ARUG zur Folge hat, dass es einer Rückabwicklung verdeckter Sacheinlagen nicht mehr bedarf, stellt sich die Frage nach der Rückabwicklung unwirksamer Nachgründungsgeschäfte unverändert. Die (mittlerweile) herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht von einer Rückabwicklung nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB aus. Indes sprechen nach hier vertretener Ansicht die besseren Ar-

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

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gumente für eine Rückabwicklung von Zahlungen der Gesellschaft an Gründer, Aktionäre oder an diesen zuzurechnende Dritte unter Anwendung von § 62 AktG als spezifischem aktienrechtlichen Rückgewähranspruch, wie sie nach wie vor in Teilen des Schrifttums vertreten wird. So erweist sich der pragmatische Grundgedanke einer Vereinheitlichung der Rückabwicklung von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung, den der BGH seiner Lurgi I-Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt hat, jedenfalls nach ARUG als unzutreffend. Auch die diesbezüglich vom BGH geführte Argumentation sieht sich durch die geänderte Ausgangslage überholt. Schließlich ist das Bedürfnis einer Saldierung gegenseitiger Ansprüche von Gesellschaft und Vertragspartner über Anwendung der Grundsätze der Saldotheorie nach ARUG entfallen, da die ehemals einschneidende Unwirksamkeitsfolge verdeckter Sacheinlagen keiner Abmilderung mehr bedarf und die Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG zwar das Nachgründungsgeschäft betrifft, nicht aber die originäre Bareinlagepflicht des Inferenten. Endlich stellt sich die Anwendung von § 62 AktG als notwendiges Gegenstück der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG dar, um die strikte Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung nicht durch die – einer Wertanrechnung nahe kommenden – Grundsätze der Saldotheorie nachträglich zu entwerten. Kapitel 11

Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG – Relevanz der Nachgründung? Eine weitere – vor ARUG intensiv diskutierte – Problematik im Verhältnis zwischen verdeckter Sacheinlage und Nachgründung stellt die Möglichkeit einer Heilung verdeckter Sacheinlagen im Wege der ordnungsgemäßen Durchführung des Nachgründungsverfahrens dar. Die Untersuchung dieser Frage des Verhältnisses beider Rechtsfiguren im weiteren Sinne ist Gegenstand dieses Kapitels. Hierzu soll zunächst in der gebotenen Kürze die Heilungsproblematik dargestellt werden, wie sie sich für verdeckte Sacheinlagen noch vor ARUG stellte (I.). Anschließend ist zu untersuchen, ob es einer „Heilung“ verdeckter Sacheinlagen angesichts der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG überhaupt noch bedarf und inwieweit § 52 AktG hierbei von Relevanz ist bzw. sein kann (II.).

I. Rückblick: Heilungsproblematik vor ARUG Vor ARUG stellte § 27 Abs. 4 AktG a. F. ausdrücklich klar, dass nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister die Unwirksamkeit einer nach § 27 Abs. 3 AktG a. F. unwirksamen Sacheinlage- oder Sachübernahmeverpflichtung nicht durch

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Satzungsänderung geheilt werden konnte. Parallel dazu statuierte § 52 Abs. 10 AktG a. F., dass ein Vertrag nach § 52 Abs. 1 AktG, unabhängig davon, ob er vor oder nach Ablauf von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen wurde, nicht deshalb unwirksam ist, weil ein Vertrag der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 3 AktG a. F. der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. Hieraus ergaben sich Unklarheiten hinsichtlich der Relevanz der Nachgründungsvorschriften für die Heilung verdeckter Sacheinlagen.

1. Heilung vor der Eintragung Unstreitig war insoweit, dass mangelnde oder fehlerhafte Festsetzungen jedenfalls vor der Eintragung durch Satzungsänderung korrigiert werden konnten.716 Dies war durch Abänderung der Bareinlageverpflichtung in die Pflicht zur Erbringung einer Sacheinlage in der Form des § 23 AktG unproblematisch möglich.

2. Heilung nach der Eintragung Im Gegensatz dazu scheiterte nach der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister eine Heilung durch Satzungsänderung an § 27 Abs. 4 AktG a. F., da andernfalls die Gründungskontrolle durch das Registergericht unterlaufen werden konnte. Aufgrund der gravierenden Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage, namentlich des Fortbestehens der Bareinlageverpflichtung und der Nichtigkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte, wurde in der Literatur ein großes praktisches Bedürfnis nach einer Heilung erkannt.717 Als (theoretisch) gangbare Heilungsmöglichkeit war zunächst allgemein anerkannt, dass die Gesellschaft ihr Grundkapital herabsetzen, um den Gründer hierdurch von seiner Einlagepflicht zu befreien, und anschließend eine Sachkapitalerhöhung gegen Einbringung des betreffenden Gegenstands vornehmen konnte.718 Allerdings war eine solche Kombination von Kapitalherabsetzung

716 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 27 Rn. 38; Hüffer, AktG, 8. Auflage 2008, § 27 Rn. 31; Kraft, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 2. Auflage 1988, § 27 Rn. 94; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2008, § 27 Rn. 81; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: § 1 – 178, 1. Auflage 2007, § 27 Rn. 164. 717 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 178, 1. Auflage 2007, § 27 Rn. 165; Röhricht, in: Großkommentar, AktG, Erster Band: §§ 1 – 53, 4. Auflage 2004, § 27 Rn. 215. 718 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2008, § 27 Rn. 82; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 27 Rn. 39; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 178, 1. Auflage 2007, § 27 Rn. 170; Lutter/ Gehling, WM 1989, 1445, 1454.

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

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und anschließender Sachkapitalerhöhung äußerst umständlich und daher kaum praktikabel.719 Deshalb wurden anderweitige Heilungsmöglichkeiten diskutiert. a) Herrschende Meinung: Heilung analog § 52 AktG Die wohl herrschende Meinung im Schrifttum sprach sich vor ARUG dafür aus, dass eine Heilung unwirksamer Sacheinlage- oder Sachübernahmevereinbarungen im Wege der Nachgründung analog § 52 AktG erfolgen kann.720 Hierzu musste das Erwerbsgeschäft unter Beachtung der Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 bis 8 AktG durchgeführt werden. Erforderlich sei im Einzelnen ein Beschluss der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit, die Wertprüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen, zusätzlich die Abgabe einer Wertgarantie durch den Inferenten sowie die Einreichung des Gesamtvorgangs zu den Registerakten; maßgeblich sei der Zeitwert der Sacheinlage im Zeitpunkt der Heilung.721 Diese Heilungsmöglichkeit sollte sogar unabhängig vom sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Nachgründung bestehen, also auch außerhalb der Wertgrenze von 10 % des Grundkapitals, außerhalb der Zweijahresfrist sowie im Rahmen einer Kapitalerhöhung.722 Ferner sollte diese Heilungsmöglichkeit selbst bei unwirksamen Sachübernahmevereinbarungen mit Dritten gelten, obwohl diese nach Neufassung von § 52 Abs. 1 AktG durch das NaStraG nicht mehr von den Nachgründungsvorschriften erfasst sind.723 Hiergegen wurde eingewandt, dass die Voraussetzungen einer Analogie nicht vorliegen.724 Zudem lasse § 52 Abs. 10 AktG a. F. die Bareinlageverpflichtung unberührt und erlaube bei Beachtung der dort aufgestellten Anforderungen allein die Neuvornahme des nach § 27 Abs. 3 AktG a. F. unwirksamen Rechtsgeschäfts.725

719

So schon der zutreffende Hinweis von Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1454; Röhricht, in: Großkommentar, AktG, Erster Band: §§ 1 – 53, 4. Auflage 2004, § 27 Rn. 217. 720 Hüffer, AktG, 8. Auflage 2008, § 27 Rn. 31; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4: Aktiengesellschaft, 3. Auflage 2007, § 16 Rn. 37; Kraft, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 2. Auflage 1988, § 27 Rn. 95; Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1455 ff.; Ulmer, ZHR 154 (1990), 128, 143 f.; im Ergebnis Joost, ZIP 1990, 549, 562; Priester, DB 1990, 1753 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 20. 04. 2006 – Az. 6 U 120/05 = AG 2007, 242, 245. 721 Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1455 f. 722 Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1455. 723 So noch Hüffer, AktG, 8. Auflage 2008, § 52 Rn. 21; a. A.: Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 171 f. 724 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 27 Rn. 40. 725 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2008, § 27 Rn. 83.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

b) Gegenauffassung: Heilung nach Grundsätzen des BGH zum GmbH-Recht Im Gegensatz dazu plädierte eine im Vordringen befindliche Auffassung für eine Heilung nach den vom BGH zum GmbH-Recht726 entwickelten Grundsätzen.727 Im Kern stellte der BGH für das GmbH-Recht folgende Heilungsvoraussetzungen auf: - ein mit satzungsändernder Mehrheit gefasster Gesellschafterbeschluss mit dem Inhalt, dass die im Einzelnen aufzuführenden Gesellschafter die von ihnen übernommenen Einlagen statt in Geld durch Erbringung einer Sacheinlage erfüllen, - ein Vertrag über die Einbringung des Vermögensgegenstands, mit dem die Einlageverpflichtung anstelle der Bareinlage erfüllt werden soll, - ein Bericht über die Änderung der Einlagendeckung von der Bar- zur Sacheinlage, erstattet und unterzeichnet von allen Geschäftsführern und den von der Änderung betroffenen Gründern, - eine von einem Wirtschaftsprüfer testierte Bilanz zum Nachweis der Vollwertigkeit der einzubringenden Forderung bzw. des Vermögensgegenstands, - die Anmeldung des Gesellschafterbeschlusses zur Eintragung in das Handelsregister, unter Vorlage des Berichts der Geschäftsführer und Gesellschafter, der testierten Bilanz und der Einbringungsverträge sowie einer Versicherung der Geschäftsführer über die Werthaltigkeit. Übertragen auf das Aktienrecht sollten demzufolge ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss, ein Einbringungsvertrag über den Einlagegegenstand, eine Werthaltigkeitsprüfung durch einen externen Prüfer sowie die Anmeldung zum Handelsregister notwendige Heilungsvoraussetzungen sein.728 Umstritten war insoweit allerdings das Bestehen von Berichtspflichten. Teilweise wurde jegliche Berichtspflicht abgelehnt.729 Teilwiese wurde von einer Berichtspflicht in Form eines Sacheinlageberichts nach § 32 AktG durch den betroffenen Gründer sowie einer internen Prüfung nach §§ 33 ff., 183 Abs. 3 AktG durch Vorstand und Auf-

726 BGH, Beschl. v. 04. 03. 1996 – Az.: II ZB 8/95 = BGHZ 132, 141, 150 ff. = NJW 1996, 1473 ff. Ferner BGH, Versäumnisurt. v. 07. 07. 2003 – Az.: II ZR 235/01 = BGHZ 155, 329 ff. = ZIP 2003, 1540 ff. 727 Groß, GmbHR 1996, 721, 726 f.; Röhricht, in: Großkommentar, AktG, Erster Band: §§ 1 – 53, 4. Auflage 2004, § 27 Rn. 219; Priester, in: Großkommentar, AktG, Erster Band: §§ 1 – 53, 4. Auflage 2004, § 52 Rn. 108 f. und K. Schmidt, GesR, 4. Auflage 2002, § 29 II 1 c bb, S. 889 f. als „Satzungsänderung eigener Art“; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 178, 1. Auflage 2007, § 27 Rn. 166; so im Ergebnis auch Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 228 ff. durch „Rechtsfortbildung contra legem“. 728 Ausführlich dazu bei Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 216 ff. 729 Groß, GmbHR 1996, 721, 727.

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

261

sichtsrat ausgegangen.730 Schließlich wurde in Anlehnung an den für den Bezugsrechtsausschluss geltenden § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG für eine ausschließliche Berichtspflicht des Vorstands plädiert, ohne dass es der Beteiligung des betroffenen Inferenten oder des Aufsichtsrats bedürfe.731 Die Übertragung dieser Heilungsmöglichkeit auf das Aktienrecht wurde im Wesentlichen damit begründet, dass für eine Ungleichbehandlung von GmbH und Aktiengesellschaft kein sachlicher Grund bestehe. Die vom BGH für die Heilung einer verdeckten Sacheinlage entwickelte „qualifizierte Satzungsänderung“ erfülle die gleichen hohen Anforderungen an Publizität und Gläubigerschutz wie eine ursprünglich ordnungsgemäße Sachgründung bzw. -kapitalerhöhung.732 Dagegen wurde wiederum eingewandt, die Unwirksamkeit einer Sacheinlage könne nach den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 27 Abs. 4, 183 Abs. 2 Satz 4 AktG a. F. gerade nicht durch Satzungsänderung geheilt werden.733 c) Andere Ansicht: Neuvornahme i. R. v. § 52 AktG ohne Wirkung auf die Einlageverpflichtung Eine dritte Ansicht lehnte vor ARUG schließlich jede der diskutierten Möglichkeiten zur Heilung verdeckter Sacheinlagen ab.734 Zwar soll auch nach dieser Auffassung die Neuvornahme des Rechtsgeschäfts analog § 52 AktG ungeachtet der tatbestandlichen Beschränkungen der Norm (Zweijahresfrist, Begrenzung auf 10 % des Grundkapitals) zulässig sein.735 Allerdings wird insoweit lediglich der Weg eröffnet, die Einlage zur Zahlung des zu erwerbenden Gegenstands zu verwenden und hierdurch den ursprünglich beabsichtigten wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen.736 An der Unwirksamkeit des ursprünglichen Verkehrsgeschäfts ändert sich

730

Röhricht, in: Großkommentar, AktG, Erster Band: §§ 1 – 53, 4. Auflage 2004, § 27 Rn. 219; Priester, in: Großkommentar, AktG, Erster Band: §§ 1 – 53, 4. Auflage 2004, § 52 Rn. 109. 731 Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 221 ff. 732 Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 178, 1. Auflage 2007, § 27 Rn. 166. 733 Hüffer, AktG, 8. Auflage 2008, § 27 Rn. 31; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 27 Rn. 40; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4: Aktiengesellschaft, 3. Auflage 2007, § 16 Rn. 37; Krieger, ZGR 1996, 674, 691. 734 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 27 Rn. 39 f.; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2008, § 27 Rn. 82 f.; so im Ergebnis wohl auch Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 172. 735 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 27 Rn. 58; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2008, § 27 Rn. 107 (teleologische Extension). 736 Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2008, § 27 Rn. 82.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

nichts, auch die Verpflichtung des Gründers zur Leistung einer Bareinlage bleibt bestehen.737 Insoweit besteht in der Anwendung von § 52 AktG zwar durchaus eine Parallele zur herrschenden Meinung. Allerdings ist die „Heilungswirkung“ im Gegensatz zur herrschenden Meinung nur auf die Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte beschränkt und erstreckt sich insbesondere nicht auf die Sacheinlage- bzw. Sachübernahmevereinbarung. d) BGH-Rheinmöve Kurz vor der Reform durch das ARUG bekam der BGH in seiner RheinmöveEntscheidung vom 18. Februar 2008 die Gelegenheit, sich für das Aktienrecht zur Heilungsproblematik zu positionieren. Auf recht apodiktische Weise judizierte der BGH, dass die Vorschrift des § 52 Abs. 10 AktG a. F. nicht etwa eine verdeckte Sacheinlage bei einer Kapitalerhöhung legitimiere, sondern lediglich klarstelle, dass ein bei einer Gründung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG (a. F.) unwirksam abgeschlossenes Geschäft im Rahmen des § 52 AktG wirksam neu abgeschlossen werden könne.738 Daraus wurde geschlussfolgert, dass auch für den Fall einer verdeckten Sacheinlage die Wahrung des von einer abstrakteren Norm geforderten Verfahrens nach § 52 AktG kaum zur Heilung der Verletzung einer konkreteren Norm führen könne.739 De lege lata bleibe damit als realistische Möglichkeit zur „Heilung“ einer verdeckten Sacheinlage lediglich die Neuvornahme des Geschäfts nach vorheriger nochmaliger Erfüllung der Einlagepflicht.740

3. Stellungnahme Unter Berücksichtigung der vor ARUG geltenden Rechtslage bleibt festzuhalten, dass eine Heilung verdeckter Sacheinlagen jedenfalls vor Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister unproblematisch durch eine Satzungsänderung möglich war. Diese Vorgehensweise war jedoch aufgrund von § 27 Abs. 4 AktG a. F. nach der Eintragung zwingend ausgeschlossen. Die außerhalb der Satzung (verdeckt) getroffene Sacheinlage- bzw. Sachübernahmevereinbarung war demnach ebenso unwirksam, wie die darauf basierenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte. Die insoweit diskutierten Heilungsmöglichkeiten über § 52 AktG analog bzw. nach den vom BGH für das GmbH-Recht entwickelten Grundsätzen sind ersichtlich von dem Bemühen getragen, die als zu hart empfundenen Rechtsfolgen 737

Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage 2008, § 27 Rn. 58. BGH, Urt. v. 18. 02. 2008 – Az.: II ZR 132/06 – „Rheinmöve“ = ZIP 2008, 788, 789 Tz. 12. Ausführlich dazu oben Kapitel 5, Ziff. II. 2. lit. b), S. 112 f. 739 Böttcher, NZG 2008, 416, 418. 740 Schäfer, in: FS Hüffer, 2010, S. 863, 865. 738

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

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verdeckter Sacheinlagen im Aktienrecht abzumildern. Im Ergebnis vermochte jedoch keiner der diskutierten Lösungsvorschläge vollends zu überzeugen. Dies betrifft zum einen das Vorliegen der Analogievoraussetzungen für eine Heilung analog § 52 AktG. So ist nur schwer dogmatisch begründbar, warum die Wirksamkeit der Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte nach § 52 AktG im Rahmen der Analogie auf die unwirksame Sacheinlage- bzw. Sachübernahmevereinbarung erstreckt werden soll. Zum anderen begegnete auch die Heilung nach den vom BGH für das GmbH-Recht entwickelten Grundsätzen aufgrund der zwingenden gesetzlichen Vorschriften der §§ 27 Abs. 4, 183 Abs. 2 Satz 4 AktG a. F. nicht unerheblichen Bedenken. Die Übertragung der Heilungsvoraussetzungen auf das Aktienrecht rief zudem neue Zweifel hervor, etwa in Bezug auf bestehende Berichtspflichten. Am stimmigsten erschien daher noch die Möglichkeit einer wirksamen Neuvornahme der betreffenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte im Rahmen von § 52 AktG, freilich ohne dass damit eine Heilung der unwirksamen (verdeckten) Sacheinlagebzw. Sachübernahmevereinbarung verbunden gewesen wäre. Eine vollständige „Heilung verdeckter Sacheinlagen“ ließ sich demzufolge auch nicht durch die Beachtung der Nachgründungsvorschriften erreichen. Dieses Ergebnis konnte sich durch die Entscheidung des BGH in Sachen Rheinmöve im Wesentlichen bestätigt sehen. Vor ARUG war damit aus Sicht der Rechtspraxis fraglicher denn je, ob bzw. wie eine Heilung verdeckter Sacheinlage nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zu bewerkstelligen war. Dies kann im Ergebnis jedoch dahinstehen, da sich die Heilungsproblematik – jedenfalls wie sie vor ARUG noch diskutiert wurde – aufgrund der Streichung der §§ 27 Abs. 4, 52 Abs. 10 AktG a. F. nach aktueller Gesetzeslage ohnehin nicht mehr stellt.

II. „Heilung“ verdeckter Sacheinlagen nach ARUG Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend untersucht werden, ob und in welchem Umfang nach ARUG eine Heilung verdeckter Sacheinlagen, das heißt von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften einerseits sowie von Sacheinlage- bzw. Sachübernahmevereinbarung andererseits, noch erforderlich ist und welche Bedeutung den Nachgründungsvorschriften insoweit zukommt.

1. Heilungsverfahren in Anlehnung an das GmbH-Recht – keine Relevanz von § 52 AktG Im Schrifttum wird nach ARUG überwiegend davon ausgegangen, dass eine Heilung verdeckter Sacheinlagen in Anlehnung an das GmbH-Recht durchzuführen sei; das Nachgründungsverfahren gemäß § 52 AktG soll nach neuer Rechtslage ohne

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Bedeutung sein.741 Zudem beschränke sich die Bedeutung der Umwandlung der Barin eine Sacheinlage auf die Beweislastverteilung bei einem späteren Streit über die Werthaltigkeit des zugeführten Vermögensgegenstands, indem die Beweislastumkehr nach § 27 Abs. 3 Satz 5 AktG entfallen soll; zur Beseitigung einer zivil- oder strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG) wegen etwaiger falscher Angaben bei der Anmeldung führe die Heilung aber nicht.742 Zur Begründung wird auf den Willen des Gesetzgebers verwiesen. Der Bundesgerichtshof habe für die Rechtslage bei der GmbH entschieden, dass eine Bareinlage nachträglich in eine Sacheinlage umgewandelt werden kann, wenn die Einlagendeckung durch satzungsändernden Mehrheitsbeschluss entsprechend geändert und die ursprünglich unterbliebene Werthaltigkeitsprüfung nun nachgeholt wird.743 Zwar sei bisher ungeklärt, ob diese Rechtsprechung auf das Aktienrecht übertragbar ist. Allerdings sei vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung der bisherige § 27 Abs. 4 AktG a. F. obsolet geworden und könne deswegen ersatzlos entfallen. Hiermit bezweckte der Gesetzgeber ausdrücklich, dass die „Rechtslage bei GmbH und AG harmonisiert“ wird.744 Sind beide Rechtfiguren verwirklicht, müssen für eine Heilung sowohl die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 52 AktG vorliegen als auch die spezifischen Heilungsvoraussetzungen für verdeckte Sacheinlagen erfüllt sein.745 Da sich das Heilungsverfahren weitgehend mit dem Nachgründungsverfahren decke, spreche in organisatorischer Hinsicht nichts dagegen, die einzelnen Schritte beider Verfahren (Beschlussfassung, Werthaltigkeitsprüfung, Anmeldung, registergerichtliche Prüfung und Eintragung) gemeinsam durchzuführen.746 Fehlt es bei gleichzeitigem Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage und einer Nachgründung an der Einhaltung der Nachgründungskautelen, soll sogar die in § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG vorgesehene Anrechung des Wertes der verdeckt eingelegten 741 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 922; Bayer/Schmidt, ZGR 2009, 805, 828 f.; Lieder, ZIP 2010, 964, 970 ff.; Hüffer/Koch, AktG, 15. Auflage 2021, § 27 Rn. 46; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 89 ff. und § 52 Rn. 54; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 122; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 42. 742 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 922; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 123. 743 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36. 744 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36. 745 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 54; so auch Lieder, ZIP 2010, 964, 971, der beim Zusammentreffen beider Rechtsfiguren erfordert, dass deren Voraussetzungen „kumulativ“ gegeben sein müssen. Im Ergebnis wohl auch Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 59 f., der insoweit vom Erfordernis einer „Doppelheilung“ ausgeht. 746 Lieder, ZIP 2010, 964, 971 f.; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 54. Zu den Einzelheiten des Heilungsverfahrens siehe sogleich unten Kapitel 11, Ziff. II. 3. lit. b), S. 268 ff.

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

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Sacheinlage scheitern, da diese nach § 52 Abs. 1 AktG ja noch gar nicht wirksam in die Gesellschaft eingelegt wurde.747

2. Rechtspolitische und -dogmatische Kritik Vereinzelt wird für das Aktienrecht Kritik an der Heilung verdeckter Sacheinlagen nach den vom BGH für das GmbH-Recht entwickelten Heilungsmodalitäten geübt. Aus rechtspolitischer Sicht wird kritisiert, dass die registergerichtliche Kapitalaufbringungskontrolle durch die Neuregelung der verdeckten Sacheinlage und gleichzeitige Zulassung der Heilung nach alter (GmbH-rechtlicher) Art ihre präventive Funktion weitgehend verliere.748 Rechtsdogmatisch lasse die Gesetzesbegründung offen, wie die Heilung auf der Grundlage des neuen Rechts zu vollziehen sei; insbesondere die Annahme des Gesetzgebers, es könne nahtlos an die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zur Heilung im GmbH-Recht angeknüpft werden, sei irrig.749

3. Stellungnahme a) Grundsatzkritik und Ergebnis de lege lata Das praktische Bedürfnis einer Heilung verdeckter Sacheinlagen dürfte nach ARUG vergleichsweise gering sein, da der Inferent aufgrund der Anrechnungslösung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG in den seltensten Fällen ernsthaft Gefahr läuft, die in der Satzung der Gesellschaft festgesetzte Bareinlage erneut vollständig leisten zu müssen. Verdeckte Sacheinlagen sind vor diesem Hintergrund allenfalls noch mit Beweisschwierigkeiten beim Nachweis der Werthaltigkeit des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands nach § 27 Abs. 3 Satz 5 AktG verbunden. Hierin erschöpft sich im Wesentlichen auch die praktische Bedeutung der Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG. Trotzdem ist die Heilungsproblematik nach wie vor mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden. Dies gilt insbesondere dann, wenn zusätzlich die Nachgründungstatbestandsmerkmale erfüllt sind.

747 Ausdrücklich Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 60; im Ergebnis wohl auch Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 53 und Lieder, ZIP 2010, 964, 969 f., die der Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG Vorrang gegenüber der Anrechnung nach § 27 Abs. 3 AktG einräumen. 748 Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 205 a. E. 749 Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 206.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

aa) Gegenstand und Umfang der „Heilung“ nach ARUG Schon die schlagwortartige Bezeichnung der gesamten Problematik als „Heilung verdeckter Sacheinlagen“ ist einigermaßen irreführend. Sie verstellt den Blick auf die zugrundeliegenden Gegenstände und den Umfang der erforderlichen „Heilung“. Wie erinnerlich stellt sich die Rechtslage nach ARUG so dar, dass gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG sämtliche Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte wirksam sind, obwohl sie eine verdeckte Sacheinlage zum Gegenstand haben. Nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG ist sodann der Wert des (verdeckt) eingebrachten Vermögensgegenstands auf die (formal) vereinbarte Bareinlageverpflichtung anzurechnen. Unabhängig davon ordnet § 52 Abs. 1 AktG bei Vorliegen des Nachgründungstatbestands an, dass ohne die Zustimmung der Hauptversammlung und die Eintragung in das Handelsregister sowohl Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäft (schwebend) unwirksam sind. Vor diesem Hintergrund geht es bei der „Heilung“ verdeckter Sacheinlagen nach ARUG nicht mehr darum, etwaigen Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäften unter gewissen Voraussetzungen zu ihrer Wirksamkeit zu verhelfen, sondern einzig um die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur der Satzung der Aktiengesellschaft. Die Heilungsproblematik nach ARUG betrifft daher bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer verdeckten Sacheinlage zunächst die Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage. Gegenstand der „Heilung“ ist demnach die formale Bareinlagevereinbarung in der Satzung der Aktiengesellschaft, an deren Stelle eine Sacheinlage- oder Sachübernahmevereinbarung treten soll. Es handelt sich mithin um eine Heilung verdeckter Sacheinlagen i. S. v. Umwandlung der Barin eine Sacheinlage. Die durch die formale Bareinlageverpflichtung verdeckte bzw. verschleierte Sacheinlage wird hierdurch zur offenen Sacheinlage. Liegen sowohl die Tatbestandsmerkmale einer verdeckten Sacheinlage als auch diejenigen der Nachgründung vor, stellt sich zusätzlich die Frage, wie mit den unter Umständen divergierenden Rechtsfolgen nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG (Wirksamkeit) und § 52 Abs. 1 AktG (schwebende Unwirksamkeit) umzugehen ist. Betroffen hiervon ist zunächst die Frage nach der Wirksamkeit der betreffenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte. Diese wurde bereits im Rahmen des Rechtsfolgenkonflikts ausführlich behandelt und einer überzeugenden Lösung zugeführt.750 Relevant wird diese Problematik nun abermals in Bezug auf die daran anknüpfende Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG. Es handelt sich somit um die Kehrseite einer Medaille. Gegenstand einer etwaigen „Heilung“ können indes allenfalls die nach § 52 Abs. 1 AktG (schwebend) unwirksamen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte sein. Derweil kann es sich in diesem Fall bereits a limine nicht um die Heilung verdeckter Sacheinlagen handeln, da die Unwirksamkeit gerade nicht aus § 27 Abs. 3 AktG, sondern vielmehr aus einem Verstoß gegen die Nachgründungsvorschriften resultiert. Es stellt sich daher die Heilungsproblematik i. S. v. 750

Siehe oben Kapitel 10, Ziff. II. 3., S. 239 ff.

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

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Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob die (schwebende) Unwirksamkeitsfolge gemäß § 52 Abs. 1 AktG auf die Wertanrechnung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG „durchschlägt“. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die von Heidinger gebrauchte Bezeichnung als „Doppelheilung“751 missglückt. Zwar kommt hierdurch relativ plastisch zum Ausdruck, dass die Konstellation sowohl unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Sacheinlage als auch unter demjenigen der Nachgründung problematisch ist. Allerdings sind die Gegenstände der vermeintlichen „Heilung“ gerade nicht identisch, da es sich zum einen um die Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage und zum anderen um die Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG handelt. Heilungsgegenstand ist im ersten Fall die formale Bareinlagevereinbarung, im zweiten Fall sind es die nach § 52 Abs. 1 AktG (schwebend) unwirksamen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte. bb) Zirkelschluss des Gesetzgebers Zu folgen ist derweil der rechtspolitischen und -dogmatischen Kritik von Heidinger/Benz an der Gesetzesbegründung zur Heilungsproblematik.752 Schon die Argumentation des Gesetzgebers mutet insoweit befremdlich an. Zu Beginn seiner Ausführungen geht der Gesetzgeber noch selbst davon aus, dass die Übertragung der Rechtsprechung des BGH auf das Aktienrecht bisher ungeklärt sei, insbesondere weil dem der Wortlaut des § 27 Abs. 4 AktG (a. F.) entgegenstehe.753 Unmittelbar darauf begründet er jedoch unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Recht, dass die bisherige Regelung in § 27 Abs. 4 AktG a. F. entfallen könne. Diese Argumentationsweise ist ersichtlich zirkulär, da der Gesetzgeber aus der vorhandenen BGH-Rechtsprechung zum GmbH-Recht schlussfolgert, dass § 27 Abs. 4 AktG a. F. entfallen könne und hiermit wiederum die Übertragbarkeit der vom BGH entwickelten Heilungsgrundsätze auf das Aktienrecht begründet. Dergestalt wird die Übertragbarkeit stillschweigend vorausgesetzt und folglich das Ergebnis zu dessen eigener Begründung herangezogen. Dogmatisch überzeugend ist diese Vorgehensweise jedenfalls nicht. Darüber hinaus verweist der Gesetzgeber für das Aktienrecht bloß pauschal auf die bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze. Dies ist gleich in zweifacher Hinsicht kritikwürdig, da die vom BGH originär entwickelten Heilungsgrundsätze zum einen auf das GmbH-Recht zugeschnitten sind und zum anderen noch zum GmbHG vor der Reform durch das MoMiG entwickelt wurden. Der Gesetzgeber reflektiert in diesem Zusammenhang weder deren Übertragbarkeit auf das Aktienrecht noch auf die 751

Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 60. Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 205 ff. 753 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13098, S. 36. 752

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

grundlegend geänderte Rechtslage nach MoMiG bzw. ARUG. Daher ist die Gesetzesbegründung in diesem Punkt insgesamt wenig durchdrungen. cc) Zwischenergebnis de lege lata Wenngleich die Gesetzesbegründung im Ergebnis nicht überzeugt, so bleibt dennoch festzuhalten, dass jedenfalls eine Harmonisierung der Rechtslage bei GmbH und AG dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers entspricht. Folglich ist de lege lata grundsätzlich davon auszugehen, dass nach ARUG mit dem Entfallen von § 27 Abs. 4 AktG a. F. eine Übertragung des vom BGH für das GmbH-Recht entwickelten Heilungsverfahrens auf das Aktienrecht möglich ist. Dies deckt sich jedenfalls im Ausgangspunkt mit dem im Schrifttum befürworteten Heilungsverfahren nach ARUG in Anlehnung an das GmbH-Recht. Allerdings hat die Untersuchung von Gegenstand und Umfang der insoweit erforderlichen „Heilung“ ergeben, dass hierbei eine weitere Differenzierung danach erforderlich ist, ob nur eine verdeckte Sacheinlage i. S. v. § 27 Abs. 3 AktG vorliegt oder zusätzlich auch der Nachgründungstatbestand i. S. v. § 52 Abs. 1 AktG erfüllt ist.754 b) Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG – ergänzende Heranziehung von § 52 AktG Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend untersucht werden, wie das Heilungsverfahren im Einzelnen durchzuführen ist. Dies betrifft zunächst den Fall, dass ausschließlich eine verdeckte Sacheinlage vorliegt. Mithin handelt es sich um die Heilung einer verdeckten Sacheinlage im Sinne der Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage. Unabhängig davon sind die Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte grundsätzlich wirksam, gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG. aa) Hauptversammlungsbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit Zunächst bedarf es eines mit satzungsändernder Mehrheit gefassten Beschlusses der Hauptversammlung, in dem der Inferent und der geleistete Vermögensgegenstand konkret bezeichnet sowie die Anrechnung auf die Bareinlageverpflichtung ex nunc festgestellt und gebilligt werden.755 Das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses mit satzungsändernder Mehrheit deckt sich grundsätzlich mit dem Zustimmungserfordernis im Rahmen des 754

Dazu im Anschluss unten Kapitel 11, Ziff. II. 3. lit. b) und c), S. 268 ff. bzw. 273 ff. Lieder, ZIP 2010, 964, 971; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 90; Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 208; Herrler/Reymann, DNotZ, 2009, 914, 922; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 124; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 42. 755

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Nachgründungsverfahrens. Gemäß § 52 Abs. 5 Satz 1 AktG bedarf der Beschluss der Hauptversammlung einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Dies entspricht im Wortlaut sogar exakt derjenigen Regelung des § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG. Derweil erschöpfen sich die Nachgründungsvorschriften hierin nicht. Gemäß § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG müssen im ersten Jahr nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. Vorliegend ist daher fraglich, ob § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG analog auf die Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage anzuwenden ist, wenn diese im ersten Jahr seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister durchgeführt werden soll. Zunächst müsste eine planwidrige Regelungslücke vorliegen. Dagegen spricht zunächst, dass mit dem Erfordernis eines satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses bereits eine strenge Heilungsvoraussetzung erfüllt werden muss. Es darf jedoch bezweifelt werden, ob hierdurch nach ARUG ein ausreichender Minderheitenschutz gewährleistet wird. Vor MoMiG wurde im GmbH-Recht teilweise dafür plädiert, dass aus Gründen des Minderheitenschutzes vor unerwünschten Sacheinlagen von Mitgesellschaftern die Satzungsänderung der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedürfe.756 Diese Meinung wird zum neuen Recht zwar kaum noch vertreten, da die praktische Bedeutung der Heilung gesunken ist und ihr in erster Linie feststellende Wirkung zukommt.757 Allerdings ist unverändert eine Berücksichtigung von Minderheitsinteressen geboten, dies gilt insbesondere für die Aktiengesellschaft als potenziell kapitalmarktorientierte Rechtsform. Gerade vor dem Hintergrund der Abmilderung der Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen durch den ARUG-Gesetzgeber und der dadurch erheblich geminderten Prävention von Verstößen der Gründer ist ein Minderheitenschutz geboten. Im Gegensatz zum Einstimmigkeitserfordernis, welches zudem keine Grundlage im Gesetz findet, würde durch das qualifizierte Kapitalquorum des § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG im ersten Jahr nach der Gesellschaftsgründung zumindest ein höherer Minderheitenschutz gewährleistet. Zudem ließ der BGH bei der Entwicklung seiner Heilungsgrundsätze zum GmbH-Recht die Wertungen des § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG unberücksichtigt. Auch der ARUG-Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung konkrete Ausführungen zum Heilungsverfahren im Aktienrecht vermissen lassen, sondern ging offensichtlich von Übertragbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze aus. Somit ist eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen. Ferner bedarf es einer vergleichbaren Sach- und Interessenlage. Bei der Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage zur „Heilung“ der verdeckten Sacheinlagen 756

Ulmer, in: Ulmer/Habersack/Winter, Großkommentar GmbHG, Band I: §§ 1 – 28, 1. Auflage 2005, § 19 Rn. 138; Krieger, ZGR 1996, 674, 685. 757 Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkommentar GmbHG, Band I: §§ 1 – 28, 2. Auflage 2013, § 19 Rn. 173 m. w. N. unter Aufgabe der Rechtsposition der Vorauflage; a. A. zum neuen Recht wohl noch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Auflage 2019, § 19 Rn. 69.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

handelt es sich im Wesentlichen um eine Korrektur der Satzung, indem eine von den Gründern formal festgelegte Bareinlage nachträglich wahrheitsgemäß als Sacheinlage deklariert wird. Damit wird gleichsam in das vertragliche Fundament der Aktiengesellschaft eingegriffen. Dem Nachgründungsvorgang wiederum kommt aufgrund seiner vermuteten grundlegenden Bedeutung für die Aktiengesellschaft ebenfalls herausragende Bedeutung zu. Wie erinnerlich hat der historische Gesetzgeber das qualifizierte Kapitalquorum in Gestalt von § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG ursprünglich der „konstituierenden“ Generalversammlung einer Sukzessiv- oder Stufengründung nach Art. 210a Abs. 4 ADHGB 1884 entlehnt.758 Sinn und Zweck jener Regelung war es unter anderem, einem Übergewicht der Gründer vorzubeugen und die Versammlung aus „dem Dunkel geschlossener Zusammenkünfte in Gründerwohnungen“ zu befreien.759 Ferner sollten unlautere Elemente und unwahre Angaben der Kritik unterworfen und „an das Licht“ gezogen werden und die Beteiligten „in eigener Prüfung selbständig sich entschließen“.760 Diesen Grundgedanken übertrug der Gesetzgeber sodann auf die Nachgründungsregelung, indem er zusätzlich zur satzungsändernden Mehrheit ein Kapitalquorum von einem Viertel des gesamten Grundkapitals im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister anordnete. Zwar steht im Rahmen der Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage nicht die Wirksamkeit der Gesellschaftsgründung als solche in Frage, wie dies noch bei der Sukzessivgründung der Fall war. Ist der Nachgründungstatbestand nicht erfüllt, steht auch nicht die (schwebende) Unwirksamkeit der Nachgründungsverträge nach § 52 Abs. 1 AktG im Raum. Allerdings befindet sich die junge Aktiengesellschaft im ersten Jahr nach ihrer Eintragung zeitlich in eben jener spezifischen Nachgründungsphase im Anschluss an die formaljuristische Gesellschaftsgründung, auf die die Nachgründungsvorschriften zugeschnitten sind. Auch wenn das Kapitalquorum nach § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG auf den ersten Blick verhältnismäßig gering ausfällt, so ist es dennoch geeignet, den Minderheitsinteressen der anderen Aktionäre gegenüber den Gründern im Rahmen der Satzungsänderung dadurch Rechnung zu tragen, dass jedenfalls eine Mindestkapitalpräsenz sichergestellt wird. Dergestalt wird die Kontrollfunktion der Hauptversammlung gestärkt – wenn auch in überschaubarem Umfang. Im Ergebnis ist daher grundsätzlich ein Hauptversammlungsbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit ausreichend, insbesondere einer Einstimmigkeit bedarf es insoweit nicht. Darüber hinaus ist analog § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG im ersten Jahr seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister außerdem erforderlich, dass die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. 758

Dazu ausführlich oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c), cc), S. 44 ff. Vgl. Schäfer/Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 1. Auflage 2007, S. 252. 760 Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884 bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 445. 759

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bb) Nachholung der Werthaltigkeitskontrolle gemäß §§ 33 ff. AktG Zusätzlich ist erforderlich, dass die Werthaltigkeitskontrolle vollumfänglich nachgeholt wird – und zwar durch eine interne und externe Gründungsprüfung gemäß §§ 33 ff. AktG.761 Wurde die verdeckte Sacheinlage ausschließlich durch die Gründer vereinbart, muss die interne Gründungsprüfung nach den allgemeinen Grundsätzen gemeinsam von Vorstand und Aufsichtsrat nachgeholt werden. Abweichend hiervon soll die interne Gründungsprüfung analog § 52 Abs. 3 AktG jedoch allein durch den Aufsichtsrat durchzuführen sein, wenn der Vorstand an der verdeckten Sacheinlage mitgewirkt hat.762 Dem ist im Ergebnis zu folgen. Schon vor ARUG waren die Adressaten der Berichtspflicht umstritten, wobei wahlweise jegliche Berichtspflicht abgelehnt, eine gemeinsame Berichtspflicht von Gründer, Vorstand und Aufsichtsrat oder die ausschließliche Berichtspflicht des Vorstands angenommen wurde.763 Ausgangspunkt der Heilungsanforderungen können bereits aus denklogischen Gründen allein die allgemeinen Sacheinlagengrundsätze der §§ 33 ff. AktG sein, so dass es neben der externen Werthaltigkeitskontrolle grundsätzlich einer internen Gründungsprüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat bedarf. Die Beteiligung des Vorstands an der internen Werthaltigkeitskontrolle begegnet jedoch Bedenken, wenn er selbst am Abschluss der von ihm nun zu prüfenden Rechtsgeschäfte beteiligt war. Damit ist genau jene Wertung der Vorschrift des § 52 Abs. 3 AktG tangiert, wonach der Vorstand, der den nachgründenden Erwerbsvertrag abgeschlossen hat, sich schlechterdings nicht selbst kontrollieren kann.764 Daher liegt sowohl eine planwidrige Regelungslücke als auch eine vergleichbare Sach- und Interessenlage vor, so dass die analoge Anwendung von § 52 Abs. 3 AktG im Ergebnis überzeugt. Schließlich soll analog § 183 Abs. 3 AktG lediglich eine externe Prüfung durchzuführen sein, wenn die verdeckte Sacheinbringung im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung erfolgte.765 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es für die Heilung einer verdeckten Sacheinlage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhö-

761 Lieder, ZIP 2010, 964, 971; Bayer/Schmidt, ZGR 2009, 805, 830; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 922; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 91; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 125; Solveen, in: Hölters, AktG, 3. Auflage 2017, § 27 Rn. 42. 762 Lieder, ZIP 2010, 964, 971; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 91. 763 Dazu ausführlich oben Kapitel 11, Ziff. I. 2. lit. b), S. 260 f. 764 Vgl. schon die Allgemeine Begründung des Gesetzentwurfs von 1884, „§. 10. Verantwortlichkeit aus der Gründung. III. Kautelarvorschriften. B. Zum Einzelnen. 3. Verhütung von Nachgründungen durch Uebernahmen.“, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, ZGR Sonderheft 4, S. 453. Siehe ausführlich oben Kapitel 1, Ziff. I. 3. lit. c) bb), S. 43 f. 765 Lieder, ZIP 2010, 964, 971; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 91.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

hung, also zur Umwandlung der Bar- in eine Sachkapitaleinlage, insoweit keiner internen Prüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat bedarf. Dem kann jedoch nur teilweise gefolgt werden. Zwar ist es durchaus zutreffend, dass § 183 Abs. 3 Satz 1 AktG für die Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen ausschließlich eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer anordnet. Daraufhin verweist § 183 Abs. 3 Satz 2 AktG ausdrücklich auf die sinngemäße Geltung der §§ 33 Abs. 3 bis 5 AktG sowie §§ 34, 35 AktG.766 Von dieser Verweisung ist somit § 33 Abs. 1 AktG explizit ausgenommen, der für die Gründungsprüfung eine Beteiligung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat anordnet. Eine Beteiligung des Vorstandes an der internen Werthaltigkeitskontrolle wäre insoweit auch wenig sinnvoll, da er die Sachkapitalerhöhung durchzuführen hat und demgemäß am zu prüfenden Vorgang selbst unmittelbar beteiligt ist. Folglich ist auch hier der Rechtsgedanke des § 52 Abs. 3 AktG einschlägig. Daraus folgt jedoch zugleich, dass jedenfalls eine interne Werthaltigkeitskontrolle durch den Aufsichtsrat erfolgen muss. Wenn und soweit dies bei der Heilung einer verdeckten Sacheinlage im Zuge der Gesellschaftsgründung zu befürworten ist, muss dies erst recht im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung der Fall sein. Schließlich wäre es einigermaßen wertungswidersprüchlich, insoweit unterschiedliche Heilungsmaßstäbe anzusetzen. Jedenfalls eine nachvollziehbare Begründung dafür, die Heilung verdeckter Sacheinlagen im Rahmen von Kapitalerhöhungen zu privilegieren, ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis bedarf es daher auch im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung zur Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage neben der externen Prüfung zusätzlich einer internen Werthaltigkeitskontrolle durch den Aufsichtsrat analog § 52 Abs. 3 AktG. cc) Anmeldung zum Handelsregister Abschließend ist der Heilungsbeschluss durch den Vorstand ordnungsgemäß beim Handelsregister anzumelden, der Beschluss ist durch das Registergericht zu prüfen und in das Handelsregister einzutragen.767 Für die Feststellung der Werthaltigkeit des Gegenstands ist abweichend von der bisherigen Rechtslage nicht der Heilungszeitpunkt768 entscheidend, sondern der Zeitpunkt der Anrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG, mithin das Datum der 766 Daraus wird überwiegend geschlussfolgert, dass bei Sachkapitalerhöhungen lediglich eine Sacheinlagenprüfung durch externe sachverständige Prüfer erforderlich ist, vgl. Schürnbrand/Verse, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 4: §§ 179 – 277, 5. Auflage 2021, § 183 Rn. 78 f.; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band II: §§ 150 – 410, 4. Auflage 2020, § 183 Rn. 25; a. A.: Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 2: §§ 150 – 410, 4. Auflage 2019, § 183 Rn. 34, wonach aus der Verweisung auf § 34 AktG mittelbar folgen soll, dass auch bei der Kapitalerhöhung eine interne Prüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat stattzufinden hat. 767 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 91; Lieder, ZIP 2010, 964, 971; vgl. auch Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 209 zu den im Einzelnen beizufügenden Anlagen. 768 Anmeldung der heilenden Satzungsänderung, vgl. BGH, Beschl. v. 04. 03. 1996 – Az.: II ZB 8/95 = BGHZ 132, 141, 155 = NJW 1996, 1473 ff.; Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1455.

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

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Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister bzw. der Zeitpunkt der tatsächlichen Sacheinbringung, falls dieser später erfolgt.769 Die Gegenauffassung im GmbH-Recht spricht sich dafür aus, dass es zur Feststellung der Werthaltigkeit nach wie vor auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Heilungsaktes ankommen soll.770 Dieser spätere Zeitpunkt zur Bestimmung der Werthaltigkeit hat zwar unter dem Gesichtspunkt des Kapitalaufbringungsschutzes den Vorteil, dass zwischenzeitliche Wertminderungen berücksichtigt werden können und der Inferent das Risiko des zufälligen Untergangs oder Wertverlusts der Sache bei der GmbH vollständig trägt. Dergestalt würden verdeckte Sacheinlagen zusätzlich sanktioniert. Allerdings ist dieser Zeitpunkt schlechterdings nicht mit dem Gesetzeswortlaut von § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG bzw. § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG zum Zeitpunkt der Wertanrechnung in Einklang zu bringen. Die Folge wäre vielmehr, dass sich das Ergebnis der Werthaltigkeitskontrolle einerseits und der Wertanrechnung ex lege andererseits unterscheiden könnten. Hierdurch würde unnötige Rechtsunsicherheit geschaffen. Schließlich erscheint es unbillig, den Inferenten das Risiko eines zufälligen Untergangs oder Wertverlustes aufzubürden, obwohl die Gesellschaft bereits mit dem ihr überlassenen Vermögensgegenstand nach Belieben wirtschaften kann und zu Verfügungen berechtigt ist. Im Ergebnis kann es somit zur Feststellung der Werthaltigkeit des Vermögensgegenstands im Rahmen der Werthaltigkeitskontrolle allein auf den Zeitpunkt der Anrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG ankommen, also grundsätzlich der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister. c) Heilungsproblematik bei Kollision von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung Es verbleibt sodann der Fall, dass sowohl der Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage als auch derjenige der Nachgründung vorliegen. Mithin kollidieren beide Rechtsfiguren sowie deren unter Umständen divergierende Rechtsfolgen miteinander. Als potenzieller Heilungsgegenstand kommt wiederum die Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage in Betracht, es gelten insoweit die obigen Ausführungen. Zusätzlich stellt sich nun jedoch die – nachfolgend zu beantwortende – Frage nach dem rechtlichen Schicksal der betreffenden Verpflichtungs- und Verfü769 Lieder, ZIP 2010, 964, 971; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 92; Arnold, in: Kölner Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 125; Katzenstein, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 27 Rn. 210; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914, 922; so auch für das GmbH-Recht nach MoMiG: Veil, in: Scholz, GmbHG, I. Band: §§ 1 – 34, 12. Auflage 2018, § 19 Rn. 163; M.Winter, in: FS Priester, 2007, S. 867, 877; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Auflage 2020, § 19 Rn. 98; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Band I: §§ 1 – 28, 2. Auflage 2013, § 19 Rn. 174 ff. 770 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Auflage 2019, § 19 Rn. 69; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Auflage 2021, § 19 Rn. 117.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

gungsgeschäfte sowie den Auswirkungen auf die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG. aa) Vorfrage: Lösung des Rechtsfolgenkonflikts nach ARUG Die Frage nach dem Umfang des Heilungserfordernisses hinsichtlich der zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte ist zunächst von der Beantwortung der Vorfrage abhängig, wie der Rechtsfolgenkonflikt zwischen verdeckter Sacheinlage und Nachgründung zu lösen ist. Wie erinnerlich will die wohl herrschende Meinung im Schrifttum nach ARUG der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG im Anwendungsbereich der Nachgründungsvorschriften stets Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsanordnung verdeckter Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einräumen.771 Dies hat in Kollisionsfällen beider Rechtsfiguren stets zur Folge, dass die betreffenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte (schwebend) unwirksam sind, gemäß § 52 Abs. 1 AktG. Im Gegensatz dazu bedarf es nach der vorliegend für den Rechtsfolgenkonflikt entwickelten modifizierten Konkurrenzlösung zunächst einer Entscheidung darüber, ob im konkreten Einzelfall entweder der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG (Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes + Bareinlageverpflichtung) oder der Unwirksamkeitsfolge nach § 52 Abs. 1 AktG (Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes < Bareinlageverpflichtung) Vorrang einzuräumen ist.772 bb) Durchschlagen der Unwirksamkeitsfolge und „Heilung“ Sodann sind in einem zweiten Schritt die Auswirkungen der Rechtsfolgenlösung zu berücksichtigen. Diese bestehen konkret darin, dass nach – zutreffender – Einschätzung im Schrifttum bei Unwirksamkeit der Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte nach § 52 Abs. 1 AktG auch die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG entfallen muss.773 Im Ergebnis schlägt damit ein Verstoß gegen die Nachgründungsvorschriften auf die vom Gesetzgeber für verdeckte Sacheinlagen angeordnete Wertanrechnung durch. Die Lösung des Rechtsfolgenkonflikts der wohl herrschenden Literaturmeinung führt demnach zwingend dazu, dass bei dem Zusammentreffen beider Rechtsfiguren die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG nur bei ordnungsgemäßer Durchführung des Nachgründungsverfahrens nach § 52 AktG erfolgen kann. Mithin ist die Einhaltung der Nachgründungsvorschriften zur „Heilung“ im Sinne der 771

Dazu ausführlich oben Kapitel 10, Ziff. II. 2., S. 234 ff. Dazu ausführlich oben Kapitel 10, Ziff. II. 3., S. 239 ff. 773 Lieder, ZIP 2010, 764, 969 f.; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 53; Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 60. 772

Kap. 11: Heilung verdeckter Sacheinlagen nach ARUG

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Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG in Kollisionsfällen immer erforderlich. Im Gegensatz dazu ermöglicht die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Rechtsfolgenlösung eine differenzierende Lösung und führt maßgeblich zu einer Begrenzung des Heilungserfordernisses. In solchen Fällen, in denen die Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG ohnehin hinter die Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG zurücktritt, bedarf es zur Ermöglichung der Wertanrechnung gar keines Nachgründungsverfahrens. Anders verhält es sich ausschließlich, wenn der Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet, da dann die betreffenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte trotz § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG unwirksam sind und folgerichtig auch eine Wertanrechnung entfallen muss. (Nur) in diesen Fällen schlägt die schwebende Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG auf die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG durch und kann eine Wertanrechnung nur mittels ordnungsgemäßer Durchführung des Nachgründungsverfahrens erreicht werden. An dieser Stelle zeigt sich abermals der Vorzug des vorliegend vertretenen Lösungsansatzes, da in Kollisionsfällen nicht zwangsläufig die (schwebende) Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung gemäß § 52 Abs. 1 AktG greift, sondern durch eine differenzierende Anwendung jedenfalls in unproblematischen Fällen der vom Gesetzgeber geschaffenen Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG zur Geltung verholfen wird. Diese Lösung strahlt sodann auf den Umfang der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG aus, so dass in der Folge auch insoweit eine differenzierte Lösung ermöglicht wird. Dergestalt wird ein „Durchschlagen“ der Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung auf die vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollte Wertanrechnung im Fall einer verdeckten Sacheinlage auf ein unbedingt erforderliches Maß begrenzt. cc) Nachgründungsverfahren gemäß § 52 AktG Hinsichtlich des zu beachtenden Heilungsverfahrens ergeben sich grundsätzlich keine Besonderheiten, da insoweit die Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG gelten und zu beachten sind. Zwar ist es organisatorisch durchaus möglich, beide Verfahren gemeinsam durchzuführen774 und dergestalt sowohl die Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage herbeizuführen als auch die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG zu ermöglichen. Allerdings ist dabei äußerste Vorsicht geboten, da die Nachgründungsvorschriften – wie gezeigt – im Einzelnen strengere Voraussetzungen aufstellen können. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die ergänzende Heranziehung von § 52 AktG im Rahmen der Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage nach 774 So ausdrücklich der Vorschlag von Lieder, ZIP 2010, 964, 972; Bayer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 54; wohl auch Heidinger, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2019, § 52 Rn. 60: „Doppelheilung“.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

den vom BGH für das GmbH-Recht entwickelten Grundsätzen generell verneint wird.775

III. Fazit Die Problematik der Heilung verdeckter Sacheinlagen stellt sich nach ARUG zwar nicht mehr in der bisherigen Form – vollständig erledigt hat sie sich indes nicht. Vor ARUG bestand der Kern des Heilungserfordernisses darin, die Unwirksamkeitsfolge verdeckter Sacheinlagen für die zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte zu beheben. Dies sollte wahlweise durch die analoge Anwendung der Nachgründungsvorschriften oder nach den vom BGH für das GmbH-Recht entwickelten Grundsätzen möglich sein. Nunmehr sind jedoch gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG sämtliche Rechtsgeschäfte wirksam, obwohl sie verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand haben. Im Gegensatz dazu ordnet § 52 Abs. 1 AktG die (schwebende) Unwirksamkeit derjenigen Rechtsgeschäfte an, die den Tatbestand einer Nachgründung erfüllen. Mithin kann sich im gemeinsamen Anwendungsbereich beider Rechtsfiguren ein Rechtsfolgenkonflikt ergeben. Dabei sind im Ausgangspunkt zwei Heilungsgegenstände voneinander zu unterscheiden. Zum einen handelt es sich um eine Heilung verdeckter Sacheinlagen im Sinne einer Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage. Gegenstand dieser Heilungsproblematik ist es, die formale Bareinlagevereinbarung wahrheitsgemäß in eine Sacheinlage- oder Sachübernahmevereinbarung umzuwidmen. Zum anderen stellt sich die Heilungsproblematik im Rahmen des Rechtsfolgenkonflikts, da bei Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte nach § 52 Abs. 1 AktG als Kehrseite einer Medaille gleichsam die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG entfallen muss. Gegenstand dieser Heilungsfrage ist daher die Heilung verdeckter Sacheinlagen im Sinne einer Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG. Die allzu pauschale Umschreibung der Heilungsproblematik nach ARUG unter dem Schlagwort der „Heilung verdeckter Sacheinlagen“ stiftet somit mehr Verwirrung als Nutzen, da sich das Heilungserfordernis nach ARUG nicht in der bloßen Umwidmung der Bar- in eine Sacheinlage- oder Sachübernahmevereinbarung erschöpft. Schließlich kommt dem Nachgründungsverfahren wider Erwarten auch nach ARUG noch eine gewisse Relevanz für die Heilung verdeckter Sacheinlage zu. Dies betrifft zunächst die zumindest ergänzende Heranziehung der Nachgründungsvorschriften bei der Heilung verdeckter Sacheinlagen im Sinne einer Umwandlung der formalen Bareinlageverpflichtung in eine wahrheitsgemäße Sacheinlage- oder Sachübernahmeverpflichtung. Ein dahingehendes Erfordernis besteht insbesondere deshalb, weil die vom BGH – vor ARUG und anhand des GmbH-Rechts – entwi775

Siehe zu den Einzelheiten oben Kapitel 11, Ziff. II. 3. lit. b), S. 268 ff.

Kap. 12: Regelungsvorschlag de lege ferenda und Ausblick

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ckelten Heilungsgrundsätze aufgrund der neuen Rechtslage erkennbar ergänzungsbedürftig sind. Somit ist die Entwicklung von Einzelheiten des Heilungsverfahrens diesbezüglich Rechtsprechung und Lehre überantwortet. Zum anderen ist bei Kollision von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung die ordnungsgemäße Durchführung des Nachgründungsverfahrens zur Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG erforderlich. Dies gilt bei Annahme des strikten Vorrangs der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG nach der wohl herrschenden Literaturmeinung stets zwingend. Doch auch nach der in der vorliegenden Arbeit entwickelten differenzierenden Rechtsfolgenlösung ist das Nachgründungsverfahren jedenfalls dann durchzuführen, wenn und soweit der Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet. Andernfalls schlägt die Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG auf die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG durch. In diesen Kollisionsfällen zeigt sich zudem der praktische Vorteil einer ergänzenden Heranziehung der Nachgründungsvorschriften im Rahmen der Umwandlung der Bareinlage- in eine Sacheinlage- oder Sachübernahmeverpflichtung, da hierdurch zugleich sichergestellt wird, dass die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG stattfinden kann. Kapitel 12

Regelungsvorschlag de lege ferenda und Ausblick Im zwölften und letzten Kapitel soll nunmehr aufbauend auf den Ergebnissen des dritten Teils der Arbeit ein Regelungsvorschlag de lege ferenda zur Rechtsfigur der Nachgründung entwickelt werden. Dies betrifft einzelne Aspekte sowohl der europarechtlichen Regelung in Art. 11 KapRL (I.) als auch der nationalen Nachgründungsvorschrift des § 52 AktG selbst (II.). Im Anschluss daran wird ein Ausblick ausgehend von den untersuchten Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG nach ARUG und dem Verhältnis der Nachgründung zur verdeckten Sacheinlage im weiteren Sinne gegeben (III.).

I. Regelungsvorschlag de lege ferenda zu Art. 11 Abs. 2 KapRL Im Zuge der Untersuchungen im dritten Teil der vorliegenden Arbeit hat sich herausgestellt, dass im Rahmen von Art. 11 Abs. 2 KapRL selbst Anpassungsbedarf besteht.776

776

Siehe dazu oben Kapitel 9, Ziff. II. 1. lit. c), S. 193 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

1. Ermittlung des Anpassungsbedarfs Dies erklärt sich aus folgender Überlegung: Ursprünglich basierte die Ausnahme von den Nachgründungserfordernissen für den Erwerb von Vermögensgegenständen „im Rahmen der laufenden Geschäfte“ maßgeblich auf dem weiten personellen Anwendungsbereich von § 52 Abs. 1 AktG a. F., der sämtliche Geschäfte der Gesellschaft erfasste, ohne dass es sich bei dem Vertragspartner um einen Gründer oder maßgeblich beteiligten Aktionär handeln musste. Die Anwendungsbereichsausnahme für laufende Geschäfte der Gesellschaft stellte somit das Gegenstück zu der Weite des personellen Anwendungsbereichs der Nachgründung dar, um die Geschäftstätigkeit der jungen Aktiengesellschaft nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus einzuschränken. Zwar wurde der Ausnahmetatbestand für den Erwerb von Art. 11 Abs. 2 KapRL übernommen. Allerdings legt Art. 11 Abs. 1 KapRL lediglich als Mindestmaß fest, dass Geschäfte mit Gründern den zusätzlichen Nachgründungserfordernissen zu unterwerfen sind. Im Übrigen bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, ob darüber hinaus auch Geschäfte mit einem Aktionär oder einer anderen Person erfasst werden sollen. Ursprünglich schöpfte § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG a. F. diesen denkbar weitesten Anwendungsbereich aus und erfasste sämtliche Drittgeschäfte. Die Befreiung sämtlicher Erwerbsvorgänge im Rahmen laufender Geschäfte war daher sowohl notwendig als auch gerechtfertigt. Im Zuge des NaStraG beschränkte der Deutsche Gesetzgeber das Nachgründungserfordernis jedoch auf den Erwerb von Vermögensgegenständen von Gründern oder mit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Aktionären. Damit ist aber im Ergebnis der Regelungszweck des Ausnahmetatbestands in § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG bzw. teilweise von Art. 11 Abs. 2 KapRL entfallen. Derweil lassen sich aufgrund der zwingenden europarechtlichen Vorgaben jedenfalls vorerst an diesem Ausnahmetatbestand keine Änderungen vornehmen. Eine Lösung dieses Problems ist mithin vorrangig auf europarechtlicher Ebene zu suchen.

2. Regelungsvorschlag zu Art. 11 Abs. 2 KapRL und Erläuterungen Als Vorschlag de lege ferenda könnte Art. 11 Abs. 2 KapRL daher um folgenden Satz 2 ergänzt werden: „Dies gilt für den Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft nicht, wenn und soweit die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit nach Absatz 1 Unterabsatz 2 Variante 2 keinen Gebrauch gemacht haben.“

Dergestalt wäre es möglich, dass aufgrund der Beschränkung des personellen Anwendungsbereichs der Nachgründung auf Gründer und maßgeblich beteiligte Aktionäre in § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG für den Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte die Nachgründungsfreiheit für laufende Geschäfte nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 KapRL n. F. entfiele. Mit dieser vorgeschlagenen europarechtlichen Regelung könnte in der Folge auch § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG entfallen.

Kap. 12: Regelungsvorschlag de lege ferenda und Ausblick

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Dieser Regelungsvorschlag mag zwar nicht unerhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings soll hierdurch vor allem Anlass zur Überlegung und Diskussion geben werden, ob angesichts des im Zuge des NaStraG ohnehin signifikant eingeschränkten Anwendungsbereichs der Nachgründungsvorschriften überhaupt noch ein praktischer Bedarf vorhanden ist, den „Erwerb der Vermögensgegenstände im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft“ gemäß § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG von den Nachgründungserfordernissen freizustellen.

II. Regelungsvorschlag de lege ferenda zu § 52 AktG Der Eingriff des ARUG-Gesetzgebers in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen war zwar von berechtigten praktischen Bedürfnissen geleitet, im Ergebnis aber wenig systematisch und insbesondere im Hinblick auf die aktienrechtlichen Nachgründungsvorschriften nicht unproblematisch. Daher soll auf Grundlage der im dritten Teil der vorliegenden Untersuchung erreichten Erkenntnisse ein Regelungsvorschlag de lege ferenda erarbeitet werden, der nach der Intention des Verfassers zur Klärung der Rechtslage und damit letztendlich zu größerer Rechtssicherheit beitragen soll. Hierfür sind zunächst Umfang und Erfordernis eines möglichen Regelungsvorschlags de lege ferenda im Rahmen von § 52 AktG zu ermitteln.

1. Anpassungsbedarf an die Vorgaben von Art. 11 KapRL Es ist bereits hinlänglich bekannt, dass die Nachgründungsregelung des § 52 AktG an verschiedenen Stellen der Anpassung an die Vorgaben von Art. 11 KapRL bedarf. Zum einen müsste es entsprechend Art. 11 Abs. 1 Satz 1 KapRL in § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG „mit mindestens“ statt „mit mehr als“ 10 vom Hundert heißen.777 Zum anderen müsste § 52 Abs. 9 AktG, der derzeit nur den „Erwerb in der Zwangsvollstreckung“ ausnimmt, an Art. 11 Abs. 2 KapRL angepasst werden, der jeden Erwerb erfasst, der auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts erfolgt.778 Die Praxis behilft sich diesbezüglich mit einer richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift.779 Schon aus Gründen der Vollständigkeit gilt es diesen Anpassungsbedarf im Rahmen des Regelungsvorschlages de lege ferenda zu einzubeziehen. 777

Rn. 6. 778

Rn. 6.

Vgl. nur Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Vgl. nur Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52

779 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I: §§ 1 – 149, 4. Auflage 2020, § 52 Rn. 6; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, Band 1: §§ 1 – 75, 5. Auflage 2019, § 52 Rn. 8.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

Zudem soll nachfolgend der vorstehend entwickelte Regelungsvorschlag zu Art. 11 Abs. 2 KapRL entsprechende Berücksichtigung finden.

2. Bedarf einer gesetzlichen Regelung zum Rechtsfolgenkonflikt Schließlich bedarf es im Rahmen der Nachgründungsvorschriften aus zweierlei Gründen unbedingt einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zum Rechtsfolgenkonflikt. Im Zuge der historischen Untersuchung der Entwicklung der damaligen Regelungen von Nachgründung und Sachgründung hatte sich ergeben, dass es sich bei § 45 Abs. 9 AktG 1937 um das Gegenstück zu § 20 Abs. 3 AktG 1937 handelte.780 § 20 Abs. 3 AktG 1937 regelte seinerzeit, dass die Unwirksamkeit außerhalb der Satzung (verdeckt) getroffener Sacheinlagevereinbarungen grundsätzlich nicht nachträglich durch Satzungsänderung geheilt werden konnte. Demgegenüber stellte § 45 Abs. 9 AktG a. F. für die Nachgründung klar, dass die Wirksamkeit eines Nachgründungsvertrages jedenfalls nicht durch diese Unwirksamkeitsfolge ausgeschlossen wird. Übertragen auf die inhaltlich identischen Nachfolgeregelungen handelte es sich somit bei § 52 Abs. 10 AktG a. F. gleichermaßen um das Pendant zu § 27 Abs. 3 AktG a. F. Beide Vorschriften sind infolge des ARUG mit ihrem bisherigen Regelungsinhalt zwar ersatzlos entfallen. Indes schuf der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 3 AktG eine neue explizite Regelung zur Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage. Folglich fehlt es im Rahmen der Nachgründungsvorschriften nunmehr an einem entsprechenden Pendant zu jener Vorschrift. Darüber hinaus ist bei der Untersuchung des sich nach ARUG stellenden Rechtsfolgenkonfliktes deutlich geworden, dass es an einer klaren Rechtsfolgenregelung fehlt und insbesondere die von der herrschenden Literaturmeinung vertretene Lösung weder dem Normzweck der Nachgründung noch dem Willen des Gesetzgebers entspricht.781 Daher besteht auch unter diesem Gesichtspunkt Regelungsbedarf, die vorliegend entwickelte differenzierende Rechtsfolgenlösung in das Gesetz aufzunehmen. Insgesamt bietet die Reform durch das ARUG somit Anlass und Gelegenheit zugleich, das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung einer überzeugenden gesetzlichen Regelung zuzuführen und Rechtssicherheit zu schaffen.

3. Regelungsvorschlag zu § 52 AktG und Erläuterungen Dies vorausgeschickt, ist im Rahmen des § 52 AktG folgender Regelungsvorschlag de lege ferenda zu unterbreiten. Hierzu werden zur besseren Nachvollzieh780 781

Siehe ausführlich oben Kapitel 3, Ziff. I. 3. lit. b), S. 81 ff. Siehe ausführlich oben Kapitel 10, Ziff. II. 2. lit. b), S. 236 ff.

Kap. 12: Regelungsvorschlag de lege ferenda und Ausblick

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barkeit im Anschluss an den jeweiligen Formulierungsvorschlag ergänzende Erläuterungen gegeben. a) Anpassung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG wird wie folgt geändert: „Verträge der Gesellschaft mit Gründern oder mit mindestens 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Aktionären, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden, werden nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam.“

Hiermit ist den (zutreffenden) Forderungen im Schrifttum entsprochen und die Nachgründungsvorschrift an die Vorgaben von Art. 11 Abs. 1 KapRL angepasst. Einer richtlinienkonformen Auslegung bedarf es insoweit nicht mehr. b) Ergänzung und Einschränkung von § 52 Abs. 9 AktG § 52 Abs. 9 AktG ist wie folgt zu ergänzen und – die vorherige Anpassung von Art. 11 Abs. 2 KapRL vorausgesetzt – einzugrenzen: „Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände [im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft,] auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts, in der Zwangsvollstreckung oder an der Börse erfolgt.“

Durch die Ausnahme von Erwerbsvorgängen auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts wird den aktuellen Vorgaben von Art. 11 Abs. 2 KapRL entsprochen.782 Damit entfällt auch diesbezüglich das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung der Norm. Die an dieser Stelle vorgeschlagene Formulierung geht jedoch darüber hinaus und zeichnet sich maßgeblich dadurch aus, dass sie korrespondierend mit dem ebenfalls dargelegten Regelungsvorschlag zu Art. 11 Abs. 2 KapRL auf die bisherige Ausnahme vom Nachgründungserfordernis für den Erwerb von Vermögensgegenständen „im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft“ gänzlich verzichtet. Bereits die Definition der „laufenden Geschäfte“ stiftete mehr Verwirrung als Nutzen und hinterließ zahlreiche Zweifelsfragen. Ferner ist der Bedarf einer solchen Ausnahmeregelung jedenfalls seit der signifikanten Einschränkung des Nachgründungstatbestands im Zuge des NaStraG entfallen. Dies betrifft namentlich die mit dem NaStraG angeordnete Nachgründungsfreiheit von Geschäften zwischen der Ge782 Zu den einzelnen Anwendungsfällen von § 52 Abs. 9 AktG siehe oben Kapitel 9, Ziff. II., S. 190 ff.

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

sellschaft und gesellschaftsfremden Dritten (sog. Drittgeschäfte). Der vorliegende Formulierungsvorschlag für § 52 Abs. 9 AktG setzt in diesem Punkt jedoch zwingend die vorherige Anpassung der europarechtlichen Vorgaben des Art. 11 Abs. 2 KapRL voraus. Daher ist de lege lata bis auf Weiteres die in []-Klammern gesetzte Ausnahme für „laufende Geschäfte der Gesellschaft“ beizubehalten. c) Einfügung von § 52 Abs. 10 AktG § 52 AktG wird (wieder) um einen Abs. 10 ergänzt, der wie folgt lautet: „Ein Vertrag nach Absatz 1 ist ausnahmsweise auch dann wirksam, wenn ein Vertrag der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 3 Satz 2 wirksam ist und der Wert des Vermögensgegenstandes der Höhe der Bareinlageverpflichtung entspricht oder diese übersteigt. Dies gilt nicht, wenn der Wert des Vermögensgegenstandes die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet; eine Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 findet dann ohne Einhaltung der vorstehenden Vorschriften nicht statt.“

Der Formulierungsversuch eines neuen § 52 Abs. 10 AktG ist im Kern an den Wortlaut des ursprünglichen § 52 Abs. 10 AktG a. F. angelehnt. Inhaltlich hat der neue Absatz 10 unter Berücksichtigung der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG nun jedoch eine Regelung des Rechtsfolgenkonflikts nach ARUG zum Gegenstand. Hierzu wird in Satz 1 zunächst der Fall geregelt, dass gleichzeitig ein Nachgründungsgeschäft nach § 52 Abs. 1 AktG als auch eine verdeckte Sacheinlage nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG vorliegen. Der sich daraus ergebende Rechtsfolgenkonflikt zwischen (schwebender) Unwirksamkeit gemäß § 52 Abs. 1 AktG einerseits und Wirksamkeit nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG andererseits wird sodann zugunsten der Wirksamkeit der betreffenden Rechtsgeschäfte entschieden. Dies soll jedoch nur ausnahmsweise unter der ausdrücklich genannten engen Voraussetzung gelten, dass der Wert des Vermögensgegenstandes der Höhe der Bareinlageverpflichtung entspricht oder diese übersteigt. Satz2 Halbsatz 1 wiederum hat den verbleibenden Fall zum Gegenstand, dass der Wert des Vermögensgegenstandes die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet und entscheidet diesen zugunsten der Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung. Im zweiten Halbsatz wird sodann explizit eine Regelung zur Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG getroffen und klargestellt, dass diese nur bei ordnungsgemäßer Durchführung des Nachgründungsverfahrens erfolgen kann. In Bezug auf den Umfang der Nachgründungsregelung ist dieser Vorschlag de lege ferenda zwar einigermaßen misslich, da § 52 AktG wieder um einen zusätzlichen Absatz ergänzt werden muss. Allerdings hat die vorliegende Untersuchung unter Berücksichtigung des Normzwecks der Nachgründung einerseits und des gesetzgeberischen Willens im Bereich verdeckter Sacheinlagen andererseits ergeben, dass insoweit eine differenzierende Rechtsfolgenlösung erforderlich ist. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit im Falle des Zusammentreffens der divergie-

Kap. 12: Regelungsvorschlag de lege ferenda und Ausblick

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renden Rechtsfolgen von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung bietet sich eine gesetzliche Klarstellung der Problematik daher an. Nach dem Motto „zwei Schritte vor, einen zurück“, ist daher der ambitionierte Ansatz des ARUG-Gesetzgebers im Bereich des § 27 Abs. 3 AktG und die damit einhergehende Streichung von § 52 Abs. 10 AktG durch eine explizite Regelung zum (nicht bedachten) Rechtsfolgenkonflikt und seiner Auswirkungen auf die Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG wieder einzufangen. Damit wird insgesamt eine klare und umfassende Regelung des Verhältnisses von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung nach ARUG getroffen.

III. Ausblick Nach ARUG stellen sich für das Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung im Wesentlichen zwei zentrale Fragen. Dies betrifft zum einen die Lösung des Rechtsfolgenkonfliktes zwischen Nachgründung und verdeckter Sacheinlage. Wissenschaft und nicht zuletzt die Rechtsprechung werden zu beantworten haben, ob beim tatbestandlichen Zusammentreffen beider Rechtsfiguren der Wirksamkeitsanordnung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG oder der (schwebenden) Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG Vorrang einzuräumen ist. Die wohl herrschende Literaturmeinung geht insoweit unter Verweis auf einen weiterreichenden Normzweck der Nachgründung stets vom Vorrang der Unwirksamkeitsfolge aus. Dagegen hat die Untersuchung der konkreten Normaspekte der Nachgründung ergeben, dass vielmehr eine differenzierende Rechtsfolgenlösung angezeigt ist, die sowohl dogmatischen Gesichtspunkten als auch dem Willen des Gesetzgebers gerecht wird. Diesbezüglich besteht mithin weiterer Klärungsbedarf, dem der Gesetzgeber etwa im Sinne einer differenzierenden Lösung mit der hier vorgeschlagenen Regelung de lege ferenda zu § 52 AktG nachkommen könnte. Mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung in Sachen Lurgi und Rheinmöve ist es zudem nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich der BGH früher oder später mit dieser Frage zu befassen hat. Darüber hinaus stellt sich zum anderen eine Heilungsproblematik. Diese unterscheidet sich nach ARUG jedoch grundlegend von der bisherigen „Heilung verdeckter Sacheinlagen“. Die Ausführungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung zum Heilungsverfahren sind derweil lückenhaft. Für künftige Untersuchungen wird es daher von ausschlaggebender Bedeutung sein, die unterschiedlichen Heilungsgegenstände trennscharf zu unterscheiden. Namentlich handelt es sich dabei um die Umwandlung der formalen Bareinlage- in eine Sacheinlage- oder Sachübernahmevereinbarung einerseits und die Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG im Falle eines Verstoßes gegen die Nachgründungsvorschriften andererseits. Grundsätzlich kann auf die vom BGH für das GmbH-Recht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen wer-

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3. Teil: Einzelfragen der Normanwendung von § 52 AktG

den, wobei jedoch keine unreflektierte Übertragung auf das Aktienrecht und die Rechtslage nach ARUG erfolgen sollte. Jedenfalls sind insoweit die Vorschriften des § 52 AktG ergänzend heranzuziehen. Aufbauend auf den historisch begründeten dogmatischen Erwägungen im Bereich der Nachgründung bietet sich hinsichtlich der Bestimmung des grundlegenden Verhältnisses von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung nach ARUG folgendes doppelgleisiges Lösungskonzept an: Einerseits sollte durch die Betonung des eigenständigen kompetenzrechtlichen Kontrollaspektes der Nachgründung der Anwendungsbereich von § 52 AktG ausgedehnt werden, um etwaige Schutzlücken infolge der wesentlich entschärften Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen möglichst zu vermeiden bzw. ihnen entgegenzuwirken. Andererseits sollte dem eindeutigen Willen des ARUG-Gesetzgebers, den Wert der eingebrachten Vermögensgegenstände auch bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG zu berücksichtigen, auf Rechtsfolgenseite Rechnung getragen werden, indem von der Unwirksamkeitsfolge der Nachgründung zumindest in solchen Fällen eine Ausnahme zugelassen wird, in denen der (verdeckt) eingebrachte Vermögensgegenstand nachweislich werthaltig ist. Im Ergebnis wird damit die weite tatbestandliche Auslegung durch eine Einschränkung auf Rechtsfolgenseite ausgeglichen. Ohne die soeben erörterte differenzierte Betrachtung des Verhältnisses von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung – namentlich auf Rechtsfolgenseite – ist damit zu rechnen, dass der Schrecken für die Praxis zukünftig weniger von der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage ausgeht, sondern vielmehr von § 52 AktG. Auch hier zeigt sich das nunmehr auf den Kopf gestellte Verhältnis beider Rechtsinstitute. Wenngleich die Schreckenswirkung der Nachgründung aufgrund ihrer zeitlichen und tatbestandlichen Begrenztheit hinsichtlich Umfang und Vertragspartner des Erwerbsgeschäfts wohl nicht ganz an die Intensität der verdeckten Sacheinlage heranreichen dürfte, so ist dennoch in Zukunft mit einer erhöhten Relevanz der Nachgründungsvorschriften zu rechnen. Jedenfalls ist die Nachgründung durch die signifikante Abschwächung der Schutzwirkung verdeckter Sacheinlagen als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung nicht entbehrlich geworden, ihr kommt nach ARUG nun sogar eine Art Auffangfunktion zu. Vielleicht erlebt die Nachgründung in diesem Zusammenhang sogar eine zweite unverhoffte Renaissance.

Thesenförmige Zusammenfassung Abschließend soll eine thesenförmige Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse erfolgen. Nr. 1 Im Zuge der Aktienrechtsnovelle 1884 verarbeitete der historische Gesetzgeber die Erfahrungen aus der Gründerkrise und schuf die wesentlichen Grundlagen eines modernen Kapitalgesellschaftsrechts, um potenziellen Missbrauchs- und Spekulationskonstellationen bei der Gründung und im unmittelbar daran anschließenden Zeitraum zu begegnen. Nr. 2 Die Nachgründungsvorschrift des Art. 213f ADHGB 1884 beruht auf der Unterscheidung zwischen der juristischen Existenz der Gesellschaft einerseits und ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit andererseits. Während der Wirkungskreis der originären Gründungsvorschriften auf die formaljuristische Gründungsphase begrenzt ist, sollte unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Selbständigkeit ein weitergehender Umgehungsschutz durch sog. „Kautelarvorschriften“ für die Dauer eines zweijährigen „tempus clausum“ gewährleistet werden. Dieser Einschränkung lag die Annahme zugrunde, dass die Gesellschaft auf dem Weg zu ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit eine Adoleszenzphase durchläuft, innerhalb derer sie und ihre Organe sich erst von der wirtschaftlichen Herrschaft ihrer Gründer emanzipieren. Nr. 3 Ein Vergleich der Nachgründungsvorschrift des Art. 213f ADHGB 1884 mit den seinerzeit bestehenden Sachgründungsvorschriften hat ergeben, dass die Nachgründungsregelung von 1884 verschiedene Elemente des Sachgründungsverfahrens aufgreift, ohne aber mit diesen vollständig kongruent zu sein. Stattdessen wird der besonderen Erwerbssituation im Anschluss an die Gesellschaftsgründung für die Dauer des zweijährigen tempus clausum durch zahlreiche Besonderheiten Rechnung getragen, um den Geschäftsbetrieb der jungen Aktiengesellschaft nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus einzuschränken.

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Thesenförmige Zusammenfassung

Nr. 4 Das Zustimmungserfordernis und insbesondere das Kapitalquorum der Nachgründungsregelung in Art. 213f Abs. 3 ADHGB 1884 sind erkennbar der Norm des Art. 210a Abs. 4 ADHGB 1884 nachgebildet („mindestens ein Viertheil des gesamten Grundkapitals“). Damit ist das Zustimmungserfordernis der Nachgründungsregelung grundsätzlich auf die Vorschriften zur konstituierenden Generalversammlung einer Sukzessiv- oder Stufengründung zurückzuführen. Nr. 5 In Gestalt von Art. 213f Abs. 5 ADHGB 1884 war der Nachgründung ein eigenständiger Haftungsaspekt immanent, indem die Anwendung der Vorschriften über die Gründerverantwortlichkeit auf solche Erwerbsgeschäfte angeordnet wurde, die bereits vor der Gründung geplant waren. Dagegen wurde außerhalb dieser Haftungsanordnung nicht auf etwaige Vorabsprachen der Gründer außerhalb des Gesellschaftsvertrages abgestellt. Nr. 6 Der Geburtsfehler der Nachgründung bestand maßgeblich darin, dass Art. 213f ADHGB 1884 bzw. § 207 HGB 1897 im Vergleich zu den Sachgründungsvorschriften in Qualität und Quantität unzureichend waren. Dies betrifft namentlich die Begrenztheit des Nachgründungstatbestands, die fehlende externe Prüfung des Nachgründungsvertrages durch „besondere Revisoren“ sowie die fehlende registerrechtliche Kontrolle von Erwerbsvorgang und Generalversammlung. Nr. 7 Die Unzulänglichkeiten im Schutzniveau der Nachgründungsvorschriften führten in der Folge dazu, dass die erfassten Gestaltungen zur Umgehung der strengen Sachgründungsvorschriften nicht die Ausnahme blieben, sondern sogar zur Regel wurden. Die Nachgründung wurde in weiten Teilen der Literatur als zulässige Alternative zur Sachgründung interpretiert. Hinzu kamen sog. Inflationsverkäufe, die sich infolge der massiven Geldabwertung insbesondere für Grundstückseigentümer als wirtschaftlich verheerende Geschäfte herausgestellt hatten. Nr. 8 Die vom Reichsgericht in RGZ 121, 99 ff. entwickelten Grundsätze verdeckter Sacheinlagen stellen sich damit als Folge einer unzureichenden Nachgründungsregelung und Kind der Inflationszeit dar. Hierdurch sollte insbesondere eine Umge-

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hung des Erfordernisses der Festsetzung von Sacheinlagen und Sachübernahmen gemäß § 186 Abs. 2 HGB 1897 verhindert und die obligatorische Sachgründungsprüfung durch externe Revisoren gemäß § 192 HGB 1897 sichergestellt werden. Nr. 9 Im Zuge der Aktienrechtsreform von 1937 glich der historische Gesetzgeber die Nachgründungsvoraussetzungen an diejenigen der Sachgründung an, indem er eine obligatorische Nachgründungsprüfung durch externe Prüfer einführte und die Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages nicht nur an die Zustimmung der Hauptversammlung, sondern erstmals auch an dessen Eintragung im Handelsregister knüpfte. Nr. 10 Ferner kam es 1937 mit Einführung des „Führerprinzips“ zu einem Wandel des aktienrechtlichen Kompetenzgefüges. Gemäß § 70 Abs. 1 AktG 1937 oblag dem Vorstand die alleinverantwortliche Leitung der Aktiengesellschaft, so dass die Hauptversammlung keine Weisungen mehr erteilen konnte. Während das separate Zustimmungserfordernis der Nachgründungsregelung vor dem Hintergrund des anno 1884 geltenden Kompetenzgefüges keine Besonderheit darstellte, hat die Nachgründung diesen tiefgreifenden Kompetenzwandel nicht nachvollzogen. Nr. 11 Die Aktienrechtsreform von 1965 führte zu eher marginalen Änderungen im Bereich der Nachgründung. Sie ist jedoch für das Verständnis der Rechtsfigur insoweit von Bedeutung, weil mit der Abschaffung der Vorschriften über die Sukzessiv- bzw. Stufengründung die Vorbildregelung für das Zustimmungserfordernis ersatzlos entfallen ist. Nr. 12 Mit der jüngsten Reform durch das ARUG 2009 hat der Gesetzgeber die Regelung verdeckter Sacheinlagen aus § 19 Abs. 4 GmbHG unverändert auf das Aktienrecht übertragen. In Abkehr von der als zu hart empfundenen Unwirksamkeitsfolge nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ordnet nun § 27 Abs. 3 AktG die Wirksamkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte unter gleichzeitiger Wertanrechnung auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Aktionärs an. Zugleich wurde § 52 Abs. 10 AktG a. F. ersatzlos gestrichen.

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Nr. 13 Die jüngste Reformtätigkeit des ARUG-Gesetzgebers wirft indes zahlreiche weitere Zweifel auf, die einerseits aus dem wenig systematischen Eingriff in die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen selbst und andererseits aus dem – nach wie vor ungeklärten – Verhältnis von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung resultieren. Nr. 14 Kurz vor der Reform durch das ARUG hat sich der BGH in seinen bedeutenden Entscheidungen „Lurgi I“ (2007), „Rheinmöve“ (2008) und „Lurgi II“ (2009) vertieft mit Fragen der verdeckten Sacheinlage und des Nachgründungsrechts auseinandergesetzt. Angesichts der neuen Rechtslage ist diese Rechtsprechung für § 27 Abs. 3 AktG in weiten Teilen überholt, da die betreffenden Rechtsgeschäfte wirksam bleiben, obwohl sie verdeckte Sacheinlagen zum Gegenstand haben. Darüber hinaus sind auch die dogmatischen Erwägungen des BGH zur Nachgründung gemäß § 52 AktG zu hinterfragen. Nr. 15 Der Mindermeinung, welche die „Lehre von der verdeckten Sacheinlage“ unter Verweis auf die Nachgründungsvorschriften bereits grundsätzlich die Existenzberechtigung absprach, ist infolge der positvgesetzlichen Regelung der Rechtsfigur in § 27 Abs. 3 AktG jegliche Grundlage entzogen. Nr. 16 Die ganz herrschende Literaturmeinung sowie die Rechtsprechung haben die Grundsätze verdeckter Sacheinlagen bereits vor ARUG anerkannt. Die daraus resultierende Frage nach dem Verhältnis zur Nachgründung wird von der überwiegenden Meinung gelöst, indem von einem Nebeneinander von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung auf Kapitalaufbringungsebene als konkretem bzw. abstraktem Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften ausgegangen wird. Die Gegenauffassung spricht § 52 AktG eine eigenständige Funktion im Bereich des Kapitalaufbringungsschutzes neben den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen ab und ordnet die Nachgründung stattdessen dem Recht der Kapitalerhaltung zu. Im Ergebnis überzeugt jedoch keine der genannten Ansichten – dies gilt auch und gerade nach ARUG.

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Nr. 17 In Anlehnung an einen Grundgedanken Drygalas müssen die starren dogmatischen Zuordnungskriterien der Kapitalaufbringung und -erhaltung für § 52 AktG aufgegeben und stattdessen die einzelnen Normaspekte in das Zentrum der dogmatischen Beurteilung der Rechtsfigur gerückt werden. Nr. 18 Die Nachgründung verfügt über zwei eigenständige Normaspekte, die sich gegenseitig ergänzen. Aufgrund ihres ambivalenten Charakters lässt sich die Nachgründung daher treffend als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung bezeichnen. Nr. 19 Zum einen soll eine Umgehung wesentlicher Elemente der Sachgründungsvorschriften verhindert werden, indem wirtschaftlich nachgründende Erwerbsgeschäfte im Anschluss an die formaljuristische Gründungsphase weitgehend identischen Verfahrenserfordernissen unterworfen werden (kapitalrechtlicher Umgehungsaspekt). Dabei handelt es sich jedoch um einen an die Besonderheiten der spezifischen Erwerbssituation junger Aktiengesellschaften angepassten Umgehungsschutz. Nr. 20 Zum anderen dient das selbständige Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung neben der Feststellung eines entsprechenden Nachgründungswillens vor allem der Kontrolle des Nachgründungsgeschäfts selbst sowie der von den Gründern „beherrschten“ Gesellschaftsorgane, namentlich handelt es sich dabei um den nach § 52 Abs. 3 AktG prüfungs- und berichtspflichtigen Aufsichtsrat sowie den aktiv am Geschäftsabschluss beteiligten Vorstand der Gesellschaft (kompetenzrechtlicher Kontrollaspekt). Nr. 21 Die Schutzobjekte der Nachgründung bilden unter dem Gesichtspunkt des aktienrechtlichen Umgehungsaspekts am Vertragsabschluss unbeteiligte Anteilseigner und sonstige (den Aktionären nicht zurechenbare) Gesellschaftsgläubiger sowie unter dem Gesichtspunkt des kompetenzrechtlichen Kontrollaspekts die Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan. Das nachgründende Erwerbsgeschäft und die beherrschten Gesellschaftsorgane in Gestalt von Vorstand und Aufsichtsrat stellen insoweit die Kontrollgegenstände dar.

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Nr. 22 Die Rechtsverhältnisse der Vorgründungsgesellschaft unterliegen einem völlig eigenständigen Regelungsregime, so dass für die Anwendung der Nachgründungsvorschriften bereits a limine kein Raum bleibt. Dagegen sind die Nachgründungsvorschriften entgegen der herrschenden Meinung aufgrund des umfangreichen Normzwecks auf die Vor-AG anwendbar, da § 52 AktG (auch) auf Erwägungen gründet, die zeitlich in den Bereich vor der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister fallen und mithin die Vor-AG als Durchgangsstadium tangieren. Nr. 23 Neben den (originären) Gründern der Gesellschaft sind auch die Erwerber einer Vorratsgesellschaft bzw. die Verwender einer Mantelgesellschaft als wirtschaftliche Gründer im Sinne von § 52 AktG zu behandeln. Nr. 24 Die Zusammenrechnung mehrerer Beteiligungen hat unter Nachgründungsgesichtspunkten schon bei der bloßen Existenz rechtlicher Einflussnahmemöglichkeiten zu erfolgen (z. B. Weisungsbefugnisse, Stimmbindungen oder ähnliche Parteivereinbarungen), da insoweit die abstrakte Möglichkeit der nachteiligen Beeinflussung der Gesellschaft innerhalb ihrer zweijährigen Adoleszenzphase besteht. Eine Zurechnung ist erst recht erforderlich, wenn und soweit konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass tatsächlich eine Einflussnahme des handelnden Aktionärs auf einen anderen Aktionär oder umgekehrt stattgefunden hat oder es sich um ein geplantes Zusammenwirken handelt. Nr. 25 Das Handeln sog. „unechter“ Dritter unterfällt dem Nachgründungstatbestand, wenn es sich bei dem potenziellen Hintermann des formalen Drittgeschäfts erstens um einen Gründer oder einen mit mehr als 10 % beteiligten Aktionär der Gesellschaft handelt und zweitens schon die bloße Beeinflussungsmöglichkeit existiert, z. B. bei Vorhandensein eines Treuhand- oder Auftragsverhältnisses sowie einer Mehrheitsbeteiligung. Nr. 26 Auch Dienstleistungen werden vom sachlichen Anwendungsbereich des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG als sonstige Vermögensgegenstände erfasst, obwohl sie keine sacheinlagefähigen Gegenstände im Sinne von § 27 AktG darstellen. Auf die

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Sacheinlagefähigkeit kommt es insoweit nicht an, da der eigenständige kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung die Gegenkontrolle von beherrschtem Vorstand und Aufsichtsrat durch die Hauptversammlung während der zweijährigen Adoleszenzphase bezweckt und Verträgen über Dienstleistungen ein gleichermaßen hohes Missbrauchspotenzial innewohnt. Nr. 27 Die Grenze der zu zahlenden Vergütung in Höhe von 10 % der Grundkapitalziffer ist als starre Wertgrenze zu behandeln und möglichst weit zu fassen, so dass auch eine aus ungebundenem Vermögen gezahlte Vergütung aufgrund der kompetenzrechtlichen Kontrollfunktion der Hauptversammlung innerhalb der zweijährigen Adoleszenzphase der Nachgründung zu berücksichtigen ist. Nr. 28 Handelt es sich um ein Angebot der Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, innerhalb der Zweijahresfrist und wurde die nach § 145 BGB grundsätzlich bestehende Bindung an den Antrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen, so findet § 52 AktG auch dann Anwendung, wenn die Annahme des Angebots erst nach Fristablauf erfolgt. Gibt hingegen ein Gründer oder maßgeblich beteiligter Aktionär innerhalb der Zweijahresfrist ein Angebot ab und nimmt die Gesellschaft dieses Angebot erst nach Fristablauf an, ist das Handeln des Vorstands nicht mehr vom zeitlichen Anwendungsbereich des § 52 AktG erfasst. Nr. 29 Die Berechnung der Zweijahresfrist des § 52 AktG hat nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Var. 1 BGB zu erfolgen, der Tag der Handelsregistereintragung ist nicht mitzurechnen. Nr. 30 Die Ausnahmeregelung des § 52 Abs. 9 Var. 1 AktG für „laufende Geschäfte“ ist aufgrund des durch das NaStraG ohnehin eingeschränkten personellen Anwendungsbereichs der Nachgründung eng auszulegen. Der Erwerb von Anlagevermögen in der Investitionsphase kann grundsätzlich nicht nachgründungsfrei sein, da solche Erwerbsvorgänge schon begrifflich nicht zum Tagesgeschäft gehören. Ferner ist nicht (mehr) zu befürchten, dass die Geschäftstätigkeit in der Nachgründungsphase vollständig zum Erliegen kommen oder nachhaltig beeinträchtigt werden könnte, so dass eine Ausnahme von der Nachgründungspflicht auch nicht für Grundstückshandels- oder Holdinggesellschaften zuzulassen ist.

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Nr. 31 Der Pfandverkauf gemäß § 1233 Abs. 2 BGB unterliegt dem Nachgründungserfordernis und wird nicht von der Ausnahme des § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG erfasst. Die gerichtliche Entscheidung betrifft lediglich den dem Pfandverkauf zugrunde liegenden Titel – und damit gerade nicht den Erwerb als solchen. Zudem wird der Gerichtsvollzieher nicht als Vollstreckungsorgan tätig, es handelt sich vielmehr um einen privaten Pfandverkauf des Gründers oder maßgeblich beteiligten Aktionärs an die Gesellschaft. Nr. 32 Bei dem Erwerb von Vermögensgegenständen im Insolvenzverfahren nach §§ 165 f., 173 InsO ist zu differenzieren. Handelt es sich um eine Verwertung unbeweglicher und beweglicher Gegenstände durch den Insolvenzverwalter unter Beteiligung des Insolvenzgerichts nach § 165 InsO, §§ 172 ff. ZVG, ist kaum eine Beeinträchtigung von Interessen der Gesellschaft zu befürchten, so dass der Erwerb durch die Gesellschaft gemäß § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG nachgründungsfrei bleibt. Dies gilt jedoch nicht im Falle eines freihändigen Verkaufs nach §§ 165, 166 Abs. 1 InsO, da es aus Perspektive der Gesellschaft an einer Kontrolle des Erwerbsvorgangs fehlt. Nr. 33 Im Falle einer Verwertung beweglicher Gegenstände und Forderungen durch den Gläubiger gemäß § 173 InsO ist trotz der Beteiligung von Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter keine Ausnahme vom Nachgründungserfordernis nach § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG zuzulassen. Die Vorschriften der Insolvenzordnung sind maßgeblich auf den Schutz der direkt am Insolvenzverfahren beteiligten Personen zugeschnitten und berücksichtigen damit gerade nicht die Belange der jungen Aktiengesellschaft als Erwerberin von Vermögensgegenständen aus der Insolvenzmasse. Nr. 34 Die Versteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft nach § 753 BGB ist gemäß § 52 Abs. 9 Var. 2 AktG nachgründungsfrei, wenn und soweit es sich um einen Erwerb des Grundstücks durch die Gesellschaft handelt. Dies gilt jedoch nicht für den Erwerb von Mobilien im Rahmen einer Versteigerung nach § 753 BGB.

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Nr. 35 Der Börsenbegriff i. S. v. § 52 Abs. 9 Var. 3 AktG ist eng auszulegen, so dass ausschließlich Erwerbsvorgänge am regulierten Markt nachgründungsfrei sind, nicht aber im Freiverkehr oder an einer Warenbörse. Nr. 36 § 52 AktG ist analog auf (offengelegte) Sachkapitalerhöhungen innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Gesellschaftsgründung anzuwenden, wobei der kompetenzrechtliche Kontrollaspekt der Nachgründung das dogmatische Fundament dieser analogen Anwendung bildet. Darüber hinaus ist sowohl aus dogmatischen Gründen als auch unter Wertungsgesichtspunkten jedenfalls nach ARUG bei Vorliegen der Nachgründungstatbestandsmerkmale von der Anwendbarkeit der Nachgründung auf Fälle verdeckter Sachkapitalerhöhungen neben den Grundsätzen verdeckter Sacheinlagen anzuwenden. Nr. 37 Die Anrechnungslösung des § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG ist mit den Vorgaben der Kapitalrichtline vereinbar. Auch nach ARUG bleiben verdeckte Sacheinlagen nicht sanktionslos, es drohen haftungs- und strafrechtliche Folgen, ein möglicher Stimmrechtsverlust sowie prozessuale Nachteile des Inferenten aufgrund der ihm obliegenden Beweislast gemäß § 27 Abs. 3 Satz 5 BGB. Nr. 38 In Bezug auf den Nachgründungsvertrag besteht kein einseitiges Widerrufsrecht des Vertragspartners der Aktiengesellschaft nach § 178 BGB. Anzuerkennen ist jedoch ein Widerrufsrecht nach § 242 BGB für den Fall, dass sich die Gesellschaft nicht innerhalb angemessener Frist um die Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung sowie die Eintragung des Vertrags in das Handelsregister bemüht. Nr. 39 Bereits begonnene Nachgründungsverfahren müssen auch nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 Satz 1 AktG ordnungsgemäß zu Ende geführt werden. Eine Neuvornahme des Nachgründungsgeschäfts, eine beiderseitige Bestätigung bzw. einseitige Genehmigung durch den Vorstand kommen insoweit nicht in Betracht, da hierdurch die Gegenkontrolle durch die Hauptversammlung unterlaufen werden würde.

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Nr. 40 Zu einem Rechtsfolgenkonflikt zwischen Wirksamkeitsanordnung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG und der schwebenden Unwirksamkeit gemäß § 52 Abs. 1 AktG kommt es nach ARUG, wenn und soweit insgesamt zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss im konkreten Einzelfall der gemeinsame Anwendungsbereich von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung eröffnet sein, mithin in tatbestandlicher Hinsicht eine Schnittmenge beider Rechtsfiguren vorliegen. Da § 27 Abs. 3 AktG aufgrund der Übergangsregelung des § 20 Abs. 7 EGAktG auch auf verdeckte Sacheinlagen vor dem 1. September 2009 Anwendung findet, werden in zeitlicher Hinsicht auch Altfälle vor dem Inkrafttreten des ARUG erfasst. Zum anderen muss gleichzeitig ein Verfahrensfehler vorliegen, der entweder unmittelbar das Zustimmungs- bzw. Eintragungserfordernis nach § 52 Abs. 5 und 6 AktG betrifft oder sich mittelbar über die erfolgreiche und fristgerechte Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung auswirkt. Nr. 41 Die herrschende Literaturmeinung löst den Rechtsfolgenkonflikt nach ARUG, indem der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG im Anwendungsbereich der Nachgründungsvorschriften stets Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsfolge des § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG eingeräumt wird (Konkurrenzlösung). Dieser Lösungsansatz überzeugt indes nicht, da sie die vom Gesetzgeber getroffene Wertung nicht angemessen berücksichtigt und faktisch zu einer Reduktion des Anwendungsbereichs von § 27 Abs. 3 AktG auf Fälle außerhalb von § 52 AktG zur Folge hat. Nr. 42 Stattdessen ist aufbauend auf der Unterscheidung zwischen kapitalrechtlichem Umgehungsaspekt und kompetenzrechtlichem Kontrollaspekt der Nachgründung ein differenzierender Lösungsansatz zu wählen (Modifizierte Konkurrenzlösung): Wenn der Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands die Höhe der formal eingegangenen Bareinlageverpflichtung unterschreitet, ist der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG Vorrang gegenüber der Wirksamkeitsfolge nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG einzuräumen (lex specialis). Wenn hingegen der Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands der Höhe der formal eingebrachten Bareinlageverpflichtung entspricht oder diese übersteigt, besteht kein Bedürfnis nach dem Eingreifen der Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG (teleologische Reduktion).

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Nr. 43 Unwirksame Nachgründungsgeschäfte sind jedenfalls nach ARUG nicht gemäß §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln, sondern unterliegen dem spezifischen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch gemäß § 62 AktG. Zum einen besteht kein Bedürfnis mehr nach einer Saldierung gegenseitiger Ansprüche von Gesellschaft und Vertragspartner über die Grundsätze der Saldotheorie. Zum anderen stellt sich die Anwendung von § 62 AktG als notwendiges Gegenstück der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AktG dar. Nr. 44 Die Problematik der Heilung verdeckter Sacheinlagen stellt sich nach ARUG aufgrund der ersatzlosen Streichung der §§ 27 Abs. 4, 52 Abs. 10 AktG a. F. zwar nicht mehr in ihrer bisherigen Form – vollständig erledigt hat sie sich indes nicht. Nr. 45 Nach ARUG sind zwei Heilungsgegenstände zu unterscheiden. Zum einen handelt es sich um die Heilung im Sinne einer Umwandlung der formalen Bareinlagevereinbarung in eine Sacheinlage- oder Sachübernahmevereinbarung. Zum anderen stellt sich die Heilungsfrage im Sinne einer Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG, wenn im Rahmen des Rechtsfolgenkonflikts die Unwirksamkeitsfolge des § 52 Abs. 1 AktG greift. Nr. 46 Die Umwandlung der formalen Bareinlageverpflichtung in eine wahrheitsgemäße Sacheinlage- oder Sachübernahmeverpflichtung ist grundsätzlich nach den vom BGH – vor ARUG und anhand des GmbH-Rechts – entwickelten Heilungsgrundsätzen durchzuführen. Allerdings sind hierbei die Nachgründungsvorschriften ergänzend heranzuziehen: – Im ersten Jahr seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bedarf es eines mit satzungsändernder Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses, wobei die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen muss, § 52 Abs. 5 Satz 2 AktG analog. – Die interne Gründungsprüfung ist allein durch den Aufsichtsrat durchzuführen, wenn der Vorstand an der verdeckten Sacheinlage mitgewirkt hat, § 52 Abs. 3 AktG analog.

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– Im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung bedarf es neben der externen Prüfung zusätzlich einer internen Prüfung durch den Aufsichtsrat, § 52 Abs. 3 AktG analog.

Nr. 47 In Kollisionsfällen zwischen verdeckter Sacheinlage und Nachgründung ist zur Herbeiführung der Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG die ordnungsgemäße Durchführung des Nachgründungsverfahrens erforderlich, wenn und soweit der Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet (modifizierte Konkurrenzlösung). Nr. 48 Es sind folgende Regelungsvorschläge de lege ferenda zu unterbreiten: Art. 11 Abs. 2 KapRL sollte um folgenden Satz 2 ergänzt werden: „Dies gilt für den Erwerb im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft nicht, wenn und soweit die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit nach Abs. 1 Unterabsatz 2 Variante 2 keinen Gebrauch gemacht haben.“

Im Anschluss daran könnte § 52 Abs. 9 AktG wie folgt eingeschränkt und ergänzt werden: „Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände auf Anordnung oder unter Aufsicht einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts, in der Zwangsvollstreckung oder an der Börse erfolgt.“

Zur Regelung des Rechtsfolgenkonflikts nach ARUG ist § 52 AktG um folgenden Abs. 10 zu ergänzen: „Ein Vertrag nach Absatz 1 ist ausnahmsweise auch dann wirksam, wenn ein Vertrag der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 3 Satz 2 wirksam ist und der Wert des Vermögensgegenstandes der Höhe der Bareinlageverpflichtung entspricht oder diese übersteigt. Dies gilt nicht, wenn der Wert des Vermögensgegenstandes die Höhe der Bareinlageverpflichtung unterschreitet; eine Wertanrechnung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 findet dann ohne Einhaltung der vorstehenden Vorschriften nicht statt.“

Nr. 49 Nach ARUG ist hinsichtlich der Bestimmung des Verhältnisses von verdeckter Sacheinlage und Nachgründung ein doppelgleisiges Lösungskonzept zugrunde zu legen. Einerseits ist der Anwendungsbereich von § 52 Abs. 1 AktG möglichst weit auszulegen, um etwaigen Schutzlücken infolge der wesentlich entschärften Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen entgegenzuwirken. Andererseits ist dem

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Willen des Gesetzgebers, den Wert (verdeckt) eingebrachter Vermögensgegenstände auch bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG zu berücksichtigen, auf Rechtsfolgenseite Rechnung zu tragen. Nr. 50 Ohne eine differenzierte Betrachtung des Verhältnisses beider Rechtsfiguren – namentlich auf Rechtsfolgenseite – ist damit zu rechnen, dass der Schrecken für die Praxis fortan nicht mehr von § 27 Abs. 3 AktG, sondern vielmehr von § 52 AktG ausgeht. Infolge der signifikanten Abschwächung der Schutzwirkung verdeckter Sacheinlagen kommt der Nachgründung als hybrides Instrument zur Kapitalsicherung nach ARUG jedenfalls eine Auffangfunktion zu.

Literaturverzeichnis Kommentare/Handbücher/Monografien Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred: Kommentar zum GmbHG, 22. Auflage, München 2019. Bayer, Walter/Habersack, Mathias: Aktienrecht im Wandel, Band I: Entwicklung des Aktienrechts, Band II: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 1. Auflage, Tübingen 2007. Benz, Johannes: Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung im reformierten GmbHRecht (MoMiG), München 2010. Bröcker, Norbert: Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz – Zur Nachgründung und ihrem Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage sowie zu deren Heilung, Köln/Berlin/München 2006. Callies, Christian/Ruffert, Matthias: Kommentar zu EUV/AEUV, 5. Auflage, München 2016. Düringer, Adelbert/Hachenburg, Max: Kommentar zum Handelsgesetzbuch von 1897, III. Band/1. Teil: §§ 178 – 230a, 3. Auflage, Mannheim/Berlin/Leipzig 1934. Großkommentar zum Aktiengesetz: Gadow, Wilhelm/Heinichen, Eduard/Schmidt, Eberhard/ Schmidt, Walter/Weipert, Otto (Hrsg.), 1. Auflage, Berlin 1939, Erster Band/1. Halbband: §§ 1 – 75, 3. Auflage, Berlin/New York 1973, Hrsg. Hopt, Klaus J./Wiedemann, Herbert 4. Auflage, Berlin 2004 ff., Hrsg. Hirte, Heribert/Mülbert, Peter O./Roth, Markus, 5. Auflage, Berlin 2015 ff. Großkommentar zum GmbHG: Ulmer, Peter/Habersack, Mathias/Winter, Martin (Hrsg.), Band I: §§ 1 – 28, 1. Auflage, Tübingen 2005, Hrsg. Ulmer, Peter/Habersack, Mathias/ Löbbe, Marc, Band I: §§ 1 – 28, 2. Auflage, Tübingen 2013. Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz: Bürgers, Tobias/Körber, Torsten (Hrsg.), 4. Auflage, Heidelberg/München/Landsberg/Frechen/Hamburg 2017. Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung: Kayser, Godehard/Thole, Christoph (Hrsg.), 10. Auflage, Heidelberg/München/Landsberg/Frechen/Hamburg 2020. Hölters, Wolfgang: Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage, München 2017. Hüffer, Uwe/Koch, Jens: Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage, München 1999, 8. Auflage, München 2008, 9. Auflage, München 2010, 15. Auflage, München 2021. Just, Clemens/Voß, Thorsten/Ritz, Corinna/Zeising, Michael: Kommentar zum WpPG, 1. Auflage, München 2009. Klausing, Friedrich: Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“, Berlin 1937. Koch, Jens: Die Nachgründung. Entgeltliche Erwerbsverträge und gesellschaftsrechtliche Geschäfte der jungen Aktiengesellschaft nach altem und neuem Recht (Namensaktiengesetz 2001), München 2002.

Kommentare/Handbücher/Monografien

299

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz: Hrsg. Zöllner, Wolfgang, 2. Auflage, Köln 1986 ff., Hrsg. Zöllner, Wolfgang/Noack, Ulrich, 3. Auflage, Köln 2004 ff. Larenz, Karl: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1991. Laub, Detlef: Die Nachgründung nach § 52 AktG als kapitalerhaltende Norm. Auswirkungen auf den Tatbestand und seine Anwendung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG), Frankfurt am Main 2004. Lutter, Marcus/Hommelhoff, Peter: Kommentar zum GmbH-Gesetz, 20. Auflage, Köln 2020. Meilicke, Wienand: Die verschleierte Sacheinlage. Eine deutsche Fehlentwicklung, Stuttgart 1989. Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts: Hoffmann-Becking, Michael (Hrsg.), Band 4: Aktiengesellschaft, 3. Auflage, München 2007, 5. Auflage, München 2020. Münchener Kommentar zum Aktiengesetz: Kropff, Bruno/Semler, Johannes (Hrsg.), 2. Auflage, München 2000 ff., Hrsg. Goette, Wulf/Habersack, Mathias/Kalss Susanne, 3. Auflage, München 2008 ff., 5. Auflage, München 2019 ff. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina (Hrsg.), 8. Auflage, München 2018 ff. Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung: Stürner, Rolf/Eidenmüller, Horst/Schoppmeyer, Heinrich (Hrsg.), 4. Auflage, München 2019. Palandt: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 80. Auflage, München 2021. Raiser, Thomas/Veil, Rüdiger: Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Auflage, München 2015. Roth, Günter H./Altmeppen, Holger: Kommentar zum GmbHG, 10. Auflage, München 2021. Rüthers, Bernd/Fischer, Christian/Birk, Axel: Rechtstheorie: Begriff, Geltung und Anwendung des Rechts, 11. Auflage, München 2020. Schlegelberger, Franz/Quassowski, Leo: Aktiengesetz vom 30. Januar 1937, 2. Auflage, Berlin 1937. Schmidt, Karsten: Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Köln 2002. Schmidt, Karsten/Lutter, Marcus: Kommentar zum Aktiengesetz, Band I: §§ 1 – 149, 1. Auflage, Köln 2008, Band I: §§ 1 – 149, Band II: §§ 150 – 410, 4. Auflage, Köln 2020. Scholz, Franz: Kommentar zum GmbH-Gesetz, I. Band: §§ 1 – 34. 10. Auflage, Köln 2006, I. Band: §§ 1 – 34, 12. Auflage, Köln 2018. Schubert, Werner: Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), 1. Auflage, Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1999. Schubert, Werner/Hommelhoff, Peter: Hundert Jahre modernes Aktienrecht, ZGR Sonderheft 4, Berlin/New York 1985. Schubert, Werner/Hommelhoff, Peter: Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1. Auflage, Berlin/New York 1987. Schubert, Werner/Schmiedel, Burkhard/Krampe, Christoph: Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 1: Gesetze und Entwürfe, Band 2: Denkschriften, Beratungen, Berichte, 1. Auflage, Frankfurt am Main 1986.

300

Literaturverzeichnis

Schwab, Martin T.: Die Nachgründung im Aktienrecht – Tatbestand, Rechtsfolgen und Verfahren, Berlin 2003. Spindler, Gerald/Stilz, Eberhard: Kommentar zum Aktiengesetz, Band 1: §§ 1 – 149, 1. Auflage, München 2007, Band 1: §§ 1 – 149, 3. Auflage, München 2015, Band 1: §§ 1 – 149, Band 2: §§ 150 – 410, 4. Auflage 2019. Staub, Hermann: Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 7. Auflage, Berlin/Leipzig 1900. Staudinger: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 3: §§ 1204 – 1296, Neubearbeitung, Berlin 2019. Wachter, Thomas: Kommentar zum Aktiengesetz, 1. Auflage, Köln 2012.

Zeitschriften/Aufsätze Bayer, Walter: Moderner Kapitalschutz, ZGR 2007, 220 ff. Bayer, Walter/Schmidt, Jessica: Die Reform der Kapitalaufbringung durch das ARUG, ZGR 2009, 805 ff. Bergmann, Thomas: Die verschleierte Sacheinlage bei AG und GmbH, AG 1987, 57 ff. Bork, Reinhard/Stangier, Michael: Nachgründende Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen?, AG 1984, 320 ff. Böttcher, Lars: Die gemischte verdeckte Sacheinlage im Rahmen der Kapitalerhöhung – „Rheinmöve“, NZG 2008, 416 ff. Brandner, Hans Erich: Verdeckte Sacheinlage: eine Aufgabe für den Gesetzgeber?, in: Festschrift für Karlheinz Boujong zum 65. Geburtstag, 1996, S. 37 ff. Bröcker, Norbert: Die aktienrechtliche Nachgründung: Wieviel Kontrolle benötigt die junge Aktiengesellschaft?, ZIP 1999, 1029 ff. Cohnitz, Ernst: Die verschleierte Sachgründung und ihre Folgen, JW 1930, 2643 ff. Dauner-Lieb, Barbara: Die Auswirkungen des MoMiG auf die Behandlung verdeckter Sacheinlagen im Aktienrecht, AG 2009, 217 ff. Diekmann, Hans: Die Nachgründung der Aktiengesellschaft, ZIP 1996, 2149. Dormann, Ulrike/Fromholzer, Ferdinand: Offene Fragen der Nachgründung nach dem NaStraG, AG 2001, 242 ff. Drygala, Tim: Die aktienrechtliche Nachgründung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, in: Festschrift für Ulrich Huber zum 70. Geburtstag, 2006, S. 691 ff. Drygala, Tim: Stammkapital heute – Zum veränderten Verständnis vom System des festen Kapitals und seinen Konsequenzen, ZGR 2006, 587 ff. Einsele, Dorothee: Verdeckte Sacheinlage, Grundsatz der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, NJW 1996, 2681 ff. Eisolt, Dirk: Neuregelung der Nachgründung durch das Namensaktiengesetz, DStR 2001, 748 ff. Flechtheim, Julius: Die Heilung verschleierter Sachgründung, JW 1929, 2105 ff.

Zeitschriften/Aufsätze

301

Fuchs, Ingo: Die Neuregelung zur verdeckten Sacheinlage durch das MoMiG und ihre Rückwirkung, BB 2009, 170 ff. Groß, Wolfgang: Heilung verdeckter Sacheinlagen in der GmbH durch Umwidmungsbeschluss der Gesellschafter, zugleich eine Besprechung des BGH-Beschlusses vom 4. März 1996 – II ZB 8/95, GmbHR 1996, 721 ff. Habersack, Mathias: Verdeckte (gemischte) Sacheinlage, Sachübernahme und Nachgründung im Aktienrecht – Zugleich Besprechung der Entscheidung BGH ZIP 2007, 1751 (Lurgi), ZGR 2008, 48 ff. Habersack, Mathias: Verdeckte Sacheinlage und Hin- und Herzahlen nach dem ARUG – gemeinschaftsrechtlich betrachtet, AG 2009, 557 ff. Habighorst, Oliver: Kurzkommentar zu BGH, Urt. v. 9. 7. 2007, Az. II ZR 62/06 – „Lurgi“, EWiR 2008, 419 ff. Hachenburg, Max: Anmerkung zum Urteil des KG vom 1. Oktober 1923, JW 1924, 199 ff. Handelsrechtsausschuss des DAV: DAV – Vorschlag zum Problem der „verdeckten Sacheinlage“, WiB 1996, 707 ff. Handelsrechtsausschuss des DAV: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), NZG 2007, 211 ff. Hartmann, Uwe/Barcaba, Dirk: Die Anforderungen an den Bericht des Aufsichtsrats im Nachgründungsverfahren, AG 2001, 437 ff. Henze, Hartwig: Zur Problematik der „verdeckten (verschleierten) Sacheinlage“ im Aktienund GmbH-Recht, ZHR 154 (1990), 105 ff. Herrler, Sebastian/Reymann, Christoph: Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG – Unter besonderer Berücksichtigung der Neuregelung zur Hauptversammlung und zur Kapitalaufbringung bei der AG, DNotZ 2009, 914 ff. Holzapfel, Hans-Joachim/Roschmann, Christian: Nachgründung gemäß § 52 AktG, in: Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag, 2000, S. 163 ff. Joost, Detlef: Verdeckte Sacheinlagen, ZIP 1990, 549 ff. Kersting, Christian: Verdeckte Sacheinlage, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2008, Jahrestagung der gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR), 2009, S. 101 ff. Kleindiek, Detlef: Max Hachenburg – jüdischer Rechtsanwalt und Publizist, NJW 1993, 1295 ff. Kohl, Steffen: Die Prüfung des Jahresabschlusses unter Berücksichtigung von aktienrechtlichen Nachgründungstatbeständen, BB 1995, 139 ff. Krieger, Gerd: Zur Heilung verdeckter Sacheinlagen in der GmbH, ZGR 1996, 674 ff. Krieger, Gerd: Zur Reichweite des § 52 AktG, in: Festschrift für Carsten Peter Claussen zum 70. Geburtstag, 1997, S. 223 ff. Lieder, Jan: Rechtsfragen der aktienrechtlichen Nachgründung nach ARUG, ZIP 2010, 964 ff. Loos, Gerold: Zur verschleierten Sacheinlage bei der Aktiengesellschaft. Eine systemwidrige Gesetzesinterpretation contra legem?, AG 1989, 381 ff.

302

Literaturverzeichnis

Lutter, Marcus: Verdeckte Leistungen und Kapitalschutz, in: Festschrift für Ernst C. Stiefel zum 80. Geburtstag, 1987, S. 505 ff. Lutter, Marcus/Gehling, Christian: Verdeckte Sacheinlagen – Zur Entwicklung der Lehre und zu den europäischen Aspekten, WM 1989, 1445 ff. Lutter, Marcus/Ziemons, Hildegard: Die unverhoffte Renaissance der Nachgründung, ZGR 1999, 479 ff. Maier-Reimer, Georg/Wenzel, Axel: Kapitalaufbringung in der GmbH nach dem MoMiG, ZIP 2008, 1449 ff. Maier-Reimer, Georg/Wenzel, Axel: Nochmals: Die Anrechnung der verdeckten Sacheinlage nach dem MoMiG, ZIP 2009, 1185 ff. Martens, Klaus-Peter: Die verschleierte gemischte Sacheinlage als Stolperstein der Gerechtigkeit, AG 2007, 732 ff. Meilicke, Wienand: Die Kapitalaufbringungsvorschriften als Sanierungsbremse – Ist die deutsche Interpretation des § 27 Abs. 2 AktG richtlinienkonform?, DB 1989, 1067 ff. Mülbert, Peter O.: Das „Magische Dreieck der Barkapitalaufbringung“, ZHR 154 (1990), 145 ff. Mülbert, Peter O.: Anwendung der Nachgründungsvorschriften auf die Sachkapitalerhöhung, AG 2003, 136 ff. Pentz, Andreas: Die Änderungen des Nachgründungsrechts durch das NaStraG – Ein Austausch alter durch neue Probleme, NZG 2001, 346 ff. Pentz, Andreas: Die verdeckte Sacheinlage im GmbH-Recht nach dem MoMiG, in: Festschrift für Karsten Schmidt zum 70. Geburtstag, 2009, S. 1265 ff. Priester, Hans-Joachim: Die Heilung verdeckter Sacheinlagen im Recht der GmbH, DB 1990, 1753 ff. Priester, Hans-Joachim: Verdeckte Sacheinlagen: Tatbestand, Rechtsfolgen, Heilungsmöglichkeiten, DStR 1990, 770 ff. Priester, Hans-Joachim: Neue Regeln zur Nachgründung, DB 2001, 467 ff. Priester, Hans-Joachim: Mindestkapital und Sacheinlageregeln, VGR – Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1 ff. Priester, Hans-Joachim: Kapitalaufbringung nach Gutdünken? – Ein Zwischenruf zum MoMiG, ZIP 2008, 55 f. Reichert, Jochem: Probleme der Nachgründung nach altem und neuem Recht, ZGR 2001, 554 ff. Schäfer, Carsten: Die „Heilung“ der verdeckten Sacheinlage im Aktienrecht – was bleibt nach „Rheinmöve“?, in: Festschrift für Uwe Hüffer zum 70. Geburtstag, 2010, S. 863 ff. Sernetz, Herbert: Anrechnung und Bereicherung bei der verdeckten Sacheinlage, ZIP 2010, 2173 ff. Stiller, Dirk/Redeker, Rouven: Aktuelle Rechtsfragen der verdeckten gemischten Sacheinlage, ZIP 2010, 865 ff. Ulmer, Peter: Verdeckte Sacheinlagen im Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 154 (1990), 128 ff.

Zeitschriften/Aufsätze

303

Ulmer, Peter: Die „Anrechnung“ (MoMiG) des Wertes verdeckter Sacheinlagen auf die Bareinlageforderung der GmbH – ein neues Erfüllungssurrogat?, ZIP 2009, 293 ff. Weißhaupt, Frank: Die Heilung „vergessener“ Nachgründungsgeschäfte, ZGR 2005, 726 ff. Werner, Rüdiger: Zum Anwendungsbereich von § 52 AktG nach der Neufassung durch das NaStraG, ZIP 2001, 1403 ff. Wilhelm, Jan: Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 152 (1988), 333 ff. Wilhelm, Jan: Umgehungsverbote im Recht der Kapitalaufbringung, ZHR 167 (2003), 520 ff. Winter, Martin: Die Rechtsfolgen der „verdeckten“ Sacheinlage – Versuch einer Neubestimmung, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester zum 70. Geburtstag, 2007, S. 867 ff. Witte, Christoph/Wunderlich, Nils: Die Nachgründungsproblematik bei „jungen Aktiengesellschaften“, BB 2000, 2213 ff. Zimmer, Lutz: Die Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG – Tatbestand und Reichweite sowie Möglichkeit der Heilung unwirksamer Rechtsgeschäfte, DB 2000, 1265 ff.

Sachverzeichnis Aktienrechtsnovelle 1884 34 ff. Aktienrechtsreform 1937 70 ff. Aktienrechtsreform 1965 82 ff. Aktionärsinformation 226, 229 f. Anrechnungslösung 92 ff., 216 ff., 221 f., 265 Anwendungsbereich 41 ff., 58 ff., 87 ff., 169 ff., 190 ff., 228 f., 230 ff., 278 f. ARUG 2009 94 ff. Auslegung, richtlinienkonforme 173 ff., 175 ff., 193 ff., 197 f., 242 ff., 279 ff. Ausnahmetatbestand 190 ff. Bareinlageverpflichtung 240 ff., 257 ff., 263 ff., 282 Berichtserfordernis 226 f. Berichtspflicht 260, 271 Bindung der Vertragspartner 223 ff. Differenzhaftung 92 ff. Dogmatische Standortbestimmung Drittgeschäfte 162, 178 ff.

116 ff.

Effektivitätsprinzip 217 ff. Einflussnahme 123 ff., 127 ff., 131 ff., 240 ff. Eintragungserfordernis 77, 152, 228 Erfüllungslösung 92 f. Erwerb an der Börse 205 ff. Fristberechnung

187 ff.

Gefahrenquelle 127 ff., 240 Generalversammlung, konstituierende 44 ff., 59 f., 84 f., 155 ff., 270 Geschäfte, laufende 88 f., 190 ff., 278 ff. Geschäftsbetrieb 42, 50 f., 56, 181, 191 ff. Geschäftsgegenstand 181 ff. Gründer 173 ff. Gründerjahre 34 ff. Gründerkrise 34 ff., 68 f.

Handelsrechtsreform 1897 49 ff. Handelsregistereintragung 74 ff., 150, 172, 187 ff., 189 ff., 213 Hauptversammlung, konstituierende 158 ff., 162 ff. Heilung 112 f., 257 ff. Heilungsverfahren 263 ff. IBH/Lemmerz-Entscheidung 118 f., 122 f., 140 f. Illationsgesellschaft 35 Inflationsverkäufe 61 ff. Insolvenzverfahren 198 ff.

105 ff.,

(Kapital-)Quorum 44 ff., 51 f., 155 ff., 268 ff. Kapitalaufbringung 121 ff., 149 ff. Kapitalerhaltung 129 ff., 149 ff. Kapitalerhöhung 40 f., 95 f., 101 ff., 207 ff., 271 f. Kapitalrichtlinie 1976 85 ff., 119 f., 190 ff., 216 ff., 233 ff., 242 ff., 277 ff. Konkurrenzlösung, modifizierte 234 ff., 239 ff. Kontrollaspekt, kompetenzrechtlicher 155 ff., 162 ff. Konzessions-System 34 f., 119 f. Lehre von der verdeckten Sacheinlage 57 ff., 117 ff. Lurgi I/II 101 ff. Mantelgesellschaft 189 f., 173 ff. MoMiG 2008 92 ff. Nachgründungsbericht 96 ff., 151 ff., 226 ff. Nachgründungsprüfung 53 ff., 74 ff., 141 ff., 208 ff. Nachgründungsverfahren 96 f., 141 ff., 224 ff., 255 ff., 257 ff., 275 ff.,

Sachverzeichnis Nachgründungswille 158 ff. NaStraG 2001 87 ff. Neuvornahme 224 ff., 258 ff. Normativ-System 34 f., 119 f. Normzweck 160, 123 f. Pfandverkauf 198 ff. Prüfungserfordernis 151 f. Publizität 152, 226 Rechtsfolgenkonflikt 215 ff., 274, 280 Reduktion, teleologische 230 ff. Regelungszweck 121 ff. Revisoren, besondere/externe 43 f., 53 f., 59, 74 ff. Rheinmöve 101 ff. Rückabwicklung 107 ff., 245 ff. Rückgewähranspruch, aktienrechtlicher 107 ff., 247 ff. (Sach-)Gründungsverfahren 151 ff. Sacheinlage, verdeckte/gemischte/offene 103 ff., 112 f., 266 f. Sachgründung 41 ff., 53 f., 81 f., 129 ff., 211 f. Sachkapitalerhöhung, offene/verdeckte 103 ff., 110 ff., 207 ff. Sachübernahme 38 f., 76 ff., 103 ff., 129 ff., 257 ff. Saldotheorie 107 ff., 110 ff., 113 f., 247 ff., 253 ff. Schriftformerfordernis 226, 229 f. Schutzobjekte 161 f.

305

Sukzessiv-/Stufengründung 44 ff., 51 f., 59 f., 84 f., 126 f., 138 ff., 156 ff. Tempus clausum 141 ff.

38 ff., 42, 55 ff., 126 ff.,

Umgehungsaspekt, kapitalrechtlicher 150 ff., 162 Umwandlung der Bareinlage in Sacheinlage 263 ff. Unwirksamkeit, schwebende 22 ff., 229 f., 266 f., 274 f. Verfahrensfehler 226 ff., 229 f. Vergütung 151 ff., 162 ff., 183 ff. Vermögensgegenstand 180 ff., 196 ff., 240 f., 280 ff. Vor-AG/Vorgründungsgesellschaft 170 ff. Vorrats-AG 173 ff., 189 ff. Wertanrechnung 244 f., 253 ff., 266 f., 273 ff., 282 f. Werthaltigkeitskontrolle 271 f. Widerrufsrecht 223 f. Wirksamkeitsanordnung 216, 229 f., 252 ff., 274 f., 282 f. Zurechnung 175 ff., 178 ff. Zusammenrechnung 175 ff., 183 ff. Zustimmungsbeschluss 155 ff., 226 ff., 229 f. Zwangsvollstreckung 196 ff., 279 ff.