Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle: Ein kriminalpolitischer Beitrag zur Suche nach alternativen Sanktionsformen [1 ed.] 9783428461813, 9783428061815


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German Pages 474 Year 1987

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Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle: Ein kriminalpolitischer Beitrag zur Suche nach alternativen Sanktionsformen [1 ed.]
 9783428461813, 9783428061815

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DETLEV FREHSEE

Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle

Kriminologische und sanktionen rechtliche Forschungen Begründet als "Kriminologische Forschungen" von Prof. Dr. Hellmuth Mayer Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Hellmer und Prof. Dr. Eckhard Horn

Band I

Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle Ein kriminalpolitischer Beitrag zur Suche nach alternativen Sanktionsformen

Von

Dr. Detlev Frehsee

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Juristischen Fakultät der Universität Kiel gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Frehsee, DetIev: Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle : e. kriminalpolit. Beitr. zur Suche nach alternativen Sanktionsformen / von Detlev Frehsee. - Berlin : Duncker und Humblot, 1987. (Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen; Bd. 1) ISBN 3-428-06181-0 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1987 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Hermann Hagedorn GmbH & Co, Berlin 46 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06181-0

Vorbemerkung Als diese Studie konzipiert wurde, war das Thema für die Wissenschaft ähnlich unbedeutend wie das heute noch für die Justizpraxis der Fall ist. Die Arbeit ist dann von einer anflutenden Diskussion gewissermaßen überrollt worden. Soweit das Thema damit so akzeptabel geworden ist, daß man mittlerweile selbst vor Strafjuristen darüber sprechen darf, ohne in eine Sektiererrolle zu geraten, ist das erfreulich. Andererseits verleiht ihm das beeindruckende Tempo, mit dem ihm zustimmendes Interesse zuwächst, einen Beigeschmack modischer Kurzlebigkeit. Insofern erweist sich das ursprüngliche Anliegen dieser Arbeit auch im Nachhinein als angemessen, den Gedanken strafrechtlicher Schadenswiedergutmachung zunächst einmal mit einer sorgfältigen Bestandsaufnahme der aktuellen straf- und sozialisationstheoretischen Grundlagen strafrechtlicher Kontrollfunktionen in Beziehung zu setzen und von der empirischen Seite zuerst zu prüfen, wie und nach welchen Anwendungsprinzipien die Justiz in der Praxis von den vorhandenen Möglichkeiten sanktionierender Schadenswiedergutmachung bisher überhaupt Gebrauch macht. Wenn dabei erkannt wird, daß die Zeit in besonderem Maße reif scheint für einen erneuten Rückgriff öffentlicher Verhaltenskontrolle aufrestitutive Reaktionsmittel, die Justiz die Sanktionseignung wiedergutmachender Rechtsfolgen bisher aber kaum zu würdigen und zu nutzen weiß, so ist das die Basis für dringenden kriminalpolitischen Innovationsbedarf. Dieser ist schon in früheren Beiträgen aus dem Kriminologischen Seminar in Kiel angemahnt worden, namentlich von seinem Gründungsdirektor Hellmuth Mayer und dessen Schüler und Nachfolger Joachim Hellmer, deren Anliegen sich diese Studie somit traditionell verbunden fühlt. Im übrigen bin ich Herrn Professor Dr. Joachim Hellmer über die Ermöglichung und Förderung dieser Arbeit weit hinaus insofern zu Dank verpflichtet, als er mir den Weg in die Wissenschaft überhaupt eröffnet hat. Ferner danke ich meinen an den empirischen Erhebungen beteiligten Mitarbeitern Udo Hansen, Ulrich Kamp, Ulrich Mathias, Jan Weinreich und nicht zuletzt Kostas Ziogas, der die EDV einrichtete. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft schulde ich in zweifacher Weise Dank, nämlich neben dem Druckkostenzuschuß für die Förderung der Materialerhebungen im Rahmen des Schwerpunktprogramms "Empirische Sanktionsforschung - Genese und Wirkung von Sanktionsnormen und Sanktionen".

VI

Vorbemerkung

Das Manuskript wurde im März 1985 abgeschlossen. Bis Mitte 1986 habe ich mich bemüht, wichtige Veröffentlichungen noch nachzutragen und einzuarbeiten. Kiel, im Dezember 1986

Detlev Frehsee

Inhaltsveneichnis Erstes Kapitel Einführung A. Schadenswiedergutmachung als Bestrafungsmittel im Bezugsfeld kriminalpolitischer Strömungen .................................................. I. Aktualität der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kriminalpolitische Rahmenbedingungen ............................ 1. Krise der Kriminalpolitik ...................................... 2. Neues Interesse für das Tatopfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internationale Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Begriff und Struktur der Wiedergutmachung strafbarer Schädigungen. . . . . . . I. Wiedergutmachung und öffentliche Entschädigung ................... 11. Wiedergutmachung und zivilrechtlicher Schadensersatz ............... III. "Strafrechtliche Wiedergutmachung" ............................... IV. Gemeinnützige Leistungen als Wiedergutmachung ................... V. Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich ......................

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Zweites Kapitel Grundlagen A. Restitutive Verhaltenskontrolle in der geschichtlichen Entwicklung . . . . . . . . . I. Entstehung der Komposition in einfachen Gesellschaften ............. II. Talion und Komposition in den ältesten Kodifikationen ............... 1. Alter Orient ................................................. 2. Griechisches Recht ........................................... 3. Römisches Recht ............................ , ........... " . . . III. Komposition im mitteleuropäischen Raum .......................... 1. Recht des germanischen Volksstaates ............................ 2. Kultivierung des Kompositionensystems zur Zeit der Franken. . . . . . . 3. Der Niedergang des Kompositionensystems im Mittelalter. . . . . . . . . . a) Entwicklungslinie Buße - Geldstrafe - Körperstrafe ............ b) Der entscheidende Umbruch im Kontrollsystem . . . .. . ... . . .. . . . 4. Theoretische Erklärungsversuche zur Verdrängung der Privatbuße durch öffentliche Strafe ............................................. a) Instrumentelle Ansätze ..................................... b) Ideengeschichtliche Erklärung ............................... c) Makrostrukturelle Ansätze .................................. IV. Restitutive Rudimente im Strafrecht der Neuzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Buße ....................................................... 2. Adhäsionsverfahren ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 12 13 13 14 14 16 16 18 19 20 22 24 24 24 25 27 27 28

VIII

Inhaltsverzeichnis 3. Wiedergutmachungsauflage ............... . ........... . ........

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B. Schadensersatz und Strafe ............... . .................... . ...... I. Ziviles und strafbares Unrecht .................................... 11. Schadensersatz und Strafe als zweckbestimmte Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 1. Merkel: Schadensersatz und Strafe als verschiedene Formen einer einheitlichen Folge des Unrechts .................................. 2. Binding: Schadensersatz als einheitliche Rechtsfolge nichtdeliktischer Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Deliktischer Schadensersatz zwischen Schadensausgleich und Verhaltenskontrolle ....................................................... 1. Tendenz der Gesamtentwicklung zum Ausgleichsprinzip ........... 2. Verhaltenssteuernde Elemente deliktischer Verschuldenshaftung . . . . . a) Verschuldensabhängige Individualhaftung widerspricht dem Ausgleichsprinzip ............................................. b) Verschuldensunabhängige Haftungssysteme und ihre Grenzen. . . . 3. Der Ausgleichsfunktion entgegenlaufende Tendenzen des geltenden Schadensersatzrechts .......................................... a) Rudimente individueller Schädigerhaftung in vorhandenen Systemen ausgleichsorientierter Kollektivhaftung ........................ b) Ersatz immateriellen Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zurückhaltung des BGB ................................ bb) Entwicklung durch die Rechtsprechung ................... (I) Ausgleichsfremde Funktionen ........................ (2) Strafahnliche Anwendungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die poenale Funktion des Immaterialschadensersatzes . . . . . . . 4. Stratfunktionen des Schadensersatzes ............................ C. Theorie der Bestrafung und Wiedergutmachung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unbestimmtheit der straftheoretischen Ausgangslage ................. 11. Restitutionstheoretische Ansätze auf der Grundlage absoluter Strafbegründung .......................................................... 1. Vergeltungs- und Heilungstheorien ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Kant und Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Heilungstheorien: Aufhebung des Verbrechensschadens ......... aa) Wiederaufhebung des intellektuellen und materiellen Verbrechensschadens bei den älteren "Wiederherstellungstheorien". (I) Welker's Wiederherstellungstheorie ........ . . . . . . . . . . . . (2) Hepp's Theorie der Bürgerlichen Gerechtigkeit. . . . . . . . . . (3) Herold's Rechtsprinzip der Zweckstrafe ................ bb) Die Beziehung von Schadensersatz und Strafe bei den jüngeren "Restitutionstheoretikem" ............................... c) Vergeltungstheorie und Wiedergutmachung am Opfer ........... 2. Sühnetheorie ................................................ a) Begriff: Sühne vs. Vergeltung ................ . ............... b) Sühne und Versöhnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Versöhnung durch repressive Strafen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versöhnung durch Leistung .............................

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Inhaltsverzeichnis 3. Kritik absoluter Strafbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldausgleich als Rudiment absoluter Strafbegründung ........ aa) Gegenwärtiger Meinungsstand ........................... bb) Verlorengehende Bezugsgrundlagen ...................... b) Exemplarischer und fragmentarischer Charakter des Strafrechts und seiner Anwendung ......................................... aa) Dunkelfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswahl und Prägung sichtbarer Kriminalität durch Verfolgung cc) Normgenese .......................................... c) Strafleiden als Sonderopfer .................................. III. Relative Strafbegründung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Positive Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erzeugung und Festigung von Normbewußtsein ................ b) Soziologische und tiefenpsychologische Bezüge positiver Generalprävention ................................................... c) Vergeltung und Generalprävention ........................... 2. Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sühne und Spezialprävention ................................ b) Kriminalpolitische Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik ......................... . .......................... aa) Konzeptionelle Mängel ................................. (1) Pathologisierung des Täters .......................... (2) Freiheitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sozialisierung durch Individualbehandlung? ............ bb) Mangelnde Wirksamkeit ................................ (1) Fehlender empirischer Erfolgsnachweis ................ (2) Überschätzung spezialpräventiver Einflußmöglichkeiten .. d) Anerkannte Funktionen der Spezialprävention ................. aa) Resozialisierung unter Angebotsvorbehalt ................. bb) Eigentlicher funktionaler Kern der Spezialprävention ........ 3. Gefahrliche Alternativen: "Neoklassizismus" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sanktionsspezifischer Ertrag: Austauschbarkeit der Sanktionen . . . . . . . . . 1. Strafzwecke und Sanktionserfordernisse .......................... 2. Sanktionsfunktion des Verfahrens selbst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mißbilligung .............................................. b) Belastungswirkung der Verfolgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkungsorientierte Prozeßgestaltung ......................... d) Gesetzliche Beispiele deklaratorischer Mißbilligung ............. 3. Minimierung der Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX 57 57 57 58 60 60 63 64 64 65 65 65 68 70 72 72 72 72 72 72 73 74 75 75 78 79 79 79 80 82 82 84 84 85 85 86 86

Drittes Kapitel

Sanktionseignung der Schadenswiedergutmachung A. Kognitive Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Positive Generalprävention ....................................... 1. Bestätigung der Normgeltung und Rechtsgüterschutz .............. 2. "Appellfunktion" der Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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x

Inhaltsverzeichnis 3. Dysfunktionale Entwicklungstendenzen des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . a) Entfremdung ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Desinteresse am individuellen Verbrechensschaden ............. c) Strafrechtspflege auf Kosten des Tatgeschädigten ............... 4. Sorge tUr das Tatopfer als Bedingung der Normbestätigung ......... H. Spezialprävention ............................................... I. Anerkanntes pädagogisches Potential der Schadenswiedergutmachung 2. Plausibilität und Sachbezogenheit ...............................

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B. Sanktionseignung der Schadenswiedergutmachung auf tiefenpsychologischer und sozialisationstheoretischer Ebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Integration der Rechtstreuen durch Ausgrenzung des Abweichlers? . . . . . 97 I. Fehlgebrauch des Integrationsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Öffentliche Stratbedürfnisse .................................... 98 3. Voraussetzung öffentlicher Stratbedürfnisse: das hierarchische Instan99 zenmodell der Psyche ......................................... a) Autoritäre Verhaltenskontrolle ............................... 100 b) Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur .................. 101 aa) Sozialstrukturelle Varianzen ............................ 101 bb) Der "neue Sozialisationstyp" ........................... 102 4. Diskrepanz zwischen strafrechtlich unterstellten und wirklichen Strafbedürfnissen ................................................... 103 a) Veränderungen der vorausgesetzten Persönlichkeitsstruktur als Erklärung tUr die strafrechtliche Wirkungskrise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 b) Varianzen und Einflußfaktoren des Strafbedürfnisses ............ 103 c) Akzeptanz von Wiedergutmachung als Strafreaktion . . . . . . . . . . . . . 105 d) Strafbedürfnis der Strafjuristen .............. . . . . . . . . . . . . . . . .. 106 5. Schadenswiedergutmachung als Neutralisator repressiver Bestrafungstendenzen ................................................... 107 H. Schadenswiedergutmachung im Lichte veränderter Anforderungen an das Strafrecht aus gewandelten Sozialisationsbedingungen ................ 108 1. Voraussetzungen kollektiver Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109 a) Wandel der Wertorientierungen .............................. 109 b) Das entwicklungspsychologische Ziel postkonventioneller Moral .. 109 c) Pädagogik ohne Fremdbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111 d) Recht und Autonomie ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 112 2. Individualpsychologische Anforderungen und Schadenswiedergutmachung ....................................................... 113 a) Selbstbestätigung statt Degradierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 113 b) Stärken der Schadenswiedergutmachung .... " . . . . . . . . . . . . . . . . .. 114 aa) Tatorientierung statt Persönlichkeitsdeklassierung . . . . . . . . .. 114 bb) Positive Verhaltenserwartung ........................... 115 cc) Vermittlung von sozialer Verantwortung. . . . . . . . . . . . . . . . .. 116 dd) Ermöglichung von Trauerarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 118 3. Vermeidung der Strafzweckantinomie durch Schadenswiedergutmachung ....................................................... 119

Inhaltsverzeichnis

XI

Viertes Kapitel Förderung neuer Perspektiven des Systems öffentlicher Verhaltenskontrolle durch Schadenswiedergutmachung

A. Öffnung des eindimensionalen Modells strafrechtlicher Konfliktverarbeitung . I. Vereinzelung des Täters .......................................... 11. Vernachlässigung des Opfers ...................................... 1. Mißachtung des Opfers als Subjekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Opferschädigung durch StrafVerfahren ........................... III. Gegentendenzen ................................................ 1. Viktimodogmatik ............................................. 2. Rolle des Opfers im StrafVerfahren .............................. 3. Opferfreundliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IV. Das Opfer als strafprozessuale Eingangsinstanz ...................... 1. Schlüssel rolle des Opfers für die Realität der Strafrechtspflege . . . . . .. 2. Motivation des Opfers für Inanspruchnahme der StrafVerfolgung . . . .. V. Nutzen strafrechtlicher Schadenswiedergutmachung für das Opfer ...... 1. Materiell .................................................... 2. Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. B. Schadenswiedergutmachung als Kristallisationskern des Täter-Opfer-Ausgleichs ............................................................ I. Verfahrensprizipien strafrechtlicher Konfliktverarbeitung .............. 1. Verrechtlichung und Komplexitätsreduktion ...................... 2. Distanzierung von Täter und Opfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Grenzen der Ausdifferenzierung der Strafrechtskontrolle .............. 1. Unverzichtbarkeit einer letzten Zwangsentscheidungsinstanz ........ 2. Gesellschaftliche Entfremdung durch formalisierte Verhaltenskontrolle III. Gegenströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Komplexitätsproduktion ....................................... 2. Entrechtlichung .............................................. a) Alternative Konfliktverarbeitung ............................. b) "Delegalization" in den USA ................................ c) Zunehmendes Interesse an Alternativen zur Justiz in der BRD ... IV. Schadenswiedergutmachung als Thema der Verständigung zwischen Täter und Opfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Organische Bewältigung des kriminellen Ereignisses ...... . ........ 2. Kategorien und Mechanismen der Befriedung .................... V. Notwendige Förderung ausgleichender Befriedungsverfahren durch die Stratjustiz selbst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Fünftes Kapitel Vorbehalte gegen einen sanktionstechnischen Einsatz der Schadenswiedergutmachung

140 A. Unzureichende Sanktionswirkung ohnehin geschuldeter Leistung? I. Sanktionseignung im Grundsatz .................................. . 141

XII

Inhaltsverzeichnis

1. Grundsätzliche gesetzliche Anerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Abhängigkeit vom Umfang des Schadens ........................ Funktionale Qualifizierung gegenüber Schadensersatz. . . . . . . . . . . . . . . .. Rechtsanspruch und tatsächliche Leistungsfahigkeit .................. Subsidiaritätsvorbehalt und Sanktionsstrenge ........................ 1. Zivilrecht vor Strafrecht? ...................................... 2. Subsidiarität in der Sanktionshierarchie .......................... Abhängigkeit der Sanktionskraft von der Strafsensibilität ..............

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B. Beeinträchtigung des rechtsstaatlichen Straftäterschutzes ................. I. Unzulässiger Einfluß des Tatopfers auf die Sanktionsfindung? . . . . . . . . .. 11. Mißbrauch des Strafverfahrens als zivilrechtliche Vollstreckungshilfe? ... I. Geringe Mißbrauchsrisiken beim Individualgeschädigten ........... 2. Mißbrauchsrisiken im Wirtschaftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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C. Ausweitung des Kontrollnetzes ....................................... I. Das Phänomen ................................................. 11. "net-widening"-Gefahren der Schadenswiedergutmachung ............. 1. Risikomindernde Eigenarten ................................... 2. Risikoerhöhende Eigenarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Gegenmaßnahmen ..............................................

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11. III. IV. V.

Sechstes Kapitel Voraussetzungen und Grenzen der Schadenswiedergutmachung in der Praxis

A. Schaden........................................................... I. Bandbreite der Kriminalitätsschäden ............................... 1. Kriminalitätsklassifizierung und Schaden ......................... 2. Mittelbare Schäden ........................................... 3. Keine Beschränkung auf das Zivilrecht aus sanktionstechnischer Sicht 11. Immaterieller Individualschaden - Privatgenugtuung ................. 1. Begriff ...................................................... a) Einordnung der Genugtuung ................................ b) Materieller Kern der Genugtuung ............................ c) Dogmatische Einordnung als Zuweisungsproblem .............. 2. Schadenswiedergutmachung und Genugtuung - ein Widerspruch? .. 3. Keine Beschränkung der Genugtuung auf bestimmte Rechtsgüter . . .. 4. "exemplary damages" und "domrnage moral" ..................... III. Abhängigkeit der Sanktionskraft der Schadenswiedergutmachung von der Schadensart .................................................... 1. Verschiebungs- und Saldoschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Deliktsspezifische schadensbezogene Wiedergutmachungsprobleme .. a) Wiedergutmachungsschwerpunkte in der Rechtswirklichkeit ...... b) Insbesondere: Wiedergutmachungsfahigkeit des Ladendiebstahls .. c) Wiedergutmachungsfähigkeit von Nebenschäden bei Eigentumskriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Inhaltsverzeichnis

XIII

B. Tatgeschädigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Vorhandensein eines Tatopfers .................................... 1. "Opferlose Kriminalität" ....................................... 2. Tendenzen zur "Opferverdünnung" und Schadenswiedergutmachung . 11. Mitwirkung des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Grundsätzliche Mitwirkungsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Deliktsart und Mitwirkungsbereitschaft .......................... a) Zumutbarkeitsgrenzen ...................................... b) Wiedergutmachungsmöglichkeiten bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Förderung der Mitwirkungsbereitschaft ........... . .............. III. Versicherungsschutz und Wiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Beeinträchtigungen der Wiedergutmachungsfähigkeit .............. 2. Schadenswiedergutmachung an die Versicherung. . . . . . . . . . . . . . .. .. a) Sicherung persönlicher Verantwortung allein durch das Strafrecht bei kollektiver Schadenshaftung ................................. b) Leistungsmöglichkeiten trotz Versicherungsschutz ..............

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C. Leistungsvermögen des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Leistungsfähigkeit ............................................... 1. Strukturelle Leistungsschwäche klassischer Straftäter . . . . . . . . . . . . . .. 2. Förderung der Leistungsfähigkeit als Bestandteil der Sanktionsgestaltung 3. Durchsetzungschancen ........................................ 11. Leistungsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Wiedergutmachungsbereitschaft und Wiedergutmachungsbedürfnis .. 2. Beeinträchtigung der Wiedergutmachungsbereitschaft durch Bestrafung III. Ungleichbehandlung durch Privilegierung leistungsfähiger Täter? . . . . . .. 1. Grundproblem der Gesellschaftsstruktur ......................... 2. Privilegierung leistungsschwacher Täter ..........................

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Siebentes Kapitel

Schadenswiedergutmachung als täterbezogenes Sanktionsmittel in Ahgrenzung zu Systemen opferbezogener Wiedergutmachung A. Adhäsionsverfahren ... . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Funktion und Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Rechtliche Konstruktion ....................................... 2. Rechtswirklicher Stellenwert ........................ . ...... . ... 11. Einseitige Nutzrichtung des Adhäsionsverfahrens .................... III. Konsequenzen für die Gestaltung sanktionierender Schadenswiedergutmachung .........................................................

184 184 185 185 186

B. Opferentschädigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Funktion und Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Konkurrenz zwischen Opferentschädigung und Schadenswiedergutmachung ......................................................... 1. Grenzen der Opferentschädigung ............................... 2. Mängel der Opferentschädigung ................................

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188 189 190

XIV

Inhaltsverzeichnis a) Risiken sozialisierter Haftung ................................ b) Verschärfung der Polarisierung zwischen Täter- und Opferrolle ... III. Koexistenz von Opferentschädigung und Schadenswiedergutmachung

190 191 191

Achtes Kapitel

Einsatzmöglichkeiten der Schadenswiedergutmachung A. "Utopische Modelle" ................................................ I. Bianchi ........................................................ II. Hulsman ....................................................... III. Christie .......... . ...... . ...................................... IV. Plack ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. V. Barnett ........................................................ B. "Realistische" Modelle auf der Grundlage des vorhandenen Systems strafrechtlicher Sozialkontrolle ................................................. I. Honorierung außerhalb des Verfahrens erfolgter Schadenswiedergutmachung (Verfolgungsverzicht, Strafmilderung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Erlöschen des Strafantrags ..................................... 2. Sanktionslose Einstellung ...................................... a) Rechtliche Möglichkeiten ................................... b) Rechtswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Tätige Reue. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Prinzip ................................................... b) Tätige Reue durch Schadenswiedergutmachung ................ aa) § 167 ÖStGB .......................................... bb) Beurteilung ........................................... cc) § 371 AO ............................................. 4. Strafzumessung .............................................. II. Einsatz als Sanktionsmittel .......................... . . . .......... 1. "Informelle" Schadenswiedergutmachung ........................ a) Schadenswiedergutmachung als Diversionsgegenstand ........... b) Einstellung des Verfahrens .................................. aa) § 153 StPO .. .. .. . .. .. . .. .. .. . .. .. . .. . . .. .. .. . .. .. .. ... bb) § 45 Abs.2 JGG ....................................... (1) Rechtslage................ . ........................ (2) Experimente ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (a) Staatsanwaltschaft ............................... (b) Polizei ......................................... 2. Auflage der Schadenswiedergutmachung ......................... a) Einstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Allgemeines Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Jungendstrafrecht ...................................... (1) Jugendstaatsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Jugendrichter ...................................... b) Verurteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Schadenswiedergutmachung als Hauptsanktion .............

193 193 194 195 196 196 197 197 197 197 198 198 199 199 199 200 200 201 201 202 202 202 203 203 203 203 203 204 205 207 207 207 207 207 208 208 208

Inhaltsverzeichnis

XV

bb) Wiedergutmachungsauflage unter Strafaussetzung. . . . . . . . . .. (1) Grundregeln ....................................... (2) Schuldfeststellung unter Vorbehalt der Verurteilung ..... (3) Aussetzung des Strafrestes ........................... 3. Verbindung von Schadenswiedergutmachung und unbedingter Strafe. a) Geldstrafe ................................................ aa) Unzulänglichkeiten der Geldstrafe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Verbindung mit Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . .. (1) Berücksichtigung bei Geldstrafenbemessung . . . . . . . . . . .. (2) Verbindung und Anrechnung von Schadenswiedergutmachung und Geldstrafe ............................... b) Freiheitsstrafe (Wiedergutmachung im StrafVollzug) .............. aa) "self-determinate-sentence" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Arbeitsentgelt ......................................... cc) Restitution Center ..................................... dd) Freigang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Implementationsbedingungen ..................................... 1. Sachliche und organisatorische Vorausetzungen des justiziellen Einsatzes von Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Information ............................................... b) Verhandlungen mit dem Geschädigten. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. .. c) Verdienstmöglichkeiten für den Auflageverpflichteten ........... d) Kreditbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Schadenswiedergutmachung aus Erträgen gemeinnütziger Arbeit.. f) Fonds als InkassosteIle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Institutionelle und personelle Durchführungshilfen ................ a) Soziale Dienste ............................................ b) Private gemeinnützige Einrichtungen .........................

209 209 209 210 210 210 210 211 211 212 213 213 214 216 217 218 218 218 218 219 219 220 221 222 222 226

Neuntes Kapitel Die Reichweite der Außage der Schadenswiedergutmachung nach geltendem bundesdeutschem Recht A. Rang im Auflagenkatalog ............................................

228

B. Rechtsnatur und Funktion ........................................... 229 I. Auflage ........................................................ 229 11. Wiedergutmachungsauflage .......................... . ............ 231 C. Zumessungsprinzipien.................................. . ............ I. Täter- und Opferorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Leistung "nach Kräften" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111. Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IV. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. V. Wiedergutmachungsauflage und Zivilrecht .......................... 1. Keine Untergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Obergrenze? ................................................. a) Herrschende Meinung ......................................

233 233 234 235 236 237 237 237 237

XVI

Inhaltsverzeichnis b) Gegenmeinung.. .. . . .. . . . . . .. .. . . .. . . . .. . . . ... . . . . . . . . . . .. c) Zum Streit: ............................................... aa) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Funktion ............................................. (1) Sanktionscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Funktionssinn ziviler Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . .. (a) Grundsätzlich................................... (b) Einzelfragen ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Kausalität ................................. (bb) Negatives Interesse ......................... (cc) Organhaftung .............................. (c) Ergebnis ....................................... dd) Richterliche Willkür? ................................... 3. Bindung des Strafrichters an zivilrichterliche Entscheidungen? ...... a) Das Problem .............................................. b) Unzuträgliche Divergenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die anerkannte Ausnahme: Ausschluß der Verjährungseinrede ... d) Der allgemeine Hintergrund dieser Ausnahme ................. aa) Leistungspflicht und Ersatzrecht ......................... bb) Untersuchungs- und Verhandlungsgrundsatz ............... e) StrafProzessuale Bedeutungslosigkeit zivilprozessualer Aktivität und Kompetenz des Täters ...................................... f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

238 238 239 239 240 240 241 241 242 242 243 243 244 244 245 245 245 246 246 246 247

D. Weitere Rechtsprobleme der Wiedergutmachungsauflage ................. I. Art des Schadens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Art der Leistung ................................................ 111. Gerichtskosten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IV. Einwirkung Dritter .............................................. 1. Ersatz des Schadens durch Leistung Dritter ...................... 2. Schadenswiedergutmachung durch Leistung an den Dritten . . . . . . . .. a) Dritter im Organisationskreis des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Dritter im Organisationskreis des Opfers (insb. Versicherungen) .. c) Wiedergutmachungsfonds ................................... V. Mehrere Straftatbeteiligte und gesamtschuldnerische Haftung .......... VI. Zivilprozessualer Pfändungsschutz ................................. VII. Konkurs ....................................................... VIII. Auflagentenor .................................................. IX. Nachträgliche Änderung der Auflage ............................... X. Freiwilliges Anerbieten ..........................................

249 249 249 250 252 252 252 252 253 253 254 255 255 256 257 259

247 248

Inhaltsverzeichnis

XVII

Zehntes Kapitel

Empirischer Teil: Sanktionsbezogene Bedeutung der Schadenswiedergufmachung Rechtswirklichkeit und Anwendungsprinzipien A. Methode .......................................................... I. Quantitativer Stellenwert der Wiedergutmachungsauflage . . . . . . . . . . . . .. 1. Staatsanwaltschaftliehe Verfahrenseinstellung ..................... 2. Gericht .......................................... . .......... a) Verfahrenseinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Bewährungsauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Jugendgericht ............................................. II. Materia1zugang ................................................. 1. Verfahrenssuche .............................................. a) Staatsanwaltschaftliehe Registerbücher ........................ b) Verurteilten-Zählkarten ..................................... 2. Aktenauswertung und Materialstrukturierung .....................

261 261 262 264 264 264 265 265 266 266 266 267

B. Ergebnisse......................................................... I. Material ....................................................... 1. Verteilung beteiligter Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Täter ....................................................... a) Demographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Erwerbslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Sozioökonomische Schicht .................................. d) Kriminalitätsbelastung ...................................... 3. Opfer ......................... . ............................. a) Demographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Erwerbslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Sozioökonomische Schicht .................................. d) Nichtnatürliche Personen als Opfer ........................... 4. Täter-Opfer-Beziehung ........................................ 5. Die Straftat .................................................. a) Art der Straftat ............................................ b) Modalitäten der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Komplexität der Straftat .................................... d) Schaden .................................................. 6. Schadensausgleich ............................................ a) Ersatzleistung ............................................. b) Leistungszeitpunkt ......................................... c) Streit außerhalb des Verfahrens .............................. d) Leistungsmodalitäten ....................................... e) Versicherung .............................................. 7. Täter-Opfer-Kontakt nach der Tat ............................... 8. Verfahrensbeteiligung des Opfers ............................... 9. Verfahrensbeteiligung des Täters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10. Strafbefehl................................................... 11. Anwaltliehe Vertretung .............................. . . . . . . . . ..

268 268 268 270 270 271 272 274 276 276 277 278 278 279 280 280 281 284 287 289 289 289 290 291 292 293 294 296 299 300

XVIII

Inhaltsverzeichnis

a) Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Opfer ............................................... . .... 12. Beweis- und Rechtslage ...... . ................................ a) Strafrechtliche Lage ... . .................................... b) Zivilrechtliche Lage ........................................ 13. Schadensausgleich im Strafverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 14. Wiedergutmachungsauflagen ................................... a) Erteilung ................................................. b) Gestaltung der Auflage ..................................... 15. Andere Auflage .............................................. 16. Sonstige Schlichtungsbemühungen .............................. 17. Entscheidung................................................ 18. Anträge ..................................................... a) Staatsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Verteidigung .............................................. 19. EinstellungsgTÜnde ........................................... 20. Widerruf einer Bewährungsauflage .............................. 21. Kosten...................................................... 11. Gruppenprofile ................................................. 1. Grp 1.: "Förmliche Wiedergutmachungsauflage" ................. 2. Grp 11.: "Informelle Schadenswiedergutmachung" ................ 3. Grp III.: "Schadensersatz außerhalb des Strafverfahrens" ........... 4. Grp IV.: "Keine Schadenswiedergutmachung" ....................

300 301 302 302 302 304 305 305 308 310 312 312 314 314 315 316 317 318 319 319 321 324 327

C. Relevanzkriterien der Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren .......

329 329 329 330 330

I. Förmlichkeit der Schadenswiedergutmachung ....................... 1. Verfahrensstadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Wiedergutmachungsförderlicher Disziplinierungsdruck der Verfolgung 3. Sanktionscharakter und Formalisierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Stellung der förmlichen Auflage in der Bandbreite strafrechtlicher Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Anordnende Instanzen ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Bedingungen staatsanwaltlicher Anordnung der Schadenswiedergutmachung ....................................................... 2. Bedingungen richterlicher Anordnung der Schadenswiedergutmachung a) allgemein ................................................. b) Jugendrichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Richterliche Zuständigkeit fur Überwachung und Abwicklung .... III. Justizieller Umgang mit der Wiedergutmachungsauflage ............ 1. Leistungsgegenstände der Schadenswiedergutmachung .......... a) Unspezifizierte Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Wahlweise Schadensersatz oder Geldbuße ..................... c) Komplexe Schäden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Immaterielle Schäden ...................................... e) Pauschaler Unkostenersatz .................................. OVerfahrenskosten .......................................... 2. Justizielle Beharrlichkeit ....................................... 3. Mehrere Tatbeteiligte .........................................

331 332 332 333 333 335 335 336 336 336 336 337 337 337 337 338 338

Inhaltsverzeichnis IV. Täter .......................................................... l. Sozioökonomische Schicht ..................................... 2. Lebensstil ................................................... 3. Wiedergutmachungsauflage bei Leistungsunwilligkeit .............. 4. Strafe bei Leistungsunfähigkeit ................................. V. Deliktsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. l. Aggressionstaten ............................................. a) Wiedergutmachungseignung wegen der Täterstruktur . . . . . . . . . . .. b) Gruppenvergleich von Aggressionstaten mit und ohne Schadenswiedergutmachung ............................................ aa) Körperverletzung ...................................... (1) Erledigungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Tatschwere ........................................ (3) Opferbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (4) Richterliche Ausfilterungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Sachbeschädigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (I) Tatschwere ..................................... . .. (2) Leistungsfähigkeit des Täters ......................... 2. Betrug ...................................................... a) Deliktsspezifische Wiedergutmachungseignung ................. b) Gruppenvergleich mit und ohne Schadenswiedergutmachung . . . .. aa) Leistungsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Tatschwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Summarisches Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. dd) Bagatellen ............................................ 3. Unterhaltspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Wiedergutmachungseignung ................................. b) Gruppenvergleich fOrmlicher und informeller Wiedergutmachung. aa) Gruppenzuordnung .................................... bb) Tatkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Verkehrsunfallflucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Diebstahl.................................................... 6. Deliktsvergleich Diebstahl/Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Ungleiche Sanktionierung trotz vergleichbarer Schädigungsstruktur b) Entreicherung als gemeinsame Voraussetzung strafrechtlicher Schadenswiedergutmachung ..................................... VI. Verfahrensbeteiligung des Täters .................................. l. Handlungskompetenz und informelle Erledigung .................. 2. Hilflosigkeit und fOrmliche Auflage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Einflußmöglichkeiten des Täters ................................ VII. Verteidigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. l. Förderung der Kooperationsbereitschaft des Täters und Reduzierung der Sanktionsstrenge ............................................. 2. Förderung der Befriedigung des Geschädigten ................. . .. 3. Gestaltungsmöglichkeiten des Verteidigers ....................... VIII. Verfahrensbeteiligung des Opfers .................................. l. Zivilrechtliche Befriedigung als vorrangiges Beteiligungsinteresse .... 2. Täterfreundlichkeit der Opferbeteiligung .........................

XIX 339 339 340 340 341 342 342 342 343 343 343 344 344 344 345 345 346 347 347 347 347 347 348 349 349 349 349 349 349 350 351 352 352 353 354 354 356 356 357 357 358 359 359 359 360

xx

Inhaltsverzeichnis

3. Anwaltliche Vertretung des Opfers .............................. IX. Versicherung ................................................... 1. Schadensversicherung ......................................... 2. Haftpflichtversicherung ........................................ X. Beweis- und Rechtslage .......................................... 1. Niedriger Aufklärungsgrad bei förmlicher Auferlegung von Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Problematisierung und Aufklärungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Lückenhafte Strafbarkeitsvoraussetzungen bei Wiedergutmachungsauflage ........................................................ XI. Funktionen strafrechtlicher Schadenswiedergutmachung .............. 1. Sanktionsfunktion ............................................ a) Tatsächliche Sanktionswirkung ............................... b) Mangelnde Würdigung der Sanktionswirkung durch die Justiz. . .. 2. Zivilrechtliche Zusatzsanktion .................................. 3. Letzte Vollstreckungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Ausweichsanktion bei fragwürdiger Beweislage . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Schlußfolgerungen ............................................ XII. Entfaltungsmöglichkeiten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Thematisierung............................................... 2. Schadenswiedergutmachung und Geldstrafe ...................... a) Verwendung der Geldstrafe fiir Schadenswiedergutmachung . . . . .. b) Wiedergutmachungsauflage neben Geldstrafe .................. 3. Strafbefehl und Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

361 361 361 361 362 362 363 364 365 365 365 366 367 368 370 370 371 371 372 372 373 373

Elftes Kapitel Schlußbewertung und Ausblick: Wiedergutmachungsfreundlichere Gestaltungsbedingungen des förmlichen Strafverfahrens A. Sicherung rechtsstaatlicher Einsatzvoraussetzungen strafrechtlicher Schadenswiedergutmachung ...................... , . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. I. Spannung zwischen Legalität und Opportunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Handel um Gerechtigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Handel um Gerechtigkeit durch Handel um Wiedergutmachung. . . .. 11. Abhilfe: Entformalisierung des Handels um Wiedergutmachung - Formalisierung der StrafVerfolgung ....................................... 1. Auslagerung der Wiedergutmachungsverhandlung ................. a) Belebung des Sühneversuchs nach § 380 StPO ................. b) Allgemeines Sühneverfahren ................................ 2. Strafbarkeit und Schadenswiedergutmachung ..................... a) Wiedergutmachung als Strafaufhebungsgrund und Verfahrenshindernis ....................................................... b) Vereinfachte Verfahrensformen fiir minderschwere Kriminalität ... c) Zweiteilung der Hauptverhandlung ........................... B. Ausbau restitutiver Sanktionsmöglichkeiten in den Verfahrensstadien ......

375 375 375 377 378 378 379 379 380 380 381 382 382

Inhaltsverzeichnis

XXI

Schuldspruch unter Auflagenerteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Verwarnung mit Strafvorbehalt .................................... Schadenswiedergutmachung und Geldstrafe ......................... Schadenswiedergutmachung und Freiheitsstrafe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Hauptsanktion Schadenswiedergutmachung .................... . ....

382 383 383 383 384

C. Förderung der Thematisierung der Schadenswiedergutmachung ........... I. Mündlichkeit ................................................... 11. Verfahrensbeteiligung des Verletzten ............................... III. Problemlösungsorientierung des Strafverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

384 385 386 386

Literatur ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

388

Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

436

Anhang: Der Aktenerhebungsbogen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ..

438

I. 11. III. IV. V.

Abkürzungen Es wurden die Abkürzungen nach Kirchner, H.: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Aufl., Berlin, New York 1983 verwendet. In Abweichung davon und darüberhinaus finden sich folgende Kürzel: AE-GLD

Alternativ-Entwurf eines Gesetzes gegen Ladendiebstahl

AG SPAK

Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitischer Arbeitskreis

AK

Alternativ-Kommentar

BDK

Bund Deutscher Kriminalbeamter

BritJCrim

The British Journal of Criminology, Delinquency and Deviant Social Behavior, London

CCC

Constitutio Criminalis Carolina

ch

chapter

Crim.L.R.

Criminal Law Review, London

DVJJ

Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen

ed.

edited, edition

Ed., Eds.

Editor, Editors

et al.

et alii

FG

Freiheitsgrade

Grp

Gruppe

GS

Der Gerichtssaal

Hg.

Herausgeber

HMSO

Her Majesty's Stationary Office

insg.

insgesamt

JCrim

The Journal of Criminal Law and Criminology, Chicago

JResCrim

Journal of Research in Crime and Delinquency, DavisjCal.

KB

Kriminalsoziologische Bibliografie, Wien

KK

Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung (siehe Pfeiffer, G.)

KMR

Kleinknecht j Müller j Reitberger, Kommentar zur Strafprozeßordnung (siehe Müller j Sax j Paulus)

Komm.

Kommentar

KritJ

Kritische Justiz, Frankfurt

LEAA

Law Enforcement Assistance Administration, USA

LK

Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (siehe Jescheckj Russj Willms)

Abkürzungen

XXIII

MdS

Kant, 1.: Metaphysik der Sitten 1797

NILECJ

National Institute of Law Enforcement and Criminal Justice, USA

o.J.

ohne Jahresangabe

PKS

Polizeiliche Kriminalstatistik

RuS

Recht und Staat, Tübingen

SK

Systematischer Kommentar (siehe Rudolphi / Horn / Samson)

Tab.

Tabelle

The Howard Journal The Howard Journal of Penology and Crime Prevention, Edingburgh Vol.

Volume

WGM

Wiedergutmachung

ZfEvEth

Zeitschrift für Evangelische Ethik, Gütersloh

zn

Zentralblatt für Jugendrecht, Köln (früher: ZBlJugR)

ZfPäd

Zeitschrift für Pädagogik, Weinheim

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Berlin

Erstes Kapitel

Einführung A. Schadenswiedergutmachung als Bestrafungsmittel im Bezugsfeld kriminalpolitischer Strömungen I. Aktualität der Diskussion

"Schadensersatz und Strafe, aus einem Gedanken gezeugte Geschwister, sind sich im Zeitenlauffremd geworden".l Diese Feststellung Heinrich Hortens aus dem Jahre 1905 gilt heute mehr denn je, und sie gilt für das Recht der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße. Auf der anderen Seite ist unbestritten, daß Schadensersatz, jedenfalls Schadensersatz aus Deliktshaftung, "Strafaufgaben übernehmen" kann,2 wie immer diese im einzelnen noch zu beschreiben sein werden. Und es ist weiter unbestritten, daß zuviel gestraft wird. 3 Deshalb liegt es an sich nahe, nach neuen Verbindungsmöglichkeiten zwischen Schadensersatz und Strafe zu suchen. Gleichwohl sind vereinzelte Anregungen 4 lange ohne Widerhall geblieben. Erst in jüngster Zeit scheint das Thema wieder gesellschaftsfähig zu werden 5 und inzwischen so viel Interesse zu finden,6 daß strafrechtlicher SchadenswieHorten, H.: Schadensersatz und Strafe, Wien 1905, S. 5. Naucke, W.: Strafrecht. Eine Einführung, 4. Aufl., Frankfurt am Main t 982, S. 57. 3 Vgl. nur das Wort Hellmuth M ayers von der "in Deutschland üblichen Vielstraferei" - Mayer, Hellmuth: Strafrechtsreform für heute und morgen, Berlin 1962, S. 58. 4 Siehe insb. Mayer, Hellmuth: Strafrechtsreform 1962, S. 64f. Hellmer, J.: Wiedergutmachung und Strafe, in: AcP 1956, S. 527. Hofmann, 0.: Die Schadenswiedergutmachung im Strafrecht, Diss. Mannheim 1973. Zipf, H.: Die Bedeutung der Viktimologie für die Strafrechtspflege, in: MschrKrim 53 (1970), S. 1. Siehe auch Plack, A. : Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts, München 1974, S. 308f. 5 Brunner, R.: Die Auflage der Schadenswiedergutmachung im Jugendstrafrecht, in: ZBlJugR 1976, S. 269. Frehsee, D.: Wiedergutmachung statt Strafe, in: KrimJ 1982, S. 126. Hellmer, J.: Identitätsbewußtsein und Wiedergutmachungsgedanke, in: JZ 1979, S. 41. Sessar, K.: Rolle und Behandlung des Opfers im Strafverfahren - gegenwärtiger Stand und Überlegungen zur Reform, in: Bew Hi 1980, S. 328. Wulf, R.: Opferausgleich und Strafverfahren, in: DRiZ 1980, S. 205. 6 Vgl. Heft 3/1984 der Bewährungshilfe : SchwerpunkUhema: Täter-Opfer-Ausgleich. Vgl. auch die Diskussion auf der Strafrechtslehrertagung 1981: Tagungsberichte von Weigend, Th. : Tagungsbericht - Diskussionsbeiträge der Strafrechtslehrertagung 1981 in Bielefeld, in: ZStW 93 (1981), S. 1271 (1282ff.) sowie in: ZStW 94 (1982), S. 46 sowie von Neumann, U.: Strafrechtslehrertagung 1981, in: JZ 1981, S.792 (793f.) und das 1

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1 Frehsee

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1. Kap.: Einführung

dergutmachung bescheinigt wird, "in den letzten Jahren weitaus am häufigsten als Alternative zu herkömmlichen Sanktionen genannt worden"7 zu sein. Bezeichnenderweise muß dieser Interessenzuwachs wesentlich auch auf die vor allem in den USA geradezu bewegungsartig in Theorie und Praxis entfaltete strafrechtliche Schadenswiedergutmachung ("restitution") zurückgeführt werden. 8 Das ist nicht ohne Ironie, weil etwa Stephen Schafer, einer der Protagonisten der amerikanischen "restitution"-Bewegung, seine kriminalpolitischen Vorstellungen insbesondere aus dem germanischen Kompositionensystem und der deutschen Rechtstradition abgeleitet hat. 9 So scheint wieder einmal erst auf dem Umweg des Reimportes diskutabel zu werden, wofür in der eigenen Rechtskultur die besten Voraussetzungen zu finden sind. Allerdings sind diese Interessen zunächst vor allem solche der Wissenschaft. Der sanktions technische Einsatz der Schadenswiedergutmachung in der Praxis ist sehr gering bis unbedeutend. lO Und obgleich auch in unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen wohlwollende Stellungnahmen und Hinweise auf dieses vernachlässigte Reaktionsmittel l l immer zahlreicher werden, messen sie dem Prinzip kaum je fundamentale Bedeutung für neue kriminalpolitische Leitreferat von Jung, H.: Die Stellung des Verletzten im Strafprozeß, in: ZStW 93 (1981), S. 1147, S. 1170ff. Vgl. ferner die Beschlüsse IV der Strafrechtlichen Abteilung des 55. Deutschen Juristentages, in: NJW 1984, S. 2681 f. Beschlüsse des Arbeitskreises VIII des 19. Deutschen Jugendgerichtstages 1983, in: DVJJ (Hg.): Jugendgerichtsverfahren und Kriminalprävention, München 1984, S. 360ff. Rössner, D./ Wulf, R.: Opferbezogene Strafrechtspflege, Bonn-Bad Godesberg 1984. Janssen, H./Kerner, H.-J. (Hg.): Verbrechensopfer, Sozialarbeit und Justiz, Bonn-Bad Godesberg 1985. Sessar, K. : Schadenswiedergutmachung in einer künftigen Kriminalpolitik, in: Kriminologie - Psychiatrie Strafrecht. Festschrift für Heinz Leferenz, Heidelberg 1983, S. 145. 7 Theissen, R.: Die kriminalrechtliehe Auflage der Schadenswiedergutmachung Bestandsaufnahme und Ausblick, in: ZfJ 1984, S. 543. 8 Janssen, H.: Diversionsprogramme für erwachsene Straftäter in den USA unter Berücksichtigung von Restitutionselementen, in: BewHi 1981, S. 262. Janssen, H.: Restitution als alternative justizielle Reaktionsform im Jugendrechtssystem der USA, in: BewHi 1982, S. 141. Herz, R.: Neue Tendenzen in der Jugendstrafjustiz in den USA. Restitution für jugendliche Straftäter, in: BewHi 1984, S. 240. 9 Schafer, St. : The Victim and His Criminal, New York 1968, S. 14, S. 15 ff., S. 21 ff. 10 Sessar, K.: Schadenswiedergutmachung 1983, S. 148, S. 150. 11 Menninger, K.: Strafe ein Verbrechen? München 1970, S.236. EinseIe, H.: Einführung in das Tagungsthema, in: Sievering, O. (Hg.): Alternativen zur Freiheitsstrafe, Frankfurt am Main 1982, S. 10 (13). FeItes, Th.: Alternativen zur Freiheitsstrafe, ebenda S. 28 (31). Schwind, H.-D.: Viktimologie in der Praxis von Polizei und Justiz, in: Kriminalistik 1979, S. 514 (517). Kerner, H.-J.: Vorwort, in: Kirchhof!, G. F. / Sessar, K. (Hg.): Das Verbrechensopfer, Bochum 1979, S. VII (VIII). Quensel, St.: Stigmatisierung durch Resozialisierung, in: Schweizerisches Nationalkomitee für Geistige Gesundheit, Arbeitsgruppe Kriminologie (Hg.): Stigmatisierung durch Strafverfahren und Strafvollzug, Diessenhofen 1981, S. 161 (174). Bietz, H.: Zur "Diversion" und Funktion der Jugendgerichtshilfe im Rahmen des § 45 JGG, in: ZBlJugR 1983, S. 321 (327,329). Wolf, B.: Ende der Vergeltungs-Utopie? in : Ortner, H. (Hg.): Freiheit statt Strafe, Frankfurt am Main 1981, S. 14 (23).

A. Kriminalpolitische Strömungen und Schadenswiedergutmachung

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Orientierungen bei,12 enthalten selten konkrete Empfehlungen,13 würdigen die Reaktionsmöglichkeiten vielmehr lediglich als eine unter vielen,14 scheuen heikle Folgeproblemeis oder lassen gar deutliche Zurückhaltung in der Beurteilung erreichbarer Relevanz erkennen. 16 Von einer "Renaissance des Wiedergutmachungsgedankens" zu sprechen,17 erscheint deshalb zu optimistisch.

11. Kriminalpolitische Rahmenbedingungen Die gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen bieten jedoch ein sehr günstiges Klima für eine solche Renaissance: 1. Krise der Kriminalpolitik

Da ist zunächst im negativen Sinne die "Krise der Kriminalpolitik" . 18 Die großen Hoffnungen, die in die Refonn des Strafrechts und die Aufwertung der Resozialisierung des Täters zum dominierenden Leitziel gesetzt wurden, haben sich nicht erfüllt. Eine reichhaltige Wirkungsforschung hat eine realistischere Einschätzung der begrenzten Möglichkeiten individueller persönlicher Einflußnahme durch strafrechtliche Intervention erzwungen. Sie hat zugleich die tendenzielle Neigung zu überzogener Zugriffsstrenge aufgedeckt und unter dem Stichwort von der "Austauschbarkeit der Sanktionen"19 nachgewiesen, daß auch bei deutlicher Reduzierung der Eingriffsintensität eine Verschlechterung der Sanktionserfolge nicht zu beobachten ist. Grundlegende Wandlungen in der kriminologischen Theorie haben die Wahrnehmung der eigenständigen Bedeutung der Instanzen sozialer Kontrolle für die Konstituierung des Phänomens Kriminalität in seiner individuellen und sozialen Relevanz ennöglicht und das kritische Bewußtsein gegenüber dem strafenden Zugriff überhaupt verstärkt. Auch für die strafrechtliche Theoriebildung hat das verbreiterte Wissen um die Wirkungsgrenzen der Sanktionierung 12 So jedoch HeUmer, J.: Verdirbt die Gesellschaft? Kriminalität als zwischenmenschliches Verhalten, Osnabrück 1981, S. 76. 13 So aber Sessar, K.: Schadenswiedergutmachung 1983, S. 158 fT. 14 Kaiser, G.: Möglichkeiten der Entkriminalisierung nach dem Jugendgerichtsgesetz im Vergleich zum Ausland, in: ZfPäd 29 (1983), S. 31 (42). 15 Zipf, H.: Kriminalpolitik, 2. Aufl., Heidelberg, Karlsruhe 1980, S. 191. 16 Lüderssen, K.: Kriminologie, Baden-Baden 1984, S. 152. Schöch, H. : Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung Straffalliger in Freiheit, in: Kury, H. (Hg.): Ambulante Maßnahmen zwischen Hilfe und Kontrolle, Köln, Berlin, Bonn, München 1984, S. 29 (33 fT.). 17 Riess, P.: Die Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren, Gutachten C zum 55. Deutschen Juristentag, München 1984, S. 59. 18 Jescheck, H.-H.: Die Krise der Kriminalpolitik, in: ZStW 91 (1979), S. 1037. 19 Kaiser, G.: Kriminologie, 7. Aufl., Heidelberg 1985, S. 153.



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1. Kap.: Einführung

die Freilegung der normsoziologischen Kernfunktion strafrechtlicher Sozialkontrolle gefördert. Mit der Ausformulierung der Theorie der positiven Generalprävention 20 ist dort eine Grundlage geschaffen, deren sanktionspraktische Konsequenzen noch gar nicht erkannt sind. Die Überlastung der Justiz auf allen Verfolgungsebenen bewirkt Innovationsdruck. Die Bedingtheit dieser Überlastung durch grundlegende Wandlungen in der sozialen Organisation läßt die Erfolgschancen beschränkter prozeßrechtlicher Korrekturen von vornherein als sehr gering erscheinen. Wo gesellschaftliche Ausdifferenzierung und Pluralisierung, Vermassung und Entfremdung, die Abnahme der Integrationskraft primärer Sozialisationsräume eine wachsende Zuständigkeit professioneller Instanzen für die Konfliktbearbeitung zur Folge hat, da setzen Entlastungen auch im Bereich nachgehender staatlicher Verhaltenskontrolle Veränderungen von einer gewissen Grundsätzlichkeit voraus. Vor diesem Hintergrund stehen die Diskussionen über Alternativen: alternative Sanktionen,21 alternative Verfahren oder gar "Alternativen zur Justiz",22 über Diversion 23 und Entrechtlichung, in deren Zusammenhang auch eine Besinnung auf das pönale Potential der Schadenswiedergutmachungsleistung als einer der ältesten und nächstliegenden Reaktionen auf schädigendes Fehlverhalten vorkommt. 2. Neues Interesse für das Tatopfer

Einer solchen neuen Orientierung kommt ferner entgegen, daß die Situation und die Bedürfnisse des vernachlässigten Tatopfers neue Aufmerksamkeit gewinnen konnten und neben den Bemühungen um die Sicherung der Entschädigung des Opfers auch zu einem Nachdenken über seine Stellung im Strafprozeß geführt haben. 24 Diese Bewußtmachung ist insbesondere ein Verdienst der Viktimologie, die die zusätzlichen Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Strafverfolgung ("sekundäre Viktimisierung") aufgehellt hat. Vor allem aber hat sie Rolle und Bedeutung des Opfers im Tatgeschehen verdeutlicht und dadurch die herkömmliche strafrechtliche Modellvorstellung von der Tat als eines einseitigen fehlerhaften Handlungsaktes in Frage gestellt. 25 Schon bis in die Strafrechts20 Jakobs, G.: Strafrecht. Allgemeiner Teil: Die Grundlagen und die Zurechnungslehre. Lehrbuch. Berlin, New York 1983, S. 4ff. 21 Schweizerisches Nationalkomitee für Geistige Gesundheit, Arbeitsgruppe Kriminologie (Hg.): Alternativen zu kurzen Freiheitsstrafen, Diessenhofen 1979. 22 Röhl, S. / Röhl, K. F.: Alternativen zur Justiz?, in: DRiZ 1979, S. 33. 23 Kury, H. / Lerchenmüller, H. (Hg.): Diversion. Alternativen zu klassischen Sanktionsformen,2 Bände, Bochum 1981. 24 So insb. das Thema der strafrechtlichen Abteilung des 55. Deutschen Juristentages 1984 - siehe NJW 1984, S. 2671 (2674). 2S Schneider, H. J.: Viktimologie, Tübingen 1975.

A. Kriminalpolitische Strömungen und Schadenswiedergutmachung

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dogmatik hinein ("Viktimodogmatik")26 hat sich die Erkenntnis ausgewirkt, daß die Straftat stattdessen als prozeßhafter, interaktiver, komplexer Lebensvorgang verstanden werden muß. Unter diesem Gesichtspunkt werden Entlastungsmöglichkeiten in der Entwicklung auf den Konflikt der Tatkontrahenten bezogener Bewältigungsverfahren gesehen, die auf eine Verarbeitung des inkriminierten Ereignisses nach Vermittlungs- und Vergleichsgrundsätzen angelegt sind und auf Interessen- und Schadensausgleich zielen. 27 Angesichts der Nähe solcher Modelle zu rechtshistorischen und -ethnologischen Konfliktverarbeitungsmethoden wie auch zur informellen, privaten Bewältigung von Alltagsstreitigkeiten werden darin schon Anzeichen der auf Zustände vor dem öffentlichen Strafrecht zurückweisenden "Spiralbewegung der geschichtlichen Entwicklung" erkannt. 28 3. Internationale Entwicklung

Einem der strafrechtlichen Schadenswiedergutmachung freundlichen Diskussionsklima förderlich ist schließlich die schon angedeutete Zugwirkung insoweit voranschreitender Rechtsordnungen. Dabei gibt insbesondere die im letzten Jahrzehnt im angelsächsischen und angloamerikanischen Rechtskreis entwickelte und eingeführte Einbeziehung der Auferlegung von Wiedergutmachungsleistungen des Täters an das Opfer ein Beispiel. So haben in England und Wales die Magistrate's Courts und die Crown Courts die Möglichkeit, im Strafurteil die sog. "compensation order" zu erteilen,29 wovon sie in beträchtlichem Umfang Gebrauch machen. 30 Vor allem aber in den USA sind seit den siebziger Jahren eine Fülle von Modellen und Versuchen entwickelt worden, um dem Täter als Reaktion auf die Tat auferlegte Schadenswiedergutmachung ("restitution") im strafrechtlichen Kontrollsystem zu implementieren. 31 Dabei kommen der Innovationsfreude sicher der förderalistische Rechtsplu26 Schünemann, B.: Die Zukunft der Viktimo-Dogmatik: die viktimologische Maxime als umfassendes regulatives Prinzip zur Tatbestandseingrenzung im Strafrecht, in: Festschrift für Hans Joachim Faller, München 1984, S. 357. 27 Gottwald, W.: Streitbeilegung ohne Urteil, Tübingen 1981. 28 Maihofer, W. nach Weigend, in: ZStW 93 (1981), S. 1271 (1284). 29 Barnard, D.: The Criminal Court in Action, second ed., London 1979, S. 183f. Zu Schottland siehe Scottish Horne and Health Department: Reparation by the OfTender to the Victim in Scotland. Report by the Committee appointed by the Secretary ofState for Scotland and the Lord Advocate, Edinburgh 1977. 30 Softley, P.: Compensation Orders in Magistrate's Courts, HMSO, London 1978. Tarling, R. I Softley, P.: Compensation Orders in the Crown Court, in: Crim. L. R. 1976, S. 422. Shapland, J. I Willmore, J.I Duff, P.: Victims in the Criminal Justice System, Hants 1985, S. 136. 31 Galaway, B. I Hudson, J. (Eds.): OfTender Restitution in Theory and Action, Lexington, Mass. 1978. Siehe auch die umfangreichen Bibliographien zum Thema: Cain, A. I Kravitz, M.: Restitution. A Se1ected Bibliography, Washington, D. C. 1979. Cook, E.: Compensation for the Victim of Crime. Vance Bibliographies, Monticello, BI., 1979.

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1. Kap.: Einführung

ralismus wie der Umstand zugute, daß die Justiz dort nicht durch das Legalitätsprinzip gehemmt ist, das insofern experimentellen Praxisversuchen hinderlich ist. So finden sich Restitutionsmodelle auf allen Stufen des Justizsystems, für Jugendliche und Erwachsene, ambulant und stationär,32 mit überregionalem oder lokalem Zuständigkeitsbereich, 33 die entweder als selbständige Projekte mit eigenem Stab und Budget organisiert oder so in die strafjustizielle Erledigungsstruktur integriert sind, daß sie dort einer Ausweitung vorgerichtlicher Diversion oder Strafaussetzung unter Wiedergutmachungsauflage dienen. 34 Auch in Kanada sind bemerkenswerte kriminalpolitische Bemühungen zu beobachten, restitutive Sanktionierung zu beleben, die zwar in unterschiedlicher Form gesetzlich vorgesehen ist 3S und praktiziert wird, aber bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. 36 Unter Hinweis auf die regional sehr unterschiedliche Anwendung wird immerhin berichtet, daß bis zu zwei Drittel der Fälle von Strafaussetzung unter Wiedergutmachungsauflage erfolgen. 37 Neue Initiativen sind zumeist integrierter Bestandteil umfassenderer Diversions-, Schlichtungs- und Vermittlungsprogramme. 38

B. Begriff und Struktur der Wiedergutmachung strafbarer Schädigungen Den Begriffen der "Schadenswiedergutmachung" oder gar der "Wiedergutmachung" aus Anlaß einer Straftat werden in der Diskussion recht unterschiedliche Bedeutungen beigelegt; sie umschließen verschiedenartige kriminalpolitische Ansatzmöglichkeiten. White, A.: Restitution as a Criminal Sentence. A Selected Bibliography, Council of Planning Librarians, Monticello, Ill. 1977. Marcus, M.I Trudel, R. J.I Wheaton, R. J.: Victim Compensation and Offender Restitution. A Selected Bibliography, Washington, D. C. 1975. Schneider, P.ISchneider, A. L.IReiter, P. D.ICleary, C. M.: Restitution Requirements for Juvenile Offenders: A Survey of the Practices in American Juvenile Courts, in: Juvenile Justice, Vol. 28 (1977), S. 43 (45f.). 32 Chesney, S.I Hudson, J.I McLagen, J.: A new look at restitution: recent legislation, programs and research, in: Judicature, Vol. 61 (1978), S. 348. 33 Janssen, H., in: BewHi 1982, S. 145. 34 Galaway, B.: Use of Restitution as a Penal Measure in the United States, in: The Howard Journal, Vol. XXII (1983), S. 8 (9). 3S Bums, P.: Criminal Injuries Compensation, Vancouver 1980, S. 19. Griffiths, C. T.I Klein, J. F.I Verdun-Jones, S. N.: Criminal Justice in Canada, Scarborough 1980, S. 177f., 186f. 36 Law Reform Commission of Canada: Community Participation in Sanctioning, Ottawa 1976, S. 43. 37 Norquay, G.I Weiler, R.: Services to Victims and Witnesses of Crime in Canada, Ottawa 1981, S. 45. 38 Norquay, G.I Weiler, R., S. 45. Einen herausgehobenen Bekanntheitsgrad hat vor allem das zuerst in Kitchener, Ontario eingerichtete Victim-Offender-ReconciliationProgram (V.O.R.P.) - Morris, M. (Ed.): Instead of Prisons: A Handbook for Abolitionists, Syracuse, New York, 1976, S. 121f. Zehr, H.: Mediating the VictimOffender Conflict, Akron, Pennsylvania o.J.

B. Begriff und Struktur

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I. Wiedergutmachung und öffentliche Entschädigung

Bisweilen werden, insbesondere von den eher opferorientierten, viktimologischen Vertretern unter Wiedergutmachung alle Leistungen verstanden, die das Opfer zum Ausgleich für die Folgen der Straftat erhält, namentlich werden staatliche oder gemeinnützige Opferentschädigungen einbezogen. 39 Demgegenüber geht es hier allein um Leistungen des Täters. 11. Wiedergutmachung und zivilrechtlicher Schadensersatz Sind damit jedenfalls öffentlich-rechtliche Versorgungsleistungen ausgeschieden, so ist die Abgrenzung zum Zivilrecht viel komplizierter. Denn bei der strafrechtlich veranlaßten Schadenswiedergutmachung durch den Täter handelt es sich zumeist zugleich um Schadensersatz im zivilrechtlichen Sinne. Die dabei einschlägigen Beziehungen von Schadensersatz und Strafe, ihre Funktionsüberlagerungen und Interdependenzen, aber auch ihre Eigenständigkeiten stellen ein sehr umfangreiches thematisches Feld dar, das zwar unter vielen Gesichtspunkten angesprochen werden muß, über das hier verfolgte Untersuchungsobjekt der Schadenswiedergutmachung als Reaktionsmittel zur Erfüllung strafrechtlicher Kontrollfunktionen aber ebenfalls weit hinausgeht. So schließt das rechtspolitische Ziel der Beschränkung des Strafrechts bei gleichzeitiger Erhaltung der Verhaltensstabilisierung durch hoheitliche Sozialkontrolle grundsätzliche Zuständigkeitsverschiebungen zwischen den ordentlichen Rechtsgebieten ein. 40 Soweit dazu schon beim Abbau von Straftatbeständen und Zuweisung der Sicherung entsprechender Verhaltensverbote an das Zivilrecht angesetzt werden muß, kann eine systematische Überprüfung hier nicht geleistet werden. Vielmehr geht es hier in erster Linie um sanktionsbezogene Überlegungen. Es geht auch nicht um eine bloße Hereinnahme der zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht in das strafrechtliche Rechtsfolgensystem, um eine Miterledigung der Entscheidung über den Ersatzanspruch im Strafprozeß, für die das deutsche Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO) eine vergleichsweise exakt durchkonstruierte Verbindungsfonn anbietet. In ausländischen Rechten stellt sich die Einbeziehung der Schadenswiedergutmachung in die strafrechtliche Konfliktverarbeitung überwiegend als eine solche bloße Kumulierung der Rechtsfolgen dar, die lediglich durch die dem Sachzusammenhang entspringende Zweckmäßigkeit gemeinsamer Behandlung motiviert ist. So bietet etwa für den sozialistischen Raum das Recht der DDR ein gut zugängliches Beispiel. Dort kommt zwar der Verbindung von Schadensersatz und Strafe eine mit dem So insb. Schneider, H.: Viktimologie 1975, S. 157ff. So insb. eine der fundamentalen Reformempfehlungen Hellmuth Mayers: Strafrechtsreform 1962, S. 64f. 39

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1. Kap.: Einführung

bundesdeutschen Recht überhaupt nicht vergleichbare Bedeutung zu, wenn die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch im Rahmen des Strafverfahrens inzwischen "zu einer Selbstverständlichkeit geworden"41 ist. Das dient jedoch nicht der Zurückdrängung der Strafe, sondern der Ausnutzung des strafrechtlichen Verfolgungsdruckes zur Förderung der materiellen (zivilrechtlichen) Verantwortlichkeit. 42 Unter Wiedergutmachung ist hier die Erfüllung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches zu verstehen (§ 24 Abs. 1 StGB DDR), über den nach Grund und Höhe im Strafverfahren entschieden wirdY Sie gilt als elementare, selbstverständliche Pflicht des Straftäters, "die grundsätzlich auch bei der Strafzumessung nicht besonders ,honoriert' werden darf'.44 Der Verschuldensgrad bei der Schadensverursachung und die individuelle Belastungswirkung der Ersatzleistung finden keine Berücksichtigung. Der diesbezügliche Verzicht auf die Limitierung des strafrechtlichen Eingriffs wird mit der Aufhebung der Entgegensetzung von Staat und Individuum in der sozialistischen Gesellschaft gerechtfertigtY Die britische compensation order setzt demgegenüber zumindest die Feststellung voraus, daß der Täter zweifelsfrei über Mittel verfügt, die Wiedergutmachungsleistungen aufzubringen. Im übrigen dient aber auch sie nicht als Ersatz für eine Bestrafung, sondern als naheliegende Möglichkeit, den Aufwand eines Zivilprozesses zu vermeiden. 46 Diese ausschließlich am Interesse des Tatgeschädigten orientierten Ansätze prägen auch Teile der amerikanischen "restitution ", die sich großenteils ohne klare Konzeptionen eher aus der "intuitiven Einsicht in ihre Rationalität" entwickelt hat47 und so in der praktischen Umsetzung mit unterschiedlichen Prioritäten versehen wurde, freilich mit der Tendenz, daß kriminal politische Zielvorstellungen eher opferorientiert waren, während die tatsächlich eingerichteten Programme vorrangig auf Besserung und Rehabilitation des Täters zielen. 48 Mit dieser Einschränkung ist jedoch in den USA in Theorie und Praxis49 die fortgeschrittenste Entwicklung pönaler Schadenswiedergutmachung ("punitive restitution")50 zu einem eigenständigen Bestrafungsmittel ("penal measure")51 zu verzeichnen.

In diesem Sinne soll strafrechtliche Schadenswiedergutmachung auch hier verstanden werden: als straJrechtseigene RechtsJolge, die zwar eine Leistung des 41 Luther, H.: Die Rechtsstellung des Geschädigten (Verletzten) im Strafverfahren der DDR, in: IR 1984, S. 312 (314). 42 Müller, Harri: Wiedergutmachung des Schadens und prozessuale Sicherung seiner Durchsetzung, in: NI 1984, S. 284. 43 Luther, H., in: IR 1984, S. 314. 44 Reuter, L.: Materielle Verantwortlichkeit, Schadenswiedergutmachung und Strafe, in: NI 1982, S. 304 (306). 45 Luther, H., in: IR 1984, S. 312. 46 Barnard, D., S. 183f. mit dem Hinweis auf die Entscheidung R v Inwood. 47 Harland, A. T.: Restitution to Victims of Personal and Household Crimes, Washington, D. C. 1981, S. 3. 48 Edelhertz, H.: Legal and Operational Issues in the Implementation of Restitution within the Criminal Iustice System, in: Hudson, I.IGalaway, B. (Eds.): Restitution in Criminal Iustice, Lexington, Mass. 1977, S. 63 (64). 49 Galaway, B.I Hudson, I.: Offender Restitution 1978. 50 Schafer, St.: Restitution to Victims of Crime, London 1960, S. 123 ff. 51 Galaway, B., in: The Howard Iourna11983, S. 8.

B. Begriff und Struktur

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Täters an das Opfer zum Ausgleich des Tatschadens zum Gegenstand hat, hinsichtlich Zumessung und Ausgestaltung aber entsprechend den sich aus strafrechtlichen Funktionszielen ergebenden Erfordernissen staatlicher Verhaltenskontrolle danach bestimmt wird, was zur Einwirkung auf den Täter und zur öffentlichen Normbestätigung nötig ist. S2 Strafrechtliche Schadenswiedergutmachung soll deshalb nicht als zusätzliche belastende Rechtsfolge neben die Strafe treten, sondern anstelle und unter Zurückdrängung herkömmlicher klassischer Strafen und strafähnlicher Reaktionsformen zur Anwendung kommen. Der im deutschen Strafrecht übliche Begriff der" Wiedergutmachung" des Schadens macht durchaus deutlich, daß dies von anderer Natur und Qualität ist als der zivilrechtsdogmatisch bestimmte und begrenzte Schadensersatz.

111. "Strafrechtliche Wiedergutmachung" Der Begriff der "Wiedergutmachung" fordert nun seinerseits eine weitere klarstellende Abgrenzung heraus. Denn das Strafrecht hat seinen eigenen Wiedergutmachungsbegriff, 53 der freilich auf die Bereinigung der durch die Tat gestörten vertikalen Beziehung des Täters zum Recht, zum Staat, zur Gemeinschaft usw. gerichtet ist. Letztlich läßt sich so, je nach strafrechtstheoretischem Standort, jede Strafreaktion als Vorgang der Wiedergutmachung bezeichnen, auch die Hingabe des Lebens. Die Begriffswahl in diesem Zusammenhang erscheint deshalb zunächst einmal als eine bloße Sache der Etikettierung. Das schließt nicht aus, daß sich dem Leitgedanken der Wiedergutmachung verpflichtete Strafrechtstheorien, die sich damit zu den auf Übelszufügung, Vergeltung zielenden in Gegensatz stellen, bessere Ansätze auch für Schadenswiedergutmachung im hier gemeinten Sinne bieten. Jedoch geht es hier um Schadenswiedergutmachung in der horizontalen Beziehung zum Tatopfer, durch Instandsetzung oder Ersatz des konkret verletzten Rechtsgutsobjektes.

IV. Gemeinnützige Leistungen als Wiedergutmachung Damit muß die hier erörterte Schadenswiedergutmachung auch von der Strafreaktion gemeinnütziger Dienstleistungen abgegrenzt werden. Dies bedarf einer ausdrücklichen Anmerkung, weil die gemeinnützigen Leistungen in Teilen der internationalen Diskussion, insbesondere in Nordamerika, mit der Schadenswiedergutmachung im eigentlichen Sinne zu den restitutiven Sanktionen zusammengefaßt sind und in Diskussionen und Projekten oft nur in Verbindung behandelt werden So konzipiert auch Sessar, K.: Schadenswiedergutmachung 1983, S. 153. Siehe insb. See/mann, K.: Strafzwecke und Wiedergutmachung, in: ZfEvEth 25 (1981), S. 44. 52 53

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1. Kap.: Einführung

("restitution and community service").54 Manchem Programm läßt sich gar nicht entnehmen, ob sein Schwergewicht bei den opfernützigen oder den gemeinnützigen Leistungen liegt. 55 Bisweilen wird sogar von "community service restitution" gesprochen. 56

Diese Einfügung der gemeinnützigen Leistung in den weiteren Wiedergutmachungsbegriff entspricht der gemeinsamen Struktur der Reaktionsformen, die dem Täter beide eine aktive, konstruktive, möglichst rechtsgutsbezogene Leistung abfordern. Die gemeinnützige Leistung ist die der unmittelbaren Schadenswiedergutmachung nächstgelegene Reaktion. Beide Rechtsfolgen stehen deshalb in den RestitutionsmodeIIen in einem komplementären Verhältnis dergestalt, daß auf die gemeinnützige Leistung im Sinne einer "symbolischen" Wiedergutmachung S7 zurückgegriffen wird, wo Leistungen an das Opfer nach der Art der Straftat oder wegen praktischer Umsetzungsprobleme ausgeschlossen sind. V. Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich

Der Begriff interpersoneIIer, unmittelbar dem Tatopfer zugute kommender Wiedergutmachung enthält schließlich jenseits der bloßen Ausgleichung insbesondere des materiellen Tatschadens eine sozialpsychologische Dimension der konfliktschlichtenden Befriedung. Diesem Aspekt kommt Vorrang in einer Begriffiichkeit zu, die andere zur Kennzeichnung der gemeinsamen Diskussion um Verstärkung restitutiver Orientierungen der Strafrechtspflege bevorzugen: der des" Täter-Opfer-Ausgleichs". 58 Schadenswiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich überlagern sich in großen Teilen. Der Ausgleich der durch die Tat gestörten Sozialbeziehung zwischen Täter und Opfer wird in aller Regel voraussetzen, daß der Täter tut was er kann, um das Opfer schadlos zu stellen, oder darin gar seinen wichtigsten oder 54 So etwa das "Fourth Symposium on Restitution and Community Service Sentencing" in Minneapolis, Minnesota 1980. 55 Vgl. etwa Challeen, D. A.I Heinlen, J. H.: The Win-Onus Restitution Program, in: Galaway, B.I Hudson, J. (Eds.): OtTender Restitution in Theory and Action, Lexington, Mass. 1978, S. 15t. 56 Baker Kent, L.: Overview of the Alternative Community Service Restitution Program for Women OtTenders, Minneapolis, Minnesota 1980. 57 Galaway, B.: The Use of Restitution, in: Killinger, G. G.I Cromwell, P. F. (Eds.): Corrections in the Community: Alternatives to Imprisonment, second ed., St. Paul etc. 1978, S. 74. 58 Pfeiffer, Chr.: Jugendgerichtshilfe als Brücke zwischen Jugendhilfe und Jugendgerichtsbarkeit - Entwurf für ein Modellprojekt, in: ZBlJugR 1980, S. 384 (392). Rössner, D. I Wulff, R., S. 1 tT. So auch das Thema des Arbeitskreises VIII des 19. Deutschen Jugendgerichtstages, in: DVJJ (Hg.): Jugendgerichtsverfahren und Kriminalprävention, München 1984, S. 360.

B. Begriff und Struktur

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alleinigen Gegenstand finden. Und Schadenswiedergutmachung zielt natürlich auch auf Versöhnung, Befriedung, Konfliktbewältigung ab und darauf, den Interessen beider Tatgegner zu dienen, statt sie gegeneinander auszuspielen. Die beiden Ansatzpunkte unterscheiden sich jedoch dadurch, daß ein Ausgleich im Täter-Opfer-Verhältnis unter Umständen auch ohne eine Leistung des Täters erzielt werden kann, was zu begrüßen wäre und bei der Beurteilung des weiteren Verfolgungs- oder Sanktionierungsbedürfnisses Berücksichtigung finden könnte, aber nicht Gegenstand strafrechtlicher Sanktionierung sein kann. Während die gezielte Förderung einer Versöhnung zwischen Täter und Opfer um ihrer selbst willen im strafjustiziellen Rahmen vor allem Sache der Sozialdienste ist, setzt der Zugang zum Täter-Opfer-Verhältnis über die richterliche Sanktionsmacht eine förmliche, bestimmbare Handlung des Täters voraus. Unter Schadenswiedergutmachung muß hier deshalb die konkretisierbare Leistung des Täters verstanden werden, die zwar eine formale Grundlage für einen weitergehenden Ausgleich in der Täter-Opfer-Beziehung bieten kann, aber um der sanktionstechnischen Praktikabilität willen auch ohne diese ungewisse Qualifizierung als Reaktionsmittel einsetzbar sein soll.

Zweites Kapitel

Grundlagen A. Restitutive Verhaltenskontrolle in der geschichtlichen Entwicklung In Arbeiten, die sich mit Schadenswiedergutmachung im Strafrecht befassen, wird üblicherweise immer wieder darauf hingewiesen, daß die Kontrolle interpersoneller Konflikte, die heute dem Strafrecht überlassen ist, mit privaten Leistungen der verletzenden Partei an die geschädigte kein neuer Gedanke ist, sondern breite historische Wurzeln hat. 1 Man kann sogar sagen, daß das restitutive Prinzip im Bereich der Kontrolle abweichenden Verhaltens auch in den abendländischen Kulturgesellschaften eine größere Tradition hat als das retributive. Viktor Achter mahnt in seiner "Geburt der Strafe": "So sehr dem Juristen der Praxis die Strafe problemlos erscheint, so wenig dem Historiker. Denn daß das Recht stets mit der Institution der Strafe verbunden gewesen sei, ist ein Irrtum". 2

I. Entstehung der Komposition in einfachen Gesellschaften Eine Fülle ethnologischer Berichte erwähnt die Komposition, also die Erbringung von Leistungen durch die schädigende Partei als Mittel der Konfliktbeendigung. 3 Sie entstammen unterschiedlichen und voneinander I Bianchi, H.: Das Tsedeka-Modell als Alternative zum konventionellen Strafrecht, in: ZfEvEth 18 (1974), S. 89. Mayer, H.: Strafrechtsreform 1962, S. 64. Müller, G.O.W.j Cooper, H. H. A.: Society and the Victim: Alternative Responses, in: Drapin, I. j Viano, E. (Eds.): Victimology: A New Focus, Vol. 11, Lexington, Mass. 1974, S. 85. Niemeyer, J.: Genugtuung des Verletzten durch Buße, Tübingen 1972, S. 6 ff. Rössner D. : Bagatelldiebstahl und Verbrechenskontrolle, Frankfurt am Main 1976, S. 21 ff. Schafer, St.: Restitution 1960, S. 3 ff. Schoreit, A. : Entschädigung der Verbrechensopfer als öffentliche Aufgabe, Berlin 1973, S. 9. Scottish Horne and Health Department, S. 8. Vodopivec, K.: Restitution to Victims of Criminal Offences in Slovenia, in: Annales Internationales de Criminologie 17 (1978), S. 147. 2 Achter V.: Geburt der Strafe, Frankfurt am Main 1951, S. 9. 3 Steinmetz, S. R.: Ethnologische Studien zur ersten Entwicklung der Strafe, Erster Band, 2. Aufl., Groningen 1928, S. 408ff. Schmidt, W.: Das Eigentum auf den ältesten Stufen der Menschheit. Band 11, Das Eigentum im Primärkulturkreis der Herdenviehzüchter Asiens, Münster 1940, S.32, S.301. Parkinson, R.: Im Bismarck-Archipel, Leipzig 1887, S. 76, S. 80, S. 83. Kroeber, A. L.: Handbook of the Indians of California, Washington 1925, S. 27f.

A. Geschichtliche Entwicklung

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unabhängigen Kulturkreisen, weshalb der Schluß naheliegt, daß es sich um eine in bestimmten Stadien der Entwicklung menschlicher Gesellschaften zwischen Jagd- und Ackerbauwirtschaft4 regelmäßig erstmals auftretende und allgemein übliche Methode der Reaktion aufSchadenszufügungen handelt. Die Übertragbarkeit von Institutionen und Normen zeitgenössischer Naturvölker 5 auf solche Kulturen, von denen lediglich vergleichbare äußere Lebensbedingungen bekannt sind, erlaubt die Vermutung, daß sich schon in frühgeschichtlichen Gesellschaften derartige Bräuche entwickelten. 6

11. Talion und Komposition in den ältesten Kodifikationen Auch die frühesten Gesetzesaufzeichnungen altertümlicher Rechtsordnungen sehen die Bußzahlung an den Verletzten als Sanktion vor. 1. Alter Orient

Zu diesen gehören vor allem die als "Keilschriftrechte" zusammengefaßten Quellen des Alten Orients. 7 Zwar wird bisweilen die ihnen eigene Bedeutung des Talionsprinzips hervorgehoben. 8 Dafür steht vor allem der Codex Hamurabi (etwa 1700 v. Chr.).9 Andere Gesetzestexte desselben Kulturraumes bevorzugten jedoch Bußregelungen,1O ließen eine Entwicklung von retributiven zu restitutiven Reaktionen erkennen 11 und wurden schließlich vom Wiedergutma4 Steinmetz, S. R., S. 436. Schott, R.: Die Funktionen des Rechts in primItiven Gesellschaften, in: Lautmann, R./ Maihofer, W./ Schelsky, H. (Hg.): Die Funktionen des Rechts in der modernen Gesellschaft. Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie. Band I, Bielefeld 1970, S. 107 (117). 5 Thurnwald, R.: Die menschliche Gesellschaft. Fünfter Band: Werden, Wandel und Gestaltung des Rechts im Lichte der Völkerforschung, Berlin und Leipzig 1934, S. 105 ff. Malinowski B.: Sitte und Verbrechen bei den Naturvölkern, Bern O.J. Gulliver, P.H.: Disputes and Negotiations. A Cross-Cultural Perspektive, New Y ork etc. 1979, S. 194ff. 6 Boebel. E. A.: Das Recht der Naturvölker, Konstanz 1968, S. 365. 7 Baase, R.: Einführung in das Studium keilschriftlicher Rechtsquellen, Wiesbaden 1965, S. 2, S. 9. 8 So Mühl, M.: Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, Leipzig 1933, S. 12, S. 18; anders aber Korosec, V.: Keilschriftrecht, in: Spuler, B. (Hg.): Handbuch der Orientalistik, Erste Abteilung: Der nahe und der mittlere Osten. Ergänzungsband III: Orientalisches Recht, Leiden, Köln 1964, S. 49 (205). 9 Der vollständige Codex in deutscher Übersetzung findet sich bei Baase, R.: Die keilschriftlichen Rechtssammlungen in deutscher Übersetzung, Wiesbaden 1963, S. 23ff. 10 So der Codex-Ur-Nammu (mehr als 2000 Jahre v. Chr.) Baase, R.: Einführung 1965, S.18; Baase, R.: Rechtssammlungen 1963, S.1; sowie die Tontafelgesetze von Eshnunna - Baase, R.: Rechtssammlungen 1963, S. 15. 11 So die hethitische Rechtssammlung (um 1500 v. Chr.) - Baase, R.: Der privatrechtliche Schutz der Person und der einzelnen Vermögensrechte in der hethitischen Rechtssammlung, Diss. Tübingen 1961, S. 15 f.

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2. Kap.: Grundlagen

chungsprinzip beherrscht. 12 Selbst mit dem Erstarken der Staatsmacht wurde von der natürlichen Vorstellung ausgegangen, daß auch die Folgen der Rechtsverletzung in erster Linie eine Sache zwischen den Beteiligten sind. Die Buße stand ausschließlich dem Geschädigten ZU. 13 2. Griechisches Recht

Das frühe griechische Recht kannte in seinen Anfängen noch das Talionsprinzip bei Körperverletzungen. 14 Auch sollen die für ihre Strenge berüchtigten Gesetze des Drako l5 (um 620 v.Chr.) noch die Tötung des Diebes zugelassen haben. 16 Im übrigen aber und in der weiteren Entwicklung fand die strenge Talion in die praktische Gesetzgebung keinen Eingang. 17 Es entwickelten sich Kodi{ikationen von Systemen gesetzlich Jestgestellter Bußen. 18 Das griechische Recht war bestrebt, Rachsucht und Gewaltsamkeit keinen Raum zu geben, weil dies die erzieherischen Tendenzen zur Heranbildung eines ethisch motivierten und von Gemeinsinn geprägten Bürgertums behindert hätte. 19 3. Römisches Recht

Das Römische Recht ist immer in besonderem Maße darauf angelegt gewesen, seine Regelungsfunktionen mit zivilrechtlichen Mitteln zu erfüllen. Das Strafrecht im eigentlichen Sinn, also öffentliches Strafrecht, hat immer nur untergeordnete Bedeutung gehabt und ist auch von der römischen Rechtswissenschaft vernachlässigt worden. 20 Die erste Kodifikation, die Zwö/ftaJelgesetze aus der Zeit um 450 v. Chr. kannten zwar schon Verstöße gegen die Gemeinschaft mit zugleich sakraler Bedeutung 21 wie Hochverrat, Zauberei, Brandstiftung, Tötung des Freien, von deren Verfolgung und Ahndung auch der zunächst davon Betroffene ausgeGrothus, J.: Die Rechtsordnung der Hethiter, Wiesbaden 1973, S. 32. Haase, R.: Der privatrechtliche Schutz 1961, S. 19. 14 Müht, M., S. 18; Latte, K.: Beiträge zum griechischen Strafrecht, in: Berneker, E. (Hg.): Zur griechischen Rechtsgeschichte, Darmstadt 1968, S. 263 (305). 15 Latte, K., S. 294. 16 Müht, M., S. 23. 17 Müht, M., S. 46. 18 Freudenthat, B., in: Mommsen, Th. et al.: Zum ältesten Strafrecht der Kulturvölker, Leipzig 1905, S. 18. 19 Müht, M., S. 47. Siehe auch von Wilamowitz-Moellendorf, U., in: Mommsen, Th. et al.: Zum ältesten Strafrecht 1905, S. 22 ff. 20 Kaser, M., Römische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., GÖUingen 1967, S. 121 f. 21 Kaser, M.: Rechtsgeschichte 1967, S. 71, S. 36. 12

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A. Geschichtliche Entwicklung

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schlossen war. 22 Unrechtstaten gegen den Einzelnen wurden demgegenüber nicht als Verletzung der Gesamtheit angesehen, waren darum im Zivilprozess zu verfolgen 23 und wurden durch Bußzahlung geahndet. 24 Aber auch dort, wo die Talion grundsätzlich noch zugelassen war, setzte sie voraus, daß zuvor ein obligatorischer Einigungsversuch über die Befriedigung des Verletzten durch eine Geldbuße gescheitert war. 25 Und darüberhinaus stand es dem Kläger in dem von seiner privaten Initiative abhängigen Verfahren immer frei, sich mit dem Täter zu vergleichen. Nur wo solch eine Einigung nicht erzielt worden war, bestand überhaupt Anlaß für ein Strafurteil. 26 Während der auf den Erlaß der Zwölftafelgesetze folgenden Rechtsentwicklung gewann die Buße als privatstrafrechtliche Sanktion noch an Bedeutung. 27 Die Deliktshaftung lieferte das Modell auch für rechtsgeschäftliche Personalhaftung 28 und blieb deshalb als "Privatstrafrecht" immer Bestandteil des Schuldrechts, 29 auch nachdem die in ihr enthaltenen unterschiedlichen Zwecke erkannt waren und mit eigenständigen Klagearten verfolgt werden konnten. 3o Der Charakter der Buße lag in ihrer Genugtuungsfunktion, in der Besänftigung von Rachegelüsten des Verletzten. 31 Die Bedeutung des römischen Privatstrafrechts wird eingeschränkt durch das seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. sich ausweitende öffentliche Strafrecht, das von einer strengen und gefürchteten Polizeigerichtsbarkeit ausgeübt wurde. 32 Diese Entwicklung wird mit den umwälzenden Veränderungen der Wirtschaftsordnung in Verbindung gebracht, mit dem Wandel von einer Agrargesellschaft zu einer Gesellschaft, die sich auf expansiven Handel und Massenindustrie gründete und eine breite Kluft zwischen besitzenden und besitzlosen Bevölkerungsgruppen aufbrechen ließ.33 Insbesondere in der Großstadt Rom bewirkte das soziale Gefalle zu Sklaven und städtischem Proletariat Spannungen,34 die man nur mit unnachgiebiger Härte unter Kontrolle halten zu können meinte. Mommsen, Th.: Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, S. 60. Kaser, M.: Rechtsgeschichte 1967, S. 122. Söllner, A.: Einführung in die römische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., München 1980, S. 54f. 24 Söllner, A., S. 56f. Mommsen, Th.: Römisches Strafrecht 1899, S. 62. 25 Kunkel, W.: Römische Rechtsgeschichte. Eine Einführung, 5. Aufl., Köln, Graz 1967, S. 39f. 26 Mommsen, Th.: Römisches Strafrecht 1899, S. 61, S. 62. Söllner, A., S. 55. 27 Söllner, A., S. 55. 28 Kaser, M.: Römisches Privatrecht, 13. Aufl., München 1983, S. 148, S. 150. 29 Kunkel, W., S. 40. 30 Kaser, M.: Privatrecht 1983, S. 165. 31 Söllner, A., S. 55. 32 Söllner, A., S. 78. 33 Seagle, W.: Weltgeschichte des Rechts, München, Berlin 1951, S. 237. 34 Kunkel, W., S. 69. 22 23

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2. Kap.: Grundlagen

Dieser Kampf gegen das niedere Verbrechen diente also der Verteidigung des Privilegiengefüges ebenso, wie die (ältere) öffentliche Verfolgung der Kriminalität von Bürgern hohen Standes (Amtsvergehen der Feldherren und Statthalter, Wahlbestechung, Ausbeutung von Provinzen) die Konkurrenz um Macht abwehrte. Angesichts dieser eigenständigen Funktion des öffentlichen Strafrechts wird verständlich, daß das Privatstrafrecht für die Bewältigung des interpersonalen kriminellen Konflikts und zur Kontrolle der leichteren Kriminalität daneben immer erhalten geblieben ist. 35

IH. Komposition im mitteleuropäischen Raum 1. Recht des germanischen Volksstaates

Die Entwicklung der Reaktion auf Rechtsgutsverletzungen durch Leistungen des Verletzers an den Geschädigten läßt sich am besten im zentraleuropäischen Raum nachzeichnen, der im Jahrtausend vor Christus vom Norden her von germanischen Völkerstämmen in Besitz genommen wurde. Ihr kultureller Entwicklungsstand ähnelte in manchem jenen primitiven Kulturen anderer Weltregionen, die als Beispiele für die Entstehungsphase der Komposition angeführt worden sind. Wie dort waren Ackerbau und Viehzucht die Grundlagen der frühgermanischen Wirtschaft. 36 Der Volksstaat beruhte auf der Geschlechterverfassung. Sein tragender Kern war die Sippe, von denen sich mehrere zu einem Wander- und Siedlungsverband (Hundertschaft) zusammenschlossen; mehrere solcher "Wanderhaufen"37 bildeten den Staatsverband. 38 Die Einheiten waren genossenschaftlich organisiert, die Entscheidungsbildung erfolgte in Versammlungen der freien Männer, auf Staatsebene in der Volksversammlung (Thing).39 Dort lag die eigentliche Staatsgewalt,40 der auch die Führer, die nicht Herrscher sondern Repräsentanten waren, unterlagen. 41 Macht entfaltete sich also im germanischen Staat von unten nach oben. Grundlegendes Prinzip dieser Struktur war die Freiheit des freien Mannes. 42 Rössner, D.: Bagatelldiebstahl1976, S. 36. Conrad, H. : Deutsche Rechtsgeschichte. Band I. Frühzeit und Mittelalter, Karlsruhe 1954, S. 8. 37 Conrad, H., S. 12. 38 Köstlin C. R. : Geschichte des deutschen Strafrechts im Umriß, Tübingen 1859, S. 58, S.59. 39 Conrad, H., S. 12. 40 Conrad, H., S. 19. 41 Conrad, H., S. 15ff. 42 v. Woringen, F.A.M.: Beiträge zur Geschichte des deutschen Strafrechts. Erster Beitrag. Erläuterungen über das Compositionenwesen, Berlin 1836, S. 32ff. 35

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A. Geschichtliche Entwicklung

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Folglich hatte er auch selbst für die Bewahrung und Verteidigung seiner Rechtsgüter zu sorgen. 43 Die Verletzung der Mannheiligkeit zerstörte das Friedensband zwischen den beteiligten Parteien. Deshalb war die Rache rechtens. 44 Wo sie nicht oder nicht unmittelbar stattfand oder stattfinden konnte, schritt die Sippe des Verletzten zur Fehde, die sich nicht gegen den Täter, sondern seine Sippe richtete. Die Fehde konnte durch einen mit dem Urfehdeeid bekräftigten Sühnevertrag beendet werden. Er regelte die Sühneleistung, die die Sippe des Verletzten aufbringen mußte, um ihre Demütigung durch den Vollzug der Rache abzuwenden. 4s Bezahlt wurde mit den Vermögenswerten der Zeit, nämlich Vieh,46 Pferden oder WaffenY Der aus verschiedenen Rechten bekannte Gleichheitseid verbürgte die Gegenseitigkeit der Vereinbarung. Damit verpflichtete sich die Tätersippe, im Falle ihrer Verletzung die gleiche Sühneleistung anzunehmen. 48 Der Sühnevertrag konnte frei ausgehandelt werden. Wurde er nicht erfüllt, lebte die Fehde wieder auf. 49 Die Parteien konnten sich jedoch durch einverständliches Streitgedinge SO der Entscheidung des Schiedsgerichts unterwerfen, das auf der Grundlage der der Herrschaft der Parteien überlassenen VerhandlungS! vor dem dingfähigen Volk und mit dessen Zustimmung sein Urteil fällte. 52 Schließlich konnte der Kläger den Rechtsverletzer auch einseitig laden. S3 Wer der Ladung nicht Folge leistete, die Buße nicht zahlte oder sich auf andere Weise weigerte, sich dem Rechtsverfahren zu unterwerfen, verfiel der Friedlosigkeit,54 und konnte damit von jedermann bußlos getötet werden. 55 Erst die Rechtsverweigerung nämlich bedeutete einen Verstoß gegen den allgemeinen Frieden. Während die Tat selbst ausschließlich 43 Auch der altgermanische Staat kannte natürlich, soweit die Berichte zurückreichen, neben den uns hier in erster Linie interessierenden Verletzungen des einzelnen Mitgliedes auch Verbrechen gegen das Gemeinwesen (Köstlin C. R.: Geschichte 1859, S.70. v. Woringen, F.A.M., S. 25). Sie wurden, wenn sie allein weltlicher Natur waren, mit der Friedlosigkeit, wenn sie sakrale Bereiche berührten, mit der sakral-kultischen Todesstrafe geahndet (Conrad, H., S. 48). 44 Schmidt, Eb.: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. Göuingen 1965, S. 22. 45 Mitteis, H./ Lieberich, H.: Deutsche Rechtsgeschichte, 14. Aufl., München 1976, S. 31. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 24. 46 Conrad, H., S. 51. 47 Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 24. 48 Conrad, H., S. 47. Rössner, D.: Bagatelldiebstahl1976, S. 37. Wilda, W.E.: Das Strafrecht der Germanen, Halle 1842, S. 316. 49 v. Woringen, F.A.M., S. 104f. 50 Mitteis, H. / Lieberich, H., S. 35. SI Mitteis, H. / Lieberich, H., S. 36. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 38. 52 Conrad, H., S. 28, S. 29. 53 Conrad, H., S. 29. 54 Conrad, H., S. 30. Rössner, D.: Bagatelldiebstahl 1976, S. 38. Niemeyer, J., S. 14. 55 Mitteis, H./ Lieberich, H., S. 32.

2 Frehsee

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2. Kap.: Grundlagen

die Beziehung zwischen den beteiligten Sippen betraf56 und die Rechtsposition des Täters in der Gemeinschaft im übrigen nicht beeinträchtigte, setzte sich der Rechtsverletzer mit der Mißachtung des Verfahrens selbst aus dem öffentlichen Frieden und wurde ausgestoßen. 57 2. Kultivierung des Kompositionensystems zur Zeit der Franken

Mit der Entstehung des fränkischen Reiches war eine Veränderung dieses Rechtswesens zunächst nicht verbunden. Die überlieferten gewohnheitsrechtlichen germanischen Volksrechte wurden vielmehr durch ihre schriftliche Aufzeichnung bestätigt. Es wurde das Bestreben erkennbar, das Kompositionensystem zu festigen und auszubauen, um die unkontrollierbare Sippenfehde zurückzudrängen. 58 Für bestimmte Schädigungsbereiche (Körperverletzung, kleiner Diebstahl, geringfügige Delikte) wurde das Fehderecht verboten 59 und die Annahme der Buße zur Pflicht gemacht. 60 Nach und nach wurden hochdifferenzierte Bußsysteme entwickelt,61 um durch die verbindliche Festsetzung dessen, was in bestimmten Fällen zu zahlen war, den Ausgleich zwischen den Fehdeparteien zu erleichtern. 62 Die Grundlage der für die unterschiedlichen Arten von Verletzungen 63 zu erbringenden Leistungen bildete entweder ein überlieferter Bußbetrag oder das Wergeld (die Mannbuße ); 64 beides bestimmte sich vor allem nach dem Stand des Geschädigten. 65 Ein Vielfaches der Grundbuße oder des Wertes des Gestohlenen 66 bzw. ein Bruchteil des Wergeldes bildete die an die besondere Art und Weise der Handlung und ihrer Wirkungen angepaßte Komposition. 67 Die Buße im weiteren Sinne, also der Betrag, den der Verurteilte insgesamt aufzubringen hatte, enthielt auf unterschiedliche Leistungszwecke abzielende Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 25. v. Woringen, F.A.M., S. 35f., S. 104, S. 107. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 30f. 58 Niemeyer, J., S. 15. 59 Conrad, H., S. 168. Rössner, D.: Bagatelldiebstahl1976, S. 38. 60 Siehe auch Niemeyer, J., S. 15. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 24. 61 Siehe bspw. His, R.: Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Leipzig 1920, S.582f. 62 Conrad, H., S. 168. 63 v. Woringen, F. A. M., S. 66f. 64 Wilda, W.E., S. 321f. 65 His, R., S. 594f., S. 598. v. Woringen, F.A.M., S. 68f. Mitteis, H.jLieberich, H., S.81. 66 v. Woringen, F. A. M., S. 66. Wilda, W. E., S. 321. 67 Wilda, W. E., S. 322. 56 57

A. Geschichtliche Entwicklung

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Bestandteile 68 wie das an das Gemeinwesen 69 oder den königlichen Fiskus 70 zu zahlende Friedensgeld oder die Prozeßkosten ("Dilatura").71 Umso deutlicher war die Buße im engeren Sinn die eigentliche Sühneleistung, 72 das "Bekenngeld der Schuld".73 Sie sollte eine Vergütung für die dem Verletzten durch die Mißachtung seiner Rechte als solche angetane Beleidigung darstellen. 74 Nicht der verursachte Schaden war ihr Maßstab, sondern das angerichtete Unrecht, das sich auch nach den Umständen der Tat und der Person des Verletzten bestimmte. 7s Es ging (jedenfalls ursprünglich) gar nicht um eine Bestrafung des Verletzers, vielmehr war die Buße eher gegen den Verletzten gerichtet, weil sie dazu dienen sollte, die Fehde abzuwenden und so für die Zukunft den Frieden sicherzustellen. 76 Sie mußte also nicht nach der Schuld des Täters, sondern danach bemessen werden, was erforderlich war, um den Geschädigten zum Fehdeverzicht zu bewegen. 77 3. Der Niedergang des Kompositionensystems im Mittelalter

Obwohl die Komposition einer Epoche der Autonomie freier und gleicher Blutsverbände entstammte, entfaltete sie ihre höchste Blüte in Zeiten des Niedergangs dieser Autonomie, der Erstarkung des Königtums und einer mächtigen Adelsschicht, der Ausschaltung des Volkes von der Mitwirkung bei Staatsgeschäften, dem Herabsinken des Volksverbandes zum Untertanenverband. 78 Erst unter den Karolingern erreichte das Bußsystem seine vollkommenste Ausbildung. 79 Offenbar konnte eine erstarkende Staatsmacht dieses ursprünglich aus der Notwendigkeit zur Selbstregulation entstandene Kontrollsystem weiterhin zur Stabilisierung des allgemeinen Friedens einsetzen und sogar kultivieren, solange eine verhältnismäßig breite und ausgeglichene ökonomische Grundlage sicherstellte, 80 daß der Einzelne und seine Familie in der Regel in der Lage waren, diese Art wirtschaftlicher Sanktionen zu tragen. 68 69 70 71

72 73

v. Woringen, F.A.M., s. 31. Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 111. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 25. v. Woringen, F.A.M., s. 90. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 111. Mitteis, H./ Lieberich, H., S. 31. Wilda, W. E., S. 340.

His, R., S. 594, S. 598f. Wilda, W. E., S. 341. v. Woringen, F.A. M., S. 65, S. 89. 75 v. Woringen, F.A.M., S. 66. 76 v. Woringen, F.A.M., S. 23, S. 42: Seagle, W., S. 111. 77 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 77. Seagle, W., S. 70. 78 Conrad, H., S. 91. 79 Wilda, W. E., S. 485. 80 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 80, S. 88. Rusche, G. / Kirchheimer, 0.: Sozialstruktur und Straffvollzug (1939), Frankfurt am Main 1974, S. 15. 74

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2. Kap.: Grundlagen

a) Jedoch war die Zerstörung des Bußsystems bereits vorgezeichnet. 81 Das wesentlichste Element des einsetzenden gesellschaftlichen Wandels war die Ablösung der Geschlechterverfassung durch das Territorialitätsprinzip. 82 Die Franken übernahmen aus der spätrömischen Wirtschaftsverfassung Grundeigentum, Großgrundbesitz und Grundherrschaft. 83 Die sich zwangsläufig entwickelnde unterschiedliche Größe der Landbesitzungen widersprach der auf prinzipiell gleichverteiltem Grundbesitz beruhenden Geschlechterverfassung. 84 Der Großgrundbesitz verdrängte das freie Bauerntum und machte den Einsatz abhängiger Arbeitskräfte erforderlich. 85 Es trat eine "Zersetzung des alten Freienstandes"86 ein. Besitzlose Freie unterwarfen sich dem Schutz von Grundbesitzern;87 andererseits konnte es auch Unfreien gelingen, zum Grundbesitzer aufzusteigen. 88 Der Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit verlor seine Bedeutung. 89 Der politische und rechtliche Status bestimmte sich nun nach dem Umfang des Grundbesitzes. 90 Es bildete sich eine reichgegliederte ständische Ordnung heraus. 91 Dies hatte zur Folge, daß die Angehörigen immer breiterer Bevölkerungsschichten nicht mehr in der Lage waren, die ihnen zur Sühne von Rechtsverletzungen auferlegten Bußleistungen aufzubringen. 92 Und das wurde ihnen im übrigen dadurch erschwert, daß der Sippenverband zerfiel und der Kreis der mithaftenden Verwandten und Familienmitglieder immer mehr eingeschränkt wurde,93 bis sich schließlich der Grundsatz durchgesetzt hatte, daß der Täter allein für seine Schuld büßen mußte. 94Seit der Zeit der Karolinger entwickelte sich das vom Lehenswesen getragene feudalistische Staatssystem. 95 Vasallen, die sich in die persönliche Abhängigkeit

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83 84 85 86

8? 88 89 90 91 92 93

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Wilda, W. E., S. 486. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 83. Conrad, H., S. 83. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 80. Conrad, H., S. 83. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 88. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 80. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 27. Conrad, H., S. 115. Köstlin, C. R. : Geschichte 1859, S. 81, S. 88. Conrad, H., S. 115fT. Wilda, W. E., S. 486f. Köstlin, C. R .. : Geschichte 1859, S. 99, S. 103, S. 112. Wilda, W.E., S. 486. Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 67, S. 93, S. 99 Fn. 1. Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 110. Conrad, H., S. 106.

A. Geschichtliche Entwicklung

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von Grundherren begaben und ihnen ihre Dienste (zumeist Kriegsdienste) zur Verfügung stellten, wurde durch Schenkung oder Beleihung von Grundbesitz entlohnt, der ihnen die wirtschaftliche Unabhängigkeit sicherte. 96 Sie konnten ihrerseits Untervasallen an sich binden und so fort, so daß sich eine pyramidenförmige Lehensstruktur ineinander verschachtelter Abhängigkeits- und Treueverhältnisse herausbildete. 97 Im weiteren Verlaufe wurde nicht mehr nur knapp werdender Grund und Boden als Lehen vergeben, sondern "alles, was einen Ertrag abwarf",97 also auch öffentliche Ämter. Verliehen wurde auch die Immunität, ein Verwaltungs- und Steuerprivileg, das insbesondere die Gerichtsbarkeit einschloß.98 Bedeutendes Charakteristikum dieser Organisationsform war es, daß es keine Unterscheidung gab zwischen Person und Amt, Persönlichkeit und politischer Stellung, privatem und öffentlichem Recht. 99 Staatliche Hoheitsrechte wurden als königliche Privatgüter verstanden und wie Privatrechte verliehen und besessen. 1oo Der König nahm das Friedensgeld nicht mehr für das Gemeinwesen, sondern er forderte es selbst für sein eigenes verletztes Recht. 101 Und so bekam es auch der Immmunitätsherr. Die Gerichtsbarkeit war zur erklärten Einnahmequelle geworden. 102 Diese Einnahmen ließen sich durch Erhöhung der Bußen und damit der Friedensgeider lO3 steigern. Außerdem verschob sich das Gewicht immer mehr zugunsten des Friedensgeldes, bis die Durchsetzung der dem Verletzten zustehenden Ansprüche schließlich ganz ihm selbst überlassen blieb. I04 Die Zahlung an den Gerichtsherrn wurde seit dem frühen Mittelalter überwiegend "Brüche" genannt und war eine echte Geldstrafe für den Bruch der Rechtsordnung. lOs Diese Geldstrafe war zum Teil selbst dann zu zahlen, wenn die Parteien sich gütlich verglichen hatten,l06 teils war ein Vergleich überhaupt nicht mehr zugelassen 107 und die außergerichtliche Einigung selbst strafbar. 108

Conrad, H., S. 107f. Conrad, H., S. 108. 98 Conrad, H., S. 144. 99 Köst/in, C.R.: Geschichte 1859, S. 104, S. 109, S. 118. 100 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 90. 101 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 109. 102 Achter, V., S. 63. Seagle, W., S. 113. Rusche, G. I Kirchheimer, 0., S. 18. 103 Wilda, W.E., S. 486. Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 112. 104 Mitteis, H.I Lieberich, H., S. 82. 105 His, R., S. 609. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 173. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 56. 106 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 162, S. 173. 107 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 164. 108 Mitteis, H. I Lieberich, H., S. 81. 96 97

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2. Kap.: Grundlagen

Andererseits konnte derjenige, der dazu imstande war, die peinliche Strafe, wo eine solche angedroht war, mit Geld ablösen und zwar bis hinauf zur schwersten, der Todesstrafe. 109 Da nun das Bußstrafrecht in immer breiter werdenden Bevölkerungskreisen ins Leere ging, mußten andere Reaktionsformen zur Anwendung kommen. Die ursprüngliche Folge der Insolvenz des zur Bußleistung Verurteilten war die Friedloslegung, llO die ihn das Leben kosten konnte. Diese Konsequenz erschien als zu rigoros,lll und so kamen mehr und mehr jene Strafmittel in allgemeinen Gebrauch, die aus der Haus- und Sippengewalt seit jeher bekannt waren, nämlich die peinlichen Strafen. ll2 Sie wurden von Gerichten bei Privatverbrechen zunächst gegen Unfreie verhängt, wenn deren Herr selbst sein Züchtigungsrecht nicht ausübte. 113 Die Anwendung auch gegen Freie lag nahe, wo diese in Abhängigkeit und Besitzlosigkeit herabgesunken waren und damit ihren Status faktisch verloren hatten. 114 Auf der anderen Seite war die Androhung von Bußen und Brüchen nicht mehr geeignet, diejenigen von Verbrechen abzuhalten, denen es leichtfiel, jede Strafe mit Geld zu lösen. llS b) Das Lehenswesen, die Verleihung von Privilegien und die Partikularisierung des Reiches brachten einen Machtverfall obrigkeitlicher Gewalten. 116 Die engen territorialen und ständischen Gerichtszuständigkeiten machten es schwer, Recht zu finden und Recht durchzusetzen. 117 Die Ritterschaft erkämpfte sich als bevorzugter Stand von Berufskriegern 118 landesherrengleiChe U nabhängigkeit 119 und nahm das Recht der ritterlichen Fehde für sich in Anspruch. Auch die gewöhnliche (nichtritterliche) Fehde (Blutrache) gewann wieder an Bedeutung. 120 Diese Selbsthilfe mußte bei so unterschiedlichen Macht- und Vermögensverhältnissen jedoch entarten. Die Fehde wurde auch zum Mittel der Durchsetzung privater Ansprüche,121 ja zum Geschäft, bis "ein Teil des deutschen Adels einer Räuberbande nicht unähnlich" 122 war. 109 His, R., S.298. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 110, S. 152. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 27. M itteis, H. / Lieberich, H., S. 82, sprechen von der "Fiskalisierung des Strafrechts". 110 Mitteis, H. / Lieberich, H., S. 82. tll

1\2 113 114 JJ5 116

S.46. 111 118 119 120

Wi/da, W. E., S. 486.

Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 26 f. Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 97. Wilda, W. E., S. 487. Köstlin, C. R. : Geschichte 1859, S. 152. Seagle, W., S. 71. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 122, S. 126. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 149, S. 151. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 48. Köstlin, C. R. : Geschichte 1859, S. 159. Conrad, H., S. 435.

A. Geschichtliche Entwicklung

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Den sich daraus ergebenden unsicheren Zuständen trat seit dem 11. Jahrhundert zuerst die Kirche entgegen. Sie war in ihrer Einheit dem zersplitterten weltlichen Recht überlegen. 123 Sie dehnte die Zuständigkeit ihrer Gerichtsbarkeit in weltliche Bereiche aus, wo immer wegen "sündlicher Handlung" Klage erhoben wurde. l24 Mit der Errichtung der "Gottesfrieden" wurden gewisse Personen, Sachen, Orte oder Zeiten für befriedet, also von Fehdehandlungen ausgeschlossen erklärt. Diese Schutzbereiche wurden zunehmend ausgedehnt. Verstöße betrafen damit nicht mehr nur den Gegner, sie waren Verletzungen des Gottesfriedens, die zunächst mit geistlichen, dann auch mit weltlichen Nachteilen geahndet wurden. 125 Dem folgten von weltlicher Seite die Landfrieden, die über die ritterliche Fehde hinaus zunehmend alle Arten von Missetaten mit peinlichen Strafen bedrohten. 126 Der Staat zog das Monopol rechtmäßiger Gewaltanwendung an sich. 127 Zu diesen grundlegenden Wandlungen des Rechtssystems trugen auch die freien Städte bei, die seit dem 13. Jahrhundert mit eigener Gerichtsbarkeit und autonomer Rechtsentwicklung zu reichsunmittelbaren Korporationen heranwuchsen. 128 Dort wurden die sozialen Gegensätze in der Bevölkerung auf engem Raum und die Unangemessenheit ungleicher rechtlicher Behandlung besonders eindringlich sichtbar. 129 Auch oblagen denselben städtischen Behörden neben der niederen Gerichtsbarkeit zugleich polizeiliche Funktionen. 13o Für sie war die Erhaltung des städtischen Friedens zunehmend mehr Polizei- als Rechtssache. l3l Über die Verbannungsstrafe, deren Mißachtung als Stadtfriedensbruch an Leib oder Leben bestraft wurde, setzte sich schließlich die unmittelbare Verhängung peinlicher Strafen durch. 132 Die Stärkung von Sicherheit und Abschreckung wurde zunehmend zum entscheidenden Zweck des Strafrechtssystems. 133 Mit solchen Zwecksetzungen Conrad, H., S. 435. Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 153. 123 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 135, S. 144. 124 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 134. 125 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 151. Conrad, H., S. 435 f. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 49. 126 Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 50. 127 Conrad, H., S. 436. Seagle, W., S. 337. 128 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 141 f. 129 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 175, S. 178. 130 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 169. 131 Wilda, W.E., S. 489. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 113, S. 188. 132 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 176f. 133 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 192. 121

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2. Kap.: Grundlagen

war es natürlich unvereinbar, das Verfahren der Herrschaft der beteiligten Parteien zu überlassen. l34 Amtliche Ankläger übernahmen daher mehr und mehr die Verfolgung ohne Rücksicht auf die Initiative des Verletzten. Auch genügte das formale Beweisverfahren diesen Ansprüchen nicht mehr, bei dem es lediglich darauf angekommen war, einen der Kontrahenten obsiegen zu lassen, der Beschuldigte unter Umständen also durch bloßen Reinigungseid den Vorwurf hatte abwehren können. 135 Vielmehr ging es nun um die Erforschung der objektiven Wahrheit des zu beurteilenden Sachverhalts (Inquisition).136 4. Theoretische Erklärungsversuche zur Verdrängung der Privatbuße durch öffentliche Strafe

Zum Abbau des Bußenstrafrechts, seiner Verdrängung und Ersetzung durch das peinliche Strafrecht sind eine Reihe theoretischer Erklärungsversuche entwickelt worden, die sich bemüht haben, die entscheidenden Momente dieses vielleicht grundlegendsten Wandels im System strafrechtlicher Sozialkontrolle herauszuarbeiten. 137 a) So sieht beispielsweise die "Nivel/ierungstheorie" im peinlichen Strafrecht insgesamt das Ergebnis der Ausdehnung des Unfreienstrafrechts auf Freie. 138 Die "Eidbruchtheorie" gründet sich darauf, daß die ersten Landfrieden aus dem Landfriedensschwur der Bevölkerung hervorgegangen seien. 139 Die friedensstörende Tat wurde somit dadurch zum Verbrechen, daß sie zugleich einen Bruch des Friedenseides darstellte. Andere sehen im alten Handhaftverfahren, das für den auffrischer Tat Gestellten die Todesstrafe vorsah, die Quelle entscheidender Elemente des peinlichen Strafrechts. 140

b) Damit wird freilich nur die instrumentelle Seite des Wandels beleuchtet, erklärt, woher die Mittel genommen wurden, mit denen die neue Strafrechtspflege arbeitete. Demgegenüber versucht Achter, die "Geburt der Strafe"141 mit der im 11. Jahrhundert in geschäftlichen Urkunden enthaltenen Pönformel in Verbindung zu bringen, die für Verletzungen der vorgenommenen Vertrags- und Besitzvereinbarungen jene Schrecken beschwor, die die Seele im Jenseits dafür würde zu erdulden haben. 142 Sie verdichtete dann 134 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 182. 135 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 182. 136 Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 86, S. 89. 137 Siehe die Diskussion der verschiedenen Theorien bei Gernhuber, J.: Die Landfriedensbewegung in Deutschland bis zum Mainzer Reichslandfrieden von 1235, Bonn 1952, S.137-166. 138 Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 59 f. 139 Mayer, E.: Deutsche und französische Verfassungsgeschichte vom 9. bis zum 14. Jahrhundert, I. Band, Leipzig 1899, S. 182ff. 140 Gernhuber, J., S. 153, S. 154ff. Hirsch, H.: Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter, 2. Aufl., Graz, Köln 1958, S. 151. Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 57. 141 Achter, V.: Geburt der Strafe 1951.

A. Geschichtliche Entwicklung

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die rein religiösen Folgen zu kirchenrechtlichen und weltlichen, die der Zuwiderhandelnde somit schon im Diesseits zu erwarten hatte,l43 bis sie schließlich versickerte und die selbständige poena entstand. 144 Schon in der Pönformel war jedoch die Ethisierung, die sittliche Abwertung der Verletzung als Sünde enthalten,145 der die Entwicklung des Begriffs individueller Schuld 146 und der Wandel vom Tat- zum Täterstrafrecht zwangsläufig folgen mußten. 147 Auch Bianchi sieht die Grundlage des Wechsels vom restitutiven zum repressiven Strafrechtsprinzip im Verständnis des Deliktes als einer sündigen Tat, bei deren Nichtahndung der Zorn Gottes auf die ganze Gesellschaft falle. Bianchi lokalisiert diesen historischen Wendepunkt sehr präzise in der Freigabe des Inquisitionsverfahrens der Kirche auch für weltliche Gerichte durch das IV. Laterankonzil im Jahre 1215. 148

Auch dabei bleibt jedoch die Frage offen, warum solche Vorstellungen zu dieser Zeit eine derartige Bedeutung erlangen 149 und wie sie zu solchen radikalen kriminalpolitischen Konsequenzen führen konnten. c) Seit der klassischen Arbeit von Rusche und Kirchheimer 1so wird vielfach versucht, Normenentstehungen aus der ökonomischen Struktur der Gesellschaft zu erklären. 151 In diesem Sinne haben die Autoren auch die hier in Rede stehende Entwicklungsphase des versinkenden Bußenstrafrechts erörtert. 152 Und in der Tat hat ja die auch hier vorgenommene Schilderung gezeigt, daß die Bildung ungleichen Grundbesitzes, die Unfahigkeit immer breiterer Bevölkerungskreise zur Aufbringung der Bußen und die fiskalischen Interessen der Gerichtsherren von fundamentaler Bedeutung für den Wandel gewesen sind. Dennoch wird der Rang dieses Erklärungsmodells gerade in jüngerer Zeit zunehmend in Zweifel gezogen. 153 Es ist zwar geeignet einsichtig zu machen, warum die

Achter, V., S. 34ff. Achter, V., S. 44. 144 Achter, V., S. 100, S. 103. 145 Achter, V., S. 48, S. 103. 146 Achter, V., S. 93. 147 Achter, V., S. 111. 148 Bianchi, H., in: ZfEvEth 1974, S. 102. 149 Steinert, H. I Treiber, H.: Versuch, die These von der Ausrottungspolitik im Spätmittelalter "auszurotten". Eine Kritik an Rusche I Kirchheimer und dem Ökonomismus in der Strafrechtsentwicklung, in: KrimJ 1978, S. 81 (95). 150 Rusche, G. I Kirchheimer, 0.: Sozialstruktur und Strafvollzug 1939. 151 Etwa Quinney, R.: Class, State and Crime, New York 1976. 152 Rusche, G.IKirchheimer, 0., S. 15-18. 153 Hassemer, W.I Steinert, H.I Treiber, H.: Soziale Reaktion auf Abweichung und Kriminalisierung durch den Gesetzgeber, in: Hassemer, W.ILüderssen, K. (Hg.): Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, Band III, Strafrecht, München 1978, S. 1 (33 ff.), S. 35 insbesondere zur hier betrachteten Epoche; Schumann, K. F.: Produktionsverhältnisse und staatliches Strafen, in: KritJ 1981, S. 64 (70). Steinert, H.I Treiber, H., in: KrimJ 1978, S. 81. 142

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2. Kap.: Grundlagen

Erhaltung eines das Strafrecht bestimmenden Bußen systems unmöglich wurde; warum jedoch gerade das retributive System peinlicher Bestrafung an seine Stelle trat, ohne daß beispielsweise der ökonomisch sinnvollere Versuch unternommen wurde, etwa die Arbeitskraft der Delinquenten nutzbar zu machen, wird damit ebensowenig klar wie die aus der Sicht dieses Ansatzes als Verselbständigung des neuen Systems zu empfindende Ausdehnung auch auf solche, "die (wirtschaftlich) noch in der Lage und auch willens waren, dem Bußensystem zu entsprechen". 154

So bieten sich schließlich herrschaft-, interessen- und institutionensoziologische Erklärungsansätze an, die (öffentliches) Strafrecht als Element der Machtdiffe-

renzierung erkennen.

Danach ist Strafrecht ein Mittel zur Legitimierung und Verfestigung bestehender Herrschafts- und Privilegienstrukturen, zur Disziplinierung machtunterworfener Gruppen durch die permanente Bedrohung mit sozialem Abstieg. Die auf diese Weise durchgesetzten Ordnungsvorstellungen erlangen dadurch hohe Geltungskraft und werden schließlich durch die in sie hinein sozialisierten Machtunterworfenen anerkannt. 155 In der Tat fallt die Verdrängung des restitutiven Strafrechts durch das retributive in eine Epoche, die gerade durch den Kampf der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen um staatliche Macht gekennzeichnet war, durch das allgemeine Streben nach möglichst großer Autonomie im eigenen Herrschaftsbereich und Unabhängigkeit von übergeordneten Instanzen, nach Aufstieg in dem hierarchischen, aber prinzipiell mobilen Lehenssystem, wo das "Recht gleich der Macht"1S6 war. Die Kirche mußte zur Teilhabe an den weltlichen Herrschaftsmitteln drängen, "wenn sie nicht auf alle Machtentwicklung verzichten wollte", 157 und konnte sich im Investiturstreit aus der Abhängigkeit von weltlicher Macht befreien und zu dieser in selbständige Konkurrenz treten. 1S8 Die Städte zogen die innere und äußere Verwaltung an sich, schüttelten die vogteiliche Gewalt ab und konstituierten sich selbst zu souveränen kriegerischen Körperschaften. 1s9 Teile der Ritterschaft konnten sich von landesherrschaftlicher Unterwerfung freihalten. l60 Der niedere Adel drängte zur Anerkennung eigener Souveränitätsrechte. 161 Aus diesem Ringen gingen schließlich unter Schwächung des Königtums die Territorialfürsten als Träger der realen Macht hervor, nachdem sich in ihren Händen die wahre Strafgerichtsbarkeit ausgebildet hatte. 162

Gernhuber, J., S. 140. ZU allem übersichtlich Haferkamp, H.: Herrschaft und Strafrecht, Opladen 1980, S. 78 ff. IS6 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 118. IS7 Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 133. IS8 Conrad, H., S. 281. IS9 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 139. 160 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 156ff. 161 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 145f. 162 Köstlin, C.R.: Geschichte 1859, S. 155. 154

ISS

A. Geschichtliche Entwicklung

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Staatliche Macht, auf dem Wege zu ihrer Konstituierung und Konsolidierung, war also geradezu darauf angewiesen, das Strafrecht als Instrument der Interessendurchsetzung mit Zwangsmitteln an sich zu ziehen. Jede Gewalt in privater Hand, auch die zur Ahndung persönlicher Verletzungen, mußte die Legitimität um ihre Anerkennung bemühter Herrschaft in Frage stellen. Gewalt mußte monopolisiert werden. l63 Zum Herrschen gehört auch die Verfügung über Konflikte Gewaltunterworfener untereinander. Auch die Verletzung individueller Rechtsgüter mußte zur öffentlichen Angelegenheit werden. Dabei mußte dieses Kontrollsystem umso härter und unnachsichtiger gestaltet sein, als die in der ritterlichen Fehde wiederaufgelebte alte Freiheitsvorstellung zu brechen war. 1M So wird denn auch in der juristischen Literatur die Härte und Grausamkeit des peinlichen Strafensystems als Zeichen politischer Schwäche bewertet. 165 Die Verdrängung des Bußensystems gilt als unabweisbare Notwendigkeit auf dem Wege zum modernen Staat,l66 die Ausbildung eines strengen Strafrechts "als die staatliche Arbeit des Mittelalters".167 IV. Restitutive Rudimente im Strafrecht der Neuzeit 1. Buße

Unbeschadet des Siegeszuges des peinlichen öffentlichen Strafrechts haben sich Buße und Wergeld in einzelnen städtischen und ländlichen Rechten durch das Mittelalter in eingeschränkten Formen erhalten können,l68 beispielsweise im Sachsenspiegel nur noch bei Notwehr und U ngefährwerk, in dieser Anwendung aber "bis weit in die Neuzeit hinein".I69 Insbesondere in den friesischen Landschaften ist das Wergeld selbst bei absichtlichen Tötungen am längsten bekannt geblieben. 170 Die für das Strafrecht der Neuzeit so bedeutende Peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 kannte eine Privatstrafe nur noch beim kleinen Diebstahl unter 5 Gulden, die auf den doppelten (Art. 157 CCC) bzw. den vierfachen (Art. 158 CCC) Schadensersatz ging. 171 Seagle, W., S. 337ff. Köstlin, C. R.: Geschichte 1859, S. 95. 165 Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 67. 166 Gernhuber, J., S. 137f. 167 Mayer, E., S. 139. 168 Schmidt, Eb.: Geschichte 1965, S. 56. 169 His, R., S. 592. 170 His, R., S. 594. 171 Zitiert nach der Ausgabe von Kaufmann, Arthur (Hg.): Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina), herausgegeben und erläutert von Gustav Radbruch, 5. Aufl., Stuttgart 1980, S. 103f. 163

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2. Kap.: Grundlagen

Sodann trat die Buße wieder im RStGB von 1871 auf, und zwar bei Beleidigung (§ 188 RStGB) und Körperverletzung (§ 231 RStGB), wie sie sichim Falle des § 188 StGB bei übler Nachrede und Verleumdung als Ausgleich nachteiliger Folgen für Vermögen, Erwerb oder Fortkommen und in § 231 StG B für alle Fälle der Körperverletzung - bis zur Abschaffung durch das EG StGB vom 9.3. 1974 erhalten hat. 172 Die Rechtsnatur dieser Buße zwischen Privatstrafe und Schadensersatz ist sehr umstritten gewesen. 173

2. Adhäsionsverfahren

Mit der Beschränkung des peinlichen Strafrechts auf seine spezifischen Funktionsziele wurden der Schadensersatzanspruch und seine prozessuale Durchsetzung auf eigene Wege verwiesen. 174 In der Entwicklung dieser Ablösung hat es Zwischenstufen und ein zeitweises Nebeneinander von peinlichen, bürgerlichen und gemischten Klagen gegeben. 175 Aber auch nachdem mit dem Inquisitionsprozeß die volle theoretische und praktische Trennung von staatlichem Strafanspruch und Schadensersatzanspruch des Verletzten erreicht war, 176 gestattete die Gerichtspraxis die Geltendmachung des Schadensersatzes im Strafverfahren und entwickelte daraus den gemeinrechtlichen Adhäsionsprozeß als besondere Verfahrensform. l77 In der Mitte des 19. Jahrhunderts war der Adhäsionsprozeß in den meisten Partikularrechten in verschiedenen Gestaltungsformen vorgesehen,178 fand jedoch wegen der unterschiedlichen Verfahrensgrundsätze und Rechtsmittelsysteme im Zivil- und Strafverfahren keine Aufnahme mehr in die RStPO von 1877. 179 Durch die Verordnung vom 29.5. 1943 wurde das Adhäsionsverfahren dann wieder eingeführt 180 und ist noch heute in den §§ 403 ff. StPO geregelt, aber ohne praktische Bedeutung.

172 Siehe zur Geschichte der modemen Strafrechts-Buße und neuen (vergeblichen) Belebungsversuchen ausführlich Niemeyer, J. 173 Kern, E.: Die Buße und die Entschädigung des Verletzten, in: Festschrift für Edmund Mezger, München, Berlin 1964, S. 407 (411). 174 Conrad, H., S. 564f. 175 Mitteis, H.I Lieberich, H., S. 235. 176 Jescheck, H.-H.: Die Entschädigung des Verletzten nach deutschem Strafrecht, in: JZ 1978, S. 591 (592). 177 Schönke, A.: Beiträge zur Lehre vom Adhäsionsprozeß, Berlin und Leipzig 1935, S. 11 f. 178 Schönke, A., S. 28 ff. 179 Schönke, A., S. 42ff., S. 149. 180 v. Holst, O. B.: Der Adhäsionsprozeß, Diss. Hamburg 1969, S. 6f.

B. Schadensersatz und Strafe

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3. Wiedergutmachungsauflage

Das Jugendgerichtsgesetz von 1923 nennt in § 7 unter den Arten der Erziehungsrnaßregeln als Nr. 3 die "Auferlegung besonderer Pflichten". Obwohl somit nicht ausdrücklich benannt, war für die Rechtsanwender klar, daß damit unter anderem die Auferlegung der "Wiedergutmachung des angerichteten Schadens" vorgesehen war. 181 In der Neufassung des Reichsjugendgerichtsgesetzes vom 6.11. 1943 182 wurde dann in §9 S. 1 RJGG ausgeführt: "Als besondere Pflichten kann der Richter vor allem die Wiedergutmachung des Schadens ... auferlegen." Ins allgemeine Strafrecht fand die Auflage der Schadenswiedergutmachung erstmalig durch das StrÄG vom 4. 8.1953 183 Eingang, das siein§ 24Abs. 1 Nr. 1 StGB in Form der Bewährungsauflage vorsah. Durch das erste StrRG vom 25. 6. 1969 184 hat die Bewährungsauflage der Schadenswiedergutmachung dann in § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB ihre heutige Fassung erhalten. Schließlich trat zum 1.1. 1975 der neue §153a StPO in Kraft,18s der Strafrichter und Staatsanwalt die Möglichkeit eröffnet, das Strafverfahren unter der Bedingung einzustellen, daß der Beschuldigte bestimmte Auflagen erfüllt, darunter auch die Wiedergutmachung des verursachten Schadens.

B. Schadensersatz und Strafe Schadensersatz und Strafe erfüllen unterschiedliche Funktionen. Schadensersatz orientiert sich an den Interessen des Geschädigten und bestimmt sich nach seinen Verlusten; Bezugsgrund der Strafe ist dagegen das vorwerfbare Fehlverfalten des Täters, sie dient seiner Disziplinierung, der Ahndung und Mißbilligung seiner Handlung und der Abwehr zukünftiger gleicher Verstöße durch ihn oder andere. Diese Scheidung wird in Dogmatik und Rechtsanwendung mit großer Strenge gepflegt. Sie wird gefördert durch die zunehmende Präzisierung des Begriffskerns des Schadensersatzes, dessen Abhängigkeit von der schuldhaften Rechtsverletzung zugunsten anderer Haftungsgründe immer mehr an Stellenwert verliert.

181 Bovensiepen: Das Jugendgerichtsgesetz vom 16. Feb. 1923, Komm., Leipzig, Berlin 1923, § 7 Anm. 4. 182 Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung des deutschen Jugendstrafrechts vom 6. 11. 1943 (RG BI I, S. 635). 183 BGBI I, S. 735. 184 BGBI I, S. 645. 18S Eingeführt durch Art. 21 Nr. 44 des EGStGB vom 2.3. 1974 BGBI I, S. 469 (508).

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2. Kap.: Grundlagen

Gleichwohl läßt sich die funktionale Verwandtschaft der beiden Unrechtsfolgen des deliktischen Schadensersatzes (um den allein es geht) und der Strafe auch heute nicht leugnen. Auch die drohende Schadensersatzverpflichtung dient nicht nur dem Erhalt des verteilten Güterbestandes, sondern ebenso der Abwehr vorwerfbarer Verletzungshandlungen. Sie wird oft mehr gefürchtet und stellt die größere Belastung dar als Strafe. 186 Die Bemühungen um eine theoretische Trennung von Schadensersatz und Strafe sind noch gar nicht so alt. Noch im 19. Jahrhundert, insbesondere auch mit Bezug auf die großen Kodifikationen des Strafgesetzbuches und des Bürgerlichen Gesetzbuches, fand eine breite Diskussion statt, um die dogmatischen Unterschiede der Institute Schadensersatz und Strafe herauszuarbeiten. Diese Diskussion verlief sehr kontrovers 187 und enthielt durchaus kriminalpolitische Voten für eine stärkere Verklammerung von Strafe und Schadensersatz und eine Gewichtsverlagerung zugunsten des letzteren, 188 wenngleich sich diese Auffassungen nicht haben durchsetzen können. I. Ziviles und strafbares Unrecht

Zunächst ergab sich aus den absoluten Straftheorien, die eine sittliche Notwendigkeit zur Strafe aus dem Wesen des Verbrechens selbst ableiten, das Erfordernis, den spezifischen begriffiichen Gehalt des strafbaren Unrechts zu bestimmen. 189 Es wurde also angenommen, daß sich kriminelles und ziviles Unrecht als wesensverschieden beschreiben, als eigenständige "Grundformen des Unrechts"l90 charakterisieren

ließen. Kriminelles Unrecht wurde als absolutes,191 unmittelbares 192 im Gegensatz zum relativen,191 mittelbaren 192 Zivilunrecht bezeichnet, insofern als allein im kriminellen Unrecht der Angriff auf das "Recht als Recht, das Allgemeine, Unendliche",t93 "das 186 Heck, Ph.: Grundriß des Schuldrechts, Tübingen 1929, S. 438. 187 Insbesondere hat Merkel die Trennungsversuche zurückgewiesen und die verbindenden Elemente von Schadensersatz und Strafe herausgearbeitet: MerkeI, A.: Kriminalistische Abhandlungen I. Zur Lehre von den Grundeintheilungen des Unrechts und seiner Rechtsfolgen, Leipzig 1867. 188 Vgl. etwa v. Liszt, F.: Die Grenzgebiete zwischen Privatrecht und Strafrecht. Kritische Bedenken gegen den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Berlin und Leipzig 1889, S. 30f. 189 Hälschner, H.: Die Lehre vom Unrecht und seinen verschiedenen Formen, in: GS 21 (1869), S. 11 (12). Binding, K.: Die Normen und ihre Übertretung, Erster Band, Normen und Strafgesetze, Leipzig 1872, S. 132, S. 148. 190 MerkeI, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 3. 191 Puchta, G. F.: Cursus der Institutionen, 10. Aufl., Erster Band, Leipzig 1893, S. 40. Unger, J.: System des österreichischen allgemeinen Privatrechts. Zweiter Band, Leipzig 1859, S. 327. 192 Hälschner, H., in: GS 1869, S. 94. 193 Hegel, G. W. F.: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Berlin 1821, § 95.

B. Schadensersatz und Strafe

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Recht als solches", 194 "die rechtliche Ordnung", 195 eine Auflehnung gegen "die Macht der sich im Recht verkörpernden sittlichen Idee"l96 enthalten sei. Demgegenüber bedeute ziviles Unrecht ausschließlich eine Auflehnung des Willens "gegen die Herrschaft einer bestimmten Person", durch die lediglich ein konkretes Rechtsverhältnis, ein subjektives Recht verletzt werde. 197 Die Unrechtsarten sind ferner dahin unterschieden worden, daß strafbares Unrecht durch den (bösen) Willen des Handelnden charakterisiert sei, auf den es beim bürgerlichen Unrecht überhaupt nicht ankomme, weil dieses seine Existenz "nur in der Sphäre des äußeren Daseins"198 habe, lediglich als "Störung eines äußeren Zustandes" erscheine,l99 " mit ihrem Zweck und Inhalt als Sache Unrecht",200 also "ungewolltes"2°O oder "unbefangenes Unrecht"201 sei. Andere stellten darauf ab, ob der Rechtsverletzung ein "unvernünftiger Wille"202 oder eine "unmittelbar auf Verletzung gehende Absicht"203 zugrundeliegt. Auch wurde angenommen, die Unrechtsformen ließen sich nach der Art der Handlung unterscheiden, wobei das Verbrechen immer ein positiver Eingriff sei (Entreißung), das zivile Unrecht dagegen nur ein negativer (Vorenthaltung).204

Diese Versuche der Abgrenzung eigenständiger Unrechtsbegriffe für Strafund Zivilrecht entfalten Plausibilität, wenn sie an gewissen Idealtypen klassischer Verbrechensformen gemessen werden. Sie müssen jedoch nicht nur als durch die differenzierte Rechtsentwicklung widerlegt angesehen werden, vielmehr wurden sie zu ihrer eigenen Zeit bereits heftiger Kritik unterzogen. Insbesondere Merke[205 und Binding 206 haben sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt : "Es gibt zwar Arten des Unrechts: allein von allen denkbaren Einteilungen des Unrechts in Arten fällt nicht eine einzige mit der Unterscheidung des strafbaren und des nicht strafbaren Unrechts zusammen".207 194 Abegg, J.F.H.: Lehrbuch der Strafrechts-Wissenschaft, Neustadt a.d. Orla 1836, §4, S. 5. 195 Puehta, G.F., S. 40. 196 Unger, J., S. 328. 197 Unger, J., S. 327. 198 Köstlin, R.: System des deutschen Strafrechts. Allgemeiner Theil, Tübingen 1855, § 3. 199 Bälsehner, H., in: GS 1869, S. 92. 200 Trendelenburg, A.: Naturrecht auf dem Grunde der Ethik, 2. Aufl., Leipzig 1868, S.134. 201 Begei, G.W.F., § 83, §§ 84-86. 202 Luden, H. : Handbuch des teutschen gemeinen und particularen Strafrechtes, Erster

Band, Jena 1842, S. 18 Fn. 1. 203 Ahrens, H. : Naturrecht oder Philosophie des Rechts und des Staates, Zweiter Band, Wien 1871, S. 443. 204 Stahl, F.J.: Rechts- und Staatslehre auf der Grundlage christlicher Weltanschauung. Zweite Abtheilung, 5. Aufl., Tübingen und Leipzig 1878, S. 695. 205 Merkei, A.: Grundeintheilungen 1867. 206 Binding, K.: Normen 11872. 207 Binding, K.: Normen 11872, S. 157.

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2. Kap.: Grundlagen

11. Schadensersatz und Strafe als zweck bestimmte Rechtsfolgen Vielmehr stellen Schadensersatz und Strafe lediglich verschiedene Seiten der rechtlichen Verantwortlichkeit dar. 208 Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind in ihrer Natur als verschiedene Rechtsfolgen 209 zu sehen. Dabei ist die Verbrechensqualität des Deliktes lediglich davon abhängig, ob "das positive Recht es als Quelle öffentlicher Strafe anerkennt".210 Es sind "Nützlichkeitsrücksichten", nach denen der Staat Grenzen zieht und "nur gewisse Arten des Zivilunrechts für Verbrechen erklärt". 2J1 Bemerkenswerterweise ist es nun trotz dieser übereinstimmenden Beurteilung der Ausgangslage zu ganz unterschiedlichen Auffassungen über den Begriff, das Wesen des Schadensersatzes gekommen. Dabei geht es um die bis heute nicht abschließend beantwortete Frage, ob oder inwieweit dem Schadensersatz Straffunktionen innewohnen oder ob sich Schadensersatz auf die Ausgleichsfunktion beschränkt. 1. Schadensersatz und Strafe als verschiedene Formen einer einheitlichen Folge des Unrechts

Insbesondere Adolf Merkel steht mit seinen ausführlichen Erörterungen für jene Auffassung einer wesentlichen Einheit von Entschädigungszwang und Strafzwang. Ihr liegen folgende grundsätzlichen Erwägungen zugrunde: Wenn es nur ein einheitliches Unrecht gibt, das begriffiich immer auch eine Auflehnung gegen das allgemeine Recht enthält, einen Zwiespalt zwischen dem Einzelwillen des Handelnden und dem "im Recht objektivierten Gemeinwillen" darstellt, dann muß auch der gegen dieses Unreccht gerichtete Rechtszwang immer "wesentlich eine Aufhebung dieses Zwiespalts bezwecken",212 gleich in welcher Form (Schadensersatz oder Strafe) er auftritt. Konsequenterweise kann es auch nur einen einheitlichen Begriff der Rechtsfolgen des Unrechts geben als "Inbegriff dessen, wodurch die Erscheinungen, in welchen das Unrecht seine Existenz hat, den Forderungen des Gemeinwillens gemäß wieder aufgehoben werden sollen". 213 Strafe und Schadensersatz sind dann nur "Zweige" jener

Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 1. Liszt, F.: Grenzgebiete 1889, S. 26. Binding, K.: Normen 11872, S. 134, S. 158. Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 49. Seih, W.: Die Bedeutung der rechtlichen Bewertung eines Verhaltens durch ein Rechtsgebiet für seine rechtliche Beurteilung im allgemeinen, Diss. Gießen, 1933, S. 58. 210 Binding, K.: Normen I 1872, S. 179. 211 Bekker, E. I.: Theorie des heutigen Deutschen Strafrechts, Erster Band, Leipzig 1859, S. 109. So auch Lasson, A.: System der Rechtsphilosophie, Berlin 1882, S. 526. Walther: Zur Beurtheilung der "Theorie des heutigen deutschen Strafrechts", in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Zweiter Band, München 1860, S. 321 (336). 212 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 58. 208

209 V.

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einheitlichen Rechtsfolge des Unrechts,214 die sich lediglich darin unterscheiden, daß sie auf unterschiedliche Weise verantwortlich machen, indem nämlich die zivilen Rechtsfolgen unmittelbar auf Wiederherstellung der verletzten äußeren Zustände, die strafrechtlichen Rechtsfolgen dagegen unmittelbar auf Wiederherstellung idealer Erscheinungen gerichtet sind. 215 Schadensersatz und Strafe dienen so letztlich demselben Zweck: "dem Schutze der Rechtsordnung durch die Bekämpfung des Unrechts".216 Ja, mehr noch, die Herstellung eines bestimmten Verhältnisses äußerer Objekte zueinander an und für sich ist nicht einmal das eigentliche Ziel des zivilen Rechtszwanges. 217 Der Staat vertritt die Integrität des Einzelnen überhaupt nur, "weil und soweit dies im Gesamtinteresse gefordert ist".218 Daraus folgt dann, daß es sich bei Schadensersatz und Strafe um "innerlich gleichartige, ihrem wesentlichen Zwecke nach identische Mittel zur Repression des Unrechts"219 handelt. Wenn aber jede Privatrechtsverletzung zugleich eine Verletzung des objektiven Rechts beinhaltet, dann "liegt andererseits in jeder Wiederherstellung eines verletzten Privatrechts zugleich eine Anerkennung und Genugtuung für die verletzte objektive Rechtsordnung".22o Deshalb sind die Privatrechts folgen des Delikts geeignet, die Strafe teils zu ersetzen, teils zu verstärken. 221 Ist aber mit der Entschädigung auch der Anfang der Wiederherstellung des objektiven Rechts gemacht, dann muß naturgemäß damit, also mit der Beseitigung des äußeren Erfolgs begonnen werden 222 und die Anwendung der Strafe unter dem Vorbehalt stehen, daß sich der Zwiespalt zwischen dem individuellen und dem allgemeinen Willen durch die Wiederherstellung der äußeren Tatsachen nicht vollständig beseitigen läßt. 223 2. Schadensersatz als einheitliche Rechtsfolge nichtdeliktischer Tatbestände

Diese Auffassungen sind vor allem von Binding scharf zurückgewiesen worden. Er geht zwar ebenfalls von einem einheitlichen Unrechtsbegriff aus und kennt nur verschuldetes Unrecht. 224 Folglich ist alles Unrecht Delikt. 225 Gegen jedes Delikt wäre 213 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 57. 214 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 49. 215 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 2, S. 57. 216 v. Liszt, F.: Grenzgebiete 1889, S. 27. Sowie v. Liszt, F.: Die Deliktsobligationen im System des Bürgerlichen Gesetzbuches, Berlin 1898, S. 1, S. 3. 217 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 59. 218 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 61. 219 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 63, S. 59. 220 Heinze: Rechtstheorien, in: v. Ho!tzendorJJ (Hg.): Handbuch des deutschen Strafrechts. Erster Band. Die geschichtlichen und philosophischen Grundlagen des Strafrechts, Berlin 1871, S. 270 (338). 221 v. Liszt, F.: Grenzgebiete 1889, S. 27. Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 59. 222 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 63. 223 Merke!, A.: Grundeintheilungen 1867, S. 60. 224 Binding, K.: Normen I 1872, S. 135. 225 Binding, K.: Nonnen I 1872, S. 176. 3 Frehsee

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2. Kap.: Grundlagen

Strafe zulässig. 226 Wenn der Staat von diesem Recht zum Strafen vielfach keinen Gebrauch macht, so ist das eine Ermessensfrage ;227 unsträfliches Unrecht ist nur deshalb unsträflich, weil "das positive Recht das Deliktsmoment übersehen will". 228 Dies bedeutet andererseits, daß Strafe die einzige Rechtsfolge des Delikts ist; Schadensersatz ist dagegen nicht Folge des Unrechts. 229 Nicht Tat und Schuld sind es, die zum Schadensersatz verpflichten,230 sondern der Schaden, 231 genauso wie bei Ersatzverbindlichkeiten aus anderen Rechtsgründen. Wer den Schaden zu tragen hat, "ist von dem Grunde und der Art des Schadens ... unabhängig". 232 "Schadensersatz als Strafe" und sonstiger Schadensersatz sind "ununterscheidbare Zwillinge". 233 Der Rechtsgrund der sog. Deliktsobligationen kann also im Delikt als solchem nicht gefunden werden. 234 So wie die Strafe einheitliche Folge des Deliktes ist, so ist die Schadensersatzverbindlichkeit "einheitliche Rechtsfolge nichtdeliktischer Tatbestände ". 23S Reparationsverbindlichkeit und Strafe sind "apodiktische Gegensätze". 236 Es geht beim Schadensersatz gar nicht darum, wer eine fremde Vermögensbeschädigung ersetzen muß, sondern darum, wer einen eingetretenen Schaden zu tragen hat. 237 Trifft diese Last den Schädiger, so ist darin ebensowenig ein Übel zu sehen wie in den Fällen, in denen der Geschädigte selbst eigene Schäden tragen muß.238 Binding gilt damit als Begründer der konsequenten dogmatischen Trennung der Begriffe Schadensersatz und Strafe. 239

III. Deliktischer Schadensersatz zwischen Schadensausgleich und VerhaltenskontroUe Damit ist die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes im Gegensatz zur Disziplinierungsfunktion der Strafe herauspräpariert. Wo es ausschließlich Binding, K.: Normen I 1872, S. 173, S. 207. Binding, K.: Normen I 1872, S. 175. Siehe auch Seib, W., S. 68. 228 Binding, K.: Normen I 1872, S. 174. 229 Binding, K.: Normen I 1872, S. 207. 230 So insb. Jhering, R.: Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, Giessen 1867, S.40ff. 231 Binding, K.: Normen 11872, S. 213. 232 Binding, K.: Normen I 1872, S. 227. 233 Binding, K.: Normen I 1872, S. 211. 234 Binding, K.: Normen 11872, S. 220. Diesen sieht Binding (S. 223) vielmehr in einem "Quasi-Kontrakt", einem in der rechtswidrigen Verletzungshandlung enthaltenen"Akt vermögensrechtlicher Selbstverpflichtung" . 235 Binding, K.: Normen I 1872, S. 225. 236 Binding, K.: Normen I 1872, S. 212. 237 Binding, K.: Normen I 1872, S. 227. 238 Binding, K.: Normen I 1872, S. 230. 239 Esser, J.: Grundlagen und Entwicklung der Geflihrdungshaftung, München und Berlin 1941, S. 74. Grossfeld, B. : Die Privatstrafe, Berlin 1961, S. 75. Jung, H., in: ZStW 1981, S. 1154. 226 227

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darum geht, wer letztlich die Last eines eingetretenen Schadens zu tragen hat, wem billigerweise die Folgen einer Beschädigung aufzuerlegen sind, da handelt es sich in der Tat nur noch um Fragen der Entschädigung des Verletzten. Diese Auffassung, daß nämlich die charakteristische und jedenfalls dominante Funktion jeden Schadensersatzes darin liegt, dem Geschädigten in den gesetzlich vorgesehenen Fällen in Abweichung vom Grundsatz "casum sentit dominus" einen Ausgleich für den erlittenen Verlust zuzubilligen,240 hat sich durchgesetzt. 241 1. Tendenz der Gesamtentwicklung zum Ausgleicbsprinzip

Dies entspricht der Tatsache, daß sich die Schadensersatzverbindlichkeit mehr und mehr vom Verschulden als Zurechnungsprinzip gelöst hat. Insbesondere wird die Gefährdungshaftung, die auf das Verschulden nicht mehr angewiesen ist,242 als Beleg dafür herangezogen, daß dem Schadensersatz "nach unserem Schadensersatzrecht kein Strafcharakter zukommt". 243 Zudem ist die fortschreitende technische, wirtschaftliche und organisatorische soziale Entwicklung durch eine Entmachtung des Individuums gekennzeichnet. 244 Beweisschwierigkeiten 245 und Entlastungsmöglichkeiten 246 bei Schadensverursachungen aus bürokratischen Strukturen heraus entwerten die Haftungszurechnung nach dem Verschuldensprinzip. Angesichts gewaltiger Risiken wird die individuelle Ersatzleistungsfähigkeit vergleichsweise bedeutungslos. Während die strenge Bindung der Deliktshaftung an den Verschuldensgrundsatz durch das BGB im Sinne der liberalistischen Auffassung des 19. Jahrhunderts durch Eingrenzung der Haftungsvoraussetzungen die unternehmerische Initiative der freien wirtschaftlichen Kräfte vor unwägbaren Haftungsrisiken bewahren sollte,247 hat nach dem Sozialstaatsprinzip die Gemeinschaft für die Existenzsicherung des Bürgers einzustehen. 24S Daraus 240 Deutsch, E. : Haftungsrecht. Erster Band: Allgemeine Lehren, Köln, Berlin, Bonn, München 1976, S. 22. 241 Larenz, K.: Lehrbuch des Schuldrechts. Erster Band. Allgemeiner Teil, 13. Aufl., München 1982, S. 393. 242 Esser, J. j Schmidt, E.: Schuldrecht. Band 1. Allgemeiner Teil. Teilband 1, 5. Aufl., Karlsruhe 1975, S. 72. 24J Brox, H.: Allgemeines Schuldrecht, 8. Aufl., München 1980, Rn. 315. 244 Gross/eld, B., S. 89. 245 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 296. Köndgen, J.: Haftpflichtfunktionen und Immaterialschaden, Berlin 1976, S. 122f. 246 Esser, J.jSchmidt, E.: Schuld recht AT 1975, S. 73. 247 Esser, J.: Gefahrdungshaftung 1941, S. 55ff. Kötz, H.: Deliktsrecht, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1983, S. 33. 248 Kötz, H., S. 33. Köndgen, J., S. 40f.

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2. Kap.: Grundlagen

ergibt sich eine zunehmende Tendenz zur Absicherung durch Versicherungen 249 und zur Kollektivierung 250 und Sozialisierung 251 der Haftung. 252 Die ausschließliche Orientierung des Schadensersatzrechtes in seiner Gesamtheit am Ausgleichsgedanken gewinnt immer stärkeres Gewicht. 2. VerhaItenssteuernde Elemente deliktischer Verschuldenshaftung

Diese Entwicklung läßt jedoch zweierlei um so deutlicher hervortreten: zum einen ist es gerade der Kontrast, der Gegensatz zwischen der Zurechnung deliktischer Verschuldenshaftung zum individuellen Fehlverhalten und den anderen Zurechnungsprinzipien,253 der sichtbar macht, daß es bei deliktischem Schadensersatz aus Verschulden um mehr und anderes gehen muß als bloßen Schadensausgleich. 254 Zum anderen deutet sich an, daß auch das zivile Schadensersatzrecht ohne gewisse verhaltenskontrollierende Elemente und Funktionen kaum wird auskommen können. a) Soll sich nämlich der funktionale Zweck des Schadensersatzes auf den Schadensausgleich beschränken, dann muß er nach Grund, Höhe und Sicherheit des Ausgleichs ausschließlich nach den Interessen des Geschädigten bestimmt werden. Grundlage der Schadensausgleichsregelung darf nur die sozialpolitische Wertentscheidung sein, in welchen Fällen der Geschädigte von der Last der Schadenstragung freigestellt werden soll. Mit dieser Entscheidung ist kein Hinweis verbunden, warum es gerade der schuld hafte Verursacher sein soll, der den Ausgleich vorzunehmen hat. Diese Frage bedarf vielmehr einer vom Ziel des beim Geschädigten zu bewirkenden Ausgleichs abgesetzten, selbständigen Begründung. 255 Die Verschuldenshaftung begrenzt und behindert zudem das Ziel des Schadensausgleichs. Denn der Ausgleich entfallt, wenn die Verursachung nicht verschuldet war, der Schädiger womöglich durch atypische Entschuldigungsgründe entlastet wird. 256 Die Befriedigung des Geschädigten ist ferner davon 249 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 401 ff. Jorgensen, St.: Ersatz und Versicherung, in: VersR 1970, S. 193 (197). 250 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 415. 251 Grossfeld, B., S. 86. 252 Siehe auch Kötz, H., S. 34f. 253 Zur systematischen Übersicht vgl. Esser, J.I Schmidt, E.: Schuldrecht AT 1975, S. 69ff. 254 Siehe Essers These von der "Zweispurigkeit des Haftpflichtrechts" Esser, J.: Die Zweispurigkeit unseres Haftpflichtrechts, in: JZ 1953, S. 129. 255 Larenz, K.: Schuldrecht AT 1982, S.394. Grossfeld, B., S.76. Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe. Zur Rechtfertigung des Inhaltes von Schadensersatz aus Verschuldenshaftung, Frankfurt am Main 1973, S. 22. 256 Grossfeld, B., S. 76.

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abhängig, ob der Schädiger leistungswillig oder leistungsfähig ist, oder wie sich die zur Frage des Verschuldens wegen der nicht unmittelbaren Wahrnehmbarkeit besonders ungewissen Beweise darstellen. 257 Daß (deliktischer) Schadensersatz allein nicht zu leisten sei, "um des Schadens des Geschädigten willen",25B stimmt dann so nicht. Ist die "Verantwortungsordnung der Schadensordnung vorgelagert",259 so wird letztere relativiert. Die Schadensüberwälzung auf den schuldhaften Verursacher ist aus einer übergeordneten volkswirtschaftlichen Perspektive der Erhaltung des Güterbestandes sinnlos. 260 Die Schadensersatzleistung beseitigt den Schaden ja nicht, sie verlagert ihn nur. 261 Dadurch wird insgesamt nicht nur nichts gewonnen, es entstehen zusätzliche Verluste durch den Aufwand der Überwälzung. 262 Die Verschuldenshaftung folgt auch nicht zwingend aus dem Schädigungsverbot. Denn der "überkommene"263 Satz "nerninem laedere" verbietet (abgesehen von seiner beschränkten Geltungskraft)264 zwar die Schädigung, gibt aber für die Art der aus der einmal eingetretenen Schädigung erwachsenden Folgen keine Anweisung. Auch die Bezugnahme auf die "Selbstverantwortung des Einzelnen",265 die "Verantwortlichkeit der Person für Unrecht"266 als eines "Grundphänomens des menschlichen Daseins"266 reicht zur Begründung der Verschuldenshaftung ebensowenig hin 267 wie die Anerkennung des Prinzips als blanke Selbstverständlichkeit 268 oder seiner Verfestigung im Rechtsbewußtsein des Volkes. 269 Die Berechtigung des Verschuldensgrundsatzes ist "nicht unrnittel-

257 Marton, G.: Versuch eines einheitlichen Systems der zivilrechtlichen Haftung, in: AcP 162 (1963), S. 1 (13). 258 Binding, K.: Normen 11872, S. 233. 259 Larenz, K.: Schuldrecht AT 1982, S. 394. 260 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 69. Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 21f. 261 Esser, J.: Gefährdungshaftung 1941, S. 73. Grossfeld, B., S. 76. 262 Kötz, H., S. 17. 263 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 3. 264 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 4, S. 29, S. 253 hält den Satz im wirtschaftlichen und politischen Wettbewerb für ungültig. Seine Geltung dürfte jedoch in der Konkurrenzgesellschaft allgemein so drastisch eingeschränkt sein, daß seine vorpositivrechtliche Bedeutung überhaupt sehr anzuzweifeln ist. 265 StolI, H.: Bespr. von Fleming, J.G.: The Law ofTorts, in: AcP 166 (1966), S. 380 (383). 266 Larenz, K.: Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 6. Aufl., München 1983, S. 36. 267 Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 7, S. 29. 268 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 26. 269 Huyke, W.: Diskussionsbeitrag in: Verhandlungen des 43. Deutschen Juristentages, Band 11, Tübingen 1962, S. C 84 (85).

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2. Kap.: Grundlagen

bar einsichtig". 270 Er kann heute nicht mehr als Axiom der Haftung angesehen werden,271 als "selbstwirkende, keines weiteren (sozialen, wirtschaftlichen) Unterbaues bedürftige Basis der zivilrechtlichen Haftung". 272 Der Hinweis etwa von Larenz, daß die hier herangezogene "persönliche Verantwortung des Menschen" als "fundamentales ethisches Gesetz" "ihren sichtbarsten Ausdruck im Strafrecht" finde,273 deutet vielmehr an, daß der wahre Grund für die Zurechnung der Schadens haftung zum vorwertbaren Fehlverhalten des Schädigers in Funktionszielen zu suchen ist, die nicht primär dem Zivilrecht zugewiesen sind. b) Dies wird um so deutlicher bei der Betrachtung von Modellen, die darauf gerichtet sind, die individuelle deliktische Verschuldenshaftung letztlich aufzugeben 274 und zu einem konsequenten Ausbau der öffentlichen und privaten Ersatzsysteme solidarischer Schadensstreuung durch "Versicherung statt Haftung"l75 oder kollektive Übernahme als "Sozialschaden"276 zu kommen. 277 Tatsächlich würde nur so der sozialpolitischen Notwendigkeit der "Sicherung eines Bestandes von Rechtsgütern vor Lebensrisiken"278 voll entsprochen und die Wiedergutmachung erlittener Schäden ausschließlich auf die durch andere Zwecke nicht beeinträchtigte Ausgleichsfunktion beschränkt werden können. Denn erst auf diese Weise würde die Ersatzleistung nicht mehr an das Fehlverhalten, sondern an den Schaden geknüpft werden. 279 Versicherungsgegenstand wäre nicht mehr die Haftpflicht, sondern das Ersatzrecht. 280 Leistungsträger wären "Gruppenorganisationen der durch vergleichbare Risiken Betroffenen".281 Die letzte Konsequenz dieser Entwicklung wäre schließlich eine vollständige funktionale Trennung der Rechtsbereiche. Das zivile Deliktsrecht wäre "seiner Esser, J.: Gefahrdungshaftung 1941, S. 45. Deutsch, E. : Haftungsrecht 1976, S. 26. 212 Marton, G., in: AcP 1963, S. 10, S. 42. 273 Larenz, K.: Schuldrecht AT 1982, S. 255. 274 Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 69 f. 275 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 401 ff. 276 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 485. 277 Insb. im Bereich der Schraßenverkehrsunfallschäden werden sehr weitgehende Vorschläge diskutiert. Siehe Güllemann, D.: Der Ausgleich von Verkehrsunfallschäden ein ungelöstes Problem, in: ZRP 1974, S. 35. Siehe auch Schilcher, B.: Theorie der sozialen Schadensverteilung, Berlin 1977, S. 103fT. 278 Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 56. 279 Vgl. v. Hippel, E.: Schadensausgleich bei Verkehrsunfällen, Berlin, Tübingen 1968, S. 117 ff.: auch der schuldhafte Unfallverursacher selbst ist mit seinen Personen- und Sachschäden in die Versicherung einbezogen. 280 Ehrenzweig jr., A. A. : Ersatzrecht-Versicherung, in: Internationales Versicherungsrecht, Festschrift für Albert Ehrenzweig, Karlsruhe 1955, S. 9. 281 Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 63. 270 271

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sanktionsbezogenen Inhalte zu entkleiden" 282 und mit der Gefährdungshaftung auf deren Boden zu einer "neuen Einspurigkeit des Ersatzrechtes" zusammenzuführen. 282 Es würde sich ausschließlich auf den im wesentlichen nach Leitzielen der sozialen Sicherheit bestimmten Ausgleich erlittener Schädigungen beschränken. Sämtliche verhaltenskontrollierenden Funktionen wären dagegen dem Strafrecht vorzubehalten. 283 Solche Perspektiven haben dazu beigetragen, die aus dem Verzicht auf persönliche Verantwortung auf der anderen Seite erwachsenden Mängel ins Bewußtsein zu heben. So wird bezweifelt, ob moralische Barrieren ausreichenden Bestand haben werden, wenn die Übertragung der Verantwortung auf das Kollektiv allgemein bewußt wird. 284 Die Einzelhaftung für Schädigungen ist "als einer der wirksamsten Antriebe zu gewissenhafter und sorgfältiger Teilnahme am Verkehr"28s erkannt worden. Mit der Haftungsverlagerung auf Versicherungen wird eine entscheidende Aushöhlung des Verantwortungsbewußtseins 286 oder gar die Beseitigung dieses Regulators 287 befürchtet. Es wird die Entwicklung "von der Verantwortung zur Versorgung, vom Gewissen zur Kollektivordnung, vom Rechtsstandpunkt zur demütigen Sekurität im weiter bürokratisierten Sozialverband"288 angeprangert. Der "soziale Druck, ja niemanden auf seinem Schaden sitzenzulassen", lasse "die alten, noch ethisch fundierten Instrumente der individuellen Zurechnung degenerieren".289 Insbesondere am Beispiel des für diese Übergangssituation exemplarischen Bereichs Straßenverkehr wird die Bedeutung individueller Haftung hervorgehoben, um "den Blick der Kraftfahrer dafür zu schärfen, daß ihnen eine Pflicht gegenüber dem Mitmenschen aufgegeben ist",290 um "auf die Verkehrserziehung, also präventiv wirken zu können".291 So kommen denn gerade aus den Reihenjener, die sich im Interesse des Geschädigten für kollektive Haftungsmodelle einsetzen, Hinweise auf die dann um so deutlicher hervortretende Notwendigkeit, verantwortungsloses Verhalten durch Sanktionierung abzuSchmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 73. Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 72. Vgl. auch Sieg, K.: Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, Hamburg 1952, S. 266: gegen die Gleichgültigkeit gegenüber Lebensgütern anzukämpfen ist "nicht Aufgabe der Versicherungsgestaltung, sondern der Polizei und des Strafrichters". 284 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 407. 28S Sieg, K., S. 266. Siehe auch Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 413. 286 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 414. 287 Sieg, K., S. 266. 288 Esser, J., in: JZ 1953, S. 130. 289 Schilcher, B., S. 1. 290 Deutsch, E.: Grundmechanismen der Haftung nach deutschem Recht, in: JZ 1968, S. 721 (726). 291 Esser, J.: Gefahrdungshaftung 1941, S. 116. 282 283

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2. Kap.: Grundlagen

wehren. 29Z "Soweit die Versicherung um des Geschädigten willen den schuldigen Schädiger gegen die rechtlichen Folgen seines Verschuldens schützt, gibt sie zuviel", erkennt Ehrenzweig 293 und will in Ergänzung seiner ErsatzrechtVersicherung das Verhalten durch Bußen beeinflussen, die "nach strafrechtlichen Grundsätzen" von schuldhaften Unfallverursachern einzutreiben sind. 294Auch von Hippel hält es für unzureichend, um des umfassenden Schutzes der Opfer willen die Erhaltung der individuellen Verantwortung "allein dem Strafrecht zu überlassen" 295 und sieht auch aus dem Gesichtspunkt der Abschreckung die Notwendigkeit, den rücksichtslosen Schädiger auch schadensrechtlich die Folgen seines Verhaltens spüren zu lassen. Das soll durch entsprechende Regreßregelungen vorgesehen werden. 296 Die Entscheidung über den Rückgriff sowie Anspruchskürzungen bei unverzeihlichem Verschulden des Verletzten soll dem Strafrichter (!) übertragen werden. 297

3. Der Ausgleicbsfunktion entgegenlaufende Tendenzen des geltenden Scbadensersatzrecbts

Dementsprechend lassen sich gewisse gegenläufige Tendenzen 298 als Belege für die offensichtliche Notwendigkeit beiziehen, das deliktische Haftungsrecht nicht nur in den Dienst der Schadensbeseitigung zu stellen, sondern zugleich auf präventive Verhaltensbeeinflussung zu richten. a) So wird in diesem Zusammenhang gern daraufhingewiesen, daß selbst die Haftpflichtversicherung ihre Anknüpfung an die Individualzurechnung noch erkennen läßt,299 indem sie den Schädiger vor Inanspruchnahme schützt, 300 anstatt das Ersatzrecht des Geschädigten zu sichern,301 oder indem bei gleichzeitiger Schadensdeckung durch eine Sachversicherung diese bei der Haftpflichtversicherung Rückgriff nehmen kann 302 (§ 158c Abs. 4 VVG). Und zum gestaffelten Schadensfreiheitsrabatt und dem Regreß- bzw. Haftungsausschluß bei schwerem Verschulden (§§ 152, 158f. VVG) sehen sich Versicherun292 293

2~ 295 296

297 298 299

300 301 302

v. Hippel, E., S. 26. Ehrenzweig, A. A., S. 10. Ehrenzweig, A.A., S. 22 (Hervorhebung durch den Verfasser). v. Hippel, E., S. 83. v. Hippel, E., S. 84. v. Hippel, E., S. 86, S. 68, § 11 (S. 123), § 5 (S 119). Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 89. Gross/eld, B., S. 82 spricht vom "Mitschwingen des Sühnegedankens" . Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 404. Ehrenzweig, A.A. Gross/eld, B., S. 82.

B. Schadensersatz und Strafe

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gen offensichtlich gezwungen, um den vollständigen Ausschluß jeder persönlichen Verantwortung zu vermeiden und einen Rest abschreckender Präventionsfunktion aufrechtzuerhalten. 303 Selbst die Gefährdungshaftung als Archetyp moderner schadensorientierter Haftungsprinzipien hat sich noch immer nicht vollständig von der Schuldideologie 304 emanzipiert, soweit die Haftung im Straßenverkehr als dem praktisch bedeutsamsten Bereich von Gefährdungshaftung auf abwendbare (also willentlich beherrschbare) Ereignisse beschränkt wird (§ 7 Abs. 2 StVG) und insofern eindeutige Verhaltensorientierung aufweist. b) Am deutlichsten tritt die weit über das bloße Ausgleichsziel hinausgehende Verfolgung pönaler, strafahnlicher, aufVerhaltenssteuerung gerichteter Zielsetzungen beim Ersatz immateriellen Schadens hervor. Das ist für unsere Fragestellung um so bedeutsamer, als es erst die jüngere Rechtsprechung gewesen ist, die hier entscheidende Akzente gesetzt und den "alten Streit"30S um die Funktionen des Schmerzensgeldes 306 neu belebt hat. aa) Dem BGB wurde nämlich in bezug auf die Regelung des immateriellen Schadensersatzes äußerste Zurückhaltung auferlegt, die sich gerade aus dem Bemühen um die Ausschließung strafrechtlicher Bezüge erklärt 307 und mit der bereits erfolgten Verdrängung der römisch-rechtlichen Injurienklage 30B und der Gefahr einer zu großen richterlichen Entscheidungsmacht 309 begründet wurde. Die Aufnahme der in erster Linie auf immaterielle Schäden aus Körperverletzungen abstellenden Ersatzvorschrift des § 847 BGB ist schließlich entscheidend

Grass/eid, B., S. 82. Schilcher, 8., S. 99. Ehrenzweig, A.A., S. 12, S. 13. Rother, W.; Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, München, Berlin 1965, S. 74ff. 305 Lange, Hermann; Schadensersatz, Tübingen 1979, S. 264. 306 Siehe dazu die sorgfältige historische Bestandsaufnahme bei Deutler, K.-F.; Schmerzensgeld, seine Rechtsnatur und Grundsätze für seine Bemessung, Diss. Kiel 1956, der das ständige Hin und Her des Schmerzensgeldes zwischen Ersatz und Strafe in den deutschen und anderen kontinentalen Rechten verdeutlicht hat. 307 Stall, H.; Empfiehlt sich eine Neuregelung der Verpflichtung zum Geldersatz für immateriellen Schaden?, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, München und Berlin 1964, S. 54. 308 Protokolle, in; Mugdan, B. (Hg.); Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. 11. Band. Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899, S.1119. 309 v. Gierke, 0.; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, Leipzig 1889, S. 197. v. Liszt, F.; Grenzgebiete 1889, S. 29. Baur, F.; Entwicklung und Reform des Schadensersatzrechts, Berlin 1935, S. 11, S. 20. Lange, Hermann; Schadensersatz 1979, S. 257. Siehe im einzelnen Motive 11, S. 22; "würde dem Richter jene dem deutschen Rechte fremde Souveränität ... beigelegt", "ließen sich Schranken für das Ermessen des Richters kaum aufstellen"; Gefahr "unpassender Ausübung der diskretionären Gewalt des Richters". 303

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2. Kap.: Grundlagen

dadurch bestimmt worden, daß im Strafrecht (§ 231 StGB) bereits ohnehin eine entsprechende Bußvorschrift vorhanden war und dem Zivilrichter nicht vorenthalten werden konnte, wozu der Strafrichter befugt war. 310 "Das Gesetz läßt sonach persönliche Rechtsgüter weitgehend ohne zivilrechtlichen Schutz". 311 Das Gesamtbild des Rechtsschutzes durch Ausgleich ideeller Schäden wird als "entmutigend",312 als "eine legislative Fehlleistung"313 beschrieben. bb) Die bereits im Zusammenhang mit der Entstehung des BGB vielfach und zum Teil heftig geäußerte Kritik 314 hat erst durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine späte Bestätigung erfahren, die in der unmittelbar aus den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes abgeleiteten und sich über den Wortlaut des § 253 BG B hinwegsetzenden Erweiterung des Ersatzes immaterieller Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Ausdruck kommt. 315 (1) Seit der berühmten Entscheidung des BGB aus dem Jahre 1955 316 ist klargestellt, daß dem Schmerzensgeld neben dem Entschädigungs- oder Ausgleichszweck eine Genugtuungsfunktion zukommt. 317 Dabei steht der Ausgleichsgedanke zwar normalerweise nach wie vor im Vordergrund. 318 Der BGB wies jedoch bereits in dieser Entscheidung darauf hin, daß die Genugtuungsfunktion bei entsprechender Fallkonstellation den Vorrang gewinnen kann,319 etwa wenn der Verletzte wirtschaftlich so gut gestellt ist, daß ihm Geldbeträge kaum noch einen Ausgleich für immalerielle Schäden bieten können. 319 Insbesondere beim Ersatz für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeits310 Deutler, K.-F., S. 64. StolI, H.: Schadensersatz und Strafe, in: Ius privatum gentium. Festschrift für Max Rheinstein, Band II, Tübingen 1969, S. 569 (S. 580 Fn. 46). 311 Lange, Hermann: Schadensersatz 1979, S. 257. 312 StolI, H.: Gutachten 1964, S. 37. 313 StolI, H.: Gutachten 1964, S. 125 . . 314 v. Gierke, 0.: Die soziale Aufgabe des Privatrechts, Frankfurt am Main 1889, S. 26: "Es gibt aber keinen gefährlicheren Irrtum, als die weitverbreitete Anschauung, daß die Aufgabe des Privatrechts im Vermögensrecht beschlossen sei." Seite 27: "Indem ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens nur ausnahmsweise gewährt wird, versagt die Rechtsordnung da, wo ideelle Interessen von oft höherem Kulturwert als alle Vermögensinteressen gekränkt werden. " v. Gierke, O. : Entwurf 1889, S. 197: "Je mehr die Privatstrafe aus dem geltenden Recht verschwindet, desto unentbehrlicher ist die Berücksichtigung des immateriellen Schadens bei der Ordnung der Schadensersatzpflicht." v. Liszt, F.: Grenzgebiete 1889, S.30: "das Privatrecht des Entwurfs ist ausschließlich Vermögensrecht. Wenn Hab und Gut ihm gesichert sind, was will der deutsche Staatsbürger mehr." Siehe auch Baur, F.: Entwicklung 1935, S. 21 f. 315 Zur Entwicklung sehr informativ BVerfGE 34, 269. 316 BGHZ 18, 149. 317 Auf den Gehalt des GenugtuungsbegrifTs wird später (siehe Sechstes Kapitel A II) noch zurückzukommen sein. 318 BGHZ 18, 149 (154). 319 BGHZ 18, 149 (159).

B. Schadensersatz und Strafe

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rechts tritt die Ausgleichsfunktion "fast völlig hinter die Genugtuungsfunktion zurück",320 weil eine geldwerte Bemessung der ausschließlich den "geistigen Bereich" betreffenden Beeinträchtigungen kaum noch möglich erscheint. 321 Unter Umständen läßt sich die Frage des Schmerzensgeldes noch nicht einmal mehr "nur unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion" prüfen,322 wo weder Ausgleichung noch Genugtuung ihre Funktion erfüllen können,323 weil der Verletzte so schwer geschädigt ist, daß er "mit Sicherheit keine Genugtuung empfinden" kann. 321 Da sich die Rechtsprechung in solchen Fällen gleichwohl "nicht entschließen konnte, ... ein Schmerzensgeld überhaupt zu versagen",322 muß sie es mit der Notwendigkeit begründen, "in symbolhafter Weise die Beeinträchtigung der in der Rechtsordnung bedingungslos geschützten Person (zu) sühnen", 322 um so "wenigstens zeichenhafte" ,322 "symbolische Wiedergutmachung"323 zu bewirken. Schließlich sind die genera/präventiven Intentionen unübersehbar, 324 wenn etwa die durch das Bundesverfassungsgericht bestätigtem Entwicklung des immateriellen Schadensersatzes aus Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Argument gerechtfertigt wird, die Rechtsprechung würde sonst "auf das wirksamste und oft einzige Mittel verzichten, das geeignet sei, die Respektierung des Personenwertes des Einzelnen zu sichern". 326 Ganz unverhüllt strafrechtlicher Argumentation schließlich bedient sich die Rechtsprechung 327 bei der Begründung der Notwendigkeit des Schmerzensgeldanspruches aus Verletzungen durch kommerzielle Werbung, weil unlauterem Gewinnstreben "wirksam nur entgegengetreten werden" könne, "wenn es mit dem Risiko eines fühlbaren materiellen Verlustes belastet" werde. 328 Zur Berechtigung des richterrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird ausdrücklich auf die Notwendigkeit verwiesen, den insofern lückenhaften strafrechtlichen Ehrenschutz mit zivilrechtlichen Mitteln zu ergänzen. 329 Auch wird diese zivilrechtliche Übernahme von Genugtuungs(Pönal-)Funktionen als Entlastung des Strafrechts begrüßt. 33o 320 Hirsch, H.J.: Zur Abgrenzung von Strafrecht und Zivilrecht, in: Festschrift für Kar! Engisch, Frankfurt am Main 1969, S. 304 (305). Niemeyer, J., S. 87. Köndgen, J., S.52f. 321 BGHZ 35, 363 (368f.); Köndgen, J., S. 68f. 322 BGH, NJW 1976, S. 1147 (1148). 323 BGH, NJW 1982, S. 2123. 324 Larenz, K.: Schuldrecht AT 1982, S. 440. 32S BVerfGE 34, 269. 326 BVerfGE 34, 269 (274). BGHZ 26, 349 (356). 327 Larenz, K.: Lehrbuch des Schuldrechts. Zweiter Band, Besonderer Teil, 12. Aufl., München 1981, S. 683. 328 BVerfGE 34, 269 (275). BGHZ 35,363 (369). Lange, Hermann: Schadensersatz 1979, S. 267.

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2. Kap.: Grundlagen

(2) Zudem nähern sich die Bemessungsgrundsätze des Schmerzensgeldes mit der Berücksichtigung des Verschuldensgrades 331 sowie der Vermögensverhältnisse 332 deutlich den StraJzumessungsregeln an. 333 Schmerzensgeld und Strafe werden ferner in gewissem Maße aufeinander angerechnet. Das gilt für die Reduzierung des Schmerzensgeldes, wenn die Bestrafung dem Opfer schon das "befriedigende Gefühl" verschafft hat, "der Gerechtigkeit sei nun Genüge getan. "334 Und auch im Strafrecht, für das die Genugtuung des Verletzten, wenn auch kein selbständiger Strafzweck,335 so doch immanente Nebenfolge derBestrafung ist,336 muß es zugunsten des Täters zur Anrechnung kommen, wenn das Opfer außerhalb des Strafrechts bereits Genugtuung gefunden hat. 337 Schließlich interessiert die Streitfrage, ob das Schmerzensgeld in der Genugtuungsfunktion und die Verurteilung dazu durch das Zivilgericht womöglich sogar verfassungswidrig ist, weil gegen die Grundsätze "ne bis in idem" (Art. 103 Abs. 3 GG) und "nulla poena sine lege" (Art. 103 Abs.2 GG) verstoßen und der Täter seinem gesetzlichen Richter entzogen wird (Art. 101 Abs. 1 S. 2GG),338 hier jedenfalls als Beleg dafür, wie weitgehend das EindrinKöndgen, J., S. 70f. Hellmer, J.: Zur Bedeutung der neuen Schmerzensgeldrechtsprechung für das Strafrecht, in: Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Hellmuth Mayer, Berlin 1966, S. 665. 331 BGHZ 18, 149 (158). Siehe auch BGH, NJW 1961, S. 2059 (2061). 332 BGHZ 18, 149 (159ff.). 333 Hirsch, H.J., Abgrenzung 1969, S. 308. Dazu auch Köndgen, J., S. 62ff. 334 OLG Celle, JZ 1970, S. 548 mit zustimmender Anmerkung von Deutsch. OLG Hamburg, MDR 1972, S. 1033. OLG Düsseldorf, NJW 1974, S. 1289. StolI, H.: Gutachten 1964, S. 155. Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 92. Lange, Hermann: Schadensersatz 1979, S. 266. A.A.ohne Begründung jedoch OLG Hamm, MDR 1974, S. 1018. 335 Bruns, H.-J.: Strafzumessungsrecht, 2. Aufl., Köln, Berlin, Bonn, München 1974, S. 208. Zipf, H.: Die Strafmaßrevision, München 1969, S. 105. Zipf, H.: Kriminalpolitik 1980, S. 154. 336 StolI, H.: Schadensersatz und Strafe 1969, S. 579: "Genugtuung für den Verletzten mit dem Ziel seiner Besänftigung wegen des ihm widerfahrenden Unrechts ist Nebenzweck jeder Strafe." Hirsch, H.J., Abgrenzung 1969, S. 306. Bruns, H.-J.: Strafzumessungsrecht 1974, S. 208. Hofmann, 0., S. 112. 337. Deutsch, E.: Anm. zu OLG Celle, JZ 1970, S. 548. Meyer, D.: Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes und Strafzumessung, in: JuS 1975, S. 90. 338 So insb. Hirsch, H.J.: Abgrenzung 1969, S. 325f. Bötticher, E.: Die Einschränkung des Ersatzes immateriellen Schadens und der Genugtuungsanspruch wegen Persönlichkeitsminderung, in: MDR 1963, S. 353 (359f.). Kaufmann, H.: Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Schmerzensgeld, in: JuS 1963, S. 380 (382). Bedenken äußert auch StolI, H.: Gutachten 1964, S. 155. Keine Bedenken hat Deutsch, E.: Schmerzensgeld und Genugtuung, in: JuS 1969, S. 197 (203). Ohne Stellungnahme Hellmer, J.: Schmerzensgeldrechtsprechung 1966, S. 666. 329 330

B. Schadensersatz und Strafe

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gen des Schmerzensgeldes in strafrechtliche Bereiche tatsächlich beurteilt wird. Denn dies setzt doch die Annahme voraus, Schmerzensgeld Genseits der Ausgleichsfunktion) ist Strafe. 339 cc) Der BGH bemüht sich zwar, auf zivilrechtlichem Terrain zu bleiben, wenn er den Sühnegedanken als einen "nicht notwendig pönalen, verfeinerten" bezeichnet. 34O Damit wird jedoch nach Lange "kaum eine selbständige Kategorie geschaffen, die von einer Strafe unterschieden werden kann". "Die pönalen Elemente der Genugtuung sind trotz aller Abgrenzungsversuche erheblich. "341 Im Gegensatz zur Ausgleichsfunktion "zielt das Schmerzensgeld in der Genugtuungsfunktion auf den Verletzer" .342 "Die Genugtuung bezweckt auf seiten des Täters vor allem Prävention und Sanktion, ihre legislatorische Grundlage ist also dem Strafrecht verwandt." 343 Die Zahlung soll für den Täter ein Übel darstellen,344 ihn als "fühlbares Opfer treffen". 345 Deshalb meint Köndgen: "Genugtuung ist schlüssig nur als Privatstrafe zu qualifizieren",34ö und für Pecher läßt sich gar "ein wesensmäßiger Unterschied zwischen öffentlicher Strafe und privater Genugtuung ... angesichts der historisch aufweisbaren rechtsethischen Verwandtschaft ... nicht begründen". 347 4. Straffunktionen des Schadensersatzes

Aus diesen Erörterungen ergibt sich in Zusammenfassung, daß dem deliktischen Schadensersatz insgesamt, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, deutliche pönale Elemente innewohnen. 348 Die (Zivil-)Rechtswissenschaft läßt unterschiedliche Bereitschaft erkennen, diese pönale Komponente zu akzeptieren. Am weitesten geht Marton, für den der deliktische Schadensersatz "Sanktionsobligation" ist. 349 Denn es handele sich dabei in erster Linie um "ein starkes Sanktionsmittel in

So ausdrücklich Hirsch, H. J.: Abgrenzung 1969, S. 324. BGH, NJW 1976, S. 1147 (1148). 341 Lange, Hermann: Schadensersatz 1979, S. 266. 342 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 91. 343 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 91. 344 Deutsch, E., in: JZ 1970, S. 549. 34S BGH, NJW 1976, S. 1147 (1149). 346 Köndgen, J., S. 119. 347 Pecher, H.P.: Der Anspruch auf Genugtuung als Vermögenswert, in: AcP 171 (1971), S. 44 (65). 348 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 42. 349 Nach Martons System stehen die Sanktionsobligationen neben den Vertragsobligationen und den "Nichtsanktionsobligationen" (z. B. Bereicherung, Geschäftsführung, Gefahrengemeinschaft, Enteignung) - Marton, G., in: AcP 1963, S.38f. Zu den Sanktionsobligationen zählt er übrigens auch die Gefährdungshaftung (S. 46). 339 340

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2. Kap.: Grundlagen

der Hand der rechtserhaltenden Staatsgewalt, das neben dem anderen Sanktionsmittel, der Strafe, zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung berufen ist".350 Prävention wird damit zum "Hauptleitmotiv", 351 zum "führenden Prinzip", "neben dem die Idee der konkreten Wiederherstellung des vom Verletzten erlittenen Schadens sich mit der zweiten Stelle begnügen muß". 350

Dies findet dahin Zustimmung, daß auch im Zivilrecht "öffentliche Interessen immer im Vordergrund stehen",352 insbesondere die Sanktionierung der schuldhaften Verletzung der Garantiefunktion dienen,353 die Integrität der Güter und Rechte 354 sichern, den Anspruch der Rechtsordnung als sozialer Ordnungsmacht 355 auf Befolgung ihrer Anordnungen dokumentieren und ihre Geltung damit faktisch absichern soll.356 Jedoch wird sich, solange der deliktische Schadensersatz dem Zivilrecht zugewiesen ist, seine vorrangige Funktion entgegen Marton nur aus den charakteristischen Regelungszielen dieses Rechtszweiges entnehmen lassen. Dem entspricht die Annahme einer Doppelnatur des deliktischen Schadensersatzes. 357 Danach wird die Ausgestaltung der Ersatzpflicht zwar vom Ausgleichsprinzip beherrscht, ihre Begründung erwächst dagegen aus dem "Gedanken der Prävention, d. h. der Abschreckung vor dem Rechtsbruch". 358 Da der Schädiger nur durch die Tat mit der sozialen Situation verbunden ist, kann gerade seine Inanspruchnahme nur "als Sanktion für eine negativ bewertete Tat angesehen und gerechtfertigt werden". 359 Knüpft die Haftung an schuldhaftes Fehlverhalten an, so soll damit die Einhaltung des Verbots gesichert werden, sich in gewisser, vom Recht mißbilligter Weise zu verhalten;360 die eventuelle Ersatzpflicht dient "als Regulator für menschliches Verhalten".361 So ändert die präventive Wirkung der Zuordnung der Reparationspflicht zum Schädiger nichts an der wiederherstellenden Funktion der Ersatzleistung als des Sanktionsgegenstandes, 362 wie andererseits die pönalen Marton, G., in: AcP 1963, S. 42. Marton, G., in: AcP 1963, S. 45. 352 Baur, F.: Entwicklung 1935, S. 12. 353 Deutsch, E.: Die Zwecke des Haftungsrechts, in: JZ 1971, S. 244 (246). 354 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 42. 355 Mertens, H.-J.: Der Begriff des Vermögensschadens im Bürge~lichen Recht, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1967, S. 94. 356 Mertens, H.-J., S. 109. 357 Deutsch, E., in: JZ 1971, S.245f. Esser, J.: Gefahrdungshaftung·1941, S.73. Grossfeld, B., S. 82. Kaufmann, H., in: JuS 1963, S. 382. Mertens, H.-J., S. 109. 358 Larenz, K. : Präventionsprinzip und Ausgleichsprinzip im Schadensersatz, in: NJW 1959, S. 865. 359 Schmidt, J.: Schadensersatz und Strafe 1973, S. 24. 360 Lange, Hermann: Schadensersatz 1979, S. 6. Kötz, H., S. 21. Mertens, H.-J., S. 109. Siehe auch Esser, J.,j Schmidt, E.: Schuldrecht AT 1975, S. 69. 361 Heck, Ph., S. 41. 362 Marton, E., in: AcP 1963, S. 44. 350 351

C. Theorie der Bestrafung und Wiedergutmachung

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Elemente nicht nur "rein tatsächliche Nebenwirkungen der Ausgleichsfunktion" darstellen, sondern "rechtlich intendierte Sekundärzwecke" .363 Diese pönalen Sekundärzwecke werden vielfach durch Begriffe bezeichnet, die der Strafzwecklehre entstammen: So wird nicht nur im Schmerzensgeld, sondern "ebenso im normalen Schadensersatz" die "nachtatliche Vergeltung"364 ausgemacht. 365 Andere bezeichnen die" Unrechtssühne" als charakteristisches Merkmal des deliktischen Schadensersatzes. 366 Zumeist wird "Prävention"364 als Gegenstand der pönalen Funktion benannt, und diese vor allem wiederum in der Form der A/lgemeinabschreckung,367 aber auch der Spezialabschreckung des Schädigers. 368 Und schließlich werden auch Ziele der Normbewährung und -bekräftigung369 erörtert.

c. Theorie der Bestrafung und Wiedergutmachung I. Unbestimmtheit der srraftheoretischen Ausgangslage Im folgenden wird nun zu erörtern sein, inwieweit die Schadensersatzleistung des Straftäters aus strafrechtlicher Sicht geeignet sein kann, als strafrechtliches Sanktionsmittel eingesetzt zu werden. Dazu ist es erforderlich, sich zunächst einmal eine gewisse Klarheit über die relevanten strafrechtlichen Sanktionsziele zu verschaffen. Dies ist um so wichtiger deshalb, weil die Diskussion über Begründung und Zwecke der Strafe nach wie vor lebhaft und kontrovers ist und die fortschreitende empirische Überprüfung der in die Wirksamkeit des strafenden Zugriffs gesetzten Erwartungen die Ratlosigkeit eher erhöht hat. 370 Die kritische. Bestandsaufnahme Mertens, H.-J., S. 109. Deutsch, E. : Haftungsrecht 1976, S. 42, S. 71, S. 73. Deutsch, E., in: JZ 1971, S. 246. Kaufmann, H., in: JuS 1963, S. 382. Lange, Hermann: Schadensersatz 1979, S. 6. Larenz, K.: Schuldrecht AT 1982, S. 393. Marton, Go, in: AcP 1963, S. 45. - ....~ ... -~~ 365 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 71. Siehe auch Mertens, H.~{, S. 95. 366 Esser, J.: Gefährdungshaftung 1941, S. 106. Grossfeld, B., S. 79. Mertens, H.-J., S.94. 367 Deutsch, E.: Haftungsrecht 1976, S. 61. Deutsch, E., in: JZ 1971, S. 247. Marton, G., in: AcP 1963, S. 44. Mertens, H.-J., S. 109. 368 Grossfeld, B., S. 80. 369 Mertens, H.-J., S. 109. 370 "Wir leben in einer Zeit des Gefühls einer Krisenlage, das sich der Träger der Sozialkontrolle bemächtigt hat" - Kerner, H.-J.: Möglichkeiten der Öffnung der Verfahren (straf-)rechtlicher Sozialkontrolle für präventive Maßnahmen, in: Kury, H. (Hg.): Prävention abweichenden Verhaltens - Maßnahmen der Vorbeugung und Nachbetreuung, Köln, Berlin, Bonn, München 1982, S. 789 (790). Siehe auch Jescheck, H.-H.: Krise 1979. 363 364

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2. Kap.: Grundlagen

wird unter zweierlei Gesichtspunkten vorzunehmen sein, nämlich zum einen positiv in bezug auf die Frage, welche unverzichtbaren Straffunktionen die Schadenswiedergutmachung als Strafsanktion zu erfüllen geeignet sein müßte, und demgegenüber negativ dahin, inwiefern sich die Anerkennung der Schadenswiedergutmachung als Strafmittel dadurch erleichtern läßt, daß an die Sanktionen zu stellende Anforderungen reduziert werden können, weil sich die hypothetischen Wirkungserwartungen empirisch ohnehin nicht halten lassen. Die theoretische Rechtfertigung und Zweckbestimmung der Strafe bewegt sich zwischen den drei Theoriekomplexen : Vergeltung, Generalprävention, Spezialprävention. Dabei sind im historischen Ablauf ständige Schwerpunktverlagerungen zu beobachten. 371 Dies gilt auch für die Gegenwart. Deshalb ist ein festes Theoriengefüge nicht vorhanden, das sich auf die Möglichkeiten einer Einpassung der Schadenswiedergutmachung als Strafreaktion untersuchen ließe. Es soll deshalb versucht werden, bei der Erörterung der theoretischen Grundlagen auch die Entwicklungsströmungen, die Veränderungen der kulturellen Rahmenbedingungen und das mittlerweile gewonnene Erfahrungswissen über den Realitätsgehalt der mit den Theorien implizierten Wirkungsmechanismen zu berücksichtigen.

11. Restitutionstheoretische Ansätze auf der Grundlage absoluter Stratbegründung 1. Vergeltungs- und Heilungstheorien

a) Für die absoluten Straftheorien folgt die Berechtigung und Notwendigkeit der Strafe rückschauend aus dem Verbrechen. Bestraft werden darf und muß allein um der Gerechtigkeit willen wegen der verschuldeten Tat, "punitur quia peccatum est". 372 Dies war die vom Idealismus beeinflußte Antwort auf die utilitaristischen Straftheorien der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts, deren strafrechtstheoretische Konsequenz, in der gemeinschaftlichen Nützlichkeit allein Rechtfertigung und Maßstab des strafrechtlichen Eingriffs zu finden. Vorzüge und Risiken zugleich erkennen ließ.373 Für die Vertreter einer

371 Vgl. dazu Merkel, A.: Die Lehre von Verbrechen und Strafe, Stuttgart 1912, S. 249: " ... läßt sich in der Aufeinanderfolge der Theorien seit Plato und Aristoteles wohl eine Fortbewegung, aber kein Fortschritt erkennen. Vielmehr ist ein gewisser Kreislauf wahrzunehmen, in welchem die verschiedenen Elemente und Beziehungen des Strafbegriffes, wenn auch mit neuen, jeweils die Farbe der Zeit an sich tragenden Ausdrucks- und Begründungsweisen, wechselseitig hervortreten und gegeneinander ausgespielt werden." 372 Zur Rückführung der Formel auf Protagoras über Plato, Seneca und Grotius vgl. Jakobs, G.: Strafrecht 1983, S.9 Fn.18 oder Maurach, R.jZipj, H.: Strafrecht. Allgemeiner Teil. Teilband 1. Grundlehren des Strafrechts und Aufbau der Straftat, 6. Aufl., Heidelberg, Karlsruhe 1983, S. 66.

C. Theorie der Bestrafung und Wiedergutmachung

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absoluten Strafbegründung war deshalb die Verfolgung relativer Strafzwecke ausdrücklich unzulässig, es kam gerade auf ihre Ausschließung an,374 weil der Mensch "nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden"375 dürfe. Als die beiden Bezugsväter dieser absoluten Strafbegründung gelten die Philosophen Kant und Hegel, die mit ihren unterschiedlichen Ansätzen zugleich zwei prinzipielle Hauptgruppen repräsentieren, in die sich die Vielzahl absoluter Straftheorien einordnen lassen, nämlich Vergeltungstheorien einerseits und Heilungstheorien andererseits. 376 Für Kant hat das, was das Strafgesetz als kategorischer Imperativ gebietet, absolute Verbindlichkeit. 377 Denn der kategorische Imperativ ist ein Gebot apriori aus reiner Vernunft. Das durch ihn beschriebene Sollen ist nicht zu etwas gut, sondern an sich gut, trägt seinen objektiven, absoluten Zweck in sich selbst. 378 Seine Übertretung ist bereits mit der Strafwürdigkeit verbunden, für sich strafbar. 379 Deshalb "muß (die Strafe) nur darum wider ihn (den Verbrecher) verhängt werden, weil er verbrochen hat".380 Im Gegensatz dazu kann man es nach Hegel "freilich als unvernünftig ansehen, ein Übel bloß deswegen zu wollen, weil schon ein anderes Übel vorhanden ist". 381 Er findet eine positive Begründung der Strafe 382 aus dialektisch-logischer Notwendigkeit. 383 Die Verletzung hat ihre positive Existenz nur im besonderen, dem Recht als dem allgemeinen, an sich seienden Willen sich entgegensetzenden Willen des Verbrechers. 384 "Die Verletzung dieses als eines daseienden Willens also ist das Aufheben des Verbrechens, das sonst gelten würde".384 Strafe ist somit "Wiederherstellung des Rechts"384 durch "Manifestation der Nichtigkeit"385 des Verbrechens. 386 373 Naucke, W.: Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, Hamburg 1962, S. 32 ff. Otto, H.-J.: Generalprävention und externe Verhaltenskontrolle, Freiburg 1982, S. 10ff. 374 Hellmuth Mayer sieht in der Widerlegung der relativen Theorien das hauptsächliche Interesse Kants - Mayer, Hellmuth: Kant, Hegel und das Strafrecht, in: Festschrift für Karl Engisch, Frankfurt am Main 1969, S. 54 (74). 375 Kant, 1.: Metaphysik der Sitten (1797), Hamburg 1959, S. 858 (S. 331). 376 So etwa Binding, K.: Die Normen und ihre Übertretung, Zweiter Band, Schuld und Vorsatz, Leipzig 1877, S. 30f. Fn. 48. 377 Naucke, W.: Psychologische Zwangstheorie 1962, S. 31. 378 Naucke, W.: Psychologische Zwangstheorie 1962, S. 14-20. 379 Kant, 1.: Kritik der praktischen Vernunft (1787), Hamburg, unveränderter Nachdruck 1963 der 9. Aufl von 1929, S. 44, 45 (S. 66). 380 Kant, 1.: MdS 1797, S. 158 (S. 331). 381 Heget, G. W.F.: Philosophie des Rechts 1821, § 99. 382 Mayer, Hellmuth: Kant, Hege11969, S. 77. 383 Henrici, A.: Die Begründung des Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Aarau 1961, S. 74. 384 Heget, G. W. F.: Philosophie des Rechts 1821, § 99. 385 Heget, G.W.F.: Philosophie des Rechts 1821, § 97. 386 Mayer, Hellmuth: Kant, Hegel1969, S. 77. 4 Frehsee

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2. Kap.: Grundlagen

Vergeltungs- und Heilungstheorien unterscheiden sich somit darin, daß es den Vergeltungstheorien auf das Übel als solches, die Belastung des Verbrechers, sein Leiden ankommt, wodurch das Verbrechen nur "paralysiert"387 wird. Für die Heilungstheorien dagegen hat die Strafe den Sinn, das Verbrechen aufzuheben,387 indem entweder subjektiv die Schuld (Sühnetheorie) oder objektiv das Unrecht (Wiederherstellungstheorie) getilgt wird. b) Auf der Suche nach Anknüpfungsgrundlagen für die Verwendung der Schadenswiedergutmachung als Strafmittel ergibt sich somit besonderer Anlaß zu einer kurzen Bezugnahme auf derartige Heilungs-, Wiederherstellung- oder "Restitutionstheorien" . 388 aa) (1) Dabei finden sich vor allem Hinweise auf die Wiederherstellungs- oder Vergütungstheorie earl Theodor Welckers,389 welche Heinze als die "unter den

Rechtstheorien vollendetste und selbständigste" bezeichnet. 390

Nach Welcker 391 ist die Trennung von Rechtsgrund und -zweck der Strafe verfehlt. "Denn die Vernunft, oder auch das Rechtsgesetz schafft und gebietet die Strafe wie alles Handeln nur wegen eines notwendigen Vernunft- oder Rechtszweckes".392 Er hielt "den . Gedanken der Wiederherstellung und des Ersatzes für den allgemeinen Grundcharakter und für den wahren Grund und Zweck aller Strafe".393 Denn das Verbrechen verursacht Schaden - materiellen und intellektuellen Schaden. Wiederaulbebung des materiellen Schadens ist Gegenstand des Zivilrechts, die des intellektuellen Gegenstand des Strafrechts. Demgemäß kann der Unterschied zwischen Zivil- und Strafrecht keineswegs in den Rechtsgrundsätzen an sich, sondern nur im Gegenstande bestehen. 394 Der intellektuelle Verbrechensschaden erscheint beim Verletzten, den Bürgern und beim Verbrecher selbst in verschiedenen Formen. 39S Unter Anwendung womöglich sehr verschiedenartiger StrafmitteP96 muß der "für die intellektuelle Seite des Rechts erzeugte gegenwärtige Schade des Rechts aufgehoben werden'''397 sofern nicht der intellektuelle Schaden "durch die Wiederaulbebung des materiellen Schadens mitgetilgt wird".398 387 Henrici, A., S. 41. 388 Zum Begriff siehe Henrici, A., S. 73 ff. Müller-Dietz, H.: Vom intellektuellen Verbrechensschaden, in: GA 1983, S. 481 (485ff.). 389 Exner, F.: Die Theorie der Sicherungsmittel, Berlin 1914, S. 3. Müller-Dietz, H., in: GA 1983, S. 481. Müller, Helga: Der Begriff der Generalprävention im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1984, S. 163ff., S. 165ff. 390 Heinze, in: Handbuch des deutschen Strafrechts 1871, S. 274. 391 Welcker, C. Th.: Über die letzten Gründe von Recht, Staat und Strafe, Gießen 1813, S. 189ff. 392 Welcker, C. Th., S. 191. 393 Welcker, C. Th., S. 243. 394 Welcker, C. Th., S. 251. 395 Welcker, C. Th., S. 252ff. 396 Welcker, C. Th., S. 273. 397 Welcker, C. Th., S. 257. 398 Welcker, C. Th., S. 25t.

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(2) An die Wiederherstellungs theorie Welckers hat sich dann Hepp mit seiner "Theorie der bürgerlichen Gerechtigkeit" angeschlossen. 399 Danach verursacht das Verbrechen neben dem äußeren (materialen) Schaden (oder auch ohne einen solchen) einen moralischen (geistigen) Schaden. 400 Dieser "moralische Schaden wird Verletzung der rechtlichen oder moralischen Ordnung des Staats, oder, was dasselbe ausdrückt, des Rechtszustandes, des Rechtsfriedens genannt".401 Diese Verletzung muß aufgehoben, das rechtliche Verhältnis wiederhergestellt werden, soweit es möglich ist. Die Pflicht zur Wiederherstellung umfaßt die Wiederaufhebung sowohl des durch die Verletzung angestifteten physischen wie des moralischen Schadens. Schadensersatz und Strafe beruhen somit auf demselben rechtlichen Verpflichtungsgrund,402 berühren sich mannigfach und können wechselseitig ihren Charakter tauschen. 403 Das Rechtsgesetz, das die vollständige Aufhebung des Schadens gebietet, muß sich deshalb nur dann nach anderen Tilgungsmitteln (in Form der bürgerlichen Strafe) umsehen, wenn die bloße Entschädigung, d. h. die Wiedererstattung nach dem Tauschwerte zur vollständigen Schadensaufhebung nicht ausreicht. 404 Dementsprechend muß es als Strafmilderungsgrund zu Buche schlagen, wenn der Übertreter die Verbrechensfolgen abwandte, "also entweder gar keinen oder einen nur unbeträchtlichen Schaden anstiftete, oder denselben aus freiem Antriebe ersetzte". 405

(3) Auf Welcker nimmt ferner Herold explizit Bezug in seinen "Bemerkungen über das Rechtsprinzip der Zweckstraje".41J6 Nach seiner Ansicht läßt sich Strafe gar nicht selbständig begründen, sondern nur dann als Recht begreifen und darstellen, wenn "das, was das Wesen des Rechts im übrigen ausmacht, auch das Wesen der Strafe ist", "die Prinzipien, kraft derer das Verbrechen die Strafe erzeugt, nicht dieser eigentümlich sind, sondern die des Zivilrechts sind".407 Herold verwirft die unterschiedliche Zuordnung der materiellen Schäden zum Zivilrecht und der immateriellen zum Strafrecht, weil der Schaden seinem Wesen nach immer ideell ist. Denn jeder materielle Zustand gewinnt nur als ein Gefühl der Lust oder Unlust für den Menschen Bedeutung. "Der Ersatz muß daher dem ideellen Schaden gelten, kann aber den menschlichen Verhältnissen gemäß nur durch den Ersatz des etwa zugrunde liegenden materiellen Schadens geleistet werden. "407 399 Hepp, F. C. Th.: Darstellung und Beurtheilung der deutschen Strafrechts-Systeme, ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und der Strafgesetzgebungs-Wissenschaft. Zweite Abtheilung, Die relativen Systeme. Zweites und Schlußheft, 2. Aufl., Heidelberg 1845, S. 744fT., S. 770ff. Siehe dazu Müller, Helga: Generalprävention 1984, S. 171 ff. 400 Hepp, F. C. Th., S. 778. 401 Hepp, F.C. Th., S. 780f. 402 Hepp, F. C. Th., S. 789. 403 Hepp, F. C. Th., S. 788. 404 Hepp, F. C. Th., S. 781. 405 Hepp, F. C. Th., S. 826. 406 Herold, C.: Bemerkungen über das Rechtsprinzip der Zweckstrafe, in: ZStW 12 (1892), S. 573. 407 Herold, c., in: ZStW 1892, S. 582.



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bb) Auch später tauchen in der jüngeren Strafrechtsphilosophie immer wieder restitutionstheoretische Ansätze auf. 40S So zählt Henrici in seiner Übersicht die Rechtsphilosophen Lasson, Kahler, Binder, Brunner, Jellinek, Stammler, Huber und Sauer zu den Restitutionstheoretikern,409 für die die Funktion der Rechtsstrafe in der Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung oder der gestörten Sozialpsyche liegt. 410 Die restitutive Strafauffassung läßt wegen ihrer strukturellen und bisweilen ausdrücklich hervorgehobenen 411 Nähe zum Schadensersatz die Beziehung der Strafe zu diesem, die Abhängigkeit und Austauschbarkeit, die Priorität des Schadensersatzes und die Subsidiarität der Strafe besonders eindeutig hervortreten. So erfordert es die Wiederherstellung der durch die Straftat gestörten Harmonie nach

Huber zunächst, daß der Täter jeden Vorteil herauszugeben und den gestifteten Schaden

wiedergutzumachen hat, worauf dann außerdem die Besserstellung, die er durch seine Rechtsverletzung in seinem Bewußtsein erlangt hat, durch die Unterwerfung unter die Strafe aufzuheben ist. Aber auch das "kann rein äußerlich gedacht werden" und "seine Erledigung in der Wiederherstellung des früheren Zustandes und in den erwähnten Ersatzleistungen" finden. 412 Für Brunner ist der Sinn des (Straf-)Gerichtsurteils "die Wiederherstellung, das Zurückführen an den rechten Ort - dem Beschädigten wird zurückgegeben, was ihm genommen wurde". 413 Wo die reale Zurückerstattung nicht möglich ist, tritt an ihre Stelle die Strafe als "stellvertretende, symbolische Restitution".414

Stammler sieht in der Strafe weder einen reinen Grundbegriff noch eine Grundaufgabe des Rechts. 415 Diese liegt vielmehr in der Berichtigung einer geschehenen Rechtswidrigkeit. 416 Strafe gehört genauso wie Schadensersatz zu den Berichtigungsformen, die durch die geschichtliche Erfahrung als besonders bedeutsam aus der Masse möglicher Berichtigungen herausgehoben worden sind.41 7 Ob aber "diese Berichtigung gerade in der Besonderheit der ,Strafe' oder des ,Schadensersatzes' geschieht, ist keine unbedingt allgemeingültige Erwägung". "Es läßt sich denken, daß einmal ein rechtliches Wollen in der Geschichte aufträte, das als Berichtigung für Rechtsverletzungen nichts als Schadensersatz im Sinne unseres heutigen Rechts kennen würde. "418

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Henrici, A., S. 74. Müller-Dietz, H., in: GA 1983, S. 491 ff. Henrici, A., S. 73 - 88. Henrici, A., S. 73. Herold, c., in: ZStW 1892, S. 582. Huber, E.: Recht und Rechtsverwirklichung, Basel 1921, S. 371. Brunner, E.: Gerechtigkeit, Zürich 1943, S. 263. Brunner, E., S. 264. Stammler, R.: Theorie der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., Halle a.d. S. 1923, S. 158. Stammler, R., S. 157. Stammler, R., S. 157f. Stammler, R., S. 159.

C. Theorie der Bestrafung und Wiedergutmachung

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c) Die Wiederherstellungs- und Heilungstheorien haben sich letztlich nicht durchsetzen können, sind nicht "herrschende Meinung" geworden. 419 So bezeichnete Binding die Vorstellung, daß Strafe den ideellen Schaden aufuebe, als "Präsumtion ohne Grund und Boden", weil der Wille des Gesetzgebers durch das Verbrechen "nicht im mindesten alteriert" sei, seine Herrschaft deshalb nicht wiederhergestellt zu werden brauche. 420 Stattdessen wird die absolute Strafbegründung überwiegend auf den Kantschen Vergeltungsgedanken bezogen,421 der wegen der größeren Unmittelbarkeit der Beziehung zwischen der Tat und dem auferlegten gewollten Übel leichter zu verstehen sein und der rechtswirklichen Strafpraxis besser entsprechen mag. Nun steht aber gerade das dem Wiedervergeltungsrecht zugrunde liegende Talionsprinzip422 keinesfalls in Unvereinbarkeit mit dem Wiedergutmachungsgedanken. So ist für Berolzheimer die Heimstätte der Talion das Obligationenrecht, wo die Gerechtigkeitsidee im Austausch gleichwertiger Leistungen sichtbar wird. Wo im Strafrecht auf negative Werte gerichtete Unrechtsleistung erwidert wird, wird es "gleichsam zur zivilrechtlichen Dependenz herabgedrückt" .423 Heute wird gerade die Abwendung vom Vergeltungsstrafrecht als das entscheidende Moment der endgültigen Verdrängung des Verletzten aus der Strafrechtspflege erkannt. 424 Denn während sich das Resozialisierungsstrafrecht ausschließlich für den Täter interessiert, ist einem vergeltungsorientierten Strafrecht das Opfer, dessen Verletzung zu vergelten ist, von Bedeutung, sein Schaden und Schmerz bilden wichtige Beurteilungskriterien. 42s Bianchi macht darauf aufmerksam, daß die Talionsformel "Auge um Auge und Zahn um Zahn" Ergebnis eines Übersetzungsfehlers ist, nach dem es im hebräischen Text eigentlich geheißen hatte: "Auge für Augenersatz ... "426 Auch Wiesnet weist ausführlich nach, daß die abendländische Interpretation des biblischen Vergeltungsbegriffs einem "Mißverständnis" entspringt. 427 Tatsächlich bilden Fürsorge und Barmherzigkeit die fundamentalen Elemente des 419 Müller-Dietz, H.: Täter-Opfer-Ausgleich im Strafprozeß aus der Sicht des Strafrichters, in: Pies, E. (Hg.): Straffälligkeit und Wiedergutmachung, Veröffentlichungen der Katholischen Akademie Trier, Trier 1981, S. 61 (63). 420 Binding, K.: Normen I 1872, S. 171. 421 Maurach, R.jZipf, H.: Strafrecht AT 1983, S. 71. 422 Naucke, W.: Psychologische Zwangstheorie 1962, S. 34. 423 Berolzheimer, F.: Strafrechtsphilosophie und Strafrechtsreform, München 1907, S. 211. 424 Zipf, H.: Kriminalpolitik 1980, S. 154. 425 Hassemer, W.: Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, München 1981, S. 69. 426 Bianchi, H., in: ZfEvEth 1974, S. 107. 427 Wiesnet, E.: Die verratene Versöhnung. Zum Verhältnis von Christentum und Strafe, Düsseldorf 1980, S. 61.

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hebräischen Gerechtigkeitsbegriffes ("tsedaka").428 Das Talionsprinzip ermöglicht die Eingrenzung und Kanalisierung archaischer Blutrache durch die fortschrittliche gleichwertige Vergeltung, die "zur Richtlinie für einen gleichwertigen Schadensersatz" wird. 429 430 2. Sühnetheorie

Heute wird der Begriff "Vergeltung" - wohl wegen der damit verbundenen archaischen Assoziationen - mit Zurückhaltung bedacht 431 und eher von Gegnern als Befürwortern gebraucht. Stattdessen findet der Begriff der "Sühne" bevorzugte Verwendung. Dieser Begriff ist freilich ein "vielfältig schillernder",432 der in seinen unterschiedlichen Bedeutungsgehalten, den vorstrafrechtlichen Bezugsgrundlagen und seinem straftheoretischen Aussagewert schwer faßbar ist. So wird einerseits die Entwicklung vom Vergeltungs- zum Sühneprinzip als Fortschritt gewürdigt,433 andererseits als bloßer Etikettenwechsel abgetan. 434 a) Der begriffiiche Unterschied geht jedenfalls dahin, daß "Vergeltung" auf den Unrechtsausgleich zielt, tat- und erfolgsorientiert ist, während sich "Sühne" auf die Schuld als Bestrafungsgrundlage bezieht und die psychische Beziehung des Täters zum Unrecht betrifft. 43s Unter Sühne wird vor allem jener innere Läuterungsprozeß verstanden, wenn "der Schuldige zu seiner Schuld steht, sie selbstverantwortlich übernimmt und sich so von dem Vorwurf, versagt zu haben, wieder befreit".436 Sühne bewirkt "Versöhnung", Versöhnung mit Gott, Wiesnet, E., S. 33. Wiesnet, E., S. 64f. siehe auch Zehr, H., S. 16f. 430 Sehr skeptisch zur Legitimationskraft biblischer, insbesondere alttestamentarischer Bezüge, die für das abendländische Strafrecht von so fundamentaler Bedeutung sind, auch Lüderssen, K.: Vergeltung und Sühne vor dem Forum der christlichen Ethik - kein Platz mehr für absolute Strafzwecke?, in: Lüderssen, K.: Kriminalpolitik auf verschlungenen Wegen, Frankfurt am Main 1981, S. 13. 431 Maurach, R.: Vom Wesen und Zweck der Strafe, in: Freudenfeld, B. (Hg.): Schuld und Sühne, München 1960, S. 26. 432 Roxin, c.: Sinn und Grenzen staatlicher Strafe, in: JuS 1966, S. 377 (379). 433 Bruns, H.-J.: Strafzumessungsrecht 1974, S. 202. 434 Schmidt, Eb.: Ein Gegenentwurf zum Entwurf eines StGB 1962 Kritische Erörterung, in: MDR 1963, S. 629. Klug, U.: Abschied von Kant und Hegel, in: Baumann, J. (Hg.): Programm für ein neues Strafgesetzbuch, Frankfurt am Main 1968, S. 36: Die Sühneidee ist nur "ein anderer, romantisierender Ausdruck für den Vergeltungsgedanken." 43S Siehe dazu näher Bruns, H.-J.: Strafzumessungsrecht 1974, S. 201 f. mit weiteren Nachweisen. 436 Kaufmann, Arthur: Das Schuldprinzip, 2. Aufl., Heidelberg 1976, S. 272. 428

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dem eigenen Gewissen,437 einer "persönlichen Instanz",436 dem Opfer,438 der verletzten Ordnung, der Gemeinschaft. 439 Dabei ist man sich einig, daß Sühne als hohe Persönlichkeitsleistung, 440 als innerer Prozeß und Akt der Wandlung 441 nicht erzwungen werden kann, sondern nur durch freiwilliges Bemühen des Schuldigen erreichbar ist. 442 Jedoch liegt in der Notwendigkeit, dem Übeltäter jedenfalls die Möglichkeit der Sühne und der Versöhnung mit der verletzten Rechtsgemeinschaft zu gewähren, der absolute Charakter der Sühnetheorie. 443 b) Die Kritik bezweifelt (bei grundsätzlicher Anerkennung des Sühneprinzips als ethischen Phänomens)444 die Richtigkeit der Theorie im Rahmen des Strafrechts angesichts der offensichtlichen Erfolglosigkeit. aa) Während nämlich die Versöhnung im Sinne einer tatsächlichen Entsühnung im Zeitalter der Volksrechte "echte soziologische Wirklichkeit" war, kann heute von einer wirklichen Tilgung der Schuld nicht die Rede sein. 44s Denn "der Bestrafte verläßt das Gefängnis in den Augen der Gesellschaft nicht als ein Entsühnter, sondern als ein Gebrandmarkter".446 Die Kritik trifft allerdings nicht die Theorie, sondern die repressiven Strafen, gegen deren Eignung zur Förderung des Sühnegedankens "schwere Bedenken"447 erhoben werden, weil sie dem Bestraften eher als "rächende Übelszufügung"448 erscheinen, gegenüber der er sein seelisches Gleichgewicht womöglich eher durch Auflehnung zurückgewinnt, 449 und weil sie ungeeignet sind, die Versöhnungsbereitschaft der Gemeinschaft zu stärken. 450 Henkel, H.: Die "richtige" Strafe, Tübingen 1969, S. 11. Seelmann, K., in: ZfEvEth 1981, S. 50. 439 NolI, P.: Die ethische Begründung der Strafe, RuS 244, Tübingen 1962, S. 8. 440 Peters, K.: Grundprobleme der Kriminalpädagogik, Berlin 1960, S. 101. 441 Naegeli, E.: Das Böse und das Strafrecht, München o.J., S. 36. 442 BGHSt 19, 201 (206). Bruns, H.-J.: Strafzumessungsrecht 1974, S. 200f. Kaufmann, Arthur: Schuldprinzip 1976, S.273. Naegeli, E.: Das Böse, S.37. NolI, P.: Ethische Begründung 1962, S. 8. 443 Baumannn, J.: Zum Entwurf eines StGB, in: MDR 1963, S. 802 (803). Schmidhäuser, E.: Vom Sinn der Strafe, Göttingen 1963, S. 45. 444 Naegeli, E.: Das Böse, S. 47. NolI, P.: Ethische Begründung 1962, S. 8. 445 Schmidt, Eb.: Vergeltung, Sühne und Spezialprävention, in: ZStW 67 (1955), S. 177 (190): "eine große offizielle Lüge". 446 Henkel, H.: Strafe 1969, S. 11. NolI, P.: Ethische Begründung 1962, S. 8. 447 Naegeli, E.: Das Böse, S. 37. 448 Naegeli, E.: Das Böse, S. 38. 449 Neumann, U./Schroth, U.: Neuere Theorien von Kriminalität und Strafe, Darmstadt 1980, S. 17. Siehe auch Shoham, S. : Verbrechen als Heilsweg. Seelische Entwicklung durch asoziales Verhalten, Zürich 1982. 450 Henkel, H.: Strafe 1969, S. 11. Naegeli, E.: Das Böse, S. 39f. No/l, P.: Ethische Begründung 1962, S. 8. 437 438

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Gleichwohl läßt sich mit diesen Unzulänglichkeiten die Fehlerhaftigkeit der Sühnetheorie nicht belegen. "Denn nicht ist der Sinn der Strafe den bestehenden (schlechten) Verhältnissen, sondern die bestehenden Verhältnisse sind dem Sinn der Strafe anzupassen."451 Aus der Sühnetheorie ergeben sich deshalb Bedingungen für Art und Ausgestaltung der strafrechtlichen Rechtsfolgen, die notwendigerweise so angelegt werden müssen, daß dem Delinquenten die geforderte Sühneleistung überhaupt möglich gemacht wird. 452 bb) Dabei wird die ideale Sühnestrafe so gesehen, daß der Täter über die bloße Annahme des Strafübels als gerecht hinaus eine "äußere Manifestation der Sühne"453 geben soll, indem er zur Wiedergutmachung der sozialen Verfehlung eine soziale Leistung erbringt. 454 Daraus ergibt sich dann der Vorschlag der "Arbeitsstrafe"455 oder "Dienstleistungsstrafe" ,456 also der Ableistung sozial nützlicher 457 oder gemeinnütziger Arbeit 458 oder auch der "Bewährungsstrafe" .459 Darüber hinaus erkennt gerade die Sühnetheorie, daß das Strafrecht auch die Beziehung zwischen Täter und Opfer nicht vernachlässigen oder ihre Bereinigung gar behindern darf. Zuerst nämlich manifestiert sich um Wiedergutmachung bemühte Sühne "durch Leistung von Schadensersatz und Genugtuung". 460 Und weitergehende symbolische Handlungen zugunsten der Allgemeinheit werden für erforderlich gehalten, weil oder soweit davon ausgegangen wird, mit Kaufmann, Arthur: Schuldprinzip 1976, S. 207. Darauf hat insbesondere der maßgebliche Sühnetheoretiker Jürgen Baumann immer wieder hingewiesen, der sich bemüht hatte, das Prinzip des Sühnestrafrechts mit einem eigenen Gegenentwurf (Baumann, J. : Entwurf eines Strafgesetzbuches. Allgemeiner Teil, RuS 274/275, Tübingen 1963) in die Strafrechtsreform einzubringen: Baumann, J., in: MDR 1963, S. 803. Baumann, J.: Was erwarten wir von der Strafrechtsreform?, in: Baumann, J. (Hg.): Programm für ein neues Strafgesetzbuch, Frankfurt am Main 1968, S. 14 (24). Baumann, J.: Schuld und Sühne als Grundproblem heutiger Strafrechtspflege, in: Baumann, J. (Hg.): Mißlingt die Strafrechtsreform?, Neuwied und Berlin 1969, S. 8 (16). 453 Naegeli, E.: Das Böse, S. 37. 454 Baumann, J.: Schuld und Sühne 1969, S. 16. 455 Kaufmann, Arthur: Schuldprinzip 1976, S. 274. Baumann, J.: Beschränkung des Lebensstandards anstatt kurzfristiger Freiheitsstrafe, Neuwied und Berlin 1968, S. 41 f. 456 Bemmann, G.: Für eine Dienstleistungsstrafe, in: Festschrift für Friedrich Schaffstein, Göttingen 1975, S. 211. 457 Henkel, H.: Strafe 1969, S. 12. 458 Naegeli, E.: Die Gesellschaft und die Kriminellen, Zürich 1972, S. 108. 459 Mayer, Hellmuth: Strafrechtsreform 1962, S. 143: als Regelstrafe für mittlere Kriminalität soll der Verurteilte in offenem Vollzug entlohnte Arbeit verrichten. Aus den Erträgen soll angerichteter Schaden erstattet werden. Ähnlich, aber härter Maihofers Arbeitsstrafe : Arbeit in offenem Vollzug, "deren Ertrag bis auf das Existenzminimum an die Gesellschaft verfallt" - Maihofer, W.: Menschenbild und Strafrechtsreform, in: Zeitschrift für praktische Psychologie 1965, S. 3 (15). 460 Naegeli, E.: Das Böse, S. 36. 451

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Schadensersatz und Genugtuung sei es nicht getan. 461 Die repressive Strafe läßt sich sühnetheoretisch nur vertreten, wenn sie dem Täter die Möglichkeit erhält oder schafft, das Opfer der Straftat zu entschädigen, beispielsweise durch tarifmäßig entlohnte Arbeit im Vollzug der Freiheitsstrafe. 462 3. Kritik absoluter Stratbegründung

Obwohl nun die verschiedenen absoluten Straftheorien interessante Ansätze für eine Einbeziehung der Wiedergutmachung des materiellen Verbrechensschadens in das Sanktionsinstrumentarium bieten, kann es nicht dabei belassen oder gar für eine Stärkung der absoluten Strafbegründung eingetreten werden, ohne ihre Haltbarkeit, den Grad der Akzeptanz und den Stellenwert in Theorie, Praxis und Kriminalpolitik zu prüfen. a) Die Begründung der Strafe aus absoluter Notwendigkeit, auch soweit ihr im Verbund von vereinigungstheoretischen Ansätzen nur noch rudimentäre Bedeutung zukommt, erfährt nämlich in den letzten Jahrzehnten zunehmende Skepsis und Ablehnung. aa) Insbesondere im Zuge der Diskussion um die Große Strafrechtsreform ist von seiten der sog. "Alternativprofessoren" mit zum Teil heftiger Argumentation463 für eine "Strafe ohne Metaphysik"464 eingetreten worden. Die schließlich Gesetz gewordene und jetzt in § 46 Abs. 1 S. 1 StGB niedergelegte "Grundlagenformel", wonach die Schuld des Täters "Grundlage für die Zumessung der Strafe" ist, gilt als Kompromiß,465 der bewußt eine straftheoretische Festlegung vermeidet,466 um der Entwicklung der sich wandelnden Anschauungen Spielraum zu lassen. 467 Tatsächlich schließt die Grund461 Stratenwerth, G.: Schuld und Sühne, in: Evangelische Theologie, 1958, S.337 (344f.). 462 Baumann, J. : Strafrecht. Allgemeiner Teil, 8. Aufl, Bielefeld 1977, S. 23. Baumann, J.: Was erwarten wir von der Strafrechtsreform ? 1968, S. 24. Baumann, J.: Schuld und Sühne 1969, S. 16: "Ein Vollzug, der z. B. die Wiedergutmachung des Schadens dadurch unmöglich macht, daß für die Arbeit des Gefangenen nur eine lächerliche Arbeitsbelohnung gezahlt wird, nimmt dem Verurteilten das Recht und die Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung, nimmt ihm die Möglichkeit sozialer Sühne. Das scheint mir ein Verbrechen zu sein, welches dem vom Täter begangenen nur wenig nachsteht." 463 Klug, U.: Abschied von Kant und Hege11968, S. 36. 464 Noll, P.: Strafe ohne Metaphysik, in: Baumann, J. (Hg.): Mißlingt die Strafrechtsreform?, Neuwied und Berlin 1969, S. 48. 46S Maurach, R.jZipf, H.: Strafrecht AT 1983, S. 89. 466 Siehe auch Schreiber, H.-L.: Widersprüche und Brüche in heutigen Strafkonzeptionen, in: ZStW 94 (1982), S. 279 (285 f.). 467 Deutscher Bundestag. 5. Wahlperiode. Drucksache Vj4095. Zweiter schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 3.

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2. Kap.: Grundlagen

lagenformel ein Verständnis von Schuld als eines lediglich limitierenden, die Obergrenze des zulässigen strafenden Eingriffs markierenden Maßprinzips nicht mehr aus. 468 Jedoch hält die Rechtsprechung insofern am Prinzip des gerechten Schuldausgleichs fest, als sich danach auch die untere Strafgrenze zu bemessen hat. 469 Auch im Bereich der Lehre werden die auf dem Schuldausgleich als einer absoluten Strafbegründung beruhenden Vereinigungstheorien gegenwärtig noch als "herrschende Lehre" eingeschätzt. 470 Jedoch mehren sich die Stimmen für eine ausschließlich relative Strafbegründung. 471 bb) Die Vorbehalte gegen eine allein aus der Notwendigkeit des gerechten Schuld ausgleichs, also ohne die Benennung der erstrebten Strafzwecke erfolgenden und somit absoluten Strafbegründung ergeben sich aus den veränderten historischen, kulturellen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. 472 Der absolute Strafgedanke setzt eine absolute Staatstheorie voraus. 473 Er bezieht sich auf transzendentale, metaphysische, theistische Grundlagen,474 durch die staatliche Eingriffe zu legitimieren nicht mehr zulässig sein kann, wo die Urteile im Namen des Volkes gesprochen werden. 475 Der "säkularisierte, weltanschaulich neutrale Staat"476 muß die funktionale Notwendigkeit seiner Eingriffe beweisen; für die "technokratisch orientierte, instrumental denkenden Gesellschaft" ergibt sich die Rechtfertigung der Strafe aus ihrem Zweck. 477 468 Roxin, c.: "Schuld" und "Verantwortlichkeit" als strafrechtliche Systemkategorien, in: Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Heinrich Henkel, Berlin, New Y ork 1974, S. 171 (186). 4

t IV

@

@

®

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0

ja

[1J

nein

G

k.A.

Gesprächs, Entschuldigung Brief kleines Geschenk (z. B. Blumen ins Krankenhaus o.ä.)

~

rn1

k.A.

Dienstleistungi Art' •....•. ~ was sonst' ••••••••.•..•.•••

[TI

~

VIII

m

STRAFVERFAHREN

Opfer Verwandter des Opfers Bekannter dee Opfers Vertreter oder .lngeetell ter des Opfers

4

vom Dienstvorgesetzten

vom Verletzten 2 von .Angehörigen des Verletzten 3 . vom gesetZlichen Vertreter

m

ALLGEMBINES

ne1n k.A.

was sonst' •••.••.•••.••.•

zuruckgewl.esen strenge Beatra:fUng, Vergeltung, Sühne gefordert

Versohnunga- oder Entschuldigung8~'ersuch des Taters

nein k.A.

[!]

G

unbeteiligter Dritter Polizei durch eigene Ermittlung wer sonst' •••••••••.•.•••

-

ill k.A.

6 7

lat Strafantrag gestellt worden?

2 3 4

0

9

~~~~~~:~~~:~c~d:~sE~!;~~~l-

19nor18rt

8

7

(gewisses) Veratandnis geaußert Unverstandnis geaußert

~

Wer hat die Straftat angezeigt?

5

4

3

2

verz,ehen Entachuldlgung angenommen

Hat das Opfer Zelchen selner Beurtel.lung der Tat gegeben?

'3

2

~

Hat der Täter dem Opfer irgendeine Leistung erbracht, die mittelbar der Wiedergutmachung der durch die Tat erlittenen Unbill im .... eitesten Sinn oder dem Nachmeis der Reue dienen soll t.?

Q

TÄTSR-OPFSR-IWNTAKT NACH DER TAT

Hat e8 nach d er Tat auBerhalb des Strafverfahrens sonstige Kontakte zwischen Täter und Opfer gegeben?

VII

In welchem Verfahrens8tadium hat der Täter erat e Eretat tungsleistungen erbracht? ("1. IT 69)

m

@ k • A•

nein

[TI

I

ersch~enen

nicht

Entschuldigung anerkannt

unent~chuldigt

B

k.A./entfällt

Entschuldigung nicht anerkannt

persönlich

telephonisch

schriftlich

ß

0

k.A.

nein

m

ja

[2:] nein

nein

0

k.A./entfälH

~

ale Privatklä!er als Nebenkläger als Zeuge schriftliche Äußerung

0

9

6

~

0 0

als Zuschauer wie sonst' •••••••••..•...• nein k.A.

9 9

Q]

ja

CD nein

0

k.A./entfällt

War da. Opfer in der Hauptverhandlung selbst erschienen?

2 , 4

m

War das Opfer am Verfahren beteiligt?

98

,

, ,

k.A./entfällt

In welchem Verfahrensstadiutl war der Täter von einem hechtsanwalt vertreten? ja nein k.A. während der polizeilicher. Ermi ttlun€en 0 9

ja

Hat der Beschuldigte ceeen einen zunächst erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt?

Q]

Q]

Hat sich der Beschuldigte (zunächst) getzen eine angeregte Einstellung gesträubt?

3

2

~

während. der staatsanwaltschaftl. Ermittlun un während des Haupt"'f'erfahrena

@

..., I

Hat der Staatsanwalt mit dem Beschuldigten um die Einstellung des Verfahrens verhandelt?

2

@

Wurde eine eventuelle Entschuldigung anerkannt?

der Polizei der Staatsanwal tschaft

96 97

5

0

o

Täter ist im Ermittlungsverfahren auf VorladWlg

von der Polizei vom Staatsam.'/al t von beiden

D~r

3

2

ill

Iat cer Täter im Ermittlungsverfahren persönlich vernommen worden?

1

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@

G

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~

~

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@

@

@

ja

np.in

~

k.A./entfällt

Ci]

dloe AUfklarune des Falles aktlov gefördert sloch PRsslov verhalten dloe Aussage vernelogert dloe Aufklarung des Falles aktlov beh~ndert

ja

~

mehrmals

nein

.

~

k.A./entfällt

~

9' )

War der Täter

GJ k.A.

seine Schuld eingeräumt k.A.

einsichtig

o

6

~

5

5

den Vorwurf voll zurückgewiesen was sonst s ••.•.••••••

~k.A.

~

seine Handlung rechtlich entschuldigt seine Handlung moralisch entschuldigt

D

~ reumütig

o

die Tat bestritten seine Tatbeteiligun~ geleugnet seine Handlung gerechtfertigt

[!] uneinsichtig [:J gleichgültig

:3

2

~

Hat der Täter

:3

2

(wie IT

voll gest.nden mit gewissen Einschränkungen gestanden den Vorwurf weitgehend zurückgewiesen

Hat der Täter

Wurde eine eventuelle Entschuldigung anerkannt?

GJ

Ist der Angeklagte der Hauptverhandlung ferngeblieben?

o

4

:3

2

Er hat Er hat Er hat Er hat k.A.

Wie hat sloch der Tater im StrafvArfahren verhalten?

, , ,

In welchem Verfahrensstadium war dae Opfer von 'einem Rechtsanwal t vertreten? ja nein k.A. während der polizeilichen Ermittlung ln 0 9 während der staataanwaltl. Ermittlun !en 0 9 0 während des Hauptverfahrens 9

GJ

[2]

oder behördenangehöriger Vertreter in der Hauptverhann lung

erschienen?

Wenn das Opfer juristische Person 1st I war ein betriebs-

~

@

@

§

o

~oo

@

8

~

Q

8

g"

Bewelslage zur

Rechtsfragen aufgetaucht?

k.A.

~ [2J

k.A.

ja

[2]

nein

0

k.A.

Ist ein Sachverständiger mit der Ermittlung des Schadens beauftragt worden?

o

2 3 4

vollstandlog av.fgeklart, der Schaden steht elondeutig fest lom wesentllochen aufgeklart lon elonigen erhebllochen Punkten keme Klarhelot volllog unzurelochend aufgeklart, kel.nerlelo Klarhel. t über Art und/Oder Ausmaß des Schadens

des durch die Straftat verursachten Schaoens in tatsächlicher Hinsicht

AU~klärung

nein, die strafrechtliche Einordnung des Geschehens war eindeutig ja, es sind rechtliche Erörterun.aen angestellt worden ja, die Verfahrensbeteiligten haben sich über bestimmte Rechtsfragen nicht einigen können ja, die Verf'ahrensbeteiligten waren in der rechtlichen Beurteilung völlig unterschiedlicher Auffassung 01 k.A.

~nd

o

3

nur unzureichend aufgeklärt

3

• ,",'U_o,"" ."H, ""'""'0""0'

1

2

umfassende Aufklärung erreicht

nicht in jeder Hinsicht aufgeklärt

1

~tE

8

subjektiven Tatseite

0

2

objektiven Tatseite

9

2

~ der Tater war zunaehst verschlossener als ln spateren Verfahrensstadl.en der Tater hat $1.0.\ erst l.n spateren Verfahrensstadl.en verschlossen kelne Veranderung k.A .

Hat sich das Verhalten des Täters im Verlaufe des Verfahrens verändert?

8'12

~

Q

~::I

'"cr'

g..

g=

! ~

);-

t

die Klärung der zivilen Rechtslage wirft einige Schwierigkel ten auf die zivilrecht liehe .Problematik 1st insgesamt kompliziert

2

~

I'

U

5CHADENSAUSGLEICH IM STRAFVEIiFAHREN

~ k.A.

ja, kontrovers

weiter

@:ein

IT

147

~

~

2 ., 4 5

Täter Verteidieer Jugendgerichtshelfer El te-rnteil des Täters Opfer

o

10

9

7 8

~

k.A.

Anwal t des Opfers Staats-/Amtsanwalt Richter Zeuge wer sonst' •••.... • ...•. •. k.A./entfällt

Wer hat diese Erörterungen angeregt?

ja

~

neln

k.A.

neln, wall dle Erorterung nur bereits erfolgte Leistungen betraf neln, well es um die Leistung eines Dritten (z.:B. Versicherung) gegangen war

0

an den Geschädigten geführt?

CD

IT 147

Wer hat eine Auflage der Schadenawiedergutmachung angeregt? (wie IT 119) - falls 801l'aS nie 1n Rede stand I weiter

9

'3

2

ja

\..:,;J Täters

@l

I

Iat im Rahmen des Strafverfahrens der Schadensausgleich erörtert worden? .

GJ

2

~ nein

o

ja, mit übereinstimmender Beurteilung durcb die Ver1'ahrenabeteiligten

Haben im Verlauf des Strafverfahrens Erörterungen über dip. zivilrecht liehe Seite der Straftat stattgefunden?

~k.A.

Bchnell klären lieBen

die RechtslRge ist eindeutig, ein Ersatzanspruch läßt sicb ohne weiteres begränden 8S sind allenfalls nebensächliche Fragen offen, die sich

rechtliche Beurteilung des Schadenaeraatzanapruches des Tatgeechädigten

1120\ Hat diess Erörterung zu SChadeneersatzleistungen das

8

8

~

Q

~6' '\..J

G G

~

(bitte jede Spalte ausfüllen)

Der Täter soll erkennen, was er angerichtet hat Der Streit der Kontrahenten soll möglichst bald zum Ende kommen was sonst' ••..•••.•.•.....•.... k.A./entfällt

Schaden gering Schaden eindeutig Das OQfer sollte schnell zu sei!1e;:, Schadensersatz kommen Dem Opfer liegt nicht an Bestrafung

G

2

1

Q

o

1

3

2

127

T~r

~

mm

~

nein k.A.

ja

~

mm

Hat sich jemand gegen die J:;rteilung der Auflage ausgesprochen? Staate- Opfer/ Gericht Vtdgr/ T~r ~lt A~t

@-8

(125:

o

A~lt

~lt

Gericht Vtdgr/

der Schadenswiedergutmachungs8uflage genannt worden?

.124)

o

~

~

Sind Begründungen fUr die Anregung oder Erteilung

k.A./entfällt

wann Bonst I........ . ...................

im Plädoyer

HV t während oder nach Beweisaufnahme

1

@)

verhandlung?

in der HV während d er Vernehmung zur Sache

in der Hauptverhandlung während der Vernehmung zur Person

nach Anklageerhebung

während d er polizeilichen Ermittlungen nach Eingang bei der Staatsanwaltschaft

Staats- Opfer/

~

2J Q -Q

~

@

ggf. in "zweitem

Anlauf" (Haupt-

In welchem Verfahrensstadium ist eine Schadenswiedergutmachungsaufl..!!.! angeregt worden?

erstmalig

V"J v..::;J

VI

t

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o ::s

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OQ

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~

9

:> i'I'"

B

8

G

8

G \::..:J

8 8

G '-!Y

~

2

slcherung gedeckt

Schadenafrage Boll nlcht prajudlZ1ert werden Schadensfrage noon 1m Strel t

7 0

6

~

Kompetenz zu sachgerechter Beurtellung der Schadensfrage wlrd angezwel.fel t Tater halt sl.ch uberhaupt tur unachuldlg was Bonst' •••••••••••••••. k.A./entfall t

ja

G

G

nein

nein

G

G

k.A./entfällt

k.A./entfällt

o

des Gerichte des Staatsanwalte

r,-;r-,...,..,,.-,

des Anwalts des upfers des Jugendgerlchtshelfers oder Bewährungshelfers ke1n W~der8tand k.A./entfall t

=

0)

8l

2

den Schaden voll auagleichen zum Teil ausgleichen

Sollte die Auflase

o=J

nur einmalige Leistung

ja, Anzahl der Raten

[2J nein,

o

~

k.A./entf.

nur symbolische Bedeutung haben k.A./.nt!.

0

Sah die Au:t'lage Teille1stunsen vor (z.B. Ratenzahluns)?

Höbe der Auflase in DM (k.A./ontf.

3

2

~

9 0

8

~

Geldzahlung ~ Dienstleistung I • • • • • • • • • • • • • UnterhaI tsleistung 5 was sonst ••••••••••••••••••• Natural.reat •••...••••••• 0 k.A./entfäll t

Lautete d1e Auflage auf

4 5 6

Elnapruch des Taters der Eltern des Taters des Verte~d~ger8 de. Opfer.

m

~

Verweigerung der Zustimmung

Auflage der Schadens"iedergutmachung?

An wessen Widerstand scheiterte eine angeregte oder beantragte

[2J

Hat er zugestimmt?

GJ ja

Ist der Geachadl.cte vor Auflagenertellung gehart worden?

4

:3

Schaden schon b8g1~chen Schaden von elner Ver-

Welche Argumente e1nd gegen die Erteilung der Schadensw1edergutmachungsauflage ins Peld geführt worden?

G

8

8

8

O)m

W

G

Jugendger~chtshelfer

6 7 0

Geschad1gter oder dessen Anwalt Verte1d1ger wer sonst' ••....••...•.•.• k.A../entf.

144)

D

3

2

~

Quittungen U'berweisungs-/Einzahlungs belege Mitteilung des Geschädigten oder seines Anwalts

0

5

~

k..A./entf.

Mitteilung von Jugendgerichtshelfer oder Bewährungshelfer wie sonst ••••••••••••.•••

Wie iet Staatsanwal t oder Gericht die Erfüllung der Auflage nachgewiesen worden?

(wie IT

Wer hat d1e Auflagenerfullung uberwacht?

2 3 4

m

Staatsanwal t R1chter Bewahrungshelfer

m

~ k.A.

mehrfach

nein

[9]

einmal

Wer hat gemahnt?

[2J [2]

Ist die -'='rfüllung der Auflage gemahnt worden?

~ k.A./ontf.

mit gewissen, aber im Ergebnis nicht entscheidenden Verzögerungen ein Teil der auferlegten ...ueistungen wurde erbracht, die Auflage wurde jedoch nicht erfüllt der Täter hat überhaupt nichts geleistet

ja, wie vorgesehen sogar SChneller/zügiger als vorgesehp-n

die Auflage erfüllt worden?

bitte in Wochenzahlen (k.A.

In welchem Zeitraum sollte die Auflage erfüllt werden?

~ ~

Sind in der Auflage auch Kosten berücksichtigt worden? ausschließ- zum lich Teil Kosten des "erieht. nein 2 5 des Opfers/Nebenklägers 3 6 Kosten beider LA.

8 ~t

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8

8

XIII

ANTRÄGE

[2] nein

0

k.A.

(

D I I I I I .I I I [J

o

6 7 9

I I I I I I

k.A.

UnterhaI tsleistun n Entschuldigung was sonst' ••••••••••••• nein

k.A.

[2]

0

ja: nicht einsl,ellen, bzw. nicht zustimmen jal einer banstellung nur unter Auflagen zustimmen ja; Einstellung nur unter einer anderen als Schadenswied ergutmachungsauflage zust immen jas einer Einstellung zustimmen wie sonst ••••.•••••••.••.•••••••••••.•...••• nein

ja

nein

k.A./enträllt

-r-.-,

..

Bei Antrag auf Geldstrafe Höhe der

Tage88ätZ.LI~_L--L~L-~

Bei Antrag auf Geldstrafe Anzahl d. Ta8eBaätze~,...-!:=:=::;~

Bei Antrag auf '·reiheitsstra!e Dauer in lIonaten (entfällt = 0)

"elchen Antras hatten Verttdtsy oder Angeklagter ge.tell t? (wie IT 156)

[2]

Holte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft vor eeinpr Entscheidung über die Zustimmung eine Genehmigung bei vorgesetzter Stelle ein?

ö1

31

~

Hatte für den Staatsanwalt bezUglieh seiner Entscheidung oder seines Antrages eine Weisung bestanden?

Sofern der StaRtsanwalt GeldZahlunraUflage beantragt hatte, bitte Höhe in DM (k.A./entt. = 0)

2 3 4

m

Schadenswiedergutmachung Geld an gemeinn. Einrichtg Geld an Staatskasse sonstige gemeinn. Leistung

~

Hatte der Staatsanwalt eine bestimmte Auflage beantragt?

Bei Antrag auf Geldstrafe Höhe der Tagessätze

Bei Antrag auf Geldstrafe Anzahl d. Tagessätze

Bei Antrag auf Freiheitsstrafe Dauer in Monaten (entfällt = 0)

[TI

Welche Sanktion hatte der Staatsanwalt beantragt? (wie IT 156)

ja

Sind dabei frUher bereits ausgesprochene Strafen einbezogen?

[2]

@

was sonsts... ..••.•.•••••••••.•.••.•.•. .•.. k.A./entfällt

schwierige Beweislage schwierige Rechtslage Strafreeistereintrag soll vermieden werden Mi tve""schulden des Opfers geringe Schuld des Täters Verständnis für beoondere Situation d. Täters Verständnis für besonders ungünstiee Lebenslage des Tä tars Die Streitenden haben sich versöhnt Schaden begliChen/Ersatz geregelt Täter verspricht KostenUberna!-,me und / oder Schadensersatz

1 0

8 9 10

6 7

176,

Gericht

3 9 o

~ 2

Ja, Ersatzle1stungen des Täters Ja, Ersatzleistungen Dri tter mit persönlicher Beziehung zum Tater ja, Ersatzleistungen von Versicherungen nein k.A./ent!.

Sofern eine Verurteilung erfolgt ist, sind bereits erbrachte Schadensersa t zle i stungen an den Geschädigten strafmildernd berücksichtigt worden?

o

1t

~ 9 10

8

StA

8@

GRUNDE

Wie haben Staatsanwalt und Gericht Einstellunß, bzw. Zustimmung dazu begründet?

XIV

Sofern Verteidiger oder Aneeklagter Geldzahlungsauflage beantragt hatte, bitte Höhe in DM (k.A./entfällt = 0)

Q I(!Y 11 I I 11 I

D

Hatte Verteidiger bzw. Angeklagter eine bestimmte Auflage beantragt? (wie IT 165)

8

o

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~C1"

~

g. g.

~

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~

~

~

GJ ja

nein

o

k.A./ontfällt

o KOSTEN

nein

~ k.A./entfällt

[i]

[i]

1

Kosten des Verfahrens

2

ffi

1

Kosten der Nebenklage

2

2

2

gutmachung

Angebot der Schadenawieder-

ja im Zusammenhang mit dem

ja

G

k.A.

nein

Hat der Beschuldigte/Angeklagte oder sein Verteidiger eHe Übernahme von Kosten angeboten?"'*

1

seine eigenen notwendigen Auslagen

9

9

9

0

0

0

ganz ~~~l nelln k.A.

Welche Kosten hatte der Beschuldigte/Angeklagte zu tragen?

XVI

ja, unter anderem

ja. ausschließlich

Hat dabei die Nichterfüllung einer BewährungsBuflage zum Widerruf gefUhrt?

G

WIDEkRUF

let eine Aussetzung der Freihei ta- oder Jugendstrafe zur Bewährung widerrufen oder die Verurteilung zu einer zunächst gem. § 59 StGB vorbehaltenen Geldstrafe vorgenommen worden?

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