Aktiengesetz: Lieferung 36 §§ 291-293, 294-299 [4. neu bearb. Aufl.] 9783899498615, 9783899497847

Peter O. Mülbert, Universität Mainz.

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German Pages 464 [314] Year 2012

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Aktiengesetz: Lieferung 36 §§ 291-293, 294-299 [4. neu bearb. Aufl.]
 9783899498615, 9783899497847

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Drittes Buch Verbundene Unternehmen*

ERSTER TEIL Unternehmensverträge

ERSTER ABSCHNITT Arten von Unternehmensverträgen Vorbem zu §§ 291 ff Übersicht Rn I. Gegenstand der §§ 291–299 . . . . . . . II. §§ 291 Abs 1, 292 Abs 1: Unternehmensvertragstypenumschreibungen . . . . . . III. Unternehmensverträge als strukturänderungsgestaltende Schuldverträge . . . . . IV. Numerus clausus der Unternehmensvertragstypen . . . . . . . . . . . . . . V. Europäisches Konzernrecht 1. Rechtsangleichung der nationalen Konzernrechte . . . . . . . . . . . . 2. Konzernrecht der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) . . . . . . . . . . . . a) SE im Vertragskonzern . . . . . . . b) SE bei Unternehmensverträgen des § 292 . . . . . . . . . . . . . . . c) SE im faktischen Konzern . . . . .

1 2 4 7

10 16 17

Rn VI. Internationales Konzernrecht 1. Unternehmensverträge der §§ 291 Abs 1, 292 Abs 1 . . . . . . . . . . . . . . . a) Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge (§ 291 Abs 1) . . . . aa) AG/KGaA als vertragstypisch verpflichtete Partei . . . . . . . bb) Ausländische Gesellschaft als vertragstypisch verpflichtete Partei . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 . . . . . . . . . . . . . . . 2. Faktische Konzerne . . . . . . . . . . 3. Gleichordnungskonzerne . . . . . . .

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Schrifttum I. Allgemeine Literatur Altmeppen Die historischen Grundlagen des Konzernrechts, in: Bayer/Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd II, S 1027; ders Interessenkonflikte im Konzern, ZHR 171 (2007), 320; Bälz Einheit und Vielheit im Konzern, in: FS Raiser, 1974, S 287; ders Verbundene Unternehmen, AG 1992, 277; Bayreuther Wirtschaftlich-existentiell abhängige Unternehmen im Konzern-, Kartellund Arbeitsrecht, 2001; M Becker Die Behandlung des Konzerns nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen im deutschen Recht, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg), S 419; Beuthien Konzernbildung und Konzernleitung kraft Satzung, ZIP 1993, 1589; Binder Beteiligungsführung in der Konzernunterneh*

Herrn Alexander Wilhelm, Herrn Dr. Frank Weißhaupt, Herrn Carsten Tauber, Herrn Dr. Benedikt Schmitz, Frau Eva Bernauer sowie Frau stud.jur. Katharina Niemz und

(1)

Herrn stud.jur. Christopher Kuhn und dem übrigen Lehrstuhlteam danke ich für vielfältige engagierte Unterstützung.

Peter O. Mülbert

Vor §§ 291 ff

Erster Teil. Unternehmensverträge

mung, 1994; ders Beteiligungsstrategien in der Konzernpraxis, AG 1994, 391; Böhm Die Kapitalgesellschaft als Instrument der Unternehmenszusammenfassung, in: Mestmäcker (Hrsg), Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, 1980, S 295; Bundesministerium für Justiz (Hrsg), Bericht über Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980; Bühler Die Rechtsformen der Konzentration und ihre Wertung NJW 1969, 609; Buxbaum Extention of Parent Company Shareholders Rights to Participate in the Governance of Subsidiaries, The American Journal of Comparative Law 1983, 511; Debus Haftungsregelungen im Konzernrecht – eine ökonomische Analyse, 1990; Decher Das Konzernrecht des Aktiengesetzes – Bestand und Bewährung, ZHR 171 (2007), 126; Dettling Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts im Aktiengesetz von 1965, 1997; Ebenroth Die verdeckten Vermögenszuwendungen im transnationalen Unternehmen, 1979; Escher-Weingart Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2000; Flume Die abhängige Aktiengesellschaft und die Aktienrechtsreform, Betrieb 1959, 190; ders Grundfragen der Aktienrechtsreform, in: Gesammelte Schriften, Bd II, 1988, S 123; ders Die konzernrechtliche Gestaltung im Aktienrecht, in: Gesammelte Schriften, Bd II, 1988, S 169; Friedlaender Konzernrecht unter Berücksichtigung der amerikanischen Praxis, 2. Aufl 1954; Görling Die Verbreitung zwei- und mehrstufiger Unternehmensverbindungen, AG 1993, 538; ders Die Konzernhaftung in mehrstufigen Unternehmensverbindungen, 1998; Großfeld Transnationale Unternehmensverfassung?, ZGR 1987, 504; ders Internationales und Europäisches Unternehmensrecht 2. Aufl 1995; Harms Konzerne im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1968; Hofstetter Sachgerechte Haftung für multinationale Konzern, 1995; Hommelhoff Gesellschaftsformen als Organisationselemente im Konzernaufbau, In: Mestmäcker/ Behrens (Hrsg), S 91; Hommelhoff/Hopt/Lutter (Hrsg), Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, 2001; Horn Verträge über internationale Unternehmenszusammenschlüsse, FS Lutter, 2000, S 1113; Immenga Konzernverfassung ipso facto oder durch Vertrag?, EuR 13 (1978), 242; ders Abhängige Unternehmen und Konzerne im europäischen Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), 48; Kalfass Ökonomsiche Analyse der Konzernbildung, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg), S 19; Kalss Alternativen zum deutschen Aktienkonzernrecht, ZHR 171 (2007), 146; Kindler Hauptfragen des Konzernrechts in der internationalen Diskussion, ZGR 1997, 449; Klausing Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien nebst Einführungsgesetz und amtlicher Begründung, 1937; Kolvenbach Bhopal-Storm over Multinationals?, ZGR 1986, 47; Koppensteiner Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971; Lutter Stand und Entwicklung des Konzernrechts in Europa, ZGR 1987, 324; ders Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl 1996; Eyles Die Leitung europäischer Konzerne als Ausfluß der Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften, in: Hennsler ua (Hrsg), Europäische Integration und globaler Wettbewerb, 1993, S 407; Nörr Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts während der Weimarer Republik, ZHR 150 (1986), 155; Ordelheide Der Konzern als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung, BFuP 38 (1986), 293; Prantl Konzernbildung, Konzernrecht und Minderheitenschutz in Deutschland, 1994; Prühs Gesellschaftsrechtliche Probleme internationaler Unternehmen, AG 1973, 395; Rasch Das Ergebnis der Konzentrationsenquête, WuW 1964, 813; Rehbinder Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969; Rosendorff Die rechtliche Organisation der Konzerne, 1927; Schanze Konzernspezifischer Gläubigerschutz: Vergleich der Regelungsansätze, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S 473; Schatz Die Sicherung des Gesellschaftsvermögens und der Gläubigerinteressen im deutschen Konzernrecht, 1980; Scheffler Zur Problematik der Konzernleitung, in: FS Goerdeler, 1987, S 469; ders Controlling im Konzern und Beachtung der rechtlichen Regeln für die Eigenständigkeit der konzernabhängigen juristischen Personen, AG 1991, 256; Schenk Konzernbildung, Interessenkonflikte und ökonomische Effizienz, 1997; K Schmidt Das Konzernbild des deutschen Aktiengesetzes: ein Gruppenbild? – Erfolgsgeheimnis und Wirkungsgrenzen der §§ 15 ff, 298 ff AktG, in: FS Rokas, 2012, S 893; U H Schneider Konzernleitung als Rechtsproblem, BB 1981, 249; ders Der Konzern als Rechtsform für Unternehmen, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S 563; Sonnenschein Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976; Spindler Recht und Konzern, 1993; Studienkommission des Deutschen Juristentages Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts, 1967; Theisen Vorüberlegungen zu einer Konzernunternehmungslehre, DBW 48 (1988), 279; ders Controlling und Konzernrecht, AG 1991, 262; ders Der Konzern, 2. Aufl, 2000; Veelken Der Schutz der Minderheitsgesellschafter in der abhängigen Gesellschaft in rechtsvergleichender Sicht, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internatio-

Stand: 1. Oktober 2012

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Vorbem zu §§ 291 ff

Vor §§ 291 ff

nalen Vergleich, 1991, S 505; Wackerbarth Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001; Westermann Grundfragen der Rechtsfortbildung im Aktienkonzernrecht, in: FS Pleyer, 1986, S 421; Wiedemann The German Experience with the Law of Affiliated Enterprises, in: Hopt (Hrsg), Groups of Comanies in European Law, 1982, S 21; Wiedemann/Hirte Konzernrecht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, S 337; Würdinger Betrachtungen zur Regelung der Konzernverfassung im Entwurf eines Aktiengesetzes, Betrieb 1958, 1447. II. EU-Konzernrecht (V.1.) Forum Europaeum Konzernrecht Konzernrecht für Europa, ZGR 1998, 672; Gäbelein Überlegungen zur Gestaltung eines europäischen Konzernrechts, in: FS Quack, 1991, S 211; Gause Europäisches Konzernrecht im Vergleich, 2000; Gleichmann Bericht über die Arbeiten zur normativen Erfassung des Problems der verbundenen Unternehmen, insbesondere der Konzerne, bei der europäischen Rechtsangleichung und im Rahmen der Schaffung Europäischen Gesellschaftsrechts, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S 581; Großfeld Europäisches Gesellschaftsrecht, WM 1992, 2121; Hauschka Entwicklungslinien und Integrationsfragen der gesellschaftsrechtlichen Akttypen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, AG 1990, 85; Hommelhoff Zum revidierten Vorschlag für eine EG-Konzernrichtlinie, in: FS Fleck, 1988, S 125; ders Konzernrecht für den europäischen Binnenmarkt, ZGR 1992, 121; ders Zwölf Fragen zum Konzernrecht in Europa, ZGR 1992, 422; Hopt (Hrsg), Groups of Companies in European Law, 1982; ders Europäisches Konzernrecht, in: FS Volhard, 1996, S 74; ders Konzernrecht: Die europäische Perspektive, ZHR 171 (2007), 199; Koppensteiner Das Konzernrecht des EWG-Verordnungsentwurfs über eine europäische Aktiengesellschaft aus kollisionsrechtlicher Sicht, RIW/AWD 1970, 433; Langen Der Vorschlag des Europäischen Konzernrechts zur Haftung eines herrschenden Unternehmens, ZRP 1978, 10; Lübking Ein einheitliches Konzernrecht für Europa, 2000; Lutter Stand und Entwicklung des Konzernrechts in Europa, ZGR 1987, 324; ders Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl 1996; Neye Gemeinschaftsrecht und Recht der verbundenen Unternehmen, ZGR 1995, 191; Nowotny Die konzernrechtlichen Vorgaben des europäischen Gesellschaftsrechts, in: Koppensteiner (Hrsg), Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsrecht, Teil 1, 1994, S 395; Slagter Einheitliches Konzernrecht in Europa?, ZGR 1992, 401. III. Konzernrecht der SE (V.2.) Brandi Die Europäische Aktiengesellschaft im deutschen und internationalen Konzernrecht, NZG 2003, 889; Ebert Das anwendbare Konzernrecht der Europäischen Aktiengesellschaft, BB 2003, 1854; Habersack Das Konzernrecht der „deutschen“ SE, ZGR 2003, 724; Hauschka Kontinuität und Wandel im Statut für die Europäische Aktiengesellschaft SE (1989), EuZW 1990, 181; Hommelhoff Zum Konzernrecht in der europäischen Aktiengesellschaft, AG 2003, 179; Jaecks/ Schönborn Die Europäische Aktiengesellschaft, das Internationale und das deutsche Konzernrecht, RiW 2003, 254; Lächler/Oplustil Funktion und Umfang des Regelungsbereichs der SE-Verordnung, NZG 2005, 381; Maul Die faktisch abhängige SE im Schnittpunkt zwischen deutschem und europäischem Recht, 1998; dies in: Theisen/Wenz (Hrsg), Europäische Aktiengesellschaft, 2005, S 465; Veil Das Konzernrecht der europäischen Aktiengesellschaft, WM 2003, 2169; Würdinger Das Konzernrecht des Statuts für Europäische Aktiengesellschaften, Betrieb 1975, 1733. IV. Internationales Konzernrecht (VI.) Bache Der internationale Unternehmensvertrag nach deutschen Kollisionsrecht, 1969; Baierlipp Die Haftung der Muttergesellschaft eines multinationalen Konzers für die Verbindlichkeiten ihrer ausländischen Tochtergesellschaft, 2002; Bärwaldt/Schabacker Wirksamkeitserfordernisse grenzüberschreitender Unternehmensverträge i.S.d. § 291 AktG, AG 1998, 182; Bauschatz Internationale Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, Der Konzern 2003, 805; W Bayer Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, 1988; Behrens Konzernsachverhalte im internationalen Recht, SZIER 2002, 79; Beitzke Internationalrechtliches zur Gesellschaftsfusion, in: FS Hallstein, 1966, S 14; ders Zur Entwicklung des internationalen Konzernrechts, ZHR 138 (1974), 533; Bernstein/ Koch Internationaler Konzern und Unternehmensverträge, 1969; Bicker Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, 2007; Brauer Kollisionsrechtliche Probleme der Konzerne und Unternehmensverträge, 1969; Braun Joint Ventures im amerikanischen und deutschen

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Peter O. Mülbert

§ Vor §§ 291 ff

Erster Teil. Unternehmensverträge

internationalen Privatrecht, 2000; Brunner, Aspekte des internationalen Konzernrechts – eine Fallstudie, in: FS Siehr, 2000, S 113; Ebenroth Konzernkollisionsrecht im Wandel außenwirtschaftlicher Ziele, 1978; Ebenroth/Offenloch Kollisionsrechtliche Untersuchung grenzüberschreitender Ausgliederungen, RIW 1997, 1; Einsele Kollisionsrechtliche Behandlung des Rechts verbundener Unternehmen, ZGR 1996, 40; Feddersen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge über die Grenze, in: U H Schneider (Hrsg), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S 127; Göthel Joint Ventures im internationalen Privatrecht, 1999; ders Internationales Privatrecht des Joint Ventures, RIW 1999, 566; Großfeld/Kötter Zum Internationalen Privatrecht des Gleichordnungskonzerns, IPRax 1983, 60; Hahn Grenzüberschreitende Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge, IPRax 2002, 107; Immenga Internationales Konzernrecht – deutsche Perspektiven, in: Nobel (Hrsg), Internationales Gesellschaftsrechts, 1998, S 117; Immenga/Klocke Konzernkollisionsrecht, ZSchwR 92 (1973), 27; Kaiser Weltweite Haftung transnationaler Unternehmen für Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaften, RIW/AWD 1988, 589; Keck Nationale und internationale Gleichordnungskonzerne im deutschen Konzern- und Kollisionsrecht, 1998; Klocke Deutsches Kollisionsrecht und seine Substitutionsprobleme, 1974; Kronke Grenzüberschreitende Personengesellschaftskonzerne – Sachnormen und Internationales Privatrecht, ZGR 1989, 473; Luchterhandt Deutsches Konzernrecht bei grenzüberschreitenden Konzernverbindungen, 1971; Mann Bemerkungen zum internationalen Privatrecht der Aktiengesellschaft und des Konzerns, in: FS Barz, 1974, S 219; Maul Probleme im Rahmen von grenzüberschreitenden Unternehmensverbindungen, NZG 1999, 741; Meilicke Korporative Versklavung deutscher Aktiengesellschaften durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gegenüber inländischen und ausländischen Unternehmen, in: FS Hirsch, 1968, S 99; Mestmäcker/Behrens (Hrsg), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S 473; Neumayer Betrachtungen zum internationalen Konzernrecht, ZVglRWiss 1984, 129; Prühs Gesellschaftsrechtliche Probleme internationaler Unternehmen, AG 1973, 395; Rohr Der Konzern im IPR unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes der Minderheitsaktionäre und der Gläubiger, 1983; Selzner/Sustmann Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, Der Konzern 2003, 85.

I. Gegenstand der §§ 291–299 1

Mit den Normen des ersten Abschnitts des Dritten Buches wollte der Gesetzgeber der Aktienrechtsreform 1965 ein einheitliches Konzern(vertrags)recht schaffen. Die mit „Unternehmensverträge“ überschriebenen §§ 291–299 enthalten das Recht der vertraglichen Unternehmensverbindungen. In vier Abschnitte untergliedert regeln sie die folgenden Gegenstände: Arten von Unternehmensverträgen (§§ 291–292), Abschluss, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen (§§ 293–299), Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger (§§ 300–303), Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304–307). Thematisch zugehörig ist ferner der erste Abschnitt des zweiten Teils (§§ 308–310), der besondere Bestimmungen zu Leitungsmacht und Verantwortlichkeit unter Konkretisierung des in § 291 Abs 1 S 1 Alt 1 beschriebenen Vertragsinhalts implementiert1.

II. §§ 291 Abs 1, 292 Abs 1: Unternehmensvertragstypenumschreibungen 2

Der vom AktG 1965 neu eingeführte Begriff „Unternehmensverträge“ fungiert als Sammelbezeichnung2 für die in den §§ 291, 292 aufgeführten Vertragstypen. Eine klassifikatorische Begriffsdefinition oder die Beschreibung eines Vertragstypus im Sinne eines

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Hüffer10 § 308, 1.

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Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376.

Stand: 1. Oktober 2012

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Vorbem zu §§ 291 ff

Vor §§ 291 ff

rechtlichen Strukturtypus soll dieser Begriff trotz der an eine Definition gemahnenden Eingangsformulierung der §§ 291 Abs 1 Satz 1, 292 Abs 1 „Unternehmensverträge sind …“ aber nicht leisten. Denn als einzige Gemeinsamkeit aller Vertragstypen der §§ 291, 292 erkannte der Gesetzgeber, dass der Abschluss dieser Verträge mit besonderen Sicherungen für die Aktionäre und Gläubiger verbunden sei; eine Änderung der Struktur des Unternehmens trete nur typischerweise, nicht aber in jedem Einzelfall ein.3 Was die verschiedenen Arten von Unternehmensverträgen anbelangt, sind die §§ 291 3 Abs 1, 292 Abs 1 formal ebenfalls als Definitionsnormen konzipiert. Deren jeweilige Begriffsmerkmale liefern gleichwohl keine klassifikatorische Definition der verschiedenen Unternehmensverträge. Vielmehr dienen sie der Charakterisierung von Vertragstypen im Sinne rechtlicher Strukturtypen. Der Betriebspachtvertrag des § 292 Abs 1 Nr 3 ist lediglich ein Pachtvertrag iS der §§ 561 ff BGB mit einem besonderen Pachtgegenstand, nicht eine besondere Vertragsform mit einer gegenüber dem Vertragstyp „Pacht“ enger definierten Pflichtenstruktur. Ihrer typuscharakterisierenden Funktion entsprechend müssen die einzelnen Begriffsmerkmale nicht notwendig stets sämtlich vorliegen, sind abstufbar und häufig auch substituierbar,4 und sind unter den leitenden Wertungsgesichtspunkten zu würdigen, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, an die Unternehmensverträge des § 291 gerade die besonders strengen Rechtsfolgen der §§ 293 ff, 300 f, 302 f, 304 f und an die Unternehmensverträge des § 292 die besonderen Rechtsfolgen der §§ 293 ff, 300 f, 302 Abs 2 zu knüpfen.5

III. Unternehmensverträge als strukturänderungsgestaltende Schuldverträge Die Unternehmensverträge der § 291 und § 292 weisen nach hM keine allen gemein- 4 samen Elemente auf. Der Gesetzgeber selbst konnte keine materiellen Gemeinsamkeiten zwischen den Verträgen erkennen; gemeinsam sei ihnen lediglich, dass der Vertragsschluss jeweils mit besonderen Sicherungen für die Aktionäre und Gläubiger verbunden ist.6 In Rechtsprechung und Schrifttum hat sich (auch) vor diesem Hintergrund insbesondere eine kategoriale Unterscheidung zwischen den Unternehmensverträgen des § 291 Abs 1 und denen des § 292 durchgesetzt: Beherrschungs- und auch Gewinnabführungsverträge des § 291 Abs 1 werden als einer Satzung vergleichbare Organisationsverträge (§ 291, 20) die Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 als Austauschverträge (§ 292, 7) mit Dauerschuldcharakter qualifiziert. Den Verträgen des § 292 Abs 1 im Besonderen werden durchgängige Übereinstimmungen dagegen kaum je zugeschrieben, insbesondere wird die Charakterisierung als (auch) Organisationsvertrag zumeist dem Betriebspachtund Betriebsüberlassungsvertrag (Nr 3) vorbehalten (§ 292, 10). Darüber hinaus ist sogar die durchgängige Charakterisierung als Austauschverträge mit einem gewissen Vorbehalt zu versehen. Bei der Gewinngemeinschaft (Nr 1) handelt es sich nämlich stets um eine stille Gesellschaft (§ 292, 62) und der Teilgewinnabführungsvertrag (Nr 2) kann je nach konkreter Vertragsgestaltung im Einzelfall als atypische stille Gesellschaft zu qualifizieren sein (§ 292, 95).

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Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft3, S 42; Pawlowski Methodenlehre für Juristen2 146 ff.

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Vgl Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft3, S 43. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376.

Peter O. Mülbert

Vor §§ 291 ff

Erster Teil. Unternehmensverträge

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Die rechtsqualitative Scheidung der Unternehmensverträge des § 291 von denen des § 292 ist jedenfalls für den Gewinnabführungsvertrag nicht zu rechtfertigen.7 Bei Vereinbarung der Abführung des gesamten Jahresgewinns handelt es sich um einen Gewinnabführungsvertrag iS des § 291 Abs 1. Lautet die Gewinnabführungsverpflichtung „Jahresgewinn minus ein Cent“, liegt ein Teilgewinnabführungsführungsvertrag unabhängig davon vor, ob die Parteien ein Entgelt vorgesehen haben; das Vorliegen einer angemessenen Gegenleistung ist lediglich für die aktienrechtliche Rechtmäßigkeit maßgeblich (§ 292, 83), also für die Anwendung der §§ 57, 58, 62 AktG bei einem Teilgewinnabführungsvertrag mit einem Aktionär beziehungsweise die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 im Falle eines Nichtaktionärs. Dass die Differenz von einem Cent im Umfang der Gewinnabführungsverpflichtung dazu führen könnte, dass zwei kategorial unterschiedliche Vertragstypen – satzungsgleicher Organisationsvertrag oder schuldrechtliches Dauerschuldverhältnis – vorliegen, ist nicht ersichtlich. Soweit die Gesetzesbegründung dem Gewinnabführungsvertrag eine Sonderstellung zuweist, weil er sich vom Teilgewinnabführungsvertrag seinem Wesen nach grundsätzlich unterscheide,8 bewendet es bei dem formelhaften Hinweis, dass (auch) er als rechtliche Konzerngrundlage in der Verfassung der Aktiengesellschaft selbst und in das Rechtsverhältnis der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter eingreife.9 Zutreffend an dieser Sonderstellungsthese war freilich nur, dass die steuerliche Organschaft nur durch die Verpflichtung zur Abführung des gesamten Gewinns – gekoppelt mit einer Beherrschungsabrede (§ 291, 57) – zu begründen war. Im Übrigen aber wirkt sich diese (Ein-Cent-)Differenz lediglich insoweit aus, als eines von zwei sehr unterschiedlich ausgestalteten Rechtsfolgenregimes zur Sicherung der Rechte der außenstehenden Aktionäre und der Gläubiger zur Anwendung berufen ist: die §§ 300 ff, §§ 304, 305 im Falle eines Gewinnabführungsvertrags, die allgemeinen aktienrechtlichen Regeln und die §§ 311 ff beim Teilgewinnabführungsvertrag. Ins Allgemeine gewendet bedeutet dies, dass sich die Unternehmensverträge des § 292 nicht in ihrer Rechtsnatur, sondern lediglich hinsichtlich des jeweils zur Anwendung berufenen Rechtsfolgenregimes unterscheiden. Die danach gebotene einheitliche rechtsqualitative Zuordnung der Unternehmens6 verträge der §§ 291, 292 hat an der einheitlichen Funktion des nach § 293 Abs 1 durchweg erforderlichen Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung anzusetzen. Dieser materiell satzungsändernde Beschluss modifiziert das durch Gesetz und Satzung konturierte Regelungsstatut der Gesellschaft mehr oder minder umfänglich und stellt hierdurch sicher, dass die im Außenverhältnis unternehmensvertraglich begründeten Pflichten der Gesellschaft im Einklang mit ihrer Zweck-, Organisations- und Finanzverfassung stehen, weswegen der Unternehmensvertrag im Außenverhältnis auch erst mit Vorliegen des Zustimmungsbeschlusses wirksam wird. Dieser für alle Verträge der §§ 291, 292 einheitliche Mechanismus begründet die einheitliche Qualifizierung aller Unternehmensverträge der §§ 291, 292 als einem strukturänderungsgestaltenden Schuldvertrag, der Regelungen auf drei (§ 291) beziehungsweise zwei (§ 292) Ebenen tritt: Er begründet eine Leistungspflicht der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft, die Modifikationen deren Regelungsstatuts erforderlich macht, und zeichnet hierdurch zugleich – insoweit dem umwandlungsrechtlichen Verschmelzungsvertrag vergleichbar – die Inhalte des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 als dem die Änderungen des Regelungsstatuts der Gesellschaft bewirkenden korporationsrechtlichen Rechtsgeschäft

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In der Tendenz auch Beuthien ZIP 1993, 1589, 1593.

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Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376.

Stand: 1. Oktober 2012

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Vorbem zu §§ 291 ff

Vor §§ 291 ff

inhaltlich vor; Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gestalten zudem die mit der Strukturänderung entstehenden Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der außenstehenden Aktionäre (§§ 304 f) aus. Zum Ganzen näher § 291, 21 ff, § 292, 11, § 293, 44 ff.

IV. Numerus clausus der Unternehmensvertragstypen Die §§ 291, 292 schreiben nach legislatorischer Intention zwei abschließende Enume- 7 rativkataloge von Vertragstypen fest – Unternehmensverträge iS des § 291, andere Unternehmensverträge iS des § 292 –, bei denen eines der beiden Regelungsregime zwingend eingreift.10 Für diesen zweifachen numerus clausus der Unternehmensvertragstypen spricht regelungstechnisch schon die Unterstellung des dem Gewinnabführungsvertrag vergleichbaren Geschäftsführungsvertrags unter das Regelungsregime des Gewinnabführungsvertrags im Wege einer gesetzlichen Fiktion (§ 291 Abs 1 Satz 2). An sich macht es nämlich keinen wesentlichen Unterschied, ob ein Gewinn oder Verlust bei der Untergesellschaft zunächst entsteht und sodann von der Obergesellschaft kraft Gewinnabführungsvertrag beziehungsweise gesetzlicher Verlustausgleichspflicht übernommen wird, oder ob das Geschäftsergebnis von vornherein bei dem anderen Vertragsteil anfällt, für dessen Rechnung das Unternehmen geführt wird (§§ 667, 670 BGB).11 Dass das Gesetz das Regelungsregime des Gewinnabführungsvertrags gleichwohl im Wege der Fiktion zur Anwendung beruft, statt dessen entsprechende Anwendung vorzusehen oder eine Analogie hierzu jedenfalls offen zu lassen, lässt sich angesichts der funktionalen Vergleichbarkeit der beiden Vertragstypen sinnstiftend nur mit der Annahme erklären, dass der legislatorisch vorausgesetzte numerus clausus der Unternehmensverträge die ansonsten gebotene Analogie zum Gewinnabführungsvertrag unterbindet. Unter Wertungsaspekten sprechen Rechtssicherheitsinteressen ebenfalls für einen numerus clausus. Diesem Interesse kommt angesichts des außenwirksamen Zustimmungserfordernisses des § 293 Abs 1 und vor allem angesichts des strengen Rechtsfolgenregimes zum Schutze der verpflichteten Gesellschaft (§§ 302 f) und deren außenstehenden Aktionären (§§ 304 f) im Falle von Unternehmensverträgen des § 291 besonderes Gewicht zu. Als Konsequenz dieses zweifachen numerus clausus bedarf es zum einen einer klaren 8 Abgrenzung der Unternehmensverträge von Nicht-Unternehmensverträgen,12 da sich

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Einen numerus clausus der Unternehmensvertragstypen bejahend MünchKommAktG/ Altmeppen3 § 291, 40 mit Fn 198; Geßler/ Geßler § 291, 15; Baumbach/Hueck13 § 291, 1; v Godin/Wilhelmi 4 Vor §§ 291 bis 328 Anm 14; Ballerstedt ZHR 137 (1973), 388, 392 f; Würdinger Aktien- und Konzernrecht4, S 303; Heidel/Peres3 6, 11; aA Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht, 1982, S 86; Spindler/Stilz/Veil 2 42 f; Veil Unternehmensverträge, 2003, S 224 ff; Hirte, ZHR 170 (2006), 203, 209; MünchHdbAG/Krieger 3 § 72, 4; Bachmayr BB 1967, 135, 137; Martens Die existentielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S 26 mit Fn 33; auch Emmerich/Habersack2 § 292, 7; KK/Koppensteiner 3 162; indem sie eine analoge/

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entsprechende Anwendung der §§ 291 f diskutieren. AusschussB in: Kropff AktG, S 377; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 176; Emmerich/Habersack6 § 291, 67; Emmerich/ Habersack9 § 12, 21; Hüffer10 § 291, 30; KK/Koppensteiner3 § 291, 82; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 9; Geßler DB 1965, 1691, 1693; Oesterreich Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S 58 f; SchulzeOsterloh ZGR 1974, 427, 452; DJT-Konzernrecht Rn 126; Knepper BB 1982, 2061, 2063. Dazu Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 13 ff; Dierdorf Herrschaft und Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft auf schuld-

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Vor §§ 291 ff

Erster Teil. Unternehmensverträge

eine analoge Anwendung des Unternehmensvertragsrechts im Sinne einer Rechtsinstitutsanalogie verbietet. Lässt sich ein Vertrag nicht als Unternehmensvertrag iS des § 291 Abs 1 oder als ein solcher iS des § 292 Abs 1 qualifizieren, scheidet eine analoge Anwendung eines der beiden Regelungsregimes aus.13 Zulässig bleiben lediglich eine extensive Auslegung der jeweiligen Typusbegriffsmerkmale sowie punktuelle Einzelanalogien zu einzelnen Vorschriften, insbesondere den §§ 302 f. Zum anderen bedarf es angesichts der gravierenden Unterschiede der Rechtsfolgen9 regimes auch einer klaren Binnenabgrenzung der Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 von den anderen Unternehmensverträgen des § 292 Abs 2. Eine besondere Herausforderung bildet dabei die tatbestandliche Abgrenzung des Beherrschungsvertrags von Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen (dazu § 291, 123 ff). Was schließlich die Subsumtion eines konkreten Vertrags unter einen der Unternehmensvertragstypen der §§ 291 Abs 1, 292 Abs 1 anbelangt, ist hierfür im Unternehmensvertragsrecht durchgängig nicht die allenfalls indizielle oder auch ganz unerhebliche Vertragsbezeichnung maßgeblich, sondern eine materielle Betrachtung der Vertragsinhalte nach objektiven Kriterien. S § 291, 75, 151, § 292, 60, 80, 87, 119, § 293, 69.

V. Europäisches Konzernrecht 1. Rechtsangleichung der nationalen Konzernrechte

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Zu einer Vereinheitlichung oder Angleichung des (Gesellschafts-)Konzernrechts in der EU ist es – abgesehen von Einzelregelungen – bislang nicht gekommen.14 Ein erster Vorentwurf der Europäischen Kommission für eine Konzernrechtsrichtlinie folgte mit der Anknüpfung an den Tatbestand der einheitlichen Leitung zunächst dem Modell einer sog organischen Konzernverfassung.15 Ein im Grundsätzlichen geänderter weiterer Vorentwurf sah sodann – in Annäherung an das geltende deutsche Konzernrecht – eine Differenzierung zwischen vertraglicher und vertragsloser Konzernierung vor.16 Zur Vorlage eines Entwurfs einer Konzernrechtsrichtlinie kam es jedoch nicht mehr, nachdem die Kommission das Vorhaben einer Konzernrechtsangleichung in der Zwischenzeit endgültig aufgegeben hatte. Dieses Scheitern wird mitunter darauf zurückgeführt, dass schon im Grundsätzlichen keine Einigkeit über die Notwendigkeit eines europäischen Konzernrechts bestand, etwa weil in Abrede gestellt wird, dass zwischen der Macht eines bloßen

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vertraglicher und tatsächlicher Grundlage, 1978, S 127 ff. AA – analoge Anwendbarkeit annehmend – KK/Koppensteiner3 162, § 291, 25 ff (Umqualifizierung einschlägiger Verträge zu Beherrschungsverträgen); differenzierend Veil Unternehmensverträge, S 227 ff; Hüffer 10 § 291, 14; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 25 ff; vgl für den Parallelzusammenhang des § 361 BGHZ 83, 122, 129 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158; Rehbinder ZGR 1983, 92, 95; H P Westermann ZGR 1984, 352, 359 f; Timm AG 1980, 172, 177; offen MünchHdbAG/Krieger 2 § 72, 12.

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Dazu Hirte in diesem Kommentar, § 300, 12 ff; ausführlich Hopt ZHR 171 (2007) 199, 213. Vorentwurf einer 9. Richtlinie zum Gesellschaftsrecht (Konzernrechtsrichtlinie), abgedruckt bei Lutter Europäisches Gesellschaftsrecht2, S 187 ff; s hierzu Wiedemann/Hirte Festgabe 50 Jahre BGH, S 337, 367. Entwurf einer neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1984 (Konzernrechtsrichtlinie), abgedruckt bei Lutter Europäisches Unternehmensrecht4, S 244 ff; s Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, § 4, 15.

Stand: 1. Oktober 2012

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Vorbem zu §§ 291 ff

Vor §§ 291 ff

Mehrheitsgesellschafters und der einer Konzernobergesellschaft keine signifikanten Unterschiede bestehen.17 Zudem werden Unternehmensverbindungen in den einzelnen Mitgliedstaaten rechtlich sehr unterschiedlich behandelt, was die Findung eines politischen Konsenses ebenfalls erschwerte. In der EU verfügen neben Deutschland gegenwärtig nur Portugal, Italien, Ungarn, Slowenien und Tschechien über ein (teil)kodifiziertes Konzernrecht.18 In den weiteren Mitgliedstaaten existieren nur sehr vereinzelte Regelungen beziehungsweise werden konzernrechtliche Probleme mit den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Instituten bewältigt.19 Vereinheitlichte EU-weite Konzernrechtsregeln finden sich derzeit nur außerhalb des 11 Gesellschaftskonzernrechts. Hinzuweisen ist insoweit auf die aufsichtsrechtlichen Regelungen für Kreditinstitute, Versicherungen und Wertpapierdienstleistungsinstitute sowie das Konzernbilanz- und -prüfungsrecht.20 Weitere Regelungen, die einen Konzernbezug aufweisen, finden sich in der Kapital-Richtlinie21, der Übernahme-Richtlinie22 und der Transparenz-Richtlinie.23/24. Nach dem Scheitern der Konzernrechtsrichtlinie wurde das Anliegen einer Vollharmo- 12 nisierung in der europäischen Diskussion aufgegeben und stattdessen die politisch eher zu realisierende Standardisierung von Einzelaspekten des Konzernrechts in den Blick genommen. Zunächst entwickelte das Forum Europaeum Konzernrecht, eine internationale Forschungsgruppe, Regulierungsvorschläge für eine Kernbereichsharmonisierung des Konzernrechts, unter anderem zum Konzerneingangs- und Konzernausgangsschutz, zur Herstellung von Transparenz der Konzernbeziehungen und zu den Verhaltenspflichten im Konzern.25 Die von der Europäischen Kommission eingesetzte High Level Group of Company Law Experts lehnte sodann die Schaffung eines vollharmonisierten Konzernrechts ebenfalls ab und sprach sich für eine Implementierung konzernrechtlicher Problemstellungen in die bereits bestehenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen aus.26 Dazu zählen Regelungen zur Transparenz der Unternehmensgruppe, zu den Konflikten zwischen dem Interesse des Konzerns und seiner Teile sowie zu Pyramidenstrukturen.27 Die Europäische Kommission ihrerseits kündigte im Aktionsplan „Modernisierung 13 des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“ im Anschluss an die Empfehlungen der High Level Group dann an, keinen weiteren Versuch einer Konzernrechtsrichtlinie zu unternehmen,28 und machte damit die

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So die verbreitete Ansicht in angelsächsischen Rechtsordnungen, s Hopt ZHR 171 (2007) 199, 202 f mwN. S Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, § 4, 16. KK/Koppensteiner3 115 ff; Spindler/Stilz/ Veil 2 53. Regelungen hierzu finden sich in den Richtlinien 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute; 98/78/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen in einer Versicherungs- oder Rückversicherungsgruppe; 2002/87/EG; 2006/43/EG und 2006/46/EG sowie in der IAS-Verordnung vom 19.7.2002 (ABl EG Nr L 243/1). S eingehend hierzu Hopt ZHR 171 (2007), 199, 206 f mwN.

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Richtlinie 2006/68/EG. Richtlinie 2004/25/EG. Richtlinie 2004/109/EG, zuletzt geändert durch Richtlinie 2008/22/EG. Zur konzernrechtlichen Bedeutung dieser Richtlinien Emmerich/Habersack9 § 1, 46. Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672 ff. High Level Group of Company Law Experts Bericht über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa vom 4.11.2002, S 17 ff, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/ company/docs/modern/report_de.pdf. High Level Group of Company Law Experts S 113 ff. Europäische Kommission Aktionsplan vom 21.5.2003 S 21 ff, abrufbar unter:

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Vor §§ 291 ff

Erster Teil. Unternehmensverträge

Abkehr von einem vollharmonisierten Konzernrecht offiziell. In Aussicht genommen wurde lediglich eine Kernbereichsharmonisierung des Konzernrechts insbesondere im Hinblick auf Gruppentransparenz und -struktur sowie der Schaffung einer Rahmenregelung, „wonach die Leitung eines Konzernunternehmens eine abgestimmte Konzernpolitik festlegen und umsetzen darf, sofern die Interessen seiner Mitglieder wirkungsvoll geschützt werden“.29 Zu einer umfassenden Umsetzung dieses Aktionsplans ist es bislang allerdings nicht gekommen.30 14 Ein im April 2011 von der Kommission vorgelegtes Grünbuch zu einem Europäischen Corporate Governance Rahmen erörtert nunmehr Möglichkeiten eines verbesserten Minderheitenschutzes und die Verhinderung des Missbrauchs einer Mehrheitsbeteiligung und somit punktuelle Regelungen eines einheitlichen Konzernrechts.31 15 Zeitgleich veröffentlichte die von der Kommission eingesetzte Reflection Group ihren „Report on the Future of EU Company Law“.32 Darin spricht sie sich für die Schaffung einer grenzüberschreitenden Mobilität von Konzernen aus. Sie empfiehlt der Kommission zu prüfen, ob die Anerkennung des Konzerninteresses auf EU-Ebene zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität beitragen kann, sowie die Schaffung einer neuen Richtlinie beziehungsweise die Anpassung der 12. Gesellschaftsrechtsrichtlinie zur Einführung einer vereinfachten Vorlage für Einpersonengesellschaften.33 Weiterhin beschäftigte sich die Reflection Group mit der Transparenz von Konzernen. Grundsätzlich erachtet sie die bestehenden Regelungen für ausreichend, empfiehlt jedoch, dass die Kommission die Anlegerfreundlichkeit des Zugangs zu Grundinformationen über die Konzernstrukturen prüft.34

2. Konzernrecht der Europäischen Aktiengesellschaft (SE)

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Die Fähigkeit der SE, Beteiligte einer Unternehmensverbindung iS des § 15 zu sein (Konzernrechtsfähigkeit), ist allgemein anerkannt35 und wird auch von den Erwägungsgründen 10 und 11 der SE-VO36 vorausgesetzt. Jedoch gibt es für die SE kein eigenes Unionskonzernrecht. Die SE-VO enthält mit Ausnahme der den Konzernabschluss betreffenden Art 61, 62 keine konzernrechtlichen Regelungen.37 Vielmehr ist das nationale Recht des Sitzstaates der SE zur Anwendung berufen.38 Ob die Geltung des nationa-

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http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=COM:2003:0284: FIN:DE:PDF. S Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, § 4, 34; Hopt ZHR 171 (2007) 199, 213. S Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht 4, § 4, 34; umfassend Geens/Hopt (eds), The European Company Law Action Plan Revisited, 2010. Grünbuch Europäischer Corporate-Governance-Rahmen, KOM (2011) 164/3, S 19 f. Reflection Group Report on the Future of EU Company Law vom 5.4.2011, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_ market/company/docs/modern/ reflectiongroup_report_en.pdf. Reflection Group S 59–67.

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Reflection Group S 68–75. Habersack ZGR 2003, 724, 725 ff; KK/Koppensteiner3 131; Lutter/Hommelhoff Die Europäische Gesellschaft, S 20; Hommelhoff AG 2003, 179 f; Maul Die faktisch abhängige SE, S 33 ff, 126 ff; dies in: Theisen/ Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 465; Brandi NZG 2003, 889, 890, 896; Jaecks/Schönborn RIW 2003, 254 ff; Veil WM 2003, 2169. 36 Verordnung (EG) Nr 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001, ABl. Nr L 294/1 v. 10.11.01. 37 MünchKommAktG/Altmeppen3 SE-VO Art. 9 Anh, 9; Habersack ZGR 2003, 724, 725 f. 38 Hierzu Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, § 13, 11, 49. 35

Stand: 1. Oktober 2012

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Vorbem zu §§ 291 ff

Vor §§ 291 ff

len Konzernrechts auf der Generalverweisungsnorm des Art 9 Abs 1 lit c) ii) SE-VO39 fußt oder – wegen des fehlenden konzernrechtlichen Regelungsgehaltes der SE-VO – auf dem Umweg über das allgemeine Kollisionsrecht40 zum Tragen kommt, führt dabei zum gleichen Ergebnis: Für den Fall eines grenzüberschreitenden Konzerns unter Beteiligung einer abhängigen SE findet das Konzernrecht des Staates Anwendung, in dem die abhängige Gesellschaft ihren Sitz hat.41 a) SE im Vertragskonzern. Eine in Deutschland ansässige SE ist als anderer Vertrags- 17 teil eines Beherrschungsvertrags unstreitig zulässig.42 Für sie gelten die Regelungen der §§ 291 ff, wenn es sich bei dem Tochterunternehmen um eine deutsche SE (Rdn 16) oder einen anderen Rechtsträger mit Sitz in Deutschland (Rdn 26) handelt, der sich beherrschungsvertraglich konzernieren lässt (§ 293, 99).43 Hat das Tochterunternehmen seinen Sitz im Ausland, greifen die §§ 291 ff nicht ein (Rdn 16, 26). Die Anwendung der konzernrechtlichen Regelungen ist unproblematisch. Die herrschende SE kann dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft insbesondere nach § 308 Abs 1 Weisungen erteilen (dazu Hirte, in diesem Kommentar, § 308, 73) und ist im Gegenzug zur Verlustübernahme nach § 302 und zum Ausgleich nach § 304 verpflichtet. Eine beherrschungsvertraglich konzernierte SE ist nach ganz hM zulässig.44 Das lässt 18 sich auch nicht unter Hinweis darauf in Abrede stellen, dass die Weisungsgebundenheit der abhängigen Gesellschaft gemäß § 308 Abs 2 mit dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung nach Art 39 Abs 1 SE-VO unvereinbar ist oder/und dass § 291 Abs 3 dem Art 5 SE-VO widerspricht, der den Grundsatz der Kapitalerhaltung normiert.45 Diese Einwände gehen nämlich daran vorbei, dass die Erwägungsgründe 15 und 16 der SE-VO explizit die Möglichkeit eines Abhängigkeitsverhältnisses der SE anerkennen und diesen Komplex durch die Anwendung mitgliedstaatlichen Rechts ausgefüllt wissen wollen.46 Art 39 Abs 1 und Art 5 SE-VO zielen mithin nicht spezifisch auf Konzernsachverhalte; vielmehr geht es diesen Normen – entsprechend den einfach-gesetzlichen §§ 57 ff und § 76 – um die unverbundene Gesellschaft.47 Im Falle der Konzerneinbindung der SE werden diese Regelungen indes durch die speziellen deutschen konzernrechtlichen Regelungen überlagert.48 Dementsprechend anerkennt auch das SEAG die abhängige SE als zulässige Erscheinungsform, indem § 49 SEAG spezielle Regelungen für die Anwendung

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Maul in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 466; Lächler/Oplustil NZG 2005, 381, 386; KK/Koppensteiner3 131; KK/Paefgen Schlussanh II, Konzernrecht der SE, 19 ff. So etwa Habersack ZGR 2003, 724, 727 f; Jaecks/Schönborn RIW 2003, 254, 255; Casper in: FS Ulmer 2003, S 51, 67; Ebert BB 2003, 1854, 1856; Veil WM 2003, 2169, 2173. Binder/Jünemann/Merz/Sinewe Die Europäische Aktiengesellschaft (SE), S 300; Brandi NZG 2003, 889, 891. Habersack ZGR 2003, 724, 741 f; Veil WM 2003, 2169, 2170; Brandi NZG 2003, 889, 891 f; Hommelhoff AG 2003, 179, 183. Maul in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 467; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht 4, § 13, 49.

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Emmerich/Habersack9 § 1, 46 f; Habersack ZGR 2003, 724, 737 ff; Veil WM 2003, 2169, 2170; Brandi NZG 2003, 889, 892 f; MünchKommAktG/Altmeppen3 SE-VO Art 9 Anh 23 ff mwN. So aber Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S 19 f; ders AG 2003, 179, 182 f. Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, § 13, 49. LG München I ZIP 2011, 1511, 1512; MünchKommAkt/Altmeppen3 SE-VO Art 9 Anh 27; Maul in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 468; Brandi NZG 2003, 889, 893; Emmerich/Habersack9 § 1, 46. MünchKomAktG/Altmeppen3 SE-VO Art 9 Anh 27 f.

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Vor §§ 291 ff

Erster Teil. Unternehmensverträge

des Konzernrechts im monistischen Modell trifft.49 Diese Vorschriften betreffend den Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Minderheitsaktionäre und Gläubiger finden insbesondere auch dann Anwendung, wenn es sich um einen grenzüberschreitenden Konzern mit einer deutschen Tochter-SE handelt (schon Rdn 16).50 Die Anwendung des Vertragskonzernregimes, insbesondere des Weisungsrecht gemäß 19 § 308, birgt bei der dualistisch organisierten SE keine Umsetzungsschwierigkeiten. Das herrschende Unternehmen kann dem Vorstand der beherrschungsvertraglich gebundenen SE gemäß § 308 Abs 1 Weisungen erteilen und ist seinerseits zur Verlustübernahme nach § 302 und zum Ausgleich nach § 304 verpflichtet. Der Anpassung bedürfen die konzernrechtlichen Regelungen für die beherrschungsvertraglich konzentrierte SE mit monistischer Struktur insoweit, als Weisungsempfänger gemäß § 308 die geschäftsführenden Direktoren sind, von denen die Weisungen auszuführen sind, § 49 Abs 1 SEAG.51

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b) SE bei Unternehmensverträgen des § 292. Die Möglichkeit einer SE, Unternehmensverträge nach § 292 als vertragstypisch verpflichtete Partei abzuschließen, besteht aus den oben genannten Gründen erst recht. Der Abschluss eines solchen Vertrags ist mit weniger einschneidenden Rechtsfolgen verbunden als in den Fällen des § 291, sodass die gegen den Abschluss eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags vorgebrachten Einwendungen schon im Ansatz nicht durchgreifen.52

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c) SE im faktischen Konzern. Die SE kann als herrschende oder abhängige Gesellschaft in einen faktischen Konzern eingebunden werden.53 Der Anwendbarkeit des § 311 auf die abhängige SE widerspricht auch nicht das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in der SE-VO betreffend der Anerkennung des Konzerninteresses auf Kosten des Eigeninteresses der Gesellschaft.54 Dieser Einwand geht daran vorbei, dass die Regelungen der SE-VO keinen Konzernrechtsbezug aufweisen (Rdn 16, 18). Zudem ist zu bedenken, dass dem Vorstand der abhängigen SE nach § 311 lediglich die Möglichkeit eröffnet ist, im Konzerninteresse ein nachteiliges Rechtgeschäft einzugehen, jedoch keine Pflicht hierzu besteht. Der SE-VO ist nicht zu entnehmen, dass sie diese Möglichkeit zu unterbinden wünscht.55 Demgegenüber ist die Anwendung der Vorschriften bezüglich des Abhängigkeitsberichts und dessen Prüfung gemäß §§ 312 ff aufgrund ihres gesteigerten Schutzes der Minderheitsaktionäre und Gläubiger unumstritten.56 Die deutsche abhängige SE unterliegt dem deutschen Recht auch bei Einbindung in 22 einen grenzüberschreitenden Konzern (Rdn 16). Folglich ist in diesem Fall die herrschende Gesellschaft, unabhängig von ihrem Sitz, den Ansprüchen bezüglich des Nachteilsausgleichs gemäß § 311 und der Haftung gemäß § 317 ausgesetzt. Umgekehrt gelten die §§ 311 ff für eine deutsche herrschende SE nur, wenn die Tochtergesellschaft eine in

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Maul in: Theisen/WenzDie Europäische Aktiengesellschaft2, S 467; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht2, S 364. Maul in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 498 ff. Dazu Hirte, in diesem Kommentar, § 308, 74 f; Maul in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 487; MünchKommAktG/Altmeppen3 SE-VO Art 9 Anh 31. Von der Anwendbarkeit ohne weiteres ausgehend MünchKommAktG/Altmeppen3

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SE-VO 25, 45; KK/Paefgen Bd 8/2, Schlussanh II, Konzernrecht der SE, 59. Brandi NZG 2003, 889, 894; Binder/ Jünemann/Merz/Sinewe Die Europäische Aktiengesellschaft (SE), S 300; Emmerich/ Habersack9 § 1, 47 f. AA Hommelhoff AG 2003, 179, 183. Maul in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 468. Brandi NZG 2003, 889, 894; Hommelhoff AG 2003, 179, 183.

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Vorbem zu §§ 291 ff

Vor §§ 291 ff

Deutschland ansässige SE oder AG (Rdn 30) ist.57 Gemäß den §§ 41, 49 SEAG sind die §§ 311 ff sowohl auf eine SE mit dualistischer als auch monistischer Führungsstruktur anzuwenden.

VI. Internationales Konzernrecht Das internationale Konzernrecht bestimmt bei grenzüberschreitenden Unternehmens- 23 verbindungen, welche nationale Rechtsordnung auf die konzernrechtliche Beziehung zwischen den beteiligten Unternehmen anzuwenden ist.58 Mangels spezieller konzernrechtlicher Regelungen richtet sich dies nach den Regeln des Internationalen Privatrechts. Ein spezifisches Konzernstatut gibt es indes nicht, zumal der Konzern auch im Internationalen Privatrecht nicht als Einheit, sondern als eine besondere gesellschaftsrechtliche Beziehung zweier oder mehrerer Rechtsträger verstanden wird.59 Im Wesentlichen geht es darum festzustellen, ob das gemäß den Regeln des internationalen Gesellschaftsrechts zur Anwendung berufene Personal- beziehungsweise Gesellschaftsstatut zum Vorliegen einer deutschem Aktienrecht unterliegenden inländischen Konzerngesellschaft oder einer fremdem Gesellschaftsrecht unterliegenden ausländischen Konzerngesellschaft führt. 1. Unternehmensverträge der §§ 291 Abs 1, 292 Abs 1 Wirksamkeit und Rechtsfolgen bei einem grenzüberschreitenden Beherrschungs- oder 24 Gewinnabführungsvertrag richten sich nach dem Personalstatut der sich vertragstypisch verpflichtenden, typischerweise bereits abhängigen Gesellschaft. Gleichsam im Sinne einer konzernrechtlichen Kollisionsgrundregel kommt deren nationales Recht zur Anwendung, soweit Regelungen zum Schutze dieser Gesellschaft, ihrer außenstehenden Aktionäre und Gläubiger in Frage stehen.60 a) Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge (§ 291 Abs 1) aa) AG/KGaA als vertragstypisch verpflichtete Partei. Grenzüberschreitende Beherr- 25 schungs- und Gewinnabführungsverträge mit einer nach ihrem Personalstatut deutschem Aktienrecht unterliegenden AG oder KGaA (§ 291, 43) sind zulässig.61 Da stets ein inländischer Gerichtsstand für die Ausgleichsansprüche der beherrschten Gesellschaft gegen 57

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Brandi NZG 2003, 889, 894; Maul in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft2, S 478 ff. Spindler/Stilz/Veil 2 44. MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 37; Spindler/Stilz/Veil 2 44. OLG Frankfurt AG 1988, 267; LG München I ZIP 2011, 1511, 1512; 2008, 555, 560; MünchKommBGB/Kindler 5 Int HandelsGesR 756 mwN; aA Goldman Revue du Marché Commun 1968, 297, 315; Hahn IPRax 2002, 107, 110 f. BGHZ 119, 1 = NJW 1992, 2760; 138, 136 = NJW 1998, 1866; BayObLG RIW 1997, 596; MünchKommBGB/Kindler 5 Int HandelsGesR 774 ff; KK/Koppensteiner 3 194; MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 47; Geßler/Hefermehl § 291, 58; Staudinger/

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Großfeld IntGesR 571; Emmerich/Habersack6 § 291, 37 f; Emmerich/Habersack9 § 11, 33; Hüffer § 291, 8; Soergel/Kegel, EGBGB, vor Art 7, 249 ff; W Bayer Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, passim; ders ZGR 1993, 599, 612 f (mit Einschränkungen); Feddersen in: U H Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S 127, 138 ff; Wackerbarth Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001, S 435; Einsele ZGR 1996, 40, 47 ff; Bärwald/Schabacker AG 1998, 182, 184 ff; Selzner/Sustmann Der Konzern 2003, 85, 96; Raiser/Veil 5 § 58, 38; Wiedemann Gesellschaftsrecht, Bd I, S 799 ff; ders in: FS Kegel 1977, S 187, 206 f; krit Bernstein/Koch ZHR 143 (1979), 522, 529 f; Kronke ZGR 1989, 473.

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Vor §§ 291 ff

Erster Teil. Unternehmensverträge

die herrschende Gesellschaft besteht, gebieten Bedenken unter dem Aspekt einer zweifelhaften Anspruchsdurchsetzung im Ausland keine gegenteilige Bewertung.62 Dasselbe gilt für den Hinweis auf den von § 308 Abs 3 Satz 2 HS 2 (auch) intendierten Schutz der Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat.63 Der weitere Einwand, dass deutsche Mitbestimmungsstandards umgangen würden, da das deutsche MitbestG für die ausländische Konzernspitze nicht gelte,64 wird durch die ausdrückliche Anerkennung einer mitbestimmungsfreien Konzernspitze in § 5 Abs 3 MitbestG widerlegt.65 Erst recht nicht begegnet die Wirksamkeit des Beherrschungsvertrags unter dem Aspekt der zweifelhaften Durchsetzbarkeit der Außenseiteransprüche irgendwelchen Bedenken. Das deutsche Recht kennt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach die Wirksamkeit von Verträgen von der prozessualen Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche abhängig wäre,66 weshalb auch die in ihrer Wirkung ohnehin fragliche ausdrückliche Vereinbarung des deutschen Aktienrechts und eines deutschen Gerichtsstands keine Wirksamkeitsvoraussetzung eines grenzüberschreitenden Beherrschungsvertrags ist.67 Als Konsequenz sind die Vorschriften des deutschen Konzernrechts zum Schutze der 26 abhängigen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und Gläubiger, insbesondere die §§ 293 Abs 1, 3, 294–299, 300 f, 302–305, anwendbar.68 Demgegenüber bestimmen sich die Regelungen betreffend der Beziehungen der herrschenden Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern und Gläubiger nach dem Personalstatut der ausländischen Gesellschaft. Insbesondere findet § 293 Abs 2 keine Anwendung.69

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bb) Ausländische Gesellschaft als vertragstypisch verpflichtete Partei. Die Wirksamkeit und Rechtsfolgen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages zwischen einer deutschen AG/KGaA als anderem Vertragsteil und einer sich vertragstypisch verpflichtenden abhängigen ausländischen Gesellschaft bestimmt sich in erster Linie nach dem Personalstatut der ausländischen Gesellschaft.70 Keine Anwendung finden demnach die deutschen Vorschriften zum Schutze der sich verpflichtenden abhängigen Gesellschaft, insbesondere die §§ 302–305, selbst wenn diese für die ausländische Gesellschaft und deren Aktionäre günstiger wären.71 Ausschließlich solche Regelungen des deutschen Konzernrechts, die allein den Schutz 28 des herrschenden Unternehmens, dessen außenstehenden Gesellschaftern und Gläubigern bezwecken, finden auf die deutsche AG/KGaA als anderem Vertragsteil Anwendung.72 62

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MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 47; Selzner/Sustmann Der Konzern 2003, 85, 90 ff; aA Meilicke in: FS Hirsch 1968, S 99, 118 ff; Ebenroth Die verdeckten Vermögenszuwendungen, 1979, S 418 ff. Näher Hirte in diesem Kommentar, § 308, 65 f. Däubler RabelsZ 39 (1975), 444, 473 f; Bernstein/Koch ZHR 143 (1979), 522, 535; Duden ZHR 141 (1977), 145, 188 f; Birk BerGesVR 18 (1978), 263, 356 f. Einsele ZGR 1996, 40, 49; MünchKommBGB/Kindler5 Int HandelsGesR 777. MünchKommBGB/Kindler5 Int HandelsGesR 781. Für fehlende Erforderlichket der Vereinbarung deutschen Aktienrechts etwa KK/Koppensteiner3 195; MünchKommAktG/Alt-

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meppen3 Einl §§ 291, 49; Hüffer10 § 291, 13, Heidel/Peres3 § 291, 46; Hölters/Deilmann § 291, 28; aA Geßler/Geßler § 291, 58; Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S 805 f; noch anders – Rechtswahl ist unzulässig – etwa Spindler/Stilz/Veil 2 47. KK/Koppensteiner 3 184, 188; Emmerich/ Habersack9 § 11, 33. KK/Koppensteiner 3 185; MünchKommBGB/Kindler 5 Int HandelsGesR 795; Spahlinger/Wegen IntGesR 371; Spindler/ Stilz/Veil 2 47; Emmerich/Habersack9 § 11, 32. Spindler/Stilz/Veil 2 50; aA vor allem Spindler/Stilz/Schall 2 Vor § 15, 37. MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 47. Emmerich/Habersack9 § 11, 34.

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Vorbem zu §§ 291 ff

Vor §§ 291 ff

Dies sind insbesondere § 293 Abs 2,73 die ungeschirebenen Hauptversammlungszuständigkeiten auf Ebene der herrschenden Gesellschaft bei strukturändernden Maßnahmen nach den Holzmüller-Grundsätzen74 (§ 293, 227 ff) und § 71d.75 b) Unternehmensverträge des § 292 Abs 1. Bei den grenzüberschreitenden Unterneh- 29 mensverträgen des § 292 gelangt das Recht der sich jeweils vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft zu Anwendung.76 Diese Anknüpfung an das Personalstatut der vertragskennzeichnend verpflichteten Gesellschaft rechtfertigt sich nicht nur aus dem typischerweise bestehenden Abhängigkeitsverhältnis77 und damit der Schutzbedürftigkeit ihrer außenstehenden Aktionäre und Gläubiger,78 sondern aus der nicht auf Abhängigkeitslagen beschränkten Wertung der §§ 293 Abs 1, 293a–293g, 294–299, 300 Nr 2, 301, dass die sich vertragstypisch verpflichtende Gesellschaft und ihre Aktionäre beim Abschluss und während des Bestehens eines Unternehmensvertrags des § 292 Abs 1 eines erhöhten Schutzes bedürfen. Dass aufgrund der Einordnung als schuldrechtliche Austauschverträge freie Rechtswahl gelte,79 kann demgegenüber nicht überzeugen. 2. Faktische Konzerne Die kollisionsrechtliche Behandlung des faktischen Konzerns entspricht der des Ver- 30 tragskonzerns insofern, als dass das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft für das anwendbare Gesellschafts(konzern)recht maßgeblich ist, soweit die Interessen der abhängigen Gesellschaft, der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger betroffen sind.80 Demzufolge finden die §§ 311 bis 318 im Falle einer deutschen abhängigen AG oder KGaA Anwendung,81 nicht aber im Falle einer ausländischen abhängigen Gesellschaft.82 3. Gleichordnungskonzerne Im Gleichordnungskonzern, bei dem die statutsbegründende Abhängigkeitssituation 31 fehlt, stehen die betroffenen internationalen Rechtsordnungen frei nebeneinander; es sei denn, dass die (grenzüberschreitende) Konzernierung mit dem ordre public eines der Sitzstaaten unvereinbar wäre.83 Eine typischerweise gegebene besondere Schutzwürdigkeit des einen oder des anderen Vertragspartners ist, anders als beim Unterordnungskonzern, nicht gegeben.84 Die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Gleichordnungskonzern bedingen vielmehr eine individuelle und differenzierte Beurteilung des einschlägigen Statuts. Erfolgt die Konzernierung mittels eines Gleichordnungsvertrages, ist die kollisions- 32 rechtliche Behandlung von der Frage abhängig, ob die geschaffene Leitungsgesellschaft eine Innen- oder Außengesellschaft darstellt. Handelt es sich um eine Innengesellschaft, 73

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MünchKommBGB/Kindler 5 Int HandelsGesR 756; Spindler/Stilz/Veil 2 50; aA Emmerich/Habersack9 § 11, 34. MünchKommBGB/Kindler5 Int HandelsGesR 756; MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 41; Spindler/Stilz/Veil 2 50; Bungert AG 1995, 489, 507. Emmerich/Habersack6 § 291, 34. Spindler/Stilz/Veil 2 52; MünchKommAktG/ Altmeppen3 Einl §§ 291, 52 mwN; letztlich auch KK/Koppensteiner3 184, 190. MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 52; Emmerich/Habersack9 § 11, 37. Spindler/Stilz/Veil 2 52; Staudinger/Großfeld

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IntGesR 579; vgl auch Einsele ZGR 1996, 40, 52. Einsele ZGR 1996, 40, 50 f; Emmerich/ Habersack9 § 11, 37. Spindler/Stilz/Veil 2 45; Einsele ZGR 1996, 40, 41. Unstreitig; s nur KK/Koppensteiner3 184, 189; Spindler/Stilz/Veil 2 45. AA Spindler/Stilz/Schall 2 Vor § 15, 38 für EU-Auslandsgesellschaften. Geßler/Hefermehl § 291, 67 mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 43; Spahlinger/Wegen IntGesR 403; Großfeld/Kötter IPrax 1983, 60, 61.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

gilt das vertraglich vereinbarte Statut (vgl Art 3 Rom-I-VO).85 Die Rechtswahl wird jedoch durch die Statuten der betroffenen Gesellschaften begrenzt.86 Ist die Leitungsgesellschaft hingegen eine Außengesellschaft, findet dessen Personalstatut Anwendung (vgl Art 1 Abs 2 lit f Rom-I-VO).87 Im Falle eines faktischen Gleichordnungskonzern, welcher insbesondere durch Über33 kreuzverflechtungen entsteht, gelten die Personalstatuten der beiden Gesellschaften, wobei mögliche Kollisionen durch Anpassung zu beseitigen sind.88

§ 291 Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag (1) Unternehmensverträge sind Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt (Beherrschungsvertrag) oder sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (Gewinnabführungsvertrag). Als Vertrag über die Abführung des ganzen Gewinns gilt auch ein Vertrag, durch den eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen. (2) Stellen sich Unternehmen, die voneinander nicht abhängig sind, durch Vertrag unter einheitliche Leitung, ohne dass dadurch eines von ihnen von einem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig wird, so ist dieser Vertrag kein Beherrschungsvertrag. (3) Leistungen der Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrages gelten nicht als ein Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60. Übersicht Rn I. Grundlagen 1. Gesetzesgeschichte . . . . . . . . . . 2. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . 3. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerliche Organschaft . . . . . . . . a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . c) Die frühere Mehrmütterorganschaft 5. Altverträge . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsnatur der Unternehmensverträge des Abs 1 1. Organisationsvertrag . . . . . . . . . 2. Strukturänderungsgestaltender einseitiger Schuldvertrag . . . . . . . . . a) Schuldvertrag mit drei Regelungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . 85

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Rn b) Begründung . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine gesellschaftsrechtliche Prinzipien . . . . . . . . . . bb) Parallele zum Verschmelzungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . cc) Die positive Regelung der §§ 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1, 293 Abs 1, 308 . . . . . . . . . . . . (1) Weisungsrecht . . . . . . . . (2) Beherrschungsvertrag mit Alleinaktionär . . . . . . . . (3) Kündigungsmöglichkeit durch Vorstand: ein Einwand? . . . . . . . . . . . . (4) Der atypische Beherrschungsvertrag als Bestätigung . . . .

. 1 . 2 . 5 . 8 . 8 . 9 . 16 . 19

. 20 . 21 . 21

MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 43; MünchKommBGB/Kindler5 Int HandelsGesR 797. MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 43; MünchKommBGB/Kindler5 Int HandelsGesR 797; Spahlinger/Wegen IntGesR 404; Staudinger/Großfeld IntGesR 560; Großfeld/Kötter IPrax 1983, 60; Einsele ZGR 1996, 40, 52.

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24 25 29

30 31

MünchKommBGB/Kindler5 Int HandelsGesR 796; MünchKommAktG/Altmeppen3 Einl §§ 291, 43 aE; Staudinger/Großfeld IntGesR 560; Spindler/Stilz/Veil 2 51; Spahlinger/Wegen IntGesR 404; Großfeld/Kötter IPrax 1983, 60, 61 f; Einsele ZGR 1996, 40, 52. Großfeld/Kötter IPrax 1983, 60; Spindler/ Stilz/Veil 2 46.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Rn c) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . aa) Schuldrechtliche Ansprüche und ihre Durchsetzung . . . . . . . . bb) Inhaltsfreiheit . . . . . . . . . . cc) Auslegung . . . . . . . . . . . . III. Parteien eines Unternehmensvertrags nach Abs 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. AG/KGaA als verpflichtete Gesellschaft . 2. Anderes Unternehmen als anderer Vertragsteil . . . . . . . . . . . . . . . a) Beliebige Rechtsform . . . . . . . . b) Kein Ausschluss von Nichtaktionären . . c) Unternehmenseigenschaft; Ausschluss von Nichtunternehmen . . . d) Mehrheit von Parteien . . . . . . . . aa) Keine Unternehmensqualität aller Parteien . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Unternehmensqualität kraft mittelbarer Mehrmütterschaft . . e) Rechtsfolgen bei fehlender Unternehmenseigenschaft . . . . . . . . . IV. Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . 2. Leitungsunterstellung . . . . . . . . . . a) Leitung . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterstellung . . . . . . . . . . . . c) Mindestumfang . . . . . . . . . . . aa) Leitung(sfunktionen) . . . . . . . bb) Weisungsrecht . . . . . . . . . . 3. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . a) Zwei Mindestinhalte . . . . . . . . . aa) Vereinbarung der Leitungsunterstellung . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgleichsregelung (§ 304 Abs 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . b) Keine weiteren Mindestinhalte . . . . aa) Bezeichnung als „Beherrschungsvertrag“ . . . . . . . . . . . . . bb) Abfindung . . . . . . . . . . . . cc) Verlustausgleich . . . . . . . . . dd) Ausgestaltungsgebote . . . . . . ee) Aufsichtsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . c) Ergänzende Regelungen . . . . . . . aa) Ausgestaltung des Weisungsrechts bb) Sonstige Regelungen . . . . . . . d) Gestaltungsschranken . . . . . . . . aa) Reichweite der Leitungsunterstellung . . . . . . . . . . . . . bb) Rückwirkende Leitungsunterstellung . . . . . . . . . . . . . cc) Beschränkte Leitungsunterstellung (Teilbeherrschungsverträge) . . . 4. Mehrheit von Vertragsparteien . . . . . a) Personenmehrheit als anderer Vertragsteil (Mehrmütterschaft) . . . . . b) Zwischenschaltung einer GbR/vermögensverwaltende OHG (mittelbare Mehrmütterschaft) . . . . . . . c) Mehrere parallele Beherrschungsverträge . . . . . . . . . . . . . . .

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Rn d) Leitungskoordination keine Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . 5. Beherrschungsverträge in mehrstufigen Unternehmensverbindungen . . . . . . 6. Atypische Beherrschungsverträge . . . . a) Notwendigkeit der Qualifikation . . b) Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragliche Rechte und Pflichten . . b) Änderungen des Legalstatuts . . . . . aa) Verwaltungsverantwortung . . . bb) Keine verdeckte Einlagenrückgewähr (Abs 3) . . . . . . . . . . c) Gesetzliches Regelungsregime . . . . V. Gewinnabführungsvertrag (Abs 1 Satz 1 Alt 2) 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . 2. Abführung des ganzen Gewinns . . . . a) Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . b) Ganzer Gewinn . . . . . . . . . . . c) Ermittlung des abzuführenden Gewinns aa) Vorstandsermessen . . . . . . . . bb) Ermessensbindung im Gewinnabführungsvertrag; Weisungen . . 3. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . a) Mindestinhalt . . . . . . . . . . . . b) Keine weiteren Mindestinhalte . . . . c) Isolierter Gewinnabführungsvertrag im Besonderen . . . . . . . . . . . . d) Ergänzende Regelungen . . . . . . . e) Rückbeziehung der Gewinnabführung im Besonderen . . . . . . . . . . . . 4. Mehrheit von Vertragsparteien . . . . . a) Personenmehrheit als anderer Vertragsteil . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine mehreren Gewinnabführungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewinnabführungsvertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewinnabführungsverträge bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen . . 6. Atypische Gewinnabführungsverträge . 7. Rechtliche Behandlung von Gewinnabführungsverträgen . . . . . . . . . . a) Vertragliche Rechte und Pflichten . . b) Änderungen des Legalstatuts . . . . . aa) Vorstandsverantwortung . . . . . bb) Keine verdeckte Einlagenrückgewähr (Abs 3) . . . . . . . . . . c) Gesetzliches Regelungsregime . . . . 8. Anhang: Verlustübernahmevertrag/ Verlustdeckungszusage . . . . . . . . . VI. Geschäftsführungsvertrag (Abs 1 Satz 2) 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . 2. Vertragsinhalt und rechtliche Behandlung a) Geschäftsführung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . c) Zusätzliche Vertragsinhalte . . . . . 3. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . .

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§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge Rn

4. Rechte und Pflichten der Parteien . . . . a) Übertragung des für fremde Rechnung erwirtschafteten Ergebnisses . . b) Weitere Vertragspflichten . . . . . . 5. Entgeltlicher Geschäftsführungsvertrag . VII. Kombination mehrerer Unternehmensvertragsarten . . . . . . . . . . . . . . . VIII.Gleichordnungskonzernverträge (Abs 2) 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 2. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsbeteiligte . . . . . . . . . . .

192 193 197 199 202 206 207 208

Rn 4. Rechtsnatur des Gleichordnungskonzernvertrags . . . . . . . . . . . . 5. Vertragsarchitektur und Vertragsschluss 6. Hauptversammlungszustimmung und Eintragung . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmungserfordernis . . . . . . b) Eintragungserfordernis . . . . . . . 7. Konzernleitung und Haftung . . . . . a) Weisungsrecht . . . . . . . . . . . b) Haftung . . . . . . . . . . . . . . 8. Regelungsregime . . . . . . . . . . .

209 211 213 213 215 216 216 219 222

Schrifttum I. Beherrschungs-, Gewinnabführungs-, Geschäftsführungsverträge Acher Vertragskonzern und Insolvenz, 1987; Ahrens Die Problematik des Mehrmütter-Konzerns in aktien- und mitbestimmungsrechtlicher Sicht, AG 1975, 151; Altmeppen Abschied vom „qualifiziert faktischen“ Konzern, 1991; ders Zu Formfragen bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen der GmbH, Betrieb 1994, 1273; ders Zur Delegation des Weisungsrechts im mehrstufigen Konzern, in: FS Lutter, 2000, S 975; ders Interessenkonflikte im Konzern, ZHR 171 (2007), 320; Bachelin Der konzernrechtliche Minderheitenschutz, 1969; Bälz Einheit und Vielheit im Konzern, in: FS Raiser, 1974, S 287; ders Verbundene Unternehmen, AG 1992, 277; Ballerstedt Handels- und gesellschaftsrechtliche Probleme der Organschaft, Betrieb 1956, 813 (Teil I), 837 (Teil II); ders Die Verfassung der Aktiengesellschaft und der Organschaftsvertrag, Betrieb 1957, 837; ders Schranken der Weisungsbefugnis aufgrund eines Beherrschungsvertrages, ZHR 137 (1973), 388; Balthasar Zum Austrittsrecht nach § 305 AktG bei „faktischer Beherrschung“, NZG 2008, 858; Bärwaldt/Schabacker Wirksamkeitserfordernisse grenzüberschreitender Unternehmensverträge iSd. § 291 AktG, AG 1998, 182; Baumgartl Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, 1986; W Bayer Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, 1988; ders Herrschaftsveränderungen im Vertragskonzern, ZGR 1993, 599; W F Bayer, Mehrstufige Unternehmensverträge, in: FS Ballerstedt, 1975, S 157; ders Europäische Vertragskonzerne und europäisches Gesellschaftsrecht, in: FS Geßler, 1970, S 227; Becker Die Behandlung des Konzerns nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen im deutschen Recht, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S 419; Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, Bundesministerium der Justiz, 1980; Bezzenberger/Schuster Die öffentliche Anstalt als abhängiges Konzernunternehmen, ZGR 1996, 481; Beuthien Konzernbildung und Konzernleitung kraft Satzung, ZIP 1993, 1589; Binnewies Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; Bitter Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000; Born Die abhängige KG auf Aktien, 2004, S 80; Burbach Das Recht der konzernabhängigen Personenhandelsgesellschaft, 1989; Cahn Zur Anwendbarkeit der §§ 311 ff AktG im mehrstufigen Vertragskonzern, BB 2000, 1477; Cahn/Simon Isolierte Gewinnabführungsverträge, Konzern 2003, 1; Crezelius Organschaft und Ausland, in: FS Beusch, 1993, S 153; Däubler Ausklammerung sozialer und personeller Angelegenheiten aus einem Beherrschungsvertrag?, NZG 2005, 617; Decher Das Business Combination Agreement – ein verdeckter Beherrschungsvertrag oder sonstiger strukturändernder Vertrag?, in: FS Hüffer, 2010, S 179; Dette Verdeckte und atypische Beherrschungsverträge im Aktienrecht, 2012; Dielmann Die Beteiligung der öffentlichen Hand an Kapitalgesellschaften und die Anwendbarkeit des Rechts der verbundenen Unternehmen, 1977; Dierdorf Herrschaft und Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft auf schuldvertraglicher und tatsächlicher Grundlage, 1978; Duden Aktienrechtliche Fragen zur „Organschaft“ mit einem Großaktionär, BB 1957, 49; ders Die Diskussion über das Konzernrecht, BB 1957, 1230; Ebenroth Die verdeckten Vermögenszuwendungen im transnationalen Unternehmen, 1979; Ebenroth/Parche Konzernrechtliche Beschränkungen der Umstrukturierung des Vertragskonzerns, BB 1989, 637; Eberth Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, 2000; Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, 2010; Ehinger Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als herrschende Unternehmen, 2000; Ellerich Zur Bedeutung und den Auswirkungen der aktien-

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

rechtlichen Unternehmenseigenschaft der öffentlichen Hand unter Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte, 1980; Emmerich Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969; ders Die öffentliche Unternehmung im deutschen Konzern- und Wettbewerbsrecht, AG 1976, 225; ders Bestandsschutz im GmbH-Vertragskonzern, in: Hommelhoff (Hrsg), Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S 64; ders Zur Organhaftung im Vertragskonzern, GS Sonnenschein, 2002, S 651; ders Über atypische und verdeckte Beherrschungsverträge, in: FS Hüffer, 2010, S 179; Emmerich/ Gansweid Die Problematik der Gemeinschaftsunternehmen – BGHZ 62, 193, JuS 1975, 294; Erlinghagen Der Organschaftsvertrag mit Ergebnisausschlußklausel im Aktienrecht, 1960; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996; Exner, Vollmacht und Beherrschungsvertrag, AG 1981, 175; ders Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984; Fabian Inhalt und Auswirkungen des Beherrschungsvertrags, 1997; v Falkenhausen Zur Fortgeltung alter Unternehmensverträge nach neuem Aktienrecht, BB 1966, 190; Fikentscher Die Interessengemeinschaft, 1966; Flume Die Organschaft im Gewerbesteuerrecht, Betrieb 1955, 485; ders Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, Betrieb 1956, 455; ders Nochmals zur Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, Betrieb 1956, 672; ders Stellungnahme zum Gutachten des BFH zur Besteuerung der Dividendengarantie bei Organschaftsverhältnissen, Betrieb 1957, 439; ders Der Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, 1958; ders Die abhängige Aktiengesellschaft und die Aktienrechtsreform, Betrieb 1959, 190; ders Grundfragen der Aktienrechtsreform, 1960, abgedruckt in Gesammelte Schriften, Bd II, 1988, S 123; ders Die konzernrechtliche Gestaltung im Aktienrecht, 1962, abgedruckt in Gesammelte Schriften, 1988, Bd II, S 169; ders Der Gewinn- und Verlustübernahmevertrag im GmbH-Recht, Betrieb 1989, 665; Gäbelein Unternehmensverträge bei der Einpersonen-GmbH, GmbHR 1992, 786; Gansweid Gemeinsame Tochtergesellschaften im deutschen Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1976; Gerth Die Beendigung des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages, BB 1978, 1497; Geßler Probleme des neuen Konzernrechts, Betrieb 1965, 1691; ders Probleme des neuen Konzernrechts (Teil II), Betrieb 1965, 1729; ders Aktuelle gesellschaftsrechtliche Probleme, Betrieb 1966, 215; ders Abgrenzungs- und Umgehungsprobleme bei Unternehmensverträgen, in: FS Ballerstedt, 1975, S 219; ders Bestandsschutz der beherrschten Gesellschaft im Vertragskonzern?, ZHR 140 (1976), 433; ders Atypische Beherrschungsverträge, in: FS Beitzke, 1979, S 923; Glaser Grenzen des Weisungsrechts im Vertragskonzern, 1982; Goslar Verdeckte Beherrschungsverträge – Zugleich Besprechung von LG München I, Urt. v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06, Betrieb 2008, 800; Grobecker Der Teilbeherrschungsvertrag, DStR 2002, 1953; Grüner Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003; Haar Die Personengesellschaft im Konzern, 2006; Haesen Der Abhängigkeitsbericht im faktischen Konzern, 1970; Hamburger, Die Organgesellschaft, in: Gedächtnisschrift Seckel, 1927, S 261; Harbarth Dual Headed Companies, AG 2004, 573; Havermann Die verbundenen Unternehmen und ihre Pflichten nach dem Aktiengesetz 1965, WPg 1966, 30; ders Die verbundenen Unternehmen und ihre Pflichten nach dem Aktiengesetz 1965 (II. Teil), WPg 1966, 66; ders Die verbundenen Unternehmen und ihre Pflichten nach dem Aktiengesetz 1965 (Schluß), WPg 1966, 90; Heidinger Das Ende des Vertragskonzerns?, NZG 2005, 502; Hirte Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986; ders Der Vertragskonzern im Gesellschaftsrecht, 1993; Grenzen der Vertragsfreiheit bei aktienrechtlichen Unternehmensverträgen, ZGR 1994, 644; Hirte/Schall Zum faktischen Beherrschungsvertrag, Konzern 2006, 243; Hösch Konzernbildung und zwingende gesetzliche Kompetenzverteilung in der AG, der GmbH und bei Personengesellschaften, WiB 1997, 231; Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht, 1982; ders Verlustausgleich im Mehrmütter-Vertragskonzern, in: FS Goerdeler, 1987, S 221; Hueck Zur Frage der Wirksamkeit der Organschaftsverträge, Betrieb 1959, 223; Hüchting Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972; Jurkat Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, 1975; Kerkhoff Abschluß und Beendigung von GmbHBeherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 1999, 226; Kienzle Verdeckte Beherrschungsverträge im Aktienrecht, 2010; Kleindiek Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbHRecht, ZIP 1988, 613; ders Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991; Kley Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986; Klöhn Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009; Knepper Bedeutung, Anwendungsformen und steuerliche Wirkungen von Unternehmensverträgen, BB 1982, 2061; Knütel Weisungen bei Geschäftsbesorgungsverhältnissen, insbesondere bei Kommission und Spedition, ZHR 137 (1973), 285; Koch Kommunale Unternehmen im Konzern, DVBl 1994, 667; Koppensteiner Unternehmergemeinschaften im Konzerngesellschaftsrecht, ZHR

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§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

131 (1968), 289; ders Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971; ders Zur Anwendung konzerngesellschaftlicher Normen auf die Bundesrepublik, ZGR 1979, 91; ders Zur konzernrechtlichen Behandlung von BGB-Gesellschaften und Gesellschaftern, in: FS Ulmer, 2003, S 349; ders Organisationsautonomie und Legitimationswirkung im Recht der Unternehmensverträge, in: FS Canaris II, 2007, S 209; Kort Der Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986; ders Zur Vertragsfreiheit bei Unternehmensverträgen, BB 1988, 79; ders Handelsregistereintragung bei Unternehmensverträgen im GmbH-Konzernrecht – de lege lata und de lege ferenda, AG 1988, 369; ders Rechtsfortbildung im GmbH-Konzernrecht, ZIP 1989, 1309; Krieger Änderung und Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, in: U H Schneider (Hrsg), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S 99; ders Inhalt und Zustandekommen von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im Aktien- und GmbH-Recht, DStR 1992, 432; ders Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages zwischen Muttter und Enkel, in: FS K Schmidt, 2009, S 999; Kropff Das Konzernrecht des Aktiengesetzes 1965, BB 1965, 1281; ders Aufgaben des Registergerichts nach dem Aktiengesetz 1965, RPfleger 1966, 33; ders Zur Anwendung des Rechts der verbundenen Unternehmen auf den Bund, ZHR 144 (1980), 74; ders Zur Konzernleitungspflicht, ZGR 1984, 112; ders Der GmbH-Beherrschungsvertrag: Voraussetzung für den Vorrang von Konzerninteressen?, in: FS Semler, 1993, S 517; Leuering Der Erwerb von Beteiligungen durch Versicherungsunternehmen an Unternehmen anderer Wirtschaftszweige, 1997; Löffler Die abhängige Personengesellschaft, 1988; Luchterhandt Deutsches Konzernrecht bei grenzüberschreitenden Konzernverbindungen, 1971; Lutter Zur Binnenstruktur des Konzerns, in: FS Westermann, 1974, S 347; Marchand Abhängigkeit und Konzernzugehörigkeit von Gemeinschaftsunternehmen, 1985; Martens Die existenzielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979; Meilicke Korporative Versklavung deutscher Aktiengesellschaften durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gegenüber in- und ausländischen Unternehmen, in: FS Hirsch, 1968, S 99; ders Konzentration durch Beherrschungs- und Ergebnisübernahmeverträge, in: Arndt (Hrsg), Die Konzentration in der Wirtschaft, Materialband I, 2. Aufl, 1971, S 647; B Mertens Die Geltendmachung von Mängeln eines Unternehmensvertrages durch Aktionäre, BB 1995, 1417; H-J Mertens Empfiehlt sich die Einführung eines konzernbezogenen Reorganisationsverfahrens?, ZGR 1984, 542; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; ders Zur Systematik des Rechts der verbundenen Unternehmen im neuen Aktiengesetz, FG Kronstein, 1967, S 129; ders Gemeinschaftsunternehmen im deutschen und europäischen Konzern- und Kartellrecht, in: Mestmäcker/Blaise/Donaldson (Hrsg), Gemeinschaftsunternehmen (Joint venture – Filiale commune) im Konzern- und Kartellrecht, 1979, S 9; Miederhoff Bankaufsichtsrechtliche Beurteilung von Unternehmensverträgen unter vergleichender Berücksichtigung des Versicherungsaufsichtsrechts, WM 2001, 2041; Möhring Die gesetzliche Regelung der Unternehmensverbindungen im neuen Aktiengesetz, NJW 1967, 1; Möller Änderungen des Aktienrechts durch das MoMiG, Konzern 2008, 1; Mülbert Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl, 1996; ders Unternehmensbegriff und Konzernorganisationsrecht, ZHR 163 (1999), 1; H-P Müller Zur Gewinn- und Verlustermittlung bei aktienrechtlichen Gewinnabführungsverträgen, in: FS Goerdeler, 1987, S 375; T Müller Rechtsnatur und Wirkung so genannter „atypischer Beherrschungsverträge“, 2012; W Müller Bilanzierungsfragen bei der Beendigung von Unternehmensverträgen, in: FS Kropff, 1997, S 517; Mutze Erfahrungen aus der Anwendung der Unternehmensverträge des Aktiengesetzes 1965, AG 1967, 215; Neumann/Rux Einbindung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen in einen privatrechtlichen Konzern?, Betrieb 1996, 1659; Oechsler Die Anwendung des Konzernrechts auf Austauschverträge mit organisationsrechtlichem Bezug, ZGR 1997, 464; Oesterreich Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979; Paschke Rechtsfragen der Durchgriffsproblematik im mehrstufigen Unternehmensverbund, AG 1988, 196; Paschos/ Goslar Die Beendigung von Gewinnabführungsverträgen mit einer abhängigen GmbH während des laufenden Geschäftsjahres, Konzern 2006, 479; Pentz Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994; ders Schutz der AG und der außenstehenden Aktionäre in mehrstufigen faktischen und unternehmensvertraglichen Unternehmensverbindungen, NZG 2000, 1103; ders Zustimmungserfordernisse beim Stufen übergreifenden Unternehmensvertrag in Mehrstufigkeitsverhältnissen, Betrieb 2004, 1543; Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag als körperschaftliche Rechtsgeschäfte, 1978; Priester Liquiditätsausstattung der abhängigen Gesellschaft und unterjährige Verlustdeckung bei Unternehmensverträgen, ZIP 1989, 1301; ders Herr-

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

schaftswechsel beim Unternehmensvertrag, ZIP 1992, 293; Raiser Beherrschungsvertrag im Recht der Personengesellschaften, ZGR 1980, 558; ders Konzernverflechtungen unter Einschluß öffentlicher Unternehmen, ZGR 1996, 458; Rasch Deutsches Konzernrecht, 5. Aufl, 1974; Raupach Schuldvertragliche Verpflichtungen anstelle beteiligungsgestützter Beherrschung, in: FS Bezzenberger, 2000, S 327; ders Das Steuerrecht – eine unerwünschte Quelle des Konzernrechts?, in: FS Priester, 2007, S 633; Raupach/Klotz Die Mehrmütterorganschaft – Rechtsinstitut zwischen Konzernrecht und Konzernsteuerrecht, WiB 1994, 137; Rehbinder Gesellschaftsrechtliche Probleme mehrstufiger Unternehmensverbindungen, ZGR 1977, 581; ders Buchbesprechung: Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, ZHR 147 (1983), 464; Reute Die Personengesellschaft als abhängiges Unternehmen, ZHR 146 (1982), 1; ders Ansätze eines Konzernrechts der Personengesellschaft in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, AG 1986, 130; Rittner Der Staat – ein Unternehmen im Sinne des Aktiengesetzes?, in: FS Flume, Bd II, 1978, S 241; ders Konzernorganisation und Privatautonomie, AcP 183 (1983), 295; Rottnauer Vertragsgestaltungsproblematik bei „Mehrmütterorganschaft“ im GmbH-Konzernrecht, Betrieb 1991, 27; Rubner Der Privataktionär als Partei eines Beherrschungsvertrages, Konzern 2003, 735; C van de Sande Die Unternehmensgruppe im Bankenund Versicherungsaufsichtsrecht, 2003; Schaber/Hertstein Zurückwirkung eines Gewinnabführungsvertrags aus gesellschaftsrechtlicher und handelsbilanzieller Sicht, Konzern 2004, 6; C Schäfer Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002; Schießl Die beherrschte Personengesellschaft, 1985; Schilling Alte Unternehmensverträge im neuen Aktienrecht, BB 1965, 1428; K Schmidt Abhängigkeit, faktischer Konzern, Nichtaktienkonzern und Divisionalisierung im Bericht der Unternehmensrechtskommission, ZGR 1981, 455; ders Die konzernrechtliche Verlustübernahmepflicht als gesetzliches Dauerschuldverhältnis, ZGR 1983, 513; ders Die isolierte Verlustdeckungszusage unter verbundenen Unternehmen als Insolvenzabwendungsinstrument, in: FS Werner, 1984, S 777; ders Zwingend gesamtschuldnerischer Verlustausgleich bei der Mehrmütterorganschaft?, Betrieb 1984, 1181; ders Konzernunternehmen, Unternehmensgruppe, und Konzern-Rechtsverhältnis, in: FS Lutter, 2000, S 1167; ders Unternehmensbegriff und Vertragskonzern – zum Funktionswandel des § 291 AktG, in: FS Koppensteiner, 2001, S 191; R Schmidt Der Übergang öffentlicher Aufgabenerfüllung in private Rechtsformen, ZGR 1996, 345; E Schmitt Schutz der außenstehenden Gesellschafter einer abhängigen Personengesellschaft im mehrstufigen Unternehmensverbund, 2003; U H Schneider Die Personengesellschaft als verbundenes Unternehmen, ZGR 1975, 253; ders Konzernleitung als Rechtsproblem, BB 1981, 244; ders Die vertragliche Ausgestaltung der Konzernverfassung, BB 1986, 1993; ders (Hrsg), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; ders Konzernbildung, Konzernleitung und Verlustausgleich im Konzernrecht der Personengesellschaften, ZGR 1980, 511; ders Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit einer GmbH, in: U H Schneider (Hrsg), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S 7; ders Der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens im Konzern, in: FS Hadding, 2004, S 26; Schön Deutsches Konzernprivileg und europäischer Kapitalschutz, ein Widerspruch?, in: FS Kropff, 1997, S 285; ders Abschied vom Vertragskonzern?, ZHR 168 (2004), 629; Schürnbrand „Verdeckte“ und „atypische“ Beherrschungsverträge im Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 169 (2005), 35; Schulze-Osterloh Das Recht der Unternehmensverträge und die stille Beteiligung an einer Aktiengesellschaft, ZGR 1974, 427; S Simon Steuerumlagen im Konzern, ZGR 2007, 71; Silny Der Gläubiger- und Minderheitenschutz bei verdeckten Beherrschungsverträgen, 2009; Sina Grenzen des Konzern-Weisungsrechts nach § 308 AktG, AG 1999, 1; Sonnenschein Die Eingliederung im mehrstufigen Konzern, BB 1975, 1088; ders Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976; ders Der Gewinnabführungsvertrag zugunsten Dritter im Gesellschaftsrecht und im Steuerrecht, AG 1976, 147; ders Der aktienrechtliche Vertragskonzern im Unternehmensrecht, ZGR 1981, 429; Theisen Der Konzern, 2. Aufl 2000; Timm Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980; ders Der Abschluß des Ergebnisübernahmevertrags im GmbH-Recht, BB 1981, 1491; ders Geklärte und offene Fragen im Vertragskonzernrecht der GmbH, GmbHR 1987, 8; ders Unternehmensverträge im GmbH-Recht, GmbHR 1989, 11; ders Rechtsfragen der Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen, in: FS Kellermann, 1991, S 461; Uhrmann Probleme bei der steuerlichen Behandlung der Gewinnabführung an Gesellschafter im Falle der Mehrmütterorganschaft, StBp 1993, 175; Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts, Bericht der Studienkommission des DJT, 1967; Veil Unternehmensverträge, 2003; ders Haftung in der Betriebsaufspaltung, in Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S 81; van Venrooy Weisungen im Rahmen von

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Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

Geschäftsführungs- und Gewinnabführungsverträgen, Betrieb 1981, 675; ders Isolierte Unternehmensverträge nach § 291 AktG?, BB 1986, 612; Veelken Der Betriebsführungsvertrag im deutschen und amerikanischen Aktien- und Konzernrecht, 1975; Voigt Haftung aus Einfluß auf die AG, 2004; Wackerbarth Die Abschaffung des Konzernrechts, Der Konzern 2005, 562; Wanner Konzernrechtliche Probleme mehrstufiger Unternehmensverbindungen nach Aktienrecht, 1998; Werner Probleme des neuen Konzernrechts, NB 1967, Heft 4, 1; H Westermann Die Folgen von Verschmelzung und Umwandlung nach § 15 Umwandlungsgesetz von Aktiengesellschaften für Beherrschungsverträge, in: FS Schilling, 1973, S 271; Wiechmann Verlustausgleich bei „Mehrmütter-Organschaft“, Betrieb 1985, 2031; Wiedemann Die Auslegung von Satzungen und Gesellschaftsverträgen, DNotZ Sonderheft 1977, 99; Wiedemann/Martens Die Unternehmensqualifikation von Gebietskörperschaften im Recht der verbundenen Unternehmen (Teil II und Schluß), AG 1976, 232; H Wilhelm Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, 1976; J Wilhelm Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; Windbichler Unternehmensverträge und Zusammenschlußkontrolle, 1977; Wolf Inhalt und Fälligkeit des Gewinnabführungsanspruchs im Vertragskonzern, NZG 2007, 641; Würdinger Betrachtungen zur Regelung der Konzernverfassung im Entwurf eines Aktiengesetzes, Betrieb 1958, 1447; Zeidler Ausgewählte Probleme des GmbH-Vertragskonzernrechts, NZG, 1999, 692; Zöllner Inhalt und Wirkungen von Beherrschungsverträgen bei der GmbH, ZGR 1992, 173. II. Gleichordnungskonzernverträge Drygala Der Gläubigerschutz bei der typischen Betriebsaufspaltung, 1991; Gromann Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979; Henssler Die Betriebsaufspaltung – Konzernrechtliche Durchgriffshaftung im Gleichordnungskonzern, ZGR 2000, 479; Lutter/Drygala Grenzen der Personalverflechtung und Haftung im Gleichordnungskonzern, ZGR 1995, 557; Milde Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996; K Schmidt Konzentrationsprivileg und Gleichordnungsvertragskonzern – Kartellrechtsprobleme des Gleichordnungskonzerns, in: FS Rittner, 1991, S 561; ders Gleichordnung im Konzern: terra incognita?, ZHR 155 (1991), 417; Timm/Messing Die Kündigung von Gleichordnungsverbindungen im Konzernrecht und ihre Rechtsfolgen, in: FS Hommelhoff, 2012, 1237; Wellkamp Der Gleichordnungskonzern – Ein Konzern ohne Abhängigkeit?, Betrieb 1993, 2517.

Rechtsprechung BGH (2.2.1955) WM 1955, 412 = BB 1955, 236 = JR 1955, 384 BGH (4.3.1974) BGHZ 62, 193 = WM 1974, 319 = AG 1974, 220 = NJW 1974, 855 = Betrieb 1974, 767 = BB 1974, 572 BGH (5.2.1979) WM 1979, 937 = AG 1980, 47 = NJW 1979, 2245 = NJW 1980, 231 = Betrieb 1979, 1833 = BB 1979, 1735 = GmbHR 1979, 246 – Mette KG/Gervais – Danone AG BGH (5.10.1981) WM 1982, 394 = ZIP 1982, 578 = NJW 1982, 1817 = Betrieb 1982, 846 – Holiday Inn BGH (16.11.1981) BGHZ 82, 188 = WM 1982, 86 = ZIP 1982, 172 = NJW 1982, 933 = Betrieb 1982, 421 = BB 1982, 269 = JZ 1982, 426 – Hoesch/Hoogovens BGH (14.12.1987) BGHZ 103, 1 = WM 1988, 258 = AG 1988, 133 = ZIP 1988, 229 = NJW 1988, 1326 = Betrieb 1988, 596 = BB 1988, 361 = DNotZ 1988, 621 – Familienheim BGH (24.10.1988) BGHZ 105, 324 = AG 1989, 91 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295 = Betrieb 1988, 2623 = BB 1989, 95 = DNotZ 1989, 102 – Supermarkt

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

BGH (11.11.1991) BGHZ 116, 37 = WM 1991, 2137 = AG 1992, 83 = ZIP 1992, 29 = NJW 1992, 505 = Betrieb 1992, 29 = BB 1992, 15 = GmbHR 1992, 34 = DNotZ 1992, 721 – Stromlieferung BGH (30.1.1992) WM 1992, 524 = AG 1992, 192 = ZIP 1992, 395 = NJW 1992, 1452 = Betrieb 1992, 828 = BB 1992, 662 = GmbHR 1992, 253 = JZ 1992, 733 = DNotZ 1993, 176 – Siemens/NRG BGH (15.6.1992) BGHZ 119, 1 = WM 1992, 1479 = AG 1992, 450 = ZIP 1992, 1227 = NJW 1992, 2760 = Betrieb 1992, 1873 = BB 1992, 1949 = DNotZ 1993, 247 – ASEA/BBC ISSI BGH (5.4.1993) BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422 = ZIP 1993, 751 = NJW 1993, 1976 = Betrieb 1993, 1074 – SSI BGH (20.5.1997) BGHZ 135, 374 = WM 1997, 1288 = AG 1997, 515 = ZIP 1997, 1193 = NJW 1997, 2242 = Betrieb 1997, 1397 = BB 1997, 1705 = JZ 1997, 1181 – Guano BGH (4.3.1998) BGHZ 138, 136 = WM 1998, 867 = AG 1998, 286 = NZG 1998, 379 = ZIP 1998, 690 = NJW 1998, 1866 = DStR 1998, 898 = Betrieb 1998, 872 = BB 1998, 912 – ASEA/BBC II BGH (2.6.2003) BGHZ 155, 110 = WM 2003, 1766 = AG 2003, 629 = NZG 2003, 1113 = ZIP 2003, 1600 = DStR 2003, 2082 = Betrieb 2003, 2166 = BB 2003, 1860 – Philips I BGH (2.6.2003) ZIP 2003, 1933 – Philips II BGH (1.12.2003) WM 2004, 228 = AG 2004, 205 = NZG 2004, 185 = ZIP 2004, 164 = NJW-RR 2004, 474 = DStR 2004, 468 = Betrieb 2004, 241 = BB 2004, 175 = GmbHR 2004, 258 BGH (8.5.2006) BGHZ 167, 299 = WM 2006, 1389 = AG 2006, 543 = NZG 2006, 623 = ZIP 2006, 1392 = NJW 2006, 3146 = Betrieb 2006, 1547 = BB 2006, 1873 BGH (3.3.2008) BGHZ 175, 365 = WM 2008, 787 = AG 2008, 375 = NZG 2008, 389 = ZIP 2008, 785 = NJW 2008, 1583 = DStR 2008, 1104 = Betrieb 2008, 918 BGH (1.12.2008) BGHZ 179, 71 = WM 2009, 78 = AG 2009, 81 = NZG 2009, 107 = ZIP 2009, 70 = NJW 2009, 850 = DStR 2009, 234 = Betrieb 2009, 106 = BB 2009, 118 = GmbHR 2009, 199 – MPS BGH (31.5.2011) BGHZ 190, 45 = WM 2011, 1416 = AG 2011, 668 = NZG 2011, 902 = ZIP 2011, 1465 = Betrieb 2011, 1682 = BB 2011, 2066 = NJW-RR 2011, 1117 BFH (12.10.1972) BFHE 107, 282 = WM 1973, 427 = Betrieb 1973, 36 = BB 1973, 181 = DStR 1973, 89 BFH (16.2.1979) BFHE 127, 56 = WM 1979, 1266 = AG 1980, 309 = Betrieb 1979, 1163 = BB 1979, 565 = DStR 1979, 390 BFH (13.9.1989) BFHE 158, 346 = AG 1990, 304 = Betrieb 1990, 407 = BB 1989, 2462 = GmbHR 1990, 144 BFH (9.6.1999) BFHE 189, 518 = AG 2000, 181 = NZG 2000, 329 = BB 2000, 25 = DStR 1999, 2070 = GmbHR 2000, 43 BFH (8.8.2001) BFHE 196, 485 = AG 2002, 680 = NZG 2002, 832 = Betrieb 2002, 408 = BB 2002, 607 = DStR 2002, 307 = GmbHR 2002, 274

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Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

BFH (21.10.2010) BFHE 231, 198 = AG 2011, 87 = DStR 2010, 2502 = BB 2011, 368 BFH (12.1.2011) BFHE 232, 426 = AG 2011, 417 = NZG 2011, 596 = DStR 2011, 717 = Betrieb 2011, 914 = GmbHR 2011, 544 OLG Karlsruhe (14.11.1966) AG 1967, 202 = NJW 1967, 831 OLG München (11.7.1979) AG 1980, 272 – Kolb Wohnungsbau AG OLG Celle (7.9.1983) WM 1984, 494 = AG 1984, 494 – Pelikan AG OLG Düsseldorf (17.2.1984) WM 1984, 732 = ZIP 1984, 586 = Betrieb 1984, 817 = BB 1984, 742 OLG Frankfurt (23.3.1988) AG 1988, 267 – IG Farben AG/Interhandel AG BayObLG (16.6.1988) BayObLGZ 1988, 201 = WM 1988, 1229 = AG 1988, 379 = NJW 1989, 128 = Betrieb 1988, 1646 = GmbHR 1988, 389 OLG Hamm (20.6.1988) WM 1988, 1164 = AG 1989, 31 = ZIP 1988, 1051 = Betrieb 1988, 1842 – Kochs Adler AG/Dürkoppwerke GmbH OLG Hamburg (6.10.1989) WM 1989, 1767 = AG 1991, 23 = ZIP 1989, 1326 = NJW 1990, 521 = Betrieb 1989, 2214 = GmbHR 1990, 83 OLG Hamburg (13.7.1990) WM 1990, 1741 = AG 1991, 21 = ZIP 1990, 1071 = NJW 1990, 3024 = Betrieb 1990, 1808 = GmbHR 1991, 417 – Texaco/RWE-DEA OLG Karlsruhe (7.12.1990) AG 1991, 144 = ZIP 1991, 101 = Betrieb 1991, 86 = NJW-RR 1991, 553 = DStR 1991, 360 – ASEA/BBC I OLG München (14.6.1991) WM 1991, 1843 = AG 1991, 358 = ZIP 1992, 327 = Betrieb 1991, 1970 = DStR 1991, 1666 – SSI OLG Düsseldorf (4.9.1991) OLGR Düsseldorf 1991, Nr 5, 8–10 = WM 1991, 2103 = AG 1992, 60 = Betrieb 1991, 2381 = BB 1991, 2105 = GmbHR 1991, 526 BayObLG (10.12.1992) BayObLGZ 1992, 367 = WM 1993, 550 = AG 1993, 177 = ZIP 1993, 263 = NJW 1993, 1804 = Betrieb 1993, 789 – BSW OLG Karlsruhe (12.10.1993) WM 1993, 2092 = AG 1994, 283 = GmbHR 1994, 810 OLG Stuttgart (21.12.1993) AG 1994, 411 = ZIP 1995, 1515 = Betrieb 1994, 205 OLG Hamm (10.5.1995) AG 1995, 512 = ZIP 1995, 1263 – Harpener/Omni OLG Frankfurt (30.11.1995) AG 1996, 324 = BB 1996, 445 – Küppersbusch/AEG OLG Nürnberg (17.1.1996) AG 1996, 228 = ZIP 1997, 786 = Betrieb 1996, 464 – Tucherbräu AG OLG Celle (15.5.1996) AG 1996, 370 – Pensions-Sparplan der Göttinger Vermögensanlagen AG OLG Düsseldorf (12.7.1996) AG 1996, 473 = Betrieb 1996, 1862 – Citicorp Deutschland AG OLG Stuttgart (29.10.1997) AG 1998, 585 = NZG 1998, 601 = DStR 1998, 1146 = GmbHR 1998, 943 – Dornier/DB OLG Frankfurt (29.6.1999) NZG 2000, 603 OLG Hamburg (29.10.1999) AG 2001, 91 = NZG 2000, 421 = Betrieb 2000, 314

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

OLG Oldenburg (23.3.2000) NZG 2000, 1138 = GmbHR 2000, 1267 OLG Frankfurt (4.4.2000) OLGR Frankfurt 2000, 231 = WM 2000, 1402 = AG 2001, 53 = NZG 2000, 790 = ZIP 2000, 926 = Betrieb 2000, 1066 = BB 2000, 1487 KG (30.6.2000) AG 2001, 186 = NZG 2000, 1132 = Betrieb 2000, 1755 = BB 2000, 2062 – Allianz OLG Oldenburg (28.11.2000) AG 2002, 96 KG (28.3.2001) AG 2002, 289 BayObLG (23.10.2002) AG 2003, 631 = NZG 2002, 36 = ZIP 2002, 2257 = Betrieb 2002, 2525 = BB 2003, 15 – PKV/Philips AG OLG Düsseldorf (27.2.2004) AG 2004, 324 = NZG 2005, 280 = ZIP 2004, 753 = Betrieb 2004, 1032 – Eisenbahn Verkehrsmittel-AG für Transport und Lagerung (EVA) OLG München (15.12.2004) AG 2005, 486 = NZG 2005, 181 OLG Düsseldorf (20.10.2006) AG 2007, 170 KG (9.6.2008) AG 2009, 30 = ZIP 2009, 1223 OLG München (24.6.2008) WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753 = ZIP 2008, 1330 = BB 2008, 1533 OLG Schleswig (27.8.2008) WM 2008, 2253 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868 = ZIP 2009, 124 = Betrieb 2008, 2076 – MobilCom AG I OLG München (9.12.2008) WM 2009, 1038 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315 = ZIP 2009, 2295 = Betrieb 2009, 168 = BB 2009, 631 = GmbHR 2009, 148 OLG Köln (8.10.2009) AG 2010, 336 = NZG 2010, 225 OLG Frankfurt (13.12.2011) AG 2012, 217 = ZIP 2012, 79 = Betrieb 2012, 1090 – Eurohypo/Rheinhyp OLG München (18.7.2012) AG 2012, 802 LG Düsseldorf (22.12.1978) AG 1979, 290 – Augsburger Kammgarn-Spinnerei AG LG Frankfurt (8.1.1990) Betrieb 1990, 624 LG Hamburg (11.1.1990) ZIP 1990, 376 LG Ingolstadt (12.6.1990) WM 1991, 685 = AG 1991, 24 = ZIP 1990, 1128 LG Hamburg (29.1.1991) WM 1991, 1081 = AG 1991, 365 – Bau Verein AG, Hamburg LG Konstanz (26.11.1992) WM 1993, 953 = AG 1993, 237 = ZIP 1992, 1736 = GmbHR 1993, 169 = GmbHR 1993, 443 LG Kassel (15.11.1995) AG 1997, 239 = GmbHR 1996, 292 LG Stuttgart (3.5.1997) Betrieb 1997, 1661 LG Frankfurt (16.11.1998) AG 1999, 238 = Betrieb 1999, 271 – Deutsche Effektenund Wechsel Beteiligungsges. AG/Jenoptik LG München I (2.5.2000) AG 2001, 318 = Betrieb 2000, 1217 – Bayerische BrauereiHolding

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Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

LG Berlin (19.7.2000) AG 2001, 95 = Betrieb 2000, 2466 – Deutsche Hypothekenbank AG LG Frankfurt (21.2.2006) AG 2007, 48 – Celanese AG LG München I (31.1.2008) ZIP 2008, 555 = BB 2008, 441 = BB 2008, 522 LG Nürnberg-Fürth (18.12.2008) AG 2010, 179 LG München I (12.5.2011) ZIP 2011, 1511

I. Grundlagen 1. Gesetzesgeschichte

1

§ 291 geht nur in Teilen auf den mit „Gewinngemeinschaft“ überschriebenen § 256 AktG 1937 zurück. Nach dessen Abs 1 bedurfte jegliche Vereinbarung, in der sich eine AG oder KGaA zur Abführung von mehr als drei Vierteln ihres Gesamtgewinns verpflichtete, der Zustimmung ihrer Hauptversammlung, und das galt nach Abs 2 Var 3 auch für den nunmehr in § 291 Abs 1 Satz 2 erfassten Vertrag, durch den eine Gesellschaft es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen zu führen. Eine Änderung erfuhr § 291 erstmals durch das MoMiG.1 In der Neufassung des Abs 3 sind Leistungen „bei Bestehen“ eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags vom Konzernprivileg umfasst, nicht wie zuvor lediglich Leistungen „aufgrund“ eines solchen Vertrags. Weitere Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte finden sich bei den einzelnen Vertragsarten; s Rdn 57, 140, 181, 206. 2. Regelungsgegenstand

§ 291 Abs 1 Satz 1 führt erstens – insoweit im Zusammenspiel mit § 292 Abs 1 – den neuen Sammelbegriff (Vorbem 2 zu §§ 291 ff) des Unternehmensvertrags für das Aktienkonzernrecht ein. Zweitens enthält Satz 1 zwei Begriffsbestimmungen, die – formal nach Art einer Legaldefinition (Vorbem 3 zu §§ 291 ff) – die notwendigen Merkmale der beiden Vertragstypen des Beherrschungsvertrags und des Gewinnabführungsvertrags benennen: Alternative 1 charakterisiert den Beherrschungsvertrag anhand zweier den Vertragsgegenstand2 in Bezug nehmender Merkmale dahingehend, dass eine AG oder KGaA „die Leitung ihrer Gesellschaft“ dem anderen Vertragsteil vertraglich „unterstellt“; Alternative 2 kennzeichnet den Gewinnabführungsvertrag dergestalt, dass die Gesellschaft sich gegenüber einem anderen Unternehmen zur Abführung ihres ganzen Gewinns verpflichtet. Satz 1 nimmt drittens eine Beschränkung des Personenkreises vor, der anderer Vertragsteil eines Unternehmensvertrags iS von § 291 sein kann (Rdn 46 ff), und begrenzt viertens den Anwendungsbereich der §§ 291 ff auf den Fall, dass eine AG oder KGaA die vertragstypisch verpflichtete Partei eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags ist. Abs 1 Satz 2 fingiert das Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags für die allgemein 3 als Geschäftsführungsvertrag bezeichnete Fallgestaltung, dass die Gesellschaft es vertraglich übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen.

2

1

Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl I S 2026.

2

AA Hüffer10 1 (Definition von den Rechtsfolgen her).

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Der deklaratorische Abs 2 rundet diese Begriffsumschreibungen negativ dahin ab, dass ein Vertrag zwischen unabhängigen Gesellschaften, in welchem sich diese ohne Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses der einheitlichen Leitung unterstellen (Gleichordnungskonzernvertrag, vgl § 18 Abs 2), kein Beherrschungsvertrag ist. Abs 3 klärt das Verhältnis von Unternehmensvertragsrecht und allgemeinen Kapital- 4 erhaltungsregeln. Von der verpflichteten Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags erbrachte Leistungen bilden keinen Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60 (sog Konzernprivileg). 3. Normzweck Gewinnabführungsvertrag und Beherrschungsvertrag in ihrer heutigen Form wurzeln 5 beide in der steuerlichen Organschaft (§§ 14-17 KStG). Herkömmlich erforderte diese eine organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft (Rdn 12) mittels eines so genannten Ergebnisausschlussvertrags (= Organschaftsvertrag). Unter Geltung des AktG 1937 bedurfte es hierfür neben dem in § 256 Abs 1 AktG 1937 verankerten Gewinnabführungsvertrag einer so genannten Beherrschungsabrede (Rdn 57). Gesellschaftsrechtlich blieb die Zulässigkeit des Organschaftsvertrags insbesondere wegen der Beherrschungsabrede,3 aber auch wegen der Gewinnabführung4 bis zum AktG 1965 allerdings bestritten. Das AktG 1965 räumte die gesellschaftsrechtlichen Bedenken in der Sache aus. § 291 6 AktG hat die steuerrechtlichen Vorgaben zwar nicht nachempfunden, sondern zur besseren Normsystematisierung den Beherrschungsvertrag und den Gewinnabführungsvertrag als zwei gesonderte Vertragstypen geregelt.5 Zugleich wurden hierdurch der Beherrschungsvertrag – und in der Sache auch der Gewinnabführungsvertrag – für zulässig erklärt, „um einem wirtschaftlichen Bedürfnis namentlich bei Konzernen zu entsprechen“.6 Die Neufassung des Abs 3 durch Art 5 Nr 16 des MoMiG verfolgt ausweislich der 7 Regierungsbegründung den Zweck, die Unterhaltung und Abwicklung wirtschaftlich sinnvoller Leistungsbeziehungen zwischen der vertragskonzernierten Gesellschaft und ihren Aktionären zu ermöglichen; insoweit hat der Gesetzgeber insbesondere an sog upstream-Darlehen und dort vor allem an den Betrieb sog Cash Pooling-Systeme gedacht.7 Zudem sollen Leistungen an Dritte auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens von der Kapitalbindung ausgenommen werden;8 freilich war schon unter der Geltung von § 291 Abs 3 aF nicht zweifelhaft, dass auch derartig veranlasste Leistungen an Dritte vom Konzernprivileg erfasst werden.9 Die Neufassung korrespondiert schließlich mit den §§ 57 Abs 1 Satz 3 und 71a Satz 3, welche vergleichbare Freistellungen für Leistungen bzw Rechtsgeschäfte „bei Bestehen“ eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags beinhalten.10

3 4

5 6 7

S Rasch Konzernrecht5, S 84 f; MünchKommAktG/Altmeppen3 141. MünchKommAktG/Altmeppen3 141; vgl dazu auch Duden BB 1957, 49; Würdinger Betrieb 1958, 1447, 1452; Ballerstedt Betrieb 1956, 837; ders Betrieb 1957, 837; Erlinghagen Organschaftsvertrag, S 103 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 51, 142. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376 f. S BT-Drucks 16/6140, S 41; Emmerich/Haber-

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9 10

sack6 74 f; Spindler/Stilz/Veil 2 72; Hüffer10 36; MünchKommAktG/Altmeppen3 228; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 71. BT-Drucks 16/9737, S 56; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 72; MünchKommAktG/Altmeppen3 229c. So zu Recht MünchKommAktG/Altmeppen3 229c. Näher Emmerich/Habersack6 74; Spindler/ Stilz/Veil 2 71.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

4. Steuerliche Organschaft

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a) Zweck. Wirtschaftlich tragendes Motiv der weitaus meisten Gewinnabführungsund Beherrschungsverträge ist seit jeher die Begründung einer steuerlichen Organschaft.11 Mit dieser Konstruktion wird steuerlich an den Konzern als Wirtschaftseinheit angeknüpft, indem ungeachtet des Vorhandenseins juristisch selbständiger Rechtsträger die Gewinne und Verluste der Konzernunternehmen innerhalb des Organkreises saldiert werden.12 Anders gewendet wird für die Zwecke der Besteuerung ein selbstständiger Rechtsträger (Organgesellschaft) in einen anderen selbständigen Rechtsträger (Organträger) integriert und das Einkommen der Organgesellschaft vorbehaltlich der in § 16 KStG getroffenen Regelung dem Träger des Unternehmens (Organträger) gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 KStG zugerechnet.13 Hiermit kann eine Senkung der effektiv zu tragenden Steuerlast verbunden sein,14 was insbesondere seit Inkrafttreten des § 8b KStG in der Fassung des StSenkG15 von Bedeutung ist.16 Zusätzliche Vorteile der Organschaft bestehen unter anderem darin, zu Gunsten des Organträgers eine möglichst weitreichende Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben zu gewährleisten,17 gewerbesteuerliche Doppelerfassungen zu vermeiden,18 die Gefahr verdeckter Gewinnausschüttungen zu reduzieren19 und den Organkreis gemäß § 15 Satz 1 Nr 3 KStG als einen einheitlichen Betrieb für Zwecke der Zinsschranke des § 4h EStG zusammenzufassen.20 Auch und gerade für die öffentliche Hand ist die Organschaft von besonderer Bedeutung.21

9

b) Voraussetzungen. Die körperschaftssteuerrechtlichen Anforderungen an die Organschaft sind in den §§ 14 ff KStG22 geregelt und gelten seit dem Veranlagungszeitraum 200223 auch für eine gewerbesteuerliche Organschaft; die umsatzsteuerliche Organschaft lässt sich demgegenüber auch ohne Abschluss eines Unternehmensvertrages begründen.24 11

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MünchKommAktG/Altmeppen3 52, 144; Emmerich/Habersack6 5, 47; Emmerich/ Habersack9 § 1, 34 ff; § 11, 5; KK/Koppensteiner3 5, 79; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 1, § 71, 1a; Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 3 ff, 15 ff; Bürgers/Körber/ Schenk2 34; näher zur Entwicklung der Organschaft Gosch/Neumann KStG2, § 14, 10 ff. Vgl BFHE 107, 282, 286 = WM 1973, 427 = DStR 1973, 89; Dötsch/Witt KStG, § 14, 31; Bürgers/Körber/Schenk2 34; Gosch/Neumann KStG2, § 14, 33; Altendorf in Breithaupt/ Ottersbach, Kompendium Gesellschaftsrecht, Rdn 454; Kessler/Kröner/Köhler/Dötsch Konzernsteuerrecht2, § 3, 134. S auch Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 16; Wachter/K J Müller 22. Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 16 mwN. Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23. Oktober 2000, BGBl I S 1460. Näher Gosch/Neumann KStG2, § 14, 28; Kessler/Kröner/Köhler/Dötsch Konzernsteuerrecht2, § 3, 134. S Altendorf in: Breithaupt/Ottersbach, Kompendium Gesellschaftsrecht, Rdn 454.

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Müller/Rödder Beck’sches Handbuch AG2, § 13, 67; Altendorf in Breithaupt/Ottersbach, Kompendium Gesellschaftsrecht, Rdn 454; näher zur Berechnung der Gewerbesteuer Schüppen/Schaub/Ruh/Schlösser MAH Aktienrecht2, § 54, 202 ff. S Förschle/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar8, § 278 HGB, 133; Altendorf in Breithaupt/Ottersbach, Kompendium Gesellschaftsrecht, Rdn 454. Schüppen/Schaub/Ruh/Schlösser MAH Aktienrecht2, § 54, 137a. Näher hierzu Gosch/Neumann KStG2, § 14, 35 mwN. IdF des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen (StVergAbG) v 16.5.2003, BGBl I, S 660. Aufgrund des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes (UntStFG) vom 20.12.2001, BGBl I, S 3858. Überblick über die Anforderungen an eine Organschaft im Gewerbe-, Umsatz- und Grunderwerbssteuerrecht bei Gosch/Neumann KStG2, § 14, 29. S auch Erle/Sauter/ Heurung KStG3, § 14, 633 ff; Spindler/Stilz/ Veil 2 Vor § 291, 16 ff.

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Die Organgesellschaft kann nach § 14 Abs 1 Satz 1 KStG eine Aktiengesellschaft, eine 10 Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eine Europäische Gesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland25 sein.26 Über den derzeitigen Gesetzeswortlaut hinaus erkennt das BMF bereits seit 2011 (andere) im EU/EWR-Ausland gegründete Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung in Deutschland als Organgesellschaft an.27 § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KStG bestimmt den Kreis der möglichen Organträger. Danach 11 kommen bislang (1.) eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person, (2.) eine nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse iS des § 1 KStG, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, (3.) – unter bestimmten Umständen – eine Personengesellschaft iS des § 15 Abs 1 Nr 2 EStG mit Geschäftsleitung im Inland, (4.) unter den Voraussetzungen des § 18 KStG der Träger eines ausländischen Unternehmens und letztlich (5.) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art in Betracht. Neben den Anforderungen an die Rechtsform muss nach § 14 Abs 1 Satz 1 KStG hinzukommen, dass ein Organträger der Inhaber eines gewerblichen Unternehmens ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die Tatbestandsmerkmale der § 2 Abs 1 Satz 2 GewStG iVm § 2 Abs 1 GewStDV, § 15 Abs 2 Satz 1 EStG erfüllt sind.28 In der Zukunft soll es nach der sog kleinen Organschaftsreform für alle an der steuerlichen Organschaft beteiligten Personen darauf ankommen, ob die Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers im Sinne des § 12 der Abgabenordnung zuzurechnen ist (§ 14 Abs 1 Nr 2 KStG-E).29 Als weitere Voraussetzung muss eine finanzielle Eingliederung gegeben sein. Dies 12 erfordert nach § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Satz 1 KStG, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht;30 das nach früherem Recht bestehende – und den zusätzlichen Abschluss eines Beherrschungsvertrags bedingende – Erfor-

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Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 19; krit zum doppelten Inlandsbezug Gosch StBp 2002, 374, 378 unter Hinweis auf die ÜberseeringEntscheidung des EuGH (Rs C-208/00 v 5.11.2002, NJW 2002, 3614); zustimmend Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 27. Der Fraktionenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 25.9.2012 (BT-Drucks 17/10774) („Kleine Organschaftsreform“) ändert § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KStG dahin, dass bei inländischer Geschäftsleitung der Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWRAbkommens genügt. Ausweislich der Gesetzesbegründung (ebenda S 18) liegt darin eine Reaktion auf das Vertragsverletzungsverfahren Nr 2008/4909 der Europäischen Kommission. Zur Anerkennung von Vorgründungs- und Vorgesellschaften als Organgesellschaften s Gosch/Neumann KStG2, § 14, 46 ff. Nach § 17 iVm § 1 Abs 1 Nr 1 KStG kommt ferner eine GmbH in Betracht, wenn sich Geschäftsleitung und Sitz im Inland befin-

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den; auch insoweit verzichtet der Art 2 Nr 3 des FrakE BT-Drucks 17/10774 auf den doppelten Inlandsbezug. S BMF DStR 2011, 674; MünchKommBilanzR/Witt Anh § 271 HGB, 6 mwN. Gosch/Neumann KStG2, § 14, 105; Erle/ Sauter/Heurung KStG3, § 14, 45, 46; BFHE 158, 346, 348 = AG 1990, 304 = BStBl II 1990, 24; BMF 26.8.2003, BStBl I 2003, 437 Rdn 2. Art 2 Nr 2 bbb) des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 25.9.2012, FrakE BT-Drucks 17/10775. Hiermit reagiert der Steuergesetzgeber auf die die Rechtsprechung des BFH (BFHE 232, 476 = AG 2011, 591 = NZG 2011, 598) zur Reichweite des abkommensrechtlichen Gesellschafterdiskriminierungsverbots des Art 24 Abs 5 des OECDMusterabkommens; s Begründung ebenda S 18. Statt vieler MünchKommBilanzR/Witt Anh § 271 HGB, 16; Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 17.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

dernis auch einer wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung ist seit dem Veranlagungszeitraum 2001 entfallen.31 Für die finanzielle Eingliederung genügt auch eine mittelbare Beteiligung an der Organgesellschaft, sofern die Beteiligung an jeder vermittelnden Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte (§ 133 Abs 1) gewährt; hierfür lassen sich unmittelbar und qua Stimmrechtsmehrheit mittelbar gehaltene Beteiligungen auch zusammenrechnen.32 Stets muss die finanzielle Eingliederung ununterbrochen von Beginn bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft bestehen. Jede auch nur vorübergehende Unterbrechung hat zur Folge, dass für das gesamte Wirtschaftsjahr eine Organschaft entfällt.33 Erforderlich ist sodann gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KStG ein nach Maßgabe des 13 jeweils anzuwendenden Organisationsrechts – bei Beteiligung zweier Aktiengesellschaften also der §§ 291, 293 ff – wirksamer34 und den gesamten Gewinn der Untergesellschaft erfassender35 Gewinnabführungsvertrag iS des § 291 Abs 1 zwischen zwei Vertragsparteien, von denen die gewinnabführungspflichtige Gesellschaft steuerlich als Organgesellschaft (Rdn 10) und der andere Vertragsteil steuerlich als Organträger (Rdn 11) fungieren kann.36 Der Gewinnabführungsvertrag muss nach § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KStG eine aus14 drücklich vertraglich vereinbarte Mindestlaufzeit von fünf Jahren aufweisen, um sicherzustellen, dass für den Unternehmensvertrag zumindest auch außersteuerliche Gründe bestehen, die konzernrechtliche Gestaltung also nicht lediglich aus steuerlichen Gründen missbraucht wird. Diese Mindestlaufzeit bemisst sich nach der Rechtsprechung des BFH nach Zeitjahren37 und nicht etwa nach Wirtschaftsjahren, so dass sie insgesamt genau 60 Monate beträgt. Der relevante Anfangszeitpunkt hierfür folgt aus § 14 Abs 1 Satz 2 KStG. Danach kann dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaft erstmals für das Kalenderjahr zugerechnet werden, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird, wobei der maßgebliche Wirksamkeitszeitpunkt regelmäßig derjenige ist, zu dem die Eintragung des Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister erfolgt (arg § 294 Abs 2).38 Damit können die Folgen der Organschaft erstmals für das Wirtschaftsjahr eintreten, in dem die Handelsregistereintragung erfolgt. In diesem beschränkten Umfang ist steuerlich eine

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Abschaffung durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000, BGBl I, 1433; BStBl I, 1428; Erle/Sauter/Heurung KStG3 § 14, 107; Spindler/Stilz/Veil2 Vor § 291, 17. Vertiefend mit Beispielen Gosch/Neumann KStG2, § 14, 137 f; Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 117 ff; MünchKommBilanzR/ Witt Anh § 271 HGB, 19; Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 17; Dötsch/Dötsch KStG, § 14, 120. Gosch/Neumann KStG2, § 14, 155; Erle/ Sauter/Heurung KStG3, § 14, 113; MünchKommBilanzR/Witt Anh § 271 HGB, 22; Walter/Götz GmbHR 2001, 619, 620 mwN. Die Vertragswirksamkeit wird von § 14 Abs 1 S 1 Nr 3 KStG vorausgesetzt und bildet auch nach dem Telos der Vorschrift eine unerlässliche Voraussetzung für die Annahme einer Organschaft. S auch BFH I R 25/00,

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GmbHR 2002, 274, 275. Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen siehe auch Erle/Heurung KStG3, § 14, 154 ff; Dötsch/Dötsch KStG, § 14, 168. Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 17. Gosch/Neumann KStG2, § 14, 186, 193; Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 17. BFHE 232, 426 = AG 2011, 417 = NZG 2011, 596, 597 (hierzu Olbing NZG 2011, 773 ff); allgemeiner zum Mindestlaufzeitenerfordernis Gosch/Neumann KStG2, § 14, 212; Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 177, 181; MünchKommBilanzR/Witt Anh § 271 HGB, 22; Dötsch/Dötsch KStG, § 14, 216. Gosch/Neumann KStG2, § 14, 210 f; Erle/ Heurung KStG3, § 14, 179; Spindler/Stilz/ Veil 2 Vor § 291, 16; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 54; s auch BMF vom 10.11.2005, BStBl I 2005, 1038.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

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Rückbeziehung des Gewinnabführungsvertrags noch zulässig (s § 294, 72). Eine solche Vorverlagerung des Beginns der Organschaft auf den Anfang des laufenden Wirtschaftsjahres erfordert allerdings eine Vereinbarung, dass die Gewinnabführungspflicht rückwirkend bereits ab diesem Zeitpunkt besteht.39 § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KStG fordert schließlich die tatsächliche Durchführung des 15 Gewinnabführungsvertrages während seiner gesamten Geltungsdauer. Eine buchmäßige Berücksichtigung als Forderungen oder Verbindlichkeiten gegenüber dem verbundenen Unternehmen genügt nicht. Die an der Organschaft Beteiligten müssen also ihren aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Pflichten – Abführung ihres unter Beachtung der zwingenden Rechnungslegungsvorschriften und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinns durch die Organgesellschaft oder Ausgleich des bei objektiv ordnungsgemäßer Bilanzierung sich ergebenden Verlusts (§ 302 Abs 1) durch den Organträger – vertragskonform nachkommen. Ein tatsächlich abweichendes – und also pflichtwidriges – Verhalten der Vertragsparteien vom Vertrag führt zur steuerlichen Aberkennung der Organschaft, unabhängig von den zivilrechtlichen Folgen einer Vertragsabweichung.40 Das gilt auch, wenn bei der Gewinn- bzw Verlustermittlung materiell gegen Bilanzierungsvorschriften verstoßen wird, dh nicht lediglich geringfügige Fehler bei Bilanzansätzen oder der Bewertung von Bilanzposten vorliegen.41 Um diesbezüglich Erleichterungen zu schaffen, soll ein Gewinnabführungsvertrag nach § 14 Abs 1 Satz 3 KStG-E idF der kleinen Organschaftsreform (Rdn 12 aE) auch dann als durchgeführt gelten, wenn der der Gewinnabführung zugrunde liegende festgestellte Jahresabschluss fehlerhafte Bilanzansätze enthält, die zwar eine Korrektur der Handelsbilanz erfordern, aber gleichwohl nicht bereits bei der Erstellung des Jahresabschlusses hätten erkannt werden müssen – wobei ein Wirtschaftsprüfertestat oder eine qualifizierte Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters entlastet (Satz 4) –, und wenn die auf Basis des korrigierten Jahresabschlusses sich ergebenden Verpflichtungen zur Gewinnabführung oder zum Verlustausgleich erfüllt werden. c) Die frühere Mehrmütterorganschaft. Die frühere körperschaftssteuerliche Mehr- 16 mütterorganschaft hatte zum Ausgangspunkt, dass mehrere gewerbliche organträgerfähige (Rdn 11) Unternehmen jeweils Anteile an einer Tochtergesellschaft, der Organgesellschaft, halten und sich zur Bündelung ihrer Interessen und der Koordinierung ihres Abstimmungsverhaltens zu einer Innengesellschaft, regelmäßig einer GbR, zusammenschließen.42 Um den beteiligten Unternehmen die Vorteile der Organschaft zu vermitteln, bedurfte es der finanziellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Eingliederung durch Abschluss eines kombinierten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (Rdn 5). Da nach ganz hM nur die Personengesellschaft selbst als Vertragspartnerin und Organträgerin fungieren konnte43 – dies ungeachtet ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit als InnenGbR –, wurde der kombinierte Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit dieser abgeschlossen. Dementsprechend war das Einkommen der Organgesellschaft zunächst an die GbR abzuführen und erst im Anschluss hieran im Wege der einheitlichen und geson-

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Gosch/Neumann KStG2, § 14, 249; vertiefend Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 180 ff. Gosch/Neumann KStG2, § 14, 310; Erle/ Sauter/Heurung KStG3, § 14, 173; Dötsch/ Dötsch KStG, § 14, 210. S etwa BFHE 231, 198 = AG 2011, 87; Schnitger/Fehrenbacher/Brink KStG § 14, 333 f; Frotscher/Maas/Frotscher KStG § 14, 371.

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Näher zur Mehrmütterorganschaft etwa auch Kessler/Kröner/Köhler/Dötsch Konzernsteuerrecht2, § 3, 335 ff; MünchKommBilanzR/Witt Anh § 271 HGB, 75 ff mwN. Abschnitt 52 Abs 6 Satz 2 KStR 1995 zu § 14 KStG; Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 354; näher hierzu Krebühl DStR 2001, 1737 f.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

derten Feststellung (§ 180 Abs 1 Nr 2 lit a AO) anteilig den Gesellschaftern der GbR körperschaftssteuerlich zuzurechnen.44 Eine gewerbesteuerliche Mehrmütterorganschaft schied hingegen aus, da die GbR als Mitunternehmer selbst gewerbesteuerpflichtig war.45 Tiefgreifende Veränderungen dieses jahrzehntelang jedenfalls gewohnheitsrechtlich 17 anerkannten Körperschaftssteuerinstituts wurden im Jahre 1999 durch zwei Urteile des BFH46 ausgelöst, mit denen dieser von seiner bisherigen Judikatur abwich. Entgegen seiner bisherigen Rechtsauffassung – an der die Finanzverwaltung allerdings weiterhin festhielt – war er nunmehr der Ansicht, dass die Unternehmensverträge mit den Gesellschaftern der Organgesellschaft selbst und nicht mit der Willensbildungs-GbR abzuschließen seien. Der BFH leitete dies aus aktienkonzernrechtlichen Regeln der verbundenen Unternehmen ab (Lehre von der mehrfachen Abhängigkeit im Konzernrecht) und glich damit das Steuerrecht dem dogmatischen Entwicklungsstand des Konzerngesellschaftsrechts an.47 Die Finanzverwaltung reagierte hierauf mit einem Nichtanwendungserlass,48 insbesondere um die gebotene gewebesteuerliche Konsequenz dieser neuen Rechtslage in Gestalt der (auch) gewerbesteuerlichen anteiligen Zurechnung der Gewinne und Verluste der Organgesellschaft an die Gesellschafter zu vermeiden. Der Gesetzgeber seinerseits bestätigte dann zunächst die Position der Finanzverwaltung mit der erstmaligen Kodifizierung der Mehrmütterorganschaft in § 14 Abs 2 KStG aF.49 Diese Vorschrift orientierte sich am ursprünglichen Rechtszustand und ignorierte steuerlich die gesellschaftsrechtliche Lehre von der mehrfachen Abhängigkeit. Nur wenig später erfolgte schließlich die gänzliche Abschaffung der Mehrmütter18 organschaft durch Aufhebung des § 14 Abs 2 KStG aF.50 Seit Beginn des Veranlagungszeitraums 2003 ist eine Mehrmütterorganschaft ertragssteuerlich daher nicht mehr möglich; nach § 14 Abs 1 Satz 1 KStG muss sich die Organgesellschaft verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen. Nach der Gesetzesbegründung sollen auch solche Gestaltungen verhindert werden, mit denen das steuerliche Ergebnis einer Mehrmütterorganschaft erreicht werden könnte.51 Ist die als Zwischenholding eingeschaltete Personengesellschaft nicht selbst tauglicher Organträger (Rdn 11), ist für die Herstellung einer Organschaft die Begründung der Gewinnabführungspflicht gegenüber dem die Stimmenmehrheit an der Personengesellschaft haltenden Organträger erforderlich. Die Beweggründe für diesen unvermittelten Kurswechsel des Steuergesetzgebers dürften allein in der Verhinderung eines Abschmelzens des Gewerbesteueraufkommens bestanden haben.52

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Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 354; Kirchhof/Paupach Betrieb 2001, Beilage Nr 3, S 1 ff. Frotscher/Maas KStG, § 14, 986; Erle/ Sauter/Heurung KStG3, § 14, 354; Dötsch/Dötsch KStG, § 14, 107. BFHE 189, 518 = AG 2000, 181 = NZG 2000, 329 = DStR 1999, 2070. Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 355; KK/Koppensteiner3 § 291, 59 mwN. BMF IV A 2-S 2770-3/00 vom 4.12.2000 = BStBl I 2000, 1571. Eingeführt durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20.12.2001, BGBl I, S 3858; s Schüppen/ Schaub/Ruh/Schlösser MAH Aktienrecht2, § 54, 222 f.

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Aufhebung durch das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen (StVergAbG) v 16.5.2003, BGBl I, S 660; s hierzu Gosch/ Neumann KStG2, § 14, 385; Spindler/Stilz/ Veil 2 Vor § 291, 18. Zur Diskussion s Rödder DStR 2002, 1802. Zu alternativen Gestaltungsmöglichkeiten nach Abschaffung der Mehrmütterorganschaft s Raupach DStR 2003, 1901 ff; Gosch/Neumann KStG2, § 14, 385; Schüppen/Schaub/Ruh/Schlösser MAH Aktienrecht2, § 54, 224 ff. Rödder/Schumacher DStR 2003, 805, 807; Erle/Sauter/Heurung KStG3, § 14, 360.

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5. Altverträge Unternehmensverträge, die vor dem Inkrafttreten des AktG 1965 am 1.1.1966 auf 19 unbestimmte Zeit abgeschlossen worden waren, gelten grundsätzlich fort, sofern sie dem früher geltenden Recht entsprachen und nach dem Inkrafttreten des AktG 1965 gemäß § 22 Abs 2 EGAktG unverzüglich unter der Vertragsbezeichnung des neuen AktG in das Handelsregister eingetragen wurden.53 Etwaige Mängel wurden hierdurch zwar nicht geheilt.54 Andererseits kam es für die Vertragsfortgeltung auf die materielle Vereinbarkeit der Altverträge mit den §§ 293 ff nF, insbesondere auf eine – mit der Dividendengarantie55 unter Geltung des § AktG 1937 nicht identische – Ausgleichsregelung gemäß § 304 AktG,56 nicht an,57 weil das neue Aktienrecht eben lediglich die Eintragungspflicht nach § 22 Abs 2 EGAktG einführte, nicht aber eine Rückwirkung der §§ 293 ff anordnete.58 Dasselbe gilt im Falle eines Beherrschungsvertrags beim Fehlen eines konsentierenden Hauptversammlungsbeschlusses unter der Annahme, dass ein Zustimmungsbeschluss unter Geltung des AktG 1937 nicht erforderlich war.59 Entscheidend ist einzig die Wirksamkeitsbeurteilung auf Basis des AktG 1937. Im Einklang hiermit sah der Gesetzgeberg auch davon ab, Auslauffristen vorzusehen. Auf bestimmte Zeit geschlossene und daher ablaufende Verträge sind hingegen nach Maßgabe der §§ 291 ff neu abzuschließen. Dies folgt im Gegenschluss aus § 22 Abs 1 Satz 1 EGAktG, der lediglich auf die Vorschriften zur Änderung, Aufhebung und Kündigung von Verträgen (§§ 295 ff) verweist.60

II. Rechtsnatur der Unternehmensverträge des Abs 1 1. Organisationsvertrag Beherrschungsvertrag61 und Gewinnabführungsvertrag62 werden – wie schon der 20 Organschaftsvertrag63 (Rdn 5) – nahezu allseits als der Satzung vergleichbare körper-

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Emmerich/Habersack6 Vor § 291, 3; MünchKommAktG/Altmeppen3 231 f (dort auch näher zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen unter dem AktG 1937); KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 168; Heidel/Peres3 7. MünchKommAktG/Altmeppen3 231; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 168. Dazu Erlinghagen Organschaftsvertrag, S 26 f; Mestmäcker Verwaltung, S 357 ff. AA MünchKommAktG/Altmeppen3 232; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 167. KG AG 2001, 186, 187 = NZG 2000, 1132; OLG Karlsruhe NJW 1967, 831, 832 = AG 1967, 202; Heidel/Peres3 7; Hüffer10 22; nicht eindeutig KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 167; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 74; Emmerich/Habersack6 Vor § 291, 3; MünchKommAktG/Altmeppen3 232. KG AG 2001, 186, 187 = NZG 2000, 1132. KG AG 2001, 186, 187 = NZG 2000, 1132; aA OLG Karlsruhe NJW 1967, 831, 832 = AG 1967, 202. MünchKommAktG/Alt-

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meppen3 232 m Fn 420; Emmerich/Habersack6 Vor § 291, 5. Heidel/Peres3 7. BGHZ 103, 1, 4 = WM 1988, 258 = AG 1988, 133; 105, 324, 331 = WM 1988, 1819 = AG 1989, 91; 190, 45, 50 = WM 2011, 1416 = AG 2011, 668 = NZG 2011, 902; BGH WM 1992, 524 = AG 1992, 192, 193 f; OLG Hamm WM 1988, 1164, 1168 f = AG 1989, 31; OLG Frankfurt AG 1988, 267, 270; OLG Düsseldorf WM 1991, 2103 = AG 1992, 60; BayObLGZ 1992, 367 = AG 1993, 177; OLG Karlsruhe WM 1993, 2092 = AG 1994, 283; OLG Stuttgart AG 1998, 585, 586 = NZG 1998, 601; OLG Hamburg AG 2001, 91 = NZG 2000, 421; OLG Oldenburg NZG 2000, 1138, 1139; KG AG 2001, 186 = NZG 2000, 1132; OLG Düsseldorf AG 2004, 324, 326 = NZG 2005, 280; OLG München WM 2009, 1038, 1140 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315. – Aus dem Schrifttum MünchKommAktG/Altmep-

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Erster Teil. Unternehmensverträge

schaftliche Organisationsverträge eingeordnet.64 Diese Unternehmensverträge würden die durch Gesetz und Satzung bestimmte innergesellschaftliche Organisationsstruktur abändern und so der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft ohne Satzungsänderung (§ 293, 56 ff) eine neue Verbandsstruktur verleihen.65 Beherrschungs- und auch Gewinnabführungsverträge hätten durch die Lockerung der Kapitalerhaltungsregeln nach § 291 Abs 3 eine neue Finanzstruktur der Untergesellschaft zur Folge.66 Beim Beherrschungsvertrag ergebe sich dies zudem aus der § 76 Abs 1 derogierenden Weisungsgebundenheit des Vorstands nach § 308 sowie der Ausrichtung der Gesellschaft auf das Konzerninteresse, also der Herausbildung einer neuen Organisationsstruktur.67 2. Strukturänderungsgestaltender einseitiger Schuldvertrag

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a) Schuldvertrag mit drei Regelungsebenen. Die Unternehmensverträge des § 291 zielen, darin ist der hM beizupflichten, auf eine Änderung der Organisations- und Finanzverfassung der unternehmensvertraglich verpflichteten Gesellschaft. Gleichwohl kommt ihnen nicht der Charakter eines satzungsgleichen körperschaftlichen Organisationsvertrags zu.68 Vielmehr handelt es sich hierbei um ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und einem anderen Unternehmen, das sich auf drei Regelungsebenen auf den in § 293 Abs 1 als Zustimmungsbeschluss bezeichneten strukturändernden Hauptversammlungsbeschluss bezieht: Es begründet erstens die Leistungspflicht der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft, die Modifikationen deren Regelungsstatuts erforderlich macht, zeichnet hierdurch zweitens – insoweit dem umwandlungsrechtlichen

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pen3 25 f; Emmerich/Habersack6 25 f; Emmerich/Habersack9 § 11, 19 f; Hüffer10 17; Heidel/Peres3 8; Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 25 ff; Leuschner Konzernrecht, S 290; Bälz in: FS Raiser, 1974, S 287, 323 ff; ders AG 1992, 277, 286 f; W Bayer Beherrschungsvertrag, S 13 ff; Ebenroth Vermögenszuwendungen, S 378; Exner Beherrschungsvertrag, S 56 ff; Geßler/Geßler 24; Hohner Betrieb 1973, 1487, 1488; Koppensteiner Internationale Unternehmen, S 153 f; Luchterhandt Konzernrecht, S 65; Mestmäcker Verwaltung, S 337 ff; Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S 72 ff; Raiser/Veil 5 § 54, 5; Sapper Unternehmensverträge, S 121 f; K Schmidt GesR4, § 31 III 1a (S 948 ff); Würdinger Aktienrecht4, S 323; Sonnenschein Eingliederung, S 321; wohl ebenso MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 1 mit Fn 2; krit KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 156 f; dahin gestellt von Rasch Konzernrecht5, S 86. Für den Gewinnabführungsvertrag BGHZ 105, 324, 331 = AG 1989, 91; OLG Düsseldorf AG 2004, 324 = ZIP 2004, 753, 755; BayObLGZ 1988, 201 = AG 1988, 379, 380, 38; BFHE 127, 56 = WM 1979, 1266 = AG 1980, 309; MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Hüffer10 23; Heidel/Peres3 9;

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Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 25 ff; Wachter/K J Müller 24; Geßler/Geßler 77; Würdinger Aktienrecht4, S 337; Sonnenschein S 321 f; krit KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 160 mwN. Grundlegend Flume Betrieb 1955, 485; ders Betrieb 1956, 455; ders Betrieb 1956, 672; ders Betrieb 1957, 439; ders Betrieb 1959, 190, 195 f; ferner Würdinger Betrieb 1958, 1447, 1452; aA – rein schuldrechtliches Austauschverhältnis – noch Kronstein Die abhängige juristische Person, 1931, S 46 ff. Die Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376 ließ die Frage noch ausdrücklich offen. MünchKommAktG/Altmeppen3 28; Emmerich/Habersack6 26; Hüffer10 2; zunehmend krit K Schmidt in: FS Druey 2002, S 551, 563 f; s auch ders in: FS Koppensteiner 2001, S 191, 206 ff. Zum Gewinnabführungsvertrag MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Emmerich/ Habersack6 52; Hüffer10 23. S nur MünchKommAktG/Altmeppen3 26; Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/Habersack9 § 11, 20; Hüffer10 17. Schon MünchKommHGB/Mülbert3 Konzernrecht, 148 (zur Beherrschungsvertrag mit einer Personengesellschaft).

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

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Verschmelzungsvertrag vergleichbar – die Inhalte des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 als dem die Änderungen des Regelungsstatuts der Gesellschaft bewirkenden korporationsrechtlichen Rechtsgeschäft inhaltlich vor und gestaltet drittens die mit der Strukturänderung entstehenden Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der außenstehenden Aktionäre (§§ 304 f) aus. Terminologisch führt dies zur Bezeichnung als strukturänderungsgestaltender einseitiger69 Schuldvertrag. b) Begründung aa) Allgemeine gesellschaftsrechtliche Prinzipien. Die mit dem Begriff des Organisa- 22 tionsvertrags implizierte Vorstellung, dass der namens der Gesellschaft vom Vorstand mit einem Dritten geschlossenen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag selbst die durch Gesetz und Satzung bestimmte innergesellschaftliche Zweck-, Organisations- und Finanzverfassung der Gesellschaft unmittelbar abändert, steht im Widerspruch zu fundamentalen gesellschaftsrechtlichen Prinzipien. Denn danach liegt die Umgestaltung des durch Gesetz und Satzung etablierten Regelungsstatuts einer Gesellschaft ausschließlich in der Zuständigkeit des Mitgliederorgans (Hauptversammlung), es sei denn, dass Gesetz oder Satzung eine abweichende innergesellschaftliche Zuständigkeitszuweisungen vorsähen. Vorbehaltlich einer diesbezüglichen Ermächtigung können Maßnahmen des Vorstands, und dazu gehört auch der Abschluss von Verträgen im Außenverhältnis, die Satzung der Gesellschaft daher nicht wirksam ändern, sondern allenfalls gegen die unverändert fortbestehende Satzung verstoßen.70 bb) Parallele zum Verschmelzungsvertrag. Für die Unternehmensverträge des § 291 23 Abs 1 verbietet es sich dementsprechend, eine unmittelbare Änderung der Binnenverfassung aus der Qualifizierung dieser Verträge als Organisationsverträge zu deduzieren.71 Hierin läge ein Zirkelschluss, der sich über fundamentale gesellschaftsrechtliche Prinzipien hinwegsetzte, und im Verschmelzungsrecht bezeichnenderweise keine Parallele fände. Obgleich das verschmelzungsrechtliche Schrifttum – zu Recht – eine enge Funktionsparallele zwischen dem Verschmelzungsvertrag und den Unternehmensverträgen des § 291 konstatiert,72 wird der Verschmelzungsvertrag als bloßer Bestandteil eines gesellschaftsrechtlichen Organisationsaktes in Form der Verschmelzung gesehen, der durch den Verschmelzungsbeschluss und nicht etwa durch den zugrundeliegenden Vertrag ins Werk gesetzt wird.73

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Keine Gegenleistung bilden Ausgleichs- und Abfindungsanspruch (§§ 304, 305); ausdrücklich BGHZ 138, 136, 138 = WM 1998, 867 = AG 1998, 286 = NZG 1998, 379; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 153; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 19 ff; aA Veil Unternehmensverträge, S 216; Geßler/Geßler § 291, 25, § 304, 36; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 74 f; s auch Hommelhoff in: FS Claussen 1997, S 129, 132; Praël Eingliederung, S 75; Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 223 (für den Geschäftsführungsvertrag). Das trifft schon deswegen das Richtige, weil es sich hierbei um gesetzliche Ansprüche handelt, nicht um solche aus

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einem Vertrag zugunsten Dritter; unten Rdn 33. Vgl. ferner noch Rdn 186 zum Geschäftsführungsvertrag des § 291 Abs 1 Satz 2. S nur Wiedemann in diesem Kommentar, § 179, 96. Insoweit wie hier auch KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 156 aE; MünchKommAktG/Altmeppen3 28. Lutter/Lutter/Drygala UmwG4 § 4, 4; s aber auch Emmerich/Habersack6 1. ZB Semler/Stengel/Schröer UmwG3 § 4, 3; Lutter/Lutter/Drygala UmwG4 § 4, 4; Maulbetsch/Klumpp/Rose UmwG § 4, 26.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

cc) Die positive Regelung der §§ 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1, 293 Abs 1, 308. Der positiven gesetzlichen Regelung der §§ 291 ff sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass – in Abweichung von fundamentalen gesellschaftsrechtlichen Prinzipien – die vom Vorstand abgeschlossenen Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 als solche die innergesellschaftliche Zweck-, Organisations- und Finanzverfassung ändern würden.

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(1) Weisungsrecht. Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht des anderen Vertragsteils nach § 308 erfordert kein Verständnis des Beherrschungsvertrags als eines satzungsgleichen Organisationsvertrags. Das zeigt schon das unternehmensvertragsunabhängige Regelungsregime der Eingliederung, das in § 323 Abs 1 trotz Fehlen eines Unternehmensvertrags ein § 308 Abs 1 entsprechendes Weisungsrecht der Hauptgesellschaft vorsieht und in § 323 Abs 1 für die Befolgungspflicht des Vorstands der eingegliederten Gesellschaft auf § 308 Abs 2 Satz 1 verweist. Diese Regelung des § 323 weist dem Eingliederungsbeschluss nach §§ 319 Abs 1, 320 26 Abs 1 – und für den Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 beim Beherrschungsvertrag gilt dasselbe – die zentrale Rolle zu.74 Diese materiell satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlüsse modifizieren nämlich die weisungsunabhängige Leitungsverantwortung des Vorstands (§ 76 Abs 1) durch eine Änderung der Organisationsverfassung dergestalt, dass der Hauptgesellschaft bzw dem anderen Vertragsteil eine Entscheidungszuständigkeit zugewiesen und Entscheidungen dieses Dritten für den Vorstand zu bindenden Vorgabe erhoben werden. Das vom Hauptversammlungsbeschluss modifizierte Organisationsstatut der Gesellschaft bestimmt mithin, dass die vom Dritten getroffene Entscheidung für den Vorstand an die Stelle einer andernfalls von ihm selbst nach Maßgabe der §§ 76 Abs 1, 93 zu treffenden eigenen Entscheidung tritt und dass diese Weisung die ihm gegenüber seiner Gesellschaft obliegende Geschäftsführungspflicht konkretisiert.75 Wenn das Gesetz in § 308 Abs 3 von einer Pflicht des Vorstands zur Befolgung der Weisungen spricht, meint dies daher eine gegenüber der eigenen Gesellschaft bestehende Organpflicht des Vorstands, die Entscheidungen des gemäß der Organisationsverfassung entscheidungsbefugten Dritten zu beachten und gegebenenfalls umzusetzen, nicht eine gegenüber dem anderen Vertragsteil bestehende Pflicht des Organs Vorstands76 oder gar des einzelnen Organwalters.77 Der Beherrschungsvertrag bildet das hierzu komplementäre Gegenstück im Außen27 verhältnis, indem er dem anderen Vertragsteile einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Tätigwerden nach Maßgabe der vom anderen Vertragsteil erteilen Weisungen begründet. Diese Gestaltung geht zwar über die bloße Einräumung eines ein-

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75 76

Schon Mülbert Aktiengesellschaft2, S 165 f; MünchKommHGB/Mülbert3 Konzernrecht, 148; aA Leuschner S 290 Fn 209 bei Fokussierung auf den Beherrschungsvertrag: unselbständiges Tatbestandsmerkmal des Rechtsgeschäfts, das den Vertrag in Geltung setzen soll. Insoweit ebenso Hirte in diesem Kommentar, § 308, 27, 52. Ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 § 308, 68; aA Hüffer10 § 308, 1, 20; s auch Hirte in diesem Kommentar, § 308, 27:

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Befolgungspflicht gegenüber anderem Vertragsteil, ohne dass dies ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet. Hirte in diesem Kommentar, § 308, 53; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 308, 66 ff; aA Emmerich/Habersack6 § 308, 17; KK/Koppensteiner3 § 308, 62; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 § 308, 37; 52, 144; Emmerich/Habersack6 5, 47; Emmerich/ Habersack9 § 1, 34 ff; § 11, 5; KK/Koppensteiner3 5, 79; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 158.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

seitigen Leistungsbestimmungsrechts (§ 315 BGB) und damit über einen rein schuldrechtlichen Beherrschungsvertrag78 hinaus, indem die Parteien vereinbaren, dass die Weisung für den Vorstand selbst bindend sein soll. Gleichwohl ist dieser Anspruch rein schuldrechtlicher Natur, nicht etwa ein Bestandteil des von Gesetz und Satzung konstituierten Regelungsstatuts der Gesellschaft bzw eine beherrschungsvertragliche Ergänzung oder Überlagerung desselben. Der andere Vertragsteil wird ungeachtet des ihm zukommenden Weisungsrechts nämlich nicht zu einem durch den Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 neu geschaffenen Organ, sondern verbleibt im Außenverhältnis als Vertragspartner. Es wird ihm mithin keine körperschaftliche Zuständigkeit eingeräumt,79 deren komplementäres Gegenstück in Form des Befolgungsanspruchs des herrschenden Vertragsteils dann notwendig ein körperschaftlicher – organschaftlicher oder innergesellschaftlicher – Anspruch statt eines schuldrechtlichen Anspruchs aus dem Beherrschungsvertrag sein müsste.80 Gegen die Organthese81 spricht schon, dass einem Organ kein Befolgungsanspruch 28 gegen die Verbandsperson selbst zukommen kann, sondern allenfalls im Wege des Organstreits zu verfolgende binnenrechtliche Ansprüche gegen andere Organe. Ein Organ formuliert nämlich kraft organschaftlicher Zurechnung innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs verbindlich den Willen der ihrerseits nicht handlungsfähigen Verbandsperson, weswegen für einen Befolgungsanspruch des Organs gegen „seine“ Gesellschaft von vornherein kein Raum ist. Auf dem Boden der Organthese könnte dem anderen Vertragsteil daher allenfalls ein Befolgungsanspruch unmittelbar gegen den Vorstand als Organ zustehen. Doch auch dies käme bei näherem Zusehen per se nicht in Betracht, weil der andere Vertragsteil allenfalls Mitglied eines neu geschaffenen Organs sein könnte, nicht aber das Organ selbst, und also auch bei diesem Verständnis der vertragliche Befolgungsanspruch des anderen Vertragsteils gegenüber der verpflichteten Gesellschaft ein schuldrechtlicher Anspruch im Außenverhältnis wäre. Nach alledem gibt auch dieser Befolgungsanspruch keinen Anlass, im Beherrschungsvertrag einen satzungsgleichen Organisationsvertrag zu sehen. (2) Beherrschungsvertrag mit Alleinaktionär. Dass der Zustimmungsbeschluss nach 29 § 293 Abs 1 – und nicht der Unternehmensvertrag – die Binnenverfassung abändert (§ 293, 43) und dass die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 daher keine Organisationsverträge sind, erhellt ferner der Umstand, dass das Gesetz einen solchen Strukturänderungsbeschluss selbst beim Abschluss eines Unternehmensvertrags mit dem Alleinaktionär verlangt. Käme dem außenwirksamen Zustimmungserfordernis des § 293 Abs 1 lediglich die Funktion zu, die außenstehenden Aktionäre dagegen abzu-

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Dazu MünchKommHGB/Mülbert3 Konzernrecht, 169 f. AA Hirte in diesem Kommentar, § 308, 16. So aber konsequent Hirte in diesem Kommentar, § 308, 16. Gegen Organstellung der Position des herrschenden anderen Vertragsteils MünchKommHGB/Mülbert3 Konzernrecht, 148, 230; Mülbert Funktionsauslagerung, S 3, 27 f; Veil Unternehmensverträge, S 180 ff; s auch MünchKommAktG/Altmeppen3 § 309, 138 („fehlende Organbeziehung zwischen dem Konzerngeschäftsleiter und der …

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Gesellschaft“); aA – für die Organthese – Würdinger in Voraufl 12; Schürnbrand Organschaft, S 179 ff; W Bayer Beherrschungsvertrag, S 17; Baumbach/Hueck13 § 309, 4; Mestmäcker in: FG Kronstein 1967, S 129, 135; Immenga ZGR 1978, 269, 276; wohl auch Emmerich/Habersack6 § 308, 17 mit Fn 22; Beuthien ZIP 1993, 1589, 1594; s ferner BGHZ 135, 374, 377 = WM 1997, 1288 = AG 1997, 515: herrschendes Unternehmen übernimmt organschaftliche Verantwortlichkeit bei Weisungserteilung.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

sichern, dass der Vorstand eine Satzungsänderung selbständig herbeiführt, wäre der Zustimmungsbeschluss beim Abschluss eines Unternehmensvertrags mit dem Alleinaktionär ganz entbehrlich; in diesem Fall ist per se kein schutzwürdiger außenstehender Aktionär vorhanden. Bekräftigt wird dieses Verständnis noch durch § 293 Abs 1 Satz 4, wonach die Vorschriften über die Satzungsänderung auf den Zustimmungsbeschluss nicht anzuwenden sind. Diese Regelung bringt, indem der Unternehmensvertrag selbst gar keine Erwähnung findet, zum Ausdruck, dass die organisationsrechtlichen Wirkungen des Vorgangs – durch eine materielle Satzungsänderung, nicht eine bloße Satzungsüberlagerung (näher § 293, 58 f) – allein durch den strukturändernden Zustimmungsbeschluss bewirkt werden, nicht durch den Abschluss eines Vertrages im Außenverhältnis.

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(3) Kündigungsmöglichkeit durch Vorstand: ein Einwand? Dass die Abänderung der Binnenverfassung durch den Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 und nicht durch den Unternehmensvertrag erfolgt, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese Änderung mit der Beendigung des Beherrschungsvertrags entfällt und dass es dem Vorstand der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 297 möglich ist, den Unternehmensvertrag einseitig zu beenden, er mithin auf die Binnenverfassung einwirken kann. Der Hauptversammlungsbeschluss nach § 293 Abs 1 beschränkt sich nach seinem Regelungsgehalt nämlich von vornherein auf eine vorübergehende, im Beendigungszeitpunkt des Unternehmensvertrags wieder entfallende Änderung der Zweck-, Organisations- und Finanzverfassung. Diese im Strukturänderungsbeschluss je nach Vertragslaufzeit als Befristung oder Bedingung angelegte Verknüpfung ermöglicht es dem Vorstand überhaupt, mittelbar auf die Binnenverfassung einzuwirken.

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(4) Der atypische Beherrschungsvertrag als Bestätigung. Die Anerkennung atypischer Beherrschungsträge, also der Behandlung eines Vertragswerks als Beherrschungsvertrag unabhängig vom Willen der Parteien oder sogar entgegen deren Willen (Rdn 116), erweist die These vom Organisationsvertrag schließlich als geradezu unhaltbar. Den als atypische Beherrschungsverträge diskutierten Vertragsgestaltungen ist im Wesentlichen gemein, dass die erforderliche Leitungsunterstellung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 nicht mittels Einräumung eines den Vorstand bindenden Weisungsrechts gemäß § 308 erfolgt, sondern durch andersartige schuldvertragliche Gestaltungen und Führungsstrukturen (Rdn 122). Weithin akzeptiertes Beispiel eines atypischen Beherrschungsvertrags in diesem Sinne ist der Betriebspachtvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 Alt 1, der dem Pächter hinsichtlich der Verwendung des Pachtentgelts ein Weisungsrecht einräumt (Rdn 128). Es ist nicht zu erkennen, dass dieses Weisungsrecht den Unterschied zwischen einem Pachtvertrag als Schuldvertrag oder als Organisationsvertrag begründen kann.

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c) Konsequenzen. Die als strukturänderungsgestaltendes Schuldverhältnis zu qualifizierenden Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 unterliegen im Grundsatz den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen. Ihre Ausrichtung auf den die Binnenverfassung abändernden Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 bedingt freilich, dass aktien(konzern)rechtliche Wertungen im Einzelfall an die Stelle der entsprechend zu reduzierenden schuldrechtlichen Vorschriften und Wertungen treten. Konsequenzen zeitigt dieser der hM entgegengesetzte Ausgangspunkt insbesondere in drei Punkten:

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aa) Schuldrechtliche Ansprüche und ihre Durchsetzung. Die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 können ohne weiteres schuldrechtliche Leistungspflichten einer Vertragspartei begründen. Diesbezügliche Vereinbarungen betreffen allerdings im Wesentlichen nur Leistungspflichten gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner; die Abfindungs- und

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Ausgleichsansprüche der Aktionäre (§§ 304 f) lassen sich als gesetzliche82 Ansprüche im Unternehmensvertrag lediglich näher ausgestalten.83 Bei der Pflicht der Gesellschaft zum Tätigwerden nach Weisungen des anderen Vertragsteils und der Pflicht zur Abführung des gesamten Gewinns handelt es sich sogar um essentialia des Beherrschungs- bzw Gewinnabführungsvertrags (Rdn 74 iVm 58 ff, 150), und das müsste auch für einen vertraglich84 konzipierten Verlustausgleichsanspruch gemäß § 302 Abs 1 gelten. Als freiwillige zusätzliche Leistungspflicht kommt insbesondere die Zusage von Wiederaufbauhilfen des anderen Vertragsteils (Rdn 82) in Betracht. Im Übrigen konzediert auch die der These vom Organisationsvertrag verpflichtete hM nicht zuletzt aufgrund der §§ 302, 304 f weithin, dass die Vertragsparteien beiderseits Leistungspflichten übernehmen können;85 nur wenige Stimmen nehmen an, dass die Unternehmensverträge des § 291 überhaupt nur (Weisungs-)Zuständigkeiten und keinerlei Leistungspflichten begründeten.86 Der leistungspflichtigen Vertragspartei kann ein Leistungsverweigerungsrecht aus 34 § 273 Abs 1 BGB oder im Einzelfall auch einmal aus § 320 BGB erwachsen. Dies ermöglicht etwa der beherrschungsvertraglich gebundenen Gesellschaft, die Befolgung einer Weisung solange zu verweigern, als das herrschende Unternehmen seiner Verlustausgleichspflicht nicht nachkommt. Selbst die Vertreter der Lehre vom Organisationsvertrag bejahen ein Recht zur Leistungsverweigerung als einem notwendigen Druckmittel in der Hand der verpflichteten Gesellschaft,87 das im Gegensatz zum Kündigungsrecht (§ 297) den Unternehmensvertrag aufrechterhält.88 Spezifisch konzernrechtliche Wertungen bedingen allerdings Einschränkungen der Möglichkeit zur Geltendmachung des Leis82

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Die konkreten Einzelansprüche sind als vertraglicher Modifikation zugängliche gesetzliche Ansprüche (Mülbert/U H Schneider WM 2003, 2301, 2307 ff; Weißhaupt Kompensationsbezogene Informationsmängel, S 48 ff), nicht als rechtsgeschäftliche Ansprüche (hM; s Hasselbach/Hirte in diesem Kommentar, § 304, 40, § 305, 7 f; Bilda in: FS Hüffer 2009, S 49, 50 ff mwN; für den „Normalfall“ auch der BGH, s BGHZ 167, 299, 306 = WM 2006, 1389 = AG 2006, 543 = NZG 2006, 623; 135, 374, 380 = WM 1997, 1288 = AG 1997, 515) oder als sowohl gesetzlich als auch rechtsgeschäftlich begründete parallele Ansprüche mit identischem Inhalt (etwa Klöhn Das System der aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S 131 ff) einzuordnen. Näher zur Ausgestaltung der Ansprüche Hasselbach/Hirte in diesem Kommentar, § 304, 40, 45, § 305, 53. Zur Einordung des § 302 Abs 1 als vertraglicher oder gesetzlich begründeter Anspruch s Hirte in diesem Kommentar, § 302, 4 ff mwN. S OLG Frankfurt NZG 2000, 603, 604; MünchKommAktG/Altmeppen3 35; Emmerich/Habersack6 27 (Beherrschungsvertrag), 53 (Gewinnabführungsvertrag); Emmerich/ Habersack9 § 11, 22; Hüffer10 18; KK/Kop-

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pensteiner3 Vorb § 291, 157; Geßler/Geßler 25; Raiser/Veil 5 § 54, 5; Krejci Partnerschaft, S 322 f; Brachvogel Leitungsmacht und Verantwortlichkeit, S 127; Straßberger Beherrschungsvertrag, S 32; H Wilhelm Beendigung, S 119; für den Gewinnabführungsvertrag ebenso öOGH AG 2000, 331 = NZG 1999, 1216; iE auch van Venroy Betrieb 1981, 675, 678, 680, Anm 42; vgl auch Begründung RegE in: Kropff AktG, S 384: § 328 BGB grundsätzlich anwendbar; aA Praël Eingliederung, S 76, 93. Bälz AG 1992, 277, 286 f; W Bayer Beherrschungsvertrag, S 17 f; Praël Eingliederung, S 93. OLG Frankfurt NZG 2000, 603; Hüffer10 18; MünchKommAktG/Altmeppen3 36; Emmerich/Habersack6 27; Emmerich/Habersack9 § 11, 22; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 157 (aus spezifisch konzernrechtlichen Erwägungen unter Hinweis darauf, auch bei dem anerkanntermaßen als Organisationsvertrag kategorisierten Personengesellschaftsvertrag sei § 320 BGB bei zwei Gesellschaftern anzuwenden); Glaser Grenzen, S 10 (nur für § 273 BGB); aA Praël Eingliederung, S 74; Sapper Unternehmensverträge, S 132. Hüffer10 18; MünchKommAktG/Altmeppen3 36.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

tungsverweigerungsrechts. Der andere Vertragsteil kann die Leistung von Verlustausgleich nach § 302 Abs 1 an die beherrschungsvertraglich gebundene Gesellschaft oder Ausgleichs- und Abfindungsleistungen an die außenstehenden Aktionäre nicht deswegen verweigern, weil die Gesellschaft eine beherrschungsvertragliche Weisung nicht befolgt.89 Ebenso wenig kann er Zahlungen an die außenstehenden Aktionäre bis zum Ausgang eines Spruchverfahrens verweigern.90 Die Erfüllung der im Unternehmensvertrag begründeten Leistungspflichten ist ein35 klagbar,91 wie auch die Leistungspflichten anerkennenden Verfechter der Organisationsvertragsthese (Rdn 20) annehmen.92 Die Klage auf Befolgung einer beherrschungsvertraglichen Weisung ist dabei trotz des Wortlauts des § 308 Abs 1 gegen die unternehmensvertraglich verpflichtete Gesellschaft und nicht gegen deren „ungehorsamen“ Vorstand zu richten. Näher Rdn 26 f. Beiden Teilen eines Unternehmensvertrags können ferner Schadensersatzansprüche als 36 unternehmensvertragliche Sekundäransprüche erwachsen, insbesondere wenn eine Vertragspartei unternehmensvertragliche (Haupt-)Leistungspflichten nicht oder schlecht erfüllt93 oder wenn sie eine Nebenpflicht des Unternehmensvertrags verletzt. So kann sich etwa die gewinnabführungspflichtige Gesellschaft durch die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten im Hinblick auf die ihr obliegende Gewinnabführungspflicht schadensersatzpflichtig machen.94 Vereinzelt werden als Nebenpflichten des herrschenden Unternehmens besondere 37 Schutz- und Fürsorgepflichten gegenüber der abhängigen Gesellschaft postuliert.95 Dies ergebe sich aus einer Parallele der Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 zum bürgerlichrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB). Richtigerweise ändert jedoch auch die Bindung des herrschenden Unternehmens an die Maßstäbe der Geschäftsleitersorgfalt, die sich etwa aus § 309 Abs 1 ergibt, nichts daran, dass das herrschende Unternehmen gerade nicht im Fremdinteresse der abhängigen Gesellschaft handelt. Vielmehr stellt der Unternehmensvertrag des § 291 ein Konzept bereit, das dem der Fremdinteressenwahrung des § 675 BGB diametral entgegensteht.96 Die Ausrichtung am Konzerninteresse statt am Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft verlangt schließlich die dortige Verbandszweckänderung, die durch die Hauptversammlungszustimmung herbeigeführt wird.

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bb) Inhaltsfreiheit. Für die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 bestehen aufgrund ihres Charakters als strukturänderungsgestaltende Schuldverhältnisse differenzierte inhaltliche Gestaltungsgrenzen. Soweit die Verträge die Änderungen des Regelungsstatuts inhaltlich vorzeichnen, die der materiell satzungsändernde Zustimmungsbeschluss nach

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MünchKommAktG/Altmeppen3 37. Hirte/Hasselbach in diesem Kommentar, § 304, 20; LG Stuttgart Betrieb 1997, 1661 mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 32; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 157. S nur KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 157; MünchKommAktG/Altmeppen3 35; Henssler/Strohn/Paschos 4; zu Recht gegen die Möglichkeit, abstrakt auf Erfüllung eines Beherrschungs- und (gegebenenfalls) Gewinnabführungsvertrages zu klagen, und für eine Klage auf Erfüllung der Weisungspflicht nur im Einzelfall Geßler/Geßler 24.

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S OLG Frankfurt NZG 2000, 603; Emmerich/Habersack6 27; Emmerich/Habersack9 § 11, 22; zur Rechtsnatur des Ergebnisabführungsvertrages als Dauerschuldverhältnis s zudem öOGH AG 2000, 331 = NZG 1999, 1216. OLG Frankfurt NZG 2000, 603, 604 f; Emmerich/Habersack6 65; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 60. Emmerich/Habersack9 § 11, 23. Ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 54 mit Verweis auf Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts in Fn 125: Parallele zum Auftragsrecht passt nicht.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

§ 293 Abs 1 in Geltung setzt (Rdn 29), kommt den aus dem Prinzip der Satzungsstrenge (§ 23 Abs 5) resultierenden Grenzen für zulässige Inhalte des Strukturänderungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 auch eine Vorwirkung als unternehmensvertraglichen Gestaltungsschranken zu. Was die Ausgestaltung der gesetzlichen Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der Aktionäre anbelangt, können die Vertragsparteien die gesetzlichen Mindestanforderungen der §§ 304 f weder direkt unterschreiten noch auch nur mittelbar zu Lasten der außenstehenden Aktionäre abweichende Regelungen treffen. Im Übrigen, also insbesondere für das Verhältnis der Vertragsparteien zueinander, gilt das schuldrechtlichen Prinzip der privatautonomen Inhaltsfreiheit mit seinen Grenzen in Form der Unzulässigkeit von Vereinbarungen zu Lasten Dritter. Die Gestaltungsfreiheit findet daher namentlich dort ihre Grenzen, wo die Rechte der Gläubiger der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft unmittelbar beeinträchtigt würden.97 Die der Lehre vom Organisationsvertrag verpflichtete hM kommt dem vorstehenden 39 Postulat grundsätzlicher Gestaltungsfreiheit sehr viel näher als ihr organisationsvertragsrechtlicher Ausgangspunkt erwarten ließe. Ausgehend von der Einordung der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge als Organisationsverträge müsste man die inhaltlichen Vorgaben des Aktiengesetzes eigentlich dergestalt als zwingend ansehen (§ 23 Abs 5), dass eine freie Vertragsgestaltung nur dort zulässig ist, wo dies das Gesetz ausdrücklich zulässt (zB §§ 305 Abs 2 Nr 2, 308 Abs 1 Satz 2).98 Gleichwohl erblickt die hM in den §§ 291 ff lediglich Mindeststandards, die zusätzliche Parteivereinbarungen dann nicht ausschließen, wenn diesen nicht zwingende aktienrechtlichen Normen entgegenstehen.99 Das bedingt eine Überprüfung dieser Normen dahingehend, ob ihnen nach ihrem Telos jeweils zwingender Charakter zukommt oder nicht.100 Verneinendenfalls sind zusätzliche Vereinbarungen zulässig, etwa zusätzliche vertragliche Kündigungs- und Rücktrittsrechte über die §§ 296, 297 hinaus (§ 297, 55 ff, 99 ff). cc) Auslegung. Die Auslegung der Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 hat nach 40 denselben Regeln wie die Auslegung von Hauptversammlungsbeschlüssen101 und damit unter indirekter Anlehnung an die Interpretationsmaximen bei körperschaftlichen Satzungsbestimmungen objektiviert zu erfolgen.102 Dieses Gebot gilt unabhängig vom organisationsrechtlichen oder aber strukturänderungsgestaltenden Rechtscharakter des Be-

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Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 31; Emmerich/Habersack6 18; Emmerich/Habersack9 § 11, 13; Heidel/Peres3 11 ff. So in aller Konsequenz aber nur Geßler/ Geßler 24. BGHZ 119, 1, 5 ff = WM 1992, 1479 = AG 1992, 450; 122, 211, 217 ff = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422 = WM 1993, 1087; ebenso OLG München AG 1991, 358, 361; WM 2009, 1038, 1140 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315; LG Frankfurt AG 2007, 48, 51; ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 31; Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 37; Exner Beherrschungsvertrag, S 20, 72; ders AG 1981, 175, 176 mit der Parallele zu Personengesellschaftsverträgen, die – obgleich Organisationsverträge – auch erhebliche Gestaltungsfreiheit lassen; K Schmidt GesR4, § 31 III 1a (S 948 ff); im Prinzip ähnlich

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KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 157; Koppensteiner in: FS Canaris II 2007, S 209, 212; Geßler in: FS Beitzke 1979, S 923, 931. S MünchKommAktG/Altmeppen3 31; Emmerich/Habersack6 18; Emmerich/ Habersack9 § 11, 13; ähnlich KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 157; Exner Beherrschungsvertrag, S 72 ff; ders AG 1981, 175 f. Dazu Grundmann in diesem Kommentar, § 133, 50. OLG München WM 2009, 1038, 1140 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315; MünchKommAktG/Altmeppen3 33 f (für die körperschaftlichen Regelungen im Unternehmensvertrag); Heidel/Peres3 14; unter Verweis auf den organsationsrechtlichen Charakter der Verträge Geßler/Geßler 24; Spindler/Stilz/Veil2 Vor § 291, 34 f.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

herrschungs- und Gewinnabführungsvertrags.103 Maßgeblich ist vielmehr, dass der strukturändernde Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 ebenso wie ein etwaiger Zustimmungsbeschluss beim anderen Vertragsteil nach § 293 Abs 2 jeweils den Unternehmensvertrag in seiner Gesamtheit – also unter Einschluss aller von den Parteien als zusammengehörig angesehenen Abreden (§ 139 BGB) – zum Gegenstand der Beschlussfassung hat104 (§ 293, 50 ff, 105) und dass der Unternehmensvertrag daher sinnvollerweise ebenso wie der Zustimmungsbeschluss bzw die Zustimmungsbeschlüsse auszulegen ist; bei Diskrepanzen läge nämlich die nach § 293 Abs 1, 2 erforderliche Hauptversammlungszustimmung zum betreffenden Unternehmensvertrag gar nicht vor. Als Ausnahme unterliegen solche Vertragsklauseln, die sich nicht auf die Strukturänderung beziehen und auch außerhalb des Unternehmensvertrags hätten geregelt werden können, nicht der objektivierten Auslegung. Insoweit besteht – ebenso wie bei der Auslegung von Hauptversammlungsbeschlüssen105 – kein Anlass, von den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB abzuweichen und etwa die lediglich den Vertragsbeteiligten erkennbaren Parteiabsichten nicht zu berücksichtigen.106 Nach der Rechtsprechung sind zudem etwaige planwidrige Vertragslücken einer ergänzenden Vertragsauslegung nach Maßgabe der vertraglichen Zielsetzung (§ 157 BGB) zugänglich (s aber Rdn 159 hinsichtlich der Rückbeziehung von Gewinnabführungsverträgen).107 Bei der objektivierten Auslegung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträ41 gen darf sich die Vertragsauslegung nur auf allgemein zugängliche Unterlagen und allgemein erkennbare Umstände stützen. Neben Wortlaut, Sinnzusammenhang und erkennbarem Zweck des Vertragstexts – nicht aber Entstehungsgeschichte, Vorentwürfen sowie Äußerungen der an der Abfassung des Textes beteiligten Personen108 – gehören hierzu auch die zu den Handelsregisterakten eingereichten Unterlagen. Daher kommt auch der Rückgriff auf solche schriftlichen Unterlagen in Betracht, die der notariell aufgenommenen Niederschrift über die Beschlussfassung in der Hauptversammlung als Anlage beigefügt bzw inhaltlich in der Niederschrift wiedergegeben (§ 130 Abs 3) und in öffentlich beglaubigten Abschrift zum Handelsregister einzureichen sind (§ 130 Abs 5). Das betrifft insbesondere freiwillige Erläuterungen des Unternehmensvertrags durch den Vorstand in der Einberufung zur Hauptversammlung.109 Diese werden vom Gebot des § 130 Abs 3 zur belegförmigen Dokumentation der Einberufung ebenfalls erfasst und sind daher in der Form des § 130 Abs 5 zum Handelsregister einzureichen. Nicht heranziehen lässt sich hingegen der Vorstandsbericht nach § 293a.110 Dessen wesentlicher Inhalt bedarf

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S auch KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 157: als Organisationsverträge anerkannte Personengesellschaftsverträge sind nicht notwendigerweise in all ihren Bestandteilen, Austauschverträge hingegen bisweilen – etwa bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen – objektiviert auszulegen; vgl auch Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S 165 ff sowie Exner Beherrschungsvertrag, S 65 ff, je mwN; aA wohl OLG Düsseldorf WM 1984, 732, 736. S auch Heidel/Peres3 14. Dazu MünchHdbAG/Semler3 § 39, 3. Ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 34 aE (für individualrechtliche Bestimmungen im Unternehmensvertrag); Heidel/Peres3 15.

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BGHZ 103, 1, 6 f = WM 1988, 258 = AG 1988, 133; OLG München AG 1980, 272, 273; OLG Köln AG 2010, 336, 337 = NZG 2010, 225; Heidel/Peres3 16 f (auch für die geltungserhaltende Vertragsauslegung). OLG München WM 2009, 1038, 1140 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315. Ebenso Grundmann in diesem Kommentar, § 133, 50; Heidel/Peres3 14. AA K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 133, 5. Die dortige Berufung auf BGH WM 1995, 390 geht jedoch fehl, weil das Gericht für den Bericht nach § 186 Abs 4 Satz 2 eine Bekanntmachungspflicht analog § 124 Abs 2 Satz 2 annimmt.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

keiner Bekanntmachung in der Einberufung analog § 124 Abs 2 Satz 2,111 unterliegt daher auch nicht den § 130 Abs 3, 5 und bildet demnach auch keine öffentlich zugängliche Unterlage.

III. Parteien eines Unternehmensvertrags nach Abs 1 Parteien eines Unternehmensvertrags iS des § 291 Abs 1 können nach dem klaren 42 Gesetzeswortlaut nur ein begrenzter Kreis von Rechtssubjekten sein. Das gilt nicht nur für die bisweilen auch als Untergesellschaft bezeichnete vertragstypisch verpflichtete Gesellschaft (Rdn 43), sondern auch den vielfach als Obergesellschaft apostrophierten anderen Vertragsteil (Rdn 46 ff). 1. AG/KGaA als verpflichtete Gesellschaft Diejenige Partei eines Unternehmensvertrags iS von § 291, die die Leitung ihrer 43 Gesellschaft dem anderen Unternehmen unterstellt (Abs 1 Satz 1 Alt 1) oder sich verpflichtet, ihren Gewinn an dieses abzuführen (Abs 1 Satz 1 Alt 2) oder ihre Geschäfte für dessen Rechnung zu führen (Abs 1 Satz 2), muss eine nach ihrem Personal- bzw Gesellschaftsstatut dem deutschen Aktienrecht unterliegende AG oder KGaA sein.112 Hierunter fallen nach hM alle Gesellschaften mit inländischem Satzungssitz (§ 5), deren Verwaltungssitz sich im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder einem sonstigen der Gründungstheorie folgenden Staat befindet.113 Keine Rolle spielt dagegen, ob die verpflichtete Gesellschaft schon vor Vertragsschluss vom künftigen anderen Vertragsteil unmittelbar oder jedenfalls mittelbar abhängig (§ 17 Abs 1) ist,114 auch wenn dies in der Praxis zumeist der Fall sein dürfte.115 Zu Fragen des internationalen Vertragskonzernrechts s Vorbem 24 ff zu §§ 291 ff. 2. Anderes Unternehmen als anderer Vertragsteil a) Beliebige Rechtsform. Der andere Vertragsteil eines Unternehmensvertrags nach 44 § 291 Abs 1 wird in Abs 1 Satz 1 nur als „anderes Unternehmen“ umschrieben; seine Rechtsform spielt demnach keine Rolle.116 Auch natürliche Personen – soweit es sich nicht um reine Privataktionäre handelt – sowie Vereine, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts kommen grundsätzlich in Betracht.117 Konsequenterweise ebenso

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Zu pauschal die Heranziehung erläuternder Vorstandsberichte bejahend K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 133, 5. MünchKommAktG/Altmeppen3 15; Emmerich/Habersack6 8, 51; Hüffer10 5, 23; KK/Koppensteiner3 7; MünchHdbAG/ Krieger3 § 70, 8, § 71, 8; Heidel/Peres3 30. S nur Hüffer10 § 1, 30 ff mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 16; Emmerich/Habersack6 10, 50; Hüffer10 5, 23; KK/Koppensteiner3 7; MünchHdbAG/ Krieger3 § 70, 8, § 71, 8; aA van Venrooy BB 1986, 612 (mit missverständlicher

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Interpretation der §§ 311 ff und problematischem arg e contrario aus § 291 Abs 3). S nur MünchKommAktG/Altmeppen3 16. MünchKommAktG/Altmeppen3 3; Emmerich/Habersack6 9, 51; Emmerich/Habersack9 § 2, 9; Hüffer10 8, 23; KK/Koppensteiner3 8; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 9, § 71, 8; Heidel/Peres3 31; Windbichler in diesem Kommentar, § 15, 15. Heidel/Peres3 31 f; Emmerich/Habersack9 § 2, 9.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

unerheblich ist, ob es sich um ein in- oder ausländisches Unternehmen handelt118 und erst recht das Fehlen eines Mindestkapitals bei einer ausländischen Obergesellschaft.119

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b) Kein Ausschluss von Nichtaktionären. Der andere Vertragsteil eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag muss nicht notwendig ein Aktionär der sich verpflichtenden Gesellschaft sein.120 Gesetzeswortlaut und -systematik lassen eine solche Einschränkung nicht erkennen und auch teleologische Überlegungen legen dies nicht nahe.

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c) Unternehmenseigenschaft; Ausschluss von Nichtunternehmen. Die Unternehmenseigenschaft ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut unverzichtbare Voraussetzung.121 Der Begriff des – übergeordneten oder herrschenden – Unternehmens ist nach Konzeption und Systematik der §§ 15 ff, 291 ff notwendig deckungsgleich mit demjenigen der allgemeinen konzernrechtlichen Vorschriften (§§ 15–19).122 Wegen seiner heute vor allem noch in Einzelfragen – etwa bezüglich der konzernrechtlichen Behandlung der öffentlichen Hand123 oder von Formkaufleuten, die über ihre Beteiligung hinaus keine weitere unternehmerischen Interessen verfolgen124 – umstrittenen Auslegung kann auf die entsprechenden Kommentierungen125 verwiesen werden. Weil die Unternehmenseigenschaft unverzichtbare Voraussetzung ist, kann der Ab47 schluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags die Unternehmensqualität nicht konstitutiv begründen.126 Nach dem Wortlaut des § 291 Abs 1, seinen systematischen Bezügen, insbesondere mit den §§ 15 ff, und seines Telos normiert diese Vorschrift die Voraussetzungen, unter denen einem Rechtsträger mit anderweitiger unternehmerischer Interessenbindung und hieraus resultierendem Koordinationsbedarf der Zugang zu bestimmten unternehmensvertraglichen (Konzern-)Organisationsstrukturen offen steht, nicht hingegen gewisse Rechtsfolgen des Abschlusses eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags.127

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OLG Düsseldorf AG 2007, 170, 171; LG München I ZIP 2011, 1511, 1512. Zu eng und in der Begründung zu kurz greifend Spindler/Stilz/Schall 2 Vor § 15, 35: bei EU-ausländischen Gesellschaften irrelevant. S nur OLG Nürnberg AG 1996, 228, 229; MünchKommAktG/Altmeppen3 226 ff; Emmerich/Habersack6 74 ff; Hüffer10 36; KK/Koppensteiner3 107. MünchKommAktG/Altmeppen3 10a; Emmerich/Habersack6 9a; KK/Koppensteiner3 8, 13; Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 29 ff; mit (auch) unionsrechtlicher Argumentation – (2.) Kapitalrichtlinie, Vorentwurf einer Konzernrechtsrichtlinie – ferner Spindler/Stilz/Veil 2 6 f; Veil Unternehmensverträge, S 170 ff; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 13; Hölters/Deilmann 9; krit insoweit Hirte, ZHR 170 (2006), 203, 207 f. Näher Mülbert ZHR 163 (1999) 1, 10 ff, 39 f; MünchKommHGB/Mülbert3 KonzernR, 39 ff; Spindler/Stilz/Veil 2 6; Hüffer10 8; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 9; auch KK/Koppensteiner3 9.

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Dazu Windbichler in diesem Kommentar, § 15, 27 ff; Emmerich/Habersack9 § 2, 20 ff; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 11; Emmerich/Habersack6 § 15, 26 ff mwN. Zum Streitstand unter Berücksichtigung der divergierenden teleologischen, institutionellen, funktionalen und organisationsrechtlichen Ansätze etwa Hüffer10 § 15, 11; KK/Koppensteiner3 § 15, 60; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 10 mwN; Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 24 ff, 28 ff. S etwa Windbichler in diesem Kommentar, § 15, 10 ff mwN; Hüffer10 § 15, 8 ff; KK/Koppensteiner3 8 ff und § 15, 9 ff; Emmerich/Habersack6 § 15, 6 ff; MünchKommAktG/Bayer3 § 15, 12 ff; ferner Mülbert ZHR 163 (1999), 1 ff; Emmerich/ Habersack9 § 2, 5 ff; MünchHdbAG/ Krieger3 § 68, 5 ff. Insoweit wie hier KK/Koppensteiner3 13; iE auch MünchKommAktG/Altmeppen3 5 ff. Näher Mülbert ZHR 163 (1999) 1, 8 ff; MünchKommHGB/Mülbert3 KonzernR, 36 f, 39 ff.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Demgegenüber soll nach einer Mindermeinung jeder Rechtsträger bis hin zu einer Privatperson ohne weiteres (übergeordnetes) Unternehmen im Sinne der §§ 15, 17 Abs 1 werden, der durch den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages das Vertragskonzernrecht nutzt,128 indem er einen solchen Unternehmensvertrag mit einer AG als abhängigem Unternehmen abschließt.129 Im Falle eines Privataktionärs würde der damit entstehende Vertrags„konzern“ strukturell einer GmbH ähneln, deren Satzung das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung im Rahmen der Satzungsautonomie auf einen einzelnen ihrer Gesellschafter überträgt;130 im Falle eines Nichtaktionärs wäre dieser eine Art Fremdgeschäftsführer mit statuarisch verankerter Alleingeschäftsführungsbefugnis. Zur Begründung der These vom abhängigkeitskonstitutiven Beherrschungsvertragsschluss wird auf einen (angeblichen) Lernprozess des Vertragskonzernrechts – und damit des Unternehmensbegriffs – verwiesen, welcher mittlerweile so weit gediehen sei, dass § 291 nicht mehr als Zusammenfügung von Unternehmen im betriebswirtschaftlichen Sinne verstanden werden könne.131 Vielmehr seien Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aufgrund eines „Wandels der Normsituation“ heute als Instrumente zu begreifen, der AG einen vollständig gesicherten, von den „Unwägbarkeiten des gesetzlich nicht abgegrenzten Unternehmensbegriffs“ unabhängigen Status zu verleihen.132 Diese Überlegungen können keine Reinterpretation des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 entgegen seines klaren Wortlauts, seiner systematischen Bezüge und seines Telos veranlassen. Weiterhin sind der die Unternehmenseigenschaft bereits bei Vertragsschluss zwingend voraussetzende Wortlaut des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1133 und der legislatorische Wille beachtlich, mit der Zulassung des Beherrschungsvertrags „einem wirtschaftlichen Bedürfnis namentlich bei Konzernen zu entsprechen“134, nämlich eine konzernrechtliche Organisationsform für die effiziente Organisation des koordinierten Ressourceneinsatzes mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmensträger zu Verfügung zu haben.135 Dieser gesetzgeberische Wille ist schon mangels eines tiefgreifenden Wandels der Normsituation auch nicht obsolet. Abgesehen davon, dass wohl vor allem mit Blick auf die drohende Verlustausgleichspflicht (§ 302) schon gar kein erkennbares Bedürfnis dafür besteht, der konzernrechtlichen Gestaltungspraxis die Möglichkeit einzuräumen, eine AG qua Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit Privatpersonen faktisch in eine GmbH umzuformen (s Rdn 48),136 läuft das Konzept insoweit

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K Schmidt in: FS Koppensteiner 2001, S 191 ff; ders GesR4, § 31 II 1 d (S 939); s auch ders in: FS Lutter 2000, S 1167, 1181 f. K Schmidt in: FS Koppensteiner 2001, S 191, 197 f; Hüffer10 8; MünchHdbAG/ Krieger3 § 70, 9; Heidel/Peres3 31; iE auch Rubner Der Konzern 2003, 735, 737; Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, S 70 ff: analoge Anwendung der §§ 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1, Abs 3, 293–310 auf Nichtunternehmen. Zur diesbezüglichen Möglichkeit s nur Emmerich/Habersack9 § 32, 8; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh Konzernrecht, 637 aE.

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K Schmidt in: FS Koppensteiner 2001, S 191, 207 f. K Schmidt in: FS Koppensteiner 2001, S 191, 208. KK/Koppensteiner3 13; Rubner Der Konzern 2003, 735, 736; dies relativierend MünchKommAktG/Altmeppen3 10a Fn 22. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377. Schon Mülbert ZHR 163 (1999) 1, 30 f; ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 10a. Dies einräumend K Schmidt in: FS Koppensteiner 2001, S 191, 193.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

auf eine Verletzung des aktienrechtlichen Grundsatzes der Satzungsstrenge (§ 23 Abs 5) hinaus, an dem die ganz herrschende Meinung grundsätzlich festhalten will.137 Noch schwerer wiegt die Negierung aller systematischen Zusammenhänge zwischen 52 dem Vertragskonzernrecht und den §§ 311 ff. Nach der gesetzlichen Grundkonzeption des geltenden Konzernrechts stehen das faktische Abhängigkeitsverhältnis und der Vertragskonzern in einer Art Stufenverhältnis zueinander. Nicht zuletzt mit Blick auf § 18 Abs 1 Satz 2 wird konstatiert, dass Abhängigkeit als potentielle Konzernierung zu verstehen sei138 oder, anders ausgedrückt, dass Abhängigkeit stets eine notwendige Vorstufe zum Konzern darstelle.139 Dies ist auch Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens, das Instrument des Beherrschungsvertrages als konzernorganisationsrechtlich vorteilhafte Alternative zur faktischen Konzernierung zur Verfügung zu stellen.140 Demgegenüber wäre nach der These vom abhängigkeitskonstitutiven Beherrschungsvertragsschluss denkbar, dass eine reine Privatperson einen Beherrschungsvertrag abschließt, ohne potentiell, also bei hypothetischer Ausklammerung dieses Vertrages, herrschendes Unternehmen iS von § 311 Abs 1 sein zu können. Der Abschluss eines Beherrschungsvertrages kann für sie daher auch keine – wie auch immer zu bewertende – Alternative bilden.141 Zudem würde diese Möglichkeit einer Konzernierung ohne sozusagen potentielle Abhängigkeit das Vertragskonzernrecht und das Recht der faktischen Abhängigkeit als Regelungskomplexe sui generis gleichrangig nebeneinander und damit zugleich in unüberbrückbaren Widerspruch zur gesetzlichen Grundkonzeption setzen. d) Mehrheit von Parteien

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aa) Keine Unternehmensqualität aller Parteien. Wird ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag auf Seiten des anderen Vertragsteils gemeinschaftlich von mehreren Personen abgeschlossen (Rdn 101 ff) oder treten eine oder mehrere Parteien dem Vertrag nachträglich bei (§ 295, 20), ist dem Unternehmenserfordernis des § 291 Abs 1 genügt, wenn jedenfalls einer Person diese Eigenschaft zukommt. Allerdings folgt das nicht schon aus der Entstehung der Vorschrift. Bei deren Einführung hing die steuerliche Anerkennung der Mehrmütterorganschaft unter Zwischenschaltung einer GbR zwar davon ab, dass der Vertrag mit der Gesellschaft selbst abgeschlossen wurde (Rdn 16), doch war die GbR nach damaligem Erkenntnisstand der Gesamthandslehre nicht selbst Rechtsträger; materiell Berechtigte und Verpflichtete waren die Gesellschafter der GbR. Entscheidend für die Zulassung von Nichtunternehmen als weiterer anderer Vertragsteil neben einem übergeordneten Unternehmen iS der §§ 291 Abs 1, 15, 17 Abs 1 spricht vielmehr das Telos des § 291. Ein Bedarf an Koordination mehrerer unternehmerischer Aktivitäten besteht einerseits schon dann, wenn auch nur eine Partei auf Seiten des anderen Vertragsteils ein Unternehmen iS der §§ 291 Abs 1, 15, 17 Abs 1 ist. Andererseits ist

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Dazu Röhricht in diesem Kommentar, § 23, 167; Hüffer10 34; krit Hirte ZHR-Sonderheft Nr 13, S 61, 82 ff; Mertens ZGR 1994, 426, 427 ff; differenziert Mülbert in Verhandlungen des 67. DJT, 2008, Bd II/1, N 51, N 55 ff; W Bayer Gutachten E zum 67. DJT, 2008, E 81 ff; s ferner C Schäfer NJW 2008, 2536, 2538 f; mit abweichender Stoßrichtung auch Spindler AG 2008, 598, 600 ff. Hüffer10 § 17, 4; MünchKommAktG/Bayer3

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§ 17, 14, 25 ff; Emmerich/Habersack6 § 17, 5. So oder ähnlich Krieger in: FS Semler 1993, 505, 510; MünchKommHGB/Mülbert3 KonzernR, 44; KK/Koppensteiner3 § 17, 18. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 407; Relativierung dieser gesetzgeberischen Zielvorstellung bei Leuschner Konzernrecht, S 70 f. Ganz ähnlich KK/Koppensteiner3 8, 11.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

das Hinzutreten auch eines Nichtunternehmens solange unbedenklich, als sich die Ausübung des Weisungsrechts nach § 308 Abs 1 nur am „Konzerninteresse“ des bzw der herrschenden Unternehmen orientiert, nicht am Interesse eines Nichtunternehmens als weiterem anderen Vertragsteil (dazu auch noch Rdn 92). bb) Keine Unternehmensqualität kraft mittelbarer Mehrmütterschaft. Wird bei einer 54 Mehrmütterschaft eine GbR oder eine rein vermögensverwaltende OHG nach § 105 Abs 2 als Zwischenholding eingesetzt, die weder über eine anderweitige unternehmerische Beteiligung verfügt noch in sonstiger Weise entsprechende Interessen verfolgt, ist die zwischengeschaltete Gesellschaft kein Unternehmen iS der §§ 291 Abs 1, 15, 17 Abs 1.142 Auf der Ebene dieser Gesellschaft besteht nämlich dann, wenn lediglich eine einzige Beteiligung verwaltet wird, mangels einer anderweitigen unternehmerischen Interessenbindung kein unternehmerischer Koordinationsbedarf (Rdn 46 f). Darüber vermag auch eine vorgeblich wirtschaftliche Betrachtungsweise für die Fälle, in denen mehrere Unternehmen auf die Interessenbildung und Verwaltung der GbR mehr als nur unmaßgeblichen Einfluss nehmen und so als „eigentliche“ Vertragspartner erscheinen, nicht hinwegzuhelfen. Aus diesem Grund143 lässt sich ein Beherrschungsvertrag nicht allein von der zwischengeschalteten Personengesellschaft als anderem Vertragsteil abschließen.144 Näher zur mittelbaren Mehrmütterschaft unten Rdn 103 ff. e) Rechtsfolgen bei fehlender Unternehmenseigenschaft. Beim Vertragsschluss der AG 55 oder KGaA mit einem Nichtunternehmen ist der Unternehmensvertrag nichtig.145 Diese Rechtsfolge wird für den Beherrschungsvertrag gemeinhin aus § 134 BGB iVm § 76 abgeleitet, weil die Abweichung von der dort geregelten eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand der abhängigen Gesellschaft nur zugunsten der Weisungen eines Unternehmens gestattet werde.146 In der Sache geht es aber – wie auch für den (isolierten) Gewinnabführungsvertrag – um einen Verstoß gegen die in § 291 festgelegten Anforderungen an die Vertragsbeteiligten, dessen Missachtung unmittelbar die Nichtigkeit begründet.147 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Vertragsschluss die Unternehmensqualität des anderen Vertragsteils voraussetzt und nicht etwa begründet (Rdn 47 ff). Der

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Wie hier etwa KK/Koppensteiner3 § 15, 62 mwN (s aber auch § 291, 58 Fn 196); aA MünchKommAktG/Altmeppen3 23, 111. Der bisherige weitere Einwand, dass bei Zulassung einer GbR als alleinigem anderen Vertragsteil die Werthaltigkeit der Ansprüche aus den §§ 302 f gefährdet sei (Hüffer10 16; K Schmidt Betrieb 1984, 1181, 1181 f; Emmerich/Gansweid JuS 1975, 294, 298 f; Mestmäcker Gemeinschaftsunternehmen, S 25 f; Gansweid Tochtergesellschaften, S 134 ff), hat sich mit dem Bekenntnis des BGH zur akzessorischen Haftung (§ 128 HGB analog) auch der Gesellschafter einer GbR (BGHZ 142, 315 = WM 1999, 2071 = NZG 1999, 1095 = NJW 1999, 3483; 146, 341 = WM 2001, 408 = ZIP 2001, 330 = NJW 2001, 1056) erledigt; insoweit zutreffend KK/Koppensteiner3 60 mwN; Heidel/Peres3 32. Wie hier Marchand Abhängigkeit und Kon-

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zernzugehörigkeit von Gemeinschaftsunternehmen, 1985, S 196 ff; Ahrens AG 1975, 151, 153; vgl auch Boetius Betrieb 1970, 1964, 1964 f; aA iE KK/Koppensteiner3 58; MünchKommAktG/Altmeppen2 111; Heidel/Peres3 32; Henssler/Strohn/Paschos 21. MünchKommAktG/Altmeppen3 13; KK/Koppensteiner3 14; Geßler/Geßler 7; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 264; aA MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 9, § 71, 8; zum Streitstand auch Emmerich/Habersack6 9a sowie Emmerich/Habersack9 § 11, 10 mit dem Hinweis, dass die Frage nur selten praktische Relevanz entfalten dürfte. S Spindler/Stilz/Veil 2 7; Emmerich/Habersack6 9a; MünchKommAktG/Altmeppen3 8 f; 21 f; Schüppen/Schaub/Henkel MAH Aktienrecht2, § 53, 6. Für den (isolierten) Gewinnabführungsvertrag Geßler/Geßler 7.

Peter O. Mülbert

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Registerrichter darf daher einen mangels Unternehmenseigenschaft des anderen Vertragsteils nichtigen Unternehmensvertrag nicht ins Handelsregister eintragen. Tut er dies doch, wird der Vertrag zwar nicht geheilt (§ 294, 69).148 Jedoch ist der Vertrag nach den Grundsätzen des fehlerhaften Unternehmensvertrags bis auf weiteres wirksam, kann aber von beiden Parteien kraft eines Kündigungsrechts aus wichtigem Grund jederzeit beendet werden. Der Vorstand der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft ist als verpflichtet anzusehen, die entsprechende Kündigung unverzüglich auszusprechen. Näher § 293, 165.

IV. Beherrschungsvertrag 56

Der Beherrschungsvertrag ist die unabdingbare Grundlage des vertraglichen Unterordnungskonzerns (Vertragskonzern).149 1. Entstehungsgeschichte

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Der Beherrschungsvertrag wurde im AktG 1965 als eigenständige Vertragsart neu eingeführt.150 Er geht auf die sogenannte Beherrschungsabrede zurück,151 welche ergänzend zu dem Gewinnabführungsvertrag des § 256 Abs 1 AktG 1937 vorliegen musste, damit dieser als sogenannter Ergebnisausschlussvertrag (= Organschaftsvertrag) steuerliche Anerkennung finden konnte (Rdn 5). Der schließlich Gesetz gewordene Normtext sieht anders als noch § 270 Abs 1 Ziff 5 RefE AktG 1965 davon ab, den Vertragstatbestand an „Weisungen“ des herrschenden Unternehmens in den „wesentlichen“ Fragen der Geschäftsführung zu knüpfen. Weisungen sind nur eines der Instrumente der Konzernleitung (vgl § 308), die durch den Begriff des Beherrschungsvertrags umfassend – also auch einschließlich weniger imperativer Führungsinstrumente – in Bezug genommen werden sollen,152 und die Notwendigkeit der wenig trennscharfen Abgrenzung unwesentlicher von wesentlichen Geschäftsführungsfragen hätte aus Sicht der Gesetzesverfasser wohl das Mindestmaß an Rechtssicherheit für die Anwendung des Tatbestands unterschritten.153 2. Leitungsunterstellung

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Die als Beherrschungsvertrag legaldefinierte Vertragsform wird in § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 anhand von zwei auf den Vertragsgegenstand bezogenen Begriffsmerkmalen dahin umschrieben, dass eine AG oder KGaA „die Leitung ihrer Gesellschaft“ dem anderen Vertragsteil vertraglich „unterstellt“. Näher konturiert wird diese knappe Kennzeichnung durch das Zusammenspiel des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 mit § 76 Abs 1 sowie mit den §§ 18 Abs 1 Satz 2, 291 Abs 2, 308 Abs 1, ohne dass freilich (auch) diesen letzteren Vorschriften die Merkmale des Beherrschungsvertrags zu entnehmen wären.154 Die in § 304 Abs 3 Satz 1 als Wirksamkeitserfordernis (Rdn 77) vorgeschriebene vertragliche Ausgleichsvereinbarung schließlich bildet ebenfalls kein Vertragsmerkmal.155 148

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MünchKommAktG/Altmeppen3 12 f; Emmerich/Habersack6 9; KK/Koppensteiner3 37; Geßler/Geßler 8. MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 1; Veil Unternehmensverträge, S 110 ff; vgl auch Mülbert Funktionsauslagerung, S 3, 27 f. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376. KK/Koppensteiner3 18; MünchKomm-

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AktG/Altmeppen3 54; v Godin/Wilhelmi 4 2; vgl auch DJT-Konzernrecht, Rdn 125. Ähnlich auch die Vermutung von KK/Koppensteiner3 19. AA Emmerich/Habersack6 7; Emmerich/ Habersack9 § 11, 11. Hüffer10 13; aA Emmerich/Habersack6 7; Emmerich/Habersack9 § 11, 11.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

a) Leitung. Mit dem Merkmal „Leitung ihrer Gesellschaft“ knüpft § 291 Abs 1 Satz 1 59 Alt 1 begrifflich an den Normtext des § 76 Abs 1 an, wonach der Vorstand die Gesellschaft leitet. Nach ganz hM sollen die jeweiligen Leitungsbegriffe der beiden Normen inhaltlich sogar identisch sein,156 wie sich auch aus zwei Passagen der Regierungsbegründung zu § 291 und § 308157 ergebe.158 Vor dem Hintergrund der verbreiteten Auffassung zu § 76 Abs 1, wonach die beim Organ Vorstand liegende Leitung einen hervorgehobenen Teil der Geschäftsführung iS des § 77 Abs 1159 ausmacht, umfasst die Leitung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 demnach zwei Bereiche: erstens die nach den positiven gesetzlichen Regelung zwingend in die Kompetenz des Vorstands als Organ fallenden Aufgaben160 und zweitens die ungeschriebenen Leitungsaufgaben161 des Vorstands in Gestalt von Maßnahmen der Unternehmensplanung, -koordination, -kontrolle und Besetzung der Führungspositionen.162 Stellungnahme: Der Leitungsbegriff des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 ist entgegen der hM 60 nicht mit demjenigen des § 76 Abs 1 identisch, sondern entspricht dem der Geschäftsführung iS des § 77 Abs 1. Das belegen Entstehungsgeschichte und teleologische Erwägungen. Was erstere betrifft, verweist die Regierungsbegründung für den Leitungsbegriff des § 291 auf die entsprechenden Passagen zum Leitungsbegriff des § 308. Dort heißt es, dass sich das Weisungsrecht „nicht auf Fragen der Geschäftsführung beschränkt. Es umfasst vielmehr den gesamten Bereich, in dem der Vorstand die Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 zu leiten hat“.163 Das hierin zum Ausdruck kommende Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung wurde in der Zwischenzeit freilich ins Gegenteil verkehrt, so dass der beherrschungsvertragliche Leitungsbegriff nunmehr iS von „Geschäftsführung“ zu interpretieren ist. Dies gilt umso mehr, als keine durchschlagenden Sachgründe dafür sprechen, den Bereich der Leitungsunterstellung des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 sowie den inhaltlich deckungsgleichen Leitungsbereich, der Weisungen nach § 308 zugänglich ist, auf bestimmte hervorgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen einzugrenzen. Ganz in diesem Sinne setzt man sich bei § 308 denn auch über die nach heute überwiegendem Verständnis im Normtext angelegten Einschränkungen des weisungsunterworfenen Bereichs hinweg und erklärt Weisungen über den Leitungsbereich hinaus in allen Geschäftsführungsangelegenheiten für zulässig.164

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OLG München WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753, 754; MünchKommAktG/Altmeppen3 76; Hüffer10 10; Emmerich/Habersack6 12; Spindler/Stilz/ Veil2 11; Emmerich/Habersack9 § 11, 11; KK/Koppensteiner3 20; MünchHdbAG/ Krieger3 § 70, 4; Heidel/Peres3 35; Bürgers/Körber/Schenk2 6; Bachmann/Veil ZIP 1999, 348, 354; Exner Beherrschungsvertrag, S 88; Geßler Betrieb 1965, 1691, 1693; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 316; Geßler/Geßler 41; H Westermann in: FS Schilling 1973, S 271, 278 mit Fn 8. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 376 iVm 403. MünchKommAktG/Altmeppen3 76; Spindler/Stilz/Veil2 11; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 4; Heidel/Peres3 35; Bürgers/Körber/

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Schenk2 6; Exner Beherrschungsvertrag, S 88; Geßler Betrieb 1965, 1691, 1693; Geßler/Geßler 41; H Westermann in: FS Schilling 1973, S 271, 278 mit Fn 8. Näher dazu Kort in diesem Kommentar, § 76, 28 f. Zusammenstellung bei Kort in diesem Kommentar, § 76, 35. Näher zu diesen Kort in diesem Kommentar, § 76, 36 mwN. So oder ähnlich zB OLG München WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753, 754; OLG Schleswig WM 2008, 2253, 2256 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868; Hüffer10 10 mwN. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 403. Dazu Hirte in diesem Kommentar, § 308, 29 f.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

61

In den Einzelheiten ist die hiesige Grundposition einerseits dahin zu präzisieren, dass die Leitung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 grundsätzlich auch die Entscheidung des Vorstands über die freiwillige Anrufung der Hauptversammlung nach § 119 Abs 2 umfasst.165 Andernfalls könnte sich dieser einer Weisung des vertraglich herrschenden Unternehmens per Befassung der Hauptversammlung entziehen und im Falle einer Beschlussanfechtung zumindest erhebliche Verzögerungen verursachen. Gegenläufig ergeben sich vereinzelt auch Eingrenzungen des beherrschungsvertraglichen Leitungsbereichs. Neben der positivrechtlichen Normierung des § 299 betrifft dies vor allem Einschränkungen im Hinblick auf das Anrufungsrecht des Vorstands aus § 119 Abs 2. Näher dazu § 299 Rdn 11. Das Verständnis der Leitung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 als Geschäftsführung iS 62 des § 77 Abs 1 hat ganz im Einklang mit der hM zur Folge, dass die Kompetenzen der beiden anderen Organe der Gesellschaft von einem Beherrschungsvertrag nicht berührt werden. Aufsichtsrat und Hauptversammlung bleiben vielmehr unabhängig und weisungsfrei.166 Im Falle der Hauptversammlung gilt dies für die geschriebenen gesetzlichen Zuständigkeiten, und zwar einschließlich der ihr zugewiesenen Geschäftsführungsentscheidungen (zB §§ 295, 296), ebenso wie für die statutarischen und die ungeschriebenen167 Hauptversammlungszuständigkeiten. Für den Aufsichtsrat ergibt sich auch nichts Abweichendes aus § 308 Abs 3, der dem anderen Vertragsteil die Möglichkeit eröffnet, eine Zustimmungsverweigerung seitens des Aufsichtsrats der beherrschungsvertraglich verpflichteten Gesellschaft zu überwinden. Im Gegenteil ist hieraus e contrario zu schließen, dass dem Aufsichtsrat nach der legislatorischen Grundentscheidung die Überwachungskompetenz auch insoweit zwingend verbleibt, als der Vorstand eine Weisung des anderen Vertragsteils erhält.168

63

b) Unterstellung. Ein Vertrag lässt sich nur dann als Beherrschungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 qualifizieren, wenn sich die Gesellschaft der Leitung durch den anderen Vertragsteil unterstellt. Dieses Merkmal der Unterstellung setzt notwendig voraus, dass das herrschende Unternehmen für die verpflichtete Gesellschaft und den Vorstand verbindliche Entscheidungen (Weisungen) treffen und seinen Willen notfalls auch gegenüber dem Vorstand der verpflichteten Gesellschaft durchsetzen kann.169 Nicht hinreichend wäre es, wenn sich die Gesellschaft etwa mittels eines zweckändernden Hauptversammlungsbeschlusses auf die Interessen des anderen Vertragsteils ausrichtete (satzungsmäßige Abhängigkeit), ohne dass diesem durch den Beherrschungsvertrag vermittelte korrespondierende Einwirkungsrechte zukämen. Wegen der Abgrenzung zur

165

166

MünchKommAktG/Altmeppen3 83, der auf die ausdrücklich in § 308 Abs 3 verankerte Parallele aufsichtsratlicher Präventivkontrolle hinweist; aA KK/Koppensteiner3 20, der jedoch einem solchen Zustimmungsbeschluss mangels haftungsentlastender Wirkung praktisch keine Rolle mehr zuschreibt. OLG Karlsruhe AG 1991, 144, 146; MünchKommAktG/Altmeppen3 76; Emmerich/ Habersack6 12; Emmerich/Habersack9 § 11, 11 ff; Hüffer10 10; KK/Koppensteiner3 20; Bürgers/Körber/Schenk2 6; H Westermann in: FS Schilling 1973, S 271, 278; Sina AG

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1991, 1, 4; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 316; Eschenbruch Konzernhaftung, Rdn 3052. OLG Stuttgart AG 1998, 585, 586 = NZG 1998, 601; MünchKommAktG/Altmeppen3 84; einschränkend Sieger/Hasselbach AG 1999, 241: Zu den ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten § 293, 210 ff sowie Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 17 ff. Vgl KK/Koppensteiner3 20. Hüffer10 11; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 6.

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

ebenfalls auf vertraglicher Grundlage beruhenden einheitlichen Leitung im Gleichordnungskonzern (§§ 291 Abs 2, 18 Abs 2) bedarf es sogar einer qualifizierten, mittels sonstiger schuldvertraglicher Kooperationsgestaltungen nicht zu begründenden Durchsetzungsmöglichkeit. Andernfalls wäre der Tatbestand des Beherrschungsvertrags nicht mehr von dem eines Gleichordnungskonzernvertrags zu unterscheiden.170 Mit diesen Maßgaben besteht die Unterstellung beim legislatorischen Leitbild des 64 Beherrschungsvertrags in der vertraglichen Begründung eines auch für den Vorstand der Gesellschaft verbindlichen Weisungsrechts gemäß § 308 bzw, anders gewendet, in der Einräumung eines Anspruchs des anderen Vertragsteils auf ein Tätigwerden der Gesellschaft nach Maßgabe von Weisungen, die auch für deren Vorstand verbindlich sind. Dieser Anspruch und das seiner Konkretisierung dienende Weisungsrecht sind primärer Vertragsinhalt eines Beherrschungsvertrags. Nicht hingegen ist das Weisungsrecht bloße gesetzliche Regelrechtsfolge in Gestalt der Begründung einer Folgepflicht des Vorstands der Untergesellschaft171 aufgrund des Bestehens eines Beherrschungsvertrags.172 Läge im Weisungsrecht lediglich eine Rechtsfolge der Leitungsunterstellung, müsste das Vorliegen einer beherrschungsvertraglichen Leitungsunterstellung anderweitig, also mit anderweitigen Gestaltungselementen einer Parteivereinbarung begründet werden. Andernfalls unterläge man einem geradezu klassischen Zirkelschluss: das Weisungsrecht (Tatbestandsvoraussetzung) begründet die Leitungsunterstellung und die Leitungsunterstellung begründet das Weisungsrecht (Rechtsfolge). In der Praxis beschränken sich Beherrschungsverträge freilich vielfach auf eine karge Beherrschungsabrede (Rdn 75); regeln sie zusätzliche Strukturen und Gestaltungen, so tun sie dies regelmäßig nicht mit der Wirkung einer selbständigen, also unabhängig vom Weisungsrecht eintretenden Leitungsunterstellung. Insgesamt erscheint es daher unausweichlich anzunehmen, dass der Tätigkeitsanspruch und das seiner Konkretisierung dienende Weisungsrecht iS des § 308 der primäre Vertragsinhalt eines gesetzestypischen Beherrschungsvertrags sind.173 § 308 dient hiernach der Verdeutlichung dessen, was die Vertragsparteien mit der Vereinbarung eines Beherrschungsvertrags bzw der Vereinbarung der Leitungsunterstellung meinen174 und zieht zudem halbzwingende Grenzen für die nähere vertragliche Ausgestaltung des Weisungsrechts. Zur Behandlung atypischer Beherrschungsverträge unten Rdn 116 ff. In den Einzelheiten gestaltet sich die Leitungsunterstellung unter Einräumung eines 65 den Vorstand bindenden Weisungsrechts gemäß § 308 wie folgt: Der Beherrschungsvertrag begründet im Außenverhältnis einen schuldrechtlichen Anspruch des anderen Vertragsteils gegen die Gesellschaft auf Tätigwerden nach Maßgabe der von ihm erteilen, den Vorstand indirekt bindenden Weisungen (vgl § 315 BGB), wobei die Gesellschaft die innergesellschaftliche Bindung ihres Vorstands an diese Weisungen (Rdn 26) herzustellen hat. Hierzu setzt der strukturändernde Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1

170

171 172

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S auch Emmerich/Habersack6 14; Emmerich/Habersack9 § 11, 14 ff; KK/Koppensteiner3 22; ähnlich LG München I AG 2001, 318. Hüffer10 § 308, 1. So Spindler/Stilz/Veil 2 § 308, 8; Hüffer10 11, § 308, 2 (aber auch 1); wohl auch MünchKommAktG/Altmeppen3 § 308, 6; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 § 308, 2: Weisungsrecht entsteht mit Wirksamwerden des Vertrags durch Eintragung.

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174

AA – mit organartiger Konstruktion – Hirte in diesem Kommentar, § 308, 9; Beuthien ZIP 1993, 1589, 1593 Fn 31: Leitungsunterstellung durch Einräumung eines Weisungsrechts. Krit zur Organthese schon Rdn 27 f. S auch KK/Koppensteiner3 § 308, 3, Hüffer10 § 308, 1: Konkretisierung des in § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 umschriebenen Vertragsinhalts.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

umfangreiche Änderungen des Regelungsstatuts der sich beherrschungsvertraglich unterstellenden Gesellschaft in Kraft. Erstens verändert er die Zweckverfassung der Gesellschaft (§ 293, 44) in regelmäßig zweifacher Hinsicht, namentlich durch eine Einschränkung ihres normtypischen Gewinnerzielungszwecks und (stets) eine Einschränkung ihrer Autonomie. Hierauf aufbauend modifiziert er zweitens die Organisationsverfassung der Gesellschaft, indem die Zuständigkeit des Vorstands aus § 76 Abs 1 zur eigenverantwortlichen Leitung durch die Pflichtzuständigkeit des Vorstands zur Ausführung von beherrschungsvertraglichen Weisungen, also den vom anderen Vertragsteil getroffenen und für den Vorstand innergesellschaftlich kraft seiner Organpflichten verbindlichen Leitungsentscheidungen, partiell substituiert wird.

66

c) Mindestumfang. Ob der Umfang der dem anderen Vertragsteil eingeräumten Herrschaftsbefugnisse den Anforderungen an die Leitungsunterstellung gemäß § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 genügt, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Das gilt gleichermaßen, wenn der Vertrag weder eine karge Beherrschungsabrede (Rdn 75) vorsieht noch überhaupt ausdrückliche Weisungsrechte einräumt und wenn der Vertrag das Weisungsrecht der anderen Partei mehr oder minder stark beschränkt. Im Einzelnen ist hierbei zu unterscheiden zwischen dem erforderlichen Mindestumfang der dem anderen Vertragsteil zukommenden – für den Vorstand der verpflichteten Gesellschaft kraft dessen Organpflichten innergesellschaftlich verbindlichen (Rdn 26) – Leitungsentscheidungen (Rdn 67 ff) und der Durchsetzungsmöglichkeit dieser Leitungsentscheidungen im Außenverhältnis (Rdn 72 f).

67

aa) Leitung(sfunktionen). Die Mindestanforderungen an die beherrschungsvertragskonstitutiv einzuräumenden Leitungsbefugnisse werden vielfach unter dem Stichwort des funktionalen Teilbeherrschungsvertrags (Rdn 96) diskutiert. Ausgehend von einem an § 76 Abs 1 orientierten Leitungsbegriff geht der eine Eckpunkt des breitgefächerten Meinungsbilds dahin, dass sämtliche Leitungsfunktionen dem Einflussbereich des anderen Vertragsteils zu unterstellen sind, und misst damit § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 zwingenden Charakter bei.175 Die extreme Gegenposition nimmt hingegen an, dass die Vertragsparteien die Einflussmöglichkeiten der anderen Vertragspartei beliebig gering halten können.176 Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die hM, wonach derart wesentliche Leitungsfunktionen auf die Obergesellschaft übertragen werden müssen, dass diese imstande ist, eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und durchzusetzen.177 Stellungnahme: Ausgehend von einem Begriff der Leitung iS von Geschäftsführung 68 (Rdn 60) erweist sich die Grenzziehung der hM als zutreffend: Im Minimum erfordert eine beherrschungsvertragskonstitutive Leitungsunterstellung, dass der andere Vertragsteil hierdurch zur Ausübung einheitlicher Leitung iS des § 18 Abs 1 in die Lage versetzt wird. Der Beherrschungsvertrag bildet nach gesetzgeberischer Vorstellung ein gesellschaftsrechtliches Instrument zur Koordination der Tätigkeit zweier Unternehmen, indem der andere Vertragsteil als ein Unternehmensträger die einheitliche Leitung ausübt

175

KK/Koppensteiner3 49; ähnlich Würdinger Aktienrecht4, S 323; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 456. 176 MünchKommAktG/Altmeppen3 89 ff; Spindler/Stilz/Veil2 24; Veil Unternehmensverträge, S 233 ff. 177 Emmerich/Habersack6 14; Raiser/Veil 5

§ 54, 2; Emmerich/Habersack9 § 11, 17; Hüffer10 15 iVm 10; MünchHdbAG/ Krieger3 § 70, 5; Kort NZG 2009, 364, 365; wohl auch Heidel/Peres3 39; Schürnbrand ZHR 169 (2005), 35, 42; Geßler/Geßler 51; Bachmann/Veil ZIP 1999, 348, 353 f.

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

(vgl Rdn 47). Ein Vertrag, der eine einheitliche Leitung gar nicht ermöglicht, würde diese Funktion verfehlen.178 In dieselbe Richtung weist auch § 18 Abs 2 Satz 3, wonach die einheitliche Leitung zweier beherrschungsvertraglich verbundener Unternehmen unwiderleglich vermutet wird. Unabhängig davon, ob diese Vermutung das tatsächliche Leitungsverhalten bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags zutreffend wiederspiegelt, reflektiert sie die gesetzgeberische Vorstellung, dass auf der Grundlage eines Beherrschungsvertrags die Ausübung einheitlicher Leitung zumindest theoretisch stets möglich ist. Nicht geboten ist hingegen entgegen der strengeren Auffassung, dass alle Leitungs- 69 funktionen des § 76 Abs 1 dem anderen Vertragsteil unterstellt werden oder dass gar alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen des Vorstands zur Verwirklichung des Verbandszwecks der Initiativgewalt der Obergesellschaft unterfallen; der umfassende Leitungsbegriff des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 ist nämlich ein bloßes typologisches Definitionsmerkmal des Beherrschungsvertrags. Dies folgt schon aus der lediglich klarstellenden Charakter179 aufweisenden Regelung des § 308 Abs 1 Satz 2, wonach sich das Weisungsrecht im Beherrschungsvertrag einschränken lässt. Auf der anderen Seite kann entgegen der großzügigeren Auffassung ein Beherr- 70 schungsvertrag nicht schon dann vorliegen, wenn die vereinbarte Leitungsunterstellung eine einheitliche Leitung gar nicht ermöglicht. Neben den Bedenken, dass es dann an einem wirtschaftlichen Fusionstatbestand (vgl § 305 Abs 3) fehlen180 und die Unterscheidung zum vertraglichen Gleichordnungskonzern unmöglich würde,181 folgt dies aus dem erwähnten Zweck der beherrschungsvertraglichen Normierung, ein Instrument zur rechtlich gesicherten einheitlichen Leitung zweier Unternehmen verfügbar zu machen. Diese Einwände lassen sich auch nicht mit dem Hinweis auf die Vertragsfreiheit der Parteien (Rdn 38) in Frage stellen. Vorliegend geht es nämlich gar nicht um die Frage, ob die Parteien über die Leitungsunterstellung frei disponieren können, sondern darum, ob eine solche Vereinbarung noch den Begriffsmerkmalen eines Beherrschungsvertrags genügt und sich als solcher qualifizieren lässt. Neben der Sache liegt ferner der Hinweis auf das Telos der §§ 291 ff und darauf, dass die außenstehenden Aktionäre und Gläubiger der Gesellschaft gewisslich nicht vor mehr oder minder weitgehenden Einschränkungen der Leitungsbefugnisse des herrschenden Unternehmens zu schützen seien.182 Diese Begründung läuft, da mit der Anwendung der §§ 291 ff zugleich über die Nichtanwendbarkeit der §§ 311 ff entschieden ist, in der Sache auf die These hinaus, dass sich die Anwendung der §§ 311 ff auch durch andere vertragliche Gestaltungen als einen Beherrschungsvertrag ausschließen lässt, und geht damit am klaren Normtext vorbei. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, die Nichtanwendung der §§ 311 ff regelungstechnisch vom Vorliegen eines Beherrschungsvertrags abhängig zu machen, nicht aber von einer wie auch immer begründeten Geltung der §§ 300 ff, 304 f, und für den Beherrschungsvertrag ist die vertragliche Unterstellung der Leitung der Gesellschaft zwingend erforderlich (Rdn 63). Insofern ist auch der Hinweis unbehelflich, dass das herrschende Unternehmen nicht davor geschützt werden müsse, einen Beherrschungsvertrag abzuschließen, der ihm weniger Leitungsbefugnisse verleiht als nach der gesetzlichen Regellage vorgesehen.183

178 179 180 181

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Ähnlich Hirte in diesem Kommentar, § 308, 46. Dazu Hirte in diesem Kommentar, § 308, 30, 46. KK/Koppensteiner3 49. LG München I AG 2001, 318; s auch

182 183

Emmerich/Habersack6 11, 21; Emmerich/ Habersack9 § 11, 16 f. Dazu MünchKommAktG/Altmeppen3 90, 92. So aber MünchKommAktG/Altmeppen3 90.

Peter O. Mülbert

§ 291 71

Erster Teil. Unternehmensverträge

Werden lediglich einzelne (Hilfs-)Funktionen der Weisungsgewalt der anderen Vertragspartei unterstellt, lässt sich nach alledem eine Leitungsunterstellung auch bei typologischer Betrachtung nicht annehmen.184 Daran vermag auch die vereinzelt vertretene These von der Interdependenz unternehmerischer Leitungsbereiche, wonach auch die Einflussnahme auf einzelne Funktionen zur Totalbeherrschung führe,185 nichts zu ändern. Weder ist diese These empirisch belegt186 noch bei der normativen Auslegung des Parteiwillens behilflich.187 Erst recht nicht ausreichend ist die bloße vertragliche Zubilligung einer Kontrollkompetenz, etwa in Gestalt eines Zustimmungsvorbehalts im Rahmen einer atypischen stillen Gesellschaft, weil die Initiativkompetenz für unternehmerisches Tätigwerden bei der Untergesellschaft verbleibt.188 Das gilt auch im Falle eines weitreichenden und gewichtige Gegenstände umfassenden Zustimmungskatalogs.189

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bb) Weisungsrecht. Ein gewisser Mindestumfang des Anspruchs auf Tätigwerden nach Maßgabe konkretisierender Weisungen (Rdn 64) ist eine weitere Voraussetzung dafür, einen Vertrag gegebenenfalls als Beherrschungsvertrag qualifizieren zu können. Negativ abgrenzend bedeutet dies für einen im Ausgangspunkt gesetzestypischen Beherrschungsvertrag190, dass beim vollständigen vertraglichen Ausschluss des Rechts zur Erteilung befolgungspflichtiger Weisungen von vornherein kein Beherrschungsvertrag vorliegen kann;191 dies erfordert schon die Abgrenzung zum Gleichordnungskonzernvertrag (Rdn 63). Positiv konkretisierend besagt dieses Erfordernis sodann, dass der andere Vertragsteil 73 die einheitliche Leitung gerade mittels Ausübung des ihm zukommenden verbindlichen Weisungsrechts oder, im Falle eines atypischen Beherrschungsvertrag, vergleichbarer Herrschaftsinstrumente (Rdn 126) ausüben kann. Mit anderen Worten muss der andere Vertragsteil im Bereich der ihm unterstellten unternehmerischen (Teil-)Funktionen über Weisungsrechte oder anderweitige Herrschaftsinstrumente in einem solchen Umfang verfügen, dass er bei deren Wahrnehmung zur Ausübung einheitlicher Leitung imstande wäre.192 Dies folgt daraus, dass eine beherrschungsvertragskonstitutive Leitungsunterstellung nur vorliegt, wenn der andere Vertragsteil durch die Leitungsunterstellung zur Wahrnehmung der einheitlichen Leitung tatsächlich in der Lage wäre (Rdn 68). Demgegenüber können die teilweise gegen das Erfordernis insbesondere eines Weisungsrechts erhobenen Einwände193 – die letztlich in der Sache auf die Zulässigkeit von Vertrags-

184 185 186 187 188

KK/Koppensteiner3 47. Vgl Geßler/Geßler 51; Dierdorf Herrschaft, S 111; ähnlich Glaser Grenzen, S 213. KK/Koppensteiner3 47. S auch Emmerich/Habersack6 20 ff; Emmerich/Habersack9 § 11, 14 ff. Hüffer10 10; Koppensteiner in: FS Canaris II 2007, S 209, 216; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 33; Heidel/Peres3 43; aA Emmerich/Habersack6 24a; Priester in: FS Raiser 2005, 293, 308; Spindler/Stilz/Veil 2 26; Dette Beherrschungsverträge, S 87 ff; zurückhaltender Bachmann/Veil ZIP 1999, 348, 354; für Einzelfälle auch Schürnbrand ZHR 169 (2005), 35, 44 f. Dieser Frage nachgelagert ist die teils nicht klar unterschiedene Frage, ob die Zustimmungsverweigerung eine Weisung darstellt. Hierzu

189 190 191

192 193

Hirte in diesem Kommentar, § 308, 18 mwN. AA Schürnbrand ZHR 169 (2005), 35, 44 f. Zum atypischen Beherrschungsvertrag noch Rdn 116 ff. LG München I AG 2001, 318; Emmerich/ Habersack6 22 f; Emmerich/Habersack9 § 11, 11; Hüffer10 11; KK/Koppensteiner3 22; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 6; Spindler/Stilz/Veil 2 25 aE; Heidel/Peres3 42; Bürgers/Körber/Schenk2 7; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 97 ff; Geßler/Geßler 53; Geßler in: FS Beitzke 1979, S 923, 928 ff, 932; Exner Beherrschungsvertrag, S 115 ff; Glaser Grenzen, S 212 ff. AA Spindler/Stilz/Veil 2 25 Näher dazu MünchKommAktG/Altmeppen3 99 ff.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

gestaltungen hinauslaufen, welche eine einheitliche Leitung vom Einvernehmen der Geschäftsleiter beider Unternehmen abhängig machen – nicht überzeugen. Für diejenigen Argumente, die auch gegen das Erfordernis eines Unterstellungsminimums vorgetragen werden, kann auf die dortige Auseinandersetzung verwiesen werden (Rdn 70). Der Verweis auf ein legitimes Bedürfnis der Vertragsparteien, sich von den §§ 311 ff und insbesondere der Erstellung eines Abhängigkeitsberichts freizustellen,194 läuft ebenfalls auf die gesetzeswidrige (Rdn 70) These hinaus, dass sich die Anwendung der §§ 311 ff auch durch andere vertragliche Gestaltungen als einen Beherrschungsvertrag ausschließen lässt. Der Hinweis schließlich, dass die Parteien auch ohne Weisungsunterwerfung ein anerkennenswertes Bedürfnis haben könnten, in ihrem Verhältnis zueinander die Anwendbarkeit der §§ 57, 58, 60 auszuschließen (§ 291 Abs 3),195 gebietet schon deswegen keine Abweichung, weil auch die §§ 311, 317 für Nachteilszufügungen innerhalb des Privilegierungsrahmens die Kapitalbindungsvorschriften ausschließen.196 3. Vertragsinhalt a) Zwei Mindestinhalte aa) Vereinbarung der Leitungsunterstellung. Essentiell für das Vorliegen eines Beherr- 74 schungsvertrags197 ist die vertragliche Unterstellung der Leitung der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft. Ob eine solche Vereinbarung vorliegt, bestimmt sich wie durchweg im Unternehmensvertragsrecht (Vorbem 9 zu §§ 291 ff) in materieller Betrachtungsweise des Vertragsinhalts nach objektiven Kriterien, nicht nach den allgemeinen Auslegungsmaximen der §§ 133, 157.198 Für die Feststellung, ob materiell ein Beherrschungsvertrag gegeben ist, können keine anderen Maßstäbe gelten als für die Feststellung des materiellen Inhalts eines Beherrschungsvertrags (dazu Rdn 40). Weder sind die Formulierungen des Gesetzes vonnöten noch muss der Vertrag als „Beherrschungsver-

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So oder ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 100; Geßler/Geßler 53; Geßler in: FS Beitzke 1979, S 923, 928 ff, 932; Exner Beherrschungsvertrag, S 115 ff; Glaser Grenzen, S 212 ff. So oder ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 100; Geßler/Geßler 53; Geßler in: FS Beitzke 1979, S 923, 928 ff, 932; Exner Beherrschungsvertrag, S 115 ff; Glaser Grenzen, S 212 ff; aA – Privileg des § 291 Abs 3 steht nicht zur Disposition der Parteien – K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 28. Hierzu BGHZ 179, 71, 77 = WM 2009, 78 = AG 2009, 81 = NZG 2009, 81; OLG München AG 2005, 486 = NZG 2005, 181, 183; OLG Frankfurt AG 1996, 324, 327; OLG Hamm AG 1995, 512, 516; OLG Stuttgart AG 1994, 411, 412; LG Düsseldorf AG 1979, 290, 291 f; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 311, 448 f; KK/Koppensteiner3 § 311, 161 f; Hüffer10 § 311, 49; Spindler/ Stilz/Müller2 § 311, 63; K Schmidt/Lutter/ J Vetter2 § 311, 10; MünchHdbAG/Krieger3

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§ 69, 52; Henze BB 1996, 489, 498 f; Michalski AG 1980, 261, 264 f; Riegger ZGR 2008, 233, 239 ff; Ulmer in: FS Hüffer 2010, S 999, 1007; einschränkend W Bayer in: FS Lutter 2000, S 1011, 1030 f; aA Wilhelmi WM 2009, 1917, 1918; Altmeppen ZIP 1996, 693, 695 ff; offen gelassen noch in BGHZ 175, 365, 374 = WM 2008, 787 = AG 2008, 375 = NZG 2008, 389. Vertragsmuster bei MünchVertragsHdbGesR/Hoffmann-Becking7 Form X.1 und Luther/Happ FormKomm Bd II, Form 2101, 2104 bis 2108. KG AG 2001, 186 = NZG 2000, 1132, 1133; OLG München AG 2009, 675 = NZG 2009, 104; MünchKommAktG/Altmeppen3 43; Henssler/Strohn/Paschos 7; Kort NZG 2009, 364, 366; missverständlich KK/Koppensteiner3 25 ff, der von „Umqualifizierung“ spricht; aA OLG Schleswig WM 2008, 2253 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868, 870 (§§ 133, 157 BGB); einschränkend Emmerich/Habersack6 27 sowie § 292, 61.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

trag“ bezeichnet werden (s auch Rdn 78).199 Entscheidend ist vielmehr, ob dessen Inhalt als Leitungsunterstellung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 (Rdn 59 ff) zu deuten ist. Hierfür spielt es keine Rolle, ob der Vertrag unter Beachtung der gesetzlichen Erfordernisse ins Handelsregister eingetragen wurde;200 auch eine erfolgte Eintragung begründet ungeachtet einer diesbezüglichen Prüfungsbefugnis des Registerrichters (§ 294, 35) nicht einmal ein Indiz für das Vorliegen eines Beherrschungsvertrags.201 Die in der Praxis übliche sogenannte karge Beherrschungsabrede202 genügt den 75 Anforderungen an die Leitungsunterstellung, und zwar auch dann, wenn eine eher bildhafte als juristisch präzise Formulierung von einer Übertragung der Leitung auf den anderen Vertragsteil spricht. Selbst wenn der Vertrag außer der Leitungsunterstellung keine weiteren abhängigkeitsstiftenden Regelungen vorsieht, verbindet das Gesetz damit gemäß § 308 Abs 1 die grundsätzliche Unterwerfung der abhängigen Gesellschaft unter die Weisungen des herrschenden Unternehmens, indem es angesichts der Konzeption des Weisungsrechts als gesetzestypischem Vertragsinhalt des Beherrschungsvertrags (Rdn 64) einen entsprechenden Parteiwillen typisierend unterstellt. Folglich muss der Vertragstext weder ein Weisungsrecht noch eine Befolgungspflicht203 bzw einen schuldrechtlichen Befolgungsanspruch des anderen Vertragsteils ausdrücklich vorsehen.

76

bb) Ausgleichsregelung (§ 304 Abs 3 Satz 1). Der Beherrschungsvertrag muss eine Regelung über den Ausgleich der außenstehenden Aktionäre enthalten, widrigenfalls er ausweislich des § 304 Abs 3 Satz 1 nichtig ist.204

77

b) Keine weiteren Mindestinhalte. Die Vereinbarung eines Beherrschungsvertrags unterliegt über die zwei Erfordernisse der Rdn 74 f hinaus keinen weiteren Mindestanforderungen. Weder ist es erforderlich, ein Weigerungsrecht des Vorstands bei unzulässigen Weisungen als Korrelat zu den gesetzlichen Grenzen des Weisungsrechts (Rdn 92) im Vertrag ausdrücklich vorzusehen, noch ist die Vereinbarung deutschen Rechts oder eines deutschen Gerichtsstands bei einem ausländischen anderen Vertragsteil notwendig (Vorbem 25 zu §§ 291 ff). Neben der zweifelhaften Wirksamkeit einer solchen Rechtswahlklausel und dem Umstand, dass ein solches Erfordernis ins Leere ginge, wenn der andere Vertragsteil erst nachträglich etwa im Wege der grenzüberschreitenden Verschmelzung zu einem ausländischen würde, verböte sich dies bei einem in der EU-ansässigen anderen Vertragsteil schon aufgrund des offen diskriminierenden Charakters solcher Zusatzanforderungen.

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aa) Bezeichnung als „Beherrschungsvertrag“. Beim Beherrschungsvertrag ist zu seiner Wirksamkeit nicht erforderlich, dass diese Bezeichnung in der nach § 293 Abs 3 zu

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OLG Schleswig WM 2008, 2253 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868, 869; OLG München WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753, 754; MünchKommAktG/Altmeppen3 54; Hirte/Schall Der Konzern 2006, 243, 245. AA Exner Beherrschungsvertrag, S 110 ff; ähnlich Geßler/Geßler § 308, 33. IE auch KK/Koppensteiner3 50. Terminologie nach MünchKommAktG/Altmeppen3 56. Zur Verwendung „karger“ Beherrschungsverträge in der Praxis s – mit

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unterschiedlicher Terminologie – W F Bayer in: FS Ballerstedt 1975, S 157, 175 („Minimalregelung“); Geßler/Geßler Vor § 300, 6 („Freibrief“); Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 305 („karge Blässe“). MünchKommAktG/Altmeppen3 54; Hüffer10 11; Heidel/Peres3 48; KK/Koppensteiner3 23; aA wohl Emmerich/Habersack6 17a. S etwa Heidel/Peres3 44; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 24; Spindler/Stilz/Veil 2 20; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 77 ff mwN.

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errichtenden Vertragsurkunde Verwendung findet.205 § 291 Abs 1 Satz 1 jedenfalls knüpft lediglich an den Vertragsinhalt, nicht dessen Bezeichnung an. Näher § 293, 12. bb) Abfindung. Die Regelung einer Abfindung der außenstehenden Aktionäre gehört 79 entgegen ihrer gelegentlichen Erwähnung bei den Mindestanforderungen an den Vertragsinhalt206 nicht zu den zwingenden Vertragsbestandteilen.207 Dies folgt unmittelbar aus § 305 Abs 5 Satz 2 Alt 1, wonach das Gericht beim Fehlen einer Abfindungsklausel im Vertrag auf Antrag die vertraglich zu gewährende Abfindung im Spruchverfahren zu bestimmen hat. cc) Verlustausgleich. Die Pflicht des herrschenden Unternehmens zum Verlustausgleich 80 ergibt sich als (indisponible) gesetzliche Rechtsfolge aus § 302 Abs 1, muss also ebenfalls nicht in den Vertragstext aufgenommen werden.208 Unabhängig davon ist eine entsprechende Klausel in Beherrschungsverträgen kautelarjuristisch üblich und empfehlenswert.209 dd) Ausgestaltungsgebote. Über die karge Beherrschungsabrede – also die Leitungs- 81 unterstellung ohne explizite Vereinbarung eines Weisungsrechts nach § 308 (Rdn 75) – hinausgehend bedarf ein Beherrschungsvertrag nach teilweiser Auffassung einer näheren Ausgestaltung, widrigenfalls er unvollständig sei und daher nicht ins Handelsregister eingetragen werden dürfe.210 Abgeleitet werden diese Ausgestaltungsgebote einerseits aus dem Recht der sich beherrschungsvertraglich verpflichtenden Gesellschaft, andererseits aus dem Recht des künftigen anderen Vertragsteils in Form einer AG oder KGaA: Die Überlebensfähigkeit der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft sei durch ver- 82 tragliche Vorkehrungen auch für die Zeit nach Beendigung des Beherrschungsvertrags sicherzustellen. Ihr Vorstand habe bei Abschluss des Vertrags darauf hinzuwirken, dass das Weisungsrecht beispielsweise keinen Abzug stiller Reserven erlaube, widrigenfalls er und/oder der Aufsichtsrat sich seiner Gesellschaft gegenüber nach § 93 Abs 2 (§ 116) schadensersatzpflichtig mache (s auch § 293, 38).211 Im Falle eines unbeschränkten Weisungsrechts sei jedenfalls durch Verankerung von „Wiederaufbauhilfen“ im Vertragstext die Überlebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft nach Vertragsbeendigung zu gewährleisten.212

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KG AG 2001, 186 = NZG 2000, 1132, 1133; LG Hamburg AG 1991, 365, 366 = WM 1991, 1081; MünchKommAktG/Altmeppen3 44; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 25; Emmerich/Habersack6 17; Emmerich/Habersack9 § 11, 12; Hüffer10 13; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 7; Huber ZHR 152 (1988), 123, 136 ff; Mestmäcker in: FG Kronstein 1967, S 129, 148 ff; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 150 ff; aA wohl Geßler/Geßler 32; v Godin/Wilhelmi 4 § 294, 6; differenzierend KK/Koppensteiner3 § 293, 13 f, 37. ZB Emmerich/Habersack9 § 11, 11; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 7. MünchKommAktG/Altmeppen3 74; Hüffer10 13; Heidel/Peres3 44; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 125. MünchKommAktG/Altmeppen3 75; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 7.

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So jedenfalls MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 7. Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 314. Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 309; Geßler/Geßler § 301, 20 ff; Geßler ZHR 140 (1976), 433, 435; vgl auch Meilicke in: FS Hirsch 1968, S 99, 107 f; Sonnenschein ZGR 1981, 429, 438 f. Geßler/Geßler Vor § 300, 6; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 309 ff; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 42 ff; H Wilhelm Beendigung, S 116; vgl auch Emmerich/ Habersack6 § 296, 25; skeptisch bis ablehnend hierzu KK/Koppensteiner3 § 297, 63 f; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 § 296, 15; Spindler/Stilz/Veil 2 14; Heidel/Peres3 47; MünchKommAktG/Altmeppen3 63; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 224 mit Fn 667.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

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Im Falle einer AG oder KGaA als anderem Vertragsteil wird zudem eine Präzisierung der Maßstäbe für die Art und Weise der Leitungsausübung mittels einer detaillierten Ausgestaltung der Leitungsstruktur des Unterordnungskonzerns, einschließlich des Zentralisierungsgrads der Konzernspitze und der Festlegung des Entscheidungsspielraums der verpflichteten Gesellschaft, für erforderlich gehalten.213 Denn eine nicht konkretisierte Beherrschungsabrede komme einer Pauschalermächtigung des herrschenden Unternehmens zur Konzernleitung gleich, obgleich die in § 293 Abs 1 verankerte Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung eine umfassende Unterrichtung der Aktionäre der Gesellschaft über das Gesamtkonzept der Konzernierung erfordere.214 Überdies sei die beherrschungsvertragliche Festschreibung der Beteiligungsquote zum Schutze der Aktionäre der Obergesellschaft erforderlich. Es müsse ausgeschlossen werden, dass die Leitungsmöglichkeiten des Vorstands der Obergesellschaft bei künftigen Anteilsveräußerungen eine Einschränkung erleiden.215 Stellungnahme: Ausgestaltungsgebote sind mit der hM abzulehnen.216 Das AktG 84 selbst fordert keine über die §§ 291 Abs 1, 304 Abs 3 Satz 1 hinausgehenden vertraglichen Mindestinhalte.217 Daran vermögen die teleologischen Erwägungen nichts zu ändern, die zur Begründung eines Ausgestaltungsgebots praeter legem angeführt werden.218 Zudem dürfte das vage Postulat eines Ausgestaltungsgebots die Funktionsgrenzen der richterlichen Inhaltskontrolle überschreiten.219 Im Übrigen stellen die §§ 300 ff, was die Überlebensfähigkeit der beherrschungsver85 traglich konzernierten Gesellschaft im Besonderen angeht, ohnehin einen abschließenden Schutzmechanismus bereit (§ 297 Rdn 149 ff).220 Ob der letzte Verlustausgleichsanspruch bei Vertragsbeendigung einen nachvertraglichen Existenzschutz der bislang beherrschungsvertraglich konzernierten Gesellschaft umfasst221, spielt insoweit keine Rolle. Ein Ausgestaltungsgebot aus dem Recht der Obergesellschaft ist, was die Entschei86 dungszuständigkeit ihrer Hauptversammlung anbelangt, schon deswegen nicht geboten, weil die Entscheidungsträger selbst durch die umfassenden Informationsrechte des Verbands (§§ 293a, 293 f) und die individuellen Auskunftsrechte eines einzelnen Aktionärs in der Hauptversammlung (293g Abs 3) die Informationsdichte mit Blick auf das mit dem Beherrschungsvertrag verfolgte Konzernierungskonzept intensivieren können.222 Darüber hinaus stellen solche Überlegungen das Verhältnis von materiellen Gestaltungsgrenzen und Informationsgeboten auf den Kopf. Gefordert ist eine Information über die konzernrechtlich zulässige Beherrschungsvertragsgestaltung, nicht aber beschränken vom Gesetz nach Dichte und Tiefe gar nicht näher konturierte Informationspflichten die

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Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 304 ff; ähnlich Emmerich in Hommelhoff, Entwicklungen, S 69; Emmerich/Habersack6 17a; Geßler/Geßler § 308, 36; § 301, 21; Vorb § 300, 6. Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 304 ff, 307 ff; ähnlich Emmerich/Habersack6 17a. Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 317 f, 442 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 63 ff; Hüffer10 10 ff; KK/Koppensteiner3 53; Kropff ZGR 1984, 112, 120 ff; Rittner

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AcP 183 (1983), 295, 304; distanziert MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 7. Ähnlich KK/Koppensteiner3 52; MünchKommAktG/Altmeppen3 63. Dazu MünchKommAktG/Altmeppen3 63 ff mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 63. Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 62. S dazu Hirte in diesem Kommentar, § 308, 45. KK/Koppensteiner3 53; MünchKommAktG/ Altmeppen3 65.

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materiell zulässigen Beherrschungsvertragsgestaltungen. Ungerechtfertigt erscheint aber auch die Forderung, die Beteiligungsquote durch Vereinbarung eines pauschalen Veräußerungsverbots zum Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft festzulegen.223 Zwar verliert der andere Vertragsteil – wenn er denn überhaupt eine Beteiligung an der Gesellschaft hält – mit der Aufgabe der satzungsändernden Beteiligungsquote Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft, doch steht dieser beteiligungsvermittelte Einfluss auf die Grundlagenentscheidung bei der Tochtergesellschaft selbständig neben dem beherrschungsvertraglichen Einfluss. Erst recht überzogen erschiene ein solches Festschreibungsgebot, würde man die Aufgabe der satzungsändernden Beteiligungshöhe auch im Vertragskonzern an ein zustimmendes Hauptversammlungsvotum knüpfen.224 ee) Aufsichtsrechtliche Anforderungen. Das Bank-, Börsen und Versicherungsauf- 87 sichtsrecht kann gegebenenfalls die Aufnahme besonderer Klauseln in den Vertragstext erforderlich machen.225 Beim Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit einer AG, die ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut betreibt, ist die aufsichtsrechtliche Alleinverantwortlichkeit der Geschäftsleiter eines Kreditinstituts für die Erfüllung der bankaufsichtsrechtlichen Pflichten nach §§ 32 Abs 1 Satz 2 Nr 2, 1 Abs 2 KWG zu wahren. Die Einräumung eines unbeschränkten Weisungsrechts iS des § 308 ist hiermit nur schwer in Einklang zu bringen, weswegen das vormalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAK) im Jahre 1989 den Abschluss von Beherrschungsverträgen mit Kreditinstituten als grundsätzlich unzulässig ansah.226 Gleichwohl hält die BaFin einen Beherrschungsvertrag mit einem abhängigen Kreditinstitut – nicht aber mit Spezialkreditinstituten wie etwa Bausparkassen227 – für bankaufsichtsrechtlich zulässig, wenn ein Eingriff in die volle Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter durch eine Vorbehaltsklausel (sog KWGKlausel) abbedungen wird, die das Weisungsrecht für Eingriffe in die volle Verantwortlichkeit des Vorstands ausdrücklich ausschließt und also das Weisungsrecht weitgehend einschränkt.228 In der Sache entfaltet eine solche Klausel allerdings nur deklaratorische Wirkung. Zu den Schranken des Weisungsrechts zählt nämlich, dass das herrschende Unternehmen keine Weisungen erteilen darf, mit deren Befolgung die beherrschungsvertraglich gebundene Gesellschaft bzw deren Vorstand öffentlich-rechtliche Pflichten verletzen würde. Das für die vertragstypisch verpflichtete Gesellschaft geltende Aufsichtsrecht bildet daher eine immanente gesetzliche Schranke des Weisungsrechts (§ 308) des herrschenden Unternehmens.229 Vergleichbare Überlegungen gelten auch für den

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Näher KK/Koppensteiner3 54. So Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 443 ff. Zur Anwendung der Holzmüller/ Gelatine-Grundsätze im Vertragskonzern s § 293, 230. Näher van de Sande Die Unternehmensgruppe im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht, S 136, 152 ff; U H Schneider ZGR 1996, 225; speziell für die Versicherungswirtschaft Dreher ZVersWiss 1988, 619; ders Betrieb 1992, 2605; Gromann AG 1981, 241; Sasse in: FS Sieg 1976, S 435, 439; zur Konzernbildung unter Beteiligung einer VVaG näher Lutter/Hübner UmwG4 Anh 2 nach § 189. BAK, Schreiben v 27.02.1989 (II 5 – E 246 – 31); s hierzu auch van de Sande Die Unter-

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nehmensgruppe im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht, S 205 f; Miederhoff WM 2001, 2041, 2051. S Krauel/Klie WM 2010, 1735, 1737. S OLG Frankfurt ZIP 2012, 79, 81 mit Klauselbeispiel und Ausführungen dazu, dass jedenfalls bei Inanspruchnahme der Befreiungsoption des § 2a Abs 1 KWG durch das sich vertragstypisch verpflichtende Institut sogar nachteilige Weisungen des anderen Vertragsteils möglich sein müssen. Gurlit/Mülbert Börsenträger, S 128; Emmerich/Habersack6 § 308, 58; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 308, 100; Hölters/ Leuering/Goertz § 308, 32; leicht missverständlich Hirte in diesem Kommentar,

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Beherrschungsvertrag mit einer abhängigen AG als Börsenträger (§ 2 BörsG),230 dessen Abschluss auch im Übrigen zulässig ist.231 Betreibt eine abhängige AG Versicherungsgeschäfte nach § 5 Abs 1 VAG, bedarf der 88 Abschluss von Beherrschungsverträgen gemäß § 5 Abs 3 Nr 3 VAG als Bestandteil des Geschäftsplans sogar der (präventiven) Genehmigung der BaFin, wobei gesetzlicher Maßstab für die aufsichtsrechtliche Prüfung nach § 8 Abs 1 Nr 3 VAG die ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten sowie die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen ist.232 Nach einer älteren versicherungsaufsichtsrechtlichen Praxis sind Beherrschungsverträge überdies nur dann genehmigungsfähig, wenn sie eine der erörterten KWG-Klausel (Rdn 87) vergleichbare Einschränkung des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens enthalten;233 wiederum kann einer solchen Klausel aber nur klarstellende Bedeutung zukommen.234 Unter Beteiligung von Lebens- und Krankenversicherern sind ferner die sog Spartentrennungsgebote zu beachten.235 Die Nichterteilung der Genehmigung wirkt sich allerdings jeweils nur auf das operative Geschäft der betroffenen vertragstypisch verpflichteten AG aus und hat nicht etwa zur Folge, dass der jeweilige Unternehmensvertrag ohne behördliche Genehmigung schwebend unwirksam bliebe oder nicht in das Handelsregister eingetragen werden dürfe.236 Zu Fällen der Genehmigungsbedürftigkeit eines konkreten Beherrschungsvertrags s § 293, 29 f. c) Ergänzende Regelungen

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aa) Ausgestaltung des Weisungsrechts. Die Vertragsurkunden müssen nicht notwendig Bestimmungen über das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens enthalten. Diese Befugnis ist nämlich von § 308 Abs 1 lediglich konkretisierter Inhalt der beherrschungsvertraglichen Vereinbarung (Rdn 64). Zugleich zieht diese Vorschrift der vertraglichen Ausgestaltung des Weisungsrechts Grenzen; verboten ist eine vertragliche Ausdehnung der Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens,237 was insbesondere eine

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§ 308, 39: Beherrschungsverträge mit abhängigen Kreditinstituten sind nur dann zulässig, wenn das Weisungsrecht (durch die KWG-Klausel) „weitgehend abgemildert“ wird, was eine konstitutive Wirkung der Klausel impliziert; krit van de Sande Die Unternehmensgruppe im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht, S 217 ff. Gurlit/Mülbert Börsenträger, S 126 ff. Gurlit/Mülbert Börsenträger, S 126 ff; iE auch Schwark WM 2000, 2157, 2526; Christoph Börsenkooperationen und Börsenfusionen, 2007, S 218 f; wohl auch Kapitalmarktrechts-Kommentar/Beck4, § 6 BörsG, 14; aA Merkt Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Verhandlungen des 64. DJT, Bd I, 2002, G 120; Burgard WM 2011, 2021, 2029 ff. Emmerich/Habersack9 § 11, 4; Emmerich/ Habersack6 § 291, 4.

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Näher hierzu etwa van de Sande Die Unternehmensgruppe im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht, S 201 ff mwN sowie einem Formulierungsvorschlag. S Emmerich/Habersack6 § 308, 58. Näher Emmerich/Habersack6 § 291, 4; Krauel/Klie WM 2010, 1735, 1737; Bürkle VersR 2003, 833 ff. S nur Emmerich/Habersack6 § 294, 16 mwN. KK/Koppensteiner3 23, § 308, 37, 56; Hüffer10 § 308, 1; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 150; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 308, 132; Geßler/Geßler § 308, 32; Exner Beherrschungsvertrag, S 91 f; grundsätzlich auch Heidel/Peres3 51, der aber eine Ausdehnung des Weisungsrechts zugunsten der Obergesellschaft durch Einräumung einer widerruflichen und gegenständlich begrenzten Vollmacht zur Erteilung von Weisungen (auch) gegenüber dem Personal der Untergesellschaft, also ohne den „Umweg“ über den Vorstand, als zulässig erachtet.

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vertragliche Abrede ausschließt, wonach der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft nicht im Konzerninteresse liegende nachteilige Weisungen erteilt werden können. Hingegen setzt die Vorschrift die Zulässigkeit von vertraglichen Beschränkungen der Weisungsbefugnis gerade voraus.238 Der in § 308 Abs 1 Satz 2 angesprochene Ausschluss nachteiliger Weisungen ist eine eher theoretische Erscheinung, wogegen etwa Klauseln, die formelle Anforderungen an die ordnungsgemäße Ausübung des Weisungsrechts vorschreiben oder Weisungen nur für bestimmte Sachfragen zulassen, in der Praxis durchaus vorkommen können.239 Allerdings darf die Einschränkung nicht so weit gehen, dass der andere Vertragsteil gar keine einheitliche Leitung ausüben kann (Rdn 68). bb) Sonstige Regelungen. Den Parteien steht es grundsätzlich frei, über den beherr- 90 schungsvertraglichen Mindestinhalt hinaus weitere Regelungen festzulegen; auch beim Beherrschungsvertrag als einem strukturänderungsgestaltenden Schuldverhältnis besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit (Rdn 38). Dabei empfiehlt sich beispielsweise die Vereinbarung von in der Praxis üblichen Klauseln über die Laufzeit des Vertrags.240 Zu zulässigen Bedingungen und Zeitbestimmungen näher Rdn 93 f und § 293, 15 ff. Zur Vereinbarung besonderer Kündigungs- und Rücktrittsrechte s § 297, 55 ff, 71 ff, 99 ff. d) Gestaltungsschranken aa) Reichweite der Leitungsunterstellung. Die beherrschungsvertragliche Leitungsun- 91 terstellung unterliegt auch dann gewissen Einschränkungen, wenn der Vertragstext eine umfassende Unterstellung unter fremde Leitung vorsieht. Diese gesetzlichen Schranken haben die Unwirksamkeit (§ 134 BGB) solcher Klauseln zur Folge, mit denen die Parteien die Leitungsunterstellung auf die indisponiblen Bereiche erstrecken wollen; das Schicksal des Vertrags im Übrigen richtet sich dann nach § 139 BGB. Eine erste Gestaltungsschranke betrifft die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands 92 der verpflichteten Gesellschaft bei Fehlen einer Weisung iS des § 308. Für diesen Fall bleibt ihr Legalstatut vom zweckändernden Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 und erst recht vom Beherrschungsvertrag unberührt. Folglich hat der Vorstand der verpflichteten Gesellschaft diese weiterhin nach der Maßgabe ihres Gesellschaftsinteresses, nicht aber nach Maßgabe des ihm gegebenenfalls ohnehin nicht erkennbaren Konzerninteresses241 eigenverantwortlich so zu leiten, wie dies § 76 von ihm verlangt.242 Als Konsequenz hieraus hat der Gesetzgeber diese Norm bewusst nicht in die Nichtanwen-

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Dazu Hirte in diesem Kommentar, § 308, 30. MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 150 mwN; Heidel/Peres3 51. So jedenfalls MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 7. Wie hier Hirte in diesem Kommentar, § 308, 21; Geßler/Geßler § 308, 74 ff; Emmerich/Habersack6 § 308, 54; aA – Leitung nach Maßgabe des Konzerninteresses – Hüffer10 § 308, 20; KK/Koppensteiner3 § 308, 71 f mwN; Kort in diesem Kommentar, § 76, 142 aE; wohl auch Bürgers/Körber/Schenk2 6; Martens in: FS Fischer 1979, S 437, 449 f;

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S H Schneider/U H Schneider AG 2005, 57, 58 ff; noch anders – Konzerninteresse kann Berücksichtigung finden – MünchKommAktG/Altmeppen3 § 308, 154 f; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 § 308, 42; Arnold in Hdb börsennotierte AG2, § 22, 104. Unstr; s nur MünchKommAktG/Altmeppen3 230; Emmerich/Habersack6 79; Henssler/Strohn/Paschos 43; Hüffer10 37; KK/Koppensteiner3 109; Hölters/Deilmann 54; Arnold in Hdb börsennotierte AG2, § 18, 27; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 156.

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dungsvorschrift des § 291 Abs 3 aufgenommen.243 Eine zweite Gestaltungsgrenze folgt aus der in § 308 Abs 1 Satz 2 vorausgesetzten Unverbindlichkeit solcher nachteiliger Weisungen, die nicht im Interesse des anderen Vertragsteils selbst oder mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Eine dritte Restriktion resultiert daraus, dass sich das Weisungsrecht auch ohne eine entsprechende Einschränkung im Vertragstext nicht auf Weisungen zu Handlungen und Maßnahmen erstreckt, mit deren Befolgung die Gesellschaft gegen aufsichtsrechtliche oder sonstige gesetzliche Pflichten verstoßen würde. Eine vierte Gestaltungsbeschränkung ergibt sich schließlich aus der in § 308 nicht ausdrücklich statuierten Unzulässigkeit bestandsgefährdender Weisungen. Näher zu den gesetzlichen Schranken des Weisungsrechts Hirte in diesem Kommentar, § 308, 37 ff.

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bb) Rückwirkende Leitungsunterstellung. Beim Beherrschungsvertrag lässt sich eine Rückwirkung prinzipiell nicht vorsehen.244 Eine Rückwirkungsklausel ist nichtig (§ 134 BGB).245 Der Beherrschungsvertrag im Übrigen bleibt hiervon grundsätzlich unberührt und also wirksam.246 Für dieses Ergebnis bedarf es nicht der in diesem Zusammenhang verbreiteten – aber abzulehnenden (§ 293, 127) – Inversion oder Nichtanwendung des § 139 BGB.247 Der hypothetische Parteiwille wird nämlich regelmäßig auf die Wirksamkeit des Beherrschungsvertrags als eines (abtrennbaren) selbständigen Regelungsgefüges mit Dauerwirkung für die Zukunft gerichtet sein, für dessen Abschluss die Rückwirkungsklausel in aller Regel von sehr untergeordneter Bedeutung ist.248 Nur wenn die Parteien den Vertrag ausnahmsweise nicht ohne Rückwirkungsklausel abgeschlossen hätten, tritt Gesamtnichtigkeit ein.249 Erst recht bleibt ein zusammen mit dem Beherr-

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Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377; KK/Koppensteiner3 109. OLG Hamburg WM 1990, 1741 = AG 1991, 21; OLG Karlsruhe WM 1993, 2092, 2093 = AG 1994, 283; LG Hamburg ZIP 1990, 376, 377; LG Kassel AG 1997, 239, 240; KK/Koppensteiner3 § 294, 34; Hüffer10 11, § 294, 19; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 26; Emmerich/Habersack6 15, § 294, 29; Emmerich/Habersack9 § 11, 13, § 16, 64; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 58; Bürgers/Körber/Schenk2 § 294, 17; Kort Bestandsschutz, S 139; ders NZG 2004, 313, 314; Hirte ZGR 1994, 644, 663; Knepper DStR 1994, 377, 380; ders in: FS Schmidt 1993, S 725, 732; Hahn DStR 2009, 589, 591; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 § 294, 53 ff; offengelassen von BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1976 = AG 1993, 422; BayObLG AG 2003, 631, 632 = NZG 2003, 36. OLG Hamburg WM 1990, 1741 = AG 1991, 21; OLG Karlsruhe WM 1993, 2092, 2093 = AG 1994, 283; LG Kassel AG 1997, 239, 240; Hüffer10 § 294, 19 (implizit); KK/Koppensteiner3 § 294, 31; Emmerich/ Habersack6 15; Emmerich/Habersack9 § 11,

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13, § 16, 64; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 58; Kort NZG 2004, 313, 314; Hirte ZGR 1994, 644, 663; Knepper DStR 1994, 377, 380; ders in: FS Schmidt 1993, S 725, 732 mit Fn 30; offengelassen von BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422. OLG Hamburg WM 1990, 1741 = AG 1991, 21; OLG Karlsruhe WM 1993, 2092, 2093 = AG 1994, 283; Hüffer10 § 294, 19; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 58; Kort Bestandsschutz, S 139; ders NZG 2004, 313, 314; insoweit auch BayObLG AG 2003, 631, 632 = NZG 2003, 36; unklar Emmerich/Habersack6 15: Nichtigkeit (nur) der Rückbeziehungsklausel gemäß §§ 134, 139 BGB (s aber auch § 293, 20: Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB). OLG Hamburg WM 1990, 1741 = AG 1991, 21; Kort Bestandsschutz, S 139; ders NZG 2004, 313, 314. Insoweit ebenso OLG Hamburg WM 1989, 1767 = AG 1991, 23; der Sache nach auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 26. OLG Hamburg WM 1989, 1767 = AG 1991, 23; implizit auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 26.

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schungsvertrag unter Einschluss der Rückwirkungswirkungsklausel abgeschlossener Gewinnabführungsvertrag wirksam,250 insbesondere wenn jener den insoweit zulässigen (Rdn 157) Rückwirkungsumfang nicht überschreitet. Gegen die Möglichkeit einer Rückbeziehungsvereinbarung spricht zunächst schon, 94 dass das Weisungsrecht nach § 308 notwendiger Vertragsinhalt des Beherrschungsvertrags ist (Rdn 64, 72 f), eine rückwirkende Unterstellung der Gesellschaft unter die Leitungsmacht des anderen Vertragsteils aber gar nicht möglich ist.251 Denn auch bei einer Rückbeziehungsvereinbarung wäre eine rückwirkende Ausübung des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts ausgeschlossen; eine unverbindliche Anregung des anderen Vertragsteils ließe sich nicht nachträglich mit einer anderen Rechtsqualität versehen und zu einer Weisung im Sinne des § 308 machen.252 Im Ergebnis könnte eine Rückbeziehungsabrede also keine rückwirkende Weisungsbindung des Vorstands der (künftig) vertraglich verpflichteten Gesellschaft herbeiführen,253 sondern allenfalls die Pflichten des herrschenden Unternehmens aus den §§ 311 ff mit Rückwirkung gegen diejenigen aus den §§ 300 ff auszutauschen.254 Diese Wirkung stünde freilich im Widerspruch zu den Schranken des § 93 Abs 4, 5 für eine Befreiung der Vorstandsmitglieder von ihrer Ersatzpflicht für pflichtwidriges Handeln. Mit dem Austausch des konzernrechtlichen Regelungsregimes müsste nämlich folgerichtig auch die Ersatzpflicht derjenigen Vorstandsmitglieder der künftig vertraglich konzernierten Gesellschaft entfallen, die eine „Weisung“ zur Vornahme von nach den Maßgaben der §§ 311, 317 nicht ausgleichsfähigen Rechtsgeschäften oder sonstigen Maßnahmen befolgt haben. Dieser Einwand wäre auch nicht mit dem Hinweis auszuräumen, dass eine rückwirkende Ersetzung des konzernrechtlichen Regelungsregimes den Interessen des Rechtsverkehrs entspreche, weil das herrschende Unternehmen dann auch die während des Rückwirkungszeitraums entstandenen Verluste der abhängigen Gesellschaft übernehme. Diese Überlegung stellt nämlich nur auf die Pflichtenstellung des herrschenden Unternehmens ab. Im Übrigen könnte der Anspruch aus §§ 311, 317 im Einzelfall durchaus auch höher sein als der zu übernehmende Jahresverlust.255 cc) Beschränkte Leitungsunterstellung (Teilbeherrschungsverträge). Als Teilbeherr- 95 schungsvertrag bezeichnete Vertragsgestaltungen sehen statt einer umfassenden, die gesamte Geschäftsführung (Rdn 60 f) betreffenden Leitungsunterstellung lediglich eine mehr oder minder beschränkte Unterstellung vor. Hierbei kommen drei – gegebenenfalls miteinander zu kombinierende – Gestaltungsparameter in Betracht, namentlich eine Begrenzung auf ausgewählte unternehmerische (Teil-)Funktionen, auf einzelne Betriebe und auf bestimmte Zielsetzungen bei der Leitungsausübung. Für alle drei Varianten des Teilbeherrschungsvertrags stellt sich gleichermaßen die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie noch als (zulässige) Beherrschungsverträge iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 einzuordnen sind.

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S nur OLG Hamburg WM 1990, 1741 = AG 1991, 21; ferner LG Kassel AG 1997, 238, 239 f (mit Hinweis auf die gewollte steuerliche Organschaft, die unter Geltung des jetzigen § 14 KStG auch im Falle der AG keinen Beherrschungsvertrag mehr erfordert; s oben Rdn 12); KK/Koppensteiner3 293, 21. Hüffer10 11; Emmerich/Habersack6 15; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 § 294, 53. Insoweit ebenso MünchKommAktG/Alt-

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meppen3 § 294, 54; aA LG Hamburg ZIP 1990, 376, 377; KK/Koppensteiner3 § 294, 34 mit Fn 126. AA der Sache nach LG Hamburg ZIP 1990, 376, 377; KK/Koppensteiner3 § 294, 34. So ausdrücklich MünchKommAktG/Altmeppen3 § 294, 54; diese Möglichkeit ablehnend Emmerich/Habersack6 15; Kort NZG 2004, 313, 314; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 26. Zutreffend KK/Koppensteiner3 § 294, 34.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

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Bei einer Einschränkung hinsichtlich einzelner unternehmerischer Leitungsfunktionen – Produktion, Finanzwirtschaft, Materialwirtschaft bzw Einkauf, Personal, Forschung und Entwicklung, Vertrieb bzw Marketing usw – handelt es sich um einen funktionalen oder funktionenbeschränkten Teilbeherrschungsvertrag. Soweit umfangreiche Einschränkungen bis hin zur Beschränkung auf bestimmte einzelne Funktionen zugelassen werden256 ist dem mit Blick darauf zu widersprechen, dass die Leitungsfunktionen für das Vorliegen einer beherrschungsvertraglichen Leitungsunterstellung eine potentiell einheitliche Leitung erlauben müssen (Rdn 68).257 Eine auf einzelne Betriebe beschränkte Leitungsunterstellung fällt nicht in den An97 wendungsbereich von § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1. Die Zulässigkeit solchermaßen betriebsbeschränkter Teilbeherrschungsverträge bemisst sich vielmehr anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nach dem allgemeinen (Aktien-)Recht, insbesondere nach § 76 Abs 1.258 Schon die Formulierung des Gesetzes, wonach die AG die „Leitung ihrer Gesellschaft“ dem anderen Unternehmen unterstellt, erhellt, dass eine aus mehreren Betrieben bestehende abhängige Gesellschaft die Leitung über alle ihre Betriebe auf die Obergesellschaft übertragen muss.259 Zudem steht der Gesellschaft, die nur einen Betrieb fremder Leitungsmacht unterstellen will, die Gestaltungsmöglichkeit des Betriebspachtoder Betriebsüberlassungsvertrages zur Verfügung, in welchem Fall § 292 Abs 1 Nr 3 einschlägig ist.260 In teleologischer Hinsicht ist schließlich zu bedenken, dass die einheitliche Leitung zweier Unternehmen, die ein Beherrschungsvertrag ermöglichen soll, bei der Beschränkung der Leitungsunterstellung auf einzelne Betriebe kaum praktikabel wäre.261 Weniger überzeugend ist indes, die Regelung in § 308 Abs 1 Satz 2 dahingehend zu interpretieren, dass eine Beschränkung der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens über den Ausschluss nachteiliger Weisungen hinaus mit dem gesetzlichen Leitbild des Beherrschungsvertrages generell unvereinbar sei.262 Die von der Gegenansicht für die Zulässigkeit eines betriebsbeschränkten Teilbeherr98 schungsvertrags ins Feld geführten Gründe – das Bedürfnis der Parteien, die Kapitalbindungsvorschriften der §§ 57, 58 und 60 auszuschließen (§ 291 Abs 3) sowie von den §§ 311 ff freizustellen263 – können nicht überzeugen. Der Gesetzgeber hat – wie zur Nichtanerkennung eines weisungsrechtslosen Beherrschungsvertrags bereits ausgeführt (Rdn 70) – die Nichtanwendung der §§ 311 ff AktG nach Normtext und Regelungskonzeption eben von der Vornahme einer beherrschungsvertraglichen Leitungsunterstellung

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MünchKommAktG/Altmeppen3 88 ff; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 30; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 5; noch großzügiger Raiser/Veil5 § 54, 2; Veil Unternehmensverträge, S 245; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 152, 301. Ähnlich KG AG 2001, 186 = NZG 2000, 1132; LG München I ZIP 2008, 555, 560; Hüffer10 10, 15; s ferner KK/Koppensteiner3 49 aE, der iE gleichwohl die Unterstellung sämtlicher Leitungsfunktionen für erforderlich hält. MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 5; KK/Koppensteiner3 45; Geßler/Geßler 50; zumindest für den Regelfall auch K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 31. KK/Koppensteiner3 45; MünchHdbAG/Krie-

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ger3 § 70, 5; Hüffer10 10, 15; Geßler/Geßler 50; v Godin/Wilhelmi4 2; Dierdorf Herrschaft, S 110 f; Glaser Grenzen, S 208 ff; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 103 ff; Spindler/Stilz/Veil 2 24; Exner Beherrschungsvertrag, S 110 ff; Grobecker DStR 2002, 1953, 1954 f; wohl auch Emmerich/ Habersack6 20 f. S Geßler/Geßler 50; Heidel/Peres3 40. KK/Koppensteiner3 45. AA Däubler NZG 2005, 617, 618 f; Koppensteiner in: FS Canaris II, S 209, 212 ff; dagegen zu Recht auch Emmerich/Habersack6 21; Emmerich/Habersack9 § 11, 17. MünchKommAktG/Altmeppen3 105; ähnlich Spindler/Stilz/Veil 2 24.

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§ 291

abhängig gemacht, nicht von der – gegebenenfalls isolierten – Geltung der §§ 300 ff, 304 f. Damit erledigt sich zugleich das weitere Argument, dass es genüge, wenn die Einheitlichkeit der Leitung für die nicht vom Weisungsrecht betroffenen Betriebe von den Vertragsparteien einvernehmlich hergestellt werde.264 Nach der Konzeption des Gesetzes erfordert die Einheitlichkeit der Leitung gerade mehr als eine konsensuale Koordination (Rdn 68). Ein interessenbeschränkter Teilbeherrschungsvertrag liegt vor, wenn der andere Ver- 99 tragsteil das Weisungsrecht ausschließlich im Gesellschaftsinteresse der verpflichteten Gesellschaft und nicht zumindest auch in seinem eigenen Interesse bzw dem Interesse ihm verbundener Unternehmen ausüben darf. Bei einer solchen Einschränkung des Weisungsrechts handelt es sich nicht mehr um eine (zulässige) Leitungsunterstellung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1.265 Diese setzt nämlich voraus, dass der andere Vertragsteil aufgrund der Leitungsunterstellung die verpflichtete Gesellschaft einheitlich leiten könnte (Rdn 68), und hieran fehlt es, wenn er sich bei Ausübung des ihm zukommenden Weisungsrechts ausschließlich am Interesse der verpflichteten Gesellschaft zu orientieren hat.266 4. Mehrheit von Vertragsparteien Die vertragliche Leitungsunterstellung einer Gesellschaft gegenüber mehreren Ver- 100 tragspartnern tritt in zwei Grundformen auf: Mehrere Parteien sind im Rahmen eines einzigen Beherrschungsvertrags auf Seiten des anderen Vertragsteils beteiligt (Mehrmütterschaft) oder mehrere Parteien schließen jeweils einen gesonderten Beherrschungsvertrag mit der Gesellschaft (Mehrheit von Beherrschungsverträgen). Zudem lassen sich die beiden Gestaltungen auch kombinieren. In der Praxis tritt die erste Grundform vor allem auf, wenn die mehreren Vertragspartner auf gleicher Stufe stehen, insbesondere im Falle der Mehrmütterschaft; die zweite Grundform vor allem dann, wenn es sich bei den mehreren anderen Vertragsteilen um ihrerseits hierarchisch geordnete Kontrahenten handelt, insbesondere um auf unterschiedlichen Stufen stehende verbundene Unternehmen im mehrstufigen Konzern. a) Personenmehrheit als anderer Vertragsteil (Mehrmütterschaft). Der Abschluss 101 eines Beherrschungsvertrags mit mehreren (meist) voneinander unabhängigen267 Unternehmen auf der Seite des anderen Vertragsteils hat aufgrund der im Körperschafts- und Gewerbesteuerrecht erst im Jahre 2001 abgeschafften Figur der steuerlichen Mehrmütterorganschaft (Rdn 16) eine lange Tradition. Die infolge steuerrechtlicher Vorgaben zwischengeschaltete GbR trat in der Praxis zumeist ebenfalls als Kontrahentin des Beherrschungsvertrags auf, da die Finanzverwaltung die Anerkennung der Organschaft seit jeher davon abhängig machte, dass (auch) die GbR Vertragspartnerin des mit dem Beherrschungsvertrag einher gehenden Gewinnabführungsvertrags war (Rdn 16). Für die Gestaltungspraxis dürfte diese Konstruktion jedoch mittlerweile kaum mehr von Interesse sein.268

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Zu diesem Argument MünchKommAktG/ Altmeppen3 103. Ähnlich Emmerich/Habersack6 21; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 78. Hirte in diesem Kommentar, § 308, 29 ff. Diese Konstellation als Regelfall ansehend MünchKommAktG/Altmeppen3 109.

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K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 35; MünchKommAktG/Altmeppen3 109 mit Fn 181; Spindler/Stilz/Veil 2 31; Raupach/ Burgwitz DStR 2003, 1901, 1904 ff; Dötsch Der Konzern 2003, 21, 25 f.

Peter O. Mülbert

§ 291 102

Erster Teil. Unternehmensverträge

Eine Mehrheit von Vertragspartnern als anderer Vertragsteil ist im Grundsatz zulässig.269 Das gilt sowohl für den Fall der ursprünglichen Personenmehrheit, wenn also mehrere Parteien als Vertragschließende auf Seiten des anderen Vertragsteils auftreten, als auch für den Fall eines späteren Vertragsbeitritts (§ 295, 20) auf Seiten des anderen Vertragsteils. Dabei genügt es, wenn zumindest eine der Parteien sich als übergeordnetes Unternehmen iS der §§ 291 Abs 1, 15 17 Abs 1 qualifiziert; bei der bzw den weiteren Parteien kann die Unternehmenseigenschaft fehlen (Rdn 53).

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b) Zwischenschaltung einer GbR/vermögensverwaltenden OHG (mittelbare Mehrmütterschaft). Bei der Zwischenschaltung einer GbR oder einer vermögensverwaltenden OHG iS des § 105 Abs 2 HGB muss auf Seiten des anderen Vertragsteils daneben270 zumindest auch eine sich als übergeordnetes Unternehmen (Rdn 46) qualifizierende Muttergesellschaft als Vertragspartner beteiligt sein, da der als Holding konzipierten GbR bzw OHG, welche keine weiteren unternehmerischen Interessen verfolgt, die Unternehmenseigenschaft iS der §§ 291 Abs 1, 15 17 Abs 1 fehlt (schon Rdn 54). Der Abschluss auch durch alle anderen Mütter mag praktisch sinnvoll sein und wird der kautelarjuristischen Praxis allseits empfohlen,271 ist aber nach den Überlegungen in Rdn 53 entgegen der wohl hM272 nicht zwingend geboten.273 Zur Notwendigkeit, je nach Vertragsgestaltung (auch) die Muttergesellschaft(en) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und entsprechend einzutragen s § 294, 21, 48. Dem Erfordernis der Beteiligung zumindest auch einer Muttergesellschaft mit Unter104 nehmenseigenschaft genügt ein alleiniges Auftreten der zwischengeschalteten GbR als Vertragspartnerin nicht. Aus dem Zusammenspiel der traditionellen Gesamthandslehre und der körperschaftssteuerlichen Mehrmütterorganschaft bei Einführung des § 291 folgt nichts Gegenteiliges (schon Rdn 53). Überholt ist auch die zum gegenteiligen Ergebnis führende jüngere Begründung, dass die geschäftsführenden Gesellschafter bei der Eingehung vertraglicher Verbindlichkeiten auf Grundlage von § 714 BGB nicht nur im Namen der GbR, sondern stets auch im Namen sämtlicher (Mit-)Gesellschafter handeln würden (Doppelverpflichtungstheorie274 in Ablösung der traditionellen Gesamthandslehre),275 nachdem der BGH die Rechtsfähigkeit der GbR anerkannt hat.276 Eine auf den Abschluss eines Unternehmensvertrages gerichtete Bevollmächtigung der (Geschäftsführer der) GbR durch deren Muttergesellschaften lässt sich seither allenfalls beim Vor-

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MünchKommAktG/Altmeppen3 106 ff; Emmerich/Habersack6 56; KK/Koppensteiner3 58; Hölters/Deilmann 41; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 35. AA – GbR/OHG kann überhaupt nicht Vertragspartner sein – Hüffer10 16; wohl auch Hölters/Deilmann 41. ZB MünchVertragsHdbGesR/HoffmannBecking7 Form X.6 (S 1531 ff); Luther/ Happ FormKomm Bd II, 2.107, S 87; auch MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 11. Hüffer10 16; Hölters/Deilmann 41; Geßler/ Geßler 57; Gansweid Tochtergesellschaften, S 134; aA – GbR kann alleiniger Vertragspartner sein – KK/Koppensteiner3 58; MünchKommAktG/Altmeppen2 111; Heidel/Peres3 32; Henssler/Strohn/Paschos 21.

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So auch KK/Koppensteiner3 62. Dazu etwa K Schmidt GesR4, § 60 III 3 (S 1799 ff); MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer5 § 714, 58 f; MünchHdBGesR/ Gummert3 § 18, 5 ff mwN; Mülbert AcP 199 (1999), 38, 68 ff. Ähnlich Heidel/Peres3 32 („teils überholt, teils unzutreffend“); krit auch KK/Koppensteiner3 58 ff; aA Hüffer10 16; Geßler/ Geßler 57; vgl K Schmidt Betrieb 1984, 1181, 1181 f. BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483; 146, 341 = NJW 2001, 1056; s auch K Schmidt GesR4, § 60 III 2 (S 1790 ff); Henssler/ Strohn/Servatius § 714 BGB, 10 ff.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

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liegen einzelfallbezogener Anhaltspunkte unterstellen,277 andernfalls die Annahme einer Bevollmächtigung zur bloßen Fiktion geriete;278 in einem solchen Einzelfall scheitert die Bevollmächtigung wegen § 167 Abs 2 BGB dann zumindest nicht am Schriftformerfordernis des § 293 Abs 3. Im Übrigen ist bei der jeweiligen Muttergesellschaft ein von deren Organisationsrecht vorgeschriebener außenwirksamer Zustimmungsbeschluss erforderlich, bei einer AG oder KGaA also ein Beschluss nach § 293 Abs 2. Bei Beherrschungsverträgen, die vor der höchstrichterlichen Aufgabe der Doppelver- 105 pflichtungstheorie mit der zwischengeschalteten GbR geschlossen wurden, ohne dass diese Gesellschaft die mehreren Muttergesellschaften ausdrücklich vertreten hätte, erfordert der tiefgreifende Wandel in der höchstrichterlichen Beurteilung der GbR einen gewissen Bestandsschutz. Solche (Alt-)Verträge sind kraft einer stillschweigenden Bevollmächtigung zugleich als mit den jeweiligen Muttergesellschaften abgeschlossen anzusehen. Für die Wirksamkeit des Beherrschungsvertrags in diesem Verhältnis ist allerdings erforderlich, dass zudem der bei Muttergesellschaften in der Rechtsform der AG/KGaA nach § 293 Abs 2 erforderliche außenwirksame Zustimmungsbeschluss vorliegt; dessen Fehlen wird durch die Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags nicht überspielt (§ 293, 153). c) Mehrere parallele Beherrschungsverträge. Eine Gesellschaft kann sich auch durch 106 den Abschluss mehrerer isolierter Beherrschungsverträge gegenüber mehreren herrschenden Unternehmen parallel verpflichten. Bei einer solchen Gestaltung wird es sich regelmäßig um einen lediglich rechtstechnisch besonderen Unterfall der Mehrmütterschaft (Rdn 101) handeln, indem statt eines einzigen Unternehmensvertrags mit mehreren voneinander unabhängigen Parteien auf Seiten des herrschenden Vertragsteils eine Vielzahl isolierter Vertragsbeziehungen begründet werden. Angesichts der funktionalen Vergleichbarkeit fällt die rechtliche Beurteilung in beiden Fällen übereinstimmend aus. Zum insoweit gegebenen Koordinationsbedarf sogleich Rdn 108. Stehen die mehreren herrschenden Unternehmen ihrerseits in einem Abhängigkeits- 107 verhältnis zueinander, etwa wenn eine Enkelgesellschaft als Herrschaftsobjekt in isolierte unternehmensvertragliche Beziehungen sowohl zur Mutter- als auch zu einer Tochtergesellschaft tritt, geht es um Beherrschungsverträge in mehrstufigen Unternehmensverbindungen. Dazu näher Rdn 110 ff. d) Leitungskoordination keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Im Falle der vertraglichen 108 Leitungsunterstellung gegenüber mehreren Vertragsparteien ist die vertragliche Koordination der mehrfachen Leitungsausübung zwar sinnvoll und praktisch erforderlich (Rdn 109), bildet entgegen der hM aber keine – ungeschriebene – Wirksamkeitsvoraussetzung.279 Das gilt sowohl bei der Beteiligung mehrerer Parteien als anderem Vertrags277

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Sehr viel großzügiger (der Sache nach im Sinne der Doppelverpflichtungstheorie) noch Gansweid Tochtergesellschaften, S 134. Ähnlich krit schon KK/Koppensteiner2 41. Näher MünchKommAktG/Altmeppen3 109 f iVm 107 f; wohl auch Hüffer10 15; Heidel/Peres3 32, 56; aA LG Frankfurt Betrieb 1990, 624; Koppensteiner ZHR 131 (1968), 289, 297; KK/Koppensteiner3 57; Spindler/Stilz/Veil 2 30; Hölters/Deilmann 36; Ebenroth/Parche BB 1989, 637, 640;

Geßler/Geßler 54; Haesen Abhängigkeitsbericht, S 60 f; Rehbinder ZGR 1977, 581, 626; Klinkhammer Mitbestimmung, S 54; ähnlich Emmerich/Habersack6 38 aE; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 10; W F Bayer in: FS Ballerstedt 1975, S 157, 163 f; Kronstein BB 1967, 637, 644; Mestmäcker Gemeinschaftsunternehmen, S 25 f; Gansweid Tochtergesellschaften, S 75 ff; noch anders – der Abschluss von Unternehmensverträgen mit mehreren herrschenden Unternehmen ist ungeachtet einer vertrag-

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

teil an einem Beherrschungsvertrag (Rdn 101 ff) als auch beim Abschluss mehrerer Beherrschungsverträge durch ein Unternehmen mit nachgeordneten Gesellschaften auf unterschiedlichen Stufen (Rdn 110). Die Qualifikation als Beherrschungsvertrag erfordert zwar, dass ein Unternehmensver109 trag die Möglichkeit der Ausübung einheitlicher Leitung vermittelt (Rdn 68). Eine entsprechende Leitungsunterstellung wird aber nicht dadurch beeinträchtigt, dass einem anderen Unternehmen ebenfalls ein unkoordiniertes eigenes Weisungsrecht zukommt.280 Denn die Wirksamkeit einer Weisung und die Möglichkeit ihrer zwangsweisen Durchsetzung werden rechtlich selbst dann nicht angetastet, wenn das andere Unternehmen abweichende oder gar gegenläufige Weisungen erteilt. Im Übrigen kann es nicht Aufgabe des Registerrichters sein zu überprüfen, ob die Parteien durch Vertragsklauseln oder anderweitig eine klare Koordination etwa der Weisungsbefugnisse sinnvoll geregelt haben.281 Richtig ist lediglich, dass eine Gesellschaft permanenten Vertragsbruch beginge, folgte sie stets den jeweiligen unkoordinierten Weisungen mehrerer Vertragspartner.282 Um einen Beherrschungsvertrag mit mehreren Unternehmen oder mehrere parallele Beherrschungsverträge vollzugstauglich zu gestalten, muss die Unterstellung der Leitung zwischen den Kontrahenten folglich koordiniert werden.283 Dies wird in der Praxis auch stets der Fall sein.284 5. Beherrschungsverträge in mehrstufigen Unternehmensverbindungen

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Mehrstufig verbundene Unternehmen, also ein Unternehmensverbund mit mehr als nur einer Hierarchiestufe, sind eine in der Konzernrechtspraxis besonders häufige Erscheinungsform.285 Neben Besonderheiten der Genese des jeweiligen Konzernverbunds286 motiviert zuvörderst der Ausschluss der §§ 311 ff im Verhältnis zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft, also etwa die Vermeidung des oftmals als lästig empfundenen Abhängigkeitsberichts nach § 312, den Abschluss eines Beherrschungsvertrags über eine Hierarchiestufe hinweg.287 Auch kann dann die Mutter- der Enkelgesellschaft direkt Weisungen erteilen, was bei einer Kette von Beherrschungsverträgen zwischen Mutterund Tochter- sowie Tochter- und Enkelgesellschaft zweifelhaft ist.288

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lichen Koordination der Leitungsbefugnisse unzulässig – Pentz Enkel-AG, S 172 ff. AA KK/Koppensteiner3 57; Koppensteiner ZHR 131 (1968), 289, 297; Mestmäcker Gemeinschaftsunternehmen, S 25 f; Gansweid Tochtergesellschaften, S 75 ff; wohl auch MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 75. MünchKommAktG/Altmeppen3 108, 110 im Anschluss an Exner Beherrschungsvertrag, S 282; aA KK/Koppensteiner3 57 aE mit dem zusätzlichen Hinweis, der Vorstand könne seiner Informationspflicht gegenüber den Aktionären nicht nachkommen, wenn er bei einer Mehrheit herrschender Unternehmen offenließe, ob und wie für eine Koordination von Weisungszuständigkeiten gesorgt sei; entsprechend müsse auch der Registerrichter informiert werden. MünchKommAktG/Altmeppen3 107 aE; insoweit zutreffend auch Pentz Enkel-AG, S 171. MünchKommAktG/Altmeppen3 107 f; Hüf-

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fer10 15; aA nur Pentz Enkel-AG, S 172 ff, der den Abschluss mehrerer Beherrschungsverträge mit einer unterworfenen Gesellschaft ungeachtet einer vertraglichen Koordination der jeweiligen Leitungsbefugnisse als unzulässig ansieht. MünchKommAktG/Altmeppen3 108 aE; KK/Koppensteiner3 57. MünchKommAktG/Altmeppen3 107; Emmerich/Habersack6 38; KK/Koppensteiner3 65; Görling AG 1993, 538, 538 ff. Dazu umfassend W F Bayer in: FS Ballerstedt 1975, S 157, 158; Rehbinder ZGR 1977, 581, 583 mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 107; KK/Koppensteiner3 67; MünchHdbAG/ Krieger3 § 70, 10; Kronstein BB 1967, 637, 640. Hüffer10 15; KK/Koppensteiner3 66; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 10; s auch Hirte in diesem Kommentar, § 308, 24.

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Bereits bei Zweistufigkeit ergeben sich mehrfache beherrschungsvertragliche Gestal- 111 tungsmöglichkeiten: So kann die Muttergesellschaft sowohl mit der Tochter- als auch der Enkelgesellschaft Beherrschungsverträge abschließen; es ist aber auch denkbar, dass ein Beherrschungsvertrag allein zwischen der Tochter- und der Enkelgesellschaft oder ausschließlich zwischen der Mutter- und der Tochter- oder der Enkelgesellschaft abgeschlossen wird.289 Schon aus dieser kombinatorischen Vielfalt erklärt sich, dass die konzernrechtlichen Regelungen des AktG grundsätzlich von einstufigen Unternehmensverbindungen ausgehen;290 andernfalls geriete das Regelwerk aufgrund des ausufernden Regelungsbedarfs hochkomplex und bliebe gleichwohl unvermeidlich lückenhaft. Andererseits lassen sich die §§ 291 ff mitsamt dem Instrumentarium des allgemeinen Gesellschaftsund Konzernrechts den Besonderheiten mehrstufiger Unternehmensverbindungen anpassen291 und sachgerechte Lösungen anhand der zu den zweistufigen Unternehmensverbindungen entwickelten Regeln finden.292 Der soeben geschilderte Anpassungsbedarf stellt das Vertragskonzernrecht in nahezu 112 all seinen Regelungsbereichen vor besondere Herausforderungen. An dieser Stelle seien lediglich die Problemfelder mehrstufiger Beherrschungsverträge summarisch genannt: Die Zulässigkeit mehrstufiger Unternehmensverbindungen im Allgemeinen wird für 113 das positive Recht durch die §§ 16 Abs 4, 305 Abs 2 Nr 2, 320b Abs 1 Satz 2 vorgegeben.293 Ob mehrere hintereinander geschaltete Beherrschungsverträge und stufenübergreifende Beherrschungsverträge zulässig sind, ist diesen Spezialregelungen jedoch nicht explizit zu entnehmen. Gleichwohl werden hintereinander geschaltete Beherrschungsverträge allgemein akzeptiert.294 Auch die Existenz nur eines Beherrschungsvertrages in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, und sei es zwischen Mutter- und Tochteroder Tochter- und Enkelgesellschaft, begegnet keinen Bedenken.295 Die Kombination zweier Beherrschungsverträge dergestalt, dass Mutter- und Enkelgesellschaft einerseits sowie Tochter- und Enkelgesellschaft andererseits beherrschungsvertraglich verbunden sind, bedarf nicht notwendig eines weiteren Vertrags zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft.296 Es empfehlen sich dann jedoch Kollisionsklauseln in den Beherrschungsverträgen, die divergierende Weisungen der herrschenden Unternehmen für die abhängige

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S BayObLGZ 1992, 367, 371 f = WM 1993, 550= AG 1993, 177, 178; LG Frankfurt AG 1999, 238, 239; Emmerich/Habersack6 38; KK/Koppensteiner3 66 f; vgl auch MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 10. MünchKommAktG/Altmeppen3 107; Emmerich/Habersack6 40; Emmerich/ Habersack9 § 11, 39; KK/Koppensteiner3 65; Spindler/Stilz/Veil 2 30; W F Bayer in: FS Ballerstedt 1975, S 157, 158; Rehbinder ZGR 1977, 581, 583 mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 107, 134; Emmerich/Habersack6 40 aE; Emmerich/ Habersack9 § 11, 38 f; Sonnenschein BB 1975, 1088, 1089; Paschke AG 1988, 196, 200 ff; umfassend Pentz Enkel-AG, passim; Wanner Konzernrechtliche Probleme, passim. Gleichsinnig KK/Koppensteiner3 69. KG AG 2009, 30, 32; s auch MünchKomm-

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AktG/Altmeppen3 134; Emmerich/Habersack6 40. Seit jeher unstr; s etwa BayObLGZ 1992, 367, 371 f = WM 1993, 550 = AG 1993, 177, 178; Geßler/Kropff § 311, 191; Rehbinder ZGR 1977, 581, 601 f; W F Bayer in: FS Ballerstedt 1975, S 157, 163 f; Kronstein BB 1967, 637, 643 f; dazu KK/Koppensteiner3 66; vgl auch Emmerich/Habersack6 39. LG Frankfurt AG 1999, 238, 239; Emmerich/Habersack6 38 f; KK/Koppensteiner3 67; Rehbinder ZGR 1977, 581, 618 mwN. Emmerich/Habersack9 § 11, 38; Kronstein BB 1967, 637, 644; wohl auch KK/Koppensteiner3 67; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 10; aA Geßler/Geßler 55; vgl auch Geßler/ Kropff § 311, 190.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

Gesellschaft möglichst eindeutig priorisieren, auch wenn es sich hierbei nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handelt.297 Näher zum Koordinationserfordernis Rdn 108 f. Für das Zustandekommen der jeweiligen Beherrschungsverträge kann bei hinterein114 ander geschalteten Verträgen im Hinblick auf die Zustimmungspflicht der Obergesellschaft nach § 293 Abs 2 bedeutsam sein, ob ein Konzernaufbau von oben nach unten oder umgekehrt erfolgt. Näher zum Ganzen § 293, 185 ff. Die Rechtsfolgen im Falle mehrstufiger Beherrschungsverträge bergen gewisse Sonder115 probleme. Dabei geht es vor allem um die eine oder mehrere Hierarchiestufen übergehende Anwendung bzw Bedeutung von Weisungsrechten (§ 308)298 und um die Haftungsfolgen – §§ 302 f299 oder §§ 311 ff300 –, insbesondere mit Blick auf den Inhalt der Kompensationsansprüche nach den §§ 304 f.301 6. Atypische Beherrschungsverträge

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Parteivereinbarungen können auch dann den strengen Anforderungen des Unternehmensvertragsrechts zu unterstellen sein, wenn den Parteien ein entsprechender Rechtsfolgenwille fehlt oder ein solcher jedenfalls nicht feststellbar ist302 oder wenn die Parteien diese Rechtsfolge gar bewusst vermeiden wollten. Unter den Stichworten des atypischen, verdeckten oder auch verschleierten Beherrschungsvertrags geht es um die Anforderungen, unter denen ein vordergründig keinen Beherrschungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 bildendes Vertragswerk gleichwohl als ein solcher zu behandeln ist. Die eingebürgerte Begrifflichkeit ist damit eher assoziativ. Dem sog atypischen 117 Beherrschungsvertrag muss der Sache nach ein Minimum an Wesenstypischem eines gesetzestypischen Beherrschungsvertrags zukommen,303 da es doch gerade um die Zuordnung einer Vereinbarung zu einem bestimmten Vertragstypus geht. Die Begriffe des verdeckten oder verschleierten Beherrschungsvertrags legen ein Umgehungsproblem nahe.304 Das ist jedenfalls zu eng, weil sich das Qualifikationsproblem (auch) ganz unabhängig von den Parteiabsichten stellt bzw stellen kann, und zudem im Grundsätzlichen zweifelhaft, weil eine Umgehungsabsicht der Parteien bei der zur Erfassung des Vertragswerks gebotenen materiellen Betrachtung (Rdn 74) keine Rolle spielen kann. Insgesamt erscheint damit der Begriff des atypischen Beherrschungsvertrags vorzugswürdig.

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AA KK/Koppensteiner3 67; Rehbinder ZGR 1977, 581, 626; Haesen Abhängigkeitsbericht, S 60 f. Dazu Hirte in diesem Kommentar, § 308, 24. Dazu Hirte in diesem Kommentar, § 302, 67, § 303, 25. Bei einer durchgehenden Kette von Unternehmensverträgen verbleibt kein Raum für die Anwendung der §§ 311–318; OLG Frankfurt WM 2000, 1402 = AG 2001, 53 = NZG 2000, 790; LG Frankfurt AG 1999, 238, 239; Emmerich/Habersack6 39 iVm § 311, 18; differenzierend Cahn BB 2000, 1477, 1480 ff. – Ob bei einem stufenübergreifenden Beherrschungsvertrag die jeweils nicht beherrschungsvertraglich verknüpften Beziehungen den §§ 311–318 unterliegen, ist

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im Einzelnen umstritten; näher zum Streitstand statt vieler Emmerich/Habersack6 39 iVm § 311, 17 ff mwN. S dazu Hirte/Hasselbach in diesem Kommentar, § 304, 115 ff, § 305, 244 ff; ferner Rehbinder ZGR 1977, 581, 602 ff; W F Bayer in: FS Ballerstedt 1975, S 157, 169; Pentz Enkel-AG, S 53 ff, 93 ff. S OLG Schleswig WM 2008, 2253, 2256 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 753; KG AG 2001, 186 = NZG 2000, 1132, 1133; LG München I ZIP 2008, 555, 561; Emmerich/Habersack6 24c f; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 29 mwN. Ebenso krit MünchKommAktG/Altmeppen3 41; Hüffer10 14. Schürnbrand ZHR 169 (2005) 35, 36.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Als Fallkonstellationen etwaiger atypischer Beherrschungsverträge werden seit länge- 118 rem insbesondere Just-in-Time-Lieferverträge,305 Franchise-Verträge, Kreditverträge vor allem in Sanierungssituationen, die mit weitgehenden Zustimmungs- bzw Vetorechten gegenüber der verpflichteten Gesellschaft verbunden sind (Covenants), aber auch atypische stille Beteiligungen306 diskutiert.307 In jüngerer Zeit sind zudem solche Business Combination Agreements (BCAs) auch ins Blickfeld der Rechtsprechung geraten,308 die auf die Schaffung einer Konzernstruktur zwischen zwei voneinander noch unabhängigen Unternehmen abzielen, indem sie die rechtstechnische Umsetzung eines Unternehmenszusammenschlusses vorzeichnen und der künftigen Obergesellschaft bereits Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand sowie Zustimmungsbzw Vetorechten bei bestimmten Geschäften vertraglich einräumen.309 In diesen Sachzusammenhang gehören ferner sog Investorenvereinbarungen,310 also vertragliche Abreden des Vorstands der Gesellschaft mit einem (künftigen) Mehrheitsaktionär anlässlich eines Beteiligungserwerbs im Hinblick auf eine konsensuale Verfolgung der strategischen Unternehmensziele der Gesellschaft.311 Dem Investor werden hierbei regelmäßig bestimmte Einflussmöglichkeiten – insbesondere im Hinblick auf die Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand – zugebilligt, die ihn in die Lage versetzen, auf die Geschicke der Gesellschaft lenkend einzuwirken. a) Notwendigkeit der Qualifikation. Mit Blick auf das Regelungsregime des Beherr- 119 schungsvertrags – und ebenso liegt es bei den übrigen Unternehmensverträgen der §§ 291, 292 – ist die Qualifikation eines konkreten Vertrages von besonderer Bedeutung, weil die §§ 291, 292 einen abschließenden Enumerativkatalog von Vertragstypen festschreiben, bei denen eines der beiden Regelungsregimes zwingend eingreift. Dieser doppelte numerus clausus der Unternehmensvertragstypen (Vorbem 7 ff zu §§ 291 ff) gebietet eine klare Abgrenzung der Unternehmensverträge, verbietet eine analoge Anwendung des Unternehmensvertragsrechts auf nicht in den §§ 291, 292 genannte Verträge und versperrt damit den andernfalls eröffneten Ausweg, mit einer „jedenfalls analogen Anwendung“ eines Unternehmensvertragsregimes das Qualifikationsproblem zu vermeiden.312 b) Kriterien. Für die Qualifikation einer Vereinbarung ist der wahre Vertragsinhalt in 120 materieller Betrachtungsweise nach objektiven Kriterien zu ermitteln, nicht nach den allgemeinen Auslegungsmaximen der §§ 133, 157 (Rdn 74). Umfasst dieser eine Leitungsunterstellung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 (Rdn 58 ff), ist die Vereinbarung als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren, einerlei ob die Parteien dies wollten oder jedenfalls in 305 306

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Oechsler ZGR 1997, 464, 473 ff. Schulze-Osterloh, ZGR 1974, 427, 447 f, 451 f, 456 f; K Schmidt ZGR 1984, 295, 297 ff; Bachmann/Veil ZIP 1999, 348, 352 f; Priester in: FS Raiser 2005, 293, 306 ff. S hierzu Emmerich in: FS Hüffer 2010, S 179, 180; Dette Beherrschungsverträge, S 34 ff; Schürnbrand ZHR 169 (2005) 35, 37 mwN. OLG München WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753; OLG Schleswig WM 2008, 2253 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868; LG München I ZIP 2008, 555; LG Nürnberg-Fürth AG 2010, 179. Zum typischen Inhalt von BCAs s Decher in: FS Hüffer 2010, S 145, 147 f.

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Zur Abgrenzung gegenüber einem BCA s Seibt/Wunsch Der Konzern 2009, 195, 196. Kiem AG 2009, 301, 302 f. Demgegenüber können Vereinbarungen im Aktionärskreis, etwa zur Koordination der Stimmrechtsausübung, mangels Beteiligung der Gesellschaft von vornherein nicht als atypischer Beherrschungsvertrag zu qualifizieren sein; s Schürnbrand ZHR 169 (2005) 35, 46; zu dreiseitigen, auch die Gesellschaft verpflichtenden Verträgen s Maidl/Kreisfels NZG 2003, 1091. Zu divergierenden methodischen Ansätzen Schürnbrand ZHR 169 (2005) 35, 38 f.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

Betracht zogen oder ob die vertragliche Gestaltung für einen solchen Vertrag untypisch ist, etwa weil eine ganz andere Bezeichnung der Vertragsart gewählt wurde. Mit Blick auf die kautelarjuristische Wirklichkeit wird der Begriff der Leitungs121 unterstellung mit seinen beiden Elementen – Leitung der Gesellschaft und Unterstellung unter die Herrschaft eines anderen Unternehmens – oftmals mangels hinreichender Konturierung als unbefriedigend empfunden313 und zusätzliche Kriterien für eine trennschärfere Abgrenzung des Beherrschungsvertrags erwogen. Diese sind insbesondere für die Binnenabgrenzung von den betriebsführungsbezogenen (anderen) Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 Nr 3 vonnöten, um den Vertragsgestaltern nicht notgedrungen zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit die Verbindung dieser Verträge mit Organschaftsverträgen (alter Prägung, Rdn 57) empfehlen zu müssen.314 Ein Beherrschungsvertrag kann, so die zentrale Weichenstellung, auch anzunehmen 122 sein, ohne dass dem anderen Vertragsteil ein Befolgungsanspruch mit einem konkretisierenden Weisungsrecht eingeräumt würde, kraft dessen er dem Vorstand der Gesellschaft (indirekt) verbindliche Weisungen erteilen kann.315 Dass das Weisungsrecht ein unverzichtbares Merkmal des Beherrschungsvertrags sei, geht als Einwand hiergegen schon aus Gründen der Logik jedenfalls dann fehl, wenn man dieses Weisungsrecht seinerseits zur gesetzlichen Folge des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags erklärt (s auch Rdn 64).316 Umgekehrt folgt die Entbehrlichkeit des Weisungsrechts zwar nicht schon daraus, dass bei einer gegenteiligen, engen Fassung des Begriffs des Beherrschungsvertrags der Abschluss eines Vertrags unmöglich wäre, der dem Partner der Gesellschaft die Verfügung über deren Unternehmen entsprechend einem Beherrschungsvertrag, aber auf atypische Weise, sichern würde.317 Denn ein solcher Vertrag wäre grundsätzlich zulässig; Grenzen zögen ihm allenfalls die §§ 76, 311 ff und § 138 BGB.318 Entscheidend ist vielmehr, dass dem Begriffsmerkmal der (Leitungs-)Unterstellung nach dem legislatorischen Leitbild des Beherrschungsvertrags zwar die Einräumung eines den Vorstand bindenden Weisungsrechts gemäß § 308 entspricht (Rdn 64). Jedoch handelt es sich hierbei um einen bloßen Typusbegriff (Vorbem 3 zu §§ 291 ff), der atypische Vertragsgestaltungen nicht generell ausschließt. Daher kann eine Leitungsunterstellung auch bei andersartigen schuldvertraglichen Gestaltungen und Führungsstrukturen vorliegen, wenn hierdurch nicht minder eine Verschiebung des Kompetenzgefüges zugunsten des anderen Vertragsteils im Sinne der Herstellung eines vertraglichen Unterordnungskonzerns ins Werk gesetzt wird.319 Verbleibende Unklarheiten lassen sich durch einen weiteren negativen Typenvergleich 123 mit einem verwandten Typus erhellen; für den Beherrschungsvertrag anhand des Pacht313

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S etwa Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 13: Gesetz vermittelt nur eine „sehr grobrastige Vorstellung“. Hierzu ratend MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 38. KK/Koppensteiner3 25 f; ähnlich U H Schneider ZGR 1980, 511, 516; Hirte/Schall Der Konzern 2006, 243, 245; MünchKommAktG/Altmeppen3 97 f; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 251 ff aA OLG München AG 2012, 802, 803; Hüffer10 11; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 33; Emmerich/Habersack6 22 f; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 6; Heidel/

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Peres3 52; Hölters/Deilmann 31; Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, S 103, 120 f; vgl ferner BGH WM 1979, 937, 940 f = AG 1980, 47. S nur Hüffer10 11. So KK/Koppensteiner3 26. S Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 277; Luchterhandt Konzernrecht, S 166 ff; s auch KK/Koppensteiner3 17 aE. So oder ähnlich KK/Koppensteiner3 26; U H Schneider ZGR 1980, 511, 516; Dierdorf Herrschaft, S 124 f; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 55 f; krit Veelken Betriebsführungsvertrag, S 200 ff.

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vertrags nach §§ 581 ff BGB.320 Der Verpächter überlässt dem Pächter erheblich mehr als nur den Gebrauch des Pachtgegenstands, hier also der Unternehmung, und begibt sich wesentlicher darauf bezogener Kompetenzen. Trotz dieser Nähe zum Beherrschungsvertrag ist die Unternehmenspacht eindeutig als von der beherrschungsvertraglichen Leitungsunterstellung verschieden zu begreifen. Diese Wertung reflektiert nicht zuletzt die Kodifizierung des aktienrechtlichen Betriebspachtvertrags bei den anderen Unternehmensverträgen in § 292 Abs 1 Nr 3 Alt 1. Schichtet man vorweg die nicht weiterführenden Abgrenzungskriterien ab, so erweist 124 es sich zunächst als belanglos, ob zwischen den Parteien eine Abhängigkeitslage besteht.321 Zum einen kann die Qualifizierung des Vertrags nur durch Auslegung dessen Inhalts, nicht aber anhand der Gesamtumstände außerhalb der vertraglichen Regelung erfolgen.322 Zum anderen tragen bereits die §§ 311 ff der Gefährdungslage Rechnung, die sich aus einer Abhängigkeit der Aktiengesellschaft von einem herrschenden Unternehmen ergibt.323 Gleichsinnig belegt auch § 302 Abs 2, der von möglichen Abhängigkeitslagen in betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträgen (§ 292 Abs 1 Nr 3) ausgeht, dass das Gesetz die Abhängigkeit vertragstypusneutral sieht.324 Schließlich wäre es auch sonderbar, hinge die Zuordnung eines Vertrags als Beherrschungsvertrag etwa davon ab, ob der andere Vertragsteil Mehrheitsaktionär ist oder nicht (vgl § 17 Abs 2).325 Ebenfalls unerheblich ist, ob der Aktiengesellschaft ein Restbereich eigener Unterneh- 125 menspolitik verbleibt.326 Gerade der Vergleichsfall der Unternehmenspacht zeigt, dass der Verpächter typischerweise nur noch mit dem Pachtzins nach seinem Gutdünken verfahren kann; eigene Unternehmenspolitik im engeren Sinne verbleibt also auch ihm keineswegs.327 Ebenso wenig kann es darauf ankommen, ob die Ausübung von Beteiligungsrechten auf den anderen Vertragsteil mitübertragen wurde, selbst wenn es sich um unternehmerische Beteiligungen handelt.328 Kein Indiz für vertragliche Beherrschung ist

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So oder ähnlich KK/Koppensteiner3 31; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 142; Dierdorf Herrschaft, S 120 ff; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 261; Luchterhandt Konzernrecht, S 168 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 137; KK/Koppensteiner3 27; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 39, 54. OLG München Betrieb 2009, 168, 169; KK/Koppensteiner3 27; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 39, 54; Hölters/Deilmann 69; Emmerich/Habersack9 § 15, 26; ähnlich Rittner AcP 183, 295, 303; aA Veelken Betriebsführungsvertrag, S 261 („Maßgeblich ist … eine umfassende Würdigung aller für die Verkehrsauffassung maßgeblichen Umstände“); vgl auch Oesterreich Betriebsüberlassung, S 147 f. KK/Koppensteiner3 27; Dierdorf Herrschaft, S 112. Ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 137 aE; KK/Koppensteiner3 36; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 39, 54. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 137. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 136;

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krit auch Oesterreich Betriebsüberlassung, S 142 Fn 54; wohl auch Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 18 ff, 23; aA – der Gesellschaft muss ein vertraglich nicht eigener Entscheidungsbereich verbleiben – KK/Koppensteiner3 31; tendenziell auch BGH WM 1982, 394, 397; Löffler NJW 1983, 2920, 2922; ähnlich – beim Betriebspachtvertrag muss Verpächter eine pachtfreie Unternehmenssphäre verbleiben – Emmerich/Habersack6 § 292, 60 f; Emmerich/Habersack9 § 15, 25; vgl auch Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 77 f; Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219; Maser Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge, S 71 f; Mimberg Betriebspachtverträge, S 46 f; Joachim DWiR 1992, 455, 457 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 136. Gleichsinnig MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 136; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 142 mit Fn 54; Spindler/ Stilz/Veil2 § 292, 49; aA Geßler/Geßler § 292, 100 (unter Hinweis auf Mestmäcker Verwaltung, S 319); Dierdorf Herrschaft,

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Erster Teil. Unternehmensverträge

ferner eine Vereinbarung, die zur Äquivalenzstörung im Austauschverhältnis zum Nachteil der Aktiengesellschaft führt. Verpflichtet sie sich beispielsweise als Verpächterin zu Investitionen, die den Pachtvertrag für sie als ungünstig erscheinen lassen, wird daraus noch keine beherrschungsvertragliche Leitungsunterstellung. Der Sache nach geht es dabei um das Problem der Unangemessenheit des Entgelts, das vor allem in Abhängigkeitslagen vorkommt und durch die §§ 311 ff zu bewältigen ist.329 Unerheblich ist schließlich auch, ob das ordentliche Kündigungsrecht der Gesellschaft auf Dauer oder jedenfalls befristet ausgeschlossen oder in sonstiger Weise beschränkt ist. Das Vorliegen eines Beherrschungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 wird nämlich auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der beherrschungsvertraglich gebundenen Gesellschaft vertraglich ein jederzeitiges ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt wird (arg § 297 Abs 2 Satz 1; § 297, 70). Die relevanten Abgrenzungskriterien sind als unterschiedlich gewichtige Leitlinien der 126 Typenzuordnung zu verstehen.330 Das gilt insbesondere für die Vermutungsregel des § 18 Abs 1 Satz 2, die die Einheitlichkeit der Leitung zum typusprägenden Merkmal des Beherrschungsvertrags macht.331 Zwar setzt die Norm nicht etwa zwingend voraus, dass das herrschende Unternehmen eine einheitliche Leitung durchsetzt (Rdn 68).332 Erlauben die dem Vertragspartner vertraglich eingeräumten Weisungs- und sonstigen Bestimmungsrechte dies aber, namentlich wenn ihm vertraglich Rechte zuwiesen sind, die die Durchsetzung einer verbundweiten Finanzplanung ermöglichen, liegt die Qualifizierung der Vereinbarung als Beherrschungsvertrag nahe. Auch weiteren vergleichbar konzernstiftenden Vertragsregelungen kommt insoweit entsprechende Bedeutung zu;333 insbesondere auf eine Konzerneingliederung der Gesellschaft abzielende Regelungen.334 Das betrifft etwa den Fall, dass bei einer stillen Gesellschaft mit einer AG/KG weitreichende, nicht im funktionalen Zusammenhang mit der stillen Beteiligung stehende Weisungsrechte335 vereinbart werden,336 so dass bei materieller Betrachtung kein Teilgewinnabführungsvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 2 vorliegt (dazu § 292, 95). Nicht hinreichend wird in aller Regel sein, dass der Vertrag die Einwirkungsmöglichkeiten nur für einen begrenzten Zweck, etwa zur Kreditsicherung, einräumt.337 Denn bei einer derartigen Gestaltung ist es gar nicht mög-

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S 124; Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 230 differenzierend KK/Koppensteiner3 34 (wie hier nur bei kapitalistischen Beteiligungen). MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 138; KK/Koppensteiner3 33; aA Geßler/Geßler § 292, 101; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 137: Grenze zum materiellen Beherrschungstatbestand ist jedenfalls dann überschritten, wenn die vereinbarte Vergütung unangemessen niedrig ist; ähnlich Oesterreich Betriebsüberlassung, S 138: wenn das Entgelt bestenfalls den von der Gesellschaft zu tragenden Aufwand deckt, die Erzielung eines Gewinns jedoch nicht ermöglicht. Ähnlich KK/Koppensteiner3 28, 35; vgl auch Hüffer10 10. KK/Koppensteiner3 29; Dierdorf Herrschaft, S 108; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 16 f.

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Vgl auch MünchKommAktG/Altmeppen3 78; aA wohl KK/Koppensteiner3 29, 45 aE; ähnlich Emmerich/Habersack6 21. KK/Koppensteiner3 35 (zusammenfassend), 24 (illustrierend). Veelken Betriebsführungsvertrag, S 251 ff; ebenso trotz abw Ergebnisses Dierdorf Herrschaft, S 106 ff; anders akzentuierend U H Schneider ZGR 1980, 511, 515 ff: ob Veränderung der unternehmerischen Interessenausrichtung auf die Belange des herrschenden Unternehmens hin bezweckt wird. Zur beherrschungsvertraglichen Irrelevanz bloßer Zustimmungsvorbehalte schon Rdn 71. Wohl auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 § 292, 24. Vgl KK/Koppensteiner3 29 mit Fn 101.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

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lich, mittels vertragszweckkonformer Wahrnehmung des zweckgebundenen Leitungsrechts die beiden Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Einheit und damit zu einem Konzern zusammenzufassen. Das gilt ferner etwa für Outsourcing-Vereinbarungen von Kreditinstituten mit Dienstleistern, die im Einklang mit den aufsichtsrechtlichen Anforderungen der § 25a Abs 2 Satz 7 KWG, § 33 Abs 2 Satz 1 WpHG ein entsprechendes Weisungsrecht des Auslagerungsunternehmens vorsehen.338 Ebenso liegt es regelmäßig bei Kreditund Lieferverträgen. Auch wenn dem Vertragspartner dem Wortlaut nach ganz umfassende Einwirkungsbefugnisse eingeräumt werden, wird deren Auslegung anhand des Vertragszwecks ergeben, dass sie keine einheltliche Leitung ermöglichen.339 Im Rahmen eines Kreditvertrags etwa können mit vertraglich stipulierten Leitungsbefugnissen des Kreditgebers ausschließlich Sicherungszwecke verfolgt werden.340 Mit dieser Maßgabe wird bei Investorenvereinbarungen (Rdn 118) in aller Regel kein 127 atypischer Beherrschungsvertrag vorliegen. Sie wirken sich zwar faktisch auf die Organisationsstruktur der Gesellschaft aus, indem sie einem Aktionär bestimmte Organkompetenzen ohne unmittelbare gesellschaftsinterne Verbindlichkeit im Außenverhältnis zuweisen. Dies führt aber weder zur prinzipiellen Unzulässigkeit solcher Vertragsgestaltungen341 noch sind die dem Investor schuldvertraglich eingeräumten Rechte derart umfassend angelegt, dass diesem die konzernstiftende einheitliche Leitung unter Verdrängung des Vorstands der Gesellschaft möglich wäre.342 Auf der Hand liegt dies bei der Vereinbarung von Vorkehrungen, welche die fortbestehende Unabhängigkeit der Gesellschaft gerade gewährleisten sollen, indem sie den Einfluss des Investors – Entherrschungsverträgen (§ 293, 49) vergleichbar – beschränken.343 Soweit demgegenüber ein Business Combination Agreement (Rdn 118) auf die Schaffung einer Konzernstruktur zwischen zwei zunächst noch unabhängigen Unternehmen abzielt und hierfür der künftigen Obergesellschaft bereits Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand sowie Zustimmungs- bzw Vetorechte bei bestimmten Geschäften vertraglich einräumt, hängt es von der konkreten Ausgestaltung des Vertragswerks ab, ob die Einwirkungsmöglichkeiten lediglich die der Obergesellschaft im künftigen faktischen Konzern ohnehin zukommenden Einflussmöglichkeiten antizipierend festschreiben344 oder den anderen Vertragsteil – jedenfalls bei einer Gesamtschau – beherrschungsvertragsgleich in die Lage versetzen, „eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und gegenüber dem Vorstand durchzusetzen“.345 Hierbei ist dann allerdings auch zu bedenken, dass im BCA die im Vorfeld der Unternehmenszusammenführung getroffenen Vereinbarungen über eine zukünftige Konzernpolitik und durchzuführende Integrationsmaßnahmen nicht in rechtsverbindlich durchsetzbarer Weise festgelegt werden, sondern erst nach Erfolg der Transaktion zum Tragen kommen sollen.346

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Näher Mülbert Funktionsauslagerung, S 3, 33 f. KK/Koppensteiner3 § 291, 43; vgl auch Dierdorf Herrschaft, S 127 ff, Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 13 ff, 23 ff; Ballerstedt ZHR 137 (1973), 388, 391 ff. KK/Koppensteiner3 § 291, 43. Seibt/Wunsch Der Konzern 2009, 195, 199; Kiem AG 2009, 301, 302, 305 f. Kiem AG 2009, 301, 302, 306. Seibt/Wunsch Der Konzern 2009, 195, 200.

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So generalisierend Decher in: FS Hüffer 2010, S 145, 152; Goslar DB 2008, 800, 803 gegen die Qualifikation als Beherrschungsvertrag. Bejaht für das jeweilige streitgegenständliche BCA von LG München I ZIP 2008, 555, 560; LG Nürnberg-Fürth AG 2010, 179, 180 (dazu auch Dette Beherrschungsverträge, S 155 ff, 162 ff); verneinend OLG Schleswig WM 2008, 2253 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868. Decher in: FS Hüffer 2010, S 145, 152, 155; Goslar DB 2008, 800, 803.

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Mit Blick auf die Betriebspacht ist zunächst festzuhalten, dass dem Verpächter zwar kein Rest an Gestaltungskompetenzen im Hinblick auf den Pachtgegenstand zu verbleiben hat (Rdn 124). Jedoch muss dem Verpächter bei dem Betriebspachtvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 Alt 1 als einem Austauschvertrag (§ 292, 7) die freie Verfügung über das Entgelt erhalten bleiben. Das wird nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass der Verpächter vertraglich im voraus verpflichtet wird, bestimmte Investitionen in den Pachtgegenstand zu tätigen oder einen bestimmten Aufwand zu tragen, etwa Abschreibungen, auch wenn der Pächter deren Höhe bestimmen kann.347 Ein Betriebspachtvertrag, der dem Pächter ein Weisungsrecht gegenüber dem Verpächter hinsichtlich der Verwendung des Pachtzinses einräumt, etwa zur Vornahme von Erweiterungsinvestitionen, ist jedoch als atypischer Beherrschungsvertrag zu qualifizieren,348 es sei denn, dass die Gesellschaft noch Beteiligungen hält (Rdn 125) und diesbezüglich keinen Bindungen unterliegt.349 Zudem ist es dem Pächter einer Unternehmung nicht eröffnet, das Unternehmenssubstrat als Pachtgegenstand in einer Weise umzugestalten, die sich über die Pachtzeit hinaus auswirkt.350 Der auf die Vertragslaufzeit bezogene synallagmatische Pachtzins könnte eine solche Nachwirkung nämlich per definitionem nicht angemessen vergüten. Räumt ein Pachtvertrag dem Pächter gleichwohl entsprechende Befugnisse ein, entspricht der Vertrag daher nicht mehr dem Austauschvertragsmodell des § 292 Abs 1 Nr 3. Vielmehr wird dem Pächter eine Entscheidungsbefugnis zugewiesen, die nach der grundlegenden pachtvertraglichen Risikoverteilung notwendig dem Verpächter vorbehalten bleibt. Das Vertragswerk ist dann als atypischer Beherrschungsvertrag zu interpretieren,351 ohne dass es zusätzlich darauf ankäme, dass die nachvertraglichen Umgestaltungsfolgen nicht quantifizierbar sind und die §§ 311, 317 als Kompensationsmechanismus versagen.352 Letzteres macht zugleich die andernfalls unausweichliche dezisionistische Feststellung entbehrlich, dass selbstverständlich nicht jedes Rechtsgeschäft zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft, das dieses Problem aufwirft, als Beherrschungsvertrag qualifiziert werden kann.353

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c) Konsequenzen. Ist ein Vertragswerk trotz gesetzesuntypischer Einkleidung materiell als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren, muss es den Anforderungen der §§ 293 ff, §§ 304 f genügen.354 Das gilt etwa für einen von den Parteien als Betriebspachtvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 behandelten Vertrag, der bei materieller Beurteilung ein Beherrschungsvertrag ist. Praktisch durchweg wird ein solcher Vertrag daher wegen Fehlens einer Ausgleichsregelung nach § 304 Abs 3 Satz 1 endgültig nichtig sein. Dieser Mangel lässt sich durch die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags richtigerweise zwar überwinden (§ 293, 151). Gleichwohl vermag dies die Relevanz der 347 348

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Ebenso KK/Koppensteiner3 32; aA Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 48. So oder ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 138; KK/Koppensteiner3 32, 33; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 456 ff; Geßler/Geßler § 292, 85; Emmerich/Habersack2 § 292, 47 (Weisungsrecht hinsichtlich der pachtfreien Unternehmenssphäre); MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 39; krit auch Spindler/Stilz/Veil2 § 292, 48; aA Dierdorf Herrschaft, S 122. KK/Koppensteiner3 § 292, 96. KK/Koppensteiner3 31; im Anschluss an Dierdorf Herrschaft, S 121 f.

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KK/Koppensteiner3 31; iE auch Mestmäcker in: FG Kronstein 1967, S 129, 149 f; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 22; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 145 f; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 260 f. AA Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 22 f; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 260 f; KK/Koppensteiner3 30 f. So KK/Koppensteiner3 42. KG AG 2001, 186 = NZG 2000, 1132, 1133; Hüffer10 14; Spindler/Stilz/Veil 2 70; Emmerich/Habersack9 § 15, 26; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh Konzernrecht, 689.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

schwierigen Grenzziehung, ob noch ein betriebsbezogener Unternehmensvertrag oder schon ein atypischer Beherrschungsvertrag vorliegt, kaum mindern, auch wenn einer Eintragung unter unzutreffender Bezeichnung nach erfolgtem Zustimmungsbeschluss vertragskonstitutive Wirkung nach § 294 Abs 2 zukommt (§ 294, 65). Denn zumindest im Falle einer AG oder KGaA als anderem Vertragsteil wird es stets am Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 2 fehlen. Das gilt auch bei der Kombination eines materiell als Beherrschungsvertrag zu qualifizierenden Vertragswerks mit einem Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2. Der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 2 zum Gewinnabführungsvertrag deckt nämlich auch nur diesen,355 und zwar selbst dann, wenn der andere Vertrag der Hauptversammlung als Bestandteil eines einheitlichen Vertragswerks iS des § 139 BGB mit zur Beschlussfassung unterbreitet wurde (§ 293, 25). Im Ergebnis wird daher beim Fehlen (nur) des Zustimmungsbeschlusses nur eine Haftungslösung in Form einer Freistellung von allen Verlusten in Betracht kommen (s auch § 293, 36). Mangelt es wie vielfach zudem auf Seiten der verpflichteten Gesellschaft am erforderlichen Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 sowie der Handelsregistereintragung nach § 294, scheidet sogar diese Haftungslösung aus. Dann kommt allenfalls einmal die Umdeutung in einen bürgerlich-rechtlichen Pacht- oder Betriebsführungsvertrag in Betracht (näher § 293, 128). Im Übrigen bewendet es bei der Anwendung der §§ 311 ff und einer verbreitet befürworteten, tatbestandlich freilich unterschiedlich konturierten beschränkten Verlustausgleichspflicht analog § 302 Abs 1;356 eine (unmittelbare) Geltendmachung von Ausgleichs- und Abfindungsansprüchen (§§ 304 f) im Spruchverfahren kommt nicht in Betracht.357 7. Rechtsfolgen a) Vertragliche Rechte und Pflichten. Auskunftsansprüche der herrschenden Gesell- 130 schaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft entspringen bereits aus der Leitungsbefugnis aufgrund des Unternehmensvertrages, wobei es auf die Frage der Regelung eines Auskunftsanspruchs im Vertrag nicht ankommt.358 b) Änderungen des Legalstatuts aa) Verwaltungsverantwortung. Was die Vorstands- und Aufsichtsratshaftung angeht, 131 tritt die speziellere Vorschrift des § 310 mit Abschluss eines Beherrschungsvertrages weitgehend an die Stelle der §§ 93, 116.359 Für die Mitglieder des Vorstands gilt dies jedoch

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AA Huber ZHR 152 (1988), 123, 138 (ohne Problemvertiefung). Für Anknüpfung an das Institut der qualifizierten Nachteilszufügung etwa Schürnbrand ZHR 169 (2005), 35, 58 f; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 40; für vermutungsweise Anknüpfung an den Zustand qualifizierter faktischer Konzernierung Spindler/Stilz/Veil 2 § 291, 70; Veil Unternehmensverträge, S 252 f, 259; noch großzügiger – bei tatsächlicher Vertragsdurchführung – Emmerich in: FS Hüffer 2010, S 180, 185; Dette Beherrschungsverträge, S 222 f; aA – nur §§ 311 ff – Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, S 150 ff.

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OLG München WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753, 754; OLG Schleswig WM 2008, 2253, 2259 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868; Hüffer 10 14; Kort NZG 2009, 364, 367 f; Ederle AG 2010, 273, 278; Heidel/Peres3 52; aA Hirte/Schall Der Konzern 2006, 243, 246; Emmerich/Habersack6 24d; Emmerich in: FS Hüffer 2010, S 180, 185; Spindler/ Stilz/Veil 2 70; Dette Beherrschungsverträge, S 235 f. HM; Decher in diesem Kommentar, § 131, 347; MünchKommAktG/Kubis2 § 131, 141. Näher Hirte in diesem Kommentar, § 310, 9 ff.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

nur, sofern sie in Befolgung einer Weisung nach § 308 Abs 1 Satz 1 AktG gehandelt haben.360 Inhaltlich ist die Haftung nach § 310 mit jener nach § 93 nahezu deckungsgleich, insbesondere da § 310 eine Ersatzpflicht nur auslösen kann, soweit die Weisung des herrschenden Unternehmens unzulässig (rechtswidrig) ist.361 Der normative Sinn des § 310 liegt folglich vor allem in der Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung zwischen den Verwaltungsmitgliedern der abhängigen Gesellschaft und den gesetzlichen Vertretern des herrschenden Unternehmens sowie in § 310 Abs 4, der § 309 Abs 3 bis 5 für entsprechend anwendbar erklärt.362 Eine gerade nach § 93 Abs 2 zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung des Vorstands soll aber zB stets anzunehmen sein, wenn ein Ausgleichsanspruch nach § 302 nicht oder nicht unverzüglich geltend gemacht wird.363 Die praktische Bedeutung des § 310 für die Haftung des Aufsichtsrats ist gering, da 132 letzterer grundsätzlich nicht Adressat von Weisungen des herrschenden Unternehmens ist.364 Als relevante Pflichtverletzungen in Betracht kommen etwa eine Nichtverhinderung der Befolgung unzulässiger Weisungen durch den Vorstand oder Versäumnisse bei einer Zustimmungserteilung iS von § 111 Abs 4 Satz 2 zu Geschäften, zu denen das herrschende Unternehmen die Gesellschaft angewiesen hat.365 Im Übrigen wird es regelmäßig beim Haftungsregime des § 116 bewenden.

133

bb) Keine verdeckte Einlagenrückgewähr (Abs 3). Gemäß § 291 Abs 3 gelten Leistungen der Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58, 60 (sog Konzernprivileg). Die aktuelle Fassung der Norm geht auf das MoMiG zurück (Rdn 7); zuvor waren lediglich Leistungen „aufgrund“ eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags vom Konzernprivileg umfasst. Bis zum MoMiG ging man überwiegend davon aus, dass Leistungen „aufgrund“ 134 eines Beherrschungsvertrags nicht nur solche sind, die zur Erfüllung bereits in der Vertragsurkunde fixierter oder sich direkt aus dem Beherrschungsvertrag ergebender Ansprüche – etwa von Ausgleichsansprüchen iS von § 304 Abs 1 Satz 2 – erbracht werden,366 sondern dass sämtliche Leistungen privilegiert sind, die infolge einer rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens (§ 308) erfolgen.367 Gegenläufig sollten Leistungen aufgrund rechtswidriger Weisung einen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften darstellen, da sie dem Regelungskonzept des Beherrschungsvertrages nachgerade widersprächen.368 Heute erfasst der Gesetzeswortlaut unabhängig vom Vorliegen einer rechtmäßigen Weisung und wohl sogar in Fällen rechtswidriger Weisung jeglichen unmittelbaren oder mittelbaren Vermögenstransfer auf das

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Hopt in diesem Kommentar, § 93, 117; KK/Koppensteiner3 § 310, 11; Emmerich/ Habersack6 § 310, 3, 12; Hüffer10 § 310, 1; Arnold in Hdb börsennotierte AG2, § 22, 104. Näher Hirte in diesem Kommentar, § 310, 16; Emmerich/Habersack6 § 310, 9 f mwN. KK/Koppensteiner3 § 310, 11; Hüffer10 § 310, 1; Emmerich/Habersack9 § 23, 77 f. Arnold in Hdb börsennotierte AG2, § 22, 104; Aschenbeck NZG 2000, 1015, 1016. Hirte in diesem Kommentar, § 310, 25 ff; Emmerich/Habersack6 § 310, 21 f.

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Beispiele nach Emmerich/Habersack6 § 310, 21. In diese Richtung aber Ballerstedt ZHR 137 (1973), 388, 393 ff; gegen ihn etwa Geßler/ Geßler 109. Henze in diesem Kommentar, § 57, 189 f; MünchKommAktG/Altmeppen3 229; Emmerich/Habersack6 74 ff; Hüffer10 36; KK/Koppensteiner3 107; Geßler/Geßler 109 f; vgl auch Geßler in: FS Beitzke 1979, S 923, 927 f; Baumbach/Hueck13 § 308, 6. Emmerich/Habersack6 76.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

herrschende Unternehmen.369 Dennoch bleiben Leistungen aufgrund rechtswidriger Weisungen nicht etwa sanktionslos, sondern können eine Haftung nach § 309 Abs 2 begründen oder/und eine Kündigung des Vertrages gemäß § 297 Abs 1 (§ 297, 34) rechtfertigen.370 Umgehungs- und Missbrauchsversuchen kann somit nach wie vor wirksam begegnet werden kann.371 Rechtsdogmatisch beinhaltet § 291 Abs 3 nach wohl überwiegender Lesart eine 135 konstitutive Veränderung des Kapitalschutzes kraft gesetzlicher Fiktion: Ist der andere Vertragsteil – wie praktisch sehr häufig, aber nicht rechtlich vorausgesetzt (Rdn 45) – Aktionär der AG oder KGaA, müssten Leistungsbeziehungen zwischen den Parteien an sich (auch) während der Laufzeit des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Gewinnausschüttung beurteilt und gegebenenfalls rückabgewickelt werden, was die Fiktion des Abs 3 jedoch verhindere.372 Der Schutz, den die Kapitalerhaltungsvorschriften insbesondere zugunsten der Gesellschaftsgläubiger im Normalfall böten, werde durch die Ausgleichspflicht nach § 302 und die Gläubigerschutzbestimmung des § 303 hinreichend kompensiert.373 Richtigerweise kommt § 291 Abs 3 für einem Großteil seines Anwendungsbereichs 136 nur deklaratorische Wirkung zu. Beherrschungsvertraglich veranlasste Leistungen einer AG verstoßen nämlich bereits aufgrund der mit dem Zustimmungsbeschluss (§ 293 Abs 1) bewirkten Änderung ihres Gesellschaftszwecks (§ 293, 45) nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften, soweit sie gerade auf einer rechtmäßigen Weisung des herrschenden Unternehmens (§ 308) beruhen. Maßstab des Vermögensschutzsystems muss nämlich das jeweilige konkret bedungene und satzungsmäßig verlautbarte Formalziel der AG als Bestandteil ihres Gesellschaftszwecks (§ 293, 44) sein,374 soweit es zulässigerweise vom normtypischen Formalziel der eigennützigen Gewinnmaximierung abweicht. Zulässig sind insbesondere auch375 gesetzlich vorgegebene atypische Formalziele.376 Hierzu zählen neben den Formalzielen der eingegliederten Gesellschaft (§§ 319 f) vor allem jene der vertraglich beherrschten AG,377 so dass Leistungen, die diesem Formalziel entsprechen, schon deshalb nicht nach den Kapitalerhaltungsvorschriften verboten sein können, weil der Gesellschaftszweck andernfalls nachgerade unvollziehbar wäre.378 Charakteri-

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Emmerich/Habersack6 77; Habersack in: FS Schaumburg 2009, S 1291, 1296 f; wohl auch Hüffer10 36; Emmerich/Habersack9 § 23, 21 aE („alle Leistungen“); aA K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 70: bei unzulässiger Weisung liegt auch nach neuer Rechtslage ein Verstoß gegen §§ 57, 58, 60 vor; ähnlich Heidel/Peres3 99; MünchKommAktG/Altmeppen3 229. Emmerich/Habersack6 77; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 71. S wegen diesbezüglicher Besorgnis etwa Spindler/Stilz/Veil 2 73. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377 f, 391; statt vieler zudem Hüffer10 36 mwN; ähnlich Henze in diesem Kommentar, § 57, 188, der § 291 Abs 3 als lex specialis ansieht; krit van Venrooy BB 1986, 612, 614. Heidel/Peres3 98 aE; Hüffer10 36.

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Zu den Einwirkungen des Gesellschaftszwecks auf die Reichweite der §§ 57, 58, 60 näher Mülbert in: FS Lutter 2000, S 535, 538 ff; s ferner Eberth Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S 94 ff; bezüglich der §§ 57, 58, 62 speziell für öffentlich-rechtliche Zielsetzungen Schön ZGR 1996, 429, 453 f; iE ähnlich für den Nachteilsbegriff des § 311 Emmerich/Habersack6 § 311, 41. S Mülbert in: FS Lutter 2000, S 535, 543 f, 549. Mülbert in: FS Lutter 2000, S 535, 543. Mülbert in: FS Lutter 2000, S 535, 543, 554 f. Näher Mülbert in: FS Lutter 2000, S 535, 542 mit Beispielen; ähnlich Spindler/Stilz/ Cahn/v Spannenberg2 § 57, 19 f.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

sieren lässt sich dieser Wirkungszusammenhang als Reduktion des § 57 durch den Zweck der AG.379 Geht die Leistung auf eine rechtmäßige Weisung zurück und hält sich somit im Rah137 men des auf Grundlage der übertragenen Leitungsmacht Zulässigen, ist sie vom durch den Zustimmungsbeschluss (§ 293 Abs 1) näher konturierten Formalziel der Gesellschaft gedeckt und daher innerhalb der europarechtlich determinierten Grenze (Rdn 138) kapitalerhaltungsrechtlich zulässig; andernfalls verstößt sie grundsätzlich gegen §§ 57, 58, 60. Konstitutive Wirkung entfaltet § 293 Abs 3 vor diesem Hintergrund nur, soweit das Konzernprivileg heute auch und gerade in Fällen fehlender oder gar rechtswidriger Weisungen eingreift (dazu Rdn 134). Jedenfalls bis zur Ausdehnung des Konzernprivilegs im Zuge des MoMiG wurde 138 überwiegend angenommen, dass ersteres mit den Artt 15 und 16 der europäischen Kapital-Richtlinie von 1976380 in Anbetracht der Verlustausgleichspflicht des § 302 Abs 1 vereinbar sei.381 Ob dies auch heute noch mit Blick auf die im Zuge des MoMiG positivierte Erweiterung (Rdn 134) gilt, wird im Schrifttum bisweilen angezweifelt.382 Da die Verlustausgleichspflicht Eingriffe in den Haftungsfonds der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft aber noch immer kompensiert, sprechen die besseren Argumente weiterhin für die Unionrechtskonformität. Freilich ergeben sich aus Artt 15, 16 der Richtlinie nach wie vor Einschränkungen für den konkreten Umfang der bereits nach Maßgabe des Gesellschaftszwecks, also unabhängig von § 291 Abs 3 (Rdn 136), zulässigen „Rückgewähr“ an die Aktionäre: Diese ist aus Gründen des schon im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie besonders betonten Gläubigerschutzes nur insoweit ohne Verstoß gegen die §§ 57, 58 zulässig, als das verbleibende Gesellschaftsvermögen nicht unter den Gesamtbetrag von Grundkapital und gesetzlichen Rücklagen absinkt.383

139

c) Gesetzliches Regelungsregime. Über die bereits näher erörterten Wirkungen des Beherrschungsvertrages hinaus sind insbesondere folgende Eckpfeiler des gesetzlichen Regelungsregimes hervorzuheben: – Das Rechtsfolgenregime der §§ 300 ff zur Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger findet Anwendung. Hier ist vor allem auf die Verlustübernahmepflicht (§ 302) sowie die Pflicht zur Ausgleichs- und Abfindungsleistung (§§ 304, 305) hinzuweisen. – Die beteiligten Unternehmen werden gemäß § 15 aE zu verbundenen Unternehmen, so dass nunmehr alle für ein solches Unternehmen geltenden Vorschriften zur Anwendung kommen. – Die unwiderlegliche384 Konzernvermutung des § 18 Abs 1 Satz 2 greift ein. Näher hierzu Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 29, 36 ff. Erfolgt der Abschluss eines Beherrschungsvertrags ausnahmsweise außerhalb eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses, finden mit Ausnahme der §§ 311 ff (sogleich) nunmehr auch alle an die Abhängigkeit anknüpfenden Vorschriften Anwendung.

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MünchKommAktG/Bayer3 § 57, 97, wenn auch de lege lata kritisch. Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie 77/91/EWG (abgedruckt bei Habersack/ Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, S 188 ff); monographisch hierzu etwa Nienhaus Kapitalschutz, S 109 ff. S Emmerich/Habersack6 78; Spindler/Stilz/ Veil 2 71 ff; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, § 6, 49; K Schmidt/Lut-

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ter/Langenbucher2 73; ebenso iE Schön in: FS Kropff 1997, S 285, 298 f; aA Nienhaus Kapitalschutz, S 219 ff mwN. S K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 73; Emmerich/Habersack6 78; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht4, § 6, 49. Näher Mülbert in: FS Lutter 2000, S 535, 549 f, 554. S nur Emmerich/Habersack6 § 18, 20; Heidel/Peres3 33.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

– Die Vorschriften über den faktischen Konzern (§§ 311 ff) sind unanwendbar, da § 311 Abs 1 das Nichtvorliegen eines Beherrschungsvertrages als negative Tatbestandsvoraussetzung beinhaltet.385

V. Gewinnabführungsvertrag (Abs 1 Satz 1 Alt 2 ) 1. Entstehungsgeschichte Der Gewinnabführungsvertrag wurde im AktG 1965 erstmals als eigenständige Ver- 140 tragsart geregelt, während er zuvor dem Abs 1 des mit „Gewinngemeinschaft“ überschriebenen § 256 AktG unterfiel. Die gesonderte Regelung in § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 beruht nach der Gesetzesbegründung darauf, dass sich der Gewinnabführungsvertrag seinem Wesen nach grundlegend von den in § 292 geregelten sonstigen Formen der Gewinngemeinschaft und Gewinnabführung unterscheide und dementsprechend besondere Rechtsfolgen auslöse.386 2. Abführung des ganzen Gewinns Ein Gewinnabführungsvertrag wird in § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 als Vertrag definiert, 141 durch den sich die AG oder KGaA verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Kein zusätzliches Vertragsmerkmal bildet die in § 304 Abs 3 Satz 1 als Wirksamkeitserfordernis (Rdn 150) vorgeschriebene vertragliche Ausgleichsvereinbarung. In der Legaldefinition des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2, die auf die Vereinbarung des 142 ganzen Gewinns abstellt, kommt die wirtschaftliche Wirkung von Gewinnabführungsverträgen nur unvollkommen zum Ausdruck. Denn da der andere Vertragsteil nach § 302 Abs 1 einen etwaigen Verlust bei der gewinnabführungsverpflichteten Gesellschaft zwingend auszugleichen hat, übernimmt er im Ergebnis das Jahresergebnis insgesamt, einerlei ob es in einem Jahresüberschuss (= Gewinn) oder einem Jahresfehlbetrag (= Verlust) besteht. Daher wird nicht zuletzt in der kautelarjuristischen Praxis auch der Begriff des Ergebnisabführungsvertrags verwendet.387 a) Gewinn. Den Gewinn iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 definiert das positive Ver- 143 tragskonzernrecht nicht näher. In den §§ 300 Nr. 1, 301 sind lediglich punktuell Ermittlungsgrenzen festgeschrieben; darin findet auch die Intuition einer bilanziellen Betrachtung ihre gesetzliche Bestätigung. Der Gewinnabführungsvertrag zielt seiner Natur nach darauf ab, dass im endgültigen Jahresabschluss der Gesellschaft kein realer Bilanzgewinn iS des § 158 mehr ausgewiesen wird.388 Als abzuführender Posten ist damit nach allgemeinen handels- und gesellschaftsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften in einer teils als Vorabschluss oder Vorbilanz389 bezeichneten Nebenrechnung der fiktive Bilanzgewinn zu ermitteln, der sich ohne einen solchen Vertrag ergäbe.390 Ausgehend vom Jahresüber385 386 387

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Statt vieler Hüffer10 § 311, 14. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377. MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Hüffer10 23; KK/Koppensteiner3 76; Henssler/Strohn/Paschos 30; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 1; Emmerich/Habersack6 62; Wachter/K J Müller 25; Emmerich/Habersack9 § 12, 15; Muster bei Luther/Happ FomKomm Bd II, Form 2121.

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KK/Koppensteiner3 76; Geßler/Geßler 76. Krit Hennrichs ZHR 174 (2010), 683, 687: Begiff ist missverständlich. MünchKommAktG/Altmeppen3 145; Heidel/Peres3 64; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 4; H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 377 ff; Sonnenschein Organschaft, S 322.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

schuss iS des § 275 Abs 2 Nr 20, Abs 3 Nr 19 HGB sind hierfür die Anforderungen des § 300 Nr 1 (erhöhte Rücklagendotierung) und des § 300 (Höchstbetrag; Rdn 145), vereinbarte oder in Form einer Weisung nach § 308 konkretisierte Bindungen bei der Einstellung in Rücklagen (Rdn 148) sowie Einstellungen nach Ermessen des Vorstands in die anderen Gewinnrücklagen zu berücksichtigen.391 Der derart ermittelte Bilanzgewinn wird im eigentlichen Jahresabschluss in der Gewinn- und Verlustrechnung als abgeführter Gewinn iS des § 277 Abs 3 Satz 2 HGB – als neuer Posten unmittelbar vor dem Posten Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag392 – ausgewiesen und in der Handelsbilanz unter dem Bilanzposten Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen gemäß § 266 Abs 3 lit C 6 HGB passiviert. Umgekehrt wird ein anhand der Nebenrechnung ermittelter Jahresfehlbetrag zur Durchführung des in § 302 Abs 1 vorgeschriebenen Verlustausgleichs in der Gewinn- und Verlustrechnung als erhaltener Gewinn iS des § 277 Abs 3 Satz 2 HGB verbucht und in der Handelsbilanz gemäß § 266 Abs 2 lit B II 2 HGB aktiviert.393 Damit geht die Verpflichtung des anderen Unternehmens zur phasengleichen Vereinnahmung einher, wenn sein Abschlussstichtag mit dem der zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft identisch ist oder ihm nachfolgt.394 Bei alledem aktualisiert sich mithin die Pflicht zur Gewinnabführung mit der Feststellung des Jahresabschlusses, nicht etwa mit Anerkennung einer steuerlichen Organschaft durch die Finanzbehörden.395

144

b) Ganzer Gewinn. § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 verlangt, dass der „ganze … Gewinn“ abgeführt wird. Der unter Berücksichtigung der soeben genannten Grenzen, insbesondere der §§ 300 Nr 1, 301 Satz 1, ermittelte Bilanzgewinn (§ 158 Abs 1 Satz 1 Nr 5) muss damit insgesamt von der Gewinnabführungsverpflichtung umfasst sein.396 Belässt die Vereinbarung einen noch so marginalen Restgewinn bei der Gesellschaft, liegt demgegenüber ein als Austauschvertrag konzipierter Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 Abs 1 Nr 2 vor.397 Näher § 292, 89. Zum Schutz der Kapitalsubstanz der verpflichteten Gesellschaft legt § 301 Satz 1 den 145 abführbaren Maximalgewinn fest.398 Dieser ergibt sich aus dem vorbilanziell festgestell-

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Emmerich/Habersack6 64; Emmerich/ Habersack9 § 12, 17 ff; KK/Koppensteiner3 77; Hüffer10 26. Biener/Berneke BiRiLiG, 222; Gross/Schruff Der Jahresabschluss nach neuem Recht3, S 197; aA – Wahlrecht nach pflichtgemäßem Ermessen – MünchKommHGB/Reiner/ Haußer 3 § 277, 30; Meyer-Landrut/Niehus/Scholz GmbHG, §§ 238–335 HGB, 767 (der Ausweis vor dem Posten „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ ist aber nicht unzweckmäßig); noch anders Bonner HdR/Lachnit § 275 HGB, 25 (Ausweis analog § 157 AktG 1965). MünchKommAktG/Altmeppen3 145; Emmerich/Habersack6 64; Emmerich/ Habersack9 § 12, 17; KK/Koppensteiner3 77; Raiser/Veil 5 § 54, 134; Heidel/Peres3 65. MünchKommAktG/Altmeppen3 145; Emmerich/Habersack6 64; Emmerich/ Habersack9 § 12, 17; Hüffer10 26a;

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Henssler/Strohn/Paschos 42; Spindler/Stilz/ Veil 2 35; Adler/Düring/Schmaltz Rechnungslegung, HGB § 277, 71; Kropff ZGR 1997, 115, 119 mwN. Darauf hinweisend KK/Koppensteiner3 77; vgl auch BGH WM 1955, 413. MünchKommAktG/Altmeppen3 159; Emmerich/Habersack6 48; Emmerich/ Habersack9 § 12, 17; Hüffer10 23; KK/Koppensteiner3 76; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 4. OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 474; MünchKommAktG/Altmeppen3 159; Emmerich/Habersack6 48; Emmerich/ Habersack9 § 12, 1; Hüffer10 23; KK/Koppensteiner3 76; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 4; aA Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 224 f, 226 f; Geßler/Geßler § 292, 33. Dazu Hirte in diesem Kommentar § 301, 8 ff; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 19 ff mwN.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

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ten Jahresüberschuss nach Subtraktion eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, gemindert um den nach § 300 Nr 1 in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Betrag. Nicht abzuziehen sind folglich auch satzungsmäßige Pflichtrücklagen (§ 58 Abs 1), es sei denn, der Gewinnabführungsvertrag sieht dies einmal ausdrücklich vor.399 Ausnahmsweise kann sich der so ermittelte Höchstbetrag gemäß § 301 Satz 2 in dem Maße erhöhen, als während der Laufzeit des Vertrags gebildete andere Rücklagen zulässigerweise aufgelöst werden. c) Ermittlung des abzuführenden Gewinns aa) Vorstandsermessen. Die Ermittlung des abzuführenden Gewinns im Wege der 146 Bilanzierung obliegt dem Vorstand der verpflichteten Gesellschaft.400 Dabei hat er nach Gesetz und Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung vorzugehen, also etwa die Ausschüttungssperre des § 233 Abs 1 zu beachten.401 bb) Ermessensbindung im Gewinnabführungsvertrag; Weisungen. Das dem Vorstand 147 durch eine Vielzahl von Wahlrechten eröffnete Bilanzierungsermessen lässt sich ebenso wie sein Überschussverwendungsermessen in zweierlei Hinsicht weitergehend binden. Zum einen ist es grundsätzlich zulässig, bereits im Vertragswerk die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten, die Bildung von Rücklagen und die Thesaurierung von Gewinnteilen zu regeln,402 aber auch vorzusehen, dass der abzuführende Gewinn unter Berücksichtigung einer zuvor erhobenen (ertragsmindernden) Konzernumlage berechnet wird.403 Zum anderen ist denkbar, dass der andere Vertragsteil hierauf auch während der Laufzeit des Vertrags Einfluss nimmt.404 Durch Weisungen kann dies nur geschehen, wenn zusätzlich zum Gewinnabführungsvertrag – wie im Regelfall – ein Beherrschungsvertrag dem anderen Unternehmen eine Weisungsbefugnis gemäß § 308 verleiht;405 dabei ist vorstellbar, dass das herrschende Unternehmen insbesondere den Abbau stiller Reserven erwirkt und damit die Kapitalbasis der abhängigen Gesellschaft schmälert.406 Im seltenen Falle eines isolierten Gewinnabführungsvertrags kann ein solcher Eingriff die Ausgleichsverpflichtung nach § 311 auslösen (Rdn 153, 175). Da es keinen konzernrechtlich geforderten Minimalgewinn gibt,407 können die Ver- 148 tragsparteien bei Wahrung der gesetzlichen Mindestanfordungen frei festlegen bezie399 400

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MünchKommAktG/Altmeppen3 147. MünchKommAktG/Altmeppen3 146; Emmerich/Habersack6 65; H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 380 ff. Hüffer10 25. MünchKommAktG/Altmeppen3 144; Emmerich/Habersack6 65; Emmerich/ Habersack9 § 12, 9, 17 ff; Hüffer10 25; KK/Koppensteiner3 76; MünchHdbAG/ Krieger3 § 71, 4; Heidel/Peres3 67; Geßler/ Geßler 75 f; H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 385 ff. KG AG 2002, 289, 290; KK/Koppensteiner3 76: vgl aber auch OLG Oldenburg AG 2002, 96. BGHZ 135, 374, 378 = WM 1997, 1288, 1290 = AG 1997, 515; Emmerich/Habersack6 65; Emmerich/Habersack9 § 12, 18 f; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 4; H-P Müller

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in: FS Goerdeler 1987, S 375, 380 ff; Raiser/Veil 5 § 54, 134. MünchKommAktG/Altmeppen3 146; Emmerich/Habersack6 65; Emmerich/ Habersack9 § 12, 1 ff, 19; Hüffer10 27, 32; KK/Koppensteiner3 89; MünchHdbAG/ Krieger3 § 71, 20; H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 380; aA – für diesbezügliches Weisungsrecht aus Gewinnabführungsvertrag – van Venrooy Betrieb 1981, 675, 681; vgl auch OLG Karlsruhe NJW 1967, 831, 832 = AG 1967, 202; noch anders – Vertrag kann Weisungsrecht einräumen – Spindler/Stilz/Veil 2 39. So im Falle BGHZ 135, 374, 378 = WM 1997, 1288, 1290 = AG 1997, 515. MünchKommAktG/Altmeppen3 147; KK/Koppensteiner3 77.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

hungsweise kann das herrschende Unternehmen durch Weisungen iS des § 308 nach seinem Gutdünken bestimmen, wie Ansatz- und Bewertungswahlrechte auszuüben sind. Auch die Einstellung von Teilen des Jahresüberschusses über § 300 Nr 1 hinaus in andere Gewinnrücklagen oder die die Zuführung von Teilen des Gewinns zu einem Gewinnvortrag wird durch das Konzernrecht nicht beschränkt. Ist die Einstellung in die Gewinnrücklagen (§ 272 Abs 3 HGB) aber nicht mehr nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich zu begründen, verstößt sie gegen § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 4 KStG. Sollen durch den Gewinnabführungsvertrag also die Vorzüge der steuerlichen Organschaft zugänglich gemacht werden, empfiehlt sich daher die Aufnahme einer auf diesen Maßstab abgestimmten Vertragsklausel in die Vereinbarung.408 Darin sollte dann auch die beherrschungsvertragliche Weisungsbefugnis entsprechend eingeschränkt werden.409 Soweit die verpflichtete Gesellschaft nicht durch den Gewinnabführungsvertrag oder 149 die beherrschungsvertragliche Einflussnahme des herrschenden Unternehmens gebunden ist, kann sie ihr Bilanzierungs- und Überschussverwendungsermessen frei ausüben, muss also nicht etwa auf das Konzerninteresse Rücksicht nehmen (Rdn 92).410 3. Vertragsinhalt

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a) Mindestinhalt. Ein Gewinnabführungsvertrag muss neben der begriffswesentlichen Verpflichtung zur Abführung des gesamten Gewinns zusätzlich eine Ausgleichsregelung nach § 304 als weiteres Element enthalten, widrigenfalls der Vertrag ausweislich des § 304 Abs 3 Satz 1 nichtig ist.

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b) Keine weiteren Mindestinhalte. Weder in der Überschrift noch im Text der nach § 293 Abs 3 zu errichtenden Vertragsurkunde ist die Bezeichnung als „Gewinnabführungsvertrag“ vonnöten (s auch Rdn 74). Eine Abfindungsregelung ist hingegen – wie bereits beim Beherrschungsvertrag (Rdn 79) – nicht zwingend, aber doch empfehlenswert.411 Ebenso wenig besteht eine Regelungspflicht bezüglich stiller Reserven.412

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c) Isolierter Gewinnabführungsvertrag im Besonderen. Ein nicht mit einer Beherrschungsabrede verbundener sog isolierter Gewinnabführungsvertrag413 ist keine theoretische Erscheinung,414 insbesondere nachdem die Kombination mit einem Beherrschungsvertrag zur Begründung einer steuerlichen Organschaft nicht mehr erforderlich ist (Rdn 12). So wird für konzernzugehörige Kreditinstitute auf den zusätzlichen Abschluss eines parallelen Beherrschungsvertrags teils mit Blick auf einen andernfalls sich ergebenden erhöhten Abstimmungsbedarf mit der BaFin (vgl Rdn 87) verzichtet.

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KK/Koppensteiner3 79 mit Hinweisen auf Jurkat Organschaft, S 248 ff; zu Vertragsmustern s auch Luther/Happ FormKomm Bd II, S 138 ff. Zur Zulässigkeit der Einschränkung auch von neutralen Weisungen s Hirte in diesem Kommentar, § 308, 46, 48 ff. K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 60; aA OLG Frankfurt NZG 2000, 603, 604 f; Emmerich/Habersack9 § 12, 20. Insoweit missverständlich MünchHdbAG/ Krieger3 § 71, 7 („muss … regeln“).

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Dies problematisierend KK/Koppensteiner3 78; s auch Emmerich/Habersack9 § 12, 8 f, 17 ff; MünchKommAktG/Altmeppen3 60, 146; Spindler/Stilz/Veil 2 34; Heidel/Peres3 9. Vertragsmuster etwa bei Luther/Happ FormKomm Bd II, Form 2.121. Simon ZGR 2007, 71, 102; für Beispiele aus der früheren Praxis s H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 377 mit Fn 2; Schubert/Küting Unternehmenszusammenschlüsse, 1981, S 435.

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Isolierte Gewinnabführungsverträge hält die ganz hM zu Recht für gesellschaftsrecht- 153 lich zulässig.415 Zwar schließt die Gegenauffassung zutreffend aus der ausschließlichen Inbezugnahme der §§ 312 bis 315 in der Nichtanwendbarkeitsanordnung des § 316, dass darüber hinaus etwa auch die §§ 311, 317 weiterhin Geltung beanspruchen.416 Der weitere Schluss, eine nicht beherrschungsvertraglich fundierte Veranlassung der verpflichteten Gesellschaft zur Abführung ihres gesamten Gewinns verstoße gegen § 311 und sei deshalb unzulässig (§ 317 Abs 1), kann aber nicht gezogen werden. Vielmehr findet der isolierte Gewinnabführungsvertrag in § 316, weiteren Normen des AktG (§ 324) sowie im KStG (§§ 14, 17) gerade seine legislatorische Anerkennung, so dass § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 mit der hM der Vorrang gegenüber den §§ 311 ff zuzuerkennen ist. Außerdem sind die außenstehenden Gesellschafter dank der Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens (§ 304) hinreichend geschützt.417 Die Fortgeltung der §§ 311, 317 (Rdn 175) aktualisiert sich insbesondere dann, wenn der andere Vertragsteil von der Untergesellschaft die Abführung eines überhöhten Gewinns erwirkt, der etwa mit den genannten gesetzlichen Bemessungsspielräumen (§§ 300 Nr 1, 301) oder den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht mehr in Einklang zu bringen ist.418 d) Ergänzende Regelungen. Abreden über die Fälligkeit des Gewinnabführungsan- 154 spruchs sind zulässig. Die Praxis kennt sowohl die Anknüpfung an den Bilanzstichtag als auch diejenige an den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses.419 Beim Fehlen einer solchen wird der Anspruch erst mit der Bilanzfeststellung fällig werden, nicht bereits zum Bilanzstichtag; die abweichenden Regeln zu § 302 Abs 1 reflektieren den von dieser Norm bezweckten Schutz der vertragstypisch gebundenen Gesellschaft und können daher vorliegend nicht zur Anwendung kommen.420 Darüber hinaus vereinbaren die Parteien regelmäßig, wie Bilanzierungswahlrechte ausgeübt werden und in welchem Umfang der Jahresüberschuss in andere Gewinnrücklagen eingestellt wird (Rdn 148). Da der Gewinnabführungsvertrag nicht zwingend ein unentgeltlicher einseitiger Schuldvertrag ist,421 lässt sich für die Gewinnabführung zudem ein Entgelt vereinbaren, auch wenn bei einer solchen Entgeltabrede das Vorliegen eines Teilgewinnabführungsvertrags näher liegen wird. Nicht hingegen lässt sich ein Weisungsrecht des anderen Vertragsteils hin-

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MünchKommAktG/Altmeppen3 148; Emmerich/Habersack6 60 f; Emmerich/ Habersack9 § 12, 13; Hüffer10 24; KK/Koppensteiner3 5; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 1a; Spindler/Stilz/Veil 2 32, 40, 42; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 53; Bürgers/Körber/Schenk2 18; Heidel/Peres3 62; Kort BB 1988, 79 f; Ebenroth/Parche BB 1989, 637, 638; Raiser/Veil5 § 54, 133; Eschenbruch Konzernhaftung, Rn 3014; Mutze AG 1967, 254, 258; Geßler/Geßler 71 f; H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 382 ff; s auch OLG Karlsruhe AG 2001, 536, 537; für die GmbH LG Kassel NJW-RR 1996, 1510, 1511 = AG 1997, 239. Ebenroth Vermögenszuwendungen, S 402 f; Kort Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, S 84; Sonnenschein Organschaft, S 379 f.

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Heidel/Peres3 62. MünchKommAktG/Altmeppen3 149; Emmerich/Habersack6 61; Emmerich/ Habersack9 § 12, 14; Hüffer10 24; H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 382 ff; s auch Raiser/Veil 5 § 54, 132 ff. Dazu K Schmidt/Lutter/Stephan2 § 301, 19. Hüffer10 26; MünchKommAktG/Altmeppen3 147a; Hennrichs ZHR 174 (2010), 683, 698; Spindler/Stilz/Veil 2 35; Wolf NZG 2007, 641, 644; Prokopf Betrieb 2007, 900, 903; aA – bereits zum Bilanzstichtag – LG Frankfurt AG 2007, 48, 51 f; K Schmidt/ Lutter/Stephan2 § 301, 20. AA MünchKommAktG/Altmeppen3 292, 52 unter Überbetonung des Charakters der Verträge des § 291 Abs 1 als wirtschaftlichen Fusionstatbeständen.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

sichtlich bilanzpolitischer Entscheidungen und des Ob und Umfangs der Rücklagendotierung einräumen.422

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e) Rückbeziehung der Gewinnabführung im Besonderen. Die Rückbeziehung von Gewinnabführungsverträgen ist insoweit von praktischem Interesse, als § 14 Abs 1 Satz 2 KStG eine steuerliche Organschaft rückwirkend für das Wirtschaftsjahr anerkennt, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wurde, regelmäßig also für das Wirtschaftsjahr der Handelsregistereintragung (arg § 294 Abs 2). Voraussetzung für die Vorverlagerung des Beginns der Organschaft auf den Anfang des laufenden Wirtschaftsjahres ist eine Vereinbarung, dass die Gewinnabführungspflicht rückwirkend bereits ab diesem Zeitpunkt besteht. Näher Rdn 14. Aktienkonzernrechtlich steht für den Gewinnabführungsvertrag die grundsätzliche 156 Möglichkeit einer vertraglichen Rückbeziehung außer Streit, nicht aber der zulässige Zeitraum. Allseits anerkannt ist die Vereinbarung einer Rückwirkung423 für dasjenige laufende 157 Geschäftsjahr, in dessen Verlauf der Gewinnabführungsvertrag in das Handelsregister eingetragen und damit wirksam wird.424 Schutzwürdige Belange der außenstehenden Aktionäre der gewinnabführungspflichtigen Gesellschaft werden hiervon nicht berührt, da ein unentziehbarer konkreter Gewinnauszahlungsanspruch des einzelnen Aktionärs erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung entsteht (§ 58 Abs 4425)426 und die im Gewinnabführungsvertrag zugunsten der außenstehenden Aktionäre vereinbarten Abfindungs- und Ausgleichsleistungen auch den noch nicht abgerechneten Jahresgewinn des laufenden Geschäftsjahres berücksichtigen können427 (und müssen428). Weitergehende Rückwirkungsvereinbarungen werden vereinzelt ausdrücklich für un158 zulässig angesehen.429 Die Begründung, dass es eine rückwirkende Abfindung nicht gebe und dass bei einer weitergehenden Rückwirkung das Wahlrecht der außenstehenden Aktionäre zwischen Ausgleich und Abfindung daher auf den Ausgleich verkürzt werde,430 geht aber daran vorbei, dass eine gesetzlich erforderliche Abfindung auch noch dann angeboten werden kann (und sogar muss), wenn die Rückwirkung ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr erfasst.431

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AA Spindler/Stilz/Veil 2 39; Veil Unternehmensverträge, S 261 ff. AA – Rückwirkung liegt schon begrifflich gar nicht vor – Bacher/Braun BB 1978, 1177, 1179. S nur BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422; 155, 110, 116 = WM 2003, 1766 = AG 2003, 629 = NZG 2003, 1113; BGH ZIP 2003, 1933, 1935; OLG Hamburg WM 1990, 1471, 1744 = AG 1991, 21; WM 1989, 1767 = AG 1991, 23; OLG München AG 1991, 358, 359 = WM 1991, 358; OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 474; LG Ingoldstadt WM 1991, 685 = AG 1991, 24; LG Kassel AG 1997, 239 f. Näher Henze in diesem Kommentar, § 58, 92 ff.

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S nur BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422. OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 359. Für die Ausgleichszahlung nach § 304 s BGHZ 122, 211, 224 f = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422. OLG München AG 1991, 358, 359 = WM 1991, 1843; Emmerich/Habersack6 55, § 294, 29; Emmerich/Habersack 9 § 12, 10 wohl auch Hirte in diesem Kommentar, § 300, 39. Emmerich/Habersack6 55. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 243, 61; s auch KK/Koppensteiner3 § 294, 31, 32; Grewer DStR 1997, 745.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Die hM lässt demgegenüber eine Rückbeziehung für die vergangenen Geschäftsjahre 159 zu, für die der Jahresabschluss noch nicht festgestellt ist.432 Auf dieser Linie liegt es ferner, die Rückbeziehung auf den Beginn des vorherigen Geschäftsjahres auch dann zuzulassen, wenn der Jahresabschluss für dieses Geschäftsjahr unter Berücksichtigung der künftigen Gewinnabführungsverpflichtung festgestellt wurde.433 Aber auch ohne Berücksichtigung im festgestellten Jahresabschluss wird eine vereinbarte Rückwirkung jedenfalls dann anzuerkennen sein, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss noch aussteht,434 da der einzelne Aktionär einen konkreten, unentziehbaren Dividendenauszahlungsanspruch erst mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses erlangt (§ 58 Abs 4; Rdn 157), die nach hM maßgebliche Feststellung des Jahresabschlusses also nicht entscheidend ist. Liegt auch der Gewinnverwendungsbeschluss bereits vor, lässt sich eine Rückwirkung nur vorsehen,435 wenn alle Aktionäre ausdrücklich auf ihre bereits entstandenen konkreten Gewinnauszahlungsansprüche verzichten436 oder wenn der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 zum Gewinnabführungsvertrag von allen Aktionären einstimmig gefasst wird,437 da hierin ein konkludenter allseitiger Anspruchsverzicht zu sehen ist. Die Rückbeziehung auf Geschäftsjahre, für die ein Gewinnverwendungsbeschluss 160 noch aussteht, bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung. Mittels konkludenter Willenserklärungen oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung lässt sich diese Wirkung nicht begründen. Beides scheitert am Schriftformerfordernis des § 293 Abs 3 sowie daran, dass sich die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 auf den gesamten Vertragsinhalt beziehen muss (§ 293, 50 ff, 105).438 Fehlt die Vereinbarung eines Anfangstermins, bewendet es daher stets bei der Regelung des § 294 Abs 2, wonach die Wirksamkeit des Vertrages im Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister eintritt.439 Dieser Moment lässt sich auch nicht dadurch vorverlagern, dass man die Wirkungen eines Gewinnabführungsvertrages nach den Regeln der Genehmigung für schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte (§ 184 Abs 1 BGB) auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückbezieht.440 Die etwaige ex tunc-Wirkung eines öffentlich-rechtlichen Akts mit privatrechtsgestaltender Wirkung bestimmt sich nicht nach den §§ 182 ff BGB, sondern anhand des jeweiligen Zwecks des Genehmigungsvorbehalts.441 Der Zweck des Eintragungserfordernisses (§ 294, 3) spricht aber gegen eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.442

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Hüffer10 § 294, 20; KK/Koppensteiner3 § 294, 32; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 54; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 11a; Sonnenschein Organschaft, S 384 ff; Bacher/ Braun BB 1978, 1177, 1179; Geßler/Geßler § 294, 30; Hoffmann-Becking WiB 1994, 57, 62. Grewer DStR 745, 746; wohl auch Schaber/Hertstein Der Konzern 2004, 6, 8 ff; jeweils auch zur Möglichkeit, den künftig wirksamen Gewinnabführungsvertrag bereits im Jahresabschluss zu berücksichtigen. MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 11a; Knepper DStR 1994, 377, 378 f. AA – noch großzügiger – MünchKommAktG/Altmeppen3 § 294, 61, der nicht ein-

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mal die nachfolgenden Einschränkungen anerkennt. Für diesen Fall eine Ausnahme erwägend KK/Koppensteiner3 § 294, 32 mit Fn 122; s auch MünchKommAktG/Altmeppen3 § 294, 61. MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 11a. KK/Koppensteiner3 § 294, 35. KK/Koppensteiner3 § 294, 35; Hüffer10 § 294, 20. KK/Koppensteiner3 § 294, 35; aA Bacher/ Braun BB 1978, 1177 ff. S nur MünchKommBGB/Bayreuther6 Vorb § 182 ff, 17 ff mwN. Zutreffend KK/Koppensteiner3 § 294, 35.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

4. Mehrheit von Vertragsparteien a) Personenmehrheit als anderer Vertragsteil. Ein Gewinnabführungsvertrag mit mehreren Vertragspartnern, von denen zumindest einer Unternehmensqualität aufweisen muss (Rdn 53), begegnet keinen konzernrechtlichen Bedenken.443 Mangels Koordinationsbedarfs birgt die bloße Gewinnabführungsverpflichtung gegenüber einer Personenmehrheit sogar ungleich geringeren Vertragsgestaltungsbedarf als die beherrschungsvertragliche Unterstellung gegenüber einer Mehrheit von Personen444 (dazu Rdn 108 f). Der abzuführende Gewinn steht vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen den Abführungsberechtigten als Mitgläubiger zu (§ 432 BGB);445 für die gesetzlichen Pflichten der §§ 302 f, 304 f haben sie gesamtschuldnerisch einzustehen. Körperschaftssteuerlich vermag eine solche Gestaltung nach Abschaffung der Mehrmütterorganschaft allerdings keine Organschaft auch nur zu einer der anderen Vertragsparteien zu begründen, da § 14 Abs 1 Satz 1 KStG die Verpflichtung der Organgesellschaft verlangt, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen (Rdn 18). Allenfalls in Betracht kommt insoweit die Begründung der Abführungspflicht gegenüber einer der mehreren anderen Vertragsparteien. Vgl auch noch Rdn 164 ff zur Gewinnabführung zugunsten Dritter. Ein Gewinnabführungsvertrag kann – ebenso wie der Beherrschungsvertrag – nicht 162 ausschließlich mit der GbR, deren Gesellschafterinnen die Muttergesellschaften sind, abgeschlossen werden, auch wenn die frühere körperschaftssteuerliche Mehrmütterorganschaft zwingend voraussetzte, dass die durch die Muttergesellschaften konstituierte GbR Vertragspartnerin ist. Näher oben Rdn 103 ff zum Beherrschungsvertrag. Zu möglichen körperschaftssteuerlichen Organschaftsgestaltungen s Rdn 18, 161 aE.

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b) Keine mehreren Gewinnabführungsverträge. Der Abschluss mehrerer paralleler Gewinnabführungsverträge ist der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft – anders als der Abschluss mehrerer paralleler Beherrschungsverträge (Rdn 106 f) – verwehrt. Die Abführung des ganzen Gewinns in rechnerischer Höhe des fiktiven Bilanzgewinns (Rdn 143) an den/die Vertragspartner ist der Gesellschaft nur einmal möglich. Als Rechtsfolge verdient die Nichtigkeit des jeweils späteren Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 241 Nr 3 Var 1 (wohl) den Vorzug. Näher § 292, 22.

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c) Gewinnabführungsvertrag zugunsten Dritter. Ein Gewinnabführungsvertrag zwischen einer Gesellschaft und einem Unternehmen zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB), etwa zwischen einer Enkel- und Tochtergesellschaft zugunsten der Muttergesellschaft, wird praktisch allenfalls einmal steuerlich von Interesse sein. Die konzernrechtliche Zulässigkeit dieser schuldrechtlichen Figur wird vereinzelt ohne Einschränkungen446 und teilweise mit im Einzelnen divergierenden Vorbehalten447 bejaht, aber auch prinzipiell in

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MünchKommAktG/Altmeppen3 151; Emmerich/Habersack6 56; Hüffer10 25; KK/Koppensteiner3 94; MünchHdbAG/ Krieger3 § 71, 8; Geßler/Geßler 78; aus rechtstatsächlicher Sicht DJT-Konzernrecht, Rdn 134; Kübler ZGR 1984, 560, 582. MünchKommAktG/Altmeppen3 151. MünchKommAktG/Altmeppen3 151; aA Geßler/Geßler 78: Gesamtgläubiger (§ 428 BGB); MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 8: im Zweifel Gesamtgläubiger.

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MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 4; Spindler/ Stilz/Veil 2 44; Raiser/Veil 5 § 54, 133; Hölters/Deilmann 49. KK/Koppensteiner3 96; enger – nur bei Vertrag iS des § 291 zwischen anderem Vertragsteil und Drittem – MünchKommAktG/ Altmeppen3 157 f; ähnlich – bei vertraglicher Übernahme der Pflichten der §§ 302, 303 durch Dritten – Emmerich/Habersack6 58; Emmerich/Habersack9 § 12, 12.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

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Abrede gestellt.448 Diese Ablehnung lässt sich freilich zumindest nicht auf die Rechtsnatur des Gewinnabführungsvertrags als Organisationsvertrag gründen,449 wie sich bei dem Verständnis des Gewinnabführungsvertrags als strukturänderungsgestaltendem Schuldvertrag (Rdn 21) von selbst versteht. Bedenken gegen die Figur des Gewinnabführungsvertrags zugunsten Dritter können 165 sich allenfalls daran knüpfen, dass die Ausrichtung des gesetzlichen Außenseiterschutzsystems auf die typischerweise mit dem Gewinnabführungsvertrag einhergehende Strukturveränderung nicht passt. Ausgangspunkt hierfür scheint der ersichtlich von einem Gleichlauf zwischen Gewinnabführung und Verlustübernahme ausgehende § 302 Abs 1.450 Jedoch hat der Zuschnitt der meisten konzernrechtlichen Vorschriften auf einstufige Unternehmensverbindungen allein regelungstechnische Gründe, so dass die gesetzliche Zulässigkeit mehrstufiger Unternehmensverbindungen außer Frage steht (Rdn 113), weswegen allenfalls grundsätzlichere konzernrechtliche Wertungsmodelle gegen einen Gewinnabführungsvertrag von Enkel- und Tochtergesellschaft zugunsten der Muttergesellschaft streiten können.451 Grundsätzlichere Bedenken könnten aus der Wertung des § 308 Abs 1 Satz 2 Alt 2 166 folgen, wonach eine Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft, die dem herrschenden Unternehmen selbst nichts nützt, nur im Interesse konzerneingebundender anderer Gesellschaften zulässig ist. Denn im Falle eines Gewinnabführungsvertrags zugunsten eines Dritte wäre eine Tochtergesellschaft von Gesetzes wegen für die Kompensation der Enkelgesellschaft nach den §§ 302 f, 304 f einstandspflichtig, ohne dass sie deren Gewinn abschöpfen könnte, und zudem wäre die Werthaltigkeit dieser Kompensationsansprüche in Frage gestellt und die Enkelgesellschaft gefährdet, hätte nicht die Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft für die Gewinnverlagerung einzustehen. Aus der Parallelwertung zu § 308 Abs 1 Satz 2 wird daher teilweise gefolgert, dass auch zwischen Tochter- und Muttergesellschaft ein Unternehmensvertrag iS des § 291 Abs 1 bestehen müsse.452 Jedoch kann diesem Konzerninteresse, will man die beherrschungsvertragliche Wertung überhaupt auf den Gewinnabführungsvertrag übertragen, auch bei faktischer Beherrschung Geltung verschaffen. Wird eine Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer AG oder KGaA von der Muttergesellschaft auch nur faktisch beherrscht, stellen auch die Ausgleichsansprüche nach §§ 311 ff hinreichend sicher, dass die von der Muttergesellschaft abgeschöpften Gewinne der Enkelgesellschaft als Haftungsfonds für deren Kompensationsinteressen bereitstehen.453 Das gilt erst recht, wenn der begünstigte Dritte zusätzlich zum anderen Vertragsteil die Pflichten der §§ 302, 303 vertraglich übernimmt.454 Insgesamt sprechen daher keine konzernrechtlichen Schutzinteressen gegen die Zulässigkeit von Gewinnabführungsverträgen zugunsten Dritter innerhalb mehrstufiger Unternehmensverbindungen.

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Hüffer10 25; Geßler/Geßler 80; Rehbinder ZGR 1977, 581, 628; im Ergebnis auch Sonnenschein AG 1976, 147, 148 ff; Pentz Enkel-AG, S 179 ff. KK/Koppensteiner3 96; Sonnenschein AG 1976, 147, 148; aA Rehbinder ZGR 1977, 581, 628. S auch Begründung RegE in: Kropff AktG, S 391; ebenso Emmerich/Habersack6 58; Emmerich/Habersack9 § 12, 11 f; Hüffer10

451 452

453 454

25; allerdings mit vorschnellem Rückschluss auf die Unzulässigkeit des genannten Vertrags. Gleichsinnig MünchKommAktG/ Altmeppen3 154 ff; KK/Koppensteiner3 96. MünchKommAktG/Altmeppen3 157; aA insoweit namentlich Sonnenschein AG 1976, 147, 149. KK/Koppensteiner3 96. AA MünchKommAktG/Altmeppen3 157.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

5. Gewinnabführungsverträge bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen

167

Bei mehrstufig verbundenen Unternehmen, also einem Unternehmensverbund mit mehr als nur einer Hierarchiestufe, lassen sich Gewinnabführungsverträge sowohl auf jeder einzelnen Stufe als auch stufenübergreifend abschließen.455 Hierzu kann auf die entsprechenden Ausführungen zum Beherrschungsvertrag in den Rdn 114 f verwiesen werden. 6. Atypische Gewinnabführungsverträge

Ein atypischer Gewinnabführungsvertrag kann trotz Eindeutigkeit des Begriffs Gewinn456 (Rdn 143) dann vorliegen, wenn bei der im Unternehmensvertragsrecht gebotenen materiellen Betrachtungsweise (Vorbem 9 zu §§ 291 ff) ein anders bezeichnetes Vertragswerk aufgrund des allein maßgeblichen Vertragsinhalts als Gewinnabführungsvertrag zu qualifizieren ist, weil die Entstehung jeglichen Bilanzgewinns bei der AG oder KGaA a priori ausgeschlossen ist.457 Was die Abgrenzung von den anderen Unternehmensverträgen nach § 292 Abs 1 169 anbelangt, ist ein als Teilgewinnabführungsvertrag (Nr 2) bezeichneter Vertrag in Wahrheit ein Gewinnabführungsvertrag, wenn der verpflichteten Gesellschaft auch kein noch so marginaler Anteil am Bilanzgewinn verbleibt (§ 292, 90). Entsprechend ist ein als Gewinngemeinschaft (Nr 1) getarntes Vertragswerk zu würdigen, bei dem materiell der zusammengelegte Gewinn nicht zumindest teilweise wieder auf die Gesellschaft entfallen soll. Hingegen kann ein Gewinnabführungsvertrag nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn bei einem betriebsführungsbezogenen Unternehmensvertrag (Nr 3) die Gegenleistung für die Eigentümergesellschaft so gering ausfällt, dass sie die Belastungen nicht deckt und auf einen praktischen Gewinnausschluss hinausläuft.458 Bereits in § 302 Abs 2 kommt nämlich zum Ausdruck, dass auch ein defizitäres Unternehmen verpachtet oder überlassen werden kann.459 Eine auch noch so erhebliche Äquivalenzstörung ist im Rahmen der anderen Unternehmensverträge des § 292 zu bewältigen, nicht mittels der Qualifizierung als atypischem Gewinnabführungsvertrag.460 Unabhängig hiervon kommt die zulässige Kombination zwischen einem solchen und einem Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag in der Praxis nicht selten vor.461 Gewinnbeteiligungen und Lizenzverträge sind ausweislich des § 292 Abs 2 keine Teil170 gewinnabführungs- und folglich erst recht keine Gewinnabführungsverträge. Umgekehrt will aber der Ausschlusstatbestand – das macht bereits seine systematische Stellung bei den anderen Unternehmensverträgen der § 292 deutlich – keinesfalls materiell als Gewinnabführungsverträge zu qualifizierende Gewinnbeteiligungen zugunsten des dort genannten Personenkreises freistellen. Läuft eine Gewinnbeteiligungsabrede der Sache nach darauf hinaus, dass überhaupt kein Gewinn bei der Gesellschaft verbleiben kann, liegt daher ein Gewinnabführungsvertrag vor, der den §§ 293 ff genügen muss und im

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455

456 457

Hüffer10 25; KK/Koppensteiner3 95; s auch Emmerich/Habersack6 56; Rehbinder ZGR 1977, 581, 601 ff; Sonnenschein AG 1976, 147, 147 ff; Wanner Konzernrechtliche Probleme, S 116 f. KK/Koppensteiner3 § 292, 10. MünchKommAktG/Altmeppen3 161; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 55; aA Hüffer10 § 292, 23; wohl auch Geßler/ Geßler 81.

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Anders wohl nur Oesterreich Betriebsüberlassung, S 138 f. KK/Koppensteiner3 91. Ebenso KK/Koppensteiner3 91 und iE Hüffer10 § 292, 23. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 41; vgl auch die Übersichten bei Maser Betriebspachtund Betriebsüberlassungsverträge, S 124 und 126.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Regelfall schon mangels Eintragung in das Handelsregister keine rechtliche Anerkennung verdient, § 294 Abs 2.462 Stille Beteiligungen kommen nur dann als Gewinnabführungsverträge in Betracht, 171 wenn die Beteiligung von vornherein den gesamten Gewinn erfasst, also die AG oder KGaA selbst am Gewinn gar nicht mehr beteiligt wäre.463 Dass auch bei einer solchen Gestaltung jedenfalls im Einzelfall eine stille Gesellschaft vorliegen kann, ist wohl nicht in Abrede zu stellen.464 7. Rechtliche Behandlung von Gewinnabführungsverträgen a) Vertragliche Rechte und Pflichten. Der (isolierte) Gewinnabführungsvertrag be- 172 gründet kein Weisungsrecht iS des § 308, und zwar weder ipso iure noch bei Vorliegen einer entsprechenden Nebenabrede; hierzu bedarf es stets des zusätzlichen Abschlusses eines Beherrschungsvertrags.465 Auch Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Ausübung des Bilanzierungs- und Überschussverwendungsermessens bestehen zugunsten des anderen Vertragsteils jedenfalls nicht ex lege, sondern müssen entweder bereits im Vertragswerk niedergelegt oder durch beherrschungsvertragliche Einflussnahme erwirkt werden (Rdn 147). b) Änderungen des Legalstatuts aa) Vorstandsverantwortung. Unverändert bleibt beim (isolierten) Gewinnabführungs- 173 vertrag die Leitung der verpflichteten Gesellschaft in der eigenen Verantwortung ihres Vorstands (§ 76 Abs 1).466 Allerdings wird die abhängige Gesellschaft im Außenverhältnis zum anderen Vertragsteil teilweise für verpflichtet angesehen, die Erzielung von Gewinnen anzustreben, womit dann nach innen der Vorstand im Rahmen des statutarisch festgesetzten Unternehmensgegenstands iVm den §§ 76, 93 entsprechende Anstrengungen zur gewinnerzielenden Unternehmensführung zu unternehmen hätte.467 bb) Keine verdeckte Einlagenrückgewähr (Abs 3). Beim Gewinnabführungsvertrag 174 bewirkt der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 ebenso wie beim Beherrschungsvertrag (Rdn 136 f) die Veränderung des Kapitalschutzes in der verpflichteten Gesellschaft nach Abs 3. Bis zur Umsetzung des MoMiG wurde davon ausgegangen, dass bei

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MünchKommAktG/Altmeppen3 161; Hüffer10 29; KK/Koppensteiner3 92; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 6; aA Geßler/ Geßler 81; wohl auch Emmerich/ Habersack6 48; Emmerich/Habersack9 § 12, 1. MünchKommAktG/Altmeppen3 160; KK/Koppensteiner3 93; Heidel/Peres3 74. MünchKommHGB/K Schmidt 3 § 230, 40; Blaurock Handbuch der stillen Gesellschaft7, Rdn 7.15; aA KK/Koppensteiner3 93; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 452 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 146, 150; Hölters/Deilmann § 292, 1; Emmerich/ Habersack9 § 12, 5; Hüffer10 27, 32; KK/Koppensteiner3 89; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 60; Heidel/Peres3 9, 67; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 16 (s auch

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§ 68, 45); H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 380; aA van Venrooy Betrieb 1981, 675, 681 (Gewinnabführungsvertrag verschafft ein Weisungsrecht); Veil Unternehmensverträge, S 260 ff (Einräumung eines Weisungsrechts im Gewinnabführungsvertrag kraft expliziter Abrede möglich); vgl auch OLG Karlsruhe NJW 1967, 831, 832 = AG 1967, 202 (zum AktG 1937). MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 16; ebenso KK/Koppensteiner3 109, der aber zu bedenken gibt, dass sich mangels eigenständiger Ertragsinteressen auch der maßgebliche Verantwortungsrahmen ändere. So jedenfalls KK/Koppensteiner3 86; ähnlich van Venrooy Betrieb 1981, 675, 680 f.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

(isolierten) Gewinnabführungsverträgen lediglich die im Einklang mit dem Vertrag und den §§ 300, 301 stehende Abführung des Bilanzgewinns, nicht aber auch sonstige Leistungen, etwa die Beteiligung der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft an einem Cash Pooling-System, von den Kapitalerhaltungsvorschriften befreit seien.468 Nunmehr lässt sich auch auf Grundlage eines (isolierten) Gewinnabführungsvertrages ein Cash Pooling-System rechtssicher betreiben, da jeglicher Vermögenstransfer von der abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen vom Konzernprivileg des § 291 Abs 3 erfasst wird (schon Rdn 134);469 das bloße „Bestehen“ eines Gewinnabführungsvertrags genügt. Während die Abführung des Bilanzgewinns vom Formalziel und damit vom Gesellschaftszweck der lediglich durch einen isolierten Gewinnabführungsvertrag gebundenen AG gedeckt ist, weswegen § 291 Abs 3 insoweit nur deklaratorische Bedeutung zukommt (Rdn 136), stellt die Vorschrift darüber hinausgehende Leistungen mit konstitutiver Wirkung vom Verbot der verdeckten Einlagenrückgewähr frei. Unverändert gilt allerdings weiterhin, dass nach Abschluss eines isolierten Gewinnabführungsvertrages neben § 302 gegebenenfalls die §§ 311, 317 Anwendung finden.470

175

c) Gesetzliches Regelungsregime. Für das gesetzliche Regelungsregime kann vorbehaltlich der nachfolgenden Besonderheiten auf die Ausführungen zum Beherrschungsvertrag in Rdn 139 verwiesen werden: – Die §§ 300 ff gelten mit den bereits erwähnten Spezialvorschriften der §§ 300 Nr 1, 301, 324 Abs 2. – Die Parteien des Gewinnabführungsvertrags sind ausweislich des § 15 aE verbundene Unternehmen. Jedoch gilt keine unwiderlegliche Konzernvermutung nach § 18 Abs 1 Satz 2, da diese Vorschrift den Gewinnabführungsvertrag, anders als den Beherrschungsvertrag, gerade nicht in Bezug nimmt.471 In der Praxis begegnen Gewinnabführungsverträge freilich in aller Regel in bestehenden Abhängigkeitsverhältnissen, so dass man ihren Abschluss wohl als ein Indiz für das Vorliegen von Abhängigkeit begreifen darf.472 Verfügt der andere Vertragsteil iS von § 17 Abs 2 über eine Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung der Gesellschaft, greift die widerlegbare Konzernvermutung nach § 18 Abs 1 Satz 3 ein, die bei gleichzeitigem Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages kaum zu widerlegen sein wird.473 – § 316 stellt bei isolierten Gewinnabführungsverträgen trotz Bestehens einer faktischen Abhängigkeitslage (§§ 311 ff) ausdrücklich von der darauf bezogenen Berichtspflicht nach den §§ 312–315 frei.

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Emmerich/Habersack6 76; Drygala/Kremer ZIP 2007, 1289, 1295 f; Habersack in: FS Schaumburg 2009, S 1291, 1295 ff; Pentz ZIP 2006, 781, 785 ff. Wie hier Emmerich/Habersack6 77; s auch Hüffer10 36; Spindler/Stilz/Veil 2 74; Heidel/ Peres3 97; MünchKommAktG/Altmeppen3 229a; Hölters/Deilmann 67 f; aA Bürgers/ Körber/Schenk2 34, demzufolge (wie früher) nur der abzuführende Gewinn von § 291 Abs 3 erfasst sei; ferner Wacher/K J Müller 32. Spindler/Stilz/Veil 2 74. Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 32. Wie hier Emmerich/Habersack6 50, § 17,

473

23, § 18, 14b; Henssler/Strohn/Maier-Reimer § 17, 7; Raupach in: FS Bezzenberger 2000, S 327, 336; Heidel/Peres/Walden3 § 18, 13; noch weiter gehend Hüffer10 27 und Hölters/Hirschmann § 17, 11, denen zufolge der Gewinnabführungsvertrag nicht nur ein Indiz für Abhängigkeit, sondern ein (konstitutiv) abhängigkeitsbegründendes Beherrschungsmittel iS des § 17 ist. So oder ähnlich Emmerich/Habersack6 50; Emmerich/Habersack9 § 12, 5; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 2; Hüffer10 27; Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 32; vgl auch KK/Koppensteiner3 16.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

– Weiterhin anwendbar bleiben bei isolierten Gewinnabführungsverträgen die §§ 311, 317;474 dies legt deren Nichterwähnung in § 316 e contrario nahe. Ein solcher Umkehrschluss auf die generelle Regelung faktischer Beherrschung kann auch nicht mit dem Einwand entkräftet werden, die verpflichtete Gesellschaft müsse ohnehin sämtliche durch Nachteilsausgleich bewirkten Gewinnerhöhungen wieder an den berechtigten Vertragsteil abführen.475 Schließlich kann zwischen erwirtschaftetem Überschuss und abzuführendem (Bilanz-)Gewinn ein erheblicher Unterschied bestehen. Als Kontrollüberlegung stützt die Anwendbarkeit der §§ 311, 317 auch eine Parallelbetrachtung des mit der Beherrschungsabrede kombinierten Organschaftsvertrags alter Prägung (Rdn 57), der bei rechtswidriger Weisung trotz Ergebnisabführung eine Haftung der Konzernspitze gleichwohl nicht ausschließt.476 – Gemäß § 158 Abs 2 Satz 1 ist im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung von dem Ertrag aus einem Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag ein vertraglich zu leistender Ausgleich für außenstehende Gesellschafter abzusetzen. Übersteigt dieser den Ertrag, ist der übersteigende Betrag unter den Aufwendungen aus Verlustübernahme auszuweisen (§ 158 Abs 2 Satz 2). Näher Brönner in diesem Kommentar, § 158, 28. 8. Anhang: Verlustübernahmevertrag/Verlustdeckungszusage In einem Verlustübernahmevertrag vereinbaren die Parteien die Rechtsfolge des § 302 176 Abs 1 als vertragliche Regelung.477 Dieser Vertragstyp hat sich aus steuerrechtlichen Besonderheiten internationaler Unternehmensverbindungen entwickelt und sollte dazu verhelfen, die Erstellung eines Abhängigkeitsberichts nach § 316 zu vermeiden.478 Demgegenüber übernimmt im Falle einer Verlustdeckungszusage die Muttergesellschaft durch einseitige Erklärung die bei der Tochtergesellschaft anfallenden Verluste, um deren Bonität zu erhöhen oder eine ihr drohende Insolvenz abzuwenden.479 Liegt ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis vor, lassen ein Verlustübernahmevertrag 177 oder die Erteilung einer Verlustdeckungszusage die Verpflichtung zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts nicht analog § 316 entfallen.480 Auch im direkten Anwendungsbereich des § 316 wirkt nämlich nur ein gemäß § 293 Abs 1 von der Hauptversammlung konsentierter Gewinnabführungsvertrag befreiend. Allenfalls könnten ein Verlustübernahmevertrag oder eine Verlustdeckungszusage daher von § 316 dispensieren, wenn diese Instrumente kraft Gesetzes den §§ 291, 293 ff, 300 ff analog unterlägen und die Hauptversammlung der hieraus berechtigten Gesellschaft diesem Vertrag gemäß § 293 Abs 1 zugestimmt hätte. Diese Vorschriften können jedoch gerade keine Anwendung finden. 474

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MünchKommAktG/Altmeppen3 169; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 16a; differenzierend (Anwendbarkeit nur bei überhöhten Gewinnausweis) Hüffer10 24; Emmerich/ Habersack6 49; Emmerich/Habersack9 § 12, 14; wohl auch H-P Müller in: FS Goerdeler 1987, S 375, 383 mit Fn 28; Raiser/Veil 5 § 54, 133; ausdrücklich aA KK/Koppensteiner3 3 und § 316, 1; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 121; Glaser Grenzen, S 5; Geßler/Geßler 72; Martens AG 1974, 9, 15. AA KK/Koppensteiner3 3. MünchKommAktG/Altmeppen3 169.

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480

S etwa MünchKommAktG/Altmeppen3 162. MünchKommAktG/Altmeppen3 162 mit Fn 272: KK/Koppensteiner3 80. MünchKommAktG/Altmeppen3 162; s auch Emmerich/Habersack6 62 f; Emmerich/ Habersack9 § 12, 15; Hüffer10 28. MünchKommAktG/Altmeppen3 163; KK/Koppensteiner3 80; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 3; Geßler/Geßler 18; Hüffer10 § 316, 2; vgl auch K Schmidt in: FS Werner 1984, S 777, 787; aA Bachmayr BB 1967, 135, 137 f; weitgehend zustimmend Werner NB 1967, H 4, 1, 17 f; Rasch Konzernrecht5, S 143 f.

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§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

178

Eine analoge Anwendung des gesamten Regelungsregimes für Gewinnabführungsverträge des § 291 Abs 1 Satz 1 HS 2 §§ 293 ff, 300 ff) beim Verlustübernahmevertrag oder gar der Verlustdeckungszusage kommen nicht in Betracht.481 Zum einen verbietet schon der numerus clausus der Unternehmensvertragstypen die Schaffung eines neuen Unternehmensvertragstyps im Wege der Analogie (Vorbem 8 zu §§ 291 ff).482 Zum andern sind diese Rechtsgeschäfte inhaltlich weder mit einer Gewinnabführung vergleichbar noch haben sie die hiermit typischerweise einhergehende Gefährdungslage der Untergesellschaft zur Folge, die etwa Kompensationsansprüche nach den §§ 304 f rechtfertigen könnte.483 Ganz im Gegenteil werden die begünstigte Gesellschaft, deren außenstehenden Aktionäre und Gläubiger durch die Verlustausgleichszusage lediglich begünstigt, nicht hingegen belastet. Eine Analogie zu einzelnen Norm der §§ 293 ff, 300 ff ist mit dem numerus clausus 179 der Unternehmensvertragstypen vereinbar, sofern eine Norm nach ihrer ratio auch bei einem Nicht-Unternehmensvertrag zur Anwendung kommen will. Von vornherein ausscheiden müssen allerdings Ansprüche nach den §§ 304 f, weil andernfalls ein Spruchverfahren durch private Vereinbarung herbeigeführt werden könnte.484 Ebenso wenig ist der Verlustübernahmevertrag von der Hauptversammlung der Untergesellschaft zu billigen (§ 293 Abs 1) und ins Handelsregister einzutragen (§ 294).485 Jedoch findet § 293 Abs 2 entsprechende Anwendung, wenn eine AG oder KGaA sich in einer Verlustübernahmevereinbarung verpflichtet oder eine unlimitierte Verlustdeckungszusage abgibt (§ 293, 102). Dessen ungeachtet besteht auch im Unternehmensvertragsrecht grundsätzlich Ver180 tragsfreiheit (Rdn 38). Mangels gegenläufiger konzernrechtlicher Schutzerwägungen steht es den Parteien damit frei, einen Verlustübernahmevertrag als Gewinnabführungsvertrag zu vereinbaren.486 Dann jedoch ist der andere Vertragsteil auch für die gesetzlich angeordneten Risikoübernahmepflichten (§§ 302 f) und Kompensationsansprüche (§§ 304 f) einstandspflichtig.

VI. Geschäftsführungsvertrag (Abs 1 Satz 2) 1. Entstehungsgeschichte

181

Dem AktG 1937 war der Begriff des Geschäftsführungsvertrags noch nicht bekannt, doch verlangte § 256 Abs 2 Var 3 die Zustimmung der Hauptversammlung zu einem Vertrag, in dem die Gesellschaft „ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen zu führen

481

Ganz hM; OLG Celle AG 1984, 266, 268 f = WM 1984, 494, 497; MünchKommAktG/Altmeppen3 163; Emmerich/Habersack6 63; Emmerich/Habersack9 § 12, 16; Hüffer10 28; KK/Koppensteiner3 80; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 3; K Schmidt in: FS Werner 1984, S 777, 785 ff; Geßler/ Geßler 17 ff; Geßler/Kropff § 316, 5; Koppensteiner Internationale Unternehmen, S 253 f; Luchterhandt, S 179 ff; Haesen Abhängigkeitsbericht, S 62 ff; aA Bachmayr BB 1967, 135, 137 f; weitgehend zustimmend Werner NB 1967, H 4, 1, 17 f; Rasch Konzernrecht5, S 143 f.

482 483

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AA Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 42. MünchKommAktG/Altmeppen3 163; Emmerich/Habersack6 63; Emmerich/ Habersack § 12, 16; Hüffer10 28; KK/Koppensteiner3 80; Koppensteiner Internationale Unternehmen, S 253 f; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 3; K Schmidt in: FS Werner 1984, S 777, 789; Luchterhandt Konzernrecht, S 179 ff. KK/Koppensteiner3 80; Koppensteiner Internationale Unternehmen, S 294 unter Bezugnahme auf Werner NB 1967, H 4, 1, 17 f. AA KK/Koppensteiner3 § 294, 4. MünchKommAktG/Altmeppen3 163.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

übernimmt“.487 Zudem waren bereits damals Vereinbarungen anzutreffen, worin sich die Organgesellschaft dazu verpflichtete, ihre Geschäfte für Rechnung des Organträgers zu führen.488 Dadurch sollte die für die Anerkennung einer steuerlichen Organschaft inzwischen entbehrliche (Rdn 12) wirtschaftliche Eingliederung bewerkstelligt werden. Im Regierungsentwurf des AktG 1965 wurde der so bezeichnete Geschäftsführungsvertrag als wirtschaftlich dem Gewinnabführungsvertrag vergleichbare Geschäftsführung im eigenen Namen für Rechnung des herrschenden Unternehmens zunächst den anderen Unternehmensverträgen des § 292 (Abs 1 Nr 4 RegE) in der Annahme zugeordnet, es handle sich um eine „Geschäftsführung gegen Entgelt, wie sie auch zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen vereinbart werden könnte“.489 Nachdem man später die praktische Bedeutungslosigkeit solcher entgeltlicher Vereinbarungen erkannte, verzichtete man auf die ursprünglich vorgesehene Vorschrift des § 292 Abs 1 Nr 4 RegE und begnügte sich mit der Einfügung des jetzigen § 291 Abs 1 Satz 2.490 Hierbei entfiel dann aber sowohl die Vertragsbezeichnung als auch das Erfordernis des Handelns im eigenen Namen. 2. Vertragsinhalt und rechtliche Behandlung § 291 Abs 1 Satz 2 setzt die einhellig als Geschäftsführungsvertrag491 bezeichnete 182 Verpflichtung einer AG oder KGaA, „ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen“, im Wege einer Fiktion dem Gewinnabführungsvertrag gleich und unterstellt sie damit kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung492 dessen Regelungsregime. Mangels steuerlicher Anerkennung kommt dieser Vertragstyp in der Praxis bislang kaum vor.493 a) Geschäftsführung für fremde Rechnung. Die die Fiktion des § 291 Abs 1 Satz 2 183 veranlassende Unterstellung, dass Geschäftsführungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag zum selben wirtschaftlichen Ergebnis kommen,494 legt auch den Umfang der vertragsgegenständlichen Tätigkeitspflicht fest.495 Damit bei der verpflichteten Gesellschaft kein Geschäftsergebnis anfällt, muss sich die Fremdgeschäftsführungspflicht auf deren gesamte geschäftliche Unternehmenstätigkeit beziehen.496 Für fremde Rechnung, also die des anderen Unternehmens, sind damit nicht nur einzelne, sondern sämtliche Betriebe und Geschäfte der verpflichteten Gesellschaft zu führen; das schließt sogar andere Ertrags- und Aufwandsarten, etwa Beteiligungen, ein.497 Der Geschäftsführungsvertrag begründet ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, bei dem 184 die verpflichtete Gesellschaft fremdnützig tätig wird. Es handelt sich damit um einen Auftragsvertrag, so dass die §§ 662 ff BGB subsidiär neben den konzernrechtlichen Son-

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Missverständlich daher MünchKommAktG/ Altmeppen3 170. AusschussB in: Kropff AktG, S 377; DJTKonzernrecht Rdn 126. AusschussB in: Kropff AktG, S 377. AusschussB in: Kropff AktG, S 377. Vertragsmuster bei Luther/Happ FormKomm Bd II, Form 2123. Zu den Implikationen dieser Regelungstechnik für den numerus clausus der Unternehmensverträge s Vorbem 7 zu §§ 291 ff. Emmerich/Habersack9 § 12, 24; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 1; Knepper BB 1982,

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2061, 2062; s aber BGH WM 2004, 228 = AG 2004, 205 = NZG 2004, 185, wo ein solcher Vertrag zwischen der Berliner Kraftwerke AG und einer anderen Gesellschaft des Landes Berlin streitgegenständlich war. AusschussB in: Kropff AktG, S 377. KK/Koppensteiner3 82. MünchKommAktG/Altmeppen3 173; Hüffer10 31; KK/Koppensteiner3 82; Heidel/ Peres3 80; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 10; Geßler/Geßler 89. KK/Koppensteiner3 82.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

dernormen heranzuziehen sind.498 Hierzu gehört entgegen ganz herrschender Meinung auch ein sich auf vorteilhafte und neutrale Weisungen beschränkendes Weisungsrecht des anderen Vertragsteils gegenüber der verpflichteten Gesellschaft nach § 665 BGB.499 Unbehelflich wäre demgegenüber der ohnehin unzutreffende (Rdn 21 ff) Verweis auf den Charakter der Unternehmensverträge des § 291 als Organisationsvertrag.500 Auch kann keine Rede davon sein, dass die beherrschungsvertragliche Leitungsgewalt nach § 308 vom auftragsrechtlichen Weisungsrecht nicht sinnvoll abgegrenzt werden könne501 und ein Geschäftsführungsvertrag folglich immer auch an den Anforderungen an einen Beherrschungsvertrag und dessen Zustandekommen zu messen wäre,502 was der Gleichstellungsfiktion des § 291 Abs 1 Satz 2 ersichtlich zuwiderliefe. Denn Weisungen nach § 308 sollen den Vorstand der verpflichteten Gesellschaft unmittelbar binden – wenn auch nur aufgrund einer vom Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 bewirkten Modifikation des § 76 Abs 1 (Rdn 26) –, wogegen das Weisungsrecht nach § 665 BGB nur im Außenverhältnis der beiden Vertragsparteien besteht. Im Falle von Weisungen nach § 665 BGB hat der Vorstand also weiterhin den Gesellschaftszweck und den Pflichtenrahmen der §§ 76 Abs 1, 93 zu wahren, so dass er nachteilige Weisungen unbeschadet der Lockerung der Vermögensbindung nach § 291 Abs 3 nicht beachten darf; es fehlt gerade an einer weitergehenden Umgestaltung der Zweck-, Organisations- und Haftungsverfassung, wie ihn der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 zu einem Beherrschungsvertrag ins Werk setzt. Angesichts dessen geht auch der weitere, gegen ein Weisungsrecht erhobene Einwand ins Leere, dass im Falle einer Weisung nach § 665 BGB die durch die §§ 308 ff konzernrechtlich geschützten Interessen der verpflichteten Gesellschaft und ihrer außenstehenden Aktionäre und Gläubiger im Falle einer Weisung nach § 665 BGB unberücksichtigt blieben.503 Nach alledem ist das andere Unternehmen eines isolierten Geschäftsführungsvertrags aus dem Auftragsverhältnis berechtigt, für die verpflichtete Gesellschaft vorteilhafte oder neutrale Weisungen mit bindender Wirkung zu erteilen; seine unverbindlichen nachteiligen Einflussnahmen beurteilen sich nach den §§ 311 ff.504 Die verpflichtete Gesellschaft betreibt ihre Geschäfte nach legislatorischer Vorstellung 185 zwar für Rechnung des anderen Vertragsteils, aber nicht in dessen Namen, sondern im eigenen Namen.505 Diese Gestaltung bildet jedoch keine notwendige Voraussetzung eines Geschäftsführungsvertrags.506 Vielmehr kann auch eine Geschäftsführung im Namen des anderen Unternehmens genügen. Der Gesetzgeber hat entgegen seinem ursprünglichen

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500 501 502 503 504

So oder so ähnlich Emmerich/Habersack6 72; Emmerich/Habersack9 § 12, 24; KK/Koppensteiner3 87; MünchKommAktG/Altmeppen3 181; Hüffer10 32. IE auch van Venrooy Betrieb 1981, 675, 677 ff; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 181; Emmerich/Habersack6 72; Emmerich/Habersack9 § 12, 24; Hüffer10 32; KK/Koppensteiner3 88; Heidel/Peres3 77; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 16; Geßler/ Geßler 94; ähnlich OLG Karlsruhe NJW 1967, 831, 832 = AG 1967, 202. Insoweit auch KK/Koppensteiner3 87. Näher KK/Koppensteiner3 87 f. KK/Koppensteiner3 87. So aber KK/Koppensteiner3 88. Vereinbarkeit von Weisungen mit § 311 in

505 506

diesem Zusammenhang eher befürwortend KK/Koppensteiner3 88; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 181; vgl auch Emmerich/Habersack6 72; Hüffer10 32. AusschussB in: Kropff AktG, S 377. Ganz hM; s nur MünchKommAktG/Altmeppen3 174; Emmerich/Habersack6 68; Emmerich/Habersack9 § 12, 21 f; Hüffer10 31; KK/Koppensteiner3 83; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 23, § 71, 10; Geßler Betrieb 1965, 1691, 1693; Geßler/Geßler 90; Fikentscher Interessengemeinschaft, S 25 f; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 58; aA van Venrooy Betrieb 1981, 675, 677 mit Fn 28 (allenfalls Analogie zu den für einen Geschäftsführungsvertrag geltenden Regeln).

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Vorhaben das Erfordernis des Eigenhandelns nicht im Gesetzestext verankert.507 Vor allem aber macht es im Hinblick auf das qua Fiktion anzuwendende Regelungsregime des Gewinnabführungsvertrags keinen relevanten Unterschied, ob die Untergesellschaft im eigenen oder fremden Namen fremdnützig tätig wird; die wirtschaftlichen Auswirkungen und damit das Regelungsproblem sind vielmehr identisch.508 b) Unentgeltlichkeit. Als Geschäftsführungsvertrag des § 291 Abs 1 Satz 2 darf die 186 Vereinbarung dem herrschenden Unternehmen keinerlei Entgelt aufbürden.509 Dieses Unentgeltlichkeitspostulat betrifft allerdings nur Gegenleistungen zur vertragstypischen Geschäftsführungspflicht der verpflichteten Gesellschaft; unberührt bleiben Dividendengarantien des herrschenden Unternehmens zugunsten außenstehender Aktionäre, soweit sie aus gesetzlichen Kompensationsansprüchen der §§ 304 f herrühren.510 c) Zusätzliche Vertragsinhalte. Für die weiteren Vertragsinhalte kann ausweislich der 187 gesetzlichen Fiktion auf die Ausführungen zum Gewinnabführungsvertrag verwiesen werden (Rdn 150 ff). Entsprechend muss auch der Geschäftsführungsvertrag einen Ausgleich nach § 304 für die außenstehenden Aktionäre vorsehen (arg § 304 Abs 3 Satz 1), nicht aber notwendig eine Abfindungsregelung nach § 305 enthalten.511 3. Abgrenzungsfragen Ob eine Vereinbarung als Geschäftsführungsvertrag zu qualifizieren ist, beurteilt sich 188 wie durchweg im Unternehmensvertragsrecht (Vorbem 9 zu §§ 291 ff) in materieller Betrachtungsweise des objektiven Vertragsinhalts. Damit kommt es weder auf die Übernahme der Gesetzesformulierung noch auf die ohnehin nicht legal normierte Vertragsbezeichnung an.512 Die Abgrenzung zum Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2) ist kon- 189 zernrechtlich allenfalls von untergeordneter Bedeutung, da die gesetzliche Fiktion des § 291 Abs 1 Satz 2 die beiden Vertragstypen aufgrund ihrer Wirkungsidentität gleichstellt. Gleichwohl unterscheiden sich die jeweiligen Vertragsinhalte erheblich. Beim Gewinnabführungsvertrag erfolgt die Geschäftsführung für eigene Rechnung und der Gewinn wird sodann abgeführt, während beim Geschäftsführungsvertrag der Geschäftsbetrieb von vornherein für fremde Rechnung geführt wird.513 Die Abgrenzung vom Beherrschungsvertrag (§ 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1) orientiert sich daran, dass für den anderen Vertragsteil ein Weisungsrecht zur Konkretisierung des Anspruchs auf Tätigwerden der Gesellschaft eingeräumt wird, kraft dessen er für den Vorstand der verpflichteten Gesellschaft verbindliche Weisungen – auch nachteiliger Art – erteilen kann514 (Rdn 64).

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MünchKommAktG/Altmeppen3 174. KK/Koppensteiner3 83. Ganz hM; MünchKommAktG/Altmeppen3 184; Emmerich/Habersack6 68; Emmerich/Habersack9 § 12, 22; Hüffer10 31; KK/Koppensteiner3 84; Heidel/Peres3 77; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 10; SchulzeOsterloh ZGR 1974, 427, 452 f, 455; van Venrooy Betrieb 1981, 675, 678; v Godin/Wilhelmi 4 4; Knepper BB 1982, 2061, 2063; aA Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 222 f; Geßler/Geßler 92.

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KK/Koppensteiner3 84. Zumindest missverständlich MünchHdbAG/ Krieger3 § 71, 10. Zum Geschäftsführungsvertrag auch MünchKommAktG/Altmeppen3 175, der vorsorglich zur Verwendung der ubiquitären Vertragsbezeichnung anrät. MünchKommAktG/Altmeppen3 187. AA MünchKommAktG/Altmeppen3 188.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

190

Im Unterschied zu den betriebsführungsbezogenen (anderen) Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 Nr 3 wird beim notwendig unentgeltlichen (Rdn 186) Geschäftsführungsvertrag keinerlei Gegenleistung erbracht.515 Der Betriebsführungsvertrag im Besonderen stellt geradezu die Inversion eines Geschäftsführungsvertrags dar.516 Während bei jenem der andere Vertragsteil das fremde Unternehmen (der Gesellschaft) für (ihre) fremde Rechnung führt (§ 292, 140), übernimmt dies hier die Gesellschaft selbst, jedoch für fremde Rechnung des anderen Vertragsteils. Bei einer sog Produktion für fremde Rechnung bestimmt die konkrete Ausgestaltung 191 im Einzelfall darüber, ob bei einer materiellen Betrachtungsweise des Vertragsinhalts die Ähnlichkeit zum Geschäftsführungsvertrag überwiegt.517 Ist darin Weisungsgebundenheit der (fremdproduzierenden) verpflichteten Gesellschaft gewollt, kann es sich nämlich auch um einen Beherrschungsvertrag handeln.518 4. Rechte und Pflichten der Parteien

192

Für die rechtliche Behandlung von Geschäftsführungsverträgen ist entsprechend der gesetzlichen Fiktion auf die Ausführungen zum Gewinnabführungsvertrag zu verweisen.519 Im Folgenden sind spezifische Folgen des Geschäftsführungsvertrags zu behandeln.

193

a) Übertragung des für fremde Rechnung erwirtschafteten Ergebnisses. Aus der Natur des Geschäftsführungsvertrags als Auftragsverhältnis folgt zunächst, dass den Kontrahenten wechselseitige Ansprüche auf Gewinnabführung einerseits (§ 667 BGB) und Verlustübernahme andererseits (§ 670 BGB) zukommen.520 Dem Grunde nach ist also das positive oder negative Ergebnis eines jeden Geschäftsvorfalls dem anderen Vertragsteil als Geschäftsherr zuzurechnen.521 Bei der bilanziellen Umsetzung dieses Ausgangsbefunds ergeben sich allerdings Zwei194 felsfragen. Gegen eine sukzessive Einzelübertragung während des Geschäftsjahres streitet entscheidend § 59, welcher von der Nichtanwendbarkeitsnorm des § 291 Abs 3 nicht in Bezug genommen ist.522 Dass die Ausschlussvorschrift die Kapitalbindung in der verpflichteten Gesellschaft generell aufhebe, was auch für § 59 gelten müsse,523 kann zumal nach der auf größere Rechtssicherheit abzielenden Neufassung des § 291 Abs 3 durch das MoMiG (Rdn 7) nicht überzeugen; insoweit bewendete es nämlich gerade beim bisherigen Wortlaut. Eine Parallelisierung mit dem Beherrschungsvertrag, der einen Vermögenstransfer im laufenden Geschäftsjahr gestatte, obwohl auch insoweit § 59 nicht außer Kraft gesetzt ist;524 scheitert hingegen an § 291 Abs 1 Satz 2, der eine Gleichstellung mit dem Gewinnabführungs- und nicht dem Beherrschungsvertrag fingiert. 515

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In Abgrenzung zum Betriebsüberlassungsvertrag näher MünchKommAktG/Altmeppen3 189 f. Ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 191; Emmerich/Habersack6 69; Emmerich/Habersack9 § 12, 23; Hüffer10 33; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 9 aE; s auch Heidel/Peres3 78. Emmerich/Habersack6 70; Hüffer10 33; Geßler/Geßler 96 f. Dazu Hüffer10 33; Geßler/Geßler 96 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 176; Emmerich/Habersack6 71. S etwa MünchKommAktG/Altmeppen3 176;

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Emmerich/Habersack6 67; Emmerich/ Habersack9 § 12, 21; Hüffer10 30. Unmittelbare Zurechnung erfolgt unproblematisch im untypischen Fall der Geschäftsführung nicht nur für Rechnung, sondern auch im Namen des anderen Unternehmens (dazu Rdn 185); KK/Koppensteiner3 85. Emmerich/Habersack6 71; Emmerich/ Habersack9 § 12, 21; Hüffer10 30; KK/Koppensteiner3 85; van Venrooy Betrieb 1981, 675, 676 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 179. MünchKommAktG/Altmeppen3 179.

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

In Umsetzung der gesetzliche Fiktion des § 291 Abs 1 Satz 2 ist damit das Gesamt- 195 ergebnis aus Verbindlichkeiten (§ 667 BGB) und Forderungen (§ 670 BGB) als fiktives Jahresergebnis zum Ende des Geschäftsjahres bei der verpflichteten Gesellschaft zu ermitteln,525 um es dann auf die andere Gesellschaft zu übertragen. Nur so lässt sich eine Umgehung der §§ 300, 301 mittels eines Geschäftsführungsvertrags verhindern. Bei dieser Betrachtungsweise kann im Falle eines fiktiven Jahresüberschusses die Rücklagenbildung nach § 300 Nr 1 durch Erstellung einer Vorbilanz sinnvoll vorgenommen werden.526 Dem begegnen auch keine grundsätzlichen Bedenken,527 da auch beim Gewinnabführungsvertrag an einen fiktiven Jahresabschluss angeknüpft wird. Daher ist es nicht angezeigt, jedem Aktivposten aus der Geschäftsführung eine Verpflichtung zugunsten des anderen Unternehmens und jedem Passivposten eine Forderung gegen das andere Unternehmen gegenüberzustellen,528 und damit ein Konzept heranzuziehen, das keine immanente Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Gewinnabführungsund Geschäftsführungsvertrag bereithält. Für § 301 schließlich kann bezogen auf Geschäftsführungsverträge nichts anderes gel- 196 ten.529 Der Höchstbetrag lässt sich über eine fiktive Gesamtergebnisermittlung im Wege einer Vorbilanz feststellen.530 Nur so wird auch dem Schutzzweck des § 301 bei dem gleichgestellten Geschäftsführungsvertrag (§ 291 Abs 1 Satz 2) hinreichend Rechnung getragen. b) Weitere Vertragspflichten. Die zur fremdnützigen Geschäftsführung verpflichtete 197 Gesellschaft ist angesichts des Auftragscharakters im Außenverhältnis gegenüber dem anderen Vertragsteil verpflichtet, ihre Geschäfte so zu betreiben, dass dabei möglichst positive Ergebnisse anfallen.531 Für diese Pflicht zur gewinnerzielenden Unternehmensführung hat der Vorstand der verpflichteten Gesellschaft gegenüber dieser im Innenverhältnis nach den §§ 76, 93 einzustehen.532 Das auftragsrechtliche Weisungsrecht des anderen Vertragsteils nach § 665 BGB 198 beschränkt sich nach der Teleologie des beherrschungsvertraglichen Regelungsregimes auf solche Weisungen, die für die verpflichtete Gesellschaft vorteilhaft oder jedenfalls neutral sind (Rdn 184) und die daher von ihr zu befolgen sind.

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Emmerich/Habersack6 71; Emmerich/ Habersack9 § 12, 21 ff; Hüffer10 30; van Venrooy Betrieb 1981, 675, 676 f; Geßler/Geßler 89; K Schmidt/Lutter/ Stephan2 § 300, 20; wohl auch MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 9 und 18; zu dieser Vorgehensweise aus historischer Sicht Erlinghagen Organschaftsvertrag, S 24 ff. MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 18; Emmerich/Habersack6 § 300, 15; Hüffer10 § 300, 6; Adler/Düring/Schmaltz Rechnungslegung, HGB § 300, 17 f; dazu krit MünchKommAktG/Altmeppen3 180: §§ 300 f lassen sich auch dann sinnvoll praktizieren, wenn jeder Geschäftsvorfall bei der Organgesellschaft bilanztechnisch so erfasst wird, dass er für Rechnung des Organträgers erfolgt; s auch Hirte in diesem Kommentar, § 300, 45 f. So KK/Koppensteiner3 85.

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So KK/Koppensteiner3 85, der § 300, 7 aE einräumt, dass der Weg über die Erstellung einer Vorbilanz durchaus in Betracht zu ziehen sei. Emmerich/Habersack6 § 301, 6; K Schmidt/ Lutter/Stephan2 § 301, 13; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 301, 5; MünchHdbAG/ Krieger3 § 71, 23; Spindler/Stilz/Veil 2 § 301, 5; aA – inkonsequent – Hüffer10 § 300, 5 (Anwendbarkeit bejahend), § 301, 2 (Anwendbarkeit verneinend); s auch Hirte in diesem Kommentar § 301, 33. So auch Emmerich/Habersack6 § 301, 6. Emmerich/Habersack6 72; KK/Koppensteiner3 86; vgl dazu auch van Venrooy Betrieb 1981, 675, 680 f (für Gewinnabführungsverträge). So KK/Koppensteiner3 86.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

5. Entgeltlicher Geschäftsführungsvertrag Der entgeltliche Geschäftsführungsvertrag ist kein Fall des § 291. Entstehungsgeschichtlich spricht hierfür, dass das ursprüngliche Regelungsvorhaben in Gestalt des § 292 Abs 1 Nr 4 RegE des AktG 1965 im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben wurde (Rdn 181). Zudem determiniert die gesetzliche Fiktion des § 291 Abs 1 Satz 2, die eine auch tatbestandliche Wirkungsgleichheit erfordert, dass beim Geschäftsführungsvertrag ebenfalls kein noch so marginaler Restgewinn verbleiben darf (Rdn 186).533 Damit einher geht die gesetzliche Konzeption der Verträge des § 291 Abs 1 als wirtschaftlichen Fusionstatbeständen, denen im Gegensatz zu den anderen Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 gerade kein Austauschcharakter zukommt.534 Schließlich ist zu bedenken, dass ein Entgelt als ein Ertrag der Geschäftstätigkeit der verpflichteten Gesellschaft wiederum an den anderen Vertragsteil abzuführen wäre. Der entgeltliche Geschäftsführungsvertrag ist als rein schuldrechtlicher Vertrag535 200 auch nicht als betriebsführungsbezogener anderer Unternehmensvertrag analog § 292 Abs 1 Nr 3 zu behandeln.536 Demgegenüber darauf zu verweisen, dass der historische Gesetzgeber von der ursprünglich beabsichtigten Regelung im Rahmen des § 292 nur abgesehen habe, weil er für eine rein theoretische Erscheinung gehalten wurde,537 unterschlägt die ausdrücklichen Bedenken des Gesetzgebers gegen eine Regelung in § 292.538 Gegenläufig streitet gegen eine analoge Anwendung bereits der numerus clausus der Unternehmensvertragstypen, der die Schaffung eines ungeschriebenen Unternehmensvertrags verbietet (Vorbem 8 zu §§ 291 ff). Zudem passt die Geschäftsführungsvereinbarung weder zu einem Betriebspacht- noch zu einem Betriebsüberlassungsvertrag, die beide gerade umgekehrt die Geschäftsführung des Betriebs auf den anderen Vertragsteil transferieren.539 Als Rechtsfolgen eines entgeltlichen Geschäftsführungsvertrags, sollte er einmal in der 201 Praxis vorkommen, sind unter (konzern)gesellschaftsrechtlichem Blickwinkel folgende Punkte zu erwähnen: Kontrahiert die Gesellschaft mit einem Aktionär, verlangt § 57 die Angemessenheit des Entgelts.540 Soweit die Geschäftsführung im Fremdinteresse eine Änderung des Unternehmensgegenstands erfordert, muss die Hauptversammlung der verpflichteten Gesellschaft einer Satzungsänderung zustimmen (§ 179 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 Abs 3 Nr 2).541 Im Übrigen kann sich die Hauptversammlungspflichtigkeit eines solchen Vertrags allenfalls einmal aus Holzmüller-Grundsätzen (§ 293, 227 ff) ergeben.542

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Gleichsinnig KK/Koppensteiner3 84; den entstehungsgeschichtlichen Aspekt überakzentuierend dagegen MünchKommAktG/ Altmeppen3 184. Ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 184; KK/Koppensteiner3 84. Hirte in diesem Kommentar, § 300, 46; Emmerich/Habersack6 68. Emmerich/Habersack6 68; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 186; KK/Koppensteiner3 § 292, 83; MünchHdbAG/Krieger3 § 71, 10. So MünchKommAktG/Altmeppen3 186. S AusschussB in: Kropff AktG, S 377: „Es

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erscheint nicht nur unnötig, sondern sogar bedenklich, ihn in § 292 zu regeln“. Ähnlich wie hier Emmerich/Habersack6 69; aA KK/Koppensteiner3 § 292, 83 mit dem Argument, im wirtschaftlichen Ergebnis unterscheide sich ein entgeltlicher Geschäftsführungsvertrag nicht signifikant von einer Kombination von Betriebspacht- und Betriebsführungsvertrag. Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 185. Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 185. So wohl Emmerich/Habersack6 68; s auch Heidel/Peres3 85.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

VII. Kombination mehrerer Unternehmensvertragsarten Kombinierte Unternehmensverträge in Form einer Kombination mehrerer Unterneh- 202 mensvertragsarten sind zulässig.543 Die §§ 291, 292 normieren lediglich einen numerus clausus der Unternehmensvertragstypen (Vorbem 7 zu §§ 291 ff), nicht aber weitergehend einen Typenzwang dergestalt, dass ein Unternehmensvertrag stets nur Merkmale enthalten dürfte, die ausschließlich einem Vertragstyp zuzuordnen sind.544 Klassischer Kombinationsfall war die Verbindung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zur Bildung einer steuerrechtlichen Organschaft (Rdn 57). Um die schwierige Abgrenzung der betriebsführungsbezogenen (anderen) Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 Nr 3 vom Beherrschungsvertrag entbehrlich zu machen, kommt auch eine solche Kombination in der Praxis wohl nicht selten vor.545 Ein Unternehmensvertrag muss bei einer Kombination mehrerer Vertragsarten die 203 jeweiligen Wirksamkeitsvoraussetzungen kumulativ erfüllen.546 Dementsprechend hat die Hauptversammlung sowohl dem Beherrschungsvertrag als auch etwa dem Betriebspachtvertrag nach § 293 Abs 1 zuzustimmen, wobei sich die beiden Beschlüsse freilich in einer Abstimmung verbinden lassen (§ 293, 55).547 Auch sind beide Unternehmensverträge nach § 294 Abs 1 ins Handelsregister einzutragen (§ 294, 19).548 Besteht der Beherrschungsvertrag bereits vor der zusätzlichen Vereinbarung eines Betriebspachtvertrags, bedarf es erst recht einer gesondert darauf bezogenen Hauptversammlungszustimmung nach § 293 Abs 1. Der Beherrschungsvertrag deckt nämlich keine mit der Pacht verbundene eigene Führung der Unternehmung der abhängigen Gesellschaft.549 Anders liegt es bei der Verbindung eines Beheherrschungs- mit einem Betriebsführungsvertrags, wenn man diesen entgegen der hM nicht als einen Unternehmensvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 ansieht (§ 292, 156 f). Dann bewendet es bei den für Beherrschungsverträge geltenden Anforderungen. Tritt neben den Beherrschungsvertrag ein von der Hauptversammlung konsentierter 204 Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs 1 Nr 3), ist damit auch eine intensivere Einflussmöglichkeit auf den Betrieb der abhängigen Gesellschaft legitimiert, die eine solche Kombination meist motiviert.550 Namentlich geht mit derartigen betriebs543

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MünchKommAktG/Altmeppen3 49, § 292, 140; Emmerich/Habersack6 § 292, 45; Emmerich/Habersack9 § 15, 24; Hüffer10 § 292, 21; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 41; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 164; Baumbach/Hueck13 1; Geßler/Geßler 34, § 292, 105 ff; Exner Beherrschungsvertrag, S 134 f; Vertragsmuster bei Luther/Happ FormKomm Bd II, Form 2141; speziell zum Betriebsführungsvertrag auf dem Boden der hM (dazu § 292, 162 f) MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 55; Huber ZHR 152 (1988), 123, 128 ff; aA Veelken S 199 ff, 217 f. KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 164; Baumbach/Hueck13 1; v Godin/Wilhelmi 4 Vorb §§ 291–328, 14; Geßler/Geßler 34. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 41, 55 (sogar dazu anratend in 38); KK/Koppensteiner3 § 292, 87 f; Emmerich/Habersack6 § 292, 60 f; vgl die Übersichten bei Maser Betriebs-

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pacht- und Betriebsüberlassungsverträge, S 124, 126. MünchKommAktG/Altmeppen3 49; Emmerich/Habersack6 § 292, 61; Emmerich/ Habersack9 § 15, 24; Hüffer10 § 292, 21; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 164; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 65; v Godin/ Wilhelmi4 Vorb §§ 291–328, 14; Baumbach/Hueck13 2; Geßler/Geßler 34; Huber ZHR 152 (1988), 123, 133 f. OLG Celle AG 1996, 370; LG Berlin AG 2001, 95, 96. KK/Koppensteiner3 § 292, 88; Hüffer10 § 292, 21; Emmerich/Habersack6 § 292, 45, MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 141; KK/Koppensteiner3 § 292, 87 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 140; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 42 f, 55; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 46.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

führungsbezogenen Unternehmensverträgen regelmäßig auch eine Bevollmächtigung des herrschenden Unternehmens einher, die vorbehaltlich der Wahrung des Konzerninteresses (sogleich Rdn 205) noch über die Grenzen des in § 308 bereitgestellten Weisungsrechts hinausgehen kann.551 Die Konzernspitze kann auf dieser Grundlage ohne den Umweg über den Vorstand der abhängigen Gesellschaft deren Mitarbeiter direkt anweisen;552 letztlich gehen aber meist ohnehin die Arbeitsverhältnisse auf das herrschende Unternehmen nach § 613a BGB über (näher § 292, 133), so dass letzterem das Direktionsrecht aus § 315 BGB unmittelbar zusteht. Auf der Ebene der Rechtsfolgen werden zur Sicherung der abhängigen Gesellschaft, 205 ihrer Gläubiger und außenstehender Aktionäre die Schutzvorkehrungen im betriebsführungsbezogenen Unternehmensvertrag (§ 292 Abs 1 Nr 3), insbesondere die §§ 292 Abs 3, 302 Abs 2, durch die weitergehenden beherrschungsvertraglichen Sicherungsmechanismen überlagert.553 Ferner hält die wohl hM an der Anwendung der §§ 308–310 fest, so dass der andere Vertragsteil auf Grund der Betriebspacht oder Betriebsüberlassung keine Maßnahmen veranlassen darf, die er nicht auch auf Grund des Beherrschungsvertrages anweisen könnte; dies betrifft vor allem nachteilige Maßnahmen, die nicht im Konzerninteresse liegen.554 Gegenläuft begreift eine Mindermeinung die beherrschungsvertragliche Folgepflicht und Haftung gemäß § 308 Abs 2, 3, §§ 309, 310 als zugunsten der Regelung im Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag modifiziert; Anknüpfungspunkt der Einflussnahme sei nämlich nicht mehr die Weisung an den Vorstand der abhängigen AG, sondern die konkrete Führung ihres Betriebs.555

VIII. Gleichordnungskonzernverträge (Abs 2) 1. Entstehungsgeschichte

206

Die Regelung des Gleichordnungskonzernvertrages in § 291 Abs 2 ist ohne Vorbild im AktG 1937. Ausweislich der Regierungsbegründung zum AktG 1965 ging es dem Gesetzgeber in erster Linie darum, die Subsumtion von Verträgen unter § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 beziehungsweise das Erkennen von Beherrschungsverträgen, deren Vorliegen im Einzelfall „zweifelhaft“ sein könne, in der Praxis zu erleichtern.556 Das Gesetz verwendet den Begriff des Gleichordnungskonzerns denn auch nicht als Definition, sondern in negativer Abgrenzung vom Beherrschungsvertrag.

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MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 140; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 42; Geßler/ Geßler § 292, 105; aA KK/Koppensteiner3 § 292, 87f (Vorstand der abhängigen Gesellschaft muss bevollmächtigtes Handeln am Maßstab von § 308 Abs 2 Satz 2 überprüfen können); ähnlich Exner Beherrschungsvertrag, S 134 f; offen Hüffer10 § 292, 21. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 42; aA wohl KK/Koppensteiner3 § 292, 87 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 142; Emmerich/Habersack6 § 292, 45; Emmerich/Habersack9 § 15, 24; Hüffer10 § 302, 22; KK/Koppensteiner3 § 292, 88; näher

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zum Unterschied zwischen Abs 1 und Abs 2 des § 302 Hirte in diesem Kommentar, § 302, 41 f. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 43; aA wohl K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 § 292, 46, die gegen eine Reduzierung der betriebspacht- oder betriebsüberlassungsvertraglichen Leitungskompetenzen auf den Umfang des Weisungsrechts nach § 308 plädiert. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 292, 140 aE; wohl auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 § 292, 46. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

2. Allgemeines Ein Gleichordnungskonzern entsteht gemäß § 18 Abs 2, wenn mehrere rechtlich 207 selbständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst werden, ohne voneinander abhängig zu sein.557 Zwischen Gleichordnungs- und Unterordnungskonzern besteht also ein Exklusivitätsverhältnis.558 Ist die einheitliche Leitung auf Grundlage eines Vertrages geregelt, spricht man von einem vertraglichen Gleichordnungskonzern, andernfalls von einem faktischen.559 Zu den Erscheinungsformen und der Bedeutung vertraglicher Gleichordnungskonzerne in der Praxs – etwa im Bereich der Versicherungswirtschaft oder unter dem Blickwinkel des Kartellrechts – Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 46 ff.560 3. Vertragsbeteiligte Vertragsbeteiligte können sämtliche „Unternehmen“ iS der §§ 18 Abs 2, 291 Abs 2 208 sein, neben Aktiengesellschaften also zB auch Gesellschaften mbH oder Personenhandelsgesellschaften.561 Schließen eine deutsche AG und ein ausländisches Unternehmen einen Gleichordnungskonzernvertrag, ist entscheidend, ob auch die andere Rechtsordnung die Unterstellung der jeweiligen Gesellschaften unter gemeinsame einheitliche Leitung gestattet.562 4. Rechtsnatur des Gleichordnungskonzernvertrags § 291 Abs 2 stellt klar, dass ein Gleichordnungskonzernvertrag – wohl mangels 209 Begründung vertragskonzernspezifischer Gefahren563 – jedenfalls kein Beherrschungsvertrag ist, und da er in den §§ 291, 292 auch im Übrigen keiner Regelung zugeführt wird, bildet er nach hM keinen Unternehmensvertrag sonstiger Art.564 Er sei vielmehr in aller Regel entsprechend der jeweils gewählten Vertragsarchitektur (Rdn 211) wie ein schuldrechtlicher Kontrakt zu behandeln,565 sofern er nicht zugleich Elemente anderer Unter557

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Näher Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 45; Emmerich/Habersack9 § 4, 30 f; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 80. Wie hier etwa Leuschner Konzernrecht, S 407 mwN; nach aA können auch Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns einen Gleichordnungskonzern bilden und auf diese Weise die Möglichkeit eines horizontalen Haftungsdurchgriffs begründen, s K Schmidt ZHR 155 (1991), 417, 436 ff; ders in: FS Lutter 2000, S 1167, 1186 ff; Veil Unternehmensverträge, S 107 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 211; Emmerich/Habersack6 § 18, 27; Emmerich/Habersack9 § 4, 35 f; MünchHdbAG/ Krieger3 81 ff; krit zu dieser Begriffsbildung („führt … nicht weiter“) Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 45; ferner Leuschner Konzernrecht, S 406, demzufolge vielfach ein konkludent geschlossener Gleichordnungskonzernvertrag oder gar ein Unterordnungskonzern vorliegt.

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S ferner Emmerich/Habersack6 § 18, 26; Emmerich/Habersack9 § 4, 33 f; Spindler/ Stilz/Veil 2 52; KK/Koppensteiner3 102; K Schmidt in: FS Lutter 2000, S. 1167, 1186; Timm/Messing, in: FS Hommelhoff 2012, S 1237, 1238 ff (Versicherungswirtschaft). S nur Emmerich/Habersack6 § 18, 35. Näher MünchKommAktG/Altmeppen3 225. So Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377; auch Heidel/Peres3 86; s aber MünchKommAktG/Altmeppen3 213 aE mwN. Hüffer10 34; KK/Koppensteiner3 104; Geßler in: FS Beitzke 1979, S 923, 924; Lutter Sonderbeilage Betrieb 1974, 41; Lutter/Drygala ZGR 1995, 557; Milde Gleichordnungskonzern, S 229; Wachter/ K J Müller 29; Würdinger Aktienrecht4, S 297. Hüffer10 35; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 85; MünchKommAktG/Altmeppen3 212; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 66 aE; s auch Emmerich/Habersack9 § 4, 35.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

nehmensverträge, etwa der Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs 1 Nr 1) oder der Betriebsüberlassung (§ 292 Abs 1 Nr 1), beinhalte.566 Die Gegenansicht versteht den Gleichordnungskonzernvertrag als Organisationsvertrag567 und qualifiziert ihn mitunter sogar analog § 292 Abs 1 Nr 3 als Unternehmensvertrag.568 Die Vertragsparteien seien freilich in jedem Falle verbundene Unternehmen iS von § 15, da sie einen Konzern bilden (§ 18).569 Stellungnahme: Der Gleichordnungskonzernvertrag ist vergleichbar den Unterneh210 mensverträgen der §§ 291 Abs 1, 292 (s Vorbem 6 zu §§ 291 ff) rechtskonstruktiv ebenfalls als strukturänderungsgestaltender Schuldvertrag zu klassifizieren. Der numerus clausus der Unternehmensverträge (Vorbem 7 ff zu §§ 291 ff) steht dem nicht etwa à liminie entgegen. § 291 Abs 2 beschränkt sich unter ausdrücklicher Nennung dieses Vertrags nach seinem eindeutigen Wortlauf vielmehr auf die Klarstellung, dass es sich dabei nicht um einen Beherrschungsvertrag handelt und lässt daher Raum für die Annahme, dass der Gleichordnungskonzernvertrag als Unternehmensvertrag nach § 291 Abs 2 zu behandeln ist. Die mit dem Vertragsschluss intendierte Unterstellung des betroffenen Unternehmens unter fremde Leitung – und sei es auch „nur“ eine einheitliche Leitung iS von § 18 Abs 2 – widerstreitet nämlich der zum Verbandszweck gehörenden Autonomie der normtypischen unabhängigen AG (s § 293, 44), deren Geschäftsführung auf Grundlage des Vertrages nicht länger am Eigeninteresse der Gesellschaft, sondern am gemeinsamen Interesse aller Beteiligten auszurichten ist.570 Dies impliziert die Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses (Rdn 213 f) nebst Eintragung in das Handelsregister (Rdn 215) zur Herbeiführung der erforderlichen Satzungsmodifikation571 und erhellt zugleich, dass die gegenläufige Einordnung als rein schuldrechtlicher Vertrag (Rdn 209) jedenfalls zu kurz greift. 5. Vertragsarchitektur und Vertragsschluss

211

Das konstitutive Merkmal der einheitlichen Leitung erfordert auch beim Gleichordnungskonzern, dass die Koordination der Geschäftsführung der beteiligten Unternehmen nicht nur auf einzelne Belange der Unternehmenspolitik oder auf einzelne Betriebe beschränkt bleibt, sondern wesentliche Leitungsfunktionen zum Zwecke der Entwicklung und Durchsetzung einer gemeinsamen Zielkonzeption erfasst (Rdn 68) 572 Vertragskonstruktiv lässt sich dies vor allem573 erreichen, indem die Parteien gemeinsame Leitungsorgane (Leitungsausschüsse) in beiden Unternehmen unter Begründung einer (zumindest partiellen) Personalunion installieren (erste Variante)574 oder ihre einheitliche 566 567

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Henssler/Strohn/Paschos 51; s auch Heidel/ Peres3 92 f; Geßler/Geßler 65. Raiser/Veil 5 § 57, 27; K Schmidt GesR4, § 17 III 3c (S 505); Veil Unternehmensverträge, S 276 ff; wohl auch Emmerich/ Habersack6 73 und § 18, 35. Veil Unternehmensverträge, S 279 f; Raiser/Veil5 § 57, 27; Spindler/Stilz/Veil 2 54, 56 f; aA KK/Koppensteiner3 104. MünchKommAktG/Altmeppen3 212. S auch Baumbach/Hueck/Zöllner19 GmbHG, SchlAnhKonzernR A I, 27 mwN („zwecktangierende Vereinbarung“); Wellkamp DB 1993, 2517, 2519. S schon Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 42 mit Fn 139. Emmerich/Habersack6 § 18, 27 ff (mit Bei-

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spielen); Emmerich/Habersack9 § 4, 31; Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 49 ff; KK/Koppensteiner3 § 18, 3 ff. Umfassend zur Gestaltung gemeinsamer Leitungsinstitutionen Milde Gleichordnungskonzern, S 110 ff; s auch Henssler/ Strohn/Maier-Reimer § 18 AktG, 10. Windbichler in diesem Kommentar, § 18, 52; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 81 f; Heidel/Peres3 88; MünchKommAktG/Bayer3 § 18, 53; K Schmidt GesR4, § 17 III 3 (S 503 f); Bürgers/Körber/Schenk2 29; Milde Gleichordnungskonzern, S 112; zur organisationsrechtlichen Absicherung der Gleichordnung auf Ebene der beteiligten Verbände durch Einbindung eines Vereins Leuschner Konzernrecht, S 406 ff.

Stand: 1. Oktober 2012

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Leitung einer gemeinschaftlich gebildeten Zentralgesellschaft in der Rechtsform einer Personen- oder Kapitalgesellschaft übertragen (zweite Variante).575 In der ersten Gestaltungsvariante begründet der Vertragsschluss ohne weiteres eine 212 GbR (§§ 705 ff BGB).576 Der Vertrag lässt sich nach hM durch die Vorstände der beteiligten Gesellschaften grundsätzlich formfrei und gegebenenfalls sogar konkludent anschließen.577 Da jedoch der Gleichordnungskonzernvertrag richtigerweise eines konsentierenden Hauptversammlungsbeschlusses (Rdn 213 f) und der Eintragung ins Handelsregister bedarf (Rdn 215), erscheint auch die Einhaltung der Schriftform analog § 293 Abs 3 unabdingbar. Die zweite Gestaltungsvariante in Form der Unterstellung der beteiligten Unternehmen unter die Leitung einer gemeinsamen Zentralgesellschaft wirft demgegenüber mit Blick auf § 23 Abs 5 vor allem die Frage auf, ob und gegebenenfalls in welchem Unfang und unter Beachtung welcher Kautelen dies ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages zulässig ist (Rdn 217 f).578 6. Hauptversammlungszustimmung und Eintragung a) Zustimmungserfordernis. Der Abschluss eines (reinen) Gleichordnungskonzern- 213 vertrages durch eine Aktiengesellschaft erfordert nach hM keine Zustimmung ihrer Hauptversammlung.579 Für eine analoge Anwendung des jedenfalls nicht direkt einschlägigen § 293 Abs 1, 2 sei bereits mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum, da der Gesetzgeber die Frage des Zustimmungserfordernisses im Gesetzgebungsverfahren durchaus erkannt und bewusst verneint habe.580 Auch bestehe keine Hauptversammlungskompetenz nach Maßgabe der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze, weil der Gleichordnungskonzernvertrag keine im Sinne der Rechtsprechung erforderliche (§ 293, 236 ff) Verkürzung von Mitverwaltungsrechten des Aktionariats (Mediatisierungseffekt) bewirke, sondern allenfalls eine Einschränkung der Organkompetenzen des Vorstands.581 Davon unberührt bleiben Zustimmungserfordernisse aufgrund allgemeiner, die Zuständigkeit

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MünchKommAktG/Bayer3 § 18, 53; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 81 f; Heidel/ Peres3 88; MünchKommAktG/Altmeppen3 223; gegen diese Möglichkeit Hölters/ Deilmann 66. Heidel/Peres3 89; s auch Emmerich/Habersack6 73; Spindler/Stilz/Veil 2 53; Raiser/ Veil 5 § 57, 27; Emmerich/Habsersack9 § 4, 35; Bürgers/Körber/Schenk2 29; Hölters/ Deilmann 64; Geßler/Geßler 66. K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 67; Hüffer10 35; MünchKommAktG/ Altmeppen3 213; Heidel/Peres3 94; Hölters/Deilmann 65; Geßler/Geßler 66. Vgl etwa K Schmidt ZHR 155 (1991), 417, 426 ff; Spindler/Stilz/Veil 2 55; ferner Heidel/Peres3 90 mwN. KK/Koppensteiner3 104 ff; Hüffer10 35; Kort in diesem Kommentar, § 76, 133; Bürgers/Körber/Schenk2 30; Henssler/ Strohn/Paschos 52; aA mit Unterschieden in der dogmatischen Begründung Raiser/Veil 5 § 57, 33; Spindler/Stilz/Veil 2 58; Emme-

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rich/Habersack6 § 18, 35; Emmerich/Habersack9 § 4, 40; K Schmidt in: FS Rittner 1991, S 561, 576 f; ders ZHR 155 (1991), 417, 427; Timm Aktiengesellschaft, S 150 ff; Veil Unternehmensverträge, S 279 f (auf Grundlage einer Analogie zu § 292 Abs 1 Nr 3); wohl auch Grüner NZG 2000, 601, 602. So – jeweils unter Verweis auf Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377 – MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 87; Milde Gleichordnungskonzern, S 230; MünchKommAktG/Altmeppen3 214 mwN in Fn 373. K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 67; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 389; KK/Koppensteiner3 104 f; MünchHdbAG/ Krieger3 § 68, 87; Hölters/Deilmann 65; Milde Gleichordnungskonzern, S 229 f; vgl auch Leuschner Konzernrecht, S 409; aA Emmerich/Habersack9 § 4, 40; Bürgers/Körber/Schenk2 30; MünchKommAktG/Altmeppen3 215.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

der Hauptversammlung begründender Gesichtspunkte, etwa wenn der Gleichordnungskonzernvertrag eine Verpflichtung zur Vermögensübertragung nach § 179a beinhaltet582 oder der satzungsgemäße Unternehmensgegenstand infolge der konkreten Leitungskoordination im Sinne einer faktischen Satzungsänderung583 nicht mehr (selbständig) durch die Gesellschaft ausgefüllt werden könnte.584 Stellungnahme: Entgegen der hM bedarf es zum Abschluss eines Gleichordnungskon214 zernvertrages stets eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses mit zumindest qualifizierter Mehrheit. Dies ergibt sich zwar mangels Mediatisierungseffekts beziehungsweise – nach hiesiger Konzeption entscheidender (§ 293, 216, 218) – mangels Beeinträchtigung der Vermögensinteressen der (Alt-)Aktionäre zugunsten außenstehender Dritter nicht aus den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen. Da aber die Unterstellung unter fremde Leitung (§ 18 Abs 2) der zum Verbandszweck gehörenden Autonomie der normtypischen unabhängigen AG widerstreitet (oben Rdn 210), bedarf der Gleichordnungskonzernvertrag stets der Zustimmung des Aktionariats, um die entsprechenden Änderungen des Regelungsstatuts der AG korporationsrechtlich in Geltung zu setzen (vgl Vorbem 6 zu §§ 291 ff). Insoweit verdient dann die entsprechende Anwendung der speziell auf Strukturmaßnahmen zugeschnittenen §§ 293 Abs 1, 319 Abs 1 Satz 1, 320 Abs 1 Satz 1 den Vorzug585 gegenüber dem Rückgriff auf die allgemeine, die Zustimmung aller Aktionäre erfordernden Regelung des § 33 Abs 1 Satz 2 BGB. Dass der Gesetzgeber die Frage des Zustimmungserfordernisses im Gesetzgebungsverfahren generell verneint habe, ist bei näherem Zusehen unzutreffend: Die Begründung zum RegE erklärt lediglich, weshalb ein Gleichordnungskonzernvertrag kein Beherrschungsvertrag ist und hebt sodann berechtigterweise hervor, dass es jedenfalls bei Verbindung mit einer Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs 1 Nr 1) eines Zustimmungsbeschlusses nach § 293 bedarf.586 Dies schließt jedoch eine Herleitung des Zustimmungsvorbehalts aus anders gelagerten Gründen nicht aus.

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b) Eintragungserfordernis. Für den Gleichordnungskonzernvertrag verlangt die hM keine Eintragung nach § 294, da die §§ 293 ff mangels dessen Unternehmensvertragsqualität (Rdn 209) generell unanwendbar seien.587 Demgegenüber bedarf es konsequenterweise auch der Eintragung in das Handelsregister, und zwar wiederum in entsprechender Anwendung der speziell auf Strukturmaßnahmen zugeschnittenen Vorschriften, namentlich analog den §§ 294, 319 Abs 4,588 wenn man die Zustimmung der Hauptversammlung verlangt (Rdn 214). 7. Konzernleitung und Haftung

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a) Weisungsrecht. Probleme bereitet die mit dem Abschluss des Vertrages typischerweise verbundene Einschränkung der Leitungsautonomie des Vorstands. Eine gänzlich eigenständige Geschäftsleitung iS von § 76 Abs 1 ist nicht länger möglich; es bedarf eines konzertierten Vorgehens mit den anderen Konzerngliedern, welches je nach Vertragsarchitektur (Rdn 211) mehr oder weniger intensiv ausfällt und einzelne Parteien gegebe582

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S BGHZ 82, 188 = WM 1982, 86; Raiser/ Veil 5 § 57, 33; Emmerich/Habersack9 § 4, 40. Näher hierzu Wiedemann in diesem Kommentar, § 179, 93 ff; Hüffer10 § 179, 9. So zu Recht Heidel/Peres3 95, allerdings unter für diesen Fall wenig überzeugender Heranziehung der Holzmüller/GelatineGrundsätze.

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Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 42 mit Fn 139; ferner Timm Aktiengesellschaft, S 151 ff. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 377. KK/Koppensteiner3 4; Hüffer 10 § 18, 20; Hölters/Deilmann 65; Wachter/K J Müller 29; s auch Geßler/Geßler 66. IE etwa auch Wellkamp DB 1993, 2517, 2519.

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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

nenfalls zugunsten anderer benachteiligt.589 Vor allem bei der Gestaltungsvariante einer gemeinschaftlich gebildeten Zentralgesellschaft stellt sich die Frage, inwieweit sich eine leitungsübertragende Verbindlichkeit von Weisungen dieses Leitungsorgans gegenüber den verbundenen Unternehmen, und zwar insbesondere nachteiliger Weisungen, vereinbaren lässt. Der eine Eckpunkt im uneinheitlichen Schrifttum versteht einen mit Weisungsrechten 217 versehenen Gleichordnungsvertrag nicht als solchen, sondern vielmehr als Beherrschungsvertrag, welcher in aller Regel mangels Erfüllung der entsprechenden Wirksamkeitsvoraussetzungen (Rdn 213 ff) nichtig sei, so dass die §§ 311 ff gegebenenfalls unmittelbare Anwendung finden könnten.590 Das überwiegende Schrifttum geht demgegenüber von einem generellen Schädigungsverbot aus591 und lehnt die Vereinbarung von Folgepflichten zumindest für nachteilige Weisungen ab.592 Vereinzelt werden sogar bindende Weisungen jedweder Art für unzulässig erachtet; möglich seien lediglich unverbindliche Empfehlungen.593 Ausnahmen werden für den Fall erwogen, dass der Gleichordnungskonzernvertrag auf einem zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss beruht. Die Situation sei dann mit der eines Unterordnungskonzerns vergleichbar, so dass eine Analogie zu § 308 in Betracht komme – allerdings müsse dann auch über effektiven Gläubiger- und Minderheitenschutz iS der §§ 302–305 nachgedacht werden.594 Der andere Eckpunkt im Schrifttum bejaht die uneingeschränkte Zulässigkeit von Weisungsrechten im Gleichordnungskonzern; § 76 Abs 1 werde durch § 291 Abs 2 vollständig derogiert.595 Stellungnahme: Ein vertragliches Weisungsrecht kann ohne sanktionierenden Haupt- 218 versammlungsbeschluss nicht wirksam bedungen werden, da diesem für den Bestand des Gleichordnungskonzerns konstitutive Bedeutung zukommt (Rdn 213 f). Unter dieser Prämisse ist die Erteilung neutraler oder vorteilhafter Weisungen sowie die Vereinbarung einer entsprechenden Folgepflicht aber möglich, zumal eine einheitliche Leitung iS von § 291 Abs 2 sich auf der Grundlage bloßer Empfehlungen wohl nur schwer praktizieren ließe. Gegenläufig sind nachteilige Weisungen nicht beziehungsweise nur aufgrund eines Beherrschungsvertrages zulässig, was § 308 Abs 1 Satz 2 implizit zum Ausdruck bringt. b) Haftung. Kommt es zur Befolgung unzulässiger Weisungen, werden eine Verlust- 219 ausgleichspflicht samt Ausfallhaftung des anderen Vertragsteils im Sinne einer horizontalen Verlustgemeinschaft (§§ 302, 303 analog),596 vertragliche Schadensersatzansprüche597 589

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Anschaulich Semler/Stengel/Koerfer3 UmwG, Anh § 119, 133 f; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 388 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 221 f. Lutter/Drygala ZGR 1995, 557, 565 ff; Emmerich/Habersack9 § 4, 41 ff; Milde Gleichordnungskonzern, S 139 ff; vgl zudem Leuschner Konzernrecht, S 410 f. Emmerich/Habersack9 § 4, 41; Hölters/ Deilmann 65; Bürgers/Körber/Schenk2 31; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 90; Gromann Gleichordnungskonzern, S 56 ff; Lutter/ Drygala ZGR 1995, 557, 559 ff; wohl auch Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 389. – Heidel/Peres3 91 empfiehlt, eine Folgepflicht für nachteilige Weisungen im Gleichordnungskonzernvertrag vorsichtshalber auszuschließen.

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In diesem Sinne wohl Rasch Konzernrecht5, S 109 f. S Emmerich/Habersack9 § 4, 41; Emmerich/Habersack6 § 18, 36. KK/Koppensteiner3 103; iE auch Semler/ Stengel/Koerfer3 UmwG, Anh § 119, 136; Wellkamp Betrieb 1993, 2517 f; dagegen Milde Gleichordnungskonzern, S 145. Raiser/Veil 5 § 57, 37 mwN; Heidel/Peres3 91 hält die Vereinbarung von Ausgleichspflichten der Vertragsparteien für den Fall, dass die einheitliche Leitung zu einseitigen Nachteilen beim einen oder anderen Kontrahenten führt, für „zweckmäßig“. MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 90 iVm 89: Treuepflichtverletzung; Lutter/Drygala ZGR 1995, 557, 564 ff; Hüffer10 35.

Peter O. Mülbert

§ 291

Erster Teil. Unternehmensverträge

oder/und eine entsprechende Anwendung der §§ 311, 317 als Kompensationsmechanismen befürwortet.598 Ausgehend vom Erfordernis eines konsentierenden Hauptersammlungsbeschlusses 220 (Rdn 214) ist kein Raum für eine Analogie zu den §§ 302 ff, wobei insoweit noch eine ganze Reihe praktischer Anwendungsprobleme hinzukäme.599 Anwendungsprobleme sprechen gleichermaßen auch gegen eine entsprechende Heran221 ziehung der §§ 311, 317: Während im faktischen Unterordnungskonzern das herrschende Unternehmen als Schuldner etwaiger Ausgleichs- und Ersatzansprüche von vornherein feststeht, müsste der Schuldner im Gleichordnungskonzern von Fall zu Fall und je nach konkreter Vertragsarchitektur (Rdn 211) aufwendig bestimmt werden. Beruht die einheitliche Leitung etwa darauf, dass die Parteien rechtlich unselbständige gemeinsame Leitungsausschüsse in ihren Unternehmen installieren, müsste stets danach gefragt werden, welcher Vertragspartei eine konkrete Leitungsentscheidung zum Vorteil gereicht und welcher sie einen Nachteil beschert; das Führungsgremium selbst scheidet als Anspruchsgegner jedenfalls aus.600 Bei Bildung einer gemeinschaftlichen Zentralgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit lägen die Dinge nur prima facie weniger schwieriger. Diese taugte zwar als genereller Haftungsadressat. Da aber die hM den Gleichordnungskonzernvertrag unter die §§ 705 ff BGB subsumiert (Rdn 212) und etwaige Ausgleichsoder Ersatzleistungen folgerichtig als gesellschaftsbezogene Aufwendungen iS der §§ 713, 670 BGB einzuordnen wären, würde sich das Problem nur in den Bereich des zwischen den Beteiligten früher oder später vorzunehmenden Innenausgleichs verlagern. All dies ließe sich mit dem Konzept einer zeitlich verzögerten Nachteilsausgleichspflicht iS der §§ 311 ff kaum in Einklang bringen.601 Am ehesten überzeugt daher noch, die Erteilung unzulässiger Weisungen einzelfallbezogen als Treuepflichtverletzung zu sanktionieren.602 8. Regelungsregime

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Die kapitalschutzrechtlichen Privilegien des Beherrschungsvertrags (§ 291 Abs 3) greifen im reinen Gleichordnungskonzern nicht, die §§ 57 ff gelten uneingeschränkt weiter.603 Ein Konzernbetriebsrat ist für den Gleichordnungskonzern nicht vorgesehen, da § 54 BetrVG lediglich § 18 Abs 1 in Bezug nimmt; gleiches gilt für die Vorschriften zur Konzernmitbestimmung (§ 5 MitbestG).604 Überdies ist der Gleichordnungskonzern nach hM auch nicht zur Konzernrechnungslegung gemäß § 290 HGB, § 11 PublG verpflichtet.605 Wird der Gleichordnungskonzern durch die vertraglich mittels einer Innen-GbR fun223 dierte (partielle) Personalunion begründet (Rdn 211 f), finden ferner die §§ 705 ff BGB Anwendung. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das jederzeitige ordentliche Kündigungsrecht nach § 723 Abs 1 Satz 1 BGB, dessen Ausschluss oder Beschränkung nur in

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Emmerich/Habersack9 § 4, 42 aE; dagegen Milde Gleichordnungskonzern, S 146 ff; Hüffer10 35. Näher Veil Unternehmensverträge, S 282 f; Spindler/Stilz/Veil 2 59 f. Wie hier Milde Gleichordnungskonzern, S 146 f. Milde Gleichordnungskonzern, S 147. So etwa Hüffer10 35; MünchHdbAG/ Krieger3 § 68, 90 iVm 89.

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S nur MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 91 ff; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 68; Raiser/Veil 5 § 57, 31. K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 68; Raiser/Veil 5 § 57, 31. Raiser/Veil 5 § 57, 31; Milde Gleichordnungskonzern, S 223; MünchHdbAG/ Krieger3 § 68, 91 mwN; aA Gromann Gleichordnungskonzerne, S 75 ff.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

engen Grenzen möglich ist (arg Abs 3).606 Nach einer Kündigung des Gesellschaftsvertrags erfolgt die Abwicklung nach Maßgabe der gegebenenfalls vertraglich modifizierten §§ 731 ff BGB. Mangels Bildung eines Gesamthandvermögens beschränken sich die Abwicklungsvorgänge auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander. Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen haben sich die Parteien so zu stellen, als sei die Gleichordnungsabrede nie abgeschlossen worden, was im Ergebnis zu einer vollständigen Entflechtung des Gleichordnungskonzerns führt.607

§ 292 Andere Unternehmensverträge (1) Unternehmensverträge sind ferner Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien 1. sich verpflichtet, ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen oder einzelner Betriebe anderer Unternehmen zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen (Gewinngemeinschaft), 2. sich verpflichtet, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen (Teilgewinnabführungsvertrag), 3. den Betrieb ihres Unternehmens einem anderen verpachtet oder sonst überläßt (Betriebspachtvertrag, Betriebsüberlassungsvertrag). (2) Ein Vertrag über eine Gewinnbeteiligung mit Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat oder mit einzelnen Arbeitnehmern der Gesellschaft sowie eine Abrede über eine Gewinnbeteiligung im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder Lizenzverträgen ist kein Teilgewinnabführungsvertrag. (3) Ein Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag und der Beschluß, durch den die Hauptversammlung dem Vertrag zugestimmt hat, sind nicht deshalb nichtig, weil der Vertrag gegen die §§ 57, 58 und 60 verstößt. Satz 1 schließt die Anfechtung des Beschlusses wegen dieses Verstoßes nicht aus. Übersicht Rn I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzesgeschichte . . . . . . . . . 2. Regelungsgegenstand . . . . . . . . II. Rechtsnatur der Unternehmensverträge des Abs 1 1. Unterschiede zu den Verträgen des § 291 Abs 1 . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsamkeiten mit den Verträgen des § 291 Abs 1 . . . . . . . . . . . 3. Strukturänderungsgestaltende zweiseitige Schuldverträge . . . . . . . . a) Zwei Regelungsebenen . . . . . . b) Unterschiede zwischen den Verträgen nach Nr 1, 2 und Nr 3 . . c) Zweckänderung bei den Verträgen der Nr 1 und 2 . . . . . . . . . .

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S auch Timm/Messing in: FS Hommelhoff 2012, S 1237, 1242.

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Rn aa) Unbehelfliche Deutungen . . . bb) Die Änderung des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . cc) Gewinn iS des § 292 Abs 1 Nr 1, 2: der fiktive Bilanzgewinn . . . . . . . . . . . . . dd) Einheitsgewinnbegriff und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . d) Zweckänderung bei Verträgen der Nr 3 . . . . . . . . . . . . . . III. Parteien eines Unternehmensvertrags nach Abs 1 1. AG/KGaA als verpflichtete Gesellschaft 2. Der andere Vertragsteil . . . . . . . . IV. Angemessenheit der Gegenleistung (Abs 3) 1. § 292 Abs 3 als Sonderregel . . . . .

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Näher zum Ganzen Timm/Messing in: FS Hommelhoff 2012, S 1237, 1242 ff.

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§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge Rn

2. Rechtsfolgen bei fehlender Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktionär als anderer Vertragsteil . . b) Nichtaktionär als anderer Vertragsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Herrschender anderer Vertragsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendung der §§ 311 ff . . . bb) Teleologische Reduktion des § 311 Abs 2 . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . V. Gewinngemeinschaft (Abs 1 Nr 1) 1. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Gemeinschaftlichkeit . . . . . . . . c) Gewinnbegriff . . . . . . . . . . . d) Zusammenlegung zwecks Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . e) Angemessenheit der Gewinnaufteilung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderfragen . . . . . . . . . . . . . a) Gleichordnungskonzern . . . . . . b) Fusionsähnliche Verbindungen . . . VI. Teilgewinnabführungsvertrag (Abs 1 Nr 2, Abs 2) 1. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Abführung eines Teilgewinns . . . aa) Gewinn . . . . . . . . . . . . bb) Kein Mindestrestgewinn . . . . c) Gegenleistung . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliches Regelungsregime . . . . . 3. Sonderformen . . . . . . . . . . . . . a) Stille Gesellschaften . . . . . . . . b) Partiarische Austauschverträge . . . c) Spezialgesetzliche Gewinnbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . d) Verlustübernahme . . . . . . . . . 4. Ausnahmen (Abs 2) . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur und Normzweck von Abs 2 . . . . . . . . . . . . . b) Vertragspartnerbezogene Ausnahmen (Abs 2 Alt 1) . . . . . . . c) Vertragstypbezogene Ausnahmen (Abs 2 Alt 2 und 3) . . . . . . . .

38 38 43 46 46 49 50 60 60 62 63 68 74 75 75 76

83 83 85 85 89 91 94 95 95 98 100 104 105 105 107 110

Rn VII. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag (Abs 1 Nr 3) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 2. Erscheinungsformen . . . . . . . . . 3. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Alle Betriebe . . . . . . . . . . . c) Betriebspacht oder Betriebsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebspacht (Alt 1) . . . . . bb) Betriebsüberlassung (Alt 2) . . d) Gegenleistung . . . . . . . . . . . aa) Erfordernis . . . . . . . . . . bb) Angemessenheit . . . . . . . . 4. Gesetzliches Regelungsregime . . . . a) Dispositives Recht . . . . . . . . b) Behandlung bestehender Vertragsverhältnisse . . . . . . . . . . . . c) Keine Anwendung der §§ 300, 301 (analog) . . . . . . . . . . . . . . 5. Kombination mit anderen Verträgen . a) Betriebsführungsauftrag . . . . . b) Beherrschungsvertrag . . . . . . . 6. Qualifizierte Liefer- und Kreditverträge . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Betriebsführungsvertrag 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erscheinungsformen . . . . . . . . . 3. Vertragstyp . . . . . . . . . . . . . 4. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . a) Rechte und Pflichten . . . . . . . b) Gegenleistung im Besonderen . . . c) Bevollmächtigung . . . . . . . . . d) Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . 5. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . 6. Keine Hauptversammlungszustimmung nach § 292 Abs 1 Nr 3 (analog) . . . 7. Behandlung als atypischer Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . a) Vollständiger Ausschluss des Weisungsrechts . . . . . . . . . . b) Teilweiser Ausschluss des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kombination mit Eingliederung und Unternehmensverträgen . . . . . . .

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Schrifttum Abrell Der Begriff des aktienrechtlichen Sondervorteils bei entgeltlichen Geschäften der Gesellschaft mit ihren Mehrheitsaktionären, BB 1974, 1463; Armbrüster/Joos Zur Abwicklung fehlerhafter stiller Beteiligungen, ZIP 2004, 189; Bachmann/Veil Grenzen atypischer stiller Beteiligung an einer Aktiengesellschaft, ZIP 1999, 348; Bälz Einheit und Vielheit im Konzern, in: FS Raiser, 1974, S 287; ders Fondsgesellschaft der Anleger v. Anlegerschutz?, in: FS T Raiser, 2005, S 615; Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Berninger Errichtung einer stillen Gesellschaft an einer Tochter-AG bei bestehendem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen Mutter- und Tochter-AG, Betrieb 2004, 297; Birk Betriebsaufspaltung und Änderung der Konzernorganisation im Arbeitsrecht, ZGR 1984, 23; Blaurock Die stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Unternehmensvertrag, in: FS Großfeld, 1999, S 83; ders Die stille Betei-

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Andere Unternehmensverträge

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ligung zwischen Mutter- und Tochter-AG, Betrieb 2004, 297; Breuninger/Prinz Moderne Einsatzformen von Betriebsführungs- und Betriebsüberlassungsverträgen, JbFfSt 1998/1999, 367; Busch Aktienrechtliche Probleme der Begebung von Genußrechten zwecks Eigenkapitalverbreiterung, AG 1994, 93; Cahn Kapitalerhaltung im Konzern, 1997; Damm Die aktienrechtliche Zulässigkeit von Betriebsführungsverträgen, BB 1976, 294; Dierdorf Herrschaft und Abhängigkeit einer AG auf schuldvertraglicher und tatsächlicher Grundlage, 1978; Eybe Die Abgrenzung zwischen Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag im Recht der Aktiengesellschaft, 1997; Feddersen/Meyer-Landrut Mehr Rechtssicherheit für Genußscheine, ZGR 1993, 312; Fenzl Betriebspachtvertrag und Betriebsführungsvertrag, Konzern 2006, 18; ders Betriebspacht-, Betriebsüberlassungs- und Betriebsführungsvertrag in der Konzernpraxis, 2007; Fikentscher Die Interessengemeinschaft, 1966; Friedländer Konzernrecht, 2. Aufl 1954; Frisch Die Behandlung von Betriebsführungsverträgen in der Fusionskontrolle, AG 1995, 362; Führling Sonstige Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH, 1993; Gehling „Obligationsähnliche Genußrechte“: Genußrechte oder Obligation?, WM 1992, 1093; Gehrlein Anlegerschutz bei stillen Beteiligungen – Abschied von der fehlerhaften Gesellschaft, WM 2005, 1489; Geßler Abgrenzungs- und Umgehungsprobleme bei Unternehmensverträgen, in: FS Ballerstedt, 1975, S 219; ders Der Betriebsführungsvertrag im Lichte der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung, in: FS Hefermehl, 1976, S 263; Habersack Genussrechte und sorgfaltswidrige Geschäftsführung, ZHR 155 (1991), 378; ders Festvergütung des stillen Gesellschafters – ein Problem des § 301 AktG?, in: Liber Amicorum Wilhelm Happ, 2006, S 49; Haussmann Das Recht der Unternehmenszusammenfassungen, 1932; Herfs Einwirkungen Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, 1994; Hirte Genußscheine mit Eigenkapitalcharakter in der Aktiengesellschaft, ZIP 1988, 477; ders Genußrecht oder verbotener Gewinnabführungsvertrag?, ZBB 1992, 50; U Huber Betriebsführungsverträge zwischen selbständigen Unternehmen, ZHR 152 (1988), 1; ders Betriebsführungsverträge zwischen konzernverbundenen Unternehmen, ZHR 152 (1988), 123; Jebens Die stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, BB 1996, 701; Joachim Der Managementvertrag, DZWiR 1992, 397 (I), 455 (Schluß); Kastner Interessengemeinschaftsverträge als Mittel der Konzentration, ÖJZ 1969, 533; Knoppe Betriebsverpachtung – Betriebsaufspaltung – Pachtverhältnisse gewerblicher Betriebe im Steuerrecht, 7. Aufl, 1985; Köhn Der Betriebsführungsvertrag – Rechtliche Qualifikation und gesellschaftsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen, Der Konzern 2011, 530; Löffler Betriebsführungsverträge mit Personengesellschaften, NJW 1983, 2920; Loos Betriebsführungsverträge und damit verbundene Generalvollmacht bei Handelsgesellschaften, BB 1963, 615; Marchand Abhängigkeit und Konzernzugehörigkeit von Gemeinschaftsunternehmen, 1985; Martens Die existenzielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979; Maser Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverhältnisse in Konzernen, 1985; K Mertens Die stille Beteiligung an der GmbH und ihre Überleitung bei Umwandlungen in die AG, AG 2000, 32; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; ders Gemeinschaftsunternehmen im deutschen und europäischen Konzern- und Kartellrecht, in: Mestmäcker/Blaise/Donaldson (Hrsg), Gemeinschaftsunternehmen (Joint venture – Filiale commune) im Konzern- und Kartellrecht, 1979, S 9; Mimberg Konzernexterne Pachtverträge im Recht der GmbH, 2000; Mülbert Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl, 1996; ders Unternehmensbegriff und Konzernorganisationsrecht, ZHR 163 (1999), 1; Nelißen Wirksamer Abschluss von Betriebspachtverträgen, Betrieb 2007, 786; Oechsler Die Anwendung des Konzernrechts auf Austauschverträge mit organisationsrechtlichem Bezug, ZGR 1997, 464; Oehlschläger Die typische und atypische stille Beteiligung an einer Aktiengesellschaft, 2004; Oesterreich Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979; Priester Innenbereichsrelevante Zustimmungsvorbehalte stiller Gesellschafter im GmbH- und Aktienrecht, in: FS Raiser, 2005, S 293; ders Zusammentreffen von Gewinnabführungsvertrag und stiller Gesellschaft – Dissonanz oder Konkordanz, in: FS Raupach, 2006, S 391; ders Betriebsführungsverträge im Aktienkonzern – organisationsrechtliche Instrumente, in: FS Hommelhoff, 2012, S 875; Rasch Anmerkung zu OLG Frankfurt aM, Urteil vom 28.2.1973 – 13 U 2/72, BB 1973, 865; Raupach Schuldvertragliche Verpflichtungen anstelle beteiligungsgestützter Beherrschung, in: FS Bezzenberger, 2000, S 327; Reuter Der Partizipationsschein als Form der Mitarbeiterbeteiligung, in: FS Fischer, 1979, S 605; Rust Die Vereinbarkeit einer gewinnunabhängigen Festvergütung zugunsten eines stillen Gesellschafters mit § 301 AktG, AG 2006, 563; Schlüter Management- und Consulting-Verträge, 1987; Schatz Die Sicherung des Gesellschaftsvermögens und der Gläubigerinteressen im deutschen Konzernrecht, 1980; Schmich Rechtliche und steuerliche Fragen

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Erster Teil. Unternehmensverträge

bei der mezzaninen Finanzierung einer Organgesellschaft, GmbHR 2008, 464; K Schmidt Konzernrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für typische stille Beteiligungen an Kapitalgesellschaften?, ZGR 1984, 295; L Schmidt/L Werner Parallele Zulässigkeit von steuerlicher Organschaft und atypischer stiller Beteiligung, GmbHR 2010, 29; Schmidt-Ott Publizitätserfordernisse bei atypischen stillen Beteiligungen an dem Unternehmen einer GmbH, GmbHR 2001, 182; U H Schneider Vertragsrechtliche, gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Probleme von Betriebspachtverträgen, Betriebsüberlassungsverträgen und Betriebsführungsverträgen, JbFSt 1982 83, 387; Schulte/Waechter Atypische stille Beteiligungen und § 294 AktG, GmbHR 2002, 189; Schulze-Osterloh Das Recht der Unternehmensverträge und die stille Beteiligung an einer Aktiengesellschaft, ZGR 1974, 427; Semler Vorfinanzierung zukünftigen Gesellschaftskapitals durch stille Gesellschaften, in: FS Werner, 1984, S 855; Strohn Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, 1977; Theisen Der Konzern, 2. Aufl, 2000; Timm Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980; ders Anmerkung zu OLG Hamm, Urteil vom 9.6.1980 – 8 U 70/77, BB 1980, 1655; ders Zur Bedeutung des „Hoesch“-Urteils für die Fortentwicklung des Konzern- und Verschmelzungsrechts, JZ 1982, 403; Ulmer Aktienrechtliche Beherrschung durch Leistungsaustauschbeziehungen?, ZGR 1978, 457; Veelken Der Betriebsführungsvertrag im deutschen und amerikanischen Aktien- und Konzernrecht, 1975; Veil Unternehmensverträge, 2003; Veit Unternehmensverträge und Eingliederung als aktienrechtliche Instrumente der Unternehmensverbindung, 1974; Walter Die Gewinngemeinschaft – ein verkanntes Gestaltungsmittel des Steuerrechts, BB 1995, 1876; Weißmüller Der Betriebsführungsvertrag – eine Alternative zum Unternehmenskauf?, BB 2000, 1949; Windbichler Betriebsführungsverträge zur Bindung kleiner Unternehmen an große Ketten, ZIP 1987, 825; Winter Die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters in der Verschmelzung des Geschäftsinhabers, in: FS Pelzer, 2001, S 645; Winter/Theisen Betriebsführungsverträge in der Konzernpraxis, AG 2011, 662; Zeiger Der Management-Vertrag als internationales Kooperationsinstrument, 1984.

Rechtsprechung RG (28.9.1928) RGZ 122, 70 RG (14.11.1933) RGZ 142, 223 BGH (23.5.1957) BGHZ 24, 279 = WM 1957, 808 = NJW 1957, 1279 = BB 1957, 523 – IG Farben AG/Riebeck Montan-AG BGH (18.6.1973) WM 1973, 858 = AG 1974, 53 = BB 1973, 1233 = Betrieb 1973, 1499 BGH (8.5.1978) WM 1978, 1047 = Betrieb 1978, 2118 = GmbHR 1979, 271 BGH (5.10.1981) WM 1982, 394 = ZIP 1982, 578 = NJW 1982, 1817 = Betrieb 1982, 846 – Holiday Inn BGH (16.11.1981) BGHZ 82, 188, 200 = WM 1982, 86 = AG 1982, 129 = ZIP 1982, 172 = NJW 1982, 933 = BB 1982, 269 = Betrieb 1982, 421 = MDR 1982, 383 = JZ 1982, 426 – Hoesch/Hoogovens BGH (25.2.1982) BGHZ 83, 122 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158 = NJW 1982, 1703 Betrieb 1982, 795 = BB 1982, 827 = ZIP 1982, 568 = MDR 1982, 554 = JuS 1982, 700 – Holzmüller BGH (5.10.1992) BGHZ 119, 305 = WM 1992, 1902 = AG 1993, 125 = ZIP 1992, 1542 = Betrieb 1992, 2383 = NJW 1993, 57 = JZ 1993, 958 – Klöckner BGH (9.11.1992) BGHZ 120, 141 = WM 1992, 2098 = AG 1993, 134 = ZIP 1992, 1728 = NJW 1993, 400 = Betrieb 1993, 31 – Bankverein Bremen

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

BGH (21.7.2003) BGHZ 156, 38 = WM 2003, 1896 = AG 2003, 625 = NZG 2003, 1023 = ZIP 2003, 1788 = Betrieb 2003, 2115 = DStR 2003, 2031 = MDR 2003, 1428 BGH (19.7.2004) WM 2004, 2019 = AG 2004, 610 = NZG 2004, 961 = ZIP 2004, 1706 = Betrieb 2004, 1988 = BB 2004, 2147 BGH (29.11.2004) WM 2005, 278 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261 = ZIP 2005, 254 – Securenta AG BGH (21.3.2005) WM 2005, 833 = AG 2005, 390 = NZG 2005, 472 = ZIP 2005, 753 = Betrieb 2005, 940 = BB 2005, 1018 – Göttinger Gruppe BGH (8.5.2006) WM 2006, 1154 = AG 2006, 546 = NZG 2006, 540 = ZIP 2006, 1201 = Betrieb 2006, 1366 = BB 2006, 1366 = DStR 2006, 1292 = NJW-RR 2006, 1182 – Securenta AG BGH (26.6.2012) WM 2012, 1689 = AG 2012, 680 = NZG 2012, 1030 – HBV/UniCredit BVerwG (25.9.1969) BVerwGE 34, 56 = Buchholz 451.45 § 2 HwO Nr 3 = GewArch 1970, 10 = BB 1970, H. 25 Beilage = VerwRspr 21, 357 RFH (3.11.1936) RFHE 40, 185 BAG (24.3.1977) BAGE 29, 94 = WM 1977, 1311 = Betrieb 1977, 1466 = BB 1977, 1202 = NJW 1977, 1791 BAG (15.11.1978) WM 1979, 1076 = Betrieb 1979, 702 = BB 1979, 735 = NJW 1979, 2634 BAG (11.11.1986) ZIP 1987, 874 = Betrieb 1987, 2047 = BB 1987, 1603 = NJW 1987, 3031 OLG Frankfurt (28.2.1973) WM 1973, 348 = AG 1973, 136 = BB 1973, 863 OLG Düsseldorf (24.10.1979) AG 1980, 273 = ZIP 1981, 186 = Betrieb 1980, 2130 = BB 1980, 1343 – Fall der AG Augsburger Kammgarnspinnerei OLG Celle (7.9.1983) WM 1984, 494 = AG 1984, 266 – Pelikan AG OLG Frankfurt (21.1.1986) AG 1987, 43 – IG Farben AG/Riebeck Montan AG OLG München (7.3.1986) AG 1987, 380 = ZIP 1987, 849 = EWiR 1987, 853 – Holiday Inn OLG Frankfurt (23.3.1988) AG 1988, 267 – IG Farben AG/Interhandel AG OLG Celle (15.5.1996) AG 1996, 370 – Pensions-Sparplan der Göttinger Vermögensanlagen AG OLG Düsseldorf (12.7.1996) AG 1996, 473 = Betrieb 1996, 1862 – Citicorp Deutschland AG KG (15.3.1999) AG 2000, 183 = NZG 1999, 1102 = EWiR 1999, 721 = NZM 1999, 1165 OLG Stuttgart (16.6.1999) OLGR Stuttgart 1999, 285 = NZG 2000, 93

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Erster Teil. Unternehmensverträge

OLG Celle (22.9.1999) AG 2000, 280 = NZG 2000, 85 OLG Hamburg (29.10.1999) AG 2001, 91 = NZG 2000, 421 = Betrieb 2000, 314 BayObLG (7.2.2001) AG 2001, 424 = NZG 2001, 408 = Betrieb 2001, 640 = NotBZ 2001, 153 OLG Hamm (26.11.2002) OLGR Hamm 2003, 162 = AG 2003, 520 = NZG 2003, 228 = ZIP 2003, 1151 = BB 2003, 653 – Ibeka Immobilien Beteiligung AG OLG Schleswig (5.12.2002) OLGR Schleswig 2003, 206 = AG 2003, 526 = ZIP 2003, 74 = BKR 2003, 36 OLG Hamburg (31.1.2003) AG 2003, 519 = NZG 2003, 436 – Ibeka Immobilien Beteiligung AG OLG Jena (26.2.2003) NZG 2004, 131 = ZIP 2003, 1444 = DB 2003, 766 OLG Braunschweig (3.9.2003) OLGR Braunschweig 2004, 60 = NZG 2004, 126 = AG 2003, 686 = ZIP 2003, 1793 = Konzern 2003, 780 OLG München (19.12.2003) AG 2004, 149 = NZG 2004, 230 = ZIP 2004, 69 = Betrieb 2004, 864 = BB 2004, 570 OLG München (29.10.2008) WM 2009, 354 = AG 2009, 372 = NZG 2009, 38 = ZIP 2009, 318 OLG Hamburg (12.2.2011) AG 2011, 339 = NZG 2011, 619 = ZIP 2011, 430 = Betrieb 2011, 811 – HSH Nordbank LG Mainz (1.4.1977) WM 1977, 904 = AG 1978, 320 LG Berlin (14.8.1991) WM 1992, 22 = AG 1992, 91 = ZIP 1991, 1180 – Interhotel LG Berlin (19.7.2000) AG 2001, 95 = Betrieb 2000, 2466 – Deutsche Hypothekenbank AG LG Bonn (10.1.2006) AG 2006, 465 = ZIP 2006, 382 = Konzern 2006, 557

I. Grundlagen 1. Gesetzesgeschichte

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§ 292 geht auf die Vorgängerregelung des § 256 AktG 1937 zurück. Nach dessen Abs 1 bedurfte jegliche Vereinbarung, mit der sich die Gesellschaft zur Abführung von mehr als drei Vierteln ihres Gesamtgewinns verpflichtete, der Zustimmung ihrer Hauptversammlung mit einer Dreiviertel-Mehrheit. Die Abführung des gesamten Gewinns ist heute in § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 erfasst. § 292 Abs 1 Nr 1, 2 differenziert demgegenüber die vorbehaltlich des Nichterreichens des Dreiviertelschwellenwertes unter die alte Vorschrift zu subsumierenden Verträge über eine Gewinngemeinschaft (Nr 1) und eine Teilgewinnabführung (Nr 2) näher aus. Einerseits ist der Regelungsgehalt des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 damit enger als derjenige der Vorläufernorm1 und andererseits brachte die aus1

KK/Koppensteiner3 3; vgl auch MünchKommAktG/Altmeppen3 4 sowie zum Ganzen Begründung RegE in: Kropff AktG,

S 378 f; Geßler/Geßler 2 f; K Schmidt ZGR 1984, 295, 303 f.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

schließlich qualitative Neuregelung auch eine Normzweckänderung mit sich.2 Schon nach § 256 Abs 2, 3 AktG 1937 bedurften zudem Betriebspacht- und (sonstige) Betriebsüberlassungsverträge eines qualifizierten Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung.3 Diese Regelung wurde durch § 292 Abs 1 Nr 3 mit der Benennung des Betriebspacht- und des Betriebsüberlassungsvertrags als einem anderen Unternehmensvertrag übernommen.4 2. Regelungsgegenstand Unter der amtlichen Überschrift „Andere Unternehmensverträge“ erweitert § 292 den Sammelbegriff des Unternehmensvertrags über die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 hinaus um weitere „andere“5 Vertragstypen: die gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensverträge des Abs 1 Nr 1 und 2 und die betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträge des Abs 1 Nr 3.6 Hierdurch werden auch diese Vertragstypen dem Regelungsregime der §§ 293 ff unterstellt, das seinerseits lediglich eine Abweichung gegenüber den Unternehmensverträgen des § 291 vorsieht: Der Vertragsschluss auf Seiten des anderen Vertragsteils, der AG oder KGaA ist, fällt im Gegensatz zum Beherrschungs-, Gewinnabführungs- und Geschäftsführungsvertrag grundsätzlich in die alleinige Kompetenz des Vorstands (arg e contrario § 293 Abs 2).7 Abs 1 definiert die als andere Unternehmensverträge zu qualifizierenden Vereinbarungen. Als Gewinngemeinschaft umschreibt Nr 1 die mindestens teilweise Zusammenlegung des Gewinns der Gesellschaft mit dem Gewinn eines oder mehrerer anderer Unternehmen mit dem Ziel anschließender Aufteilung dieses gemeinsamen Gewinns. Verpflichtet sich die Gesellschaft, einen Teil ihres Gewinns an einen anderen abzuführen, bezeichnet Nr 2 dies als Teilgewinnabführungsvertrag. Als Betriebspacht- bzw Betriebsüberlassungsvertrag definiert Nr 3 schließlich Verträge, bei denen die Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens einem anderen verpachtet oder sonst überlässt. Abs 2 erleichtert die oftmals schwierige Abgrenzung der anderen Unternehmensverträge von verwandten Vertragsgestaltungen für den Begriff des Teilgewinnabführungsvertrags, der dort näher bestimmte Abreden über Gewinnbeteiligungen Dritter ausdrücklich nicht erfasst.8 Abs 3 Satz 1 vermeidet Rückabwicklungsschwierigkeiten bei fehlerhaften Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen durch die Anordnung, dass weder der Vertrag selbst noch der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 nichtig sind, wenn gegen die Kapitalbindungsregeln der §§ 57, 58 und 60 verstoßen wurde;9 nach Abs 3 Satz 2 bleibt eine Anfechtung wegen eines derartigen Verstoßes aber weiterhin möglich.

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Dazu KK/Koppensteiner3 3; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 434; vgl auch K Schmidt ZGR 1984, 295, 303 f. Emmerich/Habersack6 38 ff. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379. Das Wort „andere“ in § 292 ist auf die Verträge des § 291 zu beziehen, KK/Koppensteiner3 1. Auch als Betriebsüberlassungsverträge im

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weiteren Sinne bezeichnet, s Mülbert Aktiengesellschaft2, S 169. Dies auch dann, wenn ein Verlustausgleich nach Maßgabe des § 302 Abs 2 zu erfolgen hat; MünchKommAktG/Altmeppen3 1; dazu bei § 293, 90. Vgl Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379.

Peter O. Mülbert

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§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

II. Rechtsnatur der Unternehmensverträge des Abs 1 6

Was die Rechtsnatur der Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 anbelangt, sind im Einklang mit ihrer gesetzlichen Kennzeichnung als „andere“ zunächst die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 vergleichend in den Blick zu nehmen (Rdn 7 ff, 10). 1. Unterschiede zu den Verträgen des § 291 Abs 1

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Nach ihrer gesetzlichen Konzeption unterscheiden sich die Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 erheblich von denen des § 291 Abs 1, wie die jeweils ganz unterschiedlichen Rechtsfolgenregimes erhellen.10 Zum einen stellt das Gesetz einen Schutzmechanismus zugunsten der verpflichteten Gesellschaft und ihrer Gläubiger (§§ 300–303) generell nur bei den Verträgen des § 291 Abs 1 bereit;11 die §§ 300 Nr 2 und 3, 301, 302 Abs 2 als systemwidrige Ausnahmen12 für Unternehmensverträge des § 292 stellen diese Grundsatzwertung nicht in Frage. Zum anderen wird die Stellung außenstehender Aktionäre nur bei den Unternehmensverträgen des § 291 Abs 1 durch das gesetzliche Kompensationsregime der §§ 304 f umgestaltet.13 Bei den Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1, so die implizite gesetzliche Wertung, soll weiterhin das Mitgliedschaftsrecht die gerechte Teilhabe am Vermögen und der Ertragslage der verpflichteten Gesellschaft vermitteln.14 Diese positivierte gesetzgeberische Einschätzung eines fehlenden Bedürfnisses jeglichen Außenseiterschutzes korrespondiert mit dem – im Gesetzeswortlaut allerdings nicht unmittelbar zum Ausdruck kommenden – Verständnis des historischen Gesetzgebers von den Verträgen des § 292 Abs 1 als schuldrechtlichen15 Austauschverträgen,16 welche auch mit einem herrschenden Unternehmen nur gegen eine angemessene Gegenleistung geschlossen werden dürfen (s § 292 Abs 3).17 8 Die äquivalente Austauschrelation der wechselseitigen Leistungen als zentrales Unterscheidungskriterium zu den Verträgen des § 291 Abs 1 bekräftigt auch § 302 Abs 2, der gerade keine pauschale Verlustausgleichspflicht verankert, sondern lediglich eine Äquivalenzstörung in konzerninternen Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträgen auszugleichen sucht (§ 293, 90).18 Sind die Vertragsparteien unabhängig, sorgt bereits der Vertragsmechanismus für die Vereinbarung eines angemessenen Entgelts; weiterer Sicherungsmechanismen bedarf es dann nicht.19 Ganz anders liegt es demgegenüber bei den

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Ähnlich KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 150 ff. Näher KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 152; ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 Vor § 291, 8; Emmerich/Habersack6 3; Emmerich/Habersack9 § 13, 1. Emmerich/Habersack6 3; Emmerich/Habersack9 § 13, 1 aE; ähnlich KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 152. Näher KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 151 (auch Parallelen zu den §§ 311 ff erörternd); andeutungsweise auch MünchKommAktG/ Altmeppen3 Vor § 291, 8; Emmerich/Habersack6 3; Emmerich/Habersack9 § 13, 1. KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 151. K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 1; Geßler/ Geßler 4; Blaurock in: FS Großfeld 1989, S 83, 84.

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Hüffer10 2; Raupach in: FS Bezzenberger 2000, S 327, 335; Bälz in: FS Raiser 1974, S 287, 304; K Schmidt ZGR 1984, 295, 304 f; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 8, 153, 161 (kritisch jedoch aus Sicht der Lehre vom Organisationsvertrag), § 291, 30; einschränkend Emmerich/Habersack6 4 ff. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 378. Vgl auch Hirte/Hasselbach in diesem Kommentar, § 302, 39 ff; für die äquivalente Austauschrelation als Abgrenzungskriterium namentlich KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 153; methodisch ebenso Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 17 ff; Bälz in: FS Raiser 1974, S 287, 304. KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 8, 154; aA Oesterreich Betriebsüberlassung, S 73 f.

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Andere Unternehmensverträge

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Verträgen des § 291 Abs 1, bei denen jegliche Vereinbarung einer Gegenleistung deswegen wirtschaftlich sinnlos wäre, weil der andere Vertragsteil auch hierauf mittels der Gewinnabführung voll zugreift oder jedenfalls durch entsprechende Weisungen (§ 308) zugreifen könnte.20 Gegenläufig stellen die Leistungen nach §§ 300 ff keine Gegenleistung an die verpflichtete Gesellschaft dar, sondern sollen Dritt-, insbesondere Gläubigerinteressen absichern (§ 291, 21 Fn 69). Das Erfordernis wechselseitiger Leistungen hat über die wirtschaftliche Dimension 9 hinaus auch Unterschiede auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene zur Folge. Das Regelungsstatut der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft eines Unternehmensvertrags nach § 292 Abs 1 erfährt geringere Modifikationen als dasjenige einer beherrschungsvertraglich gebundenen Gesellschaft oder auch als dasjenige einer zur Abführung des gesamten Gewinns verpflichteten Gesellschaft:21 Die Kapitalbindungsregeln der §§ 57, 58, 60 verlangen anders als bei § 291 (Abs 3) grundsätzlich uneingeschränkte Geltung (arg e contrario § 292 Abs 3; noch Rdn 39 ff). Unangetastet bleibt auch die eigenverantwortliche Leitung der verpflichteten Gesellschaft durch deren Vorstand iS des § 76 Abs 1. 2. Gemeinsamkeiten mit den Verträgen des § 291 Abs 1 Gleichwohl weisen die Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 trotz ihrer (auch) be- 10 grifflichen Scheidung („andere“) wichtige gesetzlich vorausgesetzte Gemeinsamkeiten mit den Verträgen des § 291 Abs 1 auf: Mit dem Sammelbegriff des Unternehmensvertrags werden alle Verträge der §§ 291, 292 zunächst denselben Ordnungsgesichtspunkten unterstellt, die die §§ 293–299 als allgemeiner Teil des Unternehmensvertragsrechts mit dem Zustandekommen, der Änderung und der Beendigung dieser Verträge verknüpfen.22 Sodann verbinden sich auch mit den Verträgen des § 292 Abs 1 wesentliche Strukturänderungen bei der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft, welche nicht minder als Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge geeignet sind, einer Konzernierung den Weg zu ebnen.23 Damit korrespondiert, wenn teilweise auch für die Verträge des § 292 Abs 1 deren organisationsrechtliche Elemente24 oder deren – angeblicher, sogleich Rdn 11 – Charakter als (jedenfalls auch) Organisationsverträge25 beson-

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KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 153. Einmütig MünchKommAktG/Altmeppen3 7 und Vor § 291, 8; Emmerich/Habersack6 4 f; Hüffer10 2; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 153. Dazu treffend Hüffer10 1; ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 Vor § 291, 9; Emmerich/Habersack6 3; Emmerich/Habersack9 § 11 1, § 16, 1; KK/Koppensteiner3 1, Vorb § 291, 150; Raiser/Veil 5 § 57, 2. Emmerich/Habersack6 5; Emmerich/Habersack9 § 13, 2; Hüffer10 2; zum Paradefall der konzerninternen Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge s Mimberg Konzernexterne Betriebspachtverträge, S 77 ff. Emmerich/Habersack6 6; Spindler/Stilz/Veil 2 Vor § 291, 26; vgl auch Veil Unternehmensverträge, S 200 ff; nur iE Hüffer10 2 für die Gewinngemeinschaft (wegen Rechtsnatur als GbR).

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Oesterreich Betriebsüberlassung, S 61 ff; Heidel/Peres3 2; MünchHdbGmbH/Decher/ Kiefner4 § 70, 50 (für konzerninterne Verträge); auch für die Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 je nach Ausgestaltung Spindler/Stilz/Veil2 Vor § 291, 26, 32 f, § 292, 36; Veil Unternehmensverträge, S 200 ff; Raiser/Veil5 § 57, 2; in Ansehung von Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag ebenso OLG Hamburg AG 2001, 91 = NZG 2000, 421, 422; Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 115 ff; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 276 ff; vgl zum Ganzen auch Ulmer ZGR 1978, 457, 468 Fn 54; Timm Aktiengesellschaft, S 35 Fn 108; zu alledem zweifelnd bis kritisch ferner KK/Koppensteiner3 2 aE (die Frage der Rechtsnatur als bedeutungslos kennzeichnend), Vorb § 291, 161.

Peter O. Mülbert

§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

ders hervorgehoben wird. In gesellschaftsrechtsdogmatischen Kategorien zielen die Verträge der Nr 1, 2 auf eine Veränderung des Eigeninteresses der Gesellschaft (Rdn 16) und die betriebsführungsbezogenen Verträge der Nr 3 (zudem) auf eine Abschwächung ihres Eigenwillens (Rdn 26 f), also jeweils auf eine Veränderung eines der beiden Elemente des für die autonome Gesellschaft konstitutiven Verbandszwecks (dazu § 293, 44). 3. Strukturänderungsgestaltende zweiseitige Schuldverträge

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a) Zwei Regelungsebenen. Die Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 zielen auf eine Änderung der Organisations- und Finanzverfassung der unternehmensvertraglich verpflichteten Gesellschaft. Es handelt sich jeweils um ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und einem anderen Rechtsträger, das sich auf zwei Regelungsebenen auf den in § 293 Abs 1 als Zustimmungsbeschluss bezeichneten strukturändernden Hauptversammlungsbeschluss bezieht: Zum einen begründet es die Leistungspflicht(en) der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft, die Modifikationen ihres Regelungsstatuts erforderlich macht (§ 293, 46), und – insoweit abweichend von den Unternehmensverträgen des § 291 Abs 1 – die (Gegen-)Leistungspflicht(en) des anderen Vertragsteils. Zum anderen zeichnet es – insoweit dem umwandlungsrechtlichen Verschmelzungsvertrag vergleichbar – die Inhalte des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 als dem die Änderungen des Regelungsstatuts der Gesellschaft bewirkenden korporationsrechtlichen Rechtsgeschäft inhaltlich vor. Terminologisch führt dies zur Bezeichnung als strukturänderungsgestaltender zweiseitiger Schuldvertrag.

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b) Unterschiede zwischen den Verträgen nach Nr 1, 2 und Nr 3. Auch wenn es sich bei den Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 durchweg um strukturänderungsgestaltende Schuldverträge handelt, liegt dem doch kein einheitliches Abgrenzungsmerkmal gegenüber nicht zustimmungspflichtigen Verträgen zugrunde. Zwar erfordern sämtliche Verträge eine Angemessenheitskontrolle der Gegenleistung durch die Hauptversammlung, doch folgen hieraus kaum konkrete Hinweise für die Abschichtung und Behandlung der nicht eindeutig § 292 Abs 1 unterfallenden Verträge.26 Ferner lässt sich die gesetzliche Regelung der Verträge des § 292 Abs 1 weder unter dem Gesichtspunkt ihrer besonderen Bedeutung erklären – so können festverzinsliche Darlehen und Unternehmensanleihen mit Financial Covenants für die Finanzierungssituation der Gesellschaft bedeutsamer sein als partiarische Darlehen –,27 noch kann der vom Gesetz zwar nicht begrifflich, wohl aber konzeptionell vorausgesetzte Austauschcharakter (Rdn 7 f) dieser Verträge weiterhelfen.28 Soweit schließlich auch die Strukturänderung als gemeinsames Merkmal der Verträge verworfen wird,29 ist dem unter dem Aspekt einer durchgängig erforderlichen Zweckänderung freilich zu widersprechen:

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c) Zweckänderung bei den Verträgen der Nr 1 und 2. Zum tragenden Grund dafür, die gewinnverwendungsbezogenen Verträge in § 292 Abs 1 den Unternehmensverträgen zuzuordnen und damit der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 zu unterstellen, besteht ein sehr uneinheitliches Meinungsspektrum. Hierin dürfte sich auch

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KK/Koppensteiner3 13. KK/Koppensteiner3 12; aA Hüffer10 2; in diese Richtung auch Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 26; K Schmidt ZGR 1984, 295, 304; vgl auch Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 432 f. KK/Koppensteiner3 13.

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KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102; KK/Koppensteiner3 12; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 242 ff; vgl aber Timm Aktiengesellschaft, S 61 ff; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 29 f; Strohn Verfassung, S 59 ff.

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wiederspiegeln, dass der gesetzlichen Regelung vor dem Hintergrund gewinnunabhängiger, aber wirtschaftlich nicht minder gravierender Geschäfte, die der Vorstand in alleiniger Verantwortung erledigen kann, bisweilen eine zwingende rechtspolitische Rechtfertigung ganz abgesprochen wird.30 aa) Unbehelfliche Deutungen. Zu den nicht weiterführenden Überlegungen gehört 14 zunächst die Aussage der Regierungsbegründung zu § 292, nach der quantitativen Einheitsregelung des § 256 AktG 1937 sei es möglich gewesen, „den Gewinnanspruch des Aktionärs ungebührlich zu schmälern“.31 Die differenzierende Regelung des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 enthält nämlich weiterhin ein Einheitsmoment in Gestalt der angemessenen Gegenleistung, die den Gewinnanspruch des Aktionärs im Einzelfall sogar einmal über Gebühr vergrößern kann, ohne dass deswegen die noch so marginale Abführung des Teilgewinns beziehungsweise die Gewinnzusammenlegung von den fraglichen Normen auszunehmen wäre.32 Dass die Gesellschafter sich denjenigen sollen aussuchen dürfen, mit dem sie quotenmäßig an Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens teilhaben wollen,33 ist ein rechtspolitisch bedenkenswertes Postulat, aber keine Erklärung der lex lata, weil auch konzerninterne Verträge und sogar Verträge mit dem Alleinaktionär der Zustimmung bedürfen. Mit einem tiefen Eingriff in die Mitgliedschaft im Sinne der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze zu argumentieren,34 trägt wiederum schon deswegen nicht, weil die lex lata – insoweit im Unterschied zu § 256 Abs 1 AktG 1937 – eine Zustimmungspflichtigkeit ganz unabhängig von absoluten oder prozentualen Mindestgrößenanteilen des betroffenen Gewinnanteils statuiert. Unbehelflich ist schließlich der Hinweis, die Angemessenheit der Gegenleistung sei bei Gewinnbeteiligungen besonders schwer kalkulierbar und daher der Hauptversammlung zur Überprüfung überantwortet;35 auch das unangemessene Entgelt bedarf im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses ungeachtet der Hauptversammlungszustimmung zur Vermeidung der Nichtigkeit von Vertrag und Beschluss eines Ausgleichs (noch Rdn 52). Die verbreitete Deutung als Schutz der Gewinnverwendungskompetenz der Hauptver- 15 sammlung36 (§§ 174 Abs 1, 58) gegen eine Beeinträchtigung durch den Abschluss eines gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensvertrags kann immerhin darauf verweisen, dass die Gesetzesbegründung für die Gewinngemeinschaft von einer Beeinflussung des Gewinnanspruchs der Aktionäre spricht.37 Bei konsequenter Durchführung führt sie zu einem engen Gewinnbegriff, der einen Saldo impliziert und die Einzelfaktoren der Gewinnentstehung, also die Methodik der Gewinnerzielung, nicht einschließt. Gewinn ist vielmehr als Bilanzgewinn (§ 158 Abs 1 Ziff 5) oder, mit Rücksicht auf den Gewinnabführungsvertrag, als Jahresüberschuss zu verstehen (§ 275 Abs 2 Nr 20, Abs 3 Nr 19 HGB).38

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Gegen eine zwingende rechtspolitische Rechtfertigung etwa KK/Koppensteiner3 15; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 432 f; K Schmidt ZGR 1984, 295, 306 ff. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379. MünchKommAktG/Altmeppen3 2 mit Fn 4, 5. K Schmidt ZGR 1984, 295, 306; zustimmend KK/Koppensteiner3 18. In diese Richtung Lutter in: FS Stimpel 1985, S 825, 834 f, 845 f. AA K Schmidt ZGR 1984, 295, 306; Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 21 (für Teilgewinnab-

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führungsvertrag); dazu kritisch KK/Koppensteiner3 18. Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 433; zustimmend KK/Koppensteiner3 16; Emmerich/Habersack6 23a; Emmerich/Habersack9 § 14, 2; MünchKommAktG/Altmeppen3 22, 61 f; Hüffer10 1; Würdinger Aktienrecht4, S 308; vgl auch KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379. So ausdrücklich KK/Koppensteiner3 16; s aber auch Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 438 f.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

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Hieran zutreffend ist die Annahme eines engen statt eines verfahrensbezogenen, gleichsam die Gewinnerzielungsmethodik einbeziehenden Gewinnbegriffs. Eine gegenteilige Sichtweise könnte die gesonderte Regelung des Gleichordnungskonzernvertrags (§ 291 Abs 2) kaum erklären39 und müsste zudem zur Erstreckung des Normanwendungsbereichs auch auf die Betriebspacht führen,40 was gesetzessystematisch im Widerspruch zu deren gesonderter Regelung in § 292 Abs 1 Nr 3 stünde. Letztlich würde § 292 Abs 1 Nr 1 zu einem Auffangtatbestand für alle die Methodik der Gewinnerzielung berührenden Verträge,41 was sich mit dem abschließenden enumerativen Charakter der §§ 291, 292 (Vorbem 7 f zu §§ 291 ff) nicht vereinbaren ließe.42 Ins Allgemeine gewendet würde bei einer Ausdehnung des Gewinnbegriffs auf dem Jahresüberschuss vorgelagerte Aufwands- und Ertragspositionen oder gar auf einzelne Gewinnerzielungsvorgänge jede Abgrenzung zwischen den die Nr 1 und 2 des § 292 Abs 1 berührenden Vorgängen und den insoweit unerheblichen bloßen Gewinnerzielungsmethoden mangels gesetzlicher Vorgaben oder auch nur Anhaltspunkten notwendig arbiträr. Im Übrigen kann dieses an die §§ 174 Abs 1, 58 anknüpfende Erklärungsmodell 17 jedoch nicht restlos überzeugen.43 Schon die Unsicherheit über den jedenfalls im Ausgangspunkt maßgeblichen Gewinnbegriff – Bilanzgewinn oder/und Jahresüberschuss – befremdet. Zudem bleibt letztlich offen, warum zum Schutze der Bilanzverwendungskompetenz (nur) bestimmte Entscheidungen der Verwaltung über die Verwendung des Jahresüberschusses der Zustimmung der Hauptversammlung unterliegen. Zwar wirken sich Gewinngemeinschaft und Teilgewinnabführungsvertrag auf die Höhe des Bilanzgewinns aus, doch kommt diese Wirkung auch der Anknüpfung an dem Jahresüberschuss vorgelagerte Ertrags- und Aufwandspositionen zu und müsste daher folgerichtig zu einem (all)umfassenden Gewinnbegriff führen.44

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bb) Die Änderung des Verbandszwecks. Als positive Erklärung verbleibt danach allein, dass die Gewinngemeinschaft und der Teilgewinnabführungsvertrag gleichermaßen eine Änderung des Verbandszwecks der verpflichteten Gesellschaft erfordern und der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 die entsprechende Zweck(satzungs)änderung ins Werk setzt.45 Beide Vertragstypen berühren das Eigeninteresse der normtypischen Gesellschaft, durch das Betreiben des Unternehmens und seiner Teile (Einzelbetriebe) in Realisierung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands Gewinn im Interesse ihrer Aktionäre zu erzielen: Mit einer Gewinngemeinschaft und einem Teilgewinnabführungsvertrag gibt die

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Zutreffend KK/Koppensteiner3 16. Näher KK/Koppensteiner3 16; vgl für den Teilgewinnabführungsvertrag K Schmidt ZGR 1984, 295, 300. Timm Aktiengesellschaft, S 156; ders BB 1980, 1655, 1658; ders JZ 1982, 403, 405; vorsichtig in diese Richtung auch BGH WM 1982, 86, 89 (insoweit in BGHZ 82, 188, 188 ff nicht abgedruckt). KK/Koppensteiner3 16. Krit schon Mülbert Aktiengesellschaft2, S 168. Ganz in diesem Sinne denn auch KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 168 (Teil-

gewinnabführungsvertrag), 169 (Gewinngemeinschaft); Würdinger Aktienrecht4, S 303; für die Gewinngemeinschaft ferner Lutter in: FS Barz 1974, S 199, 214; iE auch Timm Aktiengesellschaft, S 52 ff (mit Behauptung einer Änderung des Eigenwillens statt des Eigeninteresses); aA – keine Änderung des Verbandszwecks – KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102; KK/Koppensteiner3 13 (s aber auch Vorb § 291, 161: Gewinngemeinschaften und Teilgewinnabführungsverträge tangieren Verbandszweck); Leuschner Konzernrecht, S 50; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 243.

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Gesellschaft jeweils den mittels ihrer Unternehmung endgültig erzielten Gewinn gegen ein Entgelt teilweise weg.46 Diese Verträge betreffen also nicht lediglich die Methodik der Gewinnerzielung,47 weswegen die Gesetzesbegründung zu Recht eine Beeinflussung des Gewinnanspruchs der Aktionäre konstatiert.48 In die gleiche Richtung weist die einheitlich für Gewinnabführungsverträge, Teilgewinnabführungsverträge und Gewinngemeinschaften geltende Regelung des § 277 Abs 3 Satz 2 HGB, wonach die auf Grund eines solchen Vertrages erhaltenen oder abgeführten Gewinne in der Gewinn- und Verlustrechnung jeweils gesondert auszuweisen sind.49 In dieser engen Zusammenfassung kommt zum Ausdruck, dass „Gewinn“ konzeptionell jeweils nicht etwas grundsätzlich Verschiedenes bedeuten soll.50 cc) Gewinn iS des § 292 Abs 1 Nr 1, 2: der fiktive Bilanzgewinn. Als Konsequenz ist 19 für den Gewinnbegriff wie beim Gewinnabführungsvertrag des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 (§ 291, 143) an den fiktiven Bilanzgewinn anzuknüpfen, der sich ohne den gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensvertrag ergäbe.51 Ausgehend vom Jahresüberschuss iS des § 275 Abs 2 Nr 20, Abs 3 Nr 19 HGB sind hierfür die Anforderungen des § 300 Nr 252 (erhöhte Rücklagendotierung) und des § 301,53 im Vertrag vorgesehene Bindungen bei der Einstellung in Rücklagen sowie Dotierungen anderer Gewinnrücklagen nach Ermessen des Vorstands zu berücksichtigen. Der derart ermittelte Bilanzgewinn wird im eigentlichen Jahresabschluss in der Gewinn- und Verlustrechnung als abgeführter Gewinn iS des § 277 Abs 3 Satz 2 HGB ausgewiesen und in der Handelsbilanz unter dem Bilanzposten Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen gemäß § 266 Abs 3 lit C 6 HGB passiviert. Diese weitgehende Parallelisierung mit dem Gewinnabführungsvertrag erscheint schon deswegen angezeigt, weil die Parteien eine Pflicht zur Vergemeinschaftung oder zur Teilabführung des Bilanzgewinns gar nicht vereinbaren könnten, da ein solcher wegen der Verarbeitung der entgeltlichen Gewinnvergemeinschaftung beziehungsweise der Teilgewinnabführung in der Rechnungslegung (s § 277 Abs 3 Satz 2) von vornherein nicht entstehen kann. Gesetzessystematisch ist der Teilgewinnabführungsvertrag im Hinblick auf den Um- 20 fang der Gewinnabführung als ein Minus gegenüber dem Gewinnabführungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 konzipiert, welcher in der eine Vollabführung erfordernden steuerlichen Organschaft (§ 291, 13) wurzelt. Solange der Gesellschaft ein noch so marginaler Restgewinn verbleibt, so die ganz herrschende und zutreffende Meinung (Rdn 89), liegt daher ein Teilgewinnabführungsvertrag vor. Dies wiederum bedingt mit Notwendigkeit – und ist gemäß § 277 Abs 3 Satz 2 HGB im Übrigen auch durch die Rechnungslegung vorgegeben –, dass bei einem (Teil-)Gewinnabführungsvertrag der nach welchen Kriterien auch immer vereinbarte Abführungsumfang zum fiktiven Bilanzgewinn ins Verhältnis gesetzt werden kann. Nur dann lässt sich nämlich ermitteln, ob nach der vertraglichen Vereinbarung ein marginaler Restgewinn bei der

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Insoweit zum Teilgewinnabführungsvertrag noch unscharf Mülbert Aktiengesellschaft2, S 168. AA KK/Koppensteiner3 13. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379. Zur genauen Position des Ausweises s § 291, 143. Insoweit ganz ähnlich KK/Koppensteiner3 16.

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Für Übereinstimmung der beiden Gewinnbegriffe auch Priester in: FS Raupach 2006, S 319, 396; K Schmidt ZGR 1984, 295, 300; L Schmidt/L Werner GmbHR 2012, 29, 30. Nicht bei der Gewinngemeinschaft. Nicht bei der Gewinngemeinschaft, s Rdn 67.

Peter O. Mülbert

§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

abführungspflichtigen Partei verbleibt und also ein Teilgewinnabführungsvertrag vorliegt oder ob ein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 im Raume steht. Entscheidend ist allerdings der schon als ratio der § 292 Abs 1 Nr 1, 2, §§ 293 ff 21 erkannte Umstand, dass die gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensverträge das Eigeninteresse der Gesellschaft berühren (Rdn 18). Mit der Beschränkung der Verwaltung auf bestimmte aktionärsnützige Jahresüberschussverwendungsmöglichkeiten trägt § 158 dem Umstand Rechnung, dass der im Eigeninteresse näher ausgeformte Zweck der Gesellschaft darin besteht, durch das Betreiben ihres Unternehmens im Interesse der Aktionäre Gewinne zu erzielen. Indem § 292 Abs 1 Nr 1, 2 iVm § 293 Abs 1 für gewinnverwendungsbezogene Unternehmensverträge die Zustimmung der Hauptversammlung verlangt, verhindern diese Vorschriften ein Unterlaufen der Verwendungsrestriktionen des § 158 seitens der Verwaltung mittels Abschluss eines gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensvertrags. Zugleich weist diese Regelung iVm § 58 Abs 3 Satz 2 Alt 2 der Hauptversammlung das Entscheidungsmonopol zu, eine anderweitige, nicht notwendig im gleichmäßigen Interesse der Aktionäre liegende Verwendung des Bilanzgewinns zu beschließen.

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dd) Einheitsgewinnbegriff und Folgerungen. Zu bewähren hat sich diese Konzeption eines engen Gewinnbegriffs gegenüber dem insoweit übereinstimmenden Gesetzeswortlaut der Nrn 1 und 2 des § 292 Abs 1, wonach eine Gesellschaft den „Gewinn[…] oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil“ vergemeinschaftet beziehungsweise an einen anderen abführt. Aufgrund dieses Normtextes sieht die praktisch einhellige hM im (Gesamt-)Gewinn der Gesellschaft und im (Teil-)Betriebsgewinn zwei unterschiedliche Gewinnkategorien und fokussiert bei der Norminterpretation ganz auf den ersten Gewinnbegriff, also den Gewinn der Gesellschaft. Gleichwohl lässt sich der Gesetzeswortlaut der Nr 1 und Nr 2 des § 292 Abs 1 unschwer dahin deuten, dass beide Vorschriften übereinstimmend einen einzigen Gewinnbegriff kennen und dass es sich bei dem Einheitsbegriff um den fiktiven Bilanzgewinn im Sinne der Rdn 19 handelt. Mit der Inbezugnahme auch des (Teil-)Betriebsgewinns führt das Gesetz bei der gebotenen objektiv-teleologischen Interpretation also nicht zwei unterschiedliche Gewinnbegriffe ein. Vielmehr verdeutlicht es damit, dass neben einer rein quantitativen – Bruchteile, Prozente – Festlegung auch eine qualitative Festlegung des zu vergemeinschaftenden oder abzuführenden Anteils am fiktiven Bilanzgewinn (Rdn 19) möglich ist. Mit dieser Maßgeblichkeit allein des fiktiven Bilanzgewinns auch bei den gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 ist der Konflikt zwischen einem Gewinnabführungs- und einem Teilgewinnabführungsvertrag beim Abschluss durch dieselbe Gesellschaft ohne weiteres auf der vertragsrechtlichen Ebene aufzulösen, nicht unter Rückgriff auf deren jeweilige rechnungslegungsrechtliche Behandlung: Beide Verträge verpflichten zur Abführung des fiktiven Bilanzgewinns beziehungsweise eines Teils hiervon und begründen also miteinander unvereinbare Leistungspflichten, auch wenn für die Ermittlung des fiktiven Bilanzgewinns im Detail leicht abweichende Regeln gelten (s § 300 Nr 1 und Nr 2). Dieser Konflikt wird durch die in § 301 vorgesehene einzelvertragsbezogene Deckelung des abzuführenden Betrags nicht ausgeräumt und besteht unabhängig davon, in welcher Reihenfolge die Verträge zustande kommen. Für seine Auflösung verdient die Nichtigkeit des jeweils späteren Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 241 Nr 3 Var 1 (wohl) den Vorzug; die Alternative des Ausschlusses der Gewinnabführungspflicht aus dem später abgeschlossenen Vertrag wegen rechtlich bedingter subjektiver Unmöglichkeit nach § 275 Abs 1 BGB und, als Konsequenz, die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung nach

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§ 243 Abs 1, erscheint nach Maßgabe der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Unmöglichkeitsgrundregeln weniger gesichert. Diese Regeln gelten auch im Falle von Teilgewinnabführungsverträgen in der Form stiller Gesellschaften (Rdn 95).54 Als weitere Konsequenz kann auch bei Verwendung anderer Ergebnisgrößen als dem 23 Jahresüberschuss oder dem Betriebsgewinn, etwa bestimmter Positionen der Gewinnund Verlustrechnung, ohne weiteres ein gewinnverwendungsbezogener Unternehmensvertrag iS der Nr 1 oder Nr 2 des § 292 Abs 1 vorliegen. Entscheidend ist nicht die enge oder weitere Interpretation des Gewinnbegriffs, sondern ob der Vertrag für die Vergemeinschaftung beziehungsweise die Abführungspflicht an den der Gesellschaft nach dem Jahresabschluss „an sich“ endgültig zugewiesenen Jahresüberschuss anknüpft und die vereinbarte Ergebnisgröße als qualitative Festlegung des hiervon betroffenen Anteils fungiert. Diese Anknüpfung an den Jahresabschluss bedingt über die von der ganz hM verlangte Periodizität (Rdn 64, 86) der Gewinnermittlung hinaus, dass der Gewinn jährlich ermittelt wird. Zudem ist vorbehaltlich sonstiger Anhaltspunkte erforderlich, dass die Ansprüche auf Vergemeinschaftung und auf Abführung des Teilgewinns nach ihrer Entstehung und Fälligkeit auf den Jahresabschluss bezogen sind, etwa durch Anknüpfung an den Bilanzstichtag oder die Feststellung des Jahresabschlusses. Bei der Inbezugnahme des Bilanzgewinns iS des § 158 Abs 1 Satz 1, § 268 Abs 1 Satz 2 HGB für die zu vergemeinschaftende oder abzuführende Ergebnisgröße ist dies regelmäßig der Fall. d) Zweckänderung bei Verträgen der Nr 3. Was den tragenden Grund dafür anbe- 24 langt, die betriebsführungsbezogenen Verträge in § 292 Abs 1 den Unternehmensverträgen zuzuordnen und damit der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 zu unterstellen, sind die Materialien unergiebig. Der historische Gesetzgeber begnügte sich mit der Feststellung, diese Verträge seien auch schon in § 256 AktG 1937 aufgeführt worden.55 Dementsprechend gegensätzlich ist das Meinungsspektrum: Zunächst abzuschichten ist der Hinweis darauf, dass die Hauptversammlungszustim- 25 mung eine Angemessenheitskontrolle ermögliche.56 Denn nach der lex lata stehen auch konzerninterne Verträge und sogar Verträge mit dem Alleinaktionär, bei denen der konsentierende Hauptversammlungsbeschluss eine bloße Formalität bildet, unter einem Zustimmungsvorbehalt. Die meisten Stellungnahmen stimmen im Ausgangsbefund überein, knüpfen hieran 26 aber sehr gegensätzliche Schlussfolgerungen. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge eignen sich in der Form der sog konzerninternen Pachtverträge, so die verbreitete rechtstatsächliche Erkenntnis, bestens zur „Eingliederung“ der abhängigen Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens,57 weil die ihr Unternehmen vorübergehend abgebende Gesellschaft den Einfluss auf das Betreiben ihres Unternehmens aufgibt. Als Konsequenz hieraus wird die Betriebsüberlassung einerseits als eine Änderung des Unternehmensgegenstands verstanden – er besteht nunmehr in der Betriebsverpachtung und wird von der Gesellschaft selbst verfolgt –, die einen materiell sat-

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IE wie hier Hüffer10 15; Berninger Betrieb 2004, 297, 299; aA MünchKommHGB/ K Schmidt § 230, 116; einen Abführungsvorrang zugunsten der stillen Gesellschaft bejahend ferner MünchKommAktG/Altmeppen3 65 Fn 100; Priester in: FS Raupach 2006, S 319, 397 f; Schmich GmbHR 2008,

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464, 465 f; L Schmidt/L Werner GmbHR 2010, 29, 30 f. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379; vgl dazu KK/Koppensteiner3 19; Emmerich/Habersack6 38 f. Rehbinder ZHR 147 (1983), 464, 470. Näher Emmerich/Habersack6 39 mwN.

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zungsändernden Hauptversammlungsbeschluss erfordert.58 Nach der Gegenposition betreibt die Gesellschaft weiterhin das ursprüngliche Unternehmen, jedoch unter radikaler Verkürzung ihrer eigenverantwortlichen Leitung, und dieser Eingriff in die eigenverantwortliche Leitung59 beziehungsweise diese Beeinträchtigung des Eigenwillens der Gesellschaft60 erfordert einen leitungsstrukturändernden Hauptversammlungsbeschluss. Zudem wandelt sich die Gesellschaft durch den Abschluss eines solchen Vertrages in eine Rentnergesellschaft, die von einer Gewinnerwirtschaftung zwar profitiert, anders als die unverbundene Gesellschaft aber in aller Regel nicht mehr ausschließlich im Eigeninteresse.61 Eine sozusagen vermittelnde Deutung kombiniert die beiden Erklärungsansätze.62 Stellungnahme: Das Kombinationsmodell – Gegenstandsänderung und leitungsver27 kürzende Umwandlung in eine Rentnergesellschaft – ist als Erklärungsmodell ungeeignet. Bei einem Unternehmensgegenstand „Verpachtung des Unternehmens“ wäre eine zur Rentnergesellschaft führende Erlösstruktur vorgegeben und müsste sich die eigenverantwortliche Unternehmensleitung notwendig darauf beschränken, mit der Gegenleistung eine eigene Unternehmenspolitik zu verfolgen. Der Vorzug gebührt vor diesem Hintergrund dann der zweiten Deutungsvariante. Denn der Rentnergesellschaftseffekt, also die implizite Verkürzung der Gewinnerzielungsabsicht dadurch, dass die Gesellschaft das Unternehmen nicht mehr uneingeschränkt in ihrem Eigeninteresse betreibt, wird durch die Deutung als bloße Gegenstandsänderung nur unvollkommen erfasst. Nach alledem ändert die Hauptversammlungszustimmung nach § 293 Abs 1 also den Verbandszweck der Gesellschaft63 und schafft damit die Voraussetzung dafür, zugleich das Organisationsstatut der Gesellschaft unter Verkürzung des Leitungsauftrags des Vorstands hinsichtlich des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens auf einen betriebsführungsbezogenen Unternehmensvertrag einzustellen.64

III. Parteien eines Unternehmensvertrags nach Abs 1 1. AG/KGaA als verpflichtete Gesellschaft

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Im Falle einer Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs 1 Nr 1) verpflichten sich alle Vertragsbeteiligten vertragstypisch zur Gewinnvergemeinschaftung. Jedenfalls einer der – mindestens zwei65 – Vertragsbeteiligten muss eine nach ihrem Personal- beziehungsweise Gesellschaftsstatut dem deutschen Aktienrecht unterliegende AG oder KGaA sein (§ 291, 43). Ferner muss diese Gesellschaft erwerbswirtschaftlich mit Gewinnerzielungsabsicht 58

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KK/Zöllner1 § 179, 17; s auch Veelken Betriebsführungsvertrag, S 245 f (Verlust der eigenen Unternehmensorganisation). Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 280 f unter Bezugnahme auf den historischen Gesetzgeber des AktG 1937; ähnlich Geßler/Geßler 79; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 29 f; s auch Mülbert Aktiengesellschaft2, S 172. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 171; Veil Unternehmensverträge, S 126 ff; aA KK/Koppensteiner3 13; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 244. So oder ähnlich Mülbert Aktiengesellschaft2, S 171 f; MünchKommAktG/Altmeppen3 6;

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Emmerich/Habersack6 39; Emmerich/Haber sack9 § 15, 5; DJT-Konzernrecht Rdn 185; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 5; OLG Hamburg AG 2001, 91 = NZG 2000, 421, 422. Spindler/Stilz/Veil 2 36 f; auch KK/Koppensteiner3 13, 19, Vorb § 291, 161; Heidel/ Peres3 3 iVm 41. Ebenso Würdinger Aktienrecht4, S 303; Dierdorf Herrschaft, S 120; aA Leuschner Konzernrecht, S 50 f. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 171 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 11; Hüffer10 4; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 8.

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tätig sein. Das folgt schon daraus, dass die Gesellschaft auch nur den Gewinn einzelner ihrer Betriebe in die Gewinngemeinschaft einbringen kann; zudem wird eine gemeinschaftliche Gewinnzusammenlegung stillschweigend voraussetzen, dass jeder Vertragsteil auch Gewinn erzielen kann, indem er unternehmerisch tätig wird.66 Sind mehrere AGs oder KGaAs beteiligt, braucht es sich nicht um verbundene Unternehmen iS des § 15 zu handeln. Im Übrigen fungiert jede der mehreren AGs oder KGaAs als Schutzobjekt des § 292 Abs 1 Nr 167 und zugleich als anderes Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung (Rdn 30). Diejenige Partei eines Unternehmensvertrags iS von § 292 Abs 1, die sich vertrags- 29 typisch verpflichtet, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen (Nr 2) oder den Betrieb ihres Unternehmens einem anderen zu verpachten oder sonst zu überlassen (Nr 3), muss eine nach ihrem Personal- beziehungsweise Gesellschaftsstatut deutschem Aktienrecht unterliegende AG oder KGaA (§ 291, 43) sein.68 2. Der andere Vertragsteil Bei der Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs 1 Nr 1) ist der vom Gesetz als Unternehmen 30 bezeichnete (mindestens eine) andere Vertragsteil ebenfalls vertragstypisch verpflichteter Vertragsbeteiligter. Daher passt die Unterscheidung nach Ober- und Untergesellschaft von vornherein nicht, weswegen auch keinem Beteiligten die Qualität eines übergeordneten Unternehmens iS der §§ 15, 17 Abs 1 (§ 291, 46) zukommen muss.69 Unerheblich ist sodann die Rechtsform des anderen Vertragsbeteiligten – er kann auch die Rechtsform einer AG oder KGaA haben – und weiter, ob es sich um ein in- oder ausländisches Unternehmen handelt. Jedoch muss der andere Vertragsbeteiligte erwerbswirtschaftlich mit Gewinnerzielungsabsicht tätig sein.70 Das folgt aus der Möglichkeit, den Gewinn auch nur mit einzelnen Betrieben des oder der anderen Vertragsbeteiligten zu vergemeinschaften. Beim Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs 1 Nr 2) kann jeder Rechtsträger 31 auch ohne eine (in)direkte Beteiligung als „anderer“ Vertragsbeteiligter fungieren.71/72

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KK/Koppensteiner3 5. Emmerich/Habersack6 8. MünchKommAktG/Altmeppen3 46, 95; Emmerich/Habersack6 8; Hüffer10 3; KK/Koppensteiner3 4; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 5; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 2; Emmerich/Habersack9 § 13, 7. AA MünchKommAktG/Altmeppen3 11; Emmerich/Habersack6 § 297, 53 (ohne Vertiefung); KK/Koppensteiner 3 8 (implizit: Gewinngemeinschaft begründet stets Unternehmensverbindung iS des § 15). Ebenso Hüffer10 3. MünchKommAktG/Altmeppen3 46; iE auch Emmerich/Habersack6 8 f; Emmerich/Habersack9 § 14, 2; Hüffer10 3, 12; KK/Koppensteiner3 5; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 5; Geßler/Geßler 30; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 2; Hirte ZIP 1988, 477, 485; aA noch Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 11, 38.

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Implizit auch die Rechtsprechung, wenn sie stille Gesellschaftsverträge, die etwa zwischen einer als Publikumsfonds strukturierten AG oder KGaA und einer Vielzahl von Klein- bzw Privatanlegern geschlossen werden, als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert (Rdn 99), ohne die Unternehmenseigenschaft des Anlegers anzusprechen. S etwa BGHZ 156, 38, 43 = WM 2003, 1023 = NZG 2003, 1023 = AG 2003, 625; BGH WM 2004, 2019 = NZG 2004, 961 = AG 2004, 610; WM 2005, 278, 279 ff = NZG 2005, 261 = AG 2005, 201; AG 2005, 390, 391 = NZG 2005, 472 = WM 2005, 833; AG 2006, 546, 548 Rdn 20 = NZG 2006, 540 = WM 2006, 1154; WM 2006, 1154 = NZG 2006, 540 = AG 2006, 546; s ferner OLG Celle NZG 2000, 85 = AG 2000, 280; OLG Schleswig AG 2003, 526; OLG Hamm AG 2003, 520 = NZG 2003, 228; OLG

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Der Gesetzeswortlaut sieht weder eine Beschränkung auf übergeordnete Unternehmen iS der §§ 15, 17 Abs 1 (dazu § 291, 46) noch auf in einer sonstigen Weise iS des § 15 verbundene Unternehmen vor73 und auch die personenbezogenen Ausnahmeregelungen des Abs 2 Var 1 (dazu Rdn 107 ff) implizieren angesichts ihres nicht auf Unternehmen begrenzten personalen Anwendungsbereichs, dass im Grundsatz auch Nichtunternehmen als anderer Vertragsteil fungieren können. Diesbezüglich ist auch keine teleologische Reduktion geboten. Anlass hierzu geben weder die §§ 293a, 293b, 293d, auch wenn diese Vorschriften den Begriff des (übergeordneten) Unternehmens verwenden,74 noch das Bedenken, dass reine Privataktionäre formal die durch § 58 Abs 2 gezogene Ausschüttungsgrenze unterlaufen könnten;75 letzterer Aspekt wiegt schon angesichts des Erfordernisses einer angemessenen Gegenleistung nicht schwer. Zudem vermeidet das Festhalten am Wortlaut die problematische Frage, ob den §§ 292 Abs 1 Nr 2, 293 ff ein Umgehungsverbot des Inhalts zu entnehmen ist, dass eine AG mit einem Privataktionär keine stille Gesellschaft mit dem Zweck einer Teilgewinnabführung errichten darf. Bei Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen kommt im Einklang mit dem 32 Normtext des § 292 Abs 1 Nr 3 auch ohne eine (in)direkte Beteiligung jedermann als Pächter etc in Betracht.76 Rechtstatsächlich wird ein betriebsführungsbezogener Unternehmensvertrag der Nr 3 zwar häufig mit einem Unternehmen abgeschlossen werden, meist sogar als sog konzerninterner mit einem herrschenden Unternehmen (vgl auch § 302 Abs 2). Die §§ 292 Abs 1 Nr 2, Abs 3, 293 ff kommen aber auch bei Pachtverträgen zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen zur Anwendung.77 Es muss sich nicht einmal um in einer sonstigen Weise iS des § 15 verbundene Unternehmen handeln.78 Derjenige, dem die Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens verpachtet oder 33 überlässt, wird nicht allein dadurch, dass er den Betrieb nunmehr führt, zum Kaufmann und damit auch zum Unternehmen.79 Hiergegen streitet schon die Möglichkeit, dass sich die Gesellschaft auch verpflichten kann, das verpachtete Unternehmen zwar für fremde Rechnung, indes im eigenen Namen weiter zu betreiben.80 Überdies geht die zirkuläre Annahme, infolge des Unternehmensvertrags handele es sich ausweislich des § 15 um verbundene Unternehmen, im Grundsätzlichen fehl. Der statusdefinierende Unterneh-

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Braunschweig NZG 2004, 126 = AG 2003, 686; OLG Jena NZG 2004, 131; OLG Hamburg AG 2003, 519 = NZG 2003, 436. KK/Koppensteiner3 14 mit zutreffender Kritik an der von Schneider/Reusch Betrieb 1989, 713, 714 f befürworteten Restriktion. Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 38 (zu den Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 3); auch KK/Koppensteiner3 7. AA noch Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 38 mit Fn 128. AllgM; insoweit auch Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 38. Hüffer10 3 aE, 17; MünchKommAktG/Altmeppen3 96 mit Fn 162; KK/Koppensteiner3 76; Mimberg Konzernexterne Betriebspachtverträge, S 77 ff; U H Schneider JbFSt 1982/83, 387, 408 hält die §§ 293 ff nur für anwendbar, wenn die verpachtende Gesellschaft abhängig ist, andernfalls bestehe eine

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Zuständigkeit der Gesellschafter kraft einer „faktischen Satzungsänderung“. KK/Koppensteiner3 14 mit zutreffender Kritik an der von Schneider/Reusch Betrieb 1989, 713, 714 f befürworteten Restriktion. Hüffer10 17; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 6; aA KK/Koppensteiner3 6; MünchKommAktG/Altmeppen3 95 (der andere Vertragsteil wird durch das Betreiben des gepachteten Betriebs „oftmals“ zum Kaufmann und hierdurch zum Unternehmen); Emmerich/Habersack6 9 (der andere Vertragsteil wird durch den Vertragsabschluss „häufig“ zum Unternehmen); Geßler/Geßler 55; Maser Betriebsüberlassungsverträge, S 44 f; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 86. KK/Koppensteiner3 6; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 6; Maser Betriebsüberlassungsverträge, S 45.

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mensbegriff des § 15 knüpft an das Vorliegen einer Organisationsgestaltung nach Maßgabe der §§ 291 Abs 1, 292 Abs 1 an. Daher sind diesen materiellen Konzernrechtsvorschriften – und nicht etwa den §§ 15 ff – die Zulässigkeitsvoraussetzungen der betreffenden Organisationsgestaltungen unter Einschluss des jeweils maßgeblichen Unternehmensbegriffs zu entnehmen (s auch § 291, 47).81

IV. Angemessenheit der Gegenleistung (Abs 3) Bei allen Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 ist gleichermaßen die Vereinbarung 34 einer angemessenen Gegenleistung erforderlich, wobei die jeweiligen Angemessenheitskriterien freilich divergieren (Rdn 74, 92, 128 ff). Ausgangspunkt für die vorweg zu behandelnde Frage nach den Rechtsfolgen bei Fehlen einer angemessenen Gegenleistung muss die partielle Rechtsfolgenregelung des § 292 Abs 3 für Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge sein. 1. § 292 Abs 3 als Sonderregel § 292 Abs 3 regelt nach seinem Wortlaut bestimmte Rechtsfolgen für den Fall, dass es 35 bei einem betriebsführungsbezogenen Vertrag des Abs 1 Nr 3 an der Vereinbarung einer angemessenen Gegenleistung mit einem Aktionär als anderem Vertragsteil fehlt. Für diese verdeckte Einlagenrückgewähr ist trotz des Verstoßes gegen die Kapitalbindungsregeln der §§ 57, 58, 60 die Nichtigkeit sowohl des Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrags als auch des ihm zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses ausgeschlossen (Satz 1), wogegen die Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses unberührt bleibt (Satz 2). Dieser Rechtsfolgenanordnung des § 292 Abs 1 Abs 3 kommt konstitutive, nicht 36 lediglich deklaratorische Wirkung zu.82 Nach den allgemeinen Regeln hätte der Verstoß gegen die Kapitalbindungsvorschriften der §§ 57 58, 60 an sich die Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB83 und des Zustimmungsbeschlusses nach § 241 Nr 384 zur Folge. Nach Ansicht des historischen Gesetzgebers wäre dies aber für Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge, „die häufig die Struktur der beteiligten Unternehmen bereits endgültig verändert haben, keine angemessene Rechtsfolge“, zumal die Aktionäre durch das ihnen ausdrücklich vorbehaltene Recht der Beschlussanfechtung hinreichend geschützt seien;85 im Falle von Gewinngemeinschaften und Teilgewinnabführungsverträgen hingegen „gelten die allgemeinen Grundsätze“.86

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Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 9 f, 36 ff; MünchKommHGB/Mülbert3 KonzernR, 36 f, 39 ff; zustimmend MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 6; ebenso Windbichler in diesem Kommentar, § 15, 62 aE; aA trotz Kritik an der gängigen Argumentation KK/Koppensteiner3 6. Vgl KK/Koppensteiner3 20 f; Hüffer10 29; Spindler/Stilz/Veil 2 44 ff; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 51 ff. Emmerich/Habersack6 51; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 33. BGH WM 2012, 1689, 1690 = AG 2012,

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680 = NZG 2012, 1030; Emmerich/Habersack6 51; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 33. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379. Dass die Anfechtung trotz Unbehelflichkeit der Nichtigkeitsfolge überhaupt zugelassen wird, erklärt sich nach Hüffer10 29 durch Kürze der Anfechtungsfrist (§ 246 Abs 1) und die Warnfunktion der erhobenen Anfechtungsklage. Noch anders MünchKommAktG/Altmeppen3 120: Anfechtung erlaubt die Herstellung alsbaldiger Klarheit über die Unwirksamkeit des Vertrages. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Angesichts dieser eindeutigen Gesetzesmaterialien verbietet sich entgegen Einzelstimmen die Annahme, dass der Gesetzgeber mit Abs 3 Satz 1 lediglich eine deklaratorische Regelung treffen wollte und dass die Erstreckung der vermeintlichen Klarstellung auf die gewinnverwendungsbezogenen Verträge des Abs 1 Nr 1 und 2 lediglich versehentlich unterblieb.87 Aber auch objektiv-teleologisch ist die These, dass ein Verstoß gegen das Verbot der verdeckten Einlagenrückgewähr bei den übrigen Verträgen, also insbesondere den gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensverträgen, ebenfalls nicht zwingend zur Nichtigkeit führt,88 nicht zutreffend. Sie wurzelt in der Vorstellung, die Einfügung des die Rückgewährpflicht speziell regelnden § 62 Abs 1 Satz 1 lasse einen Rückschluss auf die Rechtsfolgen des § 57 dahingehend zu, dass die wertmäßige Vermögensbindung die Nichtigkeitsfolge nicht mehr voraussetze; gerade auch die Anpassung der Vertragsbedingungen sei einer Rückabwicklung vorzuziehen.89 Jedoch ergibt sich bereits unter insolvenz- und zwangsvollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkten, dass ein Vermögensausgleich beziehungsweise die Vertragsanpassung aus § 62 Abs 1 Satz 1 gerade keinen der Rückabwicklung wertmäßig gleichrangigen Vermögensschutz bereitstellt.90 2. Rechtsfolgen bei fehlender Angemessenheit

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a) Aktionär als anderer Vertragsteil. Die Vereinbarung einer unangemessenen Gegenleistung mit einem Aktionär als anderem Vertragsteil begründet, wie auch § 292 Abs 3 mit der Inbezugnahme eines Verstoßes gegen die Kapitalbindungsregeln der §§ 57, 58, 60 impliziert, eine verdeckte Einlagenrückgewähr.91 Das gilt auch insoweit, als der Vertrag unmittelbare Ausgleichszahlungen an die außenstehenden Aktionäre statt Zahlungen an die Gesellschaft vorsieht, da die Kapitalbindungsvorschriften jedenfalls auch Gläubigerschutz bezwecken und es daher keine Rolle spielen kann, dass der Aktionär sich gegebenenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis so stellt wie er bei Zahlung einer angemessenen Gegenleistung an die Gesellschaft selbst stünde. Im Falle eines gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensvertrags nach § 292 39 Abs 1 Nr 1, 2 führt die Unangemessenheit der vereinbarten Gegenleistung als eine verdeckte Einlagenrückgewähr zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB92 und des Zustimmungsbeschlusses nach § 241 Nr 3.93 Von der Gesellschaft abgegebene Gewinne

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So wohl letztlich MünchKommAktG/Altmeppen3 32 und 117. 88 In diesem Zusammenhang MünchKommAktG/Altmeppen3 117; ähnlich Joost ZHR 149 (1985), 419, 419 ff. 89 MünchKommAktG/Altmeppen3 117 und 30 ff; unter Bezugnahme auf die Vertreter dieser Auffassung, namentlich Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung, S 128 ff; 134 ff; Wilhelm in: FS Flume 1978, Bd II, S 337, 383 ff; Flume ZHR 144 (1980), 18, 23 ff; ders JurPerson, S 290 ff; K Schmidt GesR4 § 29 II 2 b) aa) und bb). Zum Meinungsstand auch Cahn Kapitalerhaltung, S 114 ff. 90 Näher Henze in diesem Kommentar § 57, 191, 200 ff, insbes 203–205 mwN. 91 KK/Koppensteiner3 23; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 91.

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OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 474; Emmerich/Habersack6 19, 27a; Emmerich/Habersack9 § 14, 3; Hüffer10 11, 16; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 11; KK/Koppensteiner3 28, 53, 72; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 13, 23; Geßler/Geßler 24, 44, 93; Ebenroth Vermögenszuwendungen, S 421 ff; Raiser/Veil5 § 57, 9, 12; vgl auch aA Joost ZHR 149 (1985), 419, 421 ff. OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 474; K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 58; Emmerich/Habersack6 19, 27a; Emmerich/ Habersack9 § 14, 3; Hüffer10 11, 16; KK/Koppensteiner3 28; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 13, 23; Geßler/Geßler 93; KK/Zöllner1 § 241, 122; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 30 ff, 87, insbes 32: Nichtigkeit nur im praktisch nicht vorkommenden Fall, dass Beschluss die Ausschüttungs-

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sind ihr nach § 62 rückzuerstatten; Rückforderungen des anderen Vertragsteils können im Wege der Kondiktion nach den §§ 812 ff BGB erfolgen.94 Etwas anderes kann dann gelten, wenn eine typische oder atypische stille Gesellschaft vorliegt – stets im Falle der Gewinngemeinschaft (Rdn 62), vielfach im Falle des Teilgewinnabführungsvertrags (Rdn 95) –, weil die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nach hM auch für stille Gesellschaften gelten (§ 293, 169 ff). Entnimmt man den §§ 57, 58, 60, § 134 BGB keine entgegenstehenden höherrangigen Interessen (dazu § 293, 174 f), erfolgt auf dem Boden der freilich kritisch zu sehenden hM95 (§ 293, 172) die Abwicklung nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft.96 Im Falle eines Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrags nach § 292 Abs 1 Nr 3 40 schließt Abs 3 die Nichtigkeit des Vertrages (§ 134 BGB) und des zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses (§ 241 Nr 3) ausdrücklich aus (Satz 1), nicht hingegen die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses (Satz 2).97 Die verdeckte Einlagenrückgewähr bildet als Gesetzesverstoß iS des § 243 Abs 1 ohne weiteres einen Anfechtungsgrund,98 ferner die in der verdeckten Einlagenrückgewähr liegende Verfolgung eines Sondervorteils zum Schaden der Gesellschaft (§ 243 Abs 2 Satz 1) und der hiermit zugleich99 vorliegende Treuepflichtverstoß (§ 243 Abs 1). Diese Anfechtungsgründe bleiben nach hM auch dann unberührt, wenn der Zustimmungsbeschluss nach § 243 Abs 2 Satz 2 den außenstehenden Aktionären einen angemessenen Ausgleich für den (Reflex-)Schaden zubilligt, den sie infolge des durch die defizitäre Gegenleistung verursachten Gesellschaftsschadens erleiden. Denn diese Ausgleichsklausel bedürfe einer teleologischen Reduktion jedenfalls für den Fall, dass eine Gläubigersicherung nicht durch konzernrechtliche Vorschriften wie etwa den ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis erfordernden § 302 Abs 2 geleistet wird.100 Von den in § 245 genannten Anfechtungsbefugten unterliegen Vorstand und Aufsichtsrat sogar einer nach §§ 93, 116 schadensersatzbewehrten Anfechtungspflicht.101 Kommt es wegen Verletzung dieser Pflicht zur Anfechtungspräklusion, sind die Gesellschaftsgläubiger auf die Vollstreckung in diese Schadensersatzansprüche und die Möglichkeiten nach §§ 93 Abs 5, 116 beschränkt.102

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sperre bzw Kapitalbindung als solche beseitigen will. Emmerich/Habersack6 19, 27 f; Hüffer10 11, 16; Geßler/Geßler 24. Ebenso Spindler/Stilz/Veil 2 28. Emmerich/Habersack6 19; Hüffer10 11; aA Geßler/Geßler 24: Anwendung der §§ 812 ff auch insoweit. AA Spindler/Stilz/Veil 2 45: keine Anwendung des Abs 3 auf konzernexterne Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge kraft richtlinienkonformer Auslegung. K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 58; MünchKommAktG/Altmeppen3 121; Hüffer10 30; KK/Koppensteiner3 23; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 32 ff; undifferenziert auf § 243 AktG verweisend Emmerich/Habersack6 51; Emmerich/ Habersack9 § 15, 15. K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 52. KK/Zöllner1 § 243, 242; K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 60; Hüffer10 § 243,

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40 (s aber auch § 292, 30); iE ferner Spindler/Stilz/Veil 2 44; MünchKommAktG/Altmeppen3 122; auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 55 (Anfechtung nur nach § 243 Abs 1, weil entgegen hM keine Erstreckung des § 243 Abs 2 Satz 2); aA – keine teleologische Reduktion und Erstreckung des § 243 Abs 2 Satz 2 auch auf Anfechtung nach § 243 Abs 1 – KK/Koppensteiner3 25; Geßler in: FS Barz 1974, S 97, 99 f, 107; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 290 f; s auch Hüffer10 30; noch anders Martens AG 1974, 9: Beschluss unanfechtbar, aber nicht gesetzmäßig iS des § 93 Abs 4. MünchKommAktG/Altmeppen3 120; KK/Koppensteiner3 26. KK/Koppensteiner3 62; Geßler/Geßler 95; aA – auch nach Anfechtungspräklusion noch einen Anspruch gegen den anderen Vertragsteil aus § 62 auf Differenzbetrag zum angemessenen Entgelt bejahend – MünchKommAktG/Altmeppen3 120;

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Weitergehend kommt dem Anfechtungsgrund der Verfolgung von Sondervorteilen nach § 243 Abs 2 Satz 1 und dem damit einhergehenden Gesetzesverstoß (§ 243 Abs 1) eine eigenständige Bedeutung zu, wenn zwar die Gegenleistung des Aktionärs angemessen ist oder es am Nachweis der Unangemessenheit fehlt, jedoch ein Dritter ceteris paribus ein höheres Gegenleistungsangebot unterbreitet hat. Dann liegt die Gewährung eines gesellschaftsschädigenden Sondervorteils durch unangemessene Vertragsbedingungen vor, nicht lediglich eine Vermutung hierfür.103 Die Vereinbarung einer Betriebspacht als solche begründet demgegenüber zwar einen Sondervorteil,104 und das gilt erst recht, wenn die Gesellschaft überhaupt nur an einen bestimmten Aktionär verpachten möchte,105 aber keinen Schaden der Gesellschaft oder der (übrigen) Aktionäre. Anders kann es nur dann liegen, wenn der einzige Mitaktionär nicht zum Zuge kommt oder wenn die Mitaktionäre zusammen ein konkurrierendes gleichwertiges Angebot abgeben. Vermeiden lässt sich dieser Anfechtungsgrund nach der Wertung des § 243 Abs 2 42 Satz 2, indem der Vertrag zusätzlich zur angemessenen Gegenleistung an die Gesellschaft freiwillige unmittelbare Ausgleichsleistungen an die außenstehenden Aktionäre statt Zahlungen an die Gesellschaft vorsieht. Die Gesetzesmaterialien sehen einen Beweggrund für solche freiwilligen Verpflichtungen denn auch ausdrücklich darin, dass der Zustimmungsbeschluss der Anfechtung nach § 243 Abs 2 entzogen werden soll.106 Alternativ lässt sich die Anfechtung nach § 243 Abs 2 Satz 1 ausschließen, indem der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 zugunsten der außenstehenden Aktionäre auf der Grundlage einer bis zur Beschlussfassung aufschiebend bedingten unternehmensvertraglichen Ausgleichsvereinbarung einen angemessenen Ausgleich für deren (Eigen-)Schaden bestimmt (Satz 2). Für diesen Fall wird der Anfechtungsausschluss mit Recht auch auf die Anfechtung wegen Gesetzesverstoßes nach § 243 Abs 1 erstreckt,107 da dem Ausschluss ansonsten kaum praktische Bedeutung zukäme.

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b) Nichtaktionär als anderer Vertragsteil. Ist der andere Vertragsteil kein Aktionär und auch nicht mittelbar herrschendes Unternehmen, bewendet es bei den allgemeinen Vorschriften. Spezielle Regeln für diese Konstellation sind entbehrlich, weil der Vertragsmechanismus im Falle voneinander unabhängiger Parteien dafür Sorge trägt, dass der Vorstand keine unangemessene Gegenleistung zum Nachteil der Gesellschaft vereinbart.108

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Emmerich/Habersack6 51a f; Emmerich/ Habersack9 § 15, 15. KK/Zöllner1 § 243, 214; KK/Koppensteiner3 24 (insoweit freilich einwendend, die ceteris paribus-Bedingung sei im Falle des Betriebspachtvertrags hinsichtlich des Mehrheitsund damit konkurrierenden Minderheitsaktionärs nicht erfüllt); MünchKommAktG/ Altmeppen3 121; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 94 ff; Abrell BB 1974, 1463, 1465 f; Martens AG 1974, 9, 14 ff; wohl auch MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 33; Hüffer10 30 und § 243, 36; aA – bloße Vermutung – OLG Frankfurt WM 1973, 348 = AG 1973, 136, 137 f; K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 55; auch MünchKommAktG/Hüffer3 § 243, 108. OLG Frankfurt WM 1973, 348 = AG 1973, 136, 137.

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OLG Frankfurt WM 1973, 348 = AG 1973, 136, 137; Abrell BB 1974, 1463, 1465 f; Martens AG 1974, 9, 14 ff; KK/Zöllner1 § 243, 208. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 384. KK/Koppensteiner3 25, 33 aE (§ 243 Abs 2 Satz 2 stellt nach überwiegender Ansicht eine gesetzgeberische Fehlleistung dar), 79; Geßler in: FS Barz 1974, S 97, 107; Schilling in: FG Hengeler 1972, S 226, 232; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 100 f; KK/Zöllner1 § 243, 253; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 122; Hüffer10 31, 37; Emmerich/ Habersack6 51a; Emmerich/Habersack9 § 15, 15; noch anders Martens AG 1974, 10 Anm 7. Gleichsinnig MünchKommAktG/Altmeppen3 37, 127; KK/Koppensteiner3 72; wohl auch Emmerich/Habersack9 § 14, 10, § 15, 16.

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Bei einer gleichwohl unangemessen niedrigen Gegenleistung lassen die §§ 57, 58, 60 44 die Wirksamkeit der Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 mangels Anwendbarkeit unberührt,109 doch können die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht im Einzelfall zur Nichtigkeit führen. Eine Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses nach § 243 Abs 2 wegen Verfolgung eines Sondervorteils kommt nur in Betracht, wenn der den Beschluss maßgeblich tragende Aktionär von der zu niedrigen Gegenleistung indirekt, etwa aufgrund einer maßgeblichen Beteiligung am anderen Vertragsteil, profitiert. Soweit der Vertrag freiwillige unmittelbare Ausgleichszahlungen an die außenstehenden Aktionäre in Höhe des Gegenleistungsdefizits vorsieht, entfällt schon die Verfolgung eines Sondervorteils, sieht der zustimmende Hauptversammlungsbeschluss eine entsprechende Ausgleichsregelung vor, entfällt nach § 243 Abs 2 Satz 2 der Anfechtungsgrund. Die Organmitglieder der Gesellschaft setzen sich hingegen stets der Haftung nach den §§ 93, 116 aus.110 Im Falle eines qualifizierten Fehlverhaltens kommen ferner Schadensersatzansprüche nach den §§ 823 Abs 2 BGB iVm § 266 StGB oder § 826 BGB in Betracht.111 Ein konsentierender Beschluss der Hauptversammlung nach § 293 wirkt dann nicht enthaftend, wenn er seinerseits rechtswidrig ist (§ 293, 40).112 Bei Kollusion mit dem Kontrahenten kann das Vertretungshandeln des Vorstands 45 nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam sein.113 In einem solchen Fall kann auch eine Beteiligung des anderen Vertragspartners an einer durch die Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft begangenen Untreue und damit dessen Haftung nach den § 823 Abs 2 BGB iVm §§ 266, 26, 27 StGB, §§ 826, 830, 840 BGB114 oder gar eine Eigenhaftung nach der aktienrechtlichen Deliktsnorm des § 117115 in Betracht kommen. c) Herrschender anderer Vertragsteil aa) Anwendung der §§ 311 ff. Bei faktischer Beherrschung der verpflichteten Ge- 46 sellschaft(en) sind die §§ 311 ff auf den Abschluss eines Vertrages des § 292 Abs 1 nach ganz hM anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der andere Vertragsteil auch ein Aktionär der Gesellschaft(en) ist.116 Dies entspricht dem Willen des historischen Gesetz-

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MünchKommAktG/Altmeppen3 37, 127, 174; Emmerich/Habersack6 20, 28, 50; Emmerich/Habersack9 § 14, 9 f, § 15, 16; Hüffer10 11, 16; KK/Koppensteiner3 53, 72, 100; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 13; Geßler/Geßler 23, 92. MünchKommAktG/Altmeppen3 38, 127, 174; Emmerich/Habersack6 20, 28, 50; Emmerich/Habersack9 § 14, 9 f, § 15, 16; Hüffer10 11, 16; KK/Koppensteiner3 53, 72, 100; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 13. MünchKommAktG/Altmeppen3 38, 127, 174; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 10; Emmerich/Habersack6 28; Emmerich/ Habersack9 § 14, 10, § 15, 16; Raiser/Veil 5 § 57, 12. MünchKommAktG/Altmeppen3 38. Näher MünchKommAktG/Altmeppen3 39, 88 aE, 127; Emmerich/Habersack6 50 (§§ 77, 82 bzw §§ 177, 242 BGB).

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MünchKommAktG/Altmeppen3 38 (zu §§ 266, 26, 27 StGB), 88, 127, 174. MünchKommAktG/Altmeppen3 127, 174. OLG Frankfurt WM 1973, 348 = AG 1973, 136, 137; KK/Koppensteiner3 29, 30, 53, 72, 100; MünchKommAktG/Altmeppen3 36, 43, 92, 124; Emmerich/Habersack6 20, 27, 32, 52 und § 311, 29; Emmerich/Habersack9 § 14, 10, § 15, 12; Hüffer10 31; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 12; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 13, 23; Geßler/Geßler 25; Raiser/Veil 5 § 57, 25; Geßler/Kropff § 311, 101; Flume JurPerson, S 127; Bälz in: FS Raiser 1974, S 287, 314 f; Schilling in: FG Hengeler 1972, S 226, 232 f; für Verträge des § 292 Abs 1 Nr 3 Geßler in: FS Barz 1974, S 97, 108 ff; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 253; aA Oesterreich Betriebsüberlassung, S 102 ff, 121 ff; wohl auch Bürgers/Körber/Schenk2 6,

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Erster Teil. Unternehmensverträge

gebers, der insbesondere von einer Anwendbarkeit der §§ 311 ff auf Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge im Falle unangemessener Gegenleistung ausging.117 Zudem lässt sich § 317 Abs 2, welcher die Haftung wegen Nichtgewährung eines Ausgleichs unter den Vorbehalt der Beachtung des Geschäftsleitersorgfaltsmaßstabes stellt, nicht entnehmen, dass der Anwendungsbereich des § 311 auf Maßnahmen der Geschäftsführung – gegebenenfalls unter Einschluss von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 119 Abs 2 – begrenzt und von der Hauptversammlung kraft originärer Zuständigkeiten (zB § 293 Abs 1) zu beschließende Strukturmaßnahmen ausklammere. Denn bei § 317 Abs 2 handelt es sich lediglich um eine Konkretisierung des Nachteilsbegriffs, aus der sich die Nichtanwendbarkeit der §§ 311ff auf bestimmte Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte gleich welcher Art kaum folgern lässt.118 Die nachteilige Maßnahme oder das Rechtsgeschäft iS von § 311 Abs 1 bildet der zu 47 unangemessenen Konditionen abgeschlossene Unternehmensvertrag – die Vereinbarung freiwilliger unmittelbarer Ausgleichsleistungen an die außenstehenden Aktionäre an Stelle von Entgeltzahlungen lassen die Nachteiligkeit wegen des gläubigerschützenden Charakters der §§ 311, 317 unberührt119 –, nicht der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 oder ein vorgängiger Initiativbeschluss nach § 83 Abs 1 Satz 2. Für Beschlüsse nach § 119 Abs 2 wird ebenfalls zumeist nur danach gefragt, ob in ihrer Herbeiführung qua Stimmrechtsausübung des herrschenden Unternehmens eine hinreichende Veranlassung iS des § 311 gesehen werden kann,120 nicht aber erwogen, dass der Beschluss selbst eine nachteilige Maßnahme oder ein nachteiliges Rechtsgeschäft darstellt, und ebenso liegt es bei allen sonstigen Hauptversammlungsbeschlüssen.121 Dass Unternehmensverträge jedenfalls bis zur Fassung des Zustimmungsbeschlusses (§ 293 Abs 1) schwebend unwirksam sind (§ 293, 28) und für die Gesellschaft noch keine nachteiligen Wirkungen entfalten können, gebietet keine abweichende Beurteilung, werden sie doch nach § 294 Abs 2 überhaupt erst mit der vom Vorstand der abhängigen Gesellschaft veranlassten Eintragung wirksam (§ 294, 61). Qualifiziert sich ein Unternehmensvertrag iS des § 292 Abs 1 als nachteiliges Rechts48 geschäft beziehungsweise als nachteilige Maßnahme gemäß § 311 Abs 1, ist im Übrigen zu unterstellen, dass die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung eine hinreichende Einflussnahme oder Veranlassung iS dieser Vorschrift darstellt; zusätzliche Veranlassungsmomente sind nicht erforderlich.122

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bb) Teleologische Reduktion des § 311 Abs 2. Konsequenzen hat die Anwendung der §§ 311 ff insbesondere dann, wenn der herrschende andere Vertragsteil zudem Aktionär ist.

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der den nach hM durch die §§ 311 ff zumindest zeitweise verdrängten § 57 zur Anwendung bringen will. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 391 (vgl auch S 408); KK/Koppensteiner3 29. KK/Koppensteiner3 29; s auch Strohn Verfassung, S 36 ff. KK/Koppensteiner3 33; Geßler in: FS Barz 1974, S 97, 109 f; Martens AG 1974, 9, 12; aA Mülbert Aktiengesellschaft2, S 291 f; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 123; Geßler/Geßer 46; ganz anders Brauksiepe BB 1966, 144 f. S etwa BGH WM 2012, 1689, 1691 = AG

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2012, 680 = NZG 2012, 1030; KK/Koppensteiner3 § 311, 24; Emmerich/Habersack6 § 311, 29; Spindler/Stilz/H-F Müller2 § 311, 21; K Schmidt/Lutter/J Vetter2 § 311, 35; Hölters/Leuering/Goertz § 311, 45; Henssler/Strohn/Bödeker § 311 AktG, 12. Zutreffend Emmerich/Habersack6 § 311, 29 f; aA etwa KK/Koppensteiner3 § 311, 25 ff (unter Vermengung der Veranlassungsund der Nachteilsproblematik). MünchKommAktG/Altmeppen3 125 und § 311, 118; aA Oesterreich Betriebsüberlassung, S 120 ff; Rehbinder Konzernaußenrecht, S 238.

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Die §§ 311, 317 überlagern dann nämlich die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 57 ff) mit deren Nichtigkeitsfolgen – Vertragsnichtigkeit nach § 134 BGB, Beschlussnichtigkeit nach § 241 Nr 3 (Rdn 36) – im Falle einer als verdeckte Einlagenrückgewähr zu qualifizierenden unangemessenen Gegenleistung. Nach ganz hM verdrängen die §§ 311, 317 die Kapitalerhaltungsvorschriften solange, bis endgültig feststeht, dass der durch § 311 vorgegebene Privilegierungsrahmen in zeitlicher Hinsicht – namentlich qua Versäumnis der bis zum Ende des Geschäftsjahres laufenden Ausgleichsfrist (Abs 2) – oder in sachlicher Hinsicht – etwa mangels (Einzel-)Ausgleichsfähigkeit des konkreten Nachteils123 – überschritten ist; andernfalls würde die gesetzliche Möglichkeit eines zeitlich gestreckten Nachteilsausgleichs nachgerade ausgehebelt. Eine partielle Ausnahme hiervon gilt nach ebenfalls ganz hM dann, wenn die Haupt- 50 versammlung einer abhängigen Gesellschaft mit der Stimmenmehrheit ihres herrschenden Unternehmens einem nachteiligen Rechtsgeschäft zustimmt. Dann sei mit Blick auf die Wertung des § 243 Abs 2 Satz 2 bereits im Hauptversammlungsbeschluss selbst ein Nachteilsausgleich vorzusehen, andernfalls der Beschluss wegen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften nichtig oder, etwa im Sonderfall des § 292 Abs 3, jedenfalls anfechtbar.124 Mithin steht schon im Zeitpunkt der Beschlussfassung fest, dass der Privilegierungsrahmen der §§ 311 ff endgültig überschritten ist, wenn der Beschluss eine Regelung des Nachteilsausgleichs versäumt. In der Sache handelt es sich um eine teleologische Reduktion der von § 311 Abs 2 51 eröffneten Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs mit der Folge, dass eine Verdrängung der Kapitalerhaltungsvorschriften niemals eintreten kann: entweder wird der Nachteil in Gestalt unangemessener Vertragskonditionen sofort ausgeglichen oder die §§ 57 ff gelangen ohne Weiteres neben § 317 zur Anwendung. Hierdurch wird zugleich ein andernfalls sich ergebender Schwebezustand vermieden, der erhebliche Verwerfungen bei den Rechtsfolgen nach sich zöge. Bei Geltung der Privilegierung stünde nämlich jedenfalls bis zum Ende des Geschäftsjahres nicht fest, ob ein gewinnverwendungsbezogener Unternehmensvertrag (§ 292 Abs 1 Nr 1, 2) und der zustimmende Hauptversammlungsbeschluss nichtig sind beziehungsweise ob im Falle der betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträge der Zustimmungsbeschluss einer Anfechtung nach § 292 Abs 3 Satz 2 unterliegt. Als folgerichtiges Gegenstück hierzu lässt sich der Nachteilsausgleich dann aber nicht mehr mit der Wirkung nachholen, dass die Nichtigkeitsklage oder Anfechtungsklage unbegründet und der klagende Aktionär zweckmäßigerweise die Erledigung des Rechtsstreits erklären würde.125 cc) Rechtsfolgen. Im Ergebnis hat dieses Ineinandergreifen von privilegierender Aus- 52 nahme (§ 311) und partieller Gegenausnahme (kein § 311 Abs 2) bei den gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensverträgen (§ 292 Abs 1 Nr 1, 2) mit einem Aktionär zur

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S nur Emmerich/Habersack6 § 311, 9, 82 mwN. BGH WM 2012, 1689, 1691 = AG 2012, 680 = NZG 2012, 1030; s auch – obgleich meist allein auf § 243 Abs 2 unter Ausklammerung der Kapitalerhaltungsregeln bezogen – OLG Frankfurt WM 1973, 348, 350 f = AG 1973, 136; K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 58; Hüffer10 § 311, 48 und § 243, 43; MünchKommAktG/Hüffer3 § 243, 105; KK/Koppensteiner3 § 311, 166;

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Emmerich/Habersack6 § 311, 85; Spindler/ Stilz/H F Müller2 § 311, 65; KK/Zöllner1 § 243, 258; Spindler/Stilz/Würthwein2 § 243, 220 f; aA Mülbert Aktiengesellschaft2, S 292 f; für § 119 Abs 2 auch Strohn Verfassung, S 39 ff. AA K Schmidt/Lutter/J Vetter2 § 311, 123; ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 § 311, 130, 132; offen BGH WM 2012, 1689, 1691 f = AG 2012, 680 = NZG 2012, 1030.

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Folge, dass bei Vereinbarung einer unangemessen niedrigen Gegenleistung der Unternehmensvertrag und der Zustimmungsbeschluss nichtig sind (§§ 57, 58, 60, § 134 BGB/ § 241 Nr 3), es sei denn, dass der Zustimmungsbeschluss selbst den Nachteilsausgleich für die Gesellschaft vorsieht. S auch noch Rdn 55 für die Kombination mit einem Beherrschungsvertrag. Bei fehlender Festsetzung des Nachteilsausgleichs im Zustimmungsbeschluss ist zu53 dem der Privilegierungsrahmen des § 311 endgültig überschritten, so dass der Anspruch aus § 62 in Idealkonkurrenz neben die allgemeinen Haftungstatbestände und den Schadensersatzanspruch aus § 317 tritt.126 Der Schadensersatzanspruch aus § 317 erlangt gegenüber § 62 vor allem dann eigenständige Bedeutung, wenn die Gesellschaft über den Differenzbetrag zwischen vereinbarter und angemessener Gegenleistung hinaus den Ersatz entgangenen Gewinns beansprucht (s §§ 249, 252 BGB), den sie bei von Anfang an angemessener Gegenleistung erzielt hätte.127 Zudem entfällt die Nichtigkeitsfolge (§ 243 Nr 3) bei den gewinnverwendungsbezogenen Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 gemäß § 242 Abs 2 nach drei Jahren ab Eintragung ins Handelsregister und die Anfechtbarkeit ist nach § 246 Abs 1 sogar schon einen Monat nach Beschlussfassung präkludiert, während die Ersatzansprüche der §§ 317 f erst nach fünf Jahren verjähren.128 Im Falle eines betriebsführungsbezogenen Unternehmensvertrags des § 292 Abs 1 Nr 3 54 mit einem Aktionär unterliegt bei Vereinbarung einen unangemessenen niedrigen Gegenleistung der Zustimmungsbeschluss der Anfechtung nach § 243 Abs 1 iVm §§ 292 Abs 3 Satz 2, 57, 58, 60, es sei denn, dass der Zustimmungsbeschluss selbst den Nachteilsausgleich für die Gesellschaft vorsieht. Zudem werden beim Abschluss mit einem Aktionär zu unangemessen niedrigen Konditionen als Anfechtungsgrund auch die Verfolgung eines Sondervorteils (§ 243 Abs 2 Satz 1129) und ein damit einhergehender Treuepflicht- oder Gleichbehandlungsverstoß (§ 243 Abs 1) vorliegen; auch insoweit muss der Beschluss einen Ausgleich vorsehen. Ausgeschlossen ist eine Anfechtung, wenn der Zustimmungsbeschluss nach § 243 55 Abs 2 Satz 2 den außenstehenden Aktionären einen angemessenen Ausgleich für den (Reflex-)Schaden zubilligt, den sie infolge des durch die defizitäre Gegenleistung verursachten Gesellschaftsschadens erleiden. Diese wortlautgetreue Anwendung des § 243 Abs 2 Satz 2 wird trotz Kritik an der Ausgleichsklausel für die betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträge unter Hinweis auf die durch § 302 Abs 2 geleistete anderweitige Gläubigersicherung (Rdn 57) befürwortet.130 In der Konsequenz ist dann § 243 Abs 2 Satz 2 auch ein verdrängender Vorrang gegenüber § 311 zuzuerkennen; für den Ausschluss der Anfechtbarkeit ist die § 243 Abs 2 Satz 2 genügende, auf einer (beding-

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Vgl Emmerich/Habersack6 § 311, 33 mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 124; Emmerich/Habersack6 52; Emmerich/ Habersack6 § 15, 15; KK/Koppensteiner3 30 („Verspätungsschaden“, solange versäumt wird, Verzugsvoraussetzungen herbeizuführen), 32. KK/Koppensteiner3 30. Die §§ 311 ff lassen diesen Anfechtungsgrund nach hM im Übrigen ganz unberührt; s LG Bonn AG 2001, 201, 204; K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 58; Hüffer10 § 243, 43; MünchKommAktG/Hüffer3

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§ 243, 105; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 311, 130; Emmerich/Habersack6 § 311, 85; letztlich auch KK/Koppensteiner3 § 311, 165 f; aA Mülbert Aktiengesellschaft2, S 288 ff; Abrell BB 1974, 1463, 1467; Martens AG 1974, 9, 12 f (von einer „nachträglichen Legalisierung durch Nachteilsausgleich“ sprechend). KK/Zöllner1 § 243, 242; K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 6; Hüffer10 § 243, 40; großzügiger vor allem Geßler in: FS Barz 1974, S 97, 99 f; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 290 f.

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ten) unternehmensvertraglichen Ausgleichsvereinbarung aufbauende beschlussförmige Bestimmung eines Ausgleichs zugunsten der außenstehenden Aktionäre ausreichend.131 Aus der gläubigerschützenden Intention des § 311 folgt kein Einwand. Die §§ 311 ff statuieren nicht etwa ein gegenüber der unabhängigen Gesellschaft höheres Gläubigerschutzniveau,132 sondern privilegieren den faktischen Konzern. Ferner entfällt eine Anfechtung bei der Kombination eines Unternehmensvertrages mit einem zwischen den Parteien (möglicherweise schon vor Vertragsabschluss) geschlossenen Beherrschungsvertrag. Beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts und bei Leistungen aufgrund rechtmäßiger Weisungen fehlt es schon tatbestandlich an einer verdeckten Einlagenrückgewähr (§ 291, 134); im Übrigen kommt der Wertung des § 291 Abs 3 der Vorrang gegenüber derjenigen des § 292 Abs 3 Satz 2 zu.133 Der Schadensersatzanspruch nach § 317 steht bei den betriebsführungsbezogenen 56 Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 Nr 3 zur Anfechtung wegen Unangemessenheit der Gegenleistung (§§ 292 Abs 3 Satz 2, 57, 58, 60) in Idealkonkurrenz.134 Entfällt die Anfechtbarkeit wegen Bestimmung eines § 243 Abs 2 Satz 2 genügenden Ausgleichs für die außenstehenden Aktionäre (Rdn 55), ist auch ein Anspruch nach § 317 ausgeschlossen. Hinzu tritt schließlich die beschränkte Verlustausgleichspflicht des § 302 Abs 2. Diese 57 soll eine zusätzliche Gläubigersicherung bereitstellen,135 hat aber kaum praktische Bedeutung.136 Ausweislich des Normtextes „soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht“ ist diese Ausgleichspflicht auf die Gewährleistung des Äquivalenzinteresses beschränkt.137 Indes ist dieses Interesse von einem Aktionär als anderem Vertragsteil bereits durch den Anspruch nach § 62 auszugleichen.138 Bei den häufiger vorkommenden Kombinationsfällen mit einem Beherrschungsvertrag gehen wiederum die weitergehenden Verlustausgleichs- und Gläubigersicherungsregelungen der §§ 302 Abs 1, 303 vor.139 Eigenständige Bedeutung kann § 302 Abs 2 daher allenfalls 131

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Mülbert Aktiengesellschaft2, S 291 f; Martens AG 1974, 9, 10 ff (freilich ohne Inbezugnahme des § 302 Abs 2); aA KK/Koppensteiner3 33 mwN; wohl auch K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 60. Zur rechtstechnischen Durchführung näher K Schmidt ebenda 60. AA KK/Koppensteiner3 33 mit weiteren konzernunspezifischen und auch im Übrigen nicht überzeugenden Argumenten. KK/Koppensteiner3 22; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 33 aE; Martens AG 1974, 9, 13; s auch Geßler/Geßler 107. OLG Frankfurt WM 1973, 348 = AG 1973, 136 137; MünchKommAktG/Altmeppen3 126; Emmerich/Habersack6 52; Hüffer10 31; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 37; KK/Koppensteiner3 31; Geßler/Geßler 25, 98; Geßler/Kropff § 311, 104; KK/Zöllner1 § 243, 254; Strohn Verfassung, S 36 ff; Schilling in: FG Hengeler 1972, S 226, 234 f; Geßler in: FS Barz 1974, S 97, 108 ff; Bälz in: FS Raiser 1974, S 287, 314; aA Martens AG 1974, 9, 12 f (von einer „nachträglichen Legalisierung durch Nachteilsaus-

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gleich“ sprechend); Bachelin Der konzernrechtliche Minderheitenschutz, 1969, S 67 f; Abrell BB 1974, 1463, 1467; Michalski AG 1980, 261, 263 ff. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379; Hirte in diesem Kommentar, § 302, 4 mwN. Hirte in diesem Kommentar, § 302, 12 aE; krit zu dieser Bestimmung KK/Koppensteiner3 9: kaum verständlich; MünchKommAktG/Altmeppen3 123 sowie § 302, 63: wenig durchdacht; vgl auch Emmerich/Habersack6 52. S auch Hirte in diesem Kommentar, § 302, 48; MünchKommAktG/Altmeppen3 123 sowie § 302, 63; Hüffer10 § 302, 26; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 36. MünchKommAktG/Altmeppen3 123 mit Fn 226 unter Hinweis auf Studienkommission des DJT, Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts, Rdn 272. Hirte in diesem Kommentar, § 302, 42; Emmerich/Habersack6 45; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 35; Hüffer10 31, § 302, 22; Geßler/Geßler § 302, 29; KK/Koppensteiner3 § 302, 60.

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§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

bei einem Abhängigkeitsverhältnis mit einem Nichtaktionär zukommen, sofern nicht ohnehin schon eine verdeckte Einlagenrückgewähr durch Leistung an einen nahestehenden Dritten vorliegt.

V. Gewinngemeinschaft (Abs 1 Nr 1) 58

Bei der Gewinngemeinschaft des § 292 Abs 1 Nr 1 verpflichtet sich die Gesellschaft vertraglich, ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen oder einzelner Betriebe anderer Unternehmen zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen. Eine Gewinngemeinschaft in diesem Sinne stellt daher auch eine sog Ergebnisgemeinschaft dar, bei der sich die Vergemeinschaftung auch auf negative Ergebnisse erstreckt, also die Vergemeinschaftung von Verlusten hinzu tritt.140 Nicht unter Nr 1 fällt hingegen ein Vertrag, der lediglich eine Verlustgemeinschaft zum Gegenstand hat;141 praktisch wird eine solche Vereinbarung aber auch nicht vorkommen.142 Die praktische Bedeutung der Gewinngemeinschaft ist gering,143 weil sie nicht als 59 Grundlage einer körperschaftssteuerlichen Organschaft iS des § 14 KStG (§ 291, 13) anerkannt wird.144 Heute beabsichtigen die Beteiligten mit der Vereinbarung einer Gewinngemeinschaft im Wesentlichen die Erzielung eines gemeinsamen Gewinns, der größer ist als die Summe der Einzelergebnisse,145 etwa durch die Vergemeinschaftung von Marktrisiken146 oder die Sicherung eines Mindestwachstums unabhängig von der Ertragslage der einzelnen Kontrahenten.147 Auch können die Parteien etwa eine bestimmte Mindestdividende gewährleisten wollen, die sie mit Blick auf Kapitalbeschaffungsmaßnahmen für erforderlich halten.148 Mit der Gewinngemeinschaftung einhergehend wird zumeist auch die Leitung der in die Gemeinschaft einbezogenen Betriebe oder Geschäftsbereiche vereinheitlicht,149 auch wenn dies keine gesetzlich zwingende Voraussetzung ist. Praktisch findet sich die Gewinngemeinschaft denn auch nicht selten als Vorstufe oder Beiwerk eines Gleichordnungskonzerns.150

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KK/Koppensteiner3 36; MünchKommAktG/ Altmeppen3 15; Emmerich/Habersack6 10a; Hüffer10 7; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 13; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 10. MünchKommAktG/Altmeppen3 15; Emmerich/Habersack6 10a; Hüffer10 7; KK/Koppensteiner3 36; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 13; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 3; Würdinger Aktienrecht 4, S 306. KK/Koppensteiner3 36. MünchKommAktG/Altmeppen3 10; Emmerich/Habersack6 10a; Emmerich/Habersack9 § 13, 7 ff; Hüffer10 4; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 9; KK/Koppensteiner3 52; Raiser/Veil 5 § 57, 8; Theisen Konzern2, S 50. MünchKommAktG/Altmeppen3 10; Emmerich/Habersack6 10 ff; Emmerich/Habersack9 § 13, 5; KK/Koppensteiner3 34. Zur

früheren Bedeutung der Gewinngemeinschaft exemplarisch BGHZ 24, 279 = NJW 1957, 1279; dazu auch BGH AG 1974, 53 = WM 1973, 858; OLG Frankfurt AG 1987, 43; ähnlich OLG Frankfurt AG 1988, 267. 145 KK/Koppensteiner3 50; Schubert/Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 183. 146 Dazu Fikentscher Interessengemeinschaft, S 16 ff, 49. 147 Dazu KK/Koppensteiner3 50. 148 KK/Koppensteiner3 50; vgl auch Schubert/ Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 183. 149 MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 9. 150 MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 9; s dazu das Muster eines Gleichordnungskonzernvertrags mit Gewinngemeinschaft in Luther/ Happ in FormKomm Band 2, Form 2.131.

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Andere Unternehmensverträge

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1. Vertragsinhalt a) Allgemeines. Die Einordnung einer Vereinbarung als Gewinngemeinschaft hat wie 60 durchweg im Unternehmensvertragsrecht (Vorbem 9 zu §§ 291 ff) in materieller Betrachtungsweise der Vertragsmerkmale zu erfolgen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist also die Vereinbarung, den Unternehmensgewinn oder Betriebsgewinne zusammenzulegen. Auch bei einem als Gewinngemeinschaft überschriebenen Vertragswerk kommt bei der Einräumung von Weisungsbefugnissen ein Beherrschungsvertrag und bei Einseitigkeit der Gewinnzusammenlegung zu Gunsten oder zu Lasten eines Vertragsbeteiligten ein (Teil-)Gewinnabführungsvertrag in Betracht.151 Andererseits ist zur Wirksamkeit einer Gewinngemeinschaft nicht erforderlich, dass diese Bezeichnung in der nach § 293 Abs 3 zu errichtenden Vertragsurkunde Verwendung findet. Die Gewinngemeinschaft kann mit Rückwirkung vereinbart werden.152 Zum mög- 61 lichen Umfang der vertraglichen Rückbeziehung s § 293, 23. b) Gemeinschaftlichkeit. Die Gewinngemeinschaft lässt sich als Sonderform der 62 Interessengemeinschaft verstehen.153 Die zwei oder mehr Parteien verfolgen nämlich den besonderen gemeinsamen Zweck, ihre Gewinne zur anschließenden Wiederaufteilung „in einen Topf“154 zusammenzulegen. Der Unternehmensvertrag begründet also eine (Innen-) GbR iS des § 705 BGB.155 Dem entsprechend findet die Gewinngemeinschaft ohne weiteres Zutun nach § 726 BGB ihr Ende, wenn dieser gemeinsame Zweck auf Dauer nicht erreicht werden kann.156 Zudem besteht ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 297 Abs 1 Satz 1, § 723 Abs 1 Satz 2 BGB (§ 297, 29), etwa im Falle der Auflösung einer der vertragsbeteiligten Gesellschaften.157 c) Gewinnbegriff. Gegenstand der Vergemeinschaftungsvereinbarung nach § 292 63 Abs 1 Nr 1 AktG ist der textlich im Übrigen nicht näher präzisierte Gewinn der Gesellschaft oder von einem oder mehreren ihrer Betriebe. Nach hM bezeichnet dabei der Gesellschafts(gesamt)gewinn jedenfalls den Bilanzgewinn iS des § 158 Abs 1 Satz 1, § 268 Abs 1 Satz 2 HGB und den Jahresüberschuss iS der § 158 Abs 1 Satz 1, § 266 Abs 3 A V, § 275 Abs 2 Nr 20, Abs 3 Nr 19 HGB;158 hinzu kommt noch der (Teil-) Betriebsgewinn als im Normtext gesondert erwähnte, sachlich eigenständige Gewinnkategorie.

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Emmerich/Habersack6 17; zu abgrenzungsträchtigen Vertragsgestaltungen Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 73 ff. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 66; KK/Koppensteiner3 § 294, 32 f; Hüffer10 § 294, 20; Geßler/Geßler § 294, 31 f. Emmerich/Habersack6 10a; Emmerich/ Habersack9 § 13, 5. Raiser/Veil 5 § 57, 7. BGHZ 24, 279, 293 ff = NJW 1957, 1279; OLG Frankfurt AG 1988, 267, 269 f; MünchKommAktG/Altmeppen3 12; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 4; Emmerich/Habersack6 14; Emmerich/Habersack9 § 13, 12 f; Hüffer10 2, 4; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 8; KK/Koppensteiner3 34; Raiser/Veil 5 § 57, 7; Führling Sonstige

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Unternehmensverträge, S 64; Fikentscher Interessengemeinschaft, S 39; Geßler/Geßler 18; Heidel/Peres3 10. BGHZ 24, 279, 294 f = NJW 1957, 1279; OLG Frankfurt AG 1987, 43, 45; MünchKommAktG/Altmeppen3 12; Emmerich/ Habersack6 14; Emmerich/Habersack9 § 13, 12. BGHZ 24, 279, 294 f = NJW 1957, 1279; MünchKommAktG/Altmeppen3 12; Emmerich/Habersack6 14; Emmerich/Habersack9 § 13, 12. MünchKommAktG/Altmeppen3 16; Emmerich/Habersack6 11; Emmerich/Habersack9 § 13, 10; Hüffer10 8; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 10; KK/Koppensteiner3 35.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

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Für eine etwaige Subsumtion weiterer Ergebnisgrößen unter § 292 Abs 1 Nr 1 ist Ausgangspunkt, dass dem Gewinnbegriff ein Periodizitätserfordernis immanent ist.159 Alle vorgenannten Größen werden davon erfasst, weil sie periodisch ermittelt zu werden pflegen. Keine Gewinngemeinschaft kann daher angenommen werden, wenn ein Vertrag die Zusammenlegung der Ergebnisse aus einzelnen Geschäften vorsieht. Das gilt für die nicht selten etwa in der Baubranche vorkommenden projektbezogenen Arbeitsgemeinschaften (ARGE),160 für sonstige Konsortien mit Gewinnzusammenfassung,161 für den Austausch von Patenten unter wechselseitiger Gewinnbeteiligung,162 für gemeinsame Vertriebstochtergesellschaften mit dem Ziel ausschließlich kostendeckender Tätigkeit,163 aber auch bei einem dauerhaften Zusammenschluss in einer Arbeitsgemeinschaft zur Durchführung bestimmter künftiger Aufträge unter Verteilung des jeweils anfallenden Gewinns nach einem vorab bestimmten Schlüssel.164 Soweit sonstige Ergebnis- oder Erfolgsgrößen dagegen periodisch ermittelt werden, wird bei deren Vergemeinschaftung verbreitet eine Gewinngemeinschaft bejaht, etwa bei Anknüpfung an den (nicht bereinigten) Betriebsgewinn beziehungsweise den Rohertrag,165 die Umsatzerlöse und bestimmte Deckungsbeitragspositionen.166 Stellungnahme: Richtigerweise ist der Gewinnbegriff des § 292 Abs 1 Nr 1 wie beim 65 Teilgewinnabführungsvertrag (Rdn 88) als der fiktive Bilanzgewinn, also der unter Ausblendung der Gewinngemeinschaft ermittelte Bilanzgewinn zu verstehen (Rdn 19). Der (Teil-)Betriebsgewinn hat also nicht etwa eigenständige Bedeutung für den Fall, dass ein Betriebsgewinn durch Verluste, die in nicht vertragsgebundenen Unternehmensbereichen anfallen, neutralisiert zu werden droht,167 sondern bestimmt den zu vergemeinschaftenden Anteil des fiktiven Bilanzgewinns durch eine qualitative Größe (Rdn 22). Entsprechend kommt es bei der Inbezugnahme sonstiger Erfolgs- oder Ergebnisgrößen darauf an, ob es um die Vergemeinschaftung des fiktiven Bilanzgewinns geht und diese Größen den zu vergemeinschaftenden Anteil lediglich qualitativ umschreiben oder ob eine sonstige Gewinnvergemeinschaftung in Form einer stillen Gesellschaft vorliegt. Ersteres wird vorbehaltlich abweichender Anhaltspunkte dann anzunehmen sein, wenn die Vergemeinschaftung an den Bilanzgewinn anknüpft oder die Vergemeinschaftungspflichten nach Entstehung und Fälligkeit auf den Jahresabschluss bezogen sind (schon Rdn 23).

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MünchKommAktG/Altmeppen3 16; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 5; Emmerich/Habersack6 11; Emmerich/Habersack9 § 13, 10; Hüffer10 7; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 10; KK/Koppensteiner3 34; Geßler/Geßler 11; Würdinger Aktienrecht 4, S 306; v Godin/Wilhelmi 4 3; Baumbach/ Hueck13 4; Schubert/Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 188; aA Fikentscher Interessengemeinschaft, S 19. KK/Koppensteiner3 34; MünchKommAktG/ Altmeppen3 16; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 10. Hüffer10 7; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 5. KK/Koppensteiner3 34. LG Mainz AG 1978, 320, 322; MünchKommAktG/Altmeppen3 16.

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KK/Koppensteiner3 34. MünchKommAktG/Altmeppen3 16; Emmerich/Habersack6 11; Emmerich/Habersack9 § 13, 10; auch Hüffer10 8; Würdinger Aktienrecht4, S 270; Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 64; aA KK/Koppensteiner3 59, 42 f (auch keine Analogie). Weitere Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung einbeziehend Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 438 f; Heidel/Peres3 11; Havermann WPg 1966, 90, 92 (bzgl Manipulation von Aufwendungen und Erträgen); Geßler/Geßler 11 f; vgl auch Fikentscher Interessengemeinschaft, S 19; Eyber Abgrenzung, S 20 ff; aA KK/Koppensteiner3 43 (auch keine Analogie). AA KK/Koppensteiner3 40.

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Für eine Gewinngemeinschaft genügt nach dem Wortlaut des § 292 Abs 1 Nr 1 eine 66 auch nur teilweise Vergemeinschaftung des Gewinns. Das relative oder absolute Gewicht der zusammenzulegenden Gewinnteile ist im Gegensatz zu § 256 Abs 1 AktG 1937 (Rdn 1) ohne Belang;168 auch die Zusammenlegung noch so marginaler Gewinnteile unterfällt somit der Vorschrift.169 Für die Vergemeinschaftungsvereinbarung bestehen keine besonderen Schranken hin- 67 sichtlich der Höhe des zu vergemeinschaftenden Maximalgewinns. Die Höchstbetragsregelung des § 301 AktG verlangt bei Gewinngemeinschaften nach hM nämlich keine Anwendung.170 d) Zusammenlegung zwecks Aufteilung. Inhaltlich erfordert die Vereinbarung einer 68 Gewinngemeinschaft in den Worten des historischen Gesetzgebers, „dass jedes beteiligte Unternehmen seinen Gewinn[teil] in einen gemeinsamen ‚Topf‘ abführt und Anspruch auf seinen Anteil an dem so entstehenden Gesamtgewinn hat“.171 Was zunächst die Zusammenlegung angeht, hat sich ausnahmslos jede vertragsbetei- 69 ligte Gesellschaft dazu zu verpflichten, einen Gewinnteil abzuführen, der freilich auch geringer sein kann als derjenige der anderen Partei(en).172 Besteht nur für einen der Vertragspartner die Pflicht zur Abführung eines Gewinns, liegt von vornherein keine Gewinngemeinschaft, sondern ein (Teil-)Gewinnabführungsvertrag vor.173 Der Gewinngemeinschaftsvertrag wird über die genaue Festlegung der zusammenzulegenden Gewinne hinaus auch detaillierte Regelungen über deren Ermittlung enthalten müssen. Das betrifft letztlich alle ergebnisrelevanten Positionen des Rechnungswesens der Beteiligten und veranlasst etwa entsprechende Klauseln zur Bewertung, zu Abschreibungen und zu Rückstellungen sowie (bisweilen) zur Bildung von Rücklagen.174 Die Einigung über die Aufteilung ist ebenfalls essentieller Vertragsbestandteil. Nach 70 einem klar festgelegten Verteilungsschlüssel ist dabei die jedem Kontrahenten zustehende Quote aus dem gemeinsamen Pool aufzuführen.175 Ferner müssen diese Gewinnquoten in das jeweilige Vermögen der Vertragsbeteiligten selbst zurückfließen und so jedem Unternehmen wieder zur freien Verfügung stehen (aber noch Rdn 73).176 Dem entsprechend stellt § 277 Abs 3 Satz 2 HGB den Posten „Erträge und Aufwendungen … auf Grund einer Gewinngemeinschaft“ bereit, wonach die vertragsbeteiligten Gesellschaften sowohl

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MünchKommAktG/Altmeppen3 14. MünchKommAktG/Altmeppen3 14; Emmerich/Habersack6 11; Emmerich/Habersack § 13, 10; Hüffer10 4; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 10; KK/Koppensteiner3 34; Geßler/Geßler 9. Hirte in diesem Kommentar, § 301, 30; MünchKommAktG/Altmeppen3 14; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 10; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 6. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 378 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 18; KK/Koppensteiner3 34. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 11; KK/Koppensteiner3 37. MünchKommAktG/Altmeppen3 13; KK/Koppensteiner3 51; MünchHdbAG/

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Krieger3 § 72, 11; Rasch Konzernrecht5, S 89 f; Luther/Happ in FormKomm Band 2, Form 2.124. MünchKommAktG/Altmeppen3 13, 19; Emmerich/Habersack6 12; Emmerich/ Habersack9 § 13, 11; Hüffer10 10; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 9; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 11; KK/Koppensteiner3 51; Überblick bei Schubert/ Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 193 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 19; Emmerich/Habersack6 12; Emmerich/Habersack9 § 13, 11; Hüffer10 10; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 11; KK/Koppensteiner3 37; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 8.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

den abzuführenden (Betriebs-)Gewinn(teil) als auch die zufließende Quote aus dem Gewinn-„Pool“ in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen haben.177 Nicht ausreichend für den Aufteilungszweck ist es daher, wenn statt einer Wiederauf71 teilung des „gepoolten“ Gesamtgewinns eine Dividendengarantie zugunsten außenstehender Aktionäre der vertragsbeteiligten Gesellschaft(en) vereinbart wird.178 Eine Gewinngemeinschaft scheidet dann aus; allenfalls kommt eine Qualifizierung der vertraglichen Abrede als (Teil-)Gewinnabführung in Betracht. Vgl auch noch Rdn 103. Wollen die Vertragspartner überdies die Verwendung der zugeteilten Gewinnquote 72 regeln und etwa vertraglich festlegen, ob Rücklagen gebildet oder Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet werden sollen, müssen sie hierbei die in § 58 AktG verankerte Ausschüttungssperre beachten.179 Soll der zusammengelegte Gewinn nicht unmittelbar zur freien Verfügung auf die 73 beteiligten Gesellschaften verteilt werden, sondern für andere gemeinsame (Investitions-) Zwecke – zB Forschung und Entwicklung, Ausbau eines gemeinsamen Vertriebsnetzes, integriertes Marketing – vertragsgemäße Verwendung finden, begründet dies ebenfalls eine zustimmungspflichtige Gewinngemeinschaft.180 Der zusammengelegte Gewinn wird durch die gemeinschaftlichen Investitionen zwar nicht unmittelbar unter den Parteien aufgeteilt, doch kommt er ihnen in Gestalt eines Investitionsnutzens mittelbar zugute.181 Zu kurz greift daher die hM,182 wonach es bei der Annahme einer Beitragsleistung der Gesellschaft zu einer mit entsprechender Zwecksetzung gebildeten GbR (§ 705 BGB) bewendet, welche der Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführungskompetenz nach § 76 eigenverantwortlich tätigen dürfe. Das gilt auch für den begründenden Hinweis, der Vorstand verfüge gar nicht über Vermögen der AG, welches ohne den Vertrag als „Bilanzgewinn“ iS der §§ 174, 58 dem Gewinnverwendungsrecht der Hauptversammlung unterläge, da es sich bei den Investitionsmitteln um Aufwendungen handele, die sich auf den Gewinn der Gesellschaft allenfalls mittelbar auswirkten.183 Denn der Zustimmungsvorbehalt, dem das Gesetz die Unternehmensverträge gemäß § 292 Abs 1 Nr 1 unterstellt (§ 293 Abs 1), erklärt sich nicht aus einem (vermeintlichen) Eingriff in das Gewinnverwendungsrecht der Aktionäre, sondern mit der Beeinträchtigung des Eigenwillens der Gesellschaft als einem Bestandteil ihres Verbandszwecks (oben Rdn 10). In diesem Sinne berührt der Vertrag auch dann, wenn der zusammengelegte Gewinn nicht unmittelbar verteilt, sondern „nur“ für gemeinsame Investitionszwecke verwendet werden soll, den Eigenwillen der normtypischen Gesellschaft, durch den Betrieb eines Unternehmens in Realisierung ihres satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands ausschüttungsfähigen Gewinn zu erzielen. Allfällige Friktionen mit den bilanzrechtlichen Vorgaben nach § 277 Abs 3 Satz 2 HGB sind vor diesem Hintergrund letztlich hinzunehmen.184

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MünchKommAktG/Altmeppen3 19; KK/Koppensteiner3 37. MünchKommAktG/Altmeppen3 20; Emmerich/Habersack6 12; Emmerich/Habersack9 § 13, 11; Hüffer10 9; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 11; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 7; KK/Koppensteiner3 37; Geßler/ Geßler 15 f; Dierdorf Herrschaft, S 102. MünchKommAktG/Altmeppen3 13. Wie hier Spindler/Stilz/Veil2 9; KK/Koppensteiner3 38; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 8; Führling Sonstige Unternehmens-

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verträge, S 74 f; iE auch Emmerich/Habersack6 13 (Analogie zu § 292 Abs 1 Nr 1). Emmerich/Habersack6 13; ähnlich KK/Koppensteiner3 38. S nur MünchKommAktG/Altmeppen3 21; Hüffer10 9; Geßler/Geßler 16; Hölters/ Deilmann 8; Heidel/Peres3 14; Würdinger Aktienrecht4, S 306; zweifelnd MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 11; offengelassen von Raiser/Veil 5 § 57, 7 ff. So aber MünchKommAktG/Altmeppen3 22. KK/Koppensteiner3 38.

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e) Angemessenheit der Gewinnaufteilung. Bei der Aufteilung der Gewinnquoten im 74 Gewinngemeinschaftsvertrag muss entsprechend seiner gesetzlichen Konzeption als eines Austauschvertrags, bei dem die wechselseitigen Leistungen in einer äquivalenten Relation zueinander stehen (Rdn 7 f), eine einseitige Übervorteilung im Prinzip unterbleiben.185 Allerdings ist es nicht erforderlich, dass die jeweilige Vertragspartei in jeder Periode mindestens das gleiche Ergebnis zugeteilt bekommt, welches sie auch ohne Vergemeinschaftung erzielt hätte.186 Denn nicht zuletzt will die Gewinngemeinschaft den jeweiligen Unternehmungsrisiken der beteiligten Gesellschaften Rechnung tragen, und diese sind naturgemäß mehr oder weniger volatil.187 Erst recht ist nicht jede Aufteilung in Abweichung vom Verhältnis der eingelegten Beiträge (Gewinne) unangemessen.188 Um über die Vertragsdauer hinweg eine angemessene Quotierung zu gewährleisten, empfehlen sich neben dynamischen Aufteilungsschlüsseln allerdings auch Revisionsklauseln im Vertragswerk.189 Zu den Unangemessenheitsfolgen s oben Rdn 38 ff. 2. Sonderfragen a) Gleichordnungskonzern. Die Parteien einer Gewinngemeinschaft werden den zu- 75 sammengelegten Gemeinschaftsgewinn regelmäßig zu maximieren suchen. Zu diesem Zwecke werden sie praktisch häufig einige oder sogar alle Leitungsfunktionen hinsichtlich ihrer Unternehmungen aufeinander abstimmen und bisweilen sogar eine Verwaltungsgemeinschaft vereinbaren (vgl §§ 709 ff BGB), so dass mit dem Gewinngemeinschaftsvertrag ein Gleichordnungskonzernvertrag iS der §§ 18 Abs 2, 291 Abs 2 (§ 291, 207 ff) einhergehen kann.190 Gleichwohl begründet weder die Gewinngemeinschaft allein einen Gleichordnungskonzern, noch bildet umgekehrt dieser für sich ohne formale Gewinnzusammenlegung (Rdn 68 ff) eine Gewinngemeinschaft.191 Die einheitliche Leitung wirkt sich lediglich auf die Aufwands- und Ertragspositionen in der Gewinn- und Verlustrechnung und also auf die Methodik der Gewinnerzielung aus, ohne die Verwendung des der Gesellschaft endgültig zugeordneten Gewinns zu berühren. b) Fusionsähnliche Verbindungen. Bei fusionsähnlichen Verbindungen geht es im 76 Unterschied zur Vergemeinschaftung lediglich des Gewinns um die ganze oder teilweise Zusammenlegung von Unternehmungen oder Vermögen(steilen). Die beteiligten Gesellschaften gliedern etwa Unternehmen(steile) auf gemeinsame Tochtergesellschaften aus, fusionieren Tochtergesellschaften, tauschen Beteiligungen hieran oder gliedern gemeinsame Vermögenswerte in eine Zwischenholding aus, an der sämtliche Parteien beteiligt sind. Bei derartigen fusionsähnlichen Verbindungen, Teilfusionen und (Teil-)Vermögensvergemeinschaftungen wollen gewichtige Stimmen § 292 Abs 1 Nr 1 (analog) anwenden

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MünchKommAktG/Altmeppen3 27; Emmerich/Habersack6 18; Hüffer10 10; s auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 9. MünchKommAktG/Altmeppen3 27; Emmerich/Habersack6 18; aA Heidel/Peres3 14; wohl auch Hüffer10 10. Vgl KK/Koppensteiner3 50 f; Fikentscher Interessengemeinschaft, S 16 ff. AA Heidel/Peres3 14 KK/Koppensteiner3 51 aE. MünchKommAktG/Altmeppen3 42; Emmerich/Habersack6 15; Emmerich/Habersack9

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191

§ 13, 13; Hüffer10 5; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 8 f, § 68, 81; KK/Koppensteiner3 50; Spindler/Stilz/Veil2 § 292, 10; Dierdorf Herrschaft, S 105; Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 73; Baumbach/Hueck13 6; Geßler/Geßler 26; Gromann, S 6 f; Rasch Konzernrecht5, S 91 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 42; Hüffer10 5; MünchHdbAG/Krieger3 § 68, 81 ff; KK/Koppensteiner3 45; Geßler/Geßler § 291, 65.

Peter O. Mülbert

§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

und damit der Billigung der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 unterstellen,192 vielfach allerdings erst oberhalb einer gewissen Bagatellschwelle.193 Vereinzelt wird die (analoge) Anwendung des § 292 Abs 1 Nr 1 auf fusionsähnliche Verbindungen zudem auf solche Fälle beschränkt, in denen die angestrebte Wirkung ohne den Einsatz von Tochtergesellschaften beziehungsweise einer Zwischenholding als Organisationsinstrument nur vermöge einer Betriebsgewinngemeinschaft erreicht werden könnte.194 Richtigerweise kommt allerdings, da der numerus clausus der Unternehmensvertrags77 typen eine analoge Anwendung des Regelungsregimes der Gewinngemeinschaft verbietet (Vorbem 8 zu §§ 291 ff), eine unmittelbare Erfassung von fusionsähnlichen Verbindungen allenfalls aufgrund einer extensiven Auslegung des § 292 Abs 1 Nr 1 in Betracht. Nach dem Gesetzeswortlaut „ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe“ ist es jedenfalls nicht per se ausgeschlossen, hierunter auch den Gewinn von Tochtergesellschaften oder einer Zwischenholding zu subsumieren; vom „eigenen“ Gewinn ist eben gerade nicht die Rede.195 Für ein solch extensives Verständnis könnte der Umgehungsgedanke streiten, wenn der Vorstand ein wirtschaftlich der Gewinngemeinschaft entsprechendes Vorhaben als fusionsähnliche Verbindung gestaltet, um sich die Mitwirkung der Hauptversammlung zu ersparen.196 Gleichwohl kommt eine Gleichbehandlung fusionsähnlicher Verbindungen mit der 78 Gewinngemeinschaft nicht in Betracht.197 Hiergegen streitet schon, dass bei der Verwendung der Rechtsform AG für die Beteiligungsgesellschaften oder die Zwischenholding der von diesen erwirtschaftete Gewinn nicht beliebig durch Satzung oder vertragliche Vereinbarung der Verfügungsgewalt der Obergesellschaft(en) unterstellt werden kann; weder in Ansehung der Mittel, die für gesetzlich vorgeschriebene Rücklagen benötigt werden, noch hinsichtlich der Vorstandskompetenz zur Rücklagendotierung darüber hinaus.198 Gewichtiger sind aber die Schwierigkeiten einer einigermaßen trennscharfen Abgrenzung der wirtschaftlich mit einer Gewinngemeinschaft vergleichbaren Teilfusionen von sonstigen fusionsähnlichen Verbindungen.199 Hierin kommt nämlich zum Ausdruck, dass zwischen den beiden Gestaltungen kategoriale Unterschiede in unternehmensvertragsrechtlicher Sicht bestehen. § 292 Abs 1 Nr 1 liegt die legislatorische Vorstellung

192

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Emmerich/Habersack6 16; Emmerich/ Habersack9 § 13, 16; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 12; Lutter in: FS Barz 1974, S 199, 210 ff; ders Betrieb 1973, Beilage 21, 13 f; ders in: FS Fleck 1988, S 169, 178 ff; Timm Aktiengesellschaft, S 157 ff; ders BB 1980, 1655, 1657 f; ders JZ 1982, 403, 405; Mestmäcker Gemeinschaftsunternehmen, S 9, 24 f; Gromann Gleichordnungskonzerne, S 39; vgl auch Marchand Gemeinschaftsunternehmen, S 24 ff; offengelassen von BGH NJW 1982, 933, 936 = AG 1982, 129 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 82, 188, 200). Emmerich/Habersack6 16; Emmerich/ Habersack9 § 13, 20; Timm Die Aktiengesellschaft, S 162 f ; von 10 % des Umsatzes etwa spricht Lutter in: FS Barz 1974, S 199, 214 f; ders in: FS Fleck 1988, S 169, 179 f.

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Lutter in: FS Barz 1974, S 199, 212. Missverständlich insoweit Emmerich/Habersack6 16; Emmerich/Habersack9 § 13, 15; allenfalls eine Analogie erwägend auch Hüffer10 6; KK/Koppensteiner3 46. Ähnlich Emmerich/Habersack6 16; Emmerich/Habersack9 § 13, 16; s auch Lutter in: FS Barz 1974, S 199, 210 ff; ders Betrieb 1973, Beilage 21, 13 f; ders in: FS Fleck 1988, S 169, 178 ff; Timm Die Aktiengesellschaft, S 157 ff, ders BB 1980, 1655, 1657 f; ders JZ 1982, 403, 405; Mestmäcker Gemeinschaftsunternehmen, S 24 f; Gromann Gleichordnungskonzerne, S 39 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 24 f; Hüffer10 6; KK/Koppensteiner3 47–49 (keine Analogie). KK/Koppensteiner3 47; vgl auch BGH WM 1982, 86, 89. MünchKommAktG/Altmeppen3 25.

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Andere Unternehmensverträge

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zugrunde, dass die Beteiligten den zu „poolenden“ Gewinnanteil jeweils in eigener Verantwortung erwirtschaften, weswegen § 277 Abs 3 Satz 2 HGB eine formale Gewinnzusammenlegung auf der Ebene der Parteien des Gewinngemeinschaftsvertrags unabdingbar200 voraussetzt. Demgegenüber implizieren fusionsähnliche Verbindungen auf der Ebene der Kooperationspartner lediglich eine Leitungsgemeinschaft in Bezug auf nachgeordnete Unternehmen201 und lassen als Korrelat hierzu den jeweiligen verbandszweckzugehörigen Eigenwillen der kooperierenden Gesellschaften – das Betreiben des Unternehmens und seiner Teile (Einzelbetriebe) zur Gewinnerzielung im Interesse ihrer Aktionäre – und also den tragenden Grund der §§ 292 Abs 1 Nr 1, 293 Abs 1 (Rdn 16) ganz unberührt.202 Setzte man sich über diese materiellen Unterschiede mit der (analogen) Anwendung des § 292 Abs 1 Nr 1 auf Teilfusionen hinweg, fehlte es an jeglichen Sachkriterien für Eingrenzung des derart geschaffenen Zustimmungstatbestands. Dieser Einwand gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die Beteiligten jeweils ihr gesamtes Unternehmen einbringen (Gesamtvermögensgemeinschaft) oder lediglich einen oder mehrere Unternehmensbereiche (Teilvermögensgemeinschaft),203 mögen diese rechtlich verselbständigt sein oder nicht. Der immer wieder begründend angeführten Schutzwürdigkeit der Aktionäre der Ober- 79 gesellschaft204 wird schließlich anderweitig Rechnung getragen. Der Vorstand muss sich nämlich bei Ausgliederungen, Veräußerungen und dem Erwerb von Beteiligungen im durch den Unternehmensgegenstand gesteckten Rahmen halten (näher § 293, 187 ff), so dass vielfach eine entsprechende Satzungsänderung vonnöten sein wird, die ihrerseits der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf (§§ 23 Abs 3 Nr 2, 179 Abs 1 Satz 1).205 Zudem kann es sich bei der fusionsähnlichen Verbindung um eine so grundlegende Maßnahme handeln, dass ein Hauptversammlungsbeschluss nach Maßgabe der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze (§ 293, 227 ff) erforderlich ist.206/207 Mit deren Anerkennung wurde dem Anliegen des Konzepts der Teilfusion als Fall des § 292 Abs 1 Nr 1 (analog) sachlich Rechnung getragen, weswegen dieser kaum gesetzeskompatible Zwischenschritt heute endgültig überholt erscheint.208

VI. Teilgewinnabführungsvertrag (Abs 1 Nr 2, Abs 2) Beim Teilgewinnabführungsvertrag des § 292 Abs 1 Nr 2 verpflichtet sich die Gesell- 80 schaft vertraglich, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen. Quantitative (Bagatell-)Ausnahmen sieht das Gesetz im Gegensatz zur 75 %-Grenze des § 256 Abs 1 AktG 1937 nicht mehr vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll dem berechtigten Anliegen, dass „unbedeutende

200 201

202

AA insoweit MünchKommAktG/ Altmeppen3 25; KK/Koppensteiner3 47. Hüffer10 6; KK/Koppensteiner3 47, 49; vgl auch Marchand Gemeinschaftsunternehmen, S 27 f. Auch MünchKommAktG/Altmeppen3 24 aE, 25; KK/Koppensteiner3 47; allerdings unter dem nicht tragenden (Rdn 17) Aspekt eines Eingriffs in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung (§§ 58, 174).

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Ebenso wohl KK/Koppensteiner3 47, 49. So pauschal Emmerich/Habersack6 16. Vgl dazu KK/Koppensteiner3 49. MünchKommAktG/Altmeppen3 26; Heidel/ Peres3 19. Eine Analogie zu § 293 Abs 1 kommt hingegen nicht in Betracht; ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 26; aA Hüffer10 6. Ebenso Hüffer10 6; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 12.

Peter O. Mülbert

§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

Gewinnabführungen“ zustimmungsfrei bleiben müssen,209 vielmehr die qualitative Ausnahmeregelung des Abs 2 Rechnung tragen. Danach ist ein Vertrag über eine Gewinnbeteiligung mit Verwaltungsmitgliedern oder mit einzelnen Arbeitnehmern der Gesellschaft ebenso wie eine Abrede über eine Gewinnbeteiligung im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder von Lizenzverträgen kein Teilgewinnabführungsvertrag. Als anderer Vertragsteil eines Teilgewinnabführungsvertrags kommt entsprechend 81 dem Wortlaut des § 292 Abs 1 Nr 2 jeder Rechtsträger in Betracht, also auch Nichtaktionäre und sich nicht als (übergeordnetes) Unternehmen iS der §§ 15, 17 Abs 1 qualifizierende Parteien (schon Rdn 31). Die praktische Bedeutung von Teilgewinnabführungsverträgen wird allgemein als 82 gering eingeschätzt,210 weil sie für sich genommen nicht zur Begründung einer körperschaftssteuerlichen Organschaft führen.211 Eine Ausnahme bilden die eine stille Beteiligung begründenden Teilgewinnabführungsverträge (noch Rdn 95), die in der Vergangenheit zeitweise häufige Verwendung fanden. 1. Vertragsinhalt

83

a) Allgemeines. Die vertraglich vereinbarte Leistung der Gesellschaft beim Teilgewinnabführungsvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 2 besteht in der Abführung eines Teils ihres Gewinns. Ob eine solche Vereinbarung vorliegt, bestimmt sich wie durchweg im Unternehmensvertragsrecht (Vorbem 9 zu §§ 291 ff) in materieller Betrachtungsweise der Vertragsmerkmale. Es genügt jede Vereinbarung unabhängig von ihrer konkreten rechtlichen Einkleidung, die der Sache nach auf die Abführung eines Teils des (Betriebs-) Gewinns hinausläuft.212 Ob eine Gegenleistung vorgesehen ist oder nicht, spielt für die Einordnung als Teilgewinnabführungsvertrag keine Rolle,213 sondern lediglich für deren Rechtmäßigkeit. Dass der Gesetzgeber keine Kompetenz der Hauptversammlung begründen wollte, einen Teil des Bilanzgewinns zu verschenken,214 erscheint mit Blick auf § 58 Abs 3 Satz 2 nämlich nicht zwingend. Für die Wirksamkeit eines Teilgewinnabführungsvertrags ist nicht erforderlich, dass diese Bezeichnung in der nach § 293 Abs 3 zu errichtenden Vertragsurkunde Verwendung findet. Gegen die rückwirkende Vereinbarung einer Teilgewinnabführung bestehen ebenso 84 wenig Bedenken und an eine Rückwirkungsklausel sind dieselben Anforderungen zu stellen wie bei der Gewinnabführung (§ 293, 23).215

209 210

211

Begründung RegE in: Kropff, S 379 MünchKommAktG/Altmeppen3 47; Emmerich/Habersack6 23, 32; Hüffer10 12; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 14; KK/Koppensteiner3 70; MünchVertragsHdbGesR/Hoffmann-Becking7 Form X.2 Anm 4; vgl schon die Statistik bei Geßler/ Geßler Vorb § 291, 8; Vertragsmuster bei Luther/Happ in FormKomm Band 2, S 146 ff; anders Emmerich/Habersack9 § 14, 4. MünchKommAktG/Altmeppen3 47; Emmerich/Habersack6 32; KK/Koppensteiner3 69; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 14; Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 85; Knepper BB 1982, 2061, 2063 f.

212 213

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OLG München WM 2009, 354 = AG 2009, 372, 373 = NZG 2009, 38. KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102; KK/Koppensteiner3 54, 66; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 168; Emmerich/Habersack6 27; Emmerich/Habersack9 § 14, 8 f; Hüffer10 14; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 18; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 15; Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 225; Geßler/Geßler 43; Würdinger Aktienrecht4, S 308; aA – Entgeltlichkeit ist wesensnotwendig – MünchKommAktG/Altmeppen3 75–77; Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 19. MünchKommAktG/Altmeppen3 75; Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 19. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 66.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

b) Abführung eines Teilgewinns aa) Gewinn. Der Gewinnbegriff des § 292 Abs 1 Nr 2 stimmt mit demjenigen der 85 Gewinngemeinschaft (Rdn 63 ff) überein. Dementsprechend umfasst er nach hM jedenfalls den Bilanzgewinn iS der § 158 Abs 1 Satz 1, § 268 Abs 1 Satz 2 HGB und den Jahresüberschuss iS der § 158 Abs 1 Satz 1, § 266 Abs 3 A V, § 275 Abs 2 Nr 20, Abs 3 Nr 19 HGB;216 hinzu kommt noch der (Teil-)Betriebsgewinn als ausweislich des Normtexts eigenständige Gewinnkategorie. Diesem Gewinnbegriff ist nach der – insoweit ganz zutreffenden – hM wie schon bei 86 der Gewinngemeinschaft (Rdn 64) ein Periodizitätserfordernis immanent.217 Dieses Periodizitätserfordernis wird zwar vereinzelt unter Hinweis darauf bestritten, dass das AktG 1965 nicht zwischen unzulässigen Eingriffen in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung und zulässigen Verträgen mit Gewinnbeteiligung unterscheide, weswegen auch letztere und also die Beteiligung am Gewinn aus einzelnen Geschäften dem § 292 Abs 1 Nr 2 unterfielen.218 Der Umkehrschluss aus Abs 2 rechtfertigt eine solche These freilich nicht, auch wenn die darin ausgeklammerten Vertragsgestaltungen eher selten an den Periodengewinn anknüpfen.219 Keine Gewinnabführung bildet daher die Zahlung von Darlehenszinsen, und zwar auch nicht bei variablen220 oder atypischen Zinsabreden221 wie der Vereinbarung einer Mindestverzinsung,222 die Rückerstattung des Darlehens durch die Gesellschaft als Darlehensnehmerin,223 und zwar auch nicht bei Vereinbarung einer gewinn- oder jahresüberschussbezogenen Besserungsabrede,224 und der Ersatz von Aufwendungen des Bürgen durch die Gesellschaft als Auftraggeberin (§§ 675, 670 BGB).225 Dementsprechend werden auch sonstige periodisch ermittelte Ergebnis- und Erfolgs- 87 größen, etwa der bereinigte Jahresüberschuss, der Rohertrag,226 die Umsatzerlöse227 oder weitere Posten der Gewinn- und Verlustrechnung, als dem Gewinnbegriff subsumierbare Bemessungsgrundlagen der Teilgewinnabführung angesehen.228 Allerdings sei nicht jeder

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Emmerich/Habersack6 25; Hüffer10 13; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 16; KK/Koppensteiner3 55; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 16. KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102; KK/Koppensteiner3 55; Emmerich/Habersack6 25 f; Hüffer10 13; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 16; Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 15; § Geßler/Geßler 35; Würdinger Aktienrecht4, S 308; Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 65 f; Godin/Wilhelmi 4 4; tendenziell auch Emmerich/Habersack9 § 14, 6 f; aA letztlich MünchKommAktG/ Altmeppen3 62. Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 436 f; in diese Richtung auch K Schmidt ZGR 1984, 295, 300 f. KK/Koppensteiner3 55; Emmerich/Habersack6 26; aA Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 434 f. K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 27; aA wohl MünchKommAktG/Altmeppen3 57: nur Festverzinsung.

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221 222 223 224 225 226

227 228

BayObLG AG 2001, 424 = NZG 2001, 408 (35 % nach fünf Beteiligungsjahren). Hüffer10 13; aA OLG Hamburg AG 2003, 519 = NZG 2003, 436, 437. BayObLG AG 2001, 424 = NZG 2001, 408. OLG München WM 2009, 354 = AG 2009, 372, 373 = NZG 2009, 38. OLG München WM 2009, 354 = AG 2009, 372, 373 = NZG 2009, 38. KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102; Emmerich/Habersack6 25; Hüffer10 13 iVm 8; Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 15; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 16. Emmerich/Habersack6 25; Spindler/Stilz/ Veil 2 § 292,15. MünchKommAktG/Altmeppen3 57; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 438 f; Eyber Abgrenzungen, S 20 ff; aA KK/Koppensteiner3 55, 65 iVm 42 f (auch analoge Heranziehung ablehnend).

Peter O. Mülbert

§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

Austauschvertrag wegen seiner mittelbaren Auswirkungen auf diese Größen als Teilgewinnabführungsvertrag zu würdigen. Vielmehr müsse die Gesellschaft den Ertrag einer bestimmten Position als Ertrag oder Umsatz bereits endgültig erworben haben.229 Stellungnahme: Richtigerweise ist der Gewinnbegriff des § 292 Abs 1 Nr 2 ebenso 88 wie derjenige der Gewinngemeinschaft (Rdn 63) als fiktiver, also unabhängig vom Bestehen des Teilgewinnabführungsvertrags ermittelte Bilanzgewinn zu verstehen (näher Rdn 19). Bei diesem Ausgangspunkt wirft die Verwendung sonstiger Ergebnis- oder Erfolgsgrößen wie bei der Gewinngemeinschaft (Rdn 65) die Frage auf, ob die Parteien hiermit den abzuführenden Anteil des Gewinns in bestimmter Weise spezifiziert oder aber eine Hauptleistung der Gesellschaft im Rahmen eines „einfachen“ Austauschvertrags festgelegt haben. Ersteres und also ein Teilgewinnabführungsvertrag wird mangels gegenteiliger Anhaltspunkte regelmäßig gewollt sein, wenn eine Größe der Gewinn- und Verlustrechnung oder eine sonstige jährlich zu ermittelnde Ertragsgröße heranzogen wird (schon Rdn 23).230 Gegenteilig kann es dann liegen und eine Art Swapgeschäft gewollt sein, wenn die Verhältnisse zu einem Zeitpunkt vor der Feststellung des Jahresabschlusses über die endgültige Höhe des abzuführenden Betrags entscheiden sollen, es sei denn, die Parteien vereinbarten eine Kappungsgrenze für den Höchstumfang der Gewinnabführung in Gemäßheit des § 301.

89

bb) Kein Mindestrestgewinn. Was die Höhe des abzuführenden Teilgewinns anbelangt, spielen ausweislich des Wortlauts und nach der legislatorischen Intention weder absolute noch relative Maximal- oder Minimalwerte eine Rolle (Rdn 80).231 Teilgewinn ist also nicht nur der Teil eines Betriebsgewinns, sondern auch der ganze Betriebsgewinn, wenn damit nicht zugleich eine Gewinnabführung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 vorliegt; insbesondere die Abführung des ganzen Gewinns eines von wenigstens zwei Betrieben der Gesellschaft stellt somit eine Teilgewinnabführung iS des Abs 1 Nr 2 dar.232 Ferner genügt als bei der Gesellschaft notwendig verbleibender Restgewinn jeder auch noch so marginale Teil des Unternehmensgewinns („ein Cent“).233 Das vereinzelt postulierte Alternativkonzept eines Mindestrestgewinns – der der Gesellschaft verbleibende Betrag müsse jedenfalls eine Mindestdividende für die außenstehenden Aktionäre gewährleisten234 – hat sich zu Recht nicht durchgesetzt. Deren Schutz leistet nach der gesetzlichen Konzeption vielmehr die der Gesellschaft zufließende Gegenleistung, deren Angemessenheit im Falle nichtdominierter Verhandlungssituationen durch den Vertragsmechanismus und im Falle des Vertragsabschlusses mit einem Aktionär durch die widrigenfalls eingreifende Nichtigkeitsfolge sichergestellt ist.235

229 230 231 232

233

MünchKommAktG/Altmeppen3 57 mit Fn 89. Vgl auch KK/Koppensteiner3 55. KG AG 2000, 183, 184 = NZG 1999, 1102. MünchKommAktG/Altmeppen3 54; Emmerich/Habersack6 30; KK/Koppensteiner3 54; Geßler/Geßler 34. KK/Koppensteiner3 54; Emmerich/Habersack6 24; Emmerich/Habersack9 § 14, 5; Hüffer10 13; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 17; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 15; Krieger DStR 1992, 432; Eyber Abgrenzung, S 11; ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 50 f, 54.

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235

Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 226 f (ähnlich Geßler/Geßler 33): Teilgewinnabführungsvertrag ist in Anlehnung an § 254 Abs 1 als Umgehung eines Gewinnabführungsvertrags anzusehen, wenn der Gesellschaft nicht genug verbleibt, um an ihre außenstehenden Aktionäre nach Bedienung der gesetzlichen Rücklage ein Gewinn in Höhe von mindestens 4 % des Grundkapitals abzüglich noch nicht eingeforderter Einlagen zu verteilen. KK/Koppensteiner3 54; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 15; MünchKommAktG/Altmeppen3 51.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

Wird die Abführung des ganzen Betriebsgewinns iS des § 292 Abs 1 Nr 2 Alt 2 90 Unterfall 1 vereinbart, kann die Maßgeblichkeit eines vereinbarungsgemäß bei der Gesellschaft verbleibenden marginalen Restgewinns gewisse Schwierigkeiten mit sich bringen. Hiernach handelt es sich beim ganzen Betriebsgewinn prinzipiell um einen qualitativ bestimmten Teilgewinn der Gesellschaft (Rdn 22, 88). Das muss angesichts des Dauerschuldcharakters der Unternehmensverträge grundsätzlich auch dann gelten, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über den Gewinn des einzigen Betriebs hinaus keine weiteren Gewinne erzielt.236 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhersehbar ist, dass auch dauerhaft Gewinn nur für den einzigen Betrieb der Gesellschaft anfällt. Dann ist die Vereinbarung über die Abführung dessen ganzen Gewinns ungeachtet der Bezeichnung als Betriebsgewinnabführungsvertrag oder dergleichen bei der gebotenen materiellen Betrachtung (Vorbem 9 zu §§ 291 ff) als Abführung des ganzen Gewinns der Gesellschaft und also als atypischer Gewinnabführungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2 zu qualifizieren.237 Bei der Anknüpfung an sonstige periodisch ermittelte Erfolgs- und Ergebnisgrößen iS der Rdn 87 gelten diese Grundsätze entsprechend.238 Näher zu atypischen Gewinnabführungsverträgen § 291, 168 ff. c) Gegenleistung. Eine als Teilgewinnabführung iS des § 292 Abs 1 Nr 2 zu quali- 91 fizierende Vereinbarung (Rdn 83) muss für ihre Rechtmäßigkeit eine Gegenleistung vorsehen, die entsprechend dem Austauschcharakter der Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 (Rdn 7 f) angemessen zu sein hat.239 Die Gegenleistung kann sowohl in Form eines laufend zu entrichtenden Entgelts als auch, wie dies insbesondere bei der stillen Gesellschaft (§§ 230 ff HGB) als praktischem Hauptanwendungsfall des Teilgewinnabführungsvertrags (Rdn 95) der Fall ist, in einer Einmalzahlung bestehen. Hingegen fehlt es an der Vereinbarung einer Gegenleistung, wenn und soweit als Leistung des anderen Vertragsteils unmittelbare Ausgleichszahlungen an die außenstehenden Aktionäre statt Zahlungen an die Gesellschaft vorgesehen sind. Zu den Rechtsfolgen s Rdn 38 f. Angemessen ist eine laufende Gegenleistung, wenn sie bezogen auf den Zeitpunkt des 92 Vertragsschlusses auf Dauer gesehen im arithmetischen Mittel dem abzuführenden Teilgewinn entspricht;240 bei einer Gegenleistung in Form der Einmalzahlung (Einlage) muss der Barwert der künftigen Teilgewinnabführungen idealtypisch der Höhe der anfänglichen Einmalzahlung entsprechen. Ob die vereinbarte Gegenleistung dem genügt, ist angesichts der Risikogeneigtheit eines an Gewinnprognosen anknüpfenden Austauschgeschäfts nicht in einer ex post-Betrachtung zu würdigen. Vielmehr ist in einer ex anteBetrachtung auf eine vernünftige kaufmännische Bewertung durch die Kontrahenten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.241

236 237

238 239

Gleichsinnig MünchKommAktG/Altmeppen3 54. MünchKommAktG/Altmeppen3 54; Heidel/Peres3 23; Emmerich/Habersack6 24; Emmerich/Habersack9 § 14, 5 ff; Geßler/ Geßler 34; aA KK/Koppensteiner3 54. S auch Heidel/Peres3 23. KK/Koppensteiner3 54; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 168; Emmerich/Habersack6 27; Emmerich/Habersack9 § 14, 8 f; Hüffer10 14; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 18; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 15;

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Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 225; Geßler/Geßler 43; aA – Entgeltlichkeit ist wesensnotwendig – nur MünchKommAktG/ Altmeppen3 75–77. MünchKommAktG/Altmeppen3 84; Hüffer10 16; KK/Koppensteiner3 74; auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 22; Spindler/Stilz/Veil 2 20. MünchKommAktG/Altmeppen3 84; Hüffer10 16; KK/Koppensteiner3 74; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 22; missverständlich Geßler/Geßler 45; aA – etwas großzügiger –

Peter O. Mülbert

§ 292 93

Erster Teil. Unternehmensverträge

Bei der bilanziellen Darstellung wird es nicht im hypothetischen Parteiwillen liegen, dass die Gegenleistung den teilweise abzuführenden Gewinn erhöht; andernfalls wäre das Äquivalenzinteresse zum Nachteil der abführungspflichtigen Gesellschaft neuerlich gestört.242 Dem entspricht es, wenn bei der stillen Gesellschaft (§§ 230 ff HGB) als praktischem Hauptanwendungsfall des Teilgewinnabführungsvertrags (Rdn 95) die Einlage als „sonstige Verbindlichkeit“ und damit als Fremdkapital bilanziert wird,243 weil sie den Jahresüberschuss dann nicht erhöhen kann. Im Übrigen lässt sich die gewinnerhöhende Wirkung der Gegenleistung rechnungslegungsrechtlich aber wohl kaum vermeiden.244 2. Gesetzliches Regelungsregime

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Zur Höhe der zwingenden Einstellung in die gesetzliche Rücklage ist § 300 Nr 2 zu beachten, und zwar gleichermaßen für unternehmensbezogene und für betriebsbezogene oder an sonstige qualitative Ergebnisgrößen anknüpfende Teilgewinnabführungen.245 Was die Höhe des abführbaren Teilgewinns anbelangt, setzt das Gesetz zwar keine ausdrücklichen Maximalgrenzen (Rdn 89). Gleichwohl bildet der Teilgewinnabführungsvertrag nach der gesetzlichen Konzeption, was die Maximalhöhe des abzuführenden Gewinns angeht, ein Minus gegenüber dem Gewinnabführungsvertrag des § 291 Abs 1 Satz 1. Als Konsequenz muss die Begrenzungsregel des § 301 nicht nur bei unternehmensbezogenen, sondern ungeachtet der damit verbundenen Unsicherheiten auch bei betriebsbezogenen Teilgewinnabführungen und sonstigen qualitativen Ergebnisgrößen zur Bemessung des abzuführenden Anteils am fiktiven Bilanzgewinn Anwendung finden.246 Wird eine Teilgewinnabführung mit einem Beherrschungsvertrag kombiniert, ist § 300 Nr 3 anzuwenden.247 3. Sonderformen

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a) Stille Gesellschaften. Die stille Gesellschaft nach § 230 HGB mit einer Aktiengesellschaft oder KGaA ist ein auch praktisch wichtiger Anwendungsfall der Teilgewinnabführung iS des § 292 Abs 1 Nr 2, da sie ungeachtet des Unternehmensgegenstands (vgl § 3 Abs 1, §§ 6 Abs 2, 230 HGB) stets eine Beteiligung des Stillen am periodisch ermit-

242 243

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Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 21: Erwartungen dürfen nicht unvertretbar sein. MünchKommAktG/Altmeppen3 85; aA wohl KK/Koppensteiner3 74. Str für die atypische stille Gesellschaft (volle Risikobeteilgung); wie im Text BeckBilKomm/Ellrott/Krämer § 266 HGB, 246 iVm § 277 HGB, 10; Groh BB 1993, 1882, 1891 f; aA – nach dem gezeichneten Kapital – Baumbach/Hopt/Merkt35 § 266 HGB, 16; noch anders – Sonderposten nach dem Eigenkapital – MünchKommHGB/ Reiner/Haußer § 266, 95. KK/Koppensteiner3 74 gegen MünchKommAktG/Altmeppen3 85. Hirte in diesem Kommentar, § 300, 47; K Schmidt/Lutter/Stephan2 § 300, 22;

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Hüffer10 § 300, 10; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 300, 24; Emmerich/Habersack6 § 300, 17; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 21; aA – nur für unternehmensbezogene Teilgewinnabführungsverträge – Begründung RegE in: Kropff, S 389; KK/Koppensteiner3 § 300, 14. Hirte in diesem Kommentar, § 301, 29; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 22; Emmerich/Habersack6 § 301, 5; aA Begründung RegE in: Kropff, S 390; KK/Koppensteiner3 § 301, 6; Hüffer10 § 301, 2; Spindler/Stilz/ Veil 2 § 301, 4; noch anders – überhaupt keine Anwendung – MünchKommAktG/Altmeppen3 § 301, 8 f; K Schmidt/Lutter/ Stephan2 § 301, 11 f. KK/Koppensteiner3 9.

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Andere Unternehmensverträge

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telten Gewinn der Gesellschaft begründet (§ 231 Abs 2 HGB).248 Dass der Zweck der stillen Gesellschaft in der gemeinschaftlichen Gewinnerzielung und nicht in der Abführung eines Teils des Gewinns der Aktiengesellschaft besteht, ändert hieran nichts.249 Nach der gesetzlichen Konzeption wird das Handelsgewerbe ungeachtet der Beteiligung des Stillen allein von der Aktiengesellschaft als Unternehmensträgerin betrieben (vgl § 230 HGB).250 Selbst bei einer atypischen stillen Beteiligung, bei der dem Stillen Mitwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung zukommen, muss die stille Gesellschaft als Unternehmensträgerin außer Betracht bleiben,251 schon weil ihr als Innengesellschaft keine Rechtsfähigkeit zukommt.252 Dies gilt umso mehr, als die Konzeption des Stillen als Mitunternehmer rein steuerrechtliche Gründe hat, die nichts daran ändern, dass auch bei der atypischen stillen Beteiligung der Gewinn gesellschaftsrechtlich zunächst ausschließlich bei der Aktiengesellschaft anfällt und folglich die Gewinnbeteiligung das Eigeninteresse der Gesellschaft berührt.253 Als Konsequenz hieraus bedarf eine stille Gesellschaft iS des §§ 230 ff HGB, die mit 96 einer Aktiengesellschaft oder KGaA eingegangen werden soll, unabhängig von der konkreteren Vertragsgestaltung stets der Schriftform (§ 293 Abs 3), der Legitimierung durch eine Hauptversammlungszustimmung mit qualifizierter Mehrheit (§ 293 Abs 1) und der vertragskonstitutiven Eintragung ins Handelsregister (§ 294 Abs 2).254 Kein Unternehmensvertrag wird begründet, soweit sich der Finanzmarktstabilisie- 97 rungsfonds SoFFin als stiller Gesellschafter an einem Unternehmen des Finanzsektors beteiligt (§ 15 Abs 1 Satz 1 FMStBG255). Gemäß § 15 Abs 1 Satz 3 FMStBG gilt dasselbe

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BGHZ 156, 38, 43 = WM 2003, 1023 = NZG 2003, 1023 = AG 2003, 625; BGH WM 2005, 278, 280 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261; WM 2005, 833, 834 = AG 2005, 390 = NZG 2005, 472; WM 2006, 1154, 1156 = AG 2006, 546 = NZG 2006, 540; OLG Düsseldorf AG 1996, 473; OLG Celle AG 1996, 370; AG 2000, 280 = NZG 2000, 85; OLG Stuttgart NZG 2000, 93; OLG München AG 2004, 149, 150 = NZG 2004, 230; OLG Hamburg AG 2011, 339, 341 = NZG 2011, 619; LG Berlin AG 2001, 95, 97; LG Bonn Der Konzern 2006, 557, 558; MünchKommAktG/Altmeppen3 65 ff; Emmerich/Habersack6 29; Emmerich/ Habersack9 § 14, 11; Hüffer10 15; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 17; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 15 aE, 23; KK/Koppensteiner3 61; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 440 ff; MünchKommHGB/K Schmidt § 230, 116; K Schmidt ZGR 1984, 295, 299 ff; ders GesR4, § 30 IV 3 a); Heidel/ Peres3 25; Semler in: FS Werner 1984, S 855, 861; Berninger Betrieb 2004, 297, 299; Jebens BB 1996, 701; Armbrüster/Joos ZIP 2004, 189, 194; Dierdorf Herrschaft, S 116; Raiser/Veil 5 § 57, 11; Eyber Abgrenzung, S 19 f; Bachmann/Veil ZIP 1999, 348; K Mertens AG 2000, 32.

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K Schmidt ZGR 1984, 295, 300 unter Bezugnahme auf Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 440 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 65; KK/Koppensteiner3 61. OLG Celle AG 1996, 370, 371; LG Berlin AG 2001, 95, 97; MünchKommAktG/Altmeppen3 66 f; Hüffer10 15; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 17; KK/Koppensteiner3 62; Blaurock Handbuch der stillen Gesellschaft7, Rdn 7.24; Heidel/Peres3 25; vgl Bachmann/Veil ZIP 1999, 348, 351 ff; aA Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 447 ff, der in solchen Fällen das Vorliegen eines Betriebsüberlassungsvertrags nach Abs 1 Nr 3 erwägt. Zutreffend KK/Koppensteiner3 62. S auch MünchKommAktG/Altmeppen3 67 mwN unter dem (freilich nicht tragenden, Rdn 17) Aspekt eines Eingriffs in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung. OLG Celle AG 1996, 370; NZG 2000, 85 = AG 2000, 280; MünchKommAktG/Altmeppen3 65; Emmerich/Habersack6 29c ff; Emmerich/Habersack9 § 14, 13 ff; Hüffer10 15. Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie

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§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

bei einer Beteiligung Dritter neben dem SoFFin und der Übertragung der mit dem Fonds vereinbarten stillen Beteiligung auf Dritte.256

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b) Partiarische Austauschverträge. Ein partiarischer Austauschvertrag, also etwa ein Gebrauchsüberlassungsvertrag, bei dem die geschuldete Gegenleistung in einer Beteiligung am Erfolg der leistungsberechtigten Aktiengesellschaft besteht, ist ein Teilgewinnabführungsvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 2, wenn die Gegenleistungsvereinbarung an eine Gewinngröße anknüpft, die bereits endgültig der Aktiengesellschaft zugewiesen ist.257 Eine solche Gestaltung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Gegenleistung eine Funktion des mit dem Leistungsgegenstand selbst erwirtschafteten Ergebnisses darstellt.258 Dann verkörpert sie lediglich eine von vornherein dem Leistungsschuldner zustehende Erfolgschance aus dem Austauschvertrag.259 Ob die Geschäfte einen wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft ausmachen, ist unter dem Teilgewinnabführungsaspekt irrelevant.260 Im Übrigen erweist sich die Periodizität wiederum als geeignetes Hilfskriterium.261 Bei einem partiarischen Miet- oder Pachtvertrag etwa liegt keine Teilgewinnabführung iS des § 292 Abs 1 Nr 2 vor, wenn die erfolgsbezogene Vergütung wie meist nicht an einen periodisch ermittelten Teilgewinn der Gesellschaft, sondern an die von ihr als Mieterin beziehungsweise Pächterin mit der überlassenen Sache erwirtschafteten Gewinne anknüpft.262 Partiarische Darlehen, bei denen sich die Gewinnbeteiligung wie regelmäßig auf pe99 riodisch ermittelte Gewinngrößen bei der Aktiengesellschaft bezieht und die dementsprechend auch als Minimalform der stillen Beteiligung263 beschrieben werden, berühren wie diese das Eigeninteresse der Gesellschaft und sind als Teilgewinnabführung iS des § 292 Abs 1 Nr 2 zu würdigen,264 bedürfen also neben Schriftform und Hauptversammlungszustimmung (§ 293 Abs 3 und 1) auch der Eintragung ins Handelsregister (§ 294 Abs 2). Anders liegt es jedoch, wenn die Gewinnbeteiligungsabrede ausnahmsweise an das funktionale Surrogat der Darlehensvaluta anknüpft. Verwendet die Aktiengesellschaft das Darlehen etwa ausschließlich zur Finanzierung eines Immobilienprojekts, aus dessen Erträgen wiederum exklusiv der Darlehenszins gespeist wird, liegt kein Teilgewinnabführungsvertrag vor.265

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c) Spezialgesetzliche Gewinnbeteiligungen. Das Verhältnis des § 221 als spezieller Bestimmung für die Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen, Genussrechten und

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257

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Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds – FMS“, BGBl I 2008, 1988. S auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 23; dies ZGR 2010, 1, 13 f; Nadoushani ZBB 2009, 110, 113 f. Auch MünchKommAktG/Altmeppen3 63 f unter dem (freilich nicht tragenden, Rdn 17) Aspekt eines Eingriffs in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung. Vgl für ein sale and lease back-Verfahren KG NZG 1999, 1102 = AG 2000, 183, 184. MünchKommAktG/Altmeppen3 63 aE. Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 16. Insoweit zutreffend Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/Habersack9 § 14, 7; vgl auch

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KG NZG 1999, 1102 = AG 2000, 183, 184 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 63 f; iE ebenso Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/Habersack9 § 14, 7; Heidel/Peres3 28. MünchKommAktG/Altmeppen3 69; vgl auch Schön ZGR 1993, 210 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 69; Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/Habersack9 § 14, 7; KK/Koppensteiner3 69; Dierdorf Herrschaft, S 116; aA Geßler/Geßler 35, der partiarische Darlehen als nicht vom periodisch, sondern vom einzelgeschäftsbezogenen Gewinn abhängig betrachtet. Ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 64, 69.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

Partizipationsscheinen zur Regelung des § 292 Abs 1 Nr 2 ist vor allem mit Blick auf solche Genussrechte des § 221 Abs 3 von Bedeutung, die eine gewinn- oder dividendenabhängige266 Vergütung vorsehen. Für diese vorbehaltlich des § 292 Abs 2 als Teilgewinnabführungsvertrag zu qualifizierende Vergütungsvarianten267 ist das Verhältnis der beiden Vorschriften deswegen bedeutsam, weil für die Schaffung von Genussrechten nach § 221 Abs 3 zwar ebenso wie für die Teilgewinnabführung (§ 293 Abs 1) eine Hauptversammlungszustimmung mit qualifizierter Kapitalmehrheit vonnöten ist, für eine Beschlussfassung nach § 221 Abs 1, Abs 3 aber insbesondere die §§ 293a–293g nicht gelten und, anders als nach §§ 292 Abs 1 Nr 2, 294 Abs 2, keine Handelsregistereintragung erforderlich ist. Außerdem entfaltet das Zustimmungserfordernis des § 221 nur im Innenverhältnis Bedeutung,268 wogegen der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Teilgewinnabführungsvertrags bildet (§ 293, 76).269 Nach hM verdrängt die Regelung des § 221 Abs 3 als lex specialis den § 292 Abs 1 101 Nr 2, so dass es insbesondere der Handelsregistereintragung nicht bedarf.270 Einige wollen diese Spezialität auf den Fall der kollektiven Ausgabe von Genussrechten beschränken, wogegen es für individuell begebene Genussrechte bei der im praktischen Ergebnis den Vorrang beanspruchenden Geltung auch des § 292 Abs 1 Nr 2 bewende.271 Die Gegenmeinung befürwortet eine parallele Anwendung der beiden Regelungen und damit den faktischen Vorrang des § 292 Abs 1 Nr 2. Gewinnorientierte Genussrechte seien ein Unterfall der stillen Gesellschaft, weswegen zum Schutze der Aktionäre und Gläubiger beide einheitlich dem Regime der §§ 293 ff unterstellt und auch ins Handelsregister eingetragen werden müssten.272 Stellungnahme: Mit der hM ist § 221 Abs 3 als lex specialis ein verdrängender Vor- 102 rang gegenüber dem Regelungsregime für Teilgewinnabführungsverträge (§§ 292 Abs 1 Nr 2, 293 ff) zuzuerkennen. Für kollektiv ausgegebene beziehungsweise, problemspezifischer, für börsennotierte Genussscheine ist dies schon deswegen geboten, weil andernfalls bei fehlender Registereintragung am Kapitalmarkt nichtige Titel massenweise 266

267 268 269 270

Nicht betroffen sind Genussrechte mit beschränkt gewinnorientierten Vergütungsgestaltungen, etwa in Form einer Verzinsung, deren Höhe in Abhängigkeit vom Gewinn der Gesellschaft variiert, oder in Gestalt einer Festzinsvereinbarung mit der Einschränkung, dass die vorrangigen Zinszahlungen nur aus Gewinnen der Gesellschaft zu bedienen sind (so im Falle BGHZ 120, 141 = WM 1992, 2098 = AG 1993, 134). Näher zu Zinsgestaltungen Hirte in diesem Komentar, § 221, 330; Spindler/Stilz/ Seiler 2 67; Eyber Abgrenzung, S 81 ff. S nur Müller/Rödder/Janssen § 23, 65. S nur Hirte in diesem Komentar, § 221, 100; MünchKommAktG/Habersack3 § 221, 150. MünchKommAktG/Habersack3 § 221, 74 mwN. MünchKommAktG/Habersack3 § 221, 72; MünchHdbAG/Krieger3 § 63, 61, § 72, 18; KK/Koppensteiner3 59; Spindler/Stilz/Seiler2 § 221, 67; K Eyber Abgrenzung, S 163 ff; Bürgers/Körber/Stadler2 § 221, 93; Henssler/

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Strohn/Paschos 9; Busch AG 1994, 93, 97; Feddersen/Mayer-Landrut ZGR 1993, 312, 315 f; Schweitzer/Volpert BB 1994, 821, 826; Wollmert BB 1992, 2106, 2107; Sethe AG 1993, 293, 310; Würdinger Aktienrecht4, S 308; wohl auch K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 26; Hölters/Deilmann 20; s zudem BGHZ 156, 38, 42 ff = WM 2003, 1896 = AG 2003, 625 = NZG 2003, 1023 sowie BGHZ 119, 305 ff = WM 1992, 1902 = AG 1993, 125, wo der BGH die jeweils streitgegenständlichen Genussscheine nicht als Teilgewinnabführungsverträge klassifizierte. Hirte ZIP 1988, 477, 485; ders ZBB 1992, 50, 52; Geßler/Karollus § 221, 238, 241 ff. Emmerich/Habersack6 31; Emmerich/ Habersack9 § 14, 18; ähnlich D Reuter in: FS R Fischer 1979, S 605, 617 mit Fn 50 (für Partizipationsscheine); für die GmbH Goerdeler/Müller in Hachenburg, GmbHG Anh § 29, 24.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

gehandelt würden. Aber auch wenn man zur Vermeidung eines solchen kapitalmarktlichen Unglücksfalles die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft mit dem BGH trotz fehlender Eintragung zur Anwendung brächte (§ 293, 177), müsste es beim lex specialisCharakter des § 21 Abs 3 bleiben. In der Sache würde hiermit nämlich anerkannt, dass die Regelung des § 221 Abs 3 für sich genommen ein hinreichendes Schutzniveau gewährleistet. Für einen Vorrang des § 221 Abs 3 auch im Falle individuell begebener Genussscheine streitet sodann die gleichermaßen auch für kollektiv ausgegebene Genussscheine geltende Überlegung, dass die Parteien eine zunächst obligationenähnliche Vergütungsregelung auch noch nachträglich in eine strikt gewinnabhängige Vergütungsregelung abändern können und dass diese Vertragsänderung dann folgerichtig als erstmaliger Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrags zu behandeln wäre, eine in jeder Hinsicht unangemessene Rechtsfolge. Die in § 304 Abs 2 Satz 2 als mögliche Ausgleichsregelung in Beherrschungs- oder 103 Gewinnabführungsverträgen vorgesehene Dividendengarantie stellt in der Sache eine Teilgewinnabführung dar. Das Regime der Unternehmensverträge des § 291 geht hinsichtlich Anforderungen und Rechtsfolgen aber sogar weiter als jenes der Unternehmensverträge des § 292 Abs 1, so dass ersteres als spezielleres Regime das letztere verdrängt.273

104

d) Verlustübernahme. Auf ein einseitiges Verlustübernahmeversprechen (Verlustdeckungszusage) und einen Verlustübernahmevertrag, der die AG einseitig zur Verlustübernahme verpflichtet (§ 291, 176 ff), findet § 292 Abs 1 Nr 2 keine analoge Anwendung.274 Für die gegenteilige Position ließe sich, da ein Teilgewinnabführungsvertrag nicht zur Übernahme des bei der Aktiengesellschaft entstehenden Verlusts verpflichtet, überhaupt nur die wirtschaftliche Überlegung anführen, dass die Verlustübernahmeverpflichtung von vornherein den Jahresüberschuss und damit den der Disposition durch die Hauptversammlung unterstellten Bilanzgewinn mindert.275 Eine solche Sichtweise griffe indes deutlich über die an den Wortlaut des § 292 Abs 1 Nr 2 anknüpfende Interpretation des Verlusts als negativem Gewinn hinaus und ginge daher viel zu weit. Die teleologische Betrachtung des § 292 Abs 1 Nr 2 muss die Berührung des Eigeninteresses der Gesellschaft in den Blick nehmen, welches nicht schon immer dann berührt sein kann, wenn die Gesellschaft einen letztlich gewinnmindernden Aufwand tätigt, sondern erst dann, wenn ein Ertrag der Gesellschaft bereits endgültig zugewiesen ist (Rdn 18 f).276 Ansonsten würde die prinzipiell eigenverantwortliche Unternehmensleitungskompetenz des Vorstands nach § 76 in ihr Gegenteil verkehrt. 4. Ausnahmen (Abs 2)

105

a) Rechtsnatur und Normzweck von Abs 2. Die in § 292 Abs 2 aufgeführten Verträge genügen der Begriffsbestimmung des Teilgewinnabführungsvertrags (Abs 1 Nr 2), sind aber laut dieser Vorschrift gerade keine Teilgewinnabführungsverträge. Demnach stellt diese Bestimmung zwei Ausprägungen des Teilgewinnabführungsvertrags konstitu273 274

MünchKommAktG/Altmeppen3 70. OLG Celle AG 1984, 266, 268 = WM 1984, 494, 497; MünchKommAktG/Altmeppen3 72 f; Hüffer10 § 291, 28; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 3; K Schmidt in: FS Werner 1984, S 777, 787 ff; aA KK/Koppensteiner3 68, 73; noch anders – Analogie nur bei Verpflichtung der Tochter- für Verluste der

275 276

Obergesellschaft – Spindler/Stilz/Veil 2 § 291, 46. KK/Koppensteiner3 68. S auch MünchKommAktG/Altmeppen3 73 unter dem (freilich nicht tragenden, Rdn 17) Aspekt eines Eingriffs in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung.

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Andere Unternehmensverträge

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tiv vom Regelungsregime der §§ 292, 293 ff für andere Unternehmensverträge frei, präzisiert also nicht etwa die Legaldefinition des Abs 1 Nr 2.277 Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmetatbestände in bewusster Abkehr von § 256 106 Abs 1 AktG 1937 qualitativ gefasst, weil die frühere quantitative Schwelle von drei Viertel des gesamten Gewinns der Gesellschaft zu erheblichen Berechnungs- und also Abgrenzungsschwierigkeiten geführt hatte.278 Demnach handelt es sich bei § 292 Abs 2 um eine abschließende Aufzählung.279 Eine analoge Anwendung auf ähnliche Gestaltungen von Teilgewinnabführungsverträgen, etwa die Beteiligung anderer als der in Abs 2 genannten Personen oder Dividendengarantien nach § 304 Abs 2 Satz 2, scheidet damit aus.280 Umgekehrt lässt sich aber auch kein allgemeines Prinzip annehmen, dass wirtschaftlich unbedeutende Vertragsgestaltungen zustimmungsfrei bleiben sollen.281 Andernfalls würden sich die Abgrenzungsschwierigkeiten stellen, die durch Schaffung des qualitativen Ausnahmetatbestands gerade ausgeräumt werden sollten. Daher lassen sich weder geringfügige stille Beteiligungen unter Abs 2 fassen282 noch sind umgekehrt an sich ausgenommene Teilgewinnabführungsvarianten deshalb ausnahmsweise zustimmungspflichtig, weil sie wirtschaftlich besonders ins Gewicht fallen.283 b) Vertragspartnerbezogene Ausnahmen (Abs 2 Alt 1). Die erste Variante des § 292 107 Abs 2 sieht eine Freistellung von den §§ 293 ff mit Blick auf die Person des am Gewinn beteiligten anderen Vertragsteils vor. Das betrifft zunächst Verträge über eine Gewinnbeteiligung mit Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, die hiernach als Geschäftsführungsmaßnahme durch den Vorstand, gegebenenfalls unter Mitwirkung des Aufsichtsrats (§§ 111 Abs 4 Satz 2, 112), entschieden werden.284 Hauptanwendungsfall sind insoweit die Tantiemenvereinbarungen iS der §§ 87 Abs 1 Satz 1, 113 Abs 3, bei denen die Abführung eines mitunter erheblichen Gewinnteils als Vergütung für geleistete Arbeit gewährt wird.285 Ferner nennt die erste Variante des § 292 Abs 2 Verträge über eine Gewinnbeteiligung 108 mit einzelnen Arbeitnehmern der Gesellschaft. Diese Gesetzesformulierung ist im Sinne von „vereinzelt“ zu lesen und greift daher nur ein, soweit entsprechend der Tantiemen an Mitglieder der Unternehmensverwaltung individuell bestimmte Arbeitnehmer der Gesellschaft begünstigt werden sollen; Gewinnzusagen an die Belegschaft oder an nach generellen Kriterien, etwa eine mehrjährige Betriebszugehörigkeit, abgrenzbare Belegschaftsteile, wie sie bisweilen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung getroffen werden, bedürfen hingegen auch bei marginalen Gewinnanteilen als Teilgewinnabführung iS des § 292 Abs 1 277

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K Schmidt ZGR 1984, 295, 305; auch KK/Koppensteiner3 56, 59, der allerdings – vom engeren Gewinnbegriffsverständnis iS des Bilanzgewinns ausgehend – für solche Vereinbarungen, welche an den Dividendensatz anknüpfen, bereits Abs 1 Nr 2 in Frage stellt. Begründung RegE in: Kropff, S 379. KG AG 2000, 183, 184 f = NZG 1999, 1102; MünchKommAktG/Altmeppen3 83; Emmerich/Habersack6 33 aE; Emmerich/ Habersack9 § 14, 19; Hüffer10 26; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 19; KK/Koppensteiner3 56; K Schmidt ZGR 1984, 295, 302; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 435 f; aA noch KK/Lutter1 § 58, 47. So etwa Hüffer10 26, der wie auch KK/Kop-

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281 282

283 284 285

pensteiner3 60 nicht nur eine analoge, sondern auch eine extensive Auslegung ausschließt; vgl zu § 304 Abs 2 Satz 2 und § 221 in diesem Zusammenhang auch Geßler/Geßler 36. Treffend KK/Koppensteiner3 60. MünchKommAktG/Altmeppen3 83; Hüffer10 26; KK/Koppensteiner3 64; K Schmidt ZGR 1984, 295, 302. KK/Koppensteiner3 60. So ausdrücklich MünchKommAktG/Altmeppen3 78. MünchKommAktG/Altmeppen3 78; Emmerich/Habersack6 34; Emmerich/Habersack9 § 14, 20; Hüffer10 27; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 19; KK/Koppensteiner3 57.

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§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

Nr 2 der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1.286 Unabhängig hiervon bleibt Abs 1 Nr 2 von vornherein außer Betracht, wenn die Gewinnbeteiligung nicht durch Vertrag, sondern durch einen Hauptversammlungsbeschluss eingeräumt wird, etwa bei § 193 Abs 2 Nr 3.287 Der personenbezogene Ausnahmetatbestand des § 292 Abs 2 Var 1 greift stets ein, 109 wenn eine Teilgewinnabführung, und sei sie noch so atypisch, zugunsten der darin aufgeführten Vertragspartner erfolgt. Erfasst sind daher auch stille Gesellschaften zwischen der Gesellschaft und Verwaltungsmitgliedern oder einzelnen Arbeitnehmern als Stillen.288

110

c) Vertragstypbezogene Ausnahmen (Abs 2 Alt 2 und 3). Die zweite und die dritte Variante des Ausnahmetatbestands betreffen Sonderformen von Gewinnbeteiligungen. Danach sind zunächst Abreden über eine Gewinnbeteiligung im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs keine Teilgewinnabführungsverträge iS des § 292 Abs 1 Nr 2. Unter diesen nicht selten als unglücklich empfundenen Begriff 289 fallen nur solche Verträge, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr der Gesellschaft ihren Ursprung haben, wobei für die Abgrenzung zu ungewöhnlichen Geschäften der Maßstab des § 116 HGB heranzuziehen ist und es mithin auf eine konkrete qualitative Beurteilung ankommt, die gerade den Geschäftsbetrieb dieser Gesellschaft in Blick nimmt.290 Offenkundig hatte der Gesetzgeber demnach Austauschverträge im Sinn, bei denen eine erfolgsbezogene Gegenleistung der Gesellschaft für das von ihr betriebene Gewerbe üblich ist.291 Allerdings werden die meisten üblicherweise erfolgsbezogenen Geschäfte von vornherein nicht als Teilgewinnabführung iS des § 292 Abs 1 Nr 2 in Betracht kommen, wenn man mit der ganz hM das Periodizitätserfordernis als ein zentrales Hilfskriterium für den teleologisch interpretierten Gewinnbegriff heranzieht (Rdn 64, 86).292 Als Anwendungsfall verbleiben damit vor allem partiarische Darlehen (Rdn 99), soweit diese nach dem Gegenstand der Gesellschaft ein gewöhnliches Geschäft bilden.293 Was eine als Teilgewinnabführung zu qualifizierende stille Gesellschaft (Rdn 95) anbelangt, wird die Begründung einer solchen zumeist nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören. Eine ausnahmslose Anwendung des Unternehmensvertragsregimes der § 292 Abs 1 Nr 2, §§ 293 ff anzunehmen,294 ginge wohl aber zu weit. Die frühere Refinanzierung von Kreditinstituten durch

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MünchKommAktG/Altmeppen3 79; Emmerich/Habersack6 34; Emmerich/Habersack9 § 14, 20; Hüffer10 27; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 48; Spinder/Stilz/Veil 2 31; MünchHdbAG/Krieger2 § 72, 19; KK/Koppensteiner3 57; Geßler/Geßler 38; Baumbach/Hueck13 8; Godin/Wilhelmi 4 4. Ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 79. Emmerich/Habersack6 34; Hüffer10 27; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 19 aE; KK/Koppensteiner3 64; K Schmidt ZGR 1984, 295, 301. So etwa von MünchKommAktG/Altmeppen3 80; KK/Koppensteiner3 58; Geßler/Geßler 39. KG AG 2000, 183, 184 f = NZG 1999, 1102; MünchKommAktG/Altmeppen3 80; Emmerich/Habersack6 35; Emmerich/Habersack9 § 14, 21; Hüffer10 28; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 19; K Schmidt/Lutter/Langen-

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bucher2 49; KK/Koppensteiner3 58; K Schmidt ZGR 1984, 295, 302; Semler in: FS Werner 1984, S 855, 861; Eyber Abgrenzungen, S 23; Geßler/Geßler 39. MünchKommAktG/Altmeppen3 81. Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 80; KK/Koppensteiner3 58, die dieser Ausnahme dem entsprechend geringe praktische Bedeutung zuschreiben. Emmerich/Habersack6 35; Emmerich/ Habersack9 § 14, 21. So MünchKommAktG/Altmeppen3 80; Emmerich/Habersack9 § 14, 21; Hüffer10 28; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 19; KK/Koppensteiner3 64, 69; Semler in: FS Werner 1984, S 855, 861; K Schmidt ZGR 1984, 295, 302; nur für den Regelfall Emmerich/Habersack6 35; aA Eyber Abgrenzung, S 23 ff.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

nach Maßgabe des § 10 Abs 4 KWG aF dem Kernkapital zuzurechnende Einlagen aus stillen Gesellschaften war als dem laufenden Geschäftsverkehr der Institute zugehörig anzusehen. Die in § 292 Abs 2 genannten Abreden über eine Gewinnbeteiligung im Rahmen von 111 Lizenzverträgen sind weit zu verstehen und erstrecken sich nicht lediglich auf klassische Patentlizenzen. Vielmehr fallen darunter auch sog gesellschaftsähnliche Lizenzverträge, welche an den Gewinn des Unternehmens oder einzelner Betriebe anknüpfen, wo aufgrund der Lizenz Erzeugnisse produziert werden.295 Zudem können auch Verträge über Know-how oder Erfindungsideen diesem Ausnahmetatbestand genügen.296 Nicht selten werden solche Verträge als gewöhnliche iS des § 116 Abs 1 HGB den Geschäften des laufenden Geschäftsverkehrs iS der zweiten Alternative zuzurechnen sein, so dass in diesen Fällen eine Befreiung nach Abs 2 jedenfalls zum Zuge kommt.297

VII. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag (Abs 1 Nr 3) 1. Allgemeines Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge werden in § 292 Abs 1 Nr 3 mit der 112 Formulierung definiert, dass durch sie die Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens einem anderen verpachtet oder sonst überlässt. Nach der gesetzlichen Konzeption handelt es sich um Austauschverträge. Hiervon zeugen neben ihrer Verankerung in § 292298 vor allem die Sonderregeln der §§ 292 Abs 3, 302 Abs 2 für den Fall, dass das Entgelt keine äquivalente Gegenleistung für die Betriebsüberlassung darstellt (schon Rdn 7 f). Pächter oder Übernehmer kann jedermann sein. Der andere Vertragsteil muss weder 113 Aktionär sein noch muss er sich als übergeordnetes Unternehmen iS der §§ 15, 17 Abs 1 qualifizieren (oben Rdn 32). Durch den Vertragsschluss wird ein Unternehmensverbund iS des § 15 aber nur begründet, wenn der andere Vertragsteil jedenfalls durch die Fortführung des gepachteten Betriebs zum übergeordneten Unternehmen wird, wobei allein die Erlangung der Kaufmannseigenschaft hierfür nicht genügt.299 2. Erscheinungsformen Mit Blick auf die Gründe für den Vertragsschluss300 sind zwei gleichermaßen von 114 § 292 Abs 1 Nr 3 erfasste301 Erscheinungsformen betriebsführungsbezogener Unternehmensverträge zu unterscheiden: Außerhalb von Konzernverhältnissen geschlossene konzernexterne betriebsführungs- 115 bezogene Unternehmensverträge sind in der Praxis eher selten anzutreffen. Grund für die 295 296

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MünchKommAktG/Altmeppen3 82; vgl RGZ 122, 70. MünchKommAktG/Altmeppen3 82 (zu Verträgen über Know-How); Emmerich/Habersack6 36; Hüffer10 28; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 50; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 19; KK/Koppensteiner3 58; Geßler/ Geßler 40 f. Vgl KK/Koppensteiner3 58 aE. Emmerich/Habersack9 § 15, 4. Ebenso Hüffer10 17; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 6; wohl auch Emmerich/

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Habersack6 41; unklar KK/Koppensteiner3 8; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 95. Näher Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 81 ff, 114 ff, 127 ff; vgl U H Schneider JbFStR 1982/83, 387, 390 ff; Schubert/ Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 215 ff (für konzerninterne Verträge). Ebenso etwa Hüffer10 17; Fleck JbFStR 1982/83, 429, 433, 442 f; aA U H Schneider JbFStR 1982/83, 387, 438 (für konzernexterne Verträge).

Peter O. Mülbert

§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

Wahl dieser Vertragsgestaltung sind die Vorteile hinsichtlich Kapitalbindung und Risiko für die Eigentümergesellschaft gegenüber einem an sich angestrebten Verkauf ihrer Unternehmung.302 Die Gesellschaft kann sich nämlich als bisherige Inhaberin des Betriebs aus der unternehmerischen Tätigkeit und dem unternehmerischen Risiko zurückziehen, ohne dessen Substanz zu veräußern.303 Im Übrigen wird sich der Pächter oder Übernehmer darauf einstellen, dass der Vertrag unter Umständen nach Ab-lauf nicht verlängert wird, und regelmäßig seine Dispositionen wie bei einer bürgerlich-rechtlichen Gebrauchsüberlassung auf eine nur vorübergehende Nutzung einstellen.304 Innerhalb bestehender Konzernverhältnisse geschlossene konzerninterne Betriebs116 pacht- und Betriebsüberlassungsverträge begegnen häufiger.305 In erster Linie dienen konzerninterne betriebsführungsbezogene Unternehmensverträge einer Intensivierung der Konzernleitung, etwa um verschiedene Konzernunternehmen auch in produktionstechnischer Hinsicht unter einheitliche Leitung zu stellen.306 Die solchen Verträgen zugrunde liegende Interessenlage unterscheidet sich demgemäß wesentlich von den nur auf gewisse Dauer vereinbarten Gebrauchsüberlassungen bürgerlich-rechtlicher Prägung, da es der Pächter oder Übernehmer als beherrschendes Unternehmen selbst in der Hand hat, den Vertrag zu perpetuieren.307 In zweiter Linie werden steuerliche Vorteile angeführt.308 Im Übrigen hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, solche konzerninternen Verträge wegen der sie motivierenden Abhängigkeitslage der Gesellschaft wie einen Unternehmensvertrag des § 291 Abs 1 zu reglementieren309 und sich damit begnügt, zur Sicherung der Gläubiger eine beschränkte Verlustausgleichsgarantie nach § 302 Abs 2 zur Ergänzung der Haftung des herrschenden Unternehmens nach § 317 vorzusehen.310 Schließlich wird die Betriebsüberlassung der Betriebspacht in der Praxis vor allem 117 dann vorgezogen, wenn über den Unternehmensbetrieb hinaus auch der good will oder sonstige Rechte, die mit der Firma der Eigentümergesellschaft verbunden sind, durch den Betriebsübernehmer genutzt werden sollen.311 Die praktische Bedeutung der Verträge nach § 292 Nr 3 ist nicht unerheblich. Wurde 118 deren zahlenmäßiges Vorkommen bislang auch als nicht besonders hoch eingeschätzt,312 ist ihre praktische Bedeutung in jüngerer Zeit nach verbreiteter Einschätzung gestiegen.313

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KK/Koppensteiner3 93. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 26. MünchKommAktG/Altmeppen3 101. Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 102 f; KK/Koppensteiner3 93; MünchHdbAG/ Krieger2 § 72, 24; Mestmäcker Verwaltung, S 317 ff; U H Schneider JbFSt 1982/83, 387, 391 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 102 f; KK/Koppensteiner3 93; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 26. MünchKommAktG/Altmeppen3 102. KK/Koppensteiner3 93; vgl auch Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 105 ff; Knoppe Betriebsverpachtungen, 58 f; Schubert/Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 215. Anders die Empfehlung der Studienkommission des DJT, Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts Rn 270 f; vgl auch die

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Kritik von Flume Grundfragen, in: Gesammelte Schriften, Bd II, 1988, S 160 ff. Vgl Begründung RegE in: Kropff AktG, S 391; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 88; MünchKommAktG/Altmeppen3 103. KK/Koppensteiner3 93; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 115; zu den firmenrechtlichen Fragen s Rasch Konzernrecht5, S 97 f. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 26; KK/Koppensteiner3 99; für Beispiele s RGZ 142, 223; BVerwGE 34, 56; OLG Frankfurt AG 1973, 136 = WM 1973, 348; OLG Hamburg AG 2001, 91 = NZG 2000, 421; LG Berlin AG 1992, 91 (jeweils Betriebspachtverträge); RFHE 40, 185; BGH NJW 1982, 1817; OLG München AG 1987, 380 (jeweils Betriebsführungsverträge). S Emmerich/Habersack9 § 15, 4 ff; Raiser/Veil 5 § 57, 16; zu Gründen im

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

3. Vertragsinhalt a) Allgemeines. Die Einordnung einer Vereinbarung als Betriebspacht- oder Betriebs- 119 überlassungsvertrag hat wie durchweg im Unternehmensvertragsrecht (Vorbem 9 zu §§ 291 ff) in materieller Betrachtungsweise der Vertragsmerkmale zu erfolgen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist also die Vereinbarung, alle Betriebe dem anderen Vertragsteil zu verpachten oder zu überlassen. Entbehrlich ist die Verwendung gerade dieser Begrifflichkeit in der nach § 293 Abs 3 zu errichtenden Vertragsurkunde. Eine Rückwirkungsvereinbarung in betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträgen ist grundsätzlich unbedenklich (§ 293, 23).314 b) Alle Betriebe. Gegenstand eines Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrags 120 mit einer verpflichteten Gesellschaft ist nach § 292 Abs 1 Nr 3 der Betrieb ihres Unternehmens. Das Gesetz stellt also auf das Unternehmen selbst ab,315 was die Bezeichnung etwa als Unternehmenspacht treffend zum Ausdruck bringt.316 Dementsprechend muss die Eigentümergesellschaft alle ihre Betriebe und nicht nur einzelne verpachten oder sonst überlassen, damit die zugrunde liegende Überlassungsvereinbarung dem Abs 1 Nr 3 unterfällt.317 Das legt schon der Wortlaut nahe und entspricht sodann der gesetzgeberischen Vorstellung, dass sich infolge solcher Verträge die Struktur der Eigentümergesellschaft hin zur „Rentnergesellschaft“ verändert (Rdn 27). Für das Vorliegen eines Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrags darf sich die Tätigkeit der Gesellschaft nur noch auf die Einziehung des Überlassungsentgelts, die Ausübung der weiteren vertraglichen Rechte und allenfalls die Verwaltung ihres nicht-betriebsnotwendigen Vermögens, insbesondere ihres Beteiligungs-Portfolios, erstrecken.318 Als Korrelat hierzu stellt die unterlassene Mitverpachtung von nicht-betriebsnotwendigem Vermögen für sich allein die Qualifikation als Vertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 nicht in Frage.319 Unterbleibt die Verpachtung eines einzelnen Betriebs, der gänzlich unbedeutend ist 121 oder nach Vertragsschluss ohnehin stillgelegt wird, oder werden durch eine Kette einzelner Pachtverträge letztlich alle Betriebe der Eigentümergesellschaft in die Leitungsgewalt des anderen Vertragsteils überführt, steht eine Gesetzesumgehung im Raum.320 Im Übrigen scheidet § 292 Abs 1 Nr 3 aus, soweit der Eigentümergesellschaft betriebliche Aktiva verbleiben; die Zustimmung der Hauptversammlung zur Verpachtung oder Überlassung ihrer übrigen Betriebe kann dann allenfalls nach den Holzmüller-Grundsätzen (§ 293, 227 ff) erforderlich werden.321

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Bereich der Energiewirtschaft s Fenzl Der Konzern 2006, 18, 19. S nur Hüffer10 § 294, 20; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 66; KK/Koppensteiner3 § 294, 33; Geßler/Geßler § 294, 31 f. Spindler/Stilz/Veil 2 35; Raiser/Veil 5 § 57, 17; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 49 ff; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 277; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 170; Mimberg Konzerninterne Betriebspachtverträge, S 22 ff; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 98. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 170; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 98: missverständlich. MünchKommAktG/Altmeppen3 97 (zur Betriebspacht), 105 (zur Betriebsüberlassung);

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Emmerich/Habersack6 40; Emmerich/ Habersack9 § 15, 8; Hüffer10 18; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 37; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 28; KK/Koppensteiner3 75; Geßler/Geßler 58; Führling Sonstige Unternehmensverträge, S 68; Mimberg Konzerninterne Betriebspachtverträge, S 21; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 56; s auch BVerwGE 34, 56, 60 = BayVBl 1970, 26; aA Spindler/Stilz/Veil 2 40. Emmerich/Habersack6 40; Emmerich/ Habersack9 § 15, 8. KK/Koppensteiner3 75. MünchKommAktG/Altmeppen3 97; KK/Koppensteiner3 76; Geßler/Geßler 58. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 63.

Peter O. Mülbert

§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

c) Betriebspacht oder Betriebsüberlassung

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aa) Betriebspacht (Alt 1). Beim in § 292 Abs 1 Nr 3 Alt 1 genannten Betriebspachtvertrag handelt es sich, wie nicht zuletzt die zweite Alternative „oder sonst überläßt“ erhellt, um einen Unterfall der Betriebsüberlassung, die nach der gesetzgeberischen Konzeption ihrerseits einen Spezialfall eines Gebrauchsüberlassungsvertrags iS der §§ 535 ff, 581 ff BGB darstellt.322 Für die Betriebspacht bestimmt sich das Pflichtenprogramm der Vertragsparteien folglich gemäß § 581 BGB:323 Während der andere Vertragsteil als Pächter alle betrieblichen Aktiva der verpachtenden Eigentümergesellschaft für die Dauer der Pachtzeit in Besitz nimmt und daraus Früchte zieht, indem er deren Betrieb(e) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weiterführt, erhält die Verpächterin als Gegenleistung den Pachtzins.324

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bb) Betriebsüberlassung (Alt 2). Bei der Betriebsüberlassung des § 292 Abs 1 Nr 3 Alt 2 führt der Übernehmer den Betrieb des Unternehmens der AG oder KGaA auf eigene Rechnung, tritt im Unterschied zur Betriebspacht aber nicht im eigenen, sondern im fremden Namen dieser Eigentümergesellschaft auf,325/326 weswegen häufig von Innenpacht gesprochen wird.327 Um die Geschäfte namens der Gesellschaft führen zu können, bedarf der Übernehmer 124 einer entsprechend umfassenden Bevollmächtigung. Hierbei muss allerdings die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands nach § 76 gewahrt bleiben. Unbedenklich ist gleichwohl eine Generalhandlungsvollmacht nach § 54 HGB328 und, im Falle einer natürlichen Person als Übernehmer, eine Prokura nach § 48 HGB,329 aber auch eine Generalvollmacht unter Ausklammerung der zwingend in die Zuständigkeit des Vorstands fallenden

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Emmerich/Habersack6 40; Emmerich/ Habersack9 § 15, 8; vgl auch Mülbert Aktiengesellschaft2, S 169. Vertragsmuster bei MünchVertragsHdbGesR/Hoffmann-Becking7 Form IX.11; Luther/Happ in: FormKomm Band 2, Form. 2.142 (Reinform)/ 2.141 (Kombination mit Beherrschungsvertrag); Schubert/Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 423 ff (Reinform)/411 ff (Kombination mit Gewinngemeinschaft); vgl auch Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 215 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 99; Emmerich/Habersack6 40; Emmerich/Habersack9 § 15, 8; Hüffer10 18; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 25, 28; KK/Koppensteiner3 75; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 30; Geßler/Geßler 61; Baumbach/Hueck13 11; Rasch Konzernrecht5, S 94. MünchKommAktG/Altmeppen3 106; Emmerich/Habersack6 43; Emmerich/ Habersack9 § 15, 17; Hüffer10 19; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 25, 29; KK/Koppensteiner3 78; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 32; Geßler/Geßler 72; vgl den Sachverhalt von RGZ 142, 223; dazu Rasch Konzernrecht5, S 96.

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Vertragsmuster bei Luther/Happ in: FormKomm Band 2, Form. 2.143; Schubert/ Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 417 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 106; Emmerich/Habersack6 43a; Emmerich/ Habersack9 § 15, 17; Hüffer10 19; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 24; Geßler Betrieb 1965, 1691, 1692; ders in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 231; Dierdorf Herrschaft, S 125; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 42; Raiser/Veil5 § 57, 18; Raupach in: FS Bezzenberger 2000, S 327, 334 f; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 4 f; U H Schneider JbFStR 1982/83, S 387, 389; Haussmann Unternehmenszusammenfassungen, S 106 ff, 119. MünchKommAktG/Altmeppen3 106; Emmerich/Habersack6 43; Hüffer10 19; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 29a; KK/Koppensteiner3 78; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 32; Raiser/Veil 5 § 57, 18 mit Fn 30; vgl auch BGH WM 1978, 1047. MünchKommAktG/Altmeppen3 106; Emmerich/Habersack6 43; Hüffer10 19.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

(„höchstpersönlichen“) Entscheidungen,330 und zwar jeweils auch bei Erteilung durch einen seinerseits lediglich zur Gesamtvertretung berechtigten Vorstand.331 Generalhandlungsvollmacht und Prokura können unbeschadet des § 76 auch unwiderruflich erteilt werden,332 wohl aber nicht eine umfassende Generalvollmacht,333 und zwar auch nicht bei einer vorgängig oder zeitgleich vereinbarten wirksamen Beherrschungsabrede (§ 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1, §§ 293 ff).334 Mit Blick auf die Rechtsnatur der Betriebsüberlassung ist neben der Gebrauchsüberlas- 125 sung deren Auftrags- beziehungsweise Geschäftsbesorgungscharakter (§§ 598, 662, 675 Abs 1 BGB) charakteristisch.335 Dem entsprechend werden die Geschäfte mit der Eigentümergesellschaft letztlich auf Rechnung des Übernehmers getätigt, der gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Abführung des Geschäftsergebnisses analog § 667 BGB erwirbt. Im Gegenzug ist er ihr gegenüber zur Freistellung von den eingegangenen Verbindlichkeiten und zum Ersatz der gemachten Aufwendungen entsprechend § 670 BGB verpflichtet. d) Gegenleistung aa) Erfordernis. Der Betriebspachtvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 Alt 1 erfordert als 126 entgeltlicher Schuldvertrag notwendig die Vereinbarung eines Entgelts. Dies folgt aus dem Normtext mit der eindeutigen Inbezugnahme eines im BGB klar determinierten, Unentgeltlichkeit kategorisch ausschließenden Begriffs.336 Der Pachtzins ist trotz der Relativität der Rechtsbegriffe, die ein spezifisch konzernrechtliches Begriffsverständnis freilich zulässt,337 für die Annahme einer Betriebspacht damit ebenso begriffsnotwendig wie der Kaufpreis zur Abgrenzung eines Kaufs von der Schenkung.338 Haben die Parteien eine unentgeltliche Betriebspacht vereinbart, wird die Auslegung daher regelmäßig zum Vorliegen einer (rechtswidrigen, sogleich Rdn 127) Betriebsüberlassungsvereinbarung führen.339

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Emmerich/Habersack6 43; Kort in diesem Kommentar, § 76, 157, § 78, 59; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 45, § 78, 78; aA wohl KK/Koppensteiner3 78: darüber hinausgehende Vertretungsrechte müssen gesondert vereinbart werden. KK/Mertens/Cahn3 § 78, 78 (für Generalvollmacht); KK/Koppensteiner3 78; MünchKommAktG/Altmeppen3 106 Fn 185; Geßler in: FS Hefermehl 1976, S 263, 278; aA Veelken Betriebsführungsvertrag, S 127 ff. AA KK/Koppensteiner3 79; wohl auch Hüffer10 19; offen MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 29a. Kort in diesem Kommentar, § 76, 157; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 45. KK/Koppensteiner3 87: aA MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 42; wohl auch K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 38. S auch Rdn 167 zum Parallelproblem beim Betriebsführungsvertrag. Von einem unbenannten Gebrauchsüberlassungsvertrag in Verbindung mit einem Auftrag oder einer Geschäftsbesorgung

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sprechen Emmerich/Habersack6 43a; Emmerich/Habersack9 § 15, 18; ähnlich Hüffer10 19; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 27 ff; KK/Koppensteiner3 78; Geßler Betrieb 1965, 1691, 1692; s auch Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 453 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 110; Emmerich/Habersack6 40; Emmerich/ Habersack9 § 15, 8; Hüffer10 18; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 28 f; Geßler/Geßler 86; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 46; Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427, 455; wohl auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 30; aA KK/Koppensteiner3 77 m Nachw. Vgl auch KK/Koppensteiner3 77, der mit guten Gründen nur konzernspezifischen Erwägungen Relevanz beimisst. Treffend MünchKommAktG/Altmeppen3 110 mit Fn 196. Hüffer10 19; Heidel/Peres3 38; aA Emmerich/Habersack6 44a: Geschäftsführungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 2.

Peter O. Mülbert

§ 292 127

Erster Teil. Unternehmensverträge

Für die Betriebsüberlassung ist eine Entgeltvereinbarung demgegenüber nicht konstitutiv.340 Eine Überlassung zum Gebrauch kann nach dem vom BGB geprägten zivilrechtlichen Begriffsverständnis entgeltlich ebenso wie unentgeltlich erfolgen. Sodann sehen die §§ 291 Abs 3, 302 Abs 2 besondere Rechtsfolgen allein bei einem unangemessenen Entgelt vor, nicht indes bei fehlender Entgeltvereinbarung,341 weswegen auch beim gänzlichen Fehlen einer Gegenleistung ein (rechtswidriger) Betriebsüberlassungsvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 Alt 1 angenommen werden kann.342 Ebenso wenig nötigt die Abgrenzung zum Geschäftsführungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 2 dazu, den Betriebsüberlassungsvertrag begrifflich auf die entgeltliche Ausgestaltung einzuschränken.343 Zwar ist der unentgeltliche Geschäftsführungsvertrag mit einem unentgeltlichen Betriebsüberlassungsvertrag wirkungsgleich, doch verhindert nur der erstere, nicht aber der letztere Vertragstyp, dass ein positives oder negatives Jahresergebnis bei der Gesellschaft entstehen kann.344 Bedenkt man schließlich, dass eine Eigentümergesellschaft praktisch ohnehin nur infolge Abhängigkeit eine unentgeltliche Betriebsüberlassung eingehen wird, reichen die allgemeinen Bestimmungen, insbesondere die §§ 311 ff, zu ihrem Schutze.345

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bb) Angemessenheit. Für die Verpachtung oder Überlassung des Betriebs oder der Betriebe ihres Unternehmens muss der Gesellschaft eine angemessene Gegenleistung versprochen werden (schon Rdn 34).346 Der Gegenleistungsmodus ist dabei nicht zwingend festgelegt. Zwar wird häufig ein fester Betrag vertraglich bestimmt werden; bedenkenlos kann aber auch ein Fixbetrag, etwa eine feste Abschreibungssumme, mit einer variablen Anknüpfung an eine Erfolgsgröße, etwa die Umsatzerträge, kombiniert werden.347 Wesentlich ist hingegen nicht zuletzt zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger, dass die Eigentümergesellschaft selbst gegenleistungsberechtigt ist, so dass eine Dividendengarantie zugunsten der außenstehenden Aktionäre von vornherein keine angemessene Gegenleistung darstellen kann.348 Eine solche Gestaltung wird jedenfalls im Wege der Auslegung als (rechtswidrige) unentgeltliche Betriebsüberlassung zu qualifizieren sein. Zu den Rechtsfolgen s Rdn 38, 40 ff. Zum Gegenleistungsumfang treffen die §§ 292 Abs 3, 302 Abs 2 keine Aussagen.349 129 Mit der Inbezugnahme der Kapitalbindungsvorschriften in § 292 Abs 3 Satz 1 ist unter dem Aspekt einer verdeckten Einlagenrückgewähr als Ausgangspunkt jedoch wie auch sonst bei schuldrechtlichen Austauschverträgen eine Ausrichtung am Verkehrswert und

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Hüffer10 19; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 29; KK/Koppensteiner3 77; Geßler/Geßler 87; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 48 f; wohl auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 33; aA Emmerich/Habersack6 43a; Emmerich/Habersack9 § 15, 8; MünchKommAktG/Altmeppen3 110 f; SchulzeOsterloh ZGR 1974, 427, 455; Spindler/ Stilz/Veil 2 42. Vgl insoweit Emmerich/Habersack6 48 mwN; trotz abweichenden Ergebnisses auch MünchKommAktG/Altmeppen3 110. Hüffer10 19; KK/Koppensteiner3 77 aE f. KK/Koppensteiner3 77; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 111 mit Fn 200; SchulzeOsterloh ZGR 1974, 427, 455; Geßler in: FS Ballerstedt 1975, S 219, 232.

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Näher KK/Koppensteiner3 77. KK/Koppensteiner3 77; vgl auch MünchKommAktG/Altmeppen3 110 aE. Vgl zur Angemessenheitsfrage ferner Geßler/ Geßler § 302, 34 ff; Schatz Konzernrecht, S 119 ff; Knoppe Betriebsverpachtungen, S 257 ff. MünchKommAktG/Altmeppen3 112. MünchKommAktG/Altmeppen3 113; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 32; Hirte in diesem Kommentar, § 302, 47 mwN; aA noch Geßler/Geßler 90. Hirte in diesem Kommentar, § 302, 46; Emmerich/Habersack6 48 f; K Schmidt/ Lutter/Stephan2 § 302, 62.

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Andere Unternehmensverträge

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also am Marktpreis vorgezeichnet, so dass der üblicherweise zu erzielende Pacht- oder Überlassungszins zu ermitteln ist.350 Wegen der geringen Standardisierung des Leistungsobjekts – des oder der zu führenden Betriebe(s) –, welcher von Unternehmen zu Unternehmen verschieden ist, kann ein – gar transparenter – Markt für betriebsführungsbezogene Unternehmensverträge kaum ausgemacht werden, so dass auf eine Schätzung zu rekurrieren ist.351 Diese hat unter Berücksichtigung der mit dem Vertrag verknüpften Chancen und Risiken, Vorteile und Lasten, Leistungen und Gegenleistungen die Frage zu beantworten, wie viel die Nutzung des Betriebs oder der Betriebe der Eigentümergesellschaft während der Vertragslaufzeit wert ist.352 Dabei ist der konkreten Ausgestaltung des Vertrags hinsichtlich der Verteilung von Abschreibungs-, Erhaltungs-, Erneuerungsund Investitionsaufwand ebenso Rechnung zu tragen wie dem Umstand, ob zusätzlich ein Betriebsführungsauftrag (dazu Rdn 135 ff) vorliegt.353 Allgemeiner Bezugsrahmen der Berechnung des Betriebsnutzungswerts dürfte der 130 Ertragswert des Unternehmens der Eigentümergesellschaft sein, und zwar so, wie er sich hypothetisch während des Vertragszeitraums ohne Vertragsschluss entwickelt hätte, wofür der bisherigen Ertragslage freilich indizielle Bedeutung zukommt.354 Ohne Belang ist demnach, ob der Pächter oder Übernehmer die Betriebsführung ertragssteigernd verändert – wobei allerdings regelmäßig zu vermuten ist, die Steigerung der Ertragslage entspreche der hypothetischen Ertragskraft der bisherigen Unternehmensführung – oder ertragsmindernd aufgibt, weil der Betriebsnutzungswert gerade nicht von den Vor- oder Nachteilen beeinflusst ist, die der andere Vertragsteil infolge des Vertrags aus dem Betrieb des Unternehmens der Eigentümergesellschaft hervorbringt.355 Was die Berücksichtigung der Finanzierungskosten des anderen Vertragsteils als Anhaltspunkt für die Ertragswertermittlung angeht, kann eine kapitalmarktübliche Verzinsung des investierten Kapitals keinesfalls pauschal unterstellt werden: Abgesehen davon, dass ein Verpächter auf eine „angemessene“ Verzinsung keinen Anspruch hat und sich eine solche vielfach überhaupt nicht festlegen lässt,356 kann die Gegenleistung bei Ertraglosigkeit des/der überlassenen Betriebe durchaus einmal unter dieser Schwelle liegen.357

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Hirte in diesem Kommentar, § 302, 46; MünchKommAktG/Altmeppen3 114; Emmerich/Habersack6 49; Emmerich/ Habersack9 § 15, 14; K Schmidt/Lutter/ Stephan2 § 302, 62; Spindler/Stilz/Veil 2 § 302, 41. § 287 ZPO in Bezug nehmend Emmerich/ Habersack6 49; Emmerich/Habersack9 § 15, 14; Spindler/Stilz/Veil 2 § 302, 41; Hirte in diesem Kommentar, § 302, 46 mwN; krit hierzu KK/Koppensteiner3 103. Ganz ähnlich Hirte in diesem Kommentar, § 302, 46. MünchKommAktG/Altmeppen3 114; KK/Koppensteiner3 101; Hirte in diesem Kommentar, § 302, 46; aA Spindler/Stilz/ Veil 2 § 302, 41; Veil Unternehmensverträge, S 138 f. So oder ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen3 114; Hüffer10 25; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 32 ff; KK/Koppensteiner3 22, 101;

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Geßler/Geßler 91 sowie § 302, 34 f; zu dieser Ableitung der Verkehrswertschätzung missverständlich kritisch Emmerich/Habersack6 49; Emmerich/Habersack9 § 15, 14. Gleichsinnig KK/Koppensteiner3 102 gegen Geßler/Geßler § 302, 34. Hirte in diesem Kommentar, § 302, 46 mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 114 (s aber auch § 302, 61); KK/Koppensteiner3 102; aA Geßler/Geßler § 302, 35. § 302 Abs 2 bestätigt dies entgegen den Erstgenannten freilich nicht (ebenso wohl Geßler/Geßler 91). Anknüpfungspunkt der Norm ist die Differenz zwischen vereinbarter und angemessener Vergütung, nicht der von § 302 Abs 2 gar nicht erfasste Fall, dass trotz Angemessenheit der Gegenleistung ein Jahresfehlbetrag auftreten kann (s aber KK/Koppensteiner3 102).

Peter O. Mülbert

§ 292 131

Erster Teil. Unternehmensverträge

Soweit der angemessene Umfang des Entgelts nicht mit Gewissheit zu ermitteln ist, kommt der Darlegungs- und Beweislastverteilung entscheidende Bedeutung zu. Beim konkreten Drittvergleich sind insoweit Modifikationen der allgemeinen Beweislastverteilungsregeln zu erwägen. Hat die Eigentümergesellschaft etwa einen Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag mit dem Mehrheitsaktionär abgeschlossen, obwohl ein Dritter ein günstigeres Angebot unterbreitet hatte, liegt die Vermutung der Unangemessenheit nahe.358 4. Gesetzliches Regelungsregime

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a) Dispositives Recht. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge enthalten zumeist ausführliche Regelungen zu den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien, insbesondere über die Dauer und den Umfang des Nutzungsrechts und vieles mehr.359 Der Vertragsfreiheit sind insoweit grundsätzlich keine Grenzen gesetzt.360 Bei der Regelung von Ergänzungs- und Erweiterungsinvestitionen sollte allerdings die Abgrenzung zum (atypischen) Beherrschungsvertrag (§ 291, 125, 128) beachtet werden.361 Beim Fehlen vertraglicher Regelungen greifen die pachtrechtlichen Vorschriften der §§ 581 ff BGB ein.362 Außerdem ist der Pächter oder Übernehmer zu einer ordnungsgemäßen Betriebsführung verpflichtet. In grundlegenden Fragen der künftigen Unternehmenspolitik muss er sich daher mit der Eigentümergesellschaft abstimmen, wenn eine einschlägige Vertragsklausel dazu fehlt.363

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b) Behandlung bestehender Vertragsverhältnisse. Durch einen Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag begibt sich die Eigentümergesellschaft der Leitungszuständigkeit hinsichtlich des Betriebs ihrer Unternehmung und wird zur „Rentnergesellschaft“ (Rdn 27). An diesen Strukturwandel knüpft sich die Frage nach dem Schicksal der bestehenden Vertragsverhältnisse. Die Arbeitsverhältnisse zwischen den in den Betrieben tätigen Arbeitnehmern und der Eigentümergesellschaft gehen nach § 613a BGB mit der Übernahme der Betriebe im Wege der Legalzession auf den Pächter oder Übernehmer über.364 Sonstige laufende Verträge lassen sich dagegen nur mittels einer dreiseitigen Vertragsübernahmevereinbarung überleiten; ohne Zustimmung des dritten Vertragspartners

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Vgl OLG Frankfurt WM 1973, 348 = AG 1973, 136 (im Kontext des Vorliegens eines gesellschaftsschädigenden Sondervorteils; Rdn 41); dazu krit Rasch BB 1973, 865. S dazu KK/Koppensteiner3 95; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 30; MünchKommAktG/Altmeppen3 99 aE; U H Schneider JbFStR 1982/83, S 387, 395 f; Rasch Konzernrecht5, S 98 ff; Schubert/Küting Unternehmenszusammenschlüsse, S 208 ff; Knoppe Betriebsverpachtung, S 28 ff; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 116 ff, 163 ff; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 27 ff; Vertragsmuster bei MünchVertragsHdbGesR/Hoffmann-Becking 7, S 1555 ff; Luther/Happ in FormKomm Band 2, S 192 ff, 227 ff. Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 99 aE.

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KK/Koppensteiner 3 95. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 30; U H Schneider JbFStR 1982/83, S 387, 394 ff. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 28 aE; U H Schneider JbFStR 1982/83, S 387, 399 f; weitergehend Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 276 f, der die wesentlichen Entscheidungen über die Unternehmenspolitik zwingend der Verpächterin vorbehalten will; vgl auch Dierdorf Herrschaft, S 120 ff. BAG Betrieb 1979, 702; Rüthers BB 1977, 605, 607; MünchKommBGB/Müller-Glöge 6 § 613a, 77 ff; KK/Koppensteiner3 95; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 29 aE, 31; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 31.

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Andere Unternehmensverträge

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ist lediglich eine interne Erfüllungsübernahme möglich.365 Das gilt auch für laufende Versorgungsverpflichtungen und unverfallbare Versorgungsanwartschaften.366 Soll das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortgeführt werden, ist § 25 HGB zu beachten.367 c) Keine Anwendung der §§ 300, 301 (analog). Bei Betriebspacht- und Betriebsüber- 134 lassungsverträgen finden die §§ 300, 301 keine (entsprechende) Anwendung. Das gilt entgegen der These einer verdeckten Teilgewinnabführung auch dann, wenn das Entgelt einen zu niedrigen Teil des Betriebsgewinns ausmacht.368 Der darin anklingenden Vorstellung von der Kombination eines betriebsführungsbezogenen Unternehmensvertrags mit einem Gewinn- oder Teilgewinnabführungsvertrag wird nicht ohne Grund ökonomische Sinnhaftigkeit abgesprochen.369 Zudem müssten die §§ 300, 301 dann stets zusätzlich zu § 302 Abs 2 zur Anwendung kommen. Mangels Erwähnung der betriebsbezogenen Unternehmensverträge in den §§ 300, 301 liefe dies darauf hinaus, ein vorgebliches gesetzgeberisches Versehen zu korrigieren. Hierfür besteht angesichts des eigenständigen Rechtsfolgenregimes in Form des § 302 Abs 2 jedoch weder Anlass noch Raum.370 5. Kombination mit anderen Verträgen a) Betriebsführungsauftrag. Möchte der Pächter oder Übernehmer des Betriebs der 135 Gesellschaft diesen nicht selbst leiten, wird in der Praxis zusätzlich ein Betriebsführungsauftrag vereinbart, vermöge dessen die verpachtende oder überlassende Gesellschaft ihren Betrieb im Namen und für Rechnung des Kontrahenten weiterführen kann und muss.371 Diese Zusatzvereinbarung unterscheidet sich vom Betriebsführungsvertrag (Rdn 140 ff) 136 dadurch, dass bei diesem ein fremder Betrieb geführt wird, wogegen beim Betriebsführungsauftrag die verpachtende oder überlassende Gesellschaft ihren eigenen Betrieb – allerdings in fremdem Namen und für fremde Rechnung – führt.372 Sie sollte daher auch in der Terminologie klar unterschieden373 und erst recht nicht als eigener Vertrag in den

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KK/Koppensteiner3 95; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 31. BAG Betrieb 1977, 1466; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 31; KK/Koppensteiner3 95; Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG5 Anh zu § 1, 302 ff, 336 f; Höfer/Reiners/Wüst BetrAVG ART Rdn 885; aA Säcker/Joost Betrieb 1978, 1030 ff, 1078 ff; Hennerkes/Binz/ Rauser BB 1982, 930, 932 ff; etwas anderes gilt für Versorgungsanwartschaften aktiver Arbeitnehmer, s dazu Blomeyer/Rolfs/ Otto ebenda, 314 ff; Höfer/Reiners/Wüst ebenda, 892 ff. KK/Koppensteiner3 95; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 31; vgl auch Rasch Konzernrecht5, S 97 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 115; vgl auch Emmerich/Habersack6 46; KK/Koppensteiner3 92; aA Geßler/Geßler 89; noch weitergehend Oesterreich Betriebsüberlassung, S 138 f, wonach ein als Betriebspacht- bzw Betriebsüberlassungsvertrag

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bezeichneter Vertrag als Gewinnabführungsvertrag zu qualifizieren ist, wenn die Gegenleistung nicht einmal die zu erwartenden Belastungen deckt. Emmerich/Habersack6 46; KK/Koppensteiner3 92. MünchKommAktG/Altmeppen3 115. MünchKommAktG/Altmeppen3 100/108; Emmerich/Habersack6 42; Emmerich/ Habersack9 § 15, 11; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 57; KK/Koppensteiner3 89 iVm § 291, 24; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 17 mit Fn 69. U Huber ZHR 152 (1988), 1, 6 f; MünchKommAktG/Altmeppen3 100; missverständlich von Kombination mit einem Betriebsführungsvertrag sprechend KK/Koppensteiner3 § 291, 36; Emmerich/ Habersack6 42; Emmerich/Habersack9 § 15, 11. Zutreffend MünchKommAktG/Altmeppen3 108.

Peter O. Mülbert

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Anwendungsbereich des § 292 Abs 1 Nr 3 einbezogen werden.374 Anders als beim Geschäftsführungsvertrag des § 291 Abs 1 Satz 2 entrichtet der Übernehmer oder Pächter im Rahmen des Betriebsführungsauftrags ein Entgelt, das angemessen sein muss.375 Bei gesetzeskonformer Vereinbarung eines angemessenen Entgelts ist von vornherein auch kein Raum für eine verdeckte Gewinnabführung iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 2.376 Bei der Koppelung von Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag mit einem 137 Betriebsführungsauftrag liegt nicht etwa stets ein atypischer Beherrschungsvertrag iS des § 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1 vor.377 Das aus dem Betriebsführungsauftrag folgende Weisungsrecht der Pächterin (§§ 675, 665 BGB) beschränkt sich vorbehaltlich ausdrücklich abweichender Parteivereinbarungen nämlich darauf, vom Verpächter die Durchführung der dem Pächter nach dem Pachtvertrag selbst möglichen Maßnahmen zu verlangen.378 Daher kann ein solcher allenfalls anzunehmen sein, wenn die dem Pächter oder Übernehmer eingeräumten Weisungsbefugnisse derart über das zur Führung des gepachteten oder überlassenen Betriebs Erforderliche hinausgehen, dass darin ein Transfer der Leitung des ganzen Unternehmens der Eigentümergesellschaft liegt (dazu § 291, 128).379 Andernfalls ist die mit dieser Vertragsgestaltung verbundene Gefahr, dass der herrschende andere Vertragsteil seine außervertraglichen Einflussmöglichkeiten zum Nachteil der betriebsführenden Eigentümergesellschaft nutzt, vom Regelungsregime der §§ 311 ff zu neutralisieren.380 Überdies folgt eine Verlustausgleichspflicht bei der Betriebspacht oder Betriebsüberlassung mit Betriebsführungsauftrag bereits aus diesem Auftragsverhältnis, § 670 iVm § 675 BGB.381

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b) Beherrschungsvertrag. Zur Koppelung eines Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag mit einem Beherrschungsvertrag s § 291, 203 ff. 6. Qualifizierte Liefer- und Kreditverträge

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Bei Liefer- und Kreditverträgen kommt eine Analogie zu § 292 Abs 1 Nr 3 nicht in Betracht. Dies verbietet sich bereits aufgrund des numerus clausus der gesetzlich enumerierten Unternehmensvertragstypen (Vorbem 7 ff zu §§ 291 ff), gilt aber auch unabhängig hiervon. Für den Fall einer durch Vertrag begründeten wirtschaftlichen Abhängigkeit der Gesellschaft vom Kontrahenten, etwa durch eine langfristige Exklusivbindung, scheidet dies schon deswegen aus,382 weil sich nicht mit der nötigen Trennschärfe und damit praktikabel subsumtionsfähig bestimmen ließe, wann die wirtschaftliche Abhängigkeit so qualifiziert ist, dass die Hauptversammlungszustimmung und die Eintragung ins Handelsregister vonnöten wären.383 Zudem können derart aufwendige Anforderungen nicht

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AA Würdinger Aktienrecht4, S 311; Dierdorf Herrschaft, S 123. MünchKommAktG/Altmeppen3 108. Vgl MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 57. KK/Koppensteiner3 § 291, 36, § 292, 89; Studienkommission des DJT, Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts Rdn 160; der Sache nach ferner Dierdorf Herrschaft, S 124; aA Geßler/Geßler 100: wahrer Charakter als Beherrschungsvertrag liegt auf der Hand. Würdinger Aktienrecht4, S 310. MünchKommAktG/Altmeppen3 100, 108,

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133; KK/Koppensteiner3 89; Dierdorf Herrschaft, S 123 f; vgl auch MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 57; Geßler/Geßler 63 ff. KK/Koppensteiner3 § 291, 36. MünchKommAktG/Altmeppen3 139. MünchKommAktG/Altmeppen3 104; Hüffer10 22; KK/Koppensteiner3 85; Emmerich/Habersack6 39a; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 27; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 42; aA Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 23 ff, 31 ff. Dazu KK/Koppensteiner3 85; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 42.

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Andere Unternehmensverträge

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als ungeschriebene postuliert werden, solange das Abhängigkeitsverhältnis allenfalls wirtschaftlich, nicht indes gesellschaftsrechtlich vermittelt wird.384 Was den auch für Franchiseverträge bemühten Aspekt angeht, dass derartige Vertragsgestaltungen, aber auch etwa in Kreditverträgen enthaltene Zustimmungsrechte zu abstrakt umschriebenen Geschäftsführungsmaßnahmen eine leitungsstrukturelle Wirkung entfalten,385 erscheint dies schon angesichts der Vagheit dieses Kriteriums ungeeignet. Erklärt man – wenn auch zu Unrecht (Rdn 26 f) – die Regelung der betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträge mit einer Gegenstandsänderung, erscheint es unüberbrückbar widersprüchlich, bei anderen Verträgen für die analoge Anwendung des § 292 Abs 1 Nr 3 stattdessen das Kriterium der Leitungsstrukturberührung zu bemühen.386

VIII. Betriebsführungsvertrag 1. Begriff Als Betriebsführungsvertrag wird die im AktG nicht erwähnte Vereinbarung bezeichnet, 140 mit der die Eigentümergesellschaft ein auch als Betriebsführungsunternehmen bezeichnetes anderes Unternehmen beauftragt, den Betrieb ihrer gesamten Unternehmung oder deren Einzel- oder Teilbetriebe für ihre Rechnung zu führen.387 Ein solcher Vertrag unterscheidet sich von den betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 Nr 3 ebenso wie vom Geschäftsführungsvertrag des § 291 Abs 1 Satz 2 dadurch, dass der Betriebsführer für Rechnung der Eigentümergesellschaft tätig wird, wogegen der andere Vertragsteil bei jenen Verträgen die Unternehmung für eigene Rechnung betreibt.388 Charakteristisch ist damit, dass das Geschäftsergebnis beziehungsweise das wirtschaftliche Risiko unmittelbar und ausschließlich der Eigentümergesellschaft zufällt.389 2. Erscheinungsformen Ob der Betriebsführer im eigenen Namen oder im Namen der Gesellschaft tätig wird, 141 ist nicht begriffswesentlich,390 sondern unterscheidet zwei auf unterschiedlichen Motivationslagen beruhende Erscheinungsformen von Betriebsführungsverträgen.

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MünchKommAktG/Altmeppen3 104; Hüffer10 22. Spindler/Stilz/Veil 2 59 f (Kreditverträge), 61 f (Franchiseverträge); Veil Unternehmensverträge, S 284 ff (Kreditverträge), 297 ff (Franchiseverträge). Jedenfalls iE wie hier K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 43. MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Emmerich/Habersack6 55; Emmerich/ Habersack9 § 15, 19; Hüffer10 20; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 2, 45; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher2 35; KK/Koppensteiner3 79; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 15; Geßler in: FS Hefermehl 1976, S 263, 264; Geßler/Geßler 76; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 4; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 2 f; Maser Betriebsüberlas-

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sungsverhältnisse, S 43; Mestmäcker Verwaltung, S 320 f; Birk ZGR 1984, 23, 44 f; Damm BB 1976, 294; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 27; Breuninger/Prinz JbFStR 1998/1999, 367 ff; K Schmidt GesR4, § 17 III 1 d (S 502); Windbichler ZIP 1987, 825; ein solcher Vertrag lag bereits RGZ 142, 223 zugrunde; weitere Beispiele in RFHE 40, 185; BGH WM 1982, 1817 = NJW 1982, 394, 397; OLG München AG 1987, 380. MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Hüffer10 20; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 25, 45; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 35 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 143; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 36. KK/Koppensteiner3 79.

Peter O. Mülbert

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Erster Teil. Unternehmensverträge

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Bei einem echten Betriebsführungsvertrag betreibt der Betriebsführer die Unternehmung nicht nur für Rechnung, sondern auch im Namen der Eigentümergesellschaft.391 Bei diesem Regeltyp ist wie beim Betriebsüberlassungsvertrag eine Vollmacht erforderlich, damit das Betriebsführungsunternehmen im Rechtsverkehr namens der Gesellschaft auftreten kann.392 Vereinbaren voneinander unabhängige Unternehmen einen echten Betriebsführungs143 vertrag, wird diese konzernexterne Abrede auch als Managementvertrag bezeichnet.393 Dieser Begriff bringt treffender zum Ausdruck, dass es der Sache nach um den Ankauf von Managementkapazitäten geht, über die die Eigentümergesellschaft nicht in qualitativ oder quantitativ hinreichendem Maße verfügt.394 Derartige Vertragsgestaltungen finden sich etwa im Bereich des Betriebs von Verkehrslinien oder im Gastronomie- und Hotelleriegewerbe sowie bei Kinobetrieben, aber auch bei Investmentgesellschaften.395 Die in der Praxis häufigeren396 konzerninternen Betriebsführungsverträge397 dienen demgegenüber der Intensivierung eines Unternehmensverbunds. Das ist namentlich für die Begründung einer Spartenorganisation von Bedeutung.398 Wird die Betriebsführung an Betriebsführungstochtergesellschaften übertragen, übernimmt also ein abhängiges Unternehmen die Betriebsführerrolle,399 treten die Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und jeweiligen Erfolgsbeiträge gegenüber einer rechtsträgerinternen Spartenorganisation ohne rechtliche Trennungen klarer und (rechts)sicherer hervor.400 Wird die Betriebsführerrolle hingegen dem herrschenden Unternehmen vertraglich zugeschrieben, soll gegebenenfalls ebenfalls eine Spartenorganisation verwirklicht401 und im Übrigen eine bessere Integration der Unternehmung der abhängigen Eigentümergesellschaft in den Konzernaufbau des Betriebsführers zur Erzielung von Verbund-, Kooperations- und Synergievorteilen erreicht werden.402

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MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Hüffer10 20; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 45. Hüffer10 20; KK/Koppensteiner3 97; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 52. MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Emmerich/Habersack6 55; Emmerich/ Habersack9 § 15, 19; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 47; vgl Joachim DWiR 1992, 397; ders DWiR 1992, 455; Raiser/Veil 5 § 57, 19. MünchKommAktG/Altmeppen3 143; Emmerich/Habersack6 55; Emmerich/ Habersack9 § 15, 19; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 47; KK/Koppensteiner3 94 und § 291, 26; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 33 f; vgl ferner Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 111 ff; Löffler NJW 1983, 2920, 2921; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 284 f; Geßler/Geßler 79; von „treuhänderischen“ Betriebsführungsverträgen spricht Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 27 ff. Aus der Praxis s BGH NJW 1982, 1817 = WM 1982, 394; vgl auch Emmerich/Habersack9 § 15, 19 ff; MünchHdbAG/Krieger3

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§ 72, 47; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 213, 256 ff; Joachim NZM 2001, 162, 164 ff. Winter/Theissen AG 2011, 662, 663; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 47. Zum Folgenden etwa MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 47; Priester in: FS Hommelhoff 2012, S 875, 879; Geßler in: FS Hefermehl 1976, S 263, 265 f; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 125 ff; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 31, 35 ff. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 47; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 127, 149 f, 156 ff (AEG als Bsp); Zöllner ZfA 1983, 93 (Ruhrkohle AG als Bsp); Mertens ZGR 1994, 426, 433 f. Muster bei MünchVertragsHdbGesR/Hoffmann-Becking7 Form X.11. Fenzl Der Konzern 2006, 18, 19; Winter/ Theissen AG 2011, 662, 664; näher U Huber ZHR 152 (1988) 123, 127, 149 f, 156 ff. Dazu U Huber ZHR 152 (1988), 123, 127. Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 83 ff; Emmerich/Habersack9 § 15, 22.

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Andere Unternehmensverträge

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Wird der Betriebsführer im eigenen Namen tätig, kann von einem unechten Betriebs- 144 führungsvertrag gesprochen werden,403 der praktisch wohl nur als konzerninterner geschlossen wird.404 Bei einer solchen Vertragsgestaltung hat der Betriebsführer zwar einen Anspruch auf Freistellung von den eingegangenen Verbindlichkeiten und auf Ersatz seiner Aufwendungen (§ 670 iVm § 683 Satz 1 BGB). Gleichwohl bleibt ihm letztlich das unternehmerische Haftungsrisiko, weshalb die Managementübernahme durch den Betriebsführer nicht im Vordergrund stehen wird.405 3. Vertragstyp Gegenstand eines Betriebsführungsvertrags ist die Verpflichtung des Kontrahenten, die 145 Unternehmung der Eigentümergesellschaft für deren Rechnung zu führen. Als Auftrag iS des § 662 BGB kann eine solche Vereinbarung betrachtet werden, wenn sie keine Gegenleistung enthält. Entgeltliche Betriebsführungsverträge sind demgegenüber als Geschäftsbesorgungen mit Dienstvertragscharakter iS der §§ 675, 611 ff BGB zu würdigen.406 4. Vertragsinhalt a) Rechte und Pflichten. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien werden regel- 146 mäßig vertraglich näher ausgestaltet. Das gilt etwa für die Verpflichtung des Betriebsführers, für die Erstellung des Jahresabschlusses das Rechenwerk bis zum Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit (§ 275 Abs 2 Nr 14, Abs 3 Nr 13) zuzuliefern, und seine etwaige Befugnis für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen.407 §§ 665 ff BGB finden – subsidiär im Falle eines entgeltlichen Betriebsführungsvertrags (§ 675 BGB) – Anwendung. Der Betriebsführer hat also Anspruch auf Freistellung von den eingegangenen Verbindlichkeiten und auf Ersatz seiner Aufwendungen (§ 670 iVm § 683 Satz 1 BGB) gegen die Gesellschaft,408 während die Eigentümergesellschaft von ihm gemäß § 667 BGB alles herausverlangen kann, was er aus der Betriebsführung erlangt hat.409 Insofern gilt freilich Vertragsfreiheit; allenfalls ein besonders eklatantes Missverhältnis in der Verteilung von Verlustrisiken führt ausnahmsweise gemäß § 138 BGB zur Sittenwidrigkeit des Vertrages.410 Beim Fehlen individualvertraglicher Abreden folgt aus der Anwendbarkeit des Auf- 147 tragsrechts zudem, dass die Eigentümergesellschaft nach §§ 665, 666 BGB zu Weisung und Kontrolle des Betriebsführers befugt ist, während dieser umfassend zu informieren und Rechenschaft abzulegen hat.411 Das Weisungsrecht ist auch im Falle einer abhängi-

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MünchKommAktG/Altmeppen3 144; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 36; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 18; U H Schneider JbFStR 1982/83, 387, 389; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 4. Ebenso wohl KK/Koppensteiner3 94. MünchKommAktG/Altmeppen3 144; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 4. OLG München AG 1987, 380, 382; Emmerich/Habersack6 56; Emmerich/Habersack9 § 15, 19; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 49; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 5, 31; Joachim DWiR 1992, 397 ff; Windbichler ZIP 1987, 825. S Heidel/Peres3 42.

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Vgl MünchKommAktG/Altmeppen3 144; Emmerich/Habersack6 55; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 49; Joachim DZWiR 1992, 397, 398; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 5; offen gelassen von Oesterreich Betriebsüberlassung, S 4 f. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 49; zur Abwicklung dieser Ansprüche U Huber ZHR 152 (1988), 1, 5 f. K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 36 mwN. MünchKommAktG/Altmeppen3 146 f; Emmerich/Habersack6 56; Emmerich/ Habersack9 § 15, 20; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 51.

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gen Eigentümergesellschaft nicht allein deswegen als konkludent abbedungen anzusehen, weil die Gesellschaft an dessen Geltendmachung kein Interesse hat oder, bei vertraglicher Konzernierung, zur Nichtgeltendmachung sogar angewiesen werden könnte (arg § 308 Abs 2 Satz 2, §§ 309, 310). Sieht ein Betriebsführungsvertrag keine besonderen Vereinbarungen zum Umfang des Weisungsrechts vor,412 fehlt es nicht etwa mangels ausdrücklicher vertraglicher Ausbedingung an einem solchen.413 Vielmehr ist dieses kraft dispositiven Gesetzesrechts bestehende Weisungsrecht nach § 157 BGB am Vertragszweck ausgerichtet zu interpretieren. Demnach soll der Betriebsführer jedenfalls die laufenden Geschäfte der Unternehmung der Eigentümergesellschaft grundsätzlich weisungsfrei tätigen können,414 andererseits diese aber umfassend darüber unterrichten (arg § 666 BGB).415 Darüber hinaus ist der Betriebsführer beim typischen Betriebsführungsvertrag nach verbreiteter Auffassung über das laufende Tagesgeschäft hinaus auch für die unternehmerischen Leitungsentscheidungen zuständig,416 wobei das Weisungsrecht insoweit durch entsprechende Zustimmungsvorbehalte ersetzt werde417 oder sogar fortbestehe.418 Angesichts der regelmäßig überlegenen Position des Betriebsführers wird der Eigen148 tümergesellschaft allgemein ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB zugestanden;419 bei Vereinbarung einer festen Vergütung bewendet es bei § 671 BGB. Überdies ist sie zur außerordentlichen Kündigung (§ 314 BGB) berechtigt, wenn schwerwiegend gegen ihre Interessen verstoßen wurde.420 Was im Übrigen die Beendigung von Betriebsführungsverträgen anbelangt, werden in der Praxis meist Befristungsregelungen mit Verlängerungsklauseln vereinbart.421 Mit der Beendigung hat der Betriebsführer den Betrieb und alles durch dessen Führung Erlangte nach § 667 BGB herauszugeben. Entbehrlich sind rechtsgeschäftliche Übertragungsakte, etwa Forderungsabtretungen, dabei nur, soweit der Betriebsführer beim echten Betriebsführungsvertrag auf der Basis der ihm erteilten Vollmacht (noch Rdn 150) tätig wird.

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b) Gegenleistung im Besonderen. Bei der Festlegung der Gegenleistung verwendet die kautelarjuristische Praxis nicht nur feste, sondern auch erfolgsabhängige Entgeltbeträge, die nicht selten mit dem Aufwendungsersatz verbunden werden.422 Die Höhe der Gegenleistung für den Betriebsführer können unverbundene Parteien in den Grenzen des § 138 BGB frei bestimmen. Im Falle eines Aktionärs als Betriebsführer müssen zur Vermeidung einer verdeckten Einlagenrückgewähr marktgerechte Konditionen vereinbart werden.423 Das hängt vom genuinen Wert der Betriebsführung selbst ab, welcher anhand der voraussichtlichen Ertragsentwicklung oder, hilfsweise, der voraussichtlichen Kostenersparnis

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Zu den organisationsrechtlichen Schranken für Modifikationen dieses Weisungsrechts s noch Rdn 161 ff. So aber Fenzl Der Konzern 2006, 18, 30. MünchKommAktG/Altmeppen3 147; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 51; s ferner U Huber ZHR 152 (1988), 1, 31 f. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 51 aE. Geßler in: FS Hefermehl 1976, S 263, 276 ff; Veil Unternehmensverträge, S 288; Köhn Der Konzern 2011, 530, 533. Geßler in: FS Hefermehl 1976, S. 263, 276 f. Köhn Der Konzern 2011, 530, 533.

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MünchKommAktG/Altmeppen3 152; Emmerich/Habersack6 56; Emmerich/ Habersack9 § 15, 20. BGH NJW 1982, 1817, 1818 = WM 1982, 394; OLG München AG 1987, 380; MünchKommAktG/Altmeppen3 152; Emmerich/ Habersack6 56; Emmerich/Habersack9 § 15, 20 (auf § 626 BGB abstellend); Joachim DWiR 1992, 397, 403. KK/Koppensteiner3 98. KK/Koppensteiner3 97. Zumindest missverständlich KK/Koppensteiner3 104; MünchKommAktG/ Altmeppen3 172 f: angemessen.

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zwar näherungsweise eingegrenzt, nicht aber punktgenau bestimmt werden kann.424 Dass der Eigentümergesellschaft voraussichtlich ein geringerer Ertrag verbleibt als sie bei Weiterführung des Betriebs selbst erzielen könnte, wird auch im Falle konzerninterner Betriebsführungsverträge allenfalls in der Regel eine verdeckte Einlagenrückgewähr begründen,425 schon weil die Vergütung des Betriebsführers ertragsmindernder Aufwand ist. Eine Übervorteilung ist jedenfalls im Rahmen eines konzernexternen Betriebsführungsvertrags nicht zu vermuten, weil der unabhängige Betriebsführer ein vernünftiges Entgelt aushandeln wird.426 c) Bevollmächtigung. Damit der Betriebsführer beim echten Betriebsführungsvertrag 150 (dazu Rdn 142 f) die Unternehmung im Namen der Eigentümergesellschaft betreiben kann, ist wie beim Betriebsüberlassungsvertrag die Erteilung einer Vollmacht erforderlich. Die bei letzterem bestehenden organisationsrechtlichen Schranken für die Vollmachterteilung aus § 76 (Rdn 124) gelten für den Betriebsführungsvertrag mit vertragszweckgerechter Weisungsbefugnis (Rdn 147) gleichermaßen.427 Generalhandlungsvollmacht und Prokura können unwiderruflich erteilt werden.428 Gegenteiliges gilt für die Generalvollmacht,429 und zwar auch im Falle einer vorgängig oder zeitgleich vereinbarten wirksamen Beherrschungsabrede (§ 291 Abs 1 Satz 1 Alt 1, §§ 293 ff; näher Rdn 167), doch bewendet es regelmäßig bei der Teilnichtigkeit der Unwiderruflichkeitsklausel (§§ 139, 134 BGB). Wird das Weisungsrecht der Eigentümergesellschaft über die Vertragszweckerfordernisse hinaus eingeschränkt (Rdn 147), können auch Generalhandlungsvollmacht und Prokura nur als widerrufliche erteilt werden; widrigenfalls ist wiederum in aller Regel lediglich die Unwiderruflichkeitsklausel teilnichtig. Wird der Vertrag praktiziert, als sei die Vollmacht unwiderruflich und unterbleibt deren Widerruf auch bei der Entstehung von Verlusten, hat die Betriebsführerin auch das Geschäftsrisiko zu tragen und also kraft ergänzender Vertragsauslegung die Verluste der Eigentümergesellschaft zu kompensieren.430 d) Arbeitsverhältnisse. Der Bestand der Arbeitsverhältnisse in der Eigentümergesell- 151 schaft bleibt von einem echten Betriebsführungsvertrag unberührt. Da der Betriebsführer auch namens der Gesellschaft agiert, übt er als Generalhandlungsbevollmächtigter die Arbeitgeberbefugnisse, insbesondere das Direktionsrecht, für diese aus.431 Allein die unechte Betriebsführung hat einen Übergang der Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a BGB von der Eigentümergesellschaft auf den Betriebsführer zur Folge, weil dieser im eigenen Namen tätig wird.432 Der Betriebsführer ist gleichfalls Arbeitgeber, soweit er – was praktisch nur bei dieser Betriebsführungsvariante vorkommt – eigene Arbeitskräfte verwendet.433

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KK/Koppensteiner3 104; MünchKommAktG/Altmeppen3 172 f. AA MünchKommAktG/Altmeppen3 173; KK/Koppensteiner3 104: Entgelt jedenfalls dann zu hoch. MünchKommAktG/Altmeppen3 173. ZB MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 52. MünchKommAktG/Altmeppen3 156; aA U Huber ZHR 152 (1988), 1, 24 ff (für weisungsfreien Betriebsführungsvertrag); Hüffer10 24; offen MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 52 iVm 29a. Kort in diesem Kommentar, § 76, 160. MünchKommAktG/Altmeppen3 156; aA Spindler/Stilz/Veil 2 55.

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MünchKommAktG/Altmeppen3 145; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 53; Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 113; Zöllner ZfA 1983, 93 ff; Rüthers BB 1977, 605, 607 f; aA Fabricius Rechtsprobleme gespaltener Arbeitsverhältnisse im Konzern, S 49 ff; zweifelnd Birk ZGR 1984, 23, 48 f; vgl auch KK/Koppensteiner3 98; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 7 f. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 53; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 148. MünchKommAktG/Altmeppen3 145; vgl U Huber ZHR 152 (1988), 1, 35.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

5. Zulässigkeit

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Die organisationsrechtliche Zulässigkeit von Betriebsführungsverträgen steht überhaupt nur in Frage, soweit sich ein Vertrag auf alle Betriebe434 der Eigentümergesellschaft erstreckt.435 Auch für diese Gestaltung wird der Betriebsführungsvertrag trotz fehlender ausdrücklicher Erwähnung im AktG 1965 allgemein als aktienrechtlich zulässig angesehen. Unter dem Aspekt einer unzulässigen Verkürzung der Leitungsverantwortung des Vorstands aus § 76 bestünden keine Bedenken, solange dem Betriebsführer lediglich die laufende Geschäftsführung übertragen werde und die Grundsatzentscheidungen beim Vorstand der Eigentümergesellschaft verbleiben.436 Vor dem Hintergrund, dass die ganz hM den alle Betriebe erfassenden Betriebsführungsvertrag der legitimierenden Hauptversammlungszustimmung nach § 292 Abs 1 Nr 3 (analog), § 293 unterwirft (Rdn 155), ergibt sich freilich ein eher unübersichtliches Meinungsbild zur Bedeutung dieses Zulässigkeitsverdikts, bei dem sich drei Grundpositionen ausmachen lassen: Eine erste Auffassung umreißt mit obiger Formulierung den mit § 76 (noch) zu vereinbarenden Gestaltungsspielraum und hält eine Legitimation durch die Hauptversammlung insoweit für entbehrlich oder sogar generell für unerheblich.437 Andere sehen die Zulässigkeitsfrage in Abgrenzung zum Vorliegen eines atypischen Beherrschungsvertrags, ohne der Hauptversammlungslegitimation eine eigene Bedeutung zuzumessen.438 Eine dritte Meinungsgruppe betont demgegenüber die Notwendigkeit der Legitimation aller unternehmensbezogenen Betriebsführungsverträge durch die Hauptversammlung, knüpft hieran aber sehr unterschiedliche Konsequenzen. Einige Stimmen wollen es hierbei bewenden lassen und bei weitreichenden Eingriffen in die Leitungsbefugnis des Vorstands gegebenenfalls einen atypischen Beherrschungsvertrag annehmen.439 Nach der Gegenposition sind lediglich die auf die Übertragung des laufenden Geschäftsbetriebs beschränkten Betriebsführungsverträge der Legitimation durch einen Hauptversammlungsbeschluss zugäng-

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MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 50 iVm 48; KK/Koppensteiner3 80; Geßler/Geßler 58; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 32. Hieran wird es bei der Einschaltung mehrerer Betriebsführungstochtergesellschaften zur Etablierung einer Spartenorganisation regelmäßig fehlen. Näher U Huber ZHR 152 (1988), 123, 151 f. Emmerich/Habersack6 57; Emmerich/ Habersack9 § 15, 21; Priester in: FS Hommelhoff 2012, S 875, 879 f; Zöllner ZfA 1983, 93, 101; Raiser/Veil5 § 57, 19; Joachim DZWiR 1992, 455, 457; mit dem Vorbehalt der zusätzlichen Vereinbarung von (schon kraft § 666 BGB bestehenden; Rdn 147 f) Informations- und Kündigungsrechten ferner KK/Mertens/Cahn3 § 76, 57; Kort in diesem Kommentar, § 76, 159 f, 161; Spindler/Stilz/Fleischer2 § 76, 73 f; ähnlich Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 285; großzügiger Spindler/Stilz/ Veil 2 57; Geßler in: FS Hefermehl 1976, S 263, 277; aA Veelken Betriebsüberlassung, S 210 ff: Legalisierung nur durch Eingliede-

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rung nach § 319 (krit hierzu schon Geßler in: FS Hefermehl 1976, S 263, 267 ff; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 33); Damm BB 1976, 294 ff. So etwa Weißmüller BB 2000, 1949, 1950; Fenzl Konzernzpraxis, S 74 ff; ders Der Konzern 2006, 18, 28 ff; Joachim DZWiR 1992, 455, 457; Köhn Der Konzern 2011, 530, 534; s auch Kort in diesem Kommentar, § 76, 159 f: Rechtsfolge bei Überschreitung ist entweder Verstoß gegen § 76 oder materielles Vorliegen eines Beherrschungsvertrags; ferner wohl auch Spindler/Stilz/ Fleischer 2 § 76, 73. Ausdrücklich Priester in: FS Hommelhoff 2012, S 875, 880; Zöllner ZfA 1983, 93, 101; ferner Emmerich/Habersack6 57; Emmerich/Habersack9 § 15, 21. So etwa KK/Koppensteiner3 § 292, 81; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 50 (s aber auch Rdn 46); MünchKommAktG/Altmeppen3 151; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 33.

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lich,440 weitergehende Vertragsgestaltungen bedürften der Einhaltung der beherrschungsvertraglichen Wirksamkeitserfordernisse.441 Stellungnahme: Schon im Ausgangspunkt zu widersprechen ist zunächst der Vorstel- 153 lung von einer Legitimation der leitungsverkürzenden Wirkung von Betriebsführungsverträgen durch die Hauptversammlungszustimmung nach § 292 Abs 1 Nr 3 (analog), § 293 Abs 1. Diese Hauptversammlungszuständigkeit trägt der Doppelwirkung des Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrags – Veränderung der Leitungsstruktur und Deformation in eine „Rentnergesellschaft“ (Rdn 27) – Rechnung. Daher lässt sich hieraus weder ableiten, dass leitungsbeeinträchtigende Vertragsgestaltungen als solche stets einer Hauptversammlungslegitimation bedürften noch gegenläufig, dass sich jedenfalls intensive Beeinträchtigungen der Leitungskompetenz analog §§ 293 Abs 1 Nr 3, 293 Abs 1 legitimieren ließen. Ersteres verbietet sich auch aufgrund der Vagheit dieses Kriteriums, das aus sich heraus und ohne Heranziehung sonstiger Kriterien keinerlei Abschichtung der legitimationsbedürftigen Leitungsverkürzungen von unbedenklichen bloßen Berührungen der Leitungsbefugnis des Vorstands erlaubt. Beim Betriebsführungsvertrag etwa wird einerseits noch für ausreichend erachtet, dass die Eigentümergesellschaft dem Wirtschaftsplan widersprechen kann,442 wogegen andere einen legitimierenden Hauptversammlungsbeschluss schon dann verlangen, wenn sich mit dem Betriebsführungsvertrag auch nur die Übertragung eines Ausschnitts der Leitungskompetenz des Vorstands verbindet.443 Zweiteres, also das Konzept einer hauptversammlungsförmigen Legitimation vertraglicher Verkürzungen der Eingriffsbefugnisse,444 verbietet sich schon deshalb, weil eine solche Legitimation erst recht bei weniger weitgehenden Eingriffen, etwa durch Erteilung einer unwiderruflichen General(handlungs)vollmacht möglich sein müsste, und dieser Ansatz in letzter Konsequenz auf eine breitflächige Durchbrechung des Gebots der Satzungsstrenge (§ 23 Abs 5) hinauslaufen müsste. Aber auch die Gegensatzpaarbildung der zweiten Auffassung – mit § 76 zu vereinbarende Leitungsstrukturgestaltung oder Vorliegen eines atypischen (materiellen) Beherrschungsvertrags – verfehlt das Regelungsregime des AktG. Der Beherrschungsvertrag definiert sich durch vertragliche Unterstellung unter die Leitungsbefugnis des anderen Vertragsteils, nicht durch die Begründung einer mit § 76 unvereinbaren Leitungsstruktur. Positiv gewendet geht es bei der Zulässigkeit des Betriebsführungsvertrags also im 154 Sinne der ersten Auffassung darum, welche Leitungsstrukturgestaltung mit § 76 zu vereinbaren ist. Insoweit erscheint es hinreichend, wenn der Eigentümergesellschaft die Befugnis zur Billigung des jährlichen Wirtschaftsplans des Betriebsführers verbleibt,445 sofern ihre gesetzlichen Informationsrechte (§ 666 BGB) in Bezug auf die Tätigkeit des Betriebsführers nicht ausgeschlossen oder erschwert sind. Deren vertragliche Positivierung durch die Vereinbarung umfassender Informations-, Kontroll- und Einsichtsrechte ist zwar empfehlenswert, nicht aber erforderlich. Dasselbe gilt auch für die ausdrückliche Vereinbarung eines vertragszweckadäquaten Kündigungsregimes. Solange die Eigentümergesellschaft alle erforderlichen Informationen hat oder sich beschaffen kann und bei Pflichtverletzungen oder Unfähigkeit des Betriebsführers den Vertrag jederzeit kündigen kann, ist ihrem Vorstand die aktive Unternehmensleitung, also die Entfaltung eigener

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Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 285 f; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 57. Spindler/Stilz/Veil 2 57; s ferner die Interpretation der hM durch Köhn Der Konzern 2011, 530, 533 f. KK/Koppensteiner3 § 291, 37, 39.

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Spindler/Stilz/Veil 2 54. So insbesondere Veil Unternehmensverträge, S 289 (Betriebsführungsvertrag), 301 f (Franchisevertrag). Überzeugend noch immer Geßler, in: FS Hefermehl 1976, S 263, 276 f.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

unternehmerischer Initiative, weiterhin dadurch möglich, dass er seine Vorstellungen zum jährlichen Wirtschaftsplan entwickelt und bei deren Nichtberücksichtigung den Wirtschaftsplan eben ablehnt.446 Diese Form der Leitungsausübung genügt noch den Mindestanforderungen des § 76 an das unternehmensleitende Vorstandswirken – gerade auch aus Sicht der hM, wenn diese nämlich bei abhängigen Unternehmen als Betriebsführern eine weitgehende Aufgabenübertragung unter Hinweis auf die konzernrechtliche Abhängigkeit der Tochtergesellschaft und die damit einhergehenden (faktischen) Einflussnahmemöglichkeiten der herrschenden Eigentümergesellschaft akzeptiert.447 6. Keine Hauptversammlungszustimmung nach § 292 Abs 1 Nr 3 (analog)

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Betriebsführungsverträge, die sich auf alle Betriebe der Eigentümergesellschaft erstrecken und materiell die Grenze zum atypischen Beherrschungsvertrag nicht überschreiten (dazu Rdn 161 ff), unterfallen nach hM dem § 292 Abs 1 Nr 3 analog,448 sind also jedenfalls hinsichtlich der Hauptversammlungszustimmung wie die anderen Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 Nr 3 zu behandeln. Der Vorstand der Eigentümergesellschaft verliere infolge der Betriebsführungsvereinbarung ähnlich wie im Rahmen von Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträgen die Möglichkeit, die Betriebe der Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten, und eine derartige Beeinträchtigung der in § 76 verankerten Geschäftsführungszuständigkeit könne nur durch Zustimmung der Hauptversammlung gerechtfertigt werden.449 Die Unterstellung unter das Regelungsregime der anderen Unternehmensverträge sei zudem geboten, um die Publizität des Handelsregisters zu wahren und um die Informationsanforderungen nach §§ 293a ff zum Schutz der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zur Anwendung zu bringen.450 Auch im Übrigen wird dieses Regelungsregime für sachgerecht gehalten, etwa hinsichtlich Vertragsänderungen und einer Vertragsbeendigung sowie in Ansehung der Rechtsfolgen einer unangemessenen Gegenleistung.451 Gleichwohl den Vorzug verdient die gegenteilige Position, wonach der Betriebs156 führungsvertrag kein Unternehmensvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 ist und auch eine Analogie hierzu ausscheidet.452 Betriebsführungsverträge stehen Betriebspacht- und

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Geßler, in: FS Hefermehl 1976, S 263, 277. S Kort in diesem Kommentar, § 76, 161; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 58; Spindler/Stilz/ Fleischer 2 § 76, 74. MünchKommAktG/Altmeppen3 149 f; Hüffer10 17, 20; KK/Koppensteiner3 81; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 32 f; ders ZHR 152 (1988), 123, 141 Fn 68, 151 f; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 285 f; Spindler/Stilz/Veil 2 54; Hölters/ Deilmann 34; Heidel/Peres3 48; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 57 (nur bei Einhaltung strenger Gestaltungsvorgaben); Priester in: FS Hommelhoff 2012, S 875, 883 ff; wohl auch Emmerich/Habersack6 58 f; Emmerich/Habersack9 § 15, 23; für direkte Anwendung Geßler/Geßler 79, 84; ders Betrieb 1965, 1691, 1692 f; Würdinger Aktienrecht 4, S 312; Baumbach/Hueck13 14; v Godin/Wilhelmi 4 2; Oesterreich Betriebs-

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überlassung, S 53 f; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 29 f; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 245 ff; Knepper BB 1982, 2061, 2064; Joachim DWiR 1992, 455, 457; offen gelassen von MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 46. S nur KK/Koppensteiner3 81; MünchKommAktG/Altmeppen3 148 f; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 33; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 285 f; Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 27 ff; den Schutz der Aktionäre in den Vordergrund stellend dagegen Emmerich/Habersack6 58 f; Emmerich/Habersack9 § 15, 22 f. Namentlich MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 46; Emmerich/Habersack9 § 15, 23. Namentlich MünchKommAktG/Altmeppen3 149 aE; KK/Koppensteiner3 81. Ebenso MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 46; jedenfalls iE ferner Luchterhandt Konzern-

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Betriebsüberlassungsverträgen in qualitativer Hinsicht keineswegs gleich. Erstere bewirken insbesondere keine Herabstufung der Eigentümergesellschaft zu einer „Rentnergesellschaft“453 – wohl aber letztere (Rdn 27) – und berühren zudem den Eigenwillen der Eigentümergesellschaft nicht in einer den betriebsführungsbezogenen Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 3 (dazu Rdn 26 f) vergleichbaren Intensität, solange nur die Eigentümergesellschaft den Wirtschaftsplan des Betriebsführers ablehnen kann (dazu Rdn 154). Insbesondere sprechen die Gesetzesmaterialien zu § 293 auch lediglich im Bezug auf den Beherrschungsvertrag, nicht aber für die Verträge des § 293 Abs 1 Nr 3 davon, dass sich die Gesellschaft nicht ohne Einwilligung ihrer Aktionäre der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand begeben könne.454 Im Übrigen lässt sich die Einschaltung des Betriebsführers auch bei extensivster Auslegung nicht als Überlassung des Betriebs iS des § 292 Abs 1 Nr 3 lesen. Für Letzteres ist kennzeichnend, dass die Gesellschaft die Nutzungen ihres Geschäfts dem Kontrahenten gegen Entgelt überlässt. Dagegen geht es beim Betriebsführungsvertrag genau gegenläufig darum, dass der Betriebsführer (gegen Entgelt) für die Gesellschaft eine Geschäftsführungsleistung erbringt.455 Das bekräftigt auch ein Seitenblick auf § 302 Abs 2. Diese auf Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge gleichermaßen anwendbare Regelung geht davon aus, dass der Gesellschaft ein Entgelt verschafft wird, was indes für den Betriebsführungsvertrag von vornherein nicht in Betracht kommt.456 Eine allenfalls verbleibende Analogie zu § 292 Abs 1 Nr 3 muss wiederum schon am 157 numerus clausus der in den §§ 291, 292 positivierten Unternehmensvertragstypen (Vorbem 7 ff zu §§ 291 ff) scheitern und im Übrigen auch aus Sachgründen ausscheiden. Einerseits ginge nämlich eine Erstreckung auf alle Betriebsführungsverträge mangels einer generellen Schutzbedürftigkeit der Beteiligten zu weit, wie die Überlassung der Betriebsführung an eine 100 %ige Tochtergesellschaft erhellt.457 Andererseits würde sich eine auf die Abhängigkeitslage der Eigentümergesellschaft gegenüber dem Betriebsführungsunternehmen beschränkte Analogie schon deswegen verbieten, weil § 292 Abs 1 Nr 3 eine derartige Differenzierung nach dem Verbundstatus der Vertragsparteien gar nicht kennt.458 Zudem wird der Schutz der abhängigen Gesellschaft durch die §§ 311 ff bewerkstelligt.459 Mit dem numerus clausus der Unternehmensvertragstypen zu vereinbarende punk- 158 tuelle Analogien zu den §§ 293 ff (Vorbem 8 zu §§ 291 ff) sind nicht geboten. Auch eine

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recht, S 107 (zu § 256 Abs 2 AktG 1937); Loos BB 1963, 615, 618; Mestmäcker Verwaltung, S 320, 327; für im Einzelnen unterschiedliche Konstellatioen ferner Winter/ Theissen AG 2011, 662, 666 f (jedenfalls für typische konzerninterne Betriebsführungsverträge); Frisch AG 1995, 362, 363 (konzernexterne Betriebsführungsverträge); Fenzl Konzernpraxis, S 74 ff; ders Der Konzern 2006, 18, 28 ff (bei fehlender Verkürzung der Leitungsaufgabe des Vorstands); Köhn Der Konzern 2011, 530, 534 (bei Beschränkung auf laufendes Tagesgeschäft). Auch KK/Koppensteiner3 81 (iE gleichwohl eine Analogie befürwortend). S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 380; hieran vorbei gehend Geßler/Geßler 78;

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Priester in: FS Hommelhoff 2012, S 875, 883. MünchKommAktG/Altmeppen3 149; KK/Koppensteiner3 80; Hüffer10 20; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 33; Harms Konzerne im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S 236 f. KK/Koppensteiner3 80 aE; ähnlich Veelken Betriebsführungsvertrag, S 243. Ähnlich KK/Koppensteiner3 82 (jedenfalls bei entsprechender Ermächtigung in der Satzung). MünchKommAktG/Altmeppen3 150; KK/Koppensteiner3 81 (s aber auch 82). MünchKommAktG/Altmeppen3 150; KK/Koppensteiner3 81.

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§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

Mitwirkung der Hauptversammlung der „geführten“ Gesellschaft entsprechend § 293 Abs 1 kommt nicht in Betracht, solange die Grenze zum atypischen Beherrschungsvertrag noch nicht überschritten ist und also die Beeinträchtigung des § 76 das unzulässige Maß noch nicht erreicht hat. 7. Behandlung als atypischer Beherrschungsvertrag

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Ein Betriebsführungsvertrag überschreitet nach allgemeiner Auffassung die einem solchen gezogenen Gestaltungsgrenzen, wenn er sich aufgrund weitgehender Eingriffe in die Organisationsstrukturen der Eigentümergesellschaft bei materieller Betrachtung als atypischer Beherrschungsvertrag (§ 291, 116 ff) darstellt und also die Einhaltung der beherrschungsvertraglichen Wirksamkeitsvoraussetzungen erfordert.460 Allerdings unterliegt ein isolierter Betriebsführungsvertrag nicht bereits deshalb den 160 Wirksamkeitsanforderungen an einen Beherrschungsvertrag, weil er konzernintern, insbesondere mit einer abhängigen Eigentümergesellschaft oder zwischen Tochtergesellschaften untereinander, abgeschlossen wird.461 Gegenteiliges anzunehmen vertrüge sich nicht mit § 302 Abs 2, wonach eine Abhängigkeitslage nach der gesetzlichen Konzeption auch bei den Unternehmensverträgen des § 292 bestehen kann.462 Dass ein herrschendes Betriebsführungsunternehmen sich kaum der Weisungsbefugnis der Eigentümergesellschaft nach § 665 BGB unterstellen463 und stattdessen Einfluss auf diese etwa durch personelle Besetzung ihres Vorstandsgremiums mit seinen „Repräsentanten“ nehmen wird,464 trifft für sich genommen zwar zu. Jedoch sucht das Gesetz wie auch immer geartete Einflussnahmen außerhalb des Bestehen eines Beherrschungsvertrags mit den § 311 ff zu erfassen, nicht indes mit den §§ 291 ff.465 Ob materiell ein Beherrschungsvertrag vorliegt, beurteilt sich nicht nach den äußeren Umständen, sondern ausschließlich nach dem Vertragsinhalt, so wie ihn die Parteien vereinbart haben (schon § 291 124).466 Allein etwa der Umstand, dass die Gesellschaft mit ihrem Mehrheitsaktionär kontrahiert (vgl § 17 Abs 2), kann daher keine Unzulässigkeit des Betriebsführungsvertrags zur Folge haben, erst recht nicht, wenn der Mehrheitsaktionär sich den Weisungen der abhängigen Auftraggeberin unterstellen will.467 Einzig maßgeblich ist vielmehr – ebenso wie bei Betriebsführungsverträgen zwischen unabhängigen Unternehmen468 –,

460

461

So jedenfalls der Sache nach Hüffer10 24; Emmerich/Habersack6 57; Emmerich/ Habersack9 § 15, 21; MünchHdbAG/ Krieger3 § 72, 54; KK/Koppensteiner3 § 291, 37 ff; Geßler/Geßler 82 ff. KK/Koppensteiner3 § 291, 40; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 54; MünchKommAktG/ Altmeppen3 166–171; Hüffer10 24 (aber Vermutung); Priester in: FS Hommelhoff 2012, S 875, 886; Spindler/Stilz/Veil 2 54; Veil Unternehmensverträge, S 292; aA U Huber ZHR 152 (1988), 123, 140, 154; ; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 58; Zöllner ZfA 1983, 93, 101; wohl auch Würdinger Aktienrecht 4, S 313; ähnlich Geßler/Geßler 85: in aller Regel ein Beherrschungsvertrag; ferner Kort in diesem Kommentar, § 76, 161: wenn herrschendem Betriebsführer mehr als die laufende Geschäftsführung überlassen wird.

462 463 464 465 466

467 468

MünchKommAktG/Altmeppen3 167; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 54. MünchKommAktG/Altmeppen3 157. MünchKommAktG/Altmeppen3 157, 161. KK/Koppensteiner3 § 291, 40; MünchKommAktG/Altmeppen3 167, 171. KK/Koppensteiner3 10, § 291, 40; MünchHdbAG/Krieger2 § 72, 50; MünchKommAktG/Altmeppen3 167; Hüffer10 24; Joachim DWiR 1992, 455, 457; ähnlich Emmerich/Habersack6 57; Emmerich/ Habersack9 § 15, 21; aA U Huber ZHR 152 (1988) 123, 136 Fn 47 (Vertragsinhalt irrelevant); Geßler/Geßler 85. MünchKommAktG/Altmeppen3 168. Diese Fälle werfen indes praktisch keine Abgrenzungsprobleme auf; KK/Koppensteiner3 § 291, 38; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 54.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

welche Rollenverteilung die Parteien des Betriebsführungsvertrags mit der individualvertraglichen Ausgestaltung des Weisungsrechts nach § 665 BGB vereinbart haben.469 a) Vollständiger Ausschluss des Weisungsrechts. Ist nach alledem allein maßgeblich, 161 ob der Betriebsführungsvertrag nach seinem Inhalt materiell eine dem Beherrschungsvertrag vorbehaltene Leitungsunterstellung herbeiführt, lässt sich der vollständige Ausschluss des Weisungsrechts der Eigentümergesellschaft aus § 665 BGB470 nur bei Einhaltung der Anforderungen an einen Beherrschungsvertrag wirksam herbeiführen.471 Ein solcher weisungsfreier Betriebsführungsvertrag ist von besonderem Interesse, wenn der Betriebsführer die Eigentümergesellschaft insbesondere als deren Mehrheits- oder Alleinaktionär beherrscht.472 Denn dann kann der Betriebsführer die Unternehmung der Eigentümergesellschaft nach seinem freien Belieben führen. Gegenläufig erweist dies zugleich, dass der mit solchen Gestaltungen bewerkstelligte umfassende Leitungstransfer dem Beherrschungsvertrag entspricht und dessen gesetzlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen bedarf. Anders liegt es allerdings bei Vereinbarung einer strikten, ausschließlichen Verpflichtung des Betriebsführers auf die Interessen der Eigentümergesellschaft.473 Der hiergegen bemühte Einwand, es käme schon ausweislich des Gesetzeswortlauts nur auf die Leitungsunterstellung und nicht auf die Motive hierfür an,474 verfehlt den entscheidenden Punkt. Die treuhänderische Bindung des Betriebsführers betrifft nicht lediglich die Motivlage, sondern auch seine Bindung bei der Wahrnehmung ihm zukommender Entscheidungsspielräume und insoweit gilt eben, dass es an einer beherrschungsvertraglichen Leitungsunterstellung fehlt, wenn sich der Leitungsmacht Ausübende (Betriebsführer) ausschließlich am Interesse der leitungsunterworfenen Gesellschaft (Eigentümergesellschaft) zu orientieren hat (§ 291, 99). Allerdings wird die Vertragsauslegung im Falle eines vollständigen Ausschlusses des Weisungsrechts vorbehaltlich anderweitiger Anhaltspunkte regelmäßig keine strikte treuhänderische Bindung des Betriebsführers in diesem Sinne ergeben. Im Übrigen liegt noch kein weisungsfreier Betriebsführungsvertrag allein mit der Erteilung einer unwiderruflichen General(handlungs)vollmacht vor, weil die Teilnichtigkeit der Unwiderruflichkeitsklausel (Rdn 124) eine faktische Aushöhlung des Weisungsrechts ausschließt 475 und erst recht nicht, wenn das Weisungsrecht vollständig durch einen umfassenden Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Eigentümergesellschaft ersetzt wird.476 Was die Rechtsfolgen anbelangt, steht keine Nichtigkeit nach § 76, § 134 BGB oder 162 § 138 BGB im Raum.477 Die Nichteinhaltung der beherrschungsvertraglichen Wirksam469

470

471

Emmerich/Habersack6 57; Hüffer10 24; Emmerich/Habersack9 § 15, 21; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 51, 54; KK/Koppensteiner3 § 291, 39 f. Nicht genügend hierfür ist eine unwiderrufliche Generalvollmacht (aA MünchKommAktG/Altmeppen3 153), die das Weisungsrecht allenfalls faktisch entwerten könnte und ohnehin teilunwirksam ist. S sogleich im Text. Hüffer10 24; KK/Koppensteiner3 § 291, 40; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 57; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 54; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 24 ff; Emmerich/Habersack6 60; Zöllner ZfA 1983, 93, 101; Windbichler ZIP 1987, 825, 828 f; Köhn Der Konzern

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472

473 474 475 476 477

2011, 530, 535; sogar die Voraussetzungen der Eingliederung fordernd Veelken Betriebsführungsvertrag, S 218. So jedenfalls MünchKommAktG/Altmeppen3 157; s aber auch U Huber ZHR 152 (1988), 123, 125. Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 29; MünchKommAktG/Altmeppen 3 152. KK/Koppensteiner 3 § 291, 38. AA Emmerich/Habersack9 § 15, 21; auch MünchKommAktG/Altmeppen3 155 f Spindler/Stilz/Veil 2 57. AA U Huber ZHR 152 (1988), 1, 28 f; offen lassend MünchKommAktG/Altmeppen3 155.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

keitsvoraussetzungen hat vielmehr die schwebende Unwirksamkeit des Vertrags zur Folge (§ 294, 61). Fehlt – wie regelmäßig – die Bestimmung eines Ausgleichsanspruchs der außenstehenden Aktionäre, ist der Vertrag nach § 304 Abs 3 Satz 3, § 134 BGB sogar endgültig nichtig,478 ohne dass die Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags hieran etwas ändern könnten (§ 291, 129). Es verbleibt allerdings die Umdeutung nach § 140 BGB in einen rein schuldrechtlichen Betriebsführungsvertrag (§ 293, 128), in dessen Rahmen der Eigentümergesellschaft ein umfassendes Weisungsrecht zukommt und der Betriebsführer kraft ergänzender Vertragsauslegung für den Zeitraum der faktischen Praktizierung eines Beherrschungsvertrags zum Verlustausgleich verpflichtet ist (vgl Rdn 150). Bei einer solchen Aufrechterhaltung kommt beiden Parteien ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wegen des die Umdeutung auslösenden Nichtigkeitsmangels zu.479

163

b) Teilweiser Ausschluss des Weisungsrechts. Beim lediglich teilweisen Ausschluss des Weisungsrechts der Eigentümergesellschaft aus § 665 BGB gegenüber dem Betriebsführer markiert die absolute Grenze für zulässige Einschränkungen, was nach § 308 Abs 2 Satz 2 beim Bestehen eines Beherrschungsvertrags als gerade noch mit § 76 vereinbar gilt.480 Weisungen müssen daher jedenfalls dann möglich bleiben, wenn Betriebsführungsmaßnahmen verhindert werden sollen, die nicht nur der Eigentümergesellschaft, sondern auch dem Betriebsführungsunternehmen selbst zum Nachteil gereichen.481 Oberhalb dieser absoluten Untergrenze endet die organisationsrechtliche Zulässigkeit 164 weniger weitgehender Einschränkungen nicht erst, wenn die Entscheidungsfreiheit der Eigentümergesellschaft „nahezu auf Null“ reduziert wird.482 Andererseits kann die Formel der wohl hM, die Weisungsbefugnis der Eigentümergesellschaft müsse deren Vorstand die grundsätzlichen Entscheidungen der Unternehmenspolitik erhalten, das Weisungsrecht könne also nur für die Führung der laufenden Geschäfte ausgeschlossen werden (Rdn 152), ebenfalls nicht genügen. Denn wie der Typenvergleich mit dem Betriebspachtvertrag nach § 292 Abs 1 Nr 3 zeigt, kann auch der Verpächter nur noch mit dem Pachtzins eigene Unternehmenspolitik betreiben und wird gleichwohl nicht als vertraglich beherrscht erachtet (§ 291, 125). Die organisationsrechtliche Zulässigkeitsgrenze eines Betriebsführungsvertrags ist 165 nach den maßgeblichen Kriterien für atypische Beherrschungsverträge vielmehr überschritten, wenn der Betriebsführer bei der Eigentümergesellschaft eine das Austauschvertragsmodell des § 292 Abs 1 verlassende einheitliche Leitung iS des § 18 Abs 1 Satz 2 durchzusetzen vermag (§ 291, 128). Mag sich eine Äquivalenzbeziehung zwischen Betriebsführung und ihrer Gegenleistung auch nicht bestimmen lassen,483 ist eine materielle Konzernierung gleichwohl jedenfalls solange nicht gegeben, als dem Vorstand der Gesellschaft die Befugnis zukommt, den jährlichen Wirtschaftsplan des Betriebsführers zu billigen oder abzulehnen.484 Bei dieser Gestaltung verbleibt der Eigentümergesell478

479

480 481 482

MünchKommAktG/Altmeppen3 156; Hüffer10 24; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 141. Vgl auch MünchKommAktG/Altmeppen3 156; U Huber ZHR 152 (1988), 1, 27 f; K Schmidt GesR4, § 17 III 1 d (S 502). KK/Koppensteiner3 § 291, 37. Vgl U Huber ZHR 152 (1988), 123, 131 f. KK/Koppensteiner3 § 291, 40; aA Martens Wirtschaftsabhängigkeit, S 29.

483 484

KK/Koppensteiner3 § 291, 40. BGH WM 1982, 394, 396 ff = NJW 1982, 1817 (bzgl Personengesellschaft); KK/Koppensteiner3 § 291, 37, 39; s auch Geßler/ Geßler 82; Geßler in: FS Hefermehl 1976, S 263, 277; aA Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 285 mit Fn 63; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 57.

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Andere Unternehmensverträge

§ 292

schaft die Möglichkeit, mittels der Ablehnung des Wirtschaftsplans auf die Wahrung eines äquivalenten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung hinzuwirken. Ein Betriebsführungsvertrag, welcher das Weisungsrecht aus § 665 BGB derart beschränkt, ist also organisationsrechtlich gerade noch zulässig. 8. Kombination mit Eingliederung und Unternehmensverträgen Mit einer Eingliederung kann der Betriebsführungsvertrag ohne rechtliche Bedenken 166 kombiniert werden.485 Mit einem Beherrschungsvertrag wird ein (konzerninterner) Betriebsführungsvertrag 167 besonders häufig kombiniert.486 Dabei beabsichtigen die Parteien in aller Regel, eine über die dargestellten organschaftlichen Zulässigkeitsgrenzen (Rdn 150, 152 ff, 161 ff) hinausgehende Einflussnahme des Betriebsführers auf die Eigentümergesellschaft zu legalisieren487 sowie die damit zusammenhängenden Abgrenzungsschwierigkeiten aufzuheben.488 Allerdings vergrößert dies den Gestaltungsspielraum nur insoweit, als ein Beherrschungsvertrag großzügigere Vollmachtsgestaltungen zulässt;489 die Koppelung der beiden Unternehmensverträge macht die jeweils großzügigere Organisationsgestaltung verfügbar, nicht aber eine in der Einzelbetrachtung nach beiden Unternehmensvertragsregimes unzulässige Gestaltung.490 Diese Grenze folgt allerdings nicht aus § 308 Abs 2 Satz 2,491 wohl aber daraus, dass ein atypischer Betriebsführungsvertrag sich im Extremfall als atypischer Beherrschungsvertrag qualifizieren würde (Rdn 161 ff) und also auch dann die beherrschungsvertraglichen Gestaltungsgrenzen zu wahren hätte.492 Im Übrigen sind auf der Grundlage der hM (Rdn 155) die Anforderungen der §§ 293 ff an den Betriebsführungsvertrag als einen Unternehmensvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 (analog) sowie jene an den Beherrschungsvertrag kumulativ zu erfüllen (§ 291, 203).493 Nach hiesiger Position (Rdn 156 f) bewendet es hingegen bei den Anforderungen aufgrund des Beherrschungsvertrags. Will der Betriebsführer als herrschendes Unternehmen ein Geschäft vornehmen, wel- 168 ches der Vorstand der Eigentümergesellschaft nur mit Zustimmung seines Aufsichtsrats vornehmen dürfte, braucht der Betriebsführer nicht die Zustimmung des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft einzuholen.494

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487 488 489

490

MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 56; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 134; Veelken Betriebsführungsvertrag, S 208 f, 218. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 55; Überblick bei Maser Betriebsüberlassungsverhältnisse, S 124, 126; s auch K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 46. MünchKommAktG/Altmeppen3 157 f. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 55. Zur Bevollmächtigung des herrschenden Unternehmens s Hirte in diesem Kommentar, § 308, 28. Ebenso der Sache nach für die unwiderrufliche Generalvollmacht KK/Koppensteiner3 89 iVm 87; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 159 ff; MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 55 iVm 42; U Huber ZHR 152 (1988) 123,

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130 ff; Spindler/Stilz/Veil 2 57; unentschieden Hüffer10 21. AA insoweit KK/Koppensteiner3 89 iVm 87; s auch Veelken Betriebsführungsvertrag, S 202 ff. Diese Grenze lässt sich auch nicht überspielen, indem man im Rahmen des Beherrschungsvertrags den Betriebsführungsvertrag zu einer Form der Weisung erklärt; aA Huber ZHR 152 (1988), 123, 131. MünchKommAktG/Altmeppen3 158; Emmerich/Habersack6 60 ff; KK/Koppensteiner3 87 f; Hüffer10 21; Exner Beherrschungsvertrag, S 126 ff; ders AG 1981, 175, 177. MünchHdbAG/Krieger3 § 72, 55; aA U Huber ZHR 152 (1988), 123, 132.

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§ 292

Erster Teil. Unternehmensverträge

169

Mit einem Gewinnabführungsvertrag lässt sich ein Betriebsführungsvertrag dergestalt kombinieren, dass die Eigentümergesellschaft ihren ganzen Gewinn als Entgelt für die Betriebsführung an den Betriebsführer abzuführen hat. Diese Kombination läuft nicht etwa der Sache nach auf einen Beherrschungsvertrag mit der Folge hinaus, dass die §§ 302 ff und die §§ 308 ff Anwendung fänden.495 Dieses Ergebnis würde auf der Grundlage der hM (Rdn 155) schon rechtskonstruktiv ganz eigenartig anmuten, müsste man hierfür doch entweder zwei Unternehmensverträge496 in einen Beherrschungsvertrag aufgehen oder aber den Beherrschungsvertrag als dritten Unternehmensvertrag hinzutreten lassen. Im Übrigen wäre es auch in der Sache unangemessen, da der Betriebsführungsvertrag die Grenze zum atypischen Beherrschungsvertrag (Rdn 161 ff) gerade noch nicht überschreitet. Zu den bei dieser Kombination zu beachtenden Anforderungen der §§ 293 ff gelten die Ausführungen zum Beherrschungsvertrag (soeben Rdn 167) daher ganz entsprechend. Mit einem Teilgewinnabführungsvertrag kann ein Betriebsführungsvertrag dadurch 170 verbunden sein, dass die Eigentümergesellschaft einen Teilgewinn als Entgelt für die Betriebsführung an den Betriebsführer abzuführen hat, insbesondere einen Anteil des Rohertrags (Rdn 87 f).497 Bei dieser Kombination ergeben sich nach hiesiger Position (Rdn 156 f) keine Besonderheiten; das Regelungsregime der §§ 293 ff ist lediglich aufgrund des Teilgewinnabführungsvertrags zur Anwendung berufen. Demgegenüber führt die hM (Rdn 155) zu einer Doppelqualifikation der Gesamtvereinbarung als Vertrag nach § 292 Abs 1 Nr 2 und § 292 Abs 1 Nr 3 (analog).498 Unproblematisch ist dies nur mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen der beiden Vertragstypen, nämlich § 301 einerseits und § 302 Abs 2 andererseits, weil diese miteinander vereinbar sind.499 Anders liegen die Dinge aber, wenn die Gesellschaft mit einem Aktionär als anderem Vertragsteil zu unangemessenen Konditionen kontrahiert. Entweder muss man die Vereinbarung dann als Teilgewinnabführung mit der Folge auffassen, dass der Vertrag wegen Verstoßes gegen die §§ 57, 58 und 60 nichtig ist (Abs 3 Satz 1),500 oder aber von einer verdrängenden Spezialität des Betriebsführungsvertrags ausgehen, so dass die Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung, mit denen solche Vertragskombinationen gebilligt werden, nur anfechtbar sind.501

495

496 497 498

AA MünchKommAktG/Altmeppen3 165; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 136 ff; in der Tendenz auch KK/Koppensteiner3 91. S KK/Koppensteiner3 90: §§ 293 f sind auch auf Betriebsführungsvertrag zu beziehen. Geßler/Geßler 83; Heidel/Peres3 43. KK/Koppensteiner3 92; MünchKommAktG/ Altmeppen3 175; Emmerich/Habersack6 46; Emmerich/Habersack9 § 15, 23.

499 500 501

In diesem Sinne wohl KK/Koppensteiner3 92. So Emmerich/Habersack6 46; wohl auch MünchKommAktG/Altmeppen3 149, 175. So KK/Koppensteiner3 92; Hüffer10 29; Geßler/Geßler 89.

Stand: 1. Oktober 2012

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ZWEITER ABSCHNITT Abschluss, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen § 293 Zustimmung der Hauptversammlung (1) Ein Unternehmensvertrag wird nur mit der Zustimmung der Hauptversammlung wirksam. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Auf den Abschluss sind die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden. (2) Ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag wird, wenn der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, nur wirksam, wenn auch die Hauptversammlung dieser Gesellschaft zustimmt. Für den Beschluss gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 sinngemäß. (3) Der Vertrag bedarf der schriftlichen Form. Übersicht Rn I. Grundlagen 1. Gesetzesgeschichte . . . . . . . . . . 2. Regelungsgegenstand . . . . . . . . II. Vertragsschluss 1. Vertragszuständigkeit . . . . . . . . a) Binnenzuständigkeit . . . . . . . b Außenzuständigkeit des Vorstands 2. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . a) Mindestinhalte . . . . . . . . . . b) Inhaltsschranken . . . . . . . . . c) Delegationsklauseln . . . . . . . . d) Bedingungen; Terminbestimmungen e) Rückwirkung . . . . . . . . . . . 3. Vertragsform (Abs 3) . . . . . . . . 4. Vertragswirksamkeit . . . . . . . . . a) Vertragsabschlussfolge: schwebende Unwirksamkeit . . . . . . . . . . b) Öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse . . . . . . . . . . . c) Weitere Vertragsabschlussfolgen . aa) Bindende Willenserklärung des anderen Vertragsteils (ohne Abs 2) . . . . . . . . . bb) Keine vorvertragliche Selbstbindung ohne Zustimmungsbeschluss (Abs 1, 2) . . . . . . 5. Vertragsfehler . . . . . . . . . . . . 6. Vertragsverantwortlichkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . a) Sorgfaltspflichten beim Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . b) Befassung der Hauptversammlung c) Haftungsentlastung nach § 93 Abs 4 Satz 1 (analog) . . . . . . .

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1 2 4 4 10 11 11 13 14 15 20 24 28 28 29 31

31

32 37 38 38 39 40

Rn III. Zustimmungsbeschluss nach Abs 1 1. Beschlusserfordernis . . . . . . . . . a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkung . . . . . . . . . . . . . c) Personaler Anwendungsbereich . . d) Entherrschungsvertrag . . . . . . 2. Beschlussgegenstand: Der Unternehmensvertrag in seiner Gesamtheit . . 3. Beschlussfassung . . . . . . . . . . . a) Keine Satzungsänderung (Abs 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . b) Stimmberechtigung des anderen Vertragsteils . . . . . . . . . . . . aa) Kein Stimmrechtsausschluss . . bb) Beteiligung des Aufsichtsrats nach § 32 MitbestG . . . . . . c) Beschlussmehrheit (Abs 1 Satz 2) . 4. Beschlussinhalt . . . . . . . . . . . . a) Zustimmung (Abs 1 Satz 1) . . . aa) Einwilligung und Genehmigung (§§ 183, 184 BGB) . . . . . . bb) Keine Abänderungsbefugnis . . cc) Einräumung von Anmeldeermessen . . . . . . . . . . . b) Keine Bezeichnung des Vertragstyps c) Kein Sachgrunderfordernis . . . . d) Zustimmungspflicht . . . . . . . 5. Beschlussförmlichkeiten; Handelsregistereinreichung . . . . . . . . . . 6. Beschlussfolgen . . . . . . . . . . . a) Schwebende Vertragsunwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragstypisch verpflichtete Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . .

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43 43 47 48 49 50 56 56 60 60 62 63 65 65 65 66 68 69 70 74 75 76 76 77

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge Rn

aa) Anmeldepflicht des Vorstands . bb) Bindung gegenüber dem anderen Vertragsteil . . . . . . . . . . c) Bindung des anderen Vertragsteils 7. Beschlussfehler . . . . . . . . . . . . IV. Zustimmungsbeschluss nach Abs 2 1. Beschlusserfordernis . . . . . . . . . a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkung . . . . . . . . . . . . . c) Personaler Anwendungsbereich . . aa) Mehrmütterunternehmensvertrag; Gemeinschaftsunternehmen bb) Ausländische Unternehmen . . d) Sachlicher Anwendungsbereich . . aa) Vertragsbeitritt; Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . bb) Andere Rechtsformen als vertragstypisch verpflichtete Partei cc) Ausländisches Unternehmen als vertragstypisch verpflichtete Partei . . . . . . . . . . . . . dd) Universalsukzession; Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . ee) Verlustübernahmevertrag; Globalbürgschaft; Verlustdeckungszusage; Patronatserklärung . . . . . . . . . . . ff) Entherrschungsvertrag . . . . 2. Beschlussfassung . . . . . . . . . . . a) Verweis des Abs 2 Satz 2 . . . . . b) Kein Sachgrunderfordernis . . . . c) Förmlichkeiten; Handelsregistereinreichung . . . . . . . . . . . . 3. Beschlussfolgen . . . . . . . . . . . 4. Beschlussfehler . . . . . . . . . . . . V. Verbandsdispositive Zusatzerfordernisse 1. Erhöhung der Beschlussmehrheiten (Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 2) . . . . . 2. Statutarisches Unternehmensvertragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustimmung des Aufsichtsrats . . . . a) Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs 4 Satz 2 . . . . . . . . b) Letztentscheidung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . VI. Fehlerhafte Unternehmensverträge 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsfehler . . . . . . . . . . . . a) Sondernormen . . . . . . . . . . b) Vertragsrecht des BGB . . . . . . aa) Fehler . . . . . . . . . . . . . bb) § 139 BGB . . . . . . . . . . cc) Heilung . . . . . . . . . . . . c) Keine Sanierungswirkung der §§ 241 ff, § 246a . . . . . . . . . d) Geltendmachung . . . . . . . . . 3. Beschlussfehler . . . . . . . . . . . . a) Sondernormen . . . . . . . . . . b) Allgemeine Regeln . . . . . . . . aa) § 241 ff . . . . . . . . . . . . bb) § 139 BGB . . . . . . . . . .

77 80 87 88 89 89 94 95 96 97 98 98 99

100 101

102 103 104 104 106 107 109 111

112 113 114 114 119 123 124 124 126 126 127 128 129 132 133 133 134 134 139

Rn c) Sanierungswirkungen der §§ 241 ff, § 246a . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . aa) Unternehmensverträge des § 291 bb) Unternehmensverträge des § 292? . . . . . . . . . . . . b) Keine Anwendungssperre bei schweren Fehlern . . . . . . . . . c) Anwendungsvoraussetzungen . . . aa) Äußere Willenseinigung . . . . (1) Zurechnung des Vertragsabschlusses kraft Hauptversammlungszustimmung (2) Zurechnung bei Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 . . . . . bb) Eintragung . . . . . . . . . . cc) Invollzugsetzung . . . . . . . d) Rechtsfolgen, insbesondere das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . aa) Außenverhältnis . . . . . . . . bb) Innenverhältnis . . . . . . . . 5. Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bei Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit der Grundsätze auf Innengesellschaft . . . . . . . . . b) Anwendungssperren . . . . . . . c) Anwendungsvoraussetzungen . . . aa) Zweigliedrige stille Gesellschaft bb) Zustimmung und Handelsregistereintragung bei Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 . . . . cc) Invollzugsetzung . . . . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . e) Rückgewähr der Einlage als Schadensersatz . . . . . . . . . . VII. Hauptversammlungskompetenzen bei der Gruppenbildung und -leitung 1. Geschriebene Hauptversammlungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . a) Abschluss eines Unternehmensvertrags . . . . . . . . . . . . . . b) Änderung des Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögensveräußerung gemäß § 179a . . . . . . . . . . . . . . d) Zuständigkeiten nach dem UmwG 2. Unternehmensverträge im mehrstufigen Konzern (§ 293 analog) . . . . . . . a) Abschluss eines Unternehmensvertrages durch die Untergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgängiger Unternehmensvertrag . . . . . . . . . . . . bb) Nachfolgender Unternehmensvertrag der Untergesellschaft als anderem Vertragsteil . . . . .

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Rn cc) Nachfolgender Unternehmensvertrag der Untergesellschaft als vertragstypisch verpflichtete Partei . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmensverträge zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft . . 3. Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsdogmatische Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . aa) Mediatisierungs- und Vermögensschutz . . . . . . . . . bb) Alternative Begründungsansätze cc) Stellungnahme . . . . . . . . b) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . c) Personaler Anwendungsbereich . . aa) Eingegliederte Gesellschaft . . bb) Vertraglich konzernierte Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . cc) Liquidation; Insolvenz . . . . d) Qualitative und quantitative Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . aa) Qualitative Voraussetzungen . bb) Quantitative Voraussetzungen e) Erfasste Vorgänge . . . . . . . . . aa) Ausgliederung von Unternehmensteilen auf die Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . bb) Beteiligungserwerb . . . . . . cc) Beteiligungsveräußerung . . . (1) Vollständige Veräußerung . (2) Teilveräußerung . . . . . . dd) Gruppenumbildung . . . . . . ee) Gruppenleitungsmaßnahmen . ff) Verhältnis der Konzernbildungszur Konzernleitungskontrolle .

203 207 210 211 211 216 218 227 229 229 230 232 236 236 240 241

242 246 253 253 260 268 277

Rn f) Hauptversammlungsbeschluss . . aa) Beschlussgegenstand; Konzeptbeschluss . . . . . . . . . . . bb) Beschlussfassung . . . . . . . cc) Beschlussmehrheit . . . . . . . dd) Kein Sachgrunderfordernis . . ee) Beurkundungsbedürftigkeit . . ff) Informationsrechte der Aktionäre . . . . . . . . . . . g) Vertretungsmacht des Vorstands . h) Initiativrecht der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . i) Rechtsfolgen einer unterlassenen oder fehlerhaften Hauptversammlungsbeteiligung . . . . . . . . . . VIII. Annex: Börsennotierung 1. Börsengang/Listing a) Börsengang der Gesellschaft . . . b) Börsengang einer Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . 2. Delisting . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Arten . . . . . . . . . b) Hauptversammlungszuständigkeit aa) Reguläres Delisting . . . . . . (1) Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG . . . . . . . . . (2) Holzmüller/Gelatine-Grundsätze . . . . . . . . . . . . (3) Analogie zu umwandlungsrechtlichen Beschlusskompetenzen . . . . . . . . . . (4) Offene Rechtsfortbildung . bb) Sonderkonstellationen . . . . c) Delisting von Tochtergesellschaften

285 285 287 288 290 292 295 299 301

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Schrifttum I. Allgemeines Altmeppen Zu Formfragen bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen bei der GmbH, Betrieb 1994, 1273; ders Ausgliederung zwecks Organschaftsbildung gegen die Sperrminorität?, Betrieb 1998, 49; Bacher/Braun Zeitpunkt der steuerlichen Wirksamkeit eines Gewinnabführungsvertrages BB 1978, 1177; Barz Gemeinschaftsunternehmen und das Konzernrecht, in: FS Kaufmann, 1972, S 58; Baums Empfiehlt sich eine Neuregelung des aktienrechtlichen Anfechtungs- und Organhaftungsrechts, insbesondere der Klagemöglichkeit von Aktionären?, Gutachten F: Abteilung Wirtschaftsrecht, 63. DJT 2000; Bungert/Bednarz Anspruchsinhaberschaft von Abfindungsansprüchen bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, BB 2006, 1865; Canaris Hauptversammlungsbeschlüsse und Haftung der Verwaltungsmitglieder im Vertragskonzern, ZGR 1978, 207; Deilmann/ Messerschmidt Vorlage von Verträgen an die Hautpversammlung, NZG 2004, 977; Diekmann/ Leuering Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2004, 249; Duden Zur Mitbestimmung in Konzernverhältnissen nach dem Mitbestimmungsgesetz, ZHR 141 (1977), 145; Emmerich Konzernbildungskontrolle, AG 1991, 303; Grewer Rückwirkung von Ergebnisabführungsverträgen, DStR 1997, 745; Grüner Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003; Grunewald Rückverlagerung von Entscheidungskompetenzen der Hautversammlung auf den Vorstand, AG

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

1990, 133; Habersack Umwandlung der AG ohne Mitwirkung der Hauptversammlung, in: FS Horn, 2006, S 337; Hefermehl Zur Haftung von Vorstandsmitgliedern bei Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen, in: FS Schilling, 1973, S 159; Henze Aspekte und Entwicklungstendenzen der aktienrechtlichen Anfechtungsklage in der Rechtsprechung des BGH, ZIP 2002, 97; Hirte Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986; ders Informationsmängel und Spruchverfahren, ZHR 167 (2003), 8; Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht, 1982; ders Zum vorläufigen Bestand fehlerhafter Strukturänderungen in Kapitalgesellschaften, ZHR 158 (1994), 11; Hüffer Beschlussmängel im Aktienrecht und im Recht der GmbH – eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der Beschlüsse von Leitungs- und Überwachungsorganen, ZGR 2001, 833; Hüchting Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972; Kleindiek Abfindungsbezogene Informationsmängel und Abfindungsausschluss, NZG 2001, 552; Keck Nationale und internationale Gleichordnungskonzerne im deutschen Konzern- und Kollisionsrecht, 1998; Knepper Wirksamkeit von Unternehmensverträgen, DStR 1994, 377; Koppensteiner Nachvertragliche Abfindungsansprüche bei Unternehmensverträgen, DStR 2006, 1603; Kort Die Zulässigkeit eines Spruchstellenverfahrens bei Änderung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, NZG 2004, 313; Krieger Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages zwischen Mutter und Enkel, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S 999; Kuthe Die Fortsetzung der Aktienrechtsreform durch den Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, BB 2004, 449; Lutter Organzuständigkeiten im Konzern, in: FS Westermann, 1974, S 347; ders Treupflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Martens Die Entscheidungsautonomie des Vorstands und die „Basisdemokratie“ in der Aktiengesellschaft, ZHR 147 (1983), S 825; B Mertens Die Geltendmachung von Mängeln eines Unternehmensvertrags durch Aktionäre, BB 1995, 1417; Mülbert Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl, 1996, ders Abschwächungen des mitgliedschaftlichen Bestandsschutzes im Aktienrecht, in: FS Ulmer, 2003, S 433; H-F Müller Die Durchsetzung konzernrechtlicher Ersatzansprüche nach dem UMAG, Konzern 2006, 725; Pentz Die Rechtsstellung der Enkel-AG in mehrstufigen Unternehmensverbindungen, 1994; ders Zustimmungserfordernisse beim Stufen übergreifenden Unternehmensvertrag in Mehrstufigkeitsverhältnissen, Betrieb 2004, 1543; Priester Die klassische Ausgliederung – ein Opfer des Umwandlungsgesetzes 1994?, ZHR 163 (1999), 187; Röhricht Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht, in: VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2001, 2002, S 3; Schaber/Hertstein Zur Rückwirkung eines Gewinnabführungsvertrags aus gesellschaftsrechtlicher und handelsbilanzieller Sicht, Konzern 2004, 6; Sonnenschein Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976; K Schmidt Die isolierte Verlustdeckungszusage unter verbundenen Unternehmen als Insolvenzabwendungsinstrument – Eine Studie über Voraussetzungen und Inhalt der Zusage sowie über die Rechtsfolgen ihres Fehlschlags, in: FS Werner, 1984, 777; Schütz Neuerungen im Anfechtungsrecht durch den Referentenentwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), Betrieb 2004, 419; Semler Einschränkung der Verwaltungsbefugnisse in einer Aktiengesellschaft, BB 1983, 1566; Sinewe Keine Anfechtungsklage gegen Umwandlungsbeschlüsse bei wertbezogenen Informationsmängeln, Betrieb 2001, 690; Timm Die Mitwirkung des Aufsichtsrates bei unternehmensstrukturellen Entscheidungen, Betrieb 1980, 1201; ders Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980; ders Der Abschluß des Ergebnisübernahmevertrags im GmbH-Recht, BB 1983, 1491; ders Zur Sachkontrolle von Mehrheitsentscheidungen im Kapitalgesellschaftsrecht, ZGR 1987, 403; Veil Klagemöglichkeiten bei Beschlussmängeln der Hauptversammlung nach dem UMAG, AG 2005, 567; Vetter Die Geltung von § 93 Abs. 2 AktG beim Unternehmensvertrag im Handelsregister des herrschenden Unternehmens?, AG 1994, 110; ders Die Geltung von § 93 Abs. 2 AktG beim Unternehmensvertrag zwischen herrschender AG und abhängiger GmbH, AG 1993, 168; ders Ausweitung des Spruchverfahrens, ZHR 168 (2004), S 8; Verse Aufrechnung gegen Verlustausgleichsansprüche im Vertragskonzern, ZIP 2005, 1627; Vollmer Die Mitwirkungsrechte der Aktionäre beim Abschluß fusionsähnlicher Unternehmensverbindungen, BB 1977, Beil 4, 1; Weißhaupt, Modernisierung des Informationsmängelrechts in der Aktiengesellschaft nach dem UMAG-Regierungsentwurf – Versuch einer kritischen Systematisierung, WM 2004, 705; H Westermann Die Folgen von Verschmelzung und Umwandlung nach § 15 Umwandlungsgesetz von Aktiengesellschaften für Beherrschungsverträge, in: FS Schilling, 1973, S 271; Windbichler Unternehmensverträge und Zusammenschlusskontrolle, 1977; ders Die Rechte der Hauptversammlung bei Unternehmenszusammenschlüssen durch Vermögensübertragung, AG 1981, 169;

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Zustimmung der Hauptversammlung

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Winter Die Reform des Beschlussanfechtungsrechts – eine Zwischenbilanz, Liber Amicorum Happ, 2006, S 363; Witt Aufrechnung gegen Verlustausgleichsanspruch im GmbH-Vertragskonzern, NZG 2006, 735. II. Fehlerhafte Unternehmensverträge Autenrieth Geschäftsführerhaftung bei fehlerhaftem Gewinnabführungsvertrag GmbHR, 1990, 113; Bredow/Tribulowsky Auswirkungen von Anfechtungsklage und Squeeze-Out auf ein laufendes Spruchstellenverfahren, NZG 2002, 841; Bungert Die Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Konzern, NJW 1995, 1118; Ebenroth/A Müller Kündigung, Heilung und Mitwirkungspflichten bei fehlerhaften Organschaftsverhältnissen im GmbH-Konzernrecht, BB 1991, 358; Emmerich Supermarkt und die Folgen – BGHZ 105, 324, JuS 1992, 102; Fleischer Zur Beendigung eines fehlerhaften Unternehmensvertrages mit einer GmbH, NZG 2000, 1141; Führling Sonstige Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH, 1993, 319; Grüner Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003, S 142; Hirte/Schall Zum faktischen Beherrschungsvertrag, Konzern 2006, 243; Grunewald Auslegung von Unternehmens- und Umwandlungsverträgen, ZGR 2009, 647; Kleindiek Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbHRecht, ZIP 1988, 613; Kley Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S 65; Köhler, Rückabwicklung fehlerhafter Unternehmenszusammenschlüsse (Unternehmensvertrag, Eingliederung, Verschmelzung, Gemeinschaftsunternehmen), ZGR 1985, 307; Kort Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; ders Rechtsfortbildung im GmbH-Konzernrecht, ZIP 1989, 1309; ders Zur Gesellschafterhaftung in der „Innen-KG“, NZG 2009, 362; ders, Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf einen „verdeckten“ Beherrschungsvertrag?, NZG 2009, 364; Köhler Rückabwicklung fehlerhafter Unternehmenszusammenschlüsse (Unternehmensvertrag, Eingliederung, Verschmelzung, Gemeinschaftsunternehmen), ZGR 1985, 307; Krieger Fehlerhafte Satzungsänderungen – Fallgruppen und Bestandskraft, ZHR 158 (1994), 35; Lauber-Nöll Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge, 1993; B Mertens Die Geltendmachung von Mängeln eines Unternehmensvertrages durch Aktionäre, BB 1995, 1417; Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S 89; Priester Die Behandlung unwirksam abgeschlossener Altverträge aus zivilrechtlicher Sicht, in: U H Schneider (Hrsg), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, 1989, S 37; Rehbinder Die Abwicklung fehlerhafter Unternehmensverträge beim GmbH-Vertragskonzern, in: FS Fleck, 1988, S 235; C Schäfer Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002; Schürnbrand „Verdeckte“ und „atypische“ Beherrschungsverträge im Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 169 (2005), 35; Schultz, Die Behebung einzelner Mängel von Organisationsakten in Kapitalgesellschaften, 1997; Stolzenberger-Wolters Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, 1990; Timm Unternehmensverträge im GmbH-Recht, GmbHR 1989, 19; ders Neuere Entwicklungen des GmbH-(Vertrags-)Konzernrechts, GmbHR 1992, 213; ders Rechtsfragen der Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen, in: FS Kellermann, 1991, S 461; Ulmer Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, BB 1989, 10; Veil Unternehmensverträge, 2003; H Wilhelm Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, 1976. III. Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten J Adolff Zur Reichweite des verbandsrechtlichen Abwehranspruchs des Aktionärs gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln, ZHR 169 (2005) 310; P Adolff/J Adolff Holzmüller-Kompetenzen der Hauptversammlung und Missbrauch der Vertretungsmacht durch die Vorstände einer Aktiengesellschaft, in: FS Mailänder, 2006, S 289; Altmeppen Ausgliederung zwecks Organschaftsbildung gegen die Sperrminorität?, Betrieb 1998, 49; ders Zum Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin, Anmerkung zu BGH vom 26.04.2004 II ZR 155/02, ZIP 2004, 999; Arnold Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre nach Gelatine und Macrotron, ZIP 2005, 1573; Baums Vorzugsaktien, Ausgliederung und Konzernfinanzierung, AG 1994, 1; ders Empfiehlt sich eine Neuregelung des aktienrechtlichen Anfechtungs- und Organhaftungsrechts, insbesondere der Klagemöglichkeiten von Aktionären?, Gutachten F für den 63. DJT, 2000; Bayer Aktionärsklage de lege lata und de lege ferenda, NJW 2000, 2609; Becker/Fett Börsengang im Konzern – Über ein „Zuteilungsprivileg“ zum Schutz der Aktionärsinteressen, WM 2001, 549; Bernhardt Unternehmensführung und Haupt-

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

versammlung – Holzmüller und die Folgen, Betrieb 2000, 1873; Beusch Die Aktiengesellschaft – eine Kommanditgesellschaft in der Gestalt einer juristischen Person?, in: FS Werner, 1984, S 1; Blasche Individualisierung sowie Über- und Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes, Betrieb 2011, 517; Böttcher/Blasche Die Grenzen der Leitungsmacht des Vorstands, NZG 2006, 569; Bohnert Die Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung von Holding-Gesellschaften bei der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen, Betrieb 1999, 2617; Bungert Ausgliederung durch Einzelrechtsübertragung und analoge Anwendung des Umwandlungsgesetzes, NZG 1998, 367; ders Festschreibung der ungeschriebenen „Holzmüller“-Hauptversammlungszuständigkeiten bei der Aktiengesellschaft, BB 2004, 1345; Busch/Groß Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse?, AG 2000, 503; Dreher Der VVaG-Konzern, in: FS zum 100jährigen Bestehen der Stuttgarter Lebensversicherung a.G., 2008, S 139; Drinkuth Formalisierte Informationsrechte bei Holzmüller-Beschlüssen, AG 2001, 256; Feddersen/Kiem Die Ausgliederung zwischen „Holzmüller“ und neuem Umwandlungsrecht, ZIP 1994, 1078; Feldhaus Der Verkauf von Unternehmensteilen einer Aktiengesellschaft und die Notwendigkeit einer außerordentlichen Hauptversammlung, BB 2009, 562; Fleischer Börseneinführung von Tochtergesellschaften, ZHR 165 (2001) 513; ders Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten im Aktienrecht: Von „Holzmüller“ zu „Gelatine“, NJW 2004, 2335; ders Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre bei Struktur-, Vergütungs- und Personalentscheidungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, AG 2010, 193; A Fuchs Der Schutz der Aktionäre beim Börsengang der Tochtergesellschaft in: Henze/Hoffmann-Becking (Hrsg), Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, 2001, S 259; Fuhrmann „Gelatine“ und die Holzmüller-Doktrin: Ende einer juristischen Irrfahrt?, AG 2004, 339; Geßler Einberufung und ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten, in: FS Stimpel, 1985, S 771; Goette Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Aktienrecht (Teil II), DStR 2005, 603; ders Organisation und Zuständigkeit im Konzern, AG 2006, 522; Görg Behindern „Holzmüller“ und „Gelatine“ die Sanierung der Aktiengesellschaft?, in: FS Greiner, 2005, S 51; H Götz Die Sicherung der Rechte der Aktionäre der Konzernobergesellschaft bei Konzernbildung und Konzernleitung, AG 1984, 85; Götze „Gelatine“ statt „Holzmüller“ – Zur Reichweite ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung, NZG 2004, 585; Groß Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Erwerb und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen, AG 1994, 266; ders Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungsbeschlüssen zu Erwerb oder Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen, AG 1996, 111; Habersack Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996; ders Die Aktionärsklage – Grundlagen, Grenzen und Anwendungsfälle, DStR 1998, 533; ders „Holzmüller“ und die schönen Töchter – Zur Frage eines Vorerwerbsrechts der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften, WM 2001, 545; ders Mitwirkungsrechte der Aktionäre nach Macrotron und Gelatine, AG 2005, 137; Heinsius Organzuständigkeiten bei Bildung, Erweiterung und Umorganisation des Konzerns, ZGR 1984, 383; H Henze Leitungsverantwortung des Vorstands – Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, BB 2000, 209; ders Entscheidungen und Kompetenzen der Organe in der AG: Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung, BB 2001, 53; ders Holzmüller vollendet das 21. Lebensjahr, in: FS Ulmer, 2003, S 211; Hirte Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986; Hoffmann-Becking Grenzenlose Abwehrklagen für Aktionäre, ZHR 167 (2003) 357; ders „Holzmüller“, „Gelatine“ und die These von der Mediatisierung der Aktionärsrechte, ZHR 172 (2008) 231; Hofmeister Veräußerung und Erwerb von Beteiligungen bei der Aktiengesellschaft: Denkbare Anwendungsfälle der Gelatine-Rechtsprechung?, NZG 2008, 47; Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht, 1982; Horbach Verfahrensfragen bei Holzmüller-Beschlüssen der Hauptversammlung, BB 2001, 893; Hüffer Zur Holzmüller-Problematik: Reduktion des Vorstandsermessens oder Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung?, in: FS Ulmer, 2003, S 279; Joost „Holzmüller 2000“ vor dem Hintergrund des Umwandlungsgesetzes, ZHR 163 (1999) 164; Kiefner Konzernumbildung und Börsengang der Tochter, 2005; Köchling Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung, ZInsO 2003, 53; Koppensteiner „Holzmüller“ auf dem Prüfstand, Konzern 2004, 381; Kort Bezugsrechtsfragen und „Holzmüller“-Fragen einer Tochter-Kapitalerhöhung aus Sanierungsgründen, AG 2002, 369; ders Neues zu „Holzmüller“: Bekanntmachungspflichten bei wichtigen Verträgen, AG 2006, 272; Krieger Aktionärsklage zur Kontrolle des Vorstands- und Aufsichtsratshandelns, ZHR 163 (1999) 343; ders Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags zwischen Mutter und Enkel im mehrstufigen faktischen Konzern, in: FS K Schmidt, 2009, S 999; Kropff Über die „Ausgliederung“, in: FS Geßler, 1971, S 111; R Leinekugel Die Aus-

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

strahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000; Liebscher Konzernbildungskontrolle, 1995; ders Konzernrecht in: Müller/Rödder (Hrsg), Beck’sches Handbuch der AG, 2004, § 14; ders Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten im Lichte von Holzmüller, Macrotron und Gelatine, ZGR 2005, 1; Lüders/Wulff Rechte der Aktionäre der Muttergesellschaft beim Börsengang des Tochterunternehmens, BB 2001, 1209; Lutter Zur Binnenstruktur des Konzerns, in: FS H Westermann, 1974, S 347; ders Teilfusionen im Gesellschaftsrecht, in: FS Barz, 1974, S 199; ders Die Rechte der Gesellschafter beim Abschluß fusionsähnlicher Unternehmensverbindungen, Betrieb Beil Nr 21/73 zu Heft 46/1973; ders Organzuständigkeiten im Konzern, in: FS Stimpel, 1985, S 825; ders Zur Vorbereitung und Durchführung von Grundlagenbeschlüssen in Aktiengesellschaften, in: FS Fleck, 1988, S 169; ders Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342; ders Noch einmal: Zum Vorerwerbsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2001, 349; ders Das unvollendete Konzernrecht, in: FS K Schmidt, 2009, S 1065; Lutter/Leinekugel, Kompetenzen von Hauptversammlung und Gesellschafterversammlung beim Verkauf von Unternehmensteilen, ZIP 1998, 225; dies Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zu grundlegenden Strukturmaßnahmen – zulässige Kompetenzübertragung oder unzulässige Selbstentmündigung?, ZIP 1998, 805; Markwardt „Holzmüller“ im vorläufigen Rechtsschutz, WM 2004, 211; Martens Mitbestimmung, Konzernbildung und Gesellschaftereinfluß, ZHR 138 (1974), 179; ders Die Entscheidungsautonomie des Vorstands und die „Basisdemokratie“ in der Aktiengesellschaft, ZHR 147 (1983) 377; Mecke Konzernstruktur und Aktionärsentscheid, 1992; Mülbert Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl, 1996; Nikoleyczik/Gubitz Erwerb der Dresdener-Bank durch die Commerzbank – Beteiligungserwerb kein „Holzmüller“-Fall, NZG 2011, 91; Noack „Holzmüller“ in der Eigenverwaltung – Zur Stellung von Vorstand und Hauptversammlung im Insolvenzverfahren, ZIP 2002, 1873; Paefgen „Holzmüller“ und der Rechtsschutz des Aktionärs gegen das Verwaltungshandeln im Rechtsvergleich, ZHR 172 (2008) 42; Paulus/Merath Übertragbarkeit der aktienrechtlichen Zuständigkeiten auf das Insolvenzrecht, ZInsO 2011, 1129; Pentz Zustimmungserfordernisse beim Stufen übergreifenden Unternehmensvertrag in Mehrstufigkeitsverhältnissen, Betrieb 2004, 1543; Priester Die klassische Ausgliederung – ein Opfer des Umwandlungsgesetzes 1994?, ZHR 163 (1999) 187; ders Aktionärsentscheidung zum Unternehmenserwerb, AG 2011, 654; Prütting/Huhn Kollision von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung?, ZIP 2002, 777; v Rechenberg Holzmüller – Auslaufmodell oder Grundpfeiler der Kompetenzverteilung in der AG?, in: FS Bezzenberger, 2000, S 359; Rehbinder Zum konzernrechtlichen Schutz der Aktionäre einer Obergesellschaft, ZGR 1983, 92; ders Buchbesprechung: Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, ZHR 147 (1983), 464; Reichert Ausstrahlungswirkungen der Ausgliederungsvoraussetzungen nach UmwG auf andere Strukturänderungen in: Habersack/Koch/Winter (Hrsg), Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S 25; ders Die Hauptversammlung in: Müller/ Rödder (Hrsg), Beck’sches Handbuch der AG, 2004, § 5; ders Mitwirkungsrechte und Rechtsschutz der Aktionäre nach Macrotron und Gelatine, AG 2005, 150; Renner Holzmüller-Kompetenz der Hauptversammlung beim Erwerb einer Unternehmensbeteiligung?, NZG 2002, 1091; v Riegen Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999; Ringmeister/Homann Nebeneinander von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung, NZI 2002, 406; Rittner Konzernorganisation und Privatautonomie, AcP 183 (1983), 295; Röhricht Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht, VGR 5 (2002), S 3; Rüffler Lücken im Umgründungsrecht, 2002; Schiel Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt, 2009; Schlitt in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd I, 2002, § 23: Gang an die Börse; ders in: Semler/Stengel, UmwG, 2003, Anh. § 173: Einbringung im Wege der Einzelrechtsnachfolge; H Schmidt Die Ausgliederung als Unterfall der Spaltung nach neuem Umwandlungsrecht in: Habersack/Koch/Winter (Hrsg), Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S 10; K Schmidt Aktienrecht und Insolvenzrecht, AG 2006, 597; U H Schneider Zur Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten an Tochtergesellschaften einer Personengesellschaft, in: FS Bärmann, 1975, S 873; ders Konzernleitung als Rechtsproblem, BB 1981, 249; Schockenhoff Informationsrechte der HV bei Veräußerung eines Tochterunternehmens, NZG 2001, 921; Seiler/ Singhof Zu den Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der „Holzmüller“-Grundsätze, Konzern 2003, 313; Semler/Volhard (Hrsg) Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd 1, 2001; Sieger/ Hasselbach Die Holzmüller-Entscheidung im Unterordnungskonzern, AG 1999, 241; Simon Von

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

„Holzmüller“ zu „Gelatine“ – Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten im Lichte der BGH-Rechtsprechung, DStR 2004, 1482, 1528; Sünner Aktionärsschutz und Aktienrecht, AG 1983, 169; Tieves Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; Timm Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980; ders Rechtsfragen zur Konzernumbildung Anmerkungen zu OLG Köln vom 24.11.1992 Az. 22 U 72/92, ZIP 1993, 114; Trapp/Schick Die Rechtsstellung des Aktionärs der Obergesellschaft beim Börsengang von Tochtergesellschaften, AG 2001, 381; Tröger Treupflicht im Konzernrecht, 2000; ders Vorbereitung von Zustimmungsbeschlüssen bei Strukturmaßnahmen, ZIP 2001, 2029; ders Informationsrechte der Aktionäre bei Beteiligungsveräußerungen, ZHR 165 (2001) 593; Ulmer Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftsrecht 1971–1985, 1986; Veil Aktuelle Probleme im Ausgliederungsrecht, ZIP 1998, 361; Wackerbarth Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001; ders Aktionärsrechte beim Börsengang einer Tochter – obey the law, if not the spirit, AG 2002, 14; Wahlers Konzernbildungskontrolle durch die Hauptversammlung der Obergesellschaft, 1995; Weißhaupt Der „eigentliche“ HolzmüllerBeschluß, NZG 1999, 804; ders Holzmüller-Informationspflichten nach den Erläuterungen des BGH in Sachen „Gelatine“, AG 2004, 585; Werner Zuständigkeitsverlagerung in der Aktiengesellschaft durch Richterrecht?, ZHR 147 (1983) 429; Westermann Organzuständigkeit bei Bildung, Erweiterung und Umorganisation des Konzerns, ZGR 1984, 352; ders Die Holzmüller-Doktrin – 19 Jahre danach, in: FS Koppensteiner, 2001, S 259; Westrick Chancen und Risiken der Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, NZI 2003, 65; Wiedemann Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988; Wirth „Holzmüller“-Zuständigkeit der Hauptversammlung – auch in der beherrschten Aktiengesellschaft?, in: FS Bechtold, 2006, S 647; Wollburg/Gehling Umgestaltung des Konzerns – Wer entscheidet über die Veräußerung von Beteiligungen einer Aktiengesellschaft?, in: FS O Lieberknecht, 1997, S 133; Zeidler Die Hauptversammlung der Konzernmutter – ungeschriebene Zuständigkeiten und Information der Aktionäre, NZG 1998, 91; Zimmermann/Pentz „Holzmüller“ – Ansatzpunkt, Klagefristen, Klageantrag, in: FS W Müller, 2001, S 151. IV. Börsennotierung Adolff/Tieves Über den rechten Umgang mit einem entschlusslosen Gesetzgeber: Die aktienrechtliche Lösung des BGH für den Rückzug von der Börse, BB 2003, 797; Beck/Hedtmann Ausgewählte Rechtsfragen des börsenrechtlichen Delistings, BKR 2003, 190; Beermann/Masucci Motive und Umsetzung eines Going Private, FB 2000, 705; Benecke Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen des Delisting – zur Begründung und Fortentwicklung der neuen Rechtsprechung des BGH zum freiwilligen Rückzug von der Börse, WM 2004, 1122; Brauer Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005; Braunschweig Going Private und Delisting deutscher Aktiengesellschaften nach einem Mehrheitserwerb, M&A Review 1999, 165; Bungert Delisting und Hauptversammlung, BB 2000, 53; Bürgers Aktienrechtlicher Schutz beim Delisting?, NJW 2003, 1642; Eickhoff Der Gang an die Börse – und kein Weg zurück?, WM 1988, 1713; Ekkenga Macrotron und das Grundrecht auf Aktieneigentum – der BGH als der bessere Gesetzgeber?, ZGR 2003, 878; Erber Aktionärsschutz beim Börsengang, 2003; Ernemann Das Reguläre Delisting, 2006; Eßers/Weisner/Schlienkamp Anforderungen des BGH an den Rückzug von der Börse – die Macrotron-Entscheidung des BGH, DStR 2004, 985; Even/Vera Die Techniken des Going Private in Deutschland, DStR 2002, 1315; Feldhaus Verkehrsfähigkeit der Aktien beim Wechsel vom amtlichen Handel in das Segment M:access der Börse München, Anmerkung zu OLG München, Beschluss vom 21.05.2008, BB 2008, 1307; Geyrhalter/Gänßler Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen eines formalen Delistings, NZG 2003, 313; Geyrhalter/Zirngibl Alles unklar beim formalen Delisting – eine Zwischenbilanz 18 Monate nach Macrotron, DStR 2004, 1048; Kiefner/Gillessen Die Zukunft von „Macrotron“ im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG – Zur Neuvermessung des gesellschaftsrechtlichen Aktionärsschutzes nach dem Delisting-Urteil, AG 2012, 645; Groß Rechtsprobleme des Delisting, ZHR 165 (2001), 141; Grunewald Die Auswirkung der Macrotron-Entscheidung auf das kalte Delisting, ZIP 2004, 542; Grupp Börseneintritt und Börsenaustritt: Individuelle und institutionelle Interessen, 1995; Gutte Das reguläre Delisting von Aktien, 2006; Habersack Mitwirkungsrechte der Aktionäre nach Macrotron und Gelatine, AG 2005, 137; ders „Macrotron“ – was bleibt?, ZHR 176 (2012), 463; Halasz/Kloster/Hasse Börsengang – eine Entscheidung der Hauptversammlung?, ZBB 2001, 474; Heidel Anmerkung zu BGH vom 25.11.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

2002 – II ZR 133/01, DB 2003, 548; Heidel/Lochner Delisting und Eigentumsgarantie, AG 2012, 169; Heidkamp Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang von Tochtergesellschaften, 2003; Heine Anleger- und Minderheitenschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003; Heldt/Royé Das Delisting-Urteil des BVerfG aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive – Empirie und Fragestellungen für den Gesetzgeber, AG 2012, 660; Hellwig Möglichkeiten einer Börsenreform zur Stärkung des deutschen Kapitalmarktes, ZGR 1999, 781; Hellwig/Bormann Die Abfindungsregeln beim Going Private – Der Gesetzgeber ist gefordert!, ZGR 2002, 465; Hennings Die Börseneinführung von Tochtergesellschaften: Entscheidungsproblem im Konzern, 1995; ders Voraussetzungen und Folgen des Delisting, in: FS Raiser, 2005, S 145; M Henze Delisting, 2002; Holzborn BGH verschärft Delisting-Voraussetzungen – § 58 BörsO Frankfurter Wertpapierbörse vor dem Hintergrund des Macrotron-Urteils des BGH, WM 2003, 1105; Holzborn/Schlößer Systemwechsel beim Going Private, BKR 2002, 486; Hopt Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz – Börsen- und kapitalmarktrechtliche Überlegungen –, in: FS Drobnig, 1998, S 525; Inderbitzin Going Private und dem Going Private ähnliche Sachverhalte, 1993; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft, 2009; Kleindiek „Going Private“ und Anlegerschutz, in: FS Bezzenberger, 2000, S 653; Klenke Der Rückzug mehrfach notierter Unternehmen von den deutschen Regionalbörsen, WM 1995, 1089; Kleppe Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002; Klöhn Zum Pflichtangebot und Spruchverfahren beim regulären Delisting, ZBB 2003, 208; ders Delisting – Zehn Jahre später, NZG 2012, 1041; Kocher/Bednowski Berichts- und Prüfungserfordernisse beim Delisting?, NZG 2008, 135; Krämer/Theiß Delisting nach der MacrotronEntscheidung des BGH, AG 2003, 225; Krolop Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005; ders Umsetzung von „Macrotron“ im Spruchverfahren durch das BayObLG, NZG 2005, 546; Kruse Gerichtliche Kontrolle des obligatorischen Aktienkaufangebots beim börsenrechtlichen Delistingverfahren?, BB 2000, 2271; ders Gerichtliche Kontrolle des obligatorischen Abfindungsangebots beim börsenrechtlichen Delistingverfahren? Kommentar zu LG München I, NZG 2000, 273, NZG 2000, 1112; ders Das „kalte“ Delisting börsennotierter Aktiengesellschaften, 2003; Kück Delisting, ZInsO 2001, 649; Land/Hasselbach „Going Private“ und „Squeeze-out“ nach deutschem Aktien-, Börsen- und Übernahmerecht, Betrieb 2000, 557; Lutter Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht, in: FS Zöllner I, 1998, S 363; Lutter/Drygala Rechtsfragen beim Gang an die Börse, in: FS Raisch, 1995, S 239; Mülbert Rechtsprobleme des Delisting, ZHR 165 (2001), 104; ders Grundsatz- und Praxisprobleme der Einwirkungen des Art. 14 GG auf das Aktienrecht in: FS Hopt, 2010, S 1039; Mutter Bedarf ein Delisting eines Hauptversammlungsbeschlusses?, EWiR 2001, 459; N Ott Der Rückzug von der Börse, 2005; Pfüller/Anders Delisting-Motive vor dem Hintergrund neuerer Rechtsentwicklungen, NZG 2003, 459; Picot/Land Going Public – Typische Rechtsfragen des Gangs an die Börse, Betrieb 1999, 570; Pluskat Going Private durch reguläres Delisting, WM 2002, 833; dies Rechtsprobleme beim Going Private - unter besonderer Berücksichtigung der „übertragenden Auflösung“ und des Delisting, 2002; Radtke Delisting, Rückzug aus dem amtlichen Handel oder dem geregelten Markt auf Wunsch des Emittenten aus kapitalmarktrechtlicher Sicht, 1998; Reiff Gesellschaftsrechtliche Probleme des regulären Delistings, 2005; Richard/ Weinheimer Der Weg zurück: Going Private, BB 1999, 1613; dies Handbuch Going Private, 2002; Rubel/Kunz Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses beim „Delisting“ aus einem Qualitätssegment des Freiverkehrs?, AG 2011, 399; Schanz Ansprüche gegen Aktionäre im Falle eines Delistings, CFL 2012, 234; ders Börseneinführung, Recht und Praxis des Börsengangs, 2. Aufl, 2002; Schärf Rechtsprobleme beim Going Private einer börsennotierten Aktiengesellschaft in Österreich und in der BRD, GesRZ 1995, 44; Schaub Delisting einer AG, DStR 2001, 951; Schiffer/Goetz Umsetzung des Macrotron-Urteils: Spruchverfahren nach regulärem Delisting, DB 2005, 453; Schlitt Die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen des regulären Delisting – Macrotron und die Folgen, ZIP 2004, 533; Schlößer Delisting auf Initiative des Emittenten, 2003; K Schmidt Macrotron oder: weitere Ausdifferenzierung des Aktionärsschutzes durch den BGH, NZG 2003, 601; Schoppe Aktieneigentum, 2011; Schwark/Geiser Delisting, ZHR 161 (1997), 739; Schwichtenberg Going Private und Squeezouts in Deutschland, DStR 2001, 2075; ders Going Private und Freezouts, Der Rückzug von der Börse und der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach dem deutschen und US-amerikanischem Recht, 2003; ders Downgrading oder Delisting? Der Wechsel vom regulierten Markt in das Segment M:access der Börse München, AG 2005, 911; Seibt/Wollenschläger Downlisting einer börsennotierten Gesellschaft ohne Abfindungsangebot und Hauptversammlungsbeschluss, AG 2009,

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Erster Teil. Unternehmensverträge

807; Staake Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009; Steck „Going Private“ über das UmwG – Das Gesellschaftsrecht des „kalten Delisting“, AG 1998, 460; Streit Delisting light – Die Problematik der Vereinfachung des freiwilligen Rückzugs von der Frankfurter Wertpapierbörse, ZIP 2002, 1279; Vollmer/Grupp Der Schutz der Aktionäre beim Börseneintritt und Börsenaustritt, ZGR 1995, 459; de Vries Delisting – Kapitalmarktrecht, Gesellschaftsrecht, Umwandlungsrecht, 2002; M Weber Sanierung, Denotierung und Delisting – Fragen zur Insolvenz börsennotierter Gesellschaften, ZInsO 2001, 385; Wilsing/Kruse Börsenrechtliches Delisting nach Macrotron – Anmerkung zur Entscheidung des BGH vom 25.11.2002, WM 2003, 1110; dies Die Änderung des § 54a BörsO/Ffm – Ein Schritt in die richtige Richtung?, NZG 2002, 807; Wirth/Arnold Anlegerschutz beim Delisting von Aktiengesellschaften, ZIP 2000, 111; Zetzsche Reguläres Delisting und deutsches Gesellschaftsrecht, NZG 2000, 1065.

Rechtsprechung EuGH (15.2.2010) WM 2010, 882 = NZG 2012, 501 = ZIP 2010, 772 = NJW 2010, 1511 = DStR 2010, 878 BVerfG (11.7.2012) WM 2012, 1378 = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826 = ZIP 2012, 1402 = DB 2012, 1618 = BB 2012, 2010 – Lindner/MVS BGH (29.11.1952) BGHZ 8, 157 = NJW 1953, 818 = Betrieb 1953, 40 = BB 1953, 43 BGH (25.1.1960) BGHZ 32, 17 = WM 1960, 349 = NJW 1960, 866 = MDR 1960, 644 BGH (30.6.1964) BGHZ 42, 333 = WM 1964, 991 = NJW 1964, 1851 BGH (29.6.1970) BGHZ 55, 5 = WM 1971, 127 = NJW 1971, 375 = BB 1971, 101 BGH (25.3.1974) BGHZ 62, 234 = WM 1974, 519 = NJW 1974, 1201 = Betrieb 1974, 1057 = BB 1974, 667 BGH (19.12.1974) BGHZ 63, 338 = NJW 1975, 1022 = Betrieb 1975, 828 BGH (13.3.1978) BGHZ 71, 40 = WM 1978, 401 = NJW 1978, 1316 = Betrieb 1978, 974 = BB 1978, 776 BGH (24.9.1979) BGHZ 75, 214 = WM 1980, 12 = NJW 1980, 638 = Betrieb 1979, 2478 BGH (16.11.1981) BGHZ 82, 188 = WM 1982, 86 = AG 1982, 129 = ZIP 1982, 172 = NJW 1982, 933 = Betrieb 1982, 421 = BB 1982, 296 = JZ 1982, 426 – Hoesch/ Hoogovens BGH (25.2.1982) BGHZ 83, 122 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158 = NJW 1982, 1703 = Betrieb 1982, 795 = BB 1982, 827 = ZIP 1982, 568 = MDR 1982, 554 = JuS 1982, 700 – Holzmüller BGH (14.12.1987) BGHZ 103, 1 = WM 1988, 258 = AG 1988, 133 = ZIP 1988, 229 = NJW 1988, 1326 = Betrieb 1988, 596 = BB 1988, 361 = GmbHR 1988, 745 (GmbH) – Familienheim BGH (19.9.1988) BGHZ 105, 168 = WM 1988, 1525 = AG 1989, 27 = NJW 1988, 3143 = Betrieb 1988, 2141 = GmbHR 1989, 19 – HSW BGH (24.10.1988) BGHZ 105, 324 = WM 1988, 1819 = AG 1989, 91 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295 = Betrieb 1988, 2623 = BB 1989, 95 = GmbHR 1989, 25 – Supermarkt

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

BGH (22.10.1990) NJW-RR 1991, 613 = DStR 1991, 622 BGH (11.11.1991) BGHZ 116, 37 = WM 1991, 2137 = AG 1992, 83 = ZIP 1992, 29 = NJW 1992, 505 = Betrieb 1992, 29 = BB 1992, 15 = GmbHR 1992, 34 = JZ 1992, 733 – Stromlieferung BGH (30.1.1992) WM 1992, 524 = AG 1992, 192 = ZIP 1992, 395 = NJW 1992, 1452 = DStR 1992, 917 = Betrieb 1992, 828 = BB 1992, 662 = GmbHR 1992, 253 = Siemens/NRG BGH (5.4.1993) BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422 = ZIP 1993, 751 = NJW 1993, 1976 = Betrieb 1993, 1074 = GmbHR 1993, 446 – SSI BGH (24.5.1993) WM 1993, 1277 = ZIP 1993, 1089 = NJW 1993, 2107 = DStR 1993, 1151 = Betrieb 1993, 1968 = BB 1993, 1393 BGH (7.6.1993) BGHZ 123, 15 = WM 1993, 1337 = ZIP 1993, 1074 = NJW 1993, 2246 = Betrieb 1993, 2246 = BB 1993, 1474 = GmbHR 1993, 497 BGH (24.9.1997) BGHZ 136, 357 = WM 1997, 2361= ZIP 1997, 2085 = NJW 1998, 58 = DStR 1997, 1980= BB 1998, 288 = JZ 1998, 520 BGH (18.12.2000) BGHZ 146, 179 = WM 2001, 306 = AG 2001, 301 = NZG 2001, 574 = ZIP 2001, 199 = NJW 2001, 1425 = DStR 2001, 220 = BB 2001, 275 = GmbHR 2001, 200 – MEZ BGH (15.1.2001) BGHZ 146, 288 = WM 2001, 569 = AG 2001, 261 = NZG 2001, 405 = ZIP 2001, 416 = NJW 2001, 1277 = DStR 2001, 582 = Betrieb 2001, 581 = BB 2001, 483 – Altana/Milupa BGH (29.1.2001) WM 2001, 467 = AG 2001, 263 = ZIP 2001, 412 = NJW 2001, 1482 = Betrieb 2001, 471 = BB 2001, 485 – Aqua Butzke BGH (5.11.2001) WM 2002, 77 = AG 2002, 240 = NZG 2002, 128 = ZIP 2002, 35 = NJW 2002, 822 = DStR 2002, 1101 = Betrieb 2002, 87 = BB 2002, 7 = GmbHR 2002, 62 BGH (2.7.2001) BGHZ 148, 2001 = WM 2001, 1464 = NZG 2001, 936 = ZIP 2001, 1364 = NJW 2001, 2718 = DStR 2001, 1355 = BB 2001, 1652 = JZ 2002, 936 BGH (11.11.2002) WM 2003, 345 = NZG 2003, 396 = ZIP 2003, 345 = DStR 2003, 847 = Betrieb 2003, 442 = GmbHR 2003, 295 BGH (25.11.2002) BGHZ 153, 47 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280 = ZIP 2003, 387 = NJW 2003, 1032 = DStR 2003, 990 = Betrieb 2003, 544 = BB 2003, 806 = JZ 2003, 680 – Macrotron BGH (21.7.2003) BGHZ 156, 38 = WM 2003, 1896 = AG 2003, 625 = NZG 2003, 1023 = ZIP 2003, 1788 = Betrieb 2003, 2115 = DStR 2003, 2031 = MDR 2003, 1428 BGH (26.4.2004) BGHZ 159, 30 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004,571 = ZIP 2004, 993 = NJW 2004, 1860 = DStR 2004, 922 = Betrieb 2004, 1200 = BB 2004, 1182 – Gelatine I BGH (26.4.2004) WM 2004, 1085 = NZG 2004, 575 = ZIP 2004, 1001 – Gelatine II BGH (19.7.2004) AG 2004, 610 = NZG 2004, 961 = ZIP 2004, 1706 = NJW-RR 2004, 1407 = DStR 2004, 1799

(189)

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

BGH (18.10.2004) NZG 2005, 35 = ZIP 2004, 2319 = Betrieb 2004, 2689 = BB 2004, 2711 = NJW-RR 2005, 180 = DStR 2004, 2159 BGH (29.11.2004) WM 2005, 278 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261 = ZIP 2005, 254 = DStR 2005, 295 = Betrieb 2005, 332 = BB 2005, 348 – Securenta AG BGH (21.3.2005) WM 2005, 833 = AG 2005, 390 = NZG 2005, 472 = ZIP 2005, 753 = Betrieb 2005, 940 = BB 2005, 1018 – Göttinger Gruppe BGH (21.3.2005) NZG 2005, 467 = ZIP 2005, 759 = BKR 2005, 195 BGH (21.3.2005) WM 2005, 838 = AG 2005, 475 = ZIP 2005, 763 = Betrieb 2005, 943 = BB 2005, 1023 BGH (21.3.2005) NZG 2005, 471 BGH (26.9.2005) WM 2005, 2228 = NZG 2006, 57 = ZIP 2005, 2060 = DStR 2005, 2135 = Betrieb 2005, 2573 = BB 2005, 2595 BGH (20.11.2006) WM 2007, 257 = AG 2007, 203 = NZG 2007, 234 = ZIP 2007, 24 = DStR 2007, 596 – Stuttgarter Hofbräu BGH (11.6.2007) WM 2007, 2110 = AG 2007, 863 = NZG 2007, 907 = ZIP 2007, 2122 = Betrieb 2007, 2472 = BB 2007, 2537 BGH (5.5.2008) WM 2008, 1026 = NZG 2008, 460 = ZIP 2008, 1018 = DStR 2008, 1100 BGH (25.6.2008) BGHZ 177, 131 = WM 2008, 1502 = AG 2008, 659 = NZG 2008, 1932 = ZIP 2008, 1471 = DStR 2008, 1932 BGH (7.12.2009) ZIP 2010, 622 BGH (19.7.2010) BGHZ 186, 229 = WM 2010, 1471 = AG 2010, 629 = NZG 2010, 939 = ZIP 2010, 1487 = NJW 2010, 2657 – STOLLWERCK BGH (6.12.2011) WM 2012, 39 = AG 2012, 87 = NZG 2012, 69, 73 = ZIP 2012, 73 – Babcock Borsig BGH (7.2.2012) WM 2012, 546 = AG 2012, 248 = NZG 2012, 347 = ZIP 2012, 515 = Betrieb 2012, 569 – Commerzbank/Dresdner Bank BFH (30.7.1997) BFHE 184, 88 = AG 1998, 491 = NZG 1998, 227 = DStR 1997, 2020 = BB 1998, 84 = GmbHR 1998, 53 OLG Karlsruhe (14.11.1966) AG 1967, 202 = NJW 1967, 831 OLG Hamm (9.6.1980) WM 1981, 882 = BB 1980, 1653 OLG Düsseldorf (5.11.1987) WM 1987, 1289 = AG 1988, 53 = ZIP 1987, 1555 = NJW 1988, 1033 = Betrieb 1987, 2512 = GmbHR 1988, 221 – RWE OLG Hamburg (6.10.1989) WM 1989, 1767 = AG 1991, 23 = ZIP 1989, 1326 = NJW 1990, 521 = Betrieb 1989, 2214 = GmbHR 1990, 83 OLG Hamburg (13.7.1990) WM 1990, 1741 = AG 1991, 21 = ZIP 1990, 1071 = NJW 1990 = Betrieb 1990, 1808 = GmbHR 1991, 417 – Texaco/RWE-DEA OLG Koblenz (30.11.1990) WM 1991, 227 = AG 1991, 142 = ZIP 1991, 308 = Betrieb 1991, 155 = GmbHR 1991, 420 OLG München (14.6.1991) WM 1991, 1843 = AG 1991, 358 = ZIP 1992, 327 = DStR 1991, 1666 = Betrieb 1991, 1970 – SSI

Stand: 1. Oktober 2012

(190)

Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

OLG Düsseldorf (4.9.1991) WM 1991, 2103 = AG 1992, 60 = Betrieb 1991, 2381 = BB 1991, 2105 = GmbHR 1991, 526 OLG Köln (24.11.1992) WM 1993, 644 = AG 1993, 86 = ZIP 1993, 110 = Winterthur/Nordstern OLG München (12.5.1993) AG 1994, 134 = BB 1993, 2040 OLG München (10.11.1994) AG 1995, 232 – EKATIT Riedinger Verwaltungs-AG OLG Celle (15.5.1996) AG 1996, 370 – Pensions-Sparplan der Göttinger Vermögensanlagen AG KG Berlin (15.3.1999) AG 2000, 183 = NZG 1999, 1102 = DStR 1999, 2133 OLG Frankfurt/M (23.3.1999) WM 1999, 1881 = AG 1999, 378 = NZG 1999, 887 = ZIP 1999, 842 = Betrieb 1999, 1004 = BB 1999, 1128 OLG Stuttgart (16.6.1999) NZG 2000, 93 BayObLG (14.7.1999) AG 2000, 131 = NZG 1999, 1218 = Betrieb 1999, 1845 = BB 1999, 2369 OLG Celle (22.9.1999) AG 2000, 280 = NZG 2000, 85 OLG Oldenburg (23.3.2000) NZG 2000, 1138 = GmbHR 2000, 1267 OLG Düsseldorf (31.8.2000) AG 2001, 267 = NZG 2000, 1078 = Betrieb 2000, 2210 = BB 2000, 1956 – Mannesmann/Vodafone OLG Koblenz (23.11.2000) ZIP 2001, 1095 – Diebels/Reginaris II OLG München (14.2.2001) WM 2002, 662 = AG 2001, 364 = NZG 2001, 519 = ZIP 2001, 700 = Betrieb 2001, 747 – Ingram Macrotron AG OLG Celle (7.3.2001) AG 2001, 357 = NZG 2001, 409 = ZIP 2001, 613 = Betrieb 2001, 804 – AlliedSignal Chemical Holding AG/Riedel de Haen OLG Köln (27.9.2001) AG 2002, 89 = ZIP 2001, 2089 = Betrieb 2002, 420 – Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG OLG Karlsruhe (12.2.2002) AG 2003, 388 = Betrieb 2002, 1094, 1095 OLG Stuttgart (6.11.2002) AG 2003, 533 = NZG 2003, 1160 = ZIP 2003, 763 = DStR 2003, 1543 = Betrieb 2003, 764 OLG Hamm (26.11.2002) AG 2003, 520 = NZG 2003, 228 = ZIP 2003, 1151 = BB 2003, 653 – Ibeka Immobilien Beteiligung AG OLG Schleswig (5.12.2002) OLGR Schleswig 2003, 206 = AG 2003, 526 = ZIP 2003, 74 OLG Hamburg (6.2.2003) AG 2003, 519 = NZG 2003, 278 OLG Jena (26.2.2003) NZG 2004, 131 = ZIP 2003, 1444 = DStR 2004, 370 = Betrieb 2003, 766 OLG Stuttgart (14.5.2003) AG 2003, 527 = NZG 2003, 778 = ZIP 2003, 1981 = Betrieb 2003, 778 = DStR 2004, 496 OLG Frankfurt aM (1.7.2003) AG 2004, 329 = NZG 2004, 136 = ZIP 2004, 32 OLG Bamberg (18.8.2003) NZG 2004, 129

(191)

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

OLG Braunschweig (3.9.2003) NZG 2003, 1156 = ZIP 2004, 28 OLG Braunschweig (3.9.2003) AG 2003, 686 = NZG 2004, 126 = ZIP 2003, 1793 OLG Düsseldorf (16.1.2004) AG 2004, 211 = NZG 2004, 239 = ZIP 2004, 313 = Betrieb 2004, 752 – Babcock AG OLG Zweibrücken (2.3.2004) AG 2005, 256 = NZG 2004, 382 = ZIP 2004, 559 = Betrieb 2004, 642 = JZ 2005, 198 = FGPrax 2004, 246 – Diebels/Reginaris BayObLG (28.7.2004) BayObLGZ 2004, 200 = AG 2005, 241 = NZG 2004, 1111 = ZIP 2004, 1952 = Betrieb 2004, 2309 OLG Hamburg (1.11.2004) AG 2005, 299 = NZG 2005, 604 = ZIP 2005, 437 = DStR 2005, 883 = Betrieb 2005, 879 – Thyssen-Industrie AG/Blohm+Voss Holding OLG Frankfurt/M (15.2.2005) WM 2005, 2176 = AG 2005, 442 = NZG 2005, 558 = ZIP 2005, 1219 = Betrieb 2005, 1207 OLG Stuttgart (13.7.2005) WM 2005, 1708 = AG 2005, 693 = ZIP 2005, 1415 OLG Schleswig (8.12.2005) WM 2006, 231 = AG 2006, 120 = NZG 2006, 951 = ZIP 2006, 421 OLG Frankfurt/M (21.6.2007) AG 2008, 862 KG Berlin (31.10.2007) WM 2008, 125 = AG 2008, 295 = ZIP 2007, 2352 = BB 2008, 354 OLG Hamm (19.11.2007) OLGR Hamm 2008, 320 = AG 2008, 421 = NZG 2008, 155 = ZIP 2008, 832 OLG Celle (27.11.2007) OLGR Celle 2008, 162 = AG 2008, 217 = ZIP 2008, 318 OLG Celle (7.5.2008) OLGR Celle 2009, 60 = AG 2008, 858 = ZIP 2008, 1874 OLG München (21.5.2008) WM 2008, 1602 = AG 2008, 674 = NZG 2008, 755 = ZIP 2008, 1137 = BB 2008, 1303 OLG München (24.6.2008) WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753 = ZIP 2008, 1330 = BB 2008, 1533 OLG Schleswig (27.8.2008) WM 2008, 2253 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868 – MobilCom AG I KG Berlin (30.4.2009) WM 2009, 1504 = AG 2009, 697 = NZG 2009, 752 = ZIP 2009, 1116 = BB 2009, 1496 OLG München (14.7.2009) AG 2009, 706 = NZG 2009, 1031 = ZIP 2009, 1520 = GmbHR 2009, 996 OLG München (24.6.2008) WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753 = ZIP 2008, 1330 = BB 2008, 1533 OLG Frankfurt/M (7.12.2010) WM 2011, 116 = AG 2011, 173 = NZG 2011, 62 = ZIP 2011, 75 = Betrieb 2010, 2788 OLG Hamburg (12.2.2011) AG 2011, 339 = NZG 2011, 619 = ZIP 2011, 430 = Betrieb 2011, 811 – HSH Nordbank LG Bochum (1.7.1986) AG 1987, 323 = BB 1987, 355 = GmbHR 1987, 24 LG Frankenthal (4.8.1988) AG 1989, 253 = ZIP 1988, 1460 – Pegulan

Stand: 1. Oktober 2012

(192)

Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

LG Ingolstadt (12.6.1990) WM 1991, 685 = AG 1991, 24 = ZIP 1990, 1128 LG Mainz (16.10.1990) AG 1991, 30 = ZIP 1991, 583 – Massa AG LG Hamburg (29.1.1991) WM 1991, 1081 = AG 1991, 365 – Bau Verein AG, Hamburg LG Stuttgart (8.11.1991) WM 1992, 58 = AG 1992, 236 = Betrieb 1991, 2533 LG Frankfurt/M (10.3.1993) AG 1993, 287 = ZIP 1993, 830 – Hornblower Fischer AG LG Mannheim (9.12.1993) AG 1995, 142 = Rpfleger 1994, 256 – Freudenberg & Co LG Nürnberg-Fürth (14.7.1994) AG 1995, 141 = Betrieb 1994, 1869 LG Hamburg (21.1.1997) AG 1997, 238 = Betrieb 1997, 516 – Wünsche AG LG Düsseldorf (13.2.1997) AG 1999, 94 LG Frankfurt/M (29.7.1997) AG 1998, 45 = NZG 1998, 113 = ZIP 1997, 1698 = BB 1998, 179 – Diätetiksparte LG Karlsruhe (6.11.1997) NZG 1998, 393 = ZIP 1998, 385 = Betrieb 1998, 120 LG Heidelberg (1.12.1998) AG 1999, 135 = Betrieb 1999, 136 – Marschollek, Lautenschläger und Partner AG LG München (4.11.1999) AG 2000, 140 = NZG 2000, 273 = ZIP 1999, 2017 = Betrieb 1999, 2458 = BB 1999, 2634 – Ingram Macrotron AG LG Hannover (30.5.2000) AG 2001, 150 = Betrieb 2000, 1607 – AlliedSignal Chemical Holding AG/Riedel de Haen LG Berlin (19.7.2000) AG 2001, 95 = Betrieb 2000, 2466 – Deutsche Hypothekenbank AG LG Frankfurt/M (12.12.2000) AG 2001, 431 = Betrieb 2001, 751 – AGIV AG LG Mosbach (28.12.2000) AG 2001, 206 = NZG 2001, 763 – Michael Weinig AG LG Koblenz (27.3.2001) AG 2002, 102 = Betrieb 2001, 1660 – Compugroup Holding AG LG Duisburg (29.5.2002) NZG 2002, 643 = Betrieb 2003, 441 LG Duisburg (27.6.2002) AG 2003, 390 – Babcock Borsig AG/HDW LG Duisburg (21.8.2003) AG 2004, 159 = NZG 2004, 195 = ZIP 2004, 76 = Betrieb 2004, 76 – Babcock Borsig LG München (27.11.2003) AG 2004, 395 = NZG 2004, 193 = Betrieb 2004, 242 LG Frankfurt(21.2.2006) AG 2007, 48 – Celanese AG LG München I (24.8.2006) AG 2007, 336 LG München (30.8.2007) WM 2007, 2154 = NZG 2007, 951 = ZIP 2007, 2143 = BB 2007, 2253 LG Köln (23.11.2007) AG 2008, 327 LG München I (4.6.2009) AG 2009, 918 = ZIP 2009, 2247 LG Köln (24.7.2009) AG 2009, 835 = NZG 2010, 229 = ZIP 2012, 1200 = BB 2009, 2363

(193)

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

LG Frankfurt/M (15.12.2009) WM 2010, 618 = AG 2010, 416 = NZG 2010, 391 = ZIP 2010, 429 = BB 2010, 980 – Allianz/Commerzbank/Dresdner Bank LG München (5.4.2012) NZG 2012, 1152 – WET VG Frankfurt/M (2.11.2001) AG 2003, 218 = NJW-RR 2002, 480 VG Frankfurt/M (17.6.2002) WM 2002, 1658 = NZG 2002, 830 = ZIP 2002, 1658 = Betrieb 2002, 1986 AG Duisburg (1.9.2002) ZIP 2002, 1636 = DStR 2002, 2092 = NZI 2002, 556 – Babcock Borsig

I. Grundlagen 1. Gesetzesgeschichte

1

Bereits § 256 AktG 1937 hatte die Zustimmung der Hauptversammlung der verpflichteten Gesellschaft mit qualifizierter Mehrheit für den Abschluss von Betriebspacht-, Betriebsüberlassungs- und Betriebsführungsverträgen sowie für den Fall vorgesehen, dass sich die Gesellschaft zur Abführung von mehr als drei Viertel ihres gesamten Gewinns verpflichtete. Die Schriftform war in der Praxis nicht zuletzt aus steuerrechtlichen Gründen regelmäßig gewahrt worden.1 Das AktG 1965 erweiterte den Kreis der Unternehmensverträge, die der Zustimmung der Hauptversammlung der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft bedürfen (s § 291, 1, § 292, 1), statuierte in § 293 Abs 3 ein zwingendes Schriftformerfordernis für alle Unternehmensverträge und führte in § 293 Abs 2 für den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags durch eine AG oder KGaA als anderen Vertragsteil das Erfordernis einer Zustimmung ihrer Hauptversammlung ein. Die ursprünglich enthaltenen Offenlegungsvorschriften des § 293 Abs 3 Sätze 2–6 und Abs 4 wurden zum 1.1.1995 durch Art 6 Nr 5 des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts von 1994 (UmwBerG 1994) 2 aufgehoben und durch die entsprechenden Regelungen der §§ 293f Abs 1 Nr 1 und 293g ersetzt. 2. Regelungsgegenstand

2

§ 293 steht an der Spitze des 2. Abschnitts des 1. Teils des Dritten Buches, der in den §§ 293–299 das Zustandekommen, die Änderung und die Beendigung aller in den §§ 291, 292 genannten Unternehmensverträge regelt. Die Vorschrift verlangt als zivilrechtliche Wirksamkeitserfordernisse neben der Schriftform des Vertrags (Abs 3) stets auch die Zustimmung durch qualifizierten Hauptversammlungsbeschluss bei der vertragstypisch verpflichteten AG oder KGaA (Abs 1). Handelt es sich beim anderen Vertragsteil eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags iS des § 291 Abs 1 um eine AG oder KGaA, ist auch bei dieser ein wirksamkeitsbegründender Hauptversammlungsbeschluss erforderlich (Abs 2).

1

Begründung RegE in: Kropff AktG, S 381; MünchKommAktG/Altmeppen3 2, 16; KK/Koppensteiner 3 3.

2

BGBl 1994 I, S 3210, 3260 f.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

II. Vertragsschluss Für den Abschluss von Unternehmensverträgen hält das positivierte Aktienkonzern- 3 recht einige Sonderregeln zum Vertragsschlussverfahren und auch zum Vertragstatbestand bereit. Das Vertragsschlussverfahren wird durch die §§ 293 Abs 1, 2, 293a, 293b, 299 und § 83 Abs 1 Satz 2 punktuell besonders ausgestaltet;3 im Übrigen kommen die allgemeinen Vorschriften der §§ 76 ff AktG zur Anwendung. Für den Vertragstatbestand enthalten § 293 Abs 3 zur Form und § 294 4 zum Wirksamwerden vereinzelte Sonderregelungen; im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über den Vertragsabschluss, insbesondere also die §§ 145 ff BGB.5 1. Vertragszuständigkeit a) Binnenzuständigkeit. Der Vorstand der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesell- 4 schaft beziehungsweise, im Falle einer KGaA, deren persönlich haftender Gesellschafter (s § 278 Abs 2) ist zuständig für die Entscheidung, ob und mit welchem Inhalt ein Unternehmensvertrag abgeschlossen wird. Das Initiativ- und Ausgestaltungsrecht des Vorstands fällt in den Bereich der Unternehmensleitung (§ 76 Abs 1) und ist damit ein Ausfluss seiner Geschäftsführungskompetenz (§ 77).6 § 293 Abs 1 beschränkt nicht seine Geschäftsführungskompetenz, sondern (nur) seine Vertretungsmacht (Rdn 10), und auch § 82 Abs 2 lässt sein originäres Initiativrecht unberührt.7 Denn hiernach unterliegt der Vorstand einer Bindung im Innenverhältnis nur hinsichtlich solcher Maßnahmen, die er im Rahmen seiner Vertretungsmacht mit verbindlicher Außenwirkung vornehmen kann (arg e § 82 Abs 1). Für den Vorstand einer AG als anderem Vertragsteil gelten diese Regeln (Rdn 4) ganz 5 entsprechend. Er verfügt ebenfalls über ein Initiativ- und Ausgestaltungsrecht als Teil seiner Geschäftsführungszuständigkeit, da auch § 293 Abs 2 lediglich als Beschränkung seiner Vertretungsmacht wirkt (Rdn 94). Der Hauptversammlung der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft kommt kraft 6 ihrer Mitwirkungsbefugnis aus § 293 Abs 1 ein eigenes Initiativrecht nach § 83 Abs 1 Satz 2 zu.8 Weist sie den Vorstand mit der für die Zustimmung zum Vertrag selbst erforderlichen Mehrheit (§ 83 Abs 1 Satz 3) zum Abschluss eines Unternehmensvertrags an, wird das originäre Initiativrecht des Vorstands durch dessen Organpflicht zur Vorbereitung und zum Abschluss eines Unternehmensvertrags überlagert (§ 83 Abs 2; näher Rdn 39) und zugleich ein mitgliedschaftlicher Anspruch eines einzelnen Aktionärs auf

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Emmerich/Habersack6 13. Hüffer 10 22. Emmerich/Habersack6 13; Hüffer 10 22 (vorbehaltlich von Besonderheiten aus der Eigenart der Unternehmensverträge, insbesonders dem organisationsrechtlichen (s aber § 291, 21 ff) Charakter der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge); K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 2; Spindler/Stilz/Veil 2 1. BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422; OLG München AG 1994, 134, 135; MünchKommAktG/Altmeppen 3 5;

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Emmerich/Habersack6 14; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 5; Hüffer 10 23, 24; vgl KK/Koppensteiner 3 5; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 14. KK/Koppensteiner 3 5. BGHZ 82, 188, 195 = WM 1982, 86 = AG 1982, 129; 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422; LG Frankfurt AG 2007, 48, 51; Emmerich/Habersack6 16; Emmerich/Habersack 9 § 16, 7; KK/Koppensteiner 3 5; Spindler/Stilz/Veil 2 2; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 1; Timm Betrieb 1980, 1201, 1207; Windbichler AG 1981, 169, 172.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

ein entsprechendes Tätigwerden begründet.9 Dieses für den Vorstand auch wider eigenes unternehmerisches Ermessen beachtliche Intitativrecht steht für die Hauptversammlung der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft aufgrund ihrer Mitwirkungsbefugnis aus § 293 Abs 1 außer Streit.10 Für die Hauptversammlung des anderen Vertragsteils in der Rechtsform einer AG 7 oder KGaA erwächst aus der Zustimmungskompetenz des § 293 Abs 2 ebenfalls ein eigenes Initiativrecht.11 Das wird zwar teilweise mit dem Hinweis bestritten, dass dem Zustimmungserfordernis eine bloße Kontrollfunktion im Hinblick auf die Verpflichtungen zukomme, die die Obergesellschaft als gesetzliche Folgen des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags treffen.12 Doch handelt es sich bei § 293 Abs 2 ebenfalls um eine echte Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung und nicht lediglich um eine Kontrollzuständigkeit (Rdn 93), so dass die vereinzelt befürwortete teleologische Reduktion des § 83 Abs 1 Satz 213 auf einer unzutreffenden Prämisse basiert und daher schon im Ausgangspunkt fehl geht. Zudem bezwecken auch die originären Zuständigkeiten der Hauptversammlung des § 83 Abs 1 Satz 1 vielfach gerade Aktionärsschutz, etwa der § 186 Abs 3 (Bezugsrechtsausschluss), die Zuständigkeit für Änderungen des Unternehmensgegenstandes und die ungeschriebenen Holzmüller/Gelatine-Kompetenzen (Rdn 211), weswegen § 83 Abs 1 Satz 1 dann folgerichtig insoweit ebenfalls teleologisch zu reduzieren wäre. Dies wird aber zu Recht für die Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeiten ganz überwiegend abgelehnt (Rdn 301) und für die geschriebenen Kompetenzen mit (auch) aktionärsschützenden Charakter nicht einmal ansatzweise erwogen, schon weil dies dem Zweck des vom AktG 1965 eingeführten § 83 Abs 1 widerspräche, Hauptversammlungszuständigkeiten dadurch zu effektuieren, dass bestimmte Vorbereitungshandlungen des Vorstands erzwungen werden können.14 Daher verbleibt bei § 83 Abs 1 Satz 2 ebenfalls kein Raum für eine solche teleologische Reduktion.15 Dem Aufsichtsrat kommt kein Initiativrecht hinsichtlich des Abschlusses eines Unter8 nehmensvertrags zu. Vorbereitung und Abschluss eines solchen Vertrages sind eine Geschäftsführungsangelegenheit; insoweit ist der Aufsichtsrat lediglich zur Überwachung berufen (§ 111 Abs 1, Abs 4 Satz 1).16 Zu den Möglichkeiten eines Zustimmungsvorbehalts zugunsten des Aufsichtsrats und der Überwindung eines aufsichtsrätlichen Vetos (§ 111 Abs 4 Satz 2, 3) unten Rdn 114 ff.

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Habersack in diesem Kommentar, § 83, 16 mwN; aA KK/Koppensteiner 3 5; offen OLG München AG 1994, 134, 135. BGHZ 82, 188, 195 = WM 1982, 86 = AG 1982, 129; 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422; Emmerich/Habersack6 16; Emmerich/Habersack 9 § 16, 7; KK/Koppensteiner 3 5; Spindler/Stilz/Veil 2 2; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 14; Timm Betrieb 1980, 1201, 1207; Windbichler AG 1981, 169, 172. MünchKommAktG/Altmeppen 3 7; Emmerich/Habersack6 16; Emmerich/Habersack 9 § 16, 7; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 7; Spindler/Stilz/Veil 2 3; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 14; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 327. KK/Koppensteiner 3 9; ferner Hüffer 10 23 (ohne Begründung).

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Vgl KK/Koppensteiner 3 9 mit dem Zugeständnis, dass die Einschränkung dem Wortlaut des § 83 Abs 1 Satz 2 widerstreite. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 104. IE ebenso MünchKommAktG/Altmeppen 3 7 (mit dem insoweit widersprüchlichem Hinweis, das Interesse der Hauptversammlung der Obergesellschaft (als Begünstigte!) am Vertragsschluss sei bei § 293 Abs 2 regelmäßig größer als bei Abs 1, ein Initiativrecht daher hier erst recht von praktischer Bedeutung). MünchKommAktG/Altmeppen 3 11; Hüffer 10 25; KK/Koppensteiner 3 7; Werner ZGR 1976, 447, 468; Martens ZHR 147 (1983), 377, 386 mit Fn 23; aA (Strukturentscheidung) Timm Betrieb 1980, 1201, 1204; Sonnenschein ZGR 1981, 429, 436.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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Beherrschungsvertragliche Weisungen des herrschenden Unternehmens zum Abschluss 9 eines neuen Unternehmensvertrags sind nur eingeschränkt zulässig. Analog § 299 ist es diesem untersagt, den Vorstand der beherrschungsvertraglich gebundenen Gesellschaft zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags oder eines anderen Unternehmensvertrags mit ihm selbst anzuweisen. Zulässig ist lediglich eine Weisung zum Abschluss eines Unternehmensvertrags mit einem Dritten, und sei dies ein anderes (konzern)verbundenes Unternehmen.17 Diese Einschränkung folgt als Erst-recht-Schluss aus § 299, wonach Weisungen bezüglich der Änderung, Aufrechterhaltung und Beendigung des Beherrschungsvertrags selbst sowie etwaiger sonstiger mit dem herrschenden Unternehmen geschlossener Unternehmensverträge (§ 299, 5) untersagt sind. b) Außenzuständigkeit des Vorstands. Der Abschluss eines Unternehmensvertrags im 10 Außenverhältnis fällt in die alleinige Zuständigkeit des Vorstands der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft und, beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, des Vorstands der anderen Vertragspartei. Jedoch wirken die Zustimmungserfordernisse der § 293 Abs 1 und Abs 2 als Beschränkung seiner nach § 82 an sich umfassenden Vertretungsmacht (Rdn 4, 94). Der Unternehmensvertrag ist daher zunächst schwebend unwirksam (§ 177 BGB, näher Rdn 28). Verweigert die Hauptversammlung die Zustimmung nach § 293 Abs 1 oder Abs 2, verfällt der Unternehmensvertrag der endgültigen Unwirksamkeit (Rdn 76, 105). In diesem Falle ist eine falsus procurator-Haftung der Mitglieder des Vorstands wegen § 179 Abs 3 Satz 1 BGB allerdings ausgeschlossen,18 da eine unverschuldete Unkenntnis des anderen Vertragsteils vom gesetzlichen Zustimmungserfordernis nicht in Betracht kommt. Dennoch wird für die Praxis empfohlen, klarstellend einen Unternehmensvertrag unter dem Vorbehalt der Hauptversammlungszustimmung(en) abzuschließen.19 2. Vertragsinhalt a) Mindestinhalte. An den Inhalt von Unternehmensverträgen stellt das Gesetz neben 11 den begrifflichen Anforderungen der §§ 291, 292 und denen des § 304 Abs 3 Satz 1 keine weiteren Anforderungen. S § 291, 74 ff, 141, § 292, 60, 83, 119. Nicht erforderlich ist bei Verträgen des § 291 die Aufnahme einer Abfindungsrege- 12 lung,20 auch wenn die von § 293a Abs 1 geforderte Erläuterung und Begründung der Abfindung im Vorstandsbericht beim Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung kaum vorstellbar ist.21 Bei allen Unternehmensverträgen entbehrlich ist die ausdrückliche, materiell zutreffende Bezeichnung des Vertragstyps in der Vertragsurkunde (§ 291, 78, 151, § 292, 60, 83, 119),22 auch wenn die Eintragung ins Handelsregister aus registerrechtlichen Gründen die zutreffende Bezeichnung des Vertrages zur Voraussetzung hat (§ 294, 17

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Emmerich/Habersack 9 § 16, 5; KK/Koppensteiner 3 4; iE auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 9. MünchKommAktG/Altmeppen 3 5; Emmerich/Habersack6 15; Emmerich/Habersack 9 § 16, 6; Hüffer 10 24; KK/Koppensteiner 3 11; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 8; Spindler/Stilz/Veil 2 5; Hüchting Abfindung und Ausgleich, S 100. MünchVertragsHdbGesR/HoffmannBecking7, Form X.1, § 5 (S 1508). AA KK/Koppensteiner 3 14; s aber auch

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21 22

ebenda 21: Fehlen einer Abfindungsregelung bleibt konsequenzlos. Das ist KK/Koppensteiner 3 14 zu konzedieren. AA KK/Koppensteiner 3 14 ff (mit gewissem Widerspruch zwischen Rdn 14 und 58) mit Ausnahme für den Fall, dass sich Vertragsart auch für den juristisch nicht vorgebildeten Aktionär aus dem Vertragsinhalt ergibt; diese Vertragsgestaltung jedenfalls als ausreichend ansehend LG Hamburg WM 1991, 1081, 1082 = AG 1992, 365, 366.

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35). Für die in concreto vorliegende Vertragsart kommt es nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern auf den materiellen Vertragsgehalt an (Vorbem 9 zu §§ 291 ff). Das entspricht einem allgemeinen Prinzip des Vertragsrechts, wonach auch in den Fällen grundsätzlich eine materielle Betrachtungsweise maßgeblich ist, in denen das Gesetz die Privatautonomie an qualifizierte Anforderungen bindet und mit zusätzlichen Rechtsfolgen verknüpft. Zudem ist nicht ersichtlich, dass es Aktionären – und gar solchen ohne juristische Vorbildung – das Verständnis des Vertragsinhalts erleichtern würde, enthielte die Vertragsurkunde etwa neben der Klausel „die Gesellschaft verpflichtet sich zur Abführung ihres ganzen Gewinns“ die Überschrift „Gewinnabführungsvertrag“. Im Übrigen stünde dann die Zulässigkeit fremdsprachlicher Unternehmensverträge in Frage, weil es etwa für den Beherrschungsvertrag keine präzise Übersetzung gibt.23 Nach alledem führen weder die gänzlich fehlende Bezeichnung der Vertragsart24 noch die Verwendung einer unzutreffenden Bezeichnung25 zur Vertragsnichtigkeit. S auch noch Rdn 69 zur fehlenden Notwendigkeit der ausdrücklichen, materiell zutreffenden Benennung der Vertragsart im Zustimmungsbeschluss.

13

b) Inhaltsschranken. Ausgangspunkt bei der Frage nach Gestaltungsgrenzen für Unternehmensverträge muss sein, dass die Vertragsparteien über die gesetzlichen Mindestanforderungen der §§ 291 ff hinaus weitere vertragliche Regelungen treffen können, soweit nicht zwingende aktien(konzern)rechtliche Vorschriften oder sonstige zwingende Vorschriften wie etwa die §§ 134, 138 BGB entgegenstehen (§ 291, 38 f). Die aktien(konzern)rechtlichen Gestaltungsschranken, aber auch die sonstigen Grenzen sind je nach Unternehmensvertrag sehr unterschiedlich und daher gesondert beim jeweiligen Vertragstyp zu behandeln. Im Folgenden sind lediglich einige Klauseln allgemeiner Natur zu besprechen.

14

c) Delegationsklauseln. Bestimmungen in einem Unternehmensvertrag, die die nähere Regelung eines einzelnen Punktes den beteiligten Verwaltungen überlassen, sind entgegen der hM zulässig26 und nicht etwa (teil)nichtig. Soweit für deren Unzulässigkeit ins Feld geführt wird, dass solche Abreden dem vom Gesetz mit dem Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung verfolgten Zweck widersprächen und die Pflicht des Vorstands zur umfassenden Information der Hauptversammlung über die unternehmensvertragliche Regelung leer liefe,27 ist diesen – zutreffenden – Bedenken statt durch die Nichtigkeitsfolge dadurch Rechnung zu tragen, dass ein korrespondierender Hauptversammlungsbeschluss keine nach § 293 Abs 1 erforderliche Zustimmung zum Unternehmensvertrag in seiner Gesamtheit darstellt (näher Rdn 50) und der Vertrag also keine Wirksamkeit erlangt.

15

d) Bedingungen; Terminbestimmungen. Ein Unternehmensvertrag kann grundsätzlich aufschiebend bedingt (§ 158 BGB) geschlossen werden.28 Dies gilt jedenfalls für die

23

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25

Am ehesten lässt sich „Beherrschungsvertrag“ wohl mit „control transfer agreement“ ins Englische übersetzen. MünchKommAktG/Altmeppen 3 75 ff; Emmerich/Habersack6 17; Emmerich/Habersack 9 § 16, 8; Hüffer 10 14, 16, § 291, 12 f, 23; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 7, § 71, 7; offen KK/Koppensteiner 3 21. MünchKommAktG/Altmeppen 3 75 ff; in der Sache auch Hüffer 10 § 291, 13; Spindler/Stilz/ Veil 2 7; offen KK/Koppensteiner 3 21.

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AA BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422; LG Frankfurt AG 2007, 48, 51; KK/Koppensteiner 3 18. So besonders klar BGHZ 122, 211, 218 = WM 1993, 1976 = AG 1993, 422; ferner etwa LG Frankfurt AG 2007, 48, 51; KK/Koppensteiner 3 18. MünchKommAktG/Altmeppen 3 26; Emmerich/Habersack6 18; Emmerich/Habersack 9 § 16, 9; KK/Koppensteiner 3 19; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 16; Raiser/Veil 5 § 54,

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Zustimmung der Hauptversammlung

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praxisrelevanten Vorbehaltsklauseln betreffend die nach § 293 Abs 1 oder Abs 2 erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung, die nach Maßgabe einer Satzungsbestimmung erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats (Rdn 114 ff) sowie kartellrechtliche Anforderungen.29 Dabei müssen die gewählten Bedingungen dem Bestimmtheitsgrundsatz in dem Sinne genügen, dass für jeden unbeteiligten Dritten erkennbar ist, ob die Bedingung eingetreten ist oder nicht. Weitere Grenzen folgen aus dem in § 293 Abs 1, 2 vorgegebenen Erfordernis einer eigenverantwortlichen Zustimmungsentscheidung der Hauptversammlung. Daher lässt sich ein ungewisses Ereignis nicht wirksam als Bedingung vereinbaren, bei dem der Bedingungseintritt beziehungsweise -ausfall sich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nicht eindeutig feststellen lässt.30 Widrigenfalls hat die Unwirksamkeit einer solchen Bedingungsklausel nach § 139 BGB die Nichtigkeit auch des Unternehmensvertrags im Übrigen zur Folge. Vermeiden lässt sich die Nichtigkeitsfolge mittels der unternehmensvertraglichen Festlegung von Fristen, nach deren fruchtlosem Ablauf die Bedingung als ausgefallen oder eingetreten gilt.31 Unternehmensverträge jeder in §§ 291,32 29233 genannten Art können unter eine auf- 16 lösende Bedingung gestellt werden. Es besteht daher weder Anlass noch Notwendigkeit, eine solche Vertragsklausel gegebenenfalls in ein ordentliches Kündigungsrecht umzudeuten (§ 140 BGB).34 Gründe der Rechtssicherheit machen eine auflösende Bedingung nicht etwa unzulässig.35 Dem Handelsregister ist nach deren Eintritt zwar zunächst nicht zu entnehmen, dass der Unternehmensvertrag gemäß § 158 Abs 2 BGB in diesem Zeitpunkt geendet hat, doch besteht diese Unklarheit auch nach dem Wirksamwerden einer Kündigung. Die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs werden in beiden Fällen gleichermaßen dadurch gewahrt, dass die Beendigung nach § 298 eine eintragungspflichtige Tatsache iS des § 15 Abs 1 HGB bildet. Denn nach § 298 ist jede Beendigung – auch die durch Eintritt einer auflösenden Bedingung (oder das Wirksamwerden einer Kündigung) herbeigeführte Beendigung (§ 298, 4) – eine eintragungspflichtige Tatsache iS des § 15 HGB, so dass der Rechtsverkehr durch die Publizität des Handelsregisters solange geschützt ist, wie die Beendigung des Unternehmensvertrags nicht eingetragen ist.36 Aus der Bedingungsfeindlichkeit einer Auflassung (§ 925 Abs 2 BGB) trotz des an sich durch § 892 BGB gewährleisteten Verkehrsschutzes folgt nichts anderes.37 In dieser Regelung manifestiert sich nämlich das grundbuchrechtsspezifische, keiner Verallgemeinerung zugängliche gesetzgeberische Anliegen, dass die wahre und die aus dem Grundbuch ersichtliche Rechtslage stets so weit wie irgend möglich übereinstimmen.

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18; Grunewald AG 1990, 133, 138; Windbichler Unternehmensverträge, S 57; für die Zulässigkeit der aufschiebenden Bedingung offenbar auch BGHZ 122, 211 = WM 1993, 1087 = AG 1993, 422; pauschalierend aA Spindler/Stilz/Veil 2 8; differenzierend – Unternehmensverträge sind grundsätzlich bedingungsfeindlich, „unechte Bedingungen“ aber zulässig – Geßler/Geßler 20, 21. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 16. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 16; schon Windbichler Unternehmensverträge, S 57 f. S MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 16. KK/Koppensteiner 3 19; Timm in: FS Kellermann 1991, S 461, 468; aA MünchKomm-

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AktG/Altmeppen 3 26; Emmerich/Habersack6 18; Spindler/Stilz/Veil 2 8; Geßler/Geßler 20; offen Emmerich/Habersack 9 § 19, 54. AA im Wesentlichen nur MünchKommAktG/ Altmeppen 3 26; Spindler/Stilz/Veil 2 8. So aber Emmerich/Habersack6 18; auch Emmerich/Habersack 9 § 19, 54; Grüner Beendigung, S 141 f. KK/Koppensteiner 3 19; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 16; Windbichler Unternehmensverträge, S 58 ff; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 26. KK/Koppensteiner 3 19; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 16; aA Spindler/Stilz/Veil 2 8. AA MünchKommAktG/Altmeppen 3 26.

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Zeitbestimmungen hinsichtlich der Wirkungsdauer eines Unternehmensvertrags können den Zeitpunkt festlegen, zu dem der Vertrag nach dem Datum der Eintragung ins Handelsregister wirksam wird (Anfangstermin), aber auch den Zeitpunkt, zu dem die Vertragswirkung enden soll (Endtermin). Derartige Abreden müssen angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung von Unternehmensverträgen den vereinbarten Zeitpunkt des Inkrafttretens oder der Beendigung eindeutig bestimmen, also für jedermann feststellbar fixieren.38 Die Befristing eines Unternehmensvertrags durch Bestimmung eines Endtermins, also 18 die Festlegung des Endzeitpunkts für das vertraglich begründete Dauerschuldverhältnis und seine Umwandlung in ein Abwicklungsschuldverhältnis, ist zulässig.39 Zur Zulässigkeit einer Klausel, dass sich der Vertrag nach Ablauf einer bestimmten Laufzeit automatisch für einen weiteren Zeitraum oder auch auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht rechtzeitig gekündigt wird (Fortsetzungsklausel), s § 297, 82. Die Vereinbarung eines der Eintragung nachfolgenden späteren Anfangstermins für 19 das Wirksamwerden des Unternehmensvertrags wird allgemein ebenfalls für zulässig angesehen.40 Insbesondere schließt die konstitutive Wirkung der Eintragung (§ 294 Abs 2) nicht aus, dass die Parteien untereinander einen vom Datum der Eintragung abweichenden Wirksamkeitszeitpunkt vereinbaren (§ 294, 66).

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e) Rückwirkung. Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Rückwirkung von Unternehmensverträgen hat der Gesetzgeber bewusst nicht geregelt, sondern hierfür auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze verwiesen.41 Da auch § 294 Abs 2 eine vereinbarte Rückwirkung nicht von vornherein ausschließt (§ 294, 66), hat sich eine nach der Art des Unternehmensvertrages differenzierende Betrachtungsweise durchgesetzt. Beim Beherrschungsvertrag lässt sich eine Rückwirkung prinzipiell nicht vorsehen 21 (näher § 291, 93 f). Gegenläufig ist für den Gewinnabführungsvertrag eine Rückbeziehung für die vergangenen Geschäftsjahre zuzulassen, für die der Jahresabschluss noch nicht festgestellt ist (hM), und sogar ohne Berücksichtigung im festgestellten Jahresabschluss wird eine vereinbarte Rückwirkung jedenfalls dann anzuerkennen sein, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss noch aussteht. Näher § 291, 155 ff. Für die sonstigen Unternehmensverträge (§ 292) ist die praktische Relevanz einer 22 rückwirkenden In-Geltung-Setzung gering. Steuerrechtlich ist eine solche Vereinbarung irrelevant. Dies gilt auch für Gewinngemeinschafts- und Teilgewinnabführungsverträge, so dass es bei diesen allenfalls einmal zur rückwirkenden Anpassung des Vertrages an die Bilanzstichtage kommen wird.42 Ein rückwirkender Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag wird wohl vor allem geschlossen, wenn der Pachtgegenstand bereits zuvor übergeben wurde.43 Rückbeziehungsvereinbarungen sind bei Unternehmensverträgen iS des § 292 grund23 sätzlich zulässig. Für den möglichen Rückwirkungsumfang werden meist die zum Gewinnabführungsvertrag entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen,44 so dass 38 39

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 27 AllgM; s nur MünchKommAktG/Altmeppen 3 27; KK/Koppensteiner 3 20; Emmerich/Habersack6 18; Emmerich/Habersack 9 § 16, 9; Geßler/Geßler § 297, 3. AllgM; etwa MünchKommAktG/Altmeppen 3 27; Hüffer 10 § 294, 18; KK/Koppensteiner 3 20; Emmerich/Habersack6 18; Emmerich/Habersack 9 § 16, 9.

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Begründung RegE in: Kropff AktG, S 383. Zum Leerformelcharakter dieses Verweises KK/Koppensteiner 3 31. KK/Koppensteiner 3 § 294, 33. KK/Koppensteiner 3 § 294, 33. Hüffer 10 § 294, 20; Emmerich/Habersack6 § 294, 29; MünchHdbAG/Krieger 3 § 72, 66; der Sache nach ferner MünchKommAktG/ Altmeppen 3 § 294, 62; für Gewinngemein-

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Zustimmung der Hauptversammlung

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sich die unterschiedlich restriktiven Positionen auch zu den sonstigen Unternehmensverträgen wiederfinden. Demnach können sonstige Unternehmensverträge entsprechend Rdn 21 insoweit mit Rückwirkung versehen werden, als die mit dem Gewinnverwendungsbeschluss entstandenen Dividendenansprüche der Aktionäre für abgelaufene Geschäftsjahre unberührt bleiben. 3. Vertragsform (Abs 3) Unternehmensverträge bedürfen nach § 293 Abs 3 der Schriftform (§ 126 BGB) oder 24 der diese ersetzenden elektronischen Form45 (§§ 126a, 126 Abs 3 BGB). Dieses Formerfordernis schafft Rechtsklarheit und bildet die Grundlage für die Publizität des Unternehmensvertrags,46 die durch § 294 Abs 1 Satz 2 (Vertrag als Anlage der Handelsregisteranmeldung) zur Sicherung der Informationsinteressen Dritter und durch die aktionärsbezogenen Informationspflichten der §§ 293f Abs 1 Nr 1, Abs 2, 293g Abs 1 näher ausgeformt ist.47 Diese Informationspflichten kann die Gesellschaft seit der Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie jeweils auch in elektronischer Form erfüllen, womit sich die früheren Bedenken gegen die Zulässigkeit der elektronischen Form dergestalt, dass das Schriftformerfordernis die Grundlage für die innergesellschaftliche und externe Publizität bilde und diese Vertragspublizität (noch) auf dem Prinzip des gegenständlich verkörperten Vertragstextes basiere, erledigt haben.48 Die Reichweite des Schriftformgebots ist unproblematisch hinsichtlich der essentialia 25 negotii. Ohne deren schriftliches Vorliegen könnte es schon aus praktischen Gründen weder zu Hauptversammlungsbeschlüssen noch zur Handelsregistereintragung kommen.49 Um umfassende Publizität zu gewährleisten, muss das Formerfordernis darüber hinaus jedoch für sämtliche Abreden – also auch für Nebenabreden – gelten, aus denen sich nach dem Parteiwillen ein iS des § 139 BGB einheitliches Rechtsgeschäft zusammensetzt.50 Diese materiell geprägte Anforderung lässt sich auch durch die formale Aufteilung auf mehrere Verträge, und seien daran auch verschiedene Personen beteiligt, nicht unterlaufen.51 Inhaltlich erfordert das Schriftformgebot des § 126 Abs 1, 2, 4 BGB die eigenhändige 26 Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch beide Vertragsparteien oder die wechselseitige Unterzeichnung der jeweils für die andere Vertragspartei bestimmten Urkunde; alternativ ist die notarielle Beurkundung möglich.52 Für die Wahrung der in § 126 BGB geforderten

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schafts- und Teilgewinnabführungsverträge auch KK/Koppensteiner 3 § 294, 33 (großzügiger für Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge). MünchKommAktG/Altmeppen 3 16; KK/ Koppensteiner 3 12; Emmerich/Habersack 9 § 16, 10; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 33; unklar Spindler/Stilz/Veil 2 9. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 381; Spindler/Stilz/Veil 2 9. MünchKommAktG/Altmeppen 3 16; Emmerich/Habersack6 21; Hüffer 10 26; KK/Koppensteiner 3 12. Zutreffend MünchKommAktG/Altmeppen 3 16. KK/Koppensteiner 3 12.

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 16; Emmerich/Habersack6 22; Emmerich/Habersack 9 § 16, 11; Hüffer 10 26; KK/Koppensteiner 3 12; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 15. BGHZ 82, 188, 196 f = WM 1982, 86 = AG 1982, 129 (für Vermögensübertragung nach § 361 aF); OLG Celle AG 2000, 280 f = NZG 2000, 85; LG München I, NZG 2012, 1152, 1154; Emmerich/Habersack6 22; Emmerich/Habersack 9 § 16, 11; Hüffer 10 26; iE MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 15. MünchKommAktG/Altmeppen 3 16; Emmerich/Habersack6 22; Emmerich/Habersack 9 § 16, 10, 11; Hüffer 10 26; KK/Koppensteiner 3 12; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 15; Spindler/Stilz/Veil 2 9.

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

Urkundeneinheit („die“ Urkunde) genügt der zweifelsfreie Eindruck der Zusammengehörigkeit auch ohne körperliche Verbindung, etwa bei fortlaufender Paginierung, Nummerierung von Bestimmungen, einheitlicher Textgestaltung oder inhaltlichem Zusammenhang.53 Eine bloße Bezugnahme auf andere Schriftstücke ist aber dann nicht ausreichend, wenn diese ihrerseits den Formanforderungen des § 126 BGB nicht genügen.54 Empfehlenswert ist daher eine feste Verbindung zwischen Stammurkunde und in der Regel benötigten Anlagen. Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führt zur Nichtigkeit des Unterneh27 mensvertrags (§ 125 Satz 1 BGB). Ist eine mündliche Nebenabrede formunwirksam, hat dies im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Unternehmensvertrags zur Folge (§ 139 BGB).55 4. Vertragswirksamkeit

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a) Vertragsabschlussfolge: schwebende Unwirksamkeit. Der vom Vorstand ausgehandelte und bereits abgeschlossene Unternehmensvertrag ist mangels Vertretungsmacht des Vorstands (Rdn 10, 94) schwebend unwirksam (§ 177 BGB), solange der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 nicht vorliegt56 oder, beim Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags durch eine AG als anderem Vertragsteil, die Hauptversammlungszustimmung gemäß § 293 Abs 2 aussteht.57 Unabhängig davon ist der Unternehmensvertrag auch mangels vertragskonstitutiver Eintragung im Handelsregister der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft noch nicht wirksam (§ 294 Abs 2). Gleichwohl zeitigt der Vertragsabschluss durch die beiden Vertragsparteien bereits gewisse Rechtsfolgen. Dazu Rdn 31 ff.

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b) Öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse. Die Vertragswirksamkeit kann zudem unter dem besonderen Vorbehalt öffentlich-rechtlicher Freigabe oder Genehmigung stehen. Bedeutsam sind insbesondere die Bestimmungen des GWB und der europäischen FKVO zur Zusammenschlusskontrolle, namentlich das Vollzugsverbot der § 41 Abs 1 GWB, Art 7 Abs 1 FKVO, da der Abschluss eines Unternehmensvertrages gegebenenfalls den Tatbestand eines Zusammenschlusses iS von § 37 Abs 1 Nr 2 GWB beziehungsweise Art 3 Abs 1 lit b) FKVO erfüllt.58 Solange keine Freigabeentscheidung vorliegt, darf der Vertrag weder von den Parteien zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet (§ 294, 24) noch vom Registergericht eingetragen werden (§ 294, 37), so dass anders als etwa bezüglich behördlicher Entscheidungen im Bereich des Bank-, Bör-

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BGHZ 136, 357, 361 f = WM 1997, 2361; Hüffer 10 26; Spindler/Stilz/Veil 2 9; krit Michalski WM 1998, 2002; aA – körperliche Verbindung erforderlich – früher BGHZ 40, 255, 263 = NJW 1964, 395; 42, 333, 338 f = WM 1964, 991; Schlemminger NJW 1992, 2249, 2252 ff; einschränkend bereits BGH NJW 1997, 2182, 2183; Häsemeyer JuS 1980, 1, 4. OLG Stuttgart NZG 2000, 93 f. MünchKommAktG/Altmeppen 3 16; Hüffer 10 26; KK/Koppensteiner 3 12 (IdR Restgültigkeit bei schriftlicher Fassung der essentialia); MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 15, 18; Emmerich/Habersack6 20;

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K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 33. Zur parallelen Problematik beim Zustimmungserfordernis s unten Rdn 139, zu den Rechtsfolgen s unten Rdn 127. OLG Celle AG 1996, 370, 371; KG AG 2000, 183, 185 = NZG 1999, 1102; KK/Koppensteiner 3 11, 24; Hüffer 10 12; Emmerich/ Habersack6 15; MünchKommAktG/Altmeppen3 5, 17; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 10; Spindler/Stilz/Veil 2 10. KK/Koppensteiner 3 11, 24; Emmerich/ Habersack6 15. Näher Emmerich/Habersack6 § 291, 4; § 294, 17; Emmerich/Habersack 9 § 11, 4; Raiser/Veil 5 § 57, 3.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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sen- und Versicherungsaufsichtsrechts (§ 291, 87 f) ein echtes öffentlich-rechtliches Genehmigungserfordernis iS einer Vertragswirksamkeitsvoraussetzung vorliegt. Letzteres findet freilich seine Grenze in § 41 Abs 1 Satz 3 GWB, wonach ein Unternehmensvertrag gleichwohl wirksam wird, wenn er unter Verstoß gegen das Vollzugsverbot in das Handelsregister eingetragen wird (§ 294, 37). Wird ein Unternehmensvertrag unter Beteiligung einer Gemeinde abgeschlossen, kann 30 zudem eine Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde aufgrund des jeweiligen Kommunalaufsichtsrechts erforderlich sein.59 Vielfach wird der Vertrag als Rechtsgeschäft schwebend unwirksam sein, solange die rechtsaufsichtliche Genehmigung nicht erteilt wurde; das Vorliegen der für die Wirksamkeit des Unternehmensvertrages maßgeblichen Genehmigung ist vom Registergericht zu prüfen (§ 294, 41). c) Weitere Vertragsabschlussfolgen aa) Bindende Willensklärung des anderen Vertragsteils (ohne Abs 2). Mit dem Ab- 31 schluss eines Unternehmensvertrags gibt der andere Vertragsteil eine bindende Willenserklärung iS der §§ 145 ff BGB ab, soweit kein Fall des § 293 Abs 2 mit der Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses bei beiden Vertragsparteien (dazu Rdn 32 ff) vorliegt.60 Diese einseitige Bindung endet spätestens, wenn die Hauptversammlung der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft ihre Zustimmung verweigert und der Vertrag damit endgültig unwirksam wird (Rdn 76). Für den vorhergehenden Zeitraum wird ohne Vereinbarung einer angemessenen Frist und ohne Vorliegen besonderer Umstände61 nach dem objektiven Erklärungswert (§§ 133, 157, 242 BGB) davon auszugehen sein, dass der gebundene andere Vertragsteil die Schwebelage bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung hinnehmen muss.62 Besteht die Schwebelage darüber hinaus fort, kann er sich nach dem Rechtsgedanken der §§ 108 Abs 2, 177 Abs 2 BGB unter Setzung einer angemessenen Frist – mindestens zwei Monate angesichts der dreißigtägigen Einberufungsfrist des § 123 Abs 1 – von dem schwebend unwirksamen Vertrag lösen.63 Sollte er ganz ausnahmsweise nicht wissen, dass der Unternehmensvertrag noch genehmigt werden muss – etwa weil ihn der Vorstand der verpflichteten Gesellschaft hierüber täuschte, indem er ihm das Vorliegen eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses vorspiegelte –, kann er nach dem Rechtsgedanken des § 178 BGB seine Willenserklärung zum Vertrag verschuldensunabhängig jederzeit widerrufen.64

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S nur OLG München AG 2009, 706 ff = NZG 2009, 1031 (zu Art 72 Abs 2 BayGO); Henssler/Strohn/Verse Anh § 13 GmbHG, 76. AA – Bindung des anderen Vertragsteils sogar ohne Ausklammerung der Fälle des § 293 Abs 2 bejahend – MünchKommAktG/ Altmeppen 3 23; KK/Koppensteiner 3 24; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 17; Geßler/ Geßler 18; Baumbach/Hueck13 § 294, 7. S OLG Celle AG 1996, 370, 371: Bei einer Vielzahl von Unternehmensverträgen (55529 Einzelverträge iSv § 292 Abs 1 Nr 2) kann auch noch eine Bindungsfrist von ein bis zwei Jahren bis zur Befassung der Hauptversammlung als angemessen erscheinen. MünchKommAktG/Altmeppen 3 25; vgl KK/ Koppensteiner 3 25; Spindler/Stilz/Veil 2 12.

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Baumbach/Hueck13 § 294, 7; aA – § 323 Abs 1 BGB analog wegen Bindung beider Parteien mit Vertragsschluss – KK/Koppensteiner 3 27; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 17; auch Emmerich/Habersack6 § 297, 31; iE ferner Geßler/Geßler 18; v Godin/Wilhelmi 4 § 294, 6; noch anders K Schmidt/ Lutter/Langenbucher 2 20: Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 314 BGB); MünchKommAktG/Altmeppen 3 25; Spindler/Stilz/ Veil 2 12 und tendenziell auch OLG Celle AG 1996, 370, 371; fristloses Widerrufsrecht analog § 178 BGB; Hüchting Abfindung und Ausgleich, S 101: Analogie zu § 147 Abs 2 BGB. MünchKommAktG/Altmeppen 3 24.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

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bb) Keine vorvertragliche Selbstbindung ohne Zustimmungsbeschluss (Abs 1, 2). Ob eine Vertragspartei aus dem Abschluss des schwebend unwirksamen Unternehmensvertrags schon vor der gemäß § 293 Abs 1 oder Abs 2 erforderlichen Hauptversammlungszustimmung einer Bindung gegenüber der anderen Partei unterliegt, ist umstritten. Freilich geht es hierbei nur um die Implikationen des Vertragsschlusses für den Entscheidungsfreiraum der Hauptversammlung. Dass der Vorstand der Gesellschaft seine Vertragsabschlusserklärung vorbehaltlich anderweitiger Abreden – wofür ein Abschluss unter dem Vorbehalt der Hauptversammlungszustimmung(en) (Rdn 15) nicht genügt – nicht widerrufen kann, wird nirgends bezweifelt. Eine Bindung derjenigen Vertragspartei, bei der die Hauptversammlungszustimmung 33 nach § 293 Abs 165 beziehungsweise § 293 Abs 266 noch aussteht, wird verschiedentlich darauf gestützt, dass die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands beim Abschluss von Unternehmensverträgen (Rdn 10) nicht auch vertragliche Nebenpflichten betreffe. Durch den Abschluss des Vertrags erkläre der Vorstand nach §§ 133, 157, 242 BGB vielmehr rechtsverbindlich für seine Gesellschaft, die (nächste67) Hauptversammlung zu befassen, bis dahin keine Unternehmensverträge mit Dritten einzugehen, die dem schwebend unwirksamen Unternehmensvertrag zuwiderlaufen, und auch sonst alle beeinträchtigenden Handlungen zu unterlassen.68 Im Einzelfall müsse das Verfahren sogar beschleunigt werden, beispielsweise um steuerliche Vorteile noch nutzbar zu machen;69 nur selten sei eine Verzögerung zulässig, etwa um ein günstigeres Hauptversammlungsklima abzuwarten.70 Da die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten sich nur schwer kompensatorisch sanktionieren lässt, wird teilweise die prozessuale Durchsetzbarkeit der Verpflichtung zur Befassung der Hauptversammlung mittels Leistungsklage (vgl § 888 ZPO) befürwortet.71 Nach der Gegenauffassung ist die AG/KGaA auch nach Vertragsschluss grundsätzlich 34 noch frei in ihrer Entscheidung, ob sie ihre Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 bzw Abs 2 befasst oder nicht.72 Dem Vertragspartner kommt kein Anspruch zu, dass sich die Hauptversammlung der Gesellschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit dem Vertragsschluss befasst.73 Erst recht besteht keine Bindungsfrist, während der die Gesellschaft alle Handlungen zu unterlassen hätte, die – wie etwa der weitere Abschluss eines Unternehmensvertrags mit einem Dritten – das Wirksamwerden des Unternehmensvertrags gefährden könnten.74

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KK/Koppensteiner 3 24; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 17; OLG Braunschweig AG 2003, 686 f; Geßler/Geßler 14; Kort DZWiR 1993, 292 f. MünchKommAktG/Altmeppen 3 23; KK/Koppensteiner 3 24 (s aber auch 51); MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 17; Geßler/ Geßler 14 ff; Baumbach/Hueck13 § 294, 7. KK/Koppensteiner 3 25 (beim Fehlen besonderer Umstände). KK/Koppensteiner 3 24; auch MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 17; Geßler/Hefermehl 14; Nothoff WiB 1996, 1054. KK/Koppensteiner 3 25. Mutze AG 1967, 215, 218; Geßler/Hefermehl 16; zurückhaltend KK/Koppensteiner 3 25: Hauptversammlungsklima grundsätzlich

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keine Verzögerungsrechtfertigung, weil die Verpflichtung der Gesellschaft sich nur auf die Beschlussfassung der Gesellschaft als solche, nicht deren Inhalt beziehe. KK/Koppensteiner 3 26; aA Geßler/Geßler 14: weil (vorvertragliche) Nebenpflicht statt Nebenleistungspflicht vorliegt. MünchKommAktG/Altmeppen 3 19; Emmerich/Habersack6 29; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 18; Spindler/Stilz/Veil 2 11; Baumbach/Hueck13 § 294, 7; v Godin/Wilhelmi 4 § 294, 6; Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S 82. MünchKommAktG/Altmeppen 3 20. MünchKommAktG/Altmeppen 3 20; Emmerich/Habersack6 29; Spindler/Stilz/Veil 2 12.

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Stellungnahme: Die eine Bindung befürwortende Theorie von der vertraglichen 35 Nebenpflicht bei Unternehmensverträgen (Rdn 33) beruft sich – insoweit zutreffend – darauf, dass bei schwebend unwirksamen Rechtsgeschäften grundsätzlich auch vorvertragliche Nebenpflichten begründet werden und zieht eine begründende Parallele zu Verträgen mit ausstehender Behördengenehmigung. In dieser Konstellation seien die Parteien nach allgemeiner Ansicht verpflichtet, auf die Genehmigungserteilung hinzuwirken, und ebenso obliege auch der am Unternehmensvertrag beteiligten Gesellschaft die Befassung der Hauptversammlung zum nächstmöglichen Zeitpunkt (vgl § 124).75 Genaues Zusehen erweist diese Parallele jedoch als unzutreffend. Stehen behördliche Genehmigungen aus, ist die Willensbildung der Vertragsparteien bereits abgeschlossen, der Konsens perfekt; die Behörde prüft lediglich, dass keine Drittinteressen entgegenstehen.76 Demgegenüber etablieren die §§ 293, 83 eine besondere Organisation der verbandsinternen Willensbildungsstruktur, bei der die Zustimmungskompetenzen der Hauptversammlung nach den §§ 293 Abs 1 und Abs 2 eigentliche Mitwirkungszuständigkeiten bilden, keine bloßen Kontrollbefugnisse (Rdn 43, 93). Erst die Entscheidung der Hauptversammlung ist daher der maßgebliche Willensbildungsakt zum Vertragsschluss. Ohne deren Zustimmung ist der Vorstand falsus procurator, sein Handeln lässt sich der Gesellschaft nicht zurechnen.77 Daher ist diese nicht verpflichtet, ihre Hauptversammlung mit dem Unternehmensvertrag zu befassen. Was Schadensersatzansprüche wegen des Verhaltens einer Vertragspartei vor Zustim- 36 mung der Hauptversammlung anbelangt, scheidet ein Anspruch auf den Ersatz des Erfüllungsinteresses von vornherein aus.78 Allenfalls ist ein Ersatzanspruch gemäß § 311 Abs 2 iVm § 31/§ 278 BGB für den Fall zu erwägen, dass eine Partei während der Verhandlungen schuldhaft unberechtigte Erwartungen der anderen Vertragspartei begründete.79 Gibt der Vorstand etwa vor, dass bereits ein Einwilligungsbeschluss der Hauptversammlung gefasst worden beziehungsweise ihr Genehmigungsbeschluss sicher zu erwarten sei oder, mit Blick auf das Vorliegen eines atypischen Beherrschungsvertrag (§ 291, 116 ff), dass ein Hauptversammlungsbeschluss des anderen Vertragsteil nach § 293 Abs 2 gar nicht erforderlich ist, steht die Pflicht zum Ersatz der Aufwendungen im Raum, die der andere Vertragsteil in Ansehung dieses Vertrauenstatbestands getätigt hat. Ein solcher Haftungstatbestand stünde nicht im Widerspruch zu den Spezialvorschriften der §§ 293, 83, da er keine abgeschlossenen Verhandlungen zwischen den Parteien voraussetzt,80 sondern an ein Parteiverhalten anknüpft, dass sich auch vor beziehungsweise unabhängig vom Abschluss des Unternehmensvertrags ergeben kann. Gleichwohl wird eine solche Haftung regelmäßig nicht in Betracht kommen, weil das Vertrauen einer Partei in das Zustandekommen eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses nicht schutzwürdig

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KK/Koppensteiner 3 24 (mangels besonderer vertraglicher Vereinbarung); s auch Geßler/ Hefermehl 14. So auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 19; Spindler/Stilz/Veil 2 11. Ebenso iE MünchKommAktG/Altmeppen 3 19 mit parallelisierendem Hinweis auf die §§ 108, 114, 1643, 1821, 1822 BGB; ferner K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 18: §§ 293, 83 etablieren eine gegenüber rein vertragsrechtlichen Überlegungen vorrangige Regelung über den Abschluss der verbandsinternen Willensbildung (s aber auch 16:

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explizite vertragliche Vereinbarung ist möglich). Unstr; s nur MünchKommAktG/Altmeppen 3 20, 21; Emmerich/Habersack6 29; KK/Koppensteiner 3 27. MünchKommAktG/Altmeppen 3 21; Emmerich/Habersack6 29; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 19 (wenn ein „qualifiziertes Vertrauen der Gegenseite“ geschaffen wurde); Spindler/Stilz/Veil 2 28. In diesem Sinne auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 19.

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

erscheint. Bei allen Beteiligten ist nämlich die Kenntnis davon zu verlangen, dass das Gesetz der Hauptversammlung nach verbreiteter – und zutreffender (Rdn 74) – Auffassung die freie Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung vorbehält.81 5. Vertragsfehler

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Zu den Rechtsfolgen von Fehlern betreffend den Abschluss oder Inhalt von Unternehmensverträgen s unten Rdn 123 ff. 6. Vertragsverantwortlichkeit des Vorstands

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a) Sorgfaltspflichten beim Vertragsschluss. Wenn der Vorstand den Unternehmensvertrag initiiert, den Vertragspartner aussucht, den Vertrag aushandelt und abschließt, hat er bei diesen Geschäftsführungsmaßnahmen (Rdn 4) wie auch sonst die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu wahren (§ 93 Abs 1 Satz 1) und dementsprechend auf eine für die Gesellschaft möglichst günstige Vertragsgestaltung hinzuwirken.82 Insbesondere muss er bei den Verträgen des § 292 eine angemessene Gegenleistung aushandeln, als Vorstand der vertragstypisch verpflichteten Partei die Bonität des Kontrahenten mit Blick auf die Ansprüche der Gesellschaft selbst (Gegenleistung; § 302) und gegebenenfalls der außenstehenden Aktionäre (§§ 304 f) prüfen und nach Möglichkeit kautelarjuristisch absichern, dass seine Gesellschaft auch nach Vertragsbeendigung ihr Unternehmen weiterführen kann. Beim Beherrschungsvertrag sollte er im Bedarfsfalle zudem auf hinreichende Schutzbestimmungen gegen einen Missbrauch der Leitungsmacht hinwirken (s aber auch § 291, 84 f). Verletzt er diese Sorgfaltspflicht, ist er der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet (§ 93 Abs 2 Satz 1).83

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b) Befassung der Hauptversammlung. Zur Befassung der Hauptversammlung mit einem abgeschlossenen Unternehmensvertrag ist der Vorstand im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft nur verpflichtet, wenn der Vertragsschluss auf der Initiative der Hauptversammlung beruht (§ 83 Abs 1 Satz 2) und diese ihm auch kein Entschließungsermessen eingeräumt hat (Rdn 67). Nach § 83 Abs 2 obliegen ihm dann nicht nur die Vorbereitung und der Abschluss des Unternehmensvertrags, sondern konsequenterweise auch dessen Vorlage zur endgültigen Zustimmung seitens der Hauptversammlung, es sei denn, dass der Initiativbeschluss ausnahmsweise bereits die Zustimmung enthält (Einwilligungsbeschluss; Rdn 65).

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c) Haftungsentlastung nach § 93 Abs 4 Satz 1 (analog). Wurde der Vorstand auf Grundlage eines Vertragsentwurfs durch einen Einwilligungsbeschluss 84 (§ 83 Abs 2; Rdn 65) oder durch einen gesetzmäßigen Initiativbeschluss der Hauptversammlung nach § 83 Abs 1 Satz 2 unter Beachtung auch der §§ 293a ff 85 (Rdn 65) zum Vertragsschluss

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Zurückhaltung anmahnend daher MünchKommAktG/Altmeppen 3 21. K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 3. MünchKommAktG/Altmeppen 3 28; Emmerich/Habersack6 14; Emmerich/Habersack9 § 16, 5; Hüffer 10 23; ausf KK/Koppensteiner 3 22; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 14; Canaris ZGR 1978, 207, 216 f; s auch Geßler ZHR 140 (1976), 433, 434. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S 329 ff.

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S auch KK/Koppensteiner 3 23: Haftungsentlastung bei in den Einzelheiten fixiertem Vertragsinhalt; aA – keine besonderen Anforderungen an Initiativbeschluss, keine Beachtung auch der §§ 293a ff – MünchKommAktG/Altmeppen 3 28; Emmerich/ Habersack6 14; Emmerich/Habersack 9 § 16, 5; Hüffer 10 23.

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angewiesen, beruht seine Handlung auf dem Beschluss und eine Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft tritt nicht ein (§ 93 Abs 4 Satz 1). An einer Entlastungswirkung fehlt es hingegen, wenn dem Vorstand ausnahmsweise Entschließungsermessen eingeräumt wurde (dazu Rdn 67). Beachtet der Initiativbeschluss nach § 83 Abs 1 Satz 2 nicht zugleich auch die §§ 293a ff, kommt ihm keine Entlastungswirkung zu.86 Jedoch bedarf es dann ohnehin noch eines Genehmigungsbeschlusses, der seinerseits haftungsentlastend wirken kann. Näher dazu sogleich Rdn 41 f. Die nachträgliche Genehmigung eines vom Vorstand abgeschlossenen Unternehmens- 41 vertrags durch die Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 oder Abs 2 hat nach hM keine Entlastungswirkung.87 In Betracht komme allenfalls eine Analogie zu § 93 Abs 4 Satz 1, da das Vorstandshandeln zeitlich vorausgehe und daher nicht auf der Beschlussfassung „beruhe“.88 Jedoch fehle es schon an einer planwidrigen Regelungslücke, weil § 93 Abs 4 Satz 1 lediglich etwaige Widersprüche zwischen den allgemeinen Vorstandspflichten des § 93 Abs 1 und der Pflicht aus § 83 Abs 2, den Weisungsbeschluss der Hauptversammlung zu befolgen, auflösen wolle89 und dieser Konflikt überhaupt nur bei einem vorgängigen Initiativbeschluss der Hauptversammlung auftreten könne. Nichts anderes ergäbe sich, verstünde man § 93 Abs 4 Satz 1 mit einzelnen Gegenstimmen als Ausprägung des Arglisteinwands90 (§§ 242, 254 BGB). Zwar könnte dann ein iS des § 242 BGB treuwidriges venire contra factum proprium mit der Begründung anzunehmen sein, dass die Gesellschaft einen Schadensersatzanspruch aus einem Fehlverhalten ihres Verwaltungsorgans herleitet, das sie selbst durch Beschlussfassung ihrer Gesellschafterversammlung legitimiert.91 Aber auch dann müsste eine Analogie aufgrund eines Wertungsvergleichs mit § 93 Abs 4 Satz 3 ausscheiden, der einen vorzeitigen Verzicht der Gesellschaft auf den Schadensersatzanspruch verhindern will.92 Stellungnahme: Der nachträglichen Genehmigung ist im Grundsatz ebenfalls haf- 42 tungsbefreiende Wirkung zuzuerkennen. Zuzustimmen ist der Mindermeinung zunächst darin, dass § 93 Abs 4 Satz 3 keine Analogiesperre bildet, weil die Gesellschaft (auch) beim pflichtwidrigen Abschluss des Unternehmensvertrags wegen dessen schwebender Unwirksamkeit vor Hauptversammlungszustimmung noch in keiner Weise gebunden ist und also ein Schaden und damit ein verzichtbarer Ersatzanspruch noch gar nicht entstanden sind.93 Diese Norm wirkt in der Tat nicht als Sperre für die nachträgliche Billigung der Pflichtverletzung als solcher,94 sondern findet hierauf gar keine Anwendung, schon weil andernfalls eine Entlastung nach § 120 von Organmitgliedern beim Vorliegen einzel-

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In diese Richtung auch MünchKommAktG/ Altmeppen 3 28; aA Hüffer 10 23; Emmerich/Habersack6 14; Emmerich/Habersack9 § 16, 5. Hopt in diesem Kommentar, § 93, 314; Emmerich/Habersack6 14; Emmerich/Habersack9 § 16, 5, 6; Hüffer 10 23; KK/Koppensteiner 3 23; aA Canaris ZGR 1978, 207, 215 f; MünchKommAktG/Altmeppen 3 29; wohl auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S 329 ff. Canaris ZGR 1978, 207, 215; KK/Koppensteiner 3 23; Hopt in diesem Kommentar, § 93, 314; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 29. Dazu Hopt in diesem Kommentar, § 93, 306

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mit Fn 1002. Folgerichtig verneint die ganz hM eine analoge Anwendung des § 93 Abs 3 Satz 4; s nur Hopt ebenda, § 93, 314. Grundlegend Canaris ZGR 1978, 207, 209 ff. Vgl auch Canaris ZGR 1978, 207, 215: Hauptversammung kann Entstehung eines Schadens selbst verhindern. Würdinger Aktienrecht3, S 113; KK/Koppensteiner 3 23; aA Canaris ZGR 1978, 207, 215 f; MünchKommAktG/Altmeppen 3 29 mit Fn 73. MünchKommAktG/Altmeppen 3 29; schon Canaris ZGR 1978, 207, 215. AA KK/Koppensteiner 3 23.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

ner Pflichtverletzungen ausgeschlossen wäre. Soweit die Mindermeinung im Übrigen betont, dass es die Hauptversammlung bei der Genehmigung eines Unternehmensvertrags im Unterschied zu sonstigen Fällen einer nachträglichen Billigung selbst in der Hand habe, den aus der Pflichtverletzung drohenden Schaden noch abzuwenden,95 geht diese Überlegung in die richtige Richtung und lässt sich für die Genehmigung nach § 293 Abs 1 sogar noch schärfen: Der Schaden aus der pflichtwidrigen Ausgestaltung tritt erst mit der konstitutiven Handelsregistereintragung des Unternehmensvertrags ein (§ 294 Abs 2), und zur Vornahme der Registeranmeldung wird der Vorstand durch den Genehmigungsbeschluss gerade angewiesen (§ 83 Abs 2; Rdn 77). Die schadenstiftende Handlung in Gestalt der Anmeldung eines nachteiligen Unternehmensvertrags entgegen den allgemeinen Vorstandspflichten der §§ 76 Abs 1, 93 Abs 1 beruht mit anderen Worten auf dem Genehmigungsbeschluss der Hauptversammlung gemäß § 293 Abs 1, dem daher nach § 93 Abs 4 Satz 1 haftungsbefreiende Wirkung zukommt. Dem Genehmigungsbeschluss nach § 293 Abs 2 mangels Anweisung zur Vornahme der Registeranmeldung demgegenüber eine haftungsentlastende Wirkung zu versagen, wäre sachlich nicht zu begründen; insoweit muss § 93 Abs 4 Satz 1 analoge Anwendung finden. In beiden Konstellationen kann § 93 Abs 4 Satz 1 (analog) im Übrigen nur Anwendung finden, wenn der Vorstand den Genehmigungsbeschluss nicht pflichtwidrig herbeigeführt hat, wenn er also insbesondere eine hinreichende Aufklärung der Hauptversammlung durch sachgerechte Informationen über die Nachteile des pflichtwidrig abgeschlossenen Vertrags vorgenommen hat.96

III. Zustimmungsbeschluss nach Abs 1 1. Beschlusserfordernis

43

a) Zweck. Mit der Zustimmung nach § 293 Abs 1 entscheidet letztlich die Hauptversammlung der verpflichteten Gesellschaft – und nicht deren Vorstand – über den Abschluss und die Ausgestaltung eines Unternehmensvertrags. Das gilt ungeachtet des dem Vorstand zukommenden originären Initiativ- und Ausgestaltungsrechts (Rdn 4). Die Zustimmungspflicht nach § 293 Abs 1 verankert nämlich eine Befugnis der Aktionäre zur eigenständigen Mitwirkung durch Hauptversammlungsbeschluss, nicht eine bloße Kontrollzuständigkeit.97 Erst die Zustimmung der Aktionäre setzt diejenigen Änderungen des durch Gesetz und Satzung etablierten Regelungsstatuts der Gesellschaft mit seinen relevanten Elementen – Verbandszweck, Leitungsstruktur, Vermögensbindung, Pflichtenrahmen des Vorstands – in Geltung, die es der Gesellschaft ermöglichen, die unternehmensvertraglich begründeten Pflichten im Außenverhältnis ohne Konflikte mit ihrem Binnenorganisationsrecht einzugehen.98 Hierbei ist die Umgestaltung des Verbandszwecks als eines notwendigen Satzungsbestandsteils99 zentral, weil die Änderungen der (sonstigen) Organisationsregeln eine entsprechende Adaption auch des Verbandszwecks voraussetzen.

95 96 97

Canaris ZGR 1978, 207, 215 MünchKommAktG/Altmeppen 3 29; schon Canaris ZGR 1978, 207, 216 f. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 380; ausf MünchKommAktG/Altmeppen 3 57; Hüffer 10 1; aA noch OLG Hamm WM

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1981, 882, 884; Vollmer BB 1977, Beil 4, 1, 5. Dazu Mülbert Aktiengesellschaft2, S 162 ff (Beherrschungsvertrag), 166 ff (sonstige Unternehmensverträge) mwN. Verkannt von Dierdorf Herrschaft, S 120.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Bei der gesetzestypischen unverbundenen Gesellschaft sind für den Verbandszweck als 44 der normativen Leitlinie für die Organtätigkeit und das Aktionärsverhalten im Ausgangspunkt zwei Bestandteile zu unterscheiden:100 Die als Eigenwillen bezeichnete Komponente gibt vor, dass sich die Gesellschaft als eigenbestimmte Einheit kraft des von den Gesellschaftsorganen gebildeten Willens betätigt (Autonomieziel).101 Das auch als Eigeninteresse bekannte Element gibt vor, dass die Gesellschaft in Realisierung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands (Sachziel) ihr Unternehmen im eigenen Interesse und damit zugleich im proratarischen Interesse der Aktionäre betreibt. Weitere Präzisierungen des Eigenwillens ergeben sich in zweierlei Hinsicht aus dem Formalziel. Es legt die Intensität der erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftstätigkeit – Gewinnmaximierung, Erzielung angemessenen Gewinns, Kostendeckung etc102 – fest und bestimmt über die Verteilung der durch die Gesellschaft erzielten Wertschöpfung an die Aktionäre: Wertzuwachs der Beteiligung, Förderung der Aktionäre als „Genossen“ etc. Keinen Bestandteil des Verbandszwecks der normtypischen Gesellschaft bildet die Ausschüttung erwirtschafteter Gewinne an die Aktionäre.103 Was die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 Satz 1 anbelangt, erfordert der Be- 45 herrschungsvertrag neben der vom Zustimmungsbeschluss bewirkten Zweckänderung104 weitere Umgestaltungen des Regelungstatuts der normtypischen Gesellschaft. Der Eigenwille und, flankierend, die Leitungsautonomie des Vorstands nach § 76 Abs 1 bedürfen insoweit einer Einschränkung, als die Gesellschaft bei Weisungen nicht mehr kraft des von ihren Organen gebildeten Willens tätig wird. Ebenso ist auch das Eigeninteresse zu modifizieren, weil die Gesellschaft bei weisungsgemäßen einseitigen Vermögenstransfers an den anderen Vertragsteil ihr Unternehmen nicht in eigenen Interesse betreibt und derartige Leistungen zudem gegen die §§ 57, 58, 60 verstoßen würden. Der Gewinnabführungsvertrag setzt ebenfalls eine durch den Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 erfolgende Zweckänderung105 voraus. Die vertragliche Gewinnabführungspflicht berührt nämlich das Eigeninteresse, weil der durch Realisierung des satzungsmäßigen Unternehmensgegestands erzielte Gewinn von der Gesellschaft an den anderen Vertragsteil abzuführen ist.

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Zum Folgenden schon Mülbert Aktiengesellschaft2, S 157 f; MünchKommHGB/ Mülbert3 KonzernR, 119 f. AA insoweit Leuschner Konzernrecht, S 35 ff; noch anders – Autonomie der Gesellschaft ist nicht Bestandteil des Verbandszwecks – KK/Koppensteiner3 105; Milde Gleichordnungskonzern, S 143 ff. Auf diesen Aspekt für den Begriff des Gesellschaftszwecks fokussierend Wiedemann in diesem Kommentar, § 179, 54. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 159; aA Klöhn Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S 207. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 163 ff; ders ZHR 163 (1999), 1, 25; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 156; Spindler/Stilz/Veil2 § 291, 10; Leuschner Konzernrecht, S 46 f; Heidel/Meilicke3 Einl zu §§ 291–310 AktG,

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13; Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S 154 ff; Timm Aktiengesellschaft, S 34; Exner Beherrschungsvertrag, S 42 ff; aA etwa MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 28 (Umgestaltung der Organisationsstruktur); Emmerich/Habersack6 § 291, 26 (Durchbrechung der §§ 57 ff, 76 Abs 1); Hüffer10 § 291, 2 (Unternehmensstrukturänderung). Mülbert Aktiengesellschaft2, S 167 f; KK/Koppensteiner3 Vorb § 291, 160; Spindler/Stilz/Veil2 § 291, 32; Veil Unternehmensverträge, S 145 f; Leuschner Konzernrecht, S 48 f; Heidel/Meilicke3 Einl zu §§ 291–310, 13 AktG; nur iE auch Klöhn Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S 207 (weil Gewinnausschüttung ein Bestandteil des Verbandszwecks ist); aA Hüffer10 § 291, 2 (Unternehmensstrukturänderung).

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

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Bei den Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 ist der Zustimmungsbeschluss im Falle der Gewinngemeinschaft (Nr 1) und des Teilgewinnabführungsvertrags (Nr 2) wie beim Gewinnabführungsvertrag deswegen erforderlich, weil die hierdurch jeweils begründete Verpflichtung im Widerspruch zum Eigeninteresse einer unverbundenen Gesellschaft steht, nicht lediglich wegen einer materiellen Satzungsänderung der formal ohnehin unberührt bleibenden Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung (näher § 292, 14 ff, 18). Dass der Gesellschaft bei der Gewinngemeinschaft und dem Teilgewinnabführungsvertrag als Austauschverträgen (§ 292, 7 f) im Unterschied zum Gewinnabführungsvertrag ein Entgelt zufließt, lässt die Berührung des Eigentintesses nicht entfallen. Der Gesellschaft verbleibt nämlich nicht der durch den Betrieb ihres Unternehmens selbst erzielte Gewinn, sondern das durch eine Art Swapgeschäft ertauschte Entgelt. Bei Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen ist die Hauptversammlungszustimmung ebenfalls nicht lediglich durch eine Satzungsänderung in Gestalt einer Änderung des Unternehmensgegenstands bedingt. Vielmehr ist die verbreitet unter dem Stichwort Rentnergesellschaft umschriebene Beeinträchtigung des Eigeninteresses der Gesellschaft sogar noch intensiver als bei den gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 Nr 1, 2; hinzu kommt noch die Notwendigkeit, das Organisationsstatut der Gesellschaft durch eine Verkürzung des Leitungsauftrags des Vorstands hinsichtlich des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens auf einen betriebsführungsbezogenen Unternehmensvertrag einzustellen (näher § 292, 26 f).

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b) Wirkung. Dass die Aktionäre über die unternehmensvertraglich bedingten Veränderungen (der Satzung; Rdn 44 ff) ihrer Gesellschaft letztverbindlich entscheiden, verwirklicht das Gesetz rechtstechnisch, indem § 293 Abs 1 als Sonderregel gegenüber § 82 Abs 1 durch das zusätzliche Erfordernis der Hauptversammlungszustimmung eine außenwirksame Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands vornimmt.106

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c) Personaler Anwendungsbereich. Nach § 293 Abs 1 Satz 1 bedarf ein Unternehmensvertrag der Zustimmung durch die Hauptversammlung. Zur Mitwirkung ist danach die Hauptversammlung der Gesellschaft (AG oder KGaA) berufen, die zur vertragstypischen Leistung verpflichtet ist.107 Zuzustimmen hat also die Hauptversammlung der Gesellschaft, die sich zur Unterstellung unter fremde Leitung, zur Abführung ihres ganzen Gewinns, zur Übernahme der Geschäftsführung auf fremde Rechnung (§ 291), zur Gewinnzusammenlegung, zur teilweisen Abführung ihres Gewinns oder zur Verpachtung oder Überlassung ihres Unternehmensbetriebs (§ 292) verpflichtet. Bei der Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs 1 Nr 1) muss die Hauptversammlung jeder daran beteiligten AG oder KGaA zustimmen,108 da sich jede Vertragspartei zur vertragstypischen Zusammenlegung des Gewinns verpflichtet. Für die KGaA folgt aus § 285 Abs 2 Satz 1, dass der Hauptversammlungsbeschluss zusätzlich noch der Zustimmung des persönlich haftenden Gesellschafters bedarf.109

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Unstr; s nur KK/Koppensteiner 3 11; Hüffer 10 24; Emmerich/Habersack6 15, 24; Emmerich/Habersack 9 § 16, 6; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher 2 8; Spindler/Stilz/ Veil 2 5. MünchKommAktG/Altmeppen 3 30; Emmerich/Habersack6 5; Emmerich/Habersack9 § 16, 14; Hüffer 10 3; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 20, § 71, 11, § 72, 58.

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 31; Emmerich/Habersack6 5; Hüffer 10 3; MünchHdbAG/Krieger 3 § 72, 58. MünchKommAktG/Altmeppen 3 32; Emmerich/Habersack6 5; Emmerich/Habersack 9 § 16, 14; Hüffer 10 3; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 20; Geßler/Geßler 24.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

d) Entherrschungsvertrag. Beim Abschluss eines – aktienrechtlich ganz überwiegend 49 für zulässig erachteten110 – Entherrschungsvertrags111 zwischen der Gesellschaft und einem Mehrheitsaktionär – insbesondere zum Zwecke der Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs 2112 – ist kein konsentierender Hauptversammlungsbeschluss entsprechend § 293 Abs 1 erforderlich.113 Ein solcher Analogieschluss muss bereits mangels Vergleichbarkeit der Interessenlagen ausscheiden. Es geht im Gegensatz etwa zum Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen nämlich lediglich darum, mittels einer Entherrschungsabrede die gesetzestypische Verbandsautonomie (Rdn 44) der Gesellschaft zu wahren, so dass dem Kontrakt keine den Verträgen nach §§ 291, 292 vergleichbare strukturänderungsgestaltende Rechtsqualität (dazu Vorbem 4 ff zu §§ 291 ff) beigemessen werden kann. Der Blick auf die praxistypische Funktion des Beherrschungsvertrags als eine Art actus contrarius zur Begründung der Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs 2 untermauert dies noch. Ebenso wenig wie die Hauptversammlung zur Konsentierung des Aufbaus von Mehrheitsbeteiligungen und, hierdurch vermittelt, zur Begründung von faktischer Abhängigkeit berufen ist, kann ihre Mitwirkung an einem gegenläufigen Rechtsakt erforderlich sein, der diese Entwicklungen gerade neutralisiert. Dasselbe Ergebnis könnte im Übrigen ohnehin auch mit einem Stimmbindungsvertrag114 erzielt werden, an dem die Gesellschaft gar nicht beteiligt ist und somit eine Hauptversammlungskompetenz von vornherein nicht in Betracht kommt. 2. Beschlussgegenstand: Der Unternehmensvertrag in seiner Gesamtheit Gegenstand des zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses ist der Unternehmens- 50 vertrag in seiner Gesamtheit.115 Das folgt schon daraus, dass § 293 Abs 1 eine eigenständige Mitwirkungsbefugnis der Aktionäre verankert (Rdn 43), müsste aber auch beim Verständnis als bloßer Kontrollzuständigkeit gelten.116 Zu einem Unternehmensvertrag gehören wie auch beim Formgebot des § 293 Abs 3 (Rdn 25) nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB alle Abreden, die die Parteien als zusammengehörig regeln wollten, egal ob diese formal auf mehrere Vertragsurkunden oder verschiedene Vertragsparteien aufgeteilt sind.117 Erstreckt sich der Zustimmungsbeschluss nicht auf alle Vertragsinhalte, weil

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Statt vieler K Schmidt in: FS Hommelhoff 2012, S 985, 993 f; trotz konzeptioneller Bedenken auch schon Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 82 ff; aA etwa Geßler/Geßler § 17, 106; Hüttemann ZHR (1992), 314 ff. Näher hierzu Windbichler in diesem Kommentar, § 17, 76 ff; Götz Entherrschungsvertrag, passim; Hüttemann ZHR 156 (1992), 314; Hentzen ZHR 157 (1993), 65; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 80–103. Dazu Windbichler in diesem Kommentar, § 17, 76; MünchHdbAG/Krieger 3 § 68, 61; Hüffer10 § 17, 22; Henssler/Strohn/MaierReimer § 17, 13 f; Hentzen ZHR 157 (1993), 65; Raiser/Veil 5 § 51, 28; K Schmidt in: FS Hommelhoff 2012, S 985, 993 f; OLG Köln AG 1993, 86, 87 = WM 1993, 644. LG Mainz AG 1991, 30, 32; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 68, 62; MünchKommAktG/

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Bayer 3 § 17, 110; KK/Koppensteiner 3 § 17, 115; Spindler/Stilz/Schall 2 § 17, 52; K Schmidt in: FS Hommelhoff 2012, S 985, 995; aA Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 85 ff; Jäger DStR 1995, 1113, 1117. Dazu Grundmann in diesem Kommentar, § 136, 65 ff. OLG München WM 2009, 1038, 1140 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315; MünchKommAktG/Altmeppen 3 56; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 11, 17. AA OLG Hamm WM 1981, 882, 884; Vollmer BB 1977, Beil 4, S 1, 5. BGHZ 82, 188, 196 f = WM 1982, 86 = AG 1982, 129 (für Vermögensübertragung nach § 361 aF); MünchKommAktG/Altmeppen 3 56; Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/ Habersack9 § 16, 11, 17; Hüffer 10 5; KK/Koppensteiner 3 32; Spindler/Stilz/ Veil 2 14; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

einzelne Zusatzabreden der Hauptversammlung nicht zur Billigung vorgelegt wurden, ist der Beschluss aufgrund eines Inhaltsfehlers anfechtbar. Unabhängig hiervon fehlt es an der von § 293 Abs 1 geforderten Zustimmung zum Unternehmensvertrag in seiner Gesamtheit, so dass der Vertrag unabhängig von dem lediglich vorliegend (s noch Rdn 139) unpassenden § 139 BGB118 in seiner Gesamtheit unwirksam bleibt.119 Aufgrund dieser materiellen Bestimmung des Beschlussgegenstands sind auch solche 51 zusätzliche Abreden und Zusatzverträge zustimmungspflichtig, die unabhängig vom Unternehmensvertrag, aber ersichtlich mit Rücksicht auf diesen getroffen werden.120 Soweit solche Vereinbarungen nach dem zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss erfolgen, ist dies als Vertragsänderung iS des § 295 zu werten, selbst wenn noch keine Handelsregistereintragung erfolgt ist. Die Hauptversammlung muss jedenfalls erneut beschließen (§ 295, 34).121 Die Hauptversammlung kann sich ihrer zwingenden (§ 23 Abs 5) Zustimmungskom52 petenz aus § 293 Abs. 1 nicht dadurch teilweise begeben, dass sie die Detaillierung von Regelungen oder die Verhandlung ergänzender Punkte im Unternehmensvertrag an den Vorstand delegiert.122 Eine solche Delegation würde nicht nur gegen die §§ 23 Abs 5, 293 Abs 1 verstoßen und den Zweck der Hauptversammlungszuständigkeit verfehlen, sondern auch die Informationspflichten der §§ 293a, 293f, 293g Abs 3 leer laufen lassen.123 Ihre Mitwirkungszuständigkeit gibt der Hauptversammlung nämlich gerade auf, über den gesamten Unternehmensvertrag mit sämtlichen Details zu beschließen und sich vorab informieren zu lassen, nicht nur über seine groben Züge.124 Von diesem Delegationsverbot ist keine Ausnahme für die Ermächtigung des Vor53 stands zur Konkretisierung einzelner Punkte durch detaillierte Ausführungsbestimmungen zuzulassen.125 Das folgt wiederum schon daraus, dass die Hauptversammlung nach dem Normzweck der §§ 293 Abs 1, 293a, 293f, 293g Abs 3 nach vorheriger Information über den gesamten Unternehmensvertrag mit sämtlichen Details zu entscheiden hat. Zudem gebietet das Publizitätserfordernis des § 294 Abs 1 Satz 2 nicht nur negativ, dass die Eintragung eines Unternehmensvertrags bei inhaltlicher Unklarheit – und sei es nur

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22; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 24; Grunewald AG 1990, 133, 134 ff; Timm BB 1980, 1655, 1656 f; Windbichler AG 1981, 168, 173; aA noch OLG Hamm WM 1981, 882, 884; Vollmer BB 1977, Beil 4, 1, 5 ff. Emmerich/Habersack6 27. Emmerich/Habersack6 27; aA – unwirksam im Zweifel (§ 139 BGB) – Hüffer 10 5, 12; MünchKommAktG/Altmeppen 3 56; KK/Koppensteiner 3 36; wohl auch OLG München WM 2009, 1038, 1140 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315. BGHZ 82, 188, 197 f = WM 1982, 86 = AG 1982, 129; MünchKommAktG/Altmeppen 3 63; Emmerich/Habersack6 27; Semler BB 1983, 1566, 1568. KK/Koppensteiner 3 35 (§ 295 analog für den Fall der noch ausstehenden Handelsregistereintragung). Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 17; Hüffer 10 5; Spindler/

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Stilz/Veil 2 15; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 24; Geßler/Geßler 39; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 59 ff (mit der – freilich nicht durchführbaren – Einschränkung, dass der Vertragsinhalt, und sei es in Detailfragen, im Eintragungszeitpunkt nicht unklar sein dürfe); v Godin/Wilhelmi 4 3. Emmerich/Habersack6 26. Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 17; Hüffer 10 5; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 24; Geßler/Geßler 39; aA Semler BB 1983, 1566, 1567 f. Emmerich/Habersack6 26; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 17; Hüffer 10 5; KK/Koppensteiner 3 12, 32, 33; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 24; aA MünchKommAktG/ Altmeppen 3 59 ff (mit der – freilich nicht durchführbaren – Einschränkung, dass der Vertragsinhalt, und sei es in Detailfragen, im Eintragungszeitpunkt nicht unklar sein dürfe); v Godin/Wilhelmi 4 3.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

im Detail – zu unterbleiben hat,126 sondern auch positiv, dass der im Handelsregister ersichtliche Inhalt eines Unternehmensvertrags soweit wie möglich für jedermann, und nicht nur für Vorstandsmitglieder, verständlich ist.127 Im Übrigen ließe sich kaum trennscharf zwischen unzulässigen ergänzendem und zulässigem konkretisierendem Detail unterscheiden. Es wäre vielfach eine Sache kautelarjuristischer Geschicklichkeit, eine unternehmensvertragliche Ermächtigungsklausel sprachlich so zu fassen, dass die Vereinbarung einzelner Punkte als bloße konkretisierende Ausführungsbestimmung erschiene. Eine konkretisierende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien, die der Hauptver- 54 sammlung nicht vorgelegen hat, kann auch nicht als Interpretationshilfe bei der Auslegung des Unternehmensvertrags herangezogen werden.128 Besteht ein enger Sachzusammenhang zwischen einer Mehrzahl von Unternehmens- 55 verträgen, darf die Hauptversammlung die mehreren Zustimmungsbeschlüsse im Wege des Sammelbeschlussverfahrens in einer Beschlussfassung zusammenfassen.129 Diese Voraussetzung ist etwa gegeben, wenn eine Vielzahl von stillen Gesellschaftsverträgen mit Anlegern als Teilgewinnabführungsverträge abgeschlossen werden130 (§ 292, 95), aber auch bei der Verbindung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zum Organschaftsvertrag alter Prägung (§ 291, 5) und sonstigen Kombinationen mehrerer Unternehmensverträge zwischen denselben Vertragsparteien131 (dazu § 291, 202 ff, § 292, 137, 165 ff). Hinreichend ist dann der vorgängige Hinweis des Versammlungsleiters, dass über mehrere (aber verbundene132) Unternehmensverträge abgestimmt wird und daher durch (mehrheitliche) Ablehnung der Beschlussvorlage eine Einzelabstimmung herbeigeführt werden kann, und dass kein anwesender Aktionär gegen diese Verfahrensweise Einwände erhebt,133 doch sollten auch schon die entsprechenden Hinweise des Versammlungsleiters genügen.134 3. Beschlussfassung a) Keine Satzungsänderung (Abs 1 Satz 4). Der Zustimmungsbeschluss unterliegt 56 nach der ausdrücklichen Anordnung des § 293 Abs 1 Satz 4 nicht den Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen. Der Gesetzgeber wollte hiermit eine Streitfrage zum AktG 1937 klären135 und sah angesichts der von den §§ 293, 294 aufge-

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So aber MünchKommAktG/Altmeppen 3 59. KK/Koppensteiner 3 12, 32, 33; Geßler/ Geßler 39. OLG München WM 2009, 1038, 1140 = AG 2009, 675 = NZG 2009, 1315; Emmerich/Habersack6 26; Hüffer 10 5; KK/Koppensteiner 3 34; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 24; auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 62; aA v Godin/Wilhelmi 4 3. BGHZ 156, 38, 41 = WM 2003, 1896 = AG 2003, 625 = NZG 2003, 1023; OLG Celle AG 1996, 370, 371; LG Berlin AG 2001, 95, 96; zu restriktiv noch Mülbert in diesem Kommentar, Vorbem 118 zu §§ 118–147. BGHZ 156, 38, 41 = WM 2003, 1896 = AG 2003, 625 = NZG 2003, 1023; OLG Celle AG 1996, 370, 371; LG Berlin AG 2001, 95, 96; Emmerich/Habersack9 § 16, 17; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 24.

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Emmerich/Habersack6 § 292, 45; Hüffer10 § 292, 21. So für die zweite Konstellation etwa Emmerich/Habersack6 § 292, 45; Hüffer10 § 292, 21. BGHZ 156, 38, 41 = WM 2003, 1896 = AG 2003, 625 = NZG 2003, 1023 S auch MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 24. Unter Hinweis auf den organisationsrechtlichen Charakter von Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wurde vielfach eine Satzungsänderung angenommen. Zum historischen Streitstand s Schlegelberger/ Quassowski AktG 1937, § 256, 13; Mestmäcker Verwaltung, S 337 ff; Friedlaender Konzernrecht, S 104.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

stellten besonderen Beschlussanforderungen auch kein Bedürfnis für die Anwendung der Vorschriften über Satzungsänderungen.136 In der Tat entsprechen die Vorgaben der §§ 293 Abs 1 Satz 2, 3, 294 Abs 1 im Wesentlichen den Anforderungen der §§ 179, 181 an eine Satzungsänderung betreffend den Unternehmensgegenstand. Sowohl 293 Abs 1 Satz 2, 3 als auch der spezifisch Änderungen des Unternehmensgegenstands betreffende § 179 Abs 2 Satz 2 Var 2 verlangen nämlich jeweils mindestens die qualifizierte Kapitalmehrheit und erlauben diesbezüglich lediglich strengere Satzungsbestimmungen.137 Der materielle Regelungsgehalt des § 293 Abs 1 Satz 4 ist umstritten. Die wohl hM 57 nimmt an, dass in der Sache eine Satzungsänderung vorliegt und es sich folglich um eine konstitutive Nichtanwendungsvorschrift handelt.138 Die Gegenmeinung klassifiziert die Beschlussfassung über einen Unternehmensvertrag von vornherein nicht als Satzungsänderung139 und misst dem § 293 Abs 1 Satz 4 lediglich deklaratorischen Charakter bei. Das Vorliegen einer Satzungsänderung sei schon deshalb ausgeschlossen, da die während der Dauer des Unternehmensvertrages überlagerten und außer Kraft gesetzten Vorschriften nach Vertragsbeendigung ipso iure wieder auflebten, was mit der Figur der Satzungsänderung kaum erklärt werden könne;140 manche sprechen daher auch im Unterschied zur Satzungsänderung von einer bloßen „Satzungsüberlagerung“.141 Stellungnahme: Materiell ist mit der wohl hM eine Satzungsänderung anzunehmen. 58 Entgegen der Gegenauffassung lässt sich insbesondere auch das automatische Wiederaufleben einzelner Vorschriften nach Beendigung oder Auslaufen einer Strukturmaßnahme mit dem für Satzungsänderungen geltenden aktienrechtlichen Regelungsregime vereinbaren. Satzungsänderungen beziehungsweise satzungsändernde Hauptversammlungsbeschlüsse mit nur vorübergehenden oder befristeten Auswirkungen sind dem Gesetz nämlich wohlbekannt.142 Genehmigtes Kapital etwa kann gemäß § 202 Abs 2 per Satzungsänderung auf bis zu fünf Jahre befristet geschaffen werden,143 so dass die entsprechende Ermächtigung des Vorstands zur Erhöhung des Grundkapitals und damit die Satzungsänderung selbst in ihren Wirkungen nach Ablauf der Frist ipso iure enden, sofern die Ermächtigung nicht ausgeschöpft wird. Ein vergleichbarer Mechanismus lässt sich für Beschlüsse nach § 293 Abs 1 konstatieren, die nach einer gewissen Zeit – etwa durch

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Begründung RegE in: Kropff AktG, S 381. Demgegenüber erlaubt § 179 Abs 2 Satz 2 Var 1 für sonstige Satzungsänderungen auch eine Absenkung der erforderlichen Kapitalmehrheit. Der Sache nach eine Satzungsänderung annehmend zB OLG Karlsruhe NJW 1967, 831, 832; LG Ingolstadt WM 1991, 685, 690 = AG 1991, 24; Emmerich/Habersack 9 § 11, 20; Raiser/Veil 5 § 54, 5; Oesterreich Betriebsüberlassung, S 61 ff; Bälz AG 1992, 277, 285, 299 f; W Bayer Beherrschungsvertrag, S 13 ff; Exner Beherrschungsvertrag, S 53 ff; Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S 81; Timm Aktiengesellschaft, S 35. MünchKommAktG/Altmeppen 3 40 und § 292, 7aE; Emmerich/Habersack6 23; Hüffer 10 11; KK/Koppensteiner 3 2 und

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Vor § 291, 161; Dierdorf Herrschaft, S 122 f; ähnlich Oesterreich Betriebsüberlassung, S 61 ff. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 39. S etwa Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG19, Schlussanhang, 52; ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 39. S Wiedemann in diesem Kommentar, § 179, 159; KK/Zöllner 2 § 179, 197; Hüffer 10 § 179, 25; Schüppen/Schaub/Sickinger 2 MAH Aktienrecht, § 29, 25 ff; K Schmidt/ Lutter/Seibt 2 § 179, 39; MünchKommAktG/ Stein3 § 179, 47; Spindler/Stilz/Holzborn 2 § 179, 162; zur Zulässigkeit befristeter Satzungsänderung im GmbH-Recht MünchKommGmbHG/Harbarth § 54, 91 mwN. Ausführlich Hirte in diesem Kommentar, § 202, 97 ff.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Aufhebung des Unternehmensvertrages (§ 296) – ihre Wirkung einbüßen, womit einzelne temporär außer Kraft gesetzte Regelungen automatisch wieder aufleben.144 Zudem stimmt der Wortlaut des § 293 Abs 1 Satz 4 mit jenem des für die Eingliede- 59 rung geltenden § 319 Abs 1 Satz 2 überein, weswegen beiden Regelungen im Zweifel die gleiche rechtsdogmatische Bedeutung zukommt. Für die Eingliederung steht aber außer Frage, dass der zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss materiell satzungsändernden Charakter aufweist und § 319 Abs 1 Satz 2 folglich eine konstitutive Nichtanwendungsvorschrift darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption ist ein (Eingliederungs-)Vertrag nämlich entbehrlich und entfaltet allenfalls schuldrechtliche Wirkung, so dass die Verfassung der Gesellschaft nur durch den Hauptversammlungsbeschluss selbst einer Modifikation zugeführt werden kann. Dass der Eingliederungsbeschluss bisweilen gleichwohl nicht als satzungsändernder Beschluss, sondern als bloßer „Formalakt“145 oder – wie zum Teil auch der Beschluss nach § 293 Abs 1 (oben Rdn 57) – als die bisherige Satzung lediglich „überlagernde“ Willensbildung der Kooperation146 umschrieben wird, erweist sich vor diesem Hintergrund als irreführend: Zum einen ist mit der Bezeichnung „Formalakt“ in rechtsdogmatischer Hinsicht kein Erkenntnisgewinn verbunden.147 Zum anderen bezeichnet der Begriff der „Satzungsüberlagerung“ im Kapitalgesellschaftsrecht die ganz anders gelagerten Fallgestaltungen, in denen eine individualrechtliche (schuldrechtliche) Vereinbarung zwischen Gesellschaftern die Regelungen des Satzungsrechts im Innenverhältnis dieser Gesellschafter zueinander umgestalten soll,148 was in Anbetracht der auch und gerade in das Außenverhältnis, etwa gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, wirkenden Rechtsfolgen sowohl des Eingliederungsbeschlusses (s §§ 321 f) als auch des Zustimmungsbeschlusses iS von § 293 (s § 303) für diese korporationsrechtlichen Rechtsgeschäfte nicht gilt. b) Stimmberechtigung des anderen Vertragsteils aa) Kein Stimmrechtsausschluss. Bei der Beschlussfassung kann auch derjenige 60 Aktionär sein Stimmrecht ausüben, der zugleich anderer Vertragsteil iS des § 293 Abs 2 ist,149 so dass der positive Beschluss sogar allein mit dessen Stimmen gefasst sein kann. Die allgemeinen Stimmrechtsausschlusstatbestände des § 136 Abs 1 passen hier von vornherein nicht. Einen besonderen Stimmrechtsausschluss hat der Gesetzgeber bei § 293 bewusst nicht vorgesehen und damit in Kauf genommen, dass die Zustimmung im Ergebnis ausschließlich auf dem Stimmverhalten des Mehrheitsaktionärs beruhen kann.150 Rechtspolitisch wird am fehlenden Stimmrechtsausschluss bisweilen kritisiert, dass 61 der Verbandswille damit allein das Sonderinteresse des anderen Vertragsteils wiederspiegele und die Minderheitsinteressen gänzlich ausgeblendet würden.151 Zudem würde ein

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IE wie hier Emmerich/Habersack 9 § 11, 20. So Begründung RegE in: Kropff AktG, S 422; ähnlich MünchHdbAG/Krieger 3 § 73, 10 („Formalie“). So Hüffer 10 § 319, 3. Insoweit zutreffend Hüffer 10 § 319, 3; ferner Spindler/Stilz/Singhof 2 § 319, 6. S BGHZ 123, 15, 20 = WM 1993, 1337; 32, 17, 29 = WM 1960, 349; zum Ganzen auch Hoffmann in Michalski, GmbHG2 § 53, 41 ff mwN.

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 1, 41; Emmerich/Habersack6 30a; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 20 (krit); vgl Hüffer 10 9; KK/Koppensteiner 3 30; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 49; Geßler/Geßler 34; Hüchting Abfindung und Ausgleich, S 97; Sonnenschein S 357 f. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 380 f. Dazu vor allem Emmerich/Habersack6 30a; Emmerich/Habersack 9 § 16, 20, 21; Emme-

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

Ausschluss des Stimmrechts die Möglichkeit eröffnen, dass die Parteien sich über die Höhe der Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der §§ 304, 305 in einer gerechten Verhandlungslösung einigen.152 Demgegenüber ist freilich zu bedenken, dass der Stimmrechtsausschluss die Vertragsparität stark zugunsten der außenstehenden Aktionäre verzerren würde, die mit dem Zustimmungserfordernis ein besonders wirksames Druckmittel in der Hand hätten und den anderen Vertragsteil opportunistisch ausnutzen könnten.153 Für die Gesetzeslage spricht zudem, dass das Vertragskonzernrecht die außenstehenden Aktionäre wirksamer schützt als die §§ 311 ff, die zur Anwendung kämen, würde der Mehrheitsaktionär wegen des Stimmrechtsausschlusses vom Abschluss eines Unternehmensvertrags absehen.154

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bb) Beteiligung des Aufsichtsrats nach § 32 MitbestG. Ein Aktionär in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hat bei der Stimmrechtsausübung die Sonderregel des § 32 MitbestG 1976 zu beachten, wenn er als künftiger anderer Vertragsteil iS des § 293 Abs 2 eine Beteiligung von mindestens einem Viertel an der Gesellschaft hält und beide Vertragsparteien dem MitbestG 1976 unterliegen. Vorstand bzw Geschäftsführer des künftigen anderen Vertragsteils bedürfen für die Wahrnehmung der Stimmrechte (unter anderem) bei der Abstimmung über einen Unternehmensvertrag (§§ 291, 292) eines konsentierenden Beschlusses des Aufsichtsrats der von ihnen vertretenen Gesellschaft (§ 32 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MitbestG), wobei dieser Aufsichtsratsbeschluss lediglich die Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner erfordert (§ 32 Abs 1 Satz 2 MitbestG); die Arbeitnehmervertreter haben jedoch ein Teilnahme- und Beratungsrecht.155 Dieses Beschlusserfordernis statuiert eine – systemwidrige156 – Beschränkung der Vertretungsmacht von Vorstand und Geschäftsführern.157 Bei einer Stimmrechtsausübung ohne oder gegen einen solchen Aufsichtsratsbeschluss sind die abgegebenen Stimmen daher unwirksam gemäß § 180 Satz 1 BGB;158 als Ausnahme hiervon ist die von einem Aufsichtsratsbeschluss abweichende Stimmabgabe auch gültig, wenn das vertretungsberechtigte Organ entsprechend § 665 BGB damit rechnen durfte, dass der Aufsichtsrat bei Kenntnis der Sachlage das Stimmverhalten gebilligt hätte.159 Die Berück-

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rich AG 1991, 303, 307; Immenga in: FS Böhm 1975, S 253, 257, 262; ders RabelsZ 1984, 48, 59; Sonnenschein S 347 ff; ders ZGR 1981, 429, 440. KK/Koppensteiner 3 30. KK/Koppensteiner 3 30; im Rahmen einer Interessenabwägung auch Hüffer 10 9. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 380 f; KK/Koppensteiner 3 30; v Godin/Wilhelmi 4 7; aus rechtsgeschichtlicher Sicht auch Wilhelm Rechtsform, S 87, 96 ff. S nur Heidel/Wichert 3 § 32 MitbestG, 5 mwN. Emmerich/Habersack 9 § 5, 56; Heidel/ Wichert 3 § 32 MitbestG, 1; wohl auch Spindler/Stilz/Veil 2 21 (fragwürdig). Ganz hM; Habersack in diesem Kommentar, § 78, 7; Oetker in diesem Kommentar, § 32 MitbestG, 22; Ulmer/Habersack in: Ulmer/ Habersack/Hennsler MitbestR2, § 32 MitbestG, 15; KK/Mertens/Cahn 3 § 78, 18;

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KK/Mertens 3 Anh § 117 B § 32 MitbestG, 14; Hüffer 10 § 78, 8a; Hölters/Weber § 78, 13; MünchHdbAG/HoffmannBecking 3 § 29, 53; Fitting/Wlotzke/Wißmann MitbestG § 32, 23; Raiser MitbestG § 32, 25; ErfK/Oetker 12 § 32 MitbestG, 3; Semler in: FS Kropff 1997, S 301, 305 f; Philipp Betrieb 1976, 1622, 1624 f; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 42 (nur interne Bindung, arg e § 82 und § 37 GmbHG); Crezelius ZHR 144 (1980), 372 ff; Eichler BB 1977, 1064; Säcker Betrieb 1977, 2031, 2035. S Habersack in diesem Kommentar, § 78, 7; Ulmer/Habersack in: Ulmer/Habersack/ Hennsler MitbestR2, § 32 MitbestG, 16; Hüffer 10 § 78, 8b; KK/Mertens/Cahn 3 § 78, 18; Spindler/Stilz/Fleischer 2 § 78, 18. Näher Ulmer/Habersack/Hennsler MitbestR2 § 32 MitbestG, 18 f; ferner Oetker in diesem Kommentar, § 32 MitbestG, 21;

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

sichtigung von nach Maßgabe dieser Regeln unwirksam abgegebenen Stimmen bei der Beschlussfeststellung bildet nach den allgemeinen Regeln einen Anfechtungsgrund (§ 243 Abs 1 Alt 1).160 Ausräumen lässt sich die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses analog den §§ 180 Satz 2, 177 Abs 1 BGB für den Fall, dass der Leiter der Hauptversammlung die Stimmabgabe nicht analog § 134 Abs 3 Satz 2 AktG beanstandet hatte.161 c) Beschlussmehrheit (Abs 1 Satz 2). Der Zustimmungsbeschluss bedarf nach § 293 63 Abs 1 Satz 2 einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Diese qualifizierte Kapitalmehrheit muss zusätzlich zur nach § 133 Abs 1 ohnehin erforderlichen einfachen Stimmenmehrheit erfüllt sein (doppelte Mehrheit).162 Bei ihrer Berechnung sind stimmrechtslose Vorzugsaktien vom vertretenen Grundkapital abzuziehen, es sei denn, dass Rückstände bei der Bezahlung der Vorzugsdividende vorliegen (§ 140 Abs 2 Satz 2).163 In diesem Ausnahmefall steht den Vorzugsaktionären überdies ein Stimmrecht zu (§ 140 Abs 2 Satz 1). Praktische Bedeutung kommt dem kumulativen Mehrheitserfordernis nach Abschaffung von Mehrstimmrechtsaktien zum 1. Juni 2003 (§ 12 Abs 2, § 5 EGAktG164) nur zu, soweit bei einer nichtbörsennotierten Gesellschaft ein Höchststimmrecht besteht (§ 134 Abs 1 Satz 2) oder soweit bei einer Gesellschaft teileingezahlte Aktien vorliegen (§ 134 Abs 2). Ungeachtet der hohen Zustimmungsschwelle, deren weitere Verschärfung (nicht aber 64 deren Herabsetzung) de lege lata durch Satzungsregelung möglich ist (§ 293 Abs 1 Satz 3; Rdn 112) und vereinzelt de lege ferenda angemahnt wurde,165 erscheint der Zustimmungsbeschluss vielen als bloßer Formalakt,166 weil der andere Vertragsteil regelmäßig

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KK/Mertens 3 Anh § 117 B § 32 MitbestG, 15; Semler in: FS Kropff 1997, S 301, 306; weitergehend – Wirksamkeit auch bei unberechtigter Abweichung – etwa Fitting/ Wlotzke/Wißmann MitbestG § 32, 26; MünchKommAktG/Gach 3 § 32 MitbestG, 14; Philipp Betrieb 1976, 1622, 1625; aA – die erneute Befassung des Aufsichtsrates für erforderlich haltend – Hoffmann/ Lehmann/Weinmann MitbestG § 32, 52; s auch KK/Mertens/Cahn 3 § 78, 19. So die hM, s etwa Hüffer 10 § 78, 8b; Ulmer/Habersack in: Ulmer/Habersack/ Hennsler MitbestR2, § 32 MitbestG, 15; Raiser MitbestG § 32, 24; Emmerich/ Habersack 9 § 5, 56; Spindler/Stilz/Fleischer 2 § 78, 18; Heidel/Oltmanns 3 § 78, 8; aA – kein Anfechtungsgrund, aber Vorstand macht sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig – MünchKommAktG/Gach 3 § 32 MitbestG, 14 mwN. Oetker in diesem Kommentar, § 32 MitbestG, 22; Hüffer 10 § 78, 8b; Ulmer/Habersack in: Ulmer/Habersack/Hennsler MitbestR2, § 32 MitbestG, 16; Hoffmann/ Lehmann/Weinmann MitbestG § 32, 44; KK/Mertens/Cahn 3 § 78, 19; KK/Mertens 3 Anh § 117 B § 32 MitbestG, 14; insoweit auch MünchKommAktG/Gach 3 § 32

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MitbestG, 13; näher Weiss Der Konzern 2004, 602 f; allgemein für eine Anwendbarkeit der §§ 117 ff BGB bei von § 78 AktG abweichenden Vertretungsregelungen Habersack in diesem Kommentar, § 78, 12; aA Fitting/Wlotzke/Weinmann MitbestG § 32, 52; Philipp Betrieb 1976, 1624, 1626. MünchKommAktG/Altmeppen 3 37; Emmerich/Habersack6 30; Emmerich/Habersack 9 § 16, 19; Hüffer 10 8; KK/Koppensteiner 3 28; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 24; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 49; Geßler/ Geßler 27. Emmerich/Habersack9 § 16, 19. Mehrstimmrechtsaktien können seitdem nur bestehen, wenn die Hauptversammlung vor diesem Zeitpunkt einen Fortgeltungsbeschluss nach Maßgabe des § 5 Abs 1 EGAktG gefasst hatte. Sonnenschein ZGR 1981, 429, 440. Wiedemann/Hirte in: FG 50 Jahre Bundesgerichtshof 2000, S. 337, 371; Emmerich/ Habersack6 30a (anders, wenn die Mitwirkung außenstehender Aktionäre für das herrschende Unternehmen zwingend notwendig ist); Emmerich/Habersack 9 § 16, 20: Ausnahmen sind denkbar, aber „selten“; Emmerich AG 1991, 303, 307.

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

unmittelbar oder mittelbar bereits über die erforderliche Kapital- und Stimmenmehrheit verfüge und keinem Stimmverbot unterliege (Rdn 60). Dieses Verdikt gilt aber lediglich für die Beschlussfassung, also den Abstimmungsvorgang. Hingegen bleibt die Beschlussvorbereitung wegen des durch die Informationspflichten der §§ 293a, 293f, 293g Abs 3 vermittelten Schutzes gerade für die Aktionärsminderheit in Abhängigkeitslagen von substanzieller Bedeutung. 4. Beschlussinhalt a) Zustimmung (Abs 1 Satz 1)

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aa) Einwilligung und Genehmigung (§§ 183, 184 BGB). Die von § 293 Abs 1 Satz 1 verlangte Zustimmung der Hauptversammlung kann als Genehmigung (§ 184 BGB) dem Abschluss des schwebend unwirksamen Vertrags nachfolgen, aber auch als Einwilligung (§ 183 BGB) dazu erteilt werden, dass der Vorstand einen im Entwurf vorliegenden Unternehmensvertrag (Einwilligungsbeschluss) abschließt.167 Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sich auch ein Vertragsentwurf nach Maßgabe der §§ 293a ff prüfen, auslegen und erläutern lässt, so dass das Informationsbedürfnis der Aktionäre vollumfänglich befriedigt werden kann.168 Dass § 293 an keiner Stelle von Vertragsentwurf spricht, ist schon deswegen unschädlich, weil auch im Falle eines vorherigen Vertragsschlusses durch den Vorstand noch kein wirksamer Vertrag vorliegt (Rdn 76). Allerdings erfordert eine wirksame Einwilligung, dass die umfassende Information der Aktionäre nach den §§ 293a, 293f, 293g Abs 3 effektiv gewährleistet ist. Dies setzt einen vollständig ausgehandelten Vertragsentwurf voraus und bedingt, dass über jede nachträgliche Abänderung erneut Beschluss gefasst wird.169 Daher ist auch ein Initiativbeschluss der Hauptversammlung nach § 83 Abs 1 Satz 2 (Rdn 6) selbst dann kein einwilligender Zustimmungsbeschluss iS des § 293 Abs 1, wenn er sich ausdrücklich konsentierend auf einen bereits fertigen Vertragsentwurf bezieht,170 es sei denn bei – praktisch wohl kaum je gegebener – Wahrung auch der §§ 293a ff. In aller Regel wird die Hauptversammlung beim Vorliegen eines durchverhandelten Vertragsentwurfs allerdings einen einwilligenden Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 oder Abs 2 fassen, der zugleich als Initiativbeschluss nach § 83 Abs 1 Satz 2 den Vorstand nach § 83 Abs 2 zum Abschluss des konsentierten Vertragsentwurfs verpflichtet.171

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bb) Keine Abänderungsbefugnis. Die Hauptversammlung kann dem Unternehmensvertrag entweder zustimmen oder ihm die Zustimmung verweigern, nicht aber inhaltliche Änderungen vornehmen. Eine Zustimmung unter Abänderung des materiellen Vertragsinhalts, und sei diese auch noch so marginal, ist von der Mitwirkungsbefugnis aus § 293 Abs 1 nicht gedeckt und demzufolge als endgültige Verweigerung der Zustimmung anzusehen;172 lediglich rein redaktionelle Änderungen stehen der Hauptversammlung

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Schon Begründung RegE in: Kropff AktG, S 383; MünchKommAktG/Altmeppen 3 34; Emmerich/Habersack6 25; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 16; Hüffer 10 4; MünchHdbAG/Krieger 2 § 70, 24; Spindler/Stilz/ Veil 2 16; nunmehr auch KK/Koppensteiner 3 6. KK/Koppensteiner 3 6. MünchKommAktG/Altmeppen 3 34; Hüffer 10 4; MünchHdbAG/Krieger 2

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§ 70, 24; Emmerich/Habersack6 25; Emmerich/Habersack9 § 16, 16. AA MünchKommAktG/Altmeppen 3 8. Emmerich/Habersack6 § 294, 27. MünchKommAktG/Altmeppen 3 35; Hüffer 10 13; KK/Koppensteiner 3 38; Emmerich/Habersack6 28; Spindler/Stilz/Veil 2 27; K Schmidt/Lutter/Langenbucher2 22; aA – den Vertrag in seiner Substanz bzw seinem wirtschaftlichem Gehalt unberührt lassende

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

offen.173 Jüngere Kritik, dass die Einordnung eines präzisen Änderungsbeschlusses als Initiativbeschluss nach § 83 Abs 1 Satz 2 statt als positivem Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 überflüssigerweise eine nochmalige Hauptversammlung mit insoweit identischem Beschlussgegenstand zur Folge habe,174 läuft in der Sache auf eine Aushöhlung des von den §§ 293a, 293f bezweckten Aktionärsschutzes durch Information im Vorfeld der Hauptversammlung hinaus. Regelmäßig wird in einem abändernden Zustimmungsbeschluss zugleich eine An- 67 weisung nach § 83 Abs 1 Satz 2 an den Vorstand liegen (oben Rdn 6), den entsprechend modifizierten Unternehmensvertrag auszuverhandeln und abzuschließen.175 Aus den tatsächlichen Umständen kann sich aber auch einmal ergeben, dass die Hauptversammlung dem Vorstand ein Entschließungsermessen einräumt, ob er den verändert akzeptierten Vertrag umsetzen will oder nicht.176 cc) Einräumung von Anmeldeermessen. Stellt der Zustimmungsbeschluss die Anmel- 68 dung des von der Hauptversammlung gebilligten Unternehmensvertrags in das Ermessen des Vorstands, handelt es sich nicht um einen Fall der Abänderung des materiellen Vertragsinhalts iS der Rdn 66. Vielmehr liegt in dieser Einräumung von Entschließungsermessen eine zulässige177 punktuelle Einschränkung der Ausführungspflicht des Vorstands aus § 83 Abs 2. b) Keine Bezeichnung des Vertragstyps. Der Zustimmungsbeschluss muss den Typus 69 des zur Zustimmung anstehenden Unternehmensvertrags nicht ausdrücklich bezeichnen.178 Für das Erfordernis einer ausdrücklichen Benennung des Vertragstypus wird zwar angeführt, dass den beschlussbeteiligten Aktionären die daran geknüpften unterschiedlichen Rechtsfolgen zu vergegenwärtigen seien.179 Auch wird § 294 Abs 1 Satz 1 entnommen, dass bereits der Beschlussgegenstand verhindern müsse, dass der Vorstand den akzeptierten Unternehmensvertrag später unter falscher Bezeichnung zum Handelsregister anmelde.180 Doch wie bereits bei der Parallelfrage nach dem notwendigen Inhalt der Vertragsurkunde (Rdn 12) verlangen weder das Gesetz noch die systematisch-teleologische Auslegung eine solche formale Betrachtungsweise. Schließlich sind die Aktionäre nach den §§ 293a, 293f eingehend zu informieren, wozu auch die „wahre“ Rechtsnatur des Unternehmensvertrags gehört, und sie können in der Hauptversammlung zusätzlich weitere Informationen erfragen (§ 293g Abs 3). Durch dieses gesetzliche Informationssystem werden sie weit wirksamer geschützt als dies die Verwendung der Fachbezeich-

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Änderungen sind zulässig – Semler/Volhard/ Schlitt Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung2 § 4, 175; sogar substantielle vertragsändernde Eingriffe zulassend Deilmann/Messerschmidt NZG 2004, 977, 985. Hüffer 10 13; Deilmann/Messerschmidt NZG 2004, 977, 984; auch K Schmidt/Lutter/ Langenbucher 2 39 (mit der Maßgabe, dass die Änderung im Beschlussvorschlag und Hauptversammlungsprotokoll festgehalten sind). Deilmann/Messerschmidt NZG 2004, 977, 985. Zurückhaltender – „Tatfrage“ – MünchKommAktG/Altmeppen 3 35; Hüffer 10 13; auch Emmerich/Habersack6 28; Emme-

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rich/Habersack 9 § 16, 16; aA – stets Fall des § 83 Abs 1 Satz 2 – KK/Koppensteiner 3 33; Deilmann/Messerschmidt NZG 2004, 977, 985. Hüffer 10 13; MünchKommAktG/Altmeppen 3 35 mit Fn 87. Emmerich/Habersack6 32. MünchKommAktG/Altmeppen 3 76 f; Emmerich/Habersack6 17; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 8; Hüffer 10 14; Spindler/ Stilz/Veil 2 35; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 49; aA KK/Koppensteiner 3 57 ff; Geßler/ Geßler 45; offengelassen von LG Hamburg WM 1991, 1081 = AG 1991, 365, 366. KK/Koppensteiner 3 37. KK/Koppensteiner 3 37.

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

nung des AktG leisten könnte.181 Vor dem Hintergrund der diversen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den unterschiedlichen Unternehmensverträgen kann es daher nur auf eine materielle Betrachtungsweise und nicht auf die juristische Etikettierung des Beschlussgegenstands ankommen.182

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c) Kein Sachgrunderfordernis. Für den Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 bestehen über die Erfordernisse der Rdn 62, 63 f hinaus keine weiteren positiven gesetzlichen Beschlussanforderungen. Insbesondere ist neben dem Erreichen der Beschlussmehrheit nicht zusätzlich noch ein materieller Sachgrund erforderlich, und zwar weder bei der Zustimmung zu einem Unternehmensvertrag iS des § 291183 noch zu einem Vertrag iS des § 292.184 Dies ist selbstverständlich, wenn man die extra legem entstandene Doktrin vom sachlichen Grund prinzipiell ablehnt.185 Auf der Grundlage der von der hM verfochtenen Doktrin vom sachlichen Grund – 71 (bestimmte) zweckgebundene Gesellschaftsbeschlüsse müssen im Gesellschaftsinteresse liegen, zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks erforderlich und bei Abwägung mit den Interessen der dissentierenden Minderheitsaktionäre verhältnismäßig sein – ist für den Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 zunächst festzuhalten, dass das Erfordernis eines zusätzlichen Sachgrunds als Schutzmechanismus seit der Einführung der Vertragsprüfung nach § 293b kaum mehr praktische Bedeutung hat.186 Von besonderer Bedeutung ist aber die dem Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzip geschuldete Selbstbeschränkung der Doktrin vom sachlichen Grund des Inhalts, dass ein Mehrheitsbeschluss letztentscheidend bleibt, wenn der Gesetzgeber selbst die Interessenabwägung zu Lasten der Gesellschafterminderheit vorgenommen hat und ein Mehrheitsbeschluss seinen rechtfertigenden Grund damit in sich trägt.187 Eine durch den Gesetzgeber vorgeprägte Entscheidung ist zunächst beim Zustim72 mungsbeschluss zu den Verträgen des § 291 gegeben, indem das Gesetz die Zulassung dieser Verträge mit einem kraft Gesetzes eingreifenden kompensatorischen Schutzmechanismus (auch) zugunsten der außenstehenden Aktionärsminderheit in Gestalt der §§ 300 ff, 304 f verknüpft.188 Zudem liefe der von den §§ 304 Abs 3 Satz 2, 305 Abs 5 verfügte 181

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Emmerich/Habersack6 17; MünchKommAktG/Altmeppen 3 76–77; Hüffer 10 14; Spindler/Stilz/Veil 2 35; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 49. So auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 76. Hüffer 10 7; KK/Koppensteiner 3 62; MünchKommAktG/Altmeppen3 51 ff; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 50; Kort Bestandsschutz, S 144; unter Verweis auf die zwingende Vertragsprüfung nach § 293b nunmehr auch Emmerich/Habersack6 35; Emmerich/Habersack9 § 16, 21; ferner LG München I AG 2009, 918, 920 reSp; Klöhn Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S 354; aA Emmerich AG 1991, 303, 307; Martens in: FS R Fischer 1979, S 437, 446; Wiedemann Gesellschaftsrecht, Bd I, S 444 ff; ders ZGR 1980, 147, 156 f; differenziend Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 144 ff, 191; Timm ZGR 1987, 403, 426 ff.

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Hüffer 10 7; MünchKommAktG/Altmeppen3 51 ff; MünchHdbAG/Krieger 3 § 72, 62; Kort Bestandsschutz, S 144; Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 144 ff; unter Verweis auf die zwingende Vertragsprüfung nach § 293b nunmehr auch Emmerich/Habersack6 35; Emmerich/Habersack9 § 16, 21; aA KK/ Koppensteiner3 63; Emmerich AG 1991, 303, 307; Martens in: FS R Fischer 1979, S 437, 446; einschränkend Timm ZGR 1987, 403, 426 ff (nur bei abhängigkeitsstiftendem Beherrschungsvertrag); Wiedemann Gesellschaftsrecht, Bd I, S 444 ff; ders ZGR 1980, 147, 156 f. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 321 ff. Emmerich/Habersack6 35; Emmerich/ Habersack9 § 16, 21. Dazu K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 56 f. Hüffer 10 7; KK/Koppensteiner 3 62; MünchKommAktG/Altmeppen 3 51, 52; Münch-

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Anfechtungsausschluss wegen Erstrebens von Sondervorteilen weitgehend leer, ließe sich mit der Anfechtungsklage das Fehlen eines rechtfertigenden Sachgrunds geltend machen.189 Die zusätzliche Erwägung, dass ein Beherrschungsvertrag im praktischen Regelfall zwischen bereits verbundenen (§ 15) Gesellschaften geschlossen werde, weswegen der Vertrag selbst zu keinem wesentlichen zusätzlichen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte bei der Untergesellschaft führe und also von vornherein keiner Rechtfertigung bedürfe,190 trägt hingegen nur, wenn man hierbei lediglich auf die Herrschaftsrechte der Aktionäre fokussiert.191 Unbehelflich ist schließlich der insbesondere auf den Abschluss eines abhängigkeitsbegründenden Beherrschungsvertrags mit einem Unternehmensgesellschafter bezogene Hinweis, dass hierfür kein zusätzlicher Sachgrund erforderlich sein könne, weil der Gesetzgeber durch eine entsprechende Ausgestaltung der §§ 311 ff die Unternehmenspraxis dazu veranlassen wollte, den Beherrschungsvertrag statt des faktischen Konzerns zu wählen.192 Tatsächlich heißt es in der Gesetzesbegründung nur, dass diejenige Konzernleitung auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrags verwiesen werden solle, die die im Interesse der abhängigen Gesellschaft, deren Aktionären und deren Gläubigern vorgesehenen Einschränkungen nicht hinnehmen will.193 Hieraus folgt mitnichten, dass nicht zusätzliche Anforderungen an das Zustandekommen eines Beherrschungsvertrags im Interesse der außenstehenden Aktionäre gestellt werden dürften. Gleichwohl muss es aus den zunächst genannten Gründen dabei bleiben, dass es keines rechtfertigenden Sachgrunds bedarf. Bei den Verträgen des § 292 ist ebenfalls eine gesetzliche Vorprägung des Mehrheits- 73 beschlusses im in Rdn 71 beschriebenen Sinne anzunehmen.194 Zwar sind diese durchaus geeignet, durch erhebliche Beeinträchtigung der Gewinnverwendung oder Betriebsführung in die Mitgliedschaftsrechte bei der verpflichteten Gesellschaft einzugreifen.195 Jedoch hat der Gesetzgeber mit den §§ 57, 58, 60, 62 (s § 292 Abs 3) sowie 302 Abs 2 auch bei diesen Verträgen eine Kompensation der Gesellschaft und damit reflexartig ihrer außenstehenden Aktionäre bei unangemessener Gegenleistung vorgesehen und so den grundsätzlichen Respekt des Gesetzes vor der Mehrheitsentscheidung zum Ausdruck gebracht. d) Zustimmungspflicht. Aktionäre sind bei der Beschlussfassung über den Unterneh- 74 mensvertrag grundsätzlich frei darin, zuzustimmen ober die Zustimmung zu verweigern.

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HdbAG/Krieger 3 § 70, 50, § 72, 62; Kort Bestandsschutz, S 144; Lutter ZGR 1979, 401, 412; ders ZGR 1981, 171, 180; Spindler/Stilz/Veil 2 24; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 25 aE; aA für abhängigkeitsbegründende Unternehmensverträge Timm ZGR 1987, 403, 427 f. KK/Koppensteiner 3 62; KK/Zöllner § 243, 250; Glaser Grenzen des Weisungsrechts im Vertragskonzern, S 207; Semler BB 1983, 1566, 1569; aA Wiedemann Gesellschaftsrecht, Bd I, S 445 f; Martens in: FS R Fischer 1979, S 437, 446; differenzierend Timm ZGR 1987, 403, 426 ff. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 50; schon Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 144 ff (mit folgerichtiger Ausnahme für Abschluss eines Beherrschungsvertrags zwischen bislang

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unverbundenen Unternehmen, S 191); Timm ZGR 1987, 403, 427 f. So in der Tat Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 144 ff. MünchKommAktG/Altmeppen 3 52; in diesem Sinne auch Timm ZGR 1987, 403, 426. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 409. Hüffer 10 7; MünchHdbAG/Krieger 3 § 72, 62; Kort Bestandsschutz, S 144; MünchKommAktG/Altmeppen 3 54; Spindler/Stilz/ Veil 2 25; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 25 aE; aA KK/Koppensteiner 3 63; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd I, S 445 f; Timm BB 1980, 1655, 1656 (bei § 361 aF); unklar Windbichler AG 1981, 169, 174. So KK/Koppensteiner 3 63; vgl auch Semler BB 1983, 1566, 1569.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

Daran ändert sich auch nichts, wenn der zur Beschlussfassung anstehende Organschaftsvertrag oder Gewinnabführungsvertrag die Steuervorteile der Organschaft (§§ 14 ff, 17 KStG) zugänglich machen soll. Nur wenn die Verweigerung einer im Unternehmensinteresse dringend gebotenen Zustimmung auf unsachlichen, eigennützigen Motiven oder der Absicht vorsätzlicher Schädigung beruht, kann sich das Stimmrecht nach allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsätzen aufgrund der mitgliedschaftlichen Treupflicht oder § 826 BGB ausnahmsweise zu einer Zustimmungspflicht verdichten.196 Das wird aber lediglich in ganz seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Allein die mit der Organschaft verbundenen steuerlichen Vorteile können eine entsprechende Verpflichtung nicht begründen.197 5. Beschlussförmlichkeiten; Handelsregistereinreichung

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Die förmlichen Anforderungen an den Zustimmungsbeschluss ergeben sich aus der allgemeinen Bestimmung des § 130, nicht aus dem lediglich den Unternehmensvertrag selbst betreffenden § 293 Abs 3. Der Beschluss muss also durch Aufnahme in die notarielle Niederschrift beurkundet werden (§ 130 Abs 1 Satz 1).198 Überdies ist der Unternehmensvertrag der Niederschrift als Anlage beizufügen (§ 293g Abs 2 Satz 2). Eine öffentlich beglaubigte Abschrift oder, bei nichtbörsennotierten Gesellschaften, eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnete Abschrift der Niederschrift und deren Anlagen sind unverzüglich zum Handelsregister der Gesellschaft einzureichen (§ 130 Abs 5). 6. Beschlussfolgen

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a) Schwebende Vertragsunwirksamkeit. Verweigert die Hauptversammlung die nach § 293 Abs 1 erforderliche Zustimmung, ist der Unternehmensvertrag endgültig unwirksam.199 Aber auch bei Zustimmungserteilung ist der Unternehmensvertrag – unabhängig von einer gemäß § 293 Abs 2 erforderlichen, noch ausstehenden Zustimmung auch des anderen Vertragsteils – bis zur vertragskonstitutiven Eintragung ins Handelsregister der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft gemäß § 294 Abs 2 weiterhin schwebend unwirksam200 (§ 294, 60). Die Zustimmung der Hauptversammlung(en) ist eine wesentliche, nicht aber eine hinreichende Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrags. Gleichwohl verändern diese Beschlüsse die Pflichtenlage der jeweils beschlussfassenden Partei im Innen- und Außenverhältnis. b) Vertragstypisch verpflichtete Gesellschaft

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aa) Anmeldepflicht des Vorstands. Der Vorstand der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft und dessen Mitglieder sind im Binnenverhältnis gegenüber der Gesellschaft

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Näher Henze/Notz in diesem Kommentar, Anh § 53a, 58 ff. Spindler/Stilz/Veil 2 22; in der Sache auch Emmerich/Habersack6 30a; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 45: Zustimmungspflicht des Aktionärs für den Fall, dass der Vertragskonzern im „dringenden Interesse der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter“ geboten ist. MünchKommAktG/Altmeppen 3 36; Emme-

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rich/Habersack6 24; Emmerich/Habersack 9 § 16, 15; Hüffer 10 11; Spindler/Stilz/ Veil 2 17. KG AG 2000, 183, 185 = NZG 1999, 1102; Hüffer 10 12; Emmerich/Habersack6 15. KK/Koppensteiner 3 39; Hüffer 10 12, 15; MünchKommAktG/Altmeppen 3 64; Emmerich/Habersack 9 § 16, 6; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 52.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

verpflichtet, den schwebend unwirksam abgeschlossenen Unternehmensvertrag zur Eintragung beim Handelsregister anzumelden, sobald die Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft, und in den Fällen des § 293 Abs 2 auch die der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils, vorliegt (§ 83 Abs 2);201 abweichend liegt es nur bei der Einräumung eines Anmelde- oder Durchführungsermessens (Rdn 67 f). Liegt der Zustimmung der Hauptversammlung lediglich ein Vertragsentwurf zugrunde (Rdn 65), entsteht die Anmeldepflicht vorbehaltlich einer noch fehlenden Zustimmung gemäß § 293 Abs 2, wenn der Vorstand den im Entwurf konsentierten Unternehmensvertrag im Außenverhältnis pflichtgemäß (§ 83 Abs 2; Rdn 65) abschließt. Bei Unterlassung der Anmeldung machen sich die Vorstandsmitglieder gegebenenfalls schadensersatzpflichtig (§ 93),202 es sei denn, dass die Hauptversammlung die Anmeldung oder Durchführung des Vertrags in das Ermessen des Vorstands stellt (Rdn 67 f). Die organschaftliche Anmeldepflicht des Vorstands endet, wenn die Hauptversamm- 78 lung vor Eintragung den Zustimmungsbeschluss aufhebt203 oder wenn sie den Vorstand anweist (§ 83 Abs 1 Satz 2), die Anmeldung zu unterlassen. Hat der Vorstand die Anmeldung bereits vollzogen, ist er unbeschadet der etwaigen Bindung der Gesellschaft im Außenverhältnis zur Rücknahme des gestellten Eintragungsantrags verpflichtet.204 Macht sich die Gesellschaft ihrem Vertragspartner gegenüber hierdurch schadensersatzpflichtig (Rdn 36), entfällt aufgrund des Weisungsbeschlusses eine Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (§ 93 Abs 4 Satz 1). Den Aufsichtsrat und seine Mitglieder trifft keine organschaftliche Anmeldepflicht. 79 Da die Anmeldung durch den Vorstand allenfalls durch die Androhung der Abberufung der Vorstandsmitglieder erzwungen werden könnte, kommt eine Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern (§§ 116, 93) im Zusammenhang mit der Anmeldung nach § 294 daher praktisch kaum in Betracht.205 bb) Bindung gegenüber dem anderen Vertragsteil. Ob sich die vertragstypisch ver- 80 pflichtete Gesellschaft mit der Zustimmung ihrer Hauptversammlung (§ 293 Abs 1) zum schwebend unwirksam abgeschlossenen Unternehmensvertrag im Außenverhältnis gegenüber dem anderen Vertragsteil bereits vor der Handelsregistereintragung gebunden hat, ist umstritten. Zugrunde liegt dieser Kontroverse die implizite Prämisse, dass der andere Vertragsteil sich bereits durch den Vertragsschluss stets, also auch in den Fällen des § 293 Abs 2,206 gebunden habe. Dies ist freilich unzutreffend (Rdn 31). Die Rechtslage vor der Zustimmung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils nach § 293 Abs 2 war daher bereits gesondert darzustellen (Rdn 32 ff). Nach hM begründet der Vorstand namens der Gesellschaft mit dem Abschluss des 81 schwebend unwirksamen Vertrags die (vor)vertragliche Verpflichtung, nach der Zustimmungserteilung durch die Hauptversammlung die Anmeldung des Unternehmensvertrages 201

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KK/Koppensteiner 3 39; Hüffer 10 15, § 294, 2; Emmerich/Habersack6 31; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 22; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 52; zumindest missverständlich – beim Beherrschungsvertrag nur § 293 Abs 1 erwähnend – BGHZ 122, 211, 221 = WM 1993, 1976 = AG 1993, 422. KK/Koppensteiner 3 6; Geßler/Geßler 47. K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 13; aA Geßler/Geßler 48. K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 13.

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 294, 11; KK/Koppensteiner 3, § 294, 8; Geßler/ Geßler § 294, 6 mwN; aA Baumbach/ Hueck13 § 294, 3; Godin/Wilhelmi 4 § 294, 2. Eine Bindung des anderen Vertragsteils ohne Ausklammerung der Fälle des § 293 Abs 2 bejahen etwa MünchKommAktG/Altmeppen 3 23; KK/Koppensteiner 3 24 (s aber auch Rdn 51); MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 17.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

zum Handelsregister zu betreiben und beeinträchtigende Handlungen zu unterlassen.207 Mit der Zustimmung zum abgeschlossenen Vertrag hat sich die Gesellschaft ihrer freien Disposition über die Eingehung der unternehmensvertraglichen Bindung begeben, weswegen ihr sogar die spätere einseitige Aufhebung des zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses verwehrt ist.208 Ein entsprechender Aufhebungsbeschluss ist gegenstandslos und bindet weder den Vorstand noch dessen Mitglieder.209 Verstöße gegen diese Bindung begründen eine Pflichtverletzung der Gesellschaft gegenüber ihrem Vertragspartner (Rdn 83), die einen Anspruch auf Ersatz von Vertrauensschäden begründet.210 Nach der Gegenansicht besteht mangels Wirksamkeit des Vertrages (§ 294 Abs 2) keine 82 Verpflichtung gegenüber dem anderen Vertragsteil, den Unternehmensvertrag zum Handelsregister anzumelden.211 Mit dem System der §§ 291 f, 293 ff und § 407 Abs 2 habe es der Gesetzgeber der freien Entscheidung der Gesellschaft überlassen, ob sie die Bindung eines Unternehmensvertrags eingehe. Aus der Mitwirkungszuständigkeit nach § 293 Abs 1 folge, dass die Hauptversammlung ihre Zustimmung auch später noch widerrufen oder einschränken oder die Vornahme der Handelsregisteranmeldung dem Vorstand untersagen oder in dessen Ermessen stellen könne.212 Mit dem Widerruf der Zustimmung ende die Schwebelage und damit auch die Bindung des anderen Vertragsteils. Aber auch in den übrigen Fällen sei der andere Vertragsteil nicht mehr gebunden und könne analog § 178 BGB seinerseits widerrufen, weil er sich nach dem objektiven Erklärungswert (§§ 133, 157, 242 BGB) auf keine Schwebelage nach der Erstbefassung der Hauptversammlung habe einlassen wollen.213 Hinreichend geschützt sei er im Hinblick auf sein nach dem Zustimmungsbeschluss gesteigertes Vertrauen durch die Haftung der Gesellschaft auf das Nichterfüllungsinteresse gemäß § 311 Abs 2 BGB iVm §§ 31, 278 BGB.214 Stellungnahme: Für die vertragstypisch verpflichtete Gesellschaft ist im Einklang mit 83 der hM (Rdn 81) grundsätzlich eine Pflicht gegenüber dem anderen Vertragsteil anzuerkennen, nach Vorliegen der Hauptversammlungszustimmung(en) die Anmeldung des Unternehmensvertrags zum Handelsregister zu betreiben und beeinträchtigende Handlungen zu unterlassen; gegenteilig liegt es nur, wenn die Hauptversammlung im Zustimmungsbeschluss dem Vorstand ein Anmelde- oder Durchführungsermessen eingeräumt hat (Rdn 67 f). Diese vorvertragliche Pflichtenbindung folgt allerdings nicht schon daraus, dass mit dem Zustimmungsbeschluss eine Organpflicht des Vorstands zur Vornahme der Handelsregistereintragung begründet wird (Rdn 77).215 Umgekehrt ist das Entstehen dieser vorvertraglichen Pflichten nicht etwa deswegen per se ausgeschlossen,

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Hüffer10 15, § 294, 2; KK/Koppensteiner 3 39; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 52; Geßler/Geßler 47; Spindler/Stilz/Veil 2 28; Heidel/Peres3 § 294, 4; Kort Bestandsschutz, S 151; Grunewald AG 1990, 133, 138 f; vgl auch BGHZ 122, 211, 222 = NJW 1993, 1976. Geßler/Geßler 48; Spindler/Stilz/Veil2 § 294, 24; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 52. Geßler/Geßler 48. KK/Koppensteiner 3 39; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 52; Geßler/Geßler 47. MünchKommAktG/Altmeppen 3 67; Emmerich/Habersack6 31; Emmerich/Habersack 9 § 16, 22; iE ferner K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 18 (unter Hinweis auf die

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§§ 293, 83 als eine gegenüber rein vertragsrechtlichen Überlegungen vorrangige Regelung über den Abschluss der verbandsinternen Willensbildung), § 294, 11. Emmerich/Habersack6 32, § 294, 27 f; MünchKommAktG/Altmeppen 3 67, § 294, 10, 47. MünchKommAktG/Altmeppen 3 72; s auch Emmerich/Habersack6 § 297, 31a: Abstandnahme analog § 323 Abs 4 BGB oder § 178 BGB. MünchKommAktG/Altmeppen 3 67, 70 aE; der Sache nach ferner K Schmidt/Lutter/ Langenbucher2 19, § 294, 11. S aber auch BGHZ 122, 211, 221 = WM 1993, 1976 = AG 1993, 422.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

weil der Unternehmensvertrag ausweislich des § 294 Abs 2 noch nicht wirksam ist.216 Vor der Handelsregistereintragung bestehen zwar noch keine Hauptleistungspflichten, da der schwebend unwirksame Unternehmensvertrag keine vertragsförmige Bindungswirkung entfaltet. Jedoch ist mit der Zustimmung der Hauptversammlung zum schwebend unwirksamen Unternehmensvertrag – anders als zuvor (Rdn 35) – der Vertragskonsens perfekt; die ehedem unvollständige Außenhandlung des Vertretungsorgans Vorstand als falsus procurator bei Vertragsschluss ist genehmigt (vgl § 177 Abs 1 BGB). Vermittelt durch das vorangegangene beziehungsweise, im Fall der Einwilligung, nachträgliche Vorstandshandeln entfaltet der verbandsinterne Hauptversammlungsbeschluss also Außenwirkung gegenüber dem Vertragspartner. Wenn der Unternehmensvertrag nach § 294 Abs 2 bis zur konstitutiven Handelsregistereintragung gleichwohl schwebend unwirksam bleibt, soll dies nicht etwa der AG/KGaA weitere Entschließungsfreiheit über die einmal erteilte Hauptversammlungszustimmung hinaus sichern, sondern lediglich Drittinteressen schützen (vgl § 294, 4).217 Insoweit erweist sich die Parallele zu den Verträgen mit ausstehender Behördengenehmigung – anders als vor der Zustimmung der Hauptversammlung (Rdn 35) – als sachgerecht. Den anderen Vertragsteil bis zum revidierenden Hauptversammlungsbeschluss zu binden, der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft hingegen bis zur Handelsregisteranmeldung ein einseitiges „Widerrufsrecht“ zuzubilligen, ist weder im Normzweck des § 294 Abs 2 noch des § 293 angelegt. Deren teleologische Auslegung gebietet vielmehr die Zuerkennung von auf die Herbeiführung der Vertragswirksamkeit bezogenen Handlungspflichten – Herbeiführung der Eintragung durch Anmeldung des Unternehmensvertrags zum Handelsregister, Herbeiführung etwaiger sonstiger Gültigkeitsvoraussetzungen (Bedingungen), Unterlassung beeinträchtigender Handlungen –, deren Verletzung einen Anspruch auf Ersatz von Vertrauensschäden begründet. Kommt es zu Verzögerungen bei der Erfüllung der erfolgsbezogenen Handlungs- 84 pflichten durch die vertragstypisch verpflichtete Gesellschaft, kann sich der andere Vertragsteil analog § 323 Abs 1 BGB unter Setzung einer angemessenen Frist lösen und mit der Ausübung dieses Rücktrittsrechts den auch nach Zustimmung der Hauptversammlung fortdauernden Schwebezustand beenden.218 Eine Verzögerung in diesem Sinne ist vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Vereinbarungen anzunehmen, wenn der Vorstand die zur Herbeiführung der Vertragswirksamkeit erforderlichen Handlungen nicht in der nach der Verkehrssitte zu erwartenden Frist, im Zweifel also unverzüglich, herbeiführt.219 Das erforderliche Verschulden der Gesellschaft an den Verzögerungen wird kraft Gesetzes vermutet (§ 286 Abs 4 BGB). Der andere Vertragsteil muss zudem in der Lage sein, die vorvertragliche Pflicht zur 85 Anmeldung beim Registergericht mittels Leistungsklage durchzusetzen.220 Gerade in den Fällen, in denen er von der Revisionsabsicht der AG oder KGaA Kenntnis erlangt – etwa wenn diese unerwartet den Abschluss eines Unternehmensvertrags mit einem Dritten ins

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S Wolf/Neuner Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts10, § 55, 19 f (Vorwirkung). Keine Berücksichtigung dieses Aspekts bei MünchKommAktG/Altmeppen 3 69 (nur auf § 293 Abs 1 abstellend). KK/Koppensteiner 3 39; auch Emmerich/ Habersack6 31a; aA MünchKommAktG/ Altmeppen 3 72 f verschuldensunabhängiges fristloses Widerrufsrecht analog § 178 BGB; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 20: Kün-

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digungsrecht aus wichtigem Grund (§ 314 BGB). Vgl MünchKommAktG/Altmeppen 3 73. Hüffer 10 15 (nach Rechtskraft des Leistungsurteils kann nach § 16 Abs 1 HGB verfahren werden); KK/Koppensteiner 3 39; Spindler/Stilz/Veil 2 28; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 52; aA Geßler/Geßler 47 (da Nebenpflicht, nicht Nebenleistungspflicht).

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

Auge fasst – hilft ihm eine Vertrauenshaftung aus § 311 Abs 2 BGB für die ihm seit dem Zustimmungsbeschluss entstandenen Kosten kaum bei seinem eigentlichen Ziel, die Vertragswirksamkeit herbeizuführen. Ist für die Wirksamkeit eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags nach 86 § 293 Abs 2 die Zustimmung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils ebenfalls erforderlich, besteht auch nach Vorliegen des Zustimmungsbeschlusses gemäß § 293 Abs 1 noch keine Bindung der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft im Sinne vorstehender Regeln (Rdn 80 ff). Vielmehr bewendet es bei den oben in Rdn 35 dargestellten Maßgaben.

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c) Bindung des anderen Vertragsteils. Eine bindende Vertragsabschlusserklärung des anderen Vertragsteils (Rdn 31) bleibt nach Vorliegen des Zustimmungsbeschlusses gemäß § 293 Abs 1 weiterhin wirksam.221 In den Fällen des § 293 Abs 2 finden die in Rdn 83 dargestellten Regeln erst dann entsprechende Anwendung, wenn auch auf Seiten der AG oder KGaA als anderem Vertragsteil die Zustimmung der Hauptversammlung vorliegt (unten Rdn 110). 7. Beschlussfehler

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Zur Behandlung von Beschlussfehlern bei den Zustimmungsbeschlüssen gemäß § 293 Abs 1 unten Rdn 133 ff.

IV. Zustimmungsbeschluss nach Abs 2 1. Beschlusserfordernis

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a) Zweck. Bei einem anderen Vertragsteil in der Rechtsform einer AG oder KGaA bedarf der Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags gemäß § 293 Abs 2 der Zustimmung seiner Hauptversammlung.222 Dieses vom AktG 1965 neu eingeführte Zustimmungserfordernis motivierte die Gesetzesbegründung damit, dass sich der Vertragsschluss angesichts der besonderen Pflichten für den anderen Vertragsteil, die das Gesetz an diese Unternehmensverträge knüpft, nicht mehr als „normale Maßnahme der Geschäftsführung“ darstelle.223 Hieran anknüpfend ist der tragende Grund des Zustimmungserfordernisses umstritten, auch wenn dieser Kontroverse im Aktienrecht nur begrenzte Bedeutung zukommt. Am ehesten ist dies noch bei der Vermessung der Reichweite des § 293 Abs 2 – teleologische Reduktion oder/und analoge Anwendung, s Rdn 90, 92, 96, 98–103 – der Fall, und nach manchen auch bei der Anwendbarkeit des § 83 Abs 1 Satz 2 (Rdn 7). Teilweise werden die Kompensationspflichten der §§ 304 f hervorgehoben.224 § 293 90 Abs 2 sei nur aus der Pflicht des anderen Vertragsteils zu erklären, nach § 305 Abs 2 Nr 1 und 2 die außenstehenden Aktionäre unter Umständen mit eigenen Aktien abfinden zu müssen, wogegen die Verlustausgleichspflicht nach § 302 Abs 2 auch bei den nicht gemäß § 293 Abs 2 zustimmungspflichtigen betriebsführungsbezogenen Unternehmens-

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 71. Hüffer 10 24. Begründung RegE in: Kropff AktG, S 381; zustimmend Geßler/Geßler 60. OLG Düsseldorf WM 1991, 2103 = AG

1992, 60, 61; MünchKommAktG/Altmeppen3 95, 102 ff; Sonnenschein Organschaft, S 349 f, ders BB 1975, 1088, 1092; Rehbinder ZGR 1977, 581, 612 f.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

verträgen auf den anderen Vertragsteil zukommen könne.225 Jedoch geht dieses argumentum e contrario schon deswegen fehl, weil die Ausgleichspflicht nach § 302 Abs 2 keine pauschale Verlustausgleichspflicht wie bei § 302 Abs 1 ist, sondern schon ausweislich des Normtextes „… soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht …“ nur die Äquivalenz des Austauschverhältnisses der Verträge nach § 292 Abs 1 Nr 3 absichern soll.226 Außerdem müsste diese Ansicht § 293 Abs 2 in den Fällen teleologisch reduzieren, in denen es wegen des Fehlens außenstehender Aktionäre von vornherein zu keiner Abfindung in Aktien des anderen Vertragsteils kommen kann, etwa wenn die sich vertragstypisch verpflichtende Partei eine Einpersonengesellschaft ohne außenstehende Gesellschafter ist, oder wenn es bei einer Barabfindung bewendet, weil der andere Vertragsteil als abhängige oder im Mehrheitsbesitz stehende Obergesellschaft seinerseits in einen Konzern eingegliedert ist (§ 305 Abs 2 Nr 2).227 Eine solche Reduktion verbietet sich jedoch schon deshalb (s noch Rdn 92), weil der Gesetzgeber jedenfalls den Fall einer nicht bestehenden Abfindungspflicht gesehen und geregelt hat (§§ 304 Abs 1 Satz 3, 307).228 Für sich genommen liefern die Kompensationspflichten der §§ 304 f daher keine zureichende Begründung für die Zuständigkeit der Hauptversammlung nach § 293 Abs 2.229 Vereinzelt wird der Normzweck des § 293 Abs 2 in einer besonderen Konzernbil- 91 dungskontrolle „von oben“ gesehen. Das gesamte Konzernierungsvorhaben in seiner konkreten Ausgestaltung werde in Gestalt eines Leitungsstrukturbeschlusses dem Aktionärsentscheid unterstellt, weil die Aktionäre die faktische Verminderung der Leitungsmöglichkeiten des Vorstands ihrer Gesellschaft rechtlich billigen müssten.230 Dies kann jedoch schon deswegen nicht überzeugen, weil das Zustimmungserfordernis auch beim Abschluss eines isolierten (§ 291, 152 f) Gewinnabführungsvertrags besteht.231 Zudem unterliegen die Einflussmöglichkeiten des anderen Vertragsteils auf die Gesellschaft beim Beherrschungsvertrag zwar namentlich aufgrund des § 308 Abs 1 Satz 2 aE (weiterhin) gewissen Schranken, doch sind bei bloßer faktischer Abhängigkeit die Einschränkungen der §§ 311, 317 für eine zudem rechtlich nicht verbindliche Einflussnahme noch restriktiver.232 Diesen Einwand mit der Forderung nach einem Leitungsstrukturbeschluss beim künftig herrschenden Unternehmen auch bei der faktischen Konzernierung begegnen zu wollen,233 geht an der Konzeption des geltenden AktG vorbei, wonach ein Unternehmensverbund in einem Vorgang am Markt und nicht im Wege der rechtlichen Binnendifferenzierung einer Organisationseinheit entsteht.234 Im Übrigen kann auch keine Rede davon sein, dass durch den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags eine Mediatisierung235 des kollektiven Aktionärseinflusses eintritt. Vielmehr resultiert dieser Effekt bereits daraus, dass eine AG oder KGaA als anderer Vertragsteil eine Beteiligung an der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft hält.236 225

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Sonnenschein Organschaft, S 349 f, ders BB 1975, 1088, 1092; Rehbinder ZGR 1977, 581, 612 f. Dazu Mülbert Aktiengesellschaft2, S 188 f. BGH WM 1992, 524, 525 = AG 1992, 192; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 183; aA – für das Fehlen außenstehender Aktionäre – MünchKommAktG/Altmeppen 3 102 ff. BGH WM 1992, 524, 525 = AG 1992, 192; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 296. BGHZ 105, 324, 333 f = WM 1988, 1819 =

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AG 1989, 91; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 183, 196. Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 299 ff; s auch BGHZ 105, 324, 333 ff = WM 1988, 1819 = AG 1989, 91. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 30. KK/Koppensteiner 3 40, 41. Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 377 ff. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 31. So U H Schneider WM 1986, 181, 187. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 182 f.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

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Mit der hM können nur die Risikoübernahmepflichten nach §§ 302 f, insbesondere die Verlustausgleichspflicht des § 302 Abs 1, die Mitwirkung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils rechtfertigen.237 Dieser hat die Risiken der Untergesellschaft nämlich stets und unabhängig davon zu übernehmen, ob bei dieser außenstehende Aktionäre vorhanden sind oder nicht.238 Den hieraus resultierenden Risikodurchschlag fremder unternehmerischer Tätigkeit auf die Aktionäre der AG oder KGaA müssen diese in Form der Hauptversammlungszustimmung konsentieren. Dies gilt selbst dann, wenn im konkreten Fall eine Risikoverwirklichung der genannten Art zum Nachteil der Obergesellschaft und deren Aktionären nicht zu besorgen ist. Auch aus diesem Grunde kommt eine teleologische Reduktion des § 293 Abs 2 etwa beim Fehlen außenstehender Aktionäre (oben Rdn 90) nicht in Betracht.239 In der Zustimmungskompetenz nach § 293 Abs 2 liegt ungeachtet des in Rdn 89 93 genannten Normzwecks eine eigentliche Mitwirkungsbefugnis der Aktionäre, nicht eine bloße Kontrollzuständigkeit,240 weswegen der Hauptversammlung auch ein Initiativrecht nach § 83 Abs 1 Satz 2 zukommt (Rdn 7). Dass eine Zuständigkeit der Hauptversammlung den Schutz der Aktionäre bezweckt, ist keine Besonderheit des § 293 Abs 2, sondern bei den die Gesellschaft teils sogar grundlegend umgestaltenden Strukturmaßnahmen nachgerade der Regelfall. Das gesetzgeberische Regelungskonzept würde im Grundsätzlichen verfehlt, reduzierte man die Einschaltung der Hauptversammlung in diesen Fällen auf eine bloße Kontrolle des vom Vorstand initiierten Vorgangs.241

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b) Wirkung. Dass die Aktionäre über den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags und das hiermit verbundene unbegrenzte Haftungsrisiko ihrer Gesellschaft für fremde unternehmerische Tätigkeit letztverbindlich entscheiden sollen, verwirklicht das Gesetz rechtstechnisch, indem § 293 Abs 2 als Sonderregel gegenüber § 82 Abs 1 durch das zusätzliche Erfordernis der Hauptversammlungszustimmung eine außenwirksame Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands vornimmt.242

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c) Personaler Anwendungsbereich. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag bedarf nach § 293 Abs 2 der Zustimmung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils, also der aus dem Vertrag berechtigten AG oder KGaA.243 Bei der KGaA muss überdies der persönlich haftende Gesellschafter zustimmen (§ 285 Abs 2 Satz 1).244 Nach der gesetzlichen Fiktion des § 291 Abs 1 Satz 2 ist der Geschäftsführungsvertrag

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BGHZ 105, 324, 333 f = WM 1988, 1819 = AG 1989, 91; BGH WM 1992, 524, 525 ff = AG 1992, 192; LG Mannheim AG 1995, 142, 143; Hüffer 10 17; Mülbert Aktiengesellschaft2, S 183 ff, Spindler/Stilz/ Veil 2 37; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 21; Krieger in: FS Ulmer 2003, S 349, 361; Kropff ZGR 1984, 112, 120; Pentz EnkelAG, S 125 ff; im Ergebnis auch KK/Koppensteiner 3 40; aA noch OLG Düsseldorf WM 1991, 2103 = AG 1992, 60, 61. Unstr; BGHZ 105, 324, 335 f = WM 1988, 1819 = AG 1989, 91; BGH WM 1992, 524, 525 ff = AG 1992, 192; Hüffer 10 17; KK/Koppensteiner 3 40. Ausdrücklich KK/Koppensteiner 3 41; iE

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auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 95; Emmerich/Habersack6 8. AA KK/Koppensteiner 3 9. Vgl auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 7: das Interesse der Hauptversammlung der Obergesellschaft (als Begünstigte) am Vertragsschluss ist im Falle des § 293 Abs 2 regelmäßig größer demjenigen des Abs 1. Unstr; s nur BGHZ 105, 324, 335 = WM 1988, 1819 = AG 1989, 91; KK/Koppensteiner3 11; Hüffer10 24; Emmerich/Habersack6 15, 36; Emmerich/Habersack 9 § 16, 6, 27; Spindler/Stilz/Veil 2 5. Emmerich/Habersack6 6; Emmerich/Habersack9 § 16, 26. Emmerich/Habersack6 5, 7.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

ebenso zustimmungspflichtig.245 Eine Gleichstellung mit den betriebsführungsbezogenen anderen Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 Nr 3 kommt trotz der Verlustausgleichspflicht des § 302 Abs 2 aber nicht in Betracht (soeben Rdn 90). aa) Mehrmütterunternehmensvertrag; Gemeinschaftsunternehmen. Schließen mehrere 96 Gesellschaften in der Rechtsform der AG oder KGaA koordiniert (§ 291, 108 f) einen Beherrschungsvertrag mit einer sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft (Mehrmütterunternehmensvertrag), verlangt § 293 Abs 2 die Hauptversammlungszustimmung jeder dieser Gesellschaften.246 Dies gilt auch im Falle der beherrschungsvertraglichen Unterstellung eines Gemeinschaftsunternehmens.247 Fungiert als anderer Vertragsteil des Gemeinschaftsunternehmens eine zwischengeschaltete GbR (§ 201, 103) mit mindestens einer AG/KGaA als Gesellschafterin, muss § 293 Abs 2 jedenfalls für diese 248 entsprechende Anwendung finden, weil die Gesellschafterinnen der GbR analog § 128 HGB der Risikohaftung aus § 302 AktG unterliegen.249 Beim Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags durch die GbR sind also die Hauptversammlungen der als AG oder KGaA organisierten Muttergesellschaften ebenfalls zur Zustimmung berufen, ohne dass diesem Zustimmungserfordernis allerdings Außenwirkung zukäme. Gegenläufig ist eine analoge Anwendung des § 293 Abs 2 auf die als anderer Vertragsteil fungierende GbR selbst jedenfalls dann entbehrlich, wenn bei allen Muttergesellschaften ein Hauptversammlungs- oder Gesellschafterbeschluss analog § 293 Abs 2 erforderlich ist. bb) Ausländische Unternehmen. Bei einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungs- 97 vertrag zwischen einer deutschen AG oder KGaA als vertragstypisch verpflichteter Gesellschaft und einem ausländischen Unternehmen mit einer der AG oder KGaA vergleichbaren Rechtsform findet § 293 Abs 2 grundsätzlich keine Anwendung.250 Das gilt auch dann, wenn das anwendbare ausländische (Gesellschafts-)Recht beim Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags eine § 302 Abs 1 entsprechende Verlustausgleichsregel vorsieht oder die Vertragsparteien eine solche Verpflichtung des ausländischen anderen Vertragsteils vereinbaren.251 Der Schutz der Gesellschafter des ausländischen Vertragspartners ist dem maßgeblichen ausländischen Gesellschaftsrecht überantwortet. Verzichtet dieses darauf, eine entsprechende Gesellschafterzuständigkeit vorzusehen, ist dies vom deutschen Aktienrecht zu respektieren. Das gilt umso mehr, als das Erfordernis einer Dreiviertel-Kapitalmehrheit möglicherweise einen Fremdkörper im ausländischen Gesellschaftsrecht darstellen würde. Zudem: Wollte man § 293 Abs 2 gleichwohl anwenden, müsste dies folgerichtig auch für die §§ 293aff gelten; ein Beharren des deutschen Aktienrechts auf einer dem ausländischen Gesellschaftsrecht unbekannten Aktionärsmitwirkung unter Außerachtlassung der Frage, ob die Aktionäre überhaupt angemessene Informationen zur Wahrnehmung ihrer Rechte haben, wäre inkonsitent und

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Emmerich/Habersack6 5. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 23 Hüffer 10 19; Emmerich/Habersack6 7; einschränkend MünchKommAktG/Altmeppen 3 116 (nur bei Abfindungskonstellationen). Davon zu unterscheiden ist die jenseits dieser Kommentierung liegende Frage einer doppelt analogen Anwendung des § 293 Abs 2 auf (Mutter-)Gesellschaften anderer Rechtsform. KK/Koppensteiner 3 46; Koppensteiner in: FS Ulmer 2003, S 349, 361; iE ferner Emme-

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rich/Habersack6 7; Gansweid Tochtergesellschaften, S 92; Marchand Gemeinschaftsunternehmen, S 200; aA MünchKommAktG/Altmeppen3 117, § 291, 120 f, § 305, 61; Barz in: FS Kaufmann 1972, S 59, 66. Spindler/Stilz/Veil 2 38; Hüffer 10 18. AA KK/Koppensteiner 3 43: Analogie kommt in Betracht; unklar MünchKommAktG/Altmeppen 3 119: Analogie hängt davon ab, ob board nach ausländischem Recht allein befugt ist, den Beherrschungsvertrag abzuschließen.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

sachlich fragwürdig. Da ein derart weitreichender Eingriff des deutschen Aktienrechts in das ausländische Gesellschaftsstatut aber kaum ernsthaft in Betracht kommt, bleibt nur die prinzipielle Nichtanwendung des § 293 Abs 2 auf ausländische Gesellschaften. d) Sachlicher Anwendungsbereich

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aa) Vertragsbeitritt; Vertragsübernahme. Beim Beitritt zu einem bestehenden Beherrschungsvertrag ist auf Seiten der beitretenden AG oder KGaA ein Zustimmungsbeschluss gemäß § 293 Abs 2 allein schon wegen ihrer Mithaftung nach den §§ 302 f erforderlich. Dasselbe gilt auch bei der dreiseitigen Vertragsübernahme durch eine AG oder KGaA. Deren Belastung durch die §§ 302 f aufgrund der Übernahme des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags unterscheidet sich in Nichts von der Lage beim Neuabschluss eines solchen Vertrags.252

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bb) Andere Rechtsformen als vertragstypisch verpflichtete Partei. Beim Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags mit einem sich vertragstypisch verpflichtenden Rechtsträger, dessen Organisationsrecht eine solche Bindung gestattet – GmbH,253 Personengesellschaften,254 Verein,255 Anstalten des öffentlichen Rechts,256 wohl aber nicht Genossenschaften257 – ist bei einer AG oder KGaA als dem anderen Vertragsteil stets ein Hauptversammlungsbeschluss nach § 293 Abs 2 erforderlich.258 Abgesehen davon, dass der Wortlaut des § 293 Abs 2 nicht nach der Rechtsform der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft differenziert, folgt dies nach Sinn und Zweck der Regelung schon daraus, dass die Risikoübernahmepflichten nach §§ 302 f und hier insbesondere die Verlustausgleichspflicht des § 302 Abs 1, welche die Mitwirkung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils maßgeblich rechtfertigen (oben Rdn 92), im Falle einer vertraglich beherrschten GmbH entsprechende Anwendung finden259 und bei Konzernierung einer Personengesellschaft – ungeachtet der Kontroverse um die insoweit maßgebliche Rechtsgrundlage – zumindest im Ergebnis weitgehend anerkannt sind.260

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Zutreffend KK/Koppensteiner3 49. Zulässigkeit in § 30 Abs 1 Satz 2 GmbHG nunmehr auch gesetzlich explizit anerkannt. Zur Zulässigkeit s nur MünchKommHGB/ Mülbert 3 KonzernR, 114 ff; Emmerich/ Habersack6 47 f sowie Vor § 291, 9 ff mwN. Leuschner Konzernrecht, S 289; Emmerich/ Habersack9 § 37, 14. Dazu LAG Berlin AG 1996, 140; Bezzenberger/Schuster ZGR 1996, 481, 494 ff; Fett Öffentlich-rechtliche Anstalten als abhängige Konzernunternehmen, S 89 ff; Hüffer 10 § 291, 7; MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 20; Neumann/Rux DB 1996, 1659, 1662; Raiser ZGR 1996, 458, 465 ff. Großfeld Genossenschaft und Eigentum, S 33 ff; Großfeld/Berndt AG 1998, 116, 122; Müller GenG, Anh nach § 64c Rn 40; H Westermann in: FS Draheim 1968, S 196, 205; aA – zumindest dann mit § 1 GenG vereinbar, wenn der Beherrschungsvertrag

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lediglich am Förderzweck der eG orientierte Weisungen zulässt – Emmerich/Habersack6 Vorb § 291, 13; Emmerich/Habersack9 § 36, 17 ff; Emmerich AG 1991, 303, 311; Reul Konzernrecht, 166 ff; Merle AG 1979, 265, 266 ff; Beuthin in: Mestmäcker/Behrens Gesellschaftsrecht, S 133, 137 ff; Beuthin/ Wolff GenG15 § 1 Rn 110 ff; v Detten Die eingetragene Genossenschaft, S 62 ff. Zur GmbH als vertragstypisch verpflichteter Rechtsträger Hüffer 10 7; wohl auch für vertragstypisch verpflichtete Rechtsträger anderer Rechtsform BGHZ 105, 324, 333 ff = NJW 1989, 295; BGH NJW 1992, 1452, 1453; Hoffmann-Becking WiB 1994, 57, 60; aA – kein Zustimmungserfordernis bei GmbH als vertragstypisch verpflichtete Gesellschaft – Vetter AG 1993, 168, 169 ff. Hierzu nur Hirte in diesem Kommentar, § 302, 97 f. Näher MünchKommHGB/Mülbert 3 KonzernR, 191 ff mwN.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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cc) Ausländisches Unternehmen als vertragstypisch verpflichtete Partei. Sollen zwi- 100 schen einer deutschen AG oder KGaA und einem ausländischen Unternehmen vertragliche Vereinbarungen begründet werden, die den §§ 302 f vergleichbare Verpflichtungen vorsehen, besteht eine Hauptversammlungskompetenz entsprechend § 293 Abs 2.261 Das gilt unabhängig davon, ob auch den §§ 304 f vergleichbare Pflichten bestehen (Rdn 90) und ob die AG oder KGaA nach den Kriterien des deutschen Aktienkonzernrechts als (herrschendes) Unternehmen und der ausländische Vertragspartner als abhängige Gesellschaft zu qualifizieren wäre.262 Der AG oder KGaA ist die Beweislast dafür zuzuweisen, dass eine solche Gestaltung nicht vorliegt.263 dd) Universalsukzession; Eingliederung. Rückt eine AG oder KGaA im Wege einer 101 Universalsukzession nach dem UmwG in die Stellung des bisherigen anderen Vertragsteils und damit auch in dessen Pflichten aus den §§ 302 f ein, ist eine Analogie zu § 293 Abs 2 nicht veranlasst.264 Der die Universalsukzession überhaupt erst auslösende Hauptversammlungsbeschluss bei der einrückenden AG/KGaA deckt auch alle Risiken ab, die mit dem Übergang des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags verbunden sind. Ebenso liegt es im Ergebnis im Falle der Eingliederung auf Seiten der eingliedernden AG. ee) Verlustübernahmevertrag; Globalbürgschaft, Verlustdeckungszusage, Patronats- 102 erklärung. Bei Verlustübernahmeverträgen (§ 291, 176 ff) ist eine Hauptversammlungszustimmung nach § 293 Abs 2 analog erforderlich, wenn eine AG oder KGaA – ohne dass es auf deren Unternehmenseigenschaft ankäme – hiermit das unbeschränkte Ausfallrisiko für fremdes unternehmerisches Handeln übernimmt.265 Dasselbe gilt für die Übernahme des unbeschränkten Risikos fremden unternehmerischen Handelns im Wege betragsmäßig unlimitierter Globalbürgschaft, Verlustdeckungszusagen (§ 291, 176 ff) und Patronatserklärungen. Die Interessenlage ist allen in diesen Fällen nämlich derjenigen vergleichbar, die § 293 Abs 2 in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich adressiert; durch den Abschluss solcher Vereinbarungen wird eine § 302 Abs 1 vergleichbare Leistungspflicht der AG oder KGaA begründet.266 Gegen einen Analogieschluss zu § 293 Abs 2 lässt sich nicht einwenden, dass das dort normierte Zustimmungserfordernis nicht lediglich durch die Verlustausgleichspflicht des § 302 Abs 1, sondern auch aufgrund der gesetzlichen Pflicht zur Besicherung von Gläubigerforderungen aus § 303 bestehe, für die bei reinen Verlustübernahmeverträgen gerade kein Raum sei.267 Dass das Gesetz die

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Emmerich/Habersack6 6a; aA – nur bei Bestehen von Abfindungspflichten – MünchKommAktG/Altmeppen 3 121. Enger – von herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft ausgehend – Emmerich/Habersack6 6a; ähnlich MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 22: wenn vergleichbare Pflichten entstehen wie nach §§ 302 bis 305. Hüffer 10 18; KK/Koppensteiner 3 43; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 22; zweifelnd MünchKommAktG/Altmeppen 3 121; offen Emmerich/Habersack6 6a. IE ebenso KK/Koppensteiner 3 49: Regeln über Gesamtrechtsnachfolge harmonieren nicht mit Beschlusserfordernis (?). AA KK/Koppensteiner 3 80, § 292, 67;

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 163; Emmerich/Habersack6 § 291, 63; Emmerich/Habersack9 § 12, 16; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 72, 3; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 § 291, 58; Henssler/Strohn/Paschos § 291, 40; für eine Hauptversammlungspflicht analog §§ 292 Abs 1 Nr 2, 293 Abs 2 in der Konstellation, dass eine Tochtergesllschaft die Verluste ihrer Muttergesellschaft übernimmt, und eine Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze im umgekehrten Fall erwägend Spindler/ Stilz/Veil 2 46. Insoweit wie hier K Schmidt GesR4 § 31 III 2d (S 955). So oder ähnlich aber etwa MünchKommAktG/Altmeppen 3 163.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

beiden Pflichten des anderen Vertragsteils aus § 302 und § 303 kumuliert, erklärt sich daraus, dass die Verlustausgleichspflicht ex lege mit der Beendigung des Beherrschungsoder/und Gewinnabführungsvertrags endet und die Pflicht aus § 303 für einen gewissen nachvertraglichen Zeitraum an deren Stelle tritt. Verlustübernahmeverträge begründen die Verlustausgleichspflicht als primäre Leistungspflicht hingegen für den nach den Vorstellungen der Parteien angemessenen Zeitraum, weswegen deren nachvertragliches „Fortwirken“ von vornherein nicht veranlasst sein kann. Das Fehlen einer § 303 vergleichbaren Besicherungspflicht ändert daher nichts an der Vergleichbarkeit der Interessenlage und der Gebotenheit der Analogie. Im Übrigen ist es angesichts des von § 293 Abs 2 bezweckten Schutzes der Aktionäre (Rdn 92) – und also anders als bei der Frage nach der Tauglichkeit einer Gesellschaft als anderem Vertragsteil eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags (§ 291, 46) – auch nicht erforderlich, dass der AG oder KGaA Unternehmenseigenschaft zukommt.

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ff) Entherrschungsvertrag. Auf Entherrschungsverträge (Rdn 49) findet § 293 Abs 2 keine analoge Anwendung, weil deren Rechtsfolgen mit jenen eines Gewinnabführungsoder Beherrschungsvertrags nicht vergleichbar sind.268 Die Gegenansicht, welche zur Begründung maßgeblich auf eine qua Entherrschungsvertrag bezweckte Beschränkung von Leitungsmöglichkeiten und (angeblicher269) -pflichten der Obergesellschaft in der Unternehmensgruppe abstellt,270 verkennt, dass der Schutzzweck des § 293 Abs 2 ausschließlich an die Risikoübernahmepflichten nach §§ 302 f anknüpft (oben Rdn 92), welche durch den Abschluss eines Entherrschungsvertrages gerade nicht begründet werden. Vor dem Hintergrund dieser ratio legis ist dann der weitere – für sich genommen durchaus zutreffende – Einwand gegen ein Zustimmungserfordernis, dass der Entherrschungsvertrag gar keine mit dem Beherrschungsvertrag vergleichbare Strukturänderung beim verzichtenden Unternehmen zur Folge habe,271 für die fehlende Anwendbarkeit des § 293 Abs 2 irrelevant. 2. Beschlussfassung

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a) Verweis des Abs 2 Satz 2. Für den Hauptversammlungsbeschluss gilt § 293 Abs 1 Satz 2 bis 4 sinngemäß (Abs 2 Satz 2). Die Inbezugnahme des Satzes 4 ist freilich entbehrlich. Auf Seiten des anderen Vertragsteils kann in der Zustimmung zu einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag von vornherein keine Satzungsänderung liegen. Auch ohne die ausdrückliche Anordnung des § 293 Abs 1 Satz 4 fänden die Bestimmungen über Satzungsänderungen auf den Beschluss daher keine Anwendung.

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LG Mainz AG 1991, 30, 32; KK/Koppensteiner 3 47; Spindler/Stilz/Schall 2 § 17, 52; MünchHdbAG/Krieger 3 § 68, 62; iE auch K Schmidt/Lutter/Vetter 2 § 17, 64 (mangels Konzernleitungspflicht); aA Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 85 ff (die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung der „Konzernspitze“ freilich auf eine Analogie zu § 293 Abs 1 stützend); Jäger DStR 1995, 1113, 1117; Möhring in: FS Westermann 1974, S 427, 435 f; die Frage iE offen lassend K Schmidt in: FS Hommelhoff 2012, S 985, 995. Für Grundsatzkritik an der namentlich von

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Hommelhoff (Konzernleitungspflicht, passim) entwickelten These einer Konzernleitungspflicht aus dem Recht der Obergesellschaft s Mülbert Aktiengesellschaft2, S 27 ff. S nur Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 85 ff. Windbichler in diesem Kommentar, § 17, 76; MünchKommAktG/Bayer 3 § 17, 110; aA je nach Bedeutung der Beteiligung Hommelhoff Konzernleitungspflicht S 85 ff, 100 (Fazit); Becker in: FS Möschel 2011, 1119, 1126; iE ferner Hentzen ZHR 157 (1993), 63, 71.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Im Übrigen aber muss auch der Hauptversammlungsbeschluss nach § 293 Abs 2 den 105 gesamten Unternehmensvertrag mit allen Abreden umfassen (Rdn 50) sowie dem kumulativen Mehrheitserfordernis (Rdn 63) genügen und er darf den vorgelegten Vertragstext nicht abändern (Rdn 66). Verweigert die Hauptversammlung die erforderliche Zustimmung, ist der Unternehmensvertrag endgültig unwirksam.272 Aber auch bei Zustimmungserteilung ist der Unternehmensvertrag – unabhängig von der Zustimmung der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft nach § 293 Abs 1 – bis zur vertragskonstitutiven Eintragung ins Handelsregister der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft gemäß § 294 Abs 2 weiterhin schwebend unwirksam273 (§ 294, 60). b) Kein Sachgrunderfordernis. Für den Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 2 ist 106 neben der formalen Beschlussmehrheit kein zusätzlicher Sachgrund erforderlich (vgl Rdn 70 ff). Anderes gilt nach der Doktrin vom sachlichen Grund jedoch, wenn zur Gewährung einer Abfindung in Aktien der Obergesellschaft nach § 305 Abs 2 Nr 1 eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts erforderlich ist.274 Die hierbei anzulegenden Kali und Salz-Kriterien – der Beschluss muss im Gesellschaftsinteresse liegen, zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks erforderlich und bei Abwägung mit den Interessen der dissentierenden Minderheitsaktionäre verhältnismäßig sein275 – bedingen insbesondere, dass der Bezugsrechtsausschluss über den Abschluss eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags hinaus im Unternehmensinteresse liegt.276 Allein das Ziel, einen entsprechenden Unternehmensvertrag abzuschließen, genügt insoweit nicht.277 c) Förmlichkeiten; Handelsregistereinreichung. Die förmlichen Anforderungen an 107 den Zustimmungsbeschluss ergeben sich aus der allgemeinen Bestimmung des § 130. Der Beschluss muss also durch Aufnahme in die notarielle Niederschrift beurkundet werden (§ 130 Abs 1 Satz 1). Überdies ist der Unternehmensvertrag der Niederschrift als Anlage beizufügen (§ 293g Abs 2 Satz 2). Eine öffentlich beglaubigte Abschrift oder, bei nichtbörsennotierten Gesellschaften, eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnete Abschrift der Niederschrift und deren Anlagen sind unverzüglich zum Handelsregister der Gesellschaft einzureichen (§ 130 Abs 5). Nach § 294 Abs 1 Satz 2 müssen die Niederschrift des Beschlusses nebst den Anlagen 108 hierzu, also zumindest der Unternehmensvertrag (§ 293g Abs 2 Satz 2), auch den Anmeldungsunterlagen der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft beigefügt sein. Auf das Handelsregister einer AG/KGaA als anderem Vertragsteil bezieht sich § 294 Abs 1 aber nicht, so dass diese am Registerverfahren auch nicht beteiligt ist (§ 294, 10 ff).278 3. Beschlussfolgen Trotz Vorliegens der Hauptversammlungszustimmung gemäß § 293 Abs 2 (und der- 109 jenigen gemäß § 293 Abs 1) ist der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nach

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Emmerich/Habersack6 15; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 6. Hüffer 10 15. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 51; Timm Aktiengesellschaft, S 73 ff; auch Emmerich/Habersack 6 37 (Beschlusskontrolle grundsätzlich zu bejahen); im Grundsatz ferner Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 149; aA KK/Koppensteiner 3 64 unter Hinweis auf die Parallelfrage bei § 13 UmwG.

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Dazu K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 45. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 51. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 51. MünchKommAktG/Altmeppen3 97; Emmerich/Habersack6 36; Emmerich/Habersack9 § 16, 27, 54 f; Hüffer 10 21.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

§ 294 Abs 2 bis zur Eintragung ins Handelsregister der sich vertragstypisch verpflichtenden Gesellschaft weiterhin schwebend unwirksam (Rdn 105). Der Zustimmungsbeschluss ihrer Hauptversammlung bindet eine AG oder KGaA als 110 anderen Vertragsteil eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags im Außenverhältnis zur vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft (erst) bei Vorliegen auch der Hauptversammlungszustimmung nach § 293 Abs 1 aus den in Rdn 83 genannten Gründen.279 Im Unterschied zur Untergesellschaft ist sie aber nicht an der Anmeldung zum Handelsregister beteiligt (§ 294, 10 ff). 4. Beschlussfehler

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Zur Behandlung von Beschlussfehlern bei einem Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 2 unten Rdn 133 ff.

V. Verbandsdispositive Zusatzerfordernisse 1. Erhöhung der Beschlussmehrheiten (Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 2)

112

§ 293 Abs 1 Satz 3 gestattet, dass die Satzung für das Zustandekommen eines Unternehmensvertrags über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus eine größere Kapitalmehrheit und auch weitere Erfordernisse bestimmt. Neben der Erhöhung der Kapitalmehrheit kommen etwa eine Erhöhung auch der Stimmenmehrheit bis hin zur Einstimmigkeit280, qualifizierte Anforderungen an die Beschlussfähigkeit, etwa eine bestimmte Mindestpräsenz, und die Bindung an die Zustimmung einzelner Aktionäre in Betracht.281 Eine satzungsinterne Verweisung auf besondere Satzungsbestimmungen über Satzungsänderungen ist nur zulässig, soweit diese die gesetzlichen Vorgaben intensivieren, da § 293 – anders als § 179 Abs 2 Satz 2 – keine Absenkung der gesetzlichen Beschlussanforderungen erlaubt und eine solche daher § 23 Abs 5 zuwiderliefe.282 2. Statutarisches Unternehmensvertragsverbot

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Ein statutarisches Verbot des Abschlusses von bestimmten oder gar jeder Art von Unternehmensverträgen unterliegt keinen Bedenken aus § 23 Abs 5 oder sonstigen aktiengesetzlichen Bestimmungen.283 Zunächst einmal gestattet § 293 Abs 1 Satz 3, die Anforderungen an das Zustandekommen eines Unternehmensvertrags so weit anzuheben, dass sie praktisch kaum zu erfüllen sind. Insbesondere kann das Einstimmigkeitsprinzip als Grundlage der Beschlussfassung über einen Unternehmensvertrag satzungs-

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S auch KK/Koppensteiner 3 45, der aber die Hauptversammlungszustimmung nach § 293 Abs 1 nicht erwähnt. MünchKommAktG/Altmeppen 3 39, zu weiteren möglichen Erfordernissen s Emmerich/Habersack6 33; Emmerich/Habersack9 § 16, 24; KK/Koppensteiner 3 28. Beispiele bei Emmerich/Habersack6 33; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 49; MünchKommAktG/Volhard 2 § 133, 54 ff; Geßler/ Geßler 28 ff. MünchKommAktG/Altmeppen 3 38; Emme-

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rich/Habersack6 33; Emmerich/Habersack9 § 16, 24; Hüffer 10 8; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 49; missverständlich bzgl Satzungsänderungsvorschriften KK/Koppensteiner 3 28. Emmerich/Habersack6 33; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 24; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 39; Hüffer 10 8; KK/Koppensteiner 3 28 mit Fn 90; Spindler/Stilz/ Veil 2 18; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 49; Geßler/Geßler 33.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

mäßig festgeschrieben werden (Rdn 112). Zudem könnte das satzungsmäßige Verbot von Unternehmensverträgen durch Satzungsänderung auch wieder aufgehoben werden, also in einem Verfahren, das nach der Gesetzeslage auch den Mindestanforderungen an die Beschlussfassung über einen Unternehmensvertrag genügen muss. Aus 23 Abs 5 iVm § 293 die Unzulässigkeit eines statutarischen Unternehmensvertragsverbots abzuleiten, erscheint so als überflüssige Förmelei. 3. Zustimmung des Aufsichtsrats a) Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs 4 Satz 2. Die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats für Geschäftsführungsangelegenheiten lässt sich (auch) für Unternehmensverträge nach § 111 Abs 4 Satz 2 durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschluss auch als präventiver Zustimmungsvorbehalt ausgestalten.284 Diesem kommt im Gegensatz zur Hauptversammlungszustimmung nach § 293 Abs 1, 3 allerdings nur Wirkung im Innenverhältnis zu und lässt die Vertretungsmacht des Vorstands grundsätzlich unberührt.285 Die Beachtlichkeit eines Zustimmungsvorbehalts ist je nach seiner Rechtsgrundlage unterschiedlich; welches Organ den Vertragsschluss initiiert, spielt hingegen keine Rolle. Im Einzelnen gilt: Ein in der Satzung spezifisch für den Abschluss eines Unternehmensvertrags niedergelegter Vorbehalt der Aufsichtsratszustimmung ist unabhängig davon beachtlich, ob die Initiative zum Vertragsschluss vom Vorstand oder der Hauptversammlung (§ 83 Abs 1 Satz 2) ausgeht.286 Der positive Aufsichtsratsbeschluss bildet dann ein weiteres über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehendes Erfordernis iS des § 293 Abs 1 Satz 3, das die Hauptversammlung mit satzungskonstitutiver Mehrheit abstrakt-generell für das wirksame Zustandekommen eines Unternehmensvertrags aufstellt.287 Allerdings wird eine spezifische Zustimmungsklausel eine Zustimmungskompetenz des Aufsichtsrats für den Fall nicht begründen wollen, dass sich die Initiativentscheidung der Hauptversammlung ausnahmsweise zugleich als Einwilligungsbeschluss zu einem fertigen Vertragsentwurf darstellt (dazu Rdn 65). Ob ein allgemeiner statutarischer Zustimmungsvorbehalt auch eine Vetokompetenz des Aufsichtsrats hinsichtlich bestimmter oder gar aller Unternehmensverträge umfasst, ist Auslegungsfrage,288 wird bei einem nicht näher differenzierenden allgemeinen Zustimmungsvorbehalt im Zweifel aber anzunehmen sein.289 Dass dem Aufsichtsrat eine

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Ganz hM; aA Timm Betrieb 1980, 1201, 1202 ff; krit Sonnenschein ZGR 1981, 429, 436; einschränkend – nur für Vorstandsinitiative, nicht für Initiativbeschluss der Hauptversammlung – Martens ZHR 147 (1983), 377, 386 mit Fn 23; KK/Koppensteiner 3 7; offen Hüffer 10 25; insoweit ausdrücklich gegenteiliger Auffassung Spindler/Stilz/Veil 2 4; Duden ZHR 141 (1977), 145, 170 f; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 14; für Ausnahmefälle auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 11. Näher Hopt/Roth in diesem Kommentar, § 111, 702 ff. Duden ZHR 141 (1977), 145, 170 f; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 14 (für alle

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Fälle des § 111 Abs 4 Satz 2); ohne Differenzierung nach Grundlage des Zustimmungsvorbehalts und Initiativorgan Emmerich/ Habersack6 34; Emmerich/Habersack 9 § 16, 25; Geßler/Geßler 10; zurückhaltend für § 83 Abs 1 Satz 2 MünchKommAktG/Altmeppen 3 11 (nur in Ausnahmefällen) und Hüffer 10 25 (ganz offen); aA – Zustimmungsvorbehalt überhaupt nur bei Vorstandsinitiative beachtlich – Martens ZHR 147 (1983), 377, 386 mit Fn 23; KK/Koppensteiner 3 7. Duden ZHR 141 (1977), 145, 170 f. Ebenso MünchKommAktG/Altmeppen 3 11. AA MünchKommAktG/Altmeppen 3 11.

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sachnähere und detailliertere Prüfung möglich ist, kann nämlich auch bei einem Unternehmensvertrag bedeutsam werden, zu dessen Abschluss die regelmäßig nur summarisch prüfende Hauptversammlung angeregt hat. Der Aufsichtsrat selbst kann durch den Beschluss eines Zustimmungsvorbehalts ge118 mäß § 111 Abs 4 Satz 2 sowohl die Initiativkompetenz des Vorstands290 (Rdn 4) als auch dessen durch einen Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 83 Abs 1 Satz 2291 initiierte Aktivitäten an den Vorbehalt der eigenen Zustimmung binden. Denn auch im letzteren Falle kann eine Überprüfung durch den Aufsichtsrat aus den in Rdn 117 genannten Gründen bedeutsam sein; seine Ablehnung lässt sich nach § 111 Abs 4 Satz 3 durch einen zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss überwinden.

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b) Letztentscheidung der Hauptversammlung. Die Hauptversammlung hat in jedem Fall in letzter Instanz darüber zu befinden, ob und wie ein vom Vorstand ausgehandelter und abgeschlossener Unternehmensvertrag zustande kommt (arg §§ 293, 83).292 Stellt sich ihre Initiativentscheidung ausnahmsweise zugleich als Einwilligungsbeschluss zu einem fertigen Vertragsentwurf dar (oben Rdn 65), hat sie damit eine solche Letztentscheidung getroffen. Das Erfordernis einer Aufsichtsratszustimmung wird dann regelmäßig gar nicht erst ausgelöst,293 es sei denn die statutarische Vorbehaltsklausel sähe dies ausdrücklich vor. Verweigert der Aufsichtsrat in einem solchen Ausnahmefall oder im Gefolge eines einfachen Initiativbeschlusses der Hauptversammlung (§ 83 Abs 1 Satz 2) die Zustimmung zum ausgehandelten Unternehmensvertrag, ist der Vorstand nach § 83 Abs 2 dazu verpflichtet, den Unternehmensvertrag der Hauptversammlung erneut vorzulegen,294 es sei denn, dass die Hauptversammlung die Umsetzung des gebilligten Vertrags ausnahmsweise in das Ermessen des Vorstands gestellt hat (dazu Rdn 67). Bezieht sich ein solcher Negativentscheid auf einen vom Vorstand initiierten Unternehmensvertrag, steht es ihm hingegen frei, ob er die Hauptversammlung damit befasst (§ 111 Abs 4 Satz 4), die weitere Durchsetzung des Vertrags aufgibt oder ihn – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der vom Aufsichtsrat geäußerten Einwände – verändert aushandelt. Für die Beschlussmehrheit zur Überstimmung eines Aufsichtsratsvetos werden im 120 Schrifttum drei unterschiedliche Varianten befürwortet. Manche lassen die kumulative Mehrheit von qualifizierter Kapitalmehrheit und einfacher Stimmenmehrheit, die auch zur Vertragszustimmung nach § 293 Abs 1 Satz 2 erforderlich ist, genügen.295 Eine zweite Ansicht verlangt die kumulative Mehrheit von qualifizierter Kapitalmehrheit und qualifizierter Stimmenmehrheit, wie sie § 111 Abs 4 Satz 4 allgemein zur Überwindung eines Aufsichtsratsvetos vorschreibt.296 Und nach einer dritten Auffassung sollen lediglich § 111 Abs 4 Satz 4, nicht aber die §§ 83 Abs 1 Satz 3, 293 Abs 1 Satz 2 anwendbar sein,

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S nur Hüffer10 25; MünchKommAktG/Altmeppen 3 11; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 14; Emmerich/Habersack6 34; Emmerich/ Habersack9 § 16, 25. Duden ZHR 141 (1977), 145, 170 f; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 14; zurückhaltend MünchKommAktG/Altmeppen 3 11 (nur in Ausnahmefällen) und Hüffer 10 25 (ganz offen); aA Martens ZHR 147 (1983), 377, 386 mit Fn 23; KK/Koppensteiner 3 7. AA nur Duden ZHR 141 (1977), 145, 170 f: Letztentscheidungskompetenz des Aufsichtsrats statutarisch regelbar.

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Ausdrücklich MünchKommAktG/Altmeppen 3 13; in der Sache die Vertreter der nach dem Initiativorgan differenzierenden Ansicht; Martens ZHR 147 (1983), 377, 386; KK/Koppensteiner 3 7. MünchKommAktG/Altmeppen 3 11 mit Fn 22. MünchKommAktG/Altmeppen3 12 ff; KK/Koppensteiner 3 8; Spindler/Stilz/Veil 2 4; Geßler/Geßler 11. Emmerich/Habersack6 34.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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so dass die qualifizierte Stimmenmehrheit genügt.297 Praktische Bedeutung kann diese Kontroverse nach Abschaffung von Mehrstimmrechtsaktien zum 1. Juni 2003 (§ 12 Abs 2, § 5 EGAktG298) nur noch erlangen, soweit bei einer nichtbörsennotierten Gesellschaft ein Höchststimmrecht besteht (§ 134 Abs 1 Satz 2) oder soweit bei einer Gesellschaft teileingezahlte Aktien vorliegen (§ 134 Abs 2). Stellungnahme: Im Ausgangspunkt muss es der Hauptversammlung nach § 83 Abs 1 121 Satz 2 und 3 möglich sein, einen Unternehmensvertrag mit der für den Zustimmungsbeschluss erforderlichen Mehrheit des § 293 Abs 1 Satz 3 zu erwirken.299 § 111 Abs 4 Satz 4 kann nicht gestatten, diese Mehrheit durch ein Aufsichtsratsveto zu verschärfen, dessen Legitimationsbasis ein Aufsichtsratsbeschluss nach § 111 Abs 4 Satz 2 Alt 2 ist. Insoweit sind die §§ 293, 83 leges speciales und die Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung geht der Kontrollzuständigkeit des Aufsichtsrats vor.300 Zur Überstimmung eines Aufsichtsratsvetos auf Grundlage eines vom Aufsichtsrat selbst beschlossenen Zustimmungsvorbehalts genügt also die einfache Stimmenmehrheit zusätzlich zur qualifizierten Kapitalmehrheit. Dass letztere ebenfalls erforderlich ist, folgt aus § 293 Abs 1 Satz 3, wonach die Satzung die Anforderungen an einen Unternehmensvertrag lediglich verschärfen kann. Würde man die einfache Kapitalmehrheit genügen lassen oder gar allein eine qualifizierte Stimmenmehrheit verlangen, würde mit der Anordnung eines statutarischen Zustimmungsvorbehalts die Sperre des § 293 Abs 1 Satz 3 gegen Satzungserleichterungen für das Zustandekommen von Unternehmensverträgen unterlaufen. Dem auf Grundlage eines statutarischen Vorbehalts ergangenen Aufsichtsratsveto 122 eine die erforderliche Beschlussmehrheit erhöhende Wirkung zuzumessen, steht hingegen nicht im Widerspruch zu § 293 Abs 1 Satz 3, da diese Vorschrift eine statutarische Verschärfung der Anforderungen an einen Unternehmensvertrag ausdrücklich zulässt.301 Damit ist es Auslegungsfrage, ob ein satzungsmäßiger Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats bei Unternehmensverträgen auch zu einer Anhebung der Mehrheitserfordernisse eines Sanierungsbeschlusses (§ 111 Abs 4 Satz 4) gegenüber denen eines Zustimmungsbeschlusses (§ 293 Abs 1 Satz 2) der Hauptversammlung führen soll. Hierbei ist dann zu berücksichtigen, dass das Aufsichtsratsvotum auch ohne Einwirkung auf das Mehrheitserfordernis nicht wirkungslos bleibt.302 Selbst wenn der Vorstand trotz des Negativentscheids des Aufsichtsrats die Aufgabe oder Veränderung des Unternehmensvertrags nicht betreiben will oder – bei vorangegangenem Initiativbeschluss der Hauptversammlung – nicht betreiben kann, sondern ihn unverändert der Hauptversammlung vorlegt, ist das Aufsichtsratsveto nämlich geeignet, die Aktionäre vor der Abstimmung über den sanierenden Zustimmungsbeschluss besonders zu warnen. Entscheidungsrelevante Gesichtspunkte können so in anderem Licht erscheinen als dies bei Billigung durch den Aufsichtsrat der Fall wäre, und können mittels des Informationsrechts aus § 293g Abs 3 in der Hauptversammlung erneut thematisiert werden. Schon diese Warnfunktion erweist die Regelung eines Zustimmungsvorbehalts als derart sinnstiftend, dass das

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Hüffer10 25; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 14; schon Baumbach/Hueck13 15; v Godin/ Wilhelmi 4 6. Mehrstimmrechtsaktien können seitdem nur bestehen, wenn die Hauptversammlung vor diesem Zeitpunkt einen Fortgeltungsbeschluss nach Maßgabe des § 5 Abs 1 EGAktG gefasst hatte.

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Ganz ähnlich MünchKommAktG/Altmeppen 3 13 f; Spindler/Stilz/Veil 2 4. Wohl auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 13; iE ferner Spindler/Stilz/Veil 2 4. Darauf hinweisend schon Duden ZHR 141 (1977), 145, 170 f. Andeutungsweise ebenso MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 14.

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

zusätzliche Erfordernis einer höheren Beschlussmehrheit, etwa nach § 111 Abs 4 Satz 4, in der Satzung ausdrücklich vorgesehen sein müsste. Bei einem einfachen Zustimmungsvorbehalt ist daher davon auszugehen, dass auch ein sanierender Beschluss der Hauptversammlung mit der für §§ 293 Abs 1 Satz 2, 83 Abs 1 Satz 3 vorgesehenen Mehrheit – einfache Stimmenmehrheit und Dreiviertel-Kapitalmehrheit (Rdn 63) – gefasst werden kann.303

VI. Fehlerhafte Unternehmensverträge 1. Grundlagen

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Für die Folgen unternehmensvertraglicher Fehler ist als Ausgangspunkt an die §§ 293 Abs 3, 304 Abs 3 anzuknüpfen, die beide die Unterscheidung von Fehlerfolgen für den Unternehmensvertrag (Satz 1) und für die zugrunde liegenden Beschlüsse (Satz 2) vorgeben. Auch beim Fehlen aktienkonzernrechtlicher Sondernormen sind daher Fehler auf der Vertragsebene (Vertragsfehler) und Mängel auf der Beschlussebene (Beschlussmängel) grundsätzlich auseinanderzuhalten.304 Vertragsfehler haben die Nichtigkeit des Unternehmensvertrags zur Folge, wogegen Beschlussmängel dem zweispurigen System von Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der §§ 241 ff unterliegen.305 Gleichwohl sind Vertrag und Beschluss zwei Seiten einer Medaille, und bei der Frage nach einem etwaigen Bestandsschutz eine „Lehre vom fehlerhaften Zustimmungsbeschluss“ von der „Lehre vom fehlerhaften Unternehmensvertrag“ zu scheiden, würde dem Zusammenspiel von Unternehmensvertrag und Zustimmungsbeschlüssen nicht gerecht.306 Die Hauptversammlung darf nämlich den ihr vorgelegten Unternehmensvertrag nicht abändern (Rdn 66), so dass bei einem fehlerfreien Beschluss der Vertrags- und der Beschlussinhalt insoweit307 zwingend identisch sind. Dieser Inhaltsidentität entspricht es wiederum, dass bei inhaltlichen Vertragsfehlern stets auch ein Beschlussfehler vorliegt; bei Vertragsabschlussfehlern mag dies im Einzelfall anders liegen. Diese Zusammenhänge veranlassen eine umfassende Darstellung der sich bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze ergebenden Vertrags- und Beschlussfehlerfolgen (Rdn 124 ff, 133 ff). Im Anschluss daran werden die nach den Grundsätzen des fehlerhaften Unternehmensvertrags angezeigten Modifikationen darzustellen sein (Rdn 134 ff). 2. Vertragsfehler

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a) Sondernormen. Vertragsfehler können den Abschluss oder den Inhalt eines Unternehmensvertrags betreffen. Das Aktienkonzernrecht enthält insoweit lediglich punktuelle Sonderbestimmungen ohne abschließenden Charakter zum Vertragsinhalt. Einzelne Normen knüpfen ausdrücklich eine bestimmte Rechtsfolge an die Nichtbeachtung aktienkonzernrechtlicher Vorgaben. Nach § 304 Abs 3 Satz 1 ist ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nichtig, wenn er entgegen Abs 1 überhaupt keinen Ausgleich

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IE wie hier MünchKommAktG/Altmeppen 3 12 ff; Geßler/Geßler 11. S auch Kort Bestandsschutz, S 148 f. Emmerich/Habersack9 § 16, 12; KK/Koppensteiner 3 54; Kort Bestandsschutz, S 143

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Im Ansatz wie hier Hommelhoff ZHR 158 [1994], 11, 13 ff (Wechselbeziehung); Kort Bestandsschutz, S 146 f (Interdependenz); B Mertens BB 1995, 1417, 1419 f. Zusätzliche anderweitige Beschlussinhalte sind dagegen zulässig, s etwa Rdn 67 f.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

vorsieht.308 Gegenläufig bestimmt § 292 Abs 3 Satz 1, dass Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge – im Gegensatz zur Gewinngemeinschaft und zum Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292, 39) – nicht deshalb nichtig sind, weil sie gegen die Kapitalschutznormen der §§ 57, 58, 62 verstoßen. Für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge ist für die Unangemessenheit von Ausgleichsklauseln (§ 304 Abs 3 Satz 2) sowie für das Fehlen oder die Unangemessenheit von Abfindungsklauseln (§ 305 Abs 5 Satz 1) die Anfechtbarkeit von Zustimmungsbeschlüssen wegen Inhaltsmängeln der zugrunde liegenden Unternehmensverträge ausgeschlossen, nicht aber eine ausdrückliche Rechtsfolgenregelung zum inhaltsgleichen Vertragsfehler erfolgt. Implizit folgt hieraus, dass die entsprechenden Vertragsfehler nicht zur Nichtigkeit des betreffenden Unternehmensvertrags führen können, da der Ausschluss der Anfechtung mit dem Verweis ins Spruchverfahren (§§ 304 Abs 3 Satz 2, 305 Abs 5 Satz 1) nur einen Sinn hat, wenn der zugrunde liegende Vertrag noch wirksam ist.309 Beim Fehlen einer ausdrücklichen oder impliziten Rechtsfolgenanordnung ist der 125 Unternehmensvertrag grundsätzlich nichtig, wenn sein Inhalt oder sein Abschluss die (besonderen) Anforderungen des Aktien(konzern)rechts nicht erfüllen.310 Die Regelrechtsfolge der Nichtigkeit greift etwa ein, wenn einem Vertragspartner entgegen der gesetzlichen Vorgaben die Unternehmenseigenschaft fehlt (§ 291, 55), der Unternehmensvertrag eine unzulässige Rückwirkungsklausel enthält (Rdn 20 ff), ein gewinnverwendungsbezogener Unternehmensvertrag des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 gegen die Ausschüttungssperre der §§ 57, 58, 60 verstößt (§ 292, 39, 52) oder wenn der Vertragsinhalt die bei materieller Betrachtungsweise sich ergebenden sonstigen gesetzlichen Mindestanforderungen der §§ 291, 292 unterschreitet.311 b) Vertragsrecht des BGB aa) Fehler. Das AktG kennt, wie die Rdn 124 f zusammengestellten punktuellen Son- 126 derregeln belegen, kein abschließendes Vertragsfehlerrecht. Inhalt und Abschluss des Unternehmensvertrags können daher auch gegen allgemeine Regeln des BGB verstoßen.312 Bei einem Dissens nach den §§ 154, 155 BGB ist der Vertrag schon gar nicht zustande gekommen. Bei Willensmängeln nach §§ 117 BGB ist der Vertrag nichtig und

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Näher Hirte/Hasselbach in diesem Kommentar, § 304, 122 f mwN; iE auch Hüffer 10 16 (§ 134 BGB; jedoch bildet § 304 Abs 3 Satz 1 als vorbehaltlose Nichtigkeitsanordnung eine vorrangige lex specialis). Ohne Begründung ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 192; Hüffer 10 16. AA LG Ingolstadt WM 1991, 685, 690 = AG 1991, 24: Nichtigkeit entsprechend den §§ 241 ff nur bei Verletzung von Vorschriften im (überwiegenden) öffentlichen Interesse oder bei Unvereinbarkeit mit dem Wesen der AG, andernfalls nur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Zur Wirksamkeit des Unternehmensvertrags bei fehlender oder materiell unzutreffender Bezeichnung der Vertragsart oben Rdn 12.

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 192; Emmerich/Habersack6 19; Emmerich/ Habersack9 § 16, 12; KK/Koppensteiner 3 21; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 13, 18, 19, 53, § 71, 11b; Hüffer 10 § 291, 20; Kort Bestandsschutz, S 141; Köhler ZGR 1985, 307, 308; Oesterreich S 150 f; Windbichler Unternehmensverträge, S 48; H Wilhelm Beendigung, S 24 ff, 28 ff; einschränkend Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S 89 ff; aA – für beschlussfehleridentische Vertragsfehler gelten die §§ 241 ff – Lauber-Nöll Rechtsfolgen, S 121 ff, 127 ff unter Berufung auf LG Ingolstadt WM 1991, 685 = AG 1991, 24; ähnlich Timm in: FS Kellermann 1991, S 461, 480; näher hierzu unten Rdn 129.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

bei Willensmängeln im Sinne von §§ 119, 123 BGB anfechtbar (s auch § 297, 50).313 Inhaltsbedingte Vertragsnichtigkeit kann aus den §§ 134, 138 BGB folgen.314 Die Nichtbeachtung der in § 293 Abs 3 vorgeschriebenen Schriftform führt schließlich gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit des Unternehmensvertrags.315

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bb) § 139 BGB. Sind lediglich einzelne Klauseln eines Unternehmensvertrags nichtig (§§ 134, 138 BGB), führt dieser Vertragsfehler nach der auch im Unternehmensvertragsrecht anwendbaren allgemeinen Auslegungsregel des § 139 BGB im Zweifel zur Gesamtnichtigkeit des Unternehmensvertrags.316 Soweit unter Hinweis auf den organisationsrechtlichen Charakter von Unternehmensverträgen in Parallele zur Rechtlage bei der Errichtung eines Verbands durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung ebenfalls eine Inversion des § 139 BGB dergestalt befürwortet wird, dass es im Zweifel bei der Teilnichtigkeit der fehlerhaften Klausel(n) bewendet,317 kann dies auf der Vertragsebene nicht überzeugen.318 Schon die Prämisse vom Organisationscharakter der Unternehmensverträge geht fehl (§ 291, 21 ff, § 292, 11). Zudem wird die Strukturänderung bei der verpflichteten AG erst durch den Zustimmungsbeschluss zum Unternehmensvertrag herbeigeführt, nicht schon durch den Vertragsabschluss als solchen (Rdn 44), und für diese vorgelagerte Vertragsebene ist kein Grund dafür ersichtlich, den Parteien eine von ihrem Willen nicht umfasste Vertragsstruktur mit Dauerwirkung zu oktroyieren. § 139 BGB gelangt nämlich überhaupt erst zur Anwendung, wenn sich ausnahmsweise nicht einmal der hypothetische Parteiwille feststellen lässt.319 Im Übrigen wird jedenfalls der hypothetische Parteiwille vielfach ohnehin dahin gehen, dass es bei der Teilnichtigkeit einer Klausel bewendet, etwa bei einer Rückwirkungsklausel in einem Beherrschungsvertrag (Rdn 21) oder weil es sich nur um eine akzidentielle Bestimmung handelt.

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cc) Heilung. Bei zur Vertragsnichtigkeit führenden Vertragsfehlern kann eine Umdeutung nach § 140 BGB oder eine Bestätigung nach § 141 oder § 144 BGB320 in Betracht kommen. Für die Umdeutung eines Unternehmensvertrags des § 291 Abs 1 ist wegen der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags (Rdn 143 ff) allerdings nur Raum, wenn die Eintragung nach § 294 unterblieben ist oder jedenfalls ein nach § 293 Abs 2 erforderlicher Zustimmungsbeschluss fehlt. Mangelt es lediglich an letzterem, etwa im Falle eines materiell als Beherrschungsvertrag zu qualifizierenden Unternehmenspacht-

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MünchKommAktG/Altmeppen3 100; Emmerich/Habersack6 § 297, 30; Emmerich/Habersack9 § 19, 55. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 192; Emmerich/Habersack6 19, § 291, 31, § 297, 28; KK/Koppensteiner 3 21; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 18, § 71, 11b; Spindler/Stilz/ Veil 2 § 297, 54; H Wilhelm Beendigung, S 28 f. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 192; Emmerich/Habersack6 19; Emmerich/ Habersack 9 § 16, 10; Hüffer 10 § 291, 20. OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 360; Emmerich/Habersack6 20, § 291, 31 aE; MünchKommAktG/Altmeppen3 90 aE; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 18; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 38; Spindler/Stilz/Veil 2 36; auch KK/Koppensteiner 3

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21, 36. Vgl auch oben Rdn 66 f zur den Folgen eines eine bloße Teilgenehmigung aussprechenden Zustimmungsbeschlusses. OLG München AG 1980, 272, 273 (geltungserhaltende Reduktion des Vertragsinhalts ohne Rücksicht auf den Parteiwillen); OLG Hamburg WM 1990, 1741, 1743 ff = AG 1991, 21; s auch OLG Hamburg WM 1989, 1767, 1768 = AG 1991, 23: Abweichung von der Regelfolge des § 139 BGB; Exner AG 1981, 175, 178; Kort Bestandsschutz, S 139 f. Ebenso OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 360; vgl auch Hüffer 10 12. Außer Acht gelassen von OLG Hamburg AG 1991, 23. Für beschlussfehleridentische Vertragsfehler s sogleich Rdn 133.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

vertrags, scheint eine Umdeutung in einen „einfachen“ Unternehmenspachtvertrag iS des § 292 Abs 1 Nr 3 im Raum zu stehen. Der hiergegen gerichtete Einwand, dass die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 zu jenen des § 292 Abs 1 nicht in einem Stufenverhältnis stünden, sondern ein Aliud seien,321 trifft jedenfalls nicht zu (s § 291, 21, § 292, 11). Bei den Unternehmensverträgen des § 292 Abs 1 scheint bei erfolgter Eintragung sogar eine Umdeutung in einen anderen Unternehmensvertrag iS des § 291 Abs 1 in Betracht zu kommen. Gleichwohl kann im Ergebnis aber überhaupt nur eine Umdeutung in einen „einfachen“ bürgerlich-rechtlichen Vertragstyp zu erwägen sein.322 Im Falle atypischer Beherrschungsverträge (§ 291, 116 ff) kommt daher als „Zielrechtsverhältnis“ neben dem Pachtvertrag und dem gesetzlich nicht geregelten Betriebsüberlassungsvertrag auch der Betriebsführungsvertrag in Betracht, wenn man diesen entgegen der hM nicht als Fall des § 292 Abs 1 Nr 3 (analog) ansieht (dazu § 292, 156 f). Diese Beschränkung auf eine Umdeutung in einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag ergibt sich daraus, dass bei einer Umdeutung nach Hauptversammlungszustimmung und Eintragung auch dem Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1, 2, dessen Gegenstand der Unternehmensvertrag in seiner Gesamtheit ist (Rdn 50, 105), nachträglich ein anderer Gehalt zugewiesen werden müsste. In diesem Falle würde die vom Vorstand erteilte Information, der die Hauptversammlung auch über die rechtliche Natur des Unternehmensvertrags zutreffend zu unterrichten hat (Rdn 69), gegebenenfalls nachträglich unrichtig werden, womit ein wegen Verstreichens der Anfechtungsfrist des § 246 Abs 1 regelmäßig gar nicht mehr angreifbarer Informationsfehler vorläge. Mit dieser Wirkung ginge eine Umdeutung aber über die ihr gezogenen Zulässigkeitsgrenzen hinaus. c) Keine Sanierungswirkung der §§ 241 ff, § 246a. Über die beschränkten Heilungs- 129 möglichkeiten der §§ 140 ff BGB hinaus will die Theorie der vorrangigen Maßgeblichkeit des Beschlussmängelrechts dadurch eine weitergehende Sanierung von Vertragsfehlern eröffnen, dass (auch) alle beschlussfehleridentischen Vertragsfehler (Rdn 133) ausschließlich im durch die §§ 241 ff gezogenen Rahmen geltend zu machen sind.323 Soweit ein Zustimmungsbeschluss, auf dem der Unternehmensvertrag beruht, nach dem aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht nicht mehr angegriffen werden könne, sei auch eine Geltendmachung der entsprechenden Vertragsmängel präkludiert. Lediglich beschlussfehlerunabhängige Vertragsfehler, etwa ein Dissens der Vertragsparteien, seien von dieser Heilungswirkung des wirksamen beziehungsweise wirksam gewordenen Zustimmungsbeschlusses nicht erfasst, so dass sich (nur) insoweit die Frage nach der Anwendbarkeit der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft stelle, wenn der Unternehmensvertrag trotz Fehlerhaftigkeit praktiziert werde. Zur Begründung beruft sich diese Ansicht auf die Vergleichbarkeit des fehlerhaften Unternehmensvertrags und der fehlerhaften Satzungsänderung, deren rechtliches Schicksal mit dem des satzungsändernden Beschlusses verknüpft sei.324 Einem wirksamen beziehungsweise einem nach Maßgabe der §§ 241 ff nicht mehr 130 angreifbaren Zustimmungsbeschluss kommt keine Heilungswirkung hinsichtlich zivilrechtlicher Vertragsfehler zu;325 deren Vorliegen ebenso wie die Möglichkeiten der Ver321 322 323

324

So aber MünchKommAktG/Altmeppen3 48. IE auch MünchKommAktG/Altmeppen3 48. Lauber-Nöll Rechtsfolgen S 121 ff, 127 ff unter Berufung auf LG Ingolstadt WM 1991, 685 = AG 1991, 24; ähnlich Timm in: FS Kellermann 1991, S 461, 480. Lauber-Nöll Rechtsfolgen S 126; vgl auch Timm in: FS Kellermann 1991, S 461, 480.

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325

Ganz hM; OLG Celle AG 2000, 280, 281 = NZG 2000, 85; OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 361; OLG Hamburg AG 2011, 339, 342 = NZG 2011, 619; MünchKommAktG/Altmeppen 3 89 f, vgl auch § 291, 200; Emmerich/Habersack6 19; Emmerich/Habersack9 § 16, 12; KK/Koppensteiner 3 21, 67, 68; MünchHdbAG/

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

tragsparteien zu deren Geltendmachung bleiben von (zeitlichen) Einschränkungen aus den §§ 242, 244, 246 Abs 1 unberührt. Denn für das Zustandekommen eines Unternehmensvertrags sind der Vertragsschluss und die Hauptversammlungszustimmung(en) gleichermaßen unabdingbar (Rdn 28). Zudem belegen die Bestimmungen zur Vertragsbeendigung, die in den §§ 296, 297 jeweils keine Hauptversammlungsmitwirkung vorsehen, sowie der Gegenschluss aus dem rein beschlussgestützten Recht der Eingliederung (§§ 319 Abs 1, 2, 327 Abs 1 Nr 1), dass der Vertrag im Unternehmensvertragsrecht kein bloßes Anhängsel der Hauptversammlungszustimmung ist.326 Angesichts dieser selbständigen Bedeutung des Unternehmensvertrags geht die angebliche Vergleichbarkeit mit den Regeln für fehlerhafte Satzungsänderungen fehl.327 Im Übrigen ist der zustimmende Beschluss der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 (und Abs 2) auch nicht darauf gerichtet, etwaige Fehler des Vertrags zu sanieren.328 Leidet ein Unternehmensvertrag an einem Nichtigkeits- oder Anfechtungsmangel und 131 erfolgt seine Eintragung nach rechtskräftigem Abschluss eines zu einem Zustimmungsbeschluss durchgeführten Freigabeverfahrens, tritt keine Heilung der zivilrechtlichen Vertragsmängel ein. § 246a Abs 4 Satz 2 gewährleistet gerade keinen umfassenden Bestandsschutz bei Fehlern eines Unternehmensvertrags, dessen Eintragung im Handelsregister auf einem rechtskräftgen Freigabebeschluss beruht.329 Nach dem klaren Normtext beschränkt sich die Wirkung der rechtskräftigen Freigabeentscheidung darauf, dass Mängel des Beschlusses der dauerhaften Wirkung der Eintragung – je nachdem des Beschlusses oder des Unternehmensvertrags – nicht entgegenstehen (s § 246a Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 2). Die Sachgerechtigkeit dieser Regelung erweist sich insbesondere dann, wenn bei einer AG/KGaA als anderem Vertragsteil ein Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 2 (analog) erforderlich ist. Würde ein Freigabeverfahren lediglich in Bezug auf einen der Zustimmungsbeschlüsse betrieben und käme es zur Eintragung aufgrund einer rechtskräftigen Freigabeentscheidung, blieben nur zwei gleichermaßen unbefriedigende Lösungen: entweder wirkt sich die Heilung der Vertragsmängel auch auf den jeweils anderen Zustimmungsbeschluss sanierend aus, obwohl es für diesen an einer Freigabeentscheidung fehlt, oder der Unternehmensvertrag wird zugleich als fehlerbehaftet und als fehlerfrei behandelt. Allein sachgerecht erscheint es daher anzunehmen, dass § 246a Abs 4 Satz 2 keinen Bestandsschutz bei zivilrechtlichen Mängeln des Unternehmensvertrags selbst leistet.

132

d) Geltendmachung. Mangels spezialgesetzlicher Regelung ist die Unwirksamkeit, Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Unternehmensvertrags grundsätzlich gemäß den allgemeinen Regeln, also durch die Vertragsparteien, bei der verpflichteten AG vertreten durch den Vorstand (§ 78), geltend zu machen, nicht etwa (auch) durch einzelne Aktionäre.330

326 327

328

Krieger3 § 70, 18, 52; Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S 92; aA Kort Bestandsschutz, S 146 f: analog § 242 Abs 2 lassen sich Unternehmensvertragsfehler drei Jahre nach Eintragung nicht mehr geltend machen. KK/Koppensteiner 3 68. KK/Koppensteiner 3 67; kritisch ferner OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 361; Kort Bestandsschutz, S 148 f. KK/Koppensteiner 3 68; auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 89 aE.

329

330

Wohl auch Hüffer 9 § 246a, 12; MünchKommAktG/Hüffer3 § 246a, 35; Emmerich/ Habersack 6 § 297, 49; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 193a; Heidel/ Peres3 291, 18; wohl auch Heidel/Heidel 3 § 246a, 14a. Kort Bestandsschutz, S 141 f gegen LauberNöll Rechtsfolgen, S 125 ff, der die §§ 241 ff auf den Unternehmensvertrag als solchen entsprechend anwenden will; Timm in: FS Kellermann 1991, S 461, 480.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

3. Beschlussfehler a) Sondernormen. Für die Fehlerfolgen von Inhaltsmängeln des Unternehmensver- 133 trags, die wegen der Inhaltsidentität von Vertrag und Beschluss auf die Beschlussebene durchschlagen (vertragsfehleridentische Beschlussfehler), halten die §§ 291 ff besondere Regeln vor: Beschlüsse über Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge bei unangemessener Ausgleichsklausel oder fehlender oder unangemessener Abfindungsklausel sind nicht anfechtbar, sondern im gerichtlichen Spruchverfahren nachzubessern (§ 304 Abs 3 Satz 2, 3, § 305 Abs 5 Satz 1, 2).331 Soweit die Nichtigkeitsfolge bei gänzlich fehlender Ausgleichsregelung in § 304 Abs 3 Satz 1 ausdrücklich nur für den Vertrag angeordnet ist, muss diese Wertung auf den vertragsfehleridentischen Beschlussmangel ebenso Anwendung finden;332 ein anfechtbarer oder gar insoweit mangelfreier Zustimmungsbeschluss zu einem nichtigen und daher wirkungslosen Unternehmensvertrag wäre funktionslos. Der Beschluss über einen Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag, der gegen die Ausschüttungssperre der §§ 57, 58, 60 verstößt, ist ausweislich § 292 Abs 3 zwar nicht nichtig (Satz 1), aber anfechtbar (Satz 2). Dem entsprechend ist der konstitutiven Bedeutung des § 292 Abs 3 e contrario zu entnehmen, dass bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (§§ 57, 58, 60) im Rahmen einer Gewinngemeinschaft oder eines Teilgewinnabführungsvertrags nicht nur der Vertrag selbst nach § 134 BGB nichtig ist (§ 292, 39), sondern auch der Zustimmungsbeschluss des § 293 Abs 1 nach § 241 Nr 3 (§ 292, 39).333 b) Allgemeine Regeln aa) §§ 241 ff. Den wenigen vertragskonzernrechtlichen Spezialregelungen zu Beschluss- 134 fehlern lässt sich kein abschließendes Beschlussmängelrecht im Hinblick auf Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen entnehmen. Ebenso wenig folgt aus der systematischen Stellung der §§ 291 ff eine Rückgriffssperre, schon weil das allgemeine Beschlussmängelrecht der §§ 241 ff fehlerhafte Hauptversammlungsbeschlüsse jedweder Art betrifft und nicht zwischen Unternehmensverträgen und sonstigen Strukturmaßnahmen unterscheidet. Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Zustimmungsbeschlüsse nach § 293 sind daher vorbehaltlich der in Rdn 133 zusammengestellten Sonderregelungen nach dem allgemeinen Beschlussmängelrecht der §§ 241 f, 243 ff zu beurteilen.334 Bei vertragsfehleridentischen Beschlussfehlern haben Nichtigkeitsmängel des Vertrags 135 (§§ 134, 138 BGB) stets auch die Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses (§ 241 Nr 3, 4) zur Folge.335 Denn dass ein Zustimmungsbeschluss zu einem nichtigen und daher wirkungslosen Unternehmensvertrag lediglich befristet anfechtbar336 oder gar mangelfrei

331 332

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Dazu Hirte/Hasselbach in diesem Kommentar, § 304, 124, 127 f, § 305, 251 ff. Hüffer 10 16; KK/Koppensteiner 3 52 (ohne Normanbindung); implizit auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 78 (§ 241 Nr 3); im Ergebnis zustimmend K Schmidt/Lutter/ Langenbucher 35. KK/Koppensteiner 3 52; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 79, 82. S nur Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379, 383; LG Mosbach AG 2001, 206, 209 = NZG 2001, 763; MünchKommAktG/ Altmeppen 3 74 ff; Emmerich/Habersack6

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50; Emmerich/Habersack9 § 16, 33; Hüffer 10 16; KK/Koppensteiner 3 54; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 53; Geßler/Geßler 49; Oesterreich S 88 ff; H Wilhelm S 26, 29; Kley Rechtsstellung, S 65 f; einschränkend Praël Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S 91 f. AA Kort Bestandsschutz, S 149: in der Regel. Dies jedenfalls für möglich erachtend OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 361; KK/Koppensteiner 3 67.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

ist,337 wäre eine funktionslose Verkomplizierung der Rechtslage. Gegenläufig geht es daher auch nicht an, etwa bei fehlender oder materiell unzutreffender Vertragsbezeichnung die – im Übrigen ohnehin nicht gegebene (Rdn 12) – Vertragsnichtigkeit offen zu lassen, weil jedenfalls der Zustimmungsbeschluss mit einem Nichtigkeitsmangel behaftet sei.338 Bei sonstigen Vertragsmängeln, bei denen der Vertrag jedenfalls vorläufig wirksam ist (Anfechtungsmängel) oder, wie im Falle der ausdrücklichen Wirksamkeitsanordnung des § 292 Abs 3 Satz 1, lediglich ein Anspruch auf Rückgängigmachung, Leistungsverweigerungsrechte oder ähnliche, die Wirksamkeit des Vertrages für die Vergangenheit nicht berührende Rechte bestehen, wird auf der Beschlussebene regelmäßig nur ein Anfechtungsgrund nach § 243 Abs 1 und nicht ein Nichtigkeitsgrund nach § 241 Nr 3 anzunehmen sein. Wertungsmaßstab muss insoweit § 292 Abs 3 sein, wonach beim Ausschluss der Vertragsnichtigkeit für den Fall einer verdeckten Gewinnausschüttung bei Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen auf der Beschlussebene nur ein Anfechtungs- und nicht ein Nichtigkeitsmangel vorliegt. Bei vertragsfehlerunabhängigen Beschlussfehlern kommen die §§ 241 ff ohne jede 136 Besonderheit zur Anwendung. In diese Fehlerkategorie fällt auch das Nichtzustandekommen eines Unternehmensvertrags aufgrund eines Dissens der Parteien (§§ 154, 155 BGB). Der Beschluss selbst weist zwar keinen inhaltlichen Mangel auf, wohl aber liegt ein schwerer Informationsmangel in Gestalt des mangelnden Hinweises auf das Fehlen eines Vertrags und also ein Anfechtungsgrund vor. Diese Fehlerkategorie wäre ferner betroffen, würde die Nennung der materiell zutreffenden Vertragsart zwar nicht im Unternehmensvertrag, wohl aber im Zustimmungsbeschluss verlangt.339 Jedoch gilt (auch) für den Beschluss kein solches Erfordernis (Rdn 69), so dass die materiell unzutreffende Bezeichnung der Vertragsart keinen Beschlussmangel begründet.340 Hiervon unberührt bleibt selbstredend das Vorliegen eines Beschlussmangels für den Fall, dass die Aktionärsinformation nach Maßgabe der §§ 131, 293a ff unzutreffende Informationen zur Rechtsnatur des Vertrages enthält. Der Anfechtungsausschluss für Bewertungsrügen wegen Unangemessenheit des Aus137 gleichs (§ 304 Abs 3 Satz 2) sowie Fehlen oder Unangemessenheit der Abfindung (§ 304 Abs 5 Satz 1) wird seit dem UMAG flankiert durch den Anfechtungsausschluss nach § 243 Abs 4 Satz 2 wegen unzureichender Information über Bewertungsfragen. Der Gesetzgeber baute hiermit den vom BGH zuvor eingeschlagenen Lösungsansatz341 für den Ausgleich nach § 304342 noch aus und setzte sich zugleich über vereinzelte Kritik an dieser Linie, namentlich fehlende Informationsmöglichkeiten der Aktionäre im Spruchverfahren,343 hinweg. Abfindungswertbezogene Informationsmängel außerhalb der Hauptversammlung, etwa im Rahmen der Informationserteilung nach Maßgabe der §§ 293a, 293f, lassen sich weiterhin mit der Anfechtungsklage geltend machen. 337 338 339

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Kort Bestandsschutz, S 149 hält dies wohl für möglich. So aber KK/Koppensteiner 3 21. In diese Richtung KK/Koppensteiner 3 14 ff, 37, 57 ff: an sich muss Vertragstyp im Vertrag ausdrücklich genannt werden (14 ff), doch kann Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB dahingestellt werden (37), weil jedenfalls der Beschluss die Vertragsart zutreffend benennen muss (57). MünchKommAktG/Altmeppen 3 76; aA KK/Koppensteiner3 57.

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BGHZ 146, 179 = WM 2001, 306 = AG 2001, 301 = NZG 2001, 574; BGH WM 2001, 467 = AG 2001, 263. S auch Hirte/ Hasselbach in diesem Kommentar, § 304, 125 f. Dazu auf der Grundlage der Judikatur des BGH etwa Mülbert in: FS Ulmer 2003, S 433 ff. Weiterhin sehr krit etwa Emmerich/Habersack 9 § 16, 38 f.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Bei Nichtigkeitsmängeln eines Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 oder Abs 2 138 fehlt es von vornherein an einem auch nur vorläufig wirksamen Beschluss, so dass der Unternehmensvertrag auch bei Eintragung nicht wirksam wird. Bei Nichtigerklärung aufgrund einer erfolgreichen Anfechtungsklage (§ 241 Nr 5) tritt die Nichtigkeit eines Zustimmungsbeschlusses nachträglich mit ex tunc-Wirkung ein, so dass der Vertrag aufgrund des Fehlens einer wirksamen Hauptversammlungszustimmung auch bei Eintragung nie in Kraft getreten ist.344 Zu den Modifikationen beim Eingreifen der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags unten Rdn 143 ff. bb) § 139 BGB. Bei Teilnichtigkeit eines Zustimmungsbeschlusses kommt die Wer- 139 tung des § 139 BGB auch auf der Beschlussebene zum Tragen.345 Zunächst ist bei vertragsfehleridentischen Beschlussfehlern allerdings zu beachten, dass § 139 BGB im Falle der Teilnichtigkeit des Unternehmensvertrags schon auf der Vertragsebene zur Anwendung kommt und dass auf der Beschlussebene daher ein teilnichtiger Beschluss überhaupt nur dann vorliegen kann, wenn es auf der Vertragsebene entgegen § 139 BGB bei der Teilnichtigkeit des Vertrages bewendet (dazu Rdn 127). Dass die Wertung des § 139 BGB dann auch die Beschlussebene bestimmt, folgt daraus, dass die Zustimmungskompetenzen nach § 293 Abs 1 und Abs 2 jeweils eine eigenständige Mitwirkungszuständigkeit der Hauptversammlung verankern, keine bloßen Kontrollbefugnisse (Rdn 43, 93). Eine Verletzung dieser Mitwirkungszuständigkeit kann nicht mit Gründungsmängeln der Satzung verglichen werden und muss bei beschlussfehleridentischen (Rdn 133) Nichtigkeitsmängeln im Zweifel zur Gesamtnichtigkeit des Beschlusses entsprechend § 139 BGB führen.346 Der einheitliche Beschlussgegenstand347 bezieht sich nämlich auf das gesamte Vertragswerk (Rdn 50), nicht nur auf die essentialia negotii.348 Bei der unzulässigen Rückwirkungsklausel in einem Beherrschungsvertrag (Rdn 21) oder sonstigen akzidentiellen Bestimmungen wird freilich einmal Restgültigkeit im Übrigen anzunehmen sein; in diesem Ausnahmefall lässt sich der Beschluss nur noch im Hinblick auf die fehlerhafte Bestimmung durch eine Beschlussmängelklage angreifen.349 c) Sanierungswirkungen der §§ 241 ff, § 246a. Bei Beschlussfehlern kommt die Prä- 140 klusionswirkung der §§ 241 ff zum Tragen. Beschlussfehler können von den nach §§ 245, 249 Abs 1 Satz 1 klagebefugten Aktionären und Organmitgliedern also nur durch Beschlussmängelklage geltend gemacht werden,350 im Falle der Anfechtbarkeit also nur in den engen zeitlichen Grenzen des § 246 Abs 1. Die sanierende Wirkung

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OLG Zweibrücken AG 2005, 256, 257 = NZG 2004, 382; OLG Hamburg AG 2005, 299 = NZG 2005, 604; Emmerich/Habersack6 297, 49; Emmerich/Habersack9 § 16, 15; KK/Koppensteiner 3 67. K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 38; ohne Differenzierung von Vertrags- und Beschlussebene auch Emmerich/Habersack6 20; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 18; Geßler/Geßler 38; Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S 184; aA Kort Bestandsschutz, S 140 f; OLG Hamburg WM 1990, 1741, 1743 ff = AG 1991, 21; OLG München AG 1980, 272, 273; insoweit auch KK/Koppensteiner 3 54. Vgl auch Hüffer 10 12.

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Zu diesem Anknüpfungspunkt für die analoge Anwendung des § 139 BGB s K Schmidt in diesem Kommentar, § 241, 27. AA wohl KK/Koppensteiner 3 54. Vgl LG Nürnberg-Fürth AG 1995, 141, 142 (zur Teilanfechtbarkeit eines Zustimmungsbeschlusses wegen verspäteter Bekanntgabe des korrekten Ausgleichs); allgemein zur Teilanfechtbarkeit K Schmidt in diesem Kommentar § 241, 27. MünchKommAktG/Altmeppen3 90; B Mertens BB 1995, 1417, 1418 ff; wohl auch OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 361 (Verletzung spezifischer aktienrechtlicher Vorschriften).

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

kommt allerdings nur bei vertragsfehlerunabhängigen Anfechtungsmängeln zum Tragen, da vertragsfehleridentische Beschlussmängel die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge haben (Rdn 135). Beschlussnichtigkeitsfehler können nach § 242 durch Handelsregistereintragung im 141 Falle bestimmter vertragsunabhängiger Nichtigkeitsgründe des Beschlusses sofort (Abs 1), im Falle sonstiger Nichtigkeitsgründe nach Zeitablauf (Abs 2) heilen. Allerdings ist lediglich der Zustimmungsbeschluss bei der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft nach § 294 Abs 1 eintragungspflichtig, so dass § 242 beim Zustimmungsbeschluss des anderen Vertragsteils nach § 293 Abs 2 nicht zum Zuge kommen kann.351 Zudem entfaltet die Handelsregistereintragung keine über § 242 hinausgehende Heilungswirkung.352 Ein Bestätigungsbeschluss gilt als Neuvornahme353 entsprechend § 141 Abs 1 BGB, ohne dass die Rückwirkungsfiktion des § 141 Abs 2 BGB zum Tragen käme.354 Sanierungswirkung kann ihm allerdings nur bei vertragsfehlerunabhängigen Nichtigkeitsgründen zukommen. Denn im Falle von vertragsfehleridentischen Beschlussfehlern, bei denen der vertragliche Nichtigkeitsmangel stets auch die Beschlussnichtigkeit zur Folge hat (Rdn 135), ist der Bestätigungsbeschluss ohne Sanierung des Vertragsmangels wiederum nichtig. Bei der Bestätigung anfechtbarer Beschlüsse beurteilt sich die Sanierungswirkung nach § 244. Sonstige Möglichkeiten der Sanierung nichtiger oder vernichtbarer Zustimmungsbe142 schlüsse jenseits der §§ 242, 244 bestehen nicht.355 Insbesondere führt auch die Anwendung der Grundsätze fehlerhafter Unternehmensverträge nicht zur Wirksamkeit eines an sich nichtigen oder für nichtig erklärten Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1, 2 (Rdn 166). Allerdings besteht seit der Einführung des Freigabeverfahrens (§ 246a) auch kaum mehr Bedarf für sonstige Heilungsmöglichkeiten. Bei der Eintragung des Unternehmensvertrags aufgrund einer rechtskräftigen Freigabeentscheidung bleibt der Unternehmensvertrag nämlich gemäß § 246a Absatz 4 Satz 2 auch dann wirksam, wenn aufgrund einer erfolgreichen Beschlussmängelklage rechtskräftig die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt oder dieser für nichtig erklärt wird.356 4. Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags

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Leidet ein praktizierter Unternehmensvertrag an einem Vertragsfehler oder/und Beschlussfehler, den die allgemeinen Regeln nicht bereits neutralisieren (dazu Rdn 128 ff, 134 ff), lässt sich dem Bestandsinteresse gegebenenfalls durch die ergänzend zur Anwendung berufenen Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags Rechnung tragen. Mit der Einführung des Freigabeverfahrens nach § 246a ist deren Relevanz allerdings erheblich zurückgegangen, da ein rechtskräftiger Freigabebeschluss nach § 246a Absatz 4 Satz 2 umfassende Bestandskraft der Zustimmungsbeschlüsse auch für die Zukunft gewährleistet. Von praktischer Bedeutung sind die Grundsätze daher vor allem noch bei vertragsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsmängeln eines eingetragenen und praktizierten Unternehmensvertrags – insoweit tritt auch bei Eintragung aufgrund eines rechtskräftigen Freigabebeschlusses keine Heilung ein (näher Rdn 131) –, mögen diese

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KK/Koppensteiner 3 65. OLG Celle AG 2000, 280, 281 = NZG 2000, 85; Emmerich/Habersack6 19; Emmerich/Habersack9 § 16, 12, 62. K Schmidt in diesem Kommentar, § 241, 23.

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KK/Koppensteiner 3 65. Ebenso KK/Koppensteiner 3 65. OLG Celle AG 2008, 217; Hüffer 10 § 246a, 12; s auch Koch ZGR 2006, 769, 798; Büchel in: FS Happ, 2006, S 1, 5 ff.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Fälle auch wegen der Vertragsprüfung durch sachkundige Prüfer (§ 293b) und durch das Registergericht (§ 294, 30 ff) nur selten vorkommen.357 a) Anwendbarkeit. Die Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags bilden 144 eine unternehmensvertragsrechtsspezifische Ausformung der Grundsätze der fehlerhaften (Kapital-)Gesellschaft. Für dieses gesellschaftsrechtliche Rechtsfortbildungsinstitut ist ungeachtet im Detail unterschiedlicher dogmatischer Erklärungsansätze inzwischen weithin anerkannt, dass es im Gegensatz zur bürgerlich-rechtlichen Rechtsscheinslehre nicht primär dem Verkehrsschutz nach außen dient, sondern dass sein Geltungsgrund der innengerichtete Bestandsschutz des Verbands als Organisationseinheit ist.358 Dieser Geltungsgrund ist sowohl bei der beherrschungsvertraglich konzernierten Gesellschaft als Baustein eines Vertragskonzerns als auch beim Gewinnabführungsvertrag berührt und kann bei den Unternehmensverträgen des § 291, nicht aber bei den Verträgen des § 292 – mit dem Vorbehalt, dass bei den gewinnverwendungsbezogenen Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 2, 1 die allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft zur Anwendung kommen können (Rdn 168 ff) – einen Bestandsschutz rechtfertigen: aa) Unternehmensverträge des § 291. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge 145 behandelt die Rechtsprechung unter Hinweis auf deren organisationsrechtlichen Charakter nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft für die Vergangenheit als wirksam, nicht zuletzt, um die gläubigerschützenden Regeln der §§ 302 f zur Anwendung zu bringen.359/360 Das überwiegende Schrifttum plädiert ebenfalls für die Anwendung der Grundsätze jedenfalls bei Beherrschungsverträgen361 und auch bei Gewinnabführungsverträgen.362 Nur wenige Gegenstimmen versagen dem trotz Fehlerhaftigkeit praktizier-

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So die Einschätzung von Emmerich/Habersack6 § 291, 30. S Hüffer 10 § 275, 3 f (Schutz des Rechtsverkehrs tritt reflexartig ein); K Schmidt GesR4 § 6 I 3 (S 140 f); GroßkommHGB/Ulmer 4 § 105, 333–338, insbes 337 f (Lehre von der Doppelnatur der Gesellschaft als Schuldverhältnis und Organisation); C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 137 ff; aA wohl MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 202 (beide Vertragsparteien und der gesamte Rechtsverkehr können von wirtschaftlicher Fusion ausgehen), § 294, 46 (Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft soll nicht zuletzt die Gläubiger schützen); Krieger ZHR 158 (1994), 35, 37 ff. Für die GmbH s BGHZ 103, 1, 4 ff = WM 1988, 258 = AG 1988, 133 (seitdem st Rspr); 105, 168, 182 = WM 1988, 1525 = AG 1989, 27; 116, 37 = WM 1991, 2137 = AG 1992, 83; BGH WM 2002, 77 = AG 2002, 240 = NZG 2002, 128; OLG Oldenburg NZG 2000, 1138, 1139. Für die AG s OLG Koblenz WM 1991, 227 = AG 1991, 142; OLG München AG 1991, 358, 361 = WM 1991, 1843; OLG

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Hamburg AG 2005, 299 = NZG 2005, 604; LG Bochum AG 1987, 323; LG Ingolstadt WM 1991, 685 = AG 1991, 24; aA OLG Zweibrücken AG 2005, 256, 258 f = NZG 2004, 382; wohl auch LG Frankenthal AG 1989, 253. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 202 ff; Hüffer10 § 291, 21; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 13, 19, 54; KK/Koppensteiner 3 § 297, 55; Kort Bestandsschutz, S 160 f; C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 455 ff; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 40; Spindler/Stilz/Veil 2 § 291, 64; Krieger ZHR 158 (1994), 35, 37 ff; Hommelhoff ZHR 158 (1994), 11, 13, 27 ff; B Mertens BB 1995, 1417, 1418 f; K Schmidt GesR4 § 6 IV 4 (S 164); Lauber-Nöll Rechtsfolgen, S 34 ff; trotz kritischer Grundhaltung wohl auch Emmerich/Habersack6 § 291, 28 f. Hüffer 10 § 291, 23; Emmerich/Habersack6 § 291, 52; KK/Koppensteiner 3 § 297, 55; MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 203; Kort Bestandsschutz, S 160 f; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher 2 40; Spindler/Stilz/ Veil 2 § 291, 64; MünchHdbAG/Krieger 3

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

ten Unternehmensvertrag den Bestandsschutz363 und befürworten stattdessen für fehlerhafte Beherrschungsverträge eine analoge Anwendung der Regeln über den qualifiziert faktischen Konzern. Die andere Vertragspartei sei der Gesellschaft analog § 302 zum Verlustausgleich verpflichtet; ergänzend sei das Vermögen der Untergesellschaft über die Anwendung der §§ 311, 317 zu schützen.364 Gewinnabführungsverträge würden lediglich einfache Leistungspflichten begründen, könnten folglich rückwirkend aufgehoben und bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden.365 Stellungnahme: Die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensver146 trags auf die Unternehmensverträge des § 291 verdient Zustimmung. Zur Begründung lässt sich allerdings nicht oder jedenfalls nicht vorrangig auf Gläubigerschutzbelange verweisen. Nicht maßgeblich kann daher das Anliegen sein, (auch) den ausschließlich Gläubigerschutz bezweckenden § 303 zur Anwendung zu bringen, und auch § 302 bildet für sich genommen keine hinreichende Rechtfertigung. Beim Beherrschungsvertrag gründet die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften 147 Unternehmensvertrags vielmehr auf dem verbandsrechtlichen Bestandsschutz als dem maßgeblichen Geltungsgrund dieser Grundsätze (Rdn 144). Die Zustimmung der Hauptversammlung der beherrschungsvertraglich gebundenen Gesellschaft nach § 293 Abs 1 begründet zwar keinen neuen Verband. Die beiden Vertragsparteien bleiben im Unterschied zur Verschmelzung vielmehr eigenständige juristische Personen. Gleichwohl bewirkt die Verbandszweckänderung in Kombination mit dem Abschluss des Beherrschungsvertrags eine Reorganisation der beherrschungsvertraglich gebundenen Gesellschaft, mit der sie zum Baustein einer hierarchischen Organisationseinheit Vertragskonzern wird.366 Diese Verbandszweckänderung steht beim Beherrschungsvertrag im Zusammenhang mit der Veränderung des Regelungsstatuts der Untergesellschaft, weil die eigene Willensbildung des Vorstands der Untergesellschaft entfällt, soweit das herrschende Unternehmen zulässige Weisungen erteilt, und weil insoweit zudem das Eigeninteresse als Maßstab für die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft durch das Konzerninteresse ersetzt wird.367 Dieser Umbruch wird bei der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft zwar lediglich faktisch vollzogen und nicht rechtswirksam herbeigeführt, doch hilft die von der Gegenansicht vorgeschlagene Anwendung der Regeln über den qualifiziert faktischen Konzern gleichwohl wenig, zumal eine Rückabwicklung nach den §§ 311 ff in Ermangelung eines Abhängigkeitsberichts ohnehin nicht sachgerecht erfolgen könnte.368 Dass die außenstehenden Minderheitsaktionäre nicht durch eine Bestandswirkung des Zustimmungsbeschlusses um ihre Minderheitsrechte aus den §§ 241, 243 gebracht wer-

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§ 71, 11b; Krieger ZHR 158 (1994), 35, 42 f; aA Köhler ZGR 1985, 307, 317; C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 463 ff; Schultz Behebung, S 177. Köhler ZGR 1985, 307, 310 (bloß assoziativ empfundene Parallele zur fehlerhaften Gesellschaft); differenzierend Schultz Behebung, S 177 (für Gewinnabführungsverträge gelte das Kontinuitätsprinzip im Grundsatz nicht). Distanziert auch KK/Koppensteiner 3 § 297, 54: Grundsätze werden „aus praktischen Gründen zugrunde gelegt“. OLG Zweibrücken AG 2005, 256, 259 = NZG 2004, 382 im Anschluss an Köhler ZGR 1985, 307, 314.

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OLG Zweibrücken AG 2005, 256, 259 = NZG 2004, 382 im Anschluss an Köhler ZGR 1985, 307, 317; ähnlich Schultz Behebung, S 177. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 50 f, 162 ff; ders ZHR 163 (1999), 1, 25; ähnlich C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 457 ff; MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 202; KK/Koppensteiner 3 § 297, 55. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 163. Zutreffend MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 204; s auch KK/Koppensteiner 3 § 297, 55.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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den dürften,369 ist mit dem Hinweis auf die Handelsregistereintragung als Anwendungsvoraussetzung (Rdn 160) und die damit einhergehende registergerichtliche Prüfung (§ 294, 30 ff) zu relativieren. Schließlich verfängt auch der Einwand nicht, bei den Unternehmensverträgen werde von vornherein kein Gesamthandsvermögen gebildet.370 Dieser Aspekt ist überhaupt nur bei fehlerhaften Personengesellschaften von Bedeutung und betrifft auch bei diesen lediglich die Frage der Invollzugsetzung der Gesellschaft (dazu noch Rdn 162).371 Dem durch Zustimmungsbeschluss zum Beherrschungsvertrag begründeten Vertragskonzern muss damit trotz Fehlerhaftigkeit eine ex nunc zu beendende Wirksamkeit zugeschrieben werden. Durch den Zustimmungsbeschluss zum (isolierten) Gewinnabführungsvertrag begibt 148 sich die Hauptversammlung der Gesellschaft umfassend ihrer Gewinnverwendungskompetenz und verändert das Eigeninteresse der Gesellschaft insofern, als die Gewinnerzielung nicht mehr im gleichmäßigen Interesse aller Aktionäre erfolgt.372 Als Korrelat hierzu wird zugleich die innergesellschaftliche Finanzverfassung der abführungspflichtigen Gesellschaft durch Außerkraftsetzung der Vermögensbindung umgestaltet (§ 291 Abs 3; § 291, 174). Rückwirkend können lediglich die erfolgten Gewinnübertragungen, nicht aber diese Strukturveränderung ungeschehen gemacht werden. Eine Rückabwicklung ist – wie auch bei jedem fehlerhaften Verband – zwar nicht denkgesetzlich ausgeschlossen. Es kann aber nicht sachgerecht rückwirkend nachempfunden werden, wie die Untergesellschaft im Eigeninteresse unternehmerisch tätig gewesen wäre,373 weil ihr – insoweit im Gegensatz zum absoluten Regelfall des Teilgewinnabführungsvertrags des § 292 Abs 1 Nr 2 – keinerlei Entgelt zufließt, mit dem sie unternehmerisch tätig werden könnte. Obwohl er keine dem Beherrschungsvertragskonzern vergleichbare organisationsstrukturelle Einheit zwischen den Vertragsparteien ins Werk setzt,374 ist damit auch für den (isolierten) Gewinnabführungsvertrag ein Bestandsschutz nach den Grundsätzen des fehlerhaften Unternehmensvertrags angezeigt. bb) Unternehmensverträge des § 292? Zur Anwendbarkeit der Grundsätze des feh- 149 lerhaften Unternehmensvertrags auf die Unternehmensverträge des § 292 ist als Ausgangspunkt festzuhalten, dass es sich bei diesen Verträgen um vom Äquivalenzprinzip geprägte Dauerschuldverhältnisse handelt (s nur §§ 292 Abs 3, 302 Abs 2; § 292, 7 f), die jeweils eine (partielle) Verbandszweckänderung bei der verpflichteten Gesellschaft und also einen zweckändernden Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung erfordern (Rdn 43, 46).375 Ein Interesse an korporativem Bestandsschutz ist gleichwohl nicht anzuerkennen, soweit keine fehlerhafte atypische Innengesellschaft mit verbandsrechtlichen Elementen – zu dieser die Verträge des § 292 Abs 1 Nr 1 und 2 betreffenden Ausnahme noch näher Rdn 168 ff – vorliegt.376 Der Gesetzgeber ging selbst von einer Rück-

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OLG Zweibrücken AG 2005, 256, 258 = NZG 2004, 382; Emmerich/Habersack6 § 291, 30; Kleindiek ZIP 1988, 613, 619; vgl auch Lauber-Nöll Rechtsfolgen, S 64 ff; Timm EWiR § 297 AktG 1/88 S 947 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 203; Kort Bestandsschutz, S 163; aA Köhler ZGR 1985, 307, 310 f. Kort Bestandsschutz, S 163. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 167. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 203; ähnlich Kort Bestandsschutz, S 160 f; aA

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C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 463 ff; Schultz Behebung, S 177. Mülbert ZHR 163 (1999), 1, 37; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 202: Verträge des § 291 schaffen wirtschaftlich Fusionstatbestand. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 166 ff Ebenso KK/Koppensteiner 3 § 297, 57 ff; Hüffer 10 § 292, 11, 16; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher 2 47; noch enger – auch nicht bei Vorliegen einer Innengesellschaft – MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 292, 40

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Erster Teil. Unternehmensverträge

abwicklung nach allgemeinen Regeln (§§ 812 ff BGB beziehungsweise nach § 62 AktG) aus.377 Zudem kommt aufgrund des dauerschuldverhältnisähnlichen Charakters der Verträge nach § 292 eine Anwendung der §§ 311 ff AktG oder, bei fehlender Abhängigkeit, der §§ 312 Abs 2, 241 Abs BGB in Betracht.378

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b) Keine Anwendungssperre bei schweren Fehlern. Einschränkungen der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags werden vielfach für besonders schwerwiegende, etwaig die Nichtigkeit auslösende Vertrags- und Beschlussfehler befürwortet.379 Insbesondere wird für das Fehlen einer Ausgleichsregelung dem § 304 Abs 3 Satz 1 die Wertung entnommen, die Schwere des Fehlers zu Lasten der außenstehenden Aktionäre erfordere das Festhalten an der ex tunc-Nichtigkeit.380 Aber auch sonstige Mängel des Vertragsinhalts, die die Rechte der außenstehenden Aktionäre entgegen dem Gesetz besonders nachhaltig beeinträchtigen381 oder gegen ein Gesetz zum Schutz gewichtiger Allgemeininteressen verletzen,382 sollen gemäß §§ 134, 138 BGB einen Bestandschutz nach den Grundsätzen des fehlerhaften Unternehmensvertrags ausschließen. Was Beschlussfehler anbelangt, wird teilweise angenommen, dass die Grundsätze überhaupt keine Anwendung finden können;383 andere wollen bei Nichtigkeitsmängeln nach deren Schwere differenzieren und nur bei Anfechtungsmängeln uneingeschränkt angewendet wissen.384 Stellungnahme: Die Anwendbarkeit der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmens151 vertrags sollte nicht unter den korrigierenden Vorbehalt höherrangiger Schutzinteressen gestellt werden. Zunächst einmal beruht die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags auf der von der Schwere des konkreten jeweiligen Mangels ganz unabhängigen organisatorischen Verfestigung des Vertragskonzerns nach § 291, dessen Praktizierung trotz Fehlerhaftigkeit eine Rückabwicklung als schwierig und die Bestandswirkung daher für geboten erscheinen lässt (oben Rdn 147 f). Darüber hinausgehende Wertungskategorien begrenzen die Anwendung der Grundsätze auf Unternehmensverträge nicht, weder im Hinblick auf Vertragsfehler noch auf Beschlussfehler.385 Zudem geht die Interessenlage dahin, dass gerade durch die Anerkennung eines trotz Fehlerhaftigkeit wirksamen Unternehmensvertrags ein Schutz der Individualinteressen gewährleistet ist,386 weil (erst) dieser Vertragstatbestand die Ansprüche der §§ 304 f, aber auch der §§ 302 f begründet.387 Im Übrigen kennen das Kapitalgesellschafts- und Umwand-

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aE, 89, 130, 176; aA wohl C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 458 f. S Begründung RegE in: Kropff AktG, S 379. KK/Koppensteiner 3 § 297, 59; K Schmidt/ Lutter/Langenbucher 2 47. Emmerich/Habersack6 § 291, 30, 31 (weil sich die Rechtsordnung ansonsten selbst aufgebe); Kleindiek ZIP 1988, 613, 618 ff; aA MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 206, 207, 210; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 19, 54; Krieger ZHR 158 (1994), 35, 37 ff; Timm in: FS Kellermann 1991, S 461, 479; im Wesentlichen ferner K Schmidt/ Lutter/Langenbucher 2 42 ff; s auch KK/Koppensteiner 3 § 297, 56. ZB Emmerich/Habersack6 § 291, 31; Spindler/Stilz/Veil2 § 291, 67; insoweit auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 44.

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ZB Emmerich/Habersack6 § 291, 31 Kort Bestandsschutz, S 169. OLG Koblenz ZIP 2001, 1095, 1098; OLG Zweibrücken AG 2005, 256, 258 = NZG 2004, 382; LG Frankenthal AG 1989, 253; offengelassen von OLG Hamburg AG 2005, 299, 300 = NZG 2005, 604; aus dem Schrifttum Hüffer 10 § 291, 21; Emmerich/Habersack6 § 291, 30; Spindler/Stilz/ Veil 2 § 291, 67; Gerth BB 1978, 1497, 1499; H Wilhelm Beendigung, S 26 ff, 29 f. Hommelhoff ZHR 158 (1994), 11, 18 ff, 25 ff; Kort Bestandsschutz, S 174 f. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 206, 210. K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 42. Bezeichnenderweise befürwortet auch Emmerich/Habersack6 § 291, 30, von Fall

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lungsrecht ohnehin einen gegenüber dem allgemeinen Verbandsrechts ungleich weiter reichenden Bestandsschutz im Falle von Gründungsmängeln. Nach Eintragung einer AG oder GmbH kommt trotz schwerster Mängel (§§ 134, 138 BGB) allenfalls noch eine Auflösung für die Zukunft in Betracht (§§ 264 ff, §§ 66 ff GmbHG) und bei fehlerbehafteten Umwandlungen führt § 20 Abs 2 UmwG sogar zu einem dauerhaften Bestandsschutz für alle Zukunft.388 In dieser Perspektive tragen die Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags der Tatsache, dass die Rechtsordnung den Vertrags- und/oder Beschlussfehler missbilligt, bereits dadurch angemessen Rechnung, dass die Grundsätze keine Bestandswirkung auf Dauer begründen. c) Anwendungsvoraussetzungen aa) Äußere Willenseinigung. Grundvoraussetzung für das Eingreifen der Grundsätze 152 des fehlerhaften Unternehmensvertrags ist eine – wenngleich fehlerhafte – äußere Willenseinigung der Vertragsparteien. Diese umfasst aufgrund der Eigenheiten des (aktien)konzernrechtlichen Unternehmensvertragsrechts zwei Elemente: den Abschluss eines – gegebenenfalls fehlerhaften – Vertrags durch die jeweils vertretungsberechtigten Organe beziehungsweise Personen der beiden Vertragspartner und die – gegebenenfalls mängelbehaftete – Zustimmung der Hauptversammlungen nach § 293 Abs 1 und Abs 2. (1) Zurechnung des Vertragsabschlusses kraft Hauptversammlungszustimmung. Eine 153 Zurechnung des Vertragsabschlusses an die beteiligte(n) Gesellschaft(en) setzt eine – wenngleich fehlerhafte – Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs 1 und gegebenenfalls Abs 2 voraus.389 Andernfalls hat das Vertretungsorgan der betroffenen Vertragspartei den Vertragsabschluss als falsus procurator herbeigeführt (Rdn 35), so dass der Abschlusstatbestand der Gesellschaft nicht zurechenbar ist und als Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags von vornherein ausscheidet. Das Vorliegen von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründen schließt hierbei die Zurechnung nicht per se aus. Selbst bei nichtigen Beschlüssen erfolgt nämlich eine normative Zurechnung an den Verband, dessen Willensbildungsorgan ihn gefasst hat. Das erhellt schon § 248, wonach die Nichtigkeitsklage gegen die Gesellschaft selbst zu richten ist. Eine Zurechnung des Abschlusstatbestands an die betroffene Gesellschaft bleibt daher im Grundsatz auch dann weiterhin möglich, wenn die Nichtigkeit eines Zustimmungsbeschlusses durch Nichtigkeitsklage festgestellt oder ein anfechtbarer Beschluss durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage für nichtig erklärt (§ 241 Nr 5) wurde. Bei einem atypischen, nicht von der Hauptversammlung konsentierten verdeckten 154 oder verschleierten Beherrschungsvertrag (§ 291, 116 ff) finden die Grundsätze des feh-

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zu Fall die §§ 302 f, §§ 394 f entsprechend anzuwenden und ein Spruchverfahren zuzulassen. AA zu § 20 Abs 2 UmwG vor allem C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 182 ff, 191 ff: Entschmelzungsverbot lässt die ex nunc-Abwicklung nach den Grundsätzen des fehlerhaften Unternehmensvertrags unberührt. KK/Koppensteiner 3 § 297, 55; Emmerich/ Habersack6 § 291, 30; MünchKommAktG/ Altmeppen 3 § 291, 205; Kleindiek ZIP

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1988, 613, 619 ff; Kort Bestandsschutz, S 159; Lauber-Nöll Rechtsfolgen, S 75 ff; Priester in U H Schneider, Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge, S 37, 47; ferner wohl Krieger ZHR 158 (1994), 35, 38 mit Fn 11; Timm GmbHR 1989, 11, 19; aA C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 364 ff, 459 f; Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, S 146; auch Hirte in diesem Kommentar, § 300, 63 (für §§ 302 f, 305).

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Erster Teil. Unternehmensverträge

lerhaften Unternehmensvertrags in Ermangelung eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 keine Anwendung. Entgegen vereinzelter Stimmen, die zum Schutz außenstehender Aktionäre und Gläubiger auf das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses verzichten wollen, weil das herrschende Unternehmen im Vergleich zu stillen Gesellschaftsverhältnissen (Rdn 171) noch stärkere Einflussrechte auf das Unternehmen erhalte und das Festhalten an den Voraussetzungen von Hauptversammlungsbeschluss (und Handelsregistereintragung) allein dem herrschenden Unternehmen diene,390 ist das Vorliegen eines Zustimmungsbeschlusses ganz und gar unverzichtbar.391 Zunächst einmal sind atypische Beherrschungsverträge keine gegenüber den Beherrschungsverträgen des § 291 Abs 1 Satz 1 eigenständige Unternehmensvertragskategorie, sondern erfüllen die materiellen Anforderungen an Beherrschungsverträge, ohne als solche bezeichnet zu sein (§ 291, 116). Schon deswegen können bei der Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrag keine geringeren Anforderungen gelten. Sodann lässt sich der Verzicht auf das Beschlusserfordernis auch nicht mit der fast allseitigen Charakterisierung der Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 als der Satzung vergleichbare Organisationsverträge begründen. Diesen Verträgen kommt nämlich gerade keine satzungsgleiche Wirkung zu. Der Hauptversammlungsbeschluss, nicht der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag selbst, gestaltet das Organisationsstatut der Gesellschaft entsprechend um (näher § 291, 21). Das Zustimmungserfordernis des § 293 Abs 1 will es dem Vorstand und dem ihn gegebenenfalls unterstützenden Aufsichtsrat gerade verwehren, das Organisationsstatut der Gesellschaft unabhängig von der Hauptversammlung und den Vorstellungen der Aktionäre oder gar entgegen den Mehrheitsvorstellungen umzugestalten. Durch die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags würde diese gesetzgeberische Zielsetzung zum Nachteil der Interessen der außenstehenden Aktionäre unterlaufen. Zwar erwüchsen ihnen Ausgleichs- und Abfindungsansprüche gemäß den §§ 304, 305 und der Vorstand ihrer Gesellschaft würde zwar nicht für die Befolgung von im Konzerninteresse liegenden nachteiligen Weisungen haften, wohl aber gegebenenfalls für das Unterlassen der unverzüglichen Kündigung des verdeckten Beherrschungsvertrags aus wichtigem Grund.392 Zumindest im Einzelfall wird allerdings fraglich sein, ob die außenstehenden Aktionäre den Vorstand und den Aufsichtsrat tatsächlich in Anspruch nehmen (können) oder sich vielmehr faktisch zur Annahme eines etwaigen Abfindungsangebots genötigt sehen. Vor diesem Hintergrund lässt das Festhalten am Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses von vornherein alle Anreize für ein entsprechendes Zusammenwirken des Vorstands mit einem Dritten, bei dem es sich in aller Regel um das faktisch herrschende Unternehmen handeln wird.

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(2) Zurechnung bei Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1. Mangelfreie oder bestandskräftige Zustimmungsbeschlüsse nach § 293 Abs 1 können ohne weiteres als Anknüpfungspunkt für einen korporativen Bestandsschutz dienen. Bei nichtigen oder auf eine erfolgreiche Anfechtungsklage hin für nichtig erklärten Zustimmungsbeschlüssen liegen die Dinge weniger eindeutig. Immerhin werden die organisationsrechtlichen Strukturveränderungen bei einer vertragstypisch verpflichteten Gesell390

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Hirte/Schall Der Konzern 2006, 243, 246 ff; Wimmer-Leonhardt Konzernhaftungsrecht, 381 f. OLG Schleswig WM 2008, 2253, 2261 = AG 2009, 374 = NZG 2008, 868; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 141; Kort NZG

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2009, 364, 368; Schürnbrand ZHR 169 (2005) 35, 51 f; Goslar DB 2008, 800, 804. Das übersieht etwa Dette Verdeckte und atypische Beherrschungsverträge im Aktienrecht, S 192–194.

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schaft, die den Geltungsgrund für die Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags abgeben (Rdn 144, 147), erst durch den wirksamen Zustimmungsbeschluss bei der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft in Geltung gesetzt.393 Das Eingreifen der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags bei Nichtigkeit 156 des Zustimmungsbeschlusses wurde in der aktien(konzern)rechtlichen Judikatur bislang nur auf instanzgerichtlicher Ebene verneint.394 Im Schrifttum zum sogenannten fehlerhaften Zustimmungsbeschluss überwiegt die Ablehnung allerdings ebenfalls395 und selbst unter den Gegenstimmen396 wollen manche bei den Beschlussmängeln differenzieren und die Grundsätze nur bei Anfechtungsmängeln uneingeschränkt zur Anwendung bringen.397 Stellungnahme: Unergiebig ist zunächst der allgemeine Hinweis, zwischen Erhebung 157 einer Beschlussmängelklage und rechtskräftigem Urteil gingen meist „Jahre ins Land“ und die Rückabwicklung aller zwischenzeitlich getätigten Maßnahmen und Rechtsgeschäfte sei dann besonders schwierig.398 Denn dieser Gesichtspunkt diente bereits dazu, die grundsätzliche Anwendbarkeit der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags auf die Verträge des § 291 zu begründen (Rdn 147 f). Aus demselben Grund verfängt auch das Argument nicht, die Sicherungen der §§ 302 f trügen für die Zwischenzeit auch den Gläubigerinteressen am besten Rechnung, zumal der tragende Geltungsgrund für die Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags ohnehin nicht im Verkehrsschutz nach außen besteht (oben Rdn 144). Unbehelflich ist ferner der Hinweis, dass die Beschlussmängelklage die mögliche Feh- 158 lerhaftigkeit des Unternehmensvertrags offenkundig mache und es deshalb schon an der Invollzugsetzung des Vertrags fehle,399 weil eine Durchführungssperre des Unternehmensvertrags gesetzlich nicht gewollt ist. Umgekehrt lässt sich aus dem Fehlen einer Registersperre bei der Beschlussmängelklage gegen Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen aber auch kein Vorrang des Interesses an der Durchführung des Unternehmensvertrags vor dem mit der Klage verfolgten Verbandsinteresse und dem hiermit korrespondierenden mitgliedschaftlichen Individual(schutz)interesse der Minderheitsaktionäre ableiten. Soweit der Verzicht des Gesetzgebers des AktG 1965 auf die ursprünglich vorgesehene Registersperre dahingehend interpretiert wird, dass er im Falle fehlerhafter Unternehmensverträge der Durchführung der Strukturänderung den Vorrang vor den Interessen der außenstehenden Aktionäre eingeräumt habe,400 liegt darin eine offenkundige Fehlinterpretation der klaren gesetzgeberischen Intention. Denn der

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Beim Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 2 kommt eine korrespondierende Einschränkung daher von vornherein nicht in Betracht; aA Emmerich/Habersack6 § 291, 30. OLG Koblenz ZIP 2001, 1095, 1098; OLG Zweibrücken AG 2005, 256, 258 = NZG 2004, 382; LG Frankenthal AG 1989, 253; offengelassen von OLG Hamburg AG 2005, 299, 300 = NZG 2005, 604. Hüffer 10 § 291, 21; Emmerich/Habersack6 § 291, 30; Spindler/Stilz/Veil 2 § 291, 67; Gerth BB 1978, 1497, 1499; H Wilhelm Beendigung, S 26 ff; Kleindiek ZIP 1988, 613, 618 ff; Lauber-Nöll Rechtsfolgen, S 64 ff, 74; Timm EWiR § 297 AktG 1/88 S 947.

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MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 207, 210; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 45; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 54; Krieger ZHR 158 (1994), 35, 38; B Mertens BB 1995, 1417, 1419; Kley Rechtsstellung, S 66 ff; Windbichler Unternehmensverträge, S 49 ff. Hommelhoff ZHR 158 (1994), 11, 18 ff, 25 ff; Kort Bestandsschutz, S 174 f. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 209. So oder ähnlich Kleindiek ZIP 1988, 613, 619; Lauber-Nöll Rechtsfolgen, S 64 ff. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 208; Hommelhoff ZHR 158 (1994), 11, 26.

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Rechts- und Wirtschaftsausschuss motivierte den Verzicht auf die Registersperre damit, dass die Gefahr einer Eintragungsblockade durch eine von einzelnen Aktionären erhobene unbegründete Anfechtungsklage schwerer wiege als die Nachteile, die die gestrichene Registersperre verhindern sollte, nämlich die nachträglich eintretende Nichtigkeit eines eingetragenen Unternehmensvertrags nach erfolgreicher Anfechtung (§ 241 Nr 5) und damit eine häufig kaum mögliche Rückabwicklung der beiderseitigen Leistungen.401 Im Übrigen lässt sich die fehlende Registersperre jedenfalls seit der Einführung des Freigabeverfahrens (§ 246a) durch das UMAG ohnehin nicht mehr für einen Vorrang des Interesses an der Durchführung der Strukturmaßnahme in Anspruch nehmen. Vielmehr dient das Freigabeverfahren dazu, dem Vollzugsinteresse in den Grenzen des § 246a Abs 2 zur Durchsetzung zu verhelfen und zudem für die dauerhafte Bestandskraft der sozusagen freigegebenen Strukturänderung dadurch zu sorgen, dass es deren Rückgängigmachung nach erfolgter Handelsregistereintragung ausschließt (§ 246a Abs 4). Andererseits ist die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensver159 trags im Falle eines nichtigen Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 nicht unter Berufung darauf zu verneinen, dass der Geltungsgrund der Grundsätze auf die bei der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft eintretenden wesentlichen Strukturveränderungen reagiere und dass diese Änderungen ihrerseits eine wirksame Verbandszweckänderung durch den Beschluss nach § 293 Abs 1 erforderten (oben Rdn 43 ff), weswegen ein nichtiger oder für nichtiger erklärter Beschluss organisationsrechtlich unbeachtlich sei, weil die ins Werk gesetzte tatsächliche Strukturänderung verbandszweckwidrig bleibe. Da im Falle vertragsfehleridentischer Beschlussmängel beim Vorliegen eines vertraglichen Nichtigkeitsgrunds auch der Zustimmungsbeschluss nichtig ist (Rdn 135), würde dieser Einwand die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags im Wesentlichen auf die Fälle des nichtigen oder für nichtig erklärten Zustimmungsbeschlusses einer AG/KGaA als anderem Vertragsteil (§ 293 Abs 2) beschränken. Eine solche weitgehende Restriktion wäre aber weder praktisch sinnvoll noch wertungsmäßig angezeigt. Denn der tragende Grund für die Geltung dieser Grundsätze besteht nicht darin, dass das Regelungsstatut der vertragstypisch verpflichteten Gesellschaft rechtswirksam umgestaltet wird, sondern dass dieser Umbruch – beherrschungsvertragliche Weisungen lassen die eigene Willensbildung des Vorstands entfallen und machen das Konzerninteresse zum Maßstab für die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft im Weisungsbereich und/oder der gesamte Gewinn wird kompensationslos an den anderen Vertragsteil ausgekehrt – faktisch vollzogen wird (Rdn 147). Diesem tatsächlich praktizierten Organisationsakt ist angesichts der Schwierigkeiten einer Rückabwicklung (oben Rdn 147 f) durch die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags gerade auch dann Rechnung zu tragen, wenn der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 nichtig ist oder aufgrund einer erfolgreichen Anfechtung für nichtig erklärt wird.402

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bb) Eintragung. Die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags setzen notwendig die Eintragung des Vertrages im Handelsregister voraus,403 wie 401 402 403

S Ausschussbericht in: Kropff AktG, S 383 iVm Begründung RegE ebenda. Ähnlich auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 210. OLG München WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753; MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 202 f;

Emmerich/Habersack6 § 291, 30; Hüffer10 § 291, 21; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 41; Spindler/Stilz/Veil2 §291, 64; KK/Koppensteiner 3 § 297, 55; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 19, 54; Krieger ZHR 158 (1994), 35, 41; C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 375 ff, 460 f; Kort

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schon § 22 Abs 2 EGAktG nahelegt.404 Vor allem aber kann es nicht in der Hand der Vertragsparteien liegen, die zwingende Regelung des § 294 Abs 2 zur konstitutiven Wirkung der Registereintragung dadurch zu unterlaufen, dass sie einen – gegebenenfalls nicht einmal mit Vertrags- oder Beschlussmängeln behafteten – Unternehmensvertrag bereits vor der Eintragung in Vollzug setzen, um so den Vertrag noch vor dessen Eintragung wirksam werden zu lassen. Zu den Auswirkungen auf die Behandlung des fehlerhaften Unternehmensvertrags einer Eintragungslöschung durch das Registergericht von Amts wegen (§ 395 FamFG) s § 294, 71. Im Falle eines atypischen Beherrschungsvertrags (§ 291, 116 ff) können die Grund- 161 sätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags ebenfalls nur Anwendung finden, wenn neben dem Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs 1 – an dem es im Falle eines verdeckten oder verschleierten Beherrschungsvertrags zumeist fehlen wird – die Eintragung des Unternehmensvertrags erfolgt,405 wofür allerdings auch die Eintragung unter einer unzutreffenden Bezeichnung genügt (§ 294, 65). Widrigenfalls bewendet es aus den bereits zur Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses dargelegten Gründen (Rdn 154) bei der Vertragsunwirksamkeit. cc) Invollzugsetzung. Erforderlich ist schließlich die der Handelsregistereintragung 162 zumeist, nicht aber notwendig nachfolgende Invollzugsetzung beziehungsweise Durchführung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags.406 Hieran sollten allerdings keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.407 Insbesondere muss bei der Anknüpfung an die Organisationseinheit Vertragskonzern von vornherein außer Betracht zu bleiben, dass die Vertragsparteien kein Gesamthandsvermögen gebildet haben.408 Es ist lediglich vonnöten, dass die organisationsstrukturelle Veränderung in Gang gesetzt wurde. Dazu genügt, wenn sich mindestens ein vertragscharakteristisches Moment iS des § 291 nach außen manifestiert hat, insbesondere wenn die Obergesellschaft in die

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Bestandsschutz, S 166 f, 168; Heidel/Peres3 § 291, 24; Lauber-Nöll Rechtsfolgen, S 79 ff, aA wohl Hirte in diesem Kommentar, § 300, 63. Zur die Erforderlichkeit der Eintragung verneinenden Rechtsprechung im GmbH-Recht und den Gründen hierfür – dieses Ergebnis allerdings ablehnend – s Kort ebenda, S 164 ff mwN; gegen das Erfordernis der Eintragung im GmbH-Recht seitdem BGH WM 2002, 77 = AG 2002, 240 = NZG 2002, 128; Müller-Eising/Schmitt NZG 2011, 1100, 1102. Hüffer 10 § 291, 21; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher 2 41. OLG München WM 2008, 1932 = AG 2008, 672 = NZG 2008, 753, 755; OLG Schleswig WM 2008, 2253, 2259 = AG 2009, 374 = 2008, 868; Hüffer 10 14; U Huber ZHR 152 (1988), 123, 141; Kort NZG 2009, 364, 367; Schürnbrand ZHR 169 (2005) 35, 49 f; Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, S 142; ders AG

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2010, 273, 278; Goslar DB 2008, 800, 804; aA Hirte/Schall Der Konzern 2006, 243, 246 ff. OLG Hamburg AG 2005, 299, 300 = NZG 2005, 604; Emmerich/Habersack6 § 291, 30; Hüffer 10 § 291, 21; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 19, 54; Spindler/Stilz/Veil 2 § 291, 65; aA – Registereintragung ist Vollzug – Kort Bestandsschutz, S 168; Krieger ZHR 158 (1994), 35, 41; der Sache nach ferner Heidel/Peres3 291, 25: Vollzug, nicht aber Registereintragung entbehrlich; noch großzüger K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 41: Betreiben der Eintragung ist Vollzug; Windbichler Unternehmensverträge, S 50: kein Vollzugserfordernis. IE ebenso MünchKommAktG/Altmeppen3 § 294, 46 unter (unzutreffender, Rdn 146 ff) Berufung auf Gläubigerschutzbedürfnisse. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 203; s auch Kort Bestandsschutz, S 150; aA Köhler ZGR 1985, 307, 310 f.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Geschäftsführung der verpflichteten Gesellschaft eingegriffen409 oder – auch in Form von Abschlagszahlungen auf den mit Ende des laufenden Geschäftsjahres entstehenden Verlustausgleichsanspruch – Verluste bei dieser ausgeglichen410 hat. Aber auch Geschäftsführungsmaßnahmen in der verpflichteten Gesellschaft, die – ohne von der Obergesellschaft veranlasst zu sein – im Konzerninteresse vorgenommen werden, also gewissermaßen in vorauseilender Weisungsunterwerfung erfolgen, dürften nach Handelsregistereintragung zur Annahme der Vertragsdurchführung ausreichen. Nicht ausreichend ist jedoch, wenn sich der andere Vertragsteil etwa mit Rücksicht auf eine anhängige Anfechtungsklage gegen einen Zustimmungsbeschluss von Geschäftsführungseingriffen oder der Leistung von Verlustausgleichszahlungen absieht, aber schon Ausgleichs- oder Abfindungsleistungen an die außenstehenden Aktionäre erbringt.411 d) Rechtsfolgen, insbesondere das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund

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aa) Außenverhältnis. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs 1) ist trotz Fehlerhaftigkeit nach den Grundsätzen des fehlerhaften Unternehmensvertrags für die Vergangenheit wirksam,412 wenn die folgenden, bereits näher behandelten Voraussetzungen gegeben sind: die nach § 293 Abs 1 und Abs 2 erforderlichen (fehlerhaften) Zustimmungsbeschlüsse liegen vor (Rdn 153, 159), der Vertrag ist im Handelsregister eingetragen und die Durchführung des Vertrags in Form der In-Gang-Setzung der organisationsstrukturellen Veränderung(en) ist erfolgt (Rdn 162). Mit dem Vorliegen eines wirksamen, lediglich für die Zukunft vernichtbaren Beherr164 schungs- oder Gewinnabführungsvertrags steht zugleich fest, dass die §§ 300 ff ohne weiteres zur Anwendung kommen können und müssen.413 Als folgerichtiges Gegenstück können die §§ 311 ff für die Dauer des fehlerhaften Unternehmensvertrags keine Anwendung finden.414 Jede Vertragspartei kann sich für die Zukunft von dem nach Maßgabe der Grund165 sätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags wirksamen Vertrag lösen, indem sie die Bestandswirkung durch eine Kündigung aus wichtigem Grund (vgl § 297, 19 ff) für die Zukunft beendet.415 Dieses Kündigungsrecht besteht nach der Eintragung (und Involl409

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BGHZ 103, 1, 4 ff = WM 1988, 258 = AG 1988, 133; Vogt in Müller/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH4 § 17, 38. BGHZ 116, 37, 40 = WM 1991, 2137 = AG 1992, 83. OLG Hamburg AG 2005, 299, 300 = NZG 2005, 604. Hüffer 10 § 291, 22; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 19, 54; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 46; der Sache nach ferner Kort Bestandsschutz, S 169; aA – faktische Geltung des nichtigen Vertrags – Emmerich/Habersack6 § 291, 32. Ebenso Kort Bestandsschutz, S 175. Krieger ZHR 158 (1994), 35, 40 f; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 46. So die Rspr: BGHZ 103, 1, 4 ff = WM 1988, 258 = AG 1988, 133; 105, 168 = WM 1988, 1525 = AG 1989, 27; OLG Oldenburg NZG 2000, 1138, 1139; für die AG etwa

OLG München WM 1991, 1843 = AG 1991, 358, 361; LG Ingolstadt WM 1991, 685, 690 = AG 1991, 24; ebenso die ganz hL: Kort Bestandsschutz, S 169 ff; Spindler/ Stilz/Veil 2 § 291, 68; C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 461 f; Geßler/ Geßler § 297, 45; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 19, 54; Kley Rechtsstellung, S 62; H Wilhelm Beendigung, S 24 ff, 28 f; auch K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 46 (im Regelfall); aA – schlichte Berufung auf Nichtigkeit – Emmerich/Habersack6 § 291, 32; Bredow/Tribulowsky NZG 2002, 841, 843; ebenso BFHE 184, 88, 90 = AG 1998, 491, 492 = NZG 1998, 227, 228; unklar KK/Koppensteiner3 § 297, 60: im Interesse der Rechtssicherheit muss fristlose Beendigung durch Kündigung in Form des § 297 Abs 3 erfolgen.

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zugsetzung) im Falle von Nichtigkeitsmängeln jederzeit, beim Vorliegen von bloßen Anfechtungsmängeln erst mit der Rechtskraft des stattgebenden Gestaltungsurteils. Einschränkungen des Kündigungsrechts wegen Treuwidrigkeit kommen allenfalls in Ausnahmefällen416 und auch nur zeitlich befristet in Betracht. Für die Kündigungserklärung ist der Vorstand zuständig.417 Fristen müssen dabei nicht gewahrt werden.418 Die Perpetuierung eines fehlerhaften Unternehmensvertrags für die Zukunft ist weder vom Geltungsgrund der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags umfasst noch im Interesse der Vertragsparteien, die ohnehin ständig damit rechnen müssen, dass der Vertragspartner den Vertrag ex nunc kündigt. Statt der einseitigen Kündigung können die Parteien den Vertrag auch einvernehmlich mit sofortiger Wirkung oder auf einen späteren Zeitpunkt aufheben (s auch § 296, 18) ohne dass hierbei das Sonderbeschlusserfordernis des § 296 Abs 2 zu beachten wäre.419 bb) Innenverhältnis. Auf der Beschlussebene haben die Grundsätze des fehlerhaften 166 Unternehmensvertrags keine sanierende Wirkung. Auch bei deren Anwendung bewendet es daher bei einer Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1, 2 und dabei, dass bei Vorliegen eines Anfechtungsgrunds der Beschluss mit ex tunc-Wirkung für nichtig erklärt werden kann.420 Bei bestandskräftigen fehlerhaften Unternehmensverträgen wird der Vorstand gegen- 167 über seiner Gesellschaft regelmäßig verpflichtet sein, der Hauptversammlung die erneute Möglichkeit zur fehlerfreien Beschlussfassung über einen fehlerfreien Unternehmensvertrag zu eröffnen. Da die Vertragsparteien ständig damit rechnen müssen, dass der Kontrahent kündigt, entspricht eine Sanierung des Vertrags beziehungsweise dessen Korrektur und neue Beschlussfassung(en) ihrem Interesse. Sollte dies aussichtslos oder gar unmöglich sein, etwa bei fehlender Unternehmenseigenschaft des anderen Vertragsteils (§ 291, 46), oder ist eine solche Sanierung gescheitert, wird der Vorstand den fehlerhaften Unternehmensvertrag aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen haben.421 5. Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bei Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 Bei den gewinnverwendungsbezogenen Verträgen des § 292 Abs 1 Nr 1, 2 ist die 168 Frage der Bestandsschutzgewährung insofern besonders gelagert, als die Gewinngemeinschaft (Nr 1) stets eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts begründet (§ 292, 62) und der Teilgewinnabführungsvertrag (Nr 2) in Gestalt einer stillen Gesellschaft begründet sein kann (§ 292, 95). Insoweit kommt ein Bestandsschutz immerhin nach den allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft in Betracht. a) Anwendbarkeit der Grundsätze auf Innengesellschaften. Die Anwendbarkeit der 169 Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch auf Innengesellschaften wird von der

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Dazu etwa Kort Bestandsschutz, S 172 f. MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 195; Emmerich/Habersack6 § 291, 32; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 19; C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 461 f. MünchKommAktG/Altmeppen3 § 291, 195; Emmerich/Habersack6 § 291, 32; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 19.

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KK/Koppensteiner 3 § 297, 60. K Schmidt in diesem Kommentar, § 248, 7; aA Kort Bestandsschutz, S 160, 170: Beschlussnichtigkeit erst ab rechtskräftiger Feststellung der Fehlerhaftigkeit. MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 19 aE; C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 461.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Rechtsprechung422 seit jeher bejaht und das Schrifttum423 ist ihr weithin gefolgt. Die Rechtsordnung könne nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass die Gesellschafter gemeinsame Werte geschaffen und gemeinsame Leistungen erbracht haben. Maßgeblich sei nicht die Stellung der Gesellschafter im Außenverhältnis, sondern die Ausgestaltung ihrer Rechtsbeziehungen zueinander.424 Dies gelte auch für die typisch stille Gesellschaft. Diese sei ebenfalls „eine echte Risikogemeinschaft mit einer meist auf lange Zeit vereinbarten Teilung des Gewinns und Verlusts des Unternehmens, zu dem auch der stille Gesellschafter seinen Beitrag erbracht hat“.425 Ob die Gesellschaft über Gesamthandsvermögen verfüge, sei unerheblich. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft seien am empirischen Normalfall ausgerichtet. Dass eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Einzelfall nur geringe oder überhaupt keine Schwierigkeiten bereiten würde, ändere im Falle von Gesamthandsgesellschaften nichts an der Anwendbarkeit dieser Grundsätze und müsse daher auch bei Innengesellschaften unerheblich sein. Gegenstimmen im Schrifttum426 lehnen die Anwendung der Grundsätze der fehler170 haften Gesellschaft auf reine Innengesellschaften ohne Gesellschaftsvermögen gänzlich ab. Die Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft als verbandsrechtliches Prinzip knüpfe an die Doppelnatur der Gesellschaft als Schuldverhältnis und Organisation (Gesamthand) an. Das zentrale organisatorische Element sei in der Bildung eines Gesamthandsvermögens zu sehen. Fehle es an diesem, sei eine Abweichung von den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln – unabhängig von der Frage, ob es sich um eine atypische oder typische stille Gesellschaft handele – nicht gerechtfertigt. Folgte man der Rechtsprechung, so hätte dies eine abweichende Behandlung von Innengesellschaften zu anderen (insbesondere partiarischen) Dauerschuldverhältnissen aus rein pragmatischen Erwägungen zur Folge, wodurch im Ergebnis neue unerwünschte Abgrenzungsprobleme entstehen würden. Zudem seien die zu erwartenden Auseinandersetzungsprobleme nicht so schwerwiegend, als dass sie die Anwendung von Organisationsrecht erforderlich 422

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Rechtsprechung des BGH im Überblick: BGHZ 55, 5, 8 f = WM 1971, 127; 62, 234, 237 = WM 1974, 519; 75, 214, 217 f = WM 1980, 12; BGH WM 1973, 900, 901; NJW-RR 1991, 613; WM 1993, 1277; AG 2004, 610 = NZG 2004, 961; WM 2005, 278 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261; s zuletzt Entscheidungskomplex zur „Göttinger Gruppe“ (BGH NZG 2005, 467; 2005, 471; WM 2005, 833 = AG 2005, 390 = NZG 2005, 472). Statt vieler Grunewald Gesellschaftsrecht8 1 D 31; Baumbach/Hopt 35 § 230 HGB, 11; MünchHbdKG/Miras 3 § 95, 9; Erman/Westerman13 § 705, 83 (mit Vorbehalten); für die Gewinngemeinschaft auch Hüffer 10 § 292, 11 (weil GbR); K Schmidt/Lutter/ Langenbucher 2 47; aA MünchKommAktG/ Altmeppen 3 § 292, 41 (Gewinngemeinschaft), allerdings mit dem Hinweis darauf, dass mit den §§ 812 ff BGB verbundene Schwierigkeiten und Härten bei jedem Dauerschuldverhältnisse bestehen und akzeptiert werden, 89 (Teilgewinnabführungsvertrag);

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bei Teilgewinnabführungsvertrag auch Hüffer 10 § 292, 16 (weil keine GbR). Ausdrücklich BGHZ 8, 157, 167 f = NJW 1953, 818, 820 im Hinblick auf eine atypische stille Gesellschaft. Seit BGHZ 55, 5, 9 = WM 1971, 127 wurde die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sodann umfassend auf stille Gesellschaften ausgedehnt, um zu einer möglichst einheitlichen Beurteilung zu kommen und mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden (s BGHZ 62, 234, 237 = WM 1974, 519; BGH WM 1973, 900, 901; NJW-RR 1991, 613; WM 1993, 1277). Die Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft wurde zuletzt in den Entscheidungen zur „Göttinger Gruppe“ bestätigt (BGH NZG 2005, 467; 2005, 471; WM 2005, 833 = AG 2005, 390 = NZG 2005, 472). MünchKommBGB/Ulmer 5 § 705, 359; Wiesner Fehlerhafte Gesellschaft, S 165 ff; Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 145.

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machen würden; die flexiblen Wertmaßstäbe des § 818 Abs 1 bis 3 würden dem erforderlichen Innenausgleich hinreichend Rechnung tragen.427 Nach einer differenzierenden Auffassung können die Grundsätze der fehlerhaften 171 Gesellschaft lediglich bei atypischen stillen Gesellschaften mit einer den GesamthandsHandelsgesellschaften angenäherten Struktur Anwendung finden. Allein die Verbindung von Vermögensgemeinschaft und Mitgliedschaftsrechten begründe ein über ein bloßes Schuldverhältnis hinausreichendes organisatorisches (verbandsrechtliches) Element.428 Bei der typisch stillen Gesellschaft liege dies nicht vor und auch bei der atypisch stillen Gesellschaft genüge nicht jede Stärkung des stillen Gesellschafters durch Abweichungen von den Vorschriften der §§ 230 ff HGB. Vielmehr müsse die atypisch stille Gesellschaft eine den Gesamthands-Handelsgesellschaften angenäherte Struktur aufweisen, was nur dann der Fall sei, wenn der stille Gesellschafter schuldrechtlich am Unternehmensvermögen beteiligt sei und zusätzlich mitgliedschaftliche Mitverwaltungsrechte – z.B. in Gestalt eines Widerspruchsrechts (vgl § 164 HGB) oder eines Stimmrechts – besitze.429 Stellungnahme: Das Anliegen einer angemessenen Risikoverteilung in Bezug auf Ge- 172 winne und Verluste des Inhabers eines Handelsgeschäftes vermag entgegen hM keinen Bestandsschutz nach Maßgabe der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft zu rechtfertigen. Diesem Wertungsziel lassen sich keine auch nur einigermaßen trennscharfen (Abgrenzungs-)Kriterien dafür entnehmen, bei welchen Gesellschafts- oder Vertragsverhältnissen diese Grundsätze zur Anwendung kommen können. Das aber wäre angesichts des Fehlens einer allgemeinen zivilrechtlichen Regel, wonach jedes Dauerschuldverhältnis durch Bestandsschutz gegen Nichtigkeitsfolgen geschützt ist, vonnöten. Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft allein auf stille Gesellschaften jedweder Ausgestaltung könnte diesen Einwand nicht entkräften und würde zudem eine Ungleichbehandlung von stillen Gesellschaften und partiarischen Darlehensverträgen zur Folge haben, die durch das Vorhandensein bzw das Fehlen eines gemeinsamen Zwecks nicht zu rechtfertigen wäre. Mit der differenzieren Auffassung ist der Bestandsschutz daher auf solche atypischen 173 Gesellschaften zu beschränken, deren Organisationsstruktur über ein reines Schuldverhältnis hinausgehend ein verbandsrechtliches Element aufweisen. Mindestvoraussetzung hierfür ist das Bestehen eines Mitverwaltungsrechts mindestens in Gestalt eines Widerspruchsrechts (vgl § 164 HGB). b) Anwendungssperren. Beim Vorliegen besonders schwerer Mängel sollen die Grund- 174 sätze der fehlerhaften Gesellschaft nach der Rechtsprechung und dem Schrifttum nicht zur Anwendung kommen. Diese Abweichung gegenüber den Grundsätzen des fehlerhaften Unternehmensvertrags (Rdn 151) korrespondiert immerhin damit, dass der Kapitalgesellschaft ausweislich der §§ 264 ff, §§ 66 ff GmbHG, § 20 Abs 2 UmwG dem Bestandsschutz der eingetragenen Gesellschaft einen ungleich höheren Stellenwert beimisst, als dies im Personengesellschaftsrecht der Fall ist.

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So schon Koenigs Die stille Gesellschaft, S 107 f sowie Rödig Bereicherung ohne Rechtfertigung durch Gesellschaftsvertrag, S 59 ff; Weber Zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, S 102 ff, 174 ff; dazu auch Ulmer in: FS Flume 1978, S 301, 318. So die zutreffende Differenzierung bei K Schmidt GesR4 § 6 II 3 d (S 145 f) mwN;

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auch MünchKommHGB/Schmidt 3 § 230, 133. MünchKommHGB/Schmidt 3 § 230, 134; Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 28; im Ansatz auch OLG Stuttgart AG 2003, 533 = NZG 2003, 1160, 1161; aA Heymann/Horn 2 § 230, 28: Erbringung von Dienstleistung durch Stillen im Unternehmen genügt.

Peter O. Mülbert

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Besonders schwere Mängel im genannten Sinne liegen vor, wenn der Gesellschaftsvertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, der Zweck der Gesellschaft mit den guten Sitten unvereinbar ist oder gesellschaftsvertraglichen Regelungen ein besonders grober Sittenwidrigkeitsmakel anhaftet.430 Nicht ausreichend ist demgegenüber die arglistige Täuschung des Beitretenden.431 Vorbehaltlich der Fälle der vis absoluta fehlt es selbst im Falle des § 123 BGB nicht an zurechenbaren Willenserklärungen, an die die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft anknüpfen kann.432 Erst recht bewendet es bei der Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft, soweit ein Anleger als Verbraucher seine Beitrittserklärung in Ausübung eines Haustürwiderrufsrechts (§§ 312 Abs 1, 357 Abs 1 BGB) widerruft.433 Ein Anleger, der aufgrund einer Haustürsituation einen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen hat, ist keinesfalls schutzwürdiger als derjenige, der außerhalb einer solchen Situation durch arglistige Täuschung zum Vertragsschluss veranlasst worden ist.434 Diese Judikatur hat in der Zwischenzeit auch die Billigung durch den EuGH erfahren, da der Verbraucher, der seinen Beitritt widerruft und seine Anteile zurückgeben kann, zugleich einen Teil der Risiken tragen muss, die untrennbar mit jeder Kapitalanlage verbunden sind.435 c) Anwendungsvoraussetzungen

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aa) Zweigliedrige stille Gesellschaft. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft können auch bei zweigliedrigen und nicht nur bei mehrgliedrigen stillen Gesellschaften zur Anwendung kommen. Soweit zur Begründung darauf verwiesen wird, dass ein rückwirkendes Ausscheiden eines Gesellschafters beim parallelen Bestehen mehrerer zweigliedriger stiller Gesellschaften zu Lasten anderer stiller Gesellschafter gehen könne und dass die stillen Beteiligungen auch als jeweils eigene gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnisse eine organisatorische Verbindung und Risikogemeinschaft der stillen Gesellschafter mit dem Handelsunternehmer sowie untereinander begründen, was die Anwendung der Grundsätze rechtfertige,436 begegnet diese Begründung allerdings Bedenken. Die Annahme einer besonderen Risikogemeinschaft der ohne vertragliche Beziehungen unverbunden nebeneinander stehenden stillen Gesellschafter kommt nämlich schon deswegen nicht in Betracht, weil die einzelnen stillen Gesellschafter gegebenenfalls überhaupt nicht wissen (können), dass weitere stille Gesellschaften bestehen. Umgekehrt kann der gelegentliche Hinweis, dass der Inhaber des Handelsgeschäfts als einziger Mitgesellschafter nicht schutzwürdig sei, wenn er den Verbraucher bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags über bestehende Risiken getäuscht hat,437 die grundsätzliche Anwendbarkeit der Grund430

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Zusammenfassend BGH WM 2005, 833, 835 = AG 2005, 390 = NZG 2005, 472; MünchKommBGB/Ulmer 5 § 705, 332. Seit BGHZ 63, 338, 345 f = NJW 1975, 1022 (zuletzt wieder BGH WM 2008, 1026, 1029 = NZG 2008, 460) in Reaktion auf Kritik des Schrifttums (Flume Die Personengesellschaft, § 2 III; Wiesner Fehlerhafte Gesellschaft, S 134 f; s auch C Schäfer Lehre vom fehlerhaften Verband, S 279 f) an der früheren gegenteiligen Rechtsprechung. MünchKommBGB/Ulmer 5 § 705, 340; MünchHbdKG/Miras 3 § 95, 26. BGHZ 148, 201, 207 f = WM 2001, 1464 = NZG 2001, 936; BGH NZG 2005, 35.

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BGHZ 148, 201, 207 f = WM 2001, 1464 = NZG 2001, 936; ausdrücklich auch BGH WM 2005, 278 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261, 262. EuGH, C-215/08 = DStR 2010, 878, 880 f; dazu C Schäfer ZGR 2011, 352 ff. OLG Stuttgart AG 2003, 533 = NZG 2003, 1160, 1161; OLG Bamberg NZG 2004, 129, 130; OLG Frankfurt AG 2004, 329 = NZG 2004, 136, 138–139; OLG Braunschweig NZG 2003, 1156, 1157–1158. OLG Schleswig AG 2003, 526; OLG Jena NZG 2004, 131.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

sätze auch auf zweigliedrige stille Gesellschaften schon deswegen nicht in Frage stellen, weil dieser Einwand von vornherein nur den Sonderfall der arglistigen Täuschung betrifft. Insgesamt sprechen die besseren Gründe daher für die Anwendung der Grundsätze auch auf die zweigliedrige stille Gesellschaft. bb) Zustimmungsbeschluss und Handelsregistereintragung bei Verträgen des § 292 177 Abs 1 Nr 1, 2. Bei Innengesellschaften nach § 292 Abs 1 Nr 1, 2 können die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nach der Rechtsprechung auch ohne Vorliegen des Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 und die konstitutive Handelsregistereintragung (§ 294) zur Anwendung kommen. Der BGH hat nämlich, ohne weitere Begründung, keinen Anlass dafür gesehen, die rechtliche Behandlung des in Vollzug gesetzten Vertrages an die Hauptversammlungszustimmung oder Handelsregistereintragung zu knüpfen.438 Demgegenüber hält das ganz überwiegende Schrifttum daran fest, dass diese Grundsätze das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses und erst recht die ausdrückliche Anordnung der konstitutiven Wirkung der Handelsregistereintragung nicht überspielen können.439 Zur Begründung wird in der Rechtsprechung etwa vom OLG Hamm darauf hin- 178 gewiesen, dass die ablehnenden Erwägungen im Schrifttum unmittelbare Geltung nur für die Unternehmensverträge des § 291 Abs 1 beanspruchen könnten. Bei diesen bewirke erst die Handelsregistereintragung die die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft legitimierende Organisationsstrukturänderung. Unternehmensverträge nach § 292 AktG würden als schuldrechtliche Austauschverträge eine solche Änderung nicht bewirken.440 Bei ihnen werde die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nur dadurch legitimiert, dass der stille Gesellschaftsvertrag über die schuldrechtliche Verbindung hinaus eine verbandsrechtliche Organisation schaffe. Hierfür komme es auf einen wirksamen Teilgewinnabführungsvertrag aber nicht an. Maßgeblich sei allein das stille Gesellschaftsverhältnis, welches als Innen-GbR eine Registereintragung nicht verlange.441 Bei näherem Zusehen kann diese Begründung allerdings nicht überzeugen. Sie geht 179 daran vorbei, dass die Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags beim Gewinnabführungsvertrag nicht aufgrund der Herstellung einer dem Beherrschungsvertragskonzern vergleichbaren organisationsstrukturellen Einheit zwischen den Vertragsparteien zur Anwendung kommen, sondern weil die Rückabwicklung eines isolierten Gewinnabführungsvertrags erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde (Rdn 148), und sie überzeichnet zudem die Unterschiede zwischen Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsvertrag. Auch letztere setzen eine Anpassung des Organisationsstatuts der verpflichteten Gesellschaft in Form eines zweckändernden Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 voraus (Rdn 46). Der Verzicht auf das Vorliegen eines Zustimmungsbeschlusses und die Handelsregistereintragung hätte zur Folge, dass der Vorstand – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat – das Organisationsstatut der Gesellschaft unabhängig von der Hauptversammlung und den Vorstellungen der Aktionäre und sogar entgegen den Mehrheitsvorstellungen umgestalten könnte und würde die Verträge des

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BGH WM 2005, 278, 280 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261 unter Verweis auf die Judikatur zur Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit einer GmbH (dazu Rdn 160). Hüffer 10 § 291, 21; Wiedemann Gesell-

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schaftsR Bd II § 10 II 3; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 70, 19 mwN. OLG Hamm AG 2003, 520, 521 = NZG 2003, 228. Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, S 141–142.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

§ 292 Abs 1 Nr 1, 2 zu der Satzung vergleichbaren Organisationsverträgen machen. Das stünde im diametralen Widerspruch zur hM, wonach es sich bei diesen Unternehmensverträgen im Unterschied zu den Verträgen des § 291 Abs 1 um Austauschverträge in Form von Dauerschuldverhältnissen handelt (§ 292, 7) und muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erst recht ausscheiden, wenn man wie hier nicht einmal die Verträge des § 291 Abs 1 als Organisationsverträge begreift (§ 291, 21).

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cc) Invollzugsetzung. Die Invollzugsetzung der stillen Beteiligung ist als Anwendungsvoraussetzung für die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft unstrittig. Hierfür genügt es nach allgemeiner Auffassung, dass der Beitretende Einlagezahlungen geleistet oder gesellschaftsrechtliche Rechte ausgeübt hat.442

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d) Rechtsfolgen. Für die Rechtsfolgen beim nach hiesiger Position allerdings nur selten (Rdn 172 f) in Betracht kommenden Eingreifen der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann auf die entsprechend geltenden Ausführungen in Rdn 166 ff verwiesen werden.

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e) Rückgewähr der Einlage als Schadensersatz. Im Gegenzug zur großzügigen Bestandsschutzgewährung billigt die höchstrichterliche Rechtsprechung einem stillen Gesellschafter zu, seine Einlage bei Vorliegen einer eigenen oder jedenfalls zurechenbaren Aufklärungspflichtverletzung des Inhabers des Handelsgeschäfts nach §§ 280 Abs 1 Satz 1, 241 Abs 2 BGB (cic) als Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs 1) zurückzuverlangen. Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft stünden einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters – der Inhaber des Handelsgeschäfts iS des § 230 HGB – verpflichtet ist, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet. Demjenigen, der sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, dürfe es nicht zugutekommen, dass er auch an dem mit dem geschädigten Anleger geschlossenen Gesellschaftsvertrag beteiligt ist.443 Im Ergebnis kommt dem stillen Gesellschafter mithin ein Wahlrecht zu, ob er seine 183 Einlage im Wege des Schadensersatzes zurückfordert, oder ob er über die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft seinen Abfindungsanspruch verlangt. Hat er sich für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs entschieden, ist ein zusätzlicher Abfindungsanspruch jedoch auf die Höhe der ursprünglichen Einlage begrenzt. Will der stille Gesellschafter vermögensmäßig so gestellt werden, als wäre er der Gesellschaft nie beigetreten, kann er nicht gleichzeitig etwaige Vorteile aus dieser Beteiligung verlangen.444

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BGH WM 2005, 278, 280 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261; 2005, 833, 834 AG 2005, 390 = NZG 2005, 472 (Einlagezahlungen und Entgegennahme von steuerlichen Verlustzuweisungen genügt); OLG Hamburg AG 2003, 519, 520 = NZG 2003, 278 (Zahlung auf das Agio genügt nicht); OLG Braunschweig NZG 2003, 1156; AG 2003, 686 = NZG 2004, 126, 127; aA Wiedemann GesellschaftsR, Bd II, § 10 II 3: Vollzug der stillen Gesellschaft „im Zweifel“ nicht allein durch Leistung der Einlage; noch enger – Ausübung der dem atypisch

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Stillen eingeräumten Mitverwaltungsrechte (Rdn 172) – Spindler/Stilz/Veil 2 § 292, 28. BGH WM 2005, 278, 280 = AG 2005, 201 = NZG 2005, 261; WM 2005, 833, 836 = AG 2005, 390 = NZG 2005, 472; WM 2005, 838, 839 = AG 2005, 475; WM 2005, 2228, 2230 = NZG 2006, 57; NZG 2005, 467 = ZIP 2005, 759, 760; aA noch OLG Hamm AG 2003, 520, 521 = NZG 2003, 228; OLG Frankfurt AG 2004, 329 = NZG 2004, 136, 139. MünchHbdGesRKG/Miras 3 § 95, 36 ff.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

VII. Hauptversammlungskompetenzen bei der Gruppenbildung und -leitung 1. Geschriebene Hauptversammlungskompetenzen Zur Gruppenbildung und Gruppenleitung finden sieh im AktG nur vereinzelte ge- 184 schriebene Hauptversammlungskompetenzen. Hinzu kommen die Hauptversammlungszuständigkeiten des UmwG bei strukturändernden Gesamtrechtsnachfolgevorgängen. a) Abschluss eines Unternehmensvertrags. Der Abschluss eines Beherrschungsver- 185 trags bedarf nach § 293 Abs 1 der Zustimmung der Hauptversammlung der sich beherrschungsvertraglich unterstellenden AG oder KGaA. Da der andere Vertragsteil als künftig herrschendes Unternehmen hierbei keinem Stimmrechtsausschluss unterliegt, bewirkt diese Zuständigkeit keinen präventiven Schutz vor der Begründung beherrschungsvertraglicher Abhängigkeit (Rdn 60 f). Im Übrigen sieht das AktG keine weiteren Hindernisse für den Abschluss eines Beherrschungsvertrags vor, doch kann die Satzung der zukünftig vertraglich abhängigen Gesellschaft weitergehende Anforderungen statuieren (näher Rdn 112 ff). Für die AG und die KGaA als Obergesellschaft sieht § 293 Abs 2 einen Zustimmungs- 186 beschluss der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals zu einem Beherrschungsvertrag vor. Der Zustimmungsbeschluss ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die genannten Unternehmensverträge. Zu den Einzelheiten Rdn 89 ff. b) Änderung des Unternehmensgegenstandes. Bewirkt der Abschluss eines Unterneh- 187 mensvertrags eine Änderung des Unternehmensgegenstands, wie dies etwa für die betriebsführungsbezogenen Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 Nr 3 teilweise angenommen wird (§ 292, 26), besteht neben der Hauptversammlungszuständigkeit nach § 293 Abs 1 oder Abs 2 keine Hauptversammlungskompetenz auch nach den allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften445. Denn nach § 293 Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 2 sind die Bestimmungen über Satzungsänderungen auf den Abschluss des Unternehmensvertrags nicht anzuwenden. Näher Rdn 56 ff, 104. Maßnahmen, die dem Abschluss eines Unternehmensvertrages regelmäßig voraus- 188 gehen, etwa Beteiligungserwerbe, die Ausgliederung von Unternehmensteilen auf Tochtergesellschaften oder die Veräußerung von Beteiligungen, können mit dem geltenden Unternehmensgegenstand der Muttergesellschaft unvereinbar sein und gegebenenfalls dessen Anpassung im Wege der Satzungsänderung erforderlich machen. Das gilt insbesondere in folgenden Konstellationen: wenn das Geschäftsfeld der zu erwerbenden oder zu gründenden Tochtergesellschaft vom Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft nicht erfasst ist; wenn eine Tochtergesellschaft veräußert wird, deren Geschäftsfeld zum Kernbereich der Tätigkeit der Muttergesellschaft gehört und das Geschäftsfeld auf Dauer nicht anderweitig im Konzern abgedeckt wird oder wenn die Muttergesellschaft nur eine kapitalistische Beteiligung an der Tochtergesellschaft erwirbt.446 Eine Hauptversammlungskompetenz in allen vorgenannten Konstellationen folgt für 189 die hM aus dem Ineinandergreifen von zwei Regeln: Erstens darf der Vorstand den Unternehmensgegenstand weder über- noch dauerhaft unterschreiten,447 etwa durch die

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Bürgers/Körber 2 § 179, 20. MünchKommAktG/Stein 3 § 119, 112; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 60, 91.

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Ganz hM; s nur OLG Stuttgart, AG 2003, 527, 531 = NZG 2003, 778.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

dauerhafte Aufgabe eines in der Satzung genannten Tätigkeitszweigs,448 und zweitens muss die Ausfüllung des Unternehmensgegenstands nach hM unmittelbar durch die Muttergesellschaft erfolgen, es sei denn, die Satzung enthält bereits die Ermächtigung, Beteiligungen zu erwerben und zu veräußern sowie Unternehmensteile auf nachgeordnete Gesellschaften auszugliedern (Konzernklausel)449. Stellungnahme: Entgegen der hM ist eine Konzernklausel für die Zulässigkeit der mit190 telbaren Ausfüllung des Unternehmensgegenstands entbehrlich. Wenn die hM der Obergesellschaft unternehmensgegenstandsfremde Tätigkeiten der Tochtergesellschaft mit der Folge zurechnen will, dass diese Tochteraktivitäten unzulässig sind450, müssen konsequenterweise auch die Tochtertätigkeiten zugerechnet werden, die den Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft ausfüllen.451 Einschränkend ist für eine mittelbare Ausfüllung des Unternehmensgegenstands allerdings erforderlich, dass die Obergesellschaft die Tochtergesellschaft tatsächlich einheitlich leiten kann. Nur in diesem Fall lassen sich der Obergesellschaft die Tätigkeiten der Untergesellschaft zurechnen.452 Der Erwerb rein kapitalistischer Beteiligungen bedarf demgegenüber einer ausdrück191 lichen Satzungsermächtigung, da sich die unternehmerische Tätigkeit der Verwaltung von Finanzanlagen im Grundsätzlichen von den unternehmerischen Aktivitäten Produktion/Handel/Dienstleistung unterscheidet.453 Als Konsequenz ist der Kreis zulässiger Finanzbeteiligungen nicht anhand der branchenbezogenen Elemente des Unternehmensgegenstands der Obergesellschaft zu beschränken. Lässt die Satzung kapitalistische Beteiligungen zu, darf eine Gesellschaft also eine Finanzbeteiligung an anderen Gesellschaften erwerben, die sich, gemessen am Unternehmensgegenstand der Erwerberin, branchenfremd betätigen454. Ob die Änderung des Unternehmensgegenstandes der Tochter auch eine entsprechende 192 Änderung bei der Obergesellschaft erfordert, beurteilt sich nach den in Rdn 188 dargestellten Kriterien. Liegt eine kapitalistische Beteiligung vor, bleibt die Gegenstandsänderung auf der Ebene der Muttergesellschaft ohne Auswirkungen. Handelt es sich um eine Gegenstandsänderung bei einer unternehmerischen Beteiligung und wird hierdurch der Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft über- oder unterschritten, besteht auf deren Ebene eine Hauptversammlungskompetenz nach § 179 Abs 1. Keine Rolle hierfür spielt die relative oder absolute Größe der Gesellschaft, an der Beteiligung besteht, und ebenso wenig deren strategische Bedeutung für die Obergesellschaft. Verbleibt der geänderte Unternehmensgegenstand innerhalb des Unternehmensgegenstands der Obergesellschaft, bewendet es bei der Zuständigkeit deren Vorstands, über die Wahrnehmung der Stimmrechte bei der Gegenstandsänderung der Tochtergesellschaft zu entscheiden455. 448

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Ganz hM; s nur OLG Stuttgart, AG 2003, 527, 531 = NZG 2003, 778; Wiedemann in diesem Kommentar, § 179, 60. BGHZ 159, 30, 46 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571; OLG Frankfurt/M AG 2008, 862; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 31; Lutter in: FS Stimpel 1985, S 825, 847; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 7 f; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 36 ff; MünchKommAktG/Stein 3 § 179, 113; Spindler/Stilz/Müller 2 Vor § 311, 57; Wiedemann in diesem Kommentar, § 179, 64; Wahlers Konzernbildungskontrolle, S 142 ff. KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 60.

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Näher Mülbert Aktiengesellschaft2, S 374 ff; ebenso jetzt Leuschner Konzernrecht, S 100 f. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 378 ff. KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 61; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 46 f; Groß AG 1994, 266, 268; Götz AG 1984, 85, 90; Rehbinder ZHR 147 (1983), 464, 467; großzügiger Wiedemann in diesem Kommentar, § 179, 63: im üblichen Umfang. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 375 mwN. KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 90.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

c) Vermögensveräußerung gemäß § 179a. Bildet der auszugliedernde Geschäftsteil 193 oder die zu veräußernde Beteiligung das gesamte Gesellschaftsvermögen der Obergesellschaft, besteht eine Hauptversammlungskompetenz gemäß § 179a.456 Dies gilt auch, wenn der Obergesellschaft ein lediglich unwesentlicher Vermögensteil verbleibt.457 Die (Un-)Wesentlichkeit nicht erfasster Vermögensteile bestimmt sich danach, ob die Obergesellschaft ihre Geschäftstätigkeit, wenn auch in einem eingeschränkten Umfang, hiermit weiterhin selbst verfolgen kann.458 d) Zuständigkeiten nach dem UmwG. Nach dem UmwG ist die Hauptversammlung 194 zuständig für die Abfassung von Verschmelzungs- und Spaltungsbeschlüssen mit qualifizierter Kapitalmehrheit (§§ 65, 73, 125 UmwG). Darüber hinaus ist die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich in den Fällen der Vermögensübertragung nach den §§ 174 ff UmwG (gewillkürte Gesamt- oder Teilrechtsnachfolge) sowie beim identitätswahrenden Formwechsel (§§ 193, 226 ff UmwG).459 2. Unternehmensverträge im mehrstufigen Konzern (§ 293 analog) Bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen steht für manche Konstellationen im 195 Raum, dass neben der Zustimmung der Hauptversammlung(en) der Vertragspartner nach Maßgabe der § 293 Abs 1, 2 zusätzlich die Zustimmung der Hauptversammlung einer oder mehrerer nicht unmittelbar am Unternehmensvertrag beteiligter Gesellschaften erforderlich ist. Beim Abschluss eines Unternehmensvertrags durch eine nachgeordnete Gesellschaft einer Unternehmensgruppe (Rdn 196 ff) geht es darum, ob und gegebenenfalls auf welchen übergeordneten Ebenen eine zusätzliche Hauptversammlungszuständigkeit besteht und welche Rechtsgrundlage einschlägig ist; letzteres deshalb, weil die in Betracht kommenden normativen Anknüpfungspunkte – § 293 Abs 2 analog, § 293 Abs 1 analog, Holzmüller/Gelatine-Kompetenz – im Einzelnen je unterschiedliche Voraussetzungen aufweisen. Bei stufenübergreifenden Unternehmensverträgen etwa zwischen der Mutter- und einer (Ur-)Enkelgesellschaft geht es ganz ähnlich darum, ob auf der oder den Zwischenebenen zusätzliche Hauptversammlungszuständigkeiten bestehen (Rdn 207 ff). a) Abschluss eines Unternehmensvertrages durch die Untergesellschaft. Schließt eine 196 Untergesellschaft einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einem Dritten ab, werden beim nach § 293 Abs 1 oder Abs 2 erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss die Stimmrechte aus den Aktien der Muttergesellschaft von deren Verwaltung wahrgenommen – eine vereinzelt als Mediatisierung des kollektiven Aktionärseinflusses bei der Muttergesellschaft bezeichnete Rechtslage.460 Ob sich hieran eine Mitwirkungskompetenz auf übergeordneten Ebenen, insbesondere der Konzernobergesellschaft, knüpft, bemisst sich ganz unabhängig von der Person des Vertragspartners und damit unabhängig davon, ob der Vertragspartner derselben Unternehmensgrupppe zugehört oder nicht. Im Falle gruppeninterner Unternehmensverträge zwischen Schwestergesellschaften oder

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Zum fehlenden Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses bei einer Vermögensübertragung auf eine 100 %-ige Tochtergesellschaft s Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 420 f. Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 32; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 27; Spindler/Stilz/Müller 2 Vor § 311, 58. Spindler/Stilz/Holzborn 2 § 179a, 19;

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Hölters/Haberstock/Greitemann § 179a, 4; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 27; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 32. S auch die Zusammenstellungen bei Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 14 f; ferner Hüffer 10 § 119, 7; Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 12. MünchKommAktG/Altmeppen 3 108, 109.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

zwischen Tochter- und Enkelgesellschaften ist eine Hauptversammlungskompetenz bei der Konzernobergesellschaft allerdings gegebenenfalls mit Blick auf beide vertragschließenden gruppenangehörigen Gesellschaften und damit zweifach begründet.

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aa) Vorgängiger Unternehmensvertrag. Der Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags durch eine Untergesellschaft bedarf keiner zusätzlichen Zustimmung durch die Hauptversammlung der Muttergesellschaft, wenn der Unternehmensvertrag mit dem Dritten zeitlich vor dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags zwischen der (Tochter-)Gesellschaft und ihrer Muttergesellschaft liegt. Die Zustimmung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft nach § 293 Abs 2 umfasst auch den vorgängigen Vertrag der Tochtergesellschaft mit dem Dritten.461 Das gilt unabhängig davon, ob die Tochtergesellschaft den vorgängigen Unternehmensvertrag als anderer Vertragsteil abgeschlossen oder sich vertragstypisch verpflichtet hat.

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bb) Nachfolgender Unternehmensvertrag der Untergesellschaft als anderem Vertragsteil. Schließt eine beherrschungsvertraglich konzernierte Untergesellschaft nachfolgend einen Unternehmensvertrag iS des § 291 als anderer Vertragsteil, bedarf dies analog § 293 Abs 2 der Hauptversammlungszustimmung bei der Konzernobergesellschaft.462 Der sogenannte Zustimmungsdurchgriff 463 ist deswegen eröffnet, weil die Obergesellschaft aufgrund des nachfolgenden Unternehmensvertrags mittelbar auch zum Verlustausgleich bei der Enkelgesellschaft verpflichtet wird;464 andere machen (zudem) geltend, dass die Obergesellschaft eine Pflicht zur Abfindung in eigenen Aktien aus § 305 Abs 2 Nr 2 treffe.465 Demgegenüber will die hM einen Zustimmungsdurchgriff analog § 293 Abs 2 nicht 199 anerkennen:466 Die Abfindungspflicht nach § 305 Abs 2 Nr 2 bestehe richtigerweise nur zulasten der Tochter-, nicht aber zulasten der Obergesellschaft, und sei auch nur als eine Alternative zur Barabfindung vorgesehen467. Der Verweis auf die mittelbare Verlustausgleichspflicht könne ebenfalls nicht verfangen,468 da ihr Eingreifen von der finanziellen Lage der Untergesellschaft abhänge, was eine jeweils einzelfallabhängige Betrachtung erfordere und somit zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führe;469 im Übrigen sei die Verlustausgleichspflicht noch nicht einmal im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 293 Abs 2 tragender Grund für die Zustimmungspflicht 470. Andernorts wird geltend

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AllgM; MünchKommAktG/Altmeppen3 111; Emmerich/Habersack6 12; Emmerich/Habersack9 § 16, 32; Hüffer 10 20; KK/Koppensteiner3 45; Spindler/Stilz/Veil 2 41; Heidel/Peres3 22; K Schmidt/Lutter/ Langenbucher 2 30; Hölters/Deilmann 12; Wachter/Müller 14; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 23 (vgl auch § 69, 37 ff); Rehbinder ZGR 1977, 581, 612; Sonnenschein BB 1975, 1088, 1092; Timm Aktiengesellschaft, S 170; Pentz Enkel-AG, S 131. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 447; Rehbinder ZGR 1977, 581, 613; Timm Aktiengesellschaft, S 171 f; Pentz Enkel-AG, S 130; iE auch Emmerich/Habersack6 12; Emmerich/Habersack9 § 16, 31; vgl auch Kamprad AG 1986, 321, 324 (für einen Sonderfall). ZB Hüffer 10 20. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 447; Emme-

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rich/Habersack6 12; Emmerich/Habersack9 § 16, 31; Pentz Enkel-AG, S 125, 130. Rehbinder ZGR 1977, 581, 613; Timm Aktiengesellschaft, S 171 f. Hüffer 10 20; KK/Koppensteiner 3 45; MünchHdbAG/Krieger3 § 70, 23; K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 31; Wachter/Müller 14; iE auch MünchKommAktG/Altmeppen 3 113 ff. S etwa Sonnenschein BB 1975, 1088 ff; MünchKommAktG/Altmeppen 3 113. Hüffer 10 20; KK/Koppensteiner 3 45; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 23; Sonnenschein BB 1975, 1088, 1092. Spindler/Stilz/Veil 2 41; Raiser/Veil 5 § 54, 27; KK/Koppensteiner 3 45. MünchKommAktG/Altmeppen3 113 f; vgl auch Hölters/Deilmann 10.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

gemacht, dass der Zustimmungsbeschluss zum Unternehmensvertrag zwischen Oberund Untergesellschaft bereits alle Risiken – inklusive des Risikos eines Unternehmensvertragsschlusses durch die Untergesellschaft – abdecke471 oder dass ein Zustimmungsdurchgriff wegen der fortbestehenden uneingeschränkten Verpflichtungsfähigkeit der Untergesellschaft abzulehnen sei472. Unberührt vom Nichtbestehen eines Zustimmungsdurchgriffs analog § 293 Abs 2 200 bleibt nach hM eine Hauptversammlungskompetenz nach Maßgabe der Holzmüller/ Gelatine-Grundsätze (Rdn 227).473 Die Voraussetzungen hierfür seien beim Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags mit einer konzernfremden Enkelgesellschaft gegeben, nicht aber im Falle einer konzernzugehörigen Enkelgesellschaft.474 Stellungnahme: Die auf der Ebene der Obergesellschaft bestehende Zustimmungs- 201 kompetenz analog § 293 Abs 2 lässt sich – hierin ist der hM 475 beizupflichten – nicht mit der Abfindungspflicht aus § 305 Abs 2 Nr 2 begründen. Denn diese Verpflichtung trifft allein die Untergesellschaft, es sei denn, dass die Konzernobergesellschaft – etwa im Wege eines Mehrmütterunternehmensvertrags (Rdn 96) – ebenfalls Vertragspartei wird476. Zudem, und dies betrifft auch Sonderkonstellationen wie den Mehrmütterunternehmensvertrag, bildet den tragenden Grund des § 293 Abs 2 ohnehin nicht die Abfindungspflicht, sondern die Verlustausgleichspflicht nach § 302 Abs 1 (näher Rdn 89 ff). Andererseits veranlasst gerade dieser Normzweck angesichts des Umstands, dass das von der Obergesellschaft zunächst übernommene Risiko sich durch den später von ihrer beherrschungsvertraglich gebundenen Tochtergesellschaft geschlossenen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag indirekt um das von der Tochter übernommene Verlustausgleichsrisiko für die unternehmerische Tätigkeit des Dritten erweitert, vorliegend eine Hauptversammlungskompetenz analog § 293 Abs 2 anzunehmen. Dass das Ob von Ausgleichsleistungen von der finanziellen Situation der Untergesellschaft und damit vom Einzelfall abhängt, steht einer analogen Anwendung nicht entgegen. Auch im unmittelbaren Anwendungsbereich der Verlustausgleichspflicht hängt es nämlich vom Einzelfall ab, ob tatsächlich Ausgleichszahlungen geleistet werden müssen, und dennoch sieht das Gesetz unabhängig von der finanziellen Situation der Untergesellschaft eine Hauptversammlungskompetenz der Obergesellschaft vor.477 In beiden Fällen entsteht für die Obergesellschaft (indirekt) gleichermaßen ein unbegrenztes, potentiell bestandsgefährdendes Risiko aufgrund fremder unternehmerischer Tätigkeit,478 Der Zustimmungsbeschluss zum Unternehmensvertrag zwischen Ober- und Tochtergesellschaft deckt dieses Risiko nur für diesen Vertrag. Durch den Abschluss des Unternehmensvertrags zwischen der Tochtergesellschaft und einem Dritten kommt das theoretisch unbegrenzte Risiko der unternehmerischen Tätigkeit dieses Dritten hinzu, das von den Aktionären der Obergesellschaft

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MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 23; Heidel/Peres 3 22; Bürgers/Körber/Schenk 2 24. Hüffer 10 20; Bürgers/Körber/Schenk 2 24. MünchKommAktG/Altmeppen3 115 (bei „wesentlichen Entscheidungen“, in „krassen Ausnahmefällen“); K Schmidt/ Lutter/Langenbucher 2 31; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 805, 806; Hölters/Deilmann 13; Spindler/Stilz/Veil 2 42; sehr restriktiv MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 23; nur in Ausnahmefällen, etwa wenn

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außenstehenden Aktionären der Enkelgesellschaft eine Abfindung in Aktien der bislang 100 %igen Tochter angeboten werden sollen. K Schmidt/Lutter/Langenbucher 2 31. ZB KK/Koppensteiner 3 45. Insoweit zutreffend MünchKommAktG/Altmeppen3 113; vgl auch Sonnenschein BB 1975, 1088, 1093. S Pentz Enkel-AG, S 130. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 447.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

nicht geprüft werden konnte, sodass sich der frühere Hauptversammlungsbeschluss hierauf auch nicht erstreckt479. Der analog § 293 Abs 2 erforderlichen Zustimmung der Hauptversammlung der 202 Obergesellschaft kommt Außenwirkung zu, indem sie wie bei unmittelbarer Anwendung der Vorschrift (Rdn 94) als Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands der Obergesellschaft wirkt480. Bei fehlendem Zustimmungsbeschluss kann er die Stimmrechte seiner Gesellschaft beim Zustimmungsbeschluss gemäß § 293 Abs 2 bei der Tochtergesellschaft nicht wirksam ausüben, so dass der nachfolgende Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag vorbehaltlich der Grundsätze des fehlerhaften Unternehmensvertrags (dazu Rdn 123 ff) nicht wirksam werden kann.

203

cc) Nachfolgender Unternehmensvertrag der Untergesellschaft als vertragstypisch verpflichtete Partei. Einer unternehmensvertraglich gebundenen Untergesellschaft ist es grundsätzlich möglich, nachfolgend einen weiteren Unternehmensvertrag als vertragstypisch verpflichtete Partei (auch) mit einem Dritten abzuschließen. Allerdings wird ein weiterer Gewinnabführungsvertrag bei einem bestehenden Gewinnabführungsvertrag praktisch nicht geschlossen werden, da die Untergesellschaft den gesamten Gewinn nur einmal abführen kann; in Betracht kommt insoweit lediglich der Vertragsbeitritt des Dritten zum bestehenden Gewinnabführungsvertrag (dazu § 291, 102; § 295, 20). Demgegenüber besteht beim Abschluss eines zweiten, eigenständigen Beherrschungsvertrags die Möglichkeit, dass die beiden Weisungsrechte aus Sicht der Untergesellschaft widersprüchlich ausgeübt werden. Daher ist eine Koordination der Weisungsrechte erforderlich, ohne dass hierin eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den später geschlossenen Beherrschungsvertrag läge. Näher § 291, 108 f. Eine Zustimmungskompetenz der Obergesellschaft beim Abschluss eines Unterneh204 mensvertrags der unternehmensvertraglich gebundenen Untergesellschaft mit einem Dritten als anderem Vertragsteil folgt nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht schon aus § 293 Abs 2. Eine Hauptversammlungszuständigkeit bei der Obergesellschaft analog § 293 205 Abs 1481 wird mit Unterschieden im Detail teilweise für den Fall bejaht, dass sich praktisch die gesamte unternehmerische Tätigkeit in der Tochtergesellschaft vollzieht 482 oder dass die Tochtergesellschaft im Wesentlichen den einzigen Vermögensgegenstand der Obergesellschaft darstellt483. Dem ist aber nicht zu folgen. Maßgebend hierfür ist weniger der Gesichtspunkt, dass die unternehmensvertragliche Bindung der Untergesellschaft deren Verpflichtungsfähigkeit nicht einschränke484 als vielmehr der Aspekt, dass der tragende Grund des § 293 Abs 1 die Mitwirkung der Hauptversammlung an der erforderlichen materiellen Satzungsänderung ist und das Legalstatut der Obergesellschaft vom Abschluss eines Unternehmensvertrags auf der Ebene der Untergesellschaft unberührt bleibt.485

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480 481 482

Emmerich/Habersack9 § 16, 31; Pentz Enkel-AG, S 130; Rehbinder ZGR 1977, 581, 613; Timm Aktiengesellschaft, S 171. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 449; aA Timm Aktiengesellschaft, S 171 f. AA Heidel/Peres 3 23: ein „aus § 118 Abs 2 [sic!] abgeleitetes Internum“. Götz AG 1984, 85, 88; nur für die Gewinngemeinschaft und den Gewinnabführungs-

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484 485

vertrag auch Emmerich/Habersack6 11; Emmerich/Habersack9 § 16, 30. KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 105 für Unternehmensverträge mit außenstehenden Dritten und mit Gegenausnahme für die gewinnverwendungsbezogenen Unternehmensverträge des § 292 Abs 1 Nr 1, 2. Hüffer 10 20; Hölters/Deilmann 10 f. Pentz Enkel-AG, S 132 f.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Eine Hauptversammlungzuständigkeit bei der Obergesellschaft kann daher allenfalls 206 kraft einer ungeschriebenen Holzmüller/Gelatine-Kompetenz gegeben sein.486 b) Unternehmensverträge zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft. Schließen Mutter- 207 und Enkelgesellschaft unter Auslassung der Tochtergesellschaft einen Unternehmensvertrag, besteht auf deren Ebene kein Zustimmungserfordernis analog § 293 Abs 1. Diese Hauptversammlungskompetenz erklärt sich maßgeblich aus den organisationsrechtlichen Auswirkungen des Vertragsschlusses (Rdn 43 ff).487 Ein Unternehmensvertrag zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft hat jedoch gerade keine Auswirkungen auf das Organisationsrecht der Tochtergesellschaft, so dass eine Mitwirkung ihrer Aktionäre unter diesem Aspekt nicht in Betracht kommt.488 Schließt eine Enkelgesellschaft einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag 208 mit der Muttergesellschaft ab, ist die Hauptversammlung der Tochtergesellschaft auch nicht analog § 293 Abs 2 zur Zustimmung berufen.489 Für eine Analogie fehlt es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. § 293 Abs 2 ist dem Umstand geschuldet, dass der Abschluss eines Unternehmensvertrages für die jeweilige Obergesellschaft und, wenn auch nur mittelbar, deren Aktionäre diverse Belastungen, insbesondere eine Verlustausgleichspflicht, mit sich bringt (Rdn 92). Einer übergangenen Tochtergesellschaft erwachsen hingegen keinerlei (zusätzliche) Risiken aus dem Vertragsschluss.490 Eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz bei der „übergegangenen“ Toch- 209 tergesellschaft kann lediglich nach Maßgabe der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze bestehen, wobei deren Voraussetzungen allenfalls in Ausnahmefällen vorliegen werden.491 In Betracht kommt namentlich, dass die Enkelgesellschaft für die Tochtergesellschaft wirtschaftlich von überragend wichtiger Bedeutung ist.492 3. Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen Ein Aktionärsschutz durch Mitwirkungsbefugnisse bei Vorgängen der Gruppen- 210 (um)bildung und Gruppenleitung ist im positivierten Aktien- und Umwandlungsrecht nur lückenhaft vorgesehen. Originäre Zuständigkeiten der Hauptversammlung bestehen nach § 119 Abs 1 nur, soweit Gesetz (§ 293 AktG, § 13 UmwG ua) oder Satzung dies „ausdrücklich“493 vorsehen, sodass es dem Vorstand prima facie möglich ist, ohne Beteiligung der Aktionäre weitreichende Strukturänderungen herbeizuführen. a) Rechtsdogmatische Begründungsansätze aa) Mediatisierungs- und Vermögensschutz. Zum Schutz der Aktionäre vor einer 211 Mediatisierung und Verwässerung ihrer Mitverwaltungs- und Vermögensrechte statuierte

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Ebenso MünchKommAktG/Altmeppen 3 115; vgl auch Emmerich/Habersack6 10 f, 11 sowie Emmerich/Habersack9 § 16, 30 (§ 293 Abs 1 analog erwägend). Pentz Enkel-AG, S 132 f; ders Betrieb 2004, 1543, 1545. Pentz Enkel-AG S 133; ders Betrieb 2004, 1543, 1545. Emmerich/Habersack6 12a unter Hinweis darauf, dass insbesondere die Lage der „übersprungenen Tochtergesellschaft“ kritisch sei; Pentz Enkel-AG, S 131 ff (mit

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490 491

492 493

ausf Fallgruppenbildung); K Schmidt/ Lutter/Langenbucher 2 32. S Pentz Enkel-AG S 132. Pentz Betrieb 2004, 1543, 1546 f; Hüffer 10 20; Emmerich/Habersack 6 12a; aA der Sache nach Heidel/Meilicke3, Einl zu §§ 291–310, 71d AktG: stets. Vgl Emmerich/Habersack 6 12a (für eine Zuständigkeit analog § 293 Abs 2). Dazu Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 15.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

der BGH nach Vorarbeiten des Schrifttums 494 in der Holzmüller-Entscheidung495 erstmals ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, die die späteren Gelatine-Entscheidungen496 dann einschränkend präzisierten. Die Holzmüller-Entscheidung bejahte eine ungeschriebene Hauptversammlungskom212 petenz für den Fall, dass eine grundlegende Maßnahme der Konzernbildung oder Konzernleitung derart wesentlich in die Mitglieds- und Vermögensinteressen der Aktionäre eingreift, dass „der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen.“497 Eine dergestalt zustimmungsbedürftige Maßnahme der Gruppenbildung sah das Gericht in der Ausgliederung eines Geschäftsbetriebs, der rund 80 % des gesamten Betriebsvermögens ausmachte und den Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit darstellte, auf eine 100 %-ige Tochtergesellschaft im Wege der Einzelrechtsübertragung.498 Mit einer solchen Ausgliederung würden nämlich neben dem Vermögen wichtige Entscheidungen von der Ober- auf die Untergesellschaft verlagert, sodass die Herrschaftsbefugnisse und gegebenenfalls auch die Vermögensrechte der Aktionäre der Obergesellschaft eine Schmälerung erführen.499 Nach der positivierten Gesetzeskonzeption ergebe sich eine Zuständigkeitsverlagerung vom Aktionariat auf den Vorstand, da dieser im Rahmen seiner grundsätzlich autonomen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§§ 76, 78) über die Wahrnehmung der Stimmrechte der Obergesellschaft in der Hauptversammlung der Untergesellschaft und also über die Einleitung von Maßnahmen befinden könne, die, würden sie auf der Ebene der Obergesellschaft vorgenommen, der Zustimmung ihrer Hauptversammlung bedürften.500 Im Übrigen bestehe die Gefahr einer Vermögensverlagerung auf außenstehende Gesellschafter der Untergesellschaft, falls der Anteil an der Untergesellschaft „zu teuer“ erworben bzw ein zu niedriger Ausgabepreis für neue Aktien der Untergesellschaft festgelegt werde.501 Darüber hinaus sollten auch bestimmte Maßnahmen der Gruppenleitung, namentlich 213 vorstandsseitig veranlasste Kapitalerhöhungsmaßnahmen auf Ebene der Untergesellschaft, einer Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bedürfen (näher Rdn 277 ff).502 Eine höchstrichterliche Bestätigung und Konkretisierung hat diese Rechtsprechung 214 vor allem in den Gelatine-Entscheidungen503, daneben aber auch in einem Nichtan494

495 496

497 498 499

Namentlich Lutter in: FS H Westermann 1974, S 364 ff; ders in: FS Barz 1974, S 199, 207 ff; Timm Aktiengesellschaft, S 175 ff; kürzer Rehbinder in: FS Coing 1982, S 423, 431; näher zur Vorgeschichte auch Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 17 ff; ders Aktiengesellschaft2, S 363, 384 ff. BGHZ 83, 122 = WM 1982, 388. BGHZ 159, 30 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571 (Gelatine I); BGH WM 2004, 1085 = NZG 2004, 575 (Gelatine II). BGHZ 83, 122, 131 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. S hierzu auch Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 18. BGHZ 83, 122, 136 f = WM 1982, 388 = AG 1982, 158.

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S BGHZ 83, 122, 136 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. BGHZ 83, 122, 132, 137 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. Das Gericht verweist insoweit hinsichtlich der Begründung eines Zustimmungserfordernisses für Maßnahmen der Gruppenbildung auf die Gefahren gegebenenfalls nachfolgender Maßnahmen der Gruppenleitung; zutreffend Leuschner Konzernrecht, S 79 mit Fn 4; ausführlich zum Ganzen Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 430 ff. BGHZ 83, 122, 142 ff = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. BGHZ 159, 30 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571 (Gelatine I); BGH WM 2004, 1085 = NZG 2004, 575 (Gelatine II).

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

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nahmebeschluss im Jahre 2006504 (hierzu noch Rdn 239, 254) erfahren. Die GelatineEntscheidungen betrafen die Umstrukturierung des Beteiligungsbesitzes von einer Tochter- auf eine Enkelgesellschaft. Vor diesem Hintergrund bekräftigte der BGH zwar die grundsätzliche Anerkennung auch ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen, zog ihnen aber zugleich enge Grenzen. Die Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen sei nämlich nur insoweit veranlasst, als diese „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“505 Daneben solle auch „der Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung gewährleistet werden“.506 Das Ausmaß der Maßnahmen müsse dem der Ausgliederung in der HolzmüllerEntscheidung entsprechen. Dieser Rechtsprechung, die maßgeblich, aber nicht allein (näher unten Rdn 224 f) auf 215 die Mediatisierung von Aktionärsrechten abstellt, haben sich die instanzgerichtliche Judikatur507 und der überwiegende Teil des kaum mehr zu überblickenden Schrifttums508 504 505 506 507

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BGH WM 2007, 257 = AG 2007, 203 = NZG 2007, 334. BGHZ 159, 30, 44 f = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571. BGHZ 159, 30, 40 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571. OLG Köln WM 1993, 644 = AG 1993, 86; OLG München AG 1995, 232, 233; OLG München WM 2002, 662 = AG 2001, 364 = NZG 2001, 51; OLG Celle AG 2001, 357, NZG 2001, 409; OLG Stuttgart AG 2005, 693, 695; OLG Schleswig AG 2006, 120; OLG Hamm ZIP 2008, 832; LG Stuttgart WM 1992, 58 = AG 1992, 236, 237 f; LG Frankfurt/M AG 1993, 287, 288 f; AG 1998, 45 = NZG 1998, 113; AG 2001, 431, 433; LG Heidelberg AG 1999, 135, 137; LG Hannover AG 2001, 150, 151; LG Duisburg NZG 2002, 643; LG Köln AG 2008, 327, 330 f. Aus der älteren Literatur etwa Ebenroth AG 1988, 1; Geßler in: FS Stimpel 1985, S 771 ff; Großfeld/Brondics JZ 1982, 589, 591; Hübner in: FS Stimpel 1985, S 791 ff; Lutter in: FS Stimpel 1985, S 825 ff; Rehbinder ZGR 1983, 92 ff; Timm ZHR 153 (1989), 60, 68 ff; s auch schon U H Schneider in: FS Bärmann 1975, S 873, 881 ff; aus neuerer Zeit etwa Adolff ZHR 169 (2005), 310, 315 f; Altmeppen ZIP 2004, 999 ff; Arnold ZIP 2005, 1573 ff; Bernhardt Betrieb 2000, 1873 ff; Emmerich AG 1991, 303, 307; Emmerich/Habersack9 § 9; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 33 ff; Fuhrmann AG 2004, 339, 341 f; Goette AG

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2006, 522; ders DStR 2004, 927 f; Habersack WM 2001, 545; ders AG 2005, 137 ff; Henze BB 2000, 209, 211 f; ders BB 2001, 53, 60; Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 175 ff; Hüffer 10 § 119, 18; ders in: FS Ulmer 2003, S 279, 284 ff; Joost ZHR 163 (1999), 164, 179 ff; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 69, 7 f; MünchKommAktG/ Kubis 2 § 119, 39 ff; Leuschner Konzernrecht, S 78 ff; Liebscher Konzernbildungskontrolle, S 77 ff; ders ZGR 2005, 1; Henssler/Strohn/Liebscher § 119, 12 ff; Lutter in: FS BGH 2000, Bd II, S 328; Marsch-Barner in: Hdb börsennotierte AG 2, § 31, 31 ff; Mecke Konzernstruktur und Aktionärsentscheid, S 129 ff; KK/Mertens/ Cahn 3 § 76, 62 ff; Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 416 ff, 420 ff, 441 ff (obgleich mit erheblichen Einschränkungen); Heidel/ Pluta 3 § 119, 24 ff; Priester ZHR 163 (1999), 187, 194 ff; Raiser/Veil 5 § 16, 13; v Rechenberg in: FS Bezzenberger 2000, S 359 ff; Reichert AG 2005, 150 ff; K Schmidt GesR4 § 28 V 2 b (S 870 ff); Seydel Konzernbildungskontrolle bei der AG, S 429 ff; Wahlers Konzernbildungskontrolle, 113 f, 173 ff; Wiedemann Unternehmensgruppe, S 50 ff; Zeidler NZG 1998, 91 ff; Zimmermann/ Pentz in: FS Müller 2001, S 151, 166 ff; aA – kritisch bis ablehnend gegenüber ungeschriebenen Mitspracherechten des Aktionariats bei Maßnahmen der Gruppenbildung jenseits der heute in den §§ 293 Abs 1, 319 Abs 2 oder §§ 123 ff UmwG geregelten Fälle – Beusch in: FS Werner 1984, S 1, 21;

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

unter Hinweis auf die Schutzbedürftigkeit des Aktionariats (s Rdn 212 ff) zumindest im Grundsätzlichen angeschlossen. Ob daneben auch ein Minderheitenschutz bezweckt wird oder bezweckt werden soll, ist hingegen umstritten.509

216

bb) Alternative Begründungsansätze. Der Mediatisierungseffekt vermag allenfalls dann ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen zu begründen, wenn man den Aktionär als (reines) Verbandsmitglied betrachtet und sich ganz auf die Beeinträchtigung kollektiver Herrschaftsbefugnisse durch die Vornahme der jeweiligen Strukturmaßnahme fokussiert510. Rückt man demgegenüber den Schutz der Vermögensposition des Aktionärs in den Vordergrund, verliert der Mediatisierungseffekt an begründender Kraft. Den konsequenten Gegenpol bildet die freilich maßgeblich durch die Eigenheiten im Falle der Börsennotierung einer Gesellschaft geprägte Auffassung, wonach für das Eingreifen ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten anstatt des (drohenden) Eintritts eines Mediatisierungseffektes schlicht entscheidend sein soll, ob die geplante Maßnahme zu einer erheblichen Veränderung der Bedingungen führt, auf welche die Aktionäre ihre Investitionsentscheidung gestützt haben.511 Nimmt man stattdessen – stärker gesetzesgebunden – die im AktG 1965 positiv verwirklichte, verbandsrechtliche und investorenschützende Elemente umfassende hybride Aktionärsposition zum Ausgangspunkt,512 ist eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz nur bei einer qualifizierten Gefährdung der Vermögensinteressen anzunehmen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die betreffende Maßnahme den Vermögenswert der Beteiligung der Altaktionäre zugunsten der bei einer Untergesellschaft neu hinzutretenden Aktionäre oder Gesellschafter beeinträchtigen kann und infolgedessen die Gefahr eines Vermögenstransfers zulasten der Altaktionäre besteht.513 Zusammenfassend lässt sich dieses Prinzip als unternehmensgruppendimensionale vermögensbezogene Aktionärsgleichbehandlung in der Zeit kennzeichnen.514

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Flume Die Juristische Person, § 8 V 4; Götz AG 1984, 85 ff; Heinsius ZHR 1984, 383, 398; Hoffmann-Becking ZHR 172 (2008), 231 ff; Jansen Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, S 215 ff; Koppensteiner Der Konzern 2004, 381, 382 ff; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 44 ff; Kessler AG 1995, 61, 73 ff; Kropff ZGR 1984, 112, 123; Martens ZHR 147 (1983), 377, 404 ff; Paefgen ZHR 172 (2008), 42, 66 ff; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 29 ff; Semler BB 1983, 1566, 1570 ff; Simon DStR 2004, 1528, 1529 f; Sünner AG 1983, 169, 171 ff; Weißhaupt NZG 1999, 804; Werner ZHR 147 (1983), 429, 450 ff; H P Westermann ZGR 1984, 352, 371 ff; ferner Staake Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S 210 ff für die börsennotierte Gesellschaft. Gegen einen Minderheitenschutz Werner ZHR 147 (1983), 429, 444; H P Westermann ZGR 1984, 352, 378; Hübner in: FS Stimpel 1985, S 795; MünchKommAktG/ Kubis 2 § 119, 39; Goette AG 2006, 522, 524; dafür Hirte Bezugsrechtsausschluss,

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S 160 f; Joost ZHR 163 (1999), 164, 171 f; KK/Mertens/Cahn3 § 76, 64. So etwa Habersack AG 2005, 137, 139 ff; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 34 f; Goette AG 2006, 522, 527; ähnlich Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 180 ff, 189 ff; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 164 ff. Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 30; Fleischer NJW 2004, 2335, 2336 f („Veränderung des Investmentkontrakts zwischen Anteilseigner und Gesellschaft“); ähnlich zuletzt Lutter ZIP 2012, 351. S hierzu Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 33 iVm Vorbem 199 zu §§ 118 ff; ders Aktiengesellschaft2, S 420 ff, 441 ff; ders in: FS Ulmer 2003, S 433 ff; ferner Mertens AG 1990, 49, 52; Westermann ZGR 1984, 352, 378; Servatius Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S 165; Teichmann AG 2004, 67, 75 f. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 424 ff, 430 ff. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 431.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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Eine grundsätzlich andere Konzeption verfolgen Lutter und dessen Schüler.515 Diese 217 stellen den Konzern als rechtlich gegliederte Wirtschaftseinheit (Konzernunternehmung) in den Mittelpunkt, den es rechtlich zumindest partiell zu verfassen gelte. Mit der Aufwertung der Hauptversammlung zum „Grundorgan des Konzerns“ vollende sich die rechtlich verfasste Konzernunternehmung. Die Hauptversammlung sei ihrer neuen Position gemäß mit ungeschriebenen konzernweiten Zuständigkeiten auszustatten.516 cc) Stellungnahme. Ungeschriebene Zustimmungszuständigkeiten der Hauptversammlung bei Gruppen(um)bildungsvorgängen sind gemäß dem Prinzip der unternehmensgruppendimensionalen vermögensbezogenen Aktionärsgleichbehandlung in der Zeit immer dann anzuerkennen, wenn eine (Struktur-)Maßnahme eine Gefährdung mitgliedschaftlich vermittelter Vermögenspositionen der Altaktionäre zugunsten außenstehender Dritter mit sich bringt. Keine Gefolgschaft verdient demgegenüber das Konzept der Hauptversammlung als Grundorgan des Konzerns, das die gesetzliche Konzeption des AktG 1965 klar verfehlt.517 Das gilt letztlich auch für den auf eine erhebliche Veränderung der Investitionsbedingungen abstellenden Ansatz, wobei hier noch hinzukommt, dass eine rechtssicher handhabbare Deduktion mangels verallgemeinerungsfähiger Aufgreifkriterien in der Praxis kaum möglich sein dürfte.518 Nicht überzeugen kann schließlich auch die maßgeblich auf die Mediatisierung kollektiver Herrschaftsbefugnisse abstellende Auffassung, und zwar schon deshalb nicht, weil die Ausgliederung von Unternehmensteilen auf eine Untergesellschaft bei näherem Zusehen in deutlich geringerem Maße zu einer Beeinträchtigung reiner Mitverwaltungsrechte führt als gemeinhin angenommen:519 Das gilt zunächst für die Auskunfts- und Informationsrechte der Aktionäre, welche durch eine Ausgliederung in erheblicher Weise verkürzt werden sollen.520 Denn nach § 131 Abs 1 ist in der Hauptversammlung nicht nur Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft selbst zu erteilen (Satz 1), sondern gegebenenfalls auch über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (Satz 2). Trotz des feinen semantischen Unterschieds zwischen „Angelegenheiten der Gesellschaft“ und (bloßen) „Beziehungen zu verbundenen Unternehmen“ ist im Ergebnis anerkannt, dass der Vorstand über die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Untergesellschaft – Erforderlichkeit der Auskunft für die sachgemäße Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung unterstellt – in gleicher Weise wie über die Obergesellschaft Auskunft zu geben hat,521 da Angelegenheiten einer Untergesellschaft bei entsprechender Bedeutung522 immer zugleich

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Lutter Der Betrieb Beil 21/73; ders in: FS Barz 1974, S 199; ähnlich Lutter in Lutter UmwG4, Einl I, 60; Timm Aktiengesellschaft, S 1 ff; ders AG 1980, 172; U H Schneider ZHR 143 (1979) 485; ders BB 1981, 249. Darstellung bei Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 31; ders Aktiengesellschaft2, S 384–387. Näher Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 398 f. Ähnlich Habersack AG 2005, 137, 140. Zum Folgenden insbesondere HoffmannBecking ZHR 172 (2008), 231, 234 ff;

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krit auch schon Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 416 ff. So etwa Joost ZHR 163 (1999), 164, 168; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG Anh § 173, 30. Hoffmann-Becking ZHR 172 (2008), 231, 234; Hüffer10 § 131, 13. Hierfür gilt kein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass Angelegenheiten der Tochtergesellschaft nur ausnahmsweise unter § 131 zu subsumieren seien, s Hüffer § 131, 16 mwN; aA OLG Hamburg AG 1970, 50, 52; Ebenroth AG 1970, 104, 106.

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Angelegenheiten der Obergesellschaft selbst sind,523 weswegen § 131 Abs 1 Satz 2 auch nur deklaratorischer Charakter zukommt.524 Im Hinblick auf die Rechnungslegungs- und Berichtspflichten des Vorstands macht es 222 ebenfalls keinen wesentlichen (praktischen) Unterschied, ob eine Aktivität in der Oberoder Untergesellschaft betrieben wird. Konzernobergesellschaften drucken in ihren Geschäftsberichten nur noch den Konzernabschluss, nicht auch den Jahresabschluss ab, zudem wird ein gesonderter Lagebericht der Obergesellschaft zumeist nicht mehr erstellt, sondern mit dem Konzernlagebericht zu einem einheitlichen Bericht verbunden.525 Ebenfalls keine maßgebliche Rolle für die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre spielt 223 das Vorhandensein eigenständiger Organe auf Ebene der am Ausgliederungsvorgang beteiligten Untergesellschaft. Deren satzungsfeste Kompetenzen beschränken zwar die Leitungsmöglichkeiten des Vorstands der Obergesellschaft,526 doch fällt dies aus Sicht der Aktionäre der Obergesellschaft nur wenig ins Gewicht, da sie – vorbehaltlich des § 83 – ihrem gemäß § 76 Abs 1 weisungsunabhängigen Vorstand weder vor noch nach einer Ausgliederung vorgeben können, wie er mit einem Betrieb oder Betriebsteil der Gesellschaft zu verfahren hat527. Zugespitzt formuliert gehen dem Aktionariat durch die Ausgliederung gar keine Entscheidungsrechte verloren, weil diese auch zuvor nicht bestanden.528 Nach wie vor können die Aktionäre überdies durch eine Versagung der Entlastung nach § 120 Abs 1, die Einleitung einer Sonderprüfung nach Maßgabe der §§ 142 ff oder einen Vertrauensentzug nach § 84 Abs 3 Satz 2 wenigstens faktischen Einfluss auf das Handeln ihres Vorstands und damit auch sein Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft ausüben. (Vermögens-)Risiken aus dem Handeln ihres Vorstandes haben die Aktionäre im Übrigen unabhängig davon hinzunehmen, ob dieser seine unternehmerischen Aufgaben allein im rechtlich ungegliederten Einheitsunternehmen oder aber über eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft wahrnimmt.529 Beachtlich und ins Grundsätzlichere weisend ist allerdings die schon in der Holz224 müller-Entscheidung artikulierte Sorge, der Vorstand könne nach einer Ausgliederung „namentlich durch … Aufnahme fremder Gesellschafter, etwa im Wege einer Kapitalerhöhung, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft vollends“ aushöhlen, womit „zugleich (wie z.B. bei einem zu niedrigen Ausgabekurs für neue Aktien) 523

524 525 526

So zum Verein BGH WM 2003, 345, 347; ferner BayObLGZ 1999, 193, 196 AG 2000, 131 = NZG 1218; OLG Düsseldorf WM 1987, 1489, 1490 = AG 1988, 53; OLG Köln AG 2002, 89, 90 f; Hüffer 10 § 131, 16. Näher Decher in diesem Kommentar, § 131, 232. Hoffmann-Becking ZHR 172 (2008), 231, 234 f. Selbst dies gilt im Wesentlichen nur, wenn es sich bei der Untergesellschaft ebenfalls um eine AG handelt; ist die Untergesellschaft demgegenüber als GmbH verfasst, erweist sich der Kompetenzverlust des Vorstandes der Obergesellschaft in Anbetracht des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung als marginal, s Leuschner Konzernrecht, S 89 f.

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S nur Hüffer 10 § 76, 10 mwN. Die Möglichkeit der Aktionäre, über eine Versagung der Entlastung (§ 120 Abs 1), die Bestellung von Sonderprüfern (§§ 142 ff) oder einen Vertrauensentzug nach § 84 Abs 3 Satz 2 Einfluss auf das Handeln des Vorstands zu nehmen, ist im Übrigen allenfalls faktischer („politischer“) Natur; s hierzu Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 196. Hoffmann-Becking ZHR 172 (2008), 231, 236 f; kritisch Leuschner Konzernrecht, S 89; aA offenbar Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 34 mit der freilich überzeichnenden Aussage, das ausgegliederte Vermögen habe „bislang der Kontrolle und Beeinflussung durch die Aktionäre“ unterlegen. S schon Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 418.

Stand: 1. Oktober 2012

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

konkrete Vermögensverluste verbunden sein“ können.530 Der so in den Mittelpunkt gestellte Schutz der Altaktionäre vor einer Vermögensverwässerung531 zeigt gerade im Sinne der hier befürworteten Konzeption, dass die Notwendigkeit eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses nicht in der Verkürzung verbandsspezifischer Mitverwaltungsrechte gründet, sondern dass in Fortschreibung des Rechtsgedankens der §§ 186 Abs 3, 293 Abs 2 Satz 1, 320 Abs 1 Satz 3 iVm 319 Abs 2 Satz 1, §§ 13 Abs 1, 125 UmwG auf die Gefahren für die Vermögensposition dieser Aktionäre und also auf die anlegerschützenden Elemente ihrer hybriden Rechtsstellung (Rdn 216) abzustellen ist.532 Erfasst sind freilich nur Ausgliederungsvorgänge unter Beteiligung Dritter – insbesondere wenn Dritte an der Tochtergesellschaft beteiligt werden sollen –, da nur in diesen Fällen die Gefahr einer intertemporal gleichheitswidrigen Quersubventionierung der neuen Aktionäre/Gesellschafter zu Lasten der Altaktionäre besteht. Vermögensverlagerungen auf 100 %-ige Tochtergesellschaften sollten dagegen nicht einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen.533 Vor diesem Hintergrund nur vordergründig weiterführend ist der bisweilen bemühte 225 Seitenblick auf die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung gemäß § 58.534 Richtig ist zwar, dass der Vorstand der Obergesellschaft durch die Schaffung zusätzlicher Konzernebenen in die Lage versetzt wird, in den Untergesellschaften Gewinne zu thesaurieren und so dem Zugriff der Aktionäre, die mitunter zumindest in bestimmten Gruppen weniger an einer unternehmerischen Einflussnahme als an einer hohen ausschüttbaren Kapitalrendite interessiert sind,535 zu entziehen.536 Die damit gegebenenfalls einhergehende Beeinträchtigung der subjektiven Vermögensinteressen Einzelner bedeutet jedoch keine spezifische Vermögensverschiebung zugunsten außenstehender Dritter (Neuaktionäre) im Sinne des hier vorgestellten Konzepts, welche einer Remedur in Gestalt ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten bedürfte.537 In Betracht kommt allenfalls, den Konflikt zwischen dem Selbstfinanzierungsinteresse des Unternehmens und dem Dividendeninteresse der Aktionäre de lege ferenda mit einem stärker konzerndimensionalen Verständnis des § 58 zu entschärfen.538 Obgleich die Mediatisierung von Mitverwaltungsrechten als Begründung einer unge- 226 schriebenen Hauptversammlungskompetenz nach alledem letztlich nicht überzeugen kann, basiert die nachfolgende Darstellung mit Blick auf praktische Bedürfnisse gleichwohl auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der gleichsinnigen hM im Schrifttum.

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BGHZ 83, 122, 137 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. Diesen betont neben BGHZ 83, 122, 142 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158 auch Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 34; kritisch aber Hoffmann-Becking ZHR 172 (2008), 231, 235 f. Näher Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 424 ff, 430 ff. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 431; ausdrücklich aA etwa MünchKommAktG/ Kubis 2 § 119, 61; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 39. Ansatzweise schon BGHZ 83, 122, 136 f = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. S hierzu mit empirischen Befunden Beusch in: FS Werner 1984, S 1, 9 f; Mertens AG

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1990, 49, 52; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 165; relativierend Habersack AG 2005, 137, 140. Hoffmann-Becking ZHR 172 (2008), S 231, 237; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking 3 § 46, 9 f; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 30; ausführlich zum Konflikt zwischen dem Selbstfinanzierungsinteresse der Gesellschaft und dem Dividendeninteresse der Aktionäre auch Spindler/Stilz/ Cahn/v Spannenberg 2 § 58, 2 f; Hüffer 10 § 58, 1 f. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 450 f. Hoffmann-Becking ZHR 172 (2008), S 231, 237 f; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking 3 § 46, 9 ff mwN.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

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b) Rechtsgrundlage. Als Rechtsgrundlage ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen bejahte der BGH im Holzmüller-Urteil zunächst die Möglichkeit einer Verdichtung des Vorlageermessens des Vorstands aus § 119 Abs 2 zu einer Vorlagepflicht.539 Nachdem dies im Schrifttum ganz überwiegend auf berechtigte Kritik stieß – § 119 Abs 2 soll dem Vorstand die Möglichkeit eröffnen, einen nach § 93 Abs 4 Satz 1 haftungsdispensierenden Hauptversammlungsbeschluss einzuholen, nicht die (Minderheits-)Aktionäre schützen540 –, gingen die Gelatine-Entscheidungen vom Konzept einer Reduzierung des Vorlageermessens ab. Einzel- und Gesamtanalogien lehnte das Gericht wegen der damit – angeblich (Rdn 299) – verbundenen Rechtsfolgen, insbesondere der Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands, ab541 und bekannte sich stattdessen zur Anerkennung ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen kraft offenen Rechtsfortbildung. Hierdurch könnten „die zutreffenden Elemente beider Ansätze, nämlich die bloß das Innenverhältnis betreffende Wirkung einerseits und die Orientierung der in Betracht kommenden Fallgestaltungen an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen auf der anderen Seite“542, miteinander verbunden werden. Das Schrifttum folgt der jeweiligen Linie des BGH nur begrenzt. Einige sprechen sich 228 zwar ebenfalls für eine Verortung in § 119 Abs 2 aus oder sehen kein Bedürfnis für die ausdrückliche Nennung einer Rechtsgrundlage, da die Anerkennung des Mediatisierungseffektes als zuständigkeitsbegründendem Tatbestand das Entscheidende sei.543 Ganz überwiegend wurden und werden vielmehr im Einzelnen unterschiedliche Einzel- oder Gesamtanalogien zu den §§ 179a Abs 1, 293 Abs 2, 319 Abs 1, 320 Abs 1, §§ 13 Abs 1, 125 UmwG befürwortet.544 Was die offene Rechtsfortbildung im Besonderen angehe, sei eine Einzel- beziehungsweise Gesamtanalogie besser geeignet festzustellen, ob der Sachverhalt abschließend geregelt ist.545 Zudem bestehe auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen keine Notwendigkeit, auf eine offene Rechtsfortbildung zurückzugreifen.546 c) Personaler Anwendungsbereich

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aa) Eingegliederte Gesellschaft. Bei einer eingegliederten Gesellschaft ist kein Raum für ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten im Sinne der Holzmüller/Gela-

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BGHZ 83, 122, 131 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158; zustimmend Reichert ZHR Beiheft 68, S 25, 45 f; Groß AG 1996, 111, 112; v Rechenberg in: FS Bezzenberger 2000, S 359, 366 f; Heidel/Pluta 3 § 119, 22; Arnold ZIP 2005, 1573, 1575; MünchHdbAG/Semler 2 § 34, 40; wohl auch Rosengarten in: FS Buxbaum 2000, S 445, 449. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 395 f; ders in diesem Kommentar, § 119, 23; s ferner die Nachweise ebenda § 119, 21 mit Fn 27; Kort in diesem Kommentar, § 76, 81; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 30. BGHZ 159, 30, 42 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571. BGHZ 159, 30, 42 f = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571. Habersack AG 2005, 137, 142; kritisch, aber ebenfalls zustimmend Hüffer 10 § 119, 18.

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Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 218 ff; Lutter in: FS Fleck 1988, S 169, 182 f; Martens ZHR 147 (1983), 377, 380 ff; K Schmidt GesR4 § 28 V 2 b (S 870 ff); Wiedemann Unternehmensgruppe, S 54 ff; Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 424 ff, 430 ff; H P Westermann in: FS Koppensteiner 2001, S 259, 270 ff; Joost ZHR 163 (1999), 164, 179 ff; Weißhaupt NZG 1999, 804, 807; Priester ZHR 163 (1999), 187, 195; Kort in diesem Kommentar, § 76, 82; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 39 ff; Fleischer NJW 2004, 2335, 2337; Liebscher ZGR 2005, 1, 20 ff; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 159 ff. K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 29. K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 29; Fleischer NJW 2004, 2335, 2337.

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

tine-Grundsätze. Die Hauptgesellschaft als alleiniger Aktionär kann sich schon durch das Weisungsrechts aus § 323 effektiv gegen ihre Mitverwaltungs- und Vermögensrechte verletzende Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands schützen. bb) Vertraglich konzernierte Gesellschaft. Für den Fall der vertraglich konzernierten 230 Gesellschaft befürworten manche ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen nach Maßgabe der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze, da die in Rede stehenden Strukturmaßnahmen auch in dieser Konstellation keine bloßen Geschäftsführungsmaßnahmen seien.547 Nach der Gegenmeinung besteht hingegen ein Vorrang der §§ 291 ff, da durch die Zustimmung zum Beherrschungsvertrag der Zweck der abhängigen Gesellschaft am Konzerninteresse ausgerichtet werde.548 Die Schutzvorschriften der §§ 304 f ließen keinen Raum für ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse, da die Aktionäre der abhängigen Gesellschaft in eine gläubigerähnliche Position rückten und damit hinreichend geschützt seien.549 Darüber hinaus sei es in sich widersprüchlich, der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft Mitentscheidungsrechte zuzuerkennen und gleichzeitig die Verpflichtung der Obergesellschaft zum Verlustausgleich aufrechtzuerhalten.550 Stellungnahme: Für die beherrschungsvertraglich konzernierte Gesellschaft verdient 231 die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze den Vorzug. Allerdings kann sich der andere Vertragsteil schon durch das Weisungsrechts aus § 308 effektiv gegen seine Mitverwaltungs- und Vermögensrechte verletzende Geschäftsführungsmaßnahmen des Tochtervorstands schützen. Für die außenstehenden Aktionäre liegen die Dinge hingegen anders. Insoweit verdient zunächst Beachtung, dass die positivierten Hauptversammlungszuständigkeiten bei Satzungsänderungen und Strukturmaßnahmen (zB § 293 Abs 1, § 123 UmwG) im Falle einer beherrschungsvertraglich konzernierten Gesellschaft weder aufgrund des zweckändernden Zustimmungsbeschlusses nach § 293 Abs 1 noch deswegen entfallen, weil die verbleibenden außenstehenden Aktionäre mit dem Ausgleichsanspruch nach § 304 in eine gläubigerähnliche Position eingerückt sind. Allgemeiner gewendet haben die Abfindungs- und Ausgleichsregeln zum Schutze der Gesellschaft, deren außenstehenden Aktionären und den Gläubigern keine Verschiebung der ausdrücklichen innergesellschaftlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Vorstand und Hauptversammlung zur Folge und diese Wertung gebietet die fortgeltende Anerkennung ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen auch bei beherrschungsvertraglich gebundenen Gesellschaften cc) Liquidation, Insolvenz. Nach Auflösung einer Aktiengesellschaft (§ 262) finden 232 die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze im Abwicklungsstadium (§§ 264 ff) uneingeschränkt Anwendung.551

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MünchKommAktG/Altmeppen 3 § 291, 84; Spindler/Stilz/Veil 2 § 291, 14; Hölters/ Deilmann § 291, 23; Liebscher ZGR 2005, 1, 32; Sina AG 1991, 1, 4. Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 36; MünchHdbAG/Krieger 3 § 70, 172; Sieger/ Hasselbach AG 1999, 241, 245 ff mit dezidierter Kritik zur Gegenauffassung; Fuhrmann AG 2004, 339, 342; Arnold ZIP 2005, 1573, 1578 f; Adolff/Meister/Randell/Stephan Public Company Takeovers in Germany, 2002, S 278 f.

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Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 36; Arnold ZIP 2005, 1573, 1578 f. Sieger/Hasselbach AG 1999, 241, 246; Arnold ZIP 2005, 1573, 1578 f; s auch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/ Schnorbus GmbHG5, Anh § 52, 116. Hüffer 10 § 268, 6; MünchKommAktG/Hüffer 3 § 268, 12; Spindler/Stilz/Bachmann 2 § 268, 12; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber 2 § 268, 7; Henssler/Strohn/Drescher § 268, 2; Heidel/Wermeckes 3 § 268, 5 mit Fn 17; zweifelnd Noack ZIP 2002, 1873, 1878.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

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Im Regelinsolvenzverfahren gilt dies hingegen nicht; ein Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung für entsprechende Strukturmaßnahmen scheidet aus.552 Denn selbst § 179a greift lediglich in der Liquidation ein,553 nicht aber im Regelinsolvenzverfahren,554 und wenn sogar die (Eingehung einer Verpflichtung zur) Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens auf eine Auffanggesellschaft von der autonomen Verwaltungs- und Verfügungskompetenz des Insolvenzverwalters (§ 80 Abs 1 InsO) gedeckt ist, muss die (bloße) Ausgliederung eines Betriebs oder Betriebsteils auf eine Tochtergesellschaft erst recht ohne Zustimmung der Hauptversammlung möglich sein. Nach Anordnung der Eigenverwaltung (§§ 270 ff InsO) gehen die Verwaltungs- und 234 Verfügungsbefugnisse der Gemeinschuldnerin anders als im Regelinsolvenzverfahren nicht umfassend auf einen Insolvenzverwalter über (Verdrängungsbereich555). Vielmehr kommt es über die obligatorische Mitwirkung des Gläubigerausschusses in den Fällen der §§ 160, 276 InsO hinaus lediglich zur Einschaltung eines mit gewissen Sonderbefugnissen (s §§ 274 ff InsO, §§ 62 Abs 2 Satz 2, 93 Abs 5 Satz 4, 117 Abs 5 Satz 3, 309 Abs 4 Satz 5) ausgestatteten Sachwalters556. Darüber hinaus können dem Gesetz keine expliziten Modifikationen der organschaftlichen Binnenkompetenzen entnommen werden.557 Teile der instanzgerichtlichen Judikatur 558 und des Schrifttums559 wollen daher die (ungeschriebenen) Schranken des Vorstandshandelns im Ergebnis aufrechterhalten. Andere differenzieren im Sinne der Verfahrensziele des § 1 InsO danach, ob eine „Totalversilberung des Vermögens“ oder eine Sanierung beziehungsweise Umstrukturierung der Gesellschaft angestrebt werde; nur letzterenfalls sei eine Mitwirkung der Hauptversammlung erforderlich.560

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Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 36 aE; Spindler/Stilz/Bachmann 2 § 264, 18; Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 778; wohl auch MünchKommAktG/Spindler 3 § 76, 62 f; differenzierend Maesch Corporate Governance in der insolventen AG, S 217 f: nur bei Überschuldung der Gesellschaft entfällt der Zustimmungsvorbehalt. Ganz hM, s etwa Hüffer 10 § 179a, 21; MünchKommAktG/Hüffer 3 § 268, 14; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber 2 § 268, 7; Spindler/Stilz/Bachmann 2 § 268, 11 mit dem erhellenden Hinweis, dass § 179a (§ 361 aF) ursprünglich gerade für das Liquidationsverfahren geschaffen worden sei (vgl § 303 HGB aF); K Schmidt AG 2006, 597, 603; Noack ZIP 2002, 1873, 1878. MünchKommAktG/Stein 3 § 179a, 13; Hölters/Haberstock/Greitemann § 179a, 3; Spindler/Stilz/Holzborn 2 § 179a, 12; K Schmidt/Lutter/Seibt 2 § 179a, 3; KK/Kraft § 361, 16; Noack ZIP 2002, 1873, 1874 f; Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 778; wiederum auf eine Überschuldung der Gesellschaft abstellend Maesch Corporate Governance in der insolventen AG, S 215 f. S zur Unterscheidung von Verdrängungsbereich, Insolvenzschuldnerbereich und

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Überschneidungsbereich Hüffer 10 § 264, 10; MünchKommAktG/Hüffer 3 § 264, 42; MünchKommInsO/Ott/Vuia 2 § 80, 112 ff; Uhlenbruck/Hirte 13 § 11, 118; Noack ZIP 2002, 1873, 1874. Näher MünchKommInsO/Wittig/Tetzlaff 2 § 274, 18 ff; Uhlenbruck/Uhlenbruck13 § 274, 2 ff; MünchKommAktG/Hüffer 3 § 264, 83; Noack ZIP 2002, 1873, 1875; Ringstmeier/Homann NZI 2002, 406 ff; Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 778 ff. Insoweit auch Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 778; Köchling ZInsO 2003, 53, 55. Zur GmbH: AG Duisburg ZIP 2002, 1636, 1640 = NZI 2002, 556, 559; LG Duisburg AG 2004, 159 = NZG 2004, 195, 197 (obiter); wegen fehlender Kontinuität des Minderheitsquorums aufgehoben durch OLG Düsseldorf AG 2004, 211 = NZG 2004, 239. Uhlenbruck/Hirte 13 § 11, 179; Kessler Die AG in der Eigenverwaltung, S 282 f; Wehdeking DZWIR 2006, 451 ff; Hess/Ruppe NZI 2002, 577, 579 f; wohl auch Gottwald/ Haas/Kahlert Insolvenzrechts-Hdb4, § 89, 18 ff. K Schmidt AG 2006, 597, 603 f.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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Die besseren Gründe sprechen dafür, die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze auch in der 235 Eigenverwaltung als generell unanwendbar anzusehen.561 Dies indiziert bereits der Umstand, dass die Geschäftsleitung alternativ einen die Veräußerung oder Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile enthaltenden Insolvenzplan vorlegen könnte (§ 218 Abs 1 InsO), über den sodann nach Maßgabe der §§ 235 ff InsO zu befinden wäre, ohne dass die Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt werden müsste.562 Dauerhaft könnte die fragliche Maßnahme ohnehin nicht blockiert werden, denn sobald die Schuldnerin – vertreten durch ihren Vorstand – einen Antrag nach § 270 Abs 2 Nr 3 InsO stellt, kommt es zum Übergang ins Regelinsolvenzverfahren, wo für ungeschriebene Zuständigkeiten à la Holzmüller jedenfalls kein Raum verbleibt (s schon Rdn 233).563 Vor allem aber würde es den Regelungszweck der Eigenverwaltung konterkarieren, wollte man die Geschäftsleitung den für werbende Gesellschaften einschlägigen Schranken und Bindungen unterwerfen564: Die Eigenverwaltung soll nicht nur dazu dienen, die betriebs- und branchenspezifischen Erfahrungen und Kenntnisse des Schuldners fruchtbar zu machen, sondern im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren auch eine Kostenersparnis und Beschleunigung bewirken.565 Das Erreichen der letzteren zwei Ziele würde ganz erheblich beeinträchtigt, müsste vor einer Restrukturierung – eben gerade anders als im Regelinsolvenzverfahren (Rdn 233) – zunächst eine Hauptversammlung vorbereitet, einberufen und durchgeführt sowie ein etwaiger Zustimmungsbeschluss gegebenenfalls auch noch im Rahmen eines langwierigen Anfechtungsprozesses verteidigt werden.566 In vielen Fällen wäre eine Prognose nach § 270 Abs 2 Nr 3 InsO vor diesem Hintergrund unmöglich und die Eigenverwaltung entgegen der gesetzgeberischen Intention als Sanierungselement ungeeignet.567 Die Abwicklung sollte sich daher auch in der Eigenverwaltung ausschließlich nach Insolvenzrecht richten.568 d) Qualitative und quantitative Voraussetzungen aa) Qualitative Voraussetzungen. Qualitative Voraussetzung für das Bestehen unge- 236 schriebener Hauptversammlungskompetenzen ist nach den Holzmüller/Gelatine-Entscheidungen, dass die Maßnahme wesentlich in die „Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreif[t]“.569 Angesichts der fehlenden Erwähnung des Mediatisierungseffekts scheint die Mediati- 237 sierung der Aktionärsrechte keine zwingende Voraussetzung für das Bestehen einer Hauptversammlungskompetenz zu bilden,570 Bei dieser Lesart können gegebenenfalls 561

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So auch Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 36 aE (ohne Begründung); Noack ZIP 2002, 1873, 1874 ff; M Hofmann Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S 204 f; Prütting/ Huhn ZIP 2002, 777 ff. S Noack ZIP 2002, 1873, 1879; skeptisch gegenüber diesem Argument K Schmidt AG 2006, 597, 603. Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 781 f. Ausführlich hierzu Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 780 ff. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus Insolvenzrecht 2, Kapitel 39, Rdn 1; Uhlenbruck/ Uhlenbruck13 § 270, 1; Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 780 f. S auch K Schmidt AG 2006, 597, 603; zur

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tendenziellen Sanierungsfeindlichkeit ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten auch schon Görg in: FS Greiner 2005, S 51 ff, 54. Prütting/Huhn ZIP 2002, 777, 781 mwN; dagegen Ringstmeier/Homann NZI 2002, 406 ff. Insoweit trotz „Restunbehagens“ zustimmend K Schmidt AG 2006, 597, 603. BGHZ 83, 122, 131; 159, 30, 39 ff. Dies bejahend Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 34; Habersack AG 2005, 137, 140, 145; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 30; Hölters/Drinhausen § 119, 20; Raiser/ Veil 5 § 16, 13; Reichert AG 2005, 150, 155; die Frage offen lassend Goette AG 2006,

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auch Maßnahmen bei unverbundenen Gesellschaften tief in die Aktionärsrechte eingreifen und daher Gegenstand ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen sein.571 Die Erwähnung auch der Vermögensrechte der Aktionäre wird ebenfalls unterschied238 lich interpretiert. Nach manchen ist die mit der Mediatisierung einhergehende Gefahr einer Vermögensverlagerung zugunsten der außenstehenden Gesellschafter der Tochtergesellschaft kein eigenständiges Kriterium, sondern verdeutlicht nur die Gefahren, welche die Mediatisierung typischerweise mit sich bringt.572 Andere betrachten die Beeinträchtigung von Vermögensinteressen als selbständiges Kriterium, das neben einem Eingriff in die Mitwirkungsrechte der Aktionäre erfüllt sein muss.573 Eine Gefährdung oder Schädigung von Vermögensinteressen allein wird überwiegend nicht als genügend angesehen.574 Stellungnahme: Nach der Konzeption der höchstrichterlichen Rechtsprechung spre239 chen die besseren Gründe dafür, im Mediatisierungseffekt eine notwendige Voraussetzung zu sehen. Dass eine (drohende) Beeinträchtigung der Vermögensinteressen des Aktionariats für sich genommen nicht genügen soll, indiziert vor allem der zwar kurz gehaltene, aber aussagekräftige Nichtannahmebeschluss des BGH in Sachen Stuttgarter Hofbräu575. Dort lehnte das Gericht die Anwendbarkeit der Holzmüller/GelatineGrundsätze mit einem minimalistischen Hinweis auf den fehlenden Mediatisierungseffekt der streitgegenständlichen Maßnahme ab, ohne deren Auswirkungen auf die Vermögensinteressen der Aktionäre überhaupt zu thematisieren. Gleichwohl dürfte es andererseits zu kurz greifen, die schon in der Holzmüller-Entscheidung hervorgehobene Beeinträchtigung von Vermögensinteressen der Aktionäre als bloße Illustration der Nebeneffekte abzutun, welche mit zuständigkeitsbegründenden Strukturveränderungen typischerweise verbunden sind. Ein solches Verständnis würde dem Stellenwert, den der Schutz des Aktionärsvermögens in der Begründungslogik der Holzmüller- und Gelatine-Entscheidungen einnimmt, nicht gerecht. Dass es sich bei der Beeinträchtigung der Aktionärsvermögensinteressen um ein selbständiges, neben dem Mediatisierungseffekt stehendes Kriterium handelt, wird an den Holzmüller/Gelatine-Judikaten nämlich gleich an mehreren Stellen zum Ausdruck gebracht.576 Zudem korrespondiert dieses Verständnis mit dem Ausnahmecharakter, der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten ausweislich aller drei Leitsätze der beiden Gelatine-Urteile zukommen soll.577

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522, 525; aA LG Frankfurt/M WM 2010, 618, 620 f = AG 2010, 416 = NZG 2010, 391; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 30; Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 29; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 25. Hüffer 10 § 119, 18a; ders in: FS Ulmer 2003, S 279, 293 ff. Habersack AG 2005, 137, 139; Arnold ZIP 2005, 1573, 1574; ähnlich auch K Schmidt/ Lutter/Spindler 2 § 119, 30; Hofmeister NZG 2008, 47, 49; wohl auch Liebscher ZGR 2005, 1, 18 ff. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 44; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 25; Böttcher/ Blasche NZG 2006, 569, 573; Fleischer NJW 2004, 2335, 2336. S etwa OLG Stuttgart WM 2005, 1708,

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1711 = AG 2005, 693, 695; Kort AG 2006, 272, 274. BGH WM 2007, 257 = AG 2007, 203 = NZG 2007, 234. S etwa BGHZ 83, 122 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158: „Entscheidungen, die … so tief in die Mitgliedsrechte der Aktonäre und [!] deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen“ (131) und „Kapitalerhöhungen… können… dazu führen, dass die Mitgliedschaft ihrer Aktionäre beeinträchtigt, der Wert ihrer Beteiligung verwässert und [!] ihre Bezugsrechte ausgehöhlt werden“ (141). BGHZ 159, 30 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571; BGH WM 2004, 1085 = NZG 2004, 575.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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bb) Quantitative Voraussetzungen. Hinsichtlich der quantitativen Voraussetzungen 240 einer Hauptversammlungszuständigkeit musste sich der BGH im Holzmüller-Urteil noch nicht festlegen. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum wurden Schwellenwerte im Bereich von 10–75 % bei unterschiedlichen Bezugsgrößen diskutiert.578 Als Bezugsgrößen werden unter anderem – teilweise isoliert, teilweise in einer Zusammenschau mehrerer Faktoren – die Aktiva579, das Eigenkapital 580, der Umsatz581 oder die Mitarbeiterzahl582 genannt.583 In den Gelatine-Entscheidungen hat der BGH niedrigen Schwellenwerten eindeutig eine Absage erteilt. Vielmehr zieht er eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz erst dann in Betracht, „wenn der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen ‚Holzmüller‘-Fall erreicht“584. Der BGH hat sich damit weder auf einen Schwellenwert noch auf eine Bezugsgröße festgelegt. Zu Recht wird in der Literatur immer wieder betont, dass eine Gesamtbetrachtung der qua-

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10 % (zumindest im Einzelfall): LG Frankfurt/M ZIP 1993, 830, 832; Geßler in: FS Stimpel 1985, S 771, 787; Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 436 f, Seydel S 431 ff; Zimmermann/Pentz in: FS Müller 2001, S 151, 169 f; 25–33 %: MünchKommAktG/ Kubis 3 § 119, 47; Liebscher Konzernbildungskontrolle S 89; Lutter in: FS Stimpel 1985, S 825, 850; Wollburg/Gehling in: FS Lieberknecht 1997, S 133, 158 f; Hirte Bezugsrechtsausschluss, 1986, S 180 f; mehr als 50 %: LG Düsseldorf AG 1999, 94, 95; Götz AG 1984, 85, 88; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 222; Lutter/Lutter UmwG4, Einl I, 60; Reichert in Habersack/ Koch/Winter, ZHR-Sonderheft 68 (1999), S 25, 45; Veil ZIP 1998, 361, 369; 70 % oder mehr: OLG Stuttgart AG 2005, 693 ff; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 11; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 31; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 21; Spindler/ Stilz/Hoffmann 2 § 119, 27 (s aber auch 32); Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 35; Bungert BB 2004, 1345, 1347; Fuhrmann AG 2004, 339, 341; Goette DStR 2004, 927, 928; Liebscher ZGR 2005, 1, 15; Simon DStR 2004, 1482, 1484; Fleischer NJW 2004, 2335, 2337 ff; Götze NZG 2004, 585, 587; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 46; Hüffer 10 § 119, 18b; ders in: FS Ulmer 2003, S 279, 295; Raiser/Veil 5 § 16, 15; Arnold ZIP 2005, 1573, 1575; Reichert AG 2005, 150, 153; Priester AG 2011, 654, 661; tendenziell, wenn auch ohne klare Festlegung Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 189. LG Düsseldorf AG 1999, 94, 95; LG Frankfurt/M ZIP 1993, 830; OLG Stuttgart AG

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

litativen und quantitativen Voraussetzungen erforderlich ist.585 Dabei sind einzelne Maßnahmen nur dann zusammenzurechnen, wenn zwischen ihnen ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht.586 Dies ist wiederum der Fall, wenn die verschiedenen Einzelmaßnahmen Teil einer umfassenden Konzernumstrukturierung sind, was sich aus objektiven Merkmalen – namentlich entsprechend dokumentierten Vorstands- und Aufsichtratsbeschlüssen – ergeben muss.587

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e) Erfasste Vorgänge. Der Anwendungsbereich der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze hat bislang keine abschließende Klärung erfahren. In den Gelatine-Entscheidungen nahm der BGH hierzu ausdrücklich nicht abschließend Stellung.588 Im Folgenden werden lediglich die konzernrechtlich bedeutsamen Fälle einer auch für zahlreiche sonstige Konstellationen589 erwogenen ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz behandelt. Hierbei stehen die qualitativen Voraussetzungen jeweils ganz im Vordergrund. S aber auch Rdn 246 ff für Beteiligungserwerbe.

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aa) Ausgliederung von Unternehmensteilen auf die Tochtergesellschaft. Für die Ausgliederung von Teilen des Unternehmens der Gesellschaft in eine Tochtergesellschaft stehen die Ausgliederung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 123 Abs 3 Nr 1, 2 UmwG und die Ausgliederung durch Einzelrechtsübertragung gleichberechtigt zur Verfügung.590 Für die umwandlungsrechtliche Ausgliederung qua Gesamtrechtnachfolge ist ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Hauptversammlung der übertragenden Gesellschaft ausdrücklich gesetzlich angeordnet (§ 125 S 1 iVm § 13 Abs 1 S 1 UmwG).591 Die Einbringung von Unternehmensteilen592 in eine Tochtergesellschaft im Wege der 243 Einzelrechtsübertragung (Holzmüller-Konstellation) unterliegt nach Rechtsprechung und hL der Zustimmung der Hauptversammlung der übertragenden Obergesellschaft, wenn die quantitativen und qualitativen Voraussetzungen (oben Rdn 236–240) verwirklicht sind. Das notwendige (Rdn 239) qualitative Kriterium, nämlich die Mediatisierung von

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S nur K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 31; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 11; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 21; Goette AG 2006, 522, 526; Priester AG 2011, 654, 661. Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 37; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 11; Goette AG 2006, 522, 526; enger Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 181 (Zusammenrechnung sämtlicher Einzelmaßnahmen der letzten fünf Jahre). Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 37; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 47; Simon DStR 2004, 1482, 1486. BGHZ 159, 30, 41 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571 (Gelatine I); BGH WM 2004, 1085, 1087 = NZG 2004, 575 (Gelatine II). Zuletzt hat der BGH im Fall Babcock Borsig klargestellt, dass der Abschluss eines Vergleichs über einen Differenzhaftungsanspruch, welcher der Gesellschaft infolge einer Sachkapitalerhöhung zusteht, trotz

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seiner gegebenfalls wesentlichen wirtschaftlichen Bedeutung keiner Hauptversammlungszustimmung und insbesondere keiner solchen iS der Holzmüller/Gelatine-Judikatur bedarf, BGH NZG 2012, 69, 73 = WM 2012, 39 = AG 2012, 87; weiterer Überblick bei Mülbert in diesem Kommentar, § 119, 30. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 41; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 2; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 32. Hölters/Drinhausen § 119, 21; K Schmidt/ Lutter/Spindler 2 § 119, 32. Grundsätzlich kann die Auslagerung jedes beliebigen Unternehmensteils ungeachtet seiner funktionalen Ausrichtung einen zustimmungspflichtigen Vorgang darstellen. Als solcher ist im Schrifttum etwa auch die Auslagerung der gesamten EDV der Gesellschaft erwogen worden; so wohl Hirte CR 1992, 193, 194, 195; krit dazu Mülbert Funktionsauslagerung, S 3, 22 f.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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Aktionärsrechten, ist regelmäßig erfüllt,593 und zwar auch dann, wenn bereits weitere Tochtergesellschaften vorhanden sind, also ein Fall des Gruppenausbaus vorliegt.594 Ist die Obergesellschaft als reine Holdinggesellschaft konzipiert, kann freilich die gegenteilige Beurteilung geboten sein.595 Das zusätzliche Kriterium einer Beeinträchtigung von Vermögensinteressen der Aktionäre dürfte sich vom Boden der hM bereits aus dem Entzug der Gewinnverwendungskompetenz ergeben (krit hierzu Rn 225). Unerheblich ist nach Maßgabe des Konzepts der hM hingegen die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises in der Tochtergesellschaft. Nach dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept, das unternehmensgruppen- 244 dimensional auf eine intertemporal gleichheitswidrige Quersubventionierung außenstehender Aktionäre statt auf eine Mediatisierung von Teilhaberechten abstellt (s Rdn 218 ff), kommt eine Hauptversammlungskompetenz nur in Betracht, wenn außenstehende Dritte an der Tochtergesellschaft beteiligt sind oder werden (s oben Rdn 224). Bei einer 100 %Beteiligung bleiben die Vermögensinteressen der Aktionäre der ausgliedernden Gesellschaft von Verschiebungen in der Zuständigkeits- und Vermögensordnung unberührt.596 Eines Gesellschafterbeschlusses auch bei der aufnehmenden Gesellschaft bedarf es im 245 Falle der Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge – anders als bei einer umwandlungsrechtlichen Ausgliederung zur Aufnahme (s §§ 125, 13) – nur, wenn die Einbringung im Rahmen einer Kapitalerhöhung erfolgt.597 Die Beurkundungsbedürftigkeit eines solchen Beschlusses folgt für Kapitalgesellschaften gegebenenfalls aus den §§ 182 Abs 1, 130 Abs 1, § 53 Abs 2 GmbHG. bb) Beteiligungserwerb.598 Ob ein Beteiligungserwerb eine ungeschriebene Hauptver- 246 sammlungskompetenz begründen kann, ist auch nach den Gelatine-Entscheidungen weiterhin umstritten. Die ablehnende Auffassung sieht im Beteiligungserwerb eine bloße Investitionsentscheidung, über die allein der Vorstand zu entscheiden habe,599 da mit ihr kein Mediatisierungseffekt einhergehe.600 Der Beteiligungserwerb sei mit anderen Inves-

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Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 41; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 61; Hölters/Drinhausen § 119, 21; Raiser/Veil 5 § 16, 13; s auch KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 32, der jedoch nach geltendem Recht keine Möglichkeit sieht, eine satzungsunabhängige Hauptversammlungskompetenz in Ausgliederungsfällen zu begründen (s hierzu KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 55). Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 41; ferner Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 36, demzufolge in einem solchen Fall an die quantitativen Anforderungen „tendenziell höhere Maßstäbe … anzulegen sind“. Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 36; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 47. Näher Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 417. Näher Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 51. Überblick bei Hofmeister NZG 2008, 47, 51; Lorenz/Pospiech Betrieb 2010, 1925. Jüngst OLG Frankfurt/M WM 2011, 116,

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118 f = AG 2011, 173 = NZG 2011, 62, 64 (anders noch LG Frankfurt/M WM 2010, 618 = AG 2010, 416 = NZG 2010, 391 als Vorinstanz); aus dem Schrifttum MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 67; Reichert AG 2005, 150, 156; Kiefner ZIP 2011, 545, 548; Groß AG 1994, 266, 273 ff; Decher in: FS U H Schneider 2011, S 261, 263 ff. OLG Frankfurt/M WM 2005, 2176, 2178 = AG 2005, 442 = NZG 2005, 558; AG 2008, 862; WM 2011, 116, 118 f = AG 2011, 173 = NZG 2011, 62; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 69, 10; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 17; Hölters/Drinhausen § 119, 21; Spindler/Stilz/Müller 2 Vor § 311, 62; Marsch-Barner in: Hdb börsennotierte AG 2, § 31, 34; Bungert BB 2004, 1345, 1350; Götze NZG 2004, 585, 588; Arnold ZIP 2005, 1573, 1577; Nikoleyczik/Gubitz NZG 2011, 91, 93; Nikoleyczik/Wahl EWiR 2011, 33 f; s auch Mackensen, GWR 2011, 11; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 199 ff; offen gelassen von BGH WM

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Erster Teil. Unternehmensverträge

titionen ohne Konzernbezug zu vergleichen, etwa dem Erwerb neuer Produktionsstätten oder dem Aufbau gesellschaftseigener Vertriebskanäle, die keinerlei Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.601 Durch die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze auf diese Fallgruppe würde eine allgemeine Mittelverwendungskontrolle begründet.602 Außerdem könnten manche qualitative Kriterien, die der BGH aufgestellt hat, nicht sinnvoll auf den Beteiligungserwerb angewendet werden.603 Andere Stimmen können beim Beteiligungserwerb zwar keine Mediatisierung von 247 Aktionärsrechten erkennen, befürworten eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit jedoch aufgrund der grundlegenden Veränderung der Unternehmensstruktur, die mit dem Beteiligungserwerb einhergehen kann.604 Als Veränderung der Unternehmensstruktur werden zum einen Änderungen der Vermögens- und Finanzlage, insbesondere die regelmäßig mit einem Beteiligungserwerb einher gehende Erhöhung des Verschuldungsgrades, gesehen.605 Zum anderen soll eine Hauptversammlungskompetenz dann bestehen, wenn der Beteiligungserwerb zur Folge hat, dass eine Eigenkapitalstärkung durch den SoFFin oder vergleichbare staatliche Stützungsmaßnahmen vom Vorstand für erforderlich gehalten werden.606 Die Möglichkeit der Einflussnahme des SoFFin auf die Geschäftspolitik gemäß § 5 FMStFG iVm der FMStFV könne erheblich in die Unternehmensstruktur eingreifen, was einer Satzungsänderung gleichwertig sei.607 248 Eine dritte Auffassung erkennt auch beim Beteiligungserwerb einen Mediatisierungseffekt, indem sie maßgeblich auf die Rechtsfolgen eines Beteiligungserwerbs abstellt und diese mit denen einer Ausgliederung vergleicht.608 In beiden Fällen werde ausschüttungsfähiges und damit grundsätzlich der Beschlussfassung der Hauptversammlung unterliegendes Vermögen in eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung transformiert und die Aktionäre verlieren – entsprechend der Diktion des BGH zur Ausgliederung – die Möglichkeit, „den Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals, das Risiko seines Verlusts und

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2012, 546 = AG 2012, 248 = NZG 2012, 347. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 67. OLG Frankfurt/M WM 2005, 2176, 2178 AG 205, 442 = NZG 2005, 558; WM 2011, 116, 118 f = AG 2011, 173 = NZG 2011, 62; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 17; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 67; Groß AG 1994, 266, 273 ff. Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 17. LG Frankfurt/M WM 2010, 618, 621 f = AG 2010, 416 = NZG 2010, 391; Spindler/ Stilz/Hoffmann 2 § 119, 30; Heidel/Pluta 3 § 119, 37; s auch K Schmidt/Lutter/ Spindler 2 § 119, 33, der zusätzlich auf eine Änderung der Struktur der Gesellschaft abhebt; iE auch Lutter ZIP 2012, 351. Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 30; Heidel/Pluta 3 § 119, 37. LG Frankfurt/M WM 2010, 618, 621 f = AG 2010, 416 = NZG 2010, 391; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 33. LG Frankfurt/M WM 2010, 618, 621 f = AG 2010, 416 = NZG 2010, 391;

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K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 33; aA Kiefner ZIP 2011, 545, 549; Nicoleyczik/ Gubitz NZG 2010, 539, 541 f; dies NZG 2011, 91, 94. LG Stuttgart WM 1992, 58 = AG 1992, 236, 237 f; LG Duisburg AG 2003, 390, 391; K Schmidt/Lutter/Spindler § 119, 33; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 42; Raiser/Veil 5 § 16, 13; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 62; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 230; Goette AG 2006, 522, 527; Habersack AG 2005, 137, 144; Liebscher ZGR 2005, 1, 23 f; Hofmeister NZG 2008, 47, 50 f; Kiesewetter/Spengler Der Konzern 2009, 451, 455; Wilsing/Goslar EWiR 2010, 201, 202; Lorenz/Pospiech Betrieb 2010, 1925, 1928; Hüffer WuB II A. § 119 AktG 1.11; A Wilhelm WuB II A. § 120 AktG 1.12; Priester AG 2011, 654, 657 f mit dem Hinweis, dass die Mediatisierung nicht der alleinige Grund für die Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz ist.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen“609. Dieses bei allen verfahrensmäßigen Unterschieden aus Aktionärssicht übereinstimmende Resultat beider Vorgänge bedinge auch eine einheitliche Antwort auf die Frage nach einer etwaigen Mitwirkung der Aktionäre.610 Eine Aushöhlung der Leitungsfunktion des Vorstands sei nicht zu befürchten, da wegen der hohen quantitativen Anforderungen eine Hauptversammlungszuständigkeit nur selten bestehen wird.611 Bei der Gesamtschau der qualitativen und quantitativen Kriterien sei wie auch bei der Ausgliederung zu berücksichtigen, ob die Gesellschaft aufgrund ihrer Satzung als Holdinggesellschaft angelegt ist.612 An einem Mediatisierungseffekt fehle es von vornherein nur dann, wenn der Beteiligungserwerb im Tausch gegen bereits vorhandene Gesellschaftsanteile erfolgt.613 Nach dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept eines unternehmensgruppendimensionalen Schutzes vor einer Quersubventionierung außenstehender Aktionäre in der Zeit (s Rdn 218) kann eine ungeschriebene Zuständigkeit bei einem Beteiligungserwerb nur dann bestehen, wenn außenstehende Gesellschafter am Erwerbsobjekt weiterhin beteiligt bleiben.614 Was die quantitativen Voraussetzungen im Sinne der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze (Rdn 240) anbelangt, ist auf der Basis der Holzmüller/Gelatine-Judikatur bei einer Akquisition im Tausch gegen eigenes Betriebsvermögen der Gesellschaft in Parallele zur Holzmüller-Entscheidung auf den Wert des abgegebenen Betriebs(teils) im Verhältnis zum Gesamtvermögen der Erwerbergesellschaft abzustellen.615 Zum Barerwerb werden hingegen verschiedene Auffassungen vertreten. Teilweise werden die Größenverhältnisse des Akquisitionsobjektes zu einem hypothetisch gedachten, aus Akquisitionsobjekt und Erwerbergesellschaft kombinierten Unternehmen ins Verhältnis gesetzt, weil nur diese Betrachtung dem Gedanken der Mediatisierung gerecht werde.616 Dem liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, die Aktionäre seien im Ergebnis so zu stellen, als ob das Vermögen des Akquisitionsobjektes zunächst im Wege eines „asset deals“ unmittelbar von der Obergesellschaft erworben worden und nunmehr in einem zweiten, nachgelagerten Schritt in eine Tochtergesellschaft auszugliedern sei. Andere betrachten die Größenverhältnisse der Erwerbergesellschaft isoliert und vergleichen diese mit der zu erwerbenden Beteiligung.617 Den Vorzug verdient auf der Basis der Holzmüller/Gelatine-Judikatur demgegenüber, deren Richtgröße(n) grundsätzlich auf das zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs abfließende Kapital zu beziehen und selbiges zum Gesamtwert der Erwerbergesellschaft ins Verhältnis zu setzen, ist es doch gerade dieses Kapital, welches im Sinne der Holzmüller-Judikatur dem Zugriff der Aktionäre entzogen, in eine Beteiligung transformiert und

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BGHZ 83, 122, 136 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. Näher Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 371. Habersack AG 2005, 137, 144; K Schmidt/ Lutter/Spindler 2 § 119, 33; Spindler/Stilz/ Hoffmann 2 § 119, 30; vgl auch Hofmeister NZG 2008, 47, 51. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 42. Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 42; Hofmeister NZG 2008, 47, 51; A Wilhelm WuB II A. § 120 AktG 1.12. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 434.

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Habersack AG 2005, 137, 144 (implizit); A Wilhelm WuB II A. § 120 AktG 1.12; aA Mülbert Aktiengesellschaft2, S 437: Verhältnis von Unternehmenswert der Erwerbergesellschaft zu anteiligem Unternehmenswert des erworbenen Anteils. So etwa OLG Frankfurt/M WM 2011, 116, 119 = AG 2011, 173 = NZG 2011, 62; prinzipiell zustimmend Nikoleyczik/Gubitz NZG 2011, 91, 93. Wilsing/Goslar EWiR 2010, 201, 202; in der Tendenz auch Priester AG 2011, 654, 661.

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also mediatisiert wird (Rdn 212 ff, 224 f).618 Beim Erwerb maroder Unternehmen zu symbolischen Preisen ist hingegen die Belastung der Eigenmittel der Gesellschaft mit dem negativen Ertragswert des Akquisitionsobjektes entscheidend619 und bei einem kreditfinanzierten Beteiligungserwerb kommt es darauf an, welche wirtschaftliche Belastung des Gesellschaftsvermögens letztlich zu erwarten steht620. cc) Beteiligungsveräußerung

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(1) Vollständige Veräußerung. Bei vollständiger Veräußerung einer Beteiligung besteht jedenfalls dann eine geschriebene Hauptversammlungskompetenz nach § 179, wenn aufgrund der Veräußerung der Unternehmensgegenstand auf Dauer nicht mehr ausgefüllt wird (schon Rdn 188).621 Eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei vollständiger Veräußerung 254 einer Beteiligung besteht nach hM nicht, da dieser Vorgang eine Mediatisierung der Aktionärsrechte gerade rückgängig mache.622 Das Vermögen unterliege nunmehr wieder dem unmittelbaren Zugriff der Hauptversammlung. Dieser Sicht könnte auch der BGH zuneigen. In einem sehr knapp gehaltenen Nichtannahmebeschluss, der die Veräußerung von 50 % der Anteile an einer KG, verbunden mit der Einräumung einer Kaufoption auf die restlichen 50 % betraf, lehnte er nämlich eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz mangels Mediatisierungseffekt ab.623 Die von ihm gebrauchte Formulierung „bei der hier vorliegenden Beteiligungsveräußerung“ lässt allerdings die Möglichkeit offen, dass die Verneinung eines Mediatisierungseffekts lediglich eine Beteiligungsveräußerung in Höhe von 50 % betrifft, nicht die Veräußerung der Beteiligung insgesamt.624 Zudem verhält sich der Beschluss auch nicht dazu, ob auch Maßnahmen, die wesentlich in Aktionärsrechte eingreifen, aber keinen Mediatisierungseffekt haben, eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz begründen können.

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Hüffer WuB II A. § 119 AktG 1.11; Hofmeister NZG 2008, 47, 50 f; A Wilhelm WuB II A. § 120 AktG 1.12; aA Mülbert Aktiengesellschaft2, S 437: Verhältnis von Unternehmenswert der Erwerbergesellschaft zu anteiligem Unternehmenswert des erworbenen Anteils. Hüffer WuB II A. § 119 AktG 1.11; A Wilhelm WuB II A. § 120 AktG 1.12. A Wilhelm WuB II A. § 120 AktG 1.12; ähnlich Hofmeister NZG 2008, 47, 51: Zahlung erfolgt rechtlich und wirtschaftlich aus dem Vermögen der AG als Darlehensnehmerin. LG Köln AG 2008, 327, 331; Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 43; Habersack AG 2005, 137, 145 f; MünchKommAktG/ Kubis 3 § 119, 62; Spindler/Stilz/Müller 2 Vor § 311, 62; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 91; Arnold ZIP 2005, 1573, 1577; Reichert AG 2005, 150, 156; Groß AG 1994, 266, 269; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 207. OLG Stuttgart WM 2005, 1708 = AG

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2005, 693, 695; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 43; Habersack AG 2005, 137, 145; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 34; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 10; Hölters/ Drinhausen § 119, 21; Spindler/Stilz/Müller 2 Vor § 311, 62; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 91; KK/Mertens/Cahn 3 § 76, 63; Raiser/Veil 5 § 16, 13; Goette AG 2006, 522, 527; Blasche BB 2011; 517, 521; Fuhrmann AG 2004, 339, 341; Hofmeister NZG 2008, 47, 50; Liebscher ZGR 2005, 1, 24; v Falkenhausen ZIP 2007, 24, 25; Reichert AG 2005, 150, 155; Röhricht VGR 2004, 9, 11; Arnold ZIP 2005, 1573, 1576 f; Groß AG 1994, 266, 275; Joost ZHR 163 (1999), 164, 185 ff; zumindest für den Regelfall auch Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 36. BGH WM 2007, 257 = AG 2007, 203 = NZG 2007, 234; ihm folgend OLG Hamm ZIP 2008, 832 = AG 2008, 421 = NZG 2008, 155. S dazu Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 30; Hofmeister NZG 2008, 47, 50.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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Gegen die Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze wird verbreitet zudem die Wertung des § 179a angeführt.625 Wenn die zu veräußernde Beteiligung (fast) das gesamte Vermögen der Gesellschaft ausmacht, bestehe in Form des § 179a (Rdn 193) schon von Gesetzes wegen eine Hauptversammlungskompetenz. Im Umkehrschluss könne daher keine Hauptversammlungskompetenz bestehen, wenn dieser hohe Schwellenwert nicht erreicht wird. Hiergegen lasse sich auch nicht einwenden, dass die Veräußerung den Beteiligungswert beeinträchtigen könne.626 Dies wäre nur bei unangemessenen Vertragsbedingungen denkbar und würde allenfalls Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand nach sich ziehen.627 Nach der Gegenposition liegt in der Veräußerung ein schwerer Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre als die Ausgliederung, da der veräußerte Vermögensgegenstand vollständig dem Einfluss der Aktionäre entzogen werde und dies eine wesentliche Umstrukturierung der Gesellschaft bewirken könne.628 Danach wäre bei Vorliegen der quantitativen Anforderungen (Rdn 240) eine Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. Vereinzelt wird auch vertreten, dass eine Hauptversammlungskompetenz dann gegeben sei, wenn die Maßnahme beinahe schon die Voraussetzungen des § 179a erfülle, da dann die Kernkompetenzen der Hauptversammlung berührt seien.629 Stellungnahme: Für die Behandlung der Beteiligungsveräußerung ist der Stellenwert des Mediatisierungseffekts bei der Begründung ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen (schon Rdn 212 ff, 224 f) von zentraler Bedeutung. Soweit es sich hierbei nach der Konzeption der höchstrichterlichen Rechtsprechung um eine notwendige Voraussetzung handelt (oben Rdn 239), vermag eine Beteiligungsveräußerung unterhalb der Schwelle des § 179a mangels Mediatisierungseffektes nicht unter einem Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung stehen. Nach dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept, das unternehmensgruppendimensional auf eine Quersubventionierung außenstehender Aktionäre in der Zeit statt auf eine Mediatisierung von Teilhaberechten abstellt (s Rdn 218 ff), bedarf die vollständige Veräußerung von Beteiligungen als solche ebenfalls keines legitimierenden Hauptversammlungsbeschlusses.630 Zwar werden hierdurch die Vermögensinteressen der Aktionäre der Obergesellschaft gegebenenfalls tangiert, jedoch nicht im Sinne einer spezifischen Vermögensverlagerung zugunsten außenstehender Gesellschafter. Etwas anderes

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Habersack AG 2005, 137, 146; Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 43; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 34; MünchHdbAG/ Krieger 3 § 69, 10; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 16; Joost ZHR 163 (1999), 164, 185 f; Hofmeister NZG 2008, 47, 49; Arnold ZIP 2005, 1573, 1577. AA Bungert BB 2005, 1345, 1350. Arnold ZIP 2005, 1573, 1577; Habersack WM 2001, 545, 549; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 44. OLG Stuttgart ZIP 2003, 1981 (für die Veräußerung eines bedeutenden Unternehmensteils); OLG Celle AG 2001, 357, 358 (für die Veräußerung des gesamten Vermögens einer eingegliederter Gesellschaft); OLG München AG 1995, 232 (zur Veräußerung des ge-

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samten Grundvermögens); MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 63 f; Spindler/Stilz/ Hoffmann 2 § 119, 30; Hüffer 10 § 119, 18a; Heidel/Pluta 3 § 119, 36; Bungert BB 2004, 1345, 1350 (der auf eine Schwächung des Wertes abstellt); Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 231; Lutter AG 2000, 342, 343 f; Timm Aktiengesellschaft, S 138 ff; Götze NZG 2004, 585, 588; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 201 ff. Marsch-Barner in Grundmann/Schwintowski/Singer/Weber, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S 105, 112 f. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 434 f, 515 (implizit); aA Schiel Aktionärsschutz, S 435.

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gilt allerdings mitunter bei Gruppenumbildungsvorgängen, etwa beim „Umhängen“ von Beteiligungen (Rdn 269 ff, 272 ff). Für die Veräußerung sonstiger Vermögensgegenstände gelten die vorstehenden Aus259 führungen ganz entsprechend. Für die Aktionäre macht es nämlich keinen Unterschied, ob ein rechtlich verselbständigter oder ein unselbständiger Unternehmensbereich veräußert wird.631

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(2) Teilveräußerung. Bei einer Teilveräußerung von Beteiligungen steht eine (ungeschriebene) Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft unter mehreren Aspekten im Raum.632 Verbleibt der Obergesellschaft aufgrund der Teilveräußerung nur eine kapitalistische Beteiligung an der Tochtergesellschaft und enthält die Satzung keine entsprechende Beteiligungsklausel, besteht im Hinblick auf die erforderliche Änderung des Unternehmensgegenstands als gegenständlichem Tätigkeitsprogramm eine Hauptversammlungszuständigkeit nach § 179.633 S auch schon Rdn 188, 253. Bei der bloßen Veräußerung einer Minderheitsbeteiligung dergestalt, dass die Obergesellschaft mit wenigstens 75 % an der Tochtergesellschaft beteiligt bleibt, besteht nach verbreiteter Auffassung keine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit. Die Aufnahme eines Minderheitsaktionärs in der Tochtergesellschaft würde die Leitungsbefugnisse und Pflichten der Obergesellschaft nicht wesentlich verändern.634 Deren Vorstand könne weiterhin sogar Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen und einschneidende Strukturmaßnahmen – mit Ausnahme etwa von Eingliederung (§§ 319 ff) und dem Squeeze Out (§§ 327a ff) – in der Hauptversammlung der Tochter autonom beschließen. Eine spürbare Schmälerung von Mitverwaltungsrechten als nach dem Verständnis des BGH wohl notwendiges Aufgreifkriterium (Rdn 224 f) für die Annahme einer Holzmüller/ Gelatine-Zuständigkeit lasse sich daher kaum feststellen. Anderes könne allenfalls bei einer Tochtergesellschaft in Form einer GmbH gelten.635 Soweit demgegenüber geltend gemacht wird, dass bei diesem Vorgang ein bestehendes Unternehmen erstmals aufgespalten und durch die Aufnahme außenstehender Gesellschafter der Minderheitenschutz und die Treuepflicht der Obergesellschaft gegenüber den außenstehenden Gesellschaftern der Tochter erstmals aktiviert werde,636 liegt hierin nicht schon eine relevante Mediatisierung. Nach dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept, das unternehmensgruppendimensional auf eine Quersubventionierung außenstehender Aktionäre in der Zeit statt auf eine Mediatisierung von Teilhaberechten abstellt (s Rdn 218 ff), begründet gerade das erstmalige Hinzutreten von Aktionären/Gesellschaftern bei der Tochtergesellschaft eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit.637 In der Einräumung einer Mehrheitsbeteiligung oder jedenfalls einer Sperrminorität an der Tochtergesellschaft wird teilweise eine die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründete Mediatisierung der Aktionärsrechte oder eine wesentliche Strukturänderung

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Eine Hauptversammlungskompetenz ablehnend daher Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 44 aE; Joost ZHR 163 (1999), 164, 185 f; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 225, 229 ff; aA Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 31; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 65. Eingehend Habersack AG 2005, 137, 147 f.

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S dazu oben Rdn 188 ff (VII.1.b.); ferner KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 91. Habersack AG 2005, 137, 147 f; Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 44. Habersack AG 2005, 137, 148. Wackerbarth AG 2002, 14, 16 f; Lutter in: FS H Westermann 1974, 347, 365 f. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 434 f; ebenso Schiel Aktionärsschutz, S 435.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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gesehen.638 Mit dem sinkenden Einfluss der Obergesellschaft sei die Umsetzung wesentlicher Strukturmaßnahmen in der Tochtergesellschaft – anders als bei Einräumung einer bloßen Minderheitsbeteiligung (Rdn 262) – nicht mehr gesichert.639 Teilweise wird auch der Rechtsgedanke des § 186 Abs 1 und Abs 3 herangezogen; durch die Beteiligung Dritter an der Tochtergesellschaft werde der Einfluss auf diese ähnlich verwässert wie beim Ausschluss des Bezugsrechts.640 Die Gegenposition erkennt der bloß teilweisen Veräußerung einer Beteiligung ebenso 265 wenig einen Mediatisierungseffekt zu wie der vollständigen Veräußerung.641 Hinsichtlich der veräußerten Beteiligung werde die Mediatisierung rückgängig gemacht; ansonsten ändere sich nichts.642 Zudem wiege in diesem Falle der schon für die vollständige Veräußerung der Beteiligung zu konstatierende Wertungswiderspruch zu § 179a noch schwerer.643 Im Übrigen sprächen auch die Wertung der §§ 296 Abs 1, 327 Abs 1 Nr 1, die die Entscheidung über die Beendigung eines Beherrschungsvertrags und einer Eingliederung und damit die Reduzierung der Einflussmöglichkeiten in die Verantwortung des Vorstands stellen, gegen eine kompetenzbegründende Mediatisierung. Für die Reduzierung der Einflussmöglichkeit durch Einräumung einer Sperrminorität oder einer Mehrheitsbeteiligung könne nämlich nichts anderes gelten.644 Ausgehend von den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen verdient die Annahme einer 266 ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz wohl den Vorzug. Das folgt allerdings weniger aus dem Mediatisierungseffekt bei einer Kapitalerhöhung bei der Untergesellschaft unter Ausschluss des Bezugsrechts zugunsten Dritte. Denn aufgrund der Gegenleistung, welche gerade die Obergesellschaft für ihre Beteiligungsabgabe (regelmäßig) erhält, kommt es nicht zu einer dem Bezugsrechtsausschluss vergleichbaren Beeinträchtigung der Vermögensinteressen ihrer Aktionäre, insbesondere nicht zu einer Konzentration von Betriebsmitteln in der Tochtergesellschaft unter Bevorteilung außenstehender Gesellschafter.645 Ausschlaggebend muss vielmehr der drohende Verlust der Möglichkeit sein, in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft Strukturmaßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen zu können, womit bereits eine spürbare Schmälerung der

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So auch Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 30; Liebscher ZGR 2005, 1, 24; Reichert AG 2005, 150, 156; Timm ZIP 1993, 114, 117; ders Aktiengesellschaft, S 138 ff; Lüders/ Wulff BB 2001, 1209, 1212; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 231; Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S 444 ff; Staake Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S 82. Hinsichtlich der maßgeblichen Schwellenwerte besteht jedoch keine Einigkeit. Liebscher ZGR 2005, 1, 24; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 231; Götze NZG 2004, 585, 588; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 805, 806; Marsch-Barner in Grundmann/Schwintowski/Singer/Weber, Anlegerund Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S 105, 112 f. Lutter in: FS H Westermann 1974, S 347, 365 f; Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 182 ff; Wackerbarth AG 2001, 14, 16 f.

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Für den Sonderfall, dass eine 100 %-ige Beteiligung reduziert werden soll und die Obergesellschaft keine weiteren Beteiligungen hält auch KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 95. MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 10; Hofmeister NZG 2008, 47, 50. MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 10; Hofmeister NZG 2008, 47, 50. MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 10. Habersack AG 2005, 137, 148; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 93. Zum Ganzen Habersack AG 2005, 137, 147, auch mit dem Argument, dass es den Befürwortern einer Anlehnung an § 186 Abs 1, 3 der Sache nach wohl um einen Schutz der Mutteraktionäre vor einer Verschleuderung von Gesellschaftsvermögen gehe, welchen das gesetzliche Bezugsrecht aber gar nicht bezwecke; s auch Groß AG 1994, 266, 275 f; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 44.

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Mitverwaltungsrechte und folglich ein Mediatisierungseffekt einhergeht. Einen Wertungswiderspruch zu § 179a bedeutet dies nicht. Vielmehr haben diese Vorschrift und die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze jeweils eigenständige Anwendungsbereiche, die sich sogar bei einer Teilabgabe von Beteiligungen überscheiden können. Das Merkmal „Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens“ in § 179a Abs 1 ist nämlich auch dann erfüllt, wenn unwesentliches Vermögen bei der AG zurückbleibt.646 Als ein solches kommt sogar eine verbleibende Kleinstbeteiligung an einer Tochtergesellschaft in Betracht, die eben nur nahezu vollständig zusammen mit den übrigen Vermögenswerten veräußert wird. Auch nach dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept, das unternehmens267 gruppendimensional auf eine Quersubventionierung außenstehender Aktionäre in der Zeit statt auf eine Mediatisierung von Teilhaberechten abstellt (Rdn 218 ff), besteht beim erstmaligen Hinzutreten von Aktionären/Gesellschaftern bei der Tochtergesellschaft eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit.647

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dd) Gruppenumbildung. Bei der Gruppenumbildung sind mit Blick auf eine etwaige ungeschriebene Hauptversammungszuständigkeit zwei Fallgruppen zu unterscheiden: die Veräußerung der Beteiligung an einer Tochtergesellschaft an eine andere Tochtergesellschaft mit der Folge, dass erstere zur Enkelgesellschaft wird (Rdn 269–272) und die Übertragung einer Beteiligung an einer Enkelgesellschaft von einer Tochtergesellschaft auf eine andere (Rdn 273–276). Die erste Fallgruppe entspricht der Konstellation in den Gelatine-Entscheidungen.648 269 Durch das „Umhängen“ der Beteiligung werden die Mitgliedsrechte der Aktionäre der Obergesellschaft weiter mediatisiert, der Vermögensteil wird ihrem Einfluss noch weiter entzogen. So mindert sich etwa ihre Möglichkeit, mittels Versagung der Entlastung, durch die Einleitung einer Sonderprüfung oder durch einen Vertrauensentzug nach § 84 Abs 3 Satz 2 zumindest faktischen Einfluss auf das Handeln des Vorstands der Obergesellschaft, insbesondere dessen konzerndimensionales Abstimmungsverhalten, auszuüben (schon Rdn 223). Denn die Stimmrechte in der Hauptversammlung der zu verenkelnden Gesellschaft werden anschließend nicht mehr durch diesen, sondern durch den gerade nicht unmittelbar verantwortlichen Vorstand der Tochtergesellschaft wahrgenommen.649 Zudem kann es sowohl auf Ebene der Tochter- als auch auf Ebene der (dann) Enkelgesellschaft zu einer Vermögensverlagerung auf außenstehende Aktionäre kommen.650 Mag auch das Gewicht einer solchen „sekundären“ gegenüber einer „primären“ Mediatisierung deutlich zurückbleiben,651 hat der BGH mit der hL652 den Eintritt eines Mediatisierungseffektes im Ergebnis gleichwohl bejaht und im konkreten Fall eine unge-

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BGHZ 83, 122, 128 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158; Hüffer 10 § 179a, 5 mwN. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 434 f. BGHZ 159, 30 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571; BGH WM 2004, 1085 = NZG 2004, 575 Hierauf zu Recht hinweisend Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 196 mwN. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 45 mwN. KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 92; ähnlich Götze NZG 2005, 585, 589.

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K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 35; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 45; Habersack AG 2005, 137, 143; Bürgers/ Körber/Reger 2 § 119, 18; Semler/Stengel/ Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 36, 39; Goette DStR 2004, 927, 928; Arnold ZIP 2005, 1573, 1576; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 197; wohl auch Reichert AG 2005, 150, 154 f; aA MünchHdbAG/ Krieger 3 § 69, 10; Götze NZG 2004, 585, 589.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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schriebene Hauptversammlungskompetenz nur mangels Erfüllung der quantitativen Voraussetzungen abgelehnt.653 Ausnahmen hiervon für den Fall, dass der Mediatisierungseffekt eine (vermeintlich) hinreichende Kompensation erfährt, etwa durch den Abschluss eines Gewinnabführungsund Beherrschungsvertrags zwischen der Obergesellschaft und der (künftigen) Enkelgesellschaft 654 oder, im Falle einer Tochter-GmbH, durch eine satzungsmäßig abgesicherte Einflussnahme auf die Geschicke der künftigen Enkelgesellschaft,655 sind nicht veranlasst. Denn derartige Weisungsbefugnisse wirken regelmäßig lediglich gegenüber der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft (§ 308, § 37 GmbHG) und stellen folglich im Vergleich zur Mitwirkung in der dortigen, mit originären Kompetenzen ausgestatteten Haupt- oder Gesellschafterversammlung ein – je nach Gesellschaftsform mehr oder weniger gewichtiges – aliud dar.656 Zur Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze auf vertraglich konzernierte Gesellschaften schon Rdn 230 f. Bei Umstufungen auf tieferen Konzernebenen, etwa im Wege der Einbringung einer Enkelgesellschaft in eine andere Enkelgesellschaft, sodass erstere zur Urenkelgesellschaft wird, ist eine nennenswerte Mediatisierung von Mitverwaltungsrechten der Aktionäre der Obergesellschaft indes kaum mehr zu verzeichnen.657 Namentlich kommt es hier nicht einmal zum Verlust faktischer Möglichkeiten der Einflussnahme auf relevantes (Abstimmungs-)Verhalten des Vorstands der Obergesellschaft (s soeben Rdn 269), da diese in Anbetracht des Umstands, dass der Vorstand zur Stimmabgabe in der Hauptversammlung der ausgliedernden Enkelgesellschaft überhaupt nicht berufen ist, ohnehin wirkungslos sind. Die Möglichkeit einer Vermögensverlagerung auf außenstehende Aktionäre – hier der Enkel- oder Urenkelgesellschaft – unter mittelbarer Beeinträchtigung des Wertes der Beteiligung der Aktionäre der Obergesellschaft (s oben Rdn 269) besteht auch in diesen Konstellationen. Stellt man gemäß dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept maßgeblich darauf ab, ob unternehmensgruppendimensional die Gefahr einer Quersubventionierung außenstehender Aktionäre in der Zeit besteht (s Rdn 218), kann eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz begründet sein, wenn die betroffene Enkel- oder Urenkelgesellschaft mehr als 10 % des Gesamtwerts der Unternehmensgruppe ausmacht.658 Für die zweite Fallgruppe lehnen das Gelatine I-Urteil des BGH659 in einem obiter dictum und, ihm folgend, das ganz überwiegende Schrifttum660 eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz ab, wenn die aufnehmende und die abgebende Gesellschaft jeweils 100 %-ige Tochtergesellschaften sind. Für die Mitverwaltungs- und Ver-

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BGHZ 159, 30, 44 f = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571; BGH WM 2004, 1085, 1087 f = NZG 2004, 575; s auch OLG Karlsruhe AG 2003, 388, 389. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 45; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 25; Bungert BB 2004, 1345, 1348. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 45; Arnold ZIP 2005, 1573, 1576. Wie hier Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 197; gegen eine Kompensation des Mediatisierungseffektes durch Unternehmensverträge auch Habersack AG 2005, 137, 143.

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MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 10; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 198 f; Müller/Rödder/Liebscher Beck’sches Handbuch der AG 2, § 15, 50. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 438. BGHZ 159, 30, 47 f = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571. Hölters/Drinhausen § 119, 21; Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 45; Semler/Stengel/ Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 36; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 74; Spindler/ Stilz/Müller 2 Vor § 311, 60; Bürgers/Körber/ Reger 2 § 119, 18; Goette AG 2006, 522, 527; Bungert BB 2004, 1345, 1348.

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mögensrechte der Aktionäre der Obergesellschaft hat es keine wesentliche Bedeutung, welche Tochtergesellschaft die Beteiligung an der Enkelgesellschaft hält. Insbesondere besteht mangels außenstehender Aktionäre auf Ebene der übernehmenden Tochtergesellschaft keine unmittelbare Gefahr der Vermögensverlagerung zulasten der Mutteraktionäre (hierzu Rdn 238 f). Raum für einen Zustimmungsvorbehalt nach Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen ist freilich, wenn die aufnehmende Tochtergesellschaft anschließend eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss vornehmen und neue Gesellschafter aufnehmen soll (dazu Rdn 277 ff). Ob eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei der Beteiligungsüber274 tragung auf eine im bloßen Mehrheitsbesitz stehende Tochtergesellschaft besteht, wird bislang, soweit ersichtlich, nicht explizit erörtert.661 Nach der Holzmüller/Gelatine-Konzeption dürfte ein Hauptversammlungsbeschluss der Obergesellschaft jedenfalls dann nicht bestehen, wenn die Obergesellschaft vergleichbaren Einfluss auch auf die übernehmende Tochtergesellschaft – und infolgedessen mittelbar auf die Enkelgesellschaft und deren Vermögenswerte – ausüben kann, insbesondere wenn eine qualifizierte Beteiligung von mindestens 75 % besteht. In diesem Fall bleibt (dem Vorstand) der Obergesellschaft sogar die Möglichkeit, Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen und andere einschneidende Strukturmaßnahmen – gegebenenfalls mit Ausnahme etwa von Eingliederungen (§§ 319 ff) oder Squeeze Outs (§§ 327a ff), die ein höheres Stimmenquorum verlangen – in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft autonom zu beschließen. Hält die Obergesellschaft eine qualifizierte Beteiligung lediglich an der übertragenden, 275 nicht hingegen an der übernehmenden Tochtergesellschaft, sprechen die besseren Gründe für eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei der Obergesellschaft.662 Hier kommt es zu einem wesentlichen Machtverlust, welcher auch im Hinblick auf die Beteiligung an der Enkelgesellschaft von (potentieller) Bedeutung ist, etwa wenn zur Weiterveräußerung der Beteiligung ein Beschluss nach § 179a erforderlich wäre (Rdn 193). Dieser Machtverlust kann auch nicht ohne weiteres durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit der Obergesellschaft kompensiert werden, da hiermit „nur“ ein Weisungsrecht (§ 308) gegenüber der Geschäftsleitung, nicht aber gegenüber der Hauptversammlung der Tochter begründet wird (Rdn 270). Entsprechendes gilt für den Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit der Enkelgesellschaft. Nach dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept, das unternehmensgruppen276 dimensional auf eine Quersubventionierung außenstehender Aktionäre in der Zeit statt auf eine Mediatisierung von Teilhaberechten abstellt (Rdn 218 ff), kann eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bestehen, wenn die Obergesellschaft an der aufnehmenden Tochtergesellschaft eine niedrigere Beteiligungsquote hält als an der abgebenden Tochtergesellschaft. Bei einer Beteiligungsübertragung ohne äquivalentes Entgelt ist dann nämlich eine Bevorteilung außenstehender Gesellschafter um den Preis einer nachhaltigen Schwächung des Wertes der Beteiligung(en) der Muttergesellschaft und, mittelbar, ihrer Aktionäre zu besorgen.

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ee) Gruppenleitungsmaßnahmen. Bei einer durch Ausgliederung wesentlicher Vermögensteile entstandenen Untergesellschaft begründet eine Kapitalerhöhung nach dem Holzmüller-Urteil des BGH eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz bei der Obergesellschaft – und zwar unabhängig davon, ob die Obergesellschaft ihre Bezugs-

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S aber Goette AG 2006, 522, 527, wo ohne Differenzierung nach der Beteiligungsquote von „Maßnahmen des Vorstandes horizon-

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taler Art, also zwischen Tochter- oder zwischen Enkelgesellschaften“ die Rede ist. AA wohl Goette AG 2006, 522, 527.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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rechte vollständig ausübt.663/664 Deren Aktionären verlören „infolge der ohne sie durchgeführten Ausgliederung die Chance, ihre Beteiligung quantitativ und wertmäßig dadurch zu verbessern, dass sie selbst weiteres Kapital in ‚ihrem‘ Unternehmen anlegen … . Stattdessen [würden] der Obergesellschaft Betriebsmittel, die sie dort investiert haben, entzogen und einem anderen Rechtsträger mit der Folge zugeführt, dass sich Schwergewicht und Risiken des Kapitaleinsatzes und die entsprechenden Machtbefugnisse der Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagern.“665 Der Logik dieser Begründung entspricht es, ohne dass der BGH dies allerdings expli- 278 zit ausgesprochen hätte, dass eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz auch dann besteht, wenn die Tochtergesellschaft nicht durch eine nach Maßgabe der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze zustimmungsbedürftigen Ausgliederung entstanden ist 666 oder wenn an ihr weitere Gesellschafter beteiligt sind.667 Im Schrifttum herrscht größere Zurückhaltung gegenüber einer ungeschriebenen 279 Hauptversammlungskompetenz bei Kapitalmaßnahmen der Tochtergesellschaft. Verbreitet ist die Einschränkung, dass die Obergesellschaft ihre Bezugsrechte nicht vollständig ausübt und die Tochtergesellschaft von wesentlicher Bedeutung für den Gesamtkonzern ist.668 Der Mediatisierungseffekt werde nämlich bei vollständiger Ausübung der Bezugsrechte nur quantitativ verstärkt.669 Manche verlangen in Parallele zur Teilveräußerung von Beteiligungen als zusätzliche Einschränkung, dass aufgrund der Nichtausübung der Bezugsrechte erstmalig Minderheitsgesellschafter aufgenommen oder wesentliche Beteiligungsschwellen unterschritten werden.670 Wer bei einer Teilveräußerung einer Beteiligung eine Hauptversammlungskompetenz ablehnt, spricht sich auch im vorliegenden Fall gegen eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz aus, unabhängig davon, ob die Obergesellschaft ihre Bezugsrechte vollständig ausübt.671 Nach dem vorliegend befürworteten Alternativkonzept eines unternehmensgruppendimensionalen Schutzes vor einer Quersubventionierung außenstehender Aktionäre in der Zeit (s Rdn 218) kann eine ungeschriebene Zuständigkeit nur bestehen, wenn das Bezugsrecht (partiell) zugunsten außenstehender Dritter ausgeschlossen wird, also nicht zugunsten der Obergesellschaft, einer 100%igen Untergesellschaft oder den Aktionären der Obergesellschaft selbst ausgeschlossen wird.672

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BGHZ 83, 122, 142 ff = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. Zur Frage eines Bezugsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft s Wiedemann in diesem Kommentar, § 186, 66 ff. Krit hierzu Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 401 f, 413 f. Bejahend MünchKommAktG/Peifer 3 § 182, 82. S Hölters/Drinhausen § 119, 21; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 39. Timm Aktiengesellschaft, S 172 ff; ders ZIP 1993, 114, 116; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 49; Habersack AG 2005 ,137, 149; MünchKommAktG/Peifer 3 § 182, 82; MünchKommAktG/Kubis3 § 119, 77 f; Semler BB 1983, 1566, 1572; Westermann ZGR 1984, 352, 375 f; Götz AG 1984, 85, 87 f; Liebscher ZGR 2005, 1, 24 f; ohne

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entsprechende Einschränkung etwa Spindler/Stilz/Servatius 2 § 182, 75. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 77. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 78; Hirte Bezugsrechtsausschluss, S 182 ff, 186; Lüders/Wulff BB 2001, 1209, 1212 (Analogie zu § 186 statt eine Holzmüller-Kompetenz annehmend); enger Götze NZG 2004, 585, 588: Hauptversammlungskompetenz nur bei einem Kontrollverlust. Noch enger KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 102 mit Rdn 95: nur wenn die AG außer der 100 %-igen Tochtergesellschaft keine weiteren Beteiligungen hält und nicht anderweitig unternehmerisch tätig ist. MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 43; Spindler/ Stilz/Müller 2 Vor §§ 311 ff, 62. Mülbert Aktiengesellschaft2, S 431 ff, 435; auch Schiel Aktionärsschutz, S 410 ff.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

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Unerheblich für das Bestehen einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz ist die Form der effektiven Kapitalerhöhung. Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für das genehmigte und das bedingte Kapital.673 Eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei der Obergesellschaft be281 steht über die Kapitalerhöhungsfälle hinaus nach der Holzmüller-Entscheidung des BGH auch bei sonstigen „grundlegenden, für ihre [= Aktionäre der Obergesellschaft] Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft“.674 Hierzu gehören nach der Rechtsprechung jedenfalls die Veräußerung des gesamten Vermögens durch die Tochter sowie deren Auflösung.675 Im Schrifttum überwiegt die Zustimmung hierzu unter der Voraussetzung, dass es 282 sich um eine wesentliche Tochtergesellschaft handelt.676 Zudem sollen Ausgliederungsvorgänge bei Tochter- oder gar Enkelgesellschaften einen Zustimmungsvorbehalt auf Ebene der Obergesellschaft auslösen, wenn die jeweilige Tochter- beziehungsweise Enkelgesellschaft für den Gesamtkonzern von erheblicher Bedeutung ist und die Ausgliederung sich sowohl auf die Tochter- beziehungsweise Enkelgesellschaft als auch auf die Obergesellschaft strukturändernd auswirkt.677 Zum „Umhängen“ von Beteiligungen schon Rdn 269 ff, 272 ff. Listing und Delisting (Rdn 307 ff) der Tochtergesellschaft stellen sich für die Aktio283 näre der Muttergesellschaft – ebenso wie Kapitalerhöhungen und Veräußerungsgeschäfte – als Konzernleitungsmaßnahmen dar. Jedoch fehlt es sowohl dem Listing als auch dem Delisting an einer Auswirkung auf die Rechtsstellung der Aktionäre der Muttergesellschaft, so dass keine Hauptversammlungskompetenz anzuerkennen ist.678 Allerdings können mit dem Listing einhergehende Maßnahmen, etwa eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss, ein Zustimmungserfordernis nach sich ziehen (s Rdn 277 ff, 314 f).679

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Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 49; Habersack AG 2005, 137, 149; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 78; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 44, der dies auf Basis der Rechtsprechung für folgerichtig hält. BGHZ 83, 122, 140 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. BGHZ 83, 122, 140 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158; OLG Celle AG 2001, 357, 358 = NZG 2001, 613; LG Hannover AG 2001, 150, 151; LG Frankfurt/M AG 1998, 45, 46 = NZG 1998, 133. Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 49; Habersack AG 2005, 137, 149; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 42; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 75; Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 36; Hüffer 10 § 119, 18a (für die Vermögensveräußerung); Mülbert Aktiengesellschaft2, S 443 (für die Auflösung); nur für den Fall, dass sich die gesamte unternehmerische Aktivität der Obergesellschaft über die Tochtergesell-

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schaft vollzieht auch Götz AG 1984, 85, 88 und KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 103 (für die Vermögensveräußerung); aA H P Westermann ZGR 1984, 352, 373; Götz AG 1984, 85, 88 f (für die Auflösung). OLG Köln WM 1993, 644, 647 ff = AG 1993, 86; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 39; Habersack AG 2005, 137, 149; s auch schon U H Schneider BB 1981, 249, 252. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 49; für das Listing auch: LG München I ZIP 2006, 2036, 2040; Hüffer § 119, 18c; Hölters/ Drinhausen § 119, 21; K Schmidt/Lutter/ Spindler 2 § 119, 37; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 236; Reichert AG 2005, 150, 157; Trapp/Schick AG 2001, 381, 386 ff; aA Heidel/Pluta 3 § 119, 37. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 81; wohl auch Bungert BB 2004, 1345, 1351; Trapp/ Schick AG 2001, 381, 386 ff; Lutter AG 2001, 349, 350.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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ff) Verhältnis der Konzernbildungs- zur Konzernleitungskontrolle. Ob die ad hoc- 284 Hauptversammlungszustimmung zu einer erstmaligen Gruppenbildungsmaßnahme (Konzernbildungskontrolle) eine spätere Mitwirkung der Hauptversammlung bei Konzernleitungsmaßnahmen entfallen lässt, wird uneinheitlich beantwortet. Nach einer Auffassung ist dann kein Raum für eine spätere Konzernleitungskontrolle, weil die Aktionäre der Mediatisierung ihrer Rechte (endgültig) zustimmten.680 Andere bejahen einen Vorrang der Konzernbildungskontrolle, ohne dass dies eine Konzernleitungskontrolle vollständig ausschließe.681 Die hM erkennt demgegenüber zu Recht keinen Einfluss der Konzernbildungskontrolle auf die Konzernleitungskontrolle.682 Anderenfalls käme die Zustimmung zur Konzernbildung einer Ermächtigung des Vorstands zu sehr weitreichenden Maßnahmen gleich, die das Gesetz in vergleichbaren Fällen nicht akzeptiert. Zudem ergibt sich aus der Wertung der §§ 71 Abs 1 Nr 8, 202 Abs 2 und 3, dass auch eine pauschale Ermächtigung zeitlich und quantitativ begrenzt sein muss.683 Schließlich entfällt das Schutzbedürfnis der Aktionäre nicht, da auch Konzernleitungsmaßnahmen schwerwiegend in die Mitgliedschaftsrechte eingreifen können.684 f) Hauptversammlungsbeschluss aa) Beschlussgegenstand; Konzeptbeschluss. Gegenstand des Hauptversammlungs- 285 beschlusses ist grundsätzlich die jeweilige konkrete Maßnahme. Erfolgt deren Verwirklichung, indem die Gesellschaft etwa bei der Ausgliederung, dem Beteiligungserwerb oder der Beteiligungsveräußerung entsprechende vertragliche Vereinbarungen trifft, bildet dieses Vertragswerk den Gegenstand des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung. Andernfalls, insbesondere also bei Maßnahmen der Konzernleitung (Rdn 277 ff), bildet das Abstimmungsverhalten des Vorstands in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft den Beschlussgegenstand.685 Gegenstand der Beschlussfassung kann statt eines konkreten Vertrages auch eine 286 Geschäftsführungsmaßnahme sein, wodurch dem Hauptversammlungsbeschluss die Wirkung eines Ermächtigungsbeschlusses (Konzeptbeschluss686) zukommt.687 Die Maß680

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K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 36 aE; Kiesewetter/Spengler Der Konzern 2009, 451, 454; Sünner AG 1983, 169, 172; Martens ZHR 147 (1983), 377, 426 f; Becker/Fett WM 2001, 549, 552 f. Rehbinder ZGR 1983, 92, 99, 102; ders in: FS Coing 1982, Bd 2, S 423, 427; H P Westermann ZGR 1984, 352, 367; Kropff ZGR 1984, 112, 131; Reichert in Habersack/Koch/Winter ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 72 f. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 70; LG Frankfurt/M AG 1998, 45 f = NZG 1998, 133; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 87; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 39; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 48; Habersack AG 2005, 137, 148; Arnold ZIP 2005, 1573, 1577; Timm ZIP 1993, 115, 117; Lutter in: FS Stimpel 1985, S 825, 849; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 226; Götze NZG 2004, 585, 588 f; offengelassen von BGHZ 83, 122, 140 = WM 1982,

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388 = AG 1982, 158; vgl auch Götz AG 1984 85, 92. LG Frankfurt/M AG 1998, 45, 46 = NZG 1998, 133; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 70; Lutter in: FS Stimpel 1985, S 825, 849; Fleischer ZHR 165 (2001), 513, 523 ff. MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 39; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 48; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 226. MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 37; KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 103. Arnold ZIP 2005, 1573, 1578; Reichert AG 2005, 150, 159; Hölters/Drinhausen § 119, 22. OLG Köln WM 1993, 644 = AG 1993, 86, 88 f; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 41; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 51; Hölters/Drinhausen § 119, 22; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 49, 95; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 40; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 12; Arnold

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Erster Teil. Unternehmensverträge

nahme muss aber bereits hinreichend konkretisiert sein, damit die Aktionäre ihre Entscheidung auf eine hinreichende Informationsgrundlage stützen können.688 Allerdings sind hierfür keine strengeren Anforderungen zu stellen als sie das Gesetz bei geschriebenen Hauptversammlungskompetenzen aufstellt (§§ 58 Abs 2, 202 Abs 2, 204 Abs 1, 221 Abs 2).689 Eine Befristung der Beschlusswirkungen muss grundsätzlich im Beschlusstext selbst zum Ausdruck kommen. Dient der Ermächtigungsbeschluss der Vermeidung einer außerordentlichen Hauptversammlung, wird allerdings eine Befristung bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung anzunehmen sein.690

287

bb) Beschlussfassung. Für das Verfahren der Beschlussfassung gelten die allgemeinen Regeln,691 insbesondere auch zum Bestehen eines Stimmverbots gemäß § 136. Aktionäre der ausgliedernden Gesellschaft, die gleichzeitig an der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt sind, unterliegen in der Regel keinem Stimmrechtsausschluss.692

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cc) Beschlussmehrheit. Die erforderliche Beschlussmehrheit für einen Holzmüller/ Gelatine-Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung hängt maßgeblich von der Rechtsgrundlage der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen ab. Bei einem Rückgriff auf die Vorlagepflicht aus § 119 Abs 2 muss die (einfache) Stimmenmehrheit gemäß § 133 Abs 1 genügen.693 Eine Mehrheit von Dreivierteln des vertretenen Grundkapitals nebst der einfachen Stimmenmehrheit des §133 Abs 1 ist demgegenüber erforderlich, soweit die hM ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen bei der Gruppenbildung und -umbildung zur Recht auf Einzel- oder Gesamtanalogien zu den §§ 179a Abs 1, 293 Abs 2, 319 Abs 1, 320 Abs 1, §§ 13 Abs 1, 125 UmwG stützt.694 Der BGH hat sich in der Gelatine-Judikatur nunmehr ebenfalls zu diesem Mehrheitserfordernis bekannt, indem er die im Wege der offenen Rechtsfortbildung postulierte ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz auf Maßnahmen beschränkte, die so tief in die Mitgliedschaftsrechte eingreift, dass dies einer Satzungsänderung nahekommt.695

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ZIP 2005, 1573, 1578; Reichert AG 2005, 150, 159; Bungert BB 2004, 1345, 1351; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 232 f. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 51; Hölters/Drinhausen § 119, 22; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 49, 95; Bürgers/ Körber/Reger 2 § 119, 26; K Schmidt/ Lutter/Spindler 2 § 119, 40; Semler/Stengel/ Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 41; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 12; Arnold ZIP 2005, 1573, 1578; Reichert AG 2005, 150, 159. Reichert AG 2005, 150, 159; Hölters/ Drinhausen § 119, 22. Tröger ZIP 2001, 2029, 2041; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 805, 816; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 233 f; aA – ausdrückliche Befristung erforderlich – MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 96; Hölters/Drinhausen § 119, 22; Semler/ Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 41; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 51. Hüffer 10 § 119, 20. Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 49; Reichert ZHR Beiheft 68, S 25, 52.

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Spindler/Stilz/Hofmann 2 § 119, 28; Hüffer in: FS Ulmer 2003, S 279, 298. Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 50; Altmeppen Betrieb 1998, 49, 50 f; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 220 f; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 14; MünchKommAktG/Kubis3 § 119, 55; K Schmidt/Lutter/ Spindler 2 § 119, 45; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 48; Raiser/Veil 5 § 16, 18; Lutter in: FS Fleck 1988, S 169, 182 f; Lutter/ Leinekugel ZIP 1998, 225, 230 f; Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 438 f; Priester ZHR 163 (1999), 187, 199 f; Timm S 66 ff; Fleischer NJW 2004, 2335, 2339; Weißhaupt AG 2004, 585, 587; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 220; Liebscher ZGR 2005, 31 f (anders noch ders Konzernbildungskontrolle, S 92 f: einfache Mehrheit ausreichend); aA Horbach BB 2001, 893, 894 ff; Immenga BB 1992, 2446, 2448 f; Wasmann Betrieb 2002, 1096 f. BGHZ 159, 30, 45 ff = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571; aA OLG Karlsruhe AG 2002, 2003, 388, 389;

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Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Beim Erfordernis einer Dreiviertel-Mehrheit bewendet es auch dann, wenn die Sat- 289 zung eine Konzernklausel (hierzu schon Rdn 189 f) enthält oder bestimmt, dass alle Beschlüsse der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden können.696 Die Existenz der Konzernklausel kann nur eine Änderung des Unternehmensgegenstands entbehrlich machen,697 nicht aber das Mehrheitserfordernis für die nach den Holzmüller/ Gelatine-Grundsätzen erforderliche ad hoc-Zustimmung der Hauptversammlung zu einer konkreten Maßnahme der Gruppenbildung oder -umbildung beeinflussen.698 dd) Kein Sachgrunderfordernis. Hauptversammlungsbeschlüsse auf der Grundlage 290 ungeschriebener Holzmüller-Zuständigkeiten bedürfen keiner positiven materiellen Rechtfertigung in Form eines materiellen Sachgrunds. Dies ist selbstverständlich, wenn man die extra legem entstandene Doktrin vom sachlichen Grund prinzipiell ablehnt,699 entspricht aber auch unabhängig hiervon der ganz hM.700 Für die Vorschriften, die im Wege der Einzel- oder Gesamtanalogie als Grundlage ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten in Bezug genommen werden (dazu Rdn 228), wird bei deren unmittelbarer Anwendung aufgrund einer der jeweils zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung ein Sachgrunderfordernis verneint. Bei analoger Anwendung dieser Vorschriften hat dies gleichermaßen zu gelten. Auch in diesen Fällen übt die Hauptversammlungsmehrheit ein unternehmerisches Ermessen aus, das ihr das Gesetz aufgrund der vom Gesetzgeber selbst vorgenommenen Interessenabwägung einräumt.701 Indem die Einzeloder Gesamtanalogie die Vergleichbarkeit der jeweiligen Interessenlagen voraussetzt, ist trotz Fehlens einer positiven gesetzlichen Regelung eine Vorwegnahme der Interessenabwägung durch den Gesetzgeber gegeben.702 Hieran ändert im Übrigen auch der Umstand nichts, dass der BGH die Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeiten auf eine offene Rechtsfortbildung statt auf Einzelanalogien oder eine Gesamtanalogie gründet. Diesen alternativen methodischen Ansatz bemüht er nämlich allein, um eine etwaige Außenwirkung

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Groß AG 1996, 111, 118; Hüffer in: FS Ulmer 2003, 279, 298; Immenga BB 1992, 2446, 2448; H P Westermann ZGR 1984, 352, 362. Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 48; Hölters/Drinhausen § 119, 23; Bürgers/ Körber/Reger 2 § 119, 26; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 50; Emmerich/Habersack9 § 9, 21; Arnold ZIP 2005, 1573, 1575; Reichert AG 2005, 150, 153; Bungert BB 2004, 1345, 1349. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 93; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 40; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26. Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 40; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 51; Hüffer WuB II A. § 119 AktG 1.11; A Wilhelm WuB II A. § 120 AktG .12; aA – jedenfalls für Beteiligungserwerbe als potentielle Holzmüller-Maßnahmen – OLG Frankfurt/M WM 2011, 116, 118 AG 2011, 173 = NZG 2011, 62; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 67; wohl auch MünchHdbAG/ Krieger 3 § 69, 10. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 321 ff.

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BGHZ 153, 47 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280 (zum Delisting); LG Frankfurt/M AG 1993, 287; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 56; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 51; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 38; Werner ZHR 147 (1983), 429, 444; Heinsius ZGR 1984, 383, 408 f (für Konzernbildungsmaßnahmen); H P Westermann ZGR 1984, 352, 379; Weißhaupt AG 2004, 585, 587; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 224; Baums AG 1994, 1, 5 f; zweifelnd Feddersen/Kiem ZIP 1994, 1078, 1084; aA Hirte Bezugsrechtsauschluß, S 184 f; MünchHdbAG/Krieger3 § 69, 13; Liebscher Konzernbildungskontrolle, S 95 ff. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 56; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 38; Liebscher ZGR 2005, 1, 32; Weißhaupt AG 2004, 585, 587; Baums AG 1994, 1, 5 f; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 224. BGH ZIP 2003, 387, 391 (zum Delisting) stellt ebenfalls auf das unternehmerische Ermessen ab. AA MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 13.

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

der im Wege einer Analogie postulierten Hauptversammlungskompetenzen zu vermeiden (Rdn 227). Bei Konzernleitungsmaßnahmen soll in Einzelfällen ein Sachgrunderfordernis be291 stehen. Dies sei dann der Fall, wenn der Hauptversammlungsbeschluss eine Leitungsmaßnahme zum Gegenstand hat, die einen Hauptversammlungsbeschluss bei der Untergesellschaft vorsieht und dieser Beschluss seinerseits einen Sachgrund erfordert, etwa der Bezugsrechtsausschluss.703 Dies ist wohl folgerichtig, wenn man die extra legem entstandene Doktrin vom sachlichen Grund nicht ohnehin prinzipiell ablehnt.704

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ee) Beurkundungsbedürftigkeit. Die notariellen Beurkundung von Holzmüller-Hauptversammlungsbeschlüssen ist auch bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften erforderlich; deren privatschriftliche Protokollierung gemäß § 130 Abs 1 S 3 ist nicht ausreichend.705 Sieht man die Rechtsgrundlage der Holzmüller-Zuständigkeiten in einer Einzel- oder Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs 1, 293 Abs 2, 319 Abs 1, 320 Abs 1, §§ 13 Abs 1, 125 UmwG (Rdn 228) oder nimmt man mit dem BGH eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz mit qualifiziertem Beschlussmehrheitserfordernis im Wege der offenen Rechtsfortbildung an (Rdn 227), ist der Argumentation der Boden entzogen,706 dass sich § 130 Abs 1 S 3 lediglich auf § 119 Abs 1 beziehe und die Holzmüller-Zuständigkeit sich aus § 119 Abs 2 ergebe.707 Das Genügen der privatschriftlichen Form lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf 293 die noch ungeklärte Reichweite der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze und damit rechtfertigen, dass das Formerfordernis aufgrund der Nichtigkeitssanktion des § 241 Nr 2 an einen klar umrissenen Tatbestand anknüpfen müsse.708 Diese Unsicherheit betrifft lediglich die Vorfrage, ob überhaupt ein Beschlusserfordernis besteht, nicht aber die Reichweite der Beurkundungspflicht.709 Zudem stellt sich die Vorfrage für börsennotierte Gesellschaften in gleicher Schärfe, weswegen ein Absehen vom Beurkundungserfordernis nur für nichtbörsennotierte Gesellschaften fehlginge. Ein Nichteingreifen des Beurkundungserfordernisses für alle Gesellschaften wird aber zu Recht schon deswegen nirgends erwogen, weil das Gesetz für Grundlagenbeschlüsse eine notarielle Niederschrift aufgrund der Beweissicherungsfunktion der Niederschrift und der Beratungsfunktion des Notars vorsieht und diese ratio auch bei Beschlüssen zum Tragen kommt, die aufgrund ihrer Tragweite für die Gesellschaft Grundlagenbeschlüssen gleichgestellt sind.710 Liegt der zustimmungsbedürftigen Maßnahme ein Vertrag – etwa ein Ausgliederungs294 vertrag – zugrunde, ist dieser gegebenenfalls nach den allgemeinen Regeln beurkundungsbedürftig, etwa soweit die Übertragung auszugliedernder Grundstücke oder

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MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 56. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 321 ff. Hölters/Drinhausen § 130, 23; Emmerich/ Habersack6 Vor § 311, 50; Bürgers/Körber/ Reger 2 § 130, 32; Spindler/Stilz/Wicke 2 § 130, 39; K Schmidt/Lutter/Ziemons 2 § 130, 35; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 50; Blanke BB 1994, 1505, 1510; Flick NJOZ 2009, 4485, 4488 f; Faßbender RNotZ 2009, 425, 428; aA MünchKommAktG/Kubis 3 § 130, 25; Heidel/Terbrack/Lohr 3 § 130, 7; Hölters/ Deilmann/Buchta Die kleine AG, 2002, S 108 f; Hüffer 10 § 130, 14c; Kindler NJW

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1994, 3041, 3045; Reichert in Habersack/ Koch/Winter ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 57. Zutreffend Hölters/Drinhausen § 130, 23. Hüffer 10 § 130, 14c mwN. MünchKommAktG/Kubis 3 § 130, 25; Hüffer 10 § 130, 14 c; Kindler NJW 1994, 3041, 3045. Spindler/Stilz/Wicke 2 § 130, 39; Hölters/ Drinhausen § 130, 23. Hölters/Drinhausen § 130, 23; Bürgers/Körber/Reger 2 § 130, 32; Blanke BB 1994, 1505, 1510.

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GmbH-Geschäftsanteile nach § 311b Abs 1 BGB, § 15 Abs 4 GmbHG der notariellen Beurkundung bedarf.711 Für eine generelle analoge Anwendung des umwandlungsrechtlichen Formerfordernisses aus §§ 125, 6 UmwG besteht hingegen kein Bedürfnis,712 weshalb Einbringungsverträge in der Praxis vielfach privatschriftlich abgeschlossen werden.713/714 ff) Informationsrechte der Aktionäre. Der wesentliche Inhalt des Vertrages oder des 295 Konzepts ist bei der Einberufung der Hauptversammlung gemäß § 124 Abs 2 S 2 analog bekanntzumachen. Das gilt unabhängig von der aktienrechtlichen Rechtsgrundlage ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen.715 Ein Informationsbedürfnis der Aktionäre besteht nämlich jeweils unabhängig davon, ob eine geschriebene oder eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz besteht und ob der Hauptversammlungsbeschluss ins Außenverhältnis wirkt oder lediglich die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands beschränkt.716 Darüber hinaus besteht eine Pflicht des Vorstands zur ausführlichen Berichterstattung 296 analog §§ 186 Abs 4 S 2, 293a, §§ 8, 63, 127 UmwG. Das Bedürfnis der Aktionäre, über die unternehmerischen Hintergründe in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht informiert zu werden, verdient für Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeiten über die Fälle abstrakter Konzeptbeschlüsse717 (Rdn 286) generelle Anerkennung.718 Der gelegentliche

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Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 18 mwN. Mayer in Widmann/Mayer Anh 5, 914; Semler/Stengel/Schlitt3 UmwG, Anh § 173, 18; vgl auch Reichert ZHR Beiheft 68, S 25, 57 f. Hoffmann-Becking in: FS Lutter 2000, S 453, 454; Aha BB 2001, 2225, 2231. Ausführlich zu Inhalt, Form und Prüfung des Ausgliederungs- bzw Einbringungsvertrages Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 16 ff. OLG Schleswig WM 2006, 231, 233 = AG 2006, 120 = NZG 2006, 951; OLG München AG 1995, 232, 233; LG Frankfurt/M AG 2001, 431, 432 f; LG München I AG 2007, 336, 337 f; MünchKommAktG/ Kubis 2 § 119, 50; Hüffer 10 § 119, 19, § 124, 11; ders in: FS Ulmer 2003, S 279, 299; Hölters/Drinhausen § 119, 24; Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 52; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 42; MünchHdbAG/ Semler 3 § 35, 43; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26; Heidel/Pluta 3 § 119, 28; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 14; Semler/Stengel/ Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 42, 63; Schockenhoff NZG 2001, 921, 922; Tröger ZIP 2001, 2029, 2030 f; Götze NZG 2004, 585, 589; Weißhaupt AG 2005, 585, 588; Reichert in Habersack/Koch/Winter, ZHRSonderheft 68 (1999), 25, 59; Groß AG 1996, 111, 115; tendenziell auch OLG

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Frankfurt/M WM 1999, 1881, 1884 („liegt nahe“); zweifelnd Drinkuth AG 2001, 256, 257 f. Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 63; Weißhaupt AG 2005, 585, 588. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 51; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 43; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26, der aber zur Vermeidung von Anfechtungsklagen immer die Erstellung eines Vorstandsberichts empfiehlt; Weißhaupt AG 2004, 585, 589. LG Frankfurt/M NZG 1998, 113, 115 f; LG Karlsruhe NZG 1998, 393, 395; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 52; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 14; Hölters/Drinhausen § 119, 24; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 55; Raiser/Veil 5 § 16, 16; Reichert AG 2005, 150, 158 f; Groß AG 1996, 111, 116; Arnold ZIP 2005, 1573, 1578; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 805, 814 ff; Bungert BB 2004, 1345, 1351; Weißhaupt NZG 1999, 804, 807 ff; wohl auch Hoffmann-Becking RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S 55, 58; aA – gegen Berichtspflicht – LG Hamburg AG 1997, 238 = Betrieb 1997, 516, 517; Hüffer 10 § 119, 19; ders in: FS Ulmer 2003, S 279, 300 (Berichtspflicht nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall); Wilde ZGR 1998, 423, 452; Zeidler NZG 1998, 91, 93; sehr zurückhaltend auch Kort in diesem Kom-

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Einwand, dass für Geschäftsführungsmaßnahmen kein Vorstandsbericht vorgesehen sei und deshalb auch im Falle von Holzmüller-Hauptversammlungszuständigkeit ein Bericht nicht verlangt werden könne,719 geht für die Begründung dieser Kompetenzen im Wege von Einzelanalogien oder einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs 1, 293 Abs 2, 319 Abs 1, 320 Abs 1, §§ 13 Abs 1, 125 UmwG (Rdn 228) ins Leere. Letztlich nicht zwingend ist auch der Hinweis, dass die §§ 179, 179a kein Berichtserfordernis aufstellen und es daher an einer vergleichbaren Interessenlage fehle,720 da man hieraus für § 179a auch eine zu schließende Regelungslücke ableiten mag. Als Konsequenz der Berichtspflicht sind auch die daran anknüpfenden Auslegungs297 pflichten zu beachten.721 Der Bericht ist daher auszulegen, zu erläutern und den Aktionären gegebenenfalls auszuhändigen oder zugänglich zu machen (§§ 293f Abs 1 Nr 3, 293g Abs 1 und 2, §§ 125 S 1, 63 Abs 1 Nr 4, Abs 3, Abs 4 UmwG).722 Darüber hinaus ist auch ein der Holzmüller-Maßnahme gegebenenfalls zugrunde 298 liegender Vertrag, etwa ein Ausgliederungsvertrag (Rdn 294), auszulegen (§§ 179a Abs 2, 293f Abs 1 Nr 1, 293g Abs 1, §§ 63 Abs 1 Nr 1, 64 Abs 1 Satz 1 UmwG analog).723 Dies erfordert die Auslegung des Vertrags in der Originalsprache und gegebenenfalls in einer deutschen Übersetzung.724 Zu eng erscheint hingegen die Bejahung einer Auslegungspflicht lediglich für die Fälle des Bestehens einer Auslegungspflicht (auch) bei der Untergesellschaft725 sowie, kraft Einzelanalogie(n) für besonders gelagerte Ausnahmekonstellationen,726 etwa – unter Hinweis auf die mittelbare Außenwirkung eines Hauptversammlungsbeschlusses – für den Fall eines für die Verweigerung der Hauptversammlungszustimmung vorsorglich aufgenommen Rücktrittsvorbehalts.727 Erst recht nicht überzeugen kann die grundsätzliche Ablehnung der Gesamtanalogie durch den BGH728

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mentar, § 76, 86; offen geblieben in BGHZ 146, 288 = WM 2001, 569 = AG 2001, 261 = NZG 2001, 405; näher zu dieser Entscheidung Schockenhoff NZG 2001, 921. Hüffer in: FS Ulmer 2003, S 279, 299 f. Hüffer 10 § 119, 19; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 65; K Schmidt/Lutter/ Spindler 2 § 119, 43; Lutter/Teichmann 4 UmwG, § 123, 29. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 52; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 43; insoweit auch Hüffer 10 § 119, 19; Hölters/ Drinhausen § 119, 24; MünchKommAktG/ Kubis 3 § 119, 51; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 14; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 69; Groß AG 1994, 111, 117. Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 52; aA Hüffer 10 § 119, 19. – Nach Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 52 sollten mit dem Bericht analog §§ 125 Satz 1, 63 Abs 1 Nr 2 und 3 Abs 4 UmwG bei Beteiligung Dritter auch die Jahresabschlüsse und Lageberichte der Tochter und im Falle der Ausgliederung, Bargründung und Einbringung eine spezielle Einbringungsbilanz ausgelegt oder zugänglich gemacht werden.

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OLG Frankfurt/M WM 1999, 1881, 1883 f = AG 1999, 378, 379 f = NZG 1999, 887; LG Frankfurt NZG 1998, 113, 115 f; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 52; MünchHdbAG/Krieger3 § 69, 14; Hölters/Deilmann § 119, 24; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 68; grundsätzlich auch S K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 44. K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 44; Hölters/Deilmann § 119, 24; Emmerich/ Habersack6 Vor § 311, 52; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 54; Hüffer 10 § 119, 19; s auch OLG Schleswig WM 2006, 231, 235 = AG 2006, 120 = NZG 2006, 951. MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 52; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26; Weißhaupt AG 2005, 585, 591. So etwa BGHZ 146, 288, 296 = WM 2001, 569 = AG 2001, 261 = NZG 2001, 405 in Bezug auf § 179a Abs 2; s ferner Bürgers/ Körber/Reger 2 § 119, 26; Hüffer 10 § 119, 19 mwN; Weißhaupt AG 2005, 585, 591. Weißhaupt AG 2005, 585, 591; vgl MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 52. BGHZ 146, 288, 295 f = WM 2001, 569 = AG 2001, 261 = NZG 2001, 405.

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und die hL729 mit dem Hinweis darauf, dass eine Auslegungspflicht zwar nach den vorgenannten Vorschriften bestehe, nicht aber in sämtlichen Fällen einer Informationspflicht nach § 124 Abs 2 S 2, namentlich nicht beim Verzicht oder Vergleich in Bezug auf Ersatzansprüche der Gesellschaft gemäß §§ 50, 53, 93 Abs 4, 116, 117 Abs 4, 309 Abs 3, 310 Abs 4, 317 Abs 4, 318 Abs 4. Darin kommt nämlich zum Ausdruck, dass das Gesetz bei den Anforderungen an die erforderliche Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen der Hauptversammlung nach dem jeweiligen Gegenstand der Entscheidung differenziert, weswegen gerade die Heranziehung allein der §§ 179a Abs 2, 293f Abs 1 Nr 1, 293g Abs 1, §§ 63 Abs 1 Nr 1, 64 Abs 1 Satz 1 UmwG bei den HolzmüllerZuständigkeiten sach- und interessengerecht erscheint. g) Vertretungsmacht des Vorstands. Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkei- 299 ten gemäß den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen haben keine Außenwirkung und lassen die Vertretungsmacht des Vorstands unberührt. Hierüber ist man sich im Ergebnis zu Recht einig, auch wenn die Begründungen hierfür je nach aktienrechtlicher Verortung der Holzmüller-Zuständigkeiten differieren. Auf der Grundlagen von Einzelanalogien oder einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs 1, 293 Abs 2, 319 Abs 1, 320 Abs 1, §§ 13 Abs 1, 125 UmwG lässt sich die aus Gründen der Rechtssicherheit gebotene Wirkungsbeschränkung auf das Innenverhältnis730 zwar nicht schon damit begründen, dass die Vertretungsmacht des Vorstands nur durch das Gesetz und also nicht durch eine Analogie beschränkt werden könne.731 Auch bei der analoger Anwendung zwingender gesetzlicher Normen läge eine Beschränkung kraft Gesetzes vor. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass bei einer Analogie die in Bezug genommene Vorschrift nicht notwendig in allen Details ihres Regelungsprogramms zur Anwendung kommen muss, sondern Raum für Modifikationen732 etwa in Form einer bloßen Teilanalogie bleibt, soweit der Vergleichbarkeit der Interessenlagen, wie vorliegend hinsichtlich der Hauptversammlungszuständigkeit der Fall, bereits mit der teilweisen Anwendung des Rechtsfolgenprogramms der in Bezug genommenen Vorschrift(en) genügt wird. Ohnehin selbstverständlich ist die fehlende Außenwirkung ungeschriebener Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeiten für den BGH, der diese Kompetenzen im Wege der offenen Rechtsfortbildung statt durch Einzelanalogien oder eine Gesamtanalogie gerade mit dem Ziel herleitet, die Außenwirkung dieser ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten zu vermeiden (schon Rdn 227). Dasselbe gilt im Ergebnis beim Rückgriff auf § 119 Abs 2 (analog) als Rechtsgrundlage der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen, da diese Vorschrift die Vertretungsmacht des Vorstands von vornherein nicht berührt und daher auch bei deren (analoger) Anwendung bei Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeiten keine weitergehende Wirkung entfalten kann.733

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MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 52; Schockenhoff NZG 2001, 921, 923; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26; Hüffer 10 § 119, 19; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 44; Hölters/Deilmann § 119, 24; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 14; Semler/Stengel/ Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 68. K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 46; Hölters/Deilmann § 119, 26; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 59; Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 52; Raiser/Veil 5 § 16, 19; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173,

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43; Liebscher ZGR 2005, 1, 21; Fleischer NJW 2004, 2335, 2337; zweifelnd Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 53. AA KK/Koppensteiner 3 Vorb § 291, 58; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 221. Fleischer NJW 2004, 2335, 2337; s auch Habersack AG 2005, 137, 142; Liebscher ZGR 2005, 1, 21; Altmeppen ZIP 2004, 999, 1000 f; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 29. BGHZ 83, 122, 132 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158; Heidel/Pluta 3 § 119, 23, 32.

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Als Konsequenz der fehlenden Außenwirkung ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen sind bei Konzernbildungs- und Leitungsmaßnahmen stets die allgemeinen Grenzen der Vertretungsmacht des Vorstands zu beachten,734 wie sie bei einem Missbrauch der Vertretungsmacht, bei einem kollusiven Zusammenwirken und bei konzerninternen Vorgängen bestehen.735

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h) Initiativrecht der Hauptversammlung. Der Hauptversammlung kommt in Bezug auf Holzmüller-Maßnahmen ein umfassendes Initiativrecht gemäß § 83 Abs 1 S 1 zu.736 Dies vermag auch der gelegentliche Einwand, dass die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze lediglich einen Schutz der Aktionäre vor einem tief in ihre Mitgliedschaftsrechte eingreifenden eigenmächtigen Handeln des Vorstands bezweckten und die Anerkennung eines Initiativrechts die aktienrechtliche Kompetenzverteilung in einer nicht mit dem Gesetz zu vereinbarenden Weise verändern würde,737 nicht in Frage zu stellen. Dass eine Zuständigkeit der Hauptversammlung den Schutz der Aktionäre bezweckt, ist keine Besonderheit der Holzmüller-Zuständigkeiten, sondern bei den die Gesellschaft teils sogar grundlegend umgestaltenden Strukturmaßnahmen nachgerade der Regelfall. Das gesetzgeberische Regelungskonzept würde im Grundsätzlichen verfehlt, würde man die Einschaltung der Hauptversammlung in diesen Fällen auf eine bloße Kontrolle des vom Vorstand initiierten Vorgangs reduzieren (schon Rdn 43).

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i) Rechtsfolgen einer unterlassenen oder fehlerhaften Hauptversammlungsbeteiligung. Die Gesellschaft kann gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gemäß §§ 93 Abs 2, 116, 117 gegen den Vorstand und/oder den Aufsichtsrat geltend machen,738 wobei sich der Nachweis eines relevanten Schadens meist schwierig gestalten wird.739 Außerdem kommt eine Abberufung des Vorstands gemäß § 84 Abs 3 wegen grober Pflichtverletzung in Betracht.740 Jedem Aktionär stehen verschuldensunabhängige Abwehr- und Beseitigungsansprüche 303 gegen kompetentielle Übergriffe anderer Verwaltungsorgane zu,741 die richtigerweise unmittelbar aus dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis und nicht etwa deliktsrecht734

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K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 46; Emmerich/Habersack6 Vor § 311, 53; Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 52; Hölters/ Deilmann § 119, 26; MünchKommAktG/ Kubis 3 § 119, 59; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 15; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 43; Reichert AG 2005, 150, 153. Näher Habersack in diesem Kommentar, § 82, 8 aE, 9 ff. MünchKommAktG/Spindler 3 § 83, 6; MünchHdbAG/Wiesner 3 § 25, 77; Habersack in diesem Kommentar, § 83, 6; Spindler/Stilz/Fleischer 2 § 83, 3; K Schmidt/ Lutter/Seibt 2 § 83, 4; Bürgers/Körber/Bürgers/Israel 2 § 83, 2; Hölters/Weber § 83, 3; Liebscher ZGR 2005, 1, 32; Arnold ZIP 2005, 1573, 1578; aA KK/Mertens/Cahn 3 § 83, 4; Bürgers/Körber/Reger 2 § 119, 26. KK/Mertens/Cahn 3 § 83, 4; Bürgers/Körber/ Reger 2 § 119, 26. Hölters/Drinhausen § 119, 27; Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 54; MünchHdbAG/

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Krieger 3 § 69, 15; Raiser/Veil 5 § 16, 19; Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 53. MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 15; Semler/ Stengel/Schlitt3 UmwG, Anh § 173, 43, 94; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 221. Hölters/Drinhausen § 119, 27; Spindler/ Stilz/Hoffmann 2 § 119, 53. Ausführlich Mülbert in diesem Kommentar, Vor §§ 118–147, 212; s ferner Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 54; Emmerich/ Habersack 9 § 9, 5 f; Hölters/Drinhausen § 119, 28; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 15; MünchHdbAG/Wiesner 3 § 18, 8; Spindler/ Stilz/Hoffmann 2 § 119, 53; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 98; Semler/Stengel/ Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 94; Semler/Volhard/Cordes/Schöne Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd 1, § 34, 95; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 221; näher zu den Voraussetzungen und Grenzen mit tendenziell kritischer Grundhaltung Hoffmann-Becking ZHR 167 (2003), 357 ff.

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lich als quasi-negatorischer Unterlassungsanspruch aus der Verletzung der Mitgliedschaft als sonstigem Recht folgen.742 Der Anspruch ist gegen die Gesellschaft zu richten743 und kann prozessual nicht nur mittels der sog Aktionärsklage,744 sondern auch durch Erwirkung einer einstweiligen Verfügung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt werden.745 Aufgrund der den Aktionär treffenden Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft muss er eine Klage innerhalb angemessener Frist erheben.746 Als gesetzlichen Ausgangspunkt nimmt der BGH die Monatsfrist des § 246.747 Hierzu „darf die Zeit nicht außer Verhältnis stehen, die ein Aktionär bis zur Klageerhebung verstreichen lässt, wenn er sich, wie hier, durch Handlungen des Vorstands in seiner Mitgliedsstellung verletzt oder gefährdet sieht, zu denen die Hauptversammlung keinen Beschluss gefasst hat.“748 Eine restriktivere Auffassung möchte § 246 analog anwenden.749 Für den Beginn der Frist ist das öffentliche Bekanntwerden des Vorgangs maßgeblich750 nicht die Kenntniserlangung des klagenden Aktionärs.751 Andernfalls könnte der Vorstand die Frist nicht einmal dadurch für alle Aktionäre in Gang setzen, dass er über den Vorgang in der nächsten Hauptversammlung berichtet. Ist eine Rückabwicklung der Maßnahme aufgrund schutzwürdiger Interessen Dritter nicht möglich, kann eine Feststellungsklage erhoben werden.752 Soll eine Aktionärs- oder Feststellungsklage erhoben werden, kann die Bestimmung 304 der Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren Probleme bereiten. Da in Holzmüller/ Gelatine-Fällen regelmäßig Maßnahmen von ganz erheblicher wirtschaftlicher Tragweite und ebenso hohem Streitwert in Rede stehen, dürfte jedenfalls die bei 30 Millionen Euro liegende Kappungsgrenze des § 39 Abs 2 GKG vielfach zur Anwendung kommen. Doch selbst unter dieser Voraussetzung stellt sich für den klagenden Aktionär ein hohes und potentiell unbeherrschbares Kostenrisiko, weshalb bisweilen eine analoge Anwendung des § 247 befürwortet wird, um den Zugang zu effektivem Rechtsschutz zu erleich-

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S nur Mülbert in diesem Kommentar, Vor §§ 118–147, 212 mwN (auch zur Gegenansicht). Mülbert in diesem Kommentar, Vor §§ 118– 147, 212, 215; Semler/Volhard/Cordes/ Schöne Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd 1, § 34, 95; auch MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 98: nur gegen die Gesellschaft. Nach Emmerich/ Habersack 6 Vor § 311, 54 Emmerich/Habersack 9 § 9, 5 besteht der quasi-negatorische Anspruch auch gegen den Vorstand (Organwalter) als handelnde Person(en). Dazu bereits Mülbert in diesem Kommentar, Vor §§ 118–147, 214 mwN. OLG Hamm AG 2008, 421, 422 f = NZG 2008, 155; LG Duisburg NZG 2002, 643; MünchHdbAG/Krieger 3 § 69, 15; Spindler/ Stilz/Hoffmann 2 § 119, 53; MünchKommAktG/Kubis 3 § 119, 98; Semler/Stengel/ Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 94; ausführlich Markwardt WM 2004, 211 ff; s auch Hoffmann-Becking ZHR 167 (2003), 357, 358. BGHZ 83, 122, 136 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158; Emmerich/Habersack6 Vor § 311,

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54; Emmerich/Habersack9 § 9, 6; MünchKommAktG/Kubis3 § 119, 98; Hölters/ Drinhausen § 119, 28; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 221; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 94. BGHZ 83, 122, 136 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158. BGHZ 83, 122, 136 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158; in der Holzmüller-Entscheidung waren zwischenzeitlich zweieinhalb Jahre vergangen, was der BGH zu Recht als verspätet ansah; s zudem LG Koblenz AG 2002, 102, wo eine 20 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags erhobene Feststellungsklage als verfristet angesehen wurde. Fuhrmann AG 2004, 339, 342. Fuhrmann AG 2004, 339, 342. MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 98; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 94. MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 98; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 95; Hölters/Drinhausen § 119, 28, der die Feststellungsklage ohne Einschränkungen für zulässig hält.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

tern.753 Dem ist beizupflichten: Die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage folgt daraus, dass der Rechtsschutz des Aktionärs gegen rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen der Verwaltung auch unter dem Aspekt des Kostenrisikos nicht weniger effektiv sein darf als für den Fall, dass die Verwaltung (insoweit) rechtmäßig handelt und einen Hauptversammlungsbeschluss über die umstrittene Maßnahme herbeiführt, den der Aktionär sodann jedenfalls nach Maßgabe der §§ 243 ff, 247 anfechten kann.754 Was die Planwidrigkeit der Regelungslücke anbelangt, konnte der Gesetzgeber bei Abfassung des § 247 nicht die Rechtsprechungsentwicklung antizipieren, die schließlich zur Anerkennung insbesondere der Aktionärsklage im Aktienrecht führte. Wird die Maßnahme während des Prozesses nachträglich durch die Hauptversamm305 lung genehmigt, tritt hinsichtlich einer Abwehr- oder Beseitigungsklage Erledigung ein.755 Auf Schadensersatzansprüche hat ein Genehmigungsbeschluss jedoch keinen Einfluss;756 denkbar bleiben Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand.757 Hat der Vorstand die Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt, ist bei Fehlern 306 im Rahmen der Einholung des Beschlusses eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage statthaft.758 Hierfür gelten die allgemeinen Regelungen.

VIII. Annex: Börsennotierung 307

Hauptversammlungskompetenzen im Zusammenhang mit der Börsennotierung der Aktiengesellschaft werden für den (erstmaligen) Börsengang der Gesellschaft (Rdn 308 ff) und insbesondere für den Fall des (vollständigen) Rückzugs vom Börsenhandel (Delisting, Rdn 316 ff) diskutiert. Dabei ist jeweils zwischen dem Börsengang bzw Delisting der Gesellschaft selbst und jenem einer etwaigen Tochtergesellschaft zu differenzieren. 1. Börsengang/Listing

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a) Börsengang der Gesellschaft. Für die erstmalige öffentliche Platzierung von Aktien (Initial Public Offering) durch Zulassung zum Börsenhandel (Listing) im regulierten Markt (§ 32 BörsG)759 gebietet das positivierte Aktienrecht einen zustimmenden Hauptversammlungsschluss lediglich, wenn Satzungsbestimmungen einer Börsennotierung im Sinne eines generellen „Börsenverbots“760 entgegenstehen, in welchem Fall eine Satzungsänderung per Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Kapitalmehrheit (§ 179 Abs 1) erforderlich ist,761 oder wenn nicht ausschließlich bereits existierende Anteile der

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S OLG Hamm AG 2008, 421 = NZG 2008, 155, 156; OLG Düsseldorf AG 2001, 267 = NZG 2000, 1078 f; Heidel/Heidel 3 § 247, 4; Spindler/Stilz/Dörr 2 § 247, 4; Henssler/ Strohn/Drescher § 247, 1. So zu Recht Heidel/Heidel 3 § 247, 4. MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 98; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 40. K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 40. Näher Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 43. MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 99; Semler/Volhard/Cordes/Schöne Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd 1,

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§ 34, 95; Semler/Stengel/Schlitt 3 UmwG, Anh § 173, 93. Zu Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs in der Praxis monographisch Brauer Börsengang und Börsenrückzug, S 20 ff. Für die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Klausel die hM, namentlich Lutter in: FS Zöllner I 1998, S 363, 377; Vollmer/ Grupp ZGR 1995, 459, 467; aA Brauer Börsengang und Börsenrückzug, S 74 f. S Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/ Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 3, 55; MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 80; Voll-

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Gesellschaft emittiert werden sollen,762 weil dann die Aktien zunächst im Wege einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss geschaffen werden müssen.763 Im Übrigen besteht jedenfalls keine geschriebene Hauptversammlungszuständigkeit für die Konstellation der Börsenerstzulassung, so dass sich ein Zustimmungserfordernis allenfalls aus einer ungeschriebenen Beschlusskompetenz und hier namentlich nach Maßgabe der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze (Rdn 227 ff) ergeben könnte. Die Befürworter764 einer ungeschriebenen Zuständigkeit verweisen für die Notwen- 309 digkeit eines Zustimmungsbeschlusses (mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit765) insbesondere darauf, dass der Börsengang aufgrund der Transparenz- und Publizitätsanforderungen (Rdn 310) sowie eines Verlustes an Flexibilität der Aktionäre in der Gestaltung des gesellschaftlichen Innenverhältnisses eine schwerwiegende Strukturveränderung bewirke.766 Diese Begründung gründet zumindest in der Tendenz auf einer Konzeption der Holzmüller-/Gelatine-Zuständigkeiten, die statt auf den (drohenden) Eintritt eines Mediatisierungseffektes darauf abstellt, ob die geplante Maßnahme zu einer erheblichen Veränderung der ursprünglichen Investitionsbedingungen führt. Freilich verfehlt dieser Ansatz die gesetzliche Konzeption des AktG 1965 im Grundsätzlichen und ermöglicht mangels verallgemeinerungsfähiger Aufgreifkriterien auch keine rechtssicher handhabbaren Deduktionen (Rdn 219). Zudem kann keine Rede davon sein, dass die mit der Börsenzulassung einhergehenden binnenorganisatorischen Strukturmodifikationen schwerwiegend wären und aus Sicht der Aktionäre einen wesentlichen Nachteil bilden würden. Ausgehend von der Holzmüller/Gelatine-Judikatur (Rdn 227 ff) ist vielmehr kein 310 Raum für ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten beim Börsengang,767 da die Börsenzulassung nicht wesentlich in die Mitglieds- und Vermögensinteressen der (Alt-)Aktionäre eingreift und insbesondere keine Mediatisierung kollektiver Mitverwaltungsrechte bewirkt. Die Zulassung zum Börsenhandel im regulierten Markt wirkt sich weder auf die Herrschaftsrechte der Aktionäre, insbesondere ihr Stimmrecht, noch auf ihre Vermögensrechte – Gewinnbezugsrecht, Bezugsrecht bei effektiver Kapitalerhöhung, Recht auf anteiligen Liquidationserlös – aus. Vielmehr knüpfen sich hieran lediglich eine Reihe börsen- und wertpapierhandelsrechtlicher Zulassungsfolgepflichten in Gestalt bestimmter Informations-, Publizitäts- und sonstiger Wohlverhaltenspflichten – zB §§ 15,

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mer/Grupp ZGR 1995, 459, 467 f; Lutter in: FS Zöllner I 1998, S 363, 376 f. Dies geschieht in der Praxis ohnehin nur sehr selten; s etwa Kümpel/Wittig/Brandt Bank- und Kapitalmarktrecht 4, 15.481. MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 80; näher zu dieser Gestaltungsform, die in der Praxis üblicherweise aus genehmigtem Kapital durchgeführt wird, Kümpel/Wittig/Brandt Bank- und Kapitalmarktrecht 4, 15.483; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 3, 58. K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 37; Hölters/Weber § 76, 46; Trapp/Schick AG 2001, 381, 382 f; Becker/Fett WM 2001, 549, 550; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 805, 806; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459, 466 f; Lutter in: FS Zöllner I 1999, S 363, 378 f; Lutter/Drygala in: FS Raisch 1996, S 239,

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240 f; Henze in: FS Ulmer, S 236; je nach Realstruktur der Gesellschaft auch Kort in diesem Kommentar, § 76, 84. Zu den insoweit divergierenden Auffassungen s die Nachw in diesem Kommentar bei § 119, 30 mit Fn 48; ferner Groß Kapitalmarktrecht 5, § 32 BörsG, 30. Statt vieler K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 37; Hölters/Weber § 76, 46. IE wie hier Schwark/Zimmer/Heidelbach 4 § 32 BörsG, 82; Groß/Groß Kapitalmarktrecht 4, § 32 BörsG, 30 aE; Marsch-Barner in: Hdb börsennotierte AG2, § 31, 37; Hölters/Drinhausen § 119, 21; Schüppen/ Schaub/Sudmeyer MAH Aktienrecht2, § 47, 43; Halasz/Kloster ZBB 2001, 474; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 209 f; tendenziell auch Hopt in: FS Drobnig 1998, S 525, 536.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

30a, 37w, 37x WpHG, § 42 BörsG768 –, deren Adressat durchweg der Emittent selbst ist, nicht das Aktionariat. Ähnliches gilt für das Regelungsregime des § 15a WpHG, welches lediglich Führungskräfte des Emittenten betrifft. Die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten von Stimmrechtsanteilen nach §§ 21 ff WpHG richten sich zwar an die Aktionäre, doch bestehen vergleichbare – wenn auch weniger differenzierte – aktienrechtliche Pflichten auch in der nichtbörsennotierten Gesellschaft (s §§ 20 ff). Darüber hinaus führen auch die sonstigen Besonderheiten, die vor allem aus dem 311 AktG in Form der §§ 87 Abs 1 Satz 2, 93 Abs 6, 100 Abs 2 Satz 1 Nr 4, 110 Abs 3, 120 Abs 4 Satz 1, 161769 sowie punktuell den §§ 121 ff, aber auch dem Bilanzrecht – erwähnt sei nur die Bindung der börsennotierten AG an das Bilanzrecht der großen Kapitalgesellschaften gemäß § 267 Abs 3 Satz 2 iVm § 264d HGB – folgenden Besonderheiten770 im Falle der Börsennotierung jedenfalls nicht zu fundamentalen Unterschieden zwischen der börsennotierten und der börsenfernen AG.771 Allenfalls könnte die damit eröffnete Anwendung des § 186 Abs 3 Satz 4 bedenklich sein, weil unter den darin genannten Bedingungen eine materielle Beschlusskontrolle anhand der Kali & Salz-Kriterien für eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss772 entfällt.773 Doch unabhängig davon, ob man die extra legem entstandene Doktrin vom sachlichen Grund prinzipiell ablehnt,774 gelten auch in der börsennotierten Gesellschaft neben § 255 Abs 2 jedenfalls die beweglichen Schranken der Mehrheitsmacht,775 namentlich der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) und die Treuepflicht.776 Daher ginge es sicherlich zu weit, eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz für die Börsennotierung unter Hinweis darauf anzunehmen, dass § 186 Abs 3 Satz 4 für den (ungewissen) Fall einer künftigen 10 %-Barkapitalerhöhung einen erleichterten Eingriff in das Bezugsrecht der (Klein-)Aktionäre

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Ausführlich Schäfer in: Hdb börsennotierte AG2, § 12. S zu den mit § 161 verbundenen Problemen etwa Mülbert/Wilhelm ZHR 176 (2012), 286 ff. Illustrativ zuletzt BVerfG WM 2012, 1378, 1380 = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826; ferner auch schon Mülbert ZHR 16 (2001), 104, 130; Groß in: Hdb börsennotierte AG2, § 9, 83; ders ZHR 165 (2001), 141, 163 f. Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 130 f; ähnlich Schwark/Zimmer/Heidelbach 4 § 32 BörsG, 82; Marsch-Barner in: Hdb börsennotierte AG2, § 31, 37; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 3, 56; Gutte Delisting, S 153 f; iE auch Habersack AG 2005, 137, 147 f; s ferner Hopt in: FS Drobnig 1998, S 525, 536 f, der trefflich von einer Polytomie zwischen geschlossenen Gesellschaften und solchen spricht, die den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Grundlegend BGHZ 71, 40, 44 ff = WM 1978, 401 = NJW 1978, 1316 = BB 1978, 776; dazu statt vieler Wiedemann in diesem Kommentar, § 186, 134 ff; Spindler/Stilz/ Servatius 2 § 186, 40 ff.

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In diesem Sinne wohl BGH WM 2007, 2110 = NZG 2007, 907 = AG 2007, 863 („Spezialfall sachlicher Rechtfertigung“); auch Spindler/Stilz/Servatius 2 § 186, 61; aA MünchKommAktG/Peifer 3 § 186, 88 mwN, der lediglich von einer widerleglichen Vermutung ausgeht. Mülbert Aktiengesellschaft 2, S 321 ff; ders ZHR 165 (2001), 104, 129 (mit Fn 101) sowie 131 f; zur Diskussion insgesamt auch K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 45 ff mwN. Näher K Schmidt in diesem Kommentar, § 243, 45; ders GesR4, § 21 II 3a (S 613 ff). Wiedemann in diesem Kommentar, § 186, 150; Spindler/Stilz/Servatius 2 § 186, 61; K Schmidt/Lutter/Veil 2 § 186, 44 mwN; teilweise aA Hüffer 10 § 186, 39e: der Hauptversammlungsbeschluss kann (auch) nicht wegen Verletzung mitgliedschaftlicher Treuepflichten angefochten werden; ferner Martens in: FS Bezzenberger 2000, S 267, 277 f: § 186 Abs 3 Satz 4 führe kraft Spezialität zur Unanwendbarkeit des § 255 Abs 2.

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eröffne. Ganz im Gegenteil lässt sich mit dem BVerfG sogar sagen, dass das „dichte Regelwerk für börsennotierte Aktiengesellschaften“ die Vermögens- und Mitgliedschaftsinteressen des einzelnen Aktionärs nicht nur nicht wesentlich beeinträchtigt, sondern diesen – wenn auch bloß mittelbar – geradezu dient.777 Was schließlich die vereinzelt beklagten Überfremdungs- und Konzernierungsge- 312 fahren778 anbelangt, die mit einem Börsengang gegebenenfalls einhergehen, mögen diese zwar den wirtschaftlichen Interessen einzelner Aktionäre zuwiderlaufen, sind aber der normtypisch konzernoffen strukturierten Aktiengesellschaft nachgerade immanent.779 Außerdem hält zumindest das WpÜG diesbezügliche Kautelen bereit und leistet jedenfalls im Ergebnis einen sachgerechten Ausgleich der divergierenden Interessen.780 All dies gilt im Übrigen erst recht, wenn die Aktien nicht zum Handel im regulierten 313 Markt zugelassen, sondern lediglich gemäß § 48 BörsG in den Freiverkehr einbezogen werden sollen. In der Praxis kommen isolierte Beschlüsse zu einem Börsengang denn auch eher selten vor,781 obgleich gelegentlich geraten wird, der Hauptversammlung die Entscheidung über den Börsengang nach § 119 Abs 2 vorsichtshalber vorzulegen.782 b) Börsengang einer Tochtergesellschaft. Beim Börsengang einer Tochtergesellschaft 314 ist ein Zustimmungsbeschlusses ihrer eigenen Hauptversammlung richtigerweise entbehrlich (vgl Rdn 308 ff). Für die hiervon zu unterscheidende Frage, ob die Hauptversammlung der Obergesellschaft zur Mitwirkung berufen ist, sind die unmittelbar aus dem Börsengang resultierenden praktischen und (kapitalmarkt-)rechtlichen Konsequenzen (Rdn 310) irrelevant.783 Ebenso wenig liegt in der Börsennotierung von Aktien einer bedeutenden Tochtergesellschaft eine die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründende wesentliche Strukturänderung der Obergesellschaft.784 Maßgebliches Kriterium ist vielmehr ausschließlich die konkrete Transaktionsstruktur, welche im Vorfeld der Börseneinführung zur Generierung des Emissionsvolumens aufgelegt wird.785 Erfolgt etwa eine Kapitalerhöhung (mit Bezugsrechtsausschluss), sind die qualitativen Anforderungen des Holzmüller-Urteils an Gruppenleitungsmaßnahmen typischerweise erfüllt (Rdn 277), und zwar selbst dann, wenn die Tochtergesellschaft nicht durch eine zustimmungsbedürftige Ausgliederung entstanden sein sollte (Rdn 278). Sollen hingegen Altaktien aus dem Bestand der Obergesellschaft platziert werden, handelt es sich um eine Teilveräußerung von Beteiligungen, die wiederum nach den hierfür entwickelten Regeln (Rdn 260 ff) zu beurteilen ist.786

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BVerfG WM 2012, 1378, 1380 = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826. Dazu nur Vollmer/Grupp AG 1995, 459, 462 f. MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 80. Zur Bedeutung des WpÜG in diesem Zusammenhang s auch schon Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 130 f. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Groß HGB2, § 32 BoersG, IX 280. So etwa Singhof/Weber in Habersack/ Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 3, 56. Fleischer/Pentz Handbuch des Vorstandsrechts, § 17, 163; Henze in: FS Ulmer 2003,

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S 211, 236; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 237 mwN. IE auch Schiel Aktionärsschutz, 534; s aber Baums/Vogel in: Lutter/Scheffler/Schneider (Hrsg), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rdn 9.35, 9.55, 9.57. S MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 81; ähnlich Hüffer 10 § 119, 18c; Fleischer/Pentz Handbuch des Vorstandsrechts, § 17, 163; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 238. MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 81; Marsch-Barner in: Hdb börsennotierte AG 2, § 31, 38; Fleischer/Pentz Handbuch des Vorstandsrechts, § 17, 163.

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Erster Teil. Unternehmensverträge

Auf dieser qualitativen Grundlage ist sodann im Einzelfall zu bemessen, ob die Bedeutung der Tochtergesellschaft sowie das Volumen der Kapitalerhöhung oder der teilweisen Beteiligungsabgabe zugleich im Sinne der quantitativen Holzmüller/Gelatine-Kriterien (Rdn 240) wesentlich sind.787 Bei der praktisch häufig auftretenden Kombination beider Varianten788 besteht jedenfalls ein hinreichender sachlicher Zusammenhang, so dass eine Zusammenrechnung der jeweiligen Einzelmaßnahmen erfolgen muss (Rdn 240).789 2. Delisting

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a) Begriff und Arten. Aktienemittenten, deren Aktien an einer Börse bzw einem organisierten Markt (§ 2 Abs 5 WpHG) oder einem multilateralen Handelssystem (Multilateral Trading Facility, MTF) in Deutschland oder im Ausland zugelassen sind, ist zumeist ein freiwilliger Rückzug von dem betreffenden Handelsplatz, das so genannte Delisting, eröffnet. Hierfür sehen das Gesetz oder das Zulassungsregelwerk vor, dass die Zulassung der Aktie auf Antrag des Emittenten von dem betreffenden Handelsplatz widerrufen wird. Exemplarisch hierfür ist § 39 Abs 2 BörsG, wonach die Börse auf Antrag des Emittenten die Zulassung der Aktien zum regulierten Markt widerrufen kann. Dieser Vorschrift kommt drittschützende Wirkung zugunsten der Aktionäre des Emittenten zu, so dass diese den widerrufenden Verwaltungsakt mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen können (§§ 69, 42 Abs 1 VwGO), obwohl sie nicht seine Adressaten sind.790 Das Delisting kann auf unterschiedliche Weise vollzogen werden, wobei insbesondere 317 reguläres (echtes) und kaltes (unechtes) Delisting der Differenzierung bedürfen: Ein reguläres Delisting, geregelt in § 39 Abs 2 BörsG, beschreibt den Widerruf der Börsenzulassung auf Antrag des Emittenten,791 während ein kaltes Delisting vorliegt, wenn aufgrund gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen die Zulassungsvoraussetzungen für den regulierten Markt entfallen.792 Letzteres geschieht insbesondere bei einem Formwechsel der AG in eine nicht börsenfähige Rechtsform, etwa eine GmbH, oder bei ihrer Verschmelzung auf eine nichtbörsennotierte Gesellschaft (s hierzu auch § 29 Abs 1 Satz 1 Alt 2 UmwG).793 Ein Delisting kann sich auf einen partiellen Rückzug beschränken, etwa wenn die 318 Aktien an mehreren Handelsplätzen notiert sind und der Emittent die Zulassung lediglich an einem regulierten Markt aufrechterhält, um die Liquidität des Handels zu erhöhen. Beantragt der Emittent hingegen den Zulassungswiderruf an allen regulierten Märkten (Börsen), kommt es zu einem auch als Going Private bezeichneten vollständigen

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S auch Schwark/Zimmer/Heidelbach 4 § 32 BörsG, 85. Im heutigen Marktumfeld dürfte es die Regel sein, dass bereits bestehende Altaktien gemeinsam mit neuen, aus einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsauschluss stammenden Aktien platziert werden; näher Mülbert/Wilhelm in: FS Hommelhoff 2012, S 747, 765; Ziemons GWR 2011, 404, 405 f; Fleischer/Thaten NZG 2011, 1081, 1083; Arnold/Aubel ZGR 2012, 113, 128, 143; Arbeitskreis zum „Deutsche Telekom III Urteil“ des BGH CFL 2011, 377. Wie hier MünchKommAktG/Kubis 2 § 119, 81. VG Frankfurt/M AG 2003, 218 f; VG

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Frankfurt/M NZG 2002, 830; Hüffer 10 § 119, 22; Eckhold in: Hdb börsennotierte AG2, § 62, 78 ff; Gutte Delisting, S 72 ff; Krolop Rückzug, S 282 ff. Im Überblick hierzu Eckhold in: Hdb börsennotierte AG2, § 62, 15 ff; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 1. Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 1; Eckhold in: Hdb börsennotierte AG2, § 61, 24, § 63; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 48; Schoppe Aktieneigentum, S 377 f; Even/Vera DStR 2002, 1315, 1316 ff; Streit ZIP 2002, 1279, 1280 ff. Mülbert ZHR 165 (2001) 104, 105.

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Rückzug des Unternehmens von der Börse.794 Ein solches Delisting ist zudem dadurch möglich, dass der Emittent mit seinen Aktien vom regulierten Markt in ein weniger umfassend reguliertes und überwachtes inländisches Segment, insbesondere den Freiverkehr an einer deutschen Börse, oder eine ausländische Börse oder ein MTF wechselt (Downlisting oder Downgrading). Schließlich ist noch zwischen freiwilligem Delisting und Zwangsdelisting auf Grundlage von § 39 Abs 1 BörsG zu unterscheiden.795 b) Hauptversammlungszuständigkeit aa) Reguläres Delisting. Das vollständige reguläre Delisting bedarf eines Hauptver- 319 sammlungsbeschlusses nach § 179 Abs 1 Satz 1 ohne weiteres dann, wenn die Satzung der Gesellschaft gemäß § 23 Abs 5 S 2 AktG die Börsenzulassung vorschreibt.796 Für den Fall, dass die Satzung eine solche nicht vorsieht, ist das Bestehen einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit überaus streitig und, was deren Rechtsgrundlage anbelangt, zwischen deren Befürwortern auch umstritten. Nachdem das BVerfG jüngst den unmittelbaren Rückgriff des BGH in der Macrotron-Entscheidung auf Art 14 Abs 1 GG als Kompetenzgrundlage verworfen hat (Rdn 321), sollte sich die Einsicht vom Nichtbestehen einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz aber doch (noch) durchsetzen können. (1) Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG. Nach der Macrotron- 320 Entscheidung des BGH 797 aus dem Jahre 2002 sollte im vollständigen Rückzug von der Börse stets ein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der Aktionäre des Art 14 Abs 1 GG liegen, weshalb die Hauptversammlung der Maßnahme mit einfacher Mehrheit zustimmen müsse. Von der Eigentumsgarantie seien nämlich auch der Verkehrswert und die jederzeitige Realisierungsmöglichkeit als besondere Eigenschaften des Anteilseigentums umfasst.798 Die Verkehrsfähigkeit (Fungibilität), welche durch den Wegfall der Börsennotierung eingeschränkt werde, sei Teil des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes, welcher auch im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Aktionären beachtet werden müsse und dessen Schutz in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung falle.799 Das BVerfG800 hat diese Sichtweise nunmehr verworfen. Ein vollständiges reguläres 321 Delisting berühre mitnichten den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts der Aktio-

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Eckhold in: Hdb börsennotierte AG2, § 62, 15 ff; Habersack in Habersack/Mülbert/ Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 3; Krolop Rückzug, S 7. Hierzu statt vieler Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 2. Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 129; MünchKommAktG/Stein 3 § 179, 108; Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 38 mit Fn 190; Habersack AG 2005, 137, 141; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 7 mit Fn 20; Gutte Delisting, S 162; Arnold ZIP 2005, 1573, 1576; Lutter in: FS Zöllner 1999, S 363, 380; Wirth/Arnold ZIP 2000, 111, 115; Groß ZHR 165 (2001), 141, 162; Steck AG 1998, 460, 461.

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BGHZ 153, 47 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280; ihm folgend BayObLG AG 2005, 241 = NZG 2004, 1111; KG WM 2008, 125, 126 = AG 2008, 295; OLG Frankfurt AG 2012, 330, 331; OLG Zweibrücken AG 2007, 913, 914 = NZG 2007, 908; LG Köln AG 2009, 835 = NZG 2010, 229. BGHZ 153, 47, 55 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280. BGHZ 153, 47, 55 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280. BVerfG WM 2012, 1378 = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826; hierzu etwa Habersack ZHR 176 (2012), 463; Klöhn NZG 2012, 1041, 1044 ff; Schanz CFL 2012, 234 ff; Königshausen BB 2012, 2014.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

näre.801 Auswirkungen habe der Vorgang zwar auf die durch den Börsenhandel rein tatsächlich gesteigerte Fungibilität der Aktie, doch stelle diese nur einen wertbildenden Faktor dar und nehme folglich nicht an der Gewährleistung des Anteilseigentums teil, während die rechtliche Verkehrsfähigkeit, also die Befugnis zur jederzeitigen Veräußerung der Aktie, gänzlich unangetastet bleibe.802 Der Widerruf der Börsenzulassung erweise sich vor diesem Hintergrund als ein „mit dem Aktieneigentum miterworbenes Risiko“.803 Stellungnahme: Bei der Macrotron-Judikatur kann es allenfalls um eine verfassungs322 konforme Auslegung einfachen Aktienrechts gehen, nicht um die Begründung einer verfassungsunmittelbaren Hauptversammlungskompetenz. Gleichwohl verbietet es sich auch bei einer solchen methodischen Präzisierung schon aufgrund der vom BVerfG genannten Einwände, eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz beim vollständigen Delisting unter unmittelbarem Rückgriff auf Art 14 Abs 1 GG abzuleiten.804 Im Übrigen spricht gegen die Macrotron-Lösung auch, dass im Widerruf der Börsenzulassung nach § 39 BörsG ein hoheitlicher Eingriff in das private Aktieneigentum läge, der ausschließlich im privaten Interesse der Gesellschaft erfolgen würde; dies ist jedoch nach Maßgabe des Art 14 Abs 2 GG per se unzulässig.

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(2) Holzmüller/Gelatine-Grundsätze. Eine Hauptversammlungszuständigkeit für das vollständige reguläre Delisting kommt entgegen verbreiteter Auffassung805 auch nicht nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen (Rdn 227 ff) in Betracht. Durch den Rückzug aus dem regulierten Markt wird nämlich weder unmittelbar noch mittelbar in Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre eingegriffen, und namentlich kommt es nicht zu einem

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BVerfG WM 2012, 1378 = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826; s auch schon Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 114 f; ders in: FS Hopt 2010, S 1039, 1054. BVerfG WM 2012, 1378, 1379 = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826. BVerfG WM 2012, 1378, 1379 = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826. Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 111 ff; ders in: FS Hopt I 2010, S 1040, 1060 f; ferner etwa Adolff/Tieves BB 2003, 797, 798 ff; Beck/Hedtmann BKR 2003, 190, 191 f; Benecke WM 2004, 1122, 1123 f; Brauer Börsengang und Börsenrückzug, S 83 ff; Ekkenga ZGR 2003, 878, 882 ff; Gutte Delisting, S 150 ff, 165 ff, 176; Emmerich/ Habersack6 Vor § 311, 85; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung 2, § 35, 7; ders ZHR 176 (2012), 463, 467 f; ders AG 2005, 137, 141; Halasz/ Kloster ZBB 2001, 474, 482; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 240 ff; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 214 ff; Klöhn ZBB 2003, 208, 215; Krämer/Theiß AG 2003, 225, 229 f; Krolop Rückzug, S 235 f; Lutter JZ 2003, 684, 686; Schlitt ZIP 2004, 533, 535; Wirth/Arnold ZIP

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2000, 111, 114 f; iE auch Böttcher/Blasche NZG 2006, 569, 571; aA etwa Baumbach/ Hopt 35 § 39 BörsG, 3; MünchKommAktG/ Kubis 2 § 119, 84; Schoppe Aktieneigentum, S 382 ff; Hellwig/Bormann ZGR 2002, 465, 487; Schön in: FS Ulmer 2003, S 1359, 1382 f. K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 50; Hüffer 10 § 119, 24; ders in: FS Ulmer 2003, S 279, 294; Heidel/Pluta 3 § 119, 37; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 805, 806; Grupp Börseneintritt und Börsenaustritt, S 191 ff; Schwark/Geiser ZHR 161 (1997), 739, 761 ff; Kleindiek in: FS Bezzenberger 2000, S 653, 655 ff; Liebscher ZGR 2005, 1, 19, 29; Land/Hasselbach DB 2000, 557, 558; Even/Vera DStR 2002, 1315, 1317; Schlößer Delisting, S 183 ff; Pluskat Rechtsprobleme beim Going Private, S 67 ff; Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2080; Steck AG 1998, 460, 461 f; iE ferner Benecke WM 2004, 1122, 1124 f; s auch LG München I AG 2000 140 = NZG 2000, 273; OLG München WM 2002, 662 = AG 2001, 364 = NZG 2001, 519.

Stand: 1. Oktober 2012

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nach hM notwendigen (Rdn 239) Mediatisierungseffekt:806 Sowohl die kollektiven Herrschaftsrechte – Stimmrecht, Teilnahmerecht, Anfechtungsrecht – als auch die Vermögensstammrechte – Gewinnbezugsrecht, Bezugsrecht, Recht auf anteiligen Liquidationserlös – bleiben vom Rückzug von der Börse ganz unberührt.807 Soweit manche zwar konzedieren, dass das Delisting ebenso wenig wie die Börsen- 324 zulassung als sein actus contrarius einen Mediatisierungseffekt zeitige, wohl aber in Ansehung des exklusiv auf die börsennotierte AG anwendbaren Rechts (Rdn 310 f) eine wesentliche (faktische) Strukturänderung bewirke und gerade deshalb im Sinne der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung zustimmungsbedürftig sei,808 ist dem aus den bereits zum Listing genannten Gründen (Rdn 309 f) zu widersprechen.809 Zudem kann der Wegfall der kapitalmarktrechtlichen Informations-, Publizitäts- und Wohlverhaltensregeln schon deshalb nicht als Begründung dienen, weil mit dem Ende der Börsennotierung die Risiken entfallen, vor welchen jene Vorschriften schützen sollen.810 Im Übrigen kann der Widerruf der Börsenzulassung unter bestimmten Umständen auch von Amts wegen erfolgen (§ 39 Abs 1 BörsG); vom Boden der Gegenansicht wäre es also möglich, eine (angeblich) wesentliche Strukturveränderung der Gesellschaft ohne Zutun ihrer Gesellschafter oder auch nur ihrer Verwaltung herbeizuführen, was schlechterdings nicht richtig sein kann.811 (3) Analogie zu umwandlungsrechtlichen Beschlusskompetenzen. Eine Hauptversamm- 325 lungszuständigkeit beim vollständigen regulären Delisting per Analogie zum Umwandlungsrecht, namentlich in entsprechender Anwendung des § 240 Abs 1 Satz 1 UmwG,812 wurde vor allem im Vorfeld der Macrotron-Entscheidung mehrfach unter Hinweis darauf postuliert, dass der Wegfall der Publizitätsvorschriften und die eingeschränkte Anteilsfungibilität eine Gleichstellung zum Formwechsel einer (börsennotierten) AG in eine GmbH rechtfertigten.813 In der Zwischenzeit scheint die Novellierung des § 29 Abs 1 Satz 1 Alt 2 UmwG im Jahre 2007 tendenziell bestätigt zu haben, dass die wie auch immer bewirkte Transformation einer börsennotierten in eine börsenferne AG ihrem Formwechsel in eine per se börsenunfähige Kapitalgesellschaft gleicht. Die Vorschrift verlangt bei der Verschmelzung einer börsennotierten auf eine nichtbörsennotierten AG nämlich die Abgabe eines Abfindungsgebots in gleicher Weise wie bei der Verschmelzung einer AG auf eine GmbH, und zwar ausweislich der Regierungsbegründung gerade des-

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So auch schon der BGH selbst in Macrotron, BGHZ 153, 47, 53 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280. Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 129 ff; ferner Habersack in Habersack/Mülbert/ Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 7; Henze in: FS Ulmer 2003, S 211, 239 ff; Bungert BB 2000, 53, 55; Gutte Delisting, S 150 ff; Halasz/Kloster DB 2001, 474, 482; Krolop Rückzug, S 230 ff; Mutter EWiR 2001, 459, 460; Streit ZIP 2002, 1279, 1287; Wirth/Arnold ZIP 2000, 111, 114 ff. So oder ähnlich etwa Schwark/Geiser ZHR 161 (1997), 739, 761 ff; Lutter in: FS Zöllner 1999, S 363, 377 f; Geyrhalter/Zirngibl DStR 2004, 1048, 1051; auch Kort in diesem Kommentar, § 76, 85 für Einzelfälle.

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Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 131 ff. Gutte Delisting, S 154; auch schon Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 129 f. Ähnlich Gutte Delisting, S 155. Hellwig ZGR 1999, 781, 799 f; Hellwig/ Bormann ZGR 2002, 465, 488; Zetzsche NZG 2000, 1065, 1068; Schaub DStR 2001, 951, 952; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459, 474 ff; Staake Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S 163 f; tendenziell auch Wilsing/Kruse NZG 2002, 807, 811 aE; jetzt auch Klöhn NZG 2012, 1041, 1046: §§ 13, 65 UmwG analog. Hellwig ZGR 1999, 781, 799 f; Zetzsche NZG 2000, 1065, 1068; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459, 476.

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§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

halb, weil der Verlust der Börsennotierung die Veräußerungsmöglichkeit der Aktien faktisch erschwere.814 Gleichwohl ist der Analogieschluss im Ergebnis abzulehnen, da die Aktien einer AG 326 auch bei einem vollständigen Delisting jedenfalls rechtlich uneingeschränkt fungibel bleiben815 und die entfallenden Veräußerungsmöglichkeiten über die Börse nach Art und Intensität keineswegs an die formalen Beschränkungen des § 15 Abs 3 bis 5 GmbHG heranreichen.816 Zudem findet § 240 Abs 1 Satz 1 UmwG auch im gegenläufigen Fall des Formwechsels einer GmbH in eine AG Anwendung, obwohl dies die Verkehrsfähigkeit des Gesellschaftsanteils sogar steigert und nicht etwa mindert. Das Schutzanliegen des § 240 Abs 1 Satz 1 UmwG kann daher kaum der durch den Formwechsel gegebenenfalls mitbewirkten Reduktion der faktischen Anteilsfungibilität gelten. Vielmehr ist ein Gesellschafterbeschluss deshalb erforderlich, weil im Wechsel der Rechtsform bei gleichzeitiger Wahrung der Identität des Rechtsträgers immer eine Änderung des Gesellschaftsvertrages iS der §§ 53 Abs 1 GmbHG, § 179 Abs 1 Satz 1 liegt.817 Hiernach verbietet sich dann aber eine Heranziehung des § 240 Abs 1 Satz 1 UmwG für Konstellationen wie das Delisting, in denen lediglich die Anteilsfungibilität in Rede steht, die satzungsmäßige (Binnen-)Struktur der Gesellschaft aber unangetastet bleibt.

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(4) Offene Rechtsfortbildung. Obgleich sich die bislang erwogenen Herleitungen einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz für das vollständige Delisting nicht als tragfähig erwiesen haben, könnte der BGH trotz des jüngsten Urteil des BVerfG weiterhin daran festhalten wollen. Immerhin haben die zeitlich dem Macrotron-Urteil nachfolgenden Gelatine-Urteile818 ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen kraft einer – auch was ihren methodischen Status anbelangt – offenen Rechtsfortbildung anerkannt (Rdn 227). In diesem Lichte ist die Frage nach der Sachgerechtigkeit einer solchen Zuständigkeit neuerlich aufgeworfen. Gesellschaftsrechtliche Schutzanliegen geben keinen Anlass für eine solche Hauptver328 sammlungszuständigkeit. Zunächst einmal muss die Maßnahme im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen; ist dies nach Auffassung der Aktionäre nicht der Fall, steht es ihnen frei, (eil)gerichtlichen Rechtsschutz gegen die treuepflichtwidrige Entscheidung des Vorstandes auf Grundlage der ihnen hieraus gegenüber der Gesellschaft erwachsenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zu erstreiten.819 Darüber hinaus würde die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses die innergesellschaftliche Entscheidungstransparenz schon deswegen kaum erhöhen, weil der BGH insbesondere weder einen Bericht des Vorstands noch des Mehrheitsaktionärs noch eine Prüfung des 814

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S Begründung RegE BT-Drucks 16/2919, S 13; ferner BGHZ 177, 131, 134 = WM 2008, 1502 = AG 2008, 659 = NZG 2008, 1932; Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwR5 § 29 UmwG, 9; Semler/Stengel/Kalss UmwG3 § 29, 16. Hierdurch unterscheidet sich der Wegfall der Börsennotierung auch von der nachträglichen Anteilsvinkulierung (§§ 68 Abs 2 Satz 1, 180 Abs 2), s Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 7. Eine Hauptversammlungszuständigkeit kann daher entgegen vereinzelter Auffassung (Steck AG 1998, 460, 461 f; Schwark/Dieser ZHR 161 [1997], 739,

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762 f; Heidel DB 2003, 548, 549) auch nicht auf eine Analogie zu diesen Vorschriften gestützt werden; wie hier schon Mülbert ZHR 165 (2001), 103, 130; ferner Krämer/ Theiß AG 2003, 225, 238; Gutte Delisting, S 158 f; Brauer Börsengang und Börsenrückzug, S 126 ff; Jerczynski Ungeschriebene Zuständigkeiten, S 213 f. Ähnlich Gutte Delisting, S 161 f; Wirth/ Arnold ZIP 2000, 111, 116; s auch Brauer Börsengang und Börsenrückzug, S 155 f. Gutte Delisting, S 162. BGHZ 159, 30, 42 = WM 2004, 1090 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571. Näher Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 136 f.

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Zustimmung der Hauptversammlung

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Abfindungsangebots durch sachverständige Prüfer verlangt.820 Zudem erscheint die hauptversammlungsbeschlussbezogene Publizität eher als eine Folge der Hauptversammlungszuständigkeit denn als ein kompetenzbegründender Anlass. Im Übrigen ließe sich den berechtigten Transparenzanliegen des Aktionariats ohnehin adäquater dadurch Rechnung tragen, dass der Vorstand in einer dem § 27 Abs 1 WpÜG entsprechenden Weise namens der Gesellschaft eine an den Anlegerinteressen ausgerichtete objektive Stellungnahme zu dem nach Maßgabe des Macrotron-Urteils ebenfalls erforderlichen – und vom BVerfG unter dem Blickwinkel des GG nicht beanstandeten821 – freiwilligen Abfindungsangebot822 vorzulegen hat.823 An der Entbehrlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses ändert auch nichts, dass 329 dem Zustimmungsbeschluss mit Blick auf die praktische Durchsetzung oder jedenfalls den Inhalt ebenjenes Abfindungsangebot durchaus erhebliche Bedeutung zukommen kann.824 Das gilt jedenfalls nach der Bedingungslösung,825 wonach der Hauptversammlungsbeschluss bei gänzlichem Fehlen eines Abfindungsangebots anfechtbar ist und folglich die Durchsetzung der Angebotspflicht im Wege der Beschlussmängelklage ermöglicht.826 Nach der – mit dem Macrotron-Konzept eines freiwilligen Angebots allerdings kaum zu vereinbarenden – Anspruchslösung827 soll zwar selbst bei gänzlichem Fehlen des Abfindungsangebots ein solches kraft Gesetzes entstehen, wobei die Höhe des Abfindungsanspruchs analog § 1 SpruchG im Spruchverfahren festzusetzen sei. Dennoch bliebe der Tag der Hauptversammlung auf dem Boden der sog Börsenkursrechtsprechung auch dann noch insoweit relevant, als der BGH nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung der Abfindungshöhe unter Berücksichtigung der gerade bis zum Tage der Hauptversammlung erfolgten Kursentwicklung verlangt.828 Gleichwohl erscheint ein Hauptversammlungsbeschluss auch dann entbehrlich, wenn 330 man mit der Macrotron-Judikatur ein „freiwilliges“ Abfindungsangebot als notwendige Voraussetzung eines Delisting ansieht. Zum einen wäre die Eröffnung des Spruchverfahrens zur Überprüfung der Angebotshöhe nicht vom Vorliegen eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses abhängig.829 Zum anderen missbraucht der Vorstand seine nach § 78 an sich unbegrenzte Vertretungsmacht ersichtlich, wenn er einen freiwilligen Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung gemäß § 39 Abs 2 BörsG ohne Vorliegen eines angemessenen freiwilligen Abfindungsangebots stellt. Der Widerruf durch die Bör-

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BGHZ 153, 47, 59 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280; BGH ZIP 2010, 622. S BVerfG WM 2012, 1378, 1381 f = AG 2012, 557 = NZG 2012, 826. BGHZ 153, 47, 56 ff = WM 2003, 533 = AG 2003, 273 = NZG 2003, 280. S schon Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 133. Entgegen Klöhn NZG 2012, 1041, 1046 ist die Hauptversammlungszuständigkeit gleichwohl nicht die Folge einer Abfindungspflicht, sondern Voraussetzung deren Entstehens. Die Bejahung einer Kompetenz analog §§ 13, 65 UmwG wegen des Bestehens einer Abfindungspflicht nach § 29 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 Fall 2 UmwG (ebenda) würde das aktien- und umwandlungsrechtliche System auf den Kopf stellen.

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Etwa Krolop NZG 2005, 546 f; Schwark/ Zimmer/Heidelbach 4 § 39 BörsG, 22; zum Ganzen auch Hüffer 10 § 119, 25; Spindler/ Stilz/Hoffmann 2 § 119, 43. Ganz ähnlich Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung2, § 35, 7 mwN. Hierzu nur Hüffer 10 § 119, 25 mwN. BGHZ 186, 229, 240 = WM 2010, 1471 = AG 2010, 629 = NZG 2010, 939; hierzu etwa Leuschner WuB II A. § 327b AktG 1.10. Habersack ZHR 176 (2012), 463, 468; LG München AG 2004, 395 = NZG 2004, 193, 194.

Peter O. Mülbert

§ 293

Erster Teil. Unternehmensverträge

sengeschäftsführung darf nach § 39 Abs 2 Satz 2 „nicht dem Schutz der Anleger widersprechen“, und diese börsenrechtliche Vorgabe gibt auch Maß für die Geschäftsführungspflicht des Vorstands. Gesellschaftsrechtlich darf der Delistingantrag ebenfalls nicht im Widerspruch zum Schutz der (Anleger-)Aktionäre der Gesellschaft stehen, und aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist diese Maßgabe eben dahingehend zu konkretisieren, dass ein freiwilliges Abfindungsangebot vorliegen muss.

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bb) Sonderkonstellationen. Eine Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung im Falle eines bloß partiellen Delisting (Rdn 318) kommt mangels einer solchen Zuständigkeit beim vollständigen regulären Delisting erst recht nicht in Betracht.830 Aus demselben Grund besteht eine Hauptversammlungskompetenz weder beim Down332 listing, wo es lediglich um einen Wechsel der Börsennotierung vom regulierten Markt in den Freiverkehr (zB M:access der Börse München, Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse) geht und die Fungibilität der Aktien in einem funktionierenden Marktumfeld gewährleistet bleibt,831 noch beim vollständigen Rückzug aus einem Qualitätssegment des Freiverkehrs.832 Erst recht gilt dies für den Wechsel von einem Standard innerhalb des regulierten Marktes in einen anderen (Downgrading), etwa für den Wechsel vom Prime Standard in den General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.833 Beim unechten oder kalten Delisting834 (Rdn 317) ergibt sich eine Hauptversamm333 lungszuständigkeit mit entsprechenden Mehrheitserfordernissen ohne weiteres etwa aus den §§ 179a Abs 1, 320 Abs 1, §§ 13, 65 UmwG, soweit das kalte Delisting gerade durch eine der dort geregelten Strukturmaßnahmen (etwa durch Formwechsel der AG in eine nicht börsenfähige Rechtsform, insbesondere eine GmbH, oder eine Verschmelzung auf eine nichtbörsennotierte Gesellschaft) ausgelöst wird.835

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c) Delisting von Tochtergesellschaften. Eine Hauptversammlungskompetenz auf Ebene der Muttergesellschaft im Falle des Delisting einer Tochtergesellschaft ist nicht zu begründen. Ist das Delisting der Muttergesellschaft ohne die Mitwirkung ihrer Aktionäre möglich (s Rdn 319 ff), kann das Delisting einer bloßen Tochtergesellschaft erst recht keiner abweichenden Beurteilung zugänglich sein.836

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Wie hier Eckhold in: Hdb börsennotierte AG2, § 62, 36. OLG München WM 2008, 1602 = NZG 2008, 755; KG AG 2009, 697 = WM 2009, 1504; LG München WM 2007, 2154 = NZG 2007, 951; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 50; Seibt/Wollenschläger AG 2009, 807, 814; Schoppe Aktieneigentum S 391 ff; Feldhaus BB 2008, 1307 f; Goslar EWiR 2008, 461, 462; Simon/Burg Der Konzern 2009, 214, 218; aA – da die Aktionäre unabhängig von der fortbestehenden Fungibilität ihrer Anteile jedenfalls die Sicherheit des staatlich regulierten und kontrollierten Marktes einbüßten – Heidel/Lochner AG 2012, 169, 170 ff; iE auch LG Köln AG 2009, 835, 836; s aber auch das obiter dictum in BGHZ 153, 47, 53 = WM 2003, 533 = AG 2003, 273, 274. – Zur Frage der Notwendigkeit eines Hauptversammlungs-

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beschlusses beim Delisting aus dem Börsensegment Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse s Rubel/Kunz AG 2011, 399 ff. Näher hierzu Rubel/Kunz AG 2011, 399 ff. Schlitt ZIP 2004, 533, 541; Krämer/Theiß AG 2003, 225, 232; Seibt/Wollenschläger AG 2009, 807, 813. Ausführlich hierzu Eckhold in: Hdb börsennotierte AG2, § 63. Brauer Börsengang und Börsenrückzug, S 55; Heidel/Heidel/Lochner 3 Vor §§ 327a ff, 16, 25; Hüffer 10 § 119, 26; Schwark/Zimmer/Heidelbach 4 § 39 BörsG, 41 ff; K Schmidt/Lutter/Spindler 2 § 119, 55; Spindler/Stilz/Hoffmann 2 § 119, 45; s auch Eckhold in: Hdb börsennotierte AG2, § 63, 1, 5 ff; Marsch-Barner in: Hdb börsennotierte AG2, § 31, 39. Emmerich/Habersack 6 Vor § 311, 49.

Stand: 1. Oktober 2012

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