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German Pages 142 [144] Year 2003
Linguistische Arbeiten
482
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Hans Jürgen Heringer, Ingo Plag, Beatrice Primus und Richard Wiese
Jiyoung
Choe
Adjektivphrasen im Deutschen und Koreanischen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2003
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-30482-0
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003 http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Einband: Digital PS Druck AG, Birkach
Vorwort
Das vorliegende Buch ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner im SS 2000 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln angenommenen Dissertation. Der Tag der Disputation war der 29. 6. 2000. Die Referenten waren Herr Prof. Dr. H. Vater und Herr Prof. Dr. J. Lenerz Anlässlich der Veröffentlichung möchte ich mich bei all denen bedanken, die mich bei der Abfassung und Fertigstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Heinz Vater, danke ich herzlich für seine wunderbare Betreuung über die Jahre hinweg sowie für seine lehrreichen Veranstaltungen in diversen Bereichen der Linguistik. Mein ganz besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Christa Dürscheid, die mich nicht nur mit fachlichem Rat, sondern auch mit freundlicher Ermutigung unterstützt hat. Ihr verdanke ich vor allem auch die ausfuhrliche sprachliche Korrektur dieser Arbeit. Herrn Prof. Dr. Jürgen Lenerz und Frau Prof. Dr. Beatrice Primus danke ich fiir ihre wertvollen Kommentare. Danken möchte ich auch Frau Prof. Dr. Nan-Hee Lee an der Ewha-Frauen-Universität in Seoul für ihre hilfreichen Hinweise. Allen meinen Freunden in Köln danke ich für unsere zahlreichen anregenden Diskussionsabende. Ohne sie wäre die letzte Hälfte meiner Studienzeit halb so schön gewesen. Nicht zuletzt möchte ich endlich auch meiner Familie meinen Dank aussprechen dafür, dass sie mir mit Verständnis und Geduld zur Seite gestanden hat. In Liebe und Dankbarkeit widme ich dieses Buch meinen Eltern, Herrn Jonghyeon Choe und Frau Yeonkum Noh, und meinem kleinen Sohn Yusung mit dem großen Herzen.
Jiyoung Choe, im April 2003
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1.1. Zielsetzung 1.2. Aufbau der Arbeit
1 1 2
2. Adjektivdefinition 2.1. Morphosyntaktische Kriterien 2.1.1. Deklination und Konjugation 2.1.2. Prädikatskonstruktion mit oder ohne Kopula 2.1.3. Relativisierung 2.1.3.1. Schachter (1985) und Hengevelt (1992) 2.1.3.2. Lehmann (1984) 2.2. Semantisch-funktionelle Kriterien
4 6 7 9 12 12 15 18
3. Analyse der AP als Projektion der funktionalen Kategorie 'Degree' 3.1. Vorbemerkungen 3.2. X-Bar-Struktur der AP 3.3. DegP-Analyse der AP 3.3.1. 'Deg' als funktionale Kategorie 3.3.2. Abney 1987 3.3.3. Bhatt 1990 3.4. Struktur der DegP im Deutschen und im Koreanischen 3.4.1. Deg °-Elemente 3.4.1.1. Deg° -Elemente im Deutschen 3.4.1.2. Deg°-Elemente im Koreanischen 3.4.2. SPEC-Position der DegP 3.4.3. Adverbien innerhalb der DegP 3.5. Semantische Beschränkungen 3.5.1. „Nichtgraduierbare Adjektive" im Deutschen 3.5.2. „Nichtgraduierbare Adjektive" im Koreanischen 3.5.3. Graduierbare „Verben", „Nomina" und „Präpositionen" 3.5.3.1. Graduierbarkeit der Nomina 3.5.3.2. Graduierbarkeit der Präpositionalphrasen 3.5.3.3. Graduierbarkeit der Verben
24 24 25 28 29 35 40 46 47 47 48 50 55 59 59 62 66 68 70 71
4. Funktionale Kategorien für Adjektivflexionen 4.1. Syntaktischer Status der Attributflexion 4.1.1. Zur Position der Adjektive innerhalb der DP im Deutschen . . . . 4.1.2. Attributflexion des Deutschen 4.1.2.1. Agr-Analyse der Attibutflexion 4.1.2.2. Merkmale der Attributflexionen 4.1.3. Attributflexion des Koreanischen
77 77 77 80 80 84 86
VIII 4.1.3.1. DP-Analyse des Koreanischen 4.1.3.1.1. Das funktionale Merkmal in D 4.1.3.1.2. DP-Struktur des Koreanischen 4.1.3.2. Merkmale der Attributflexion des Koreanischen 4.2. Probleme der Agr-Analyse 4.2.1. Agr-Kategorien des Minimalistischen Programms 4.2.2. Agr-Kategorien im Koreanischen 4.2.3. Elimination der Agr-Kategorien 4.2.3.1. Agr-Kategorie ohne Agr-Merkmale 4.2.3.2. Problem der Analyse ohne Agr-Kategorien 4.3. Funktionale Kategorien der syntaktischen Funktionen 4.3.1. Vorbemerkungen 4.3.2. Merkmale der syntaktischen Funktionen 4.3.3. Konzeptuelle und empirische Vorteile der Analyse 4.3.4. Anwendung der Analyse 4.3.4.1. Pränominale Adjektive 4.3.4.2. Prädikative Adjektive
86 87 89 94 97 97 100 102 103 105 110 110 112 117 119 119 121
5. Schlusswort
128
6. Literatur
131
1.
Einleitung
1.1.
Zielsetzung
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Wortart Adjektiv. Ihre Funktion ist es, einem Gegenstand oder einem Vorgang eine Eigenschaft zuzuschreiben. Da es sich bei dieser Funktion um den Ausdruck einer subjektiven Bewertung handelt, ist es sicherlich berechtigt zu sagen, dass in der Adjektivsemantik - im Vergleich zu anderen Wortarten wie Nomen und Verb - die Individualität am stärksten zum Ausdruck kommt. Auch in ihrem syntaktischen Verhalten lassen Adjektive, wie in der vorliegenden Arbeit zu zeigen sein wird, auffallige sprachspezifische Variationen zu. So gesehen halte ich Adjektive für eine Wortart, bei deren Semantik und Syntax sich die beiden Pole ,Universalität' und ,Individualität' im Humboldt'sehen Sinne deutlich zeigen. Innerhalb der Generativen Grammatik, in der sich ,das Universelle' und ,das Individuelle' als ,Universalgrammatik' und ,Parameter' wiederfinden, liegen jedoch relativ wenige Untersuchungen zur Syntax der Adjektive vor. Oft wird das Adjektiv im Rahmen der Struktur der Nominalphrase behandelt, wobei man sich meist auf pränominale Adjektive beschränkt. Eine systematische Analyse der Adjektivsyntax auf sprachübergreifender Ebene, die unterschiedliche syntaktische Verwendungen der Adjektive umfasst, fehlt noch. Das Vorhaben für eine solche Untersuchung geht zwar über die Analyse der internen Struktur der Adjektivphrase hinaus, erlangt aber grundlegende Bedeutung innerhalb der neueren Entwicklung der Generativen Grammatik seit Chomsky (1986a), in der die Parameter zwischen Sprachen ausschließlich über funktionale Kategorien definiert sind. Ziel meiner Arbeit ist es zu untersuchen, welches die syntaktischen Unterschiede zwischen den Adjektiven des Deutschen und des Koreanischen sind und wie sie sich erklären lassen. Hierfür werden Analysen mit funktionalen Kategorien vorgeschlagen, die sich einerseits auf das Phänomen Komparation und andererseits auf Deklination bzw. Konjugation beziehen. Es wird gezeigt, dass solche Analysen nicht nur zur adäquateren Beschreibung der internen Struktur der Adjektivphrase, sondern auch zur universalen Satzanalyse beitragen können. Als theoretischer Rahmen der syntaktischen Analyse dient die Generative Grammatik, genauer: die Prinzipien- und Parametertheorie (Chomsky 1986a) bis zu den minimalistischen Ansätzen in Chomsky „A Minimalist Program (1993)", „Bare phrase structure (1995)" und „Categories and Transformations (1997 3 )". Auf die einzelnen Prinzipien, insofern sie für die Analyse der Adjektivsyntax relevant sind, wird im Laufe der Untersuchung eingegangen.
2 1.2.
Aufbau der Arbeit
Eine übereinzelsprachliche Untersuchung zur Syntax der Adjektive, so wie sie in der vorliegenden Arbeit zwischen dem Deutschen und dem Koreanischen vorgenommen wird, hat noch vor Beginn der Untersuchung eine Hürde zu nehmen: Zunächst gilt es zu klären, was Adjektive in der jeweiligen Sprache sind und wie sie sich als eine in beiden Sprachen vorhandene Wortart definieren lassen. Es gibt bereits eine Fülle unterschiedlicher Kriterien, die sich bereits innerhalb der einzelnen Sprachen als nicht kompatibel erweisen. Hinzu kommt der Kontrast zwischen den sog. ,rigiden' Sprachen mit geschlossener Adjektivklasse, zu denen u. a. das Koreanische gehört, und den Sprachen mit offener Adjektivklasse, die die meisten indoeuropäischen Sprachen repräsentieren. In einer Sprache mit geschlossener Adjektivklasse zählen demnach Wörter mit Bedeutungen wie z.B. rot, fröhlich, kalt, rund und einsam zu den Verben. Die Kriterien, die zu dieser Unterscheidung aufgestellt werden und sich hauptsächlich im morphosyntaktischen Rahmen bewegen, werden im zweiten Kapitel dieser Arbeit miteinander verglichen und kritisch diskutiert. Anschließend wird eine Adjektivdefinition erarbeitet, die auf der übereinzelsprachlichen Ebene ihre Geltung hat. Es wird gezeigt, dass das Universelle bei der Wortart Adjektiv zunächst in ihrer Semantik besteht, die mit bestimmten syntaktischen Funktionen in Verbindung gebracht wird, die Adjektive in verschiedenen Sprachen gemeinsam ausüben. Auf der Grundlage dieser Definition werden die folgenden beiden Kapitel der vorliegenden Arbeit der syntaktischen Analyse der Adjektivphrase gewidmet. Als zentraler Gegenstand der Untersuchung gelten dabei funktionale Kategorien und deren Merkmale sowie die Struktur der Projektion, die fur die Adjektivflexion des Deutschen und des Koreanischen relevant ist. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Analyse der Adjektivphrase als Projektion der funktionalen Kategorie ,Deg(ree)', die sich auf das fur Adjektive typische morphosyntaktische Verhalten der Komparation bezieht. Dabei wird die interne Struktur der „Degreephrase (DegP)", die erstmalig von Abney (1987) vorgeschlagen und von Bhatt (1990) modifiziert wurde, einer Kritik unterzogen und um zwei Punkte ergänzt. Zur Identifikation der Deg°-Elemente wird ein Kriterium aufgestellt, nach dem sie von den übrigen Gradadverbien systematisch unterschieden werden können. Die DegP-internen Relationen wie z.B. die Lizenzierung der SPEC-Position sowie die strukturelle Relation der DegP zu DP werden auf universelle Weise aufgefasst. Durch die Anwendung der DegP-Analyse auf das Koreanische soll deutlich werden, dass solche Postulate auch innerhalb der DegP-Struktur des Koreanischen gültig sind. Ich werde zeigen, dass der relevante Parameter zwischen der DegP im Deutschen und im Koreanischen in den unterschiedlichen morphologischen Realisierungen der funktionalen Kategorie Deg besteht. Anschließend werden die sog. absoluten, flir ,nichtgraduierbar' deklarierten Adjektive einerseits und andererseits die graduierbaren Nomina, Verben und Präpositionalphrasen anhand der Daten aus dem Deutschen, Koreanischen und Englischen untersucht. Hierdurch soll klar werden, dass die Graduierbarkeit innerhalb des DegP-Ansatzes ein kategorienspezifisches Merkmal ist, das sowohl semantisch als auch syntaktisch mit der Wortart Adjektiv verbunden ist. Im vierten Kapitel wird der syntaktische Status der Adjektivflexion, Komparationssuffixe ausgenommen, untersucht. Unter den Adjektivflexionen sind dabei sowohl Attributfle-
3 xionen als auch Konjugationsflexionen - im Fall der Adjektive des Koreanischen - zu verstehen. Obwohl die grammatischen Merkmale der Flexionen in der minimalistischen Satzanalyse von zentraler Bedeutung sind, wurde bis jetzt kaum beachtet, wie die Adjektivflexionen und deren Merkmale in verschiedenen Sprachen systematisch interpretiert und wie sie in die X-bar Struktur des Satzes aufgenommen werden können. Ich werde für die Adjektivflexionen funktionale Kategorien vorschlagen, die für das unterschiedliche (morpho-)syntaktische Verhalten der Adjektive im Deutschen und Koreanischen eine umfassende Erklärung anbieten können. Was die Flexion der pränominalen Adjektive betrifft, wird zunächst die Agr-Analyse der Attributflexion des Deutschen kritisch erläutert. Diese stützt sich in der einschlägigen Literatur auf die Annahme, dass eine Kongruenzbeziehung zwischen dem Adjektiv und dem Nomen vorliegt und diese Beziehung in einer SPEC-Kopf-Relation innerhalb der AgrP zum Ausdruck kommt. Bevor anschließend auf die Attributflexion des Koreanischen eingegangen wird, werde ich die Analyse der DP-Struktur im Koreanischen vornehmen, um einen syntaktischen Rahmen zu schaffen. Es wird gezeigt, dass meine Auffassung der DPStruktur des Koreanischen gegenüber der in Löbel (1991 u. 1993) vorgeschlagenen Struktur der DP dazu imstande ist, eine Reihe von syntaktischen Unterschieden zwischen der Nominalphrase des Deutschen einerseits und des Koreanischen bzw. des Japanischen andererseits zu begründen. Anhand der Analyse der Attributflexion des Koreanischen wird zunächst angenommen, dass den Attributflexionen im Deutschen und im Koreanischen das Merkmal gemeinsam ist, die syntaktische Funktion der Attribution anzuzeigen; Kongruenzmerkmale, auf denen die Agr-Analyse der Attributflexion im Deutschen basiert, erweisen sich dagegen als sprachbedingt und parametrisiert. Ferner wird erläutert, dass die gesamten Agr-Kategorien, die in der minimalistischen Analyse (Chomsky 1993, 1995) als satzaufbauende Projektionen ihren Platz haben, nicht universal sein können, da sie aus sprachspezifischen Kongruenzmerkmalen bestehen. Die Annahme eines Honorifikationsmorphems im Koreanischen als Agr-Kategorie (so u. a. in Shin 1993) wird in Frage gestellt, da es sich für die Nominativzuweisung als irrelevant erweist und Honorifikation im Koreanischen ein auf Pragmatik beruhendes, nicht grammatikalisiertes Phänomen ist. Auch die neuere Entwicklung des Minimalistischen Programms, die die Existenz der Agr-Kategorien für überflüssig hält und letztendlich aus dem Verarbeitungssystem abschafft, wird kritisch betrachtet, da sie der Kategorie T(ense) u. a. die Funktion der Nominativüberprüfung überlässt. Durch die vergleichende Untersuchung der Infinitivkonstruktionen in verschiedenen Sprachen werde ich versuchen zu zeigen, dass die Zuweisung des Nominativs kein inhärentes Merkmal von Τ sein kann. Angesichts der Suche nach universellen funktionalen Kategorien, deren Existenz und Funktion sprachübergreifend nachweisbar sind, werde ich Kategorien vorschlagen, die syntaktische Funktionen als ihr repräsentatives funktionales Merkmal haben. Es wird demonstriert, wie sich diese Kategorien in Sprachen wie dem Deutschen und Koreanischen morphologisch unterschiedlich realisieren lassen. Schließlich soll die Anwendung meiner Analyse auf die Adjektive zeigen, dass die Parameter zwischen der Syntax der Adjektive des Deutschen und des Koreanischen in ihrer pränominalen und prädikativen Verwendung durch die unterschiedliche morphologische Realisierung der funktionalen Kategorien erklärbar sind.
2.
Adjektivdefinition
Adjektive bilden in vielen Sprachen die drittgrößte Wortart nach Nomina und Verben. Während sich die Nomina und Verben sowohl einzelsprachlich als auch sprachübergreifend relativ leicht definieren lassen, gibt es sehr verschiedene Ansätze zur Definition der Wortart Adjektiv. In der Übersetzungspraxis sind es die Adjektive, die die sinngemäße Übertragung zwischen zwei verschiedenen Sprachen besonders erschweren, weil häufig sprach- und kulturspezifische, oft gefuhlshaltige Nuancen, die von der Wortartensemantik her durch Adjektive zum Ausdruck kommen, keine Entsprechungen finden können. Dies ist m.E. auch ein Grund dafür, dass das Adjektiv nach dem Substantiv den größten Anteil an Fremdwörtern hat (s. Duden-Fremdwörterbuch 19976: 10). Die Nomina im Deutschen, die einen fremdsprachlichen Ursprung haben, sind mittlerweile zum großen Teil eingedeutscht, so dass man ihnen die fremde Herkunft heute gar nicht mehr ansieht, wie z.B. Mauer (lat. murus), Fenster (lat. fenestra) und Wein (lat. vinum), bzw. sie gehören fest zum deutschen Wortschatz, wie die Wörter Adresse, Bibliothek, Telefon und Universum. Viele Adjektive mit fremdsprachlichem Ursprung haben dagegen ihren fremdsprachlichen Status beibehalten, weil die stilistisch-inhaltlichen Nuancen, die insbesondere dieser Wortart zugesprochen werden, nur schwer eine deutsche Entsprechung finden. Bedeutungswandel, der durch falschen Gebrauch verursacht wird, kommt daher auch oft bei Adjektiven vor, z.B .famos (von berühmt, berüchtigt zu prächtig, ausgezeichnet), formidabel (von furchtbar zu großartig), frugal, prekär und rasant (ebd. 19976: 12). Es lässt sich nun voraussagen, dass zwischen typologisch nicht verwandten Sprachen wie dem Deutschen und dem Koreanischen die Schwierigkeiten bei der sinngemäßen Übertragung noch größer sein werden, als dies zwischen den indogermanischen Sprachen der Fall ist. Dies soll im Folgenden belegt werden: Die Adjektive, die menschliche Gefühle darstellen, insbesondere diejenigen, die mit Trauer zu tun haben, finden im Koreanischen viel detaillierteren Ausdruck mit unterschiedlichen Nuancen: soropda, sulpuda, sogulpuda, solbda, sobsophada, sounhada und shiwonsobsophada finden jeweils kein Gegenstück im Deutschen. Es gibt keine andere Möglichkeit, als sie einheitlich als traurig (sein) zu übersetzen.1 Ein anderes Beispiel sind die Farbadjektive im Koreanischen, die bei der Unterteilung ein sehr breites Spektrum aufweisen. Die fünf Farben rot, gelb, blau, weiß und schwarz haben jeweils über 20 Varianten als Unterkategorien, die durch Präfigierung oder Suffigierung entstehen: Es gibt z.B. mindestens 23 Adjektive, die allein der Farbkategorie 'Schwarz' zuzuordnen sind (s. Beisp. in: Park 1994: 449ff. und Jong 1988: 28). Solche Derivate zeichnen sich durch graduelle Bedeutungsunterschiede oder auch durch unterschiedliche stilistische Nuancierungen aus, die subjektive Emotionen anzeigen. Gerade diese Derivate im Koreanischen sind schwer in Fremdsprachen übertragbar.
1
Adjektive mit ähnlichen Bedeutungen wie z.B. betrübt, bedauerlich, kläglich und erbärmlich finden im Koreanischen anderweitig ihre Entsprechung wie uulhada, antaggabda, hantansurupda und bbulssanghada.
5 Zu beachten ist dabei, dass solche kulturbedingten Farbbezeichnungen im Koreanischen lexikalisch nur als Adjektive erfassbar sind, während Bezeichnungen wie bbalgangl bbalgatda (Rot/rot), hayang/hayatda (Weiß/weiß), gomdschong/gomda (Schwarz/ schwarz) und parang/paratda (Blau/blau), die sich ohne weiteres ins Deutsche übersetzen lassen, sowohl als Nomen als auch als Adjektive vorhanden sind.2 Ein anderes typisches Beispiel: Dass man im Koreanischen „shiwonhada!" - wörtlich ,kühl' bzw. ,erfrischend' - zu sagen pflegt, während man heiße Suppe trinkt, reflektiert auch das kulturspezifische Sprachgefühl, das in einem anderen Kulturrahmen schwer verständlich ist. Neben solchen Schwierigkeiten der wörtlichen Sinnübertragung lassen sich die Adjektive auch in grammatischer Hinsicht nicht einfach sprachübergreifend definieren: Schon seit der Antike gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Wortart Adjektiv zu definieren ist. Während Piaton und Aristoteles Adjektive als eine Subklasse des Verbs angesehen haben, weil die typische Leistung des Adjektivs die der Prädikation sei, betrachteten die Alexandrier und ihre Nachfolger Adjektive als eine Subklasse des Nomens (nomen adiectivum), weil sie wie Nomina nach Numerus und Kasus flektieren. Erst seit dem Mittelalter existieren die Adjektive als eine eigenständige Wortart (s. Lyons 19733). Heute gibt es auch schon innerhalb der einzelnen Sprachen wie z.B. dem Deutschen keine einheitliche Adjektivdefinition. Manchen Definitionen fehlt die Allgemeingültigkeit, so dass sie nicht alle grammatischen Funktionen bzw. Distributionen der Adjektive im Deutschen umfassen können. Ein typisches Beispiel dafür sieht man in Engel (1988: 556), der Adjektive als „Wörter ohne konstantes Genus" auffaßt, die „zwischen Determinativ und Nomen stehen (können)", wobei Determinative wiederum definiert sind als „Begleiter des Nomens, die nie mit einem sächsischen Genitiv kombiniert werden können (* dieses Annas Buch)." Solch eine von Determinativ und .sächsischen Genitiven', also von Positionsmerkmalen abhängige Definition der Adjektive wirft innerhalb des Deutschen viele Fragen auf: Sie schließt zunächst die nur prädikativ verwendbaren Adjektive wie feind, egal, barfuß, wert, gram usw. aus, die Engel (1988: 768) als ,KopulapartikeP, und zwar als ,Adjektivergänzungen' klassifiziert. Aus demselben Grund werden Zahlwörter (das siebte Kreuz) und alle Partizipien (die singende Waldamsel) den Adjektiven zugerechnet, nur weil sie attributiv verwendet werden. Man stellt fest, dass viele Sonderannahmen nötig sind, um das Positionsmerkmal bei der Adjektivdefinition anwendbar zu machen. Auf der übereinzelsprachlichen Ebene funktioniert die Engel'sche Definition auch nicht, wie Hentschel/Weydt (1993) bemerken: Haben die Sprachen ohne sächsischen Genitiv keine Determinative, oder haben Sprachen wie das Französische, in denen Adjektive nachgestellt werden, in Wirklichkeit gar keine Adjektive? Nach der Definition von Weinrich (1976: 230) treten Adjektive stets dekliniert beim Nomen auf, wie in der tapfere Peter. Wenn ein Adjektiv aber mit einem Kopulaverb oder einem Vollverb auftrete und eine invariable Form aufweise, sei es kein Adjektiv, sondern ein Adverb (Peter ist tapfer). In Ad2
Dies ist ein Beleg für Lyons' Argumentation (1987: 281), wenn er im Rahmen seiner Untersuchung über Sprache und Kultur über das Phänomen ,Farbbezeichnung' folgendes sagt: „Wenn es in ihm [dem Färb Vokabular] eine universale Grundstruktur semantischer Unterscheidungen gibt, so wird es auch eine nicht-universale und vielleicht wesentlich umfangreichere, kulturabhängige übergeordnete Struktur geben."
6 morn (19824: 139ff.) bilden Adjektive in Verbindung mit Vollverben eine Sonderklasse „Adjektivadverbien" wie in Peter kämpft tapfer, während ein mit einer Kopula sein verbundenes Adjektiv doch ein prädikativ gebrauchtes Adjektiv ist. Die Uneinstimmigkeit in diesen Definitionen entsteht dadurch, dass Wortart und Satzgliedfunktion nicht auseinandergehalten werden und der Wortartstatus der Adjektive in unterschiedlichen Satzgliedfunktionen nicht gewahrt wird. Eine sprachübergreifende Definition der Wortart Adjektiv, die somit bereits auf der einzelsprachlichen Ebene Schwierigkeiten aufweist, muss auf der übereinzelsprachlichen Ebene noch weitere Probleme mit sich bringen. So weichen z.B. semantisch korrespondierende Wortarten in manchen anderen Sprachen in ihrem morphosyntaktischen Verhalten stark von den Adjektiven im Deutschen ab (s. 2.1). Angesichts dieser Schwierigkeiten gibt es Vorschläge, ganz auf eine sprachübergreifende Adjektivdefinition zu verzichten und sie auf die einzelsprachliche Ebene zu beschränken.3 Die Notwendigkeit einer sprachuniversalen Definition steht aber im Hinblick auf die vergleichende syntaktische Analyse zwischen zwei oder mehreren Sprachen fest, so z.B. bei der Strukturanalyse der Adjektivphrase (AP) im Deutschen und im Koreanischen, die ich in der vorliegenden Arbeit vornehmen möchte, denn eine sprachuniversale Definition ist selbstverständlich die Voraussetzung für ein solches Vorhaben: Es muss zuerst festgestellt werden, welche Wortart in der jeweiligen Sprache als 'Adjektiv' zu definieren ist, und zwar so, dass diese Wortart ihre syntaktischen und semantischen Merkmale auf die ganze Phrase projiziert. Im Folgenden werden in der ausgewählten Forschungsliteratur vorgeschlagenen Adjektivdefinitionen vorgestellt und daraufhin überprüft, ob eine Beschreibung der Adjektive nach dem jeweils genannten Kriterium möglich bzw. sinnvoll ist. Dies soll dem Ziel dienen, eine adäquate Definition der Adjektive zu entwickeln, die sowohl innerhalb der Einzelsprache als auch über typologische Unterschiede hinweg auf der sprachuniversalen Ebene funktioniert.
2.1.
Morphosyntaktische Kriterien
Heidolph et al. (1981: 601) definieren Adjektive im Deutschen als [...] eine grammatische Klasse von genusveränderlichen Wörtern mit Kasusformen („deklinierbar"), Komparationsformen („graduierbar") und der Fähigkeit, sich mit Verben und mit Substantiven, z.T. auch mit Adjektiven/Adverbien zu verbinden, wobei sie Geschehnisse/Seinsarten und Wesen/Gegenstände, z.T. auch Eigenschaften charakterisieren können. Dabei unterscheiden sie sich im Bereich des Verbs und in dem des Substantives jeweils durch ihr syntaktisches Verhalten und durch ihre morphologische Struktur.
Obwohl hier sowohl ein semantisches als auch ein syntaktisch-distributionelles Kriterium für die Adjektivdefinition miterwähnt werden, spielt die Morphologie die zentrale Rolle. Unter Morphologie ist hier eine „komplexe Betrachtungsweise des Teilsystems der kleins3
Dies tut Baerentzen (1995) z.B., wenn er sagt, dass im Deutschen die ,Deklinierbarkeit' das einzig relevante Kriterium für den Adjektivstatus ist.
7 ten syntaktischen Einheiten innerhalb der Wortkomponente" zu verstehen, die nicht nur lexikalische Merkmale wie Genus und Flexionsklasse ausdrückt, sondern darüber hinaus auch die Zuordnung grammatischer Kategorien wie z.B. Tempus, Modus, Kasus und Numerus zu den Wortarten berücksichtigt und deren semantische Interpretation mittelbar anzeigt. Schließlich soll die Flexion als ein morphologisches Charakteristikum die Eignung der Wörter, bestimmte Funktionen im Satz zu übernehmen, aufweisen. Es gibt verschiedene Vorschläge für Adjektivdefinitionen, die sich innerhalb dieses morphosyntaktischen Rahmens bewegen. Es werden nun einige Kriterien angeführt und kritisch überprüft.
2.1.1. Deklination und Konjugation Die Adjektive im Deutschen werden ihrer Form nach verändert, wenn sie attributiv bei einem Nomen stehen und wenn sie substantiviert sind. Manche Linguisten sehen in der Deklination der Adjektive, welche die Kongruenz mit dem zu modifizierenden Nomen kennzeichnet, ihre kategorietypische Eigenschaft bzw. halten sie für das Kriterium für die Adjektiverkennung (z.B. Sasse 1993: 661 u. Baerentzen 1995). Es sind jedoch im Deutschen einige Fälle zu finden, die dieser Annahme widersprechen, indem sie undekliniert vorkommen: In poetischer und volkstümlicher Sprache ((2-1 )a und b), in der Werbe- und Fachsprache ((2-l)c) und in formelhaften, feststehenden Wendungen ((2-l)d) können Adjektive undekliniert bleiben, was bei einigen Farbadjektiven auch der Fall ist ((2-l)e) (vgl. Duden-Grammatik 1998 6 : 259). Dazu kommen noch die nur prädikativ vorkommenden Adjektive. (2-1)
a. b. c. d. e.
Die Sonne weiß und sonderbar (G. Keller) Hänschen klein/Röslein rot (Volkslied) Henkell trocken, Schauma mild nach gut Dünken, auf gut Glück ein rosa Landhaus
In bestimmten Sprachen ist die Wortartenunterscheidung auf einer morphologischen Basis wie der Deklination grundsätzlich problematisch. Im Lateinischen z.B. tragen Adjektive und Nomina der a- und o-Deklination, wenn sie miteinander kongruieren, die gleiche Endung, so dass in diesen Fällen die Erkennung der Wortart Adjektiv nach der Deklinationsform nicht möglich ist: (2-2)
dominus bonus/ oppidum liberum/ flamma pulchra
Darüber hinaus ist die Deklination keineswegs eine universelle, sondern eine optionale Eigenschaft der Wortart Adjektiv, so dass sie als Kriterium für die übereinzelsprachliche Adjektivdefinition inadäquat ist. Dies kann man schon innerhalb der indogermanischen Sprachen feststellen: Adjektive im Englischen z.B. werden nicht dekliniert, und die Kongruenz zum Nomen bleibt morphologisch unrealisiert. Auch die Konjugierbarkeit kann nicht als Kriterium zur Wortartenbestimmung fungieren. Im Türkischen können z.B. grammatische Morpheme wie die Pluralmarkierung oder
8
die Personalendung unterschiedslos für Verben, Nomina und Adjektive verwendet werden: (2-3) a. veririm 'ich komme' b. genqim 'ich bin jung' c. ögretmenim 'ich bin Lehrer'
(Hentschel/Weydt 1993: 43)
Im Chinesischen gibt es in manchen Fällen keine morphologische Basis zur Wortartenerkennung: Es fehlt oft die Flexion, die einen Hinweis auf die Wortart geben könnte. Das gleiche Wort Lamian kann z.B. sowohl als Nomen ((2-4)a) als auch als Verb ((2-4)b) verwendet werden, je nachdem, welches Satzglied es im Satz darstellt. (2-4) a. wo xihuan chi lamian ich mögen essen Nudeln Ich mag Nudeln. b. ni hui lamian ma? du können Nudeln ziehen Frage Kannst du Nudeln ziehen? Angesichts dieser diversen sprachspezifischen morphologischen Eigenschaften der Adjektive wirft folgende Feststellung von Dixon (1982: 56) viele Fragen auf: We have thus indicated, in general terms, what it means to say that a language has 'a class of adjectives'. This is a set of lexical items, distinguished on morphological and syntactic grounds from the universal classes noun and verb. Grammatical properties vary a good deal from language to language but we can say that typically adjective is likely not to require tense/aspect/mood or whatever specification it is that characterises members of the class verb in a given language, and it may be independent of specification for number/person or whatever it is that characterises nouns. An adjective may syntactically depend on a noun, this being realised through positioning and/or case agreement, etc.
Diese Feststellung, die auf der Untersuchung von Adjektiven in 17 Sprachen basiert, übersieht zunächst die sprachlichen Daten z.B. des Deutschen oder des Lateinischen, in denen attributive Adjektive nach Numerus, Kasus, grammatischer Person und Genus dekliniert werden (s.o.). Andererseits ist die Konjugation nach Tempus, Aspekt und Modus in bestimmten Sprachen keine für Verben spezifische Eigenschaft, was im folgenden Kapitel diskutiert wird. Die Problematik liegt darin, dass Dixon (1982) ,typisch Adjektivisches' allgemein in den morphologischen Eigenschaften zu finden glaubt, die sich von den Eigenschaften der Verben oder Nomina der gegebenen Sprache unterscheiden sollen. Was bleibt aber ,typisch adjektivisch', wenn Adjektive in bestimmten Sprachen doch mit Nomina bzw. Verben ihre morphosyntaktischen Eigenschaften teilen?
9 2.1.2. Prädikatskonstruktion mit oder ohne Kopula
Ein anderes Kriterium, das innerhalb der Syntaxtheorie fiir die Unterscheidung zwischen beiden Wortarten - Adjektiv und Verb - häufig herangezogen wird und mit dem Kriterium der Konjugation in engem Zusammenhang steht, ist das (Nicht-)Vorhandensein der Kopula in der Prädikatskonstruktion: Die Verben bilden das Prädikat des Satzes im Falle von Vollverben allein oder zusammen mit einem Prädikatsteil, wenn sie als Hilfsverben fungieren. Demgegenüber bilden Adjektive diejenige Wortart, die in der prädikativen Stellung eine Kopula nötig hat und nicht konjugiert wird, d.h. keine Verbalsuffixe trägt, also Markierer für Tempus, Modus und Aspekt. Hierfür ist die Kopula zuständig (vgl. Helbig/Buscha 1979:21). Wenn man nun von den Adjektiven in den indogermanischen Sprachen absieht und einen Blick auf andere Sprachen wirft, findet man, dass diejenigen Wörter, die mit den Adjektiven der indogermanischen Sprachen semantisch korrespondieren, sich in dieser Hinsicht anders verhalten. So z.B. im Koreanischen:4 (2-5) a. bamhanul-ui byoldul-i arumdap-da. Nachthimmel-GEN Stem(Pl.)-NOM schön(Präs)-Dekl. Die Sterne des Nachthimmels sind schön, b. bamhanul-ui byoldul-i arumda-wot-da. Nachthimmel-GEN Stern(Pl.)-NOM schön-Prät.-Dekl. Die Sterne des Nachthimmels waren schön. Diese Beispiele zeigen, dass das Wort arumdapda im Koreanischen das Prädikat bildet, wobei keine Kopula erforderlich ist und auch das Tempus markiert werden kann, indem das relevante Morphem wot an den Stamm arumda suffigiert wird. Die Möglichkeit, die deklarative Endung des Aussagesatzes -da als eine Kopulapartikel zu betrachten, schließe ich aus, weil sie weder die Bedeutung des Kopulaverbs sein hat noch die grammatische Relation zwischen dem Subjekt und Prädikat anzeigt.5 Darüber hinaus kommt sie nicht nur bei Adjektiven sondern auch im Falle der Vollverben stets am Ende des Verbstamms vor, was ebenfalls gegen die erwähnte Möglichkeit spricht: (2-6)
4
5
Suni-ga byol-dul-ul Suni-NOM Stem-pl.-AKK Suni betrachtet die Sterne.
barabo-n-da. betrachten-Präs.-Dekl.
Selbst in indogermanischen Sprachen ist es nicht durchweg der Fall, dass prädikative Adjektive stets eine Kopula erfordern: So kommen im Russischen z.B. prädikative Adjektive im Präsens ohne Kopula vor: (1) eto ocen' interesnoje das sehr interessant Das ist sehr interessant. Im Koreanischen gibt es keine morphosyntaktische Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat.
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Die semantischen Äquivalenzen im Koreanischen, die mit der Wortart Adjektiv im Deutschen korrespondieren, können somit syntaktische Merkmale aufweisen, die im Deutschen ausschließlich den Verben zugerechnet sind, wie z.B. Tempus und Modus. Diese Art von Wörtern wird aus diesem Grund in fremdsprachiger Literatur zur koreanischen Grammatik meistens als eine 'Subklasse der Verben' eingeführt. Schon die Bezeichnung dieser Wortart und die ihr zugerechneten syntaktischen Funktionen weisen jedoch eine verwirrende Vielfalt auf. Im Folgenden werden einige Beispiele hierfür gegeben: Herrmann (1989) spricht von „qualitativen Verben", die sowohl prädikativ als auch attributiv oder adverbial gebraucht werden können. In Lee (1989) ist dagegen von „deskriptiven Verben" die Rede, die auch attributiv verwendbar sind. Die adverbiale Funktion fällt also aus. Unter der Wortart 'Adjektiv' verstehen die beiden Autoren nun diejenigen Wörter, die als sog. Nomenbegleiter nur attributiv gebraucht werden, wobei sie keine Flexion aufweisen, so dass sie durch das Fehlen jeglicher Formbildung gekennzeichnet sind. Lee (1989:59) z.B. sagt: Every word which exclusively precedes a noun or another adjective is an adjective class word. The adjective class words do not normally occur alone and constitute a very small class.
Demnach sollen zu der Wortart Adjektiv im Koreanischen neben Kwanhyongsa noch Quantoren und Determinantien gehören, die in der traditionellen koreanischen Grammatik als unterschiedliche Wortarten dargestellt sind und mit der Wortart Adjektiv in den indogermanischen Sprachen eigentlich keine Gemeinsamkeiten in ihren syntaktischen Funktionen aufweisen. 6 In Martin (1992: 216) sind „Adjektive" mit „deskriptiven Verben" gleichgesetzt, wobei er annimmt, dass sie - anders als bei Lee (1989) - nur prädikativ verwendbar seien: [...] some of the intransitives are DESCRIPTIVE verbs - here called ADJECTIVES. The reference is not so broad as suggested by the corresponding English category, which includes not only predicative adjectives but also many attributive terms that are treated as adnouns in Korean.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die den Adjektiven im Deutschen semantisch äquivalenten Wörter im Koreanischen in fremdsprachigen Grammatiken in unterschiedliche Wortarten eingeteilt werden, denen inkonsequenterweise keine einheitlichen syntaktischen Funktionen zugerechnet sind. Sie werden aber aus demselben Grund als eine Subklasse der Wortart 'Verben' angesehen, aus dem Grund nämlich, dass sie kopulalos das Prädikat bilden und konjugiert werden. Ähnliches lässt sich in fremdsprachigen Grammatiken des Japanischen beobachten, das in seinen syntaktischen und morphologischen Eigenschaften große Gemeinsamkeiten mit dem Koreanischen aufweist. Dies gilt auch in Bezug auf die Prädikatskonstruktion: In Japanese, verbs are morphologically distinguishable from nouns by virtue of their obligatory inflection. There is a subclass of verbs, with slightly different inflectional possibilities, that corresponds in semantic content of the adjective class in other languages. (Dixon 1982: 38)
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,Kwanhyongsa' im Koreanischen ist eine auf die attributive Verwendung beschränkte Wortart, die neben Determinantien und Quantoren zu den unveränderlichen, d.h. zu den nichtflektierenden Wortarten gehört. Die Anzahl der Wörter, die heutzutage noch zu den Kwanhyongsa gezählt werden, ist sehr gering.
11 Es wird also angenommen, dass Adjektive der indogermanischen Sprachen im Japanischen durch Verben ersetzt werden, wobei hierfür die Konjugierbarkeit und das Nichtvorhandensein des Kopulaverbs der Grund ist. Wenn man ansonsten doch von der Existenz einer Wortart Adjektiv im Japanischen ausgehen will, wird versucht, irgendein Element innerhalb der Prädikatskonstruktion mit dem Kopulaverb zu identifizieren. Ein typisches Beispiel dafür findet man in Bourstin (1990: 79), der die deklarative Endung desu im folgenden Beispiel (2-7) als Kopulaverb betrachtet:7 (2-7) a. bara-wa akai (desu). Rose- NOM rot (Präs.) sein Die Rose ist rot. b. bara-wa akakatta (desu). Rose-NOM rot (Prät.) sein Die Rose war rot. Wenn aber desu in diesen Beispielen Kopulaverb sein soll, muss man fragen, wie desu syntaktisch entbehrlich sein kann - was die Klammer in den obigen Beispielen anzeigt - , wenn es die Funktion des Verbs ausübt. Zur Beantwortung dieser Frage weist Bourstin (1990: 81) darauf hin, dass prädikative Äußerungen ohne das Verb sein im Deutschen ebenfalls möglich sind, besonders in „erstarrten Redewendungen" wie in den folgenden Beispielen: (2-8) a. mitgefangen, mitgehangen b. Träume Schäume c. Aral tanken - Sauberkeit tanken! Dieses Argument kann aber widerlegt werden, da Sätze wie (2-7)a und b im Japanischen von Muttersprachlern einstimmig als unmarkiert angesehen werden, wenn sie ohne desu verwendet werden. Es folgt aus diesen Beobachtungen, dass die Satzendung desu im Japanischen nicht mit dem Kopulaverb gleichgesetzt werden kann, d.h. dass das Wort akai entweder ein Verb mit adjektivischer Bedeutung ist, so wie es in den gängigen Grammatiken angenommen wird, oder ein Adjektiv ist, das in einer Sprache wie dem Japanischen ohne ein Kopulaverb prädikativ gebraucht wird. Auf diese Frage und ihre Beantwortung wird an späterer Stelle eingegangen. Bis jetzt wurde am Beispiel von Prädikatskonstruktionen im Koreanischen und Japanischen die Frage nach der Entscheidung zwischen einer Wortart Adjektiv und einer Wortart Verb überprüft, wobei das (Nicht-)Vorhandensein der Kopula die entscheidende Rolle spielt. In vielen linguistischen Arbeiten, die sich mit dem Thema Wortarten befassen, wird nach diesem Kriterium die folgende Einteilung der Sprachen vorgenommen: Sprachen mit offenen Adjektivklassen, Sprachen mit geschlossenen Adjektivklassen und Sprachen ohne distinkte Adjektivklassen. Die zweite und dritte Gruppe von Sprachen werden als ,rigide Sprachen' bezeichnet, bei denen die adjektivischen Bedeutungen durch die Wortart Verb der jeweiligen Sprache ausgedrückt werden (s. Schachter (1985), Dixon (1982) und Robins 7
desu im Japanischen ist ein deklaratives Morphem, das der mittleren Höflichkeitsstufe zuzuordnen ist.
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(1964)). Es finden sich daneben jedoch Sprachen wie das Türkische, die eine Ausnahme in der obigen Einteilung bilden: Das Türkische z.B. wird im allgemeinen als Sprache angesehen, die eine offene Adjektivklasse besitzt (s. Dixon (1982), Hengevelt (1992), Schachte^ 1985) und Lehmann (1984)), obwohl Adjektive im Türkischen in der Prädikatskonstruktion ohne Begleitung eines Kopulaverbs auftreten: (2-9) a. güzel kiz schön Mädchen das schöne Mädchen c. kiz güzel yaziyor Mädchen schön schreiben Das Mädchen schreibt schön
b. kizgüzel Mädchen schön Das Mädchen ist schön
(Tekinay 1986: 69)
An dieser Stelle möchte ich zunächst daran festhalten, dass das Kriterium (Nicht-) Vorhandensein der Kopula und die damit korrelierende (Nicht-)Konjugierbarkeit in Sprachen wie dem Türkischen seine Probleme zeigt und möglicherweise kein adäquates Kriterium für die Wortartenbestimmung sein kann. Im Folgenden wird auf neuere Untersuchungen der Wortartenproblematik vom Standpunkt anderer theoretischer Ausrichtungen eingegangen, in denen das Fehlen einer Kopula in der Prädikatskonstruktion kein entscheidendes Kriterium fiir die Zuordnung der Wörter in den Beispielen (2-5) und (2-7) zur Wortart Verb ist.
2.1.3.
Relativisierung
Neben der Kopulalosigkeit bzw. Konjugierbarkeit, die oben behandelt wurden, wird im morphosyntaktischen Rahmen noch ein anderes Kriterium zur Unterscheidung zwischen Adjektiven und Verben herangezogen. Dieses Kriterium basiert auf der Annahme, dass sich das Adjektiv in prädikativer Stellung ohne Hinzufügung eines Morphems in das modifizierende Element einer Nominalphrase transformieren lässt im Gegensatz zum Verb, das eigentlich nur prädikativ gebraucht werden kann und nur mittels eines Relativsatzes bzw. durch Hinzufügung eines Relativisierungsmittels innerhalb der NP erscheinen kann.
2.1.3.1. Schachter (1985) und Hengevelt (1992) Schachter (1985) wie auch Hengevelt (1992) schlagen einen sog. ,Relativisierungstest' vor, um den Adjektivstatus eines in der Prädikatskonstruktion vorkommenden Wortes zu überprüfen. Unten werden Beispiele vom Mohave wiedergegeben, die die beiden Autoren für diesen Zweck anführen: (2-10) a. ?i:pa-c Mann-NOM Der Mann ist b. ? i: pa-c Mann-NOM Der Mann
homi:-k groß-Präs. groß, su:paw-k wissen-Präs. weiß.
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(2-11) a. ? i:pa homi: -n y - c Mann groß-DEM-NOM Der große Mann ist hier, b. ? i:pa kw- su:paw -ny - c Mann REL-wissen-DEM-NOM Der Mann, der weiß, ist hier.
iva:-k sein-hier-Präs. iva: -k sein-hier-Präs. (Schachter 1985: 19)
Demnach soll der attributive Gebrauch in (2-11) den Wortartenunterschied zwischen dem Wort homi ,groß' und su.paw ,wissen' anzeigen: Das Adjektiv homi wird nicht relativisiert, während su.paw, das Verb, durch das Präfix F - relativisiert werden muss, wenn es eine modifizierende Funktion ausübt. Dieses Verfahren wird weiter auf andere Sprachen angewendet, um festzustellen, ob sie über die von den Verben distinkte Wortart Adjektive verfugen. (2-12) a. neige DEM Jenes b. Neige DEM Jenes
nühaizi Mädchen Mädchen nühaizi Mädchen Mädchen
piaoliang schön ist schön, liaojie. versteh versteht.
a \ piaoliang-de schön ein schönes b'. liaojie-de versteh REL ein Mädchen,
nühaizi REL Mädchen Mädchen nühaizi Mädchen das versteht
Demnach ist sowohl das Wort piaoliang mit der Bedeutung ,schön' als auch liaojie (,verstehen') im Mandarin-Chinesischen den Verben zuzurechnen, weil die beiden in der attributiven Funktion durch das gemeinsame Suffix -de relativisiert erscheinen. Für das Koreanische müsste dies ebenso angenommen werden, denn das Wort arumdapda (,schön') im Beispiel (2-2 l)b wird beim attributiven Gebrauch mit dem Suffix -un markiert, ähnlich wie das Verb baraboda (,betrachten') in (2-13), dessen attributive Funktion mit dem Suffix -nun gekennzeichnet wird (vgl. Beisp. (2-6)): (2-13)
Sunhi-ga barabo-nun byol-dul Sunhi-NOM betrachten(Präs.)-attrib. Stern-pl. Sterne, die Sunhi betrachtet
'Relativisierung' ist somit bei Schachter (1985) und Hengevelt (1992: 62ff.) das entscheidende Kriterium fur die Unterscheidung zwischen den Wortarten Verb/Adjektiv und gleichzeitig auch zwischen Sprachen mit offener Adjektivklasse - bei Hengevelt,specialised languages' - wie Mohave und Englisch einerseits und den ,rigiden' Sprachen wie Bemba und Mandarin-Chinesisch mit geschlossener Adjektivklasse andererseits, deren Bedeutung durch Verben zum Ausdruck gebracht wird. Diese Einteilung steht nicht immer in Übereinstimmung mit der Einteilung nach dem oben genannten Kriterium ,Kopulalosigkeit' und ,Konjugation': Das Koreanische müsste nach beiden Kriterien den 'rigiden Sprachen' zugerechnet werden, weil die Wörter mit der den Adjektiven des Deutschen äquivalenten Bedeutung mit dem Suffix -un gekennzeichnet werden, wenn sie in der pränominalen Position vorkommen (s. Beisp. (2-5)). Das Türkische dagegen gehört nach dem Kriterium Relativisierung zu den Sprachen mit offener Adjektivklasse, weil die Adjektive eben anders als die Verben, denen jeweils ein geeigne-
14 tes Suffix angehängt wird, bei der Attribution nicht relativisiert werden, während es nach dem Kriterium Kopulalosigkeit eine adjektivlose Sprache sein sollte (vgl. Beisp. (2-9)): (2-14) a. mekteb-e gid-en adam Schule-DAT geh-REL Mann Mann, der zur Schule geht b. kücük ev klein Haus kleines Haus
(Lehmann 1984: 53)
In Bezug auf das Japanische erweist sich der Relativisierungstest ebenfalls als inkompatibel mit dem Kriterium ,Kopulalosigkeit', nach der es über keine von Verben distinkte Wortart Adjektiv verfügen sollte (s.o.). Darüber hinaus stellt sich nämlich die Adäquatheit des Relativisierungstests als das relevante Kriterium zur Wortartenunterscheidung in Frage, da die Verben im Japanischen, die in der pränominalen Stellung stets relativisiert sein müssen, auch nicht-relativisiert auftreten - analog zu den Wörtern mit der den Adjektiven des Deutschen äquivalenten Bedeutung. Es wäre jedoch unsinnig, daraus zu schließen, dass das Japanische nicht über Verben, sondern nur über Adjektive verfüge: (2-15) a. Ano hito-ga hon-o kaita. DEM Mensch-NOM Buch-AKK schreib-Prät. Der Mensch da hat ein Buch geschrieben, b. Ano ie-wa yane-ga akai. DEM Haus-TOP Dach-NOM rot Das Haus da hat ein rotes Dach. (2-16) a. Kore-wa ano hito-ga kaita hon desu. DEM-TOP DEM Mensch-NOM schreib-Prät. Buch Dies ist das Buch, das jener Mensch geschrieben hat. b. yane-ga akai ie Dach-NOM rot Haus Haus, dessen Dach rot ist In (2-17) werden die bis jetzt eingeführten ,Relativisierungsmittel" zusammenfassend aufgelistet: (2-17)
Relativisierungsmittel Sprachen Türkisch Mohave Chinesisch Koreanisch Japanisch
Verben u.a. Suffix -en Präfix kwSuffix -de Suffix-nun 0
Äquivalent für Adjektive 0 0 Suffix -de Suffix-un
0
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Wie sich zeigen lässt, zeichnet sich die Relativisierung im Sinne von Schachter (1985) und Hengevelt (1992) durch die Hinzufügung eines morphologischen Elements bei der attributiven Funktion des relevanten Wortes aus. Es wurden allerdings darüber hinaus keine weiteren grammatischen Bedingungen für das Phänomen Relativisierung eingeführt, durch die man den Fall des Japanischen erklären könnte. Es kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Im Mohave, das oben als eine Sprache mit einer von Verben distinkten, offenen Adjektivklasse analysiert wurde, erscheinen ausgerechnet Farbausdrücke in der attributiven Position relativisiert, während Farbausdrücke auch in Sprachen mit geschlossener Adjektivklasse zentrale Mitglieder dieser Kategorie darstellen. 8 Das Kriterium Relativisierung ergibt somit den Widerspruch, dass die Farbausdrücke im Mohave zu den Verben gehören müssten, die sich sprachuniversell als feste Mitglieder der Kategorie Adjektiv erweisen. 9 (2-18)
hatcoq k w -avasu: - n y m-iyu:? Hund REL- blau - DEF Sbj .-seh Hast du schon mal einen blauen Hund gesehen?
(Lehmann 1979: 112)
2.1.3.2. Lehmann (1984) In seiner umfangreichen Habilitationsschrift „Der Relativsatz (1984)" untersucht Lehmann die Struktur und Funktion von Relativsätzen in typologischer Hinsicht. Bei der Behandlung der Beziehung zwischen Relativsatzkonstruktion und Adjektivattribut kommt er auch zu dem Ergebnis, dass in bestimmten Sprachen Adjektive nicht als eine eigenständige Wortart existieren, sondern als eine Subklasse der Verben. Es werden hierfür zwei Bedingungen aufgestellt (Lehmann 1984: 188ff.): 1. Ein Relativsatz mit adjektivischem Prädikat fallt mit dem einfachen Adjektivattribut zusammen, d.h. die Sprache hat bei adjektivischem Prädikat keine Kopula. 2. Die Verfahren zur Attribution von Adjektiven und von Relativsätzen sind identisch. Zu den Sprachen, in denen beide Voraussetzungen zutreffen, gehören u. a. Japanisch und Chinesisch. Sie wurden also auch bei Lehmann (1984) als Sprachen ohne von Verben distinkte Adjektive analysiert. Im Unterschied zu Schachter (1985) oder Hengevelt (1992) ist jedoch bei Lehmann die Relativisierung ein Phänomen, das über die morphologische Markierung hinausgeht: In dem folgenden Beispiel aus dem Japanischen ist das Wort akai (,rot') in (2-19)b als relativisiert zu betrachten, im Unterschied zu (2-19)a, wobei die Relativisierung ohne formale Markierung erfolgt, was auch in dem attributiven Relativsatz (219)c der Fall ist. 8
9
Das Verbalpräfix kw- sei im Übrigen im ,Imperial-Valley-Dialekt\ der mit dem Mohave grammatisch eng verwandt ist, optional (s. Lehmann 1984: 110). Nach Dixon (1982) und Dixon (1994: 34) sind Dimension, Alter, Wert und Farbe diejenigen semantischen Klassen, die am engsten mit der Wortart Adjektiv verknüpft sind. Demnach kommen in Sprachen, deren Adjektivklasse extrem klein ist, nur diese semantischen Klassen als Adjektive zum Ausdruck.
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(2-19) a. Ano ie- wa yane-ga akai. jenes Haus-TOP Dach-NOM rot (Präs.) Jenes Haus hat ein rotes Dach, b. akai yane c. yane-ga akai ie rot Dach Dach-NOM rot Haus rotes Dach ein Haus, dessen Dach rot ist Weil im Japanischen somit die beiden oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, sei das Wort akai (,rot') der Wortart Verben zuzurechnen. Die Zuordnung eines Wortes wie akai zur Wortart Verb führt Lehmann (1984: 190) aber auch auf die Annahme zurück, dass „die Adjektive in ihrer ,primären' Funktion attributiv sind; wenn sie prädikativ gebraucht werden, ist es ihre sekundäre Funktion. Beweis dafür ist die Notwendigkeit zusätzlicher Strukturmittel - wie etwa der Kopula - , welche das Wort akai in (2-20) nicht benötigt. Dass Adjektive in ihrer primären Funktion attributiv sind, zeigt Lehmann (1984: 189) anhand der Beispiele (2-20) b, c und d, die verdeutlichen sollen, dass sich nicht alle attributiven Adjektive von einem Relativsatz ableiten lassen: (2-20) a. b. c. d.
der alte Hut der wollene Schal der starke Raucher der alte Bekannte
der Hut, der alt ist ? der Schal, der wollen ist ? der Raucher, der stark ist ? der Bekannte, der alt ist
Im Zusammenhang mit dieser Annahme stellen sich zwei Fragen: 1. Lässt sich eine ,primäre' Funktion der Adjektive feststellen? In dieser Weise argumentiert, wie Lehmann, auch Sasse (1993: 661), wenn er sagt, dass Adjektive in ihrer prototypischen Funktion attributiv sind, denn in einigen Sprachen treten Adjektive nur als Modifizierer, nicht aber als Prädikate auf. Dass die Attributivkonstruktionen in (2-20) b, c und d nicht als Prädikatskonstruktionen mit prädikativem Adjektiv und Kopula paraphrasiert werden können, reicht meiner Meinung nach nicht zur Aufstellung der These aus, dass Adjektive primär attributiv seien. Es gibt ja schließlich im Deutschen auch solche Adjektive, die nur prädikativ verwendbar sind. Die Tatsache, dass die Adjektive in ihrer prototypischen Funktion attributiv seien, soll nach Sasse (1993: 661) ihren Niederschlag in der kategorieetablierenden Morphologie finden, nämlich in der morphologischen Kongruenz mit dem zu modifizierenden Nomen. Weil aber diese Kongruenz mit dem Nomen auf keinen Fall sprachuniverseller Natur ist, verliert die Annahme ihre Stichhaltigkeit. 2. Dass das (Nicht-)Vorhandensein einer Kopula als Kriterium für die Unterscheidung zwischen Adjektiv und Verb nicht immer tauglich ist, wurde schon anhand von Beispielen aus dem Türkischen gezeigt (s. (2-9)). Die Übereinstimmung der morphologischen Mittel zur Attribution von Adjektiven und von Relativsätzen in bestimmten Sprachen stellt m.E. kein Kriterium dar, das für die Unterscheidung der Wortarten angewendet werden kann. Zudem basiert diese Annahme auf dem bereits problematisierten Argument, dass ein Wort dann ein Verb ist, wenn es ohne Kopula als Prädikat auftritt.
17 Anschließend möchte ich die gängige typologische Einteilung zwischen sog. rigiden Sprachen mit geschlossener oder keiner distinkten Adjektivklasse und den adjektivdominanten Sprachen mit offenen Adjektivklassen in Frage stellen, weil diese Einteilung auf dem Kriterium basiert, das oben kritisch diskutiert worden ist. Man beachte, dass diese für „rigid" gehaltenen Sprachen sowohl bei Dixon (1982) als auch bei Hengevelt (1992) vorwiegend bzw. ausschließlich „exotische" Sprachen sind, deren Grammatik und Wortarteneinteilung aus dem Blickwinkel der indogermanischen Sprachen relativ schwer zugänglich ist. In Dixon (1982) z.B. wurden von den 17 Sprachen, die als Untersuchungsgegenstand ausgewählt wurden, 15, also die meisten Sprachen - Swahili, Luganda, Bemba, Japanisch, Sango, Acooli, Hua, Alamblak, Telugu, Kiriwinian, Chinook, Yurok und Dyrbal - als Sprachen mit geschlossener oder keiner distinkten Adjektivklasse klassifiziert. Einzig Englisch und Trotzil erweisen sich als Sprachen mit offener Adjektivklasse. Da es sich bei allen um mehr oder weniger „exotische" Sprachen handelt, besteht m.E. die Möglichkeit, dass man die in der jeweiligen Sprache möglicherweise doch vorhandene Adjektivklasse übersehen haben könnte, wenn man bei der Suche nach der Wortart Adjektiv morphosyntaktische Kriterien verwendet, die für die indogermanischen, jedoch nicht für diese Sprachen relevant sind. In seinem neueren Aufsatz „Adjectives" bleibt Dixons (1994: 31) Standpunkt zur morphosyntaktischen Adjektivdefinition unverändert. Er schreibt: A linguist must establish word classes for a given language using grammatical criteria appropriate to that language [....] Quite different criteria are used, in terms of the rather different grammatical structures of these two languages.10
Neu ist aber, dass die grammatischen Kriterien für die Wortartenbestimmung, die sprachspezifisch sind, auf die einzelsprachliche Ebene beschränkt und nicht auf die übereinzelsprachliche Ebene ausgedehnt werden, wie es bei Dixon (1982) noch der Fall war. Demnach seien das Mandarin-Chinesische, das Koreanische und Dyrbal, die in Schachter (1985) und Dixon (1982) zu den rigiden Sprachen mit geschlossenen Adjektivklassen gezählt wurden, den Sprachen mit offener Adjektivklasse zuzurechnen: Die Adjektive in diesen Sprachen besitzen grammatische Merkmale, die den Verben sehr ähnlich sind. Die Unterscheidung zwischen Adjektiv und Verb ist sprachspezifisch bedingt. Obwohl Dixon (1994) somit das Problem der morphosyntaktischen Adjektivdefinition erkennt und einen Schritt weiter geht, bleiben alte, grundlegende Fragen noch offen: Wie erkennt man überhaupt, dass eine bestimmte Sprache wie das Koreanische über „Adjektive" verfügt? Oder woher weiß man, dass eine bestimmte Wortart, die sich sprachintern grammatisch von Verben und Nomina unterscheidet, sprachuniversell der Wortart Adjektiv zuzurechnen ist? Und, wenn die Adjektivdefinition ausschließlich auf sprachspezifische grammatische Kriterien angewiesen ist, wie geht man vor bei den sog. exotischen Sprachen, die nur von wenigen Sprechern gesprochen werden und noch über keine eigenen, systematisierten Untersuchungen zur Grammatik verfügen?
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Bei Dixon (1994) kommt,grammatical criteria' gegenüber .semantic criteria' dem morphosyntaktischen Kriterium gleich.
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2.2.
Semantisch-funktionelle Kriterien
In vorangegangenen Stellen war stets von ,semantisehen Äquivalenzen' bzw. von ,semantisch korrespondierenden Wörtern' die Rede, wenn man das Gegenstück für die Adjektive im Deutschen in den typologisch nicht verwandten Sprachen suchen sollte. Manche Linguisten sehen in der Tat die Semantik als mögliche Grundlage für die Wortartendefinition. Dixon (1982) sowie Dixon (1994:31), die im Vorangehenden mehrfach erwähnt wurden, sprechen auch eigentlich von der universellen semantischen Grundlage, die als Basis für die zwischensprachliche Korrespondenz fungiert: So können Elemente der Wortart Nomen im Englischen und im Lateinischen z.B. aufgrund ihrer gemeinsamen Semantik bei der Benennung von Gegenständen miteinander korrespondieren und mit dem gleichen Term 'Nomen' bezeichnet werden, obwohl sie unterschiedliche morphologische und syntaktische Merkmale aufweisen. Bei der Adjektivdefinition aber wird diese universell-semantische Grundlage, die für die Identifikation der Wortarten über verschiedene Sprachen hinweg erforderlich ist, nicht berücksichtigt. In Dixon (1982) wurden die semantischen Äquivalente der Adjektive im Englischen, die sich in anderen Sprachen finden, von vornherein von der Wortart Adjektiv ausgeschlossen, weil sie von den Adjektiven im Englischen verschiedene morphosyntaktische Merkmale aufweisen. Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten die Probleme solcher grammatischer Kriterien gezeigt wurden, ist es nicht verwunderlich, dass Dixon die Frage als Überschrift stellen muss: „Where have all the adjectives gone?". In seiner revidierten Auffassung der Kategorie Adjektiv plädiert er ebenfalls für eine universell-semantische Grundlage einer Definition auf der übereinzelsprachlichen Ebene (Dixon 1994), die aber keinen Anschluss an die Adjektiverkennnung in Einzelsprachen findet, weil er dort wieder auf grammatische, d.h. morphosyntaktische Kriterien aufbaut (s.o.). Lyons (1973 3 : 330ff.) sieht bezüglich der Adjektiv-Verb-Unterscheidung innerhalb der Einzelsprachen einen inhaltsbezogenen Aspekt, nämlich den, dass die Adjektive 'Eigenschaften' angeben, während Verben entweder 'Tätigkeiten' oder 'Zustände' bezeichnen. Dabei weist er auf das Problem hin, dass die Grenze zwischen 'Eigenschaft' und 'Zustand' nicht so ist wie zwischen 'Zustand' und 'Tätigkeit': Bei Wörtern wie wissen, existieren, fröhlich und jung ist es schwer zu sagen, ob sie eine Eigenschaft oder einen Zustand bezeichnen. Dies ist der typische Vorwurf, der gegen die semantisch orientierte Wortartendefinition erhoben wird." Hier schaltet Lyons morphosyntaktische Kriterien ein, um die grammatische Zusammengehörigkeit von wissen und existieren einerseits und fröhlich und jung andererseits zu belegen. Weil sich diese Kriterien aber auf sprachuniverseller Ebene nicht ohne weiteres anwenden lassen - es gibt ja bekanntlich Sprachen wie das Chinesische, deren Wortarten morphosyntaktisch nicht gekennzeichnet werden, - schließt sich auch Lyons der Mehrheit der Linguisten an, die annimmt, dass es in Sprachen wie dem Chinesischen keine Tren-
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Der Unterschied zwischen Eigenschaft und Zustand zeigt sich darin, dass eine Eigenschaft über längere Zeit bzw. immer konstant bleibt, während ein Zustand temporär ist: Hans ist groß vs. Hans ist unruhig (vgl. Ehrich/Vater ! 989). Wie diese Beispiele zeigen, ist es nicht so, dass 'Zustände' nur vom Verb bezeichnet werden: Adjektive dienen auch als Zustandbezeichnungen. Hierin überschneiden sie sich semantisch mit Verben, die neben Ereignissen auch Zustände bezeichnen.
19 nung zwischen Verben und Adjektiven gibt, sondern lediglich eine Trennung zwischen Verben des Zustandes und Verben der Tätigkeit. Man beachte aber an dieser Stelle, dass die Unterscheidung zwischen Verben des Zustandes und Verben der Tätigkeit, die anstelle der Unterscheidung zwischen Adjektiven und Verben vorgeschlagen wurde, auch ein semantisches Kriterium ist: Obwohl die beiden Merkmale ,Zustand' und ,Tätigkeit' den Verben zugesprochen wurden, setzt Lyons (19733: 331) selbst den ,Zustand' dem ,statischen' und die ,Tätigkeit' dem ,nichtstatischen' Aspekt gleich, der jeweils den Adjektiven und Verben zugehört: Gerade der Aspektunterschied, wenn überhaupt etwas, entspricht jedoch der inhaltsbezogenen Distinktion von Verb und Adjektiv als Träger von Handlung bzw. Eigenschaft. [...] Der statische Aspekt ist die Norm für die Klasse der Adjektive, jedoch nicht die Norm für Verben. Eine Tätigkeit anzuzeigen ist dagegen das Normale für Verben, jedoch anomal für Adjektive.
Das oben erwähnte Problem der semantischen Adjektivdefinition bleibt allerdings ungelöst, weil Wörter wie z.B. schweigen, wissen als Zustandsbezeichnungen verstanden werden können und somit einen statischen Aspekt haben, obwohl sie zweifelsohne den Verben zugehören. Geht man ausschließlich davon aus, dass die Adjektive zur Bezeichnung von Eigenschaften dienen, die einem Wesen/Gegenstand zugeschrieben werden, ergeben sich weitere Probleme, wie sie in Heidolph et al. (1981: 601) beschrieben sind: Das gleiche Konzept, das im Basismorphem eines Wortes als Eigenschaft bezeichnet ist, kann innerhalb von Einzelsprachen wie im Deutschen sowohl als Nomen (die Wärme) und als auch als Adjektiv {warm) erscheinen (vgl. auch Hengeveldt 1992: 51). Wenn also die universal-semantische Grundlage, die beim Vergleich der Wortarten zwischen Einzelsprachen als Basis fungiert, bei der Adjektivdefinition als das passende Kriterium zur Geltung gebracht werden soll, müssen zunächst die oben dargestellten Probleme gelöst werden. An dieser Stelle sei auf den Vorschlag in Coseriu (1992) hingewiesen, der eine Unterscheidung zwischen zwei Arten von Bedeutung macht: Die eine ist die lexikalische Bedeutung, das 'Was' der Bedeutung, die außersprachliche Konzepte bzw. Gegenstände bezeichnet. Die andere ist die kategorielle Bedeutung, - dieses 'Wie' der Bedeutung betrifft die Art und Weise, wie die lexikalische Bedeutung erfasst wird. Die kategorielle Bedeutung eines Wortes wird klar, wenn man das Wort in Sätzen anordnet und seine Funktion feststellt.12 So unterscheiden sich warm und die Wärme z.B. voneinander in der kategoriellen Bedeutung, aber nicht in der lexikalischen. Die Einwände gegen die semantische Natur der Wortkategorien führt Coseriu darauf zurück, dass in Definitionen die lexikalische Bedeutung mit der kategoriellen Bedeutung verwechselt wird: Die Wortkategorien sind zweifelsohne semantische Kategorien, sie haben jedoch keine lexikalische, sondern kategorielle Bedeutung. Demnach verlieren die Argumente gegen die semantische Adjektivdefinition, die oben angeführt sind, ihre Gültigkeit. Dies gilt z.B. für das Argument, dass Wörter wie schweigen, wissen, Güte und Wärme auch Eigenschaften bezeichnen, ohne Adjektiv zu sein. Ansonsten müsste man, wie Coseriu bemerkt, fragen, warum die Wörter Eigenschaft und Adjektiv keine Adjektive sind, die doch eher als jedes andere Wort Eigenschaft und Adjektiv bedeuten. 12
Coseriu (1987: 370) bezeichnet die kategorielle Bedeutung als „Gußformen, in denen sich der lexikalische Inhalt im Sprechen organisiert".
20 Die kategorielle Bedeutung soll darüber hinaus einen wichtigen Vorteil für die sprachübergreifende Adjektivdefinition bieten, weil sie eine universelle Bedeutungsweise ist, die in tatsächlich vorkommenden Sprechakten festgestellt und ohne notwendigen Bezug auf eine bestimmte Sprache definiert werden kann. Dagegen können die lexikalischen Bedeutungen von Wörtern eigentlich gar nicht innerhalb der Sprachwissenschaft definiert werden: Es werden lediglich deren Verwendungen innerhalb der Einzelsprachen registriert und systematisch dargestellt (vgl. Coseriu 1992: 371). Eine Frage, die Coseriu allerdings nicht weiter behandelt, ist, wie sich eine Wortart durch ihre universelle Bedeutungsweise, wie sich das ,Wie' der Bedeutung im Sprechen organisiert: Er geht davon aus, dass die Bedeutungsweisen in der jeweiligen Sprache spezifische Formschemata haben und dass die syntaktische, „physikalische" Umgebung, in der eine Bedeutungsweise als eine „geistige" Form erscheint, kein Indiz für die Bestimmung des Status der Wortart liefern kann. Dass die morphologischen und syntaktisch-distributionellen Kriterien fur die Adjektivdefinition nicht ausreichend sind, wurde bereits in den vergangenen Abschnitten diskutiert. Wenn aber Adjektive aufgrund der kategoriellen Bedeutung sowohl auf der einzelsprachlichen als auch auf der übereinzelsprachlichen Ebene definierbar werden sollen, muss auch konkretisiert werden, worin die Universalität der Bedeutungsweise besteht, die in der Sprechtätigkeit zu erkennen sein soll. An dieser Stelle ist es aufschlussreich, einen Blick auf die Wortartendefinition der traditionellen Grammatik von Sprachen wie dem Koreanischen, dem Japanischen und dem Chinesischen zu werfen. So können wir feststellen, ob und wie in diesen Sprachen die semantischen Äquivalente der Adjektive der indogermanischen Sprachen definiert sind und wie sich deren universelle Bedeutungsweise zeigt. Zunächst stellt sich heraus, dass sowohl die traditionelle Grammatik des Koreanischen als auch die des Japanischen und Chinesischen diese Wörter als eine von Verben distinkte Wortart definiert. Im Koreanischen heißt sie ,hyongyongsa', im Japanischen ,keyoshi' und im Chinesischen ,xingr0ngci'. 13 Die Wortart 'hyongyongsa' der koreanischen Grammatik gehört zusammen mit den Verben zu den 'yongon' (flektierende Wörter) und teilt die meisten syntaktischen Funktionen mit den Verben. So wie schon die Bezeichnung dieser Wortart darauf hinweist, - 'die beschreibende Wortart' - , ist sie als eine Wortart definiert, die den Zustand bzw. die Eigenschaft eines außersprachlichen Gegenstandes beschreibt. Von den Verben 'dongsa' 'die die Bewegung kennzeichnende Wortart' - wird sie durch ihre Semantik unterschieden. Als Teilkategorien der 'yongon' weisen 'hyongyongsa' und 'dongsa' im Koreanischen gleiche Flexionsparadigmen hinsichtlich der attributiven, adverbialen und prädikativen Stellung auf, allerdings mit der geringen Abweichung, dass die 'hyongyongsa' in der attributiven Stellung kein Suffix -nun zu sich nimmt, das den progressiven Aspekt bezeichnet (vgl. Nam/Go 19932: 62ff.). 'Keyoshi' in der japanischen Grammatik weisen ebenfalls den Verben parallele morphosyntaktische Eigenschaften auf, wobei die gleichen Restriktionen hinsichtlich der Flexionsparadigmata vor Nomina, Konjugation und modalen Operationen gelten. 'Keyoshi' haben eine gegenüber den Verben 'doshi' teilweise morphologisch leicht differenzierte Form, so z.B. in der Konverbalform. Weil die beiden Wortarten jedoch bei sonstigen Formen - wie im 13
Die sinokoreanische und die sinojapanische Lesung 'hyongyongsa' und 'keyoshi' sind ursprünglich auf die gleiche Bezeichnung durch chinesische Schriftzeichen zurückzuführen, wobei die Bedeutung dieser Schriftzeichen etwa 'die beschreibende Wortart' ist.
21 Gerundium, Präteritum und in der Suppositivform - die gleiche Markierung tragen, sind sie nicht immer morphologisch voneinander unterscheidbar (Mattissen 1995: 14ff.). 'Keyoshi' lassen sich somit von Verben grundsätzlich durch ihre Semantik als eine distinkte Wortart abgrenzen. Dasselbe gilt auch für die Wortart 'xingröngci' des Chinesischen. Wie schon erwähnt, gibt es im Chinesischen keine morphologische Kennzeichnung für unterschiedliche Wortarten. Die den 'xingröngci' zugerechneten syntaktischen Merkmale, nämlich dass sie ohne das Zeichen 'shi' prädikativ verwendbar sind und kein Akkusativobjekt haben können, finden sich auch bei intransitiven Verben. Das entscheidende Kriterium für die Bestimmung der Wortart der xingröngci ist, dass sie Eigenschafts- und Zustandsbezeichnungen repräsentiert (vgl. Oh 1993: 31). Dass ,hyongyongsa', 'keyoshi' und 'xingröngci' in der traditionellen Grammatik der jeweiligen Sprache somit aufgrund ihrer Semantik als eigenständige Wortart definiert sind, halte ich zunächst für einen Faktor, der eine auf der Semantik basierte Adjektivdefinition unterstützt, denn sie gilt nicht nur für die übereinzelsprachliche, sondern auch für die einzelsprachliche Ebene, zumindest was diese drei Sprachen betrifft. Darüber hinaus zeigt sich, dass sie nicht nur eine gemeinsame semantische Basis haben, sondern sich auch im Hinblick auf ihre syntaktischen Funktionen in Sätzen ähnlich verhalten: Die drei Wortarten üben alle attributive, prädikative und adverbiale Funktionen in Sätzen der jeweiligen Sprache aus, so wie es bei den Adjektiven im Deutschen der Fall ist: Die jeweilige Funktion der 'hyongyongsa' im Koreanischen wird morphologisch gekennzeichnet. (2-21) a. bamhanul-ui byoldul-i arumdap-da. Nachthimmel-GEN Sterne -NOM schön(Präs)-Dekl. Die Sterne des Nachthimmels sind schön. b. bamhanun-ui arumda-un byoldul Nachthimmel-GEN schön-attrib. Sterne schöne Sterne des Nachthimmels c. bamhanul-ui byoldul-i arumdap-ge bitna-n-da. Nachthimmel-GEN Sterne-NOM schön-adverb. leuchten-Präs-Dekl. Die Sterne des Nachthimmels leuchten schön. Im Japanischen wird die attributive Funktion der keyoshi meistens morphologisch nicht markiert, wogegen bei der adverbialen Funktion dem Adjektivstamm das Suffix -ku angehängt wird:14 (2-22) a. yozora-no hoshi-ga utsukushii. Nachthimmel-GEN Sterne-NOM schön-Präs. Die Sterne des Nachthimmels sind schön. b. yozora-no utsukushii hoshi Nachthimmel-GEN schön Sterne schöne Sterne des Nachthimmels 14
Eine unwesentliche Ausnahme bilden die Lehnwörter aus dem Chinesischen, deren attributive bzw. adverbiale Funktion durch das Suffix -ni bzw. -na angezeigt wird: z.B. shinsetsu-na hito 'freundlicher Mensch', shinsetsu-ni tasukeru 'freundlich helfen'.
22 c. yozora-no hoshi-ga utsukushi-ku kagaya-iteiru. Nachthimmel-GEN Sterne-NOM schön-adverb. leuchten-Progressiv Die Sterne des Nachthimmels leuchten schön. Das Suffix -de im Chinesischen, das in Lehmann (1984) als Relativsatzmarkierer und als ein Hinweis auf die Zugehörigkeit zu den Verben angesehen wird, wird in der chinesischen Grammatik als ein morphologischer Markierer für die attributive ((2-22) b) bzw. genitive Funktion ((2-22) a und b) aufgefasst, die sich nicht nur bei Verben oder 'xingrongci', sondern auch bei Nomina finden lässt (s. (2-22) a und b): (2-23) a. yekongli-de xingxing meili. Nachthimmel-GEN Sterne schön Die Sterne des Nachthimmels sind schön. b. yekongli-de meili-de xingxing Nachthimmel -GEN schön-attrib. Sterne schöne Sterne des Nachthimmels c. xingxing zaz yekongli shanshuo de-meili Sterne in Nachthimmel leuchten adv.-schön Die Sterne am Nachthimmel leuchten schön. Diese Parallelität bezüglich der syntaktischen Funktionen bestätigt m.E. die Existenz der Wortart Adjektiv in diesen Sprachen. Dies ist gleichermaßen in den indogermanischen Sprachen der Fall, so z.B. im Französischen, Englischen und Lateinischen, die die Wortart ' a d j e c t i f , 'adjective' und 'nomen adiectivum' besitzen: 15 (2-24) a. 11 parle a haute voix. b. Sa voix est si haute. c. II parle si haut. (2-25) a. a very fast run b. He is very fast. c. He runs fast. (2-26) a. laeta puella b. Laeta est. c. Laetus cantat.
(Glinz 1994: 16 u.17)
Aufgrund bisheriger Beobachtungen liegt die Feststellung nahe, dass 'hyongyongsa', 'keyoshi' sowie 'xingrongci' gemeinsam mit den korrespondierenden Wortarten in den indogermanischen Sprachen als eine universelle Wortkategorie 'Adjektiv' definiert werden 15
Die Anzahl der Adjektive, die adverbial gebraucht werden können, ohne dabei ihre Wortart zu ändern, ist in Sprachen wie dem Englischen und Französischen im Vergleich zum Deutschen verhältnismäßig gering. Dagegen werden die hyongyongsa im Koreanischen fast ausnahmslos auf diese Art verwendet. Trotz dieser unterschiedlichen Verfügbarkeit im adverbiellen Bereich steht fest, dass Adjektive in der jeweiligen Sprache diejenige Wortart bilden, die eventuell eine adverbiale Funktion - neben der attributiven und prädikativen - ausüben kann.
23 können: Die kategorielle Bedeutung der Wortart Adjektiv besteht m.E. darin, dass ihr semantischer Gehalt 'Eigenschaft' bzw. 'Zustand' mit den syntaktischen Funktionen - attributiv, prädikativ und adverbial - korreliert. Nomina wie Wärme und Güte, die auch als Eigenschaftsbezeichnungen verstanden werden können, unterscheiden sich von Adjektiven dadurch, dass sie in einem Satz neben ihrer attributiven, adverbialen und prädikativen Funktion als Subjekt und Objekt fungieren; der Unterschied zwischen Zustandsverben wie in Hans sitzt/Hans weiß es und Zustandsadjektiven in Hans ist aufgeregt/unruhig auf der anderen Seite besteht darin, dass Adjektive neben ihrer prädikativen Funktion noch attributiv und adverbial vorkommen können. An dieser Stelle möchte ich noch einmal daraufhinweisen, dass die Attribution nicht als die prototypische Funktion der Adjektive anzusehen ist, die Sasse (1993: 65Iff.) oder Dixon (1994) fur die Wortart Adjektiv als Teil einer Kombination 'Adjektiv - Attribution (Modifikation) - Eigenschaft' postulieren, in der die Adjektivsemantik mit der attributiven Funktion fest in Verbindung steht: Nach Sasse ist die Attribution „that operation by which we can combine concepts into more specifically modified ones". Prädikation dagegen sei diejenige linguistische Operation, die einer Proposition erlaubt, „to assume a self-contained linguistic form, a sentence." Den Adjektiven kommen meiner Meinung nach beide Operationen zu, weil sie in ihrer prädikativen Funktion die Gegenstände bzw. Individuen bezüglich ihrer Eigenschaft charakterisieren und dies gleichzeitig in Form eines Satzes ausgedrückt wird, wobei der Inhalt dieses Ausdrucks jedoch nicht ein 'Ereignis' ist, welches prototypisch durch ein Verb kodiert wird. Diese Annahme sehe ich als bestätigt an, denn es gibt Sprachen wie das Koreanische und das Japanische, in denen die prädikative Funktion der Adjektive in der Morphologie ihren Niederschlag findet, nämlich in Form des Konjugationsmorphems (s. (2-5) u. (2-13)). Daneben gibt es auch die Untersuchung von Thomson (1988: 174), in der festgestellt wird, dass die prädikative Verwendung von Adjektiven, die im allgemeinen für nicht prototypisch gehalten wird, im Englischen viel häufiger vorkommt als die attributive Verwendung, etwa 68 % zu 32 %. Man sollte nun aber aus diesen Tatsachen nicht die Konsequenz ziehen zu behaupten, dass die Prädikation die prototypische Funktion der Adjektive dieser Sprache sei. Es müssen also bei der Definition der Wortart Adjektiv über ihre kategorielle Bedeutung sämtliche syntaktische Funktionen berücksichtigt werden, die sie im Satz ausüben können. Bis jetzt wurde die revidierte Auffassung von der kategoriellen Bedeutung als adäquates Kriterium für die Adjektivdefinition vorgeschlagen, das über typologische Unterschiede hinweg funktionieren kann: Sie verbindet die einzelnen lexikalischen Bedeutungen mit ihren syntaktischen Funktionen, die diese Wortart sprachuniversell ausübt. Darüber hinaus besteht der Vorteil einer derartigen Definition von Adjektiven darin, dass sie den sprachspezifischen morphosyntaktischen Merkmalen freien Raum lässt: Die sprachspezifischen morphosyntaktisehen Merkmale, die bei Adjektiven auftreten und eine universelle Adjektivdefinition zu erschweren schienen, liefern nun Grundlage für die weiteren syntaktischen Untersuchungen der Adjektivphrase im Rahmen der Generativen Grammatik, die in den nächsten Kapiteln dieser Arbeit vorzunehmen sind: Die (Nicht-)Deklinierbarkeit der Adjektive in der pränominalen Position, das (Nicht-)Vorhandensein einer Kopula in der prädikativen Konstruktion mit Adjektiv sowie das (Nicht-)Vorhandensein von Komparativbzw. Superlativsuffixen können als Parameter aufgefasst werden, die neben den invarianten UG-Prinzipien zusätzlich besetzt werden.
3.
Analyse der AP als Projektion der funktionalen Kategorie 'Degree'
3.1.
Vorbemerkungen
Adjektive bilden in jeder Sprache mit anderen Elementen zusammen Phrasen. Solche Phrasen werden Adjektivphrasen (AP) genannt. Es gibt neben AP noch andere Phrasen der jeweiligen syntaktischen Kategorien wie NP, VP, PP und AdvP. Im Folgenden werden einige Beispiele für APs gegeben, die sich im Deutschen und im Koreanischen finden. (3-1) a. Dieses Gebäude ist [Apder Renovierung bedürftig]. b. Er ist uns allen [Apan Intelligenz überlegen]. c. Ich bin [Apmit dem Ergebnis zufrieden]. (3-2)
a.
i gurim-i
[ A pSchilmul-goa bisutha-da].
dies Bild-NOM Original-mit ähnlich(Präs.)-Dekl. Dieses Bild ist dem Original ähnlich, b. i g o t g i h u - g a [Apyoyang-e dschokhapha-da]. hier Klima-NOM Kur-DAT geeignet(Präs.)-Dekl. Das Klima hier ist für die Kur geeignet. Mit den Fragen, wie diese Phrasen strukturiert sind und welche Regularitäten für ihren Aufbau gelten, beschäftigt sich die Generative Grammatik. Im Rahmen der Generativen Grammatik wird die syntaktische Strukturierung dieser Phrasen durch die X-Bar-Theorie beschrieben, deren Grundlage bereits von Chomsky (1970) entwickelt wurde. Die X-BarTheorie, die eine möglichst universelle, für alle natürlichen Sprachen geltende Beschreibung von Phrasenstrukturen zu leisten hat, durchlief mehrere Entwicklungsphasen insofern als spätere generative Arbeiten die empirischen und theoretischen Nachteile der früheren Modelle problematisierten und anhand von neuen Vorschlägen ergänzten. Die Annahme von funktionalen Kategorien, die mit der Integrierung des Satzes in das X-Bar-Schema in Chomsky (1986a) begann, ermöglicht eine adäquatere Beschreibung der Phrasenstrukturen, wobei dies nicht nur die Satzstruktur betrifft, sondern auch die Struktur anderer Phrasen wie NP. In den folgenden Abschnitten geht es um die interne Struktur der AP im Deutschen und im Koreanischen. Als Grundlage dient die Theorie der funktionalen Kategorien, die in der GB-Theorie, aber auch in der neueren Version der Generativen Grammatik, im minimalistischen Programm, eine wichtige Rolle spielt. Zunächst aber werden Beispiele für APStrukturen dargestellt, wie sie im anfanglichen Stadium der GB-Theorie diskutiert wurden.
25 3.2.
X-Bar-Struktur der A P
Aus der universellen X-Bar-Regel in (3-3)a, die für alle syntaktischen Phrasen vorgeschlagen ist, lässt sich ein A-Bar-Schema wie (3-3)b ableiten. (3-3) a. X" b. A"
... X"·' ... ... A""1 ...
Die in (3-3)b dargestellte Form der X-Bar-Struktur der AP wird als die Standardversion angesehen, die der weiteren Analyse der AP-Strukturen zugrunde liegt. Sie besagt, dass a) in allen natürlichen Sprachen APs aus einem obligatorischen Kopf Adjektiv und aus fakultativ vorkommenden phrasalen Kategorien bestehen, die durch Punkte symbolisiert sind, und dass b) diese variable Sequenz von phrasalen Kategorien in sich weiter strukturiert ist, so dass innerhalb der maximalen Projektion AP ein hierarchischer Aufbau anzunehmen ist. In Schema (3-3)b bleiben aber die übrigen AP-strukturintemen Phänomene noch unspezifiziert, so auch die Frage, welche Kategorien innerhalb der AP der jeweiligen Stufe zuzuordnen und wieviele Projektionsstufen innerhalb der AP vorhanden sind. Gerade diese Fragen führen zu den folgenden Vorschlägen, die auf dem Weg zur Weiterentwicklung der X-Bar Struktur gemacht worden sind. In seiner „Einfuhrung in die Nominalphrasensyntax" z.B. baut Vater (1985) eine „vorläufig" zu betrachtende AP-Struktur analog zu seiner NP-Struktur auf, die auf der von Chomsky (1970) erstmalig beschriebenen und von Jackendoff (1977) weiter entwickelten X-Bar-Syntax basiert. Vater stellt zunächst zwei Projektionsstufen für die interne Struktur der AP fest, wobei die Frage noch offen bleibt, ob die A"-Stufe die maximale Projektion sein kann: A', die untere Stufe, enthält neben dem Kopf A° noch Valenzkomplemente, und die A"-Stufe umfasst neben A ' auch noch restriktive Komplemente. Dabei sind unter „Valenzkomplementen" solche Kategorien zu verstehen, die obligatorisch zu dem Kopf Α auftreten und von ihm Kasus zugewiesen bekommen, so wie die NP des Kriegs im unteren Beispiel (3-4). „Restriktive Komplemente" bezeichnen die übrigen Kategorien innerhalb der AP, die fakultativ zu den Valenzkomplementen auftreten: (3-4) a. die [Apnach der Schlacht [ A des Kriegs überdrüssigen ] ] Soldaten b.
A"
RK
nach der Schlacht
VK
des Kriegs
A°
überdrüssigen
(Vater 1985: 54)
Von restriktiven Komplementen zu unterscheiden sind 'Gradadverbien', die besonders eng zum Kopf Α gehören und ihm unmittelbar vorangehen, so dass sie nach Vater (1985) wie Valenzkomplemente in A' anzusiedeln sind: (3-5) a. die allen Leuten sehr willkommene Nachricht b.* die sehr allen Leuten willkommene Nachricht
26 (3-5)'
AP
NP
allen Leuten
ADG
A°
sehr
willkommene
Ein Problem dieser Zuordnung der 'Gradadverbien' in die A'-Stufe besteht in der Frage, ob sie funktionell als 'Valenzkomplemente' betrachtet werden können, weil sie keine obligatorischen Komplemente zum Kopf Α sind: Die Gradadverbien sind ihrer Funktion nach eher fakultative Elemente, die mit dem Subkategorisierungsrahmen des lexikalischen Kopfes nichts zu tun haben. In den neueren Modellen des X-Bar-Schemas wird angenommen, dass für die Beschreibung natürlich-sprachlicher Regularitäten drei Projektionsstufen - X°, X1 und X2 - ausreichen (Fanselow/Felix 1990: X). Für alle Phrasen ist lediglich zwischen Komplementen und Modifikatoren zu unterscheiden, wobei unter Modifikatoren Spezifizierer und Adjunkte zu verstehen sind. Demnach sieht die X-Bar Struktur folgendermaßen aus: (3-6)
XP
SPEC
X'
X'
X°
Adjunkt
Komplement
(Fanselow/Felix 1993 3 :54)
Die X-Bar Struktur (3-6) zeigt, dass anstelle der 'Valenzkomplemente', die die funktionale Schichtung reflektieren, 'Komplemente' allgemein als Schwesterknoten des Kopfes angenommen werden. Was den 'Spezifizierer' betrifft, ist jeder Kategorie eine unterschiedliche Regelung zuzuordnen, die die Struktur des Spezifizierers bestimmt. Für die AP schlagen Stowell (1981: 19) sowie Fanselow/Felix (19933: 54) vor, die links vom Kopf auftretenden phrasentypischen Modifikationen, z.B. das präadjektivische Adverb very innerhalb der AP very proud of his daughter als Spezifizierer anzunehmen:1 1
Eine AP-Struktur wie (3-7) gilt im Englischen jedoch nur für prädikative Adjektive. Bei der pränominalen Verwendung kann kein Komplement von Adjektiv zugelassen werden: Adjektive im Englischen sind innerhalb der AP stets linksperipher, und ein Komplement des Adjektives würde die Adjazenz zwischen dem pränominalen Adjektiv und dem Nomen verletzen, was zu einem ungrammatischen Ergebnis fuhrt: * the very proud of his daughter man. Im Deutschen dagegen sind
27 AP
(3-7)
SPEC
A'
very A°
proud
PP
of his daughter
Hier zeigt sich, dass den 'Gradadverbien', die in Vater (1985) auf der A'- Stufe standen, nun die SPEC-Position zugesprochen wird. Die Bestimmung der 'präadjektivischen Adverbien' als SPEC von AP bereitet allerdings Probleme, weil innerhalb einer AP mehr als zwei modifizierende Adverbien links vom Kopf Α auftreten können: (3-8) a. der oft seines Berufs sehr überdrüssige Mann b. der seines Berufs oft sehr überdrüssige Mann Weil man in einem Beispiel wie (3-8) nicht beide Adverbien als SPEC von AP ansetzen kann, muss näher bestimmt werden, welche Adverbien die SPEC-Position übernehmen können. Die übrigen Adverbien, die für diese Position nicht geeignet sind, sind als 'Adjunkte' aufzufassen, die im obigen Schema (3-6) zusammen mit einem weiteren X'Schwesterknoten von X' dominiert werden.2 Ein anderes Problem, welches die Zuordnung der präadjektivischen Adverbien in die SPEC-Position bereitet, ist, dass sie sowohl lexikalische (s. (3-9)a und b) als auch phrasale Kategorien (s. (3-9)c) sein können, während die universalgrammatische Generalisierung des X-Bar Schemas postuliert, dass alle an der Hauptprojektionslinie auftretenden Projektionen, d.h. Spezifizierer, Komplemente und Adjunkte, maximale Projektionen sein müssen (vgl. Fanselow/Felix 1990: IX, Haider 1988: 33). (3-9) a. sehr stolz auf seine Familie b. so glücklich wie nie zuvor c. die des Kriegs in hohem Maße überdrüssigen Soldaten Die AP-Struktur im Schema (3-7) enthält ein weiteres Problem: Die 'Gradadverbien' in der SPEC-Position der AP verursachen eine falsche lineare Ordnung innerhalb der AP, denn sie müssten als SPEC stets vor dem Komplement des Kopfes Α vorkommen, was aber nicht der Fall ist:
2
Adjektive bei der pränominalen Verwendung rechtsperipher, und es können neben dem präadjektivischen Adverb noch Komplemente vom Adjektiv links vom Kopf Α auftreten: der sehr um seinen Ruf besorgte Mann. Bei der prädikativen Verwendung können die Adjektive im Deutschen auch in der linksperipheren Position auftreten, falls sie ein PP-Komplement haben: Er ist stolz auf seine Tochter vs. Er ist auf seine Tochter stolz. Auf die präzise Klassifizierung der modifizierenden Adverbien innerhalb der AP und deren Positionierung innerhalb der AP wird im Abschnitt 3.3.1 und 3.3.3 eingegangen.
28 (3-10) a. * die sehr des Französischen bewanderte Frau b. * Er ist extrem der Tradition treu. Die obigen Beispiele zeigen, dass innerhalb der AP Adjazenz zwischen Gradadverbien wie sehr und extrem und dem Kopf A° verlangt wird.3 4 Dies deutet gleichzeitig daraufhin, dass die Adjazenzforderung zwischen dem Adjektiv und seinem kasusmarkierten Komplement im Vergleich dazu nicht primär ist. Die bisher aufgezählten Probleme der X-Bar Struktur der AP, die sich somit alle auf bestimmte modifizierende Adverbien innerhalb der AP - die 'Gradadverbien' im Sinne von Vater (1985) - beziehen, sehen zusammengefasst wie folgt aus: Die präadjektivischen Adverbien im allgemeinen bedürfen zunächst weiterer Klassifizierung, weil nicht alle modifizierenden Adverbien als SPEC aufzufassen sind. Es stellte sich jedoch heraus, dass selbst die Gradadverbien nicht in der SPEC-Position der AP stehen dürfen, da sie adjazent zum Kopf A° bleiben müssen. Darüber hinaus müssen sie als maximale Projektion auffassbar sein. Aus diesem besonderen Status dieser Adverbien innerhalb der AP ergibt sich die Notwendigkeit, die AP-Struktur anders zu analysieren als in bisher diskutierten Modellen. Eine Möglichkeit ist, diesen Adverbien eine eigene Projektion zuzuweisen, in der die AP als Komplement selegiert wird. Diese Möglichkeit bietet die Analyse der AP als eine funktionale Projektion „DegP (Degreephrase)", die in den nächsten Abschnitten behandelt wird.
3.3.
DegP-Analyse der AP
Der Vorschlag, die AP als Projektion der funktionalen Kategorie 'Deg(ree)' aufzufassen, stammt von Abney (1987). Nachdem Abney 'Det(erminer)' zu den beiden funktionalen Kategorien INFL und COMP hinzugefugt hat, schlägt er noch 'Deg' als weiteren Typ einer funktionalen Kategorie vor. Die grundlegende Idee der DegP-Analyse ist, die Komparationssuffixe der Adjektive und Gradadverbien, die Adjektive modifizieren, der Kategorie 'Deg(ree)' zuzuordnen und die herkömmliche AP als Projektion dieser Kategorie aufzufassen. So selegiert die funktionale Kategorie Deg als Kopf der DegP eine AP als Komplement, so wie Det eine NP als Komplement selegiert und eine funktionale Projektion DP projiziert:
3
4
Riemsdijk(1983) weist auf vergleichbare Phänomene innerhalb der VP hin: Gradadverbien treten immer zwischen V ° und dessen Komplement, Vgl. das folgende Beispiel (weitere Untersuchung dazu folgen in Abschn. 3.4.3.3.) a. weil dieses Buch mir völlig gefällt b. dass er sein Studium sehr hasst Sehr kann in einigen Fällen auch vor dem Komplement von Adjektiv vorkommen, wie z.B. der sehr in alten Traditionen befangene General. Vgl. auch die Beispiele in (3-61).
29 (3-11)
a.
DP SPEC
b.
1
DegP SPEC
D' D° das
Deg' NP Haus
Deg° AP sehr stolz auf sein Land
Die DegP-Analyse wie in (3-1 l)b bietet der X-Bar-Theorie zunächst den konzeptuellen Vorteil, dass Adverbien wie sehr, mehr und so, die in der herkömmlichen AP-Analyse wie lexikalische X°-Kategorien behandelt werden mussten (wobei sie der SPEC-Position der AP zugeordnet waren), nun als Köpfe der maximalen Projektionen dargestellt werden. Dadurch entsprechen sie der universalgrammatischen Anforderung im X-Bar-Schema, die besagt, dass alle an der Hauptprojektionslinie auftretenden Kategorien maximale Projektionen haben müssen (s.o.). Ein empirischer Vorzug der DegP-Struktur, der auf dem ersten Blick auffallt, liegt darin, dass das Problem der falschen linearen Ordnung innerhalb der AP geklärt werden kann, die durch die Platzierung der Gradadverbien in die SPEC-AP Position verursacht wurde: Innerhalb der DegP-Struktur verlangen die Adverbien, wenn sie als Deg°-EIement geeignet sind, als funktionaler Kopf Deg° Adjazenz zum Kopf A° der Komplementphrase AP (s. 3.4.1 u. 3.4.3). Im folgenden wird noch gezeigt, dass die DegPAnalyse geeignet ist, manche AP-strukturinternen Fragen zu beantworten, und dass sie darüber hinaus bestimmte Strukturgemeinsamkeiten bzw. -unterschiede zwischen der AP im Deutschen und Koreanischen systematisch erklären kann. Bevor in diesem Abschnitt näher auf die DegP-Analyse eingegangen wird, sind aber zunächst der Status der funktionalen Kategorien und die Voraussetzungen für funktionale Kategorien in Bezug auf 'Deg' zu überprüfen. Ich beziehe mich dabei auf die Kriterien, die in einschlägigen Arbeiten der Generativen Grammatik genannt werden.
3.3.1. 'Deg' als funktionale Kategorie Innerhalb der Kategorien, die am Satzbau beteiligt sind, wird zwischen lexikalischen und nicht-lexikalischen Kategorien unterschieden. Chomsky (1986b) rechnet Ersteren diejenigen Kategorien zu, die nach dem Merkmal [+N] / [+V] spezifiziert werden, wie z.B. Nomen [+N]/[-V], Adjektiv [+N] / [+V], Verb [-N] / [+V] und Präposition [-N]/ [-V], Zu den nicht-lexikalischen Kategorien gehören INFL und COMP. Die Bezeichnung 'nichtlexikalische Kategorien' wird von Fukui (1986) durch 'funktionale Kategorie' ersetzt, weil INFL und COMP doch aus dem Lexikon projiziert werden und selbständige lexikalische Items enthalten. Abney (1987: 65) dagegen spezifiziert die lexikalischen und funktionalen Kategorien durch die Merkmale [+N] und [+F], wobei das Merkmal 'F' für 'funktional' steht. Demnach ergibt sich eine Unterteilung in vier Klassen syntaktischer Kategorien:
[-N] [+N]
[-F] V, Aux, Ρ Ν, A, Q, Adv
[+F] I, COMP D
unspez. f. [+F] Ρ -
30 Ob das Merkmal [+N] bei der Unterteilung zwischen funktionalen Kategorien herangezogen werden kann, ist allerdings fraglich: Das Merkmal [+N] steht dafür, dass eine syntaktische Kategorie wie ein Nomen nach Numerus, Kasus und Genus flektiert, und ist für die funktionale Kategorie an sich irrelevant, es sei denn, die funktionalen Kategorien hätten alle das Merkmal [ - N ] . In Felix (1988) werden die funktionalen Kategorien als „Bündel abstrakter Merkmale" definiert, die keine einheitliche Repräsentation im Lexikon haben, während die lexikalischen Kategorien diejenigen sind, die durch die Merkmale [ + N ] / [ + V ] spezifiziert werden und im Lexikon als individuelles Item repräsentiert sind. Als funktionale Kategorien behandelt er INFL und Det, wobei sie jeweils für folgende Merkmale spezifiziert sein können: INFL = Det =
[Tempus, Aspekt, Modalität, Person, Numerus t Definitheit, Kasus, Numerus, Genus ] 5
]
Anhand von Beispielen in indoeuropäischen und anderen Sprachen wie dem Chinesischen und Japanischen stellt er fest, dass the set of features, which define functional categories are universal; however, individual languages may differ with respect to how many and which features they select the problem of language acquisition reduces to the task of finding out which features of a functional category are selected by a given language and how these features surface. The rest is completely determined by Universal Grammar. (Felix 1988: 38)
Chomsky (1989: 44) arbeitet die Idee der Parametrisierung aus und kommt auch zu dem Ergebnis: If substantive elements (verbs, nouns, etc.) are drawn from an invariant universal vocabulary, then only functional elements will be parametrized.
Demnach beziehen sich die Parameter der universalen Grammatik nicht auf universelle Prinzipien (vgl. Chomsky 1986a), sondern auf das Lexikon, auf einzelne lexikalische Elemente. Die Menge lexikalischer Elemente, mit denen eine Parametrisierung verbunden ist, ist dann auf funktionale Kategorien beschränkt, während „substantive elements" wie Verben und Nomina in den verschiedenen Sprachen uniforme Eigenschaften aufweisen (vgl. Grewendorf 1992). Die Untersuchungen in diesem Kapitel werden zeigen, dass diese vorangestellten Ideen der Parametrisierung auch in Bezug auf die Analyse der AP als Projektion der funktionalen Kategorie Deg ihre Berechtigung haben. 5
In diesen Bündeln enthalten sind morphosyntaktische Merkmale wie Personen, Numerus, Kasus sowie 'semantischere' Merkmale wie Tempus, Aspekt, Modalität und Definitheit. Vater (1996: 176ff.) macht auf den Unterschied zwischen dem Merkmal Definitheit und den morphosyntaktischen Merkmalen wie Kasus, Numerus und Genus bei D(et) aufmerksam: Das Merkmal 'Definitheit' kann nicht der funktionalen Kategorie D inhärent sein, wie dies bei morphosyntaktisehen Merkmalen der Fall ist: Die semantische Funktion der Definitheitsmarkierung sei nur teilweise, in bestimmten Sprachen, mit der Kategorie D verbunden. Es werden diverse Beispiele aus den skandinavischen und slawischen Sprachen genannt, in denen Definitheit getrennt von Agr-Merkmalen, manchmal sogar außerhalb der DP realisiert wird. Auf die morphosyntaktischen Merkmale der funktionalen Kategorie D und deren Erscheinungsmöglichkeiten wird in 4.1.3.1 u. 4.3 näher eingegangen.
31 Bevor auf die DegP-Analyse eingegangen wird, wende ich mich zunächst der Frage zu, ob die Kategorie 'Deg' Eigenschaften funktionaler Kategorien aufweist. Dabei gehe ich auf die von Abney (1987) genannten Voraussetzungen für funktionale Kategorien ein, die in Bhatt (1990) auf 'Deg' überprüft werden: 1. Functional elements constitute closed lexical classes. Diese Eigenschaft soll nach Bhatt (1990: 68) Deg erfüllen, da die lexikalischen Elemente in Deg° auf Attribute beschränkt sind, die Adjektive und Adverbien modifizieren und mit denen etwas über den Grad ausgesagt wird: (3-13)
Der Wind ist empfindlich/überaus/in höchstem Grade/sehr/ziemlich/ein wenig kalt.
Diese Definition geht jedoch über die möglichen Deg°-Elemente weit hinaus, die die syntaktischen Bedingungen als Kopf einer funktionalen Projektion erfüllen müssen: Bhatt (1990: 69) betrachtet dabei komplexe Phrasen wie über alle Maßen und in geringem Maße als lexikalisiert und behandelt sie als X°-Kategorie, so dass sie mit den übrigen Gradwörtern eine geschlossene lexikalische Klasse bilden sollen. Dagegen ist einzuwenden, dass diese PPs, die an sich maximale Projektionen darstellen, auch wenn man sie für lexikalisiert halten würde, nicht in die Deg°-Position eingesetzt werden können (s. dazu 3.4.3.2). Die geschlossene lexikalische Klasse, die die Deg°-Elemente umfasst, muss genauer abgegrenzt werden, wofür zunächst die hierfür relevanten Bedingungen zu erstellen sind. Auf diese Frage komme ich in Kap 3.3.1 zurück. 2. Functional elements are generally phonologically and morphologically dependent. They are generally stressless, often clitics or affixes, and sometimes even phonologically null. Bhatt (1990: 68) sieht diese zweite Eigenschaft als erfüllt, denn „die Elemente in Deg° sind normalerweise unbetont, sie können als Affixe auftreten und brauchen phonologisch nicht realisiert zu werden": (3-14)
a. ihr [ Deg0 ] schönSTes Kleid b. der [Deg0] weitERe Weg c. der [ Deg0 ] j ung0e Lehrer
Da Deg laut Bhatt (1990) AP als Komplement nimmt und AP keinen Argumentstatus besitzt, ist auch die 3. Eigenschaft für funktionale Kategorie erfüllt: 3. Functional elements permit only one complement, which is in general not an argument. Ähnlich wird auch in Felix (1988) argumentiert, dass zwischen funktionalen Kategorien und ihrem Komplement eine 'biuniqueness relation' besteht, was in Bezug auf Deg heißt, dass Deg als eine funktionale Kategorie nur AP als Komplement haben kann und umgekehrt APs nur als Komplement von Deg in Betracht kommen. Hinsichtlich anderer funktionaler Kategorien wie INFL und Det stimmt diese Aussage, weil der funktionale Kopf 1° und D° jeweils nur NP und VP als Komplement selegieren kann. Was aber die Kategorie
32 Deg anbelangt, müssen folgende Beispiele berücksichtigt werden, in denen ein Gradwort, das Deg°-Element ist, z.B. mit einer VP verbunden ist: (3-15) a. Gestern habe ich mich sehr gefreut, b. Das interessiert mich sehr. Weil sich Deg dadurch von anderen funktionalen Kategorien deutlich unterscheidet, ist entweder der Status von Deg als eine funktionale Kategorie anzuzweifeln, oder es muss ein Sonderstatus für Deg angenommen werden. Dieses Problem wird im Kapitel 3.5 behandelt, in dem untersucht wird, ob und inwieweit die Verbindbarkeit von Deg mit anderen Kategorien als AP auf die DegP-Analyse der AP Einfluss haben kann. Die nächste Eigenschaft stellt die Adjazenzforderung dar, die zwischen einem funktionalen Element und dessen Komplement besteht: 4. Functional elements are usually inseparable from their complements. Dass diese vierte Eigenschaft erfiillt ist, veranschaulicht Bhatt (1990: 69) durch folgende Beispiele: (3-16) a * die sehr auf ihre Kinder stolzen Väter b. * sehr die auf Kinder stolzen Väter Die folgende fiinfte Eigenschaft der funktionalen Kategorie hält Abney (1987: 65) fiir besonders wichtig: 5. Functional elements lack [....] "descriptive content". Their semantic contribution is second order, regulating or contributing to the interpretation of their complement. They mark grammatical or relational features, rather then picking out a class of objects. Diese Eigenschaft trifft nach Bhatt (1990: 69) auch auf Deg zu: die Elemente von D e g ° tragen keinen deskriptiven Inhalt hinsichtlich ihrer Funktion. Sie regulieren oder relationieren bezüglich der Interpretation ihres Komplements. D e g ° besitzt grammatische und relationale Merkmale und selegiert keine bestimmte Klasse von Adjektiven.
Vater (1996: 174ff.) weist nach Abney (1987: 65) daraufhin, dass 'der deskriptive Inhalt', der der funktionalen Kategorie fehlt, die Verbindung eines sprachlichen Ausdrucks mit der Welt m. a. W. 'Referenz' darstellt und nicht 'Sinn' nach Lyons (1977). In Zusammenhang mit der Kategorie D kann man über diese Eigenschaft streiten, so argumentiert Vater, denn die Funktion der Determinantien, die Elemente von D sind, besteht darin, die Referenz der NP zu spezifizieren (vgl. Abney 1987: 58). Vom deskriptiven Inhalt der Kategorie Deg zu sprechen scheint mir nicht möglich, weil die Elemente in Deg, Komparationssuffixe bzw. Gradadverbien, nicht referenzfahig sind, so wie die DegPs keine Argumente sein können im Gegensatz zu DPs oder CPs. Stellt man aber allgemein die Frage nach dem Verhältnis zwischen morphosyntaktischen und semantischen Merkmalen funktionaler Kategorien in Bezug auf Deg, lässt sich hier ein besonders enger Zusammenhang zwischen ihrem semantischen und grammatischen Merkmal feststellen: Die Graduierbarkeit, die ein semantisches
33 Merkmal ist und auf der die kategorienspezifische Semantik der Adjektive basiert, ist auf der anderen Seite mit den morphosyntaktischen Merkmalen der funktionalen Kategorie Deg unzertrennlich verbunden: Eine getrennte Erscheinung von beiden Merkmalen kommt bei Deg grundsätzlich nicht vor, wie dies in Vater (1996) in bezug auf D erläutert wurde (s. Fußn. 20). Problematisch scheint mir die 5. Eigenschaft der funktionalen Kategorie in Bezug auf Deg aus folgendem Grund: Im obigen Zitat nach Bhatt (1990) bleibt unberücksichtigt, dass Deg° doch nicht alle Adjektive selegieren kann: Als Komplement von Deg° kommen 'graduierbare' Adjektive in Betracht, so dass die Kombination mit sog. 'nichtgraduierbaren' Adjektiven in folgenden Beispielen normalerweise als ungrammatisch bewertet wird: (3-17) a. * Der Patient ist töter als andere, b. * eine sehr ärztliche Praxis Demnach ist diese 5. Eigenschaft der funktionalen Kategorie zunächst als ein Problem aufzufassen für die Kategorie Deg°, weil Deg 0 innerhalb der Adjektive, die als Komplement vorkommen, eine Auswahl trifft, und zwar nach der semantischen Klasse der graduierbaren und nichtgraduierbaren Adjektive. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Deg über die von Abney (1987) genannten Eigenschaften der funktionalen Kategorien verfügt und somit als eine solche zunächst in Betracht kommt, wobei die dritte und die fünfte Eigenschaft in Bezug auf Deg aufgrund der oben dargestellten Gründe näher zu untersuchen sind. In einem zweiten Schritt werde ich nun die Merkmale für funktionale Kategorien, wie sie in Grewendorf (1992: 23ff.) genannt werden, auf Deg hin überprüfen. Diese Merkmale fungieren bei Grewendorf gleichzeitig als Unterscheidungskriterien zwischen funktionalen und lexikalischen Kategorien. 1. Funktionale Kategorien haben keine s-selektionalen Eigenschaften. Unter s(emantischer)-Selektion versteht Grewendorf (1992: 22) eine Selektionseigenschaft lexikalischer Elemente, d.h. die Fähigkeit, thematische Rollen zuzuweisen (vgl. Chomsky 1986a). Da die als Deg 0 anzunehmenden Gradwörter wie z.B. sehr, mehr sowie die Komparativ· bzw. Superlativsuffixe keine semantischen Argumente haben und demzufolge keine Θ-Rolle zuweisen können, erfüllt Deg die 1. Eigenschaft. Während die im Subkategorisierungsrahmen von nichtfunktionalen lexikalischen Kategorien enthaltenen Informationen aus den s-selektionalen Eigenschaften dieser Kategorien erschließbar sind, müssten für funktionale Kategorien die kategorialen Selektionseigenschaften (c-Selektion) jedoch im Lexikon spezifiziert sein. Deg selegiert eine bestimmte Kategorie als Komplement, nämlich Adjektive, und verfügt somit über die zweite Eigenschaft, die Grewendorf (1992) für funktionale Kategorien postuliert:6
6
Anhand der Beispiele in (3-15) wurde erwähnt, dass Deg neben Adjektiven auch noch andere Kategorien, u. a. Verben, selegieren kann. In 3.5 wird jedoch gezeigt, dass dies restriktiver Natur ist, d.h. dass die Verbindbarkeit von Deg mit VPs z.B. nur auf eine bestimmte semantische Klasse der Verben beschränkt ist. Adjekive dagegen lassen sich kategorientypisch mit Deg verbinden.
34 2. Funktionale Kategorien haben c-selektionale Eigenschaften. Deg°-Elemente können sowohl als freie als auch - an Adjektive suffigiert - als gebundene Morpheme realisiert werden, so wie IN FL alternativ entweder als Auxiliar oder als Tempusmorphem am Verb suffigiert auftritt: (3-18) a. John [INFL 0 ] eats fish, b. John [ INFL can ] eat fish. (3-19) a. b.
[DEG0]
brightER/brightES [ DEC more/most] bright
(Emonds 1987: 514)7
In Grewendorf (1992) wird angenommen, dass gebundene Kategorien jene Kategorien mselegieren (morphologisch selegieren), an die sie suffigiert werden können. Dies ist eine weitere Eigenschaft funktionaler Kategorien. Falls die funktionalen Elemente als freie Morpheme vorkommen (s. Beisp. (3-18)b und (3-19)b), spezifizieren die m-selektionalen Eigenschaften, dass die betreffende Kategorie nicht affixal ist: 3. Funktionale Kategorien haben m-selektionale Eigenschaften. Nach Bhatt (1991: 81,83) trägt der funktionale Kopf Deg° das Merkmal [GRAD], das anzeigt, dass die Elemente in Deg°-Position zu graduieren imstande sind. Das Merkmal [GRAD] lässt sich dann weiter als [Superlativ], [komparativ] oder als [positiv] spezifizieren, das auf die ganze Phrase, DegP, projiziert wird. Somit trifft auch die letzte Eigenschaft der funktionalen Kategorie auf Deg° zu, die Grewendorf (1992: 24) nennt: 4. Funktionale Kategorien haben grammatische Merkmale. In den späteren Arbeiten, die sich mit funktionalen Kategorien beschäftigen, wird in Bezug auf die zuletzt genannte, vierte Eigenschaft eine weitere Eigenschaft als Bedingung gestellt: Funktionale Kategorien weisen ihrem Spezifizierer abstrakte syntaktische Merkmale (z.B. Kasus) als Resultat eines syntaktischen Prozesses zu, der als „SPEC-Head-Agreement" bezeichnet wird (Bondre-Beil 1994: 32). INFL und Det weisen ihrem Spezifizierer jeweils [NOM] und [GEN] zu, wenn das relevante funktionale Merkmal - [+fin]und [ POSS] - unter dem funktionalen Kopf realisiert ist.8 Ob dies ausschließlich für alle funktionalen Kategorien gilt, ist allerdings fraglich: Was die Kategorie COMP betrifft, so ist keine derartige Beziehung zwischen dem Kopf und dem SPEC-CP anzunehmen, denn die 7
Diese Gesetzmäßigkeit, die Emonds als „Invisible Categorie Principle" auffasst, wird an späterer Stelle noch behandelt (s. 3.4.1). Es wird gezeigt, dass sie in Verbindung mit einem anderen Prinzip der morphologischen Realisierung fur die Entscheidung der Deg°-Elemente eine wichtige Rolle spielt.
8
In der neueren Version der Generativen Grammatik wird das Merkmal Kasus nicht von einer funktionalen Kategorie 'zugewiesen'; es wird innerhalb der Projektion der relevanten funktionalen Kategorie 'überprüft', wofür die SPEC-Kopf-Relation zwischen dem funktionalen Kopf und der kasustragenden DP in der SPEC-Position grundlegend bleibt (s. 4.2.1).
35 SPEC-CP-Position ist Landeplatz für bewegte Kategorien, die erst durch A-Bewegung entstehen (vgl. Dürscheid 1991: 60). Die Frage, wie die SPEC-Position von Deg° lizenziert und womit sie gefüllt werden kann, wird im Folgenden im Rahmen der Untersuchung der DegP-Struktur diskutiert (s. 3.4.2). Nachdem nun der Status von Deg als funktionale Kategorie überprüft worden ist, gehe ich im nächsten Kapitel auf die DegP-Struktur ein. Diese wurde erstmalig von Abney (1987) vorgeschlagen. Anschließend werde ich deren Modifizierung und Anwendung aufs Deutsche in Bhatt (1990) diskutieren.
3.3.2. Abney 1987 Wenn Abney im Rahmen seiner Dissertation „The English Noun Phrase in its Sentential Aspect" von 1987 'Deg' als eine funktionale Kategorie fur AP einführt und DegPProjektion aufbaut, liegt sein Ziel darin, durch die DegP-Struktur die DP-Analyse, d.h. die Analyse der NP im Englischen als funktionale Projektion DP, zu unterstützen: Syntaktische Parallelitäten, die Abney zwischen der NP und der pränominalen AP annimmt, sollen sich auch darin zeigen, dass die DegP zu der DP parallel aufgebaut ist. So setzt er zunächst Gradadverbien als Kopf der AP ein, so wie in seiner DP-Analyse Determinantien zum Kopf der Phrase werden (s. Beisp. (3-11)). Neben den Komparativ- bzw. Superlativsuffixen -er und -est rechnet er noch die Gradadverbien more, most, as, so, too, enough, how, this und that zu den Deg°-Elementen (Abneyl987: 298ff.): (3-20)
so big as big too big how big big enough this big that big
big big(er) big(est) more beautiful most beautiful
Diese Bestimmung der im Beispiel (3-20) eingeführten Elemente als Deg° wird von Abney (1987) nicht näher begründet. Es wird lediglich angegeben, dass sie sich innerhalb der AP befinden, so wie Determinantien innerhalb der NP zu finden sind, und dass sie über den Grad des im Adjektiv ausgedrückten lexikalischen Inhalts Aussage machen: Es wird weder ein grammatisches Kriterium für die Bestimmung der Deg°-Elemente angegeben noch weiter auf die Eigenschaft von Deg° eingegangen: Ob Deg° als funktionaler Kopf der DegP ein grammatisches Merkmal trägt, das auf die gesamte Phrase projiziert wird, so wie das Merkmal [AGR] unter Det für die Kongruenz innerhalb der DP sorgt, bleibt offen. Dieses Defizit der grammatischen Merkmale unter Deg° hat bei der Analyse der internen DegP-Struktur in Abney (1987) zur Folge, dass keine systematische syntaktische Beziehung zwischen dem funktionalen Kopf und der anderen DegP-internen Position, der SPECPosition von DegP, angenommen werden kann (s. u.). Einen großen Vorteil seiner DegP-Analyse sieht Abney (1987) darin, dass die Vielfalt der SPEC-Systeme der AP-Analyse in Jackendoff (1977: 147ff.) unter der SPEC-Position
36 von DegP in das zwei-Bar-System der X-Bar-Theorie aufgenommen werden kann. Darüber hinaus liefert die DegP nämlich zwei distinkte SPEC-Positionen, SPEC von DegP und von AP, während die AP-Analyse nur eine SPEC-Position vorsieht und dadurch eine Menge Varianten des Spezifizierersystems verursacht werden.9 Wenn Abney die SPEC-Position von DegP bestimmt, nimmt er nach Jackendoff (1977) an, dass sich die Quantorphrase (QP) und die Maßphrase (MP) in der SPEC von DegP befinden und fügt noch die Adverbphrase (AdvP) hinzu. Die QP ((3-2 l)a) und AdvP ((3-2 l)b) faßt er dann wieder als DegP zusammen mit dem Merkmal [+Q, -Adv] und [-Q, +Adv]. (3-21) a.
DegP DegP
b.
DegP
c.
Deg'
Deg much too
AP tall
Deg quite as
AP nice
Deg six inches too
Durch diese Einsetzung der DegP in die SPEC-Position von DegP wird eine strukturelle Parallele zwischen DegP und DP erzielt, die wie folgt aussieht: (3-22) a.
DegP DegP
Deg' Deg°
AP
Indem jedoch Quantoren, Adverbien und Maßausdrücke in die SPEC-Position eingesetzt werden, entstehen folgende Probleme für die DegP als eine funktionale Projektion: In den DegP-Strukturen im Beispiel (3-21) ist keine solche grammatische Beziehung zwischen dem funktionalen Kopf und dem SPEC-Element zu finden, wie sie Abney (1987) innerhalb der IP und DP annimmt: Die SPEC-Head Agreement-Beziehung zeigt sich innerhalb der IP als der Kasus [NOM], den finites AGR unter INFL seinem Subjekt zuweist, so wie die Genitivzuweisung von dem funktionalen Kopf D° an den Possessor, der als Subjekt in der SPEC von DP lizenziert wird. (3-23) a.
b. Subj. INFL [Tempus] [AGR]
9
NP = DP POSSR.
VP
D' D e t > / / S S v NP [AGR] (Abney 1987: 19)
Jackendoff(1977: 147ff.) postuliert unterschiedliche SPEC-Systeme innerhalb der AP, wobei er A ' " mit A rav gleichsetzt.
37 Innerhalb der DegP jedoch, wenn nach Abney (1987) QP, AdvP und MP in der SPECPosition stehen, ist eine derartige AGR-Beziehung nicht anzunehmen. Auf der anderen Seite kann die Einsetzung von QP, AdvP und MP in die SPEC-Position die Forderung von Abney selbst nicht erfüllen, die lautet: All and only subject position of functional categories are landing sites for movement. (Abney 1987: 310)
Abney bemerkt dann, dass es im Englischen kein Beispiel für die Bewegung eines Komplements vom Adjektiv in die SPEC-Position von DegP gibt:10 (3-24) a. indicative of rubella b. * your symptoms are [rubella('s) indicative t] Schließlich schlussfolgert er, dass innerhalb der DegP das 'echte Subjekt' fehlt und die SPEC-Position, die eigentlich die strukturelle Subjektposition sein soll, durch andere Elemente wie QP, AdvP und MP besetzt wird. Das Fehlen des echten Subjekts innerhalb der DegP erklärt Abney anhand der Fakten, dass Adjektive in ihrer Θ-Struktur unakkusativ und nicht agentisch sind. Darum sollen die externen Argumente der Adjektive systematisch als interne Argumente erscheinen können, wenn die Adjektive nominalisiert werden: (3-25) a. Bill is happy. b. the happiness of Bill (3-26) a. Caesar destroys the city b. the destruction of the city c. *the destruction of Caesar Man beachte jedoch, dass Abney an dieser Stelle das Subjekt der lexikalischen Kategorie Adjektiv mit dem der funktionalen Kategorie Deg verwechselt. Die Art der Lizenzierung der SPEC-Position und die thematische Beziehung zwischen dem SPEC und dem funktionalen Kopf hängt von dem grammatischen Merkmal der betroffenen funktionalen Kategorie ab. Wie die SPEC-Position von Deg lizenziert und womit sie gefüllt werden kann, ist im Weiteren noch zu behandeln (3.4.2). An dieser Stelle halte ich fest, dass die Einsetzung von QP, MP und AdvP in die SPEC-Position der funktionalen Kategorie Deg° unangebracht ist, da zwischen diesen Phrasen und dem Kopf Deg keinerlei strukturelle Relationen feststellbar sind, die in anderen funktionalen Projektionen angenommen wurden (vgl. Beisp. (3-23)). Die AdvP in ((3-21 b)) fungiert m.E. als Modifikator zu Deg° und soll an entsprechender Stelle untergebracht werden (s. 3.4.3). Was die QP und MP betrifft, sei auf Löbel (1988) hingewiesen, die sie als Projektion der weiteren funktionalen Kategorie 'Q(uantor)' auffasst, die neben der DegP innerhalb der DP eine eigene Projektion bildet. Innerhalb der DegP-Struktur ist neben dem SPEC-DegP noch eine andere SPEC-Position vorhanden, nämlich die SPEC-Position von AP. Abney (1987) glaubt einen Vorteil seiner DegP10
Diese Einschränkung ist jedoch nicht von universeller Natur. Die SPEC-Position der DegP kann in manchen anderen Sprachen durch ein bewegtes Element gefüllt werden (s. 3.4.2)
38 Analyse gegenüber der traditionellen AP-Analyse darin zu finden, dass die DegP zwei distinkte SPEC-Positionen vorsieht, die alle ausgenutzt werden, wodurch eine Menge von Varianten der Struktur von SPEC-Systemen wie in Jackendoff (1977) vermieden werden kann (s. Fußn. 22). Problematisch ist jedoch, dass Abney genau die gleichen Elemente - QP, MP und AdvP - der SPEC-Position von AP zuordnet, die als SPEC von DegP angenommen wurden. Im folgenden Beispiel sieht er nämlich den Grund dafür, dass zwei distinkte SPEC-Positionen innerhalb der DegP notwendig sind: (3-27)
DegP
qp, mp, advP
Deg'
six inches
Deg° more
AP qp, mp advP needlessly
A'
A° long
Da in (3-27) SPEC von DegP mit der mp six inches besetzt ist, wobei ein Deg° more explizit vorhanden ist, käme innerhalb der DegP nur die SPEC-Position von AP für das AdvP needlessly in Betracht. Gegen diese Zuordnung lässt sich folgendes einwenden: Indem gleiche Elemente den beiden SPEC-Positionen zugeordnet werden, bleibt der funktionale Unterschied zwischen beiden Positionen, dem SPEC einer funktionalen und dem einer lexikalischen Kategorie, unberücksichtigt (s. o.). Demnach gibt es auch keine Evidenz für die Entscheidung zwischen der Struktur (3-28)a und b, in denen kein Deg°-Element morphologisch realisiert ist: (3-28) a.
DegP AdvP needlessly
b.
DegP
Deg' AdvP needlessly
A° long
Dass die Zuordnung der AdvP in die SPEC-Position von DegP wie in (3-28)a problematisch ist, wurde schon diskutiert. Es stellt sich dann die Frage in Bezug auf die Struktur in (3-28)b, wofür die SPEC-Position von der lexikalischen Kategorie Adjektiv zuständig sein kann, denn die AdvP in der SPEC von AP widerspricht zunächst Abneys (1987: 76) eigener Aussage: only functional categories (ie., C. I. D) freely have (overt) subjects.
39 Diese Idee des AP-internen Subjektes ist später in Chomsky (1993: 8 und 1995 :424) zu finden: In Chomsky (1995) wird angenommen, dass innerhalb des Satzes mit einem prädikativen Adjektiv die Subjekt-NP bzw. DP zunächst in der AP, und zwar in der SPECPosition, generiert und weiter in die SPEC-Positionen relevanter funktionaler Kategorien bewegt wird, die er im Rahmen seines minimalistischen Programms annimmt (s. 4.2.3). Es stellt sich bei diesen Annahmen heraus, dass sie Abneys Aussage entsprechen, dass Adjektive als lexikalische Kategorie kein overtes Subjekt haben können. Abneys eigene Annahme jedoch - die Einsetzung von MP, QP und AdvP in die SPEC-Position der AP - widerspricht diesem syntaktischen Status der SPEC-Position der AP als Subjektposition, die morphologisch unrealisiert bleibt. Aus den bisherigen Beobachtungen lässt sich feststellen, dass Abney (1987) zunächst bei der Einsetzung der DegP-internen Positionen die relevanten grammatischen Relationen unberücksichtigt lässt, die er selbst für die Lizenzierung dieser Positionen aufstellt. Wenn Abney über die DegP-interne Struktur hinausgeht und sich mit der Positionsfrage der pränominalen Adjektive innerhalb der DegP beschäftigt, argumentiert er, dass sie als Komplement des funktionalen Kopfes D° vorkommen. Das Adjektiv selegiert dann weiter eine NP als Komplement, wie das Baumdiagramm (3-29) zeigt: (3-29)
DP
a
proud
N° man
(Abney 1987:326)
Zwischen dem Kopf Α und seinem NP-Komplement nimmt Abney eine 'f(unktionale)Selektionsbeziehung' an, die in diesem Beispiel besagt, dass Adjektive bestimmte nominale Merkmale der NP inhärieren." 12 Diese Hypothese basiert auf seiner Idee, dass die Adjektive 'defektive' Nomen seien, wobei nur ein Merkmal, [+substantiv], fehlt. Dieses Merkmal kann den Adjektiven von dem NP-Komplement vererbt werden, wodurch die Adjektive eine Kategorie projizieren, die in ihrem Merkmal von der NP indistinkt ist. Die AP, die auf diese Weise eine NP f-selegiert und von D° selegiert wird, stellt nach Abney (1987: 335) keine DegP, sondern eine bloße AP dar, was folgende ungrammatische Beispiele bestätigen sollen: (3-30) a. * a [too tall] man b. * a [so big] fish c. * a man [too tall to be a submariner]
11
12
Radford (1989: 3 u. 14) gibt dieser Selektionsbeziehung den Namen 'Inheritance Principle', was beinhaltet, dass eine Matrixphrase die kategoriellen Merkmale des Kopfes seines Komplements erbt, falls dieses Komplement von dem Kopf f-selegiert wird. Weiteres zur f-Selektion s.u.
40 Die Ungrammatikalität der DP-Struktur wie in (3-30) liegt laut Abney an Folgendem: Wenn pränominale Adjektive von ihrem NP-Komplement das Merkmal [+subst] erben, ist die DegP vom Merkmal her nicht zu unterscheiden von einer DP. Der funktionale Kopf D° selegiert jedoch keine DP als Komplement, weshalb auch die DP * [the [each boy] ] ungrammatisch ist. An dieser Stelle stellen sich Probleme hinsichtlich der DP-Struktur, wie sie im Baumdiagramm (3-29) dargestellt ist. Diese basiert auf der f-Selektionsbeziehung. Abney (1987: 325) sowie Radford (1989: 3) unterscheiden zwischen zwei Arten von Selektionen, wobei f-Selektion die Relation zwischen funktionalen Kategorien und deren Komplement und 'l(exikalische)-Selektion' die Relation zwischen lexikalischen Kategorien und deren Komplement darstellt. Demnach bleibt Abneys Annahme einer f-Selektionsbeziehung zwischen dem pränominalen Adjektiv und dessen NP-Komplement unerklärbar, weil das Adjektiv als eine lexikalische Kategorie sein Komplement 1-selegieren müsste. Abgesehen davon ist die f-selektionale Beziehung zwischen dem Adjektiv proud und der NP man im Beispiel (3-29) nur unter der strukturellen Voraussetzung möglich, dass die NP als Komplement von A° selegiert wird. Dies bedeutet aber, dass eine NP innerhalb der DP nur erscheinen kann, wenn eine pränominale AP vorhanden ist, und andererseits müsste es auch möglich sein, dass eine AP ohne ihr Komplement NP auftritt. Dass dies nicht stimmt, verdeutlichen folgende einfache Beispiele: (3-31) a. a man b. *a proud Fürs Englische wäre daher eine DP-Struktur angebracht, in der eine pränominale AP innerhalb der NP positioniert ist, so dass sie syntaktisch von dem Vorhandensein der NP abhängt. Die Beschränkung in den Beispielen in (3-30), dass pränominale Adjektive keine DegP sein können, ist demnach auf einen anderen Grund zurückzuführen als die Vererbung der nominalen Merkmale an ein pränominales Adjektiv. Folgende Beispiele, in denen Gradadverbien wie very und enough als Deg°-Element zu betrachten sind, belegen im übrigen die Existenz der pränominalen DegP auch im Englischen. Im Deutschen treten pränominale Adjektive unbeschränkt mit Gradadverbien auf.13 (3-32) a. b. c. d.
a [very big] dog a [ difficult enough ] situation ein [zu großer] Mann eine [sehrinteressante] Frage
3.3.3. Bhatt 1990 Abneys Vorschlag, 'Deg' als eine funktionale Kategorie für AP anzusehen, wurde von Bhatt (1990, 1991 u. 1996) übernommen. Im Rahmen ihrer Dissertation „Die syntaktische Struktur der Nominalphrase im Deutschen" befasst sie sich u.a. mit der Struktur und Positi13
Abney (1987: 336) rechnet das Gradadverb very wie z.B. in a very big dog zu den SPEC von AP. Wenn man jedoch von der Existenz der pränominalen DegP ausgeht, erübrigt sich eine solche Zusatzannahme.
41
on der AP als DegP innerhalb der DP, die als Modifikator pränominal auftritt. Dabei entwickelt sie die von Abney (1987) vorgeschlagene DegP-Struktur weiter, indem sie seine z.T. auf das Englische beschränkte DegP-Struktur so revidiert und ergänzt, dass sie auch aufs Deutsche anwendbar ist. Der wichtigste Fortschritt in Bhatt (1990) gegenüber Abney (1987) liegt m.E. darin, dass bei ihr das grammatische Merkmal von Deg als eine funktionale Kategorie definiert wird, das auf die ganze Phrase, DegP, projiziert. So werden grammatische Kriterien aufgestellt, die für die Bestimmung der Deg "-Elemente gelten. Demzufolge kommen die phraseninternen Beziehungen zwischen dem funktionalen Kopf Deg° und dem SPEC von DegP einerseits und den übrigen Adverbialen innerhalb der DegP andererseits zustande, die eine systematische Strukturanalyse der DegP ermöglichen: So nimmt Bhatt an, dass unter dem funktionalen Kopf Deg ° das Merkmal generiert wird, das sie als [GRAD] bezeichnet, so wie Det und INFL das Merkmal [AGR] tragen. Demnach müssen die lexikalischen Elemente, die unter Deg° realisiert werden, mit dem [GRAD] Merkmal versehen sein, das anzeigt, dass sie zu graduieren imstande sind (Bhatt 1990: 81). Als Deg °-Elemente kommen bei Bhatt (1990) zunächst wie bei Abney (1987) sowohl Komparativ- bzw. Superlativsuffix als auch das 0-Suffix fiir Adjektive mit dem positiven [GRAD] -Merkmal in Betracht: (3-33) a. ihr [Deg0] schönSTes Kleid b. der [Deg0] weitERe Weg c. der [Deg0] junge0 Lehrer Außer diesen drei Arten von Adjektivsuffixen nimmt sie noch diejenigen Gradadverbien14 als Deg ° -Elemente an, die Adjazenz zum Kopf Adjektiv verlangen und über den Grad der lexikalischen Bedeutung des Adjektivs Aussage machen: (3-34) derart, eben, extrem, fast, gar, genug, mehr, nahezu, sehr, so, überaus, sogar, wenig, zu Diese Adverbien werden von Bhatt 'se/w-Adverbien' (3-35) genannt im Unterschied zu den übrigen Modifikatoren, nämlich 'o/?-Adverbien' (3-36), die keine Adjazenz zu A° erfordern und relativ freie Position innerhalb der DegP einnehmen: (3-35) a. b. c. d.
der [auf seine Kinder sehr stolze] Vater * der [sehr auf seine Kinder stolze] Vater die [sich extrem treue] Frau * die [extrem sich treue] Frau
(3-36) a. b. c. d.
der der der der
14
[o//auf seine Kinder stolze] Vater [auf seine Kinder oft stolze] Vater [immer seiner Sache sichere] Mann [seiner Sache immer sichere] Mann
Bhatt (1990: 75) zieht die Bezeichnung 'Gradwörter' den 'sehr-Adverbien' vor, weil 'Adverbien' anders als ihr wörtlicher Sinn nicht nur Modifikatoren von V ° , sondern auch VP-, AP- und Satzmodifikatoren enthalten.
42 Die seÄr-Adverbien werden nach Bhatt (1990: 75) als funktionale Deg°-Elemente klassifiziert und als Kopf einer eigenen Projektion DegP in die Deg°-Position eingesetzt, während die σ/ϊ-Adverbien je nach ihrer Position an DegP((3-36)a) oder an Deg'((3-36)b) adjungiert linksperipher auftreten. Dass Deg°-Elemente innerhalb der DegP entweder als Komparationssuffixe oder als Gradadverbien realisiert werden können, fuhrt Bhatt auf Emonds (1987: 615) 'Invisible Category Principle' zurück. Dieses lautet: A closed categorie Β with positively specified features Ci may remain empty throughout a syntactic derivation if the features Ci are all alternatively realized in a phrasal sister of B.
Auf Deg übertragen heißt es, dass das Deg°-Element mit [GRAD] -Merkmal entweder als Gradwort unter dem funktionalen Kopf Deg ° oder am Adjektiv als Suffix realisiert werden kann, das als Schwesterknoten von Deg° selegiert ist: (3-37) a.
b.
Deg° [GRAD]
sehr
AP
interessant
Die Adjazenzforderung, die somit als Kriterium für die Unterscheidung der Gradwörter, d.h. se/v-Adverbien, 15 von den übrigen Adverbien eine entscheidende Rolle spielt, betrachtet Bhatt (1990: 72) gleichzeitig als Auslöser flir die Bewegung innerhalb der DegP. Falls ein DP/PP-Komplement von A° und ein Gradwort innerhalb der AP vorhanden ist, löst die fehlende Adjazenz zwischen Gradwort und A° die Bewegung des Komplements in die SPEC-Position auf: (3-38) a. der [ DegP auf seine Kinder [ Deg· sehr [ AP tj stolze ] ] ] Vater b.
DegP SPEC
Deg'
auf seine Kinder, Deg°
AP
sehr PP
A°
tj
stolze
Da die SPEC-Position von DegP somit als eine Position für bewegte Phrasen dargestellt wird, hat sie laut Bhatt (1990: 76) starke Ähnlichkeit mit der SPEC-Position von CP, die auch als Landeplatz für eine bewegte Phrase dient. Demnach unterscheiden sich Deg und COMP von anderen funktionalen Kategorien wie INFL und Det in ihren unterschiedlichen
15
Siehe Fußnote 29.
43 Lizenzierungsverfahren der SPEC-Position: Die SPEC-Position von IP und DP wird, wie schon erwähnt, durch Kasuszuweisung vom entsprechenden Merkmal unter dem jeweiligen funktionalen Kopf lizenziert, die SPEC-Head-Agreement bewirkt. Bhatt (1990: 83) zeigt jedoch eine alternative Möglichkeit fur die Lizenzierung der SPEC-Position von DegP: Anhand der folgenden Beispiele in Olsen (1988: 23), in denen ein superlativisches Adjektiv mit einer Genitiv-DP auftritt, erwähnt sie die Möglichkeit, den Superlativ als Kasuszuweiser anzusehen. (3-39) a. der Welt teuerste Briefmarke b. der Weltraumforschung wichtigstes Ereignis c. des Broadways liebstes Kind Bei diesen Beispielen geht Bhatt wie Olsen (1988) von der Relation aus, dass der pränominale Genitiv nicht nur durch das Nomen, sondern auch durch die Superlativform des Adjektivs gefordert wird. Während jedoch Olsen die Genitiv-DP der Komplementposition des Adjektivs innerhalb der AP zuordnet, bietet Bhatt die Idee an, das [GRAD] -Merkmal, das sich als [Superlativ] spezifiziert hat, als kasuszuweisendes Element unter Deg° anzusehen, parallel zu dem finiten [AGR] unter 1° und dem [POSS] unter D°. Die geeignete Position der Genitiv-DP der Welt im Beispiel (66)a wäre dann die SPEC-Position der DegP. Ich halte an dieser Stelle nur fest, dass die DegP-Struktur auf diese Weise strukturelle Gemeinsamkeiten mit anderen funktionalen Projektionen wie IP und DP gewinnen könnte, weil durch die Genitivzuweisung an SPEC das SPEC-Head-Agreement auch innerhalb der DegP ermöglicht wird. Auf weitere Diskussionen um diese Position wird in 3.4.2 näher eingegangen. Was die andere SPEC-Position innerhalb der DegP, also den SPEC von AP betrifft, geht Bhatt in Anlehnung an Fanselow (1986) davon aus, dass APs als 'Minimal Governing Category' eine Anapher, ein Regens und ein Subjekt haben und deswegen satzwertigen Charakter aufweisen.16 Die Struktur sieht wie folgt aus: (3-40)
(die [ opj npj sichj treue) Fraui)j
(Fanselow 1986: 360)
Während Fanselow jedoch ein phonologisch leeres 'np' als das Subjekt des Adjektivs annimmt, das als eine Variable durch einen ebenfalls leeren Operator 'op' in der COMPPosition gebunden und vom Adjektiv regiert wird, aber mit dem N° Frau oder mit der gesamten NP die sich treue Frau syntaktisch nicht den gleichen Index trägt, setzt Bhatt die NP selbst direkt in die SPEC-Position der AP ein.17 In Zusammenhang mit der Besetzung der SPEC-Position von AP schlägt sie folgende DP-Struktur mit einer DegP vor. Darin wird die DegP von D° als Komplement selegiert, und die NP kommt innerhalb der AP, und zwar in der SPEC-Position, vor:
16
17
Fanselow (1986) fuhrt im betreffenden Aufsatz noch keine funktionalen Kategorien wie INFL oder Det ein. Gemeint ist mit dem 'Subjekt' der VP/NP aber die DP, die innerhalb der IP bzw. DP die SPEC-Position einnehmen würde. Dabei nimmt sie auf Haider (1987) Bezug, der argumentiert, dass die SPEC-Position von VP und NP das Subjekt enthält, das als Argument von den Kategorien V ° und N ° selegiert wird.
44 (3-41)
DP
D°
DegP
die Deg°
AP A'
DP/PP
sich
NP A°
treue
\
Frau
Die Relation zwischen A° und NP soll eine Subjekt-Prädikatsbeziehung darstellen. Bhatt nimmt die NP in SPEC von AP als „echtes Subjekt" an, das bei attributiver DegP innerhalb der DP, bei prädikativer DegP innerhalb des Satzes realisiert wird: (3-42) a. b. c. d.
[ dp der [ DegP auf sich stolze [ Np Mann ] ] ] [Dp Der Mann] ist [üegpauf sich stolz]. [dp der [Degp sich treue [Np Mann] ] ] [ dp Der Mann ] ist [ Degp sich treu].
(Bhatt 1990: 72)
An dieser Stelle ist jedoch daraufhinzuweisen, dass nicht in allen Fällen solch eine Relation zwischen dem pränominalen Adjektiv und der NP strikt in eine derartige SubjektPrädikatsbeziehung paraphrasiert werden kann, wie man es bei VP bzw. NP zwischen N ° bzw. V° und deren SPEC-DP annimmt: (3-43) a. [ dp der starke Raucher] b. ? [Dp der Raucher] ist [Degp stark] c. [ dp die heutige Zeitung] d. * [dp Die Zeitung] ist [oeep heutig] Einen Vorteil der DP-Struktur mit einer DegP wie (3-41) in Bezug auf die Positionierung der NP als SPEC von AP sieht Bhatt darin, dass die NP, die als Subjekt einer lexikalischen Kategorie referentiell, d.h. eine Argumentphrase sein muss, den referentiellen Index von D° bekommen kann, weil in (3-41) die DegP von D° selegiert wird und die Projektionslinie direkt bis hinauf zur maximalen DP läuft; wenn die DegP dagegen an NP adjungiert wäre, so wie es in Fanselow (1986) angenommen wird, würde die Projektionslinie bei DegP enden, so dass das leere Subjekt der Adjektive keinen referentiellen Index bekommen könnte. Die DP-Struktur wie (3-41) jedoch, die im Unterschied zu Abneys DP-Struktur (s. Beisp. (3-29)) mit pränominaler AP den DP-Komplementen von A° einen Platz bereithält und sich auch für die Beschreibung der DP im Deutschen eignet, lässt das gleiche Problem ungelöst, das in Abney (1987) zu finden war: DegP kann nicht als selbständiges Komplement von D° auftreten, und gleichermaßen kann das Auftreten der NP strukturell nicht von einer DegP abhängen, was man nach der Struktur in (3-41) annehmen müsste. Darüber hinaus stellt Bhatt (1990: 79) die SPEC-Position der AP auch anderweitig zur Verfügung,
45 nämlich für eine weitere DegP, wenn mehr als zwei pränominale Adjektive innerhalb einer DP vorkommen. So schlägt sie erneut folgende DegP-Struktur vor, in der entweder eine NP oder eine DegP die SPEC-Position der AP besitzt: (3-44)
DegP Deg°
AP
A' P/PP
NP/DegP A°
Wie kann aber die Relation zwischen A° und der DegP in ihrer SPEC-Position erklärt werden, wenn die Relation zwischen A° und NP eine Subjekt-Prädikatsbeziehung sein soll? Wie diese Positionierung der weiteren DegP im SPEC von AP gerechtfertigt werden könnte, bleibt in Bhatt (1990) ungeklärt; in der DP-Struktur wie in (3-41) ist ja sonst auch keine adäquate Position vorhanden, in die eine weitere DegP untergebracht werden kann. Ein empirisches Problem der DP-Struktur wie (3-41) mit mehreren pränominalen Adjektiven zeigt sich darin, dass sie nicht in der Lage ist, unterschiedliche syntaktische Relationen zwischen Adjektiven zum Ausdruck zu bringen: Demnach müssten sowohl Koordination (3-45) als auch Subordination (3-46) der DegPs dadurch gekennzeichnet werden, dass die zweite DegP als SPEC von AP innerhalb der ersten DegP steht: (3-45) a. ein [Degp schönes] [Degpgroßes] Haus b.
DP D°
DegP
ein Deg° 0
AP / \ A'
I
A°
schönes
DegP Deg°
AP
0 A'
I
A° großes
NP
Haus
46 (3-46) a. Paul bevorzugt [ [Degp altej [ [ oegperprobte] Methoden] ]. b.
(Vater 1985b: 71)
DP κ \ D° DegP 0 / \ Deg° AP 0 r \ A' DegP 1 A° alte
Deg° 0
AP Γ \ A' NP I Methoden A° erprobte
In (3-45)a wird eine Adjektivsequenz dargestellt, in der zwei koordinierte APs zusammen eine AP bilden. Dagegen geht es in (3-46)a um eine Adjektivsequenz, in der das erste Adjektiv alte die nächste Folge erprobte Methoden determiniert bzw. modifiziert, die aus einem weiteren Adjektiv und einem Nomen besteht (s. Vater 1985b: 71). Wenn hier von einer Subordinationsbeziehung gesprochen wird, bezieht sie sich somit auf die Relation der Adjektive zum Bezugsnomen, die die Adjektive modifizieren. Sie ist daher von derjenigen Subordinationsbeziehung zu unterscheiden, die unter den modifizierenden Adjektiven entsteht, wie in ein schön großes Haus. Die Struktur der Adjektivsequenz in (3-46)a, die die Relation zwischen den Adjektiven und die Relation zwischen ihnen und dem Bezugsnomen zu beschreiben hat, sollte klar von der der koordinierten DegPs wie in (3-45)a unterscheidbar sein, was jedoch die Strukturen in (3-45)b und (3-46)b nicht zum Ausdruck bringen können.18 Die bisher erwähnten Nachteile der Bhatt'schen DP-Struktur mit DegP liegen somit hauptsächlich in der Positionierung der NP bzw. DegP in der SPEC-Position der AP und in der damit korrelierenden Positionierung der DegP als Komplement von D°. Dieses „Positionsproblem" des pränominalen Adjektives innerhalb der DP wirft viele Fragen um die Struktur der AP auf und fordert dadurch zur Revidierung der herkömmlichen Analyse der pränominalen Adjektive auf, die in Kap. 4 in Angriff genommen wird.
3.4.
Struktur der DegP im Deutschen und im Koreanischen
In den vorangehenden Abschnitten wurde der Status von Deg als funktionale Kategorie überprüft und mit der in Abney (1987) erstmalig vorgeschlagenen und von Bhatt (1990) aufs Deutsche erweiterten DegP-Analyse diskutiert. Aufgrund dieser Beobachtungen ist im
18
Vgl. die Strukturen in (4-5).
47 Folgenden eine Analyse der DegP-internen Struktur des Deutschen vorzunehmen, wobei sowohl über die Deg°-Elemente als auch über die anderen DegP-internen Positionen ergänzende Vorschläge zu machen sind. Die weitere Anwendung der DegP-Analyse auf das Koreanische wird zunächst zeigen, wie die funktionale Kategorie Deg in verschiedenen Sprachen morphologisch unterschiedlich realisiert wird und worauf dieser Unterschied zurückzufuhren ist. Auf der anderen Seite wird aber auch gezeigt, wie der DegP-Ansatz eine universelle Beschreibung der Relationen zwischen den phraseninternen Positionen im Deutschen und im Koreanischen ermöglicht.
3.4.1.
Deg°-Elemente
3.4.1.1. Deg°-Elemente im Deutschen Als Bhatt (1990) sich in ihrer DP-Analyse mit der Realisierung des funktionalen Merkmals [AGR] innerhalb der DP befasste, zog sie Olsens (1988b: 13) „Prinzip der morphologischen Realisierung" in Erwägung, das lautet: Grammatische Merkmale werden phonologisch sichtbar gemacht.
Dieses universalgrammatische Prinzip ist im Hinblick auf die Realisierung der grammatischen Merkmale sprachspezifisch parametrisiert, die wiederum von der morphologischen Potenz einzelner Sprachen abhängt (vgl. Bhatt 1990: 36). Was das funktionale Merkmal [GRAD] anbelangt, tritt es im Deutschen nach dem „Prinzip der unsichtbaren Kategorie" innerhalb der DegP entweder am Kopf Deg ° oder am Kopf A ° auf, wie es in der vorangegangenen Stelle schon gezeigt wurde. Dabei interagiert dieses Prinzip der morphologischen Realisierung mit Emonds Prinzip der unsichtbaren Kategorie. Demzufolge wird die Anzahl der morphologischen Realisierungen des grammatischen Merkmals zur Vermeidung von Redundanz auf eine einmalige Anwendung reduziert (vgl. Olsen 1988 u. Bhatt 1990). In Bezug auf das [GRAD]-Merkmal würde dies bedeuten, dass es nicht gleichzeitig am funktionalen Kopf Deg ° als Gradwort und am Adjektiv als Komparationssuffix realisiert sein darf. Wirft man jedoch einen Blick auf 'Gradwörter' bzw. 'se/v-Adverbien', die Bhatt als Deg°Elemente annimmt, findet sich, dass das syntaktische Verhalten einiger Gradwörter diesen Prinzipien widerspricht:
r (3-47) a. Peter ist Deg. b. c. d. e.
jk. m. n.
derart eben extrem fast gar * »genug ""mehr nahezu •sehr *so überaus sogar wenig •zu
klüg [ Dego ER ] als die anderen.
48 Die Beispiele in (3-47) zeigen, dass die Gradwörter außer genug, mehr, sehr, so und zu mit dem Komparativsuffix -er zusammen auftreten können, was aber dann bedeutet, dass bei Gradwörtern wie derart, eben, extrem, usw. das [GRAD] -Merkmal innerhalb der jeweiligen DegP doppelt realisierbar sein muss. Weil aber derartige doppelte Realisierungen eines funktionalen Merkmals der Interaktion beider oben eingeführter Prinzipien widerspricht, schlage ich vor, nur diejenigen Gradwörter als Deg°-Elemente anzunehmen, die wirklich zum Komparativ- bzw. Superlativsuffix komplementär sind. Nachdem die Deg°-Elemente außer auf Komparationssuffixe noch auf wenige Gradwörter beschränkt sind, lässt sich feststellen, dass sie mit den von Abney (1987) bestimmten Gradwörtern korrespondieren, mit Ausnahme von that und how, die fürs Englische spezifisch sind: mehr sehr so genug zu
b. more very as/so enough too that how
3.4.1.2. Deg°-Elemente im Koreanischen Adjektive des Koreanischen kennen keine Komparationssuffixe für die Bezeichnung des Komparativs und Superlativs. Die Beispiele in (3-49) zeigen, dass sowohl der Komparativ als auch der Superlativ durch Hinzufügung eines Adverbs do und gadschang zustande kommt: (3-49) a. dschangmi-ga baekap-boda do arumdap-da. Rose-NOM Lilien-als mehr schön(Präs.)-Dekl. Rosen sind schöner als Lilien, b. dschangmi-ga dschongwon-ui ggot dschunge gadschang arumdap-da. Rosen-NOM Garten-GEN Blumen unter am meisten schön(Präs.)-Dekl. Rosen sind die schönsten Blumen im Garten. Der Parameter in Bezug auf die morphologische Realisierung des [GRAD]-Merkmals zeigt sich im Koreanischen darin, dass das Merkmal [GRAD] stets unter dem funktionalen Kopf Deg° als Gradwort realisiert wird und niemals als Adjektivflexion. Als Deg°-Elemente kommen diejenigen Adverbien in Betracht, die über den Grad an semantischem Inhalt des Adjektivs Aussage machen. Das sind die Adverbien do ('mehr'), adschu/maeu ('sehr'), gadschang ('am meisten'), nomu ('zu'), die als Gradwörter im Sinne von Bhatt (1990) bezeichnet werden können. Von den übrigen Adverbien in (3-50) und (351) unterscheiden sich diese Gradwörter durch ihre Adjazenzforderung zum Adjektiv (Beisp. (3-52) bis (3-54)): Die Gradwörter wie adschu ('sehr') und do ('mehr') müssen dem Adjektiv adjazent bleiben, während die übrigen Adverbien relativ freie Positionen aufweisen können:
49 (3-50) a. goayon gu saram-un hyonmyongha-da. tatsächlich jener Mann-NOM weise(Präs.)-Dekl. In der Tat ist jener Mann weise, b. gu saram -un goayon hyonmyongha-da. Der Mann ist in der Tat weise. (3-51) a. na-nun hangsang gu-rul bomyon gibbu-da. ich-NOM immer er-AKK seh-Kondi. froh(Präs.)-Dekl. Ich bin immer froh, jedesmal wenn ich ihn sehe, b. na-nun gu-rul bomyon hangsang gibbuda. Ich bin immer froh, jedesmal wenn ich ihn sehe. (3-52) a. * na-nun maeu gu-rul bo-myon gibbu-da. ich-NOM sehr er-AKK seh-Kondi. froh(Präs.)-Dekl. Ich bin sehr froh, wenn ich ihn sehe, b. na-nun gu-rul bo-myon maeu gibbu-da. Ich bin sehr froh, wenn ich ihn sehe. (3-53) a. * adschu Inga-nun gu-ege sangnyangha-da. sehr Inga-NOM er-DAT nett(Präs.)-Dekl. Inga ist sehr nett zu ihm. b. * Inga-nun adschu gu-ege sangnyangha-da. Inga ist sehr nett zu ihm. c. Inga-nun gu-ege adschu sangnyangha-da Inga ist sehr nett zu ihm. (3-54) a. * gu-ege- nun tschingu-boda do schihom-i dschungyoha-da. er-DAT-TOP Freund- als mehr Prüfung-NOM wichtig(Präs.)-Dekl. Ihm ist die Prüfung wichtiger als sein Freund, b. gu-ege-nun tschingu-boda schihom-i do dschungyoha-da. Ihm ist die Prüfung wichtiger als sein Freund. In bestimmten Konstruktionen weisen die Gradwörter im Koreanischen eine freiere Position innerhalb der DegP auf im Vergleich zu den Gradwörtern des Deutschen: Im Koreanischen müssen sie nicht unbedingt zwischen das Adjektiv und dessen Komplement eingeschoben werden, und es kommt öfters vor, dass sie vor dem Komplement des Adjektivs stehen. Unten sind einige Beispiele fur solche Adjektivkonstruktionen angeführt: (3-55) a. na-nun [ DegP bae-ga, [Deg· [Deg°adschu [ AP [ A · ti [Aogopu-da] ] ] ] ] ] . ich-NOM Bauch-NOM sehr hungrig(Präs.)-Dekl. Ich bin sehr hungrig, b. na-nun [Degp[Deg' [Deg°adschu [Ap [a· bae-ga [ A °gopuda] ] ] ] ] ] Ich bin sehr hungrig. (3-56) a. na-nun [oegpniog-ij [Deg, [Deg0nomu [ AP [ A -tj [Aomaru-da] ] ] ] ] ] ich-NOM Hals-NOM zu durstig(Präs.)-Dekl. Ich bin zu durstig, b. na-nun [ DegP [Deg> [Deg=nomu [ AP [ A mog-i [Aomaruda] ] ] ] ] ] Ich bin zu durstig.
50 (3-57)
a. gu-nun [ D e g pson-ij [ D e g · [ D e g °adschu [Ap [A- T [ A ° ku-da] ] ] ] ] er-NOM Hand-NOM sehr groß(Präs.)-Dekl. Er ist sehr großzügig, b. gu-nun [Degp [oeg· [Deg°adschu [ AP [A-son-i [ A oku-da] ] ] ] ] ] . Er ist sehr großzügig. Ä
(3-58) a. gu-nun [Degp bal-i| [Deg- [ Deg °maeu [ AP [ A . t; [ A onolb-da] ] ] ] ] ] ] . er-NOM Fuß-NOM sehr breit(Präs.)-Dekl. Er hat einen sehr großen Bekanntenkreis, b. gu-nun [ [ · [ D e g °maeu [ AP [ A bal-i [ A cnolb-da] ] ] ] ] ] . Er hat einen sehr großen Bekanntenkreis. D e g P
D e g
Die fehlende Adjazenz zwischen Deg° und Adjektiv in den beiden ersten Beispielen (355)b und (3-56)b ist m.E. darauf zurückzuführen, dass die nominativischen DPKomplemente der Adjektive im Koreanischen dazu neigen, mit dem Kopf A° morphologisch und syntaktisch eine enge Einheit zu bilden. So treten sie öfters inkorporiert auf, wobei die nominativische Postposition ausfallt: (3-59) a. [Ap [DP bae-ga] [ A °gopuda]] b. [Ap[DP mog-i] [ A °maruda] ]
[ A . [ N °bae] [Aogopuda] ] [ A . [ N °mog] [ A °maruda] ]
Ähnliches lässt sich zwischen bestimmten Adjektiven und deren Genitivkomplementen im Deutschen beobachten, auch wenn es im Deutschen viel seltener vorkommt: (3-60) a. b.
[Ap [DP des Lebens] [ A "überdrüssig] ] —> [ A ° [ N »leben] s [ A °überdrüssig] ] [AP [üpder Renovierung] [A [ A ° [N°renovierung] s [ A °bedürftig]
In diesen Fällen geben die Gradwörter im Deutschen auch ausnahmsweise ihre Adjazenzforderung auf und kommen vor dem DP-Komplement vor: (3-61) a. Er ist sehr des Lebens überdrüssig. b. Diese Wohnung ist sehr der Renovierung bedürftig. c. Die Angelegenheit ist sehr eine Untersuchung wert. Auf der anderen Seite stellen die Beispiele in (3-57) und (3-58) idiomatische Wendungen dar, in der das Adjektiv kuda in (3-57) z.B. mit seinem DP-Komplement son-i syntaktisch in fester Bindung auftritt und die AP son-i kuda etwa die Bedeutung von 'freizügig (sein)' erhält.
3.4.2. SPEC-Position der DegP In den vorangegangenen Ausführungen wurde erwähnt, dass für die Lizenzierug der SPECPosition der funktionalen Projektion zwei unterschiedliche Verfahren vorhanden sind: Das eine ist durch Bewegung eines phraseninternen Elements möglich, wie in die SPECPosition von CP, während das andere auf der Kasuszuweisung von einem kasuszuweisen-
51
den Merkmal unter dem funktionalen Kopf und damit erfolgendem SPEC-Head-Agreement basiert. In Bezug auf Letzteres gab es Diskussionen in Olsen (1991) und Bhatt (1990) um den Status der Genitiv-DP, die zusammen mit einem Superlativen Adjektiv pränominal auftritt. Unten werden ihre Beispiele noch einmal aufgeführt: (3-62) a. der Welt teuerste Briefmarke b. der Weltraumforschung wichtigstes Ereignis c. des Broadways liebstes Kind Wie schon erwähnt, gehen Olsen sowie Bhatt davon aus, dass in den Beispielen (3-62) der pränominale Genitiv vom Superlativ im Adjektiv gefordert wird. Laut Olsens (1991: 49) Hypothese ist die Genitiv-DP der Welt in (3-62)a als die D°-Realisierung anzusehen innerhalb der DP der Welt teuerste Briefmarke. Die Definitheit dieser DP sei auch ohne ein definites Determinans dadurch garantiert, dass die Verbindung einer durch ein Argument gesättigten Superlativform eines Adjektivs mit einem Nomen ein einziges Exemplar bzw. eine bestimmte Gruppe eines nominalen Prädikats bezeichnet. Das Merkmal [ def] würde von D° nach Deg° perkolieren und innerhalb von dessen Komplement durch die Genitivphrase der Welt realisiert. Der Welt würde damit der gleichen Position zugeordnet, in der die Komplemente von A° auftreten: (3-63) a. der [auf eine Kinder] stolze Vater b. der [ seiner Sache ] sichere Professor c. 0 [der Welt] teuerste Briefmarke
(Bhatt 1990: 82)
Gegen diese Annahme spricht, dass sich die Genitiv-DP in (3-63)c anders verhält als echte Komplemente von Adjektiven wie in (3-63)a und b. Die DP seiner Sache bekommt z.B. von dem lexikalischen Kopf A° den Kasus [GEN] zugewiesen, unabhängig davon, ob das Adjektiv als Positiv, Komparativ oder Superlativ auftritt: (3-64) a. Er ist seiner Sache noch sicherer geworden, b. Er ist seiner Sache am sichersten. Der Kasus [GEN], den die präadjektivische DP der Welt in (3-63)c trägt, hängt dagegen mit der Superlativform des Adjektivs zusammen: (3-65) a. * der Welt teure Briefmarke b. * der Welt teurere Briefmarke So kommt die Genitiv-DP der Welt nur in Verbindung mit einem superlativischen Adjektiv vor, während Komplemente von Adjektiven auch mit Gradwörtern kombiniert werden können: (3-66) a. * der Welt sehr teure Briefmarke b. der seiner Sache sehr sichere Professor
52 An dieser Stelle scheint zunächst Bhatts Vorschlag, den Superlativ selbst als Kasuszuweiser anzusehen, angebracht zu sein. Der Welt erhält demnach den Kasus vom [GRAD]Merkmal unter Deg°, das sich als [Superlativ] spezifiziert hat. Um diese Idee weiterzuführen, wäre die Genitiv-DP in die SPEC-Position einzuordnen und folgende DegP-Struktur anzunehmen: (3-67)
DegP
DP der Welt
Deg° [ Superlativ ]
AP teuerSTe
Bevor jedoch der pränominale Genitiv der Welt als SPEC in die DegP eingesetzt wird, ist noch Folgendes in Erwägung zu ziehen: In der DP die teuerste Briefmarke der Welt, in der die Genitiv-DP postnominal realisiert ist, geht die Genitiv-DP der Welt mit der NP Briefmarke eine syntaktische Beziehung ein: der Welt ist zwar kein Argument von N, nimmt aber ihre Position in der NP-Projektion ein. Für solche Nicht-Argumente innerhalb der NP kann die Adjunktposition in Frage kommen. Laut Bhatt (1990: 126) können die an NP adjungierten DPs von N° noch regiert werden und Kasus zugewiesen bekommen, falls sie zu N° adjazent sind. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die postnominale Genitiv-DP der Welt beim Superlativen Adjektiv syntaktisch nicht von den übrigen Genitiv-DP in den folgenden Beispielen, in denen kein superlativisches Adjektiv auftritt:19 (3-68) a. b. c. d. e.
Frau meines Lebens Tor des Monats Fußballer des Jahres Kinder der Welt kein Mensch der Welt
Die Beispiele (3-68)b und c weisen dabei superlativische Bedeutung auf, wie etwa 'das beste Tor des Monats' und 'der erfolgreichste Fußballer des Jahres'. Hier ist aber kein Superlativ und somit keine DegP vorhanden, auf die sich die Genitive syntaktisch beziehen könnten. An dieser Stelle ist auf eine wichtige Gemeinsamkeit hinzuweisen, die zwischen den DPs in obigen Beispielen und einer DP wie die teuerste Briefmarke der Welt besteht: Deren nominale Köpfe bezeichnen ein abgrenzbares bestimmtes Exemplar bzw. eine abgrenzbare bestimmte Gruppe, die sich innerhalb des in der jeweiligen Genitiv-DP angegebenen Raum- bzw. Zeitintervalls befinden.20 So ist mit (3-68)a sicher eine 19
20
Auch wenn die Genitive in den Beispielen in (3-68) semantische Gemeinsamkeiten aufweisen (s.u.), lassen sie sich schwer in eine der semantischen Klasse einordnen, die z.B. in Helbig/Buscha(1986: 591 ff.) vertreten sind. Versucht man es trotzdem, könnten sie in die Klasse 'Genitiv der Zugehörigkeit' eingeordnet werden. Dadurch unterscheiden sie sich von anderen Genitivtypen wie z.B. Omas Katze oder des Mannes Hut,wo zwischen dem Genitiv und dem Nomen ein einfaches Possessionsverhältnis besteht.
53 bestimmte Frau gemeint, mit (3-68)d die Gesamtheit der Kinder auf der Erde und mit (368)e eben niemand. Man sieht also, dass hier die gleiche Forderung erfüllt wird, die Olsen (1991) innerhalb der DP der Welt teuerste Briefmarke anhand der Relation zwischen der Superlativform des Adjektivs und dem Nomen gestellt hat, wobei sie die Genitiv-DP in die DegP einzusetzen versuchte. In den DPs in (3-68) ist diese Anforderung meiner Ansicht nach ohnehin schon erfüllt, ohne dass dafür ein superlativisches DegP nötig ist. Falls jedoch ein restriktives Adjektiv vorhanden ist, wird diese Anforderung nur dadurch erfüllt, dass es im Superlativ auftritt. Folgende Beispiele sind deshalb ungrammatisch, weil die Adjektive keine Superlative sind und demzufolge das nominale Prädikat nicht abzugrenzen und die DP [ -determiniert] ist: (3-69) a. * die teure/teurere Briefmarke der Welt b. * der Welt teure/teurere Briefmarke Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, dass pränominale Genitiv-DPs in (3-68) nicht etwa von der Superlativform des Adjektivs gefordert werden, sondern eher umgekehrt, d.h. dass der Superlativ erforderlich ist, um die oben dargelegte Forderung innerhalb der DP zu erfüllen. Um den bisherigen Beobachtungen Rechnung zu tragen, schlage ich vor, die Genitiv-DP der Welt, die bei ihrer postnominalen Realisierung eine Adjunktposition annimmt, bei ihrer pränominalen Realisierung als SPEC von DP anzunehmen und nicht der DegP zuzurechnen, weder als SPEC von DegP noch als Komplement von Adjektiv. In der SPECPosition von DP bekommt sie ihren Kasus auf die gleiche Weise wie die anderen Genitive in dieser Position, vom Merkmal [poss] unter dem Kopf D°(s. Olsen 1988, Vater 1991: 23).21 Ein Beispiel dafür zeigt die folgende DP-Struktur: DP
(3-70)
D'
DP [GEN]
des Vaters
f
D° poss 3.Ps Sg NOM
NP Haus
J
Dadurch erklärt sich auch die Ungrammatikalität in *der Welt die teuerste Briefmarke oder in *die der Welt teuerste Briefmarke: Es ist hier bereits ein phonologisch unrealisiertes 21
Dass das kasuszuweisende Merkmal [poss] ist, bedeutet nicht, dass zwischen der Genitiv-DP im SPEC und dem Nomen immer ein Possessionsverhältnis besteht: vgl. Amerikas Entdeckung. Es wurde schon erwähnt, dass für die Relation zwischen der Genitiv-DP beim superlativischen Adjektiv und dem Nomen kein einfaches Possessionsverhältnis angenommen werden kann (s. Fußn. 33). Wenn zwischen der Genitiv-DP und dem Nomen nur ein Possessionsverhältnis besteht, kann das pränominale Adjektiv in [positiv] auftreten: des Kaisers neue Kleider
54 Deg°-Element vorhanden, so dass ein Determinans redundant wäre, so wie in der DP *des Vaters das Haus. Nachdem die pränominalen Genitive beim superlativischen Adjektiv von der SPECPosition der DegP ausgeschlossen sind, kommt nun für die Lizenzierung dieser Position die zweite Möglichkeit in Betracht, sie als Landeplatz fiir die Bewegung der DP-Komplemente von Adjektiven anzusehen, die durch Adjazenzforderung zwischen Deg° und dem Adjektiv ausgelöst wird. Ich halte diese Annahme für angemessen, zumal sich zeigt, dass diese Bewegung innerhalb der DegP aufgrund der Adjazenzforderung sprachübergreifender Natur ist: Innerhalb von Sprachen wie dem Deutschen, Koreanischen ((3-7 la)) und dem Japanischen ((3-7l)b), in denen Adjektive in ihrer attributiven Funktion pränominal auftreten und der Kopf A° innerhalb der AP rechtsperipher vorkommt, bedeutet für die DegPAnalyse die Adjazenz zwischen dem Deg°-Element und dem Kopf-Adjektiv stets eine Bewegung der Komplemente von A°, die allerdings keine Extraktion aus der DegP heraus sein darf. Im Koreanischen gilt das gleiche auch innerhalb der prädikativen DegP, weil Adjektive auch in ihrer prädikativen Funktion stets rechtsperipher sind: (3-71) a. gunyo-nun [ Degphangsang dschigob-ej Deg°maeu tj tschungschilha-da]. sie-NOM immer Beruf-DAT sehr treu(Prä.)-Dekl. Sie ist immer ihrem Beruf sehr treu. a'.*dschigob-ej gunyo-nun [Degphangsang oegomaeu tj tschungschilha-da]. Beruf-DAT sie-NOM immer sehr treu(Präs.)-Dekl. Sie ist immer ihrem Beruf sehr treu, b. Kanojo-wa [ DegP itsumo shigito-nij Deg° totemo t, tsuj itsu-de-aru ]. sie- NOM immer Beruf-DAT sehr treu-Präs.-Dekl. Sie ist immer ihrem Beruf sehr treu. b \ *Shigoto-nij kanojo-wa [Degp itsumo Degototemo tj tsuj itsu-de-aru.] Beruf-DAT sie-NOM immer sehr treu-Präs.-Dekl. Sie ist immer ihrem Beruf sehr treu. (3-72) a. [ DP die [ DegP auf ihren Berufj oft sehr tj stolze ] Frau ] b. * [ DP auf ihren Berufj [ Dp die [ Degp oft sehr tj stolze ] Frau ] Innerhalb der DegP kommt somit die SPEC-Position als Landeplatz für diese Bewegung in Betracht, so dass man davon ausgehen kann, dass SPEC von DegP auf diese Weise lizenziert wird. In romanischen Sprachen ζ. B, in denen eine AP normalerweise postnominal steht und das Komplement attributiver Adjektive dem Kopf A° folgt, findet diese Bewegung nicht statt, weil Deg° immer adjazent zum Adjektiv realisiert wird (vgl. Bhatt 1991: 9): (3-73) a. il padre molto orgoglioso dei suoi bambini der Vater sehr stolz auf seine Kinder b. * il molto orgoglioso dei suoi bambini padre der sehr stolz auf seine Kinder Vater c. il padre e molto orgoglioso dei suoi bambini der Vater ist sehr stolz auf seine Kinder
55 Für solche Fälle ist anzunehmen, dass die SPEC-Position der DegP auch unbesetzt bleiben kann, parallel zum SPEC von CP, das auch unbesetzt bleibt, wenn keine Bewegung zu dieser Position stattfindet. Eben dies ist bei Entscheidungsfragesätzen und bei Nebensätzen der Fall. Die Lizenzierung der SPEC-Position der DegP per SPEC-Head-Agreement, die weiter oben diskutiert wurde, wäre dagegen ein sprachspezifisches, stark parametrisches Merkmal, das nur aufs Deutsche beschränkt ist. Weder das Englische noch das Koreanische verfügen z.B. über genitivisch markierte DPs, die zusammen mit Superlativen Adjektiven auftreten: Im Englischen wird so ein Genitiv als postnominale PP ((3-74)a) realisiert. Im Koreanischen wird er z.B. durch eine adverbiale Ortsangabe ersetzt ((3-74)b), während das Genitivattribut in der gleichen Syntax wie die Beispiel-DPs in (3-68) an sich eine usuelle Erscheinung ist (s.(3-75)). Im Deutschen selbst stellen die Genitive bei pränominalen Adjektiven veraltete Syntagmen dar, die nicht mehr produktiv sind. (3-74) a. the most beautiful girl in the world/of the world b. segye-eso gadschang arumda-un yodscha Welt-Ort. am meisten schön-Attrib. Frau der Welt schönste Frau/die schönste Frau der Welt c. * segye-ui gadschang arumda-un yodscha Welt-GEN am meisten schön-Attrib. Frau der Welt schönste Frau/die schönste Frau der Welt (3-75) a. segye-ui orini-dul Welt-GEN Kind-Pl. Kinder der Welt b. olhae- ui inmul dies Jahr-GEN Person Mann/Frau des Jahres
3.4.3. Adverbien innerhalb der DegP In den vorangegangenen Ausführungen wurden die beiden DegP-internen Positionen diskutiert, der funktionale Kopf Deg° sowie der SPEC von DegP. Innerhalb der DegP bleiben noch lexikalische Elemente, die weder zu diesen beiden Positionen noch zu den Komplementen von Adjektiven gehören. Hierbei handelt es sich um Adverbien, die in der DegP eine modifizierende Funktion ausüben. Bei der Beobachtung dieser Adverbien stellt man fest, dass sie unterschiedliche Positionen aufweisen: (3-76) a. der uns wenig bekannte Soziologe b. *der wenig uns bekannte Soziologe (3-77) a. Er ist seiner Frau überaus treu, b. *Er ist überaus seiner Frau treu. (3-78) a. dass er seiner Freundin oft überdrüssig war b. dass er oft seiner Freundin überdrüssig war
56 (3-79) a. weil er auf seine Mutter immer stolz ist b. weil er immer auf seine Mutter stolz ist So lassen sich die Adverbien wenig und überaus nicht den kasusmarkierten Komplementen von A° voranstellen. Sie müssen stets vor den Adjektiven stehen, während oft und immer für beide Positionen zulässig sind. Dies spricht dafür, dass es innerhalb der DegP Positionsunterschiede je nach Adverbientypen gibt. Der DegP-Ansatz bietet nun die Erklärung dafür: Die Adverbien wenig und überaus in (3-76) und (3-77) gehören zu den Gradwörtern, die nach Bhatt (1990) alle Deg°-Elemente sein sollten und folglich Adjazenz zum Kopf A° fordern. Es hat sich aber im Vorangehenden schon erwiesen, dass die Gradwörter wie derart, eben, fast, gar, nahezu, überaus, sogar und wenig von den Deg°-Elementen aufgrund der Interaktion zwischen dem Prinzip der morphologischen Realisierung und dem Prinzip der unsichtbaren Kategorie auszuschließen sind. Für solche Gradwörter, die keine Deg°-Elemente sind, schlage ich vor, sie als Adjunkte zu betrachten, die am Kopf Deg° adjungiert sind. Auch wenn sie keine Kopf Deg°-Stellung einnehmen können, teilen sie in dieser Adjunktionskonfiguration folgende Eigenschaft mit dem Kopf Deg°. Auf diese Weise bleibt ihre Adjazenzforderung zum Deg° erhalten, so dass ein Komplement von A° beim Vorhandensein eines solchen Gradworts ebenfalls seine Basisposition verlassen und sich in die SPEC-Position von DegP bewegen muss. Demnach ist die Struktur der DegP im Beispiel (3-77) wie folgt darzustellen: (3-80)
DegP
DP seiner Frau,
Deg' Deg° "AP Gradw. überaus Deg°
0
A° treu Was die Adverbien oft und immer in den Beispielen (3-78) und (3-79) betrifft, so ist die Adjazenz zu dem Adjektiv nicht notwendig, weil diese Adverbien weder Deg °-Elemente noch sonstige Gradwörter sind. Solche Adverbien werden in Bhatt (1990: 74) ioftAdverbien' genannt. Hierzu zählen: (3-81)
außerdem, bald, bisweilen, bestimmt, eher, einmal, gewiß, heute, irgendwie, immer, je, keineswegs, leider, lieber, manchmal, mitunter, möglicherweise, nur, oft, schon, sonst, stets, vielleicht, zuerst
57 Zu beachten ist jedoch, dass nicht alle Adverbien in (3-81) gleiches syntaktisches Verhalten aufweisen. Dies zeigt sich, wenn zwei Adverbien zusammen mit einer DegP auftreten: (3-82) a. [ Oft seiner Freundin überdrüssig] ist Peter außerdem. b. * Außerdem seiner Freundin überdrüssig ist Peter oft. (3-83) a. Peter ist außerdem [oft seiner Freundin überdrüssig]. b. *Peter ist oft außerdem seiner Freundin überdrüssig. (3-84) a. [ Immer seiner Frau treu] war Peter sonst. b. * Sonst seiner Frau treu war Peter immer. (3-85) a. Peter ist sonst [ immer seiner Frau treu ] gewesen, b. *Peter ist immer sonst seiner Frau treu gewesen. Diese Beispiele zeigen Unterschiede zwischen Adverbien wie oft und immer einerseits und außerdem und sonst andererseits, wobei die letzteren nicht zusammen mit AP extrahiert werden können und stets den ο/ϊ-Adverbien vorangehen. Während Adverbien wie oft und immer in obigen Beispielen als DegP-Adjunkte aufzufassen sind, die an DegP bzw. an Deg' adjungiert sind, befinden sich die anderen wie außerdem und sonst außerhalb der DegP. Für diese Adverbien, die die Stellungnahme des Sprechers zur Geltung des Sachverhalts ausdrücken oder Sachverhalte modalisieren, kann angenommen werden, dass sie an einer höheren Stelle adjungiert sind als DegP.22 23 Dass temporale Adverbien wie oft, immer, bald und bisweilen usw. als DegP-Adjunkte angesetzt werden, bedeutet aber nicht, dass sie stets innerhalb der DegP auftreten müssen; sie können z.B. am Satzanfang positioniert sein, vgl. Immer ist Peter seiner Frau treu. Aufgrund dieser Stellungsvariante im Satz, die somit nicht nur die modalen Adverbien sondern auch die temporalen Adverbien, d.h. die gesamten Adverbien in (3-81) betrifft, werden sie alle in Eisenberg (1999: 209ff.) den 'Satzadverbien' zugerechnet. Im Koreanischen lassen sich unter den Adverbien, die mit einer DegP vorkommen, ähnliche Stellungsunterschiede feststellen: Die Adverbien hangsang ('immer'), und bolsso ('schon') im folgenden Beispiel klassfiziere ich als DegP-Adjunkte. Sie weisen ein paralleles syntaktisches Verhalten zu den temporalen Adverbien in (3-81) auf, da sie den Adverbien wie bunmyong ('bestimmt') oder ama ('vielleicht') nicht vorangehen können, weil die modalen Adverbien an einer höheren Stelle als DegP adjungiert sind: (3-86) a. gu-nun bunmyong [hangsang gohyang-i guri-pda.] er-NOM bestimmt immer Heimat-NOM vermiss(Präs.)-Dekl. Er vermisst bestimmt immer seine Heimat, b. *gu-nun hangsang bunmyong gohyang-i guri-pda. er-NOM immer bestimmt Heimat-NOM vermiss(Präs.)-Dekl. Er vermisst bestimmt immer seine Heimat. 22 23
Diese Adverbien wurden in (3-81) kursiv geschrieben. Wenn sie jedoch innerhalb der DP auftreten, wie z.B. in der sonst immer seiner Frau treue Peter, ist anzunehmen, dass sonst wie immer an DegP adjungiert ist.
58 (3-87) a. gu-nunama [bolsso goltschi-ga apu-l-got-i-da.] er-NOM vielleicht schon Kopf-NOM Weh tu(Präs.)-Modal.-Präd.-Dekl. Er hat vielleicht schon Kopfschmerzen, b. * gu-nun bolsso ama goltschi-ga apu-l-got-i-da. er-NOM schon vielleicht Kopf-NOM Weh tu(Präs.)-Modal.-Präd.-Dekl Er hat vielleicht schon Kopfschmerzen. Ihre Position innerhalb der DegP verdeutlicht den Adjunktstatus dieser Elemente: Beim Vorhandensein eines Deg°-Elements kommen sie linksperipher an DegP adjungiert vor, aber nicht an Deg' adjungiert adjazent zu Deg° (s. (3-88) u. (3-89)). Falls kein Deg° explizit realisiert ist, haben sie relative Positionsfreiheit innerhalb der DegP ebenso wie die DegP-Adjunkte im Deutschen ((3-90) u.(3-91)): (3-88) a. gu-nun [ Deg pyosae [ DegP goltschi-ga maeu apu-da] ] . er-NOM letzter Zeit Kopf-NOM sehr Weh tu(Präs.)-Dekl. Er hat in letzter Zeit sehr starke Kopfschmerzen, b. ?? gu-nun [ Degpgoltschi-ga yosae maeu apu-da]. er-NOM Kopf-NOM letzter Zeit sehr Weh tu(Präs.)-Dekl. Er hat in letzter Zeit sehr starke Kopfschmerzen. (3-89) a. gu-nun [oegphangsang [ DegP gohyang-i mutschok guri-pda]. er-NOM immer Heimat-NOM sehr vermiss(Präs.)-Dekl. Er hat immer viel Heimweh, b. ?? gu-nun [ Degpgohyang-i hangsang mutschok gurip-da]. er-NOM Heimat-NOM immer sehr vermiss(Präs.)-Dekl. Er hat immer viel Heimweh. (3-90) a. gu-nun [Degpdschadschu[Degpgoltschi-ga a p u - d a ] ] . er-NOM oft Kopf-NOM Weh tu(Präs.)-Dekl. Er hat öfters Kopfschmerzen, b. gu-nun [Degpgoltschi-ga dschadschu apu-da]. er-NOM Kopf-NOM oft Weh tu(Präs.)-Dekl. Er hat öfters Kopfschmerzen. (3-91) a. na-nun [ Deg phangsang [ DegP gohyang-i guri-pda] ] . ich-NOM immer Heimat-NOM vermiss(Präs.)-Dekl. Ich habe immer Heimweh, b. ch-NOM Heimat-NOM immer vermiss(Präs.)-Dekl. Ich habe immer Heimweh. Aus der bisherigen Analyse der AP als DegP im Kap 3.4 hat sich ergeben, dass der DegPAnsatz sowohl den strukturellen Unterschied als auch die Parallele zwischen den APs im Deutschen und im Koreanischen erklären kann: In Bezug auf die morphologische Realisierung der funktionalen Kategorien Deg zeigte sich der Unterschied darin, dass das funktionale [GRAD] -Merkmal im Koreanischen stets als Gradwort unter dem Kopf Deg° erscheint, während es im Deutschen entweder als Gradwort in situ oder am Adjektiv suffigiert realisiert
59 wird. Somit ergibt sich, dass Deg neben anderen funktionalen Kategorien wie IN FL und Det unterschiedliche Realisierungsvarianten in analytischen und synthetischen Sprachen aufweist. Was die Relationen zwischen DegP-internen Positionen betrifft, traten Parallelitäten hervor: Die SPEC-Position von DegP dient in beiden Sprachen als Landeplatz für das bewegte Komplement des Adjektivs, falls die Deg°-Position gefüllt ist. Die DegP-internen Adverbien weisen in beiden Sprachen Adjunktstatus auf und zeigen von Satzadverbien verschiedene Positions- und Extraktionsmerkmale.
3.5.
Semantische Beschränkungen
So wie für die Wortartdefinition der Adjektive das semantische Kriterium grundlegend war, sind auch für die syntaktische Analyse der AP bzw. DegP semantische Aspekte zu berücksichtigen, die stets als einschränkender, aber auf der anderen Seite auch als aufschlussreicher Faktor eine grundlegende Rolle spielen. Im Folgenden werden die in ihrer Semantik für 'nicht graduierbar' deklarierten Adjektive einerseits und andererseits diejenigen Nomina, PPs und Verben untersucht, bei deren Semantik eine graduelle Abschattung möglich zu sein scheint. Es geht dabei um die Frage, ob sie die Anwendbarkeit der DegPAnalyse, die in den vorangegangenen Abschnitten diskutiert wurde, beeinträchtigen können.
3.5.1. „Nichtgraduierbare Adjektive" im Deutschen Weder Abney (1987) noch Bhatt (1990) beschäftigen sich in ihrer DegP-Analyse mit der Frage, ob alle APs ausschließlich als DegPs analysiert werden können. Das Merkmal [GRAD] ist ursprünglich ein semantisches Merkmal, über das die Adjektive wortartspezifisch verfügen und mittels dessen Gradunterschiede von 'Eigenschaften' zum Ausdruck kommen. Dieses ursprünglich semantische Merkmal wird in der syntaktischen Analyse der DegP als grammatisches Merkmal angesetzt, das unter dem funktionalen Kopf Deg° erzeugt und auf die ganze Phrase projiziert wird. Aufgrund dieser Tatsache stellt es ein Problem für die DegP-Analyse dar, und zwar bei den Adjektiven, die in ihrer Bedeutung nicht graduierbar sind. So verfügt das Adjektiv tot grammatisch weder über eine Komparationsform wie etwa *töter noch über eine Superlativform *{am) totesten. Die nichtgraduierbaren Adjektive wie tot, verheiratet und grün usw. dürften nicht als Gegenstand der DegP-Analyse in Betracht kommen. Dies hätte zur Folge, dass die funktionale Kategorie 'Deg' nur eine bestimmte Klasse von Adjektiven selegieren würde, nämlich die graduierbaren Adjektive. Demzufolge wäre dies inkompatibel mit der unten noch einmal aufgeführten fünften Eigenschaft der funktionalen Kategorie, die Bhatt (1990: 69) auch für Deg° annimmt (s. 3.3.1): Deg° besitzt grammatische und relationale Merkmale und selegiert keine bestimmte Klasse von Adjektiven.
Da bei den nichtgraduierbaren Adjektiven kein Merkmal [GRAD] vorhanden ist, könnte man davon ausgehen, dass sie nicht als DegPs, sondern als bloße APs zu analysieren sind.
60 Das freilich würde bedeuten, dass die DegP-Analyse an Anwendbarkeit beschränkt und somit inadäquat ist. An dieser Stelle lohnt es sich, einen Blick auf die Adjektive zu werfen, die traditionell als „nicht graduierbar" angesehen werden. 24 In den relevanten Untersuchungen werden verschiedene semantische Gruppen von nichtgraduierbaren Adjektiven genannt (u. a. Duden-Grammatik 19986, Mötsch 1964, Starke 1981 u. Os 1989). Dazu kommen noch diejenigen Adjektive, die auf eine bestimmte syntaktische Verwendung beschränkt, d.h. nur prädikativ oder attributiv verwendbar sind: (3-92) a. Das Buch ist wert, gelesen zu werden. b. * ein wertes Buch c. * Dieses Buch ist werter als jenes, gelesen zu werden. (3-93) a. Ich bin allein. b. * ein alleiner Spaziergang c. * Alleiner als ich ist wohl niemand.
(Os 1989: 41)
Folgende Beispiele zeigen jedoch, dass diese Adjektive auch graduierbar sein können, indem sie mit Gradwörtern kombiniert werden: (3-94) a. Das Buch ist sehr wert, gelesen zu werden, b. Ich bin so allein. Ebenfalls für nicht graduierbar gehalten werden die nur attributiv verwendbaren Adjektive, die meistens Ort- bzw. Zeitangabe sind oder die Angaben zur Herkunft bzw. stofflichen Beschaffenheit machen: (3-95) a. ein englischer Gentleman b. * Der Mann ist englisch. (3-96) a. ihr eiserner Wille b. * ihr Wille ist eisern. Sie lassen sich aber ebenfalls durch Hinzufügung von Gradwörtern graduieren, wodurch sie sogar z.T. in prädikativer Stellung vorkommen können: (3-97) a. Er ist mir zu englisch. b. Sie hat den eisernsten Willen. Es stellt sich also heraus, dass die Restriktionen in der syntaktischen Verwendung keinen aufschlussreichen Faktor für das semantische Merkmal Graduierbarkeit liefern können. Mir scheint es eher umgekehrt so zu sein, wie es in den Beispielen in (3-97) zu erkennen war. 24
Bezüglich der DegP-Analyse verstehe ich unter Graduierbarkeit sowohl die Komparierbarkeit mittels der Komparativ- bzw. Superlativsuffixe als auch die Kombinierbarkeit mit Gradwörtern, wie mehr, sehr, so, genug und zu, also mit den Gradwörtern, die Deg°-Elemente sind (s. 3.4.1).
61 Dort werden die Adjektive englisch und eisern nicht in ihrer wörtlichen, sondern in der übertragenen Bedeutung gebraucht, die häufig eine evaluative bzw. gefühlshaltige Nuancierung zum Ausdruck bringt. Dies gilt auch für die anderen Adjektive, deren Semantik eine graduelle Abschattung nicht zulässt, die aber durch Bedeutungsübertragung graduiert auftreten können. Sie kommen sowohl in den literarischen Ausdrücken als auch in der Umgangssprache sehr häufig vor. Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt: (3-98) a. b. c. d. e. f. g.
Er ist sehr eckig. (In: Os 1989: 35) die lebhafteste Darstellung Er ist sehr verheiratet. die nackteste Gewalt eine passendere Gelegenheit der schwärzeste Tag seines Lebens Denn die ehrenwerte Gesellschaft mißbilligt ungeordnete Liebschaften und Seitensprünge, [....] da ist sie päpstlicher als der Papst. (In: Brigitte 1991/20) h. Die Nacht schien endlos. Damals war sie mir noch viel, viel endloser vorgekommen. i. Er ist doch der prosaischste Bursche, den ich je gesehen habe.
Es muss jedoch keine Bedeutungsverschiebung und/oder wertende Stellungnahme des Sprechers vorhanden sein, um die ursprünglich nichtgraduierbaren Adjektive graduierbar zu machen: In manchen Fällen verhalten sie sich bezüglich der Graduierbarkeit flexibel, indem ihre wörtliche Bedeutung an sich relativiert wird: (3-99) a. Dann haben wir alle ein bißchen den Bauch eingezogen und uns gerader hingesetzt. (In: Brigitte 1995/20) b. Das Kino war heute leerer als gestern. Weil die Umwandlung von sog. nichtgraduierbaren zu den graduierbaren Adjektiven fast alle semantischen Gruppen dieser Adjektive abdeckt und im heutigen Deutsch so vielfaltig und normgerecht erscheint, liegt es m.E. nahe zu sagen, dass alle APs potentielle DegPs sind. Für diese vermeintlich nichtgraduierbaren Adjektive kann zunächst das inhärente Merkmal [-grad] angenommen werden, das also durch Bedeutungsübertragung bzw. -relativierung der Adjektive in das positive Merkmal [+grad] umgewandelt werden kann. Parallel zu Bhatt (1990: 46ff.), die in ihrer DP-Analyse fiir die Massennomina wie Milch, Butter usw. anstelle von [ -def] das Merkmal [ adef ] vorschlägt,25 wobei das Zeichen a bedeutet, dass dieses Merkmal noch nicht besetzt ist, nehme ich als nächsten Schritt für die nichtgraduierbaren Adjektive das Merkmal [agrad] an: So wie das [adef]Merkmal der Massennomina durch die Lexikalisierung des [AGR]-Merkmals in D° zu [+def] wird, wie z.B. in kalte Milch und die Butter, kann das [agrad] -Merkmal in den nichtgraduierbaren Adjektiven unter den oben eingeführten Umständen mit dem positiven Merkmal [+grad] besetzt werden. 25
Nach Bhatt ist eine Umwandlung eines spezifizierten negativen Merkmals in ein positives unmöglich, denn einmal spezifizierte Merkmale perkolieren an der Projektionslinie hoch bis zur maximalen Projektion.
62 Noch hervorzuheben ist die semantische Klasse der Adjektive wie einzig, maximal und minimal, die ursprünglich nicht graduierbar sind, weil sie in ihrer lexikalischen Bedeutung den höchsten oder den geringsten Grad der Eigenschaft bezeichnen. Für solche Adjektive nehme ich an, dass sie bereits das Merkmal [+grad] in sich haben. Es kann ihnen das Merkmal [elativ] zugeordnet werden, das ansonsten bei anderen Adjektiven durch Kombination mit Gradwörtern wie sehr oder äußerst realisierbar ist. Dies ist mit der DPAnalyse der Eigennamen vergleichbar, die inhärent definit sind und kein explizites Determinans brauchen (s. Vater 1990: 24). Es kommt jedoch vor, dass diese Adjektive doch mit einem Deg°-Element erscheinen, d.h. mit dem Superlativsuffix, das hier eigentlich redundant ist, wie z.B. in minimalster Verschluß, erstklassigste Ausführung, am maximalsten usw. Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch bei der DP-Analyse mit Eigennamen beobachten, denn sie können ebenfalls mit einem Determinans vorkommen - vgl. (3-100) - ; in bestimmten Fällen ist ein Determinans gar obligatorisch (s.(3-101)) (vgl. Vater 1991:25): (3-100) a. (Der) Peter war da. b. (Die) Meiers sind ausgewandert. (3-101) a. Der Rhein ist über seine Ufer getreten, b. Die Schweiz ist neutral.
3.5.2. „Nichtgraduierbare Adjektive" im Koreanischen Weil die (Nicht)Graduierbarkeit der Adjektive auf ihrer Semantik beruht, die die Adjektive in unterschiedlichen Sprachen gemeinsam haben, ist zu erwarten, dass die Adjektive im Deutschen, die nichtgraduierbar sind, ihre Bedeutungsäquivalenzen im Koreanischen genauso in den nichtgraduierbaren Adjektiven finden werden. Die Gegenüberstellung der Bedeutungsäquivalenzen im Koreanischen zu den nichtgraduierbaren Adjektiven im Deutschen zeigt aber zunächst, dass dies nicht der Fall ist. Im Folgenden sollen diese Unstimmigkeiten und die Gründe erläutert werden, die für die Untersuchung der (Nicht-) Graduierbarkeit der Adjektive und auch für die Adjektivdefinition im Koreanischen relevant sind: In Tabelle (3-102) wird links jeweils ein Exemplar der verschiedenen semantischen Klassen der nichtgraduierbaren Adjektive im Deutschen aufgeführt, die die DudenGrammatik (19986: 306) erwähnt, und rechts deren semantische Äquivalenzen im Koreanischen:26
26
Falls nichts
vermerkt ist, sind die angegebenen Adjektive im Koreanischen prädikatives Präsens, was auch die Infinitivform der Adjektive darstellt. Sie besteht aus dem Adjektivstamm und der Deklarationsendung -da.
63 (3-102)
Nichtgraduierbare Adjektive
Deutsch a. rot b. leer c. voll d. lebendig e. einzig f. tot g. hiesig h. absolut
Koreanisch bbalgatda/ bulgda bioitda gadukhada salaitda yuilhada bioitda yogi-ui dscholdae-dschok-i-da
Wortartstatus A A A A A V(Partizip2) N+GEN N+Suffix+Präd.+Dekl
Im Koreanischen sind Farbadjektive wie im Beispiel (3-102)a graduierbar, d.h. mit Gradwörtern kombinierbar, die Deg°-Elemente sind: (3-103)
gaul hanul-i maeupuru-da. Herbst Himmel-NOM sehr blau(Präs.)-Dekl. Der Herbsthimmel ist sehr blau.
Im Koreanischen sind die Adjektive wie biotda und gadukhada - vgl. (3-102)b und c graduierbar, wenn das Kriterium 'Vergleich' angesetzt wird: (3-104)
nae dschogumtong-i negot-boda do biotda/gadukha-da. mein Spardose-NOM dein Ding-als mehr leer/voll(Präs.)-Dekl. Meine Spardose ist leerer/voller als deine.
Das in seiner wörtlichen Bedeutung ursprünglich nicht graduierbare Adjektiv salaitda im Beispiel (3-102)d kann auch graduiert vorkommen, wenn es in einem übertragenen Sinn gebraucht wird: (3-105)
gu-nun yosae adschugi-ga salait-da. er-NOM letzter Zeit sehr Energie-NOM lebendig(Präs.)-Dekl. Er ist in letzter Zeit sehr lebhaft.27
Es lässt sich an obigen Beispielen erkennen, dass Bedeutungsrelativierung und -Übertragung also im Koreanischen ebenfalls diejenigen Kriterien sind, die die Adjektive graduierbar machen. Für die Adjektive wieyuilhada ('einzig') in (3-102)e nehme ich parallel zum Deutschen an, dass sie bereits DegPs darstellen, wobei ihre Semantik bereits den höchsten Grad bezeichnet und das Gradmerkmal [ elativ ] vorhanden ist. Dadurch erklärt sich die Beschränkung, dass sie keine Gradwörter zulassen (s. Beisp. (3-107)): Anders als im Deutschen, in dem innerhalb einer DegP mit inhärentem [elativ] -Merkmal in bestimmten Fällen - umgangsprachlich - noch ein Deg°-Element explizit realisiert werden darf, lassen diese Adjektive im Koreanischen eine derartige Realisierung nicht zu.28 27 28
Die AP giga salaitda ist eine idiomatische Wendung. In der analytischen Konstruktion der DegP des Koreanischen existiert auch kein Platz für solch
64 (3-106)
* Piano-nun gu-ui gadschang yuilhan gibbum-ida. Klavier-NOM er-GEN am meisten einzig Freude-Dekl. Klavierspielen ist seine einzigste Freude.
Aufgrund der Tabelle (3-102) lässt sich somit vorerst Folgendes feststellen: Die sog. nichtgraduierbaren Adjektive im Deutschen finden ihre semantische Entsprechung im Koreanischen entweder in Adjektiven, die graduierbar sind, oder in anderen Wortarten bzw. Morphemabfolgen ((3-102)f bis h). Man kann nun davon ausgehen, dass diese Distribution für die DegP-Analyse der koreanischen Adjektive kein Problem darstellt. Für die Übereinzelsprachliche Adjektivdefinition jedoch, die auf der gemeinsamen Semantik basiert, kann dies einen Störfaktor darstellen, weil die gleichen adjektivischen Bedeutungen im Deutschen und im Koreanischen in unterschiedlichen Wortarten vorkommen, wie die Beispiele von (3-102)f bis h zeigen. Eine genauere Beobachtung lässt aber erkennen, dass die Zuordnung dieser Wörter zu anderen Wortarten als Adjektiven nicht unumstritten ist: Für das Adjektiv tot gibt es im Koreanischen das verbale Äquivalent dschukotda als das Präteritum bzw. als das Perfekt des Verbs dschukda 'sterben'. Der Zustand 'tot sein' wird also als Folgezustand der Verbbedeutung von dschukda ausgedrückt, das ein punktuelles Ereignis ausdrückt. Im Deutschen sind Unterschiede im Gebrauch von tot und gestorben im Partizip Perfekt festzustellen: (3-107) a. Seine Mutter ist seit /*vor 25 Jahren tot. b. Seine Mutter ist *seit / vor 25 Jahren gestorben. (3-108)
eine tote Sprache / *eine gestorbene Sprache
Nun lässt sich beobachten, dass die gleiche Beschränkung, die für das Partizip gestorben gilt, auch für das koreanische Äquivalent dschukotda Gültigkeit hat: (3-109) a. gu-ui abodschi-nun 25 nyon dschone dschuk-ot-da. er-GEN Vater-NOM 25 Jahre vor sterben-Prät.-Dekl. Sein Vater ist vor 25 Jahren gestorben, b. *gu-ui abodschi-nun 25 nyon gan dschuk-ot-da. er-GEN Vater-NOM 25 Jahre lang sterben-Prät.-Dekl. Sein Vater ist seit 25 Jahren tot. Daraus leitet sich ab, dass das Wort dschukotda eher die syntaktische Äquivalenz für die Perfektform des Verbs sterben und nicht für das Adjektiv tot ist und dass es nicht als ein Adjektiv zur Verfügung stehen kann. Dies bedeutet, dass das adjektivische Konzept für tot keine Äquivalenz im Koreanischen findet und nicht etwa, dass es im Koreanischen durch ein Verb zum Ausdruck kommt. Adjektive wie hiesig und morgendlich, die zur Orts- und Zeitangabe dienen, kommen im Koreanischen als Nomen im Ausdruck ((3-102)g) vor, eine doppelte Realisierung des Deg°-Elements im Gegensatz zu der synthetischen DegP-Struktur im Deutschen, in der ausnahmsweise beide Deg°-Positionen besetzt werden können. Im Regelfall stehen diese nur alternativ zur Verfugung.
65 wobei die genitivische Postposition -ui daran suffigiert wird. Im Englischen steht als Äquivalent für das Adjektiv hiesig eine Abfolge of this place oder das Adverb here, wie in my friends here 'meine hiesigen Freunde'. Das französische Äquivalent d'ici besteht ebenfalls aus einer Präposition und einem Adverb. Dies muss aber wiederum nicht heißen, dass das gleiche adjektivische Konzept in diesen Sprachen in unterschiedlichen Wortarten vorkommt. Auf der übereinzelsprachlichen Ebene scheinen die Zeit- und Ortsangaben diejenigen Konzepte zu sein, die bei der Wortartunterscheidung Grenzfälle darstellen und in unterschiedlichen Sprachen entweder als die Abfolge 'Nomen+Prä-/Postposition' oder als Adverb vorkommen. Im Deutschen wird es mit Hilfe der äußerst produktiven Bildung mit dem Suffix -ig ausnahmsweise als ein Adjektiv gebildet. Dass solche Adjektive aber starke Beschränkungen in ihren syntaktischen Funktionen aufweisen - sie lassen sich nur attributiv verwenden, wobei die Möglichkeit der prädikativen Verwendung durch Bedeutungsübertragung (vgl. (3-97)) ausgeschlossen ist - , belegt ihren fragwürdigen adjektivischen Status. Problematisch ist m.E. auch die Zerlegung eines Wortes wie dscholdae-dschuk-i-da in (3-102)h in 'Nomen dscholdae + Suffix dschok + Prädikatssuffix -/' + Deklarationsendung da' in Nam/Go (1993 2 : 107), das adjektivische Bedeutung und Funktion hat: Das sinokoreanische Wort dscholdae mit der Bedeutung 'absolut' wird innerhalb der koreanischen Grammatik den Nomen zugerechnet, wie auch alle anderen sinokoreanischen Wörter, die sich mit dem Suffix dschok verbinden lassen, wie z.B. ingandschok ('menschlich'), muldschildschok ('materialistisch'), tschusangdschok ('abstrakt'), gutschedschok ('konkret') und schimridschok ('psychisch'). Was aber gegen die einheitliche Zurechnung dieser Wörter zu den Nomen spricht, ist, dass einige von ihnen nicht über die syntaktischen Funktionen verfügen, die von dieser Wortart zu erwarten sind: Das Wort dscholdae im Beispiel (397)h lässt sich z.B. weder mit der nominativischen noch mit der akkusativischen Postposition noch mit der Prädikatsendung verbinden wie in *dscholdas-ga (NOM), *dscholdae-rul (AKK) und *dscholdae-ida (Präd.). Dagegen kann es stets in Verbindung mit dem Suffix dschok und der Prädikatsendung attributiv, prädikativ und adverbial gebraucht werden, d.h. die ganze Morphemabfolge funktioniert wie ein Adjektiv. Dies betrifft komplette Wörter, die mit dem Suffix -dschok gebildet worden sind: (3-110) a. gu-ui gwonryok-un dscholdaedschok-i-da. er-GEN Macht-NOM absolut-Präd.(Präs.)-Dekl. Seine Macht ist absolut. b. dscholdaedschok-in gwonryok absolut-Attrib. Macht absolute Macht c. gu-ui uigyon-i dscholdaedschok-uro olht-da. er-GEN Meinung-NOM absolut-Adverb. richtig(Präs.)-Dekl. Seine Meinung ist absolut richtig. Darüber hinaus ist noch zu bemerken, dass im obigen Beispiel das Suffix dschok dem sinokoreanischen Stamm eine modale Funktion verleiht, d.h. eine subjektive Bewertung bzw. Stellungnahme des Sprechers zu der im Subjektiv vorkommenden Person bzw. dem im Subjekt vorkommenden Gegenstand zum Ausdruck bringt (vgl. Nam/Go 1993: 224). Dies
66 ist bei den Wörtern wie ingan-dschok ('menschlich') und munhwa-dchok ('kulturell') auch der Fall, deren Stamm eindeutig den Nomen zuzurechnen ist: (3-111)
gunyo-ui taedo-nun ingan-dschok-i-da. sie-GEN Verhalten-NOM Mensch-Suffix-Suffix(Präs.)-Dekl. Ihr Verhalten ist menschlich.
Das Suffix -dschok verfugt somit über adjektivisierende Funktion, unabhängig davon, ob der Stamm eindeutig ein Nomen (Beisp. (3-111)) oder ein abstrakter Begriff ist, dessen Wortartstatus erst durch die Verwendung in Sätzen feststellbar ist. An dieser Stelle schlage ich vor, Derivate wie in (3-110) und (3-111) der Wortart Adjektiv zuzurechnen, weil sie, wie oben dargestellt, die im ersten Kapitel dieser Arbeit ausgearbeiteten Kriterien für die Adjektivdefinition erfüllen. Der adjektivische Charakter solcher Derivate wird darin noch deutlicher, dass sie mit Deg°-Elementen im Koreanischen, d.h. mit Gradwörtern, kombinierbar sind:29 (3-112) a. gu-ui gyonryok-un adschu dscholdaedschok-i-da. er-GEN Macht-NOM sehr absolut-Suffix(Präs.)-Dekl. Er verfügt über absolute Macht. b. gunyo-nun maeu ingandschok-i-da. sie-NOM sehr menschlich-Suffix(Präs.)-Dekl. Sie ist sehr menschlich. c. * gunyo-nun maeu ingan-i-da. sie-NOM sehr Mensch-Präd.(Präs.)-Dekl. Sie ist sehr menschlich. Bis jetzt wurde im Rahmen der Untersuchung der Graduierbarkeit der Adjektive im Koreanischen dem Wortartstatus der Beispiele von f bis h in (3-102) nachgegangen. Es zeigte sich, dass diese Beispiele kein Problem für die universelle Adjektivdefinition darstellen können. Es lässt sich abschließend feststellen, dass die Adjektive im Koreanischen im Prinzip alle graduierbar sind, wobei das Kriterium 'Vergleich' durch Bedeutungsrelativierung und eventuell durch Bedeutungsübertragung genau wie bei den deutschen Adjektiven eine entscheidende Rolle spielt. Für die DegP-Analyse bedeutet dieses Ergebnis, dass sie für die Wortart Adjektiv allgemein im Deutschen und Koreanischen anwendbar ist.
3.5.3. Graduierbare „Verben", „Nomina" und „Präpositionen" Ein anderes Problem, das bei der DegP-Analyse berücksichtigt werden sollte, ist die Frage, ob Adjektive die einzig graduierbare Wortart darstellen, so dass man die APs als einziges Komplement von der funktionalen Kategorie Deg annehmen und die DegP-Analyse nur der AP zugestehen kann. Diese Überlegung bezieht sich auf die dritte Eigenschaft der funktionalen Kategorie, die Abney (1987) und Bhatt (1990: 68) auch für Deg annehmen: 29
Das Adjektiv dscholdasdschokida vierbar und graduierbar.
'absolut' im Koreanischen ist somit in seiner Bedeutung relati-
67 Functional elements permit only one complement, which is in general not an argument.
Ähnlich wird in Felix (1988) argumentiert, dass zwischen funktionalen Kategorien und ihrem Komplement eine 'biuniqueness relation' besteht, was in Bezug auf Deg heißen würde, dass Deg als eine funktionale Kategorie nur AP als Komplement haben kann und umgekehrt die APs nur das Komplement von Deg° sein können. Hinsichtlich anderer funktionaler Kategorien wie INFL und Det stimmt dieses Argument, weil Det und INFL jeweils NP und VP als Komplement regieren können. Was aber die Kategorie Deg anbelangt, gibt es eine Reihe von problematischen Beispielen, in denen Deg mit unterschiedlichen Wortarten zusammen vorkommen: (3-113) a. b. c. d.
..., dass ich dich sehr liebe Hartmut ist sehr Däne. (In: Os 1989: 194)) Catherine Deneuve ist sehr BCBG und äußerst Frau. (ebd. S. 194) Sie ist den Zuschauem sehr ans Herz gewachsen.
Die Beispiele in (3-113) zeigen, dass das Deg°-Element sehr z.B. sowohl in Verbindung mit einem Verb ((3-113)a) als auch mit einem Nomen ((3-113)b), mit einem Akronym ((3113)c) und auch mit einer PP ((3-113)d) auftreten kann.30 In seiner Untersuchung „Aspekte der Intensivierung im Deutschen" argumentiert Os (1989: 35ff.) gegen die traditionelle Annahme, die Adjektive als die genuin graduierbaren Ausdrücke zu betrachten, und behandelt alle sprachlichen Ausdrücke, die Intensivierung zulassen - Nomen, Adjektive, Verben und PPs - als mehr oder weniger gleichberechtigt. Nach Os gilt eine solche „traditionelle Annahme" nur für Sprachen, die über einen umfangreichen Adjektivwortschatz verfügen, jedoch nicht für Sprachen, in denen das Adjektiv als morphosyntaktische Kategorie eine untergeordnete Rolle spielt und adjektivische Begriffe in anderen Wortarten ihren Ausdruck finden sollen. Weil er sich dabei auf Dixon (1982) bezieht, ist klar, dass er von der Einteilung zwischen den Sprachen mit sog. offener Adjektivklasse und denen mit geschlossener Adjektivklasse ausgeht. Im vorangegangenen Kapitel wurde jedoch schon das Problem einer solcher Einteilung ausführlich erläutert, weswegen ich im weiteren diese Ansicht nicht in Erwägung ziehen werde. Unter „Intensivierbarkeit" versteht Os im Übrigen ein ziemlich breites Spektrum von sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten: Neben Deg-Elementen und übrigen Gradwörtern schließt die Intensivierung nach OS noch andere Intensivierungsmittel wie z.B. Akzentuierung, Häufung, Reduplikation und Intonation ein. Demnach geht der Untersuchungsgegenstand weit über den für die DegP-Analyse relevanten Bereich hinaus. Dies bedeutet, dass alle graduierbaren sprachlichen Ausdrücke gleichzeitig intensivierbar sind, aber nicht umgekehrt. Problematisch für die DegP-Analyse sind aber Fälle wie die Beispiele in (3113), wo ein echtes Deg °-Element mit Nomen, Verb oder mit PP vorkommt. Im Folgenden werde ich solche Fälle näher untersuchen, um herauszufinden, ob sie in der Tat eine für die DegP-Analyse relevante Rolle spielen, und zwar getrennt nach den syntaktischen Kategorien.
30
Das Akronym BCBG (= Bon Chic Bon Genre) im Beispiel (3-113)c bedeutet etwa 'von traditionellem zurückhaltenden Charme' und lässt sich syntaktisch wie ein Adjektiv verwenden.
68 3.5.3.1. Graduierbarkeit der Nomina Die Beispiele für die Intensivierung der Nomen, die in Os (1989) genannt sind, sind ftir die DegP-Analyse meistens irrelevant: Die Intensivierung erfolgt hier nicht durch ein Deg°Element, sondern durch eine pränominale DegP, d.h. ein Adjektiv, oder durch eine modifizierende PP, so dass man nicht von graduierbaren Nomen sprechen kann: (3-114) a. Er ist ein reinrassiger Naturtrottel mit Stammbaum. b. Es ist höchste Eisenbahn
(Os 1989: 77)
Unten wird das Beispiel (3-115)b wiederholt, in dem ein Nomen mit einem Deg-Element kombiniert ist: (3-115)
Hartmut ist sehr Däne.
Während Eisenberg (1976: 72) die Kombinierbarkeit von Gradwörtern mit einem Nomen 'aus syntaktischen Gründen' abstreitet und sehr in (3-115) als ein Satzadverbial annimmt, vertritt Os (1989: 79) die Ansicht, dass nicht der Satz Hartmut ist Däne, sondern das Nomen Däne im Fokus des Adverbs sehr steht und intensiviert wird. Durch den Gebrauch von sehr in diesem Satz bekommt das Nomen Däne einen evaluativen Wert, und es besteht zwischen Subjekt und Prädikat die semantische Relation, die Os (1989: 76) als eine „Eigenschaftszuweisung" bezeichnet. In dieser Hinsicht gibt es eine Gemeinsamkeit mit der Adjektivsemantik, die nicht nur für das Beispiel (3-115) gilt, sondern auch generell mit der Intensivierbarkeit der Nomina zu tun hat, die als nichtverbales Prädikatsteil in wi-Sätzen stehen, wie z.B. in (3-114). Ansonsten kommt es im Deutschen nicht vor, dass sich ein Nomen mit einem Deg°-Element verbindet. Das Beispiel (3-116) scheint eine Ausnahme zu sein, weil das Nomen im Prädikat durch das Gradwort so modifiziert ist, das zu den Deg-Elementen gehört: (3-116)
Er ist so ein Dummkopf.
Ähnlich wie in (3-114) und (3-115) besteht hier zwischen Subjekt und Prädikat die semantische Relation der Eigenschaftszuweisung, wodurch die Kombinierbarkeit mit einem DegElement erklärt wird. Die Frage ist aber, ob die Abfolge sehr Däne und .so ein Dummkopf als eine DegP aufgefasst werden kann: Däne und ein Dummkopf sind DPs, also Argumente, während nach Abney (1986: 64) funktionale Kategorien ein Komplement haben können, das keinen Argumentstatus hat. Eine DP bildet selbst eine funktionale Projektion, unter deren Kopf D° Merkmale erzeugt werden, die mit dem Merkmal [GRAD] unter Deg° inkompatibel sind. Im Übrigen ist nicht klar, ob so in der Satzkonstruktion wie in (3-116) semantisch zur Graduierung der Eigenschaft des nachgestellten Nomens beiträgt oder eher zur identifizierenden Darstellung dieser Eigenschaft. Wenn so mit einem Nomen im nichtadjektivischen Gebrauch zusammen auftritt, hat es keine graduierende Funktion, sondern eine identifizierende wie in (3-117)a: (3-117) a. So ein Häuschen mit Garten hätte ich gern ! b. So ein hübsches Häuschen mit Garten hätte ich gern !
69 In (3-117)b erhält so eine graduierende Funktion, weil das Nomen durch ein pränominales Adjektiv modifiziert ist, das die Graduierung zulässt, wobei m.E. die beiden Funktionen nicht voneinander getrennt betrachtet werden können.31 Was nun das vorangehende Beispiel (3-116) betrifft, sind wie in (3-117)b beide Funktionen von so annehmbar, während für die DegP-Analyse nur die graduierende Funktion in Betracht kommt. Im Koreanischen können außer Adjektiven auch Nomina mit Deg°-Elementen kombiert auftreten. Während aber im Deutschen die Kombinierbarkeit von Nomina mit einem Deg°Element einen Einzelfall darstellt, kommt dies im Koreanischen häufiger vor, und zwar mit unterschiedlichen Deg ° -Elementen: (3-118) a. gu-nun maeu gudusoe-i-da. Er-NOM sehr Geizhals-Präd.(Präs.)-Dek Er ist sehr geizig. b. Hans-nun gu-ui hyong-boda do babo-i-da. Hans-NOM er-GEN Bruder-als mehr Dummkopf-Präd.(Präs.)-Dekl. Hans ist noch dümmer als sein Bruder. c. Inga-nun adschu yeou-\-da. Inga-NOM sehr Fuchs-Präd.(Präs.)-Dekl. Inga ist sehr schlau. Die Prädikatsnomina in (3-118), die mit Gradwörtern zusammen vorkommen, haben gemeinsam, dass sie eine wertende Stellungnahme des Sprechers in Bezug auf die Eigenschaft der im Subjekt stehenden Person ausdrücken:32 Daraus wird ersichtlich, dass die semantische Relation der Eigenschaftszuweisung zwischen Subjekt und Prädikat, die die Beispielsätze in (3-118) mit einem Adjektivprädikat gemeinsam haben, auch im Koreanischen eine entscheidende Rolle für die Kombinierbarkeit mit Deg°-Elementen spielt. Die sonstigen Nomina, bei denen keine wertende Stellungnahme des Sprechers zum Ausdruck kommt, sondern eine objektive Feststellung über die Person als Subjekt, lassen sich nicht mit Gradwörtern verbinden:33 (3-119) a. * Hans-nun adschu goanryo-i-da. Hans-NOM sehr Bürokrat-Präd.(Präs.)-Dekl. Hans ist sehr bürokratisch, b. * Inga-nun maeu ingan-i-da. Inga-NOM sehr Mensch-Präd.(Präs.)-Dekl. Inga ist sehr menschlich.
31
32
33
Auf diesen ambivalenten Charakter von so hat Bolinger (1972) hingewiesen, wobei er von so einerseits als 'Identifier' und andererseits als 'Intensifier' spricht. Bei dem Nomen yeou handelt es sich um ein Polysem dar, so wie dies bei der deutschen Entsprechung Fuchs der Fall ist. Dass solche Prädikatsnomina durch die Hinzufugung des Suffixes -dschok zu Adjektiven deriviert werden und gleichzeitig auch graduierbar werden können, wurde schon gezeigt (s. Beispiel. (3-
112)).
70 Für die Diskussion der Graduierbarkeit der Nomen im Koreanischen müssen jedoch die Prädikate in Beispiel (3-118) näher betrachtet und analysiert werden: Die Nomina im Prädikat bilden stets in Verbindung mit dem Prädikatsmorphem -/- und dem Deklarationsmorphem -da das Prädikatswort, das im Koreanischen wie Verben und Adjektive nach Tempus, Modus und Honorifikation agglutiniert. Die Prädikatswörter in (3-118) lassen sich syntaktisch jeweils durch ein Adjekiv ersetzen, wobei die Proposition erhalten bleibt: (3-120) a. gu-nun maeu insaekha-da. Er-NOM sehr geizig(Präs.)-Dekl. Er ist sehr geizig. b. Hans-nun gu-ui hyong-boda do orisok-da. Hans-NOM er-GEN Bruder-als mehr dumm(Präs.)-Dekl. Hans ist noch dümmer als sein Bruder. c. Inga-nun adschu yak-da. Inga.NOM sehr schlau(Präs.)-Dekl. Inga ist sehr schlau. Graduiert wird also im Beispiel (3-118) nicht das Nomen an sich, sondern das Prädikatswort, das aus einem Nomen und dem Deklarationsmorphem besteht und in seiner Semantik und Syntax wie ein Adjektiv funktioniert. Die bisherigen Beobachtungen zeigen, dass die Wortart Nomen im Deutschen und im Koreanischen neben dem theoretischen Problem, dass sie als Argument und funktionale Projektion DP kein Komplement von Deg° sein kann, noch andere empirische Probleme aufweist, so dass sie nicht für die DegP-Analyse in Betracht kommt.
3.5.3.2. Graduierbarkeit der Präpositionalphrasen Die PPs in Verbindung mit einem Deg°-Element treten in unterschiedlichen Positionen auf. (3-121) a. b. c. d.
Das ist sehr zum Kotzen ! Ich war sehr von den Socken. Sehr zu meinem Vergnügen hat er das Examen bestanden. Sie ist den Zuschauern sehr ans Herz gewachsen.
Den PPs in den Beispielen (3-121)a und b lassen sich adjektivische Bedeutungen zusprechen, wobei sie jeweils z.B. durch Adjektive wie abscheulich und überrascht ersetzbar sind. Im Beispiel (3-121)d bildet die PP einen Teil des Prädikats, das neben der PP noch aus einem Verb und seinem Dativobjekt besteht. Es ist also nicht die PP an sich, sondern das gesamte Prädikat, die VP als Redensart, die durch das Grad wort modifiziert wird. Die VP weist wieder eine adjektivische Bedeutung auf, denn der Satz heißt etwa 'Sie ist bei den Zuschauern sehr beliebt'.34 Für die Diskussion über die Graduierbarkeit der PP als DegP 34
Auf die Graduierbarkeit der analytisch gebauten VPs, die eine PP enthalten, wird im nächsten Abschnitt im Rahmen der Untersuchung über die Graduierbarkeit der VP eingegangen.
71
muss aber zunächst darauf geachtet werden, dass der Kopf Ρ ° in seiner Semantik gar nicht graduierbar ist. Somit kann er nicht als das Komplement des funktionalen Kopfes Deg° fungieren, unter dem das Merkmal [GRAD] erzeugt wird: (3-122) *
DegP
Deg'
PP
Deg° sehr [GRAD]
P' pozu
DP (de)m Kotzen
Hinzu kommt noch das gleiche Problem wie bei den Nomina, dass PPs wie die DPs Argumente sind, die nicht als Komplement einer funktionalen Kategorie in Betracht kommen. Aus diesen Gründen schließe ich die Möglichkeit der graduierbaren PPs aus.
3.5.3.3. Graduierbarkeit der Verben Die Kombinierbarkeit von Deg° -Elementen mit Verben erscheint viel systematischer und vielfaltiger, als dies bei Nomina oder PPs der Fall war. In den folgenden Beispielen lassen sich die Verben mit fast allen Deg°-Elementen verbinden, mit der einzigen Ausnahme von zu, während die Nomina und PPs nur vereinzelt mit den Gradwörtern so bzw. sehr kombiniert werden konnten:35 (3-123) a. b. c. d.
Romeo und Julia lieben sich mehr und mehr. Sein Nachbar hat ihn schon genug geärgert. Er bedrängt mich so. Die Ausstellung hat mich sehr interessiert.
Es gilt auch die gleiche Adjazenzbedingung wie innerhalb der DegP mit AP als Komplement. Das Deg°-Element verlangt Adjazenz zum Kopf V°, so dass ein kasusmarkiertes Komplement seine Basisposition verlassen muss: (3-124)
35
..., dass die Ausstellung michj sehr tj interessiert hat
Wenn jedoch zu mit dem Gradwort sehr kombiniert ist, kann es bei Verben auftreten, wie z.B. in weil ich mich zu sehr gefreut habe.
72 Um die Graduierbarkeit der Verben weiterhin zu untersuchen, muss zunächst überprüft werden, ob diese Möglichkeit der Verbindung mit Gradwörtern für die Verben allgemein gilt. Untenstehend einige Beispiele, die zur Beantwortung dieser Frage beitragen sollen: (3-125) Typ A
Β
Graduierbarkeit der deutschen Verben Verben gehen machen kaufen lesen sprechen aufregen danken sich schämen trauern stören
sehr
mehr
-
-
-
-
+ + + +
+ +
+ +
+ + +
+ + +
-
-
so
genug -
-
-
-
+
-
+
-
+
-
+
+ + + + +
zu -
-
•
+
+ +
-
3
6
•
•
-
Es lässt sich feststellen, dass die Verben der Gruppe Α im allgemeinen nicht mit Gradwörtern kombiniert werden können. Eine Ausnahme bilden lediglich die Verben machen, kaufen, lesen und sprechen, die sich mit den Gradwörtern mehr und genug kombinieren lassen. Zu überlegen ist allerdings, ob sich die Graduierbarkeit bei diesen Verben wirklich auf den Kopf V° bezieht, d.h. ob mehr bzw. genug als Kopf-Deg mit dem [GRAD]-Merkmal anzunehmen ist, so wie es bei der DegP mit AP als Komplement der Fall ist. Folgende Beispiele zeigen aber, dass diese Verben potentiell transitiv sind und die Gradwörter mehr und genug beim Auftreten eines Akkusativobjekts ihre Adjazenz zum Kopf V° aufgeben: (3-126) a. ..., dass du heute genug Blödsinn gemacht hast b. ..., dass er mehr Bücher gelesen hat als sein Bruder c. ..., weil ich schon genug zum Essen eingekauft habe Die Gradwörter in (3-126) beziehen sich somit auf das Akkusativobjekt und nicht auf den Kopf V°, so dass sie keine Deg°-Elemente sein können. Folglich ist anzunehmen, dass die Verben der Gruppe Α in allen Fällen nicht graduierbar sind. Was hingegen die Verben der Gruppe Β betrifft, bleiben sie stets adjazent zum Gradwort (s. o.) und lassen sich mit fast allen Gradwörtern kombinieren, mit Ausnahme von zu (s. Fußn. 35). Die Gradwörter bei diesen Verben fungieren somit ähnlich wie die Deg°-Elemente innerhalb der DegP. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob ein Kriterium zur Unterscheidung der Gruppe Β von A, d.h. zur Hervorhebung der graduierbaren von den nicht graduierbaren Verben, hergestellt werden kann. Nach der Überprüfung der graduierbaren Verben, die oben eingeführt sind - aufregen, ärgern, bedrängen, danken, interessieren, lieben, sich schämen, stören, trauern sowie verwirren - , stellt sich heraus, dass sie miteinander semantisch verwandt sind in der Hin36
Siehe Fußnote 35.
73 sieht, dass sie als 'psychische Verben' bezeichnet werden können. Sie drücken alle die psychische Verfasstheit des 'Experiences' aus, der in dem jeweiligen Satz als Subjekt bzw. als Objekt erscheint. Oder sie teilen eine wertende bzw. gefühlshaltige Stellungnahme des Sprechers mit, der nicht explizit vorhanden ist. Anders als bei Nomina und PPs, für deren Kombination mit einem Gradwort die Übertragbarkeit in die Adjektivsemantik ausschlaggebend war, wird bei diesen Verben ihr inhärentes Bedeutungsmerkmal graduiert, das sich dem gemeinsamen Bereich der 'Psyche' zuordnen laßt.37 Wenn die Verben, die nicht psychisch und daher nicht graduierbar sind, in ihrer Bedeutung in den Bereich der Psyche übertragen werden, sind sie graduierbar: (3-127) a. * Der Dieb fesselte sie sehr an den Stuhl, b. Sein Charme fesselte sie sehr. (3-128) a. * Die Gallier haben die Stadt Rom sehr angegriffen. b. Mit seiner bissigen Kritik hat er mich sehr angegriffen. (3-129) a. * Er hat sich sehr aus dem Fenster gestürzt, b. Er stürzt sich sehr in die Arbeit. Dasselbe gilt auch für die Prädikatskonstruktion, die aus einem ursprünglich nicht graduierbaren Verb und einer PP besteht und insgesamt eine psychische Bedeutung erlangt: (3-130)
Er wurde sehr in Mitleidenschaft gezogen.
In der Redewendung des obigen Beispiels bildet die PP in Mitleidenschaft mit dem Verb ziehen eine untrennbare Konstituente und braucht daher nicht extrahiert zu werden, auch wenn ein Deg°-Elemente erscheint:* Er wurde in Mitleidenschaft sehr gezogen. Im Koreanischen gilt dasselbe semantische Kriterium für die Graduierbarkeit der Verben: Die Verben, die sich uneingeschränkt mit allen Gradwörtern verbinden lassen, haben gemeinsam, dass ihre Verbsemantik aus dem Bereich 'Psyche' bzw. 'Emotion' stammt.
37
In Os (1989: 75) wird eine andere Gruppe von Verben als 'intensivierbar' angegeben, die nach Ballmer & Brennstuhls (1986: 223) Modell „Veränderungsprozesse bzw. -Vorgänge" kennzeichnen würden. Sie haben jedoch meistens einen Adjektivstamm im Komparativ oder Positiv, wie z.B. sich beruhigen, sich verlangsamen, abdunkeln, sich vertiefen, lockern, verdeutlichen usw. Das sind also Derivate aus Adjektiven, deren Intensivierbarkeit bzw. Graduierbarkeit von ihrem Adjektivstamm abhängt. Es finden sich im Übrigen unter den Verben dieser Gruppe diejenigen, die sich nicht mit einem Deg°-Element verbinden lassen, so dass sie für die DegP-Analyse irrelevant sind: *sehr vergehen, * mehr verschwinden
74 (3-131)
Graduierbarkeit der koreanischen Verben adschu/maeu 'sehr'
gada'gehen' boda 'sehen' baeuda lernen' sada 'kaufen' malhada" sprechen' saranghada 'lieben' banghaehada 'stören' gamsahada 'danken' dschiltuhada 'eifersüchteln' hungbunhada 'sich aufregen'
-
-
-
—
-
+ + + + +
do 'mehr' + + + + + + +
+ + +
dscheil/gadschang 'am meisten'
-
nomu 'zu'
-
+ + + + +
+ + + + +
+ + + + +
-
-
-
Die nicht-psychischen Verben der Tabelle (3-131) scheinen zunächst mit den Gradwörtern do und nomu verbindbar zu sein. Die genaue Beobachtung zeigt jedoch, dass diese Kombinierbarkeit quantifizierender Natur ist und sich nicht auf die Graduierung der lexikalischen Bedeutung des einzelnen Verbs bezieht: (3-132) a. dschogum do ga-myon Bisschen mehr gehen-Kondi. Wir wohnen ein Stückchen b. TV do bo-myon TV mehr gucken-Kondi. Du darfst nicht länger fernsehen !
uri dschib-i-da. unser Haus-Präd.-Dekl. weiter, an doe! nicht dürfen(Imper.)
Obwohl das Gradwort zu dem Verb adjazent ist, lassen die Beispiele in (3-132) deutlich erkennen, dass es sich hier um einen quantifizierenden Aspekt handelt bezüglich der räumlichen Entfernung (a) und der Zeitlänge (b). Ähnliches kann man wieder bei den Verben im Englischen feststellen. Im Unterschied zum Deutschen und Koreanischen kommt im Englischen nur das Gradwort so für die Kombination mit Verben in Betracht. Wie schon erwähnt, muss darauf geachtet werden, dass so sowohl ein Gradwort als auch ein Identifizierer sein kann und die Grenze zwischen beiden Funktionen in manchen Fällen transparent ist. Unten sind einige Beispiele aufgeführt, in denen so eindeutig als Identifizierer anzunehmen ist: I (3-133) a. He said so. b. Were they attractive? - I found them so
(Bolinger 1972: 183)
Trotzdem lässt sich sagen, dass diejenigen Verben, bei denen so als ein Gradwort angesehen werden kann, zu den 'psychischen' Verben zählen ((3-134)a bis d) oder ursprünglich physikalische Empfindungen bzw. Verhalten darstellen, die in den Bereich der 'Psyche' übertragen werden oder umgekehrt ((3-134)e und f). Sie bleiben auch adjazent zu dem Gradwort so, was z.B. in (3-133)b nicht der Fall ist:
75 (3-134) a. b. c. d. e. f.
I do so hope you can come ! I so want to be there ! She grieved so that I thought she would die. It so peeved him that he stalked out. I couldn't sleep, my tooth ached so. He was hurrying so that he stumbled and fell.
(Bolinger 1972: 185ff.)
Dasselbe gilt für die folgenden Verben des Deutschen, die so gebraucht werden, dass ihre Semantik mit dem psychischen Bereich in Zusammenhang steht: (3-135) a. b. c. d.
Ina weinte sehr. Er hat sehr gelacht. Sie wartete den ganzen Tag sehr auf ihn. Es tut so weh.
Zu klären bleibt noch das Beispiel (3-136) mit dem Verb arbeiten, dem Verb also, das leicht für nichtpsychisch gehalten wird. (3-136)
Er arbeitet sehr.
In Os (1989: 92) wird angenommen, dass beim Verb arbeiten „kein inhärentes Intensivierungsmerkmal modifiziert wird", sondern „die qualitativen bzw. quantitativen Aspekte wie Anstrengung, Dauer usw., die sich in den Quasisynonymen wie ackern, schuften expliziter finden". Dass quantitative Aspekte mit der Intensivierung einen engen Zusammenhang bilden, veranschaulicht Os (1989: 93) durch folgende Beispiele: (3-137) a. Er hat sehr gearbeitet, b. Er hat viel gearbeitet. (3-138) a. Er hat sehr gelitten, b. Er hat viel gelitten. (3-139) a. Danke sehr. b. Vielen Dank/Danke vielmals. Demnach würde jedoch nicht nur die Graduierbarkeit des Verbs arbeiten, sondern auch die der eindeutig zu den psychischen Verben zuzuordnenden Verben wie leiden und danken in Frage gestellt, denn es müsste hier das Vorhandensein des inhärent-semantischen [GRAD]-Merkmals an sich bezweifelt und anstelle dessen die quantitativen Aspekte für das Phänomen Graduierung eingeführt werden. Es mag stimmen, dass bei den obigen Verben die Graduierbarkeit die Quantifizierung mit einbezieht. Die Frage ist aber, ob diese 'qualitativen' bzw. 'quantitativen' Aspekte von der lexikalischen Bedeutung dieses Verbs getrennt betrachtet werden können, so dass man nicht von der Intensivierung bzw. Graduierung des inhärenten Merkmals, sondern von den qualitativen und quantitativen Aspekten dieses Verbs sprechen kann: Sind 'Anstrengung und Dauer ' nicht mit der Verbbedeutung fest verbunden, wenn arbeiten im Kontext von (3-136) „alle Kräfte aufbieten, gegen etw.
76 anzukommen suchen, durch Arbeit, körperliche Anstrengung in einen bestimmten Zustand gelangen" heißt (Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 19993, Bd.l: 278)? Ich halte arbeiten im Kontext von (3-136) sowie die psychischen Verben für Verben, deren inhärentes Bedeutungsmerkmal graduiert werden kann. Dass es sich hier nicht um eine bloße Quantifizierung handeln kann, wird im folgenden Beispiel deutlich: (3-140)
*Gestern hat er sehr gearbeitet.
Es ist also keine auf Zeit ausgerichtete Tätigkeit, sondern eine wertende Stellungnahme des Sprechers über die Eigenschaft der im Subjekt stehenden Person, worauf das Prädikat in (3-140) hindeutet. Aufgrund der vorangegangenen Überlegungen sehe ich die Annahme bestätigt, dass sich die psychischen Verben insofern in syntaktischer Hinsicht von den übrigen Verben unterscheiden, als sie graduierbar sind. Es stellt sich heraus, dass das gleiche semantische Kriterium, d.h. die Psyche, als gemeinsame Basis fungiert sowohl für die Graduierbarkeit der Verben als auch für die Übertragung der Bedeutung von den ursprünglich nicht graduierbaren Adjektiven auf graduierbare. Die psychischen Verben liefern m.E. einen neuen Aspekt für die Untersuchung über die Syntax der Adjektive: Der Bereich 'Psyche' scheint in dieser Hinsicht die gemeinsame Semantik zwischen beiden Kategorien, Adjektiven und Verben, auszumachen, die sich weiter auf die Gemeinsamkeit in der Syntax hin erstreckt. Diese Annahme beschränkt sich nicht auf die Graduierbarkeit, sondern gilt auch für andere grammatische Phänomene, auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden kann: Die sog. 'Emotionsadjektive' im Koreanischen regieren ein nominativisch markiertes Komplement, das als ein direktes Objekt angenommen wird, so wie es bei den transitiven Verben der Fall ist (s. Beisp. (3-89)). Für die syntaktische Unterscheidung zwischen dem Partizip Präsens wie lesend, schlafend einerseits und den partizipialen Adjektiven wie vergnügt, spannend, abstoßend und entzückend andererseits spielt das Kriterium 'Psyche' eine entscheidende Rolle. Dies bestätigt die unterschiedliche Verfügbarkeit in Bezug auf das Phänomen Graduierbarkeit, vgl. * Der Junge ist sehr lesend vs. ein sehr spannender Film. Was die Graduierbarkeit der Verben betrifft, die in diesem Abschnitt diskutiert wurde, ist es jedoch nicht angebracht, die Kategorie Verb als ein weiteres Komplement der funktionalen Kategorie 'Deg' anzusehen, obwohl die Kombination der psychischen Verben mit Deg°- Elementen systematischere und vielfaltigere Züge aufweist, als es bei den Nomen oder PPs der Fall war: Die psychischen Verben bilden eindeutig nur einen Teil der Wortart Verb, während Deg als eine funktionale Kategorie keine bestimmte Klasse der als Komplement in Betracht kommenden Kategorie selegieren darf. Bis jetzt wurde untersucht, ob die Kombinierbarkeit der Nomen, PPs und Verben mit D e g E l e m e n t e n für die DegP-Analyse eine relevante Rolle spielt. Aus den bisherigen Beobachtungen ergibt sich, dass die AP die einzige Kategorie ist, die sich als Projektion der funktionalen Kategorie Deg analysieren lässt. Es lässt sich somit ein universelles Merkmal in Bezug auf die Graduierbarkeit festhalten, die für die DegP-Analyse grundlegend ist: Die Graduierbarkeit ist ein kategorienspezifisches Merkmal, das syntaktisch mit der Wortart Adjektiv verbunden ist.
4.
Funktionale Kategorien fur Adjektivflexionen
In der Analyse der DegP-internen Struktur im letzten Kapitel wurden Attributflexionen außer den Komparationssuffixen - stets zum Kopf-Adjektiv gerechnet. Das gleiche galt auch fürs Koreanische, wobei unter den Adjektivflexionen im Koreanischen sowohl Attributflexionen als auch Konjugationsflexionen bei prädikativen Adjektiven zu verstehen sind (s. Beisp. (2-5) u. (2-21)). In diesem Kapitel geht es nun um den syntaktischen Status dieser Adjektivflexionen als grammatische Flexionskategorie. Zu diesen gehören neben Deg noch weitere funktionale Kategorien. Da sich die bisherigen Untersuchungen der Adjektivflexion auf attributiv verwendete Adjektive beschränken, beginne ich im folgenden mit der Analyse der Attributflexion, die im Rahmen der Struktur der DP diskutiert wird (s. 4.1.2). Die anschließende Analyse der attributiven Adjektive im Koreanischen in 4.1.3, die die Annahme der DP-Struktur in dieser Sprache voraussetzt (s. 4.1.3.2), erhebt den Anspruch auf eine adäquatere, universelle funktionale Kategorie für die Attributflexion. In Abschnitt 4.2 geht dieser Anspruch über die Attributflexion hinaus und macht zunächst eine Überprüfung der Agr(eement)-Kategorien erforderlich, die in der minimalistischen Version der Satzstruktur in Chomsky (1993 u. 19973) einen festen Platz einnehmen. Im letzten Kapitel 4.3 schlage ich dann anstelle von Agr adäquatere funktionale Kategorien vor, die als funktionales Merkmal Satzgliedfunktionen besitzen. Sie sollen die in Chomsky(1993 u. 19973) am Satzbau beteiligten Agr-Kategorien ersetzen. Diese neu anzunehmenden funktionalen Kategorien und deren Projektionen sind auch für die Adjektivflexionen zuständig, wobei Adjektivflexionen neben Attribut- noch Konjugationsflexionen einschließen. Sie sollen Parameter zwischen Sprachen wie dem Deutschen und dem Koreanischen in Bezug auf das unterschiedliche syntaktische Verhalten der Adjektive begründen. Diese schienen eine morphosyntaktische Definition der Wortart Adjektiv zu erschweren (vgl. Kap. 2 dieser Arbeit).
4.1.
Syntaktischer Status der Attributflexion
Weil die Diskussion um den neuen syntaktischen Status der Attributflexionen im Deutschen eng mit der Frage zusammenhängt, an welcher Position das Adjektiv steht, wird im Folgenden zunächst auf die Position der AP innerhalb der DP eingegangen.
4.1.1. Zur Position der Adjektive innerhalb der DP im Deutschen Die Probleme der DegP-Struktur in Abney (1987) und Bhatt (1990), die in Kap. 3.3 erläutert wurden, waren hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die DegP die Komplementposition von D° einnimmt, und dass sich die NP innerhalb der AP in der Komplement- (Abney 1987) bzw. in der SPEC-Position (Bhatt 1990) befindet. An dieser Stelle nehme ich inner-
78 halb der DP eine Adjunktionsstruktur für attributive Adjektive an, in der die AP an eine NP adjungiert ist, die ihrerseits von D° als Komplement selegiert wird. Haider (1992: 320) schlägt folgende DP-Struktur vor, in der Modifikatoren wie QP und DegP an NP adjungiert auftreten. (4-1)
[ DP diese [ Np [ drei ] [ NP [ sehr kostbaren ] [ NP Vasen ] ] ] ]
Fürs Englische nimmt Radford (1986: 13) ähnlich an, dass die DegP innerhalb der DP rechtsperipher an die NP adjungiert auftritt: (4-2)
[ DP a [ N P [ N P recovery] [Degp quite so rapid]] ]
Die Vorteile einer solchen Adjunktionsanalyse liegen darin, dass sie die Probleme in Bhatt (1990) lösen können, die zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt wurden: Die NP, die Bhatt in die SPEC-Position der AP eingesetzt hat, wird als unikales Komplement von D° selegiert, wobei DegP an NP adjungiert auftritt und demnach wirklich „optional" wird, ohne dadurch die zugrunde liegende Struktur der DP zu beeinträchtigen. (4-3)
a.
DP
D'
b.
DP
D'
DegP
NP
schönes Hans In der Adjunktionsstruktur (4-3)b kommt die semantische Funktion der attributiven Adjektive als Modifikator mit ihrer syntaktischen Stellung in Einklang. So wie die attributiven Adjektive in ihrer semantischen Funktion die Bedeutung des Bezugswortes - hier des Nomens Haus - näher bestimmen bzw. spezifizieren, wird durch die Adjunktion die gleiche syntaktische Kategorie NP rekursiv aufgeführt, wobei das Adjektiv schönes zusammen mit der NP Haus eine Konstituente bildet, die wieder als NP aufzufassen ist. Im Fall der iterierten Adjektive ist die Adjunktionsanalyse darüber hinaus imstande, den syntaktischen Strukturunterschied zwischen sub- und koordinierten Adjektiven zum Ausdruck zu bringen, was in Bhatt (1990) unmöglich war. Demnach findet der Strukturunterschied zwischen der DegP in (3-45)a und (3-46)a, die unten in (4-4) wiederholt sind, ihre syntaktische Darstellung in Baumdiagrammen wie (4-5)a und b:
79 (4-4) a. [ein [Degp schönes] [Degp großes] Haus] b. Paul bevorzugt [ [ D e g p alte ] [ [ De g p erprobte ] Methoden ] ]
(Vater 1985b: 71)
(4-5) D°
NP
0 DegP alte DegP
DegP
N°
schönes
großes
Haus
NP
DegP erprobte
NP
\
N° Methoden
Das Koordinationsverhältnis zwischen den zwei pränominalen Adjektiven in (4-5)a wird dadurch angezeigt, dass sie als zwei DegPs aufgefasst werden und aneinander adjungiert auftreten. Für die subordinierte Beziehung zwischen dem Adjektiv alte und der Folge erprobte Methoden in (4-5)b dagegen ist anzunehmen, dass die beiden Adjektive alte und erprobte an NP adjungiert auftreten, wobei alte das Bezugsnomen Methoden samt dem Adjektiv erprobte modifiziert. Als Problem der Adjunktionsstruktur wird in Haider (1992) genannt, dass pränominale Adjektive nicht extrahiert werden können, während die Adjunktposition als Ausgangsstelle für Bewegung gilt; wenn Adjektive innerhalb der DP Adjunkte sind, soll erklärt werden, warum Beispiel (4-6)a im Gegensatz zu b völlig unakzeptabel ist: (4-6) a. * mit ihr plaudernde die Frau b. ?die mit ihr geplaudert hat, die Frau
(Haider 1992: 323, Fußn. 10)
Hierzu ist auf folgende Unterschiede zwischen der Adjunktionsstruktur in (4-6)a und der in b hinzuweisen: In (4-6)a steht die AP mit ihr plaudernde in ihrer Basisposition innerhalb der DP an NP Frau adjungiert, während der Relativsatz die mit ihr geplaudert hat in (4-6)b als Adjunkt an die gesamte DP aufzufassen ist. Die Bewegung des attributiven Relativsatzes in (4-6)b stellt daher lediglich den Wechsel der Adjunktion von der rechten zur linken Seite an die gesamte DP dar: (4-7) CP/
die mit ihm geplaudert hat
die
Frau
80 Bei der Bewegung der AP in (4-6)a handelt es sich dagegen um die Extraktion aus der DPinternen Basisposition. Dies ist in (4-8) dargestellt. (4-8)
DP D'
D° die
AP mit ihr p.
NP Frau
Während jedoch für die in (4-6)a anzunehmende Bewegung der AP kein Auslöser zu nennen ist (außer dass die Adjunktposition die geeignete Ausgangsstelle fiir Bewegung sein soll), gibt es einen Faktor, der eine solche Bewegung verhindert, die zu einem ungrammatischen Ergebnis führt. Das ist die Peripherität des Kopfes innerhalb der DP: Der funktionale Kopf D im Deutschen steht stets linksperipher, wenn er in der Kopiposition realisiert wird. Kein anderes Element innerhalb der DP darf ihm vorangehen - abgesehen von dem SPEC der DP, bei dessen Auftreten der Kopf D allerdings lexikalisch unrealisiert bleibt, vgl. * des Mannes der Hut. Dass die Peripherität des Kopfes D für die (Nicht-)Extrahierbarkeit der attributiven Adjektive eine bedeutende Rolle spielt, wird in 4.1.3 anhand der Beispiele des Koreanischen weiter diskutiert.
4.1.2.
Attributflexion des Deutschen
4.1.2.1. Agr-Analyse der Attibutflexion Die Ideen der INFL-Split-Analyse in Pollock (1989) und Chomsky (1991) wurden auf die NP-Syntax übertragen und führten zu Untersuchungen über die morphologischen Verhältnisse innerhalb der DP. Diese beschäftigen sich damit, ob sich D auch in mehrere funktionale Kategorien aufteilen lässt. In Bezug aufs Deutsche wurde in Tappe (1991) vorgeschlagen, das AGR-Element in der Attributflexion als eine funktionale Kategorie innerhalb der DP anzusehen, die selbständig projiziert (s. Haider 1992: 328): Evidenz hierfür besteht nach Tappe darin, dass attributive APs kongruieren und dass Kongruenzmerkmale funktionale Merkmale sind. So wird für jede Kongruenzbeziehung ein Kongruenzkopf AGR angesetzt (s. Tappe 1996: 161): (4-9)
[D[....D-AGR[AP[A-AGR[....N-AGR[NP] ] ] ] ] ]
Den Grund fur die Trennung zwischen dem Kopf D und dem Kongruenzkopf sieht Haider in ein und dem Possessivum ((4-10)a,b), so wie in der nicht lexikalisierten D°-Position bei pränominalem Genitiv ((4-10)c), bei denen die starke, merkmalskodierende Flexion am Adjektiv auftritt. Im Gegensatz zu Olsen (1988) sieht Haider (1992: 314) Possessivpronomen wie sein und dein nicht als SPEC von DP, sondern als Kopf-Element D° an.
81 (4-10) a. ein einzigER Nachteil b. sein einzigER Nachteil c. Wiens einzigER Nachteil
(Haider 1992: 328)
Gegen diese Annahme sei auf Vater (1986 und 1991) hingeweisen, wo gezeigt wird, dass
ein im Deutschen mit echten Determinantien kombinierbar ist: das eine Buch, dieses eine Mal. Ähnlich wird in Haspelmath (1999) gegen die Zuordnung von den Possessiva zu D° argumentiert, da sie sich in manchen Sprachen mit Determinantien verbinden lassen. Die Kongruenz zwischen dem nominalen Kopf der NP und der Attributflexion sowie dem D°Element wird in Haider dadurch erklärt, dass Agr für die Kongruenzmerkmale der Attributflexion als ein funktionaler Kopf die Komplement-NP und ihre grammatischen Merkmale selegiert. Diese Projektion AgrP kommt innerhalb der DP als Komplement von D° vor, wie im Folgenden dargestellt wird: (4-11)
DP D'
D°
AgrP
AP
Agr'
Agr°
NP
Dabei wird analog zu der Konstruktion mit pränominalem Genitiv wie in (4-12)a angenommen, dass beim attributiven Adjektiv ein phonetisch leerer Kopf Agr vorhanden ist, der die morphologische Matrix der Attributflexion trägt und an seine SPEC-Position, wo das Adjektiv positioniert ist, Kasus zuweist. So soll die funktionale Kategorie Agr die Kongruenz zwischen NP und Adjektiv via SPEC-Head-Relation regulieren. (4-12) a.
[ DP [des Professors] [ D ' D ° [+poss] [ NP seltsame Vorliebe] ] ] (Haider 1992: 317)
b- [DP D° [Agrp AP [Agr·Agr° [NP] ] ] ]
(Haider 1992: 329)1
Um die Analogie zwischen beiden Konstruktionen zu beweisen, stellt Haider zunächst einen Vergleich zwischen der DP mit einem pränominalen Genitiv wie in (4-12)a und der Struktur der attributiven Adjektive wie in (4-13) an und stellt folgendes fest: (4-13)
1
der auf sie stolze Vater
In Haider 1992 werden ursprünglich D und Agr jeweils als Fl und F2 bezeichnet.
82 Gemeinsam ist beiden Kontexten, dass ein Element involviert ist, das Kasus empfängt, Kasus zuweist und kongruiert. Ein Adjektiv weist seinem Komplement, so es nominal ist, Kasus zu, ist selbst kasusflektiert mit seinem Bezugsnomen. Der funktionale Kopf weist seinem Spezifikator Kasus zu, ist selbst virtuell kasusflektiert und kongruiert mit dem Bezugselement. Bei Adjektivphrasen ist der kongruierende Kopf das Adjektiv, im Fall des pränominalen Genitivs ist es der leere Possessivkopf. 2 (Haider 1992: 318)
Hier ist zu beachten, dass Haider zunächst von der Analogie zwischen der Kasuszuweisung vom Kopf-Adjektiv an sein nominales Komplement, die AP-intern geschieht, und der Zuweisung eines strukturellen Kasus von einem funktionalen Kopf an seine SPEC-Position ausgeht, was mir unangebracht erscheint. Weil Adjektive lexikalische Köpfe sind, während die Poss-Position in (4-12)a ein funktionaler Kopf ist, setzt er auch im Fall der Attribute einen funktionalen Kopf an wie in (4-12)b, der Kongruenzmerkmale enthält. Nun stellt er fest, dass die Gemeinsamkeiten zwischen (4-12)a und b deutlich seien: In beiden Fällen tritt ein funktionaler Kopf auf, der lexikalisch nicht realisiert wird. Der funktionale Kopf weist Kasusmerkmale zu und empfängt Kasusmerkmale von außen. (Haider 1992:318)
Aus diesem Zitat ist zu entnehmen, dass Haider - im Unterschied zu seiner oben zitierten Annahme - von der Kasuszuweisung von einem funktionalen Kopf Agr an das Adjektiv spricht, das in seiner SPEC-Position steht. Hier stellt sich die Frage nach dem Kasus, den das Adjektiv zugewiesen bekommen soll. Weil der Empfänger dieses Kasus nun eine pränominale AP und nicht ein DP-Komplement des Kopf-Adjektivs ist, ist anzunehmen, dass es hier um Kongruenzkasus innerhalb der DP geht, die die Adjektivflexion im Deutschen neben anderen Kongruenzmerkmalen wie Numerus und Genus aufweisen. Wenn dem aber so ist, kann dies m.E. nicht als Kasuszuweisung angesehen weden: Der Kongruenzkasus ist von der Zuweisung eines strukturellen Kasus zu unterscheiden, insofern als es bei Ersterem um die Abgleichung bzw. Übereinstimmung des Kasus geht, während dies bei Letzterem nicht der Fall ist: „Merkmalsabgleichung" via SPEC-Head-Agreement, die Haider (1992: 328) zwischen einem funktionalen Kopf und seinem SPEC annimmt, besteht nur in Bezug auf die Kongruenzmerkmale grammatische Person und Numerus, und zwar innerhalb der IP. Innerhalb der DP kommt es gar nicht zur Merkmalsabgleichung zwischen dem Kopf D und seinem SPEC, weder in Bezug auf den Kasus noch auf andere Merkmale:3
2 3
Die Hervorhebungen sind von mir. Die Übereinstimmung in dem Merkmal grammatische Person zwischen dem SPEC und D innerhalb der DP wie in (4-14)b lässt sich nicht als Kongruenz betrachten, weil sie stets darauf zurückzufuhren ist, dass Nomina inhärent auf 3. Ps festgelegt sind.
83 (4-14) a.
IP
b.
SPEC-DP
Γ VP
er
hat
gelogen
^3.Ps. ^ temp 3.Ps. Sgs Mask. ^Nom ^
Omas r 3.Ps. Sg.
L8· J
Stühle
0
Γ poss
Fem. Gen. v
3.Ps PI. Mask. Nom Akk ^
r 3.Ps PI. Mask. Nom Akk
J
(vgl. Olsen 1991:48) Was aber gerade das Kasusmerkmal betrifft, kommt es niemals innerhalb einer funktionalen Projektion in der SPEC-Head-Relation zur Abgleichung: In der DP wird der SPEC immer genitivisch markiert im Unterschied zur NP und zum D. Es sei denn, es handelt sich um die Kongruenzrelation zwischen einem funktionalen Kopf und seinem Komplement, wie sie in dem Beispiel (4-14)b zwischen D und NP besteht. Aus den bisherigen Beobachtungen ergibt sich Folgendes: Die Agr-Projektion fur die Attributflexion mit der AP in der SPEC-Position verliert ihren Halt, denn es fehlt dort die SPEC-Head-Relation zwischen dem Kopf Agr und der SPEC-AP, die durch Zuweisung eines abstrakten Merkmals wie eines strukturellen Kasus zustande kommt. Wenn man trotzdem den Kongruenzkasus bei Attributflexion der SPEC-Head-Relation zuordnet, fuhrt dies zu dem außergewöhnlichen Ergebnis, dass innerhalb einer funktionalen Projektion AgrP alle drei strukturellen Positionen, Kopf, SPEC und Komplement, in ihrem Kasusmerkmal identisch sein müssten, wie es im Folgenden dargestellt wird: (4-15)
DP D'
kleiner
NP
Unterschied [Nom]
r
N o n P ^Nom ^ 3.Ps. 3.Ps. SgSgMask. Mask^
84 Eine Struktur wie in (4-15) bedarf eines Lizenzierungsverfahrens der SPEC-Position, das aber von den übrigen funktionalen Projektionen wie IP, DP, DegP und CP abweicht. Demnach hätte der SPEC von AgrP einen gesonderten syntaktischen Status, denn die AP in der SPEC-Position der AgrP ist weder ein strukturelles Subjekt noch eine bewegte Phrase, die durch Bewegung in diese Position gelangt ist.4 Hinzu kommt die Frage, ob die AgrAnalayse der Attributflexion als eine von D distinktive funktionale Kategorie angebracht ist, wenn nach Vater (1991) und Haspelmath (1999) Possessiva einerseits und ein als Numerale andererseits keine D°-Elemente sein können, es sei denn, die Attributflexion verfugt über ein von D distinktives funktionales Merkmal. Darüber hinaus halte ich die Selektionsbeziehung zwischen D° und AgrP sowie diejenige zwischen Agr° und NP für unangebracht. Der funktionale Kopf D kann eine AgrP nicht kategorial selegieren (c-Selektionseigenschaft), weil die AgrP innerhalb der DP-Struktur völlig optional ist, wie dies bei attributiven Adjektiven der Fall ist: D° c-selegiert eine bestimmte Kategorie als Komplement, nämlich die NP. So ist die Idee, dass die AgrP mit der AP in ihrer SPEC-Position von D° selegiert sei, nicht weniger problematisch als die Annahme in Abney (1987) und Bhatt (1990), die AP in die Komplementposition von D° einzusetzen.
4.1.2.2. Merkmale der Attributflexionen Aus den in 4.1.1 und 4.1.2.1 aufgeführten Gründen halte ich die Adjunktionsanalyse der attributiven AP gegenüber der AgrP-Analyse der Attributflexion in Haider (1992) für angemessen. Der Vorteil der Adjunktionsanalyse liegt vor allem darin, dass sie die strukturelle Relation zwischen den DP-internen Elementen, D°, NP und AP besser darstellt sowie diejenige zwischen den APs, falls mehrere Adjektive in der DP vorkommen (s. 4.1.1). Als Nachteil der Adjunktionsanalyse nennt Haider (1992) die folgenden zwei Punkte: 1. Die Adjunktionsstruktur kann die Extraktion der AP nicht verhindern, während die Analyse mit einer AgrP-Projektion dies bewerkstelligen kann. Die Phrase in der SPECPosition einer funktionalen Projektion darf nicht extrahiert werden (Haider 1992: 323). Anhand der Beispiele (4-7) und (4-8) wurde jedoch im Vorangehenden schon gezeigt, dass dieses Problem im Rahmen der Adjunktionsstruktur anderweitig gelöst werden kann. 2. Das zweite Problem bezieht sich auf die Kongruenzmerkmale, die die Attributflexion aufweisen. Wenn Adjektive an NP adjungiert sind, können sie nach Haider (1992: 329) nicht an der Kongruenz teilhaben, die zwischen dem funktionalen Kopf D und der NP besteht: Die Merkmalsabgleichung kommt durch Komplementselektion zustande, während die AP als Adjunkt nicht selegiert sein kann. An dieser Stelle stellt sich die Frage nach den Attributflexionen im Deutschen und den Kongruenzmerkmalen, die sie anzeigen können. Attributive Adjektive im Deutschen neh4
Das gleiche Problem besteht auch in Lattewitz (1994) und Mallen (1997), bei denen die AP in der SPEC-Position einer funktionalen Projektion, jeweils AgrP und KP, durch eine SPEC-HeadRelation den Kongruenzkasus überprüft.
85 men an der Kongruenz innerhalb der DP teil, indem sie schwache bzw. starke Flexion aufweisen, je nachdem, ob in der D°-Position ein Determinator oder ein lexikalisch unrealisierter Kopf vorkommt. Ihre Teilhabe an der Kongruenz lässt sich besonders an der starken Flexion erkennen, weil diese direkte Auskunft über das Genus-, Numerus- und Kasusmerkmal von D° gibt, weshalb sie auch als D°-Realisierung innerhalb der DP angesehen wird (s. Vater 1991: 26). Die Frage lautet nun, ob dieser Tatbestand gegen die grundlegende strukturelle Position der Adjektive als Adjunkt an NP sprechen muss. In Olsen (1990: 59) wurde z.B. angenommen, dass Adjektive als linksstehender Modifikator innerhalb der NP an der Kongruenzkette teilhaben können, die zwischen dem Kopf D und seinem Komplement NP besteht und sich auf alle nominalen flexionsföhigen Köpfe erstreckt:5 (4-16)
DP
\
D'
D0/ der
NP i AP/ I A °i klare
N'i \ N0/ Himmel
(Olsen 1990: 60)
Die Annahme, dass die Adjunktposition eine relevante syntaktische Stellung fiir die Teilnahme an Kongruenzmerkmalen ist, bedarf weiterer Begründungen (vgl. Svenonius 1994: 444). Es ist in (4-16) noch daraufhinzuweisen, dass die Koindizierung, die das Adjektiv trägt, nicht auf das Adjektiv bezogen sein kann, denn es ist nicht der Α-Kopf, der die Kongruenzmerkmale innerhalb der DP erbt. In diesem Zusammenhang bezeichnet auch Bhatt (1990: 41) diesen Umstand als „eine rein formelle Funktion" der Adjektive in der Kongruenzkette: Es ist nur die Attributflexion, die für die Kongruenzmerkmale relevant ist. Deshalb verdient die Attributflexion einen gesonderten Status als eine von der Adjektivwurzel zu unterscheidende syntaktische Kategorie, die im Deutschen für die Kongruenzmerkmale spezifiziert sein kann. In Haider (1992) war es die funktionale Agr-Kategorie für Attributflexion, die aber im letzten Abschnitt aufgrund der internen Struktur ihrer Projektion und der Position innerhalb der DP problematisiert wurde. Eine weitere Frage betrifft die Merkmale, die diese Kategorien für Attributflexionen aufweisen. Bisher waren es ausschließlich Agr-Merkmale, die den Attributflexionen zugerechnet wurden. Was die starke Flexion der Adjektive betrifft, scheint dies zunächst ohne weiteres zu gelten. Zieht man aber die schwache Deklination der Adjektive in Betracht, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Flexionsparadigma der schwachen Deklination als Indiz für die Kongruenzmerkmale unzureichend ist: Es unterscheidet lediglich Nominativ 5
In der Baumstruktur im Beispiel (4-16) steht die AP jedoch in der SPEC-Position der NP im Unterschied zu der Beschreibung der AP als Modifikator in Olsen. Dies liegt wohl daran, dass der strukturelle Status der SPEC-Position einer lexikalischen Kategorie bisher nicht ganz festgelegt ist und unterschiedlich besetzt wird: In Bhatt (1990: 127) wird sie z.B. durch ein externes Argument besetzt wie Peters in der DP: Verständnis Peters für Maria.
86 Singular und Akkusativ Singular - mit Ausnahme von Akkusativ Maskulina - von den restlichen Fällen, die alle mit dem Suffix -en markiert werden: (4-17)
Schwache Flexion der Adjektive
Singular Nom. Gen. Dat. Akk.
M. -e -en -en -en
F. -e -en -en -e
N. -e -en -en -e
Plural Nom. Gen. Dat. Akk.
M. -en -en -en -en
F. -en -en -en -en
N. -en -en -en -en
Wie in den vorangehenden Abschnitten mehrmals erwähnt wurde, kommen die AgrMerkmale nach dem Prinzip der unsichtbaren Kategorie bei der Attributflexion zum Ausdruck, falls sie nicht am Kopf D in situ realisiert sind, und weil N° bzw. NP als Komplement dazu nicht imstande ist. In dieser Hinsicht stellt Olsen (1990: 67) die starke Flexion der Adjektive als markierten Fall dar, während die schwache Flexion die unmarkierten Endungen repräsentiert, die - sieht man einmal von einer kleinen Klasse maskuliner Nomina ab - nur am Adjektiv, aber nie an einem Determinans auftritt. So sehe ich die Attributflexion als Platzhalter für die Agr-Merkmale, die gegebenenfalls an dieser Position realisiert werden können. Es folgt dann die Frage, was die schwachen Flexionen anzeigen, wenn sie das AgrMerkmal nicht anzuzeigen brauchen. Bleibt ein anderes Merkmal bei der Attributflexion übrig, die Agr-Merkmale ausgenommen? Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang weitere Bezeichnungen für die schwachen bzw. starken Flexionen der Adjektive, die die Duden-Grammatik (1998 6 : 282) angibt. Das ist von der „pronominalen bzw. determinierenden Flexion" für die starke und der „nominalen bzw. attributierenden Flexion" für die schwache Flexion der Adjektive die Rede. An dieser Stelle halte ich an der Annahme fest, dass sowohl die schwache als auch die starke Attributflexion dazu dienen kann, die syntaktische Satzgliedfunktion, d.h. die attributive Funktion der Adjektive in Sätzen anzuzeigen. In 4.1.3.2 wird diese Annahme am Beispiel des Koreanischen eingehend überprüft; in 4.3 schließlich wird eine funktionale Kategorie für Adjektivflexionen vorgeschlagen, die von universellem Charakter ist.
4.1.3.
Attributflexion des Koreanischen
Bevor in diesem Kapitel auf die Attributflexion des Koreanischen eingegangen wird, ist eine Diskussion der NP-Syntax des Koreanischen erforderlich. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob und wie die DP-Analyse auf die NPs im Koreanischen anwendbar ist.
4.1.3.1. DP-Analyse des Koreanischen Zur Beantwortung der Frage, ob eine funktionale Kategorie D und deren Projektion im Koreanischen anzunehmen ist, möchte ich auf Fukui/Speas (1986) eingehen. Sie argumen-
87 tieren, dass im Japanischen nur lexikalische, keine funktionalen Kategorien vorhanden seien. Ihre Projektionen würden nur bis zur X'-Stufe reichen, die rekursiv aufgeführt werden kann. Während eine funktionale Kategorie eine einzige SPEC-Position aufweist, die die Projektion „abschließt", können also innerhalb einer lexikalischen Projektion iterierte Spezifizierer vorkommen. Fukui/Speas argumentieren weiter, dass japanische NPs alle N' als maximale Stufe haben und somit keine funktionale Projektion bilden können. Den Grund hierfür sehen sie im Folgenden: Wie Beispiel (4-18) zeigt, kann innerhalb der NP im Japanischen eine unbeschränkte Anzahl pränominaler Konstituenten vorkommen, was für Fukui/Speas bedeutet, dass sowohl der Genitiv John-no und das Adjektiv kireina als auch das Demonstrativum kono als iterierte Spezifizierer unter der N'-Stufe anzusetzen sind. (4-18)
kireina John-no ko-no hon beautiful John-GEN this book lit. beautiful John's this book
(Fukui/Speas 1986: 134)
Hinzu komme, dass Proformen im Japanischen wie sore (,it'), kare (,he') und zibun (,self) modifizierbar sind, während sie im Englischen keine Modifikatoren zu sich nehmen. Dies soll daraufhindeuten, dass die Proformen im Japanischen keine DPs (=D"), sondern die D'-Stufe repräsentieren. (4-19)
kinoo Taroo-ni attaka-i? yesterday Taro- with met Q lit.: Did you meet with Taro yesterday? Un, demo kinoo-no kare-wa sukosi yoosu-ga handat-ta. yes but yesterday-GEN he-top somewhat state-NOM be strange-prät. lit.: Yes, but yesterday's he was somewhat strange. (Fukui/Speas 1986: 135)
Die Iterierbarkeit der Modifikatoren innerhalb der NP sowie die Modifizierbarkeit der Proformen an sich liefern m.E. jedoch keine Evidenz für das Nichtvorhandensein der funktionalen Projektion DP im Japanischen. Bei dieser Frage kommt es auf das Vorhandensein eines relevanten funktionalen Merkmals und die Projizierbarkeit dieses Merkmals an, sowie darauf, ob die Strukturunterschiede zwischen dem Englischen und dem Japanischen in den obigen Beispielen erklärt werden können. An einer späteren Stelle wird gezeigt, dass sie im Rahmen der DP-Analyse leicht erklärbar sind.
4.1.3.1.1. Das funktionale Merkmal in D Für die DP-Analyse des Japanischen folge ich zunächst der Annahme von Löbel (1990 und 1993), die die kasusmarkierte Postposition beim Nomen als D°-Element ansieht. Ihr Hauptargument besteht darin, dass die funktionalen Projektionen IP sowie DP 'flektierte Elemente' und somit Konstituenten des Satzes sind. Daher entspricht der englischen DP the book nicht das Nomen hon im Japanischen als nichtdeterminiertes Nomen, sondern die Abfolgen hon-ga (NOM) oder hon-o (AKK), die nach Kasus flektiert sind und in Sätzen als nominale Konstituente vorkommen:
88 (4-20) a. Sam read a1 the book/ *book b. Susumu-ga hon-o yon-da. Susumu-Nom book-AKK read perf
(Löbel 1993: 185)
Im Deutschen erhält die funktionale Kategorie Det neben anderen Kongruenzmerkmalen das Kasusmerkmal, das der DP zugewiesen wird. Da innerhalb der NP im Japanischen und im Koreanischen keine interne morphologische Kongruenz zwischen pränominalen Adjektiven und dem Nomen vorhanden ist - es gibt keine grammatischen Kategorien wie Numerus, Genus, oder grammatische Person, die morphologische Kongruenz anzeigen könnten ist Kasus das einzige Merkmal, das die Determination in diesen Sprachen morphologisch realisiert. Das Merkmal, das die funktionale Kategorie D im Koreanischen und Japanischen besitzt, ist somit Kasus, das durch eine Postposition stets rechtsperipher realisiert wird.6 So ist das Nomen tschek ('Buch') im Koreanischen immer [-determiniert]. Erst wenn eine kasusmarkierende Postposition hinzutritt, erhält die Abfolge entweder das Merkmal [+def] ((4-2 l)a) oder [-def] ((4-2 l)b), d.h. wird sie zu einer DP: (4-21) a. i tschek(-ul) bollsso ilg-ot-ni? dies Buch-AKK schon les-Prät.-Interr. Hast du dieses Buch schon gelesen? b. otton sonmul-i dscho-gess-ni? welch Geschenk-NOM gut-Modal-lnterr. Was fiir ein Geschenk kann gut sein? -tschek-i dscho-tschi! Buch-NOM gut-Dekl. Ein Buch ist gut! Wie der Vergleich zwischen (4-2 l)a und b deutlich macht, ist die Unterscheidung zwischen [+def] und [-def] nur aus dem Satzkontext heraus möglich. Es zeigt sich, dass das morphosyntaktische Merkmal von D und das semantische Merkmal der Determination im Koreanischen zusammenfallen: Die Determiniertheit wird konstant im Kopf D angezeigt, der stets als kasusmarkierende Postposition realisiert wird. Die Möglichkeit, die Demonstrativa ku ('das') in (4-2 l)a sowie i ('dies-') und dscho ('jen-') als Determinantien und somit als D°-Elemente im Koreanischen anzusehen, schließe ich aus, denn diese steuern keinerlei für die DP relevante grammatische Merkmale, weder Kongruenz noch Kasus. Sie fungieren lediglich als Modifikatoren innerhab der DP. Zudem sind sie in der koreanischen Grammatik als Abkürzungen von Demonstrativadjektiven kuron, iron und dschoron definiert (s. Nam/Go 19932: 174).
6
Zu weiteren Merkmalen in Bezug auf die Kategorie D und zu deren syntaktischem Status siehe Abschn. 4.3.1.
89 4.1.3.1.2. DP-Struktur des Koreanischen Für die DP des Koreanischen schlage ich eine Struktur wie in (4-22)a vor: (4-22) a.
DP
b.
D'
D'
SPEC
N' D° NP tschek
N° -i
[NOM]
[NOM]
hon
r-AGR +Kasus -ga
In Beispiel (4-22)b wird die DP-Struktur dargestellt, die Löbel (1993: 192) fur das Japanische annimmt. Wie der Vergleich zwischen den beiden Strukturen zeigt, weisen sie Gemeinsamkeiten auf bis auf das (Nicht-)Vorhandensein der SPEC-Position und den damit korrelierenden Unterschied in ihrer maximalen Projektion: Während die Struktur (4-22)a die Möglichkeit einer SPEC-Position für die DP in Sprachen wie im Koreanischen und Japanischen zulässt, beschränkt Löbel die funktionale Projektion von D im Japanischen auf die D'-Stufe, wonach auch keine SPEC-Position zugelassen wird. Gegen diese Anahme lässt sich Folgendes einwenden: Es wurde schon gezeigt, dass die An- bzw. Abwesenheit der Merkmalskongruenz innerhalb der NP, im Unterschied zu Fukui/Speas (1986), für Löbel (1990: 154 u. 156) kein Kriterium fiir die Entscheidung zwischen der An- und Abwesenheit der funktionalen Kategorie D sein kann. Sie setzt anstelle der Kongruenzmerkmale den Kasus als das repräsentative funktionale Merkmal für D im Japanischen ein. Bei der Entscheidung für Lizenzierung der SPEC-Position übernimmt Löbel (1990: 153 bis 156) jedoch das Argument von Fukui/Speas (1986) kritiklos, dass Spezifizierer der jeweiligen funktionalen Kategorie über Kongruenz der Agr-Merkmale lizenziert werden und die An- bzw. Abwesenheit der Kongruenzmerkmale unter dem Kopf D die Eigenschaft der Zuweisung eines strukturellen Kasus an die SPEC-Position und somit die Lizenzierung dieser Position innerhalb einer funktionalen Projektion bestimmt. Und weil innerhalb der DP des Japanischen keine Kongruenzmerkmale vorhanden sind, soll auch keine SPEC-Position lizenzierbar sein. Demnach stellt sich m.E. die Frage, warum innerhalb der DP des Japanischen auf die SPECHead-Relation, die zwischen einem Kopf D und der Phrase in seiner SPEC-Position besteht, verzichtet werden soll. Es gibt zwar zwischen D° und seinem SPEC keine morphologische Kongruenz in Bezug auf Agr-Merkmale. Wenn aber die Zuweisung eines strukturellen Kasus festgestellt werden kann, lässt sich eine abstrakte SPEC-Head-Kongruenz vermuten, was voraussetzt, dass innerhalb einer funktionalen Projektion Kasuszuweisung ohne Kongruenz in Agr-Merkmalen möglich ist. So sehe ich den Kasus [GEN], den die pränominale DP im Koreanischen (4-23)a und im Japanischen (4-23)b trägt, als morphologische Realisieung der SPEC-Head-Relation innerhalb der DP, wobei der Genitiv in beiden Sprachen jeweils durch die Postposition -ui und -no markiert wird:
90 (4-23) a. umma-ui tschek-i Mutter-GEN Buch-NOM Mutters Buch
(4-24) a.
DP
DP
b. ottosan-no hon-ga Vater-GEN Buch-NOM Vaters Buch
b.
D'
DP
DP I D'
D'
D'
Λ\ NP umma
D° -ui [GEN]
NP tschek
NP ottosan
[
poss Ί
NOMJ
D° NP -no hon [GEN]
D° -ga poss"^ NOMJ
[
Was die DP des Deutschen betrifft, so wird angenommen, dass für diese Kasuszuweisung das [poss]-Merkmal zuständig ist, das zusammen mit den Agr-Merkmalen die D°Position erfüllt (vgl. Vater 1991: 22 und Olsen 1991: 48). Doch besteht dabei meiner Meinung nach keine Notwendigkeit zu der Annahme, dass das [poss] -Merkmal an sich auf das Vorhandensein der Agr-Merkmale angewiesen sein soll. Nach der DP-Struktur in (4-24) kann man davon ausgehen, dass die funktionale Projektion DP im Koreanischen und im Japanischen doch durch die Lizenzierung ihrer SPECPosition abzuschließen ist, d.h. dass sie bis zur DP (=D") expandiert werden kann. Nach Fukui/Speas (1986: 130) hat der SPEC einer funktionalen Projektion, wie schon erwähnt, die Eigenschaft, „eine Projektion abzuschließen". So könne im Englischen und Deutschen innerhalb der DP vor dem pränominalen Genitiv keine Konstituente stehen, wogegen im Japanischen aufgrund der fehlenden SPEC-Position die Projektion nicht abzuschließen sei, sie also offen bleibt. Grundsätzlich zu trennen ist m.E. aber die syntaktische Eigenschaft, die Projektion einer Kategorie abzuschließen, von der Positionseigenschaft, die Konstituentengrenze zu kennzeichnen: Der pränominale Genitiv John-no im japanischen Beispiel (4-18) stellt zwar keine Konstituentengrenze dar, da ihm ein Adjektiv wie kireina vorangeht, schließt jedoch als Spezifizierer die DP-Projektion ab. Ob ein Element innerhalb einer DP dem SPEC vorangestellt werden kann, hängt von sprachspezifischen strukturellen Parametern ab, auf die ich im nächsten Abschnitt eingehen werde. Eine ähnliche Verwechslung wie bei Fukui/Speas liegt auch bei Löbel (1990: 156) vor, wenn sie schreibt: [...], dass im Japanischen die funktionalen Projektionen nicht durch den jeweiligen Spezifizierer aufgrund der fehlenden Spezifizierer - , sondern durch die funktionalen Kategorien selbst abgeschlossen werden. So signalisiert die Kasuspartikel für die NP, dass hier eine Konstituentengrenze vorliegt.
Eine DP-Struktur wie in (4-24) spricht jedoch dafür, dass das Positionsmerkmal der kasusmarkierenden Postposition als Konstituentengrenze eigentlich nichts über die Ab-
91
schließbarkeit bzw. Expandierbarkeit der Projektion aussagt. Auf der anderen Seite lassen sich eine Reihe struktureller Unterschiede zwischen der DP (= D " ) im Deutschen und der im Koreanischen anhand derjenigen Merkmale erklären, die auf die Realisierung des funktionalen Kopfes D als Postposition und als Konstituentengrenze zurückzufuhren sind. Es sind die Folgenden: 1. Es besteht innerhalb der DP des Koreanischen keine Restriktion gegen die simultane Realisierung der Kopf- und SPEC-Position. D° im Koreanischen tritt weder als ein syntaktisch selbständiges Element auf, noch bleibt es morphologisch unrealisiert. Es tritt stets als kasusmarkierende Postposition rechtsperipher am Nomen auf.7 Deshalb ist die Realisierung von D° auch nicht mit einem pränominalen Genitiv komplementär, wie die DP-Struktur (4-24)a zeigt: Die phrasale SPEC-Position und der funktionale Kopf in situ können gleichzeitig morphologisch realisiert werden, was im Deutschen nicht zulässig ist, weil in diesem Fall das D° innerhalb einer DP doppelt vorhanden sein müsste (vgl. *des Vaters das Haus). 2. Die DP-Struktur im Koreanischen lässt zwischen dem Kopf D und dem SPEC noch weitere Elemente links vom Kopf zu, was im Deutschen zu einem ungrammatischen Ergebnis fuhren würde: (4-25) a. Minu-ui umak-e daehan goanshim-/ Minu-GEN Musik-DAT über Interesse-NOM Minus Interesse für Musik b. * Minus fiir Musik Interesse Im deutschen Beispiel (4-14)b gibt es eine Adjazenzforderung zwischen dem morphologisch unrealisierten funktionalen Kopf D mit dem [poss]-Merkmal und dem SPEC. Dies verhindert die rechte Erweiterung des pränominalen Genitivs. In (4-25)a dagegen ist keine leere Kopfposition vorhanden, die zwischen dem pränominalen Genitiv und dem Nomen interveniert, da D im Koreanischen stets rechts vom Nomen in Form einer Postposition realisiert wird. Für die Kasuszuweisung an SPEC wird ebenfalls keine Adjazenz zwischen dem Kopf D und dem SPEC verlangt. 3. Auf der Basis der strukturellen Eigenschaften, die in 2 genannt sind, kann das Vorkommen der doppelten Genitive in der pränominalen Position erklärt werden, ohne hierfür eine Rekursion der SPEC-Position der DP annehmen zu müssen: (4-26)
shin-ui sesang-ui changdscho-ga Gott-GEN Welt-GEN Erschaffung-NOM Erschaffung der Welt durch Gott
Für die doppelten Genitive in (4-26) kann folgende Struktur angenommen werden: 7
Ausnahmen bilden Fälle in der Umgangssprache, in denen die kasusmarkierenden Postpositionen unrealisiert bleiben können, wenn die Satzgliedfunktion der betroffenen DP aus dem Satzkontext auszuschließen ist. Siehe hierzu Beispiel (4-2l)a.
92 (4-27)
NP shin
DP sesang-ui [GEN]
N° changdscho [GEN]
D° -ga poss NOM
[
]
Die zweite Genitiv-DP sesang-ui wird der Komplementposition von N° changdscho zugeordnet, da sie als ein internes Argument des Nomens fungiert. So bekommt sie von Ν ° den Kasus [GEN], wobei sie einen Genitivus obiectivus darstellt. Dass der Genitivus obiectivus keinem Genitivus subiectivus vorangestellt werden kann, erklärt auch seinen Komplementstatus unter der N'-Stufe. (4-28) a. * sesang-ui shin-ui changdscho Welt-GEN Gott-GEN Erschaffung Erschaffung der Welt durch Gott b. ingan- ui dschayeon-ui dschongbok Mensch-GEN Natur-GEN Eroberung Eroberung der Natur durch Menschen c. * dschayeon-ui ingan-ui dschongbok Natur-GEN MenschGEN Eroberung Eroberung der Natur durch Menschen Hingegen lässt sich beobachten, dass Postpositionalphrasen, die ebenfalls genitivisch markiert als pränominaler Modifikator innerhalb der DP vorkommen können, eine freiere Wortstellung aufweisen: (4-29) a. New York-eso-ui gu-ui pyondschi New York-aus-GEN er-GEN Brief sein Brief aus New York b. gu-ui New York-eso-ui pyondschi er-GEN New York-aus-GEN Brief sein Brief aus New York Diese Positionsfreiheit deutet m.E. daraufhin, dass die Postpositionalphrase als Modifikatoren entweder an DP oder an NP adjungiert sein kann.
93 4. Der DP-Ansatz kann erklären, warum Proformen wie gu ('er'), gunyo ('sie'), gugot ('es') und dschagi ('sich') im Koreanischen und sore ('es'), kare ('er') und zibun ('sich') im Japanischen modifizierbar sind. Dies war ausschlaggebend dafür, dass Fukui/Speas die Projektion von Ν im Japanischen auf die N'-Stufe beschränkt haben (s. Beisp.(4-19)). Für die Pronomina im Deutschen ist anzunehmen, dass sie im Rahmen der DP-Struktur immer die gesamte DP ausfüllen, wobei sie neben den AGR-Merkmalen auch das [+def] -Merkmal beinhalten. So lassen sie sich weder mit einem Determinans noch mit DP-internen Modifikatoren kombinieren, weil sie immer Pro-DPs darstellen (s. Vater 1991: 20): *schöner er/*die engagierte sie. Die Pronomina im Koreanischen wie z.B. na ('ich'), uri ('wir'), gui ('er'), gunyo ('sie') und gugot ('es') etc. haben die gleiche referierende Funktion wie im Deutschen: Die Pronomina der 3. Person z.B. beziehen sich auf bestimmte Personen, Ereignisse bzw. Dinge, die im vorangehenden Kontext schon erwähnt wurden (s. Nam/Go 19932: 83). So können die Beispiel-DPs in (4-30) jeweils durch das Pronomen gu ('er'), gunyo ('sie') und gugot ('es') ersetzt werden. (4-30) a. odsche hakgyo-eso bo-n namdscha-ga gestern Uni-an seh(Perf.)-attrib. Mann-NOM der Mann, den ich gestern an der Uni gesehen habe b. ggotdschip-ui agassi-ga Blumenladen-GEN Mädchen-NOM das Mädchen vom Blumenladen c. New York-eso o-n pyondschi-rul New York-aus komm(Perf.)-attrib. Brief-AKK den Brief aus New York
(=gu-ga)
(=gunyo-ga)
(=gugot-ul)
Diese Pronomina lassen sich jedoch nicht als Pro-DPs auffassen, sondern als Pro-NPs, was folgende DP-Struktur verdeutlicht: In (4-31) kann das Pronomen gunyo ('sie') logischerweise keine Pro-DP darstellen, weil der Kopf D immer durch eine kasusmarkierende Postposition besetzt wird: (4-31)
DP
D'
NP gunyo
D° -ga / -rul [NOM] / [AKK]
Weil die Pronomina keine DPs, sondern lediglich NPs sind, können innerhalb der DP noch pränominale Modifikatoren zu diesen NPs auftreten:
94 (4-32)
[DPsangnyagha-n [ DP [Npgunyo] [D=-nun] ] ] [ DP ggadaro-un [ D P [ N P gu] [ D °-rul]]] sarangha-n-da. freundlich-attrib. sie-NOM schwierig-attrib. er-AKK lieben-Präs.-Dekl. Sie, die freundlich ist, liebt ihn, der schwierig ist.
Die Kombinierbarkeit der Proformen mit pränominalen Modifikatoren, die bei Fukui/Speas als eine Evidenz fiir das Nichtvorhandensein der DP-Projektion aufgefaßt wurde, klärt sich somit nach der DP-Struktur wie in (4-32) von selbst.
4.1.3.1.3. Merkmale der Attributflexion des Koreanischen Im Vorangehenden wurde schon erwähnt, dass innerhalb der DP im Koreanischen keine morphologischen Kongruenzmerkmale vorhanden sind und die pränominalen Adjektive demnach keine Flexionen dieser Art tragen. Das Fehlen der Kongruenz im Koreanischen hat zur Folge, dass auch keine Agr-Merkmale in der Attributflexion enthalten sein können. Für die Position der Adjektive innerhalb der DP gehe ich im Folgenden, wie auch für die attributiven Adjektive des Deutschen, von der Adjunktposition aus. Sie steht ihrer Semantik nach in einer den Modifikatoren entsprechenden syntaktischen Position, was eine über die Einzelsprachen hinausgehende Eigenschaft ist. Von dieser Adjunktposition aus können die pränominalen attributiven Adjektive im Koreanischen innerhalb der DP extrahiert werden - im Unterschied zum Deutschen: (4-33)
[DP [DP Fanselow-wa Felix-ui] [D- [NPbbalga-n [ NP tschek] ] [ D ° -i] ] ] Fanselow-und Felix-GEN rot -attrib. Buch -NOM das rote Buch von Fanselow und Felix
Wenn das Adjektiv die NP-Adjunktstelle verlässt, kann es an eine höhere Stelle adjungiert werden, nämlich an die DP: (4-34)
[ DP [opbbalga-n/ [ DP Fanselow-wa Felix-ui] [D- [NW [ NP tschek] ] [ D .-i] ] ] ] rot -attrib. Fanselow und Felix-GEN Buch-NOM das rote Buch von Fanselow und Felix
Hierdurch lässt sich erklären, dass die NP-Konstruktion des Japanischen wie im Beispiel (4-18) nicht als maximale N'-Projektion mit iterierten Spezifizierern aufzufassen ist, so wie es Fukui/Speas annehmen, sondern als DP, in der John-no als SPEC-DP, kireina als extrahiertes und an DP adjungiertes Adjektiv und kono als an NP adjungiertes demonstratives Adjektiv vorkommen. Im Folgenden wird das Beispiel (4-18) wiederholt: (4-35)
kireina John-no ko-no hon beautiful John-GEN this book beautiful John's this book
In (4-35) ist nicht klar, ob sich das Adjektiv kireina auf John oder auf hon bezieht. In diesem Fall ist eine ambivalente Interpretation in der Art von 'Johns Buch, das schön ist' und
95 'das Buch, das dem schönen John gehört' möglich. Die Entscheidung zwischen den beiden ist völlig kontextabhängig. Innerhalb der DP im Koreanischen und im Japanischen können im Prinzip alle Attribute an DP adjungiert vorkommen auch in solchen Fällen, wo sie eindeutig auf das Nomen zu beziehen sind, wie in Beispiel (4-34). Dieser Unterschied zwischen dem Deutschen und dem Koreanischen bzw. Japanischen in Bezug auf die Extrahierbarkeit lässt sich m.E. auf die unterschiedliche Kopfposition von D innerhalb der DP in der jeweiligen Sprache zurückführen. Es wurde schon gezeigt, dass innerhalb der DP des Deutschen D° linksperipher ist, wenn es in der Kopfposition morphologisch realisiert ist. Diese linksperiphere Position des Kopfes verhindert, dass dem Kopf Adjektive vorangestellt werden: * rote das Buch von Fanselow und Felix. Hiergegen stellt die rechtsperiphere Position des Kopfes D im Koreanischen zunächst keinen Hinderungsgrund fur die Extraktion der Adjektive nach links dar. Ein bemerkenswertes Phänomenen im Zusammenhang mit dem Fehlen der Kongruenzmerkmale an der Attributflexion findet sich in folgenden Beispielen, in denen iterierte Adjektive innerhalb der DP auftreten: (4-36) a. ?? Pusan-ui gip-un puru-n bam-e Pusan-GEN tief-attrib. blau-attrib. Nacht-DAT in der tiefen und blauen Nacht von Pusan b. Pusan-ui gip-go puru-n bam-e Pusan-GEN tief-und blau-attrib. Nacht-DAT in der tiefen und blauen Nacht von Pusan (4-37) a. ?? gu yebbu-n dalkomha-n keiku-rul den schön-attrib. süß-attrib. Kuchen-AKK den schönen und süßen Kuchen b. gu yebbu-go dalkomha-n keiku-rul das schön-und süß-attrib. Kuchen-AKK den schönen und süßen Kuchen Die Beispiele in (4-36)a und (4-37)a sind deshalb mit Fragezeichen markiert, weil die beiden attributiven Adjektive jeweils mit dem Suffix -un, - dem Attributionsmarker - versehen sind, im Gegensatz zu (4-36)b und (4-37)b, wo sie mittels eines Koordinationsmarkers -go koordiniert sind, der an das erste Adjektiv suffigiert wird. Im Fall der Koordination wirkt die doppelte Realisierung des Attributionssuffixes -un merkwürdig ((4-36)a und (437)a), da diese Attributflexion lediglich eine attributive und modifizierende Funktion anzeigt, aber keine sukzessive morphologische Kongruenz darstellt, die sich durch die gesamte DP durchzieht. Innerhalb der DP des Deutschen dagegen ist anzunehmen, dass beim Auftreten von zwei Adjektiven beide Attributflexionen mit dem gleichen morphologischen Index versehen werden, wodurch eine Kongruenzkette zwischen den pränominalen Adjektiven entsteht. Das Fehlen einer solchen Kongruenzkette und den Kongruenzmerkmalen an der Attributflexion korreliert m.E. mit dem Umstand, dass das Koordinationsverhältnis zwischen attributiven Adjektiven mit einer Konjunktion extra zu markieren ist. Für die koordinierten Adjektive in (4-36)b z.B. kann vorerst folgende Struktur angenommen werden, in der die Adjektive aneinander adjungiert auftreten:
96 (4-38)
DP
Ρ man
-ui
gip-go
puru-n
bam
-e
Diese Beispiele in (4-36) und (4-37) werden jedoch ungrammatisch, wenn das Attributionssuffix zusammen mit dem Koordinationsmarker auftritt. (4-39) a. * gip-un-go puru-n bam-e tief-attrib.-und blau-attrib. Nacht-DAT b. * yebbu-n-go dalkomha-n keiku-rul schön-attrib.-und süß-attrib. Kuchen-AKK Dass hier die Attributflexion -un mit dem Konjunktionsmarker -go inkompatibel ist, beruht darauf, dass sie im unmarkierten Fall stets unmittelbar vor der modifizierten Konstituente positioniert wird, wobei sie die Grenze der modifizierenden Konstituente anzeigt. Diese Positionseigenschaft gibt somit die in der Attribution bestehende syntaktische Funktion dieser Flexion gut zu erkennen. Aus diesem Grunde müssen sogar beide subordinierten Adjektive im folgenden Beispiel mit dem Attributsuffix -n versehen sein: Das erste Adjektiv daru-n ('andere') modifiziert die nächste Konstituente, die aus einem weiteren Adjektiv und einem Nomen besteht. (4-40) a.
[DP [NP [APdaru-n] [NP [ Apdscho-un] [Nppyohyon-dul] [D° -i] ] ] ] ander-attrib. gut-attrib. Ausdruck-pl. -NOM andere gute Ausdrücke b. * daru-go dscho-un pyohyondul -i ander-und gut-attrib. Ausdruck-pl.-NOM andere gute Ausdrücke
In den vorangehenden Analysen der APs im Koreanischen wurde der Attributionsmarkierer - wie das Suffix -(u)n der zu der adjektivischen Wurzel auftritt, samt der Wurzel zum Kopf Α zugerechnet. Morphosyntaktisch lässt er sich jedoch von der Wurzel unterscheiden. Er zeigt die attributive Funktion des Adjektivs an, wie es in diesem und auch schon im 2. Kapitel dieser Arbeit mehrfach erwähnt wurde. Die Attributionsmarkierungen, die in den einzelnen Sprachen unterschiedliche morphologische Realisierungen zeigen (vgl. Tabelle in (2-17)), unterscheiden sich auch in den grammatischen Merkmalen, die sie sprachspezi-
97 fisch aufweisen. Am Beispiel des Deutschen und des Koreanischen haben wir gesehen, dass sich die Attributflexionen in diesen Sprachen voneinander durch das (Nicht-) Vorhandensein der Agr-Merkmale unterscheiden. Da die Deklination der Adjektive und die damit zusammenhängende Kongruenz mit dem Nomen innerhalb der DP ein sprachspezifisches Phänomen darstellt (vgl. 2.1.1), wäre die AgrP-Analyse der Attributflexion, die Haider (1992) nach Tappe (1991) vorschlägt, nur bedingt auf bestimmte Sprachen anwendbar gewesen. Hinzu kommen die Probleme der internen Strukturanalyse, die in 4.1.2 behandelt wurden.
4.2.
Probleme der Agr-Analyse
Dass die Agr-Analyse, die am Schluss des letzten Kapitels erwähnt wurde, nur bedingt anwendbar ist, beschränkt sich nicht nur auf die Attributflexion, sondern erstreckt sich weiter auf die Agr-Kategorien für Kongruenz, die in den neueren Untersuchungen der Generativen Grammatik zur Beschreibung der Satzstruktur angenommen wurden. Bevor im Weiteren auf dieses Problem eingegangen wird, möchte ich im Folgenden kurz die AgrKategorien und die zugrundeliegende Satzstruktur mit Agr-Projektionen darstellen.
4.2.1. Agr-Kategorien des Minimalistischen Programms Für sein Minimalistisches Programm geht Chomsky (1989 und 1993) von Pollocks (1989) Vorschlag aus, die funktionale Kategorie INFL, die in der GB-theoretischen Version als Kopf des Satzes fungiert, in zwei unterschiedliche Köpfe zu spalten, in T(ense) und Agr(eement). Diese projizieren jeweils zu eigenen maximalen Projektionen. Bereits bei der Übernahme dieses Vorschlags wird Pollocks sog. 'Split-Infl-Hypothese' jedoch modifiziert. Chomsky (1989) spaltet das Element Agr wieder in zwei unterschiedliche Agr-Elemente, nämlich in das 'Agr s ' für Subjekt-Verb-Kongruenz und das 'Agr 0 ' für Objekt-Verb-Kongruenz. Als Evidenz für die Annahme einer Agr-Projektion fuhrt Pollock (1989) die Wortstellungsfakten innerhalb der VP an. Eine komparative Analyse zwischen dem Französischen und dem Englischen zeigt, dass neben INFL zwischen Subjekt und Adverb noch ein zusätzlicher Landeplatz fur das bewegte Verb benötigt wird (vgl. Webelhuth 1995: 69ff.). Die Trennung zwischen Agr„ und Agr s in Chomsky (1989: 57) auf der anderen Seite hat seinen Grund darin, dass zwei distinkte Agr-Projektionen nötig sind. Die eine muss T(ense) dominieren und nicht von Τ dominiert sein, wenn die Rektionsbeziehung zwischen Τ und Subjekt fur die Subjekt-Verb Kongruenz aufrechterhalten bleiben soll, während die andere zwischen Τ und VP stehen muss, an einer Position also, die in Pollock (1989) postuliert wurde. Im Minimalistischen Programm von Chomsky (1993) sind die funktionalen Kategorien Agrs> Agr 0 und Τ Platzhalter fur die Kongruenz- bzw. Tempusmerkmale. Sie überprüfen die entsprechenden Merkmale des Verbs, das sich aus seiner Basisposition bewegt und an diese Kategorien adjungiert wird. Diese Agr-Kategorien überprüfen außerdem die Kongruenz- und die Kasusmerkmale der Subjekt- und Objekt-DP, die sich zu deren SPECPositionen bewegen. So werden sowohl Kongruenz als auch struktureller Kasus als Mani-
98 festation der SPEC-Head-Relation angesehen, die innerhalb der Agr-Projektionen zwischen Agr-Kopf und der DP in der SPEC-Position besteht. Nach Chomsky (1993) gibt es dabei keine intrinsischen Unterschiede zwischen den Merkmalen der Kategorie Agr s und der Agr 0 , sondern nur Positionsunterschiede innerhalb des Satzes. Agr enthält morphologische Merkmale wie Genus, Numerus und grammatische Person, die der Subjekt-Verb- und Objekt-Verb-Kongruenz gemeinsam sind. Der Kontrast zwischen dem Kasus [ N O M ] , der innerhalb der Agr s P lizenziert wird, und dem [ A K K ] , der mit Agr 0 verbunden ist, ist j e weils auf die Adjunktion von Τ an Agr s und von V an Agr 0 zurückzuführen, so wie die Kasus Nominativ und Akkusativ jeweils von Tense und Verb abhängig sind. Als Folge dessen werden die komplexen Köpfe wie in (4-41) dargestellt (Chomsky 1993: 8): (4-41) a. b.
UgrTAgr] [ A g r V Agr]
Zu beachten ist dabei, dass Agr-Köpfe keine morphologischen bzw. phonologischen Einheiten des Lexikons enthalten, d.h. keine Positionen sind, in die Affixe eingesetzt werden. Sie tragen die notwendigen morphologischen Merkmale, die die Merkmale in DPs und Verben überprüfen. Die von Chomsky (1993: 7) angenommene Satzstruktur mit AgrProjektionen sieht demnach wie folgt aus: (4-42)
CP
SPEC
C'
C
Agr s P SPEC
Agr s ' / \ Agr,
TP Τ
/\ SPEC
Agr„P Agr 0 ' / \ Agr 0
VP
Werfen wir weiter einen Blick auf den Status der Agr-Kategorien, auf deren interne Merkmale und die Funktion dieser Merkmale. Wie schon erwähnt, ist Agr laut Chomsky (1993: 7 u. 8) als eine Kollektion der morphosyntaktischen Merkmale - Genus, Numerus und Person - zu verstehen, die er als 'φ-Merkmale' bezeichnet. Dabei vermittelt Agr die Relation der Subjekt- bzw. Objekt-DP zum Verb, die anhand der φ-Merkmale determiniert wer-
99 den. Ähnlich erläutert Grewendorf (19912: 47) die 'verknüpfende' Funktion der Kategorie INFL, die neben Agr noch Τ umfaßt: Sätze bestehen nicht nur aus einer komplexen nominalen und einer komplexen verbalen Kategorie. Was einen Satz ausmacht, ist vielmehr die Verknüpfung von beidem, normalerweise das die Kongruenz von Subjekt und Prädikat tragende Merkmal der Finitheit.
So wie die Kategorie INFL noch vor ihrer Aufspaltung als das zentrale Element und als der Kopf des Satzes aufgefasst wurde, werden Agr-Kategorien in der minimalistischen Satzanalyse (4-42) weiterhin als universelle satzbauende Kategorien eingesetzt. Die Kongruenzmerkmale haben die Aufgabe, die Relation zwischen den Satzteilen, zwischen Subjekt bzw. Objekt und Prädikat zu vermitteln. Diese Annahme steht zunächst mit der Tatsache im Einklang, dass in den indoeuropäischen Sprachen die Subjekt-Verb Kongruenz, die sich als Agrs -Kategorie repräsentiert, generell ist. Zieht man die andere Agr-Kategorie, Agr0, in Betracht, gibt es zwar Evidenz aus einigen Sprachen, wie z.B. Bantu- und kaukasischen Sprachen, die Objekt-Verbkongruenz belegen (s. Bußmann 19902: 404). Um aber zunächst bei den indoeuropäischen Sprachen zu bleiben, lässt sich feststellen, dass die Existenz der Agr0-Kategorie, die Pollock (1989) sowie Chomsky (1989) am Beispiel von Sprachen wie dem Französischen und Englischen postulieren, strukturell motiviert ist, um innerhalb der VP einen zusätzlichen Landeplatz für Verbbewegung zu verschaffen (s.o.). Diese strukturell motivierte Existenz der Agr0Kategorie wird jedoch nicht durch sprachliche Daten nachgewiesen. Es gibt in diesen Sprachen keine explizite morphologische Kongruenz zwischen Verb und Objekt, so dass Agr0 morphologisch leer bleibt.8 Dies bedeutet, wenn man von einer universellen Agr0-Kategorie und deren Projektion in der Satzstruktur ausgehen möchte, dass die funktionale Kategorie in diesen Sprachen stets morphologisch unrealisiert bleiben muss. Erweitert man den Blick auf die außerindoeuropäischen Sprachen, wie z.B. auf das Koreanische, Chinesische und Japanische, scheint die Idee der Kongruenz als sprachuniverselles Phänomen und der darauf basierten Agr-Analyse des Minimalistischen Programms nicht haltbar zu sein. Wie schon in 2.1.1 dieser Arbeit am Beispiel des morphosyntaktischen Verhaltens der Adjektive im Koreanischen erläutert wurde, existiert in diesen Sprachen keinerlei Kongruenzphänomen zwischen Satzelementen. Es gibt weder Verbkongruenz zwischen Subjekt bzw. Objekt und Verb noch nominale Kongruenz zwischen Elementen innerhalb der DP noch prädikative Kongruenz, wie z.B. zwischen Subjekt und Prädikatsnomen hinsichtlich Genus und Numerus: Sie ist Musikerin vs. Er ist Musiker. Wenn also die Satzstruktur (4-42) einer Sprache wie dem Koreanischen zugrunde gelegt werden soll, müssten die beiden Agr-Kategorien nicht nur einfach unrealisiert bleiben, sondern sie müssten inhalt- und merkmallos bleiben, weil hier nicht einmal die sog. φMerkmale vorhanden sind, die die Kongruenz anzeigen könnten - es sei denn, man findet
8
Im Georgischen jedoch, der größten südkaukasischen Sprache, kongruiert das Verb auch mit dem direkten und dem indirekten Objekt (vgl. Bußmann 1990: 276). Chomsky (1989: 58) bringt Kaynes Analyse der Kongruenz zwischen Partizip Perfekt und Objekt in romanischen Sprachen als Evidenz für Agr 0 -Kategorie vor. Dieses Beispiel von Kongruenz bildet aber eine Ausnahme und betrifft nicht die Relation zwischen Objekt und Verb im Allgemeinen.
100 im Koreanischen ein neues morphoyntaktisches Merkmal als Träger der Kongruenz einer anderen Art, das die φ-Merkmale der indoeuropäischen Sprachen substituieren kann.
4.2.2. Agr-Kategorien im Koreanischen Im Rahmen der Prinzipien- und Parametertheorie wurde vorgeschlagen, das Honorifikationsmorphem -shi am Prädikat als Agr-Kategorie im Koreanischen anzusehen (Choe 1988 u. Shin 1993). So soll das Verb noraehada ('singen'), das mit dem Honorifikationsmorphem -shi versehen ist, in folgenden Beispielsätzen (4-43)a und b mit dem Subjekt kongruieren, weil das Subjekt halmoni ('Großmutter') im Koreanischen ein Gegenstand der Honorifikation ist. Das Beispiel (4-43)c dagegen scheint merkwürdig, weil es im Koreanischen üblicherweise unpassend ist, sich selbst als Honorität zu bezeichnen: (4-43) a. halmoni-ga noraeha-shin-da. Großmutter-NOM singHono.+Präs.-Dekl. Großmutter singt. b. halmoni-ga noraeha-shiot-da. Großmutter-NOM singHono.+Prät.-Dekl. Großmutter hat gesungen. c. ? na-nun naeil hakgyo-eso noraeha-shin-da. ich-NOM morgen Schule-Ort. sing-Hono.+Präs.-Dekl. Ich singe morgen in der Schule. Shin (1993: 57) argumentiert, dass das Honorifikationsmorphem -shi als Träger des Kongruenzmerkmals die Agr-Kategorie im Koreanischen repräsentiert, wobei es normalerweise morphologisch mit Τ verbunden vorkommt: In den Beispielen (4-43)a und b beispielsweise ist das Honorifikationsmorphem -shi mit dem Tempusmorphem -n bzw. -ot in einer Silbe verbunden. So schlägt Shin zunächst eine Struktur wie (4-44)a für den koreanischen Satz vor, die er dann bald durch (4-44)b ersetzt. Als Argument fuhrt er an, dass eine gesonderte Annahme von Agr-Kategorien und deren Projektionen nicht notwendig sei, weil Agr und Τ morphologisch vereint erscheinen. Das Merkmal Agr soll demnach keine eigene funktionale Projektion projizieren. Vielmehr hänge es stets von der funktionalen Kategorie Τ ab. In (4-44)b enthält Τ als Kopf des Satzes gleichzeitig das Tempus- und Agr-Merkmale: (4-44) a.
TP XP
b.
^V v p ^
TP XP
τ
/ /
^
V
Τ
VP
Agr
(Shin 1993: 57 u. 58)
101 Für die Zuweisung des Kasus [NOM] an die Subjekt-DP sei jedoch das Merkmal Agr entscheidend: Wenn das Merkmal Agr vorhanden ist, kann [NOM] zugewiesen werden, und zwar unabhängig davon, ob das Tempusmerkmal unter Τ [+tense] oder [-tense] ist. Im folgenden Beispielsatz mit einer ECM-Konstruktion soll das Merkmal [+Agr], das als das Honorifikationsmorphem -shi realisiert ist, das nominativisch markierte Subjekt omonigü zulassen, obwohl das eingebettete Τ den Merkmalwert [-tense] hat. (4-45)
ai-nun [ T pomoni-ga nolla-shi-0-ge] ha-yot-da. Kind-TOP Mutter-NOM erschrecken-Hono.-COMP Kaus.-Prät.-Dekl. Das Kind ließ die Mutter erschrecken. (Shin 1993: 58)
Es stellt sich aber m.E. in Bezug auf das Beispiel (4-45) mit einer ECM-Konstruktion die Frage, ob der Nominativ, den das eingebettete Subjekt trägt, nicht von dem kausativen Verb Aada('lassen') zugewiesen ist. Er kann genauso gut durch den Akkusativ ersetzt werden, wie das folgende Beispiel zeigt: (4-46)
ai-nun [omoni-rul nola-shi-ge] ha-yot-da. Kind-NOM Mutter-AKK erschrecken-Hono.-COMP Kaus.-Prät. Dekl. Das Kind erschreckte die Mutter.
Insofern wäre das Beispiel (4-45) nicht geeignet, Honorifikation als Agr-Kategorie auf ihre Eigenschaft als Nominativzuweiser hin zu überprüfen. Diese Frage wird im nächsten Abschnitt anhand der Beispiele in (4-58) wieder aufgegriffen. Im Übrigen zeigt das leicht veränderte Beispiel in (4-47), in dem auch das Honorifikationsmorphem -shi fehlt und das immer noch voll akzeptabel ist, dass im Koreanischen sogar bei [-Agr] Nominativzuweisung an das Subjekt möglich sein müsste: (4-47)
ai-nun [ T P omoni-ga nolla-0-0-ge] ha-yot-da. Kind-TOP Mutter-NOM erschrecken-COMP Kaus.-Prät.-Dekl. Das Kind ließ die Mutter erschrecken.
Dies würde aber bedeuten, dass im Koreanischen die Nominativzuweisung ganz unabhängig vom Merkmalwert in Tense und Agr erfolgt, also nicht nur bei [-tense] / [+Agr], sondern auch bei [-tense] / [-Agr] ,9 Abgesehen von dem Problem, dass das Honorifikatum als Agr-Kategorie fur die Nominativzuweisung irrelevant zu sein scheint, ist m.E. die Annahme des Phänomens 'Honorifikation' als Kongruenzmerkmal grundsätzlich problematisch. Es gibt keinen grammatischen Grund zur obligatorischen Bezeichnung der Honorifikation. Die Aussage im Beispiel (448)b wird der in (4-48)a gegenüber im rigorosen Fall zwar für unhöflich, aber keineswegs für ungrammatisch gehalten (vgl. auch (4-47)). Demgegenüber führt z.B. die fehlende Bezeichnung des Tempus Präteritums am Adjektiv eindeutig zu einem ungrammatischen Ergebnis, wie das Beispiel (4-49)b zeigt:
9
Auf die Relation zwischen der Kategorie Τ und dem Kasus Nominativ wird ebenfalls im nächsten Abschnitt eingegangen.
102 (4-48) a. halabodschi-ga dschib-e ga-shin-da. Großvater-NOM Hause-Richt. geh-Hono.+Präs.-Dekl. Großvater geht nach Hause, ga(-0-)n-da. b. halabodschi-ga dschib-e Großvater-NOM Hause-Richt. geh+Präs-Dekl. Großvater geht nach Hause. dschot-da. (4-49) a. onul nalssi-ga heute Wetter-NOM gut(Präs.)-Dekl. Heute haben wir schönes Wetter. b. * odsche nalssi-ga dschot-0-da. gestern Wetter-NOM gut(Präs.)-Dekl. Gestern war das Wetter schön. Honorifikation im Koreanischen ist somit ein auf der Pragmatik beruhendes Phänomen, das in der Morphologie seinen Niederschlag findet, das aber nicht 'grammatikalisiert' genug ist (vgl. Vater 1991: 6,42), um als satzbildende funktionale Kategorie innerhalb der Satzstruktur Platz zu nehmen, wie dies bei der Kategorie Τ geschieht. 10 Aus diesen Gründen halte ich es für unangemessen, die Honorifikation als Kandidaten für eine Agr-Kategorie im Koreanischen anzunehmen. Wenn im Koreanischen keine Agr-Kategorie, weder mit φ-Merkmalen noch mit sonstigen Kongruenzmerkmalen, vorhanden ist, stellen sich zwei Fragen: 1. Wie wird in einem koreanischen Satz die Relation zwischen Subjekt und Prädikat vermittelt? 2. Wie erklärt man den Kasus [NOM], den das Subjekt trägt, wenn keine Agr-Projektion vorhanden ist, in der die strukturelle Relation für dessen Überprüfung hergestellt wird? Diese Fragen sollen im Folgenden diskutiert werden.
4.2.3. Elimination der Agr-Kategorien Das Problem bei der Anwendung der Analyse mit Agr-Kategorien beschränkt sich nicht nur auf Sprachen ohne Kongruenzmerkmale. Auch in Sprachen, die Kongruenzphänomene aufweisen, stellen sich Fragen nach dem Status der Agr-Kategorien. Diese Fragen beziehen sich auf inhärente Merkmale der Agr-Kategorien und auf deren Funktionen.
10
Vater (1991: 6,42) verwendet den Terminus „Grammatikalisiertheit", der in Comrie (1985: 9) genannt wurde, zur Definition von Tempus. Die Grammatikalisiertheit lässt sich durch zwei parametrische Kriterien nachweisen: obligatorische Bezeichnung und morphologische Gebundenheit. Was das Tempus des Deutschen betrifft, zeigt Vater, dass die beiden Kriterien nur in wenigen Fällen erfüllt werden. Bei der Bewertung der Grammatikalisiertheit der Honorifikation im Koreanischen spielt m.E., wie oben erläutert wurde, das Kriterium der obligatorischen Bezeichnung die entscheidende Rolle.
103 4.2.3.1. Agr-Kategorie ohne Agr-Merkmale Neben Agr s und Agr0 schlägt Chomsky (1993: 8 u.1995: 424) eine weitere Agr-Kategorie, AgrA vor. AgrA steht wie die anderen Agr-Kategorien fur eine Kollektion der φ-Merkmale, die mit einem Adjektiv verbunden sind: Die Projektion von AgrA zeigt die Kongruenzrelation zwischen Subjekt und Adjektiv im Prädikat an. Hierfür wird angenommen, dass das Subjekt zunächst innerhalb der AP seine Basisstellung inne hat und sich dann von dort aus in die SPEC-Position der AgrAP bewegt. In dieser Position geht das Subjekt eine SPECHead-Kongruenz mit dem Adjektiv ein, das sich seinerseits in die AgrA°-Position bewegt und daran adjungiert wird. Eine einfache Adjektivkonstruktion in einem Satz wie z.B. in John is intelligent stellt Chomsky demnach wie in (4-50) dar: (4-50)
AgrP SPEC
Agr' AgrA
AP
NP John
A' A intelligent
Für das Subjekt John wird angenommen, dass es sich weiter in die SPEC-Position der AgrsP bewegt, in der es aufgrund der Kongruenzbeziehung zwischen ihm und dem Kopf Agrs, wo das Kopulaverb adjungiert ist, seinen Kasus [NOM] und seine φ-Merkmale überprüft. So geht das Subjekt eine doppelte Kongruenzbeziehung mit jeder der zwei AgrKategorien, d.h. mit der Kopula und mit dem Adjektiv ein. Ein konkretes Beispiel für eine solche Adjektivkongruenz findet sich z.B. im Norwegischen: (4-51) a. Det bryggeriet er grant, that brewery is green b. Det er et grant bryggeri that is a green brewery
(Svenonius 1994: 444)
In (4-51) steht das Adjektiv gr0n sowohl als Prädikat als auch als Attribut in einer Kongruenzbeziehung mit dem neutralen Subjekt, indem es das neutrale Suffix -t trägt. Was aber z.B. das Deutsche und das Englische betrifft, müsste die AgrA-Kategorie immer unrealisiert bleiben, wie dies bei der Agr0-Kategorie der Fall ist. Die AgrAP-interne Kongruenzbeziehung nennt Chomsky (1995: 424) „Agreement assigned without Case" im Vergleich zu der SPEC-Head-Kongruenz innerhalb der AgrsP, in der Kongruenz- und Kasusüberprüfung parallel stattfinden. Demnach stellt die AgrAP lediglich die Domäne fur die Überprüfung der Kongruenz und nicht des Kasus dar. Dass
104 innerhalb der Projektion einer Agr-Kategorie Kongruenzbeziehung ohne Kasusüberprüfling erfolgen kann, begründet Chomsky (1995: Fußn. 46 und 47) wie folgt: Such properties are natural if Case and agreement are manifestations of basically the same relation. [....] That is, they are different manifestations of the same relation with different features, phi-features vs. Case features.
Dies bedeutet, dass sich die Relation innerhalb der Agr-Projektionen entweder durch Kongruenz oder durch Kasus zeigt, falls eine der beiden Realisierungsformen fehlen sollte. Eine solche Annahme rechtfertigt m.E. die Existenz der Agr0-Kategorie im Deutschen und im Englischen, da hier die defizite, allenfalls morphologisch nicht realisierbare ObjektVerb Kongruenz durch den Kasus [AKK] kompensiert werden kann. Wie kommt aber die AgrA-Kategorie und deren Projektion zustande in diesen oder gar in anderen Sprachen, die kein Kongruenzphänomen kennen? Als ein weiteres Beispiel fiir die getrennte Erscheinung von Kasus und Kongruenz führt Chomsky (1995: 424) eine Konstruktion mit dem Expletivum there wie in (4-52) an, in der es mit Kasus, jedoch ohne Kongruenz steht: (4-52)
[AgrsP There [ Agrs painted [ TP a student [A(,roP [the houseVP] ] ] ] ]
In Bezug auf das transitive Expletivum there in der SPEC-Position der AgrsP nimmt Chomsky an, dass sich das Subjekt a student aus der SPEC-Position der TP bewegt und mit dem Expletivum verbindet, wodurch es den Kasus [NOM] bekommt, den das Subjekt enthält." Die Tatsache, dass eine Agr-Projektion mit Kasus ohne Kongruenzlation stehen kann, scheint dafür zu sprechen, dass innerhalb der AgrPs die Kongruenzmerkmale nicht unentbehrlich sind. In Bezug auf die Expletivkonstruktion vermerkt Chomsky (1995: Fußn. 48) denn auch wie folgt: [...] we must assume that inherent Case-assignment satisfies agreement, perhaps by raising to SPEC of a functional category that assigns it (or that is associated with the Case-assigner).
Das Fehlen des Kasusmerkmals in Agrs dagegen fuhrt - aufgrund des Kasusfilters - die Derivation zum 'Crash'. Dies kann man an den Infinitivkonstruktionen im Englischen und im Deutschen sehen, die kein Subjekt zulassen: (4-53) a. * I am proud [Bill to be here]. b. * Ich freue mich, [ich Sie kennengelernt zu haben] Diese Beobachtungen legen m.E. die Annahme nahe, dass die grundlegende Relation innerhalb der AgrP nicht auf Kongruenz basiert ist, obwohl diese der Kategorie Agr eigentlich ihren Namen verliehen hat. Kongruenzmerkmale sind entbehrlich, während der Kasus in den AgrPs, Agrs und Agr0 konstant bleibt.
" In der späteren Fassung über das Expletivum wird angenommen (Chomsky 19973c: 287), dass es weder Kasus noch φ-Merkmale enthält. Das einzige Merkmal, das bei dem Expletiv vorhanden sein soll, ist das 'kategoriale Merkmal' [ D ] . Siehe 4.3.3 zum kategorialen Merkmal.
105 Folgende Bemerkung in Chomsky (1995: Fußn. 58) scheint ein Versuch zu sein, die Kongruenzmerkmale in Agr-Kategorien zu retten, indem er die φ-Merkmale, auf denen die Kongruenz ursprünglich beruht, für andere arbiträre Merkmale preisgibt: The cases assigned are always the same, but agreement may vary. This may reflect that the Case is an inherent feature of the Case-checker (thus, transitive verbs check accusative, finite tense checks nominative), but there is no reason to view the phi-features of Agr the same way; perhaps Agr in these cases simply checks such features, whatever they are, lacking phifeatures of its own. Note that we have tentatively reached a similar conclusion for expletive there; it does not have arbitrary phi-features, but lacks them. There are various technical problems overlooked here.12
Diese Vagheit der Merkmalbestimmung von Agr-Kategorien korreliert mit den Beobachtungen, die wir in den letzten Abschnitten gemacht haben. Die Probleme der Analyse von Agr-Kategorien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die syntaktische Analyse mit Agr-Kategorien, die als satzbildende funktionale Projektion im MP angesehen werden, baut auf Kongruenzmerkmalen auf, die sprachspezifisch parametrisiert und nicht von universeller Natur sind. Abgesehen von dem Problem, dass das Kongruenzphänomen in bestimmten Sprachen gar nicht existiert, haben sich die Kongruenzmerkmale für die Relation innerhalb der AgrP - was Agr 0 , Agr A und auch Agr s beim Expletivum anbelangt selbst in den Sprachen, die sie aufweisen, als optional bzw. entbehrlich erwiesen. In diesen Fällen müsste man von 'merkmallosen' Agr-Kategorien ausgehen.
4.2.3.2. Problem der Analyse ohne Agr-Kategorien In seiner letzten Version des MP kommt Chomsky (1997 3 ) im Zusammenhang mit den funktionalen Kategorien und deren Merkmalen zu dem Ergebnis, dass für die Beschreibung des Verarbeitungssystems ('computational systems') nur drei Kategorien, T, C und D, nötig sind. Agr bleibt dabei ausgeschlossen, und zwar aus folgenden Gründen: Eine funktionale Kategorie muss, so lautet die Forderung, sowohl phonetisch als auch semantisch interpretierbar sein. Während T, D und C diese Bedingungen erfüllen, enthält Agr kein semantisches Merkmal. Es kann auf der LF folglich keine Interpretation erhalten: Agr-Kategorien sind nur strukturell motiviert, indem sie die strukturelle Konfiguration für die Überprüfung der Merkmale der Subjekt- und Objekt-DP bereitstellen und Positionen für deren Bewegung bereithalten (Chomsky 19973: 240). Ferner wird angenommen, dass Agr keine φ-Merkmale enthält, denn diese Merkmale sollen den lexikalischen Elementen optioneil zugewiesen sein, sobald sie vom Lexikon entnommen wurden (Chomsky 19973: 377). Diese Annahme steht mit den Beobachtungen in den vorangehenden Abschnitten in Einklang. Diese zeigten, dass Agr-Kategorien in manchen Sprachen und Konstruktionen einfach merkmallos bleiben mussten. Dass die φ-Merkmale den lexikalischen Kategorien optional zugewiesen werden, ist auch anwendbar auf die Konstruktionen bzw. Sprachen, die keine Agr-Kategorien aufweisen.
12
Die Hervorhebungen in Fettschrift sind von mir.
106 Schließlich schlägt Chomsky vor, ganz auf Agr-Kategorien zu verzichten und sie aus dem Inventar des Lexikons zu streichen, so dass deren strukturelle Funktionen als Überprüfungsdomäne der Kasus- und Kongruenzmerkmale auch nicht mehr erhalten bleiben. Das Merkmal der Kasusüberprüfung wird den Köpfen selbst, V und T, überlassen, den Kategorien also, für die der Kasus [AKK] bzw. [NOM] intrinsisch sein soll. In der Agr-Anlayse waren Τ und V auch schon diejenigen Kategorien, die an die jeweiligen Agr-Köpfe adjungierten, um den Kasus der DP in SPEC-Position zu überprüfen. Was die Funktion der Überprüfiing der Subjekt-Verb Kongruenz betrifft, so wird diese in der Kategorie Τ untergebracht, wobei angenommen wird, dass Τ die φ-Merkmale ebenfalls vom Lexikon optionell zugewiesen bekommt, wie es bei den lexikalischen Kategorien Ν, V und Α ohnehin der Fall sein soll (Chomsky 19973: 377). Aus dieser Annahme folgt, dass die Funktionen der Agr s -Kategorie nun in die funktionale Kategorie Τ übergegangen sind. Die Existenz der Kategorie Τ ist im Unterschied zu der Kategorie Agr s insofern berechtigt, als sie sowohl aufgrund ihrer Semantik als auch aus strukturellen Gründen motiviert ist: Τ mit seinen Merkmalen [±finit] erhält seine semantische Interpretation auf der LF und überprüft gleichzeitig das Tempusmerkmal des Verbs, das sich an T° adjungiert. Die Annahme jedoch, dass Τ darüber hinaus für die Lizenzierung einer DP in die SPEC-Position sowie für die Überprüfung der Kasus und optioneilen φMerkmale zuständig sein soll, bedarf weiterer Überlegungen: Die erste Eigenschaft in Zusammenhang mit der Überprüfung des Kasus Nominativ gilt schon seit der INFL-Analyse: Es wurde davon ausgegangen, dass das positiv realisierte Merkmal in T, [+finit], dem Subjekt den Nominativ zuweist. Die zweite Eigenschaft dagegen, Überprüfung der Kongruenzmerkmale in der Subjekt-DP und V, wurde nach der Elimination der Agr s -Kategorie auf die Kategorie Τ geschoben, ohne dass unabhängige Evidenz hierfür vorhanden ist. Beispiele, die die Zuweisung beider Eigenschaften an Τ in Frage stellen, finden sich in Infinitivkonstruktionen in diversen Sprachen (vgl. (4-58)). Eine Korrelation zwischen dem Vorhandensein des Merkmals [+finit] und der Realisierung des nominativischen Subjekts besteht in Sprachen wie dem Englischen und dem Deutschen: (4-54) a. Ich verspreche dir, dass er kommt, b. * Ich verspreche dir er zu kommen. (4-55) a. I expect that he will join us later, b. * I expect he to join us later. In manchen romanischen Sprachen aber können Infinitivkonstruktionen ein nominativisch markiertes Subjekt aufweisen, was in den obigen Beispielen nur in finiten Sätzen möglich ist (s. Mensching 1999, Raposo 1987:86). Nach Mensching (1999:229-23 l,274ff.), der von der Split-INFL Hypothese ausgeht, befindet sich das Subjekt des Infinitivs in diesen Fällen in der SPEC-Position der Agr s P, wobei die Zuweisung des Nominativs in der SPEC-HeadKongruenz zwischen Agr s ° und dem in die SPEC-Position bewegten Subjekt zustande kommt. Mensching bezeichnet diesen Mechanismus als „Nominativzuweisung durch Agr" im Unterschied zur „Nominativzuweisung durch T", die an das postverbale Subjekt in der SPEC von VP erfolgt. Erstere, die auch für finite Konstruktionen charakteristisch ist, soll den unmarkierten Fall in den Sprachen darstellen, die beide Mechanismen erlauben. Anhand von
107 Beispielen aus dem Spanischen, Sizilianischen, Katalanischen, Portugiesischen und Galizischen zeigt Mensching, dass die Infinitivkonstruktion in diesen Sprachen ein nominativisch markiertes Subjekt in prä- bzw. postverbaler Stellung erhält. In den Infinitivkonstruktionen des Portugiesischen und Galizischen kommt sogar das Infinitivverb flektiert vor, d.h. dass sich die Kongruenzmerkmale in den Formen des flektierten Infinitivs zeigen. Dies macht folgendes Beispiel (4-56)aaus dem Portugiesischen deutlich: (4-56) a. Sera dificil [eles aprovarem a proposta]. It will be difficult they to-approve-Agr the proposal b. * Sera dificil [eles aprovar0 a proposta]
(Raposo 1987: 86)
Die Beispiele aus den romanischen Sprachen lassen erkennen, dass hier die Nominativzuweisung und die damit zusammenhängende Realisierung des Subjekts unabhängig von den Merkmalwerten in T, f+tense] bzw. [-tense], erfolgt. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass der Kasus Nominativ zumindest in diesen Sprachen kein der Kategorie Τ inhärentes Merkmal sein kann. Ein Vorschlag, den Raposo (1987) in Bezug auf die Infinitivkonstruktion in diesen Sprachen macht, ist, Kongruenzmerkmale beim Fehlen des [ +tense], also bei [ -tense ] ,13 als Nominativzuweiser anzunehmen. In diesem Zusammenhang stellt Raposo (1987) den 'Null-Subjekt Parameter' auf: In sog. 'Null-Subjekt Sprachen' wie dem Portugiesischen ist Agr fur Numerus, Person und Kasus spezifiziert, während in anderen Sprachen Agr nicht für Kasus zuständig sein soll. Zu klären bleiben jedoch folgende Beispiele aus dem Koreanischen: (4-57) a. i kopi-nun [Cp nae-ga mashi-gi ] -nun nomu dschinha-da. dies Kaffee-NOM ich-NOM trink-zu-NOM zu stark(Präs.)-Dekl. Dieser Kaffee ist zu stark fur mich zu trinken, b. onul gangui-nun [ CP haksaengdul-i ihaeha-gi] -ga shwi-wot-da. heute Vorlesung-NOM Student-pl.-NOM versteh-zu-NOM leicht-Prät.-Dekl. Die Vorlesung heute war fur die Studenten leicht zu verstehen. In obigen Beispielen kommt die Infinitivform eines Verbs durch das Suffix -gi zustande, das als Nominal isierer fungiert. Es liegt in dieser Konstruktion keine ECM-Konflguration vor, weil Adjektive wie dschinhada ('stark sein') sowie schwipda ('leicht verständlich sein') keine Kasuszuweiser sind (vgl. (4-45)). Die Nominativzuweisung bzw. die Realisierung des Subjekts innerhalb der Infinitivsätze in (4-57) kann auf der anderen Seite gar nicht von dem Vorhandensein der Agr-Merkmale abhängen, da es im Koreanischen keine Kongruenzmerkmale gibt, die hierfür zuständig sein könnten. Ebenso stellt man anhand von Sprachen wie dem Spanischen, Sizilianischen und dem Katalanischen, die kein AgrPhänomen innerhalb der Infinitivkonstruktion aufweisen (s. (4-57)), fest, dass die Nominativzuweisung nicht allgemein durch Kongruenzmerkmale bedingt sein kann. In (4-58) werden die Merkmale in den Infinitivkonstruktionen verschiedener Sprachen zum Vergleich aufgelistet:
13
Im Folgenden werde ich anstelle der Bezeichnung [± finit] die Bezeichnung [ ±tense ] verwenden, da die Finitheit auch auf Kongruenzmerkmale - auf Agr - bezogen sein kann.
108 (4-58)
Infinitivkonstruktionen
Sprachen Portugiesisch/ Galizisch Spanisch/ Sizilianisch/ Katalanisch Deutsch/ Englisch Koreanisch
Τ —
Agr-Merkmale
Subj.NOM
+/-
+/-
-
-
+
—
—
—
-
0
0
Der Vergleich zwischen den Infinitivkonstruktionen unterschiedlicher Sprachen in Bezug auf die Relation der Nominativzuweisung zum Merkmal in Τ bzw. zu Agr-Merkmalen wirft zunächst die folgende Frage auf: Kann der Status der Kategorie Τ als Nominativzuweiser angesichts der Tatsache, dass in manchen Sprachen das (Nicht-) Vorhandensein dieses Merkmals für die Realisierung des nominativischen Subjekts keine relevante Rolle spielt, sprachübergreifend erhalten bleiben? Eine solche Annahme müsste folgendes Argument implizieren: Nachdem die Agr-Kategorien und deren Projektionen im Vorangehenden verworfen wurden, ist die strukturelle Präsenz der Kategorie Τ an sich fur die Nominativzuweisung grundlegend, ganz unabhängig von den Merkmal werten in T, denn 'das Merkmal der Nominativzuweisung ist der Kategorie Τ intrinsisch' (vgl. Chomsky (19973: 284, 351)). Dies allerdings wäre ein zirkuläres Argument. Im Übrigen müsste demnach die strukturelle Funktion von Τ als Nominativzuweiser keine Korrelation mit der eigenen Semantik aufweisen. Man beachte, dass aus diesem Grunde die Annahme von Agr-Kategorien im Verarbeitungssystem verworfen wurden. Diese Beobachtungen sprechen dafür, Τ nicht mehr als Nominativzuweiser zu betrachten. Dass im Deutschen und Englischen die Kategorie T, bei [ +tense], für die Nominativzuweisung involviert ist, folgt meiner Ansicht nach aus sprachspezifischen, parametrisierten Merkmalen, die im Lexikon spezifiziert sein müssen. Was auf der anderen Seite die Frage nach der Relation zwischen dem Nominativ und der Realisierung der Kongruenzmerkmale betrifft, geben folgende Beobachtungen einen konstruktiven Hinweis: Innerhalb der Infinitivkonstruktion des Portugiesischen und Galizischen wie im Beispiel (4-56) ist anzunehmen, dass Nominativ und Kongruenzmerkmale zusammenlaufen. Ebenso findet sich in finiten Konstruktionen im Italienischen eine Korrelation, u.a. in Überlegungen in Bezug auf sog. DativSubjekte: Bei bestimmten psychischen Verben kongruiert das Verb nicht mit dem Subjekt im Dativ, sondern mit der postverbalen DP, die einen Nominativ trägt:14 (4-59)
14
A Gianni piacevano le torte al cioccolino. Lit.: To Gianni pleased(3d pers plur) chocolate cakes. Gianni liked chocolate cakes. (Giorgi/Pianesi 1997: 52ff.)
In (4-59) soll der Dativ-Experiencer in der Subjektposition stehen, in SPEC von IP oder SPEC von Agr, wie dies Giorgi/Pasetti (1997: 53) annimmt.
109 Eine solche Korrelation zwischen dem Nominativ und den Kongruenzmerkmalen lässt sich auch innerhalb des Deutschen feststellen. In folgenden Beispielsätzen, in denen das Expletivum es mit einer werden-Passiv Konstruktion auftritt, kongruiert das Auxiliar mit der postverbalen DP nur dann, wenn sie nominativisch markiert ist ((4-60)a und b). Andernfalls trägt es die Markierung für 3. Pers. Sg., die sich als Anzeiger der 'Default'-Kongruenz auffassen lässt ((4-60)c u. d), wie es im Beispiel (4-60)e der Fall ist. (4-60) a. b. c. d. e.
Es werden Blumen gepflückt. Es werden die Ergebnisse betrachtet. Es wird der Toten gedacht. Es wird dir geholfen. Es wird getanzt./ Von uns wird gearbeitet.
(Brinker 1971: 36ff.)
Mit folgendem Beispiel aus Plank (1993: 254) weist Vater (1995b: 157) daraufhin, dass das Passivauxiliar in (4-61) keine Kongruenz mit einigen pluralischen DPs zeigt, weil sie hier kein nominativisches Subjekt darstellen. Es geht um eine inkorporierte Struktur, wobei die DPs Karten und Teppiche als Teile eines komplexen Verbs zu verstehen sind. (4-61)
Heute wird Karten gespielt und morgen wird Teppiche geklopft.
Die oben genannten Beispiele, die eine enge Relation zwischen den Kongruenzmerkmalen und dem Kasus Nominativ zeigten, liefern m.E. Evidenz für den Umstand, dass die Überprüfung des Nominativs und der Kongruenzmerkmale innerhalb der gleichen funktionalen Projektion erfolgt. Es sei dabei noch daraufhingewiesen, dass die Kongruenzmerkmale den Nominativ implizieren - aber nicht umgekehrt. Wenn Kongruenz angezeigt ist, ist sie auf den Kasus Nominativ bezogen. Eine nominativische DP kann dagegen auftreten, ohne dass das entsprechende Verb Kongruenzmerkmale anzeigen muss. Dass der Nominativ im Allgemeinen nicht durch das Vorhandensein der Kongruenzmerkmale bedingt sein kann, wurde anhand der Infinitivkonstruktionen in Sprachen wie dem Koreanischen und Spanischen gezeigt (s. Tabelle (4-58)). Im folgenden Beispiel (4-62) aus Giorgi/Pianesi (1997: 64) tritt der Kasus Nominativ auch bei einer nicht-flektierten Verbform, die keine Kongruenz zeigt, auf. (4-62) a. Essendo io partita all'alba.... Having I left at dawn b. Avendo io mangiato una mela.... Having I eaten an apple Dieses Phänomen entspricht dem oben erwähnten optionalen Auftreten der Kongruenzmerkmale innerhalb der Projektion, in der der Nominativ überprüft wird. Abschließend ergibt sich aus obigen Beobachtungen die Notwendigkeit einer von Τ unabhängigen und sich von Agrs unterscheidenden Kategorie für die Überprüfung des Nominativs, die auch die sprach- und konstruktionsspezifischen optionalen Kongruenzmerkmale überprüfen kann.
110
4.3.
Funktionale Kategorien der syntaktischen Funktionen
4.3.1. Vorbemerkungen Aufgrund der Ergebnisse, die die vorangehenden Untersuchungen erbracht haben, werden in diesem letzten Abschnitt funktionale Kategorien vorgeschlagen, die nicht nur den syntaktischen Status der Adjektivflexion erklären, sondern auch für die Beschreibung der Satzstruktur eine im Vergleich zu den Agr-Kategorien adäquatere theoretische Basis liefern können. Es handelt sich um Kategorien, die die syntaktischen Satzgliedfunktionen Subjekt, Objekt, Attribut, Adverbial sowie Prädikat als ihr funktionales Merkmal haben. Dass die Kasus- und Kongruenzmerkmale, deren Überprüfung im Minimalistischen Programm die zentrale Funktion der im Verarbeitungssystem vorhandenen funktionalen Kategorien ist, zur Kennzeichnung der syntaktischen Funktionen dienen, wurde schon in der traditionellen Grammatik erläutert. So wird die verbale Kongruenz in erster Linie von der syntaktischen Funktion der DPs gesteuert, die zusammen mit dem Verb auftreten. Sie dient der Markierung syntaktischer Funktionen wie Subjekt bzw. Objekt (Bußmann 19902: 404). Zur Kodierung der syntaktischen Funktionen dient ebenfalls der Kasus. Allerdings ist es nicht so, dass ein spezifischer Kasus stets eine spezifische Satzgliedfiinktion anzeigen würde. Der Nominativ kann beispielsweise sowohl als Subjekt als auch als Prädikativum auftreten, wie in Er ist mein Opa, und der Akkusativ als Objekt bzw. als Adverbial, wie in Er hat heute den ganzen Tag Klavier gespielt. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass die morphologischen Kennzeichnungen der Kongruenz- sowie Kasusmerkmale in manchen Fällen nicht für die Kennzeichnung der Satzgliedfunktionen ausreichen (vgl. Vater 1994: 109). Zu erwähnen ist noch, dass eine syntaktische Funktion auch lexikalisch über die Präposition oder syntaktisch über die Wortstellung angezeigt werden kann (s. Dürscheid 1999: 22). Solche Probleme der Zuordnung und der morphologischen Kennzeichnung zu den Satzgliedfunktionen beeinflussen m.E. aber nicht die grundlegende Korrelation zwischen Kasus bzw. Kongruenz und den syntaktischen Funktionen, die sie kodieren. Bleibt man bei der Realisierung der syntaktischen Funktionen durch morphologische Kennzeichnungen, kommen sie sprach- und kategorienspezifisch auf unterschiedlichem Wege zum Ausdruck: Im Deutschen wird z.B. die Relation 'Subjekt' durch den Nominativ und die verbale Kongruenz ausgedrückt, während fur Objekt' allein der Kasus zuständig ist: Er hat eine Reisetasche/zwei Reisetaschen bei sich vs. Sie haben mehrere Taschen mitgebracht. Ein Prädikatsnomen steht in Kongruenz mit dem Subjekt, während ein Prädikatsadjektiv kein zusätzliches Morphem kennt, das seine prädikative Funktion kennzeichnet: Er ist Sänger/Sie ist Sängerin vs. Sie/Er ist rothaarig. In einer Sprache wie dem Koreanischen werden Satzgliedfunktionen wie Subjekt und Objekt durch entsprechende Postpositionen morphologisch gekennzeichnet. In (4-63)a und (4-63)b z.B. kommen sie jeweils durch die Postpositionen -(n)un/-i und -ul zum Ausdruck, die ebenfalls als Kasusmarkierungen zu verstehen sind.15 Dies ist ein Indiz für die feste 15
An dieser Stelle sei auf die Annahme hingewiesen, die im Rahmen der Untersuchung der DPStruktur des Koreanischen gemacht wurde (s. 4.1.3.1): Die Postpositionen dienen innerhalb der DP auch als Kasus- und gleichzeitig als D°-Markierung. Auf diese doppelte Funktion der Postpositionen wird an einer späteren Stelle näher eingegangen.
Ill Korrelation zwischen Kasus und syntaktischer Funktion im Koreanischen. Die attributive Funktion der Adjektive ist hingegen durch ein Suffix -(u)n zu identifizieren, das zu der Adjektivwurzel auftritt (s. (4-63)c, vgl. 4.1.3.2). (4-63) a. na-nun tschurisosol-ul dschoaha-n-da. ich-NOM Krimi-AKK mögen-Präs.-Dekl. Ich mag Kriminalromane. b. i tschurisosol-i museop-da. dies Krimi-NOM furchterregend(Präs.)-Dekl. Dieser Krimi ist furchterregend. c. museo-un tschurisosol-ul ilg-ot-da. furchterregend-attrib. Krimi-AKK les-Perf.-Dekl. (Ich habe) einen furchterregenden Krimi gelesen. So unterschiedlich diese morphologischen Realisierungsweisen sowohl auf der übereinzelsprachlichen als auch auf der einzelsprachlichen Ebene sein mögen, es liegt ihnen allen doch zugrunde, dass sie von syntaktischen Funktionen gesteuert werden und zu deren Markierung dienen. Dieser syntaktisch übergeordnete Stand der Satzgliedfimktion berechtigt dazu, die grundlegende Relation der syntaktischen Funktionen selbst als repräsentatives Merkmal einer funktionalen Kategorie in den Vordergrund zu stellen und nicht deren vielfaltige morphologische Erscheinungsformen, die je nach Konstruktion und Sprache variieren. Demnach wären Kasus sowie Kongruenz als Epiphänomene zu verstehen, die zu dem Merkmal der syntaktischen Funktion auftreten können: Abstrakte Kasusmerkmale wie Nominativ bzw. Akkusativ treten bei den funktionalen Kategorien mit dem Merkmal 'Subjekt' bzw. Objekt' konstant auf. Diese werde ich im Folgenden jeweils als 'FSubj' und 'FObj' bezeichnen. Die Erscheinungen der Kongruenzmerkmale sind dagegen sprach- und konstruktionsabhängig beschränkt, wie in den vorangehenden Abschnitten schon gezeigt wurde. Was die beiden Kategorien FSubj und FObj betrifft, kann angenommen werden, dass sie in Sätzen die strukturelle Position der Agr-Kategorien, Agrs und Agr0, einnehmen (s. (4-64)). Neu sind die Kategorien 'FPräd' mit dem funktionalen Merkmal der prädikativen Funktion sowie die Kategorien 'FAttr' und 'FAdv', die die attributive bzw. adverbiale Funktion als ihr funktionales Merkmal besitzt. Eine solche Aufnahme der syntaktischen Funktionsmerkmale in kategorial definierten Phrasen im Rahmen der generativen Analyse wirft zunächst die Frage auf, ob dies theorieintern zulässig ist. Bekanntlich werden in der Generativen Grammatik syntaktische Funktionen wie Subjekt und Objekt, Adverbial und Attribut nur über ihre strukturelle Position definiert und nur auf diese Weise voneinander unterschieden. Die folgenden Untersuchungen zu den deutsch-koreanischen Daten werden jedoch zeigen, dass die Annahme von syntaktischen Funktionen als elementare Kategorien der Strukturbeschreibung eben die Bedingungen erfüllen, die in der minimalistischen Analyse eine grundlegende Rolle spielen. Die zugrundeliegende Struktur eines Satzes mit solchen .Kategorien der syntaktischen Funktionen' sieht wie folgt aus:
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(4-64)
CP SPEC
C'
C°
FSubjP
SPEC
FSubj'
FSubj °
TP
T°
FObjP
SPEC
FObj'
FObj°
FPrädP SPEC
FPräd'
FPräd°
VP/AP/NP
Der Strukturbaum in (4-64) zeigt, dass jeder Kategorie die strukturelle Position zugeordnet wird, die ihrer jeweiligen syntaktischen Funktion entspricht. So wie die syntaktischen Funktionen 'Subjekt', 'Objekt' und 'Prädikat' in einem Satz als Satzglieder strukturelle Grundelemente darstellen, werden die Kategorien FSubjP, FObjP und FPrädP als satzbauende Projektionen eingesetzt. Die Kategorie FAttr dagegen tritt in (4-64) nicht auf, weil die Funktion 'Attribut' als ein Gliedteil strukturell von nominalen Satzgliedern abhängig ist. Ihr wird die Adjunktposition innerhalb der DP zugewiesen, so wie die attributiven Adjektive innerhalb der DP-Struktur die Adjunktstelle eingenommen haben (vgl. 4.1.1 und 4.1.3.2). Der syntaktische Status der Kategorien FAttr und FPräd sowie die Frage, inwieweit sie für die Strukturanalyse der Adjektive in Sprachen wie dem Deutschen und Koreanischen eine relevante Rolle spielen, werden in den nächsten Abschnitten behandelt.
4.3.2. Merkmale der syntaktischen Funktionen Es wird nun gefragt, wie die Merkmale der oben eingeführten Kategorien der syntaktischen Funktionen - 'Syn-Funk-Kategorien' genannt - im Deutschen und im Koreanischen mor-
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phologisch realisiert werden können und ob sie die Voraussetzungen für funktionale Kategorien erfüllen. Dabei orientiere ich mich an 3.3.1, wo diese Frage bereits mit Blick auf die Kategorie Deg gestellt wurde. Die Tabelle (4-65) zeigt einzelne Syn-Funk-Kategorien und die Merkmale, die sie im Deutschen und Koreanischen aufweisen. Neben dem repräsentativen, invarianten Merkmal der syntaktischen Funktion können die jeweiligen Kategorien noch 'Submerkmale', d.h. Kasus- bzw. Kongruenzmerkmale aufweisen, die zur morphologischen Kennzeichnung der syntaktischen Funktion dienen und keinen davon unabhängigen syntaktischen Status besitzen (s. o.):16 (4-65)
Merkmale der Syn-Funk-Kategorien
Kategorien FSubj FObj FAttr FPräd FAdv
Merkmale Deutsch Koreanisch [Subj] j [Nom] [Agr] [Subj] : [Nom] [Obj] [Obj] i [Akk] i [Akk] [Attr] [Attr] ! ! [Agr] [Präd] [Präd] i i [Agr] [Adv] ; [Adv]
Die Sätze (4-66) bis (4-69) enthalten Beispiele für die morphologische Realisierung der jeweiligen Syn-Funk-Kategorien. So kann FSubj im Deutschen in einem Beispielsatz wie (4-66)a als Suffix -er bei dem Determinans der, das den Nominativ und die Kongruenz mit dem Verb anzeigt, zum Ausdruck kommen. FObj wird im Suffix -en realisiert, dem gebundenen Morphem einen also, das den akkusativen Kasus des folgenden Objekts anzeigt.17 Zu erwähnen sind noch Fälle, wo die Markierung von Kongruenz und Kasus am Artikel nicht immer eindeutig ist: Bei den homonymen Artikelformen der femininen Substantive beispielsweise sind die Kasusformen undifferenziert. Beide Kategorien können im Deutschen aber auch phonologisch unrealisiert bleiben, wie dies bei dem Eigennamen Fritz der Fall ist. Hingegen werden FSubj und FObj im Koreanischen, wie erwähnt, stets durch eine entsprechende Postposition markiert (s. auch das Beispiel (4-63)): 16
17
Die Voranstellung der syntaktischen Funktion als repräsentatives Merkmal hat meine Analysemethode mit der der 'Lexikalischen Funktionalen Grammatik (=LFG)' gemein (vgl. Berman/Frank 1996). Während jedoch in der LFG syntaktische Funktionen neben anderen Merkmalen wie Agr, Kasus, Tense, Degree und Definitheit zu den grammatischen Merkmalen gezählt werden, die den Lexikoneintrag einer lexikalischen und funktionalen Kategorie ausmachen, sind sie in der vorliegenden Analyse selbst als funktionale Kategorien aufzufassen, die eigene Projektionen bilden und lexikalische Kategorien als Komplement haben. Wie schon erwähnt, ist die Markierung von Kongruenz und Kasus am Artikel nicht immer eindeutig: Bei den homonymen Artikelformen wie den femininen Nomina z.B. bleiben die Kasusformen Nominativ/Akkusativ und somit auch die syntaktischen Funktionen Subjektiv/Objektiv undifferenziert. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Deklination im Deutschen über die Endung am Nomen erfolgen kann. Dies ist bei den maskulinen und neutralen Nomina im Genitiv (vgl. des Tanzes, des Buches) sowie bei den Pluralformen der Nomina der Fall. Die Analyse der syntaktischen Funktion bleibt aber davon unbeeinflusst, denn die Distinktion zwischen Singular und Plural ist irrelevant fur die syntaktischen Funktionen. Genitivattribute werden von der Kategorie FAttr ausgeschlossen (s. u.).
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(4-66) a. Der Junge/FritzO hat einen Hund. b. Fritz-ga gae-rul sonmul-lo bad-at-da. Fritz-NOM Hund-AKK Geschenk-als bekomm-Prät.-Dekl. Fritz hat als Geschenk einen Hund bekommen. Die Beispiele in (4-66) lassen erkennen, dass die morphologische Realisierung der Kategorien FSubj und FObj sowohl im Deutschen als auch im Koreanischen in der Realisierung des Kasus erfolgt, der mit der Kategorie D(et) zusammenhängt. Der Kopf D im Deutschen enthält neben den Agr-Merkmalen noch das Kasusmerkmal, wobei beide morphologisch voneinander nicht zu trennen sind. So korrelieren die syntaktischen Funktionen FSubj und FObj mit der Kategorie D, die zugleich den Kasus kennzeichnet. Im Koreanischen lässt sich dies noch deutlicher erkennen: Dass die kasusmarkierenden Postpositionen, die als D°-Realisierung betrachtet werden, Anzeiger der syntaktischen Funktionen wie Subjekt und Objekt sind, wurde schon erläutert (s. 4.1.3.1.1). So werden diese polyfunktionalen Morpheme in der koreanischen Grammatik jeweils als 'dschu-gyokdschosa (Hilfsmorphem zur Kennzeichnung der Funktion Subjekt)' und als 'mokdschokgyok-dschosa (Hilfsmorphem zur Kennzeichnung der Funktion Objekt)' bezeichnet. Sie sind dem Nominativ bzw. dem Akkusativ der indoeuropäischen Sprachen äquivalent. Aus dieser Beobachtung lässt sich folgern, dass die funktionalen Kategorien FSubj und FObj in beiden Sprachen die Kategorie D darstellen, die mit Kasus verbunden ist. Die in 4.1.2.2 und 4.1.3.2 in Bezug auf die Merkmale der Attributflexionen des Deutschen und des Koreanischen gemachten Überlegungen fuhren zu dem Ergebnis, die Attributflexionen beider Sprachen als morphologische Realisierungen der Kategorie FAttr zu betrachten: In erster Linie sind m.E. die Attributflexionen des Deutschen, die in Haider (1992) und Tappe (1991) aufgrund ihrer Kongruenzmerkmale als Agr-Kategorie analysiert wurden, als Anzeiger der attributiven Funktion zu verstehen. Die Kongruenz mit dem nachgestellten Nomen kann im Fall der sog. starken Flexion bei Attributflexionen zusätzlich angezeigt werden, wobei deren 'übergeordnete' Funktion als Anzeiger der attributiven Funktion unverändert bleibt. Im Koreanischen wird die Kategorie FAttr im Suffix -(u)n realisiert (vgl. (4-63)c). (4-67) a. die gute Nachricht b. dscho-un soshik-i gut-Attr. Nachricht-NOM die gute Nachricht Als Komplement von FAttr kommen wie in (4-67) nur attributive Adjektive in Betracht, die strukturell als Adjunkt an NP innerhalb der DP identifiziert werden können (s. 4.3.4.1). Dass diese Position mit der semantischen Funktion der attributiven Adjektive in Einklang steht, wurde schon erwähnt. Die Möglichkeit, das Genitivattribut (vgl. des Mannes Hut), das präpositionale Attribut (vgl. der Tanz mit dem Wolf) oder das adverbiale Attribut (vgl. das Wetter heute) noch zu den Komplementen von FAttr zu zählen, schließe ich aus, auch wenn diese Phrasen aufgrund ihrer modifizierenden Funktion zu den Attributen gerechnet werden. Ihnen stehen unterschiedliche Positionen innerhalb der DP zu. Das Genitivattribut z.B. wird in die SPEC-Position der DP platziert, die Position also, die fur das 'strukturelle Subjekt' geeignet ist. Was das präpositionale Attribut be-
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trifft, so halte ich die Adjunktposition fiir angemessen (und zwar an DP und nicht an NP, weil es die ganze DP modifiziert). Im Deutschen bleibt die Kategorie FAdv phonologisch unrealisiert Dies gilt sowohl für Adverbien als auch fur adverbial gebrauchte Adjektive (vgl. (4-68)a und b). Die syntaktische Funktion der Adverbien im Koreanischen wird nicht morphologisch gekennzeichnet (s. (4-68)c). Ein Adjektiv in der adverbialen Funktion hingegen wird stets mit dem Derivationssuffix -ge markiert ((4-68)d). (4-68) a. Fritz ist immer0 ordentlich. b. Fritz hat die Wände blau0 gestrichen. c. Fritz-nun hangsangö dandschongha-da. Fritz-NOM immer ordentlich(Präs.)-Dekl. Fritz ist immer ordentlich. d. Fritz-ga byok-ul puru-ge tschilha-et-da. Fritz-NOM Wand-AKK blau-Adverb. mal-Prät.-Dekl. Fritz hat die Wände blau gestrichen. (4-69) a. Fritz liest Zeitung. b. Fritz ist Student/gesund. c. Fritz-ga shinmun-ul bo0-n-da/ gongangha0-da. Fritz-NOM Zeitung-AKK seh-Präs.-Dekl./ gesund(Präs.)-Dekl. Fritz liest Zeitung/Fritz ist gesund. d. Fritz-nun haksaeng-i-da. Fritz-NOM Student-Präd.-Dekl. Fritz ist Student. Was die Kategorie FPräd im Deutschen betrifft, schlage ich vor, dass sie in Sätzen mit Vollverben als verbales Suffix, das die Kongruenzmerkmale zwischen Subjekt und Verb anzeigt, realisiert wird. Dies soll die Hervorhebung im Beispiel (4-69)a verdeutlichen. FPräd gleicht der traditionellen Kategorie INFL in ihrer affixalen Realisierung. Es kann aber auch als freies Morphem stehen, wenn es in Form des Kopulaverbs sein auftritt.18 In 18
Auf die Frage, ob sog. 'Hilfsverben' wie haben, werden und sein - wenn sie mit einem zweiten Verb in Form eines Partizips oder Infinitiv gebraucht werden - und 'Modalverben' wie dürfen, wollen, können und müssen usw. zu den lexikalischen Realisierungen von FPräd gezählt werden sollten, wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Diese Verben fungieren ebenfalls als Träger der Kongruenz- und Tempusmerkmale. Aus diesem Grund wurde ursprünglich in Emonds (1987: 514) das Modalverb can im Englischen z.B. als INFL-Kategorie angenommen, die in situ realisiert ist, alternativ zu der Realisierung als gebundenes Morphem: a. John [INFL can] eat fish. b. John [INFL0] eats fish. Zu beachten ist dabei, dass Modalverben in erster Linie semantisch motiviert sind. Nimmt man das Modalverb müssen als Beispiel, so ist die Satzbedeutung in Fritz muss Sushi essen z.B. anders als in dem Satz Fritz isst Sushi. Insofern unterscheiden sich die Modalverben vom Kopulaverb sein, das vor allem die Funktion ausübt, eine Relation zwischen Subjekt und Prädikativ herzustellen und im Unterschied zu den Vollverben und auch zu den Modalverben nur eine vage Eigenbedeutung hat.
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diesem Fall kann die Kategorie FPräd eine NP bzw. DP oder eine AP als Komplement haben, wie Beispiel (4-69)b zeigt.19 20 Diese Annahme steht mit Emonds Prinzip der unsichtbaren Kategorie im Einklang, das besagt, dass die morphologische Realisierung einer funktionalen Kategorie entweder in der Kopiposition oder innerhalb der Projektion ihres Komplements erfolgt (s. 3.4.1.1). Für das Koreanische nehme ich an, dass das Suffix -i bei Prädikatsnomina wie z.B. in (4-67)d die explizite Realisierung der Kategorie FPräd ist. Das Suffix -/ fungiert dabei als Anzeiger der prädikativen Funktion, die das vorangestelle Nomen ausübt (Nam/Go 19932: 128). Es bleibt beim Wechsel des Satztypes unverändert. Dieser Wechsel kommt im nachfolgenden Morphem zum Ausdruck, das in koreanischen Sätzen stets die Endstellung einnimmt und die C-Position darstellt, wie an den folgenden Beispielen in (4-70) zu sehen ist (vgl. Shin 1993: 56). Bei einem Adjektiv oder Verb als Prädikat bleibt dagegen FPräd im Koreanischen unrealisiert (s. Beisp.(4-69)c). (4-70) a. Fritz-ga haksaeng-i-nya? Fritz-NOM Student-Präd.-Frage Ist Fritz Student? b. Fritz-ga haksaeng-i-myeon, muryo-ro ipdschagha-n-da. Fritz-NOM Student-Präd.-Kondi. ohne Bezahlung-Instr. eintret-Präs.-Dekl. Wenn Fritz Student ist, hat er freien Einlaß. Die bisher aufgeführten morphologischen Realisierungen der syntaktischen Funktionen im Deutschen und Koreanischen lassen erkennen, dass sie die Eigenschaften aufweisen, die Abney (1987) sowie Grewendorf (1992) für funktionale Kategorien auflisten (s. 3.2): Sie treten z.B. sowohl als freie als auch als gebundene Morpheme auf und brauchen phonologisch nicht realisiert zu werden, wie dies in obigen Beispielen die durch Fettdruck hervorgehobenen Realisierungen der syntaktischen Funktionen beider Sprachen verdeutlichen. So wie die anderen funktionalen Kategorien zeichnen sich die Syn-Funk-Kategorien durch „abgeschwächten semantischen Inhalt" (Grewendorf 1992: 23) aus. Man erinnere sich Abneys (1987) Forderung an funktionale Kategorien, die da lautet: „Their semantic contribution is second order, regulating or contributing to the interpretation of their complement". Grammatische Merkmale als typisches Kennzeichen von funktionalen Kategorien haben die Syn-Funk-Kategorien auch, denn die syntaktischen Funktionen sind grammatische Merkmale, denen unter der vorliegenden Analyse der Status von funktionalen Kategorien zugeschrieben wird. Einzig die Forderung, dass eine funktionale Kategorie nur eine bestimmte lexikalische Kategorie als Komplement hat (Abney 1987 u. Felix 1988), trifft auf die Kategorie FPräd nicht zu, da sie unterschiedliche Kategorien als Komplement selegieren kann. Da aber die lexikalischen Kategorien, die als Komplement von FPräd in
19
20
Auf weitere syntaktische Eigenschaften und die Analyse mit der Kategorie FPräd wird in 4.3.3 und 4.3.4.2 eingegangen. Beispiele wie Das war zum Kotzen oder Sie ist im siebten Himmel zeigen, dass sich FPräd auch mit PP verbinden. Jedoch rechne ich PPs nicht zu den Komplementen der Kategorie FPräd, weil sie in solchen Beispielen nur als lexikalisiert betrachtet werden können (vgl. die Paraphrasen Das war unerträglich und Sie ist sehr glücklich). Aus diesem Grund ist die Präposition allein - im Gegensatz zu dem Prädikatsadjektiv oder Prädikatsnomen - als Prädikativum ungeeignet.
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Betracht kommen, sowohl im Deutschen als auch im Koreanischen auf bestimmte Kategorien, nämlich auf VP, NP und AP, beschränkt sind, lässt sich dies als Ausnahme betrachten, zumal FPräd die übrigen, grundlegenden Eigenschaften der funktionalen Kategorien erfüllt (s.o.).
4.3.3. Konzeptuelle und empirische Vorteile der Analyse Als konzeptueller Vorteil der Analyse mit den Kategorien kann vor allem ihre universelle Natur genannt werden. Da syntaktische Funktionen grammatische Relationen sind, die allen Sprachen zugrunde liegen, kann die syntaktische Analyse mit Syn-Funk-Kategorien nicht nur Sprachen ohne Kongruenzphänomene umfassen. Sie ist auch anwendbar auf diejenigen Kategorien im Deutschen und Englischen z.B., die in der Agr-Analyse des MP stets kovert bleiben mussten und phonologisch nicht realisiert wurden. In der hier vorgeschlagenen Analyse ist ein universelles Merkmal der syntaktischen Funktion vorgesehen - anstelle der zwei Merkmale Kasus und Kongruenz, die Chomsky (1995) getrennt ansetzt (s. 4.2.3.1). Die Vorteile sind die folgenden: Statt annehmen zu müssen, dass eine Agr-Kategorie keines dieser Merkmale trägt, wie die Kategorie AgrA bei prädikativen APs im Englischen, gibt es ein Merkmal, das bei FPräd mit Adjektiv als Komplement morphologisch kovert bleibt. Dieses 'Kovertsein' ist dabei nicht mit dem Nichtvorhandensein des betreffenden Merkmals gleichzusetzen, wie dies bei Agr-Analyse der Fall sein musste. Was die Agr 0 -Kategorie im Deutschen betrifft, wird vorgeschlagen, dass das funktionale Merkmal bei FObj durch den Akkusativ realisiert wird, anstelle der Annahme, dass die Abwesenheit der Kongruenzmerkmale bei Agr 0 durch Kasus kompensiert werden muss. Gleichzeitig erfüllen die Syn-Funk-Kategorien auch die Forderung an funktionale Kategorien, dass sie an der Schnittstelle im Verarbeitungssystem sowohl phonetisch als auch semantisch interpretierbar sein sollten. In Bezug auf die Agr-Kategorien in Sprachen wie dem Englischen und Deutschen wurde bemängelt, dass sie keine der LF-relevanten Merkmale erhalten, da Kongruenzkategorien wie grammatische Person und Genus von rein formeller Natur sind. Es wurde gezeigt, dass dies ein Grund zur Elimination der Agr-Kategorien in Chomsky (1997 3 ) war (s. 4.2.3.2). Dagegen weisen die Syn-Funk-Kategorien inhaltsbezogene Aspekte auf. In der traditionellen Grammatik bilden z.B. Subjekt und Prädikat jeweils als 'Satzgegenstand' und als 'Aussage' zu diesem Satzgegenstand logische Kategorien der zweigliedrigen Struktur des Satzes ab. (Bußmann 19902: 749). Die Generative Grammatik definiert syntaktische Funktionen zunächst über die strukturelle Position. In der Konstituentenstruktur wird das Subjekt unmittelbar vom Satzknoten dominiert, während das Objekt als unmittelbare Konstituente der Verbalphrase definiert wird. In der minimalistischen Version der Satzstruktur wird das Subjekt nicht mehr vom Satzknoten dominiert. Subjekt sowie Objekt bewegen sich aus ihrer Basisposition in der Prädikatsphrase heraus in die SPEC-Position der relevanten funktionalen Projektionen, nach Agr s P bzw. Agr 0 P, wo sie ihre Merkmale überprüfen können. Für die Überprüfung dieser Merkmale ist die SPEC-Head-Relation erfoderlich, die zwischen dem Subjekt bzw. dem Objekt und dem Verb besteht, das an diese funktionalen Köpfe adjungiert hat. So kommt die Relation der syntaktischen Funktionen 'Subjekt von x' und Objekt von x' - wobei χ fur das Verb bzw. das Prädikativum des Satzes steht - in den
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funktionalen Projektionen als SPEC-Head-Relation zum Ausdruck. In dieser Hinsicht sind die syntaktischen Funktionen fiir die Bewegung der Subjekt- und Objekt-DP sowie des Verbs relevant. Das wiederum legt nahe, so Zwart (1997: 116), dass die funktionalen Kategorien Agr s und Agr 0 die Informationen für syntaktische Funktionen enthalten, die sie auf LF interpretierbar machen. Die Kongruenzmerkmale der Agr-Kategorien finden jedoch nur in bestimmten Sprachen diese Informationen, weil es sprachspezifische Phänomene sind. In der Analyse der Syn-Funk-Kategorien werden sie durch die Kategorien FSubj und FObj ersetzt, bei denen die syntaktischen Funktionen selbst als universell vorhandene funktionale Merkmale eine wesentliche Rolle spielen. Darüber hinaus lassen sich sich die syntaktischen Funktionen Subjekt und Objekt jeweils mit der semantischen Rolle 'Agens' und 'Patiens' assoziieren, was in Sätzen mit transitiven Verben im Aktiv protoptypisch ist. So sind die Syn-Funk-Kategorien relevant für die Interpretation auf der LF- und PF-Ebene - im Unterschied zu den Agr-Kategorien, von denen in Chomsky (1997 3 ) angenommen wird, dass sie von dem LF-relevanten konzeptuell-intentionalen Interpretationssystem gar nicht interpretierbar sind. Neben diesen konzeptuellen Vorteilen hat die Anwendung der eingeführten Analyse auch noch die folgenden empirischen Vorzüge: Wendet man die Analyse mit Syn-Funk-Kategorien auf die Beschreibung der syntaktischen Struktur des Koreanischen an, wird die Interpretation des Attributsuffixes -(u)n und des Prädikatssuffixes -i im Koreanischen erst ermöglicht. Beide dienen lediglich dazu, wie im Vorangehenden dargelegt, die syntaktischen Funktionen 'Attribut' und 'Prädikat' anzuzeigen; sie verfügen darüber hinaus über kein grammatisches Merkmal. Nach der AgrAnalyse des MP wie in (4-42) wären diese Flexionselemente und deren Merkmale nicht interpretierbar: Es sind keine entsprechenden funktionalen Kategorien vorgegeben, die diese Merkmale überprüfen könnten. Das würde der Wohlgeformtheitsbedingung der „Condition of Full Interpretation" (Chomsky 1993: 26) nicht genügen, nach der die Derivation auf PF keine unüberprüften morphologischen Elemente mehr enthalten darf. Als Folge dessen müssten koreanische Sätze mit diesen Flexionselementen ungrammatisch sein, da die Derivation in diesem Fall nicht konvergieren kann. Es lässt sich demgegenüber feststellen, dass die Syn-Funk-Kategorien-Analyse aufgrund ihrer Universalität dazu imstande ist, für die Beschreibung der Phrasenstruktur des Deutschen und Koreanischen die adäquaten PF- und LF-Informationen zu liefern, die sowohl vom artikulatorisch-perzeptuellen als auch vom konzeptuell-intentionalen Interpretationssystem vollständig interpretierbar sind. Zum Schluss von 4.2.3.2 wurde eine von TP distinkte funktionale Projektion postuliert, innerhalb der der Nominativ und die Kongruenz überprüft werden können. Hierfür kommt m.E. die Projektion der Kategorie FSubj in Betracht, weil die syntaktische Funktion 'Subjekt' und der Kasus Nominativ in den Nominativsprachen miteinander so verbunden sind, dass die Nominativmarkierung als Kennzeichnung der Funktion 'Subjekt' verstanden wird.21 Dass das Kongruenzphänomen, das stets den Kasus Nominativ impliziert, auf die 21
Als Ausnahme hierfür sei auf die nominativischen markierten Prädikatsnomen des Deutschen wie in Sie ist meine Schwester sowie auf die direkten Objekte der sog. Emotionsadjektive im Koreanischen hingewiesen, die im Nominativ stehen (siehe auch Bsp. (3-88)): na-nun Chopin-i dschot-da. ich-NOM Chopin-NOM mögen(Präs.)-Dekl. Ich mag Chopin.
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Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat bezogen ist, ist ein Hinweis dafür, dass beide Merkmale, Kongruenz und Nominativ, innerhalb der FSubjP zu überprüfen sind. Darüber hinaus erfüllt die Einfuhrung der Kategorie FPräd die Forderung des 'Extended Projection Principle (EPP)' in Chomsky (1981), dass alle Sätze ein Subjekt enthalten müssen.22 In der minimalistischen Version wird das EPP umgesetzt, indem der Kategorie Τ das starke DMerkmal - das kategoriale Merkmal der DPs - zugewiesen wird. Weil die starken Merkmale vor Spell-Out überprüft werden müssen, verlangt das starke D-Merkmal in Τ die Bewegung einer DP in die SPEC-Position des TP, wo sie ihr kategoriales Merkmal überprüfen kann (Chomsky 19973: 282ff.). Dies hat zur Folge, dass in einem Satz, der nach Chomsky (19973) eine TP darstellt, eine DP als overtes Subjekt vor dem Verb realisiert wird. Dass der Kategorie Τ ein starkes D-Merkmal zugewiesen wird, das eine DP in ihre Überprüfungsdomäne heranziehen soll, ist m.E. problematisch, und zwar aus dem gleichen Grund, aus dem in 4.2.3.2 die Überprüfung des Kasus Nominativ durch Τ angezweifelt wurde: Es lässt sich nicht beweisen, dass die Kategorie Τ fur die Zuweisung des Nominativs und für die damit zusammenhängende Realisierung des Subjekts eine relevante Rolle spielt. Viel plausibler scheint mir die Annahme, der funktionalen Kategorie FPräd das starke D-Merkmal zuzuordnen, denn durch FPräd wird die interdependente Relation zwischen Subjekt und Prädikat realisiert, die für den Satz als selbständige sprachliche Einheit konstitutiv ist. Demnach bewegt sich eine DP in die SPEC-Position der FPräd und weiter nach SPEC von FSubj, um dort ihr Merkmal der syntaktischen Funktion [Subj] und das Kasusmerkmal zu überprüfen. Auf diese Weise kann das EPP zur Geltung gebracht werden.
4.3.4. Anwendung der Analyse Nachdem nun die Syn-Funk-Kategorien-Analyse vorgeschlagen und deren Vorteil gegenüber der herkömmlichen IN FL- und Agr-Analyse betrachtet wurde, bleibt noch zu klären, wie diese Analyse auf die Strukturbeschreibung der AP im Deutschen und Koreanischen angewendet werden kann.
4.3.4.1. Pränominale Adjektive Im Vorangehenden wurde bereits erörtert, dass die Analyse der Attributflexionen beider Sprachen als funktionale Kategorie FAttr die Bedingung der Full Interpretation erfüllt. Die AP kommt in diesen Sprachen demnach als Komplement zum Kopf FAttr vor, wobei die FAttrP innerhalb der DP an die NP adjungiert auftritt. Die Strukturen der DPs im Beispiel (4-67), die ein pränominales Adjektiv enthalten, lassen sich wie folgt darstellen:
22
Es kommen jedoch im Deutschen auch Sätze ohne Subjekt vor (vgl. Mir ist kalt).
120
(4-71) a.
DP
b.
DP
AP
dscho
FAttr°
-un
N°
D°
soshik
-i
[Attrib] Der Vergleich zwischen den Strukturen in (4-7 l)a und b zeigt, dass die APs im Deutschen und Koreanischen nach der Analyse mit der Kategorie FAttr dieselbe interne Struktur und auch dieselbe Stellung innerhalb der DP aufweisen. Der Unterschied liegt in dem Merkmalbündel, das dem funktionalen Kopf FAttr in der jeweiligen Sprache zugerechnet wird: FAttr im Deutschen kann neben dem Merkmal der syntaktischen Funktion zusätzlich noch die Kongruenzmerkmale aufweisen, während die Kategorie FAttr im Koreanischen lediglich das Merkmal der syntaktischen Funktion 'Attributiv' enthält.
121 Nach der Agr-Analyse der Attributflexion dagegen, so wie es in Haider (1992) vorgeschlagen wurde, müsste man davon ausgehen, dass im Koreanischen die funktionale Kategorie für Attributflexion nicht vorhanden ist. Die Annahme einer sprachspezifischen funktionalen Kategorie hätte auch eine unterschiedliche Strukturierung der DP zur Folge, abgesehen von dem Unterschied in der Kopfperipherität, wie der Kontrast zwischen der Struktur in (4-15) und (4-38) zeigt. Die Analyse mit den Syn-Funk-Kategorien reduziert demgegenüber den Parameter der pränominalen AP im Deutschen und im Koreanischen auf den Unterschied des Merkmalbündels der funktionalen Kategorie FAttr.
4.3.4.2. Prädikative Adjektive Die Einsetzung der Kategorie FPräd ermöglicht die einheitliche Strukturbeschreibung des Prädikats in Sprachen wie dem Deutschen und Koreanischen. Sowohl innerhalb der INFLAnalyse als auch in der Agr-Analyse des MP wurde angenommen, dass die Kategorie I bzw. die Agr 0 stets eine VP als Komplement regiert; falls ein Adjektiv oder ein Nomen als Prädikativ vorkommt, wird es innerhalb der VP positioniert. Diese Annahme kann jedoch die Prädikatsstruktur des Koreanischen nicht erfassen, weil Adjektive und Nomina in dieser Sprache, wie schon im 2. Kapitel dieser Arbeit erläutert wurde, als Prädikat kein Verb benötigen und in den indoeuropäischen Sprachen als 'verbal' geltende Eigenschaften aufweisen, die nach Tempus und Modus flektieren. Diesbezüglich wird in Fanselow/Felix (19933: 56) angenommen, dass INFL je nach der Sprache unterschiedliche Kategorien als Komplement zu sich nimmt, so dass sich im Japanischen und Chinesischen die INFLElemente auch mit APs verbinden. Durch diese Annahme wird zwar das unterschiedliche syntaktische Verhalten der AP in verschiedenen Sprachen erfasst. Es handelt sich hierbei aber um eine Ad-hoc-Erklärung, weil man von sprachspezifisch verschiedenen Prädikatskonstruktionen ausgehen müsste, die wie folgt aussehen: (4-72)a stellt die Satzstruktur mit einem Prädikatsadjektiv im Deutschen dar, in der eine VP obligatorisch ist, während (472)b die des Koreanischen ohne VP zeigt. (4-72) a.
IP
b.
1°
VP
v°
IP
AP
AP
122 FPräd dagegen liefert für beide Sprachen eine einheitliche Struktur des Prädikats. In dieser Struktur wird entweder eine VP oder eine AP oder eine Ν Ρ als Komplement der Kategorie FPräd selegiert (s. auch (4-64)): 23 (4-73)
FPrädP
SPEC
FPräd'
FPräd 0
VP/AP/NP
Demnach lassen sich dem deutschen Beispiel (4-69)a mit einem Verb und dem Beispiel des Koreanischen mit einem Prädikatsnomen in (4-69)d folgende Strukturen zurechnen:
23
Ähnlich schlägt Bowers (1993) eine funktionale Kategorie 'Pr' für die Prädikation vor, die so wie FPräd meiner Analyse VP, AP, NP und PP als Komplement regieren kann. Eine AP oder NP als Komplement von 'Pr' gilt jedoch nur innerhalb der 'small clause'. Vgl. das folgende Beispiel: [IPthey consider [PrP John [Pr' [Pre] [APcrazy] ] ] ] (Bowers 1993: 595) Eine solche Analyse kann jedoch die Struktur des Adjektivprädikats im Koreanischen nicht erklären, weil für Bowers ein (Matrix-)Satz eine IP darstellt, die eine VP als Komplement hat, wie dies im obigen Beispiel (4-72)a der Fall ist. Die Realisierung von Pr beschränkt sich auf die Konjunktion as wie in I regard John as crazy. Dies ist insofern problematisch, als die Realisierung von Pr im Unterschied zu anderen funktionalen Kategorien idiosynkratisch bestimmt wird (vgl. 1 consider John crazy).
123 (4-74) a. Fritz liest die Zeitung b.
CP SPEC
C' C°
FSubjP SPEC
FSubj' FSubj 0
TP
SPEC T°
T' FObjP SPEC
FObj'
FObj°
FPrädP
SPEC
FPräd' FPräd°
VP
Subj Fritz
V' V°
liest Präd Tense v Agr _
Obj die Ζ.
124 (4-75) a. Fritz-nun haksaeng-i-ot-da. Fritz-NOM Student-Präd.-Prät.-Dekl. Fritz war Student. b. SPEC
yo
FObjP
-Ot SPEC
FObj' FPrädP
SPEC
FObj
FPräd' NP
SPEC Fritz-nun
FPräd ° N'
N° haksaeng Präd Tense In den Beispielen (4-74) und (4-75) wird die Kategorie FPräd in Verbindung mit dem Prädikat als gebundenes Morphem realisiert. Das Verb im Deutschen bzw. das Prädikat im Koreanischen bewegt sich zu FPräd und anschließend zu T, um sein Merkmal(-bündel) zu überprüfen. Schließlich bewegt sich das Prädikat im Koreanischen zu dem C°-Element, um dort das Merkmal von dem deklarativen Suffix -da überprüfen zu lassen. Im Deutschen wird die C°-Position ebenfalls mit dem Verb besetzt, alternativ zu einer nebensatzleitenden Konjunktion. Die Subjekt-DP in beiden Beispielen bewegt sich letztendlich in die SPECPosition der CP. Diese Bewegung geschieht vor Spell-Out. Der Vergleich zwischen der Morphemabfolge im Prädikat in Beispiel (4-75)a und der Struktur in (4-75 )b lässt im Übrigen erkennen, dass die Überprüfung funktionaler Merkmale in der gleichen Reihenfolge abläuft, wie die relevanten Morpheme von innen nach außen
125 an den Stamm des Prädikats suffigiert sind: Das Morphem -/ ist zwischen dem Nominalstamm haksaeng und dem Tempusmorphem -ot eingefügt - so wie die funktionale Projektion, in der das Merkmal der prädikativen Funktion des Morphems -i überprüft wird, im Strukturbaum zwischen der NP und der TP positioniert ist. Somit erweist sich die Einfuhrung der Kategorie FPräd mit dem Bakerschen (1985: 375) Ansatz des 'Mirror Principle' als kompatibel. Es besagt, dass die morphologischen Derivationen unmittelbar syntaktische Derivationen widerspiegeln. Dies lässt sich als Evidenz für die Existenz der Kategorie FPräd und deren Projektion betrachten. Prädikative APs im Deutschen und im Koreanischen treten in der gleichen Konfiguration auf, die oben fur VPs und NPs angenommen wurde: (4-76) a.
Fritz ist gesund.
b.
FPrädP
SPEC
FPräd' FPräd ist , "Ν Präd Tense Agr j
AP Subj Fritz
A' |
1
A° gesund
(4-77) a. Fritz-nun gongangha-0-yot-da. Fritz-NOM gesund-Prät.-Dekl. Fritz war gesund. Weiter oben wurde vorgeschlagen (s. Beisp. (4-69)), das Kopulaverb sein als Realisierung der Kategorie FPräd durch ein selbständiges Lexem anzusehen. Akzeptiert man diesen Vorschlag, lassen sich solche Prädikatskonstruktionen als Projektion der funktionalen Kategorie FPräd analysieren, die eine AP oder eine NP als Komplement enthält. Dies wird im Beispiel (4-76) dargestellt. Für diesen Fall nehme ich an, dass sich nur das Kopulaverb, das FPräd0-Element, zu den relevanten funktionalen Köpfen bewegt, wobei das Prädikatsadjektiv in der Basisposition zurückbleibt: Nachdem die Kopula ihr Merkmal der syntaktischen Funktion 'Präd' sowie ihre Kongruenzmerkmale gegen die Subjekt-DP überprüft hat, die sich in die SPEC-Position der FPrädP bewegt hat, adjungiert die sie an T, um ihr Tempusmerkmal zu überprüfen. Weiterhin adjungiert sie an die Kategorie FSubj, so dass die Merkmale der Subjekt-DP, die sich in die SPEC-Position der FSubjP bewegt hat, in der SPEC-Kopf-Relation überprüft werden können.
126
(4-77) b.
Präd Tense v. Im Koreanischen dagegen adjungiert das Prädikat an die funktionalen Köpfe, an FPräd° sowie an T° und C°, da die Merkmale der funktionalen Kategorien stets als suffigierte Morpheme realisiert werden, so wie es in den Beispielen (4-75) und (4-77) der Fall ist. Daraus folgt die Flektierbarkeit der Adjektive in ihrer prädikativen Verwendung. Wie der Vergleich zwischen (4-77)a und b weiter zeigt, unterscheidet sich FPräd im Deutschen von dem des Koreanischen durch sein Merkmalbündel, da FPräd Agr-Merkmale enthält. Die Agr-Merkmale der Kategorie FPräd stehen für Subjekt-Prädikat-Kongruenz. Die Kopula überprüft ihr Merkmal der syntaktischen Funktion 'Präd' und ihre Kongruenzmerkmale gegen die Subjekt-DP in der SPEC-Position der FPrädP. Die SubjektPrädikat-Kongruenz im Deutschen kann, wie erwähnt, zusätzlich beim Prädikatsnomen markiert werden: Das Nomen im Prädikat steht in Kongruenzbeziehung mit dem Subjekt wie in: Er/Sie ist Lehrer/in. Die Kennzeichnung des Genus am Prädikativum beschränkt sich im Deutschen jedoch auf Berufsbezeichnungen, die auf die Unterscheidung zwischen den natürlichen Geschlechtern basiert. Zudem stellt sich die Frage, ob sich diese Art von Kongruenz als funktionales Merkmal Agr betrachten lässt, so dass eine zusätzliche funkti-
127
onale Kategorie fur dessen Überprüfung benötigt wird. Weil es hier nicht um Flexion, sondern um die Neubildung eines Wortes geht wie Lehrer vs. Lehrerin, halte ich eine zusätzliche funktionale Kategorie und deren Projektion für die Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikatsnomen für inadäquat. Aus den bisherigen Untersuchungen zur Prädikatskonstruktion lässt sich folgendes resümieren: Die Syn-Funk-Kategorie ist auch für eine systematische Erklärung der parametrischen Variationen zwischen der Prädikatskonstruktion mit einer AP im Deutschen und der im Koreanischen geeignet. Der syntaktische Unterschied zwischen beiden bezieht sich weder auf das (Nicht-)Vorhandensein der VP in dieser Konstruktion noch auf das (Nicht-)Vorhandensein der Wortart Adjektiv; er liegt vielmehr in dem unterschiedlichen Merkmalbündel sowie in der unterschiedlichen morphologischen Realisierung der funktionalen Kategorie FPräd: Innerhalb der Prädikatskonstruktion mit einem Adjektiv des Deutschen erscheint sie als unabhängiges Lexem, wahrend sie im Koreanischen in der gleichen syntaktischen Umgebung als gebundenes Morphem realisiert wird.
5.
Schlusswort
Ziel meiner Untersuchung war, eine sprachübergreifende Beschreibung zur Syntax der Adjektive zu leisten. Als sprachübergreifende Definition der Wortart Adjektiv wurde ein semantisch-funktionelles Kriterium vorgeschlagen: Adjektive erkennt man daran, dass sie in der jeweiligen Sprache zur Bezeichnung von Eigenschaften dienen, die in Sätzen attributive, prädikative und adverbiale Verwendung aufweisen. Durch eine solche Definition der Adjektive können die Probleme der Morphosyntax vermieden werden, die zu keinem einheitlichen Adjektivbild führten. Gleichzeitig verschafft sie einen großen Freiraum für die Untersuchung zur Adjektivsyntax, da sie das unterschiedliche morphosyntaktische Verhalten der Adjektive in verschiedenen Sprachen zulässt. Die vergleichenden Analysen der Struktur der AP im Deutschen und Koreanischen, die den zentralen Gegenstand dieser Arbeit bildeten, schließen sich an die Idee der Parametrisierung in Chomsky (1989) an, die sich durch die neuere Entwicklung der Generativen Grammatik bis hin zum Minimalismus durchzieht. So habe ich anhand der Analyse der AP als DegP gezeigt, dass der Unterschied zwischen der DegP des Deutschen und des Koreanischen darin liegt, dass das funktionale Merkmal [GRAD] im Koreanischen stets als Gradwort unter dem Kopf Deg erscheint, während es im Deutschen entweder als Gradwort in situ oder am Adjektiv suffigiert realisiert wird. Was die interne Struktur der DegP und die Relationen zwischen den DegP-intemen Positionen betrifft, haben sich Parallelen herausgestellt: Die SPEC-Position der DegP dient in beiden Sprachen als Landeplatz für das Komplement des Adjektivs, falls die Deg°-Position morphologisch gefüllt ist. Die DegPintemen Adverbien weisen in beiden Sprachen Adjunktstatus auf und zeigen von Satzadverbien verschiedene Positions- und Extraktionsmerkmale. Zur Klärung der weiteren Unterschiede in der Adjektivsyntax zwischen dem Deutschen und dem Koreanischen habe ich 'Syn-Funk-Kategorien' vorgeschlagen. Im Gegensatz zu den minimalistischen Agr-Kategorien, die sich sowohl innerhalb der einzelnen Sprachen wie dem Deutschen und Englischen als auch auf sprachübergreifender Ebene als nicht adäquat erwiesen haben, sind Syn-Funk-Kategorien universaler Natur. Als Evidenz für diese Analyse wurde u.a. vorgebracht, dass die Aufname der Kategorien FAttr und FPräd ins Koreanische für die Erfüllung der Bedingung 'Principle of Full Interpretation' notwendig ist. Anders als die sprachspezifische Agr-Analyse für die Attributflexion, die auch eine unterschiedliche Strukturierung der DP zur Folge hätte, reduziert die hier vorgetragene Syn-Funk-Kategorien-Analyse den Parameter der pränominalen AP im Deutschen und im Koreanischen auf den Unterschied des Merkmalbündels der funktionalen Kategorie FAttr. Darüber hinaus liefert die Einsetzung der Kategorie FPräd die Möglichkeit einer einheitlichen Prädikatskonstruktion, die kategorien- und sprachübergreifende Geltung besitzt. Es wurde gezeigt, dass sich die parametrischen Variationen zwischen der AP-Prädikatskonstruktion im Deutschen und im Koreanischen auf die unterschiedlichen morphologischen Realisierungen der funktionalen Kategorie FPräd beziehen. Im Deutschen erscheint diese Kategorie als unabhängiges Lexem, als Kopulaverb, im Koreanischen dagegen als gebundenes Morphem. Hierdurch können die morphosyntaktischen Unterschiede, die zu Beginn dieser Arbeit eine übereinzelsprachliche Adjektivdefinition erschwerten, begründet wer-
129 den: Es hat sich herausgestellt, dass (Nicht-)Deklinierbarkeit oder (Nicht-)Konjugierbarkeit, die mit dem (Nicht-) Vorhandensein eines Kopulaverbs zusammenhängt, keine Kriterien für die Unterscheidung zwischen Sprachen mit offenen Adjektivklassen und Sprachen mit geschlossenen Adjektivklassen sein müssen. Vielmehr ergibt sich aus der vorliegenden Untersuchung, dass sie das Ergebnis von Parametermerkmalen sind, die die Wortart Adjektiv in der jeweiligen Sprache aufweist.
6.
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