173 99 27MB
German Pages 489 [792] Year 2002
Heike Baeskow Abgeleitete Personenbezeichnungen im Deutschen und Englischen
W DE G
Studia Linguistica Germanica
Herausgegeben von Stefan Sonderegger und Oskar Reichmann
62
Walter de Gruyter · Berlin · New York 2002
Heike Baeskow
Abgeleitete Personenbezeichnungen im Deutschen und Englischen Kontrastive Wortbildungsanalysen im Rahmen des Minimalistischen Programms und unter Berücksichtigung sprachhistorischer Aspekte
Walter de Gruyter · Berlin · New York 2002
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Baeskow, Heike: Abgeleitete Personenbezeichnungen im Deutschen und Englischen : kontrastive Wortbildungsanalysen im Rahmen des Minimalistischen Programms und unter Berücksichtigung sprachhistorischer Aspekte / Heike Baeskow. - Berlin ; New York : de Gruyter, 2002 (Studia Linguistica Germanica ; 62) Zugl.: Wuppertal, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-11-017382-4
© Copyright 2002 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
To my mother and in memory of my father
Vorwort
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um meine im Juli 2001 vom Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal angenommene Dissertation, die ich zum Zwecke der Veröffentlichung geringfügig überarbeitet habe. An dieser Stelle möchte ich zunächst Frau Prof. Dr. Dr. h. c. Gisa Rauh meinen herzlichen Dank fur die Betreuung der Arbeit aussprechen. Sowohl unsere regelmäßigen Diskussionen als auch ihre lehrreichen Veranstaltungen haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Mein Dank gilt ferner meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Dieter Wolff, der mit seinem Hauptseminar zur altenglischen Sprache den Grundstein fur meine synchrone und diachrone Auseinandersetzung mit dem Thema "Wortbildung" gelegt hat. Eine finanzielle Unterstützung habe ich durch ein Graduiertenstipendium erfahren, das mir aufgrund der Fürsprache meiner beiden Gutachter gewährt wurde. Schließlich möchte ich noch Herrn Colin Foskett, Herrn John McKeown sowie Frau Barbara Wege, die mein Interesse an der Linguistik bereits im ersten Semester geweckt haben, in meine Danksagung einbeziehen.
Wuppertal, im Januar 2002
Heike Baeskow
Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.3 1.4
Einleitung Der Gegenstandsbereich Datenbasis und Literatur Aufbau der Arbeit Durchführung der kontrastiven Analyse
1 1 2 3 5
2 2.1
Der theoretische Rahmen Von der Prinzipien- und Parametertheorie zum Minimalistischen Programm Argumente gegen eine rein syntaxbasierte Wortbildungstheorie. Konflikte mit der X-bar Theorie Konflikte mit der Theta-Theorie Konflikt mit der Bindungstheorie Die optimale Codierung lexikalischer Einheiten Intrinsische Merkmale Intrinsische Merkmale von Nomen Intrinsische Merkmale von Verben Optionale Merkmale Vorteile der Merkmalanalysen Die Architektur komplexer Wörter Das Wortbildungsmaterial Wurzel, Stamm und Basis Affixe und deren Klassifikation Wortbildungsprozesse Ein wortbasierter Ansatz (Aronoff 1976) Ein morphembasierter Ansatz (Lieber 1981) Bewertung der beiden generativen Ansätze Die Organisation des minimalistischen Lexikons Der schematische Aufbau Der Lexikoneintrag eines Suffixes Orthographische und phonologische Repräsentation Das Merkmalbündel
7
2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5 .2.1 2.5.2.2
7 12 13 16 17 18 19 20 25 28 31 33 33 34 35 39 39 42 47 50 50 52 53 53
X
2.5.2.3
Inhaltsverzeichnis
2.5.2.4 2.5.2.5 2.5.3 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.3.1 2.6.3.2
Der Subkategorisierungsrahmen als Wortbildungskomponente und Checking-kistanz Semantische Merkmale Derivationsklassen und Produktivität Die Repräsentation lexikalisierter Derivate Thematische Relationen in der Wortbildung Theta-Absorption als morphologische Lizensierung Die Nachteile vorgefertigter Θ-Raster fur Suffixe Protorollen und Proto-Eventualitäten Die Beschreibung von Derivaten mit statischer verbaler Basis ... Die Beschreibung denominaler Derivate
54 56 56 58 59 59 62 64 67 67
Teill:
Nomina Agentis
71
3 3.1 3.2 3 .3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.3.3
Das Suffix -er im Deutschen und Englischen Datenüberblick Historischer Exkurs Vier sprachimmanente Kontraste Genus und Movierung Nomina Agentis und Aspekt Der Umlaut Der Umlaut als morphologisches Phänomen Der Umlaut als "freischwebendes" Autosegment Bewertung der Ansätze und Repräsentation des Umlauts im minimalistischen Lexikon Die Bildung von Nomina Agentis aus deutschen Präfixverben und englischen phrasal verbs Thematische Relationen innerhalb deutscher und englischer Nomina Agentis auf -er Deverbale Derivate Kausativa und andere dynamische Basisverben Perzeptuelle, kognitive und relationale Basisverben Denominale Derivate Die P-Eventualität CAUSATION Die P-Eventualität AFFECTION Die P-Eventualität POSSESSION Strukturelle Ambiguität Die Einträge des Suffixes -er im deutschen und englischen Lexikon Orthographische und phonologische Repräsentation Merkmalbündel
71 71 72 74 74 76 78 80 82
3.3.4 3.4 3 .4.1 3.4.1.1 3.4.1.2 3 .4.2 3.4.2.1 3.4.2.2 3.4.2.3 3.4.3 3.5 3.5.1 3.5.2
86 88 90 91 91 98 105 105 109 111 113 115 115 117
3.5.3 3.5.3.1 3.5.3.2 3.5.4 3.6
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.5.1 4.5.1.1 4.5.1.2 4.5.1.3 4.5.1.4 4.5.1.5 4.5.2 4.5.2.1 4.5.2.2 4.5.2.3 4.6 4.6.1 4.6.1.1 4.6.1.2 4.6.2 4.7
5 5.1 5 .2 5.3
Inhaltsverzeichnis
XI
Subkategorisierungsrahmen Der verbale Teil des deutschen und englischen Subkategorisierungsrahmens Der nominale und numerische Teil des deutschen und englischen Subkategorisierungsrahmens Semantisches Merkmal und -er-Klassen Resümee
121 121 124 131 135
Die Suffixe -ler bzw. -ner im Deutschen und das englische Suffix -ster 140 Datenüberblick 140 Die Morpheme -ler und -ner als Erweiterungen des Suffixes -er im Deutschen 141 Untersuchung der Basiselemente 142 Das Verhältnis der Suffixe -ler und -ner zu -er im Neuhochdeutschen 148 Lexikoneinträge 153 Das Suffix -ler im deutschen Lexikon 153 Die orthographische und phonologische Repräsentation 153 Die formalen Merkmale 153 Der Subkategorisierungsrahmen 154 Die Assoziation von -/er-Derivaten mit Proto-Eventualitäten .... 155 Semantische Merkmale 158 Das Suffix -ner im deutschen Lexikon 161 Die phonologische Klassifikation 161 Das Merkmalbündel 161 Subkategorisierungsrahmen und semantisches Merkmal 162 Gibt es im Englischen vergleichbare Suffixerweiterungen? 164 Das Suffix -ster im British English 167 Die stilistische Akzeptabilität des Suffixes -ster 168 Der Lexikoneintrag des Suffixes -ster 170 Das Suffix -ster in unterschiedlichen Registern des American English 172 Resümee 175
Das Lehnsuffix -ier im Deutschen und Englischen Datenüberblick Die Geschichte der Personenbezeichnungen auf -ier im Deutschen Die Phonologie des Suffixes -ier im Deutschen
177 177 177 181
XII
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5 .6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.7
6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.5 .1 6.5.2 6.6
Inhaltsverzeichnis
Der Eintrag des Suffixes -ier im deutschen Lexikon Die phonologische Repräsentation Formale Merkmale Subkategorisierungseigenschaften P-Eventualitäten und semantisches Merkmal Das Suffix -ier in seinen englischen Erscheinungsformen Kontrastive Überlegungen Die anglisierte Suffixvariante -eer Die Einträge der Suffixvarianten -ier und -eer im englischen Lexikon Phonologische Eigenschaften Merkmalbündel Subkategorisierungsrahmen Proto-Eventualitäten Semantische Merkmale Resümee
Die letzten Abkömmlinge des lateinischen Suffixes Marius Datenüberblick Die Quellen der deutschen Personenbezeichnungen auf -är, -ar und -arier Die französischen Lehnwörter auf -är Die lateinischen Lehnwörter auf -ar Der Ursprung der Lehnwörter auf -arier Die Lexikoneinträge der Suffixvarianten -är, -ar und -arier Das Suffix -är im deutschen Lexikon Das Suffix -ar im deutschen Lexikon Das Suffix -arier im deutschen Lexikon Englische Entsprechungen Die englischen Bildungen auf -aire, -ar, -ary und -arian Die Dominanz der anglisierten lateinischen Lehnsuffixe -ary und -arian Lexikalische Informationen Die Repräsentation der Suffixe -aire und -ar im englischen Lexikon Die Lexikoneinträge der produktiveren Suffixe -ary und -arian Resümee
186 186 187 188 189 192 192 197 200 200 201 201 202 204 206
209 209 211 211 212 214 218 219 225 228 230 230 235 238 238 242 246
Inhaltsverzeichnis
7 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.4 7.4.1 7.4.1.1 7.4.1.2 7.4.2 7.5 7.5.1 7.5.2 7.6 7.6.1 7.6.2 7.7 7.7.1 7.7.2 7.8 7.8.1 7.8.2 7.9
8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.4.1
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or Datenüberblick Etymologie und Merkmale des französischen Suffixes -eur Die Personenbezeichnungen auf -eur im Deutschen Maskuline Derivate Friseuse, Friseurin oder Frisörini Die Integrationsbereitschaft der auf -eur endenden Nomina Agentis Die diachrone und synchrone Beziehung zwischen Verben auf -ier-en und -ewr-Derivaten Basisallomorphie innerhalb der -er/r-Bildungen Basisallomorphie bei den verwandten Personenbezeichnungen auf -or Denominale und strukturell analysierbare Nomina Agentis auf -eur Der Lexikoneintrag des französischen Lehnsuffixes -eur Orthographische Repräsentation, phonologische Eigenschaften und Merkmalbündel Der Subkategorisierungsrahmen Die Lexikoneinträge der Varianten des Suffixes -eur Das französische Movierungssuffix -euse im deutschen Lexikon Das lateinische Lehnsuffix -or im deutschen Lexikon Die Gruppe der englischen Personenbezeichnungen auf -eur Lexikalisierte und archaische -ewr-Bildungen Das Suffix -eur im englischen Lexikon Das Verhalten der englischen Personenbezeichnungen auf -or... Der Eintrag des Suffixes -or im englischen Lexikon Basisallomorphie im Englischen Resümee
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen Datenüberblick Die Beziehung zwischen dem lateinischen Partizip Präsens und den Suffixen -ant bzw. -ent Die Geschichte der ins Deutsche entlehnten Personenbezeichnungen auf -ant bzw. -ent Die morphologischen Eigenschaften der Personenbezeichnungen auf -ant bzw. -ent Deverbale Nomina Agentis
ΧΙΠ
248 248 249 252 252 257 260 261 267 272 274 277 277 278 281 281 284 287 287 291 295 297 299 300
303 303 304 306 312 312
XTV
8.4.1.1 8.4.1.2 8.4.2 8.4.2.1 8.4.2.2 8.4.3 8.4.4 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.7 8.7.1 8.7.2 8.8
9 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.3 9.3.1 9.3.2
Inhaltsverzeichnis
Die Subkategorisierungseigenschalten von -ant und -ent in bezug auf Verben 313 Semantische Oppositionen zwischen -ant- /- ent- und -eur- / -or-Derivaten 315 Die strukturelle Ambiguität der Nomina Agentis Fabrikant, Musikant und Praktikant 318 Disambiguierung durch phonologische Faktoren 319 Lexikalische Überlegungen 321 Denominale Nomina Agentis auf -ant bzw. -ent 323 Strukturell analysierbare Nomina Agentis 325 Die Lexikoneinträge der Suffixe -ant und -ent 326 Orthographische und phonologische Repräsentation 327 Merkmalbündel 329 Subkategorisierungsrahmen, Produktivitätskriterium und semantisches Merkmal 329 Die englischen Personenbezeichnungen auf -ant bzw. -ent 334 Mittelenglische, Frühneuenglische und Neuenglische Lehnwörter 334 Englische und Deutsche -ant- / -e«/-Bildungen im Vergleich 341 Die Basiselemente der englischen -ant-/-ent-Bildungen 350 Die Einträge der Suffixe -ant und -ent im englischen Lexikon... 3 5 5 Phonologische Eigenschaften 355 Merkmalbündel, Subkategorisierungsrahmen und semantisches Merkmal 358 Resümee 362
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen Datenüberblick Alte und neue "Isten" im deutschen und englischen Wortschatz Wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Berufsbezeichnungen auf -ist Vertreter einer bestimmten Glaubenshaltung Vertreter einer philosophischen Lehre Vertreter einer politischen Ideologie oder Theorie Vertreter einer künstlerischen Richtung Die Basiselemente der deutschen Personenbezeichnungen auf-«/ Deutsche -/«/-Bildungen mit verbaler Basis Sind Sozialisten sozial, sozialistisch oder Vertreter des Sozialismus?
364 364 365 366 371 372 375 376 376 377 379
Inhaltsverzeichnis
9.3.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.5 9.5.1 9.5.2 9.5.2.1 9.5.2.2 9.5.3 9.5 .4 9.6
10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.5
11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.4.1 11.4.2
Die semantische Klassifikation der Personenbezeichnungen Egoist, Optimist und Pessimist Die Basiselemente der englischen Nomina Agentis auf -ist Das Verhältnis der englischen "Isten" zu Verben auf -ize Denominale "Isten" Die adjektivische Funktion des Suffixes -ist im Englischen Der Eintrag des Suffixes -ist im deutschen und englischen Lexikon Orthographie, phonologische Eigenschaften und Merkmalbündel Die morpho-syntaktischen Eigenschaften des Inputs Der Subkategorisierungsrahmen im deutschen Lexikon Der Subkategorisierungsrahmen im englischen Lexikon Deutsche und englische Neologismen auf -ist Lexikalische Lücken im deutschen und englischen -MiInventar Resümee
Das deutsche Suffix -e Datenüberblick Klassische und neo-klassische Nomina Agentis auf -e Deutsche Personenbezeichnungen auf -e und deren englische Entsprechungen Der Lexikoneintrag des deutschen Suffixes -e Das phonologische Verhalten des Suffixes Das Merkmalbündel Subkategorisierungsrahmen, Mapping und semantisches Merkmal Resümee
Die Suffixe -it bzw. -ite im Deutschen und Englischen Datenüberblick Die auf -it endenden Personenbezeichnungen im deutschen Wortschatz Die semantische Beschreibung der Personenbezeichnungen auf-rt Der Eintrag des Suffixes -it im deutschen Lexikon Orthographische Repräsentation, phonologische Informationen und Merkmalbündel Subkategorisierungsrahmen und semantisches Merkmal
XV
389 390 391 396 401 402 402 404 404 407 409 415 418
421 421 422 424 426 428 429 430 434
436 436 438 442 445 445 446
XVI
11.5 11.6 11.6.1 11.6.2 11.7 11.7.1 11.7.2 11.7.3 11.8
12 12.1 12 .2 12.3 12.3.1 12.3.2 12.4 12.5 12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4 12.7
Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte der englischen Personenbezeichnungen auf -ite.. 449 Zur Semantik 453 Die pejorative Komponente englischer Personenbezeichnungen auf -ite 453 Die Blockierung deutscher Nomina Agentis auf -it 458 Der Lexikoneintrag des Lehnsuffixes -ite 460 Die phonologische Repräsentation 460 Die intrinsischen formalen Merkmale 461 Subkategorisierungsrahmen, P-Eventualitäten und semantische Merkmale 462 Resümee 466
Die deutschen und englischen Varianten des lateinischen Suffixes -(ijanus 469 Datenüberblick 469 Die deutschen Personenbezeichnungen auf -an, -aner und -ianer 470 Die Varianten des lateinischen Suffixes -(i)änus im deutschen Lexikon 473 Die Suffixvariante -an 473 Die Suffixvariante -(i)aner 475 Die englischen Personenbezeichnungen auf -an, -ian und -ean... 481 Darwinist, Darwinite, Darwinian - Synonymie im englischen Lexikon? 486 Die Suffixvarianten -an, -ian und -ean im englischen Lexikon... 488 Phonologische Informationen 488 Intrinsische Merkmale 491 Subkategorisierungseigenschaften 492 Mapping 495 Resümee 498
Teil Π: Nomina Patientis 13 13.1 13.2 13.3 13.3.1 13.3.2
500
Das Suffix -ling im Deutschen und Englischen 500 Datenüberblick 500 Ursprung und Entwicklung des Suffixes -ling 501 Die semantische Beschreibung deutscher und englischer -lingBildungen 507 Nomina Patientis auf -ling mit transitivem Basisverb 507 Nomina Patientis auf -ling mit intransitivem Basisverb 515
Inhaltsverzeichnis
13.3.3 13.4 13.4.1 13.4.2 13.4.2.1 13.4.2.2 13 .4.3 13.5
14 14.1 14.2 14 .3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.3.1 14.3.3.2 14.3.3.3 14.3 .3.4 14.3.3.5 14.3.3.6 14.3 .4 14.3.5 14.4
Ableitungen aus Substantiven und Zahlwörtern Die Einträge des Suffixes -ling im deutschen und englischen Lexikon Phonologische Informationen und Merkmalbündel Subkategorisierungsrahmen Der Subkategorisierungsrahmen fur -ling im deutschen Lexikon Der Subkategorisierungsrahmen für -ling im englischen Lexikon Die semantischen Merkmale des Suffixes in beiden Sprachen und Darstellung der Lexikoneinträge Resümee
Englische Personenbezeichnungen auf -ee und ihre deutschen Entsprechungen Datenüberblick Die Entwicklung der französischen Flexionsendung -e(e) zu einem englischen Derivationsaffix Die semantischen Relationen zwischen -ee und seinen Basiselementen "Sentience", "episodic linking" und "lack of volitional control" (Barker 1998) Schwachstellen in der Barkerschen Theorie Versuch einer Beschreibung englischer -ee-Bildungen ohne suffixspezifische Θ-Rolle Realisierung des internen Arguments eines zweistelligen Basisverbs Realisierung des zweiten internen Arguments eines dreistelligen Basisverbs Realisierung des Komplements einer regierten Präposition Realisierung des internen Arguments eines unakkusativen Basisverbs Realisierung des externen Arguments eines unergativen Basisverbs Realisierung des externen Arguments eines transitiven Basisverbs Denominale Personenbezeichnungen auf -ee Nomina Patientis ohne korrespondierendes syntaktisches Argument Bewertung der beiden Ansätze zur Beschreibung englischer Personenbezeichnungen auf -ee
XVII 522 523 523 525 525 531 533 536
538 538 539 544 544 549 553 554 555 558 565 567 570 572 576 579
Inhaltsverzeichnis
xvm 14.5 14.5.1 14.5.2 14.5.3 14.5.3.1 14.5.3.2 14.6
Der Lexikoneintrag des Lehnsuffixes -ee Phonologische Informationen Das Merkmalbündel Subkategorisierungseigenschaften Der verbale Teil des Subkategorisierungsrahmens Der nominale Teil des Subkategorisierungsrahmens Die deutschen Entsprechungen der englischen Personenbezeichnungen auf -ee 14.6.1 -ee-Bildungen und deutsche -ftng-Derivate 14.6.2 -ee-Bildungen und deutsche Partizipialkonstruktionen 14.6.2.1 Das substantivierte Partizip Perfekt im Deutschen 14.6.2.1.1 Substantivierte Partizipien als Konversionsprodukte 14.6.2.1.2 Substantivierte Partizipien als Modifikatoren in elliptischen Syntagmen 14.6.2.2 Das substantivierte Partizip Präsens im Deutschen 14.6.2.3 Substantivierte "Gerundiva" 14.6.3 Aspektunterscheidung innerhalb deutscher und englischer Nomina Patientis 14.6.4 Deutsche Komposita und Relativsätze 14.6.5 Das Lehnsuffix -at im Deutschen 14.6.5.1 Zur Geschichte der deutschen -^/-Bildungen 14.6.5.2 Der Eintrag des lateinischen Lehnsuffixes -at im deutschen Lexikon 14.6.6 Deutsche Nomina Patientis auf -andbzw. -end 14.6.6.1 Die Geschichte der beiden Suffixvarianten 14.6.6.2 Englische Entsprechungen 14.6.6.3 Die Einträge der Suffixvarianten -and und -end im deutschen Lexikon 14.7 Resümee
615 619
Tea m : Nomina Quatttatis
623
15 15.1 15.2 15.2.1 15.2.2 15.3
582 582 584 585 585 587 590 592 594 594 596 598 600 603 603 605 607 608 610 612 612 614
Deutsche und englische Nomina Quatttatis auf -ling und das englische Suffix -ard
624
Datenüberblick Das Suffix -ling in seiner adjektivischen Funktion Die semantische Beschreibung deutscher und englischer Nomina Quatttatis auf -ling Die adjektivischen Subkategorisierungseigenschaften des Suffixes -ling im Deutschen und Englischen Die englischen Derivate auf -ard
624 625 628 634 639
Inhaltsverzeichnis
15.3.1 15.3.2 15.3.2.1 15.3.2.2 15.3.2.3 15.4 15.5
16 16.1 16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.2.1 16.2.2.2 16.2.2.3 16.3 16.3.1 16.3.2 16.3.3 16.3.4 16.3.4.1 16.3.4.2 16.3.4.3 16.3 .4.4 16.4 16.4.1 16.4.2 16.5
Die Basiselemente der englischen Personenbezeichnungen auf -ard, 642 Der Lexikoneintrag des Suffixes -ard 646 Die orthographische und phonologische Repräsentation 646 Das Merkmalbündel 646 Der Subkategorisierungsrahmen 647 Die deutschen Entsprechungen der englischen -arrf-Bildungen... 649 Resümee 651
Weitere Nomina Qualitatis im Deutschen und Englischen . .. 654 Datenüberblick 654 Die deutschen "Pseudo-Latinismen" auf -ian und ihre englischen Entsprechungen 655 Thematische Relationen innerhalb der deutschen Nomina Qualitatis auf -ian bzw. -jan 657 Der Lexikoneintrag des Suffixes -ian 659 Die Repräsentation der orthographischen Varianten -ian und -jan 659 Phonologische Informationen und Merkmalbündel 660 Der Subkategorisierungsrahmen 661 Das englische Suffix -y bzw. -ie 663 Zwei Hypothesen zur Entstehung des Suffixes -y 664 Englische Nomina Qualitatis auf -y bzw. -ie 666 Die Semantik der Nomina Qualitatis auf -y / -ie 667 Der Lexikoneintrag des englischen Suffixes -y 669 Die Repräsentation der orthographischen Varianten 669 Die phonologische Repräsentation und eine phonologische Besonderheit 670 Das Merkmalbündel 671 Subkategorisierungsrahmen und semantische Merkmale 672 Vergleichbare Personenbezeichnungen auf -/' im Deutschen 675 Das Suffix -i im deutschen Jugendjargon 675 Der Eintrag des Suffixes -i im deutschen Lexikon 676 Resümee 678
Teil IV: Nomina Originis 17 17.1
XIX
Die Vielfalt abgeleiteter Herkunftsbezeichnungen im Deutschen und Englischen Datenüberblick
682 683 683
XX
17.2 17.2.1 17.2.2 17.2.2.1 17.2.2.2 17.2.2.3 17.3
Inhaltsverzeichnis
17.5
Historische Zusammenhänge Aus heimischem Wortmaterial gebildete Nomina Originis Nomina Originis mit Lehnsuffixen Das Suffix -(i)an im Englischen bzw. -aner im Deutschen Das Suffix -ese im Englischen und im Deutschen Das semitische Suffix -/ im Englischen und im Deutschen Die semantische Beschreibung deutscher und englischer Nomina Originis Argumentstruktur und Θ-Raster der lexikalischen Präposition from Die Abbildung deutscher und englischer Nomina Originis auf die Proto-Lokalität SOURCE Besonderheiten des Englischen Die deutschen und englischen Lexikoneinträge der zur Bildung von Nomina Originis dienenden Suffixe Ergänzungen zu den Einträgen der in Teil I behandelten deutschen Suffixe -er, -e, -ler und -aner Das Suffix -er Das Suffix-e Das Suffix -ler Das Suffix -aner Ergänzungen zu den Einträgen der in Teil I behandelten englischen Suffixe -er und -(i)an Das Suffix -er Das Suffix -(i)an Die Einträge des Suffixes -ese im deutschen und englischen Lexikon Die Einträge des Suffixes -i im deutschen und englischen Lexikon Resümee
726 731
18
Auswertung der Forschungsergebnisse und Ausblick
735
Literaturverzeichnis Nachschlagewerke Bibliographie zur Linguistik Bibliographie zur Sprach- bzw. Literaturgeschichte
752 752 754 761
Sachregister
763
Autorenregister
767
17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.4 17.4.1 17.4.1.1 17.4.1.2 17.4.1.3 17.4.1.4 17.4.2 17.4.2.1 17.4.2.2 17.4.3 17.4.4
685 685 689 689 691 693 696 697 699 701 703 704 704 707 710 712 714 714 717 722
1 Einleitung 1.1
Der Gegenstandsbereich
Die vorliegende Arbeit enthält fünfzehn Suffixstudien, innerhalb derer deutsche und englische Derivationsprozesse vorgestellt und miteinander verglichen werden. Da das Gebiet der Derivation als ein Teilbereich der Wortbildung sehr komplex ist, war es notwendig, die kontrastive Analyse auf eine semantisch abgrenzbare Gruppe von Derivaten zu beschränken. Eine solche Gruppe bilden Personenbezeichnungen, die insofern interessant sind, als sie eine beträchtliche, aber dennoch überschaubare Anzahl von Derivationsaffixen aufweisen und zudem durch Basiselemente unterschiedlicher syntaktischer Kategorien gekennzeichnet sind. Obwohl innerhalb der linguistischen Literatur eine Reihe von Arbeiten zur Wortbildung im Deutschen bzw. Englischen vorliegt, ist zumindest in bezug auf abgeleitete Personenbezeichnungen bisher noch keine kontrastive Analyse beider Sprachen durchgeführt worden. Ein wesentliches Ziel der Arbeit besteht darin, für die hier betrachteten Personenbezeichnungen unter Berücksichtigung diachroner Faktoren und der sich bereits teilweise daraus ergebenden Kontraste den jeweils zugrundeliegenden Wortbildungsprozeß auf der Grundlage von Merkmalen so zu beschreiben, daß die lexikalisierten Derivate1 analysiert, zugleich die Bedingungen für Neubildungen formuliert und schließlich eine explizite Beschreibung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Deutschen und Englischen ermöglicht werden. Trotz der engen Verwandtschaft der beiden Sprachen, die sich insbesondere im Altenglischen manifestierte, sind nicht nur im Bereich der Syntax, Flexion oder Phonologie, sondern auch innerhalb der Wortbildung interessante Kontraste zu verzeichnen. Den theoretischen Rahmen für die kontrastive Analyse bildet das von Chomsky (1993, 1995) für die Syntax konzipierte Minimalistische Programm (MP), welches nur wenige Angaben zur Beschaffenheit des Lexikons enthält und
In der vorliegenden Arbeit wird der Terminus "Lexikalisierung" im Sinne von "Aufnahme in den Wortbestand der Sprache als usuelle Bildung, die im Lexikon gespeichert ist und bei Gebrauch dort abgerufen wird" (Bußmann 1990 : 452) verwendet.
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somit diesbezüglich ergänzungsbedürftig ist. Die Übertragung des minimaIistischen Ansatzes auf den Bereich der Wortbildung soll einen neuen Beitrag zur linguistischen Forschung darstellen.
1.2
Datenbasis und Literatur
Die Menge der deutschen und englischen Daten, die jeweils als Grundlage für eine Suffixstudie dienen, kann keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Dies ist auch nicht erforderlich, da bereits eine relativ begrenzte und überschaubare Anzahl von Personenbezeichnungen, die ein bestimmtes Suffix aufweisen, Regularitäten innerhalb der Wortstrukturen erkennen lassen. Als Quellen fur deutsche Personenbezeichnungen dienen insbesondere die Standardwerke zur Wortbildung von Wellmann (1975) und Fleischer (1992) sowie die rückläufigen Wörterbücher der Autoren Muthmann (1988) und Kandier / Winter (1992). Weiteres Datenmaterial findet sich unter den von Herberth (1977, 1982) zusammengestellten Neologismen der deutschen Sprache seit 1945, in der von Braun (1997) verfaßten Studie Personenbezeichnungen. Der Mensch in der deutschen Sprache sowie in A. F. Müllers (1953) Dissertation zum Thema Die Pejoration von Personenbezeichnungen durch Suffixe im Neuhochdeutschen. Für die empirische Erarbeitung englischer Personenbezeichnungen wurden neben dem rückläufigen Wörterbuch von Lehnert (1971) u. a. die Werke von Marchand (1969a), Koziol (1972), Jespersen (1974) und Bauer (1993) hinzugezogen. Diese Werke sind nicht nur unter synchronem Aspekt von Bedeutung, sondern gewähren auch einen Einblick in diachrone Fakten, indem sie Aufschluß über den Ursprung einzelner Suffixe geben. Obwohl die theoretische Beschreibung der deutschen und englischen Personenbezeichnungen unter synchronem Aspekt erfolgen wird, da etymologische Gegebenheiten für das Computational System CH(uman> L(anguage), das innerhalb des Minimalistischen Programms die syntaktische Komponente bildet, völlig irrelevant sind, wird hier auch Wert auf die Einbeziehung der Geschichte eines jeden Suffixes gelegt, da es sich bei einer Vielzahl deutscher und englischer Personenbezeichnungen nicht um heimisches Wortgut, sondern um Lehnwörter handelt. Da Kontraste zwischen dem Neuhochdeutschen und dem Neuenglischen mitunter auf historische Gegebenheiten zurückzufuhren sind, wäre es nicht sinnvoll, die diachrone Perspektive völlig außer acht zu lassen. Wertvolle Hinweise auf sprachgeschichtliche Hintergründe finden sich u. a. in den Werken der Autoren von Polenz (1978), Wolff (1994), Strang (1970), Baugh (1971), Bourcier (1981), sowie im Duden Herkunftswörterbuch (1997), im Deutschen Fremdwörterbuch (1913-96) und im Etymological Dictionary of
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the English Language (1974). Ein unentbehrliches Hilfsmittel stellte ferner das Oxford English Dictionary (OED, 1933) dar, das hier in Form einer CD-ROM aus dem Jahre 1987 verwendet wurde. Die auf diesem Datenträger gespeicherten Informationen unterscheiden sich nicht von dem Inhalt der OEDBände, so daß Verweise auf OED-Einträge für beide Versionen Gültigkeit haben. Das OED zeichnet sich gegenüber anderen Nachschlagewerken insbesondere durch die zahlreichen Belege aus, die für die einzelnen Stichworte zusammengestellt wurden. Außerdem wurden die folgenden englischen Wörterbücher hinzugezogen: -
PONS Collins Großwörterbuch Deutsch - Englisch, Englisch - Deutsch (1997) Longman Dictionary of Comtemporary English (DCE, 1995) Oxford Advanced Learner 's Dictionary of Current English (OALDCE, 1987)
Alle Definitionen englischer Personenbezeichnungen stammen ausschließlich aus dem OED bzw. aus den drei vorstehend genannten aktuelleren Nachschlagewerken. Des weiteren fließen auch diverse Suffixstudien älterer Autoren wie Sunden, Öhmann, Sieber, Lubbers etc. in die Diskussion ein.
1.3 Aufbau der Arbeit Um eine Systematisierung der relevanten Suffixe zu erzielen, war es notwendig, die Personenbezeichnungen zunächst semantisch zu klassifizieren, wobei die Klassifikation gleichermaßen für das Deutsche und Englische gelten soll. Unter semantischem Aspekt haben sich insgesamt vier Kategorien herauskristallisiert, die ab Kapitel 3 diskutiert werden sollen, nämlich • • • •
Nomina Nomina Nomina Nomina
Agentis Patientis Qualitatis Originis
Die kontrastive Analyse gliedert sich dementsprechend in vier Teile. Die größte Klasse abgeleiteter Personenbezeichnungen bilden sowohl im Deutschen als auch im Englischen die Nomina Agentis (Kap. 3 - 12), die entweder eine verbale oder eine nominale Basis aufweisen und generell denjenigen bezeichnen, der an der durch das Verb ausgedrückten Eventualität (Aktivität, Prozeß oder Zustand) bzw. an einer mit dem Nomen assoziierten Eventualität mehr oder
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weniger aktiv beteiligt ist. Als besonders produktiv erweist sich hier in beiden Sprachen das Suffix -er, das in Teil I den Ausgangspunkt der kontrastiven Analyse bildet. Die folgenden Beispiele zeigen jedoch, daß die Bildung von Nomina Agentis keineswegs auf das Suffix -er beschränkt ist. Beispiele: Lehrer, Schlosser, Sportler, Glöckner. Bankier. Revolutionär, Bibliothekar. Vegetarier. Kontrolleur. Direktor, Fabrikant. Dirigent. Komponist. Eindringling; writer, potter, gamester, charioteer, millionaire, scholcir, visionary, parliamentarian, entrepreneur, constructor, servant, opponent, chemist. Jacobite Aufgrund der Vielzahl von Suffixen, die zur Bildung deutscher und englischer Nomina Agentis dienen, bildet diese semantische Kategorie mit insgesamt zehn Suffixstudien den umfangreichsten Teil der Arbeit. In die Kategorie der Nomina Paüentis, die in Teil II (Kap. 13 und 14) behandelt werden, fallen solche Derivate, die insofern eine affizierte Bedeutung tragen, als sie denjenigen bezeichnen, der von einer Handlung betroffen ist. Da fur die Bildung von Nomina Patientis weitaus weniger Suffixe zur Verfügung stehen, umfaßt Teil Π der kontrastiven Analyse lediglich zwei Suffixstudien, von denen eine recht umfangreich ist. In beiden Sprachen findet man hier zum einen das heimische Suffix -ling, das allerdings innerhalb neuenglischer Nomina Patientis nur noch in begrenztem Maße auftritt. Mit diesem befaßt sich die erste Suffixstudie des zweiten Teils. Innerhalb der zweiten Studie wird dann aufgezeigt, welche deutschen Bildungen mit den im Englischen weitaus zahlreicher vertretenen Nomina Patientis auf -ee korrespondieren. Beispiele: Findling. Säugling; foundling, suckling; trainee, addressee, employee, examinee; Lehrling / Auszubildender, Angestellter, Prüfling / Examinand
Adressat,
Zu den abgeleiteten Personenbezeichnungen zählt auch die relativ kleine Gruppe der meist aus Adjektiven abgeleiteten Nomina Qualitatis, die ihren Referenten aufgrund einer bestimmten Eigenschaft bzw. eines bestimmten Merkmals charakterisieren und in der Regel durch eine negative Konnotation gekennzeichnet sind. Diesen deutschen und englischen Personenbezeichnungen,
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die sich innerhalb von zwei kleineren Suffixstudien beschreiben und miteinander vergleichen ließen, ist der dritte Teil der Arbeit (Kap. 15 und 16) vorbehalten. Beispiele: Weichling. Rohling, Grobian. Dummerjan/Dummrian, sweetling, softling, dullard, drunkard, darky, toughie
Laschi;
Im vierten und letzten Teil (Kap. 17) werden schließlich solche Personenbezeichnungen erörtert, die aus geographischen Eigennamen oder Appellativa abgeleitet werden. Da fur Personenbezeichnungen dieser Art offenbar noch kein Oberbegriff existiert, sollen diese hier als Nomina Originis bezeichnet werden, zumal sie die Zugehörigkeit ihrer Referenten zu einem in der Basis genannten Territorium zum Ausdruck bringen. Beispiele: Engländer, Berliner, Rheinländer, Schwede, Sachse, Dörfler. Tibetaner. Münsteraner, Bolivianer, Israeli; New Zealander, Londoner, villager, African. Brazilian. Viennese. Bangladeshi Da all diese Personenbezeichnungen auf die vortheoretische Bedeutung "deijenige, der aus X stammt" bzw. "inhabitant or native of X" reduzierbar sind, wurde beschlossen, für deutsche und englische Nomina Originis lediglich eine umfangreiche Suffixstudie anzufertigen. In Kapitel 18 werden dann die im Rahmen der Suffixstudien erarbeiteten Ergebnisse resümiert und ausgewertet.
1.4
Durchführung der kontrastiven Analyse
Die Suffixstudien beginnen nach einer ersten Gegenüberstellung der deutschen und englischen Daten in der Regel mit einer Untersuchung der deutschen Derivate in bezug auf Etymologie und morphologische Eigenschaften. Handelt es sich bei einer Personenbezeichnung um ein Lehnwort, so wird in jedem Falle auf die Quellsprache und den Zeitpunkt der Entlehnung verwiesen. Bevor dann die englischen Entsprechungen in die Diskussion einbezogen werden, wird der Lexikoneintrag für das jeweils im Vordergrund stehende deutsche Suffix vorgestellt und kommentiert. Nach dem gleichen Verfahren werden auch die englischen Derivate analysiert. Erst dann können die jeweiligen Kontraste bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Sprachen beschrieben werden. Nur in Kapitel 14 bildet ein englisches Suffix den Ausgangspunkt für die kontrastive Analyse, nämlich -ee.
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Finden jedoch deutsche Personenbezeichnungen, die ein bestimmtes Suffix aufweisen, viele unmittelbare Entsprechungen im Englischen, so wird die Entwicklung des Suffixes in beiden Sprachen nicht separat behandelt, sondern in einem Abschnitt zusammengefaßt. Dies gilt ζ. B. für die deutschen und englischen Derivate auf -er (Kap. 3), -ist (Kap. 9) und -ling (Kap. 13).
2 Der theoretische Rahmen Die Anfertigung einer kontrastiven Analyse setzt zunächst eine Auseinandersetzung mit der Frage voraus, welches Grammatikmodell zugrunde gelegt werden soll und wo die Komponente der Wortbildung innerhalb dieses Modells angesiedelt ist. Wie bereits in Abschnitt 1 angedeutet, fiel die Entscheidung bei der Wahl des Grammatikmodells auf das von Chomsky (1993, 1995) konzipierte Minimalistische Programm, das sich insbesondere aufgrund der noch zu erörternden merkmalorientierten Bare Phrase Structure-Theone auf den Bereich der Wortbildung übertragen läßt. An dieser Stelle sollte jedoch bereits darauf hingewiesen werden, daß sich die vorliegende Arbeit ausschließlich auf das Lexikon dieses Grammatikmodells konzentriert, denn dies ist der Ort, an dem alle Wortbildungsprozesse stattfinden sollten. Einige Argumente für die bereits von Chomsky (1970) postulierte schwache lexikalistische Hypothese (weak lexicalist hypothesis), die auch in Chomsky (1995) aufrecht erhalten wird und die sich gegen eine rein syntaxbasierte Wortbildungstheorie ausspricht, werden in Abschnitt 2.2 formuliert. Zunächst sollte jedoch kurz der Übergang von der Prinzipien- und Parametertheorie (PPT) zum Minimalistischen Programm (MP), das den Ausgangspunkt für die hier angestrebte minimalistische Wortbildungstheorie bildet, nachvollzogen werden1.
2.1
Von der Prinzipien- und Parametertheorie zum Minimalistischen Programm
Die PPT, die 1981 unter dem Namen Government-Binding-Thsonz bekannt wurde, stellte eine Weiterentwicklung der Generativen Transformationsgrammatik dar, die von einem umfangreichen Regelwerk, bestehend aus Phrasenstrukturregeln und Transformationsregeln, Gebrauch machte und ihre Vollendung in der Standardtheorie (Chomsky 1965) fand.
Als einführende Literatur in die moderne Syntax werden hier die Werke von Haegeman (1995), Marantz (1995), Cook (1996) und Radford (1997) empfohlen.
Der theoretische Rahmen
8
Die PPT (ζ. B. Chomsky 1981, 1986a, 1986b) zeichnete sich durch eine weitaus ökonomischere Ableitung syntaktischer Strukturen aus, die aufgrund von interagierenden Modulen (X-bar-, Theta-, Kasus-, Kontroll-, Begrenzungs-, Barrieren-, Rektions- und Bindungstheorie) und einer einzigen Regel Move α, deren Funktion durch universale Prinzipien (ζ. B. Extended Projection Principle, Structure-preserving Principle, Empty Category Principle, Case Filter etc.) beschränkt wird, erzielt wurde. Der Aufbau der PPT, die aus einem Lexikon und drei Repräsentationsebenen (Tiefenstruktur, Oberflächenstruktur und Phonetische Form bzw. Logische Form) besteht, läßt sich schematisch in Form eines T-Modells darstellen. (1)
T-Modell
Lexikon
I
Tiefenstruktur
Move α
1 Oberflächenstruktur
Phonetische Form (PF)
Logische Form (LF)
Innerhalb des MPs wird der schon in der PPT vorherrschende Ökonomiegedanke noch vertieft. Wie der Name "Minimalistisches Programm" bereits impliziert, liegt hier keine vollständig neuentwickelte Grammatiktheorie vor, sondern lediglich ein Programm, das zwar radikale Neuerungen gegenüber der PPT aufweist, aber gleichzeitig etliche Fragen offenläßt. Ungeklärt bleibt beispielsweise, welche Struktur ein minimalistisches Lexikon aufweist - ein Problem, mit dem sich die vorliegende Arbeit ebenfalls auseinandersetzen wird. Ebenso wie die PPT basiert auch das MP auf der Annahme, daß jeder Mensch über eine genetisch angelegte Sprachfähigkeit (language faculty) verfugt, deren Anfangsstadium als Universalgrammatik (UG) bezeichnet wird. "UG is the theory of the initial state S0 of the relevant component of the language faculty." (Chomsky 1995 : 167)
Der theoretische Rahmen
9
Die angeborene Sprachfähigkeit der Menschen führt allerdings erst durch die Eingabe von Daten (Ε-language)2 zum Erwerb einer konkreten Sprache. Diese sind jedoch weder für die PPT noch für das MP relevant. In beiden Theorien steht einzig und allein das sprachliche Wissen des idealen Muttersprachlers (Ilanguage) im Zentrum der Betrachtung. "The I-language [. . .] is some element of the mind of the person who knows the language, acquired by the learner, and used by the speaker-hearer." (Chomsky 1986b : 22) Trotz der konstant gebliebenen Grundüberlegungen sind gravierende Unterschiede zwischen der PPT und ihrem Nachfolgemodell zu verzeichnen, die hier allerdings nur skizziert werden können. In erster Linie sollte darauf hingewiesen werden, daß die Begriffe "Tiefenstruktur" und "Oberflächenstruktur" innerhalb des MPs keine Rolle mehr spielen. Stattdessen existiert neben dem Lexikon nur noch ein in zwei Schnittstellen mündendes Computational System Ch(UJIUUI) L(anguage), das für die Ableitung syntaktischer Strukturen zuständig ist. Bei den beiden Schnittstellen (Interface Levels) handelt es sich um die Phonetische Form (π) und die Logische Form (λ), die durch Spell Out voneinander getrennt sind und die von de Saussure postulierte Arbitrarität des Zeichens (vgl. Abs. 2.4.2.1) reflektieren. Nach Spell Out werden die phonetischen Informationen eines Satzes der Phonetischen Form und die semantischen Informationen der Logischen Form zugeführt. Dem Principle of Full Interpretation zufolge müssen diese beiden Schnittstellen stets konvergieren, d. h. sie dürfen nur interpretierbare Informationen enthalten. Gelangen nun etwa phonetische Informationen nach LF oder semantische Informationen nach PF, so kommt es zu einem Crash, d. h. es entsteht ein nichtwohlgeformter Satz. Die Architektur des MPs läßt sich folgendermaßen schematisieren:
(2)
Lexicon
Numeration {LIi, LI2, ... LIn }
Spell Out
*
PF (π)
LF (λ)
2
Die Abkürzungen Ε und I stehen für "external", "extensional" bzw. "internal", "individual" oder "intensional" (Chomsky 1995 : 6, 16)
10
Der theoretische Rahmen
Wenn ein Satz abgeleitet werden soll, so wird nach Chomsky (1995 : 225 f.) zuerst eine Numeration Ν gebildet, die eine bestimmte Anzahl lexikalischer Einheiten (Lexical Items LI) enthält. Die in der Numeration enthaltenen Lexeme und Wortformen3, die allesamt in den Satz eingehen müssen, werden durch eine Operation SELECT von Chl ausgewählt und zunächst zu syntaktischen Objekten (ζ. B. Phrasen) zusammengefugt, wodurch diverse kleinere Strukturbäume erzeugt werden. Diese werden alsdann mittels einer Operation MERGE in einen Satz überfuhrt. Die in der PPT noch vorhandene Tiefenstruktur ist hier insofern redundant, als syntaktische Strukturen nunmehr aus den Projektionen lexikalischer Köpfe aufgebaut werden. Das Verb give bringt ζ. B. aus seinem Lexikoneintrag die Information mit, daß es ein externes und zwei interne Argumente verlangt, da insgesamt drei Entitäten an einem durch give bezeichneten Ereignis Ε beteiligt sind. Der traditionellen Terminologie zufolge benötigt es in seiner Eigenschaft als ditransitives Verb ein Subjekt und ein direktes sowie ein indirektes Objekt. Seine Argumentstruktur soll hier folgendermaßen notiert werden:
(3)
give
Aus dieser lexikalischen Information kann Chl bereits eine Verbalphrase (VP), deren Kopf das Verb give bildet, konstruieren, sofern die Numeration auch entsprechende Determinansphrasen (DPs) bereithält, die für die Realisierung der Argumente geeignet sind, ζ. B. {John, gives, Mary, a book}. Angesichts der Tatsache, daß jede Phrase eine Projektion der Merkmale ihres Kopfes darstellt, erwägt Chomsky (1995 : 241 f f ) sogar einen Verzicht auf traditionelle kategoriale Bezeichnungen wie "Nomen", "Adjektiv", "Verb" oder "Präposition", der die Erzeugung einer bare phrase structure, d. h. einer Phrasenstruktur, innerhalb derer die lexikalischen Einheiten selbst als 3
Ein Lexem, das hier in Anlehnung an Matthews (1989 : 22) als "fundamental unit [. . .] of the lexicon of the language" definiert wird, ist (ebenso wie das Phonem und das Morphem) eine abstrakte Einheit und wird durch Wortformen realisiert. Verbale deutsche Lexeme werden in der vorliegenden Arbeit in Gestalt des Infinitivs notiert, so daß Wortformen wie fahren, fahre, fährst, fuhr oder gefahren dem Lexem FAHREN zuzuordnen sind. Innerhalb eines Derivates wie Fahrer ist es die gebundene Wurzel fahr-, die das besagte Lexem realisiert. Geht ein Lexem ins Lexikon ein, so erscheint es dort in Form eines Stichwortes (ζ. B. fahren). "The citation form of a lexeme is the word-form from the inflectional paradigm of the lexeme which is used when a lexeme is entered in a standard dictionary; [...]" (Bauer 1993 : 10).
Der theoretische Rahmen
11
Repräsentanten kategorialer Merkmalmengen fungieren, zur Folge hat. Das Xbar-Schema unter (4a) wird somit auf die Struktur unter (4b) reduziert.
(Chomsky 1995 : 246) Sollen kategoriale Etiketten tatsächlich durch die Merkmale lexikalischer Einheiten substituiert werden, so erfordert dies eine sorgfältige Spezifikation der Kopfmerkmale, da diese für die gesamte Projektion prägend sind. Den Kopf der Strukturen unter (4) bildet der Artikel the, der Träger des intrinsischen Merkmals [+ definite] ist. Dieses wird durch Perkolation auf den ersten verzweigenden Knoten übertragen, indem es in der Kopfiinie "emporgereicht" wird. Die Problematik der Substitution kategorialer Etiketten durch Merkmalmengen hat die hier angestrebte minimalistische Wortbildungstheorie nachhaltig geprägt. Nicht nur die Tiefenstruktur, sondern auch die Ebene der Oberflächenstruktur, auf der innerhalb der PPT die Kasuszuweisung stattfand, wird im Rahmen des MPs nicht mehr benötigt, da lexikalische Einheiten die Numeration vollständig flektiert verlassen. Im Strukturbaum werden sie dann zu funktionalen Knoten angehoben, wo ihre Kasus-, Tempus- und φ-Merkmale4 auf Spezifikator-Kopf-Kongruenz (Specifier-Head-Agreement) überprüft werden (CheckingTheorie). Durch die Einfuhrung der Checking-Theoüe wurde gleichzeitig die Rektionstheorie der PPT redundant. Für Bewegungen ist nach wie vor eine einzige Regel Move α zuständig, deren Anwendung jedoch aus ökonomischen Gründen verschärften Prinzipien unterliegt, ζ. B. Last Resort, Full Interpretation, Procrastinate oder Greed (vgl. diesbzgl. Chomsky 1995). Für die hier angestrebte minimalistische φ-Merkmale sind Kongruenzmerkmale, die Aufschluß über Person, Numerus und Genus geben.
12
Der theoretische Rahmen
Wortbildungstheorie ist neben Full Interpretation lediglich das Last ResortPrinzip relevant, welches generell besagt, daß bestimmte Operationen nur dann erfolgen dürfen, wenn zwingende Gründe diese erforderlich machen (vgl. Abs. 2.6.3.2). Der vorliegende Abschnitt konnte nur einen kleinen Einblick in die weitaus komplexeren Mechanismen des MPs gewähren. Wie bereits angedeutet, werden sich die weiteren Ausführungen nur noch auf die lexikalische Komponente beschränken, da komplexe Wörter, zu denen auch die abgeleiteten Personenbezeichnungen des Deutschen und Englischen zählen, aus Gründen, die im folgenden zu nennen sind, nicht als Produkte syntaktischer Prozesse betrachtet werden sollten. Nichtsdestoweniger werden sich innerhalb des minimalistischen Lexikons einige Analogien zu den Konzepten des soeben vorgestellten Chomskyschen Modells finden.
2.2 Argumente gegen eine rein syntaxbasierte Wortbildungstheorie Innerhalb einer auf ein Minimum reduzierten Grammatiktheorie, die lediglich von einem Lexikon, einem Computational System Chl und zwei Interface Levels (π, λ) Gebrauch macht, nimmt das Lexikon einen besonderen Stellenwert ein, da es den Input fur jeden syntaktischen Derivationsprozeß Ν —» λ bereitstellt. Aus Gründen, die im folgenden genannt werden sollen, wird in der vorliegenden Arbeit die lexikalistische Hypothese, die seit Chomskys Remarks on Nominalizations (1970) in der Literatur zur Wortbildung Maßstäbe gesetzt hat (Halle 1973, Aronoff 1976, Lieber 1981, Williams 1981, Selkirk 1982 u. a ), zugrunde gelegt. Demzufolge ist das Lexikon nicht nur der Aufbewahrungsort für idiosynkratische Informationen von lexikalischen Einheiten (lexical items LI), sondern auch der Ort, an dem Wortbildungsprozesse stattfinden. Obwohl seit der Entwicklung der PPT die Tendenz bestand, Wortbildungsprozesse nach Prinzipien der Syntax zu beschreiben (z.B. Toman 1983, Roeper 1987, Lieber 1992)5, wird hier die Auffassung vertreten, daß diese universalen Prinzipien den oftmals idiosynkratischen, d. h. nicht durch Regeln vorhersagbaren Unter dem Einfluß der Generativen Transformationsgrammatik strebte schon Lees (1960) eine syntaxbasierte Wortbildungstheorie an, indem er Nominalisierungen durch Transformationen aus zugrundeliegenden Sätzen ableitete - ein Ansatz, der auch die Arbeiten von Marchand (1969a) und Wellmann (1975) spürbar beeinflußte. Autoren, die den von Lees entwickelten Ansatz aufgriffen, wurden fortan als "Transformationalisten" bezeichnet. Als Reaktion entstand im Jahre 1970 Chomskys Aufsatz "Remarks on Nominalization", der für die "Lexikalisten" richtungsweisend wurde.
Der theoretische Rahmen
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Eigenschaften lexikalischer Einheiten nicht immer gerecht werden. Da die syntaktischen Prinzipien der PPT unterhalb der X°- Ebene nicht immer oder nur in komprimierter Form Anwendung finden, müssen Ausnahmeregelungen formuliert werden, was letztlich kostspieliger ist als eine von der Syntax unabhängige, aber dennoch mit dieser interagierende Komponente der Wortbildung, die im Lexikon angesiedelt ist. Obwohl die Theorie des Lexikons nicht Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit ist, soll zur Rechtfertigung der lexikalistischen Hypothese kurz anhand einiger Beispiele aufgezeigt werden, wo eine Beschreibung der Wortbildung nach syntaktischen Prinzipien problematisch wird.
2.2.1
Konflikte mit der X-bar Theorie
Ein rein syntaxbasiertes Wortbildungsmodell erfordert eine zweifache Modifizierung der X-bar-Theorie. Zum einen reicht innerhalb der Wortbildung eine sprachspezifische parametrische Entscheidung bezüglich der Position des Kopfes nicht immer aus, da ein und dieselbe Sprache sowohl rechtsköpfige als auch linksköpfige Wortstrukturen aufweisen kann. Die Position des Kopfes einer syntaktischen Phrase ist hingegen vorhersagbar, so daß pro Sprache eine einmalige Parametersetzung vorgenommen werden kann. Den Kopf eines morphologisch komplexen Wortes bildet stets die Konstituente, deren morpho-syntaktische Merkmale6 für das gesamte Wort prägend sind. Da es sich hierbei häufig um die rechte Konstituente handelt, formulierte Williams (1981a : 248) eine Righthand Head Rule (RHR), die folgendermaßen lautet: "In morphology, we define the head of a morphologically complex word to be the righthand member of that word." Als Beispiel hierfür gibt er die folgenden Derivate an, deren Kopf jeweils kursiv gedruckt ist:
Die RHR hat jedoch keinen universalen Charakter. Obwohl komplexe Wörter im Englischen in der Tat vorwiegend rechtsköpfig sind, existieren - wie Williams (op. cit.) selbst einräumt - einige Konstruktionen, die von der generalisierenden 6
Die Frage, um welche Merkmale es sich dabei handelt, soll in Abschnitt 2.3.1 erörtert werden.
Der theoretische Rahmen
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RHR abweichen. Dabei handelt es sich um linksköpfige Derivate wie encase, debug oder becalm, innerhalb derer die Präfixe eine Wortartveränderung herbeiführen und somit den Kopfstatus beanspruchen können. Ebenso wie im Englischen sind auch im Deutschen rechtsköpfige Derivate und Komposita vorherrschend. Die Ausnahmen treten hier jedoch weitaus häufiger auf, und zwar in Gestalt der denominalen und deadjektivischen Verben, die durch die wortartverändernden Präfixe be-, ent-, er-, ver- und zermodiftziert werden (Olsen 1986 : 101 ff), ζ. B. Schrift beschriften, Stein ->
entsteinen, dreist —» erdreisten, öffentlich. —» veröffentlichen, klein —> zerkleinem. Selkirk (1982 : 21) weist darauf hin, daß linksköpfige Konstruktionen im Französischen keineswegs eine Ausnahme darstellen. Während französische Derivate rechtsköpfig sind (ζ. B. vend-eur, method-ique, heureuse-ment), ist in Kompositionen wie roses the, timbres poste oder bains marie die Position des Pluralmorphems ein eindeutiger Indikator dafür, daß jeweils die erste und somit linke Konstituente den Kopf bildet. Diese Beobachtung veranlaßte sie dazu, die von Williams postulierte RHR folgendermaßen zu revidieren:
(6)
RHR (revised) In a word-internal configuration Xn
Ρ
Xm
Q
where X stands for a syntactic feature complex and where Q contains no category with the feature complex Χ, X m is the head of X n. (Selkirk 1982 : 20)
Die revidierte RHR zeichnet sich durch einen universalen Charakter aus, da sie eine zweifache Parametersetzung pro Sprache erlaubt und somit der Tatsache Rechnung trägt, daß die Position des morphologischen Kopfes innerhalb einer Sprache variieren kann. Die Williamssche Version ist hingegen sprachspezifisch, da sie lediglich die Tendenz der englischen Morphologie zur Rechtsköpfigkeit erfaßt. In der Syntax steht der Kopf einer Phrase entweder rechts oder links von seinen Komplementen, so daß sprachinterne Variation ausgeschlossen ist.
Der theoretische Rahmen
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Femer muß eine syntaxbasierte Wortbildungstheorie die Rekursivität von X 0 postulieren, damit freie Morpheme, die als K o p f eines komplexen Wortes auftreten, nicht unter die X°- Grenze absinken. Zu dieser Erkenntnis gelangte Lieber (1992 : 35 ff.), eine ehemalige Vertreterin der lexikalistischen Hypothese (Lieber 1981), die in neuerer Zeit versucht, Wortbildungsprozesse ausschließlich durch Prinzipien der PPT zu beschreiben, um einen vollständigen Verzicht auf die morphologische Komponente zu erzielen. Da Wortstrukturen jedoch bei weitem nicht die gleichen Regularitäten zugrunde liegen wie syntaktischen Strukturen, sieht sie sich zur Formulierung etlicher Ausnahmeregelungen gezwungen. Eine recht gravierende Abweichung von der Chomskyschen PPT stellt die Rekursivität von X 0 dar. Das Adjektiv happy stellt ζ. B. als freies Morphem ein A° - Element dar. In der Syntax, die nicht mit sublexikalischen Elementen operiert, bildet ein Kopf X ° die unterste Ebene einer Phrase XP. Der Kopf X ° ist auf einer tieferen Ebene angesiedelt als der erste dominierende Knoten X'. Überträgt man diese Konvention auf die Wortbildung, so müßte der Kopf eines komplexen Wortes ein X - 1 -Element darstellen, wodurch das Adjektiv happy als Kopf eines Derivates wie unhappy zu einem A" 1 -Element reduziert werden würde und somit seinen Wortstatus einbüßen müßte. Die folgende Darstellung soll zur Veranschaulichung dienen:
Durch die Rekursivität von X ° ergibt sich die folgende Struktur, die erkennen läßt, daß es sich bei dem Kopf um ein freies Morphem handelt:
16
Der theoretische Rahmen
Diese Lösung zieht allerdings noch eine weitere, unerwünschte Konsequenz nach sich, da sämtliche Suffixe - nunmehr X°-Elemente - den gleichen Status wie freie Morpheme erhalten und somit für die Syntax verfügbar sein müßten, was jedoch nicht der Fall ist. Der folgende lexikalische Strukturbaum weist das Suffix -ness als N°-Element aus: (9)
N°
happy
-ness
(Lieber 1992 : 35)
Die Rekursivität der X°-Ebene stellt eine Modifikation der X-bar-Theorie dar, die ausschließlich für die Wortbildung relevant ist. Allerdings ist die unter (9) dargestellte Struktur nicht beobachtungsadäquat, da sie keine Differenzierung zwischen freien und gebundenen Morphemen erlaubt. Gerade diese Differenzierung ist jedoch sowohl aus morphologischer als auch aus syntaktischer Sicht von Bedeutung, da Affixe eben keinen Wortstatus besitzen. Sie weisen zwar Merkmale einer Kategorie X auf, sind aber dennoch keine vollwertigen X°-Elemente.
2.2.2
Konflikt mit der Theta-Theorie
Fanselow (1985) weist darauf hin, daß auch die Theta-Theorie innerhalb der Wortbildung nur bedingt zur Anwendung kommt. Das Θ-Kriterium besagt, daß jedes Argument durch eine Θ-Rolle lizensiert sein muß und daß jede Θ-Rolle nur einem Argument zugewiesen werden darf. (10)
Θ-CRITERION Each argument bears one and only one θ-role, and each θ-role is assigned to one and only one argument. (Chomsky 1981 : 36)
Untersucht man nun ein Kompositum wie drawbridge im Hinblick auf thematische Relationen, so stellt man fest, daß der Kopf der Konstruktion,
Der theoretische Rahmen
17
nämlich das Nomen bridge, als internes Argument des verbalen Modifikators interpretiert werden kann7. Innerhalb der entsprechenden VP draw the bridge weist das Verb draw seinem DP-Komplement the bridge eine Θ-Rolle zu, die hier zunächst traditionell als Thema bezeichnet werden soll8. Allerdings ist draw ein zweistelliges Verb, das außer dem Thema auch die Rolle Agens zuweist. Diese kann jedoch in Ermangelung eines externen Argumentes innerhalb des Kompositums nicht zugewiesen werden, wodurch das für die Syntax vorgesehene Θ-Kriterium verletzt wird (Fanselow 1985 : 99). Außerdem werden Θ-Rollen in der Syntax grundsätzlich nur DPs oder PPs und somit maximalen Projektionen zugewiesen. Da bridge ein X°-Element darstellt, wird auch diesbezüglich gegen die Theta-Theorie verstoßen.
2.2.3
Konflikt mit der Bindungstheorie
Lieber (1992) vertritt die Auffassung, daß sublexikalische Bindung, d. h. Koreferenz eines Pronomens mit dem Modifikator eines komplexen Wortes, hauptsächlich dann möglich ist, wenn dieser ein Eigenname ist, der in Verbindung mit einem produktiven Suffix auftritt. Als Beispiel dienen ihr u. a. die folgenden Sätze: (11) a. Bush ι ians admire him j greatly. b. Their jam has a fruit f y flavour because they use so much of it ι (Lieber 1992 : 129 f.) Hierzu ist allerdings anzumerken, daß Liebers sublexikalische Bindungstheorie keinen universalen Charakter hat, denn Sätze wie (IIa) und (IIb) gelten nur in den sogenannten permissive dialects of English als grammatisch wohlgeformt (Lieber 1992 : 122). Aufgrund der Notwendigkeit zur Differenzierung zwischen permissive und non-permissive dialects einer Sprache können jedoch keine Generalisierungen bezüglich sublexikalischer Koreferenzbeziehungen formuliert werden. Die folgenden Beispiele zeigen, daß die Bindungstheorie im Deutschen unterhalb der Wortgrenze gar nicht zur Anwendung kommt: (12) a. Die Elisabethaner bewunderten ihre Königin sehr b. * Die Elisabeth i aner bewunderten sie ι sehr. 7
Beobachtungen dieser Art veranlaßten Lieber zur Postulierung des Z/ni/ng-Prinzips für Komposita (Lieber 1983 : 258).
8
Eine intensive Auseinandersetzung mit thematischen Relationen innerhalb der Wortbildung erfolgt in Abschnitt 2.6.
Argument-
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Der theoretische Rahmen
(13) a. Die Tibetaner möchten in ihrem Land wohnen bleiben, b. * Die Tibet·,aner möchten dort j wohnen bleiben. Sowohl die englischen als auch die deutschen Sätze verdeutlichen, daß auch das hier im Vordergrund stehende Submodul der PPT, nämlich die Bindungstheorie, nur unter Vorbehalt auf Wortbildungsprozesse bezogen werden kann. Trotz der soeben diskutierten Argumente gegen eine syntaxbasierte Wortbildungstheorie läßt es sich nicht leugnen, daß bestimmte Prinzipien der Syntax (wenn auch in komprimierter Form) auf Wortbildungsprozesse übertragbar sind. Daß sich komplexe Wörter in binär verzweigende Strukturbäume fügen lassen, daß die Merkmale des Kopfes perkolieren oder daß Fragmente der Theta-Theorie in die Wortbildung einfließen, ist weitgehend unumstritten und soll auch in der vorliegenden Arbeit keineswegs in Abrede gestellt werden. Am deutlichsten manifestiert sich die Interaktion zwischen Wortbildung und Syntax zweifellos innerhalb phrasaler Komposita (phrasal compounds) wie over the fence gossip oder Rund-um-die-Uhr-Service, deren Existenz Lieber (1992) dazu veranlaßt hatte, die lexikalistische Hypothese vollständig aufzugeben. Die in den vorangegangenen Abschnitten erörterten Argumente sollten lediglich aufzeigen, daß eine strikt syntaxbasierte Beschreibung von Wortbildungsprozessen, die darauf abzielt, die Redundanz der morphologischen Komponente zu beweisen, mitunter zu unerwünschten Ergebnissen fuhren kann. Legt man jedoch die von Chomsky (1970) postulierte schwache lexikalistische Hypothese, die sich in Chomsky (1995) deutlicher denn je manifestiert, zugrunde, so läßt sich manch ein Konflikt mit der Syntax von vornherein ausschalten. "Schwach" soll hier zum einen bedeuten, daß Gemeinsamkeiten zwischen Wortstrukturen und syntaktischen Strukturen nicht geleugnet und falls vorhanden - auch aufgezeigt werden. Zum anderen räumt die hier vertretene lexikalistische Hypothese ein, daß der zweite große Gegenstandsbereich der Morphologie, nämlich die Flexion, teils im Lexikon und teils in der Syntax behandelt wird (vgl. diesbzgl. Abs. 2.3.2).
2.3
Die optimale Codierung lexikalischer Einheiten
Obwohl Chomsky (1995) die Theorie des Lexikons nur ansatzweise skizziert, zeichnet sich ab, daß er das Lexikon traditionell als den Ort definiert, an dem idiosynkratische Informationen lexikalischer Einheiten spezifiziert werden. "I understand the lexicon in a rather traditional sense: as a list of 'exceptions', whatever does not follow from general principles. [...] Assume further that the lexicon provides an 'optimal coding' of such idiosyncrasies." (Chomsky 1995 :
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235). Die optimale Codierung lexikalischer Informationen ist eine essentielle Voraussetzung für einen jeden syntaktischen Derivationsprozeß9, der auf PF und LF konvergieren soll. Aus diesem Grunde wird im folgenden ein Grundsatz der optimalen Codierung formuliert: (14)
Grundsatz der optimalen Codierung Alle idiosynkratischen Informationen, die lexikalische Einheiten beinhalten, müssen innerhalb des minimalistischen Lexikons optimal codiert sein.
Bei der Spezifikation lexikalischer Einheiten spielen Merkmale eine entscheidende Rolle (Chomsky 1995 : 230 f., Rauh 2000). Der Lexikoneintrag eines jeden Lexems beinhaltet phonologische, (morpho-)syntaktische und semantische Informationen, die nach Chomsky (1995) in Gestalt von Merkmalmengen rerpräsentiert werden sollten. Diese Überlegungen führten zur Postulierung der bereits in Abschnitt 2.1 erwähnten merkmalorientierten Bare Phrase Structure-lheonz, die einen Verzicht auf die traditionellen Kategorienbezeichnungen Ν, A, V und Ρ anstrebt. Die für die Beschreibung lexikalischer Einheiten relevanten Merkmale werden jedoch von Chomsky (1995 : 230 ff.) nur unzureichend definiert. Ein Nomen wie airplane verfügt beispielsweise über phonologische Merkmale wie [begins with vowel] und über semantische Merkmale wie [artifact], die auf PF bzw. LF zu interpretieren sind. Bezüglich der formalen, d. h. morpho-syntaktischen Merkmale differenziert Chomsky (op. cit.) zwischen intrinsischen und optionalen Merkmalen, die im folgenden vorgestellt werden sollen.
2.3.1
Intrinsische Merkmale
Intrinsische formale Merkmale FF(LI) sind morpho-syntaktische, d. h. für CHL relevante Merkmale, die inhärente Eigenschaften lexikalischer Einheiten beschreiben. Nach Chomsky (1995 : 231) verfugt ζ. B. das Nomen airplane über die intrinsischen Merkmale [nominal], [- human] und [3 person], während das Verb build für [verbal] und [assign accusative] spezifiziert ist. Rauh (2000 : 6) weist jedoch zu Recht darauf hin, daß kategoriale Merkmale wie [nominal] oder [verbal], denen Chomsky vermutlich noch [adjectival] und [prepositional] hinzufügen würde, innerhalb des Minimalistischen Programms unzulässig sind, Der Terminus "Derivation" ist hier im Sinne von "Ableitung eines Satzes" zu verstehen.
20
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da sie weder auf PF noch auf LF interpretierbar sind und auch keine grammatischen Merkmale darstellen, die nach erfolgtem Checking gelöscht werden können. Ferner stehen kategoriale Merkmale dieser Art, die im übrigen durch andere Merkmale vorhersagbar sind und keinen Unterschied zu der herkömmlichen Notation Ν, A, V, Ρ erkennen lassen, in Widerspruch zu der Bare Phrase Structure-Theorie, deren Ziel ja gerade darin besteht, kategoriale Etiketten durch intrinsische Merkmale zu substituieren. Um echte intrinsische Merkmale handelt es sich hingegen bei Angaben wie [α human] (d. h. [+ human] bzw. [- human]), [3 person] oder [assign accusative]. Diese Merkmale, die natürlich noch ergänzungsbedürftig sind, beschreiben in der Tat typische Eigenschaften der lexikalischen Einheiten, die traditionell als Nomen oder Verben bezeichnet werden und lassen somit kategoriale Informationen wie Ν bzw. [nominal] oder V bzw. [verbal] endgültig redundant werden. Im Hinblick auf die hier zu untersuchenden deutschen und englischen Personenbezeichnungen sollen an dieser Stelle bereits weitere intrinsische Merkmale, welche die Zugehörigkeit von Lexemen zu der traditionellen Kategorie Ν implizieren, identifiziert werden. Einige dieser Merkmale wurden bereits von Chomsky (1965 : 82 ff.) eingeführt und sind daher nicht neu. 2.3 .1.1 Intrinsische Merkmale von Nomen Der Lexikoneintrag eines Lexems der traditionellen Kategorie Ν sollte in erster Linie Aufschluß darüber geben, ob ein Appellativum (common noun), ζ. Β. book, oder ein Eigenname (proper noun), ζ. Β. London, vorliegt. Diese Informationen sind in einem Merkmal [α common] codiert, dessen Wert für jedes Nomen individuell spezifiziert werden muß. Das Lexem book erhält in seiner Eigenschaft als Appellativum das Merkmal [+ common], während London als [- common] ausgewiesen wird. Hierbei handelt es sich um ein binäres Merkmal, das entweder einen positiven oder einen negativen Wert erhält und das unter morpho-syntaktischem Aspekt für die Wahl des Determinans relevant ist (Quirk et al. 1972 : 59ff".,Radford 1997 : 59 ff ). Sowohl im Englischen als auch im Deutschen unterscheidet sich ein Eigenname insofern von einem Appellativum, als er in der Regel weder Determinantien noch Quantoren selegiert10.
10
Bei geographischen Eigennamen (ζ. B. der Irak, die Schweiz, the Netherlands, Andes) ist der Artikelgebrauch lexikalisiert (Gallmann 1997 : 76).
the
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(15) a. Yesterday I bought
b. Last week I visited
(16) a. Gestern habe ich
b.
Vorige Woche habe ich
21
a book this book two books some books London * a London * the London * some London * two Londons ein Buch gekauft. dieses Buch drei Bücher einige Bücher London besucht. * das London * die Londons * mehrere Londons
Appellativa lassen sich ferner bezüglich der Zählbarkeit (countability) subklassifizieren. Im Gegensatz zu Massen-Nomen (mass nouns) sind Individualnomen (count nouns) u. a. dadurch gekennzeichnet, daß sie durch Numeralia modifiziert werden können. Auch dies gilt gleichermaßen für das Englische und Deutsche. (17) a. Yesterday I bought two books. b. * Yesterday I bought two furnitures. (18) a. Gestern habe ich zwei Bücher gekauft, b. * Gestern habe ich zwei Wäsche gekauft. Diese Beispiele verdeutlichen, daß es sinnvoll ist, zusätzlich zu [α common] ein intrinsisches nominales Merkmal [α count] einzuführen, dessen Wert ebenfalls individuell zu spezifizieren ist. Bei den intrinsischen Merkmalen von Lexemen kann es sich auch um semantische Merkmale handeln, sofern diese für die Syntax relevant sind. Vergleicht man beispielsweise die Appellativa boy und book miteinander, so stellt man fest, daß beide (ζ. B. im Gegensatz zu peace) auf eine konkrete Entität in der außersprachlichen Realität referieren. Diese Eigenschaft soll durch das semantische Merkmal [+ concrete] zum Ausdruck gebracht werden. Ein Unterschied besteht jedoch darin, daß es sich bei dem Referenten von boy um
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ein menschliches Wesen handelt, während book ein unbelebtes Objekt denotiert. Um dieser Tatsache gerecht zu werden, wird hier in Anlehnung an Chomsky (1995 : 231) ein Merkmal [α human] postuliert, dessen Wert im Falle von boy positiv und im Falle von book negativ ist. Aufgrund der Tatsache, daß englische Nomen im Gegensatz zu deutschen Nomen kein grammatisches Genus aufweisen, hängt die Wahl eines Personalpronomens davon ab, ob der Antezedens das Merkmal [+ human] oder [- human] trägt. (19) a. Yesterday Jane met a boy i. He t was sitting on a bench. b. Yesterday Jane bought a table |. She put it \ into her living room. In (19a) referiert das Personalpronomen he auf das Nomen boy, das im Lexikon fur [+ human] spezifiziert ist11. Ausschlaggebend fur die Wahl des maskulinen Personalpronomens ist das natürliche Genus von boy. Der Antezedens von it in (19b), nämlich table, ist hingegen Träger des Merkmals [- human]. Er referiert auf ein unbelebtes Objekt, das kein natürliches Genus aufweist12. Die folgenden Beispiele zeigen, daß deutsche Pronomen auch in bezug auf das grammatische Genus mit ihrem Antezedens übereinstimmen müssen. (20) a. Gestern traf Jane einen Jungen j. Er ι saß auf einer Bank, b. Gestern kaufte Jane einen Tisch i. Sie stellte ihn i in ihr Wohnzimmer. Die Lexikoneinträge deutscher Nomen müssen somit zusätzlich Angaben zum grammatischen Genus erhalten, wobei es sich um idiosynkratische Informationen handelt. Die drei Genera "Maskulinum", "Femininum" und "Neutrum" sollen durch die Merkmalkombinationen [+ masc, - fem], [- masc, + fem] und [-masc, - fem] repräsentiert werden. Ferner wird hier die Auffassung vertreten, daß auch die Argumentstrukturen lexikalischer Einheiten zu den intrinsischen Merkmalen gerechnet werden sollten. Appellativa sind im Gegensatz zu Eigennamen dadurch gekennzeichnet, daß sie die Möglichkeit zur Referenz besitzen und somit ein referentielles Argument aufweisen, das für die Syntax ebenso relevant ist wie die bisher Die Spezifikation des Merkmals [concrete] wird in beiden Sprachen redundant, wenn das Nomen Träger des Merkmals [+ human] ist, zumal menschliche Wesen per se konkrete Entitäten darstellen. Wird unbelebten Objekten im Englischen ein natürliches Genus zugeschrieben, so sind diese als personifiziert zu betrachten. Dies gilt insbesondere für Schiffe, die mit weiblichen Wesen assoziiert werden. Auf Schiffe wird daher mittels femininer Pronomen Bezug genommen (Huddieston 1989 : 290).
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identifizierten morpho-syntaktischen Merkmale. Das referentielle Argument wurde erstmals von Williams (1981b : 86) für Nomina eingeführt und folgendermaßen definiert: "The label R is meant to suggest 'referential', since it is this argument position R that is involved in referential uses of NPs as well." Seit Higginbotham (1985) geht man davon aus, daß die Lizensierung dieses Arguments durch Thetabindung und somit innerhalb der Syntax erfolgt. Die Koindizierung innerhalb des folgenden Strukturbaums zeigt, daß von dem funktionalen Kopf D der DP thetagebunden wird. (21)
DP
this
1
Ν I boy
Hier wird die Menge aller Entitäten, auf die das Prädikat boy zutrifft, durch das Demonstrativpronomen this auf einen bestimmten Jungen reduziert. Der funktionale Kopf D fungiert hier als Operator, da er die Referenz der in der Schwesterposition befindlichen NP einschränkt (Higginbotham 1985, Zwarts 1992, Rauh 1997). Nomina Propria (ζ. Β. Peter, London) stellen hingegen Individuenkonstanten dar und entbehren somit nach Zwarts (1992 : 102) des referentiellen Arguments. Da sie grundsätzlich referieren, benötigen sie kein referenzbestimmendes Determinans. Des weiteren lassen sich lexikalische Einheiten bezüglich ihres Ursprungs klassifizieren - ein Kriterium, das insbesondere fur die Wortbildung relevant ist. Aber auch unter morpho-syntaktischem Aspekt kann die Frage, ob ein heimisches (und somit germanisches) Wort oder ein Lehnwort vorliegt, an Bedeutung gewinnen; so ζ. B. bei der Pluralbildung. Abgesehen von einigen Ausnahmen (ζ. B. men, oxen oder children) wird der Plural im Englischen mit Hilfe des Flexionssuffixes -s gebildet {boys, houses, writers, organizations etc.). Einige Nomina fremden Ursprungs weichen jedoch insofern von dieser Regularität ab, als sie über idiosynkratische Pluralformen verfugen. Hierzu zählen u. a. lateinische Lehnwörter wie curriculum (PI. curricula), syllabus (PI. syllabi) oder fungus (PI. fungi), innerhalb derer die reguläre -s-Affigierung (curriculums, syllabuses, funguses) zwar nicht ungrammatisch, aber stilistisch weniger anspruchsvoll ist. Dies ist auf das intrinsische Merkmal [- Germanic]
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der entsprechenden Lehnwörter zurückzufuhren. Auch das Deutsche verfügt über nicht-heimische Wörter mit idiosynkratischen Pluralformen, ζ. B. Celli
(* Cellos), Boni (* Bonusse), Lexika (* Lexikons) oder Atlanten (* Atlasse). Eine letzte Information, die der Lexikoneintrag eines deutschen oder englischen Nomens beinhalten sollte und die bereits von Chomsky (1995 : 231) eingeführt wurde, ist die Angabe zur Person. Diese wird dann relevant, wenn ein Substantiv durch ein Pronomen substituiert werden soll. Die folgenden Beispiele zeigen, daß sowohl das englische Lexem book als auch dessen deutsche Entsprechung Buch Träger des intrinsischen Merkmals [3 person] sind. (22) a. I bought a book / two books yesterday, b. I bought it / them yesterday. (23) a. Ich habe gestern ein Buch / zwei Bücher gekauft, b. Ich habe es / sie gestern gekauft. An dieser Stelle sollte schließlich noch erwähnt werden, daß Angaben bezüglich des Numerus nach Chomsky (1995 : 236) nur dann in einen Lexikoneintrag einfließen dürfen, wenn es sich hierbei um eine idiosynkratische Information handelt. So ist ζ. B. das englische Nomen scissors inhärent für den Plural markiert, so daß das Merkmal [+ plural] in diesem Falle ein intrinsisches formales Merkmal darstellt. Ansonsten werden φ-Merkmale erst in der Numeration ergänzt (vgl. Abs. 2.3.2). Die in dem vorliegenden Abschnitt identifizierten Merkmale, welche die Zugehörigkeit einer lexikalischen Einheit zu der traditionellen Kategorie Ν implizieren und deren Benennung somit redundant werden lassen, fügen sich nun im Deutschen und Englischen zu den folgenden Merkmalbündeln (sets of formal features FF) zusammen:
( 2 4 ) a.
F F (German nouns)
α common α count α concrete α human α masc α fem () α Germanic 3 person
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b.
FF (English
nouns)
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α α α α
common count concrete human () α Germanic 3 person
Da zahlreiche Verben als Input fur deutsche und englische Personenbezeichnungen dienen, soll im folgenden noch untersucht werden, über welche intrinsischen Merkmale Lexeme der traditionellen Kategorie V verfugen. 2.3.1.2 Intrinsische Merkmale von Verben Zu den intrinsischen formalen Merkmalen von Verben gehören Merkmale, die Aufschluß über die Kasuszuweisungsfähigkeit geben. Während Chomsky (1995 : 231) fur das englische Verb build, das den strukturellen Kasus zuweist, das Merkmal [assign accusative] einfuhrt, ist ζ. B. das deutsche Verb helfen, das inhärent den Dativ zuweist, fur [assign dative] spezifiziert. Informationen dieser Art reichen jedoch fur eine merkmalorientierte Beschreibung englischer und deutscher Verben nicht aus, da auch Präpositionen in beiden Sprachen als Kasuszuweiser fungieren. Ein Merkmal wie [assign accusative] könnte somit auch Zugehörigkeit zu der traditionellen Kategorie Ρ implizieren. Aus diesem Grunde ist es notwendig, zusätzliche Merkmale zu identifizieren, die eindeutig die traditionelle Kategorie V definieren. Lexikalische Einheiten der Kategorie V unterscheiden sich insofern von Nomen, als sie nicht auf Objekte, sondern auf Eventualitäten referieren. Der Begriff "Eventualität" soll hier die aristotelischen Kategorien "Ereignisse" (events), "Vorgänge" (processes) und "Zustände" (states) umfassen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann13. Verben, die Ereignisse bzw. Vorgänge denotieren (ζ. B. build, jump, arrive, grow, schreiben, klopfen, ertrinken, reifen), haben der traditionellen Grammatik zufolge dynamischen Charakter, während Zustandsverben (ζ. B. love, know, see, possess; kennen, denken, glauben, fühlen) durch einen statischen Charakter gekennzeichnet sind (Quirk et al., 1972, Huddieston 1989, Erben 1980 : 62). Während ein Ereignis oder Vorgang eine interne Zeitstruktur (ζ. B. einen Ausgangspunkt, Detaillierte Ausführungen zu Ereignisstrukturen finden sich ζ. B. bei Deutschbein (1939), Vendler (1957), Mourelatos (1978), Binnick (1991) sowie insbesondere bei Engelberg (2000).
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eine Verlaufsphase und ggf. einen Endpunkt) aufweist, ist ein Zustand als zeitlich nicht gliederbares Kontinuum zu verstehen. Aus diesem Grunde erscheinen statische Verben im Englischen gewöhnlich nicht im Progressiv14. (25) a. Jack was reading a book when Jill arrived, b. * Jack is knowing the answer. Auch im Deutschen lassen sich Unterschiede zwischen den beiden Verbklassen konstatieren. So sind statische Verben beispielsweise nicht passivierbar. (26) a. Das Buch wurde von Peter gelesen / gekauft. b. * Das Buch wurde von Peter gekannt / besessen. Ferner lassen sich statische Verben weder im Englischen noch im Deutschen im Imperativ verwenden (ζ. B. * Know the answer! oder * Besitze das Buch!). Verben lassen sich somit in beiden Sprachen durch ein intrinsisches Merkmal [a dynamic] beschreiben, welches entweder einen positiven oder einen negativen Wert erhält. Wie bereits in Abschnitt 2.3.1.1 erwähnt, sollten auch Argumentstrukturen und die damit assoziierten thematischen Merkmale (Θ-Merkmale) lexikalischer Einheiten den intrinsischen Merkmalen zugerechnet werden. Je nachdem, wieviele Entitäten (Individuen bzw. Objekte) an einer durch ein Verb ausgedrückten Eventualität beteiligt sind, differenziert man zwischen einstelligen (z. B. escape·, schlafen), zweistelligen (ζ. B. build, treffen) und dreistelligen Verben (ζ. B. put, geben). Bezüglich der Argumente unterscheidet man nach Williams (1981b) zwischen externen Argumenten15, die in der Syntax als Subjekt realisiert werden und internen Argumenten, welche im Komplementbereich des Verbs angesiedelt sind (ζ. B. direktes Objekt, indirektes Objekt, adverbiale Ergänzungen). Des weiteren weisen Verben in ihrer Argumentstruktur insofern ein referentielles Argument auf, als sie Eventualitäten denotieren. Da Eventualitäten zeitlich verankert sind, indem sie in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft stattfinden, wird in der Syntax durch den
Nur in spezifischen Kontexten ist eine Verwendung statischer Verben im Progressiv möglich (vgl. diesbzgl. Abs. 3.4.1.2). Der Begriff "externes Argument" entstand aufgrund der Tatsache, daß Subjekte noch bis zur früheren PPT in der Spezifikatorposition der IP generiert wurden und somit außerhalb der VP lagen. Heute geht man davon aus, daß Subjekte innerhalb der Spezifikatorposition der VP entstehen (VP-internal Subject Hypothesis).
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funktionalen Kopf Τ der Tempusphrase (TP)16 thetagebunden und auf diese Weise lizensiert (Higginbotham 1985, Zwarts 1992, Rauh 1997). (27)
TP
V
b. -ness:
[[X] A #ness] N ]A
]N
Die Flexionsmorphologie bildet einen ebensowichtigen Bestandteil des Lieberschen Lexikons wie die Wortbildung. Jede größere syntaktische Kategorie (Ν, A, V) unterteilt sie in lexikalische Klassen, die aus Wurzeln und Stämmen bestehen und über morpho-lexikalische Regeln definiert werden (Lieber 1981 : 10 ff). Im Lateinischen bilden Verben beispielsweise aufgrund ihres Stammvokals lexikalische Klassen, die traditionell als Konjugationsklassen bezeichnet werden. Eine Klasse bilden u. a. die verbalen Wurzeln mon, deb und hab der Verben monere, debere und habere, die aufgrund einer morpholexikalischen Regel X ~ Xe zu Präsensstämmen auf -e erweitert werden, ζ. B. mone-δ, mone-s, mone-t, mone-mus, mone-tis, mone-nt. Diese Verbklasse bezeichnet Lieber (1981 : 25) als Klasse 2. (50) CLASS 2:
morpholexical rule X ~ Xe roots: stems:
mon, deb, hab mone, debe, habe
Auch die in den weiteren Konjugationsklassen enthaltenen Wurzeln werden durch morpho-lexikalische Regeln (X ~ Xä, X ~ Xi, X ~ Xi) in Beziehung zu den entsprechenden Präsensstämmen gesetzt. Analog zur Flexionsmorphologie postuliert Lieber auch lexikalische Klassen für die Wortbildungskomponente. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß Aronoff (1976) dem Morphem -ation u. a. die beiden Allomorphe -ion und -tion zuordnet, deren Realisierung durch eine Allomorphieregel, die Bezug auf den Auslaut der lateinischen Basis nimmt, determiniert wird (vgl. Abs. 2.4.2.1). Lieber (1981 : 141 f.) geht hingegen davon aus, daß im Englischen nur ein invariables Suffix -ion existiert, welches mit unterschiedlichen Stammallomorphen23 kombiniert werden kann (ζ. B. product-, prescript-, permis-). Diese bilden jeweils mit einem weiteren Stammallomorph, dem sie durch eine morpholexikalische Regel zugeordnet werden, die folgenden lexikalischen Klassen:
Der Begriff "Stammallomorph" ist hier aus Gründen, die in Abschnitt 2.4.2.3 dargelegt werden sollen, inadäquat.
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46 (51)
Class a: Xduce ~ Xduct {(produce, product), (conduce, conduct), (induce, induct), (reduce, reduct),...} Class b:
Xscribe ~ Xscript {(prescribe, prescript), (inscribe, inscript), (describe, descript),...}
Class c:
Xmit ~ Xmis {(permit, permis), (commit, commis), (transmit, transmis),...}
Class d:
X~Xate {(form, formate), (represent, representate), (procrastin, procrastinate) (evapor, evaporate],...}
(Lieber 1981 : 141 f.) Diese Klassen sind im Gegensatz zum Lateinischen, wo jedes Verb einer bestimmten Klasse angehört, in sich geschlossen. Jedes Stammallomorph-Paar (ζ. B. (permit, permis)) enthält einen Stamm, der nicht isoliert auftreten kann und daher für ein Suffix subkategorisiert ist:
(52)
product prescript permis formate evapor
/ _
]X
(Lieber 1981 : 142)
Die Subkategorisierungsrahmen der relevanten Suffixe (neben -ion gehören auch -ive, -ant und -able dazu) geben wiederum Aufschluß darüber, welches der Stammallomorphe jeweils zu selegieren ist.
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2.4.2.3 Bewertung der beiden generativen Ansätze Die in den beiden vorangegangenen Abschnitten dargelegten Theorien der Autoren Aronoff und Lieber gewähren gleichermaßen einen tiefgreifenden Einblick in Wortbildungsprozesse. Unterschiede sind im wesentlichen auf die verschiedenartige Konzeption des Lexikons zurückzufuhren. Während Aronoff sämtliche Affixe erst durch Wortbildungsregeln einführt, bilden diese in Liebers Theorie einen festen Bestandteil des Lexikons. Nun gilt es zu überlegen, welche Konsequenzen die unterschiedliche Verarbeitung des Wortbildungsmaterials nach sich zieht und welcher der beiden Ansätze eher mit einer minimalistischen Grammatiktheorie in Einklang zu bringen ist. Ausgehend vom Inventar der beiden Lexika sollte man zunächst annehmen, daß ein um Affixe und sonstige gebundene Morpheme reduziertes Lexikon wie das Aronoffsche ökonomischer sei als eines, dessen Inventar aufgrund der Integration von gebundenen Morphemen weitaus reichhaltiger ist. Auf der anderen Seite ist jedoch dieses scheinbar ökonomischere Lexikon auf die Komponente der Wortbildungsregeln angewiesen, wenn komplexere Formen generiert werden sollen. In Liebers Theorie haben sich Regeln dieser Art als redundant erwiesen, da Wortbildungsprozesse durch Subkategorisierungsrahmen und Perkolationsmechanismen gesteuert werden. Nun könnte zugunsten Aronoffs dahingehend argumentiert werden, daß Wortbildungsregeln sowohl eine produktive als auch eine analytische Funktion besitzen, da sie zum einen komplexe Wörter erzeugen können und andererseits auch dazu fähig sind, als Redundanzregeln aufzutreten, um bereits existierende Wörter zu analysieren, d. h. ihre Bestandteile transparent zu machen. Über die gleiche Doppelfunktion verfugen allerdings auch Liebers Lexikoneinträge für Affixe, und zwar insbesondere die Subkategorisierungsrahmen. Möchte man ein existentes Derivat analysieren, so genügt es, den Subkategorisierungsrahmen des in diesem Derivat enthaltenen Affixes zu untersuchen und den einstigen Wortbildungsprozeß zu rekonstruieren. Unter diesem Aspekt ist eine Theorie, die ohne Regelwerk die gleichen Effekte erzielt wie ein regelgesteuerter Ansatz, weniger kostspielig und somit eher vereinbar mit dem Minimalistischen Programm, das auf jegliche Redundanz verzichtet. Zunächst sei jedoch noch einmal der Grundgedanke der Aronoffschen Wortbildungstheorie aufgegriffen. Aronoff war zu der durchaus einleuchtenden Erkenntnis gelangt, daß das einzelne Morphem zumindest unter synchronem Aspekt nicht immer mit einer Bedeutung assoziiert werden kann und somit nicht grundsätzlich als minimal meaningful element definiert werden sollte. Diese Feststellung veranlaßte ihn zu einer Revision des Morphembegriffs, die an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden soll: "A morpheme is a phonetic string which can be connected to a linguistic entity outside that string. What is important is not its meaning, but its arbitrariness." (Aronoff 1976 : 15) Diese
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Definition des Morphems steht in keinem Widerspruch zu der von Lieber entwickelten Theorie. Die Tatsache, daß Lieber Lexikoneinträge für gebundene Morpheme mit all ihren idiosynkratischen Eigenschaften vorsieht, impliziert in keiner Weise, daß jedes Morphem eine Bedeutung tragen muß. Andererseits räumt ihre Theorie aber auch ein, daß ein Morphem bedeutungstragend sein kann. In diesem Falle wird die Bedeutung als idiosynkratische semantische Information im Lexikoneintrag des entsprechenden Morphems ausgewiesen. Ein weiterer, wesentlicher Vorteil der Lieberschen Theorie besteht darin, daß Adjustment Rules, die nach der Anwendung von Wortbildungsregeln operieren, redundant werden. Der Grund hierfür liegt darin, daß Liebers Affixe direkten Zugriff auf gebundene Wurzeln bzw. Stämme haben, weil diese ebenfalls über Lexikoneinträge verfügen. Ein Suffix wie -ee kann beispielsweise direkt die gebundene Wurzel nomin- selegieren, so daß hier nicht die Notwendigkeit besteht, zuerst den Infinitiv nominate in seinen Subkategorisierungsrahmen einzufügen und diesen alsdann mittels Truncation um die Infinitivendung -ate zu reduzieren. Dieser positive Aspekt des morphembasierten Ansatzes erweist sich insbesondere bei der Beschreibung deutscher Wortbildungsprozesse als vorteilhaft, da im Deutschen niemals der Infinitiv samt seiner Endung -en als Input für deverbale Derivate dient. Dies wird deutlich, wenn man die beiden folgenden Strukturen miteinander vergleicht: (53) a. [[fahr-]v
-er]N b.
* [[fahren]v
-er]N
Dieser Sachverhalt soll hier durch das Prinzip des gebundenen verbalen Wortmodifikators24 (bound verbal w-modifier principle), das folgendermaßen lautet, zum Ausdruck gebracht werden: (54) Prinzip des gebundenen verbalen W-Modifikators Der W-Modifikator eines deverbalen deutschen Derivates wird niemals durch den Infinitiv realisiert, sondern liegt stets in gebundener Form vor.
Der Aronoffschen Theorie zufolge müßte jede deverbale Ableitung im Deutschen durch eine Stutzungsregel korrigiert werden, zumal Affixe keinen Zugriff auf gebundene Morpheme haben.
Für die modifizierende Konstituente (engl, nonhead) eines komplexen Wortes wird hier bewußt der Begriff "Wortmodifikator" (= W-Modifikator) eingeführt, um diese terminologisch von dem Modifikator einer syntaktischen Phrase abzugrenzen.
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Nicht nur die Stutzungsregeln, sondern auch die Allomorphieregeln erweisen sich in einer morphembasierten Wortbildungstheorie als redundant, da nicht die Suffixe, sondern die Einheiten, die Lieber (1981 : 141 f.) als "Stämme" bezeichnet, Allomorphie reflektieren (ζ. B. produce, product). Diese sind in lexikalischen Klassen angeordnet und stehen für die Selektion durch entsprechende Suffixe bereit. Ein Suffix wie -ion ist somit nicht etwa für eine Wurzel wie -duct-, sondern für komplexere Einheiten wie product-, induct- oder reduct-, die im Englischen lexikalisiert sind, subkategorisiert. Da das letzte Phonem dieser entlehnten lexikalischen Einheiten durch den stimmlosen dentalen Verschlußlaut / t / repräsentiert wird, erübrigt sich die Postulierung eines Suffixallomorphs -tion. An dieser Stelle sollte jedoch darauf hingewiesen werden, daß Liebers Verwendung des Begriffs "Stamm" unter synchronem Aspekt, d. h. bezogen auf das Neuenglische und Neuhochdeutsche, korrekturbedürftig ist. Wie bereits in Abschnitt 2.4.2.2 (Fußnote 22) angedeutet, sollten die Formen produce product, inscribe - inscript etc. nicht als Stammallomorphe bezeichnet werden. Unter diachronem Aspekt stellen Bildungen wie prödüc- : product-, redüc- : reduct-, Inscrib- : Inscript- etc. lateinische Präsens- bzw. Perfektpassivstämme dar, die in der Tat Stammallomorphie reflektieren (vgl. diesbzgl. auch Abs. 7.4.1.1 und 7.4.1.2). Außerdem sind sie in der Quellsprache morphologisch komplex, indem sie als "Präfix + Wurzel" analysierbar sind und verfugen häufig über eine kompositioneile Bedeutung (ζ. B. pro "vor" + dücere "fuhren" —> prödücere "vorfuhren"). Ebenso wie Aronoff (1976) vertritt jedoch auch Lieber den durchaus akzeptablen Standpunkt, daß die hier im Vordergrund stehenden lateinischen Entlehnungen unter synchronem Aspekt nicht als "Präfix + Wurzel" (ζ. B. pro + duce, pro + duct), sondern als Einheit (ζ. B. produce, product) im englischen Lexikon repräsentiert werden sollten. Diese Einheiten, die wiederum fur weitere Derivationsprozesse (ζ. B. -er oder -;on-Affigierung) zur Verfugung stehen, bezeichnet sie ebenso wie in der Quellsprache als "Stämme". Der Begriff "Stamm" ist jedoch unter synchronem Aspekt zumindest in bezug auf die jeweils markierte Variante der Allomorphpaare aus zweierlei Gründen etwas unglücklich gewählt. Zum einen verstößt Lieber hier gegen ihre eigene Definition des Stammbegriffs als "morpheme whose lexical entry does not subcategorize another morpheme" (1981 : 37), indem sie annimmt, daß "nonoccurring stems" (1981 : 142) wie product, inscript etc. fur Suffixe subkategorisiert sind. Zum anderen sind Formen wie produz- : produkt-, inspiz: inspekt-, konstru- : konstrukt- etc. auch ins Deutsche entlehnt worden. Sie lassen sich schwachen Verben der Struktur X-ier-en zuordnen (ζ. B. produzieren, inspizieren, konstruieren) und treten in Derivaten wie Produzent, Produktion, Inspekteur, Inspektor, konstruktiv etc. auf. Die Bezeichnung dieser entlehnten Einheiten als "Stämme" wäre hier in besonderem Maße inadäquat, da der Stamm eines jeden deutschen Verbs der Struktur X-ier-en auf -ier- ausgeht
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Der theoretische Rahmen
(ζ. B. ich inspizier-e, er inspizier-te, wir inspizier-te-ri). Aus den soeben genannten Gründen wird hier vorgeschlagen, für die besagten lateinischen Präfixstämme, die als Input für englische und deutsche Wortbildungsprozesse dienen, den neutralen Begriff "Basis" (im Sinne von "derivationally analysable form to which derivational affixes are added" (Bauer 1993 : 21)) zu verwenden. Dieser Begriff trägt der Tatsache Rechnung, daß hier strukturell analysierbare Formen ohne kompositioneile Bedeutung vorliegen, die im englischen und deutschen Lexikon bereits in zusammengesetzter Form erscheinen. Das von Lieber beobachtete Phänomen der Stammallomorphie wird hier entsprechend in Basisallomorphie (base allomorphy) umbenannt. Trotz dieser kleinen terminologischen Anmerkung kann als Ergebnis der vergleichenden Bewertung beider Ansätze festgehalten werden, daß eine Theorie, die Wortbildungsprozesse auf der Grundlage von Subkategorisierungsrahmen, Perkolationsmechanismen und lexikalischen Strukturbäumen durchführt, unter minimalistischem Aspekt einer regelgesteuerten Wortbildungstheorie vorzuziehen ist, denn das höchste Ziel des Minimalistischen Programms besteht in der Eliminierung jeglicher Redundanz. Obwohl im folgenden noch einige Änderungen vorgeschlagen werden sollen, bilden die Grundgedanken der von Lieber (1981) entwickelten Theorie eine geeignete Basis für eine kontrastive Analyse deutscher und englischer Derivationsprozesse. Nichtsdestoweniger sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die hier angestrebte minimalistische Wortbildungstheorie nicht strikt morphembasiert ist. In dem folgenden Abschnitt, der einen ersten Einblick in die Organisation eines universalen minimalistischen Lexikons gewähren soll, wird sich herausstellen, daß die Interaktion zwischen Morphemen und Wörtern, die hier als Lexeme definiert werden, eine wesentliche Rolle spielen wird.
2.5
Die Organisation des minimalistischen Lexikons
2.5.1 Der schematische Aufbau Das minimalistische Lexikon, das dem Computational System CHL vorgeschaltet ist und im folgenden schematisch dargestellt werden soll, setzt sich aus mehreren interagierenden Komponenten25 zusammen, die für eine optimale Codierung lexikalischer Einheiten sorgen. Den Ausgangspunkt für sämtliche morphologischen Prozesse bilden die Lexikoneinträge von Lexemen.
Die in dem folgenden Schema enthaltenen Protokategorien werden in Abschnitt 2.6.3 vorgestellt.
Der theoretische Rahmen
51
NUMERATION
Eine Besonderheit des minimalistischen Lexikons besteht darin, daß Wurzeln, Stämme und Basisallomorphe in die Merkmalbündel der zu realisierenden Lexeme integriert werden. Somit hat beispielsweise das englische Suffix -ee direkten Zugriff auf die im Merkmalbündel des Verbs nominate enthaltene Wurzel nomin-. Ein Vorteil dieser Repräsentationsweise besteht darin, daß sowohl Adjustment Rules (AronofF 1976) als auch lexikalische Klassen (Lieber 1981) redundant werden. Entscheidend ist ferner, daß die Wurzel die gleiche Bedeutung trägt wie das zu realisierende Lexem, wodurch eine Bedeutungszuweisung an Morpheme fremden Ursprungs entfällt. Die in den Lexikoneinträgen spezifizierten morphologischen Bausteine werden im Sinne der Lexikalischen Phonologie (vgl. Abs. 2.4.1.2) auf drei Ebenen zu morphologischen Objekten, d. h. zu komplexen Wörtern (Derivate und Komposita) bzw. zu flektierten Wortformen verarbeitet. Jede flektierte Wortform muß sich in ein Flexionsparadigma fugen, um für den Eintritt in die Syntax lizensiert zu sein (Wunderlich 1995). Aus diesem Grunde interagieren die drei Ebenen des Lexikons mit entsprechenden Flexionsparadigmata. Neue komplexe Wörter erhalten nur dann eigene Lexikoneinträge, wenn sie in den allgemeinen Sprachgebrauch eingehen und somit eine Lexikalisierung erfahren.
Der theoretische Rahmen
52
Da das Lexikon fertige, d. h. vollständig spezifizierte "Produkte" für die Syntax bereitzustellen hat, muß sowohl eine phonetische als auch eine logische Form lexikalischer Einheiten (PFLI) LF U ) vorhanden sein, die rein lexikalische Schnittstellen (Lexical Interface Levels) bilden und nicht mit der phonetischen bzw. logischen Form der Syntax zu verwechseln sind. PFLI ist beispielsweise fur die Umsetzung der zyklisch operierenden phonologischen Regeln (Umlaut, Akzentverschiebung, Palatalisierung etc.) sowie für die Erstellung phonologischer Matrizes (vgl. Abs. 2.5.2.1) verantwortlich, während LF U semantische Merkmale interpretiert und Bedeutungspostulate erstellt. Obwohl beide Komponenten, die auch Bierwisch (1997) skizziert und die ebenso wie PF und LF der Syntax nur interpretierbare Informationen enthalten dürfen (Principle of Full Interpretation), wesentliche Bestandteile des minimalistischen Lexikons bilden, können sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht genauer untersucht werden, da sie über den Bereich der Wortbildung hinausgehen. Stattdessen wird das Wortbildungsmaterial hier mit vortheoretischen phonologischen und semantischen Merkmalen versehen, die lediglich als Anweisungen für die phonologische und semantische Komponente zu interpretieren sind. Innerhalb der beiden Komponenten werden diese Anweisungen decodiert und in phonologische Regeln bzw. Bedeutungspostulate überführt. Von Interesse sind hier in erster Linie die Lexikoneinträge deutscher und englischer Suffixe, die zur Bildung von Personenbezeichnungen dienen und deren Inhalt im folgenden skizziert werden soll.
2.5.2
Der Lexikoneintrag eines Suffixes
Der Lexikoneintrag eines jeden Suffixes beinhaltet die folgenden Informationen: • • • • • • •
orthographische Repräsentation phonologische Repräsentation ggf. phonologische Merkmale intrinsische formale Merkmale Subkategorisierungsrahmen ggf. semantische Merkmale Derivationsklasse
Diese sollen in den folgenden Abschnitten kurz vorgestellt werden.
Der theoretische Rahmen
53
2.5.2.1 Orthographische und phonologische Repräsentation Im Gegensatz zu der orthographischen Repräsentation, die lediglich Graphemsequenzen anzeigt, gibt die phonologische Repräsentation Aufschluß über die lautliche Zusammensetzung und somit über die Phonemsequenzen von Lexemen und Morphemen. Phoneme sind die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten einer Sprache, die bei der Artikulation durch Phone realisiert werden. Jeder Vokal und jeder Konsonant setzt sich aus distinktiven Lautmerkmalen zusammen, die auf P F L I identifiziert und in Form einer phonologischen Matrix repräsentiert werden. Das deutsche Suffix -ner verfugt ζ. B. im Lexikon über die abstrakte phonologische Repräsentation /nar/. Das Phonem / n / , das den Anlaut dieses Suffixes bildet, wird auf PFLI mit Merkmalen wie [+ consonantal], [+ nasal] und [+ coronal] assoziiert, die seine phonologische Beschaffenheit präzisieren. Analog dazu werden auch die Phoneme / a / und / r / dekomponiert26. Phonologische Prozesse, die Suffixe zuweilen auslösen, werden hier nicht als Regeln, sondern in Form von vortheoretischen Merkmalen wie [+ Umlaut] oder [+ stress shift], die auf PF U in entsprechende Regeln zu überfuhren sind, repräsentiert. Von besonderer Wichtigkeit fur die Interpretation eines Suffixes auf PFL] sind die Angaben bezüglich der Affixklasse (vgl. Abs. 2.4.1.2). Diese wird hier in Gestalt der Symbole "+" (Klasse I) und "#" (Klasse Π), die der Phonemsequenz des Suffixes vorangehen, spezifiziert, ζ. B. / # nar/. Die von Lieber (1981) verwendeten diakritischen Zeichen [Level I] bzw. [Level Π] werden somit redundant. 2.5.2.2
Das Merkmalbündel
In Abschnitt 2.3 wurde ausfuhrlich dargelegt, daß ein wesentliches Ziel des MPs in der Eliminierung der traditionellen syntaktischen Kategorien (Ν, A, V, P) zugunsten von Merkmalmengen besteht. Dieses Bestreben ist mit positiven Effekten für die Beschreibung von Suffixen verbunden, da diese in ihrer Eigenschaft als gebundene Morpheme zwar über formale morpho-syntaktische Merkmale verfügen, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten syntaktischen Kategorie implizieren, aber keine vollwertigen, d. h. für die Syntax zur Verfügung stehenden Lexeme dieser Kategorie darstellen. Ein Suffix wie -er kann somit trotz seiner eindeutig nominalen Merkmale weder im Deutschen In neueren Ansätzen sind phonologische Matrizes von Konsonanten und Vokalen unterspezifiziert, indem sie lediglich die Merkmale ausweisen, die nicht durch andere vorhersagbar sind; vgl. ζ. B. Yu (1992) und Wiese (1996) bzgl. des Deutschen sowie Spencer (1997) bzgl. des Englischen.
54
Der theoretische Rahmen
noch im Englischen mit dem Etikett Ν versehen werden. Das gleiche gilt für alle anderen hier zu untersuchenden Suffixe, die zur Bildung von Personenbezeichnungen dienen. Aus diesem Grunde soll der Lexikoneintrag eines jeden Suffixes, das in Personenbezeichnungen auftritt und somit nominalen Charakter hat, ein Merkmalbündel (set of formal features FF) mit den in Abschnitt 2.3.1.1 identifizierten und im folgenden unter (56) wiederholten Merkmalen ausweisen. ( 5 6 ) a . F l 1 "nominal German suffixes"
α α α α α α
common count concrete human masc fem
α Germanic 3 person
b- F F "nominal English suffixes"
α α α α
common count concrete human
α Germanic 3 person
Da Suffixe innerhalb von Derivaten in der Regel die Kopfposition einnehmen, werden diese individuell zu spezifizierenden Merkmale (anstelle eines Etiketts N) gemäß der zweiten Lieberschen Perkolationskonvention (vgl. Abs. 2.4.2.2) auf das komplexe Wort übertragen. 2.5.2.3 Der Subkategorisierungsrahmen als Wortbildungskomponente und morphologische Checking-lnstanz Analog zu Lieber (1981) werden die morphologischen Anforderungen, die ein Suffix an seine Basis stellt, innerhalb des minimalistischen Lexikons nicht durch Wortbildungsregeln, sondern durch Subkategorisierungsrahmen spezifiziert. Die von einem Suffix bevorzugten lexikalischen Einheiten werden jeweils anhand von keineswegs vollständigen, aber dennoch repräsentativen Datenmengen ermittelt. Läßt eine Datenmenge beispielsweise erkennen, daß ein Suffix ausschließlich oder zumindest bevorzugt in Verbindung mit nominalen Basiselementen auftritt, so ist es in Liebers (1981) Terminologie für Nomen subkategorisiert. Dies gilt ζ. B. für das deutsche Suffix -ler, das in Bildungen wie Tischler, Rohköstler oder Dörfler auftritt. Allerdings werden innerhalb des minimalistischen Lexikons sowohl der Input als auch der Output nicht durch kategoriale Etiketten (ζ. B. -ler: ]N ]N), sondern in Form von Merkmalmengen repräsentiert. Die Basiselemente von -ler verfügen beispielsweise über nominale Merkmale wie [+ common], [+ count], [+ concrete] etc., die nunmehr anstelle von Ν den Input für neue -ler-Derivate detailliert definieren. Verbale und adjektivische Basiselemente werden entsprechend über verbale bzw. adjektivische Merkmalmengen definiert. Selegiert ein Suffix Basiselemente
Der theoretische Rahmen
55
unterschiedlicher "Kategorien", so ist sein Subkategorisierungsrahmen zweioder mehrteilig. Dies ist ζ. B. bei dem deutschen und englischen Suffix -ling, das für Basiselemente der traditionellen Kategorien Ν, Α und V subkategorisiert ist, der Fall. Der Output eines Derivates wird durch die formalen Merkmale des Suffixes (ζ. B. -ler) determiniert. Um eine doppelte Auflistung dieser Merkmale zu vermeiden, wird hier durch eine Notation wie "...] ] FF (IER" Bezug auf das Merkmalbündel des jeweiligen Suffixes genommen. Wie bereits angedeutet, haben Suffixe direkten Zugriff auf Wurzeln, Stämme und Basisallomorphe, da diese in den Merkmalbündeln der entsprechenden Lexeme repräsentiert sind. Die lexikalische Einsetzung erfolgt durch zwei morphologische Operationen, die hier als SELECT und INSERT bezeichnet werden sollen. Die Operation SELECT sorgt dafür, daß ein Suffix eine gegebene Basis aus dem Lexikon selegiert. Diese wird alsdann mittels der Operation INSERT in den entsprechenden Teil des Subkategorisierungsrahmens eingefugt. Erfüllt die Basis die morphologischen Anforderungen, die das Suffix in seinem Subkategorisierungsrahmen spezifiziert, so ist sie lizensiert und es entsteht ein wohlgeformtes Derivat. Die Einsetzung einer morphologisch inadäquaten Basis fuhrt hingegen zu einem morphologischen Crash. Innerhalb der Wortbildung durch Derivation sind es also die Subkategorisierungsrahmen, die als Checking-lnstanz fungieren und somit eine Aufgabe übernehmen, die im Bereich der Flexion (Wunderlich 1995) den Paradigmata zukommt. Im Gegensatz zur Syntax erfolgt die Überprüfung von Merkmalen allerdings in beiden Bereichen ohne Bewegung einer lexikalischen Einheit, so daß der von Chomsky (1995) eingeführte Begriff "Checking" hier nur im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Eine dritte und letzte Aufgabe der Subkategorisierungsrahmen von Suffixen besteht neben "Generierung " und "Checking" in der Analyse lexikalisierter, d. h. aus dem Lexikon abrufbarer Derivate, denn ebenso wie die von AronofF (1976) postulierten Wortbildungsregeln erlauben auch die Subkategorisierungsmerkmale von Suffixen die Rekonstruktion einstiger Derivationsprozesse. Ein Problem besteht lediglich darin, daß die Subkategorisierungsrahmen der Suffixe übergenerieren, indem sie auch solche Derivate erzeugen, die zwar den Anforderungen der Suffixe gerecht werden und somit morphologisch wohlgeformt sind, aber in der zu untersuchenden Sprache nicht existieren. Der hier vorgesehene Mechanismus zur Beschränkung der Menge aller möglichen Derivate wird in Abschnitt 2.5.2.5 vorgestellt.
Der theoretische Rahmen
56 2.5.2.4
Semantische Merkmale
Wie bereits in Abschnitt 2.5.1 angedeutet, enthält der Lexikoneintrag eines Suffixes mitunter semantische Merkmale, die Anweisungen fiir LF U darstellen. Hierzu zählen Angaben wie [habitual], [pejorative], [diminutive] etc., die bei der Bildung von Neologismen optional aktiviert werden können. Für CHL sind Merkmale dieser Art irrelevant, da sie nicht morpho-syntaktischer Natur sind. Auf LFLI erfolgt ferner die Erstellung von Bedeutungspostulaten im Sinne der Formalen Semantik. Ein Nomen Ageniis wie swimmer würde beispielsweise folgendermaßen repräsentiert werden: (57) swimmer' λχ λΙΙ [SWIMMER (R, χ)] Die obige Notation gibt Aufschluß darüber, daß das referentielle und das externe Argument des Derivates auf LF U durch den λ-Operator gebunden werden (Lambda-Abstraktion), wodurch ein wahrheitswertfähiger Ausdruck entsteht. Bedeutungspostulate, die hier nicht näher erörtert werden können, dienen dazu, "von außersprachlichen Tatsachen unabhängige, analytische Bedeutungswahrheiten auszudrücken, die mit bestimmten semantischen Ausdrücken verknüpft sind." (Engelberg 2000 : 18)
2.5.2.5
Derivationsklassen und Produktivität
Der Begriff der Derivationsklasse bzw. Wortbildungsklasse wird hier neu eingeführt und bezeichnet die Menge aller Derivate, die mit Hilfe eines bestimmten Affixes gebildet werden. Der Zweck der Postulierung derartiger Klassen besteht darin, Aufschluß über die Produktivität eines Affixes zu geben. In den meisten Sprachen existieren Affixe, die mit hoher Frequenz in lexikalisierten Derivaten auftreten und auch häufig zur Bildung von Neologismen verwendet werden. Andere Affixe sind hingegen weniger produktiv bzw. unproduktiv. Lieber (1992 : 3) definiert Produktivität in Anlehnung an Schultink (1961) folgendermaßen27 : (58)
By productivity as a morphological phenomenon we understand the possibility for language users to coin, unintentionally, a number of formations which are in principle uncountable.
Es handelt sich hierbei um die von van Marie (1985 : 4) ins Englische übersetzte Version der von Schultink in Niederländisch formulierten Definition des Produktivitätsbegriffs.
Der theoretische Rahmen
57
Entscheidend ist hierbei, daß produktive Wortbildungsprozesse unbeabsichtigt bzw. unbewußt vonstatten gehen. Wird hingegen ein bestimmtes Wortbildungsmuster bewußt eingesetzt, um die Aufmerksamkeit anderer Sprecher auf das neugebildete Wort zu lenken, so liegt morphologische Kreativität vor. Als Beispiel hierfür wäre das Adjektiv unkaputtbar zu nennen, das einst für Werbezwecke kreiert wurde und aufgrund seiner adjektivischen Basis (das Suffix -bar zeigt eine eindeutige Präferenz für Verben) markiert ist. Kreativität führt im Gegensatz zu Produktivität nur zur Bildung einer begrenzten Anzahl von Neologismen (Lieber 1991 : 3 f.). An dieser Stelle sollte jedoch darauf hingewiesen werden, daß der Produktivitätsbegriff ein relativer Begriff ist, der für jedes Affix auf der Grundlage von Korpusanalysen definiert werden sollte. Je umfangreicher ein Korpus ist, desto mehr Aussagen lassen sich bezüglich der Frequenz von Affixen innerhalb einer Sprache formulieren. Studien zur Produktivität diverser englischer Affixe wurden beispielsweise von Baayen und Lieber (1991), Kürten (1993), Baayen und Renouf (1996) und Barker (1998) vorgelegt. Da das Datenmaterial der vorliegenden Arbeit jedoch nicht auf elektronischen Korpora, sondern auf traditionellen Nachschlagewerken (ζ. B. rückläufige Wörterbücher, Marchand (1969a) etc.) basiert, können hier lediglich Intuitionen bezüglich der Produktivität von Suffixen zum Ausdruck gebracht werden. Lexika bilden insofern keine optimale Grundlage für die Ermittlung von Produktivitätswerten, als sie zahlreiche Wörter, deren Bedeutung vorhersagbar ist, aus ökonomischen Gründen gar nicht erfassen (Baayen und Renouf 1996). Ferner beinhalten Lexika im Gegensatz zu Korpora, die ζ. B. auf der Grundlage von Zeitungstexten (Barker 1998) erstellt werden, ausschließlich lexikalisierte Derivate, so daß die zahlreichen Neologismen, die beinahe täglich durch die Medien in Umlauf gesetzt werden, unberücksichtigt bleiben. Nichtsdestoweniger lassen auch kleinere Datenmengen bereits erkennen, daß einige Suffixe produktiver sind als andere. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, wird hier angenommen, daß die Derivationsklassen der zu untersuchenden deutschen und englischen Suffixe entweder offen oder relativ geschlossen sind. So ist beispielsweise unumstritten, daß das Suffix -er sowohl im Deutschen als auch im Englischen über einen hohen Produktivitätsgrad verfügt. Aus diesem Grunde bildet es eine offene Derivationsklasse, die jederzeit erweitert werden kann. Auch eine relativ geschlossene Derivationsklasse kann (ggf. durch einige Analogiebildungen) erweitert werden. Dennoch gibt es Indikatoren dafür, daß dies nicht mehr oder nur noch in geringem Maße zu erwarten ist (ζ. B. das Jahr der letzten Neubildung bzw. Entlehnung). Im Gegensatz zu -er ist ζ. B. das deutsche Suffix -ner (Kap. 4) "erstarrt", d. h. unproduktiv geworden. Derivationsklassen werden hier in Form von großen, jeweils mit einigen repräsentativen Basiselementen gefüllten Subkategorisierungsrahmen dargestellt, die entweder Offenheit "..." oder relative Geschlossenheit "... n" implizieren.
Der theoretische Rahmen
58 Der Platzhalter ' das Suffix -ner. (59) a.-er-Class:
repräsentiert unter (59a) das Suffix -er und unter (59b)
FahrDichtSchlossMusik...
b. -«er-Class:
_
RentSchuldGlöck Kürsch... η
Entscheidend ist, daß die Derivationsklassen ausschließlich lexikalisierte Derivate beinhalten dürfen. Auf diese Weise wird die Menge aller möglichen wohlgeformten Derivate, die durch die übergenerierenden Subkategorisierungsrahmen erzeugt werden, beschränkt. Neologismen werden erst dann in eine Derivationsklasse aufgenommen, wenn sie in den aktiven Sprachgebrauch eingegangen und somit ebenfalls lexikalisiert sind. Im Rahmen der kontrastiven Analyse wird sich herausstellen, daß einige Suffixe sowohl über eine offene als auch über eine relativ geschlossene Derivationsklasse verfugen, da sie nur in bestimmten Kontexten produktiv sind.
2.5.3
Die Repräsentation lexikalisierter Derivate
Alle in der Derivationsklasse eines Suffixes enthaltenen Personenbezeichnungen verfugen zusätzlich über separate Lexikoneinträge, die keine redundanten Informationen enthalten dürfen. Im wesentlichen beinhalten diese Einträge daher neben einer phonologischen Matrix Verweise auf die intrinsischen Merkmale des Suffixes sowie auf den Eintrag der Basis bzw. des mit der Basis assoziierten Lexems (related base). Ein Verweis auf die Basis ist allerdings nur dann zulässig, wenn diese einen Bestandteil des Wortschatzes der zu untersuchenden Sprache bildet und somit auch über eine semantische Repräsentation verfugt. Wie schon Aronoff (1976) feststellte, befinden sich insbesondere unter den entlehnten Derivaten solche, die zumindest unter synchronem Aspekt lediglich als "fremde Basis + Affix" analysierbar sind. Dies trifft auch auf diverse deutsche und englische Personenbezeichnungen fremden Ursprungs zu, die hier mangels semantischer Transparenz als strukturell analysierbare Derivate bezeichnet werden sollen (ζ. B. Veterin-är, Port-ier; auth-or, vend-ee). Angesichts der Tatsache, daß Basiselemente dieser Art im Deutschen bzw. Englischen nicht existieren, können die entsprechenden Personenbezeichnungen nur in zusammengesetzter Form erlernt werden. Die jeweilige Bedeutung, die idiosynkratisch ist, sollte innerhalb der Lexikoneinträge dieser Personenbezeichnungen ausbuchstabiert werden, ζ. B. Veterinär [TIERARZT], Ein Verweis auf die intrinsischen Merkmale des
Der theoretische Rahmen
59
Suffixes ist hingegen zulässig, da diese trotz der fremden Basis für das gesamte Derivat prägend sind. Läßt sich die Basis einem Lexem des deutschen oder englischen Wortschatzes zuordnen, so ist das Derivat - sofern es nicht über eine idiosynkratische Bedeutung verfugt - semantisch analysierbar und somit transparent (ζ. B. Fahr-er, Hotel-ier, essay-ist, addressee). Die Bedeutungen transparenter Derivate ergeben sich einerseits aus der semantischen Repräsentation der Basis und andererseits aus thematischen Merkmalen (vgl. diesbzgl. Abschnitt 2.6). Eine weitere Aufgabe der separaten Lexikoneinträge lexikalisierter Derivate besteht in der Ergänzung fehlender Merkmalwerte. Weist der Lexikoneintrag eines Suffixes ein oder mehrere (intrinsische oder auch semantische) Merkmale aus, die noch nicht spezifiziert sind (ζ. Β. [α human]), da sie nicht auf alle Derivate, die dieses Suffix aufweisen, uneingeschränkt zutreffen, so sind diese für jedes Derivat individuell mit positiven oder negativen Werten zu versehen. Das in den vorstehenden Abschnitten skizzierte Format der hier vorgesehenen Lexikoneinträge ist noch recht abstrakt und wird erst im Rahmen der kontrastiven Suffixstudien mit konkretem Inhalt gefüllt. Es sollte jedoch noch erwähnt werden, daß in der vorliegenden Arbeit eindeutig die für Suffixe postulierten Lexikoneinträge im Vordergrund stehen werden. Der separate Eintrag einer abgeleiteten Personenbezeichnung wird nur dann in die Diskussion einbezogen, wenn der Kontext dies erforderlich macht.
2.6
Thematische Relationen in der Wortbildung
2.6.1
Theta-Absorption als morphologische Lizensierung
Nach Higginbotham (1985) muß jedes Element einer syntaktischen Struktur lizensiert sein, d. h. eine Daseinsberechtigung haben. Die Argumente eines lexikalischen Kopfes erhalten ihre Daseinsberechtigung unter Berücksichtigung des Θ-Kriteriums (vgl. Abs. 2.2.2) durch Θ-Markierung, indem ihnen eine Rolle zugewiesen wird. Auf LF wird dann überprüft, ob jedes Argument eine Θ-Rolle erhalten hat bzw. ob jede Rolle vergeben wurde. Innerhalb der Wortbildung werden die Argumente des Basisverbs nicht durch Θ-Markierung, sondern durch Θ-Absorption lizensiert. Jede abgeleitete Personenbezeichnung muß - sofern ihre Bedeutung nicht idiosynkratisch ist über thematische Merkmale verfügen, um auf LFli interpretierbar zu sein. Diese geben Aufschluß darüber, in welcher Relation der Referent der Personenbezeichnung zu der Basis steht. Der morphologische Lizensierungsmechanismus der Θ-Absorption soll kurz anhand eines Beispiels illustriert werden. Das
60
Der theoretische Rahmen
englische Verb drive weist (ebenso wie seine deutsche Entsprechung fahren) in seiner Argumentstruktur neben dem referentiellen Argument ein externes und ein internes Argument auf. Letztere werden mit den traditionellen Θ-Rollen Agens und Thema assoziiert, da ein Ereignis des Fahrens gewöhnlich zwei Entitäten involviert, nämlich denjenigen, der fährt und ein Vehikel, das gefahren wird. Wird nun das Verb drive [,maunti'me]) Der Akzent der ersten Silbe der Basis wird dadurch automatisch zu einem Nebenakzent (secondary stress) reduziert. Die Akzentuierung der Endsilbe des Derivates wird ebenso wie im Deutschen auf PFli durch das Merkmal [attract primary stress], welches die Suffixvarianten in ihren Lexikoneinträgen aufweisen, bewirkt.
Das Lehnsuffix -ier im Deutschen und Englischen
5.6.2
201
Merkmalbündel
Auch im Englischen verfugt das Lehnsuffix -ier in beiden Varianten über die intrinsischen nominalen Merkmale [+ common], [+ count], [+ concrete], [], [- Germanic] und [3 person]. Das Merkmal [+ concrete] bedarf allerdings keiner gesonderten Spezifikation, da es durch [+ human] vorhersagbar ist. Während im Deutschen mehrere Sachbezeichnungen auf -ier existieren (vgl. Abs. 5 .4.2), sind Marchands (1969a : 70) Ausführungen zufolge im Englischen nur zwei Derivate belegt, die in die Klasse der Nomina Instrument! gehören, nämlich gazettier "index of geographica! names" und muffineer "instrument for sugaring muffins". Dem Etymological Dictionary of the English Language zufolge wurde gazetteer jedoch ursprünglich als Personenbezeichnung mit der Bedeutung "a writer for a gazette" verwendet. Die heutige Bedeutung hat sich somit erst später herausgebildet. Bei dem Derivat muffineer, dessen Basis ein weiches, flaches Milchbrötchen bezeichnet, das heiß verzehrt werden sollte, handelt es sich nach Marchand möglicherweise um eine Analogiebildung zu der französischen Form sucrier "Zuckerdose". Diese beiden nicht auf Personen referierenden, lexikalisierten Bildungen, nämlich gazetteer (in seiner heutigen Bedeutung) und muffineer, stellen jedoch Ausnahmen dar, so daß das Merkmal [human] beider Suffixvarianten mit einem positiven Wert versehen werden kann. Selbst bei den neuen amerikanischen Derivaten auf -eer (vgl. Abs. 5.5.2) handelt es sich ausschließlich um Personenbezeichnungen.
5.6.3
Subkategorisierungsrahmen
Aus dem Subkategorisierungsrahmen der Suffixvarianten sollte hervorgehen, daß diese stets nominale Basiselemente selegieren, die durch die Merkmale [+ common], [+ count] und [+ concrete] gekennzeichnet sind, ζ. B. hotel, brigade, chariot, mountain, pistol, routine, engine, mule, auction, profit, patriot, sonnet, pamphlet, garret, pulpit, crotchet etc. Auffällig ist bei diesen Substantiven, daß sie trotz ihrer vollständigen Integration in das neuenglische Vokabular keine heimischen Lexeme darstellen. Unter diachronem Aspekt handelt es sich hierbei um Lehnwörter, die größtenteils lateinischen Ursprungs sind und über das Französische ins englische Lexikon gelangten. Diese Beobachtung erlaubt die Schlußfolgerung, daß -ier bzw. -eer (ebenso wie -ier im Deutschen) vorzugsweise Nomen mit dem Merkmal [- Germanic] selegieren. Auch diese Forderung können sie in ihren Subkategorisierungsrahmen geltend machen. Die Präferenz des Suffixes für nicht-heimische Basiselemente deutet darauf hin, daß die hier im Vordergrund stehenden Personenbezeichnungen trotz ihrer Integration in den englischen Wortschatz, die zweifellos stattgefunden hat, einen etwas fremdartigen
202
Nomina Agentis
Charakter beibehalten haben. Dies ist wiederum darauf zurückzuführen, daß hier trotz der Anglisierung des Suffixes ein ursprünglich französisches Wortbildungsund Intonationsmuster vorliegt.
5.6.4 Proto-Eventualitäten Angesichts der Tatsache, daß -ier und -eer prinzipiell keine Verben selegieren, muß der Mechanismus der thematischen Merkmalabsorption auch hier wieder über das bereits bekannte, fur nominale Basiselemente eingeführte Abbildungsmerkmal [map base [+ common) into Υ11" of a P-Eventuality actionnaire [aksp'ner], Dieser Vorgang wird auf der Ebene der orthographischen Repräsentation durch Gemination des Konsonanten signalisiert und entfallt sowohl im Deutschen als auch (mit Ausnahme von questionnaire) im Englischen, da die Sequenz -ion in beiden Sprachen keinen nasalierten Vokal enthält. Dem Duden Herkunftswörterbuch zufolge wurde eine Reihe von -ärDerivaten im 18. Jhdt. ins Deutsche entlehnt; so ζ. B. Aktionär, Millionär, Milliardär, Volontär (im Sinne von "unbesoldeter Handlungsgehilfe"), Divisionär und auch Sekretär, das im Spätmittelhochdeutschen in Anlehnung an lat. secretärius "der Schreiber" noch als secretari (und somit ohne die maskuline Flexionsendung -us, die im Lateinischen den Nominativ Singular markiert) repräsentiert wurde. Während des 18. Jahrhunderts erreichte der starke französische Einfluß, der bereits den Wortschatz der Alamodezeit entscheidend geprägt hatte, seinen Höhepunkt, denn nicht nur am Hofe Friedrichs II von Preußen, sondern auch im Bürgertum bediente man sich weitgehend der französischen Sprache (v. Polenz 1978 : 107 f.). Die zu jener Zeit herrschende Dominanz des Französischen veranlaßte den in Potsdam weilenden Voltaire im Jahre 1750 zu dem Ausspruch: "Ich befinde mich hier in Frankreich. Man spricht
Im Gegensatz zu den Bildungen auf -ier, denen im Französischen ein feminines Suffix -iere gegenübersteht (ζ. B. epicier vs. epiciere), sind die französischen Personenbezeichnungen auf -aire dadurch gekennzeichnet, daß sie gleichermaßen als maskuline oder feminine Nomina Agentis verwendet werden können. Die Genusmarkierung erfolgt erst durch die Wahl des Artikels (ζ. B. un millionnaire vs. une millionnaire). Körting (1895 : 225) vermutet ebenso wie sein italienischer Kollege Bianchi, daß das frz. Suffix -aire nicht auf das maskuline lat. -ärius, sondern auf die entsprechende feminine Form -äria zurückgeht und über eine Zwischenstufe *-aira zu -aire wurde. Im der modernen frz. Sprache wird dieses Suffix offenbar nicht mehr als rein feminine Endung empfunden. Bei den deutschen Lehnwörtern auf -är handelt es sich hingegen grundsätzlich um maskuline Nomina Agentis, die jedoch mit Hilfe des Suffixes -in in Feminina überführt werden können (ζ. B. Millionär vs. Millionärin).
212
Nomina Agentis
nur unsere Sprache, das Deutsche ist nur für die Soldaten und die Pferde." (v. Polenz 1978 : 108) Aber auch nach der friederizianischen Epoche wurden noch Personenbezeichnungen auf -är entlehnt. Das Nomen Agentis Revolutionär (< frz. revolutionnaire) ging beispielsweise erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Einfluß der französischen Revolution in den deutschen Wortschatz ein. Die Französische Revolution hatte auch das politische Denken in Deutschland geprägt und die Demokratisierung, die sich während des 19. Jahrhunderts vollzog, begünstigt. Von Polenz (1978 : 163) weist daraufhin, daß zu jener Zeit viele Wörter des politischen Lebens entlehnt bzw. nachgebildet wurden. Auch die Bezeichnungen Reaktionär "wer sich einer (politisch) fortschrittlichen Entwicklung entgegenstellt" (< frz. reactionnaire) und Doktrinär "jemand, der auf einer Lehrmeinung beharrt" (< frz. doctrinaire) stellen typische Schlagwörter des 19. Jahrhunderts dar. Bei den Personenbezeichnungen Veterinär (< frz. veterinaire < lat. veterinärius "Tierarzt" mit der Basis veterinae "Zugvieh"), Pensionär und Komplementär "persönlich haftender Gesellschafter" handelt es sich laut Duden Herkunftswörterbuch ebenfalls um Lehnwörter aus dem 19. Jahrhundert. Zu dem Derivat Pensionär ist allerdings anzumerken, daß es mit der Bedeutung "Kostgänger", "Zögling" schon früher aus frz. pensionnaire entlehnt worden ist. Die Bedeutung "Ruhegehaltsempfanger", die man heute gemeinhin mit dieser Personenbezeichnung assoziiert, trat dann erst im 19. Jhdt. hinzu. Das jüngste Lehnwort aus der Reihe der Personenbezeichnungen auf -är stellt Funktionär (< frz. fonctionnaire) dar, das erst im 20. Jhdt. in den deutschen Sprachgebrauch gelangte und die Bedeutung "führender aktiver Beauftragter eines Verbandes" trägt.
6.2.2
Die lateinischen Lehnwörter auf -ar
Obwohl auch die meisten der unter (1b) aufgeführten und im folgenden unter (3) wiederholten Personenbezeichnungen über französische Entsprechungen auf -aire verfügen (bibliothecaire, antiquaire, missionnaire, notaire etc.), läßt die Endung -ar darauf schließen, daß sie im Gegensatz zu den Derivaten auf -är direkt aus dem Lateinischen ins Deutsche entlehnt wurden. (3)
Bibliothekar, Archivar, Antiquar, Missionar, Kommissar, Referendar, Notar, Vikar, Jubilar, Präbendar, Aktuar, Donatar, Legatar, Signatar
Seit dem Humanismus der Renaissance, der von Italien aus auf die europäischen Länder ausstrahlte und sich vom 14. bis zum 16. Jhdt. erstreckte,
Die letzten Abkömmlinge des lateinischen Suffixes -arius
213
war eine Fülle von gelehrten Lehnwörtern in den deutschen und englischen Wortschatz2 gelangt. Die meisten der auf -ar endenden Personenbezeichnungen wurden allerdings erst im 17. bzw. 18. Jahrhundert aus den entsprechenden lateinischen -äriusBildungen entlehnt (ζ. B. bibliothecärius, referendärius, iubilärius etc.). Die Bezeichnung Notar (lat. notärius) existierte schon im althochdeutschen Wortschatz, wo sie in der dem Lateinischen noch ähnlicheren Form notari auftrat und die Bedeutung "Schreiber" trug. Die spezifischere Bedeutung "staatlich vereidigter Volljurist, der die Beglaubigung und Beurkundung von Rechtsgeschäften besorgt" hat sich erst später herausgebildet. Auch die Konstruktionen Vikar und Kommissar waren bereits vor dem Beginn der neuhochdeutschen Periode bekannt. Das Nomen Agentis vicarfi'•) referierte im Mittelhochdeutschen allerdings (ebenso wie seine lat. Entsprechung vicärius) auf den "Stellvertreter" bzw. "Statthalter", bevor es seine säkulare Bedeutung aufgab und auf den Bereich der Theologie übertragen wurde. Ebenso erfuhr die Personenbezeichnung Kommissar, die bereits im 15. Jhdt. in der Form commissari vorlag und wie lat. commissärius als "mit der Besorgung eines Geschäfts Beauftragter" interpretiert wurde, erst später eine semantische Spezifizierung. Heute wird das Nomen Agentis, das mitunter auch in Kompositionen wie Polizeikommissar oder Kriminalkommissar auftritt, hauptsächlich als Dienstbezeichnung verstanden. Die Personenbezeichnungen Präbendar "Pfründeninhaber" und Aktuar "Gerichtsschreiber" sind heute archaisch. Bei den Lehnwörtern Donator "der Beschenkte", Legatar "Vermächtnisnehmer"3 und Signatar "Unterzeichner" handelt es sich hingegen um Fachtermini aus der Rechtssprache. Dem Deutschen Fremdwörterbuch zufolge verfugten einige Lehnwörter auf -ar sogar ursprünglich über eine lateinische Nebenform auf -arius. So existierte beispielsweise noch im 19. Jhdt. die Form Archivarius neben Archivar bzw. Vicarius neben Vikar. Ebenso trat Missionar im 18. Jhdt. zuweilen noch als Missionarius auf. Dieses anfangliche Schwanken zwischen -ar und -arius erlaubt die Schlußfolgerung, daß die entsprechenden Personenbezeichnungen zunächst noch den Charakter fremdartiger, gelehrter Bildungen hatten. Da jedoch die auf -arius endenden Nebenformen unter synchronem Aspekt gänzlich
In England wurde der Einfluß der Renaissance erst später spürbar als auf dem Kontinent. Die Phase der Rückbesinnung auf die Antike währte dort von 1500 bis 1650. Die Referenten von Donatar und Legatar sind dadurch gekennzeichnet, daß sie als Empfänger diverser Transaktionen fungieren. Eine Erörterung von Personenbezeichnungen dieser Art, die keine Nomina Agentis darstellen, sondern hier als Nomina Patientis im weiteren Sinne klassifiziert werden, erfolgt in Teil II.
214
Nomina Agentis
verschwunden sind, kann man davon ausgehen, daß eine Integration der lateinischen Lehnwörter in den deutschen Wortschatz stattgefunden hat.
6.2.3
Der Ursprung der Lehnwörter auf -arier
Auch die unter (lc) aufgeführten, hier unter (4) wiederholten Lehnwörter weisen ein lateinisches Wortbildungsmuster auf, obwohl nicht alle aus dem Lateinischen entlehnt wurden. (4)
Trinitarier, Unitarier, Utilitarier, Proletarier, Vegetarier, . Parlamentarier
Die Personenbezeichnung Trinitarier "Bekenner der Dreieinigkeit" (< lat. trinitärius) und deren Antonym Unitarier "jemand, der die Trinitätslehre verwirft", "Antitrinitarier" (< lat. unitärius) sind dem religiösen Vokabular zuzuordnen. Es handelt sich hierbei um gelehrte Fremdwörter, die im täglichen Sprachgebrauch kaum Verwendung finden und deren Bedeutung nur unter Einbeziehung religiöser bzw. historischer Faktoren verstanden werden kann. Das gleiche gilt fur die seit dem späten 19. Jhdt. belegte Bezeichnung Utilitarier, die aus dem Bereich der Philosophie stammt und auf denjenigen referiert, der den Zweck menschlichen Handelns ausschließlich in dem Nutzen sieht, der fur den einzelnen und fur die Gemeinschaft gestiftet wird. Das Lehnwort Proletarier (< lat. proletärius), das einen Angehörigen der untersten Bürgerklasse denotiert, gehörte einst ebenso wie Revolutionär, Reaktionär und Doktrinär zu den politischen Schlagwörtern des 19. Jahrhunderts. Durch Rückbildung entstand später aus der Form Proletarier die abschätzige Bezeichnung Prolet mit der allgemeineren Bedeutung "ungehobelter, ungebildeter Mensch". Die Bildungen Vegetarier (entlehnt im 19. Jhdt.) und Parlamentarier (belegt seit dem 18. Jhdt.) wurden hingegen durch englischen Einfluß vermittelt. Allerdings reflektieren die englischen Entsprechungen vegetarian und parliamentarian ihrerseits ein fremdes Wortbildungsmuster. Während die englische Personenbezeichnung vegetarian laut Duden Herkunftswörterbuch eine gelehrte Neuschöpfung zu mittellat. *vegetalis "zum Leben gehörig" darstellt, weist parliamentarian als Basis das altfranzösische Substantiv parlement (urspr. "Gespräch", "Unterhaltung", "Erörterung" zu parier "sprechen", "reden") auf. Die politische Bedeutung "Volksvertretung" haben sowohl das deutsche Substantiv Parlament als auch dasfranzösischeparlement, das seine ursprüngliche Bedeutung aufgegeben hat, durch englischen Einfluß
Die letzten Abkömmlinge des lateinischen Suffixes -artus
215
angenommen. Die Geschichte dieses Substantivs spiegelt somit die Entwicklung des von England ausgehenden demokratischen Parlamentarismus wider4. Bisher wurde als selbstverständlich angenommen, daß die unter (lc) bzw. (4) aufgelisteten Personenbezeichnungen aus einer lateinischen Basis und einer Suffixvariante -arier, die sich aus lat. -ärius entwickelt hat, bestehen. Fleischer (1992) vertritt hingegen eine andere Auffassung, indem er die hier im Vordergrund stehenden Bildungen nicht gesondert erfaßt, sondern den Personenbezeichnungen auf -ier zuordnet. -ier (lat. -ärius, französ. -ier) bildet P e r s o n e n b e z e i c h n u n g e n , in der Regel von s u b s t a n t i v i s c h e r Basis, und zwar in dreierlei Lautform: in der dem Französischen entsprechenden Form [ie:], wie Bankier, Hotelier, Rentier [...]; in der Lautform [irr], wie Kanonier [...]; mit Interfigierung -ar-, das den Hauptakzent trägt, in der Lautform [ä:riar], wie in Parlamentarier und den konfixbezogenen WBK [Abk. für Wortbildungskonstruktionen] Proletarier, Vegetarier (mit weiteren Derivaten auf-isch u. a.) [...] (Fleischer 1992 : 190)
Fleischer extrahiert somit den Bestandteil -ar- und behandelt ihn als Interfix, das zwischen die Basis (ζ. B. Parlament) und das Suffix -ier tritt. Sollte also die Form -arier gar keine Einheit bilden, sondern gewissermaßen nur eine Erweiterung des Lehnsuffixes -ier darstellen? Fleischers Theorie gewinnt in der Tat durch den Verweis auf Adjektive wie proletarisch, parlamentarisch und vegetarisch an Evidenz, denn auch diese Konstruktionen beinhalten das Element -ar-, das hier sicherlich keine Einheit mit dem heimischen Suffix -isch bildet. Zumindest in bezug auf die Personenbezeichnungen sprechen jedoch drei Gründe gegen die Behandlung des Bestandteils -ar- als Interfix und somit gegen die Zuordnung der -arierBildungen zu den Lehnwörtern auf -ier. Zum einen sind die Personenbezeichnungen auf -arier dadurch gekennzeichnet, daß sie im Singular und im Plural die gleiche Form aufweisen, nämlich
An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, daß im Deutschen neben Parlamentarier auch noch ein Nomen Agentis Parlamentär (frz. parlementaire) existiert, das die Bedeutung "Unterhändler (zwischen feindlichen Heeren)" trägt und somit eine Personenbezeichnung aus dem Bereich des Militärwesens darstellt.
Nomina Agentis
216 (5)
Singular ein Trinitarier ein Unitarier ein Utilitarier ein Proletarier ein Vegetarier ein Parlamentarier
Plural die Trinitarier die Unitarier die Utilitarier die Proletarier die Vegetarier die Parlamentarier
Dies ist bei den Bildungen der -/er-Klasse nicht der Fall. In Kapitel 5 hatte sich herausgestellt, daß diese Personenbezeichnungen je nach Artikulation des Suffixes -ier ihren Plural entweder auf -s (ζ. B. der Hotelier vs. die Hoteliers) oder auf -e (ζ. B. der Offizier vs. die Offiziere) bilden. Niemals ist jedoch eine auf -ier ausgehende Bildung im Singular und Plural identisch. Zum zweiten wurde in Kapitel 5 darauf hingewiesen, daß die Variante -ier des lateinischen Suffixes -ärius unabhängig von der phonetischen Realisierung ([je:] oder [i.r]) grundsätzlich den Hauptakzent auf sich lenkt. Auch darin unterscheiden sich die Personenbezeichnungen auf -ier von denen auf -arier, deren letzte Silbe unbetont ist. Außerdem wird die Graphemkombination der Endung -arier, wie Fleischers phonetische Repräsentation [ariar] zeigt, stets als Diphthong und nicht als [je:] (wie bei Hotelier) oder als Monophthong [i:] (wie bei Offizier) realisiert. Der dritte Grund gegen eine Verquickung der -^ww-Bildungen mit den Lehnwörtern auf -ier wird darin gesehen, daß letztere im Deutschen vorzugsweise als maskuline Personenbezeichnungen auftreten (der Hotelier, der Portier, der Offizier etc.). Entsprechende Feminina sind entweder aus extralinguistischen Griinden (noch) markiert (die Offizierin, die Kanonierin) oder werden durch Kombination heimischer Synonyme mit -in gebildet (die Hotelbesitzerin, die Pförtnerin etc.). Die Bildungen auf -arier lassen sich hingegen allesamt mühelos mit Hilfe des Suffixes -in movieren (die Proletarierin, die Vegetarierin etc.) und sind in der femininen Form stets unmarkiert. Dennoch ist nicht auszuschließen, daß das gebundene Morphem -arier, welches unter synchronem Aspekt auf jeden Fall als Einheit behandelt werden sollte, tatsächlich einmal aus zwei Bestandteilen erwachsen ist. Da das Suffix -arier als solches im Lateinischen nicht existiert, muß davon ausgegangen werden, daß sich diese Form im Zuge der Integration von Personenbezeichnungen des Typs Trinitarier, die im Lateinischen auf -ärius enden, im Deutschen erst herausgebildet hat. In Abschnitt 3.2 war darauf hingewiesen worden, daß das lateinische Suffix -ärius im Althochdeutschen noch in der Form -ari auftrat (ζ. B. buochari "Schriftgelehrter", scephari "Schöpfer", notari "Schreiber" etc.). Theoretisch wäre es nun denkbar, daß das Morphem -ari innerhalb der hier im Vordergrund stehenden Personenbezeich-
Die letzten Abkömmlinge des lateinischen Suffixes -arius
217
nungen bewahrt und zum Zeitpunkt der Entlehnung durch das heimisch gewordene Suffix -er ergänzt wurde. Somit wäre das heutige -arier unter diachronem Aspekt nicht als "-ar plus -ier", sondern als "-ari plus -er" zu analysieren5. Daß eine solche Doppelaffigierung durchaus vorkommen kann, haben Formen wie lanzier-er (frz. lancier) oder rentier-er (frz. rentier) bestätigt, die außer dem Lehnsuffix -ier noch zusätzlich das Suffix -er aufweisen (vgl. Kap. 5). Die hier vorgeschlagene Segmentierung "-ari- plus -er" ist auch unter synchronem Aspekt nicht ganz abwegig, da sich die -arier-Bildungen im Deutschen ähnlich verhalten wie Personenbezeichnungen auf -er. Sie weisen im Singular und Plural die gleiche Form auf (ζ. B. der Musiker vs. die Musiker, der Vegetarier vs. die Vegetarier), bilden das Femininum mühelos mit Hilfe des Suffixes -in (die Musikerin, die Vegetarierin) und weisen stets eine unbetonte Endsilbe auf (['mu:zikar], [vege'tcmar]). Auch die Tatsache, daß durch Rückbildung aus Proletarier die Form Prolet (und nicht *Proletar) entstanden ist, kann als Indiz dafür betrachtet werden, daß sowohl Fleischers -ar- als auch das hier extrahierte -ari- heute einen festen Bestandteil des Suffixes -arier bilden. Es sei jedoch noch einmal betont, daß -arier im neuhochdeutschen Lexikon unbedingt als Einheit repräsentiert werden sollte, da sich die Sprecher des Neuhochdeutschen einer solchen möglichen Segmentierung nicht mehr bewußt sind. Die Tatsache, daß alle in diesem Kapitel behandelten Personenbezeichnungen aus fremdem Wortmaterial bestehen, machte auch diesmal wieder einen relativ umfangreichen historischen Exkurs erforderlich. Eine rein synchrone Beschreibung hätte beispielsweise keinen Aufschluß darüber gegeben, weshalb Bildungen wie Funktionär oder Millionär auf -är enden, während andere (ζ. B. Archivar oder Antiquar) das Suffix -ar aufweisen. Aus synchroner Sicht hätte auch einer Segmentierung der -arier-Bildungen im Sinne Fleischers (d. h. als "lat. Wurzel plus Interfix -ar- plus Suffix -ier") nichts entgegengestanden. Sowohl die Einbeziehung der Quellsprachen als auch die zeitweilige Betrachtung früherer Sprachstufen ermöglichen nicht selten eine adäquatere Beschreibung der jeweiligen Daten. Nun ist es jedoch an der Zeit, die Lexikoneinträge, die für -är, -ar bzw. -arier vorgesehen sind, zu erörtern, bevor dann die englischen Entsprechungen näher betrachtet werden.
Innerhalb der entsprechenden Adjektive (proletarisch, parlamentarisch etc.) findet sich nur noch ein Relikt des lateinischen Suffixes -ärius, nämlich das Morphem -ar, das auf Ebene 2 durch das heimische Suffix -isch ergänzt wird.
218
6.3
Nomina Agentis
Die Lexikoneinträge der Suffixvarianten -är, -ar und -arier
Die vorangegangenen Untersuchungen haben verdeutlicht, daß sowohl die Personenbezeichnungen auf -är (frz. -aire) als auch die auf -ar und -arier (lat. -ärius) Lehnwörter darstellen, die in erster Linie durch das Lateinische und das Französische in die deutsche Sprache gelangten. Ausnahmen stellten die Bildungen Vegetarier und Parlamentarier dar, die zwar ein lateinisches Wortbildungsmuster aufweisen, aber dennoch durch englischen Einfluß vermittelt wurden. Die orthographische Repräsentation der Suffixvarianten läßt darauf schließen, daß alle hier im Vordergrund stehenden Lehnwörter eine Integration in den deutschen Wortschatz erfahren haben. Nun stellt sich die Frage, ob sich -är, -ar und -arier im Deutschen zu produktiven Suffixen entwickelt haben. Angesichts der in den vorangegangenen Abschnitten behandelten Daten, von denen die letzten im 19. Jahrhundert entlehnt wurden, hat es nicht den Anschein, als sei auch nur eine der drei Suffixvarianten im Deutschen jemals produktiv geworden. Im Gegensatz zu -ier, das wenigstens die Studentensprache des 18 /19. Jahrhunderts um einige kurzlebige Neologismen mit heimischer Basis bereichert hatte und das auch in diversen deutschen Dialekten noch Verwendung findet, haben -är, -ar und -arier offenbar zu keiner Zeit heimische Basiselemente selegiert. Dennoch haben sich neben einer scherzhaften Bildung Müllionär "Arbeiter bei der Müllabfuhr" (Herberth 1977 : 140), die durch ein Wortspiel mit Millionär entstanden ist, drei auf -är endende Nomina Agentis entwickelt, die insofern eine Ausnahme darstellen, als sie keine Entsprechungen im Französischen aufweisen und somit keine echten Lehnwörter darstellen, nämlich (6) a. b. c.
Konfektionär Illusionär Fusionär
(* frz. confectionnaire) (* frz. illusionnaire) (* frz. fusionnaire)
Während sich Konfektionär "Unternehmer / Angestellter in der Konfektion" im Deutschen etabliert hat, handelt es sich bei den Neologismen Illusionär und Fusionär nach Wellmann (1975 : 388, 396) um ad Aoc-Bildungen der Pressesprache. Obwohl beide Konstruktionen in Wörterbüchern nicht belegt sind, läßt sich ihre Bedeutung unter Einbeziehung lexikalisierter -är-Derivate wie Visionär oder Revolutionär erschließen. Ein Illusionär ist jemand, der Illusionen hat, während ein Fusionär an einem Zusammenschluß von (Groß-)Unternehmen beteiligt ist. Da jedoch nicht mehr Personenbezeichnungen dieser Art gebildet worden sind, liegt es nahe, daß es sich bei den unter (6) aufgeführten Konstruktionen lediglich um Analogiebildungen handelt. Auch
Die letzten Abkömmlinge des lateinischen Suffixes -arius
219
diese weisen ebenso wie ihre lexikalisierten Vorbilder nicht-heimische Basiselemente auf, die auf -ion ausgehen, nämlich Konfektion (frz. confection), Illusion (frz. illusion) und Fusion (lat. fusio "Guß") Die lexikalisierten Personenbezeichnungen auf -ar bzw. -arier haben hingegen nicht einmal Analogiebildungen hervorgerufen. Alle drei Suffixvarianten bilden somit im Deutschen relativ geschlossene Derivationsklassen. 6.3.1
Das Suffix -är im deutschen Lexikon
Obwohl -är vorwiegend für Wörter (ζ. B. Funktion, Million, Reaktion etc.) subkategorisiert ist und somit eine für die Affixklasse Π charakteristische Eigenschaft besitzt, wird es hier als Klasse I-Suffix eingeführt, da es aufgrund seiner französischen Herkunft stets Träger des Hauptakzents ist und das Intonationsmuster seiner nominalen Basis verändert (ζ. B. Funk'tion —> , Funktio när). Das Merkmalbündel enthält die Informationen, daß es sich bei den Personenbezeichnungen auf -är um nicht-heimische, zählbare, maskuline Appellativa handelt. Wie alle nominalen Ausdrücke, die keine Eigennamen darstellen, verfugen auch die -är-Bildungen über ein referentielles Argument , da sie auf belebte Objekte in der außersprachlichen Realität referieren. An das Merkmalbündel schließen sich der Subkategorisierungsrahmen des Suffixes und das Abbildungsmerkmal für die nominalen Basiselemente an. Der Subkategorisierungsrahmen beinhaltet die Informationen, daß -är für zählbare Appellativa subkategorisiert ist, die Konkreta (Aktie, Konzession) oder Abstrakta (Funktion, Vision) darstellen, vorzugsweise auf -ion enden und fremden Ursprungs sind. Das semantische Merkmal [habitual] kann mit einem positiven Wert versehen werden, da die Referenten der -är-Derivate in der Regel dauerhaft an den mit den nominalen Basiselementen assoziierten PEventualitäten beteiligt sind. Der Lexikoneintrag für -är in seiner nominalen Verwendung6 stellt sich nun folgendermaßen dar:
In Abschnitt 6.1 war daraufhingewiesen worden, daß -är (ebenso wie -ary und -arian im Englischen) nicht nur zur Bildung von Nomina Agentis, sondern auch zur Bildung von Adjektiven (ζ. B. revolutionär, doktrinär, rudimentär, defizitär etc.) dient. Aus diesem Grunde wäre noch ein zweiter Lexikoneintrag zu konzipieren, der ausschließlich die adjektivischen Eigenschaften des Suffixes spezifiziert.
Nomina Agentis
220 (7)
Lexikoneintrag flir das Suffix -är
orthographic representation:
-är
phonological representation:
/+e:r/
phonological feature:
[attract primary stress]
formal features:
+ common + count + human + masc - fem
- Germanic 3 person
subcategorization frame: [+ common, + count, α concrete, (X-iori), - Germanic]
] ff(-st)
mapping feature: [map base f+common) into Y11^ of a P-Eventuality Antiquariatj ]
P-Eventuality:
Α T7C ^ - C ^ - v E X T AFF -eur - masc + fem
Da das französische Movierungssuffix auch über die gleichen Subkategorisierungseigenschaften verfügt wie sein maskulines Pendant, genügt diesbezüglich ebenfalls ein Verweis auf -eur. Die Bedingung [base [± maiked] ] —> [base [+ maiked] of infinitive] ist allerdings für -euse irrelevant, da seine Basisverben keine Allomorphie reflektieren. Zu dem nominalen Teil des Subkategorisierungsrahmens ist anzumerken, daß dieser nur noch zur Analyse des einzigen denominalen -ewse-Derivates Balletteuse dient. Um jedoch zu vermeiden, daß -euse übergeneriert, indem es zu jedem -eurDerivat eine feminine Form bildet, werden in die geschlossene -ewse-KJasse nur die lexikalisierten Feminina Souffleuse, Friseuse, Masseuse etc. integriert. Aufgrund der Tendenz zur Substitution des Lehnsuffixes durch das heimische -in kann man davon ausgehen, daß die -ewse-Klasse keine Erweiterung mehr erfahren wird und in einiger Zeit vielleicht sogar aus dem deutschen Lexikon
Kandier und Winter (1992) verbuchen lediglich eine nicht-belebte -euse-Bildung, nämlich das Nomen Instrument! Friteuse, welches auf das Verb fritieren zurückgeht. Dieses stellt jedoch eine Ausnahme dar und ist innerhalb seines individuellen Lexikoneintrags mit dem idiosynkratischen Merkmal [- human] zu versehen.
D a s französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or
283
verschwinden wird. Der Subkategorisierungsrahmen hat somit nur noch eine analytische Funktion12. Ebenso wie -eur verfugt auch das Suffix -euse über das semantische Merkmal [+ habitual], da es sich bei den entsprechenden Nomina Agentis um Berufsbezeichnungen handelt. Außerdem sollte noch ein optionales Merkmal [α pejorative] ergänzt werden, da Feminina auf -euse mitunter durch eine negative Konnotation gekennzeichnet sind (vgl. Abs. 7.3.2). Der Wert dieses Merkmals kann jedoch erst innerhalb der separaten Lexikoneinträge spezifiziert werden, da sich beispielsweise die Nomina Agentis Souffleuse und Dompteuse im Gegensatz zu Masseuse und Balletteuse semantisch neutral verhalten. Der Lexikoneintrag für -euse wird somit folgendermaßen repräsentiert: (33)
Lexikoneintrag des franzosischen Movierungssuffixes -euse
orthographic representation:
-euse
phonological representation:
/+ 0:Ζθ/
formal features:
ο -eur - masc + fem
subcategorization frame:
[O _eur]
mapping feature:
[ -eur]
semantic features:
[•=> -eur, α pejorative]
-euse- Class:
SoufflDomptFrisMassBallettFrit... η
Bei Herberth (1977 : 158) ist lediglich die Neubildung Pionöse belegt, die einst in der Sowjetzone Deutschlands entstanden ist und ein Spottwort für "Pionierleiterin" darstellte. Diese Personenbezeichnung, innerhalb derer das Suffix an die deutsche Orthographie angeglichen wurde, ist jedoch für die -ewie-Klasse nicht repräsentativ, da sie auf einen bestimmten Sprachraum beschränkt war und heute archaisch ist.
284
Nomina Agentis
Abschließend sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, daß die meisten -ewr-Derivate (einschließlich Friseur und Masseur) aber auch von dem heimischen Movierungssuffix -in selegiert werden. Während die -ewse-Bildungen dadurch gekennzeichnet sind, daß sie (mit Ausnahme von Balletteuse) gebundene Wurzeln als Basis aufweisen, zeichnen sich die entsprechenden Feminina auf -in dadurch aus, daß ihr Input durch die vollständigen -eurDerivate repräsentiert wird (vgl. z. B. Fris-euse vs. Friseur-in). Aus diesem Grunde weist -in in seinem komplexen Subkategorisierungsrahmen u. a. das Merkmal [X-eur\ auf.
7.6.2
Das lateinische Lehnsuffix -or im deutschen Lexikon
Wie bereits in Abschnitt 7.4.1.2 erwähnt, handelt es sich bei dem Suffix -or um die lateinische Variante des Suffixes -eur, so daß die Lexikoneinträge beider Suffixe naturgemäß einige Gemeinsamkeiten aufweisen13. Personenbezeichnungen auf -or unterscheiden sich insofern von den -ewr-Bildungen, als sie nicht durch französischen Einfluß in den deutschen Wortschatz gelangten, sondern direkt aus dem Lateinischen entlehnt wurden. Aus diesem Grunde sind die -orDerivate nicht endbetont, so daß das fur -eur postulierte phonologische Merkmal [attract primary stress] entfällt. Das Merkmalbündel des Suffixes -or unterscheidet sich lediglich in bezug auf das Merkmal [human] von dem der -eur- Variante. Während auf -eur endende Derivate ausschließlich auf Personen referieren (vgl. Abs. 7.5 .1), sind zahlreiche -or-Bildungen dadurch gekennzeichnet, daß sie technische bzw. wissenschaftliche Fachtermini darstellen (ζ. B. Transformator, Akkumulator, Katalysator, Projektor, Reflektor, Multiplikator etc.). Der Wert des Merkmals [human], der im Falle von -eur stets positiv ist, muß daher innerhalb des Merkmalbündels von -or unspezifiziert bleiben. Dies hat wiederum zur Folge, daß das Merkmal [concrete] eingeführt werden muß, denn bei Bildungen, die Träger des Merkmals [- human] sind, kann es sich sowohl um konkrete als auch um abstrakte Substantive handeln. Da jedoch die meisten der auf -or ausgehenden Derivate, die keine Nomina Agentis darstellen, auf konkrete Sachbezeichnun-
Dennoch stellt -or kein Allomorph von -eur dar, da die Suffixe nicht in komplementärer Distribution zueinander stehen und im Falle von Inspekteur : Inspektor sogar einen Bedeutungsunterschied bewirken. Das Suffix -or ist somit lediglich als diachrone Variante von -eur zu betrachten.
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or
285
gen14 referieren, kann der Wert des Merkmals [concrete] im Lexikon mit einem positiven Wert versehen werden. In bezug auf den Subkategorisierungsrahmen ist anzumerken, daß dieser nur einteilig ist, da -or im Gegensatz zu -eur neben gebundenen Morphemen ausschließlich Verben selegiert. Diese verfugen über die gleichen Merkmale wie die von -eur selegierten Basisverben, indem sie dynamischen, kausativen Charakter haben, zweistellig sind, die Struktur X-ier-en aufweisen und fur [- Germanic] spezifiziert sind (ζ. B. reformieren, präparieren, emulgieren). Jedes Basisverb verfugt zudem über zwei Allomorphe, von denen -or ebenso wie -eur stets die markierte Variante selegiert. Der Wert des semantischen Merkmals [habitual] sollte trotz des Vorhandenseins von Berufsbezeichnungen nicht von vornherein mit einem positiven Wert versehen werden, da auch einige Personenbezeichnungen auf -or existieren, die den Referenten nicht aufgrund einer berufs- oder gewohnheitsmäßigen Tätigkeit charakterisieren, ζ. B. Invasor, Initiator oder Sponsor. Obwohl die Anzahl der Personenbezeichnungen auf -or relativ beschränkt ist, lassen die bei Muthmann (1988) belegten -or-Derivate darauf schließen, daß das Suffix zumindest in bezug auf den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich einen gewissen Produktivitätsgrad erzielt hat. Bei der Bildung von Sachbezeichnungen wie Emulgator, Oxydator, Kondensator, Sterilisator, Katalysator, Transformator etc. bedienen sich die Sprecher des Deutschen nicht des Suffixes -eur, sondern der lateinischen Variante -or. Um jedoch einer Übergenerierung von Personenbezeichnungen auf -or durch den Subkategorisierungsrahmen des Suffixes vorzubeugen, wird hier vorgeschlagen, zunächst eine relativ geschlossene Derivationsklasse fur Nomina Agentis zu postulieren. Des weiteren soll der Lexikoneintrag von -or eine zweite, offene Derivationsklasse für Sachbezeichnungen des Typs Transformator bereithalten, die bei Bedarf beliebig ergänzt werden kann.
(34)
Lexikoneintrag des lateinischen LehnsufTixes -or
orthographic representation:
-or
phonological representation:
/ + ar/
14
Ausnahmen bilden die strukturell analysierbaren Abstrakte Horror und Terror, die jedoch angesichts der zahlreichen konkreten Sachbezeichnungen auf -or nicht ins Gewicht fallen. Nichtsdestoweniger erhalten diese Substantive in ihren separaten Lexikoneinträgen das Merkmal [-concrete].
Nomina Agentis
286 Fortsetzung:
+ common + count + concrete α human + masc - fern
- Germanic 3 person
formal features:
subcategorization frame: [+ dynamic, + causative, , base of X-ier-en, - Germanic] condition:
[base [±maiked] ]
semantic feature:
[+ human] -> [a habitual]
-or-Class 1:
ReformatModeratKommentatRestauratTaxatImitatDirektInspektProfessLektDoktAutRezitatPräparat
] ff (-or)
[base [ ( „ ^ ^ of infinitive]
-or-Class 2:
TransfoimatKatalysatGeneratVentilatEmulgatOxydatKondensatSterilisatStabilisatIsolatProjektInduktKompressTabulat-
... η
Die folgenden Abschnitte werden sich nun mit -ewr-Bildungen im Englischen befassen. Obwohl Nomina Agentis dieser Art zumindest im Neuenglischen (ebenso wie die in Kap. 6 vorgestellten -α/re-Bildungen) eine Minderheit darstellen, sollen diese Formen hier nicht ignoriert werden. Wie eingangs schon erwähnt, sind im OED etliche französische Lehnwörter auf -eur verzeichnet, die zwar im heutigen englischen Sprachgebrauch nicht
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -ease und -or
287
mehr verwendet werden, aber dennoch belegt sind. Hier stellt sich die Frage, wie sich das Verschwinden dieser Formen aus dem englischen Lexikon erklären läßt.
7.7
Die Gruppe der englischen Personenbezeichnungen auf -eur
7.7.1
Lexikalisierte und archaische -ewr-Bildungen
Die im Neuenglischen noch existierenden, ebenfalls französischen Lehnwörter auf -eur15 wurden bereits in Abschnitt 7.1 aufgeführt und sollen im folgenden zunächst noch einmal wiederholt werden. (35)
amateur, chauffeur, masseur, saboteur, entrepreneur, connoisseur, coiffeur, poseur (poser), raconteur, restaura(n)teur
Gemessen an der relativ großen Menge von -ewr-Derivaten im Deutschen ist die Anzahl der entsprechenden englischen Bildungen vergleichsweise gering. Die im OED belegten Lehnwörter, die sich im englischen Wortschatz nicht etabliert haben, dürfen unter synchronem Aspekt nicht mehr hinzugerechnet werden. Dennoch sollen auch diese Formen, die in Abschnitt 7.1 bereits unter (2b) dargestellt wurden, an dieser Stelle noch einmal aufgegriffen werden, und zwar diesmal mit den entsprechenden Definitionen. (36) a. farceur b. jongleur c. chasseur d. accoucheur e. colporteur
f. claqueur g. friseur /frizeur h. voyageur
"a joker, wag" "anciently a minstrel, now a juggler or tumbler" "a hunter" "someone who assists women in child-birth" "a hawker of books, newspapers etc., esp. (in English use) one employed by a society to travel about and sell or distribute Bibles and religious writings " "a hired applauder" "a hairdresser" "In Canada, a man employed by the fur companies in carrying goods to and from the trading posts on the lakes and rivers; a Canadian boatman"
Die unter (35) aufgelisteten Nomina Agentis sind in den hier verwendeten Nachschlagewerken OED, DCE, OALDCE und PONS Collins Großwörterbuch belegt.
288
Nomina Agentis
i. j.
proneur trouveur
k. danseuse 1. religieuse m.
voltigeur
n.
tirailleur
o. p.
sabroneur mitrailleur
"one who praises another; a flatterer" "one of a school of poets who florished in Northern France from the 11th to the 14th century, whose works are chiefly epic in character" "a female dancer; a ballet-dancer" "a woman bound by religious vows, or devoted to a religious life, a nun" "formerly, in the French army, a member of a special skirmishing company attached to each regiment of infantry" "one of a body of skirmishers employed in the wars of the French Revolution; a skirmisher, a sharp-shooter" "one who fights with a sabre" "someone who fires with a mitrailleuse (= a weapon producing a hail storm of comparatively small projectiles)"
Sowohl die lexikalisierten Lehnwörter unter (35) als auch die nichtlexikalisierten Personenbezeichnungen unter (36) wurden im späten 18. bzw. 19. Jahrhundert und somit während der Epoche der Romantik aus dem Französischen übernommen. Strang (1970 : 92 f.) weist darauf hin, daß der größte Lehnwortanteil jener Zeitspanne aus dem Französischen stammte. Dabei handelte es sich um Lehnwörter aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen; so ζ. B. aus dem kulinarischen Bereich (ζ. B. cuisine, gourmet), aus den Bereichen Reise und Natur (ζ. B. avalanche, crampon) sowie aus dem Bereich des Militärwesens (ζ. B. tirailleur, fusillade), wobei letztere einerseits durch die Napoleonischen Kriege und andererseits auch unter dem Einfluß der Französischen Revolution in den englischen Wortschatz gelangten. Das zu jener Zeit in England aufkommende Bedürfnis, heimisches Wortmaterial durch klangvollere französische Lehnwörter zu substituieren, hatte sich in Deutschland bereits im 17. Jahrhundert eingestellt. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an den deutschen Wortschatz der Alamodezeit. Nun stellt sich natürlich unmittelbar die Frage, warum sich die meisten der auf -eur endenden Lehnwörter im Englischen nicht behaupten konnten, während im deutschen Sprachgebrauch eine beträchtliche Anzahl derselben bis heute lebendig geblieben ist. Vergleicht man zunächst einmal die deutschen -eurBildungen mit den englischen Entsprechungen, so zeichnet sich ein interessantes Muster ab, das bei der Klärung dieser Frage eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or
(37)
Deutsch
Englisch
a.
Chauffeur Masseur Saboteur Amateur Poseur
chauffeur masseur saboteur amateur poseur (poser)
b.
Unternehmer Kenner Erzähler Restaurantbesitzer
entrepreneur connoisseur raconteur restaura(n)teur
c.
Souffleur Graveur / Ziseleur Monteur Dresseur Jongleur Installateur Deserteur Importeur Exporteur Spediteur Kommandeur Provokateur Schwadroneur Friseur Charmeur
prompter engraver fitter trainer juggler plumber deserter importer exporter carrier commander trouble-maker boaster hair-dresser charmer
d.
Kontrolleur Konstrukteur Dekorateur Akteur Modelleur Kollaborateur Regisseur Redakteur Gouverneur
inspector constructor decorator actor sculptor collaborator director editor governor
289
Die unter (37a) aufgeführten Personenbezeichnungen sind als französische Lehnwörter gleichermaßen ins Deutsche und ins Englische eingegangen. Unter (37b) finden sich zusätzliche englische Nomina Agentis auf -eur, für die das
Nomina Agentis
290
Deutsche heimische Bildungen bereithält. Die Listen (37) c. und d. lassen schließlich erkennen, daß die Mehrzahl der deutschen -ewr-Bildungen mit englischen Derivaten auf -er bzw. -or korrespondiert. Wie läßt sich nun diese eindeutige Präferenz für Nomina Agentis auf -er bzw. -or erklären? Die Antwort auf diese Frage erhält man, wenn man die entsprechenden Verben in die Diskussion einbezieht. In Abschnitt 7.4 wurde ausführlich dargelegt, daß im Deutschen die meisten -ewr-Bildungen synchron auf -ier-enInfinitive zurückgeführt werden können, wenn auch unter diachronem Aspekt häufig kein direkter Zusammenhang zwischen den auf -ier-en endenden Verben und den besagten Nomina Agentis besteht. Im Englischen kann man hingegen beobachten, daß keine regelmäßige Korrespondenz zwischen den vorhandenen französischen Lehnwörtern auf -eur und englischen Verben besteht. (38) a. b. c. d. e. f. g.
Nomen Agentis
Verb
chauffeur masseur saboteur entrepreneur connoisseur raconteur restaura(n)teur
to drive; to chauffeur (around) to massage to sabotage
Die Tätigkeit des Chauffeurs läßt sich im Englischen am besten durch das heimische Verb to drive beschreiben. Allerdings existiert auch ein durch Konversion gebildetes Verb to chauffeur, das laut PONS Collins Großwörterbuch jedoch archaisch ist. Das DCE gibt zusätzlich Aufschluß darüber, daß das Verb mitunter noch in der negativ gefärbten Wendung to chauffeur around "to drive s. o. in your car, especially when you do not want to", auftritt, ζ. Β. (39)
I seem to spend most of Saturday chaujfeuring the kids around.
Auch die Nomina Agentis masseur (38b) und saboteur (38c) korrespondieren mit zwei durch Konversion gebildeten Verben. Hierbei handelt es sich allerdings um Nullableitungen aus den Nomen massage und sabotage. Die Personenbezeichnungen unter (38 d - f), die in der Quellsprache Französisch Ableitungen aus den Verben entreprendre "unternehmen", connaitre "kennen" und raconter "erzählen" darstellen, lassen sich schließlich gar keinen englischen Verben zuordnen und sind somit nur strukturell, d. h. als "fremde Basis plus -eur" analysierbar. Die Tätigkeiten, die die Referenten dieser Nomina Agentis ausüben (bzw. im Falle von connoisseur der mentale Sachverhalt, an dem der Referent
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or
291
beteiligt ist), lassen sich mangels englischer Verben nur durch Paraphrasen ausdrücken, ζ. Β .an entrepreneur is someone who organizes and manages a commercial undertaking. Transparent ist lediglich die Bezeichnung restaura(n)teur (38g), die als Ableitung aus dem Nomen restaurant beschrieben werden kann. Für das Deutsche war in Abschnitt 7.4 ausgeführt worden, daß die Existenz der zahlreichen Verben auf -ier-en, die einst nach dem Vorbild der französischen Infinitive auf -ir bzw. -er gebildet wurden, die Einführung der Nomina Agentis derart begünstigt hat, daß unter synchronem Aspekt (abgesehen von den wenigen denominalen bzw. nur strukturell analysierbaren Bildungen wie Regisseur oder Claqueur) nahezu jedes -eur-Derivat als Ableitung aus einem -ier-en-Infinitiv beschrieben werden kann. Im Neuenglischen fehlen ganz offensichtlich entsprechende Verben, die als Basis der Lehnwörter auf -eur dienen könnten. Die Tatsache, daß somit die Basiselemente fast aller -eurBildungen fremd geblieben sind, könnte als Erklärung dafür betrachtet werden, daß im Englischen nur so wenige französische Lehnwörter dieser Art erhalten geblieben sind. Ganz anders verhält es sich hingegen mit den englischen Personenbezeichnungen unter (37) c. und d., die auf -er bzw. -or enden und allesamt auf Verben zurückgeführt werden können, nämlich (40)
Verb
a. b. c. d. e.
to promt to engrave to fit to train to juggle etc.
Nomen Aeentis promter engraver fitter trainer juggler
(41) Verb a. b. c. d. e.
to inspect to construct to decorate to act to collaborate etc.
Nomen Asentis inspector constructor decorator actor collaborator
Die unter (41) aufgeführten Nomina Agentis auf -or, die mit den -ewr-Bildungen eng verwandt sind, werden in Abschnitt 7.8 noch gesondert betrachtet. Zuvor soll jedoch der Lexikoneintrag für das Suffix -eur im Englischen konzipiert werden.
7.7.2
Das Suffix -eur im englischen Lexikon
Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, daß der neuenglische Wortschatz nur noch wenige auf -eur endende Personenbezeichnungen beinhaltet, da die meisten dieser einst als stilistisch anspruchsvoll geltenden Bildungen verlorengegangen sind. Aufgrund der noch vorhandenen Nomina
Nomina Agentis
292
Agentis, die im folgenden zur Erinnerung noch einmal unter (42) wiederholt werden sollen, hat das Suffix aber dennoch Anspruch auf einen Eintrag im englischen Lexikon. (42)
amateur, chauffeur, masseur, saboteur, entrepreneur, connoisseur, coiffeur, poseur, raconteur, restaura(n)teur
Zu der orthographischen Repräsentation dieses Suffixes ist anzumerken, daß im Englischen mangels Umlaut keine graphematische Integration hat stattfinden können. Wie bereits ausgeführt, besteht im Deutschen zur Zeit die Tendenz, die Graphemkombination -eur durch -ör zu substituieren. Variation besteht im Englischen hingegen in bezug auf die phonetische Realisierung des Suffixes. Während -eur im Deutschen grundsätzlich als [0:r] realisiert wird und den Hauptakzent trägt, wird es im Englischen mitunter zu einem Schwa reduziert. In diesem Falle liegt der Hauptakzent auf der ersten Silbe des Nomen Agentis. Wird hingegen die französische Artikulation imitiert16, so realisiert man -eur als [3:], wobei das Suffix ebenso wie im Französischen und im Deutschen den Hauptakzent auf sich zieht. Zuweilen wird aber auch das gesamte Lehnwort phonetisch an das Englische angeglichen. Der folgende Auszug aus dem Longman Pronunciation Dictionary soll diese Möglichkeiten illustrieren. (43) a. chauffeur b. amateur c. connoisseur
['Jaufa], [Jao'fe:], [Jafe:] [aemata], ['asmatiua], [aematja] fasmatjua], [,aema't3:] [, kona's3:]
Da die Möglichkeit der Realisierung des Suffixes -eur als [3:] jedoch in jedem Falle gegeben ist, sollte diese Variante innerhalb des Lexikoneintrags als phonologische Repräsentation dienen. Die phonetischen Varianten sollten in den separaten Lexikoneinträgen der einzelnen Personenbezeichnungen spezifiziert werden, ζ. B. (44)
orthographic representation: phonological representation:
amateur / aemat3: /
phonetic variants:
[(asma't3:], [asmatjua], ['aematja], [ aematjua], [aemata]
Imitation
bedeutet
hier,
daß
die
Artikulation
dennoch
Laute
Phoneminventars beinhaltet, ζ. B. den Diphthong [au] in chauffeur.
des
englischen
Im übrigen wird
auch der vordere französische Vokal [oe] durch das englische [3 :] nur imitiert.
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or
293
Aufgrand des französischen Intonationsmusters, das sich bei der phonetischen Realisierung [3:] ergibt sowie aufgrund der fast ausschließlich in gebundener Form vorliegenden Basiselemente ist -eur auch im englischen Lexikon als Klasse I-Affix einzuführen. Die Merkmalbündel der englischen Suffixe haben sich bisher hauptsächlich aufgrund der Abwesenheit der Genusmerkmale von denen der deutschen Suffixe unterschieden, da das Neuenglische kein heimisches feminines Suffix mehr aufweist. Da teacher beispielsweise sowohl auf einen Lehrer als auch auf eine Lehrerin referieren kann, bleibt das Suffix -er in bezug auf Genus unspezifiziert. Die explizite Benennung einer Lehrerin kann nur über die Phrase a female teacher erfolgen (vgl. Abs. 3 .3 .1) Das gleiche gilt, abgesehen von zwei Ausnahmen, auch für die englischen Personenbezeichnungen auf -eur Da Nomina Agentis wie amateur oder saboteur im Englischen gleichermaßen männliche und weibliche Personen denotieren können, muß auch im Falle von -eur auf eine Genusspezifikation verzichtet werden. Die beiden Ausnahmen stellen die femininen Formen chauffeuse und masseuse dar, die separate Lexikoneinträge erhalten sollten, da sie im Englischen idiosynkratischen Charakter haben. Das Suffix -euse, das nur in diesen beiden Formen auftritt, hat somit keinen Anspruch auf einen Eintrag im englischen Lexikon. Die ins Englische entlehnten Personenbezeichnungen auf -eur stellen insofern nur strukturell analysierbare Einheiten dar, als ihre Basiselemente (mit Ausnahme von restaurant in restaura(n)teuf) nicht Bestandteil des englischen Wortschatzes sind. Da die französischen Derivate in zusammengesetzter Form entlehnt worden sind und im Englischen weder auf Verben noch auf Nomina zurückgeführt werden können, weist der Subkategorisierungsrahmen des Suffixes -eur ausschließlich das Merkmal [- Germanic] aus. Daß es sich bei den Basiselementen um französische Verben wie chauffer, connaitre, raconter etc. handelt, ist unter synchronem Aspekt für CHL völlig irrelevant. An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, daß das Suffix -eur im deutschen Lexikon über einen recht komplexen Subkategorisierungsrahmen verfügt, der sich aus einem verbalen und einem nominalen Teil zusammensetzt (vgl. Abs. 7.5.2). Der verbale Teil war aufgrund der regelmäßigen synchronen Korrespondenz zwischen den -ewr-Bildungen und den Verben auf -ier-en zustandegekommen. Der nominale Teil wurde hingegen für die Personenbezeichnungen auf -eur konzipiert, deren Basis sich eher auf entlehnte Nomen zurückführen läßt. Aufgrund dieser Vorgehensweise verblieb nur ein minimaler Anteil von -ewr-Bildungen, die lediglich als strukturell analysierbar zu klassifizieren sind (ζ. B. Amateur, Claqueur, Coiffeur etc.). Eine Gemeinsamkeit zwischen dem Deutschen und dem Englischen besteht schließlich darin, daß das französische Suffix -eur in beiden Sprachen keine Produktivität entwickelt hat. Während sich allerdings im Deutschen wenigstens
Nomina Agentis
294
die Analogiebildungen Frisettr, Schwadroneur, Spediteur, Importeur und Exporteur durchgesetzt haben, hat die englische Gruppe der -ewr-Bildungen gar keine Erweiterung erfahren. Aus diesem Grunde liegt auch hier eine relativ geschlossene Derivationsklasse vor. Der Lexikoneintrag für -eur setzt sich nun im Englischen wie folgt zusammen:
(45)
Eintrag des französischen Suffixes -eur im englischen Lexikon
orthographic representation:
-eur
phonological representation:
/+3:/
phonological feature:
[attract primary stress]
formal features:
+ common + count + human
- Germanic 3 person
subcategorization frame:
[- Germanic]
semantic feature:
[+ habitual]
-eur-Class:
amatchauffmasssabotentreprenconnoisscoiffposracontrestaura(n)t... η
] FF(-eur)
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or
295
Die in Abschnitt 7.7.1 unter (37) bzw. (40) und (41) erstellten Übersichten hatten ergeben, daß die Mehrzahl der deutschen -ewr-Bildungen im Englischen mit Derivaten auf -er bzw. -or korrespondiert. Diese Tatsache war darauf zurückgeführt worden, daß die Nomina Agentis auf -er bzw. -or im Gegensatz zu den Personenbezeichnungen auf -eur verbale Entsprechungen aufweisen, die als Basiselemente betrachtet werden können. In dem nun folgenden Abschnitt sollen die auf -or endenden Derivate noch einmal aufgegriffen werden.
7.8
Das Verhalten der englischen Personenbezeichnungen auf -or
Während die deutschen, auf -or endenden Nomina Agentis direkt aus dem Lateinischen entlehnt wurden (vgl. Abs. 7.4.1.2), sind laut OED einige englische -or-Bildungen durch französischen Einfluß vermittelt worden. Es handelt sich hierbei um Personenbezeichnungen wie actor, author, censor, doctor, professor, possessor, sculptor oder successor, die dem altfranzösischen Vorbild folgend im Mittelenglischen noch auf -our endeten (ζ. B. actour, authour, doctour etc.). Unter diesen Lehnwörtern befinden sich einige, die keine verbalen Entsprechungen aufweisen und somit nur strukturell analysierbar sind (ζ. B. *to
auth, *to profess, *to cense). Anders verhält es sich mit den im vorangegangenen Abschnitt unter (37d) aufgeführten lateinischen Lehnwörtern, von denen ein jedes mit einem (ebenfalls aus dem Lateinischen entlehnten Verb) korrespondiert. Diese Bildungen werden im folgenden noch einmal unter (46) wiederholt.
a. b. c. d. e. f. g· h. i.
Verb
Nomen Agentis
to to to to to to to to to
inspector constructor decorator actor sculptor collaborator director editor governor
inspect construct decorate act sculpt collaborate direct edit govern
Ebenso wie bei den deutschen V-ier-en : N-eur bzw. N-or-Bildungen liegt auch hier kein heimisches Wortbildungsmuster vor. Dennoch lassen sich die auf -or endenden Nomina Agentis zumindest unter synchronem Aspekt als deverbale
Nomina Agentis
296
Ableitungen17 beschreiben, was im Hinblick auf die Θ-Absorption sinnvoll erscheint. Ein wesentlicher Kontrast zwischen dem Deutschen und dem Englischen, auf den an dieser Stelle aufmerksam gemacht werden soll, besteht allerdings darin, daß sich das unter (46) dargestellte Ableitungsmuster synchron ohne Einbeziehung von Basisallomorphie beschreiben läßt. Dies ist darauf zurückzufuhren, daß die entsprechenden Verben (inspect, construct, decorate, act, collaborate und direct) schon im Infinitiv in Gestalt der lateinischen Perfektpassivstämme (und somit in Gestalt der idiosynkratischen lateinischen Stammallomorphe) auftreten, was im Deutschen nicht der Fall ist. Das OED weist ζ. B. für das Verb to inspect und fur das Nomen Agentis inspector die folgenden Angaben aus: (47) a.
b.
inspect
inspector
[app. ad L. inspect-us "looking at, inspection, examination, f. ppl. stem of inspicere] [ad L. inspector, agent-n. from inspicere "to look into, inspect", cf. F. inspecteur]
Aus diesem Grunde wird im Zuge der Selektion des jeweiligen Infinitivs durch das Suffix -or sofort das empirisch adäquate Nomen Agentis generiert und es besteht nicht die Notwendigkeit, Basisallomorphe in die Merkmalbündel der Infinitive zu integrieren. Die Tatsache, daß ein Perfektpassivstamm wie Inspectus im Lateinischen gegenüber dem Präsensstamm Inspic- bzw. dem Infinitiv Inspicere Stammallomorphie reflektiert, ist unter synchronem Aspekt für die Beschreibung des unter (46) dargestellten Musters, das sich im Englischen herauskristallisiert hat, irrelevant. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß die Suffixe -eur und -or im Deutschen niemals den -ier-enInfinitiv selegieren können. Stattdessen wird entweder die Wurzel (ζ. B. modellim Falle von Modelleur) oder, falls vorhanden, das markierte Basisallomorph (ζ. B. konstrukt- im Falle von Konstrukteur oder direkt- im Falle von Direktor) aus den Merkmalbündeln der -ier-en-Infinitive herausgegriffen. Die für das Deutsche in Abschnitt 7.4.1.2 postulierte Subkategorisierungsbedingung [base [± marked]] [base [+marked] of infinitive] hat somit zumindest für das englische Suffix -or keine Bedeutung. Bevor jedoch der Frage nachgegangen wird, ob diese Bedingung für die Beschreibung englischer Wortbildungsprozesse generell Bei den Verben to sculpt und to edit handelte es sich ursprünglich um Rückbildungen aus den Nomina Agentis sculptor und editor. Es wurde jedoch bereits im Zusammenhang mit den Personenbezeichnungen pedlar und burglar darauf hingewiesen, daß ein derartiger Prozeß den Sprechern des Neuenglischen in der Regel nicht mehr bewußt ist und daß diese Bildungen somit synchron als deverbale Derivate beschrieben werden sollten (vgl. diesbzgl. Abs. 6.5.1).
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -euse und -or
297
irrelevant ist, soll noch der Eintrag des Suffixes -or im englischen Lexikon diskutiert werden.
7.8.1
Der Eintrag des lateinischen Suffixes -or im englischen Lexikon
Ebenso wie im Deutschen repräsentiert -or auch im Englischen trotz seiner phonologischen Neutralität ein Affix der Klasse I, da es nicht nur freie (ζ. B. inspect, construct), sondern auch gebundene Morpheme (ζ. B. profess-, direct-) selegiert. Der Hauptakzent kann bei den hier im Vordergrund stehenden Derivaten niemals auf die Endsilbe fallen, da das Suffix im Englischen phonetisch als Schwa realisiert wird. Das Merkmalbündel enthält die Informationen, daß -or zur Bildung konkreter, zählbarer Appellativa dient, die durch das Merkmal [- Germanic] gekennzeichnet sind. Der Wert des Merkmals [human] bleibt hingegen ebenso wie im Deutschen unspezifiziert, da -or auch im Englischen nicht nur in Personenbezeichnungen, sondern auch in technischen bzw. wissenschaftlichen Fachausdrücken auftritt (ζ. B. processor, calculator, generator, divisor, vector etc.). Der Subkategorisierungsrahmen sollte die Informationen beinhalten, daß -or im Englischen dynamische Verben fremden Ursprungs selegiert, die in der Regel kausativ sind und P-Agent-M&rVmdXe für ihr externes Argument bzw. für die ΘAbsorption durch das Suffix bereithalten. Außerdem verdeutlicht das folgende Ableitungsmuster, daß das Suffix ganz offensichtlich eine Präferenz für Verben der Struktur X-ate zeigt. (48) a. b. c. d. e. f. g·
decorate collaborate generate elevate originate operate calculate
-» - >
- >
- >
decorator collaborator generator elevator originator operator calculator
Dieses Verhalten sollte innerhalb des Subkategorisierungsrahmens von -or durch das optionale Merkmal [X-ate] zum Ausdruck gebracht werden. (49) subcategorization frame: [+ dynamic, + causative, , (X-ate), - Germanic]
] ff (-or)
Das semantische Merkmal [habitual] kann ebenso wie im Deutschen nicht von vornherein mit einem positiven Wert versehen werden, da nicht alle auf -or
298
Nomina Agentis
endenden Nomina Agentis ihre Referenten aufgrund einer berufs- bzw. gewohnheitsmäßigen Aktivität charakterisieren. Bei den folgenden, unter (50a) aufgeführten Derivaten handelt es sich um Berufsbezeichnungen, die Träger des Merkmals [+ habitual] sind. Die unter (50b) aufgelisteten Konstruktionen müssen hingegen in ihren separaten Lexikoneinträgen mit dem Merkmal [- habitual] versehen werden, da sie keine Berufsbezeichnungen darstellen und ihre Referenten auch nicht aufgrund einer sonstigen gewohnheitsmäßigen Tätigkeit charakterisieren. (50) a. constructor, inspector, professor, sculptor b. donor, dedicator, liberator, denunciator Betrachtet man die relativ große Anzahl englischer -or-Derivate, die Lehnert (1971) in seinem Rückläufigen Wörterbuch erfaßt hat, so stellt man fest, daß das Suffix (im Gegensatz ζ. B. zu -er) nur insofern in seiner Produktivität eingeschränkt wird, als es ausschließlich in Derivaten mit lateinischer Basis auftritt. Insbesondere die große Menge der -ate-Verben scheint die Entstehung einer beträchtlichen Anzahl von Neologismen begünstigt zu haben. Da es sich hierbei jedoch (ebenso wie im Deutschen) vorwiegend um technische und wissenschaftliche Sachbezeichnungen (ζ. B. calculator, accumulator, decarbonator, granulator etc.) und nicht um Personenbezeichnungen handelt, sollte auch der englische Lexikoneintrag des Suffixes -or eine relativ geschlossene Derivationsklasse für Nomina Agentis des Typs constructor und eine offene Klasse für nicht-belebte -or-Derivate aufweisen. (51)
Eintrag des lateinischen Lehnsuffixes -or im englischen Lexikon
orthographic representation:
-or
phonological representation:
/+a/
formal features:
+ common + count + concrete α human
- Germanic 3 person
subcategorization frame: [+ dynamic, + causative, , (X-ate), - Germanic]
I FF(-or)
Das französische Suffix -eur und seine Varianten -ease und -or
299
Fortsetzung: semantic feature:
-or-C lass 1:
[+ human] —» [α habitual]
inspectconstructdecorattranslatsculptdirectcollaborateditprofessauthdongovemconductact-
-or-Class 2:
calculatgranulataccumulatdecarbonatelevatrefiigeratgeneratradiatrotatindicatinjectcompressprocessreflect-
... η
7.8.2
Basisallomorphie im Englischen
Obwohl das englische Suffix -or im Gegensatz zu seiner deutschen Entsprechung keinen Gebrauch von dem Subkategorisierungsmerkmal [base [± marked]] [base [+ marked] of infinitive] macht, kommt dieses im Englischen dennoch mitunter zum Einsatz. Dies ist dann der Fall, wenn Suffixe im Vordergrund stehen, die nicht zur Bildung von Personenbezeichnungen dienen. Werden beispielsweise die Derivate production bzw. productive aus dem englischen Verb to produce, das auf lat. producere zurückgeht, abgeleitet, so selegieren die Suffixe -ion und -ive auch hier nicht etwa die unmarkierte Basis produce, die in der Bildung producer enthalten ist, sondern das markierte Basisallomorph product (vgl. Abb. (52)). Dies soll ebenso wie im Deutschen aufgrund der Subkategorisierungsbedingung [base (± marked]] [base [+ marked] of infinitive] geschehen.
(52)
Lexikoneintrag des Verbs produce orthographic representation:
produce
phonological representation:
/predju:s/
Nomina Agentis
300 Fortsetzung: formal features:
+ dynamic + causative
,exl int.
[base [+ marked i of infinitive] auch für das englische Lexikon relevant, da beispielsweise bei der Ableitung der Derivate production oder productive aus dem Verb produce ebenfalls anstelle des unmarkierten Basisallomorphs produce die markierte Variante product von den entsprechenden Suffixen selegiert wird. Durch den hier eingeführten Mechanismus, der sich darin äußert, daß ein Suffix aufgrund einer Subkategorisierungsbedingung eine spezielle Basis aus dem Merkmalbündel des zu seiegierenden Infinitivs herausgreift, werden Allomorphieregeln sowie lexikalische Klassen und morpho-lexikalische Regeln, die das minimalistische Lexikon belasten würden, zumindest in bezug auf das Deutsche und das Englische redundant.
8
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
8.1
Datenüberblick
Das vorliegende Kapitel wird sich mit zwei Suffixen befassen, die ebenso wie die zuvor behandelten, diachronen Varianten der -ärius- und -or-Familie lateinischen Ursprungs sind und sowohl ins Deutsche als auch ins Englische entlehnt wurden. Diesmal geht es um die Suffixe -ant und -ent, die einerseits in Personenbezeichnungen (ζ. B. Spekulant, Dirigent; participant, opponent), aber andererseits auch in einer Reihe von Adjektiven (ζ. B. interessant, kongruent; significant, reminiscent) auftreten. Obwohl ein Großteil dieser Bildungen direkt aus dem Lateinischen entlehnt wurde, sind einige durch französischen Einfluß ins Deutsche und vor allem ins Englische gelangt. Die folgenden Listen sollen zunächst einen Überblick über das deutsche und englische Inventar der auf -ant bzw. -ent ausgehenden Personenbezeichnungen vermitteln.
(1)
Deutsch: a.
Gratulant, Spekulant, Ignorant, Simulant, Sekundant, Protestant, Emigrant, Demonstrant, Debütant, Intrigant, Kommandant, Fabrikant, Musikant, Denunziant, Informant, Arrestant, Repräsentant, Sympathisant, Querulant, Intendant; Lieferant, Bummelant
b.
Laborant, Komödiant, Asylant, Praktikant
c.
Mandant, Dilettant, Leutnant, Aspirant
(2) a.
Dozent, Student, Dirigent, Regent, Produzent, Konkurrent, Assistent, Opponent, Resident, Subskribent, Absolvent, Korrespondent, Konsument, Rekonvaleszent, Rezensent, Expedient, Inspizient, Präsident, Inserent, Interessent, Rezipient, Agent
b.
Abiturient
c.
Klient, Patient, Delinquent
Nomina Agentis
304 (3)
Englisch:
a.
Protestant, postulant, attendant, defendant,
emigrant, commandant, informant, aspirant, descendant, communicant, participant, attestant, inhabitant, servant, affirmant, dependant, accountant, visitant, applicant, occupant, assistant
b.
lieutenant, tenant, sergeant, debutante, dilettante
(4) a.
student, opponent, correspondent, president, adherent, convalescent, resident, respondent
b.
recipient,
agent,
patient, client, adolescent, delinquent, regent
Der Zweck des folgenden kleinen Exkurses in die lateinische Sprache besteht darin, die Entstehung der Suffixe -ant und -ent zu rekonstruieren. Anschließend sollen dann zunächst die deutschen Personenbezeichnungen, die Träger dieses Suffixes sind, untersucht werden.
8.2 Die Beziehung zwischen dem lateinischen Partizip Präsens und den Suffixen -ant bzw. -ent In der Quellsprache, d. h. im Lateinischen, stellen die Formen -ans bzw. -ens Flexionsmorpheme dar. Bei lateinischen Konstruktionen wie speculäns, -antis, Ignöräns, -antis, assistens, -entis oder studens, -entis, aus denen die deutschen, die englischen (und selbstverständlich auch die französischen) Personenbezeichnungen entlehnt wurden, handelt es sich nämlich um die Partizip PräsensFormen der entsprechenden Infinitive (vgl. diesbzgl. ζ. B. Sommer 1914). Die Distribution von -ant und -ent ist bereits im Lateinischen angelegt und kann somit (wie manche anderen morphologischen Phänomene zuvor) nur noch aus der diachronen Perspektive rekonstruiert werden. Eine Untersuchung der relevanten Verben hat ergeben, daß die auf -ans, -antis endenden Partizip Präsens-Formen, die den Themavokal -ä- aufweisen, Infinitiven der Konjugationsklasse 1 (= a-Konjugation) zuzuordnen sind. Diese Infinitive enden in der Regel auf -äre (ζ. B. Ignöräre "nicht wissen, unkundig sein") bzw. -äri (ζ. B. specular7 "umherspähen; auskundschaften, belauern"). Die meisten der auf -ens, -entis ausgehenden Partizip Präsens-Formen mit dem Themavokal -e- werden aus Verben der Konjugationsklasse 2 (= eKonjugation) oder 3 (= konsonantische oder Mischkonjugation) gebildet.
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
305
Die entsprechenden Infinitive enden hier meist auf -ere1, ζ. Β. docere - docui doctus "lehren, unterrichten, unterweisen etc." (Klasse 2 —» Part. Präs. docens, docentis) oder dirigere "(gerade-)richten, aufstellen, lenken etc." (Klasse 3 —> Part. Präs. dirigens, dirigentis). Diese Beobachtungen erlauben die folgende Hypothese: Endet eine ins Deutsche oder Englische entlehnte Personenbezeichnung auf -ant, so handelt es sich bei der lateinischen Basis in der Regel um ein Verb, das in der Quellsprache seinen Infinitiv auf -äre bzw. -äri und dementsprechend sein Partizip Präsens auf -ans bildet. Endet die deutsche oder englische Personenbezeichnung hingegen auf -ent, so kann zumindest in den meisten Fällen davon ausgegangen werden, daß der Infinitiv der verbalen Basis im Lateinischen auf -ere und die entsprechende Partizip Präsens-Form auf -ens endet. Von dieser Generalisierung weichen nur wenige Personenbezeichnungen ab. Auf diese soll an späterer Stelle noch eingegangen werden. Marchand (1969a : 251 f.) weist daraufhin, daß die Bildung von Nomina Agentis mit Hilfe von Partizipialformen vor allem im mittelalterlichen Latein üblich war. Bei den spätlateinischen Bildungen auf -ans bzw. -ens handelt es sich hingegen vorwiegend um Nomina Instrumenti, die dem medizinischen Vokabular zuzuordnen sind (ζ. B. stimuläns "Reiz-, Genußmittel"). Dieses Ableitungsmuster hat sowohl im Englischen als auch im Französischen einen beträchtlichen Produktivitätsgrad erzielt und führte zur Bildung zahlreicher naturwissenschaftlicher Fachtermini wie ζ. B. solvent "Lösungsmittel" (frz. solvant), propellant "Teibstoff" (frz. carburant), depressant "Beruhigungsmittel" (frz. calmant), pollutant "Schadstoff' (frz. polluant) oder nutrient "Nährstoff". Die Übersetzungen zeigen, daß das Deutsche über nicht-gelehrte Entsprechungen verfugt, die sich aus heimischem Wortmaterial zusammensetzen. Neben diesen umgangssprachlichen Begriffen existieren jedoch auch im Deutschen entlehnte Fachtermini, die allerdings vorwiegend von Experten, d. h. in diesem Falle von Ärzten, Apothekern oder Naturwissenschaftlern verwendet werden. Personenbezeichnungen wie speculator "Kundschafter, Späher", demonstrator "jmd., der etwas zeigt, angibt", fabricator "Urheber", subscrlptor "Mitankläger" oder cönsümptor "Verzehrer" lassen erkennen, daß das substantivierte Partizip Präsens im Lateinischen mit Derivaten auf -or konkurriert. Die Tatsache, daß -ant und -ent auf lateinische Partizip Präsens-Formen zurückgehen und somit ursprünglich Flexionsaffixe darstellten, erlaubt nun die Ausnahmen stellen unregelmäßige Verben wie expedire "befreien; abwickeln, erledigen etc." (Klasse 4 = i-Konjugation) oder referre "zurücktragen; berichten etc." dar, die im Infinitiv nicht auf -ere enden, aber ihr Partizip Präsens dennoch mit -ens bilden (expediens; referens).
306
Nomina Agentis
Schlußfolgerung, daß diese beiden gebundenen Morpheme, die sich heute noch in zahlreichen deutschen, englischen und französischen Substantiven bzw. Adjektiven finden, nur unter synchronem Aspekt als Derivationsaffixe zu klassifizieren sind.
8.3
Die Geschichte der ins Deutsche entlehnten Personenbezeichnungen auf -ant bzw. -ent
Wie bereits in Abschnitt 8.1 erwähnt, wurden die auf -ant bzw. -ent ausgehenden Personenbezeichnungen entweder direkt aus dem Lateinischen ins Deutsche entlehnt oder durch französischen Einfluß vermittelt. Obwohl der Anteil an Lehnwörtern auf -ant/-ent erst im Laufe des 16. Jahrhunderts kontinuierlich anzuwachsen begann, ist laut Duden Herkunftswörterbuch ein -enf-Derivat zu verzeichnen, das bereits vor der frühneuhochdeutschen Epoche in den deutschen Wortschatz gelangte. Es handelt sich dabei um das Nomen Agentis Student "Lernender, Schüler", das schon im Mittelhochdeutschen belegt ist und aus dem Partizip Präsens studens von lat. studere "etwas eifrig betreiben, sich wissenschaftlich betätigen, studieren" entlehnt wurde. Der Infinitiv studere bildete wiederum die Grundlage für das Verb studieren, das ebenfalls seit dem 13. Jhdt. bezeugt ist. In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, daß auch die Entstehung des verbalen Musters X-ier-en, das die französischen -er- bzw. -ir-Verben imitierte, in dieser Zeit anzusetzen ist. Im 15. Jhdt. wurde das Nomen Agentis Regent "[fürstliches] Staatsoberhaupt; verfassungsmäßiger Vertreter eines Monarchen" aus lat. regens "Herrscher, Fürst", dem substantivierten Partizip Präsens von regere "geraderichten, lenken, herrschen" entlehnt. Das Verb regieren, das nach dem Vorbild des altfranzösischen Verbs reger (< lat. regere) geprägt wurde, existiert hingegen schon seit der mittelhochdeutschen Zeit. Um 1500 wurde laut Duden Herkunftswörterbuch die militärische Rangbezeichnung Leutnant aus dem Französischen entlehnt. Die französische Bezeichnung lieutenant, die in dieser Form auch ins Englische eingegangen ist, stellt eigentlich ein Kompositum dar, das sich aus dem Substantiv lieu "Ort" und dem Partizip Präsens tenant von tenir "halten" zusammensetzt. Dieses Kompositum wurde wiederum nach dem Vorbild von lat. locum tenens "Statthalter, Stellvertreter" gebildet, wobei tenens das Partizip Präsens von tenere darstellt. Obwohl die Partizip Präsens-Form dieses Verbs der Konjugationsklasse 2 erwartungsgemäß auf -ens ausgeht (vgl. Abs. 8.2), endet die französische Variante lieutenant nicht auf -ent, sondern auf -ant. Die Tatsache, daß sowohl die deutsche Bezeichnung Leutnant als auch die englische Entsprechung lieutenant nicht direkt aus dem Lateinischen, sondern indirekt
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
307
über das Französische entlehnt wurde, erklärt, weshalb man auch in diesen beiden Sprachen anstelle von -ent das Suffix -cmt vorfindet, denn nach Koziol (1972 : 221) und Jespersen (1974 : 368) wurden die Endungen in allen französischen Partizip Präsens-Formen zu -cmt. Das Italienische verfugt hingegen über das Lehnwort luogotenente (vormals locotenente), das sich im Gegensatz zu der französischen, deutschen und englischen Variante näher an dem lateinischen Partizip Präsens orientiert (Jones 1976 : 394). Möglicherweise läßt sich die Substitution von -ent durch -cmt, die im Französischen auch bei Personenbezeichnungen wie etudiant "Student" (vs. lat. studens), assistant "Assistent" (vs. lat. assistens), Intendant "Aufseher, Verwalter; Intendant" (vs. lat. Mendens) oder correspondant "Korrespondent" (vs. lat. correspondent) zu beobachten ist, darauf zurückfuhren, daß beide Suffixe phonetisch als [ä] realisiert werden und somit nur auf der Ebene der orthographischen Repräsentation distinkt sind. Ab dem 16. Jhdt. ist innerhalb des deutschen Wortschatzes ein Anstieg der auf -cmt bzw. -ent ausgehenden Bildungen zu verzeichnen, der etwa bis zum 18. Jhdt. währt. Ein für das 16. Jhdt. bezeichnendes Lehnwort ist die religiöse Personenbezeichnung Protestant, die unter dem Einfluß der kirchlichen Reformation aus lat. protestäns, dem Partizip Präsens von protestor! "öffentlich bezeugen, eine Gegenerklärung abgeben" entlehnt wurde und einen Angehörigen der lutherischen bzw. reformierten Kirche denotiert. Das Verb protestieren mit der säkularen Bedeutung "Einspruch erheben" wurde bereits im 15. Jhdt. aus frz. protester entlehnt. Ebenfalls aus dem 16. Jhdt. stammen die Personenbezeichnungen Ignorant "Nichtwisser, Dummkopf', Produzent "Hersteller, Erzeuger", Delinquent "Übeltäter, Straffälliger" (< lat. delinquere "hinter dem erwarteten Verhalten zurückbleiben"), Assistent "Gehilfe, [wissenschaftl.] Mitarbeiter" (urspr. interpretiert als "Helfer, Freund") und Rezipient "Hörer, Leser, Betrachter bzw. Zuschauer", die aus den lateinischen Partizip Präsens-Formen Ignöräns, prödücens, delinquens, assistens und recipiens entlehnt wurden. Dem Deutschen Fremdwörterbuch zufolge handelte es sich bei dem Nomen Rezipient ursprünglich um einen Fachausdruck aus der Chemie bzw. Physik, der die Bedeutung "Vorlegglas, Vorlage, Auffanggefäß für ein bei der Destillation benutztes Gefäß" trug und später als "Auffangbecken" interpretiert wurde. Diese Lesart wird u. a. anhand des folgenden Zitats aus dem Jahre 1580 belegt: Das vierte geschirr ist der recipient oder das Fürsetzglas / in welchs das gedestillirt Oele soll einfliessen. (Sebiz 1580 Feldblau 433)
308
Nomina Agentis
Die Bedeutung "Empfänger einer Information; Hörer, Leser, Betrachter bzw. Zuschauer" hat das Lehnwort erst in jüngster Zeit hinzugewonnen. In diesem Falle ist es der Mensch, der beispielsweise durch das Lesen eines literarischen Werkes, durch die Betrachtung eines Gemäldes oder durch das Anhören eines Musikstücks Sinneseindrücke "auffängt" und speichert. Des weiteren wären die Personenbezeichnungen Klient "Auftraggeber eines Rechtsanwalts, Steuerberaters etc." (< lat. cliens "der Hörige") und Patient "Kranker (in ärztlicher Behandlung)" - entlehnt aus dem adjektivisch verwendeten Partizip Präsens patiens "(er-)duldend, leidend etc." des Verbs pati "(er-)dulden, leiden" - zu nennen. Zu der lateinischen Personenbezeichnung cliens ist anzumerken, daß diese laut Duden Herkunftswörterbuch den Schutzbefohlenen einer Sippe denotierte. Die Schutzherrschaft, d. h. das Verhältnis des Schutzbefohlenen zu seinem Patron, wurde als clientela ( > dt. Klientel "Gesamtheit der Klienten") bezeichnet. Zwei weitere, ebenfalls noch im 16. Jhdt. entlehnte Personenbezeichnungen, nämlich Präsident und Agent, wurden hingegen aus dem Französischen bzw. Italienischen übernommen, obwohl auch sie lateinischen Ursprungs sind. Das Nomen Agentis Präsident geht auf frz. president "Vorsitzender, Leiter; Staatsoberhaupt" (< lat. praesidens) zurück, während Agent, zunächst mit der Bedeutung "Geschäftsträger; Handelsvertreter; Geschäftsvermittler" aus ital. agente entlehnt wurde. Die spezielle Bedeutungskomponente "in staatlichem Auftrag tätiger Spion" hat sich erst später herauskristallisiert. Während die Verben rezipieren "an-, aufnehmen; erfassen" (< lat. recipere), präsidieren "den Vorsitz fuhren" (< frz. presider < lat. praesidere) und agieren "handeln, tätig sein; eine Rolle spielen" (< lat. agere) ungefähr zur gleichen Zeit wie die entsprechenden Nomina Agentis entlehnt wurden, sind die Verben produzieren (< lat. prödücere), ignorieren (< lat. Ignöräre) und assistieren (< lat. assistere "sich hinstellen; beistehen") erst seit dem 17. bzw. 18. Jhdt. belegt. Das Lehnwort Praktikant ging bereits im 16. Jhdt. mit der Bedeutung "wer unsaubere Praktiken betreibt" in die deutsche Sprache ein. Die Bedeutung "wer in praktischer Ausbildung steht; ein Praktikum macht", die heute mit diesem Nomen Agentis assoziiert wird, trat erst im 17. Jhdt. hinzu. Um 1600 wurden die militärische Personenbezeichnung Kommandant "Befehlshaber (eines Schiffes, einer Festung, einer Stadt etc.)" und das entsprechende Verb kommandieren aus dem Französischen übernommen. Das Nomen Agentis ist nicht zu verwechseln mit Kommandeur, das den Befehlshaber einer Truppenabteilung bezeichnet (vgl. Abs. 7.3 .1). Des weiteren ist das Derivat Komödiant "Schauspieler, Gaukler" zu verbuchen, das von vornherein mit einer negativen Konnotation behaftet war. Dem Duden Herkunftswörterbuch zufolge geht es auf ital. commediante zurück, wurde aber durch die englische Form comedian ins Deutsche vermittelt.
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
309
Zunächst bezeichnete es nicht nur den Komödienschauspieler, sondern den Berufsschauspieler schlechthin. Wegen seiner negativen Färbung wurde es jedoch seit dem 18. Jhdt. zunehmend durch die semantisch neutralen Berufsbezeichnungen Schauspieler bzw. Akteur substituiert. Etwa zur gleichen Zeit, d. h. um 1600, entstand auch das Nomen Agentis Musikant "Amateurmusiker", das eine latinisierende Endung aufweist und somit eine Analogiebildung zu den bereits vorhandenen Lehnwörtern auf -ant darstellt. Nach Öhmann (1933) hat diese frühneuhochdeutsche Bildung die ältere, aus dem Lateinischen stammende Form musicus, die heute nur noch scherzhaft verwendet wird, verdrängt. Seine Untersuchungen haben ergeben, daß das Derivat musiccmt erstmals in einer hessischen Hofordnung aus dem Jahre 1570 erscheint. Ob die Existenz dieser frühen Analogiebildung jedoch als Indiz dafür betrachtet werden kann, daß "-ant schon im 16. Jhdt. im Deutschen über seine ursprünglichen Grenzen hinübergreift, d. h. produktiv wird" (Öhmann 1933 : 129), bleibt noch zu klären. In jedem Falle ist die Form Musikant ebenso wie Komödiant leicht pejorativ gefärbt und unterscheidet sich aufgrund dieser semantischen Komponente von der neutralen bzw. professionellen Berufsbezeichnung Musiker. A. F. Müller (1953 : 254) beurteilt die semantische Opposition zwischen den beiden Formen folgendermaßen: "Musiker besitzt eine viel edlere Bedeutung als Musikant." Auch im 17. Jhdt. machten sich die Sprecher des Deutschen den nahezu unerschöpflichen Reichtum an lateinischen Partizip Präsens-Formen zunutze. Aus dieser Epoche, die den Übergang vom Frühneuhochdeutschen zum Neuhochdeutschen markiert, stammen beispielsweise die Personenbezeichnungen Sekundant "Beistand; Zeuge beim Duell", Resident "Statthalter, Vasall; Gesandter (eines Staates oder einer Regierung in einem fremden Land)", Laborant "technische Hilfskraft in einem Labor", Denunziant "jmd., der einen anderen anzeigt oder verrät", Emigrant "jmd., der aus politischen oder religiösen Gründen auswandert", Opponent "Gegner [im Redestreit]", Korrespondent "Briefeschreiber; Berichterstatter; Bearbeiter des Kaufmännischen Schriftwechsels", Konsument "Verbraucher" oder Interessent "jmd., der sich für etwas interessiert; Teilnehmer; Bewerber". Wie die meisten der hier im Vordergrund stehenden Lehnwörter korrespondieren auch diese Nomina Agentis mit Verben der Struktur X-ier-en die allerdings nicht immer gleichzeitig mit den Personenbezeichnungen entlehnt wurden. Das Verb sekundieren trug ebenso wie sein lateinisches Vorbild secundäre zunächst die allgemeine Bedeutung "unterstützen, begünstigen", bevor es dann unter dem Einfluß von frz. seconder die spezifische Interpretation "beim Duell Beistand leisten" erhielt. Auch die Bedeutungen der Verben korrespondieren "im Briefverkehr stehen" (< frz. correspondre < lat. correspondere) und (sich) interessieren (frz. s'interesser < lat. inter-esse "dazwischen sein, dabei sein; teilnehmen etc.") wurden durch das Französische determiniert.
310
Nomina Agentis
Dem 17. Jhdt. sind ferner die Personenbezeichnungen Fabrikant und Lieferant zuzuordnen. Während Fabrikant "Besitzer einer Fabrik; Großhersteller" aus frz. fabricant entlehnt wurde, handelt es sich bei dem Nomen Agentis Lieferant (ebenso wie bei Musikant) um eine Analogiebildung. Das dazugehörige Verb liefern, das nicht auf -ier-en endet, gelangte laut Duden Herkunftswörterbuch aus der niederdeutschen Kaufmannssprache ins Hochdeutsche und geht auf das mittelniederdeutsche bzw. mittelniederländische Verb leveren zurück, das seinerseits aus frz. livrer "mit etwas ausstatten, liefern" entlehnt wurde. Als Quelle all dieser Varianten wird jedoch das lateinische Verb liberäre "befreien" angegeben, das im Mittellateinischen auch die spezifische Bedeutung "freilassen, freimachen; ausliefern" trug. Im 18. Jhdt. bekam das bisher schon recht ansehnliche Inventar der -ant- / -enf-Bildungen nochmals erheblichen Zuwachs. Aus dieser Entlehnungsphase stammen Personenbezeichnungen wie Gratulant "jmd., der Glückwünsche darbringt", Spekulant "jmd., der sich in gewagte Geschäfte einläßt", Querulant "Nörgler, Besserwisser" (< Part. Präs. von lat. quereläri "klagen"), Dozent "Hochschullehrer", Konkurrent "Mitbewerber, Rivale", Subskribent "wer ein Buch vor dem Erscheinen durch Namensunterschrift bestellt", Rezensent "jmd., der Bücher oder Zeitschriften begutachtet" oder Inserent "jmd., der eine Zeitungsanzeige aufgibt", die allesamt lateinischen Ursprungs sind. Interessant ist ferner der Werdegang des lateinischen Lehnwortes Arrestant, das dem Deutschen Fremdwörterbuch zufolge bereits seit dem 16. Jhdt. belegt ist, aber ursprünglich die Bedeutung "jmd., der eine Beschlagnahme bzw. Verhaftung vornimmt" trug und somit zunächst ein Nomen Agentis darstellte. Im frühen 18. Jhdt. erfuhr diese Personenbezeichnung einen perspektivischen Bedeutungswandel. Seitdem ist ein Arrestant nicht mehr deijenige, der eine Verhaftung vornimmt, sondern jemand, der selbst unter Arrest steht. Aufgrund dieser semantischen Veränderung ist das einstige Nomen Agentis in die Klasse der Nomina Patientis übergegangen. Das dazugehörige Verb arrestieren bzw. arretieren wurde vermutlich Mitte des 14. Jhdts. aus mittelniederländ. arresteren entlehnt, das seinerseits auf mittelfrz. arrester "anhalten; mit Beschlag belegen" (> neufrz. arreter) zurückgeht. Aus dem Französischen stammen ferner die Personenbezeichnungen Intrigant "Ränkeschmied", Aspirant "Bewerber, Anwärter", Repräsentant "offizieller Vertreter (eines Volkes, einer Firma etc.)" und Intendant "Leiter eines Theaters; einer Rundfunk- oder Fernsehanstalt" (< frz. intendant "Aufseher, Verwalter"), die wiederum lateinischen Ursprungs sind. Die Form Intendant weist ebenso wie Leutnant das Suffix -ant auf, obwohl die Basis auf das lateinische Partizip Präsens Mendens zurückgeht. Die Personenbezeichnung Dilettant geht hingegen auf das italienische Nomen Agentis dilettante (< dilettare "ergötzen, amüsieren") zurück und wurde zunächst als "nicht beruflich geschulter Künstler bzw. Kunstliebhaber" und dann
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
311
generell als "Nichtfachmann" interpretiert. Schließlich wurde das Lehnwort semantisch noch weiter degradiert, indem ihm die Bedeutung "Nichtskönner, Halbwisser, Stümper" zugeteilt wurde. Eine Phrase wie dilettante di musica "Musikliebhaber" läßt darauf schließen, daß die negative Konnotation der Personenbezeichnung Dilettant keineswegs in der Quellsprache angelegt ist. Im Vocabulario della Lingua Italiana wird dilettante als "Chi coltiva un'arte, una scienza, uno sport non per lucro, ma per piacere proprio" definiert. Im 19. Jhdt. ist bezüglich der Entlehnung von -aw/-/-e«/-Derivaten ein Rückgang zu verzeichnen. Bei den Lehnwörtern lateinischer Herkunft, die zu jener Zeit in die deutsche Sprache eingingen, handelt es sich um die Personenbezeichnungen Dirigent, Expedient "der mit der Abfertigung und mit dem Versand von Gütern Beauftragte", Inspizient "Bühnen-, Spielwart; hinter den Kulissen tätige Hilfskraft des Regisseurs" und Abiturient "jmd., der seine Reifeprüfung ablegt". Die Bezeichnung Abiturient wurde aus dem Partizip Präsens abitüriens des lateinischen Verbs abitürlre "fortgehen werden" gebildet. Ebenfalls seit dem 19. Jhdt. sind die Formen Debütant "Anfänger; erstmalig Auftretender" (< frz. debutant) und Bummelant belegt. Letztere stellt ebenso wie Musikant und Lieferant eine deutsche Analogiebildung dar, die bis heute erhalten geblieben ist und in Konkurrenz zu Bummler steht. Im 20. Jhdt. sind schließlich nur noch die Nomina Agentis Absolvent "wer nach erfolgreicher Prüfung von einer Schule (u. a.) abgeht", Informant "jmd., der [geheime] Informationen liefert", Sympathisant "jmd., der mit einer politischen Gruppe oder Idee sympathisiert; sie ünterstützt" und Asylant "Bewerber um politisches Asyl" hinzugetreten. Letzteres stellt trotz seiner griechisch-lateinischen Basis eine Analogiebildung dar. Der somit abgeschlossene geschichtliche Überblick sollte verdeutlichen, daß abgesehen von einigen wenigen Analogiebildungen, die sich durchsetzen konnten, die meisten der heute noch im deutschen Wortschatz vertretenen Nomina Agentis auf -ant bzw. -ent ihre Wurzeln im Lateinischen haben. Die substantivierten Partizip Präsens-Formen, derer sich außer dem Deutschen und dem Englischen natürlich in erster Linie auch die romanischen Sprachen bedienten, eigneten sich offenbar hervorragend für die Bildung von Personenbezeichnungen. Wie eingangs erwähnt, dienten die lateinischen Partizipialformen aber auch zur Bildung von Adjektiven auf -ant bzw. -ent. In dem folgenden Abschnitt sollen nun die morphologischen Eigenschaften der soeben unter sprachgeschichtlichem Aspekt vorgestellten Personenbezeichnungen aufgezeigt werden.
Nomina Agentis
312
8.4
Die morphologischen Eigenschaften der Personenbezeichnungen auf -ant bzw. -ent
8.4.1
Deverbale Nomina
Agentis
Der geschichtliche Überblick in Abschnitt 8.3 hat bereits erkennen lassen, daß die Mehrzahl der auf -ant bzw. -ent ausgehenden Personenbezeichnungen im Deutschen mit Verben der Struktur X-ier-en korrespondieren. In dieser Hinsicht sind sie mit den in der vorangegangenen Suffixstudie behandelten Lehnwörtern auf -eur bzw. -or vergleichbar. Im folgenden sollen nun zunächst noch einmal die unter (la) und (2a) aufgeführten Bildungen, die im Neuhochdeutschen als deverbale Ableitungen aus -ier-en- Verben beschrieben werden können, wiederholt werden. (5) a.
Gratulant, Spekulant, Ignorant, Simulant, Sekundant, Protestant, Emigrant, Demonstrant, Debütant, Intrigant, Kommandant, Fabrikant, Musikant, Denunziant, Informant, Arrestant, Repräsentant, Sympathisant, Querulant, Intendant
b.
Dozent, Student, Dirigent, Regent, Produzent, Konkurrent, Assistent, Opponent, Resident, Subskribent, Absolvent, Korrespondent, Konsument, Rekonvaleszent, Rezensent, Expedient, Inspizient, Präsident, Inserent, Interessent, Rezipient, Agent
Unter diachronem Aspekt wäre jedoch (ebenso wie im Falle von -eur und -or) eine Klassifizierung dieser Nomina Agentis als Ableitungen aus den entsprechenden -ier-en- Verben inadäquat, da es sich sowohl bei den Verben als auch bei den Derivaten um Lehngut handelt. Es liegt somit kein heimisches Wortbildungsmuster vor. Außerdem wurde bereits in Abschnitt 8.3 darauf hingewiesen, daß die Nomina Agentis nicht immer zur gleichen Zeit entlehnt wurden wie die Verben. Obwohl die Verben in der Regel vor den Personenbezeichnungen in den deutschen Wortschatz eingegangen sind, ist zuweilen auch der umgekehrte Fall zu beobachten. Anhand der beiden folgenden Tabellen, die nach den Angaben des Duden Herkunftswörterbuchs erstellt wurden, soll die beträchtliche Distanz, die mitunter zwischen dem Entlehnungszeitpunkt des Verbs und dem des Nomen Agentis liegen konnte, illustriert werden.
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
(6)
Verb
a. b. c. d.
opponieren dozieren dirigieren informieren
C7) Nomen Agentis
a. b. c. d.
Produzent Assistent Ignorant Emigrant
Entlehnuneszeit
15. Jhdt. 16. Jhdt. 16. Jhdt. 15. Jhdt. Entlehnunsszeit
16. Jhdt. 16. Jhdt. 16. Jhdt. 17. Jhdt.
Nomen Aeentis Opponent Dozent Dirigent Informant Verb produzieren assistieren ignorieren emigrieren
313
Entlehnuneszeit 17. 18. 19. 20.
Jhdt. Jhdt. Jhdt. Jhdt.
Entlehnuneszeit
17. Jhdt. 17. Jhdt. 18. Jhdt. 18. Jhdt.
Die unter (7) angelegte Tabelle läßt erkennen, daß die Verben, die auf lat. prödücere, assistere, Ignöräre und emigräre zurückgehen, erst später entlehnt wurden als die entsprechenden Nomina Agentis. Wie jedoch schon mehrfach erwähnt, sind den Sprechern des Neuhochdeutschen historische Fakten dieser Art nicht mehr bewußt, so daß auch die Personenbezeichnungen auf -ant bzw. -ent, die ein verbales Pendant aufweisen, synchron als deverbale Ableitungen beschrieben werden können. Für die Derivation eines Satzes ist es völlig unerheblich, ob einst das Verb oder das Nomen Agentis zuerst existierte.
8.4.1.1 Die Subkategorisierungseigenschaften von -ant und -ent in bezug auf Verben Nachdem sich herausgestellt hat, daß die soeben als deverbale Nomina Agentis klassifizierten Personenbezeichnungen ebenso wie die meisten der -eur- bzw. -or-Bildungen synchron auf -ier-en-Verben zurückgeführt werden können, soll nun der Frage nachgegangen werden, ob die Suffixe -ant bzw. -ent in bezug auf Verben auch über die gleichen Subkategorisierungseigenschaften verfugen wie -eur bzw. -or. Betrachtet man die folgenden, von -ant und -ent selegierten verbalen Basiselemente noch einmal näher, so stellt man fest, daß auch diese fast ausnahmslos dynamischen, kausativen Charakter haben und aufgrund ihrer Herkunft durch das Merkmal [- Germanic] gekennzeichnet sind. (8) a.
gratulieren, spekulieren, ignorieren, simulieren, sekundieren, protestieren, emigrieren, demonstrieren, debütieren, intrigieren, kommandieren, fabrizieren, musizieren, denunzieren, informieren, arrestieren, repräsentieren, sympathisieren, querulieren, intendieren
Nomina Agentis
314 b.
dozieren, studieren, dirigieren, regieren, produzieren, konkurrieren, assistieren, opponieren, subskribieren, absolvieren, korrespondieren, konsumieren, rekonvaleszieren, rezensieren, expedieren, inspizieren, präsidieren, inserieren, (sich) interessieren, agieren, residieren( dynainic], rezipieren [-dynamic]
Ausnahmen bilden die Personenbezeichnungen Resident und Rezipient, die als Basis die statischen Verben residieren bzw. rezipiereri2 aufweisen. Aufgrund der überwiegenden Anzahl von nicht-statischen, kausativen Verben erscheint es dennoch sinnvoll, auch das Suffix -ent für Verben mit den Merkmalen [+ dynamic] und [+ causative] zu subkategorisieren. Auch die Suffixe -eur und -or waren für nicht-statische, kausative Verben mit dem Merkmal [- Germanic] subkategorisiert (vgl. Kap. 7). Ein wesentlicher Unterschied zu den -eur- bzw. -or-Derivaten besteht jedoch darin, daß sowohl -ant als auch -ent im Falle des Vorhandenseins von Basisallomorphen die unmarkierte Variante der verbalen Basis selegieren3. Die folgende Übersicht soll dieses Verhalten illustrieren.
(9) Infinitiv
Basisallomorohe
a. gratulieren
gratulgratulat spekulspekulatsimulsimulatemigremigratdemonstrdemonstratinforminformatrepräsentrepräsentat-
b. spekulieren c. simulieren d. emigrieren e. demonstrieren
f. informieren g. repräsentieren
markiert
-
-ant- / -entDerivate
-eur- / -orDerivate
Gratulant
+ -
Spekulant
+ -
Simulant
+ -
Simulator Emigrant
+ -
Demonstrant
+ -
Informant
+ -
Repräsentant
+
Da das Verb rezipieren in seiner für das Nomen Agentis Rezipient relevanten Lesart einen mentalen Vorgang bezeichnet, wird es hier als kognitives und somit statisches Verb klassifiziert. 3
Auf scheinbare Ausnahmen soll in Abschnitt 8.4.2 eingegangen werden.
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
h. dozieren
dozdokti. dirigieren dirigdirektj. regieren regrektk. produzieren produzprodukt1. subskribieren subskribsubskript m. expedieren expedexpeditn. inspizieren inspizinspekto. rezipieren p. agieren
reziprezeptagakt-
-
Dozent
+ -
Doktor Dirigent
+ -
Direktor Regent
+ -
315
Rektor Produzent
+ -
Subskribent
+ -
Expedient
+ -
Spediteur Inspizient
+ -
Inspekteur, Inspektor Rezipient
+ -
+
Agent Akteur
Die Eigenschaft der Suffixe -cmt und -ent, die durch das Merkmal [- marked] gekennzeichneten Basisallomorphe aus den Merkmalbündeln der entsprechenden Infinitive zu selegieren, ist ebenso im Lateinischen begründet wie das Auftreten der Suffixe -eur und -or im Kontext von markierten Basisallomorphen, denn alle lateinischen Partizip Präsens-Formen, die ja die Grundlage für die -ant-/-entDerivate bildeten, weisen naturgemäß Präsensstämme (und nicht etwa die idiosynkratischen Perfektpassivstämme) auf, ζ. B. grätulän —» grätuläns (*grätulatäns); dirigere —» dirigens (*directens). Unter synchronem Aspekt handelt es sich jedoch bei der Präferenz der beiden Suffixe für unmarkierte Basisallomorphe um eine idiosynkratische Eigenschaft, die als Subkategorisierungsbedingung im Lexikon zu verbuchen ist.
8.4.1.2
Semantische Oppositionen zwischen -ant-/-ent- und eur-/-orDerivaten
Die im vorangegangenen Abschnitt unter (9) dargestellte Tabelle gibt nicht Aufschluß darüber, daß -ant und -ent im Gegensatz zu -eur bzw. unmarkierte Basisallomorphe selegieren, sondern läßt auch erkennen, daß beiden Suffixpaare in semantischer Opposition zueinander stehen, wenn Allomorphe ein und desselben Verbs selegieren. Im folgenden sollen
nur -or die sie die
316
Nomina Agentis
Bedeutungsunterschiede (vorwiegend anhand von morphologischen Minimalpaaren) kurz aufgezeigt werden. Simulant vs. Simulator Während das Nomen Agentis Simulant auf denjenigen referiert, der eine Krankheit vortäuscht, handelt es sich bei der Konstruktion Simulator um ein Nomen Instrumenti, das ein Gerät zur modellhaften Nachahmung wirklichkeitsgetreuer Vorgänge bezeichnet. Interessanterweise hat das Derivat Simulator (entlehnt im 20. Jhdt.) diese spezifische Interpretation erst im Deutschen hinzugewonnen, denn im Lateinischen stellt es ein Nomen Agentis dar, das einen Nachahmer bzw. Heuchler denotiert. Die Bedeutungskomponenten des lateinischen Verbs simuläre "ähnlich machen, nachbilden; nachahmen; etwas zum Schein vorgeben, sich den Anschein von etwas geben, etwas vortäuschen", das laut Duden Herkunftswörterbuch aus dem Adjektiv similis "ähnlich" abgeleitet wurde, sind jedoch sowohl in der lateinischen als auch in der deutschen Lesart der Form Simulator implizit vorhanden. Dozent vs. Doktor Der für dieses Minimalpaar charakteristische Bedeutungsunterschied besteht darin, daß das Nomen Agentis Dozent als "Hochschullehrer" interpretiert wird, während Doktor im Deutschen einerseits einen akademischen Grad darstellt, aber andererseits umgangssprachlich auch als Synonym ftir "Arzt" verwendet wird. Dieses Nomen Agentis weicht insofern von seinem lateinischen Vorbild ab, als doctor (< docere "lehren") laut Stowasser in der Quellsprache die Bedeutung "Lehrer" trägt. Dirigent vs. Direktor Beide Personenbezeichnungen referieren auf jemanden, der etwas leitet. Während ein Direktor jedoch unterschiedliche Institutionen leiten kann (ζ. B. eine Schule, eine Universität, ein Museum oder eine Firma), ist der Wirkungsbereich des Dirigenten auf die Musik beschränkt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß das Verb dirigieren häufig speziell die Tätigkeit des Dirigenten bezeichnet. Um zu vermeiden, daß Direktor im Sinne von "jmd., der ein Orchester dirigiert" interpretiert wird, sollte der Lexikoneintrag dieser Personenbezeichnung die idiosynkratische Information [LEITER EINER INSTITUTION] erhalten. Regent vs. Rektor Auch im Falle dieser beiden Lehnwörter ist ein Unterschied in bezug auf den jeweiligen Wirkungsbereich zu verzeichnen. Ein Regent, der in Abschnitt 8.3 als "[fürstliches] Staatsoberhaupt" bzw. als "verfassungsmäßiger Vertreter eines Monarchen" definiert worden war, regiert im wahrsten Sinne des Wortes, indem
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
317
er Herrschaft über sein Volk ausübt. Die "Regentschaft" eines Rektors ist hingegen auf eine Schule oder Hochschule beschränkt, so daß in diesem Falle das Verb regieren nur bedingt als Basis angenommen werden kann. Der separate Lexikoneintrag dieser Personenbezeichnung sollte daher neben den Verweisen auf das Suffix -or und das Verb regieren die semantische Information [LEITER EINER (HOCH-) SCHULE] ausweisen. Expedient vs. Spediteur Der zwischen diesen beiden Personenbezeichnungen bestehende Bedeutungsunterschied ist insofern nicht unmittelbar ersichtlich, als das Nomen Agentis Spediteur eine Ableitung aus dem nach italienischem Vorbild geprägten Verb spedieren darstellt, das seinerseits mit dem lateinischen Lehnwort expedieren identisch ist. Die semantische Opposition resultiert hier jedoch aus dem Kriterium der Selbständigkeit, das nur im Falle von Spediteur "Transportunternehmer" erfiillt ist. Der Expedient wurde hingegen in Abschnitt 8.3 als "der mit der Abfertigung und mit dem Versand von Waren beauftragte Kaufmann"definiert. Inspizient vs. Inspekteur vs. Inspektor Der Infinitiv inspizieren zeichnet sich dadurch aus, daß er den Input fur nicht weniger als drei semantisch distinkte Personenbezeichnungen liefert. Eine Gemeinsamkeit zwischen diesen drei Formen besteht zunächst darin, daß ihre Referenten allesamt etwas beaufsichtigen. Die spezifischen Bedeutungskomponenten kommen auch hier wieder durch die unterschiedlichen Wirkungskreise zustande. Während ein Inspizient bei einer (Theater-)Aufführung oder Probe die Aufsicht hinter den Kulissen führt, obliegt den Inspekteuren die Beaufsichtigung der einzelnen Teilstreitkräfte der Bundeswehr. Die Form Inspektor denotiert generell einen Aufseher bzw. Vorsteher oder Verwalter, wird jedoch in erster Linie als Rangbezeichnung für Verwaltungsbeamte verwendet. Agent vs. Akteur Die Personenbezeichnung Agent hat im Laufe der Zeit zwei Bedeutungskomponenten entwickelt. Zum einen referiert sie auf denjenigen, der in staatlichem Auftrag Spionage betreibt. In dieser Lesart ist es durch eine pejorative Konnotation gekennzeichnet. Zum anderen wird es in der Kaufmannssprache im Sinne von "[Handelsvertreter; Geschäftsvermittler" interpretiert. Diese semantisch neutrale Lesart ist auch für entsprechende Komposita wie Theateragent, Versicherungsagent etc. relevant. Der Wirkungsbereich des Akteurs ist hingegen auf die Bühne beschränkt.
Nomina Agentis
318
8.4.2
Die strukturelle Ambiguität der Nomina Agentis Fabrikant, Musikant und Praktikant
In Abschnitt 8.4.1.1 wurde nachgewiesen, daß die Suffixe -ant und -ent generell die unmarkierten Allomorphe ihrer Basisverben selegieren. Drei auf -ant endende Personenbezeichnungen scheinen sich jedoch etwas anders als die in Tabelle (9) vertretenen Bildungen zu verhalten. Es handelt sich dabei um die Nomina Agentis Fabrikant, Musikant und Praktikant, die dadurch gekennzeichnet sind, daß das Suffix hier nicht die zu erwartenden Varianten
fabriz-, musiz- bzw. praktiz- der Infinitive fabrizieren, musizieren bzw. praktizieren selegiert, sondern die Formen fabrik-, musik- und praktik-, zu deren Herkunft kurz einige Überlegungen formuliert werden sollen. Aufgrund der Struktur der drei besagten Personenbezeichnungen stellt sich zunächst die Frage, ob Fabrikant, Musikant und Praktikant nicht eher als Ableitungen aus den Substantiven Fabrik, Musik und Praktik(um) beschrieben werden sollten. In diesem Falle hätte das Suffix direkten Zugriff auf die adäquaten nominalen Basiselemente. Bevor diese drei problematischen Derivate jedoch entsprechend ihrer Basiselemente klassifiziert werden können, sollten sie zunächst dem in Abschnitt 3.4.3 entwickelten Test zur Identifizierung denominaler bzw. deverbaler Nomina Agentis unterzogen werden. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß bei diesem Test überprüft wird, ob sich die Derivate zu synthetischen Komposita4 erweitern lassen. Ist dies der Fall, so liegt grundsätzlich ein deverbales Derivat vor. Wendet man nun diesen Test auf die hier zur Debatte stehenden Personenbezeichnungen an, so ergibt sich das folgende Bild: (10) mögliche Erweiterungen:
Fabrikant
Musikant
Schuhfabrikant Möbelfabrikant Wurstfabrikant etc.
Straßenmusikant (Bremer) Stadtmusikanten * Flötenmusikant
Praktikant
Aus der obigen Tabelle geht hervor, daß sich das Derivat Fabrikant beliebig durch Nomen, die als interne Argumente des transitiven Verbs fabrizieren Ferner sollte in diesem Zusammenhang wiederholt werden, daß ein synthetisches Kompositum dann vorliegt, wenn der W-Modifikator des deverbalen Derivates innerhalb von syntaktischen Strukturen als internes Argument des Basisverbs auftreten kann. Die Klassifikation einer morphologischen Konstruktion als synthetisches Kompositum ist aber auch dann gerechtfertigt, wenn der W-Modifikator innerhalb der Syntax zumindest als Adjunkt interpretiert werden kann.
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
319
fungieren können, modifizieren läßt. Diese Feststellung erlaubt die Schlußfolgerung, daß das besagte Derivat als Ableitung aus fabrizieren und nicht als Ableitung aus Fabrik zu beschreiben ist. Handelte es sich nämlich bei der Basis um das Nomen Fabrik, so wäre die Erweiterung zu einem synthetischen Kompositum ausgeschlossen, weil das Nomen kein internes Argument lizensiert. Das Nomen Agentis Musikant läßt sich ebenfalls modifizieren. Da es sich jedoch bei dem Infinitiv musizieren, aus dem Musikant somit abgeleitet wird, um ein intransitives Verb handelt, können die W-Modifikatoren Straßen- bzw. Stadt- lediglich als lokale Adjunkte interpretiert werden (die Straßenmusikanten musizieren in den Straßen, die Bremer Stadtmusikanten musizieren in der Stadt Bremen). Die Interpretation der W-Modifikatoren als interne Argumente wäre aufgrund der Argumentstruktur des einstelligen Verbs musizieren [di'pend] [a'kaunt] - > [di'fend] [3 tend] -> [.kora'spond] - » ['s3:v]
informant assistant descendant inhabitant dependant accountant defendant attendant correspondent servant
[in'f D:mant] [a'sistant] [di'sendant] [inhabitant] [di'pendant] [a'kauntant] [defendant] [a'tendant] [.kore'spondant] ['s3:vant]
Die folgenden Beispiele zeigen, daß sich das Intonationsmuster der Basis auch dann nicht verändert, wenn diese in gebundener Form vorliegt, ζ. B. (40)
Verb occupy emigrate
16
Nomen Agentis [Dkjupai] [emigreit]
—»
occupant emigrant
['ükjupant] [emigrant]
Die folgenden phonetischen Repräsentationen wurden dem Longman Dictionary entnommen.
Pronunciation
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
357
postulate ['pastjuleit] -> postulant ['pDstjutont] communicate [ka'mju:nikeit] —> communicant [ka'mjuinikant] participate [pa: tisipeit] -> participant [pa: tisipant] Eine Akzentverschiebung, die gleichzeitig die Qualität des ersten Basisvokals bewirkt, ist lediglich in den folgenden Fällen zu beobachten: (41)
Nomen Agentis
Verb protest apply reside preside
[pre'test] [a'plai] [n'zaid] [pn'zaid]
—> - >
Protestant applicant resident president
['protistant] [aeplikant] [rezidant] ['prezidant]
In allen vier Fällen wird der Hauptakzent im Zuge des Derivationsprozesses von der letzten Silbe der Basis auf die erste Silbe des Nomen Agentis verlegt. Dem Longman Pronunciation Dictionary zufolge wird auch bei der Bildung einiger auf -ant bzw. -ent endender Adjektive das Intonationsmuster der Basis verändert, ζ. B. ignore -> ignorant, ex'eel —> excellent oder provide —> provident. Da sich die beiden Lehnsuffixe also doch nicht generell phonologisch neutral verhalten und obendrein sowohl freie als auch gebundene Morpheme selegieren, sollten sie auch im Englischen der Affixklasse I zugeordnet werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß -ant und -ent mitunter eine Akzentverschiebung auslösen, erhalten sie ferner ein noch nicht spezifiziertes phonologisches Merkmal [α stress shift], dessen Wert nur dann positiv wird, wenn die Suffixe an einer Basis mit dem Merkmal [+ stress shift] "andocken", ζ. B. protest, reside, excel etc. Auf PF U kommen dann Akzentregeln (stress rules) zur Anwendung, welche eine Verschiebung des Hauptakzents und die damit verbundenen Vokalveränderungen bewerkstelligen17. Im Deutschen war für die hier im Vordergrund stehenden Suffixe ein phonologisches Merkmal [α i-epenthesis] postuliert worden, da einige Derivate wie Expedient, Rezipient oder Abiturient zwischen der Basis und dem Suffix den (bereits im Lateinischen angelegten) Vokal /i/aufweisen. Nun stellt sich die Frage, ob -ant und -ent auch im Englischen über solch ein Epenthesemerkmal verfugen. Ableitungen wie receive -» recipient [n'sipiant], perceive -> percipient [pa'sipiant] oder subserve —» subservient [sab's3:viant] lassen erkennen, daß auch die englische Variante des Suffixes -ent mitunter eine i-Epenthese bewirkt und daher im Lexikon für das Merkmal [α i-epenthesis] markiert sein sollte. Dieses wird ebenso wie im Deutschen nur dann aktiviert, wenn die Basis über 17
Vgl. diesbzgl. ζ. B. Chomsky & Halle (1968 : 159).
358
Nomina Agentis
ein entsprechendes positives Merkmal verfugt. Auf -ant endende Adjektive wie radiant ['reidiant], mediant [ mirdiant], ofßciant [a'fijiant] oder luxuriant [Lvg'zjuriant] suggerieren zunächst, daß auch das Suffix -ant durch [α iepenthesis] gekennzeichnet ist. Dies wäre allerdings ein Fehlurteil, da der Vokal / i / hier bereits in den Wurzeln der Infinitive radi-ate, medi-ate, offici-ate und luxuri-ate angelegt ist und somit nicht durch ein Epenthesemerkmal eingefügt werden darf. Man kann also davon ausgehen, daß im Englischen nur das Suffix -ent Träger des Merkmals [α i-epenthesis] ist.
8.7.2
Merkmalbündel, Subkategorisierungsrahmen und semantisches Merkmal
Abgesehen von der orthographischen Repräsentation und dem phonologischen Merkmal [α i-epenthesis] verfugen -ant und -ent im Englischen bisher über identische Eigenschaften. Beide Suffixe gehören der gleichen Affixklasse an, weisen die gleiche phonologische Repräsentation auf und ändern nur in wenigen Fällen das Intonationsmuster ihrer Basiselemente. Auch in bezug auf das Merkmalbündel kongruieren die beiden hier im Vordergrund stehenden Suffixe, denn sowohl -ant als auch -ent weisen die intrinsischen formalen Merkmale [+ common], [+ count], [+ concrete], [α human], [], [- Germanic] und [3 person] auf. Das Merkmal [human] bleibt aufgrund der in Abschnitt 8.2 und 8.6.3 erwähnten, nicht-belebten Substantive stimulant, propellant, intoxicant, solvent, nutrient etc. unspezifiziert und erhält erst innerhalb der separaten Lexikoneinträge der auf -ant und -ent ausgehenden Personenbezeichnungen einen positiven Wert. Die Subkategorisierungsrahmen von -ant und -ent sind jeweils einteilig, da beide Suffixe ausschließlich Verben selegieren. Diese haben vorwiegend dynamischen Charakter, stellen iMgewf-Merkmale für die Θ-Absorption bereit und sind durchweg nicht-heimischen Ursprungs. Der Subkategorisierungsrahmen von -ant sollte zusätzlich die Informationen [a causative] und [(base of Xate)\ enthalten, welche auf die Präferenz dieses Suffixes fur Kausativa der Struktur X-ate verweisen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Option, denn andere Basisverben wie ζ. B. aspire, inhabit, occupy oder visit sind dadurch gekennzeichnet, daß sie weder kausativ sind noch auf -ate enden. Wie in Abschnitt 8.6.3 ausgeführt, zeigen -ant und -ent auch im Englischen eine Präferenz für unmarkierte Basisallomorphe, so daß sie ebenso wie im Deutschen über eine Subkategorisierungsbedingung [base [± marked]] [base [- marked] of infinitive] verfugen. Eine Sonderregelung besteht lediglich für das Suffix -ant, das im Kontext von Verben, die auf -ate enden, stets das markierte Basisallomorph (ζ. B. emigrate —> emigr-ant, *emigrat-ant) selegiert und somit
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
359
eine zusätzliche Bedingung [base [± markedi x_ate]] - » [base [+ marked] of infinitive] benötigt. Das semantische Merkmal [habitual] sollte für beide Suffixe unspezifiziert bleiben, da die Referenten von Personenbezeichnungen wie aspirant, participant, applicant, recipient oder convalescent nur vorübergehend an den durch die Basisverben ausgedrückten Ereignissen beteiligt sind. Das Suffix -ent ist ebenso wie im Deutschen erstarrt, da es ausschließlich in lexikalisierten Lehnwörtern auftritt. Es bildet somit eine relativ geschlossene Derivationsklasse. Das Suffix -ant könnte hingegen aufgrund seiner Präferenz fur kausative Verben der Struktur X-ate zumindest noch zur Bildung weiterer Substanzbezeichnungen des Typs lubricant dienen, so daß hier neben einer relativ geschlossenen Derivationsklasse für Personenbezeichnungen eine offene, Substanzbezeichnungen beinhaltende Klasse postuliert wird. Die nun folgenden Abbildungen zeigen, wie sich die beiden Lehnsuffixe im englischen Lexikon darstellen18.
(42)
Eintrag des Suffixes -ant im englischen Lexikon
orthographic representation:
-ant
phonological representation:
/ + ant/
phonological feature:
[a stress shift]
formal features:
+ + + α
common count concrete human
- Germanic 3 person
subcategorization frame: [+ dynamic, α causative, , (base of X-ate), - Germanic]
18
] FF(-ant)
An dieser Stelle sei erwähnt, daß die Lexikoneinträge unter (42) und (43) noch durch adjektivische Informationen zu ergänzen wären, da beide Suffixe auch in englischen Adjektiven auftreten.
Nomina Agentis
360 Fortsetzung: conditions: [base [± marked] ] -> [base [base [± marked, x-ate ] ]
marked] of
[base |+markedi of infinitive]
semantic feature:
-ant-Class 1:
(43)
infinitive]
[+ human] -> [a habitual]
emigrdescendinhabitinformlieutenattendservparticipaffirmProtestassistdefendapplic... η
-ant-Class 2:
stimullubricirritintoxiccorroborprecipitdefoli-
Eintrag des Suffixes -ent im englischen Lexikon
orthographic representation:
-ent
phonological representation:
/ + ant /
phonological features: formal features:
[a stress shift], [a i-epenthesis] + + + a
common count concrete human
- Germanic 3 person
Die Suffixe -ant und -en! im Deutschen und Englischen
361
Fortsetzung: subcategorization frame: [+ dynamic, , - Germanic]
] FF(-ent)
condition: [base [± maiked] ] -> [base t. maiked] of infinitive] semantic feature:
-ertf-Class:
[+ human] —» [α habitual]
studopponcorrespondpatiadolescdelinqurespondresidagadherpresidrecip-inutr-isolv... η
Auch im Englischen sollten -ant und -ent nicht als Allomorphe eines Morphems {-ant} betrachtet werden, da sie trotz gemeinsamer lexikalischer Informationen im allgemeinen nicht in komplementärer Distribution zueinander stehen. Nur im Kontext von -ate-Verben findet man stets das Suffix -ant. Allomorphe stellen sie, wie bereits in Abschnitt 8.5 erwähnt, lediglich in der Quellsprache Latein dar, wo ihre Distribution durch die Konjugationsklasse des jeweiligen Basisverbs determiniert wird.
Nomina Agentis
362
8.8
Resümee
In der vorliegenden Studie wurden zwei Suffixe diskutiert, die aus den lateinischen Partizip Präsens-Endungen -ans bzw. -ens entstanden sind und deren Distribution sowohl im Neuhochdeutschen als auch im Neuenglischen weitgehend durch das lateinische Konjugationssystem bestimmt wird. In beiden Sprachen dienen die Suffixe zur Bildung von Nomina Agentis, Nomina Instrumenti und Adjektiven. Als Input für Personenbezeichnungen auf -ant bzw. -ent dienen im Englischen ausschließlich solche Verben, die Träger des Merkmals [- Germanic] sind. Auch im Deutschen überwiegen die nichtheimischen Basiselemente, obwohl das Suffix -ant vereinzelt auch Verben toleriert, die durch das Merkmal [+ Germanic] gekennzeichnet sind. Von diesen Bildungen sind jedoch nur Lieferant und Bummelant lexikalisiert. Ein weiterer Kontrast zwischen beiden Sprachen besteht darin, daß im Deutschen einige -an/-/-en/-Bildungen als denominale Ableitungen zu beschreiben sind. Hierzu zählen die Personenbezeichnungen Laborant, Praktikant, Komödiant, Asylant und Abiturient (vgl. Abs. 8.4.3). Die englischen, auf -ant bzw. -ent ausgehenden Personenbezeichnungen sind entweder deverbal (ζ. B. emigrant, resident) oder nur strukturell analysierbar (ζ. B. lieutenant, client). Substantive werden hingegen von keinem der beiden Suffixe selegiert. Verfugt eine verbale Basis über Allomorphe, so selegieren -ant und -ent im Deutschen stets die unmarkierte, d. h. die dem Infinitiv ähnlichere Variante. Scheinbare Ausnahmen stellten die in Abschnitt 8.4.2 als deverbale Ableitungen klassifizierten Personenbezeichnungen Fabrikant und Musikant dar, deren Basis im Auslaut anstelle der in Stamm und Infinitiv enthaltenen Affrikate / t s / (fabrizieren, musizieren) den velaren Verschlußlaut / k / aufvveist. Geht man jedoch davon aus, daß die unmarkierten Basisallomorphe fabriz- und musizinnerhalb der Merkmalbündel der entsprechenden Infinitive schon in der Form fabrik- bzw. musik- repräsentiert sind, so erhält das Suffix -ant die Möglichkeit, die adäquaten Nomina Agentis ohne Zwischenschaltung einer phonologischen Regel, die *Fabrizant in Fabrikant bzw. *Musizant in Musikant überfuhrt, zu generieren. Auch im Englischen selegieren -ant und -ent in der Regel die unmarkierten Allomorphe ihres Basisverbs. Nur im Kontext von Verben, die auf -ate enden, bevorzugt -ant stets die Variante, die in ihrer Struktur vom Infinitiv abweicht und somit markiert ist. Als idiosynkratisch wurden in Abschnitt 8.6.3 lediglich die Nomina Agentis agent, recipient und applicant bewertet, da die Selektion der Basisallomorphe ag-, recip- und applic- durch -ant bzw. -ent nicht vorhersagbar ist. In bezug auf phonologische Eigenschaften hatte sich in Abschnitt 8.7.1 herausgestellt, daß die Suffixe -ant und -ent, die im Deutschen den Hauptakzent anziehen, im Englischen stets unbetont sind, da ihr Anlaut jeweils zu einem
Die Suffixe -ant und -ent im Deutschen und Englischen
363
Schwa reduziert wird. Nichtsdestoweniger können die beiden englischen Varianten in Ausnahmefällen eine Akzentverschiebung bewirken. Unter phonologischem Aspekt wurde des weiteren daraufhingewiesen, daß im Deutschen bei der Bildung von -ant- bzw. -e/tf-Derivaten mitunter eine i-Epenthese zu beobachten ist. Im Englischen gilt dies nur für einige -ewi-Bildungen, so daß hier nur das Suffix -ent über das phonologische Merkmal [α i-epenthesis] verfugt. Abschließend sollte noch einmal hervorgehoben werden, daß etlichen englischen -awf-/-ew/-Derivaten im Deutschen heimische Bildungen gegenüberstehen (vgl. Abs. 8.6.2). Im Englischen ist die Möglichkeit der Substitution von Lehnwörtern auf -ant bzw. -ent durch heimisches Wortmaterial hingegen beschränkt, was auf historische Gegebenheiten zurückzufuhren ist. In Abschnitt 8.6.1 wurde daraufhingewiesen, daß eine beträchtliche Anzahl von -ant-/-entDerivaten bereits vor bzw. während der mittelenglischen Periode mehr oder weniger zwangsweise aus der Sprache der normannischen Eroberer entlehnt worden war. Im Laufe der Zeit ist die Verwendung dieser Lehnwörter jedoch offenbar so selbstverständlich geworden, daß sich eine nachträgliche Substitution derselben durch heimische Synonyme erübrigt hat. So findet manch ein -cmt-/-ent-Derivat, das im Deutschen heute noch gelehrten Charakter hat (ζ. B. Delinquent, Aspirant, Opponent, Okkupant), im Englischen auch in der Alltagssprache Verwendung. Man denke diesbezüglich auch an die zahlreichen Substanzbezeichnungen wie lubricant, intoxicant oder nutrient, denen im Deutschen zumindest im täglichen Sprachgebrauch heimische Bildungen gegenüberstehen (ζ. B. Schmiermittel, Rauschmittel, Nährstoff etc.). Nichtsdestoweniger bildet das Suffix -ent ebenso wie im Deutschen eine relativ geschlossene Derivationsklasse, während -ant in beiden Sprachen noch schwach produktiv ist.
9
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
9.1 Datenüberblick "-ist gehört heute zu den lebendigsten Suffixen der deutschen Sprache." Mit diesen Worten charakterisiert A. F. Müller (1953 : 251) die Produktivität des Suffixes -ist, das aus dem Griechischen ins Lateinische entlehnt worden ist und von dort aus nicht nur ins Französische, Deutsche und Englische, sondern auch in andere europäische Sprachen einging. Viele auf -ist endende Personenbezeichnungen des deutschen und englischen Wortschatzes wurden nach französischem Vorbild geprägt, wo das Suffix sowohl in femininen als auch in maskulinen Bildungen in der Form -iste auftritt. Ein Grund für die nahezu uneingeschränkte Lebendigkeit dieses Derivationsaffixes, das vorwiegend nominale Basiselemente selegiert, ist zweifellos in dem breitgefacherten Bedeutungsspektrum der -zsi-Bildungen zu suchen. Da sowohl im Deutschen als auch im Englischen eine Fülle von Personenbezeichnungen auf -ist existiert, stellen die folgenden Beispiele, die in dem vorliegenden Kapitel diskutiert werden sollen, nur kleine Ausschnitte aus dem gesamten -«/-Inventar beider Sprachen dar. (1)
Deutsch: Organist, Hornist, Komponist; Telefonist, Lagerist; Karikaturist, Novellist, Belletrist, Anglist, Romanist, Strukturalist; Buddhist, Deist, Atheist; Rationalist, Realist, Nihilist, Idealist, Positivist, Moralist, Materialist, Optimist, Humanist; Sozialist, Kommunist, Kapitalist, Militarist, Extremist, Rassist, Faschist, Nationalsozialist; Marxist, Leninist; Terrorist; Impressionist, Expressionist, Surrealist, Kubist
(2)
Englisch: cymbalist, lutenist; essayist, dramatist, cartoonist; anglist, anglicist; (Non-)Conformist, Wyclifflst, Brownist, baptist, catechist, evangelist; rationalist, realist, idealist, nihilist, Lockist, Spinozist, Darwinist, moralist, humanist, behaviourist; Chartist, communist, Marxist, socialist, capitalist, fascist; impressionist, expressionist, Futurist; botanist, biologist, geologist, meteorologist; economist; anatomist, dentist, oculist; ebonist, tobacconist; plagiarist
Schon auf den ersten Blick zeichnet sich ab, daß aufgrund der gemeinsamen Quellsprachen nur wenige Kontraste zwischen deutschen und englischen -istBildungen zu verzeichnen sind. Gemeinsamkeiten bestehen insbesondere in bezug auf Personenbezeichnungen aus dem politischen, religiösen, philosophi-
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
365
sehen und künstlerischen Bereich, von denen die meisten mit abstrakten Substantiven auf -ismus bzw. -ism korrespondieren. Um Wiederholungen zu vermeiden, soll die Geschichte der deutschen und englischen Nomina Agentis auf -ist in Abschnitt 9.2 zusammengefaßt werden. Die Analyse der Basiselemente wird hingegen in den Abschnitten 9.3 und 9.4 für beide Sprachen separat durchgeführt, bevor dann in Abschnitt 9.5 die Einträge des Suffixes -ist im deutschen und englischen Lexikon wieder gemeinsam erörtert werden.
9.2
Alte und neue "Isten" im deutschen und englischen Wortschatz
Abgesehen von einigen Ausnahmen handelt es sich bei der Mehrzahl der auf -ist endenden Nomina Agentis um gelehrte Bildungen, was auf den griechischlateinischen Ursprung des Suffixes zurückzufuhren ist. Marchand (1969a : 308) weist darauf hin, daß -istes im Griechischen zur Ableitung von Nomina Agentis aus Verben, die auf -ίζδ endeten, diente. Eine Vielzahl dieser Bildungen ging ins Lateinische ein, wo das Suffix die Form -ista annahm, ζ. B. grammatista, logista, lyrista oder sophista. Nach dem Vorbild dieser Lehnwörter wurden alsdann zahlreiche religiöse Personenbezeichnungen wie baptista, ccmonista, evangelista, psalmista etc. geprägt. Bezeichnungen wie Platonista, Origenista, Scotista oder Thomista zeigen, daß auch die Fähigkeit des Suffixes -ist zur Selektion von Eigennamen bereits im Lateinischen angelegt ist. A. F. Müller (1953) schreibt dem Suffix -ist eine Kategorisierungsfunktion zu. Die meisten der im vorangegangenen Abschnitt unter (1) und (2) aufgelisteten Personenbezeichnungen auf -ist sind tatsächlich dadurch gekennzeichnet, daß sie ihre Referenten aufgrund einer bestimmten Geisteshaltung bzw. Gesinnung in Klassen einteilen und somit kategorisieren. Die Basis denotiert daher nicht selten eine Theorie, Doktrin oder Ideologie, auf die sich die innere Einstellung bzw. Überzeugung der entsprechenden "Isten" richtet. Bei der Basis kann es sich aber auch um den Namen einer Person handeln, die mit einer bestimmten Anschauung assoziiert wird. Etliche Nomina Agentis auf -ist bezeichnen somit den Anhänger bzw. Vertreter • • •
einer bestimmten Glaubenshaltung (ζ. B. Atheist; Wycliffist) einer philosophischen Lehre (ζ. B. Idealist; Lockist) einer (politischen) Ideologie oder Theorie (ζ. B. Kapitalist; socialist) oder • einer künstlerischen Richtung (ζ. B. Impressionist; cubist)
366
Nomina Agentis
Neben diesen Personenbezeichnungen, die recht abstrakte Konzepte implizieren, existiert aber auch eine Reihe von Berufsbezeichnungen, die ebenfalls auf -ist enden und mit deren Darstellung im folgenden Abschnitt begonnen wird. Diese grobe semantische Klassifikation sollte einen ersten Überblick über die mannigfaltigen -Mi-Derivate vermitteln.
9.2.1
Wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Berufsbezeichnungen auf -ist
A. F. Müller (1953 : 252) weist darauf hin, daß das Suffix -ist erst im Frühneuhochdeutschen eingebürgert wurde. Dennoch existierte bereits im Mittelhochdeutschen die Personenbezeichnung organist[e], die auf lat. organista zurückgeht. Dieser Bildung folgten dann bis ins 20. Jhdt. hinein weitere Personenbezeichnungen auf -ist, deren Basis ein Musikinstrument denotiert und die in der Regel als Berufsbezeichnungen interpretiert werden, da sie einen gewissen Grad an Professionalität voraussetzen, ζ. B. Harfenist1 (16. Jhdt ), Bratschist, Fagottist (17. Jhdt), Cellist, Violinist (18. Jhdt ), Klarinettist, Flötist, Gitarrist, Hornist, Pianist (19. Jhdt.) oder Posaunist (20. Jhdt ). Einige dieser Nomina Agentis wurden laut Duden Herkunftswörterbuch aus dem Italienischen entlehnt, was angesichts der Tatsache, daß die meisten musikalischen Fachtermini aus dem Italienischen stammen, nicht verwunderlich ist. Im Italienischen tritt das Suffix -ist in der Form -ista (ζ. B. violinista, organista, flautista etc.) auf. Die Bezeichnung Pianist wurde hingegen durch französischen Einfluß vermittelt. Das Nomen Agentis Komponist ist bereits seit dem 16. Jhdt. belegt, und das Basisverb komponieren wurde mit der allgemeinen Bedeutung "zusammenstellen, verfassen, aufbauen, gliedern" sogar schon um 1500 aus lat. compönere entlehnt. Auch im Englischen existiert eine Reihe von -wi-Derivaten, die auf Musiker referieren, ζ. B. flautist, harpist, violinist, organist, cymbalist, lutenist etc. Nach Marchand (1969a : 309) wurden diese im 16. bzw. 17. Jhdt. in Analogie zu lateinischen Personenbezeichnungen wie citharista, cymbalista, lutanista etc. gebildet. Die Bezeichnung flutist ist laut DCE nur noch im American English gebräuchlich Im British English wurde sie durch die im Jahre 1860 aus ital. flautista entlehnte Form flautist substituiert. Pianist geht ebenso wie seine deutsche Entsprechung auf frz. pianiste zurück und wurde erst im 19. Jhdt. ins Englische entlehnt.
Die im Zusammenhang mit dem Suffix -ner (Kap. 4) erwähnte Form Harfner wurde erst im 18. Jhdt. geprägt. Sie konnte sich jedoch nicht gegenüber der älteren Bildung Harfenist durchsetzen und ist heute archaisch.
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
367
Marchand (op. cit.) geht davon aus, daß die Existenz der obigen Personenbezeichnungen, die allesamt Musiker denotieren, die Übertragung des Suffixes -ist auf den literarisch-künstlerischen Bereich schlechthin begünstigte. Zwischen dem Ende des 16. Jhdts. und dem 19. Jhdt. gingen Derivate wie humorist, satirist, anecdotist, caricaturist, cartoonist, analist, columnist, novelist, dramatist oder essayist, die zum Teil durch französischen Einfluß geprägt wurden, in den englischen Wortschatz ein. Schon im Jahre 1609 degradierte Sir John Daw, der Möchtegern-Dichter in Ben Jonsons Epicoene (ii.iii.45)2, namhafte Philosophen wie Plutarch oder Seneca zu Essayisten. Cie. Daw.
Cie.
They are very grave authors. Grave asses! Mere essayists\ A few loose sentences, and that's all. A man would talk so, his whole age, I do utter good things every hour, if they were collected and observed, as either of em. Indeed! Sir John?
Zu der Personenbezeichnung humorist ist anzumerken, daß diese laut OED zunächst die Bedeutung "a person subject to 'humours' or fancies" trug und somit auf denjenigen referierte, dessen Wesen dem Elisabethanischen Weltbild zufolge durch die Dominanz eines bestimmten Körpersaftes (= humour) geprägt wurde. Die Bedeutung "one skilled in the literary or artistic expression of humour" kristallisierte sich erst später heraus. Im 18. bzw. 19. Jhdt. wurden die Nomina Agentis Essayist und Humorist (in seiner zweiten Lesart) aus dem Englischen ins Deutsche entlehnt. Aus dem Französischen stammt hingegen das Derivat Novellist "Verfasser kleiner poetischer Erzählungen in Prosaform" sowie die Basis der Personenbezeichnung Belletrist (frz. belles-lettres "schöngeistige Literatur"), die beide im 18. Jhdt. in den deutschen Wortschatz eingingen und denjenigen bezeichnen, der sich mit der in der Basis ausgedrückten literarischen Gattung befaßt. Mit einer negativen Konnotation ist die Form Pamphletist "Verfasser von Schmähschriften" behaftet, die dem Deutschen Fremdwörterbuch zufolge eine selbständige Neubildung des 19. Jhdts. darstellt und auch in den Varianten Pamphletär und Pamphletier (vgl. engl, pamphleteer!), die sich jedoch nicht durchsetzen konnten, belegt ist. Auch im Bereich der Philologie trifft man sowohl im Deutschen als auch im Englischen auf diverse "Isten". Das Nomen Agentis Linguist (< lat. linguista) ist in beiden Sprachen seit dem späten 16. Jhdt. belegt. Im Deutschen wurde es Wilkes, G. A. (ed.) (1988) Ben Jonson. Five Plays. Oxford [u. a.]: Oxford University Press
Nomina Agentis
368
dem Deutschen Fremdwörterbuch zufolge zunächst im Sinne von "der die Sprachen verstehet" interpretiert, bevor es die wissenschaftliche Bedeutung "Sprachwissenschaftler" annahm, mit der es heute generell assoziiert wird. Auch im Englischen trug linguist zunächst die Bedeutung "one who is skilled in the use of languages; one who is master of other tongues besides his own". Dem OED zufolge stammt der Erstbeleg aus Shakespeares Komödie The Two Gentlemen of Verona (iv.i.57)3, die im Jahre 1591 entstand. First Out. [...] And, partly, seeing you are beautified With goodly shape, and by your own report A linguist, and a man of such perfection As we do in our quality much want Die wissenschaftliche Interpretation "a student of language; a philologist", hat sich erst im 17. Jhdt. herausgebildet und wird im OED mit dem Vermerk "obsolete" versehen - eine Bewertung, die Malone (1930 : 327 f.) zurecht scharf kritisiert, zumal das besagte Nomen Agentis zumindest seit dem 19. Jhdt. zunehmend in dieser Lesart verwendet wird. Auch bemängelt Malone die nur teilweise zutreffende Definition "a student of language" und schlägt vor, diese durch "an authority on linguistics" zu substituieren. Angesichts der Tatsache, daß die Linguistik im 20. Jhdt. zu einer weltweit anerkannten Geisteswissenschaft herangereift ist, läßt sich der Vermerk "obsolete" unter keinen Umständen mehr aufrechterhalten. Nichtsdestoweniger ist die Personenbezeichnung linguist im Englischen heute noch ambig, da auch die erste Lesart, nämlich "one who is skilled in the use of languages; one who is a master of other tongues besides his own", erhalten geblieben ist, während sich im Deutschen nur die Bedeutung "Sprachwissenschaftler" durchgesetzt hat. Dem englischen Satz unter (3) entsprechen somit zwei deutsche Übersetzungen, die unter (4a) und (4b) angegeben werden. (3)
She's a good linguist.
(4) a. b.
Sie ist eine gute Linguistin. Sie ist (sehr) sprachbegabt.
(= Sprachwissenschaftlerin)
Schließlich existierte im Englischen laut OED noch eine dritte Lesart, nämlich "interpreter", die vor allem in China Verwendung fand. Im British English ist diese Lesart jedoch wirklich obsolet geworden. 3
Craig, W. J. (ed.) (1993) The Complete Henry Pordes
Works of William Shakespeare.
London:
D a s Suffix -ist im Deutschen und Englischen
369
Noch älter als Linguist ist im Deutschen die Personenbezeichnung Romanist, die im frühen 16. Jhdt. zu lat. römänus "römisch; zu Rom gehörig" gebildet wurde, aber zunächst noch nicht im philologischen Sinne interpretiert wurde. Dem Deutschen Fremdwörterbuch zufolge trug es ursprünglich die Bedeutung "Vertreter des römischen Rechts". Im 18. Jhdt. wurde es vereinzelt mit der Bedeutung "Romanschriftsteller" assoziiert, die heute durch das französische Lehnwort Romancier zum Ausdruck gebracht wird. Erst im späten 19. Jhdt. nahm das Nomen Agentis die heute noch übliche Lesart "Wissenschaftler, Forscher (auch Lehrer, Student) auf dem Gebiet der Romanistik, besonders der romanischen Philologie" an. Die Form Romanist begünstigte alsdann die Entstehung von Analogiebildungen wie Germanist, Anglist, Amerikanist oder Orientalist. Die Personenbezeichnung Germanist referierte ursprünglich auf einen "Kenner und Lehrer des deutschen Rechts", bevor sie auf den philologischen Bereich übertragen wurde. Im 20. Jhdt. traten noch die Neologismen Strukturalist "Vertreter des (Europäischen oder Amerikanischen) Strukturalismus", und Generativist "Vertreter der Generativen Transformationsgrammatik" hinzu. Die Basiselemente dieser Personenbezeichnungen werden nicht mit einer bestimmten Sprache oder Sprachfamilie, sondern mit Modellen der modernen linguistischen Beschreibung assoziiert. Natürlich verfugt auch das Englische über entsprechende philologische "Isten". Die Bezeichnung Latinist "one who is versed in the Latin language; a Latin scholar" ist laut OED bereits seit 1538 belegt. Diesem Muster folgten Bildungen wie Anglicist (Anglist), Americanist, Germanist, Hebraist, Slavist, Celtist "one engaged or versed in the study of Celtic language, literature, antiquities, etc.", Semitist oder Orientalist, die allerdings erst seit dem 18. bzw. 19. Jhdt. belegt sind. Die deutsche Personenbezeichnung Romanist hat im Englischen offenbar keine direkte Entsprechung und muß daher mit Hilfe der Phrase "teacher / student / scholar of Romance languages and literature" (PONS Collins Großwörterbuch) zum Ausdruck gebracht werden. Der deutschen Bezeichnung Anglist stehen im Englischen interessanterweise zwei einander sehr ähnliche Formen gegenüber, die weder im OED noch im DCE oder OALDCE belegt sind, aber dennoch im englischen Sprachgebrauch existieren, nämlich Anglist und Anglicist. Malone (1930), der zunächst ebenfalls vergeblich nach geeigneten Definitionen und Verwendungsmöglichkeiten gesucht hatte, stieß schließlich im Standard-Wörterbuch auf die beiden folgenden, unter diachronem Aspekt nicht ganz korrekten Einträge: (5) Anglist Anglicist
"one skilled in English philology" "one who is in sympathy with or advocates anything promoting the interests of England or the English language or people"
370
Nomina Agentis
Diese Definitionen lassen zumindest erkennen, daß im Englischen ein semantischer Unterschied zwischen Anglist und Anglicist besteht. Die Bezeichnung Anglist, die entweder auf lat. Anglia "England" oder auf lat. Angelus "an Englishman" zurückgeht, wurde Malones Ausführungen zufolge vom Kontinent aus nach England exportiert. Es handelt sich hierbei um eine gelehrte Bildung, die auf dem Kontinent denjenigen bezeichnet, der sich nicht nur mit der englischen Sprache, sondern auch mit der englischen Kultur, Politik, Wirtschaft, Lebensweise etc. wissenschaftlich auseinandersetzt. Diese Bedeutung behielt das Lehnwort in England bei. Die Bezeichnung Anglicist wurde hingegen auf englischem Boden geprägt und stellte eher eine umgangssprachliche als eine gelehrte Bildung des 19. Jhdts. mit der Bedeutung "[. . .] a man who advocated the use of the English language as the medium of instruction in schools for the natives of India" (Malone 1930 : 325) dar. In dieser Lesart, die archaisch geworden ist, steht ganz eindeutig der philologische Aspekt im Vordergrund, den die Personenbezeichnung Anglicist bis heute beibehalten hat. Aufgrund dieser Beobachtungen differenziert Malone nun zwischen den Begriffen Anglist "authority on England" und Anglicist "authority on English", die im Deutschen beide unter der Personenbezeichnung Anglist zusammengefaßt werden. Die Tatsache, daß Anglist und Anglicist in einigen Wörterbüchern keine Beachtung finden, führt er auf den nur schwer nachvollziehbaren semantischen Kontrast zurück, der sich zwischen diesen beiden Formen herausgebildet hat und der, wie seine Recherche gezeigt hat, in der Tat nur noch unter Berücksichtigung diachroner Faktoren ermittelt werden kann. Neologismen des 20. Jhdts. stellen neben structuralist die linguistischen Derivate transformationalist und lexicalist dar, die allerdings nur in linguistischen Kreisen Verwendung finden und auch ins Deutsche eingegangen sind. Ebenfalls aus dem philologischen Bereich stammt schließlich die englische Personenbezeichnung etymologist "one who searches into the history and origin of words", die laut OED seit dem 17. Jhdt. belegt ist und mit dem deutschen Nomen Agentis Etymologe korrespondiert. Neben den bisher vorgestellten Personenbezeichnungen aus den Bereichen Musik, Literatur und Sprachwissenschaft verfügt insbesondere das Englische über eine Reihe weiterer -/^-Bildungen, die einen akademischen Wissensstand bzw. spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten vonseiten der Referenten voraussetzen. Hierbei handelt es sich um Derivate wie anatomist "one who practises, or is skilled in the art of dissecting bodies, esp. the human body", dentist "one whose job is to treat people's teeth", oculist "specialist in diseases of the eye", psychiatrist "expert in psychiatry" oder economist, archaeologist, geologist, botanist, biologist, alchemist, chemist, physicist, meteorologist, mineralogist und zoologist, die allesamt im Sinne von "expert in ..." bzw. "authority on ..."
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
371
interpretiert werden können und zwischen dem 16. und 19. Jhdt. entweder aus dem Französischen entlehnt oder nach lateinischem bzw. griechischem Vorbild geprägt wurden. Darüber hinaus existieren im Englischen aber auch solche Berufsbezeichnungen auf -ist, die keine akademische Ausbildung voraussetzen, ζ. B. ebonist (< frz. ebeniste) "a worker or dealer in ebony or other ornamental woods", machinist "someone who operates a machine, esp. in a factory", copyist "someone who made written copies of documents, books etc. in the past" oder tobacconist. Letzteres wurde den Angaben des OED zufolge ursprünglich im Sinne von "person addicted to the use of tobacco; esp. a habitual tobaccosmoker" verwendet, bevor es die heute noch übliche Bedeutung "someone who sells tobacco" annahm. Im Deutschen sind wissenschaftliche Berufsbezeichnungen auf -ist (mit Ausnahme der oben erörterten Nomina Agentis aus dem philologischen Bereich und der Bildung Jurist, die im Mittelhochdeutschen aus lat. iürista entlehnt wurde) rar. Stattdessen überwiegen nicht-wissenschaftliche Berufsbezeichnungen wie Maschinist, Lagerist, Drogist, Telefonist oder Polizist. Die Personenbezeichnung Alchemist "Goldmacher; Schwarzkünstler", deren Basis eine mittelalterliche Scheinwissenschaft denotiert sowie das Nomen Agentis Dentist "Zahnarzt ohne Hochschulbildung" finden heute keine Verwendung mehr, da die entsprechenden Berufszweige ausgestorben sind. Der folgende Abschnitt wird sich nun mit einigen "Isten" aus dem religiösen Bereich befassen.
9.2.2
Vertreter einer bestimmten Glaubenshaltung
Im Bereich des religiösen Vokabulars wurden nach dem Vorbild der lateinischen Derivate Scotista "Anhänger bzw. Schüler des englischen Scholastikers und Philosophen John Duns Scotus" (13. Jhdt.) und Thomista "Anhänger des scholastischen Philosophen und Theologen Thomas von Aquin" Personenbezeichnungen wie Wycliffist, Brownist oder Calvinist geprägt, die insbesondere für den angelsächsischen Sprachraum von Bedeutung waren. Der Name John Wycliflfe (1326 - 1384) wird nicht nur mit der ersten vollständigen englischen Bibelübersetzung assoziiert. Bekannt wurde der englische Theologe auch auf dem Kontinent aufgrund seiner vorreformatorischen Lehre, welche die scholastisch-päpstlichen Positionen ablehnte und eine Rückkehr zu den Idealen der Frühkirche forderte. Seine Anhänger, die Wycliffists, die man auch als Lollards beschimpfte, wurden unter Henry IV verfolgt und als Ketzer verbrannt (Kohl 1993).
372
Nomina Agentis
Bei den Brownisten handelt es sich um Anhänger des englischen Theologen Robert Brown, der im 16./17. Jhdt. gegen die Autorität der anglikanischen Staatskirche kämpfte. Die Prädestinationslehre des schweizer Reformators Calvin (1509 - 1564) beeinflußte bekanntlich insbesondere das Denken und Handeln der Puritaner, die somit prototypische Calvinisten darstellten. Zu den religiösen Nomina Agentis auf -ist, die keinen Eigennamen als Basis aufweisen, zählen Bildungen wie Atheist (< gr. ά-theos "ohne Gott") und Deist "jemand, der zwar an die Existenz Gottes, nicht aber an dessen Eingreifen in das Weltgeschehen glaubt". Der Deismus (deism) setzte sich innerhalb Europas im aufklärerischen England des 17 /18. Jhdts. durch. Durch englischen Einfluß gelangten im 18. bzw. 19. Jhdt. auch die Nomina Agentis Konformist "Anhänger einer stets um Anpassung bemühten Geisteshaltung" und Separatist "Anhänger, Verfechter einer Abtrennung, einer Loslösungsbewegung", die heute nicht mehr mit Religion assoziiert werden, in den deutschen Wortschatz. In England bezeichnete die Form Conformist laut OED einst den Anhänger der Church of England. Die Antonyme Nonconformist und Separatist bezogen sich hingegen auf denjenigen, der sich von gewissen Zeremonien bzw. sogar von der Lehre der anglikanischen Staatskirche distanzierte. Im OED findet sich u. a. der folgende Beleg für die Spaltung der Church ofEngland im 17. Jhdt.: The Church of England hath three maine Divisions: The Conformist, The Non-Conformist and the Separatist. (1641 R. Brooke Eng. Episc. 90) Heute haben diese Personenbezeichnungen auch in England ihre einstige religiöse Konnotation aufgegeben. Aus dem Bereich der außereuropäischen Religionen wären Bildungen wie Buddhist, Hinduist oder Shintoist zu ergänzen.
9.2.3 Vertreter einer philosophischen Lehre Erwähnenswert sind ferner die Personenbezeichnungen auf -ist, deren Basiselemente mit abstrakten philosophischen Konzepten assoziiert werden. Seit dem Zeitalter der Aufklärung, das u. a. durch den Übergang vom statischen zum dynamischen Weltbild, durch die Abkehr von Traditionen und Religion, durch die Postulierung einer naturwissenschaftlich-logischen Denkweise sowie durch den Sieg der Ratio und Moral über Emotionen geprägt war, eroberten
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
373
zahlreiche "Ismen" und entsprechende "Isten" den deutschen und englischen Wortschatz. Für das 18. Jhdt. typische Geisteshaltungen werden beispielsweise durch die folgenden Abstrakta zum Ausdruck gebracht4: Rationalismus (rationalism) "auf Vernunft gegründete Denkweise", Realismus (realism) "Standpunkt, der sich an einer außerhalb des Bewußtseins existierenden Realität orientiert", Idealismus (idealism) "die Lehre (Piatons oder Plotins) von der Scheinhaftigkeit alles Wirklichen (d. h. der konkreten Welt) im Verhältnis zu den Ideen, den ewig seienden und wahren Urbildern", Positivismus (positivism) "Wissenschaft und Philosophie Comtes, die ihre Forschung auf das 'Positive', d. h. auf das Wirkliche bzw. Unbezweifelbare beschränkt, sich allein auf Erfahrung beruft und jegliche Metaphysik verwirft", Moralismus "Beurteilung aller Dinge unter moralischem Gesichtspunkt", Nihilismus (nihilism) "bedingungslose Verneinung bestehender Lehr- und Glaubenssätze, allgemein gültiger Werte und Anschauungen" oder Materialismus (materialism) "philosophische Lehre, die alles Seiende auf Stoffliches, auf Kräfte und Bedingungen der Materie zurückfuhrt" bzw. "Streben nach bloßem Lebensgenuß". Die entsprechenden Personenbezeichnungen Rationalist (rationalist), Realist (realist), Idealist (idealist), Nihilist (nihilist) etc. bezeichnen generell denjenigen, der die in der Basis zum Ausdruck gebrachte Weltanschauung vertritt. Personenbezeichnungen aus dem Bereich der Philosophie des 18. Jhdts., deren Basis ein Eigenname bildet, sind beispielsweise Lockist "a follower of John Locke" und Spinozist "one who accepts or advocates the philosophical doctrine of Spinoza", die nach dem Vorbild von lat. Platonista geprägt wurden. Das Derivat Lockist ist insbesondere für die englische Geschichte relevant, denn es bezeichnet denjenigen, der den von John Locke (1632 - 1704) vertretenen Empirismus befürwortet. Es handelt sich hierbei um eine Lehre, die besagt, daß der Verstand nur das erfaßt, was der Mensch durch Erfahrung gelernt hat. Da nach Locke keine angeborenen Ideen existieren, ist der Geist des Menschen mit einem leeren Blatt vergleichbar, das erst durch die Eindrücke bzw. Erfahrungen, die der Mensch im Laufe seines Lebens sammelt, gefüllt wird (Schmidt 1993 : 163 f.). Die Lehre des jüdisch-portugiesischen Philosophen holländischer Staatsangehörigkeit Benedictus Spinoza, eigentlich Baruch d'Espinosa (1632 1677) besagt, daß nur eine allumfassende Substanz existiert, die sich in Gott Die folgenden Definitionen, die keineswegs vollständig sind, sollen nur einen groben Uberblick über die wesentlichen Charakteristika der philosophischen Konzepte gewähren. Sie wurden nach Angaben der folgenden, im Literaturverzeichnis näher spezifizierten Nachschlagewerke erstellt: Duden Herkunftswörterbuch, Duden-Lexikon in drei Bänden sowie Das Bertelsmann Lexikon in vier Bänden
374
Nomina Agentis
bzw. in der Natur manifestiert. Von den unendlich vielen Attributen dieser Substanz sind dem Menschen nur zwei zugänglich, nämlich Denken und Ausdehnung. Eine weitere Personenbezeichnung, die an dieser Stelle erwähnt werden sollte, ist die fur die englische Wissenschaft des 19. Jhdts. bezeichnende Form Darwinist, die auf denjenigen referiert, der die von Charles Darwin (1809 1882) entwickelte Evolutionstheorie akzeptiert. Eine für das ausgehende 18. bzw. beginnende 19. Jhdt. charakteristische Personenbezeichnung stellt das Derivat Humanist dar, das in England schon weitaus früher belegt ist und aus ital. umanista (< umcmo "menschlich") in beide Sprachen entlehnt wurde. In Deutschland referierte diese Personenbezeichnung zunächst auf den Befürworter des Bildungsideals, das Wilhelm von Humboldt (1767 - 1835) von Preußen aus geschaffen hatte. Seine Reorganisation der Bildungsinstitute hatte zu Universitätsgründungen, zur Einrichtung von humanistischen Gymnasien sowie zur Verbesserung der Institution Volksschule geführt (Wolff 1994 : 167). Durch Maßnahmen dieser Art wurde der Bildungsstand des Bürgertums erheblich verbessert, und das Lesepublikum wuchs bis 1830 kontinuierlich an. Erst danach wurde die Personenbezeichnung Humanist von der Geschichtswissenschaft rückwirkend auf den "Vertreter des Humanismus der Renaissance" übertragen. In England wird die Personenbezeichnung humanist laut OED seit 1670 mit dem Bildungssystem der Renaissance (1500 - ca. 1650) assoziiert. Das Streben nach Wiederbelebung der griechischen und römischen Kultur, das während jener Epoche vorherrschend war, fand seine Ausdrucksform in den sieben freien Künsten (septem artem liberalis)5 der studia humcmitatis, die die Grundlage des mittelalterlichen Universitätsstudiums bildeten. Ziel des englischen Humanismus war jedoch nicht nur die Vermittlung philologischer und naturwissenschaftlicher Kenntnisse, sondern auch die "Herausbildung frommer und tugendhafter Christen und guter und tüchtiger Staatsbürger oder magistrates" (Pfister 1993 : 64). Der Beginn jener Bildungsreform ist in England im Jahre 1512 anzusetzen, als nach Auflösung der Klosterschulen die erste grammar school gegründet wurde. Außerdem widmeten sich die humanistischen Gelehrten intensiv der Übersetzung fremdsprachlicher Literatur und verhalfen somit dem Frühneuenglischen, der Sprache Shakespeares also, zu dem Status einer anerkannten Literatursprache. Vor 1670 wurde die Bildung humanist mit den allgemeineren Bedeutungen "a student of human nature or human affairs (as opposed to theological subjects)",
Die sieben freien Künste umfaßten Grammatik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie.
Rhetorik,
Dialektik,
Musik,
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
375
"a secular writer" bzw. "a classical scholar; esp. a Latinist" assoziiert, von denen die beiden letzteren heute archaisch sind.
9.2.4
Vertreter einer politischen Ideologie oder Theorie
Das 19. Jhdt. wurde sowohl in Deutschland als auch in England durch Modernisierung, Urbanisierung, Demokratisierung und dadurch bedingte Veränderungen der Sozialstruktur geprägt. Die neuen "Ismen" jener Zeit haben somit eher politischen als philosophischen Charakter. In der Phase des sich verschärfenden Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat (Wolff 1994 : 181) beherrschten abstrakte Schlagwörter wie Kommunismus (communism), Marxismus (Marxism), Sozialismus (socialism), Kapitalismus (capitalism), Militarismus (militarism) oder Anarchismus (anarchism) und die dazugehörigen "Isten", d. h. die Repräsentanten der entsprechenden Ideologien, den politischen Wortschatz beider Sprachen. Der Industrialisierungsprozeß hatte in beiden Ländern nicht nur Fortschritt und Gewinn, sondern auch eine Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen mit sich gebracht, was die Formierung von Arbeiterbewegungen begünstigte. In England hatte die Gruppe der Chartisten mehrfach vergeblich den Versuch unternommen, für die Arbeiterklasse ein Recht auf freie, geheime und allgemeine Wahlen auszuhandeln (Seeber 1993 : 220). Die Forderungen der Chartisten wurden in einer People's Charter zusammengefaßt. Auch der Marxismus konnte sich erst von England aus entfalten, da Karl Marx sein kommunistisches Manifest im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten schrieb und seit 1849 selbst in London lebte. Die politischen Entwicklungen des 20. Jhdts. führten schließlich zur Bildung weiterer Personenbezeichnungen auf -ist wie ζ. B. Putschist (engl, rebel), Rassist (racist), Extremist (extremist), Nationalsozialist oder Faschist (fascist). Das zu Faschist gehörige Abstraktum Faschismus geht auf ital. Fascismo zurück, das wiederum eine Ableitung aus fascio (< lat. fascis "Rutenbündel") darstellt. Dem Duden Herkunftswörterbuch zufolge war das Rutenbündel mit Beil Symbol altrömischer Herrschergewalt und wurde als solches von den Anhängern des Fascismo übernommen bzw. als Abzeichen getragen. Aus Eigennamen abgeleitete Personenbezeichnungen des 20. Jhdts. sind außer Marxist beispielsweise Leninist, Stalinist, Gaullist und Maoist, die als Anhänger Lenins, Stalins, de Gaulles und Maos zu interpretieren sind. Das Englische verfugt ferner über die Analogiebildungen leftist "supporter of socialism or radicalism" und rightist "member of a right wing political party", die mit den eher umgangssprachlich verwendeten deutschen Personenbezeichnungen Linker und Rechter korrespondieren.
376
Nomina Agentis
9.2.5 Vertreter einer künstlerischen Richtung Nicht nur in den Bereichen Religion, Philosophie und Politik, sondern auch in der Kunst haben sich im Laufe der Zeit diverse "Ismen" und "Isten" etabliert. So wurde beispielsweise der Stil der Impressionisten (impressionists) im 19. Jhdt. durch ein Landschaftsbild des französischen Malers Monet mit dem Titel "Impression" geprägt. Im 20. Jhdt. folgten die unkonventionelleren Expressionisten (expressionists), Kubisten (cubists), Futuristen (futurists), Surrealisten (surrealists) und Dadaisten (dadaists), die im Gegensatz zu den Realisten auf wirklichkeitsnahe Darstellungen verzichteten und ihr Weltbild entweder durch freie Improvisationen oder durch geometrische Konstruktionen zum Ausdruck brachten. Die meisten der soeben genannten Begriffe finden nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Literatur Verwendung. Die Abschnitte 9.2.1 bis 9.2.5 sollten einen kleinen Überblick über das breitgefächerte Bedeutungsspektrum der vor allem unter historischem Aspekt interessanten Personenbezeichnungen auf -ist vermitteln. A. F. Müller (1953 : 251 f.) bewertet die Kategorisierungsfunktion, die das Suffix in der Tat übernimmt, eher negativ, indem er schreibt: "-/si-Wörter sind in der heutigen Zeit nicht einfach nur eine Modesache, sondern es spiegelt sich in ihnen der herrschende Geist der Vermassung, durch welchen alle Menschen in Lager und Gruppen geschieden werden, der die Individualität verkümmern läßt und fur den Mensch [sie] überhaupt nur insofern existiert, als er Glied irgendeiner Masse ist." Dies mag wohl mitunter auf politische Schlagwörter zutreffen. Betrachtet man jedoch das deutsche und englische -«/-Inventar in seiner Gesamtheit, so entsteht keineswegs der Eindruck, daß das Suffix per se zur Bildung von pejorativen Personenbezeichnungen geeignet sei. Wird eine auf -ist endende Bildung als pejorativ empfunden, so ist dies nicht auf das Suffix, sondern auf die subjektive Einstellung zu dem in der Basis ausgedrückten Konzept bzw. Eigennamen zurückzuführen.
9.3
Die Basiselemente der deutschen Personenbezeichnungen auf -ist
Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten der Versuch unternommen wurde, zumindest einen Teil der mannigfaltigen deutschen und englischen -istBildungen historisch einzuordnen und semantisch zu klassifizieren, soll nun der Frage nachgegangen werden, welche Basiselemente von dem Suffix -ist selegiert werden. Eine genauere Untersuchung der Daten hat ergeben, daß es sich bei der Zuordnung der Basiselemente zu syntaktischen Kategorien keineswegs um eine triviale Aufgabe handelt, da sich einige Derivate als strukturell ambig erwiesen haben.
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
9.3.1
377
Deutsche -«t-Bildungen mit verbaler Basis
Obwohl die Strukturen der exemplarischen deutschen "Isten" (Abs. 9.1) suggerieren, daß das Suffix eine Präferenz für nominale Basiselemente zeigt, trifft dies nicht auf alle der hier im Vordergrund stehenden Derivate zu. So können ζ. B. Nomina Agentis wie Telefonist, Moralist, Terrorist und Parodist theoretisch als Ableitungen aus den Nomen Telefon, Moral, Terror und Parodie oder als Ableitungen aus den denominalen Verben telefonieren Sozialist unter (26d) löst das Suffix keine Akzentverschiebung aus, da es sich bei der Basis selbst um ein Derivat mit betontem Suffix handelt. Bei der Ableitung des Abstraktums Sozialismus aus sozial [zo'tsjarl] hat hingegen eine Akzentverschiebung stattgefunden, da das Lehnsuffix -ismus ebenso wie -ist stets den Hauptakzent auf sich lenkt. Im Englischen ist auch das Suffix -ism phonologisch neutral, vgl. social [saujal] —> socialism [saujahzam] Im Deutschen stellt -ist eindeutig ein Affix der Klasse I dar. Diese Zuordnung läßt sich jedoch nicht nur durch sein phonologisches Verhalten, sondern auch durch eine morphologische Eigenschaft begründen. Obwohl das Suffix vorwiegend freie Morpheme selegiert, weisen einige Personenbezeichnungen auf -ist gebundene Morpheme als Basis auf. Um freie Morpheme handelt es sich beispielsweise bei den Basiselementen der denominalen Personenbezeichnungen Hom-ist, Lager-ist, Kapital-ist, Monopol-ist oder bei den Basiselementen der deverbalen Nomina Agentis Telefon-ist, Terror-ist und Moral-ist. Obwohl in Abschnitt 9.3 .2 nachgewiesen wurde, daß Bildungen wie Sozialist, Humanist, Idealist, Realist und Rationalist aus semantischen Gründen nicht einfach als deadjektivische Derivate, sondern als Ableitungen aus den Basiselementen der entsprechenden abstrakten -/s/Mws-Substantive beschrieben werden sollten, stellen die Basiselemente sozial, human, ideal, real und rational, die hier die Lexeme Sozialismus, Humanismus etc. realisieren, dennoch freie Morpheme dar, weil sie auch außerhalb dieser Derivate existieren und dann als Adjektive zu interpretieren sind. Um gebundene Morpheme handelt es sich ζ. B. bei den Basiselementen der aus Nihilismus, Rassismus, Atheismus, Linguistik, Alchemie und Flöte abgeleiteten Nomina Agentis Nihil-ist, Rass-ist, Athe-ist, Lingu-ist, Alchem-ist und
404
Nomina Agentis
Flöt-ist sowie bei dem Input der deverbalen Derivate Parod-ist, Publiz-ist und Kompon-ist. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß Suffixe im Deutschen gemäß dem Prinzip des gebundenen verbalen W-Modifikators (vgl. Abs. 2.4.2.3) niemals den kompletten Infinitiv selegieren. Auch im Englischen kann -ist trotz seiner phonologischen Neutralität, durch die es sich von seiner deutschen Entsprechung unterscheidet, nicht als Klasse IiAffix beschrieben werden, da eine Reihe von -/.^-Bildungen ebenfalls über gebundene Basiselemente verfugt. In diesem Zusammenhang wären insbesondere die Derivate zu nennen, die Ableitungen aus wissenschaftlichen Substantiven auf -y repräsentieren, ζ. B. botan-ist, biolog-ist, anatom-ist etc. Auch die aus den Verben evangelize, exorcize oder plagiarize abgeleiteten Nomina Agentis evangel-ist, exorc-ist und plagiar-ist sind dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei den Basiselementen nicht um Infinitive, sondern um gebundene Morpheme handelt. Das Suffix -ist sollte somit in beiden Sprachen als Klasse I-Affix beschrieben werden. Im deutschen Lexikon ist es zusätzlich mit dem phonologischen Merkmal [attract primary stress] zu versehen. Das Merkmalbündel von -ist enthält sowohl im Deutschen als auch im Englischen die formalen Merkmale [+ common], [+ count], [+ human], [], [- Germanic] und [3 person]. Die Genusmerkmale [+ masc, - fem] sind jedoch nur für den deutschen Lexikoneintrag relevant. Während einige der zuvor behandelten Suffixe dadurch gekennzeichnet waren, daß sie sowohl innerhalb von Personenbezeichnungen als auch innerhalb von Sachbezeichnungen auftreten können (ζ. B. Fahr-er : Weck-er, Archiv-ar : Formul-ar, mission-ary : bound-ary, particip-ant : lubric-ant etc.), kann das Suffix -ist in beiden Sprachen nicht zur Bildung von Sachbezeichnungen verwendet werden. Aufgrund dieser Eigenschaft ist es Träger des inhärenten formalen Merkmals [+ human], welches die zusätzliche Angabe [+ concrete] redundant werden läßt. Aufgrund der Tatsache, daß -ist sowohl im Deutschen als auch im Englischen nicht nur nominale, sondern auch einige verbale Basiselemente selegiert, ist der Subkategorisierungsrahmen, mit dem sich die folgenden Abschnitte befassen werden, in beiden Sprachen zweiteilig.
9.5.2
Die morpho-syntaktischen Eigenschaften des Inputs
9.5.2.1 Der Subkategorisierungsrahmen im deutschen Lexikon Obwohl das Suffix -ist im Deutschen weitaus weniger verbale als nominale Basiselemente selegiert, lassen sich die Verben, die tatsächlich als Input für -istBildungen dienen, systematisch beschreiben. Es handelt sich hierbei um die Verben telefonieren, moralisieren, parodieren, terrorisieren, publizieren und
Das Suffix -ist im Deutschen und Englischen
405
komponieren, die allesamt die Struktur X-ier-en aufweisen und in den Personenbezeichnungen Telefonist, Moralist, Parodist, Terrorist, Publizist und Komponist vertreten sind (vgl. Abs. 9.3.1). Diese Verben sind dadurch gekennzeichnet, daß sie Lehnwörter darstellen, dynamischen Charakter haben und als Kausativa interpretierbar sind. Zu dem Verb telefonieren ist allerdings anzumerken, daß dieses zunächst nur innerhalb des Nomen Agentis Telefonist eine kausative Interpretation erlaubt, da der Referent dieser Personenbezeichnung die Telefongespräche vermittelt. Nun stellt sich unmittelbar die Frage, ob das deutsche Lexikon zwei semantisch distinkte Varianten des Verbs telefonieren ausweist, von denen nur eine, nämlich die kausative, für die Selektion durch -ist bereitsteht. Da es sich bei dem Vorgang des Telefonierens jedoch generell um ein nicht-kausatives Ereignis handelt, würde die Einführung einer kausativen Variante für -ist das minimalistische Lexikon belasten. Aus diesem Grunde wird hier vorgeschlagen, das Merkmalbündel des Verbs mit dem noch nicht spezifizierten intrinsischen Merkmal [a causative] zu versehen. Da dieses nicht nur im Kontext von -ist, sondern auch im Kontext von -at (telefonieren —» Telefonat, Abs. 14.6.5) einen positiven Wert erhält, wird das Merkmalbündel zusätzlich durch ein entsprechendes Kontextmerkmal ergänzt: (28)
Lexikoneintrag des Verbs telefonieren
orthographic representation:
telefonieren
phonological representation:
/telefoni:ran/
formal features:
+ dynamic α causative [+ causative] /
r/+rst/\ V+a.t / J
< E Liege spülen -> Spüle sägen - » Säge durchreichen Durchreiche etc.
c.
schießen —> Schütze bieten —» Bote nachkommen —» Nachkomme
(6) a.
blaß blau nah breit stark still etc.
-» -» -> —> -» ->
Blässe Bläue Nähe Breite Stärke Stille
427
b. suchen —> Suche lehren —» Lehre einreisen —» Einreise Stellung nehmen -> Stellungnahme etc.
b. hohl -> Höhle sauer —> Säure flach —» Fläche
Bei den unter (5) aufgeführten Bildungen handelt es sich um Nomina Instrumenti (5a), Abstrakta (5b) und Personenbezeichnungen (5c), die allesamt heimische Verben als Basis aufweisen. Unter (6) finden sich diverse Abstrakta und Konkreta, die Ableitungen aus heimischen Adjektiven darstellen. Nun erhebt sich die Frage, ob das in diesen Konstruktionen enthaltene Morphem -e mit dem hier behandelten Suffix -e, welches nicht-heimische Basiselemente der Struktur X-(o)log-ie bzw. X-(o)man-ie selegiert, identisch ist. Fleischer (1992 : 146 - 48) geht in der Tat davon aus, daß es sich hierbei um ein und dasselbe Suffix, nämlich um das heimische Suffix -e, welches sowohl verbale als auch adjektivische und substantivische Basiselemente selegiert, handelt. Diese Entscheidung ist auch unter minimalistischem Aspekt sinnvoll, da zwei Einträge für zwei Suffixe mit gleicher phonologischer Matrix das Lexikon belasten würden. Bei der Postulierung des Lexikoneintrags für -e, der nun unter Einbeziehung der unter (5) und (6) aufgeführten Daten etwas komplexer wird, ist darauf zu achten, daß alle neu hinzutretenden Merkmale und Subkategorisierungseigenschaften sowie etwaige phonologische Verhaltensweisen des Suffixes, die bei alleiniger Betrachtung der hier im Vordergrund stehenden Nomina Agentis verborgen blieben, ebenfalls berücksichtigt werden.
Nomina Agentis
428
10.4.1
Das phonologische Verhalten des Suffixes
Betrachtet man die im vorangegangenen Abschnitt unter (5) und (6) aufgeführten Derivate näher, so stellt man fest, daß -e insbesondere die Vokale seiner adjektivischen Basiselemente umlautet (ζ. B. blaß —> Blässe, blau —> Bläue) und somit über das vortheoretische phonologische Merkmal [+ Umlaut] verfügt. Dieses wird auf PFLI als freischwebendes Autosegment [- back] interpretiert und sorgt für die Überfuhrung der hinteren Basisvokale in vordere. Im Falle der substantivischen Basiselemente des Typs Biolog- bzw. Kleptoman- kann keine Umlautung stattfinden, da die Vokale der entlehnten Wurzeln -log- bzw. -manbereits inhärent mit dem phonologischen Segment [+ back] assoziiert wurden (vgl. diesbzgl. Abs. 3.3.3). Würde man das phonologische Verhalten des Suffixes -e, das über die phonologische Repräsentation / a / verfügt, allein anhand von Ableitungsprozessen des Typs Biologie [biolo'gi:] - » Biologe [bio'lo:ga] bzw. Kleptomanie [kleptoma'ni:] -> Kleptomane [klepto'maina] beschreiben, so gelangte man zu dem Schluß, daß -e grundsätzlich eine Akzentverschiebung an seiner Basis bewirkt. Dieses deskriptiv inadäquate Ergebnis ist jedoch unter Berücksichtigung der im vorangegangenen Abschnitt unter (5) und (6) dargestellten Datenmenge zu relativieren. Bezieht man nämlich diese Daten in die Analyse ein, so stellt man fest, daß sich das Suffix generell phonologisch neutral verhält. Werden heimische Basiselemente selegiert, was in der Regel der Fall ist, so verändert -e das Intonationsmuster seiner Basis nicht, vgl. ζ. B.
(7)
liegen spülen einreisen sauer
[liigan] [ipylan] [ainraizan] [zauar]
Liege Spüle Einreise Säure
t'liga]
ripyte] [amraiza] ['zDYra]
Aufgrund seiner phonologischen Neutralität im Kontext von heimischen Basiselementen sollte das Suffix in jedem Falle als Klasse Π- Affix eingeführt werden. Da -e ganz offensichtlich nur dann eine Akzentverschiebung auslöst, wenn nicht-heimische Basiselemente vorliegen, wird hier vorgeschlagen, eine phonologische Bedingung [base Germanic] ] -> [+ stress shift] zu postulieren, welche dafür sorgt, daß bei Basiselementen der Struktur X-(o)log-ie bzw. X-(o)man-ie der Hauptakzent auf die gebundenen Wurzeln -log- bzw. -man- verlegt wird. Liegt hingegen eine Basis vor, die für [+ Germanic] markiert ist, so bleibt die Akzentverschiebung aus. Die folgende Darstellung zeigt die orthographischen und phonologischen Informationen in ihrer Gesamtheit:
Das deutsche Suffix -e
(8)
10.4.2
429
orthographic representation:
-e
phonological representation:
/# Θ/
phonological feature:
[+ Umlaut]
phonological condition:
[base [.Germanic]] -» [+stress shift]
Das Merkmalbündel
Unter Berücksichtigung der um Abstrakta und Sach- bzw. Instrumentbezeichnungen erweiterten Datenmenge bleiben die Werte fast aller intrinsischer Merkmale des Suffixes -e unspezifiziert. Einen positiven Wert erhält zunächst das Merkmal [common], da es sich bei allen -e-Derivaten um Appellativa handelt. Diese können zählbar oder nicht-zählbar (ζ. B. Biologe, Grube, Liege : Nähe, Bläue, Blässe) bzw. konkret oder abstrakt sein (ζ. B. Kleptomane, Höhle, Durchreiche : Stärke, Schwäche, Suche), so daß die Werte der Merkmale [count] und [concrete] individuell spezifiziert werden müssen. Dies gilt auch für das Merkmal [human]. Während Nomina Agentis wie Biologe, Kleptomane, Bote, Schütze oder Nachkomme fur [+ human] markiert sind, denotieren auf -e endende Abstrakta (ζ. B. Güte, Stärke), Nomina Instrumenti (ζ. B. Pfeife, Picke) oder sonstige Sachbezeichnungen (ζ. B. Höhle, Säure) nicht-belebte Entitäten. Auch die Genusmerkmale erlauben keine allgemeingültige Spezifikation. Während die auf -e endenden Nomina Agentis durchweg für das Maskulinum markiert sind, handelt es sich bei allen anderen -e-Bildungen um Feminina (ζ. B. die Liege, die Einreise, die Stellungnahme, die Höhle, die Blässe etc.). In bezug auf das Merkmal [Germanic] war in Abschnitt 10.4.1 bereits erwähnt worden, daß der überwiegende Anteil der -e-Derivate heimischen Ursprungs ist. Ausnahmen stellen lediglich die Nomina Agentis dar, die Basiselemente der Struktur X-(o)log-ie bzw. X-(o)man-ie aufweisen. Die Existenz dieser Nomina Agentis mit klassischer bzw. neoklassischer Basis ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß -e ein heimisches Suffix und somit Träger des inhärenten Merkmals [+ Germanic] ist. Da das Suffix den Kopf aller -e-Derivate bildet, wird dieses Merkmal durch Perkolation auf das gesamte Derivat übertragen, so daß im Gegensatz zum Englischen auch ein nicht-heimisches Nomen Agentis wie Etymologe unter synchronem Aspekt als heimische Personenbezeichnung erscheint.
Nomina Agentis
430 Deutsch
(9) a.
Etymolog[- Germanic]
b.
-e [+Germanic]
Englisch
CtyillUlUg[- Germanic]
-131 [- Germanic]
10.4.3 Subkategorisierungsrahmen, Mapping und semantisches Merkmal Aufgrund der Tatsache, daß sich das Suffix -e sowohl mit Verben (ζ. B. liegen, spülen) als auch mit Adjektiven (ζ. B. gut, groß) und Substantiven (ζ. B. Biologie, Kleptomanie) kombinieren läßt, ist sein Subkategorisierungsrahmen dreiteilig. Der verbale Teil beinhaltet zunächst die Informationen, daß -e dynamische Verben heimischen Ursprungs selegiert, die externe Argumente lizensieren. (10)
subcategorization frame (verbal part): [+ dynamic, , + Germanic] ] ff (-e)
Ferner kann man beobachten, daß einige deverbale -e-Derivate nicht aus den Wurzeln der Infinitive, sondern aus den abgeläuteten Präteritalstämmen abgeleitet werden (ζ. B. bieten, bot —> Bote, graben, grub —» Grube, steigen, stieg —> Stiege; geben, gab -» Gabe etc.). In diesem Falle handelt es sich bei den Basiselementen um starke Verben. Die flektierten Präteritalstämme4 selegiert -e vermutlich nicht aus den Merkmalbündeln, sondern aus den ebenfalls
Um die Selektion von Präteritalstämmen vorhersagbar zu machen, wurde hier zunächst die Einführung einer Subkategorisierungsbedingung [base [+ strong] ] —> [stem of preterite] erwogen. Diese Überlegung mußte jedoch verworfen werden, denn Bildungen wie Liege (vs. *Lage), Lüge (*Loge), Schmelze (*Schmölze) oder Pfeife (*Pfiffe) beweisen, daß -e im Kontext von starken Verben nicht generell den Präteritalstamm selegiert.
Das deutsche Suffix -e
431
im Lexikon enthaltenen Flexionsparadigmata der entsprechenden Verben (vgl. diesbzgl. Abs. 2.3.2). Für die Bildung von Nomina Agentis des Typs Biologe bzw. Kleptomane ist der nominale Teil des Subkategorisierungsrahmens relevant. Aufgrund der Tatsache, daß die komplexen, von -e selegierten Substantive nicht-zählbare, abstrakte Appellativa fremden Ursprungs darstellen (ζ. B. Biologie, Etymologie, Kleptomanie, Pyromanie), verfugt das Suffix -e über die Subkategorisierungsmerkmale [+ common], [- count], [- concrete] und [- Germanic], Auch die Strukturen der von -e bevorzugten nominalen Basiselemente sind vorhersagbar, denn wie bereits ausgeführt, handelt es sich hierbei stets um klassische bzw. neoklassische Abstrakta des Typs X-(o)log-ie bzw. X-(o)man-ie. (11)
subcategorization frame (nominal part): [+ common, - count, - concrete, bases ofX-(o)log-ie, X-(o)man-ie, - Germanic]
] FF (-e)
Aus dem adjektivischen Teil des Subkategorisierungsrahmens sollte hervorgehen, daß -e zum Zwecke der Bildung abstrakter Substantive graduierbare, heimische Adjektive selegiert (ζ. B. groß, blau, gut, mild, still, tief, stark etc.). Obwohl im Rahmen der bisherigen Suffixstudien noch keine Beschreibung von Adjektiven vorgenommen wurde, da dies in den Aufgabenbereich des dritten Teils der kontrastiven Analyse fallt, soll an dieser Stelle auch der adjektivische Teil des Subkategorisierungsrahmens von -e bereits mit Inhalt gefüllt werden. Auf die konkrete Bedeutung der darin enthaltenen Merkmale wird hier jedoch noch nicht näher eingegangen, da es sich bei den -e-Derivaten mit adjektivischer Basis nicht um Personenbezeichnungen handelt. Eine ausführliche Diskussion adjektivischer Basiselemente wird also erst in den Kapiteln 15 und 16 erfolgen. (12)
subcategorization frame (adjectival part): [+ gradable, , + Germanic] ] FF (-β)
Der nominale Teil des Subkategorisierungsrahmens wird zusätzlich durch das Abbildungsmerkmal [map base [+ common] into Υ11" of a P-Eventuality